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Full text of "Die arktische fischerei der deutschen seestädte 1620-1868"

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In Memory of 
Remington Kellogg 
7 8 nn 


> Mammalogist- ; 
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RI Baleontolsgist Tea 


AN 


DIE 


ARKTISCHE FISCHEREI 


DER 


DEUTSCHEN SEESTÄDTE 


1620 —1868,. 


IN VERGLEICHENDER DARSTELLUNG 


VON 


MORITZ LINDEMAN. 


MIT ZWEI KARTEN VON A. PETERMANN. 


(ERGÄNZUNGSHEFT No. 26 ZU PETERMANN’S „GEOGRAPHISCHEN MITTHEILUNGEN”.) 


REMINGTON KELLOGG 
LIBRARY OF 
MARINE MAMMALOGY 


SMITHSONIAN INS] 


ZUNTHSONI } 


APR 9 6 1993 
LIBRARIE> 

GOTHA: JUSTUS PERTHES. 

1869. 


Ar 


Vorwort. 


Die Eismeere unserer Erde bildeten seit Jahrhunderten eine reiche Quelle des Erwerbes durch den Fang 
der sie bewohnenden Seethiere, besonders des Walfisches und der Robbe; geographische Entdeckungen selbst 
unscheinbarer beschränkter Lokalitäten, wie z. B. Spitzbergen, schufen von Zeit zu Zeit neue wichtige maritime 
Goldländer, aus denen viele Millionen Thaler baaren Gewinnes gewonnen wurden. 

Wie aber das gelbe Metall an manchen seiner Fundorte erschöpft, wie manches werthvolle Objekt der Jagd 
auf dem Festlande, z. B. der Elephant, der Zobel &e., seltener und mit vollständiger Ausrottung bedroht wird, 
so sind auch diese reichen Schätze des Meeres in Folge der schonungslosen Art ihrer Zerstörung durch den 
Menschen an ihren bisherigen Fangplätzen mehr und mehr verringert worden. In wie weit die noch unent- 
deckten weiten Central-Regionen der beiden Pole neue reiche Fundorte jener kostbaren Seethiere bergen, 
bleibt weiteren Entdeckungsreisen darzuthun übrig. Gewiss ist, dass namhafte neue geographische Entdeckungen 
innerhalb der Eismeere wiederholt die kostbarsten neuen Fischgründe nachgewiesen haben, selbst in unserer 
Zeit, so die Fischereien in der Ponds-Bai durch die neueren Englischen arktischen Entdeckungs-Expeditionen, 
die von den Amerikanern entdeckten Fischereien nördlich der Bering-Strasse, die anfänglich, d. h. vor 
20 Jahren, in bloss zwei Jahren den enormen Ertrag von 8.442.453 Dollars gewährten ). 

Trotzdem die bisher ausgebeuteten Grossfischereien der Eismeere allmählich abgenommen haben, umfasst 
die Walfischfänger-Flotte der Nordamerikaner am 1. Januar 1369 immer noch die bedeutende Zahl von 336 Schiffen, 
und der Walfischfang zählt bei dieser unternehmenden und seetüchtigen Nation noch immer zu den allereinträg- 
lichsten Gewerben, die es giebt, trotz Californischer Goldfelder und Mexikanischer Silbergruben. 

Aber der direkte Ertrag und die wirthschaftliche Bedeutung der Eismeer-Fischereien ist vielleicht noch 
ihre weniger wichtige Seite. Ihr Einfluss auf die Ausbildung und Hebung der Schifffahrt und der Seetüchtig- 
keit ist bei den seefahrenden und seemächtigen Nationen von der allergrössten Wichtigkeit gewesen. 

„Wer”, so sagt ein geistreicher Schriftsteller 2), „hat für die Menschen die grossen Wasserstrassen auf- 
gethan, wer mit Einem Wort den Erdball erkundet? Der Walfisch und der Walfischfänger. Und das Alles 
lange vor Columbus und den berüchtigten Goldsuchern, die unter grossem Geschrei wieder fanden, was die 
Fischer lange vorher schon gefunden hatten. Die Fahrt über den Ocean, die man im 15. Jahrhundert so hoch 
feierte, war über die Meerenge zwischen Island und Grönland schon oft zurückgelegt worden, ja man hatte die 
ganze Breite durchmessen, denn Basken kamen bis Neu-Fundland. Es waren Walfischfänger, die bis zum Ende 
der Welt drangen, bis in die Nordmeere. Wer das wagte, den liessen die gewöhnlichen Gefahren des Meeres 
ziemlich kalt. Edler Krieg, herrliche Schule des Muthes! Der Walfischfang war damals nicht eine leichte 
Metzelei mit aus der Ferne wirkenden Maschinen. Man rückte dem Feind auf den Leib, setzte Leben gegen 
Leben. Man tödtete nicht viele Walfische, aber man gewann unendlich an Seetüchtigkeit, Geduld, Schlauheit, 


1) $. Geogr. Mitth. 1869, 8. 37. 
2) Michelet, Das Meer, Deutsch von F. Spielhagen. Leipzig, Weber 1861, S. 209. 


VI = 


Unerschrockenheit. Man brachte weniger Thran, aber desto mehr Ruhm zurück. Man verdankt daher den 
Walfischen sehr viel; ohne sie hätten sich die Fischer stets an der Küste gehalten, denn beinahe alle Fische 
sind Küstenbewohner. Der Walfisch emancipirte den Fischer, führte ihn überall hin.” j 

Es gab bisher noch keine gründliche und erschöpfende Geschichte der Eismeer-Fischereien von ihren An- 
füngen bis auf die Gegenwart. Angesichts des neu angeregten Interesses für den nordpolaren Theil unserer Erde 
hat mein Freund Moritz Lindeman mit grossem Fleiss zahllose publieirte und unpublieirte Dokumente studirt, 
ganze Archive in unseren Seestädten durchsucht, mit heutigen Walfischfahrern correspondirt und verkehrt, und 
Alles aufgeboten, um eine werthvolle Arbeit wie die vorliegende zu liefern, die in Bezug auf den Deutschen 
Antheil an diesen Unternehmungen zum ersten Male eine ausführliche und genaue Darstellung giebt und auch 
von dem Theile berichtet, den andere Nationen daran haben. Es führt uns diese Arbeit gleichzeitig über die 
ganze Entwickelungsperiode der Seefahrt und Seemacht aller Kulturvölker der Erde, und wenn die jetzige Ge- 
neration zu neuer Thatkraft in dieser maritimen Richtung erwacht, bietet uns die vorliegende Schrift ein will- 
kommenes Hülfsmittel, um einen Rückblick zu werfen auf alles das, was unsere Vorväter gethan haben. 

Seien wir Deutsche stolz darauf, dass endlich auch wieder, nach Jahrhunderte langer Pause, Deutschland 
ernsthafte Anstrengungen zu machen bereit ist, um wieder in die so lange verlorene Stellung zur See in der 
Reihe anderer viel weniger mächtigen und wohlhabenden Kulturstaaten einzutreten. Wie Entdeckungsreisen und 
ihre Ergebnisse stets die wichtigsten Pioniere der Kultur, Macht und Weltstellung der Nationen gewesen sind, 
so ist zu hoffen, dass die Deutschen Nordpolar-Expeditionen dazu beitragen werden, Deutschland die ihm ge- 
bührende Stellung zur See wieder zu erringen. . 

Dazu brauchen wir vor Allem richtig geschulte, kühne, durchwetterte Seeleute, wie sie die Engländer, 
Nordamerikaner, Holländer u. a. aus ihren Grossfischereien und Forschungs-Expeditionen im Eise gewannen. 
Panzerschiffte und Kanonen allein thun es nicht, und Eisenherzen hinter hölzernen Wällen sind besser als Hasen- 
herzen hinter eisernen Wällen. 


Gotha, 24 Mai 1869. 
A. Petermann. 


INHALT. 


Einleitung. 

Allgemeine wirthschaftliche und ie Bedeutung der grossen 
Fischerei B 

Ursachen des Zurückbleibens unserer grossen Fischerei hinter 
derjenigen anderer Völker . > 

Energische und ausdauernde Leistungen der Hansestädte 


I. Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor 
der Entdeckung Spitzbergens. 
Allgemeiner Überblick 
Hervorragender Antheil der Deutschen Häfen a an der arktischen 
Fischerei 
Vorgeschichte des Walfischfanges; 
Walthiere in früheren Zeiten 
Die Islandsfahrten der Hanseaten . 
Verbot der Deutschen Islandsfahrten 


südlicheres Vorkommen der 


ll. Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahr- 
hundert. 

Erste Englische und Holländische Fischer -Expeditionen nach 
Spitzbergen 

Streitigkeiten zwischen den Englischen und Holländischen 
Fischern bei Spitzbergen 3 

Bildung von Fischerei- -Kompagnien® in England und Holland B 

Energisches Vorgehen Holländischer Seestädte in der Ausbeu- 
tung der neuen Fischerei 0 a . : 

Errichtung der Noordschen Maatschappy 

Die Dänen erscheinen bei Spitzbergen 

Vertheilung Spitzberger Häfen an die verschiedenen Nationen 

Smeerenburg, die Holländische Fischerkolonie : P 

Ergiebigkeit der Fischerei in der ersten Zeit 

Älteste Spuren von Grönlandsfahrten der Bremer . 

Gesandtschaft Bremen’s nach Kopenhagen 

Muthmasslieher Anfang der Bremer Grönlandsfahrten um 16 25; 
aktenmässiger Nachweis derselben aus dem Jahre 1674 

Einzelheiten über die ältere Bremer Grönlandsfahrt 

Das Grönländische Recht der Holländer; Annahme desselben 
Seitens der Deutschen Seestädte 5 

Älteste Grönlands-Fischerei Hamburg’s . 

Die Schoonenfahrer-Gesellschaft e 

Verzeichniss der Hamburger Walfischtahrer 1669 bis 1698 

Martens, des Hamburger Schiffsbarbiers, Grönlandsfahrt im 
Jahre 1671, von ihm selbst erzählt z 5 a 

Martens’ Schilderung von are 

Smeerenburg . 3 

Fischreviere . 

Früheste Art und Weise des Fischereibetriebes; die Baienfscherei 

Die Eisfischerei A a 2 

Grösse und Ausrüstung der Fahrzeuge 

Verriehtungen und Gebräuche beim Fang 

Der Prozess des Flenssens und Abmachens des Fisches. 

Versuche der Überwinterung von Walfischjägern auf Jan Mayen 
und Spitzbergen 

Überwinterungsgeschichte von "acht Mann des Londoner Schiffes 
„Salutation”, 1630/31 

Überwinterung Niederländischer Freiwilliger auf Spitzbergen, 
1633/34 5 R 2 n E 


Die weiteren Unternehmungen bis zum I9. Jahrhundert. 

Blüthezeit des Niederländischen Walfischfanges; Schiffsverluste 

Rückgang der Holländischen Grönlands-Fischerei 

Die Gross-Britannischen Fischereien 

Reformen im Englischen 'Fischereibetrieb, hervorgerufen durch 
einen Deutschen Kaufmann . : : : 2 

Die Südsee-Kompagnie . . 

Beginn der Fischerfahrten nach der Davis- Strasse . 

Züge der Holländischen Fahrzeuge in der Davis-Strasse 

Tauschhandel der Holländer mit den Grönländern . 

Verbot der Grönlands-Fahrten an die Hansestädte durch König 
Christian V. von Dänemark : . 

Ohnmacht der Hansestädte diesem Verbot gegenüber 


Seite 


- 


Dow 


27 


Hamburg ruft Schwedens Vermittelung an 

Vertrag zwischen Gross-Britannien, Frankreich und den Nieder- 
landen 3 

Selbsthülfe der Hansestädte durch Konvoyirung der "Grönlands- 
Fahrten mit eigenen Kriegsschiffen A 

Näheres über die Hamburger und Bremer Konvoyer 

Siegreiches Seetreffen des Hamburger Konvoyers „Leopoldus 
Primus” s 

Genaue Nachrichten über die Bremer Grönlands- Fischerei 

Bremer Kommandeure, Rheder, Schiffe in älterer Zeit 2 

Die Föhringer in Englischen und Holländischen Diensten auf 
der Grönlandsfahrt 5 

Die Walfischjäger von der Unterweser-Gegend 

Holländische Gebräuche und Einrichtungen auf den hansea- 
tischen Grönlandsfahrern 

Schiffsbau in Bremen am Ende des 17. Jahrhunderts 

Holländische Seeberichte aus Grönland . 

Schiffbrüche von Hamburger und Holländischen Fischerfahr- 
zeugen an der Küste von Ost-Grönland 1777 . 

Berieht dreier Matrosen von der Unterweser über den Schif- 
bruch der ‚„Wilhelmina” 

Sie trieben von der Gale Hamkes Bai zum Theil auf Eisfeldern 
bis herab nach Kap Farewell 

Auf dem Eise bei Staatenhoek 

Trennung der ie 

Land in "Sicht > 

Landung der Schiffbrüchigen in Grönland 

Gute Aufnahme bei den Grönländern 

Mittheilungen über Sitten und Lebensweise der Grönländer 

Fahrt nach Godhaab 

Weiterreise nach Zuyker Toppen und Holsteinborg o 

Die Schiffbrüchigen nehmen Dienste auf einem Dänischen Fahr- 
zeug . A 

Rückkehr über Kopenhagen und Amsterdam in die Heimath > 

Bericht über die Reise des Hamburger Walfischfängers „Frau 
Elisabeth” 1769 

Fahrt und Abenteuer des Hamburger Schiffes „Sara Cecilia” 177 7 

Verschiedene Grönländer Schiffs-Nachrichten ö - 5 

Aus alten Schiffs-Journalen von Grönlandsfahrern . 

Terminologie der Grönlandsfahrer in Bezug auf Eis und Wetter 

Walfischfangs-Poesie der Deutschen, Holländer und Amerikaner 

Grönländisches Recht und Fischerei-Usancen . L . 

Erörterungen über die Rentabilität der Fischerei 

Grönlands-Unternehmungen der Bremer von Bergen aus. 

Das Englische Prämiensystem 6 

Vergleichende Daten über die Fischereien Englands, Hollands 
und der Deutschen Häfen im vorigen Jahrhundert 

Hamburg’s Unternehmungen 5 

Die Dänische Fischerei im 18. Jahrhundert 

Zerstörende Wirkungen der Seekriege zu Ende des 18. und 
Anfang des 19. Jahrhunderts auf die Grönlands-Fischerei . 

Die Deutschen Grönlandsfahrten hören in der sogenannten 
Französischen Zeit ganz uf . 

Hannoyer’sche Fischerei- Unternehmungen: Emden, die Unter- 
weser-Gegend und Stade R x 2 

Grönlandsreise des Sachsen Fr. 

Die Britische Fischerei . 

Aufschwung der Deutschen Fischerei nach dem Sturz der Fran- 
zösischen Herrschaft . 

Vergleichende Statistik der Britischen Fischerei 1830 bis 1868 

Rückgang der Fischerei: Einzelheiten aus dieser Zeit f 


. Köhler 1801 


IV. Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und 


Spitzbergen und in der Davis-Strasse. Die Deutschen 
Fischerei-Unternehmungen im Grossen Ocean (,Südsee”), 
in der Bai von Ochotsk und in der Bering- -Strasse. 
Gegenstände des jetzigen Fischfanges in den arktischen Meeren 
Europa’s: der Grönländische Walfisch und andere en, 
der Eisbär, das Walross und der Seehund. 
Die Jagd auf Eisbären . 
Das Walross und seine Jagd durch die Grönlandsfahrer 


Seite 


67 


71 


vI 


Seite | Seite 
Schiffe von der Weser auf der Walrossjagd bei Spitzbergen . 71 | Die Whalerflotten . 99 
Chancen des Fischfanges je nach Eis- und Witterungsverhältnissen 71 Umfang und Werth der een en! "Walfischerei 99 
Scoresby und Gray über Eis und Fischreviere in verschiedenen | Südseefischerei Englands und Frankreichs. Prämien 99 
Jahren Ta Deutsche Südsee-Fischerei 100 
Die Oldenburgischen Fischerei- Unternehmungen. Allgemeines . 75 Erschwerung der Deutschen Fischerei durch fremde Zölle 100 
Verschiedene kleinere Unternehmungen . - : 75 Ditterenzielle Behandlung Deutscher Schiffe bei Einfuhr des 
Die Stedinger Kompagnie 75 angebrachten Segens in den Zollverein 101 
Auszüge aus Schiffsjournalen von 1846 . 76 Die Beseitigung der Zölle für die Einfuhr der Erzeugnisse der 
Bedrohung der Fischerei durch den Krieg mit Denemark 1848/49 Tore von Bremen, Hamburg und Altona ‚betriebenen Gross- 
Aufnahme schiffbrüchiger Grönlandsfahrer und Verfahren der | fischerei Seitens des Deutschen Zollvereins in Aussicht 101 
Englischen und einer Deutschen Regierung in solchem Falle 76 | Deutsche Fischerfahrten nach der Südsee 101 
Glänzendes Ergebniss von 1853 ; 77 Das Bremer Pionierschiff „Virginia” . 102 
Auflösung der Gesellschaft 77 Mittheilungen Deutscher Walfischfänger über ihre Reisen 1864 
Die Bemannung der Grönlandsfahrer . 77 bis. 1867 } 103 
Die Abfindungsweise der gesammten Bemannung - Tu Bau und Einrichtung Deutscher Südseefahrer n 104 
Der Robbenschlag: Überblick ; Hamburg, Altona, Glückstadt, | Art und Weise des Fischereibetriebes in der Südsee. Beman- 
Elmshorn; die Weserhäfen . | ‚nung, Boote, Antheil ä 104 
Jetzige Einrichtungen, Sitten und Gebränche an "Bord, eines Die Fischereigeräthe 105 
Bremer Grönlandsfahrers Ber Amerikanisches Fischrecht . 2 105 
1. Der „Speckschneider” des "Hudson? 78 | Glänzende Whalerkreuze im Ochotsk- Meara 1854 3 108 
2. Die Mannschaft . 79 Erläuterungen zu den Anlagen 106 
3. Bau und Einrichtung "des udson” Er die Risfahrt | Rückblick and Schlusswort 107 
und die Fischerei >. | Anlagen 
3 : nn un: a8 A. 1. Ergebnisse der Hamburger Grönlands-Fischerei in den 
6. Wachen so Jahren 1669, 1678, 1689 . Q 108 
Segen des „„Hudson” so A. 2. Übersicht über die Zahl der Schitfe und den Ertrag der 
Zeit und Ort ) 81 Karen von Hamburg und Bremen in der Zeit von 1700 Fn 
is 17 
en „der Robbenschlag Ss A. 3. Nordische Fischerei von Gross- -Britannien, Holland und 
Die verschiedenen Robbenarten 82 den Norddeutschen Häfen in Bezug auf die Zahl der Schiffe, 
Die Wanderungen der Robben und andere Einzelheiten . 83 Schiffsverluste und Erträge in den Jahren 1670 bis 1799 . 111 
Wechselnde Lage der Robbenküste je nach der 229 des Rises, | A. 4. Übersicht über den von der Weser aus betriebenen 
den Winden Tal Strömungen 2 83 | Fischfang im Grönländischen Meere und in der Davis-Strasse 
Walfischfang des „Hudson’ ; Besuch Dei Kapitin Westermeyer | von 1695 bis 1868 111 
und Mittheilungen Aaalın N 84 A. 5. Grönlands-Fischerei von Altona und Glückstadt in den 
Norwegens arktische Fischerei 86 Jahren 1750/1789 bis 1815/1854 . 111 
Der Norwegische Robbenfang bei Jan Mayen. 86 A. 6. Total- -Einfuhr von Thran , Robbenfellen und Walfisch- 
Ergebnisse der Walross- und Seehunds- -Jagden der Norweger barten in Hamburg in den Jahren 1864 bis 1868 . 111 
bei Spitzbergen in der neuesten Zeit. 87 A. 7. Einfuhr von Thran in Bremen 1864/68 nach Quantum 
Umfahrung Spitzbergens durch einen Norwegischen Walrossjäger 88 in Tonnen und Werth in L.-Thlr. . 112 
Von Dänemark aus betriebene arktische Fischerei . : 88 A. 8. Einfuhr von Walfischbarten in Bremen 1864/68. nach 
Versuch von Amerikanern, in Island einen Walfischereibetrieb Pfund Netto-Gewicht und Werth im L.-Thlr. . . 112 
zu begründen 89 B. 1. Übersicht überdie Brutto-Erträge des Walfischfanges von 
Schottische Fischerei in ranland nd Ar Das Seh 89 Schiffen der Vereinigten Staaten in den Jahren 1849 bis 1868 112 
Schwierigkeiten der Fischerei in der Davis - Strasse 90 B. 2. Schiffe unter Amerikanischer Flagge, die am 1. Januar 
Katastrophe im Jahre 1830 in der Melville-Bai 91 1869 im Walfischfang beschäftigt waren 112 
Fischerei der Amerikaner in der Hudson-Bai und Cumberland- B. 3. Schiffe und Segen der Französischen Walfischerei 113 
Strasse 93 B. 4. Resultate der in der Periode 1836 bis 1859 von der 
Weser nach dem Grossen Ocean &e. ausgerüsteten Schiffe . 113 
V. Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlan- B. 5. Brutto-Erträge dreier Deutscher Südseefahrer in den 
tischen Ocean und in den arktischen Gewässern Asiens Jahren 1861 bis 1868 F . . 113 
und Amerika’s, C. Musterrolle .113 
Hervorragender Antheil der Nord-Amerikaner an dieser Fischerei 92 D. Schreiben des Büchsenfabrikanten Cordes. in Bremerkisven 
Briefliche Mittheilung des Herrn M. E. Pechuel über seine Er- in Betreff der verbesserten Schiessharpune und Bomben- 
fahrungen in Bezug auf den Fischfang in der Südsee und | lanze.. s . 115 
Bering-Strasse e 92 E. Mittheilung über Thranbereitung und Thranhandel, so wie 
Allgemeines 93 über den Handel und die Fabrikation von Walfischbarten ll 
Das Blasen der Wale 93 F. Gebiete des Walfischfanges im Atlantischen, Grossen und 
Die Wal-Arten 94 Indischen Ocean, so wie in dem arktischen Meere. 
Der Potwal 94 I. Der right whale und bow-head A Balaena 
Grosse Potwale 95 mysticetus) . E a . 117 
Gefahren und Abenteuer bei der Fischerei 95 | II. Der Spermwal . 117 
Der right whale und der bow-head oz III. Der Hump-back (Buckelwal) : ; i . 118 
Mittheilungen eines Amerikanischen Whalers, Captain Seabury | IV. Der Greyback (Kalifornischer Wal, Rupsack, Stinker, 
von New Bedford, vom 1. Februar 1869" 97 | Teufelsfisch) . 118 
ee Rückblick auf den Nord- Amerikanischen Wal- | Erfrischungs- und resp. Abladehäfen Amerikanischer Whaler. 118 
schlang x 98 | 
Karten. 


Tafel 1. Nordpolarkarte zur Übersicht einiger geschichtlichen Momente und der jetzigen Hauptplätze der Grossfischereien (Walfischfang und Robben- 
schlag). Von A. Petermann. Maassstab 1:40.000.000. 


Tafel 2. Karte des Europäischen Nordmeeres zur Übersicht der Geschichte und des jetzigen Standes der Grossfischereien (Walfischfang und Robben- 
schlag). Von A. Petermann. Maassstab 1: 10.000.000. 


Carton: Specialkarte des nordwestlichen ‚Theiles von Spitzbergen, Maassstab 1: 500.000. 


DT > 


Einleitung. 


Allgemeine wirthschaftliche und politische Bedeutung der 
grossen Fischerei. — Von je her ist das Gewerbe des See- 
fischfangs, besonders die sogenannte grosse Fischerei, nächst 
ihrer wirthschaftlichen Bedeutung, als ein wirksamer Hebel 
der Seemacht eines Volkes betrachtet worden. Die Rechte auf 
Fischreviere wurden deshalb von den Regierungen und Völ- 
kern immer hoch gehalten, sie waren zuweilen Gegenstand 
ernster Zerwürfnisse. In älterer Zeit hielt es z. B. die 
Hansa der Opfer werth, wegen ihres Anspruchs auf die Fi- 
scherei an der Jütischen Westküste einen Krieg zu füh- 
ren, und die Streitigkeiten wegen der Fischerei auf den 
Bänken von New Foundland 
kannt genug. Die Ausübung der Seefischerei ist ja, wie oft 
betont, ein treffliches Mittel, ein Volk auf der See heimisch zu 
machen. 
bei den Seenationen auf vielfache Weise von Staats wegen 
begünstigt worden. 


in der neueren Zeit sind be- 


Dieses Gewerbe ist denn auch zu diesem Zwecke 


Die Unterstützung der Fischerei durch 
Prämien, die in irgend welcher Form jedem dabei bethei- 
listen Fahrzeug aus der Staatskasse bewilligt werden, muss, 
vom wirthschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, verwerf- 
lich erscheinen. Frankreichs Kabeljaufischerei auf den Bän- 
ken und in den Baien von New Foundland z. B. besteht 
nur noch durch die Prämien, welche die Regierung den da- 
bei beschäftigten Schiffen gewährt, und ist in so fern ein 
wirthschaftlich ungesunder, ein künstlich aufrecht erhaltener 
Betrieb. Diese im Betrage von !/,s Million Thaler jährlich 
gezahlten Prämien sichern aber der Regierung für den Fall 
eines Seekrieges etwa 10.000 seegewohnte Matrosen. Im 
Blick auf nationale Seewehrfähigkeit erscheinen also sol- 
che, auch von England bezüglich der arktischen Fischerei 
in grossem Maassstabe ergriffenen und lange Zeit fortgesetz- 
ten Maassregeln in einem ganz anderen Lichte. 

Ursachen des Zurückbleibens unserer grossen Fischerei hin- 
ter derjenigen anderer Völker. — Uns Deutschen war bei 
unserer nationalen Zerrissenheit von vorn herein eine der- 
Der 
von Friedrich dem Grossen der Emder Häringsfischerei am 
31. Juli 1769 gewährte Octroi ist ein vereinzeltes Beispiel 
von einem Versuche ähnlicher Art für Preussen, ein an un- 
rechter Stelle und auf verkehrte Weise angewandtes Kraft- 
mittel, das sein Ziel verfehlte. Den Hansestädten lag es fast 

Lindeman, die arktisc* s Fischerei der Deutschen Seestädte. 


artige Unterstützung der grossen Fischerei verwehrt. 


allein ob, den wichtigen Erwerbszweig der Grossfischerei von 
Deutschen Küsten aus zu pflegen. Sie haben es Jahrhun- 
derte lang gethan und es gab Zeiten, wo der Walfischfang 
von Hamburg allein bedeutender war als der von England 
und Schottland zusammengenommen. Auf den unermesslich 
ergiebigen Fischgründen New Foundlands vermochten frei- 
lich Deutsche Schiffe keine Rechte zu erlangen. Von Is- 
lands fischreichen Küsten wurden sie durch Machtspruch des 
Königs von Dänemark schon frühe vertrieben. Die Kraft 
der Hansa war dahin, als die Fischgründe New Foundlands 
durch Frankreich und England ausgebeutet wurden. Deutsch- 
land hatte keine Kriegsflotten, keine Kolonien, auf welche 
sich die Fischereien jener Nationen stützten. Das Material 
freilich für den Seefischereibetrieb war auch an den Deut- 
schen Küsten, vornehmlich in der seegewohnten Bevölke- 
rung Östfrieslands und der Inseln an der Deutschen Nord- 
seeküste bis Schleswig hin, gegeben, wenn auch spärlicher 
wie an der Normannischen Felsenküste, der Bai von Bis- 
Die Holländer, Briten 
Deutsche Material 


caya und den Britischen Inseln. 
und Dänen nützten dieses in ihrem 
Dienste weidlich aus. 

In der Zersplitterung und Ohnmacht des Deutschen Staats- 
wesens, welche, in frühen Zeiten vorbereitet, zuletzt in dem 
ehemaligen Deutschen Bunde gesetzliche Sanktion genoss, lag 
also eine der Ursachen, weshalb überhaupt unsere Küsten-, 
unsere Marine-Interessen nicht die Würdigung und Geltung 
Andere Motive des Zu- 
rückbleibens Deutschlands in seiner maritimen Entwicke- 
lung waren z. B. die einem leichten Seeverkehr vielfach 
ungünstige Beschaffenheit des Litorals, die geringen Vor- 


erlangten, welche ihnen gebührt. 


theile, welche gerade an der Nordsee die zwischen dem 
Küstensaum und den inneren Landestheilen sich erstrecken- 
den Haiden,. Sand- und Moorstrecken für Besiedelung durch 
grössere Volksmengen und einen städtisch-industriellen Ver- 
kehr boten. 
dem fruchtbaren, aber niedrigen Schwemmboden des Stran- 


Die spärliche Bevölkerung, welche sich auf 


des und der Flussmündungen des Deutschen Meeres an- 

baute, musste Habe und Leben vor dem Meere als ihrem 

Feinde hinter hohen Wällen schützen und von selbst er- 

zeugte sich in ihr ein kontinental-agrarischer Sinn, während 

der Ansiedler der unwirthlichen Kalk- und Kreidefelsen, 
1 


9 Einleitung. 


welche die Küsten Englands besäumen, von Haus aus auf 
„die grüne Weide der See” angewiesen war und auf den 
Salzwogen gleichsam heimisch wurde. 

Jenes politische Hemmniss ist jetzt glücklich beseitigt, 
noch aber fehlt viel dazu, dass Küste und Binnenland in 
ihrer gegenseitigen Wechselwirkung sich verstehen, dass der 
grosse Beruf, welchen die Seestädte für die Nation nach 
dem völkerverbindenden Meere hin zu erfüllen haben, er- 
kannt und als ein gemeinsam von allen Gliedern des Va- 
terlandes zu fördernder aufgefasst werde. 

Das erheischt noch eine längere Arbeit, zu welcher viel- 
leicht ein kleiner Beitrag geliefert werden mag, wenn die 
Geschichte einer von Deutschen Nordseestädten und vor- 
zugsweise von den Hansestädten erfassten und durch Jahr- 
hunderte mit zäher Energie fortgesetzten Marine-Unterneh- 
mung erzählt, ihr Zusammenhang mit dem Handels- und 
selbst dem politischen Leben früherer Zeit beleuchtet und 
auf diese Weise, wenigstens von Einer Seite her, ein Blick 
in den Werdeprozess Nord - Deutscher Seehandels-Emporien 
eröffnet wird. 

Energische und ausdauernde Leistungen der. Hansestädte. 
— Über dem Eingang des heutigen, um die Mitte des 
17. Jahrhunderts erbauten „Hauses Seefahrt” in Bremen 
lesen wir die merkwürdigen Worte: ‚Navigare necesse est, 
vivere non est necesse”. Dieser Spruch, den zuerst der Römer 
Pompejus gebraucht haben soll, als es sich darum handelte, 
dem hungernden Rom von Afrika Getreide zuzuführen und 
die Schiffer bei drohendem Seesturme zögerten abzusegeln, 
lässt eine doppelte Auslegung zu. 


Nayvigare necesse est, die Schifffahrt ist nothwendig, 
wenn auch Stürme und Sturzsee’n, Riffe und Klippen Leib 
und Leben .des kühnen Seglers bedrohen, sie ist nothwen- 
dig trotz der Schutzlosigkeit unserer Seeschiffe gegenüber 
der Gefahr, welche ihnen durch die kriegerische Willkür 
der seemächtigen Nationen Europa’s drohte, und, fügen wir 
hinzu, trotz der Vortheile und Begünstigungen, welche die 
Flaggen anderer Nationen durch ihre staatlichen Organe 
genossen und wodurch eben unsere Schiffe im friedlichen 
Wettkampfe des Erwerbes durch die Seefahrt zurückgesetzt 
oder gar davon ausgeschlossen wurden. 

Mit aller der List und Kraft, welche bei Concentration 
auf Einem Punkt dem Kleinen und Schwachen Flügel und 
stählerne Muskeln verleihen, haben die Hansestädte jenes 
Wort aus eimer glanzvollen Jugend durch Jahrhunderte na- 
tionaler Ohnmacht bis auf die Gegenwart in ihrem Leben 
und Streben verwirklicht. Eine andere bessere Zeit ist jetzt 
für das Deutsche Seewesen angebrochen: die Abzeichen der 
einzelnen Staaten und Städte sind von der Gaffel unserer 
Kauffahrer verschwunden, die schwarz-weiss-rothe Flagge 
zeigt Deutschland zur See. 

Die nachfolgenden Blätter werden durch vergleichende 
Darstellung auch zeigen, mit welcher Thatkraft und un- 
verwüstlichen Ausdauer ein stammyerwandtes Volk, die Hol- 
länder, gerade kurz nach seiner schwer erkämpften nationa- 
len Einigung in schwierigen Marine-Unternehmungen auf- 
treten konnte. Möge diess Vorbild in uns, die wir in einer 
ähnlichen Entwickelungsperiode stehen, Nacheiferung er- 
wecken. 


I. Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens. 


Allgemeiner Überblick. — Das Thema dieser Betrach- 
tung, die arktischen Fiseherfahrten der Deutschen in den 
letzten Jahrhunderten, knüpft zugleich an ein unmittelbares 
Tagesinteresse an. In Folge der zur Ausführung gebrachten 
ersten Deutschen Nordpolar-Expedition und während der Vor- 
bereitung der zweiten grösseren hat sich das öffentliche 
Interesse wiederum in erhöhtem Maasse auf die Europäi- 
schen Polarländer gelenkt, auf jene einsame erhabene Welt 
der Gletscher- und Eisregionen, welche die Natur fast un- 
nahbar machte. In der vorgeschichtlichen Zeit erscheint je- 
ner geheimnissyolle Strich unseres Erdballs, umhüllt von 
dem Schleier der Nacht und des Nebels, als der Sitz ge- 
waltiger Götter, über deren Thun uns die Mythe phantasie- 
reicher nordischer Völker in einem reich sprudelnden poe- 
tischen Schatze eine Fülle bedeutsamer Bilder vorführt. 
Allmählich wird der Schleier gelüftet, der kühne Normanne, 
der Pionier der Seefahrt, bricht sich auch im hohen Nor- 


den durch Stürme und Eis mit seinem gebrechlichen Fahr- 
zeuge Bahnen; ihm folgt der verwegene Baske. 

Inzwischen hat sich durch Erfindungen und Entdeckun- 
gen der maritime Unternehmungsgeist der Nationen gewaltig 
gehoben. Die Holländer und Engländer lenken zuerst unter 
den modernen seefahrenden Nationen den Kiel ihrer un- 
behülflich gebauten Schiffe nördlich hinaus über die ultima 
Thule, Island. Küsten, Inseln werden entdeckt, es verbrei- 
tet sich die Kunde von dem fabelhaften Fischreichthume 
der neu entdeckten Gewässer, und nun folgt bald den Spuren 
der Pfadfinder eine Flotte von Fischerfahrzeugen, begierig 
nach der Beute, welche der Fischreichthum der Baien um 
Spitzbergen ihnen bietet. Jene öden Gestade wurden, kaum 
25 Jahre nach ihrer Entdeckung durch die nach einer Nord- 
ostdurchfahrt forschenden Holländischen Seefahrer Barents, 
Jan Corneliszoon de Rijp und Jakob van Heemskerk, zu 
einem maritimen Goldlande und schauten ein reges Men- 


Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens. 3 


schenleben. Kolonien wurden gegründet und längere Zeit 
hindurch, wenn auch immer nur auf wenige Sommermonate, 
bewohnt. Zahllose Fahrzeuge durchkreuzen die Baien und 
Küstengewässer auf der Jagd nach dem Walfisch und in 
stolzen Flotten wird die reiche Beute alljährlich nach den 
heimischen Ufern geführt. 

Bald aber weicht der Fischer von der Küste, er muss, 
um seine Beute aufzusuchen, in gefahryoller Fahrt sich 
mitten in die schwimmenden Eisfelder hinein wagen. End- 
lich lohnen auch diese schwierigen und an Opfern reichen 
Unternehmungen den rechnenden Kaufleuten Englands und 
Hollands kaum mehr. Nur die Wissenschaft entsendet noch 
von Zeit zu Zeit hingebungsvolle Jünger, die den Gefah- 
ren der stürmischen See und des Klima’s trotzen um des 
edleren Zweckes willen, geistige Schätze heimzubringen, 
oder Neugier, nach pikantem Unterhaltungs- und Schil- 
derungsstoff verlangend, wagt sich bisin die hohen Breiten 
von Spitzbergen hinauf. So viele Geheimnisse aber auch 
der Natur entrissen werden, neue Räthsel tauchen immer 
wieder auf und das ersehnte Ziel, der Nordpol, ist noch 
unerreicht. 

Die Geschichte der grossen Fischerei in Europa, insbeson- 
dere derjenigen in den nordischen Gewässern, ist bis jetzt 
noch nicht genügend erforscht und namentlich ist der An- 
theil, welchen Deutsche Häfen daran genommen haben, nicht 
in dem Maasse, wie er es werth ist, bekannt. Gerade jetzt 
scheint, wie bemerkt, der Zeitpunkt günstig, hierauf näher 
einzugehen. Eine journalistische Arbeit führte mich zu wei- 
teren Studien darüber, wobei ich von mehreren Seiten auf 
das Freundlichste unterstützt und aufgemuntert wurde. Die 
Resultate dieser Studien habe ich im Nachfolgenden nieder- 
gelegt. Die Arbeit wird noch in manchem Stücke unvoll- 
ständig erscheinen, indessen wollte ich sie aus verschiede- 
nen Gründen jetzt in die Öffentlichkeit treten lassen. Viel- 
leicht mag sie später fortgeführt und auf verwandte Ge- 
biete ausgedehnt werden. 

Hervorragender Antheil der Deutschen Häfen an der arkti- 
schen Fischerei. — Für Hamburg und Bremen hat der Gegen- 
stand ein besonderes Interesse. Sind-doch gerade die Gestade 
Grönlands und der zahlreichen Felseilande des Nordmeeres ein 
Schauplatz ihres maritimen Unternehmungsgeistes, die Scene 
ihres seemännischen Wagens gewesen. Schon im 13. und 14. 
Jahrhundert führte, wie angedeutet, die Hansa mit Däne- 
mark siegreiche Kriege wegen der Aufrechterhaltung ihrer 
Fischerei am Lijmfjord und überhaupt an den Jütischen Kü- 
sten. Es sind die Hansestädte Hamburg und bald darauf 
Bremen, welche im Norden den beiden ersten seefahrenden 
Nationen des 17. Jahrhunderts, den Engländern und Hol- 
ländern, fast auf dem Fusse folgen. Zwar werden sie nicht 
durch die Macht einer Regierung beschützt, welche die Ein- 


fuhr von Fischerei-Erzeugnissen anderer Länder verbietet oder 
erschwert, welche ihren Unterthanen verwehrt, auf anderen 
als den nationalen Fischerfahrzeugen zu dienen, während 
Deutsche Matrosen und Fischerleute des reichlichen Verdien- 
stes wegen in grosser Zahl in den Fischereien anderer Na- 
tionen thätig sind, welche endlich Gesellschaften mit Privile- 
gien begabt und bereit ist, den Betrieb nöthigenfalls mit 
Waffengewalt ungestört zu erhalten. Auch werden ihnen nicht 
in gleichem Maasse, direkt oder indirekt, durch Zollnach- 
lässe und Prämien, in Ansehung der Schiffsausrüstungen 
und der Einfuhr ihrer Fischereierzeugnisse werthvolle Er- 
leichterungen gewährt, vermöge deren sie die bei der grossen 
Fischerei von Zeit zu Zeit eintretenden unergiebigen Jahre 
und Verluste mit geringeren Schwierigkeiten überwinden 
könnten, aber sie bleiben doch, der eigenen schwachen 
Kraft vertrauend, nicht zurück. 

Beispielsweise finden wir unter den Pionieren der Davis- 
Strasse im Anfang der zwanziger Jahre des vorigen Jahr- 
hunderts neben Holländern Hamburger und Bremer Schiffe. 
Als die Theilung der Fischgründe bei Spitzbergen er- 
folgt, kurz nach dem Jahre 1617, nehmen auch die 
Hamburger eine Bai als ihre Fischerstation in Anspruch 
und sie wird nach ihnen „die Hamburger Bai” benannt. 
Im Jahre 1721 wird in London ein Verzeichniss der im 
Waltischfang bei Grönland und der Davis-Strasse be- 
schäftigten Schiffe anderer Nationen veröffentlicht, und " 
zwar, wie Scoresby vermuthet, in der Absicht, „den Bri- 
tischen Unternehmungsgeist durch Vorhaltung der Leistun- 
gen anderer Nationen anzuspornen”. In dieser Liste figu- 
riren die Hansestädte mit 84 Schiffen. Ein Bremer Kauf- 
mann, Heinrich Elking, ist es, der aus der Fülle seiner 
Erfahrungen in einer Denkschrift, welche er im Januar 1721 
dem Sub-governor der Südsee-Compagnie in London, Sir 
John Eyles, einreichte, nachweist, aus welchen Ursachen 
die Bestrebungen der Engländer, den Walfischfang wieder 
in dem früheren Umfange zu betreiben, erfolglos waren. 
Bremen endlich ist derjenige Platz, welcher den grossen 
Fischfang in den nordischen Gewässern etwa von der Mitte 
des 17. Jahrhunderts an bis auf den heutigen Tag, wenn 
auch zuletzt nur mit wenigen Schiffen, fortgesetzt hat, wäh- 
rend andere, ehedem in diesem Betriebe bedeutende Plätze 
die Fahrt längst aufgegeben und die jetzt im arktischen 
Fischfang bedeutenden Schottischen Häfen weit später be- 
gonnen haben. 

Vorgeschichte des Walfischfanges ; südlicheres Vorkommen der 
Walthiere in früheren Zeiten. — .Die Walfischjagd wird zuerst 
im Anfang des 17. Jahrhunderts in grossartigem Maassstabe 
von den Engländern und Holländern unternommen. Die Ent- 
deckungen Holländischer und Englischer Meerfahrer, eines 
Hudson, Davis, Frobisher, Barents, de Rijp, Willoughby, 


1* 


4 Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens. 


richten die Aufmerksamkeit der Küstenbevölkerungen des 
Atlantischen und des Deutschen Meeres nach dem Norden. 
Die gesuchte Nordost-Durchfahrt konnte freilich trotz der 
heldenmüthigsten Anstrengungen nicht erreicht werden. An- 
statt des geträumten Weges nach den Gold- und Edelstein- 
schätzen Indiens fand man aber andere Reichthümer. Die 
verschiedenen Berichte stimmten darin überein, dass gerade 
die neu entdeckten Gewässer und die Baien der arktischen 
Inseln und Küsten von einer Menge von Fischen der 
grössten Art belebt waren, Fischen, deren Fang einen be- 
deutenden Handelsgewinn liefern müsse. Zunächst war es 
das Fett der grossen Meerungeheuer, welches eins der 
werthyollsten und gesuchtesten Handelserzeugnisse jener 
Zeit, den Thran, in ungeahnten Mengen abgab. Der Rob- 
benthran, Zelsmond !), wurde bereits im Mittelalter als 
Beleuchtungsstoff, vorzüglich aber zur Lederbereitung mas- 
senhaft gebraucht. 

Der Fang grösserer Fische als die an den Europäischen 
Küsten bekannten wurde wahrscheinlich schon vor dem 
10. Jahrhundert von Norwegen aus betrieben. Die Edda 
erwähnt den Walfischfang. Um das Jahr 890 unternahm 
Other von Drontheim aus eine Nordfahrt bis zum Weis- 
berichtet darüber 


sen Meere; er an König Alfred von 


England und dieser Bericht ist in der Übersetzung eines 


Spanischen Christen, des Orosius, wiedergegeben. Other er- 


zählt von seiner Fahrt in die unbekannten Gefilde des Nor- 
dens und berichtet dabei unter Anderem, dass er nur drei 
Tage gebraucht habe, um den Punkt zu erreichen, „bis 
wohin die Walfischjäger zu gehen pflegten”?). Wenn nach 
Scoresby diese Stelle auf die Walross- und Seehundsjäger 
zu beziehen ist, so finden sich doch andere, freilich auch 
verschieden ausgelegte Stellen, welche geradezu vom Wal- 
fischfang sprechen. von Other Walfische 
„von 48 bis 50 Ellen Länge” getödtet worden, und zwar 


Danach wären 


Mit vielem Recht vermuthet 
Scoresby, dass hierunter vielleicht eine Gattung Delphine, wie 
sie noch heute in Massen an den Küsten von Island, der 
Orkney- und Shetland-Inseln gefangen und getödtet wer- 
den, gemeint sei. 


„ihrer 60 in zwei Tagen”. 


Auf den Füröern fängt man noch jetzt 
jährlich in Schaaren die sogenannten Grindwhale oder Rund- 
köpfe (Delphinus globiceps (uv.), eine Art grosser, 16 bis 
18 Fuss langer Delphine, nahe an der Küste, zu welcher man 
sie in Schaaren antreibt, indem man ihnen zugleich den 
Rückweg abzuschneiden sucht. Oder es mögen Finnwale 
gewesen sein, welche, freilich von ansehnlicherer Länge 
(50 bıs 60 Fuss), gelegentlich auf ähnliche Weise in schma- 

!) Auch Selsmont, Zel-smeer, Sal-smeer, Zel (Hüllmann, Städte- 
wesen des Mittelalters, I, S.48). Zel heisst auch im heutigen Dänisch 
„Seehund”, Englisch seal. 


2) S. B. J. Noel, Tableau historique de la peche de la baleine, 
Paris, an VIII, p. 7, und Scoresby, Account of the Aretic Regions, p. 7. 


‚Luft gespritzet, darauf er gestorben. 


len Fjorden Norwegens gefangen werden, denn die auf 
langjährige Erforschung und Erfahrung gegründete An- 
sicht Scoresby’s, dass der Grönländische Walfisch (Balaena 
mysticetus) nicht über die Grenze der Polar-Regionen aus 
dem Norden herabgehe, ist bis jetzt nicht widerlegt, vielmehr 
durch Maury’s und Anderer Untersuchungen im Allgemeinen 
bestätigt worden. Hierher gehören auch die Erzählungen 
von grossen Meerungeheuern, welche zu verschiedenen Zei- 
ten einzeln oder in mehreren Exemplaren an Mittel-Euro- 
päischen Küsten antrieben und getödtet wurden. Auf der 
obern Halle des Bremer Rathhauses hängt das Bild eines 
Walfisches, der „uffm Sande im Lesummer Strohm nahendt 
dem Lessmer Brüche” am 8. Mai 1669 erschossen wurde 
und welcher „vom Maul bis zum Auge 5 Fuss, vom Maul 
bis zum Schwanz 29 Fuss lang, dessen Flossfedern 3 Fuss 
und dessen Schwanz 9 Fuss breit” war, während der Um- 
fang 12 Fuss betrug '). Eben so prangte im vorigen Jahr- 
hundert an der Wand des Stadthaussaales zu Brouwers- 
haven in Süd-Holland das Bild eines Walfisches, der im 
Jahre 1606 auf der Springer-Plaat gefangen worden war. 
Dieser Fisch war angeblich 72 Fuss lang, 8 Fuss dick und 
hatte einen Rachen von 11 Fuss Weite, darinnen 40 grosse 
Zähne, der Schwanz war 17 Fuss lang. (S. Tegenwoordige 
Staat der Vereenigde Nederlanden, X, p. 370.) 

Von anderen Gegenden liegen aus verschiedenen Zei- 
ähnliche Berichte vor. So lesen wir in Hoffmann, 
Wangeroogischer Ehrenpreiss, gedruckt und verfasst 1665, 
S. 7: „Äusserlich ist die Insel reich an den köstlichsten 
Seefischen — — — wie auch Meerwundern: Saalhunden, 
Seewölfen, Seekatzen, Springers, einer Art Walfische, wie 
denn vor 20 Jahren” — 1645 also — „auch ein grosser 
Wallfisch von der See an dieses Land ausgeworfen, dessen ' 
Kopf 16 Holzfuss lang gewesen, von dessen Graten oder 
Rippen die Einwohner noch auf diese Zeit Zaunpfale um 


ten 


1) In Post’s Bremischer Chronik (Bremer Dombibliothek) wird das 
Ereigniss wie folgt näher beschrieben: „Demnach im Lesumer Strom 
von den einwohnenden Landleuten im Lessmer Bruch ein Geräusch im 
Wasserstrom und folgends ein grosser Fisch, so den Schwanz heraus- 
gestrecket, befunden, hat ein Bauerknecht darauf mit Hagel Feuer ge- 
geben, darüber der Fisch sich heftig geregt und bei abfallendem Wasser 
auf ein Sand hinter Hemeling’s Erben Vorwerk im Lesumer Bruch ge- 
rathen, davon er zwar gesucht sich abzuwälzen, ist aber von einem 
Bauer aus einem Feuerrohr mit vier Kugeln durchschossen, darauf er, 
nach dem Berichte der Landleute, so hoch als die in der Nähe am 
Ufer St. Magni [Name des Orts] stehenden Bäume das Wasser in die 
Wie dieser Fisch nach Vegesack 
auf des Herrn Gohgräfen Arend Havemann Befehl gebracht worden, ist 
er daselbst von vielen Personen besichtigt und hat man befunden, dass 
er in der Länge 29 Werk-Schue, im Umkreise oder Dicke am Leibe 
12 Fuss, die Breite des Schwanzes aber 9 Fuss gewesen ist. Am 
9. Mai ist dersclbe nach Bremen geführt und in Prahmen von Ver- 
schiedenen beschaut. Am 10. Mai aber ist er ans Land geschleppt, 
auf der Schweineweide zerschnitten und daselbst zu Thran verbrannt. 
Es war derselbe eine Art der Wallfische und zwar weiblichen Ge- 
schlechts. Der Maler und Contrefaiteur Franz Wulffhagen hat ihn auf 
Geheiss des Rathes zum immerwährenden Andenken abbilden müssen. 
Das Skelet befindet sich noch jetzt im Bremer Museum.” 


Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens. 5 


ihre Garten haben und zu Hau- und Hackblocken ge- 
brauchen.” 

In Bruintjes-Kreek bei Bruinesse in Holland wurde, 
wie im Tegenwoordige Staat der Vereenigde Nederlanden 
erzählt wird, im Jahre 1682 durch einen Muschelfischer 
von St. Anna-Land ein grosser Fisch, wie man meint, ein Wal- 
fisch, dessen Länge 50 Fuss gewesen, gefangen. Der Fisch 
hatte die Länge und Breite einer Treckschuite. Auch aus 
dem Anfang des vorigen Jahrhunderts liegen ähnliche Be- 
richte vor, namentlich aus dem Jahre 1723 von der EIb- 
mündung und aus dem Jahre 1738 von St. Peter im Ey- 
derstedtischen. Wir fügen die Berichte darüber in der An- 
merkung bei N). 

Neben oder eben vor den Norwegern treten die Be- 
wohner der Biscayischen Bucht als des grossen Fisch- 
fanges kundig auf. Es muss jene kleinere Art gewesen sein, 
welche die Biscayer auf kurzen Meerfahrten von ihren 
Küsten aus mit Speeren und sonstigen Hand-Wurfgeschossen 
verfolgten und tödteten. Der Fischfang wurde regelmässig 
und in grossem Umfange betrieben. Im Jahre 1261 finden 
wir nach den Angaben Noel’s, dass von allen in Bayonne 
eingeführten „Walfischzungen” ein Zoll erhoben wird. Wal- 
fische (baleines) wurden auf den Märkten von Biarritz und 
Cherbourg gesalzen und frisch verkauft und als Fasten- 
speise gegessen. Noel erzählt noch Mehreres über diesen 
sogenannten Walfischfang der Biscayer oder Basken. Ein 
Mönchsbericht erwähnt endlich den Walfischfang an der 
Französischen Küste in dem 12. Jahrhundert. Aus alle 
dem ergiebt sich, dass in jener Zeit in den Mittel - Euro- 
päischen Meeren Walfische — deren Art uns freilich unbe- 
kannt bleibt — nichts Seltenes waren. Im Laufe der 
Zeit erst wurden sie an der Küste spärlicher und zogen sich 


!) In Post’s Chronik, Bd. 5, S. 165, wird also berichtet: „Im An- 
fang des Decembers 1723 hat bei einem Sturmwind eine unerhörte 
Sache sich begeben, dass nämlich unterschiedliche der grössten Art 
Wallfische, eigentlich Cajelot-Fische genannt, sich zwischen der Elbe und 
Weser hat sehen lassen, in der Zahl 18, welche Ungeheuer die Ein- 
wohner des Strandes Anfangs in Schrecken gesetzt, und sind gegen die 
Elbe zugeschwommen, auch bis an die Insel, das neue Werk genannt, 
gekommen, da aber die Fluth weggegangen, sind 13 derselben seewärts 
wieder gekehrt, 5 aber haben von den Sandbänken nicht kommen kön- 
nen, welche ein entsetzlich Brüllen und Geheul gemacht und sich unter 
einander schrecklich geworfen und geschlagen. Wie die Fluth kommen, 
sind noch 3 derselben halb todt in See getrieben, an die beiden übri- 
gen haben sich die am Strande und auf dem Lande Herumwohnenden 
gewagt, der grösste dieser beiden ist 95 Schuh lang gewesen und soll 
dem Berichte nach der Speck davon 36.400 Pfund gewogen haben. Von 
dem Gehirn oder sogenannten Wallrath sind unterschiedliche Fässer voll- 
gefüllt, und hat ein Kaufmann zu Bremen allein für 4000 Thaler da- 
von bekommen.” — Im Jahre 1738 am 24. Januar strandete unweit 
St. Peter in Eyderstedt ein Cachelot, der in dem umfassenden Hollän- 
dischen Werke über den Walfischfang: De Walvischvangst, Amsterdam 
1784, ausführlich beschrieben und auch abgebildet ist. Er war 48 Fuss 
lang, 12 F. hoch und mass 36 F. im Umfang.” — Eschricht zählt in 
seinem Werke über die Walthiere eine Reihe von Beispielen auf, wo, 
vom 17, Jahrhundert bis 1860, Walfische an Mittel-Europäischen Küsten 
strandeten, 


immer mehr nach Norden zurück. Die Biscayer als kühne 
Seefahrer folgten ihnen und betrieben später in den nor- 
dischen Gewässern, wie berichtet wird, mit 50 bis 60 Fahr- 
zeugen gemeinschaftlieh mit den Isländern den Walfischfang. 

Im Anfange des 17. Jahrhunderts tritt die Walfisch- 
Jagd zuerst in grösserem Umfange und als ein regelmässig 
im Europäischen Eismeere betriebenes Gewerbe auf. Man 
wähnte, unter dem Pole hin eine Fahrt gen Osten nach 
China und Indien zu finden, und entdeckte bei dieser Ge- 
legenheit, im Jahre 1596, die Insel Spitzbergen, jenes viel- 
fach ausgebuchtete, mit ewigem Eis bedeckte Eiland, dessen 
ersten Anblick die Nordfahrer alter und neuer Zeit mit 
dem einer weissen, sonnenbeglänzten Wolke vergleichen. 

Spitzbergen wurde die vornehmste Station der Walfisch- 
jäger und blieb es fast zwei Jahrhunderte lang. 

Die Islandsfahrten der Hanseaten. — Schon früh sehen 
wir die Hanseaten mit den Holländern und Engländern allsom- 
merlich auf der grossen Fischerei in den nordischen Meeren. 
Wir wollen aber, unserem Thema getreu, auf die Nordfahr- 
ten der Deutschen in älterer Zeit nicht zurückgehen, son- 
dern nur erwähnen, dass wir im 16. Jahrhundert eine regel- 
mässige Schifffahrt der Hanseaten nach Island sehen, ja 
zu Anfang des 16. Jahrhunderts finden wir in Hamburg 
eine Islandsfahrer-Brüderschaft. „Bei Eysland”, lesen wir 
in den Erläuterungen zu Bläu’s Atlas 1641, „ist das mitter- 
nächtische Meer von Fischen dermaassen reich, dass es nicht 
allein derselbigen Insel [Eysland] Inwohner, sondern auch 
viele andere an Nahrung erhält und mit aller Nothwendig- 
keit versorgt.” Dort fanden sich in grossen Mengen der 
Narwal, der Englische Walfisch, der Roider, Seeochse, ja es 
werden die gewöhnlichen Längen dieser Fische angegeben. 
Aus einer Reihe von Schriftstücken, welche im Bremer Staats- 
archiv sich vorfinden, erhellt, dass im Anfang des 16. Jahr- 
hunderts die Bürger von Bremen „die Unterthanen der König- 
lich Dänischen Majestät in Island seit undenklichen Zeiten 
jährlich besuchten und denselbigen ihre Waaren, als Mehl, 
Bier und allerhand andern Bedarf von Proviant, zuführten, da- 
gegen Fische, Thran, Butter u. dergl. Waaren, so ein Jeder ge- 
habt hat, in Bezahlung angenommen haben”. Die Bremer wa- 
ren für verschiedene Häfen („Hauens’”) vom König von Däne- 
mark „begnadigt und mit Concession versehen”. Der Hafen 
Bodenstede in „Schneuel’s Sussell” war bereits im Jahre 1526 
von eimem Bremer Bürger, Wylken Hudemann, „sammt 
seinen Mitverwandten” gefunden und aufgesegelt. Ein an- 
derer Hafen, Kummerwage, wurde, wie es in einer Ur- 
kunde von 1564 heisst, vor 30, 40 oder 50 Jahren auf- 
gesegelt „mit grosser Gefahr von Leib und Gut und all- 
jährlich von dem Schiffer Johann Munstermann !) und sei- 


') In zwei anderen Urkunden, 1578, erklärt Claus Möninckhusen, 
von Carsten Meier erhalten zu haben: ein Mal 12 gute gangbare Thaler, 


6 Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens. 


nen Vorfahren, Schiffsfreunden und Rhedern besucht. Marten 
Lösekan war auf den Hafen von Ostford in Östford-Sussell 
begnadigt und nach einer Eingabe des Rathes von Bremen 
an den König von Dänemark war auch dieser Hafen seit 
undenklichen Jahren von Bremer Bürgern besegelt worden. 
Karsten Baker befuhr den Hafen des Eilandes Flattöj bei 
Island und Johann Schröder den Hafen Wattlose. Die Bre- 
mer Bürger hätten, so heisst es am 18. Januar 1588, den 
Unterthanen des Königs von Dänemark ihre Waären in 
theueren und wohlfeilen Jahren beschafft und solche ihnen 
nicht nach ihrem eigenen Vortheil und Gutdünken, sondern 
nach des Vogtes oder Königlichen Befehlshabers in Island 
angesetztem Werth und Anschlag zukommen lassen. Der 
Vogt empfing das ihm Gebührende an Bier, Mehl (je 2 Last), 
Brod (je 1 Last), Salz (je 1 Tonne), Eisen, besonders auch 
Hufeisen für 50 Pferde. Es waren im Ganzen an acht 
Häfen, welche auf diese Weise von Bremer Schiffen jähr- 
lich besucht wurden. 
Jahren, erhellt nieht —, dass etliche von den Bremer Kauf- 
leuten, die mit Königlich Dänischer Concession auf Häfen 
belehnt waren, auf der Rückreise von Island mit ihrem 
Leib und Gütern „zur See blieben”. Es trat eine Unter- 
brechung der Fahrt ein und diess benutzten, so heisst es, 


So begab es sich — in welchen 


andere Schiffer, um die Bremer zu verdrängen. Namentlich 
wird diess von Hamburger Schiffen behauptet. Anschaulich 
schildert uns Zorgdrager, der Holländische Commandeur, 
S. 50 seines Werkes: „Bloeijjende Opkomst der Aloude en 
Hedendaagsche Groenlandsche Vischerij”, diesen früheren 
Tauschhandel der Isländer: 

„Die Isländer pflegen Waaren weder zu kaufen noch zu 
verkaufen, weil unter ihnen kein geprägtes Geld im Schwange 
geht. Man bringt ihnen Mehl, Bier, Wein, Branntwein, Eisen, 
Tuch und Leinwand, wogegen sie ihre Waaren vertauschen, 
bestehend in Stockfisch, Butter, Wachs, grobem Tuch, Schwe- 
fel, Fellen von Füchsen, Bären und Luchsen. Diejenigen, welche 
tiefer im Lande wohnen, nähren sich von dem Vieh, als 
da sind Schafe, Rindvieh und Pferde Sie halten ge- 
meiniglich nicht mehr als zwei oder drei Kühe, aber eine 
grosse Anzahl Schafe. Diejenigen, welche am Strande und 
nahe bei dem Meere wohnen, treiben meistens die Kabel- 
jau-Fischerei. Am Strande wird der gefangene Kabeljau 


das andere Mal 15 Mark, „up dat everfur van der se und sant zu Islant 
up Johann Munsterman’s ship zu Islant”. — Wenn Gott giebt, dass 
das gute Schiff von Island wieder kommt, so gelobt Monninckhusen dem 
Meier oder seinen Erben (in der zweiten Schrift auch dem Inhaber der 
Urkunde) ein Mal 15 gute Thaler oder 1 Tonne Thran, so fern diese 
nieht weniger werth ist als 15 Thaler, das andere Mal 500 Pfund 
guder islander vische fri up de wage tho leveren, wenn diese weniger 


werth wären als 15 Mark, den Rest in Geld. — Beide Verträge sind 
rechtsgeschichtlich von Interesse. Offenbar erhält Meier Nichts, wenn 
das Schiff nicht von Island zurückkommt. — In einer Bremer Zoll- 


rolle von 1657 erscheint „Hitlender und Islender Fisch” unter der 
Rubrik Stockfisch. 


auf Tafeln zerschnitten und in Tonnen eingesalzen, so dass 
das Schiff eine Zeit lang auf Ladung warten muss. Auch 
in anderen Häfen liegen Schiffe bereit, von Kaufleuten aus- 
gerüstet, deren ein jeder vom Könige in Dänemark seinen 
eigenen Hafen gemiethet oder gepachtet hat, weswegen 
öfter nicht mehr als Ein Schiff, um Handlung zu treiben, 
in einem Hafen anlangt. Blefkenius sagt, dass die Deut- 
schen, welche nach Island handelten, nahe bei dem Hafen, 
wo sie gelandet, Zelte aufschlugen und daselbst ihre Waa- 
ren zum Verkauf auslegten, bestehend in Mänteln, Schuhen, 
Spiegeln, Messern und anderen Kleinigkeiten, welche sie 
mit den Isländern gegen ihre Waaren umsetzten. So- 
bald die Isländer von den Fremden Wein oder Bier ein- 
gekauft oder vielmehr eingetauscht hatten, so luden sie ihre 
Freunde, Verwandte und Nachbarn dazu ein und gingen nicht 
eher von einander, bis sie alle wohl bezecht waren. Bei 
diesen Saufgelagen sangen sie die Heldenthaten ihrer Feld- 
herren, aber mit einem unförmlichen Ton und sonder einige 
Kunst.” 

Verbot der Deutschen Islandsfahrten. — Doch ein Macht- 
gebot des Königs von Dänemark schnitt diesen direkten 
Verkehr Deutscher Häfen mit Island ab. Im Jahre 1601 
thut der König von Dänemark Christian IV. dem Rath zu 
Bremen zu wissen: 

„Dass Wir Etlichen Unserer Stadt Kopenhagen, aueh 

anderer Unserer eigenen umliegenden Städte Unter- 

thanen und lieben Getreuen alle und jede Hafens 
unter Unserem Lande Island aus sonderbaren bewe- 
genden Ursachen verpacht Und verschrieben haben, 
also dass dieselben solche allein Und kein fremder 
neben Ihnen mit ihren Schiffen forthan besegeln, den 

Einwohnern des Landes Zufuhr thun Und mit ihnen 

ihre Handel und Wandel treiben sollen.” 

Zugleich wird bemerkt, dass der Rath denjenigen Bür- 
gern, welche Königliche Begnadigung und Passbriefe auf 
Häfen in Island hätten, diese Verordnung vorhalten und 
ihnen befehlen möge, sobald die Zeit ihrer Begnadigungs- 
briefe um sei, ihre Segelation nach jenen Häfen gänz- 
lich einzustellen. Um diese dem Bremischen Seehandel 
drohende Maassregel abzuwenden, sandte der Rath von 
Bremen seinen Hauptmann und Diener Johann von Uffeln 
nach Kopenhagen, um wegen der zu Bremen wohnenden 
Islandsfahrer zu werben und zu bitten. Trotz der wieder- 
holten schriftlichen und mündlichen Vorstellungen thut der 
König von Dänemark schliesslich im Jahre 1603 dem Rath 
zu Bremen zu wissen, dass nur noch in diesem Jahre zur 
Eintreibung der Schulden der Bremer die Fahrt nach Island 
zu gestatten sei. Gleiches Verbot wurde gegen Hamburg 
erlassen, die durch die „Islandsfahrer”’ noch 1611 von 
Neuem hervorgerufenen Remonstrationen des Rathes blie- 
ben ebenfalls erfolglos und die „Islandsfahrer-Brüderschaft” 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 7 


löste sich auf. Damit hörte vorläufig der Handel Bremen’s 
und Hamburg’s mit Island auf. Über die Hitlandfahrer 
(die Fahrt nach den Shetland-Inseln), ferner die Fahrt 
nach den Färöern habe ich keine näheren Nachrichten auf- 
finden können, und doch ist aus mehreren Gründen zu ver- 


muthen, dass die Bremer hier nicht sowohl Handel als 
Fischerei trieben. 

Diese Islandsfahrten der Hanseaten in früheren Zeiten 
konnten hier als die Vorläufer der späteren Nordfahrten 
zur Grönlandsfischerei nur berührt werden. 


Il. Die Spitzberger und arunanderkischere| im 17. Jahrhundert. 


Erste Englische und Holländische Fischer - Expeditionen 
nach Spitzbergen. — Wir wenden uns nun zunächst näher 
zu den ersten Ausrüstungen von Schiffen auf den Walfisch- 
fang. Wie bereits angedeutet, war auf Seiten der Eng- 
länder der Wunsch, einen Wasserweg bis ins Innere von 
Russland behufs Erweiterung ihres Handels zu gewinnen, 
und auf Seiten der Holländer der Gedanke vorherrschend, 
die nordöstliche Durchfahrt nach China und Indien zu 
finden, als sie ‚zuerst jene Gegenden befuhren. Von allen 
Englischen Häfen war es Hull, eine schon in damali- 
ger Zeit sehr unternehmende Seehandelsstadt, welche die 
ersten Schiffe von England aus auf den Walfischfang aus- 
rüstete, und zwar geschah diess vom Jahre 1598 an !), nach 
den Küsten von Island und in die Gegenden um das Nordkap. 
Die in London im Jahre 1553 gegründete „Company for 
the Discovery of unknown countries”, auch Muscovy Com- 
pany oder the Russia Company genannt, entsendete im Jahre 
1610 Captain Jonas Poole auf eine Entdeckungsreise. Poole 
konnte nicht viel weiter über Spitzbergen hinaus vordrin- 
gen und beschäftigte sich zu dem Zwecke, die Ausrüstungs- 
kosten seines Schiffes zu decken, mit dem Tödten von Wal- 
rossen. Nach dem, was in dem Werke „de Walvischvangst”, 
Amsterdam 1784 (nächst Zorgdrager die werthvollste Quelle 
für die Geschichte des grossen Fischfanges der Niederländer), 
zu lesen ist, wären die ersten Englischen Walfischfänger 
schon 1608 — vier Jahre vor den ersten Holländischen 
Schiffen — nach Spitzbergen gesegelt. 

Der Bericht des Captain Poole über das Vorhandensein 
reicher Walfischgründe bei Spitzbergen veranlasste die Com- 
pagnie, im nächsten Jahre, 1611, zwei Schiffe, die „Mary 
Margaret” von 160 Tons, Captain Thomas Edge, und die 
„Elisabeth” von 60 Tons, Captain Jonas Poole, auf den 
Waltischfang auszurüsten. An Bord der „Elisabeth” waren 
sechs im grossen Fischfang geübte Biscayer. Am 12. Juni 
wurde ein kleiner Walfisch getödtet und der Thran — 
12 Tons — ausgesotten. Die „Mary Margaret” wurde bei 
Foul Sound vom Eise zertrümmert, die Mannschaft nahm 
ihre Zuflucht zu den Booten und wurde zum Theil von 
einem Huller Schiff, zum Theil von der „Elisabeth”, wel- 


1) S. Elking’s View of the Greenland Trade and Whale-fishery, 
p. 41. 


ches Schiff sich von ihnen getrennt hatte und wieder gefun- 
den wurde, aufgenommen. Aber auch die „Elisabeth” ging 
beim Bergen des in Foul Sound zurückgelassenen Fisches 
und Thranes verloren und das Huller Schiff führte schliess- 
lich Mannschaften und Fang nach London zurück. Im 
Jahre 1612 erschienen die ersten Holländischen Schiffe bei 
Spitzbergen, ein Schiff von Amsterdam und ein anderes 
von Sardam, neben ihnen zwei Englische und ein Spa- 
nisches. 

Streitigkeiten zwischen den Englischen und den Hollän- 
dischen Fischern bei Spützbergen. — Sofort entstand Streit 
zwischen den Holländischen und den Englischen Seeleuten. 
Die Englischen beanspruchten das ausschliessliche Recht der 
Fischerei an den Spitzbergen’schen Küsten, während die Hol- 
länder mit Bezug auf die Entdeckung des Eilandes durch 
ihre Landsleute im Jahre 1596 das gleiche Recht der 
Fischerei zu besitzen behaupteten. 
den Engländern, die Holländer zu vertreiben, und die erste- 
ren kehrten mit einem Fange von 17 Walfischen nach der 


In der That gelang es 


Themse zurück. 

Bildung von Fischerei-Compagnien in England und Hol- 
land. — Im folgenden Jahre (1613) wiederholte sich diese 
Scene in grösserem Maassstabe; die Russische Compagnie 
hatte sich von der Englischen Regierung eine Charter zu 
Gunsten des Fischfanges bei Spitzbergen durch ihre Schiffe 
ausschliesslich erwirkt, sie sandte sieben Schiffe aus, welche 
zum Theil armirt waren. Von Amsterdam erschienen zwei 
Schiffe und zwei von anderen Holländischen Häfen, sie 
führten Biscayische Harpuniere, welche „boven schipper bo- 
ven al bevelen gaven”. Ferner fanden sich ein: ein Schiff 
von Dunkerque, eins von Bordeaux, eins von La Rochelle, 
eins von St.-Jean de Luz und einige Schiffe von St. Se- 
bastian 1). 
Französische, welche sich zu einem Tribute verstanden — 
wurden vertrieben und ihres Fanges beraubt. Der Verlust 
der Holländer belief sich auf ungefähr 130.000 Gulden. 
Dennoch machte die Englische Compagnie in diesem Jahre 
ein schlechtes Geschäft, denn über der Verfolgung der Con- 
kurrenten hatte man den Fang selbst versäumt und die 
Compagnie erlitt einen Schaden von E 3- bis 4000. 


1) Scoresby, II, p. 26. 


-8 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 


Energisches Vorgehen Holländischer Seestädte in der Aus- 
beutung der neuen Fischerei. — Die Holländer, damals ein 
Volk, das gerade in der Fülle der Kraft und des Strebens 
stand, dessen schöpferischer Geist sich mit gewaltiger Ener- 
gie nach den verschiedensten Richtungen hin bethätigte, 
waren die Letzten, welche sich durch solches Auftreten der 
von ihnen zur See kaum für ebenbürtig angesehenen Englän- 
der hätten einschüchtern lassen. Gleich im folgenden Jahre 
rüsteten die unternehmenden Kaufleute der Stadt Hoorn, wo 
schon 1416 die grosse Fischerei der Holländer '), die Härings- 
fischerei, durch Anwendung grosser Netze einen bedeutenden 
Fortschritt gemacht und deren Kauffahrer, die Hoorn’schen 
Katten, schon längere Zeit den Handel mit Süd-Frankreich 
und Norwegen vermittelten, ein Schiff aus. Auch war be- 
reits in den grösseren Städten Hollands die Bildung einer 
grossen Handelsgesellschaft zum Zweck einer umfassenden 
Ausbeutung des Spitzbergen’schen Fischreiehthums in Anre- 
gung gekommen. Neben Amsterdam und Hoorn regt sich in 
Middelburg, in Schiedam das Interesse, eben so in Enkhuizen, 
dem vornehmsten Ort der Häringsfischerei, welcher schon 
zu Ende des 15. Jahrhunderts 40 Grootschippers (Eigen- 
thümer von Schiffen bis zu 120 Last) unter seinen Ein- 
wohnern zählte, dessen Rath mit Königen ceorrespondirte und 
dessen Bürger bereits 1594 zwei Schiffe unter Cornelis Nai 
zur Auffindung der vermeintlichen Nordost-Durchfahrt aus- 
gesandt hatten. 

Errichtung der Noordschen Maatschappy. — Das von 
Hoorn ausgesandte Schiff kehrte mit einem guten Fange 
heim und noch in demselben Jahre wurde in Amsterdam 
nach dem Vorbilde der Indischen Maatschappy die Noord- 
sche Compagnie gegründet und von der Regierung vorerst 
auf drei Jahre mit Octroi versehen. Die Gesellschaft er- 
hielt das ausschliessliche Recht, Ausrüstungen auf Fischerei 
und Handel nach der Davis-Strasse, Grönland, Spitzbergen, 
Bären-Eiland und anderen Inseln, „die etwa in diesen Ge- 
genden noch möchten entdecket werden,” zu machen. Es 
heisst in dem Octroi unter Anderem, „dass die Supplikan- 
ten die Allerersten waren, welche angefangen hätten, aus 


1) Unter „groote vischerij’” verstanden die Holländer nicht den 
Walfischfang, der ja erst später aufkam, sondern die Häringsfischerei 
(haringsyaart), und zwar im Gegensatze sowohl zu der Doggevaart, dem 
Kabeljaufang (Dogge —= Kabeljau), als zu der kleinen, der Küsten- 
fischerei. Es ergiebt sich diess aus verschiedenen Plakaten der älteren 
Zeit. Die Doggervaart oder Doggevaart ging nach dem Doggerzand, 
der noch heute so fischreichen Bank zwischen Jütland und England, 
deren Name sich auf diese Weise erklärt. Die kleine Fischerei betrie- 
ben die „Schuiten die om verschen Visch uitvaaren”. S. Teg. Staat. 
d. Ver. Neederl., I,p. 584. Dass übrigens der Name „grosse Fischerei” 
für die Häringsfischerei auch gegenüber dem Walfischfange wohl berech- 
tigt war, ergiebt die Thatsache, dass in der Periode von 1669 bis 1778 
der durchschnittliche jährliche Reinertrag des Walfischfanges 442.928 Guld. 
betrug, während der jährliche Reinertrag aus der Holländischen Härings- 
fischerei in dieser Zeit im Minimum, also in den ungünstigsten Jahren, 
noch auf 1.120.000 Gulden angegeben wird. 


diesen Landen so weit nach Norden zu fahren oder zu 
segeln unter Ausrüstung einer Anzahl Schiffe nach Gegen- 
den, wo niemals ein Christenmensch gewesen, ja dass sie 
83 Grad passirt hätten, wie diess aus einer gewissen Karte 
und Beweis, welche in den Händen der Supplikanten, her- 
vorgehe; dass die Schiffe derselben dort, in jenen Gegen- 


den, eine offene See ohne Eis, flaches Weideland mit gras- 


fressenden Thieren gefunden und ferner an der Seeküste 
oder in der Nähe derselben viele Walfische, Walrosse und 
andere Fische gefangen hätten”. 

Das Unternehmen wurde in Folge dieses Octroi mit 
all der Energie und den Mitteln angefasst, welche zu 
jener Zeit die Holländer auf alle ihre grossen Handels- 
unternehmungen verwenden konnten. Man ging dabei von 
dem Gesichtspunkt aus, dass Alles auf eine längere Dauer 
angelegt werden müsse. Schiffe wurden in grösserer Zahl 
gebaut. Bei dem Fischreichthum der Baien Spitzbergens 
wurde der Fang einfach von Booten aus betrieben und es 
wurden die nöthigen Einrichtungen dazu getroffen, dass der 
Speck sogleich an Ort und Stelle, an der Küste von Spitz- 
bergen, in Thran umgewandelt werden könnte. Man führte 
Baumaterialien in ansehnlichen Mengen nach Spitzbergen, 
um Packhäuser, Thrankochereien, Bötteherwerkstätten und 
dergleichen zum Betriebe sonst noch erforderliche Einrich- 
tungen herzustellen. Spuren dieser Bauten haben neuere 
und neueste Forschungs-Expeditionen auf Spitzbergen und 
seinen Nachbar-Inseln gefunden. Auch in Amsterdam, an 
der bekannten Kaizersgracht, einer der Hauptstrassen der 
damals sich in neu angelegten Stadttheilen noch immer wei- 
ter ausdehnenden Handels-Metropole, erhoben sich Gebäude 
für den Betrieb der neu gegründeten’ Handels-Gesellschaft, 
die sogenannten „Grönländischen Packhäuser”. 

Im Jahre 1614 sandte die Compagnie bereits 14 Schiffe 
nach Spitzbergen, und vier Kriegsschiffe, jedes mit 30 Ka- 
nonen, begleiteten diese stattliche Flottille. Die Engländer, 
an Zahl geringer, wagten nicht, die Feindseligkeiten fort- 
zusetzen. Im Jahre 1617 kam es noch einmal zu einem 
blutigen Conflikte zwischen den Englischen und Nieder-. 
ländischen Fischern, wobei die ersteren den Kürzeren 
zogen. Allein die Niederländische Regierung war weise ge- 
nug, sich über die Parteien zu stellen. Sie gab das ge- 
nommene Englische Schiff wieder heraus und beschenkte 
überdiess den Kapitän, — ein Akt der Grossmuth, welcher 
den Engländern Hochachtung abzwang. 

Die Dänen erscheinen bei Spitzbergen. — Im Jahre 1615 
erscheinen zuerst zwei Kriegsfahrzeuge der Dänen in den 
Gewässern von Spitzbergen. Ihre Commandeure traten mit 
dem sonderbaren Anspruch auf, einen Tribut von den 
Fischerfahrzeugen aller anderen Nationen zu erheben, ‚weil 
sie West-Grönland entdeckt hätten und Spitzbergen zu 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 9 


Grönland gehöre”. Ihnen stellten die Engländer entgegen, 
dass diese Insel bereits 1553 von Sir Hugh Willoughby 
entdeckt worden sei, was freilich nicht wahr war. Inzwi- 
schen kam es doch bald zu einem Vergleiche unter den 
verschiedenen Nationen, deren Fahrzeuge sich bisher bei 
dem Walfischfang betheiligt hatten. 

Vertheilung Spitzberger Häfen an die verschiedenen Na- 
tionen. — Bei dieser Übereinkunft, beziehungsweise Zuwei- 
sung der einzelnen Baien traten als Betheiligte die Engländer, 
die Niederländer, die Dänen, welche nun auch, im Jahre 1620, 
eine Grönländische Compagnie gegründet hatten, ferner die 
Hamburger und endlich die Biscayer und Franzosen auf. 
Auch die Regierungen scheinen dabei mitgewirkt zu haben. 
Die besten Baien, diejenigen, welche am frühesten vom 
Eise befreit waren, nämlich die südlichen, wurden von den 
Engländern gewählt. Es waren diess Bel-Sund, Safe-Hafen 
(Holländisch: Behoudehaven) im Eis-Fjord und Horizon- 
Bai, es kam hinzu eine kleine Bai an der Nordostseite des 
Foreland-Fjords, die sogenannte Englische Bai, ferner wei- 
ter nördlich die Magdalena-Bai. Die Holländer gingen noch 
weiter nördlich und wählten die Amsterdam-Insel mit zwei 
schönen Baien — die eine im Süden, die andere im Norden — 

und die Holländer-Bai zwischen der Insel Amsterdam und 

der Haupt-Insel Spitzbergen. Die Dänen errichteten ihre 
Station zwischen ‚denen der Engländer und der Nieder- 
länder. Nach ihnen ist die Danes-Insel und das Danes- 
Gat benannt. Endlich die Hamburger segelten eine kleine 
Bai nördlich von Foreland und nahe bei den Sieben Eis- 
bergen auf und wählten sie, weil sie ziemlich eisfrei war, 
unter dem Namen - „Hamburger Bai” zu ihrer Fischersta- 
tion. Den Spaniern und Franzosen blieb nur noch ein Platz 
an dem nördlichen Theile von Spitzbergen, bei Redbay und 
Biscayer Hoek. Sie spielen überhaupt keine grosse Rolle 
in der Geschichte dieser Fischerei. 

Smeerenburg, die Holländische Fischerkolonie. — Eine 
Reihe von Jahren hindurch, so lange die Baien fischreich 
blieben, war Spitzbergen in den Sommermonaten das Ziel 
zahlreicher Schiffe. 
gelegenen und nach Spitzbergen zu sich in breiter Fläche 
abdachenden Insel Amsterdam die bekannte Holländische 
Faktorei Smeerenburg oder Smeerenberg (unter 79° 15’ 
N. Br.), ferner in der Nähe die Harling’sche Kokery, eine 
Thranbrennerei. 
Anfang, kostspielig, empfahl sich deshalb, weil man dann, 
wie eine Holländische Quelle sagt „een grooter voordeel 
in kleiner omtrek t’huis brengen” konnte. 

Ergiebigkeit der Fischerei in der ersten Zeit. — Der 
Fang war, wie gesagt, leicht. Der Verfasser von „de Wal- 
vischvangst” erzählt, dass mitunter die Leute in den Scha- 
luppen nach solchen Fischen mit den Rudern schlugen, die 


Es entstand auf der seewärts hoch 


Diese Einrichtung, wenn auch für den 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


zufällig ihnen in den Weg kommend sie hinderten, die 
Die getödteten bugsirte man 
ans Ufer, löste die Speckhaut ab (flensste sie) und kochte 
gleich den Thran aus; daher führte man auch damals dop- 
pelte Besatzung, nämlich 60 bis 80 Mann für jedes Schiff, 
Die Menge des ausgebrannten Thranes war so gross, dass 
nicht allein die Expeditionsschiffe voll beladen zurückkehrten, 
sondern es wurden von Holland Schiffe nachgesendet, bloss 
um Thran von Smeerenburg zu holen (die sogenannten 


harpunirten zu verfolgen. 


„Nascheppen”, Nachschiffe). In neuerer Zeit war man zu- 
frieden, wenn das Schiff zu zwei Dritteln mit Speck ge- 
füllt wurde. Ein lebhaftes Gewühl herrschte während der 
Fischerei in dieser Faktoreiı, wo mehrere tausend Ar- 
beiter und Matrosen zusammenkamen. Die „Kommandeurs” 
(Name der Führer solcher Expeditionen) wohnten am Lande; 
des Morgens, wenn das frisch gebackene Brod aus dem 
Ofen kam, wurde diess durch Blasen auf dem Horn be- 
kannt gemacht; es gab Schänken, die Seeleute belustigten 
sich wie zu Hause und feierten ihre „Kermis”. 

Die Ausbeute der Fischerei in jener ersten Zeit war 
ganz ausserordentlich und der von. einem Niederländischen 
Fischerei-Statistiker ‚gebrauchte Ausdruck „de goudmyn van 
het Noorden” mag wenigstens für jene Zeit zutreffend sein, 
obwohl genauere Daten über die finanziellen Ergebnisse 
fehlen. Zorgdrager erzählt S. 215, Willem Ys, der Schwie- 
gervater seines gewesenen Steuermannes Thunis Baltisz, 
habe zwei Reisen (tochten) im Jahre nach Jan Mayen gethan 
und habe öfter bei 1000 Quardeelen Thran !) geladen, also 
2000 im Jahre heimgebracht. 

Der Octroi der Nordischen Compagnie wurde im Jahre 
1617 auf vier Jahre verlängert und im Jahre 1622 er- 
hielten die „Kleine” (inzwischen gebildete) und die „Grosse 
Nordische Compagnie” sowie eine neue, die Zeelander 
Compagnie, Octroi auf 12 Jahre. Im dem Octroi von 
1622 wird noch besonders des Eilandes „Mauritius” (Jan 
Mayen) erwähnt und zugleich die Strafe für ein Schiff, 
welches die verliehenen Privilegien verletzt, auf 6000 Gul- 
den festgesetzt; spätere Octrois führen noch Staaten-Land, 
Wybe Jan’s Water, de Zwarte Hoek namentlich auf. 

Älteste Spuren von Grönlandsfahrten der Bremer. — Gehen 
wir nun auf die Zeit zurück, in welcher Deutsche Seeplätze 
zuerst an dem für damalige Zeit so grossartigen Betriebe 
Theil nahmen, so giebt uns eine auf der Trese ?) des Bremer 
Archives aufbewahrte Urkunde bezüglich Bremen’s die erste 
Auskunft, welche freilich mehr negativer Art ist. Es ist ein 
Schreiben des Königs Christian IV. von Dänemark vom 


!) Die altholländische Quardeel —= 12 Stechkannen, die spätere 
Quardeel ist gleich 3 Bremer Tonnen & 216 Pfund. 

2) Ein feuerfester Raum in der Liebfrauenkirche, wo in alten Schrän- 
ken die werthvollsten Urkunden des Bremer Staatsarchiyes aufbewahrt 
werden. 


2 


10 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 


10. Januar 1622 an den Rath von Bremen. Wir theilen 


daraus folgende Stellen mit: 


Kön. Maj. zur Dannemarken, Norwegen &e. Unser gnedigster Kö- 
nig Undt Herr Hatt eines Erbarn Rhats der guten Stadt Brehmen ahn- 
bringen und begehren auss ihres abgesandten so woll mündlichen Vor- 
trag, alss auch in schriften Übergebenen proposition der lenge nach 
Umbstendtlich Und wohl vernommen, Und darauf dem Gesandten fol- 
genden Bescheidt zu ertheilen gnedigst befohlen...... 

Isslandt und Feroe betreffendt, weil dieselbe traffieque Undt com- 
mereien bei I. Maj. gewissen Personen schon vor diesem verschrieben 
kunnen I. Maj. denen zum präjudieio nichtes Verhengen, doch wollen 
I. Maj. bei der Compagnie alhier die gnedigste Verordnung thun das 
sie jahrlichs etwan ein oder zwei mit den Wahren so daselbst fallen 
beladene Schiffe auff die Stadt Brehmen, dafern solche wahren bei ihnen 
gebührlich verhandelt werden können schicken sollen, damit also die 
Stadt derselben Commercien gleichwol in etwas weill ein weiteres ohne 
abbruch J. Maj. ausgegebenen Verschreibungen nicht geschehen kann 
sich zu erfrewen haben möge...... 

Weil auch I. Maj. mit dem Könige auss Gross-Britannien ge- 
wisse pacta wegen Grönlandt und des Walfischfangs unter demselben 
Lande aufgerichtet, in welehen Unter andern dieses Versehen, das 
I. I. Mitt beiderseits keinen andern alss ihre eigene Underthanen in 
eommunionem et commercium istius piscationis admittiren oder zulassen 
sollen, Versehen sich I. Maj. ess werde der Erbar Rhatt dieselbe 
nicht verdenken das sie davon nicht abweichen können. Damit Sie aber 
gleichwol erspüren können das I. Maj. ihrer Stadt und Bürgerschaft 
aufnahme so viel möglich zu befördern begierig, auch desswegen be- 
queme Mittel auch vor sich selbsten gnedigst gerne ausssinnen, wollen 
I. Maj. ihnen sonsten den Walfischfang unter Norlandt und Norwegen, 
da es doch allen anderen Nationen verboten, vor ihre eingesessenen 
Burger gnedigst hiemit gegen Erlegung der gewonlichen Gerechtigkeiten 
Vergonnen und zulassen, Verhoffen auch, der Rhatt gebührliche Auff- 
sicht haben werde, das kein Unterschleiff hierbei verlauffen möge, wie 
denn I. Maj. auch ferner und zur mehrerer Bezeugung zur gemeiner 
Stadt tragender gnedigster Gewogenheit ihnen die erlegung der itzo 
extraordinarie auffgelegten Dreissigsten und Zwanzigsten Pfennings zur 
Bergen, ob sie woll in partieulari darumb nicht angehalten, hiemit er- 
lassen haben auch ahn den Ambtmann daselbsten Befehlschreiben ab- 
gehen lassen wollen, das er ihre Bürgerschaft und guter ins künftige 
mit exaction desselben verschone...... 

Gegeben auf dem Königl. Schlosse zu Copenhagen den 10. January 
anno 1622. Christian. 


Die „Islandiea” bezeichneten Akten des Hamburger 
Staatsarchives geben über jene pacta zwischen dem König 
Christian IV. von Dänemark und dem König Jakob I. von 
England die Auskunft, dass sie im Jahre 1621 abgeschlossen 
wurden und dass in diesen ältesten Traktaten an Fremde 
(Nicht-Dänen und Nicht-Briten) verboten sei, „Island, Feröe 
und andere umliegende Inseln sowohl als die ganze nor- 
dische Seite von Norwegen und vieina maria zu besegeln 
und dort zu fischen”. 

Es ist erklärlich, dass sich der Rath von Bremen da- 
mals gerade an Dänemark wandte, um unter seinem Schutze 
an der eben in diesem Jahre aufblühenden Grönlands- 
Fischerei Theil zu Neben Gross-Britannien und 
den Niederlanden war es Dänemark, welches mehrere Pio- 
nier-Expeditionen nach dem Norden ausgerüstet hatte. Ver- 
möge der politischen Verhältnisse in Deutschland, vermöge 
des Handels mit Bergen war Bremen vorzugsweise auf 
Dänemark angewiesen. Andererseits lag dem König Chri- 
stian daran, den Rath zu Bremen bei der bevorstehenden 
Wahl eines Erzbischofs von Bremen für sich zu gewinnen. 


nehmen. 


Der König wollte seinen Sohn zum Erzbischof erkoren 


sehen und der Rath war klug genug, diese Gelegenheit zu 
benutzen, um einige im Interesse des Bremer Seehandels 
wünschenswerthe Punkte zu erreichen. 


Gesandtschaft Bremen’s nach Kopenhagen. — Den Doktor 
Preisswerk, welcher zu diesem Zweck als Gesandter des 
Rathes von Bremen nach Kopenhagen sing, instruirte er 
also unter Andere m dahin: 


Instructio 
wonach sich bei der Kön. Maj. zu Dennemarck, Norwegen unser Ab- 
gesandter Syndicus, der Ehrnveste und Hochgelahrte Herr Johann Preiss- 
werck, der Rechten Doctor, in unseren Partieular Sachen richten soll. 

Es soll gemelter unser Abgesandter, wan er nach Copenhagen, oder 
wo sich sonst I. Kön. Maj. etwa aufhalten möchten, ankommen, be- 
neben der gemeinen auch um eine sonderbahre Audientz anhalten, und wan 
er darzu verstattet, nach behörlicher- Danksagung, und anderen gewöhn- 
lichen Complementen und Curialien, zuforderst I. Kön. Maj. gebürlich 
gratuliren, das die ein Zeithero vorgewesene Traetaten, durch sonder- 
bahre schickung des Allerhöchsten, Jungst die endtschafft erreichett, 
dass I. Kön. Maj. Herr Sohn zu einem Coadjutorn und künfftigen 
Successoren dieses löblichen Uhralten Ertz-Stiffts designiret, erwehlett 
und proclamiret währe. — — — — — 

Endlich würden sich I. Kön. Maj. auch gnädigst erinnern, was 
massen Sie sich miltköniglich erbotten, dieser unserer guten Stadt 
Commereia in königliehen gnaden zu befurderen und zu vermehren, Das 
auch im verflossenen Augusto etzliche Puncten, an deren gnedigsten Bewilli- 
gung unserer Stadt ein Königliche favor geschehe, von uns underthänigst 
übergeben, hetten auch Jungst von offt wolermelten Abgesandten die gute 
vertröstung bekommen, Das I. Kön. Maj. uns zwar in einen und an- 
deren gmedigst zu gratificiren geneigett, Allein das Sie in solcher eill, 
und abwesenheit des Herrn Reichs-Cantzlers, mit dero Reichs-Räthen 
Darauss nit communieiren noch reden lassen können — — — — — 

Bremen, d. 8. Decembris 1621. y 


Die „Kurtze punctatio der Artieule, worüber die parti- 


n 


eular diese gute Statt betreffende assecuration zu begeren”, 


lautete: 


Weill auch 1. Kön. Maj. sich zu verschiedenen mahln sonders 
gnedigst erbotten, dass Sie dieser guten Statt commereia und nahrung, 
Ihrem hohen wollvermögen nach, milt Königlich verbessern und beför- 
dern wolten, So thue man unterthenigst bitten, dass I. Kön. Maj. 
gnedigst geruhen wolle, den Bremischen Bürgern die sonderbare König- 
liche gnade und freiheit zu indulgieren, dass (nebenst den privilegien 
und Freiheiten, so das Cunthor zu Bergen von I. Kön. Maj. und 
dero hochlöblichsten Vorfahren habe) ihnen auch in allen andern 
I. Maj. zugehörigen Königreichen, Insulen und Ländern, insonderheit 
aber auf Grönlandt, Isslandt, Gotlandt, Fehro und auff Jenseits der 
North Cape frei zu trafiequieren, zu fahren und zu handlen erlaubt, 
Ihnen auch etwa die für diesem in Isslandt gehabte Hauen [Häfen] wie- 
der eingeraumet werden mögen, und dass I. Kön. Maytt. auch sonst in 
allen andern Stücken oder vorfallend occasionen dieser guten Statt 
heill und wollfahrt milt Königlich zu befördern gnedigst geruhen wollen. 

Den 8. December 1621. 


Darauf wurde die oben erwähnte Antwort von König 
Christian ertheilt. 


Muthmasslicher Anfang der Bremer Grönlandsfahrten 


um 1025; aktenmässiger Nachweis derselben aus dem Jahre 


1674. — Es ist, wie auch aus dem Nachfolgenden hervorgeht, 
wohl ausser Frage, dass vielleicht schon bald nach jenem 
Briefe des Königs Christian auf den Walfischfang ausge- 
rüstete Schiffe die Weser verliessen und an dem reichen 
Gewinne, welchen die Spitzbergen’sche Fischerei in jenen 
Jahren abwarf, sich einen bescheidenen Theil holten. Nach- 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 11 


weislich aus den Akten des Bremer Archives!) ist es erst 
1674, wo in Bremen eine „Grohnländische Compagnie wieder 
aufgerichtet”” worden war. 

Am 7. Dezember 1674 suchen nämlich 31 Kaufleute, 
„Interessenten der Grönländischen Compagnien”, um Be- 
freiung der Consumtionsabgabe nach: für die Viktualien, 
besonders die Beesters, welche alljährlich hier geschlachtet 
Es ist 
in mehrfacher Beziehung für unseren Gegenstand‘ von 


und auf den Grönlandsfahrern verzehrt werden. 


Interesse, auf den Inhalt des Gesuches etwas näher einzu- 
gehen. 

Einzelheiten über die ältere Bremer Grönlandsfahrt. — 
Die Consumtionsabgabe, so wird ausgeführt, sei zur Unter- 
haltung der Soldateske bewilligt. 


„Nun werden aber diese Vietualien, so wir auf unsere Grönlän- 
dischen Schiffe mit ohnedem sehr schweren Kosten hinuntersenden und 
von anderen Örters uns besser damit versehen könnten, hier in loco 
nicht, sondern auf dem Schiffe, weit von Bremen, consumirt. Der Rath 
solle ferner ponderieren, wann diese angefangene Grönländische Fahrt 
durch Gottes väterliche Gnade sich jährlich möchte vermehren und 
zunehmen, was dieser guten Stadt und dem Publico von Zeit zu Zeit 
darinen zuwachsen könne, indem dadurch die frembde und ausslän- 
dische Handelssleute, auch viele gemeine Schifferknechte, ja über 
200 Personen, wann sie allhier angenommen, ihr Bier und Brod in 
dieser guten Stadt consumiren, Von benachbarten öhrtern abgewöhnet 
und anhero gezogen werden, da inzwischen viele burgere hieselbst mehre 
andere wahren, welche sonst an diesem ohrte niemals gesuchet und 
abgeholet werden, bei der handtzu haben und zu verschaffen, ihnen högst 
angelegen sein lassen werden, wie der senatus Hamburgensis löblich 
darinnen verfahren, indehm derselbe in so langen Jahren nicht das 
geringste von ihren grohnlandischen schiffen begehret, ihnen auch ver- 
stattet, dass diese und auch andere Schiffe ihr Bier, und was sie son- 
sten nötig, ausser der Stadt in Altena brauen und einkauffen lassen 
mögen, ja in ihre Stadt, vor dem Hauen, ohne einigen entgelt solches 
einzuladen und einzunehmen, gerne vergonnen, auch die Vorfahren am 
löbl. Regiment hieselbst Freyheit an die Hitlenderfahrer und anderen 
zur Seh gehenden Fischern ertheilt und dero aussgehende und ein- 
bringende wahren gahr geringe beschwehrt und belegt haben, indehm sie 
wahren holen, so auss der Seh erst gefangen werden. Ingleichen seien 
die Bergerfahrer alhie für anderer Burgern und Kauffleuten mit grossen 
privilegien und Freyheiten sowohl wegen ihre einkommende alss aus- 
schickende Gütern begnadigt, weil solche über Seh geholet werden. 
Ihrer Königl. Maytt. von Dennemark nehmen nichts von denen Schiffen, 
so auss ihren Landen nach Grohnland fahren, ja vergonnen auch denen 
Lübeckschen Bürgern, dass sie mit Ihren Grohnlandschen Schiffen durch 
den Sundt zollfrei passiren mögen, ohne zu gedenken, wie die H. H. 
Staten von Hollandt lange Jahre mit Freygebung aller unpflichten 
diess herrliche Werk und Fahrt so rülmlich befordet und ihren ein- 
wohnern überdehme alle hülffmitteln dazu alss sonderliche liebhabern 
der commereia und handlungen gecontribuirt haben, wan den nuhmehro 
auch unserem lieben Vaterlande zum besten noch eine andere undt 
neuwe comp. gleichfalls entstanden undt auffgerichtet, so nach Grohn- 
land werden equipiren, und uns ersuchet mit dieser Supplik einzukom- 
men, welche sie auch nebenst uns unterzeichnet haben.” 


Um es beiläufig zu erwähnen, wurde die gewünschte 
Begünstigung in so weit gewährt, dass gegen Einreichung 
einer Spezifikation die Consumtions-Freiheit für den Schiffs- 
consum an Brod und Mehl zugestanden wurde. (Senats- 
conelusa vom 23. Dezember 1698 und 8. Februar 1704.) 
Noch einiger anderer Archiv- Akten möge hier gedacht 


‘) Im Hamburger Staats-Archiv fand ich ebenfalls kein Schrift- 
stück, das einige Auskunft über diese ältesten Bremer Grönlandsfahrten 
gegeben hätte. 


r 


werden, weil sie nach mehr als Einer Seite hin für unser 
Thema und die Anschauungen jener Zeit von Interesse sind. 
Im März des Jahres 1676 suchen die 


„Burgers und Rehders der Grohnlandischen Compagnie (Rehders der 
6 nach Grohnland destinirten Schiffe) um Bürgerrecht für ihre fremde - 
Matrosen wegen des französischen Krieges nach, sie haben, erklären sie, 
von Fürstlicher Durchlaucht von Hannover Residenten in Paris Zeitun- 
gen erhalten, dass gegen Zahlung eines gewissen für die Last dieser 
Stadt Schifffahrt durch die französischen Kapers oder Schiffe gahr 
nicht sollte troubilirt werden, dennoch aber mit dieser Condition, dass 
kein einziger Holländer noch Hamburger sich darauff befinden müsse, 
ja dass ein einziger Cajüt Junge von Feindes-nation capable wäre, das 
gantze Schiff mit der Lahdung ins Verderben zu stürzen.” Sie erklären 
weiter: „Weil es aber uns Rehdern der gedachten Schiffe unmöglich 
fällt, mit Bremer Bootsknechten oder Schiffsleuten alleine zu fahren, 
auch desswegen schon eine ziemliche Zahl von anderen Nationen an- 
genommen, und darauf ein ziemliches Stück Geldes expendiret haben, 
und dieser Stadt Nahrung und Schifffahrt durch diesen vor kurzen 
Jahren wieder angefangenen Handel merklich befördert wird, so bitten 
sie darum, dass man diesen fremden auf unseren Schiffen dienenden 
Schiffleuten, zur promotion der Commercien, dass hiesige Bürger Recht 
precario nur so lange grossgünstig verleihen und geben mögte, alss 
Sie sich dieses Jahr auff gedachten unsern Schiffen befinden würden, da- 
mit dieselben bey ankommen einiger Caper völlig versichert und alles 
auffbringens geäussert sein mögen.” 

Am 7. November 1677 kommt zuerst in Frage, wie 
hoch der Eingangszoll auf aus Holland als Handelsartikel 
eingeführte Barten zu setzen sei. Es heisst in dem bezüg- 
lichen Wittheits- Protokoll (dem Protokoll des in corpore 
versammelten Raths): 


„Da bisher Fischbein zur convoje das Pfund schwer 4 Groten 
gegeben, die Kaufleute aber von den Wahren so viel zu geben nicht 
vermeinten,, so wurde beliebet, dass die Accise-Herren mit ihnen des- 
wegen handeln mögen und das Pfund schwer auf 3 oder 2 Groten 
convoje setzen”. 


Im Jahre 1677 beschweren sich die Interessenten bei 
der Grönländischen Compagnie darüber, dass die Tonnen- 
macher und Seiler ihnen Vorschriften machen wollten, bei 
welchem Meister sie ihre Arbeiten machen lassen sollen. 

Das Grönländische Recht der Holländer; Annahme des- 
selben Seitens der Deutschen Seestädte.e — Aus dem Jahre 
1684 endlich ist ein nicht unwichtiges Aktenstück erhalten, 
in welchem die bisher faktisch angenommenen Holländischen 
Usaneen des Fischereibetriebes in Grönland durch eime 
ausdrückliche Erklärung der betreffenden Bremer Rheder 
förmlich adoptirt werden. 
ländischer Sprache abgefassten Schriftstück die folgenden 
wichtigsten Stellen: 

Vor dem Senat erschienen: Eldermann Jürgen Baltzers und Bruno 
Heylman, ferner Dirck Wolpman, Conrad Mehne, Jacob von Berchem, Al- 
bert Schomaker, Henrich Sanders, Frans Dreyer, Henrich Klugkist jun., 
Albert Ellerhorst, Arnold Duntze, Daniel Meinershagen, Jobst Henrich 
Balcke, Kaufleute Bremen’s aus verschiedenen auf Grönland rhedernden 
Compagnien, Waben sich darüber informirt, welche Gebräuche und Ge- 
wohnheiten in den Fällen von Schiffsunglück!) in Grönland bezüg- 
lich des Bergens von Volk, Schiffen, Walfischfanggeräthschaften, Speck, 
Thran, Barten &e. bei den Einwohnern der vereinigten Niederländischen 
Provinzen bestehen. Sie finden, dass die Mannschaft eines verun- 


“ 


Wir entnehmen diesem in Hol- 


1) Datt zye voor genoemde reedery op groenland voor eenige jae- 
ren weer heryatt hadden en bevonden datt die derwaerts gaende Schee- 
pen, groot risico vann door hett ys gebrooken off door datt selbe 
besett te worden. 


2 * 
77 


12 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 


glückten Schiffes durch das erste Schift, an das sie kommt, zu den 
gebräuchlichen Kosten aufgenommen und mit Mundkost bis zu dem 
Platz versehen wird, wo das bergende Schiff zu Haus gehört; — 
ferner, dass die in Grönland oder in dieser Gegend aus verunglückten 
oder verlassenen Schiffen geborgenen Güter zur Hälfte an den Eigner, 
_ der das Schiff verloren, oder an dessen Ordre zurück erstattet werden, 
und zwar an dem Platz, wo das bergende Schiff ankommt, indem dem 
Berger als Berglohn und Fracht die andere Hälfte zukommt. Die At- 
testanten waren hierin übereingekommen und es war ihrer Ordre ge- 
mäss durch ihre Commandeurs zu verschiedenen Malen Volk von ver- 
schiedenen Nationen übergenommen worden. Sie waren mit Kost und 
Trank versorgt und nach ihrer Ankunft hier waren ihnen, besonders 
den Holländern, so viel Lebensmittel und Reisegeld gegeben worden, 
dass sie nach Hause zurückkehren konnten. Bezüglich der geborgenen 
Güter hatten die Attestanten und ihre respektiven Compagnien solehe 
Ordre gegeben, dass sich Niemand über sie beschwerte, noch Ursache 
hatte, mit Recht sich über sie zu beschweren. Im den kurzen Jahren, 
dass ihnen diese Gewohnheit bekannt war, waren ihnen nur die beiden 
folgenden Beispiele vorgekommen: Commandeur Gerrith Jacob Buis, 
führend das Schiff „die Eendracht’”, hatte im Jahre 1682 einiges Gut 
von dem verunglückten Schiff, dessen Commandeur Bowe Jochens, ge- 
wöhnlich Bowe genannt, geborgen. Davon hatte genannter C. Buis den 
halben Werth in Geld zu Folge Übereinkunft mit dem Buchhalter des 
gebliebenen Schiffes an diesen Buchhalter im Namen seiner Rheder frei- 
willig und ohne Widerspruch restituirt. Commandeur Jost Blase, füh- 
rend das Schiff „de Koning Albertus”, hatte im Jahre 1683 einiges 
Gut aus dem verunglückten und verlassenen Schiff „de vergulde Duyft” 
geborgen, wovon die hier wohnenden Rheder an die Eigner zugleich 
mit dem hier geschätzten Werthe desselben Kunde gegeben, indem sie 
es ihrer Wahl überliessen, ob sie das Geborgene zu dem Werthe des 
geschätzten Preises annehmen und die Hälfte davon empfangen wollten 
oder das Gegentheil. Die Eigner des geborgenen Gutes entschieden 
sich dahin, die Hälfte des geschätzten Werthes in Geld anzunehmen, 
und dieses ist dann ohne Widerrede an ihren Buchhalter S. Dirck 
Leenders durch Ordre der Rheder des ,„Koning Albertus” ausgekehrt 
und bezahlt worden. Ferner haben wiederum die Herren Holländer an 
einige der Attestanten und Mitglieder in dergleichen Vorfall die Hälfte 
des den Attestanten aus verunglückten oder verlassenen Schiffen zu- 
kommenden Bergegutes wieder lassen zukommen, wie zu ersehen aus 
der Restitution, welche Symon Willenjin zu Middelburg, J. Walerave 
zu Dortrecht und Commandeur Elias Pairi, zu Rotterdam wohnend, an 
die Rheder des im Jahre 1681 verunglückten Schiffes „de Jonas” ge- 
than. Die Berger schätzten das Berggut, die Eigner nahmen den ge- 
sehätzten Werth als richtig an und kehrten den Bergern die Hälfte 
desselben aus. Commandeur Claes de Valck restituirte an die Rheder des 
im Jahre 1683 verunglückten und verlassenen Schiffes „de Muyser’” 
einiges geborgene Gut gegen Empfang der Hälfte des geschätzten 
Werthes. Die Attestanten erklärten nun für sich und ihre Mitrheder 
mit feierlichem Eide, dass diess Alles der Wahrheit gemäss sei und 
dass sie beschlossen hätten, solchen Gebrauch und Recht auch ferner 
reciproque beizubehalten, dass auch weder von dem Rath noch von 
dem Richter dieser Stadt einige Frage oder Process gegen die Bürger 
- der Stadt wegen dieses Gegenstandes erhoben sei. Wir haben daher 
auf die Requisition der genannten Attestanten diesen Akt mit dem Sie- 
gel unserer Stadt und der Unterschrift des p. t. Praeses Bürgermei- 

sters ausgefertigt. 

Geschehen zu Bremen am 19. November 1684. 

Nicolaes Zobel, Dr., p. t. Praeses Reipublicae Bremensis. 


Es scheint, dass dieses Aktenstück nach Amsterdam an 
die Regierung so wie an sämmtliche Holländische Grön- 
lands-Rheder geschickt wurde. Dort wird den 22. Januar 
1695 von den Staaten von Holland und West- Fries- 
land eine Resolution gefasst, welche das Grönländische 
Recht in einer Reihe von theilweise bereits im Jahre 1677 
adoptirten Grundsätzen, die seitdem in den Niederlanden 
im Wesentlichen Geltung hatten, enthielt. In Bremen 
und in Hamburg (durch ausdrückliche Verordnung von 
1696) und in Emden wurde diese Resolution die Grundlage 
und Norm des Grönländischen Rechts. 


„Wir Bürgermeister und Rath der Stadt Hamburg”, so lautet die 
Verordnung des Raths von Hamburg von 1696, „geben allen und je- 
den, denen daran gelegen, vermittelst dieses offenen Drucks zu verneh- 
men, wessgestalt Uns hiesige committirte von den gesammten Inter- 
essenten der Grönländischen Fischerei nachfolgendes von ihnen entwor- 
fenes Reglement übergeben, und dabei geziement gebeten, Wir geru- 
heten solches Obrigkeitlich zu approbiren, und in vim Legis zu auto- 
risiren. 

„Wie Wir nun dieses Reglement so befunden, dass es zum Besten 
der Grönlandsfahrt gute Verordnungen in sich hält, so haben Wir auch 
kein Bedenken gehabt, solches in allen seinen Puncten gut zu heissen, 
und zu Jedermanns Wissenschaft, wie hiemit geschieht, solches drucken 
und publieiren zu lassen, mit dem Anhange, dass sich ein Jeder darnach 
hinführo schuldigst achten, und demselben nachleben soll; Gestalt dann 
auch bei ereignenden Fällen in judieando einhalts sothanen Reglements 
jeder Zeit zu verfahren.” 


Es folgt dann das Reglement, welches von den Com- 
mittirten, den Herren Harm Gerh. Backer, Berend de Vlieger, 
Joh. Carl de Vlieger, Joh. Beetz, Gerhard Gühle und Jon 


Tamm, unterzeichnet ist. Wir geben jene Resolution im 


Auszuge, übersetzt aus „de Walvisvangst’”’ (Th. I, $. 22). 
Das Hamburger Reglement lautet im Wesentlichen über- 
einstimmend. 


Auszug aus der Resolution der Staaten von Holland 
und West-Friesland, in ihrer Versammlung gefasst den 
22. Januar 1695: 


1) Wenn ein Schiff verunglückt und der Commandeur und das 
Volk sich zu retten suchen, soll das erste Schiff, an welches sie kom- 
men, sie zu retten schuldig sein, und wenn dieses einem andern 
Schiffe begegnet, soll es die Hälfte des besagten Volkes übergeben, 
wie auch das geborgene Volk schuldig sein soll überzugehen, es wäre 
denn, dass das zweite Schiff bereits geborgenes Volk inne hätte, in 
welchem Falle das Volk pro rata vertheilt werden soll, dass eines so 
viel als das andere und ein jedes der beiden Schiffe die Hälfte des 
Volkes habe, und wenn sie zu anderen Schiffen kommen sollten, soll 
alsdann wieder wie zuvor eine Vertheilung geschehen. 

2) Die Viktualien, welche die Geborgenen an Bord bringen, sollen 
von ihnen selbst verzehrt werden, und was noch übrig sein möchte, 
nachdem sie an das zweite oder folgende Schiff gekommen sind, davon 
sollen sie pro rata des Volkes mitgeben; desgleichen soll den sal- 
virten Schaluppen, welche keine Viktualien mitbringen, aus christlicher 
Liebe beigestanden werden, mit Beding, dass sie arbeiten, wie andere 
Matrosen. . 

3) So auch, wenn ein oder mehrere Schiffe und Güter in Grönland 
bleiben müssten oder verloren würden, so soll der Kommandeur und 
Schifter, oder wer an ihrer Stelle ist, ein Jeder für so viel ihn angeht, 
so lange sie dabei sind, ihre freie Wahl haben, ob sie das Gut wollen 
bergen lassen, und wie, jedoch so, dass die Kommandeurs, welche 
allda gegenwärtig sind, die Freiheit haben sollen, solche Güter 'zu 
übernehmen oder nicht. ! 

4) Wenn Jemand zu einem oder mehreren gebliebenen oder verlo- 
renen Schiffen und Gütern kommt, welche verlassen sein möchten, und 
Niemanden dabei fände, so mag er solches Gut bergen. Von diesen 
geborgenen Gütern, es sei Geräthschaft zum Walfischfang, Speck, Thran 
und Walfischbarten, Walrosszähne, Schiffsgeräth, oder was dergleichen 
Mehreres sein möchte, soll, wenn er hier zu Lande kommt, die eine 
Hälfte dem zu Gute gehen, der es gerettet hat, und die andere Hälfte 
denen verbleiben, die es verloren haben, welchen derjenige, der es ge- 
rettet hat, die Hälfte herausgeben soll, ohne Fracht, Parteniergeld 
oder andere Unkosten zu fordern oder zu prätendiren. 

5) Wofern ein oder mehrere Schiffe oder Güter vor dem Bergen 
von denen, welche Monatsgelder, und den Parteniers, welche Theil ha- 
ben, wäre verlassen worden, so sollen weder die, welche auf Sold, 
noch die auf Part dienen, von dem geborgenen Schiffe, Schiffen und 
Gütern Etwas geniessen oder zu prätendiren haben, und soll in diesem 
Falle das Gut des Schiffes und das von dem Walfischfang den Rhe- 
dern zu Gute gekommene von ihnen genossen werden. 

6) Wenn aber das Volk von dem gebliebenen Schiff oder Schiffen 
und Gütern dabei ist und die Güter hat retten helfen, sollen aus dem 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 13 


reinen vierten Theil von allem Geborgenen die, welche um Sold auf 
dem Schiffe dienen, ihr bedungenes Monatsgeld und die Parteniers, 
oder welche um Part dienen, für ihre gethane Arbeit ein Monatsgeld 
von 20 Gulden geniessen, bis dahin, als das Schiff geblieben ist, so dass 
die Parteniers in diesem Falle eben so wie die, welche um monatliche 
Gage dienen, considerirt werden. Wenn jedoch der vorbesagte vierte 
Theil nicht so weit reichen sollte, wird ein Jeder, sowohl der um Mo- 
natsgeld als der auf Part dient, nach Advenant missen müssen, und 
was von demselben vierten Part über die erwähnten Monatsgelder 
Überschuss ist, soll den Rhedern zum Profit gereichen. 

. 7) Der Kommandeur, welcher einiges Gut rettet, soll den Werth 
desselben berechnen, davon den im vorstehenden Artikel erwähnten Be- 
trag an Monatsgeldern abziehen, die sich ergebende Summe mit den 
Marktpreisen des Thrans und der Barten vergleichen und danach Offi- 
ziere und Mannschaft so bezahlen, als wäre die Summe das Ergebniss 
der Fischerei; aber die um Sold dienen, sollen Nichts davon geniessen 
und sollen 50 Quardeele Thran und 1600 Pfund Barten. für einen Fisch 
gerechnet werden. 

8) Alle solche geborgenen und zu Schiffe gebrachten Güter sollen 
allem Vorfall von Schaden und Haverei eben so wohl als eigen Gut un- 
terworfen sein. 

9) WennJemand in dem Eis einen Fisch getödtet hat und solchen 
durch Ungelegenheit nicht könnte an Bord bekommen, so bleibt er 

Eigner, so lange Jemand von dem Volke dabei ist, und wenn kein 
Volk dabei ist, obschon er ihn an einem Eisschots festgemacht, so 
mag der, welcher dahin kommt, diesen Fisch zu sich nehmen. 

10) Wenn man bei dem Lande sich befindet und es hat Jemand 
einen Fisch, mag er denselben vor Anker, Dreggen oder kleinen Ankern 
und Seilen festlegen, nebst einem Zeichen oder Flagge darauf, so bleibt, 
wenn schon Niemand dabei ist, er doch dem Eigenthümer liegen. 

11) Wenn auf der Reise nach Grönland unter der Admiralschaft 
im Defendiren Jemand an seinen Gliedern verstümmelt würde, soll da- 
für der Billigkeit nach. von den Committirten der Grönländischen Fi- 
scherei bezahlt und solches repartirt werden über die ganze Flotte; so 
auch bei der Rückreise. 

12) Endlich, . wenn einige Sachen, die hierinnen nicht begriffen 
sind, sich heryorthun sollten, will man selbiges durch ehrliche Leute 
ausmachen lassen. 


Diese auf Gerechtigkeit und Humanität beruhenden 
Grundsätze kamen dem ganzen Betriebe zu Gute, manchen 
Streitigkeiten war im Voraus die Spitze abgebrochen und 
die Rettung von Menschenleben so viel wie möglich erleich- 
tert und gesichert. 

In Gross-Britannien wurden niemals bestimmte, auf diese 
Fragen bezügliche Vorschriften und Gesetze erlassen. Zwei 
Grundsätze hatten dort aber immer nach Scoresby prakti- 
sche Geltung: 1) ein festgemachter Fisch, lebendig oder 
todt, ist Eigenthum derer, welche mit dem Fisch in Ver- 
bindung; stehen oder ihn in Besitz halten; 2) ein freier, 
nieht auf solche Weise gebundener Fisch ist gute Jagd für 
Jeden. 

Den einfachsten und für alle Fälle anwendbaren Grund- 
satz findet der würdige Scoresby in dem Wort der Bibel: 
„Was du willst, das dir die Leute thun sollen, das thue 
ihnen auch, und was du nicht willst, das dir die Leute 
thun sollen, das thue ihnen auch nicht.” 

Nur wenige Fälle kamen vor, in welchen zwischen Com- 
mandeuren, beziehungsweise Rhedern Deutscher Schiffe 
Streitigkeiten entstanden, welche durch Anrufung und Ver- 
mittelung von Behörden erledigt werden mussten. Einzelne 
dieser Fälle sollen später angeführt werden. 


Älteste Grönlands-Fischerei Hamburg’s. — Hamburg, an 
dem grössten der ihren Lauf nach der Nordsee richtenden 
Deutschen Ströme gelegen, eine Stadt, deren Mauern von dem 
Athemzuge des Meeres, von Ebbe und Fluth, unmittelbar er- 
reicht werden, wo Schiffsbau und Handel, Seefahrt und Fische- 
rei der Deutschen Küsten mehr und mehr ihren Markt und 
Mittelpunkt fanden, das endlich geübte Fischerleute in gros- 
ser Zahl auf den nahen Holsteinischen und Schleswig’schen 
Inseln zur Hand hatte, nahm wohl unter den Hanse- 
städten zuerst an der Grönlands-Fischerei Theil. Nach 
Scoresby’s Aufstellung folgten die Hamburger unmittelbar 
den Dänen, also noch vor 1620. Sie wählten ihre Sta- 
tion in einer von ihnen entdeckten kleinen Bai an der 
Westküste von Spitzbergen, bei den Sieben Eisbergen. 
Ziemlich eisfrei eignete sie sich sehr gut zu einer Fischerei- 
Station. Nach Friedrich Martens’ Spitzbergen’scher Reise- 
beschreibung wäre es um 1640 („etliche dreissig Jahre vor 
1675”) gewesen, als zuerst die Hamburger mit einem oder 
zwei Schiffen es wagten, in so grausam kalten Landen 
Nahrung zu suchen. 

Die erste Glanzperiode der Fischerei, die Baienfischerei, 
war also schon vorüber und unsere Landsleute hatten von 
Anfang an mit grösseren Schwierigkeiten zu kümpfen als 
die Engländer, Holländer, Dänen und Franzosen. 

„Als dieses negotium”, so sagt ein späteres, Aktenstück 
aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, „in Hamburg sta- 
biliret wurde, embrassirte es die Stadt mit solchem applausu, 
wie eine dergleichen bloss auf Gottes Segen beruhende Nah- 
rung billig verdiente.” 

Die Schoonenfahrergesellschaft. — Es scheint, dass der 
Hamburgische Walfisch- und Robbenfang sich zuerst bei 
der Schoonenfahrergesellschaft concentrirte. Diese Gesell- 
schaft hatte grösstentheils den Fang und Handel der grossen 
Fische, namentlich auch den Häringshandel von Ham- 
burg aus in ihren Händen '). Letzterer unterlag, als 
die Hauptbeschäftigung der Gesellschaft, einer staatlichen 
Oberaufsicht, während der Walfisch- und Robbenfang als ein 
internum der Gesellschaft erscheint. Im Jahre 1648 soll 
die erste Thranhütte in Hamburg erbaut und eingerichtet 
worden sein, im Jahre 1674 waren bereits neun Thran- 
hütten vorhanden und somit der Betrieb schon ein sehr 
bedeutender. 

In einem Gesuche der Öberalten der Schoonenfahrer- 
Compagnie an den Rath wegen freier Lagerung des Thranes 
in den Packhäusern heisst es unter Anderem: „Wann nun 
dieses eine Sache, so unsere gesammte Schonfahrer - Com- 
pagnie, auch die Grönlandsfahrer, Bergerfahrer, Moscovie- 


1) Nach einer Mittheilung aus den Akten des Hamburger Staats- 
archives, welche Verfasser der Gefälligkeit des Herrn Archivar Dr. O. 
Benecke verdankt. 


14 _ Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 


fahrer, Drontheimer und alle Kaufleute dieser guten Stadt, 
welche mit Thran handeln, eoncernieret, Massen bekannt” 
us. w. 

= Vorzeichniss der Hamburger Walfischfahrer 1669—1638.— 
Die werthvollste Nachricht über die Geschichte der älteren 
Hamburger Grönlands-Fischerei ist ohne Zweifel das „Ver- 
zeichniss der Schiffe, die auf den Walfischfang von Ham- 
burg abgegangen, und wie viel sie jedes Mal gefangen ha- 
ben, vom Jahre 1669 bis 1698 incl.” Es ist in Holländi- 
scher Sprache geführt, wie jene frühere Erklärung der Bre- 
mer Rheder, — wohl erklärlich, wenn man bedenkt, -dass 
die Holländer damals noch immer das erste Seehandels- 
'volk Europa’s waren und daher die Hansestädte in der 


„ganzen Art und Weise ihres Handelsbetriebes viel von dem 


Holländischen Wesen und seinen Eigenthümlichkeiten anneh- 
men mussten. Das Verzeichniss, aus welchem wir im Anhang 
als Probe einige Jahre mittheilen, da es bisher unseres 
Wissens noch nicht veröffentlicht wurde, giebt die Namen 
der „Directeurs” (Eigenthümer) der Schiffe oder der Ver- 
treter der Compagnien, welchen sie gehören, ferner die Na- 
men der Kommandeure, die Zeit der Rückkunft und den 
Ertrag an Fischen und Speck an. 

Die Familiennamen sind zum Theil alt-Hamburgischen, 
zum Theil Holsteinischen und Holländischen Ursprungs, 
manche, wie Schomaker, Backer, Mangels, Witte, Teunis, 
Dirks, Roloffs, finden wir in dem Bremischen Verzeichnisse, 
welches zu Ende des 17. Jahrhunderts beginnt, wieder, ein- 
zelne Kommandeure, wie folgende: 

6. Riekmers, von 1669—1689 Kommandeur, 

R. Volkers, von 1678—1681 Kommandeur, 

P. Peters, von 1671—1681 Kommandeur, 
fuhren jedes Frühjahr auf die Fischerei bei Grönland. In 
der Liste der Directeurs finden wir einzelne Namen und 
Firmen diese 30 Jahre hindurch im Walfischfang engagirt; 
es sind diess die Govers, de Vlieger, Backer, Schomaker. 

Die Namen der Schiffe sind nicht ohne charakteristi- 
sches Interesse. Die Apostel des Neuen wie die Glaubens- 
helden des Alten Testaments sind es vornehmlich, die den 
auf gut Glück zu so gefährlicher Fahrt ausgehenden Schiffen 
ihren Namen geben und so gleichsam ihnen Schutz und 
Schirm werden: St. Paulus, St. Pieter, St. Jan Evangelist, de 
Koning David, de Koning Josephus, Abraham offer Sande, 
St. Jan Baptist, St. Jacob, de Prophet Daniel, de Maria, 
de Engel Gabriel, St. Michel, de Oude Tobias, St. Johannes, 
St. Nicolas, de Jonas, de Ledder Jocob’s, Salomon’s Gericht, 
de drie Helden David’s, St. Elisabeth, de Sara, de Susanna 
Maria, St. Gertruyt, St. Anna, de heylige dry Koning. 
Neben den Königen und Propheten des Alten und Neuen 
Testaments läuft auch gelegentlich ein Name aus der Hei- 
denwelt mit unter, wie Neptunus, de Fortuyn, de Justitia, 


de Hector, de Concordia, de Charitas, de Patientia, de Vogel 
Phönix, de Vigilantia. Viele Namen beziehen sich auf 
Seefahrt und Fischfang oder sind nationaler und stadt- 
patriotischer Bedeutung oder sie sind als Huldigungen an 
hohe Personen anzusehen oder deuten die lebhaften Han- 
delsbeziehungen an, in welchen Hamburg zu anderen Län- 
dern und Plätzen stand, deren Kapital wohl bei der be- 
treffenden Unternehmung mit betheiligt war. Noch an- 
dere sind Thiernamen oder moralischer Tendenz. Eigen- 
namen von Rhedern kommen nur wenig vor, wohl aber 
nicht selten die Vornamen ihrer Frauen und Töchter. 
Von der ersteren Art sind besonders folgende bezeichnend: 
de Zeemann, de jonge Zeemaun, de Hoop, de Zeepardt, 
de Valk, de Hoop op de Walvis, de witte Bahr, de Dol- 
phin, de Noordsteeren, de Sonn, de Walrus, de Morgen- 
steeren, de Jager, de Gronlandsche Vissery, de swarte ge- 
eronde Walviss, de Walviss met de Jonas, de seven Steeren, 
de Visser, ”t wakent Oog, de gröne Jager. Die zweite Gat- 
tung wird unter Anderem durch folgende Namen vertreten: 
de Kayser Kunradus, de Ruland, de Konigin Christina, de 
Geluckstädter, de Stadt Hamborg, ’t Wapen von Bergen, de 
Moscovieter, de Stadts wolvaerdt, de Kayserinne, ’t Wapen 
von Ostfriesland, de Burger van Hamborg, ’'t Wapen von 
Hamborg, de Börs van Copenhagen, ’t Wapen van Däne- 
mark, de Konigin van Sweden, ’t Casteel van Glückstadt, 
de Stad Stockholm, ’t rathhuys van Altona, Schip Kron- 
borg, de Stadt Glückstadt, d’Elffstrom, de Stadt Stockholm, 
de Koning van Sweden, de Burger van Stockholm. Von 
den Thiernamen kommen ausser den obigen unter anderen 
vor: die Nachtigal, der Falk, der rothe, der weisse und der 
goldene Löwe, der Hahn, der goldene Kranich, der weisse 
Schwan, die Löffelgans, der Pelikan, der Papagei, der grüne 
Papagei, das weisse Pferd, die goldene Fliege, der goldene 
Elephant, der schwarze und der blaue Adler, der gekrönte 
Pfau, die goldene Taube, der wachende Kranich, ja sogar 
das Kameel. Frauennamen sind z. B. die Jungfrau Chri- 
stina, Jungfrau Johanne, die Lucia, die Anna Catharina, 
männliche Vornamen: Emanuel, Franeiscus, Salomon u. a. 
Moralischer Tendenz sind z. B.: Liebe, Friede, gekrönter 
Friede, gekrönte Liebe, die Eintracht. Auch die Pflanzenwelt 
ist durch einige Namen vertreten: der Kirschbaum, der grüne 
Baum, der Orangenbaum, der Palmbaum. Den hohen Werth 
eines Schiffes zeigen die Namen Krone, Perle, Schildpatt, 
und endlich fällt uns der sonderbare Name des Schiffes 
„de Schrieffeder”” (Schreibfeder) auf. 

Was den Ertrag der Hamburger Grönlands - Fischerei 
während der Periode des Verzeichnisses angeht, so sind die 
Jahre 1669, 1671, 1672, 1673, 1682 und 1697 die glän- 
zendsten. Es kamen in diesen Jahren durchschnittlich 


auf jedes Schiff 7—11 Fische. Nach den guten Jahren 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 15 


1671 bis 1673 wird die Zahl der ausgehenden Walfischfänger 
verdoppelt, von 40 steigt sie nämlich auf 83, sinkt aber 
wegen des sich wiederum sehr vermindernden Ertrages bis 
auf 50 und 40 herab. Die ungünstigsten Jahre waren 
1688 und 1689, wo auf jedes Schiff durchschnittlich nicht 
ein Fisch kam. Als die glücklichsten Walfischfänger er- 
scheinen unter Anderen folgende: 


Schift. Kommandeur. Fische. 
d’Nachtigaal Peter Petersen 26 in 5 Jahren, 
de vergulde Falk Peter Dierks er: 
Sankt Peter Peter Castens BIESEH a 
de Liefde Cornelis Peters 980, 12005 
de witte Baer Cordt Kuhl Tara, 


Es gab in der fraglichen Periode Jahre, wie z. B. 1674 
(75 Schiffe), wo von der ganzen Fischerflottille nicht ein 
einziges Schiff verloren ging, höher als fünf steigt die Zahl 
der durch Seeunglück verlorenen Schiffe nie und es war 

in der ganzen Periode der Verlust an Schiffen durch See- 

unglück bei 1549 auf den Fang ausgelaufenen Schiffen 56, 
was kaum 34 Prozent beträgt. Es kommt aber für die 
Rheder noch der Verlust durch Kaperei hinzu, welche in 
der Kriegszeit gegen Ende des 17. Jahrhunderts besonders 
gegen die oft mit höchst werthvoller Ladung heimkehren- 
den Grönlands-Fischer betrieben wurde. 

Martens, des Hamburger Schiffsbarbiers, Grönlandsfahrt 
im Jahre 1671, von ihm selbst erzählt. — Jetzt zu dem 
ältesten Druckwerk über die Deutsche Grönlands-Fischerei, 
zu „Friedrich Martens’ von Hamburg Spitzbergischer oder 
Grönlandischer Reise-Beschreibung, gethan im Jahre 1671” 1). 
An der Hand von Martens lernen wir erst den ganzen Be- 
trieb näher kennen. Martens erzählt in der Widmung sei- 
ner Schrift an den Rath von Hamburg, datirt von 1675, 
„dass er vor 4 Jahren auf einem nach Spitzbergen gehen- 
den Hamburger Schiffe die Reise nach Spitzbergen gethan 
und sich als einen Schiffsbarbier darauf habe brauchen 
lassen”. Er sagt weiter: 

„Ich habe bey dieser Gelegenheit Gottes sonderbahre 
Vorsehung an diesen kalten Orten betrachtet, und was ich 
im Eise, im Wasser, in der Luft und auff dem Lande Denk- 
würdiges gefunden, nach dem Leben alsobald auff der Reise 
frisch abgerissen und, so viel ich gekonnt, nicht aus an- 
deren Büchern, sondern aus eigener Erfahrung beschrieben.” 

Lebendig und anschaulich, wenn auch in einfacher und 
stellenweis selbst plumper Sprache, schildert der Hambur- 
ger Schiffsbarbier im ersten Theile den Verlauf seiner Reise, 
welche vom 15. April bis 21. August 1671 währte. 

Des Mittags am 15. April segelte das Schiff bei Nordost- 
wind von der Elbe in die See. Es hiess „Jonas im Wal- 


fisch”, der Schiffer „Peter Petersen der Friese” ?). Am 


!) Hamburg, auff Gottfried Schultzens Kosten gedruckt im Jahre 


1675. 
2) Wie aus der im Hamburger Archiy vorhandenen Übersicht zu 


Abend waren sie bei Helgoland (Heilige Land). Am 21. 
(auf 62° 12’) rüsteten sie sich schon auf den Waltischfang. 
Die Lanzen, Harpunen, Leinen, Riemen, und was noch mehr 
dazu gehörte, legten sie m die Nebenschifflein oder Slupen 
auf Vorrath nieder. Am 27. kam das Schiff bei Ostnord- 
ost auf 71° au das Eis. Jan Mayen-Eiland war Südwest 
zum Westen’nach Muthmassung 10 Meilen entfernt, jedoch, 
wie so häufig, wegen des Nebels nicht zu sehen. Am 
4. Mai wird berichtet, dass täglich „unbeständig Gewitter” 
sei. „Die Seehunde siehet man sehr viel, sie springen aus 
dem Wasser vor den Schiffen her, possierlich anzusehen, 
stehen mit halbem Leibe aus dem Wasser und halten gleich- 
sam einen Tanz (Rüben-Tanz genannt) unter einander.” 


Vom 5. an sahen sie täglich viele Schiffe, die um das. 


Eis kreuzten, „Ich merkte, wann einer dem andern nahe 
vorbeisegelte, preieten sie einander, das ist, sie riefen: Holla, 
der andere rief wieder also: Wie viel Fische habt ihr ge- 
Der andere antwortet: drei, vier, fünf, oder wie 


Der andere macht es wieder also, sollte er 


fangen ? 
viel es sind. 
auch noch einen oder mehr, als er hat, dazu setzen, schadet 
eben Nichts.” 

Wenn es so windig, dass sie wegen des Windes ein- 
ander nicht zurufen können, schlagen sie mit dem Hute 
auf und nieder, so viel Mal, als Einer Fische gefangen hat. 

„Wenn sie aber ihre vollkommene Schiffsladung von 


Walfischen haben, lassen sie zum Zeichen die grossen Fah- 


nen (Flaggen genannt) wehen. Hat Einer ein Gewerbe an 
den Andern, so legt er dasselbe bei dem Andern ab.” (Mar- 
tens verweist hinsichtlich des Flaggens auf die beigegebene 
Abbildung. Auf dieser erscheint unter Anderem ein grosser 
Walfischfänger im Fange eines Fisches begriffen. An der 
Spitze des vorderen und hinteren Mastes wehen Flaggen; 
Farben und Insignien nieht zu erkennen. Am Spiegel eine 
breite Flagge mit kurzem Stock, auf welcher die Umrisse 
eines Walfisches deutlich zu schauen sind.) 

Am 7. Mai Nachmittags sahen sie Spitzbergen, das 
„Südende von dem Nordvorlande”. Sie wussten nicht an- 
ders, als dass es der Behaltene Hafen (behoude haven) war. 
„Das Land sahen wir wie eine finstere Wolke, welche voll 
weisser Striche war.” Sturm, Schnee und Nebel wechselten 
mit einander ab. Sie steuerten westlich und waren am 14. 
bei schönem Wetter auf 75° 22° N. Br. An diesem Tage 
sahen sie 20 Schiffe. Es war viel kleines Eis und sie 
vermieden es, hinein zu fahren. 

Am 15. sahen sie den ersten Walfisch, liessen 4 Slu- 


entnehmen, segelten in diesem Jahre von Hamburg 40 Schiffe nach 
Grönland. Sie brachten 351 Fische heim, welche 16.937 Quardeele Speck 
lieferten. Peter Petersen wird der Friese genannt, zum Unterschied von 
einem anderen Commandeur gleichen Namens, weleher den Grönlands- 
Fahrer „d’Nachtigaal” commandirte. 


16 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 


pen vom Schiffe, indess der Fisch ging unter Wasser. Den 
21. segelten sie mit noch einem Hamburger Schiffe, der 
„Lepeler” (Comm. Cornelis Nannings) genannt, und acht 
Holländern in das Eis, sie machten das Schiff mit Eishaken 
an einem srossen Eisfelde fest und zählten 30 Schiffe im 
Eise, die wie in einem Hafen lagen. „Man wagt die Schiffe 
in das Eis hinein, wie es trifft, wie man es wagt mit einem 
Glas, das, ob es wohl auf die Erde fällt, doch zuweilen 
ganz bleibt.” 

‘Am 30. Mai schreibt unser Schiffsbarbier: „Des Mor- 
gens hörten wir einen Walfisch blasen, da die Sonne im 
Osten war, und brachten ein Walfisch-Weiblein an das 
Schiff, da die Sonne Ostsüdost war; denselben Tag schnit- 
ten wir den Speck davon und füllten 70 Kardelen voll 
Specks.” (Das ganze Verfahren bei der Fischerei lernen 
wir weiter unten kennen.) „Bei diesem Fische vernahmen 
wir viel Vögel, die meisten waren Mallemükken !), und waren 
also begierlich nach der Speise, dass man sie mit Stecken 
zu Tode schlug. Dieser Fisch ward meist von den Vögeln 
verrathen, denn man sah überall viel Vögel auf dem Meer, 
wo der Walfisch gewesen war. Er war mit einer Harpune 
verwundet, welehe ihm noch im Fleische stak. Der Wal- 
fisch hatte sich auch ermüdet von hartem Schwimmen, er 
blies ganz hohl und war entzündet, dass er lebendig stank, 
Dieser Walfisch gährte 
stark, wie er todt war, und von dem Rauch entzündeten 

sich unsere Augen.” 


und die Vögel assen von ihm. 


In der folgenden Nacht ging im Drängen des Eises ein 
Holländisches Schiff, Comm, Cornelius Seemann, verloren 
und einige Tage später kamen acht von der Mannschaft 
dieses Schiffes an Bord. Nachdem sie auf verschiedene Wal- 
fische Jagd gemacht, jedoch ohne Erfolg, und gelegentlich 
Seehunde geschlagen, heisst es am 13. Juni: „Nachts sahen 
wir mehr als 20 Walfische. Sie liefen hinter einander her 
nach dem Eise und davon bekamen wir den andern Fisch, 
“ welcher ein Walfisch-Männlein war. Dieser Fisch, als man 
ihn mit Lanzen tödtete, blies stark Blut, so dass die See 
davon gefärbt war.” 

Am 18. waren sie wieder bei Spitzbergen. Sie segel- 
ten bei dem Vorlande, bei den 7 Eisbergen, bei dem Ham- 
burger, dem Magdalenen-, dem Englischen und Dänischen 
Hafen vorbei in den Südhafen. Es foleten ihnen 3 Ham- 
burger und 4 Holländische Schiffe. In der Nacht vom 19. 
zum 20. segelten sie mit 3 Slupen in den Englischen Ha- 
fen, harpunirten einen Walfisch, der ihnen indessen ent- 


') Procellaria glaeialis, bei den Hollündern Mallemuk, bei den Eng- 
ländern Fulmar, bei den Schweden Stormfogel genannt, der stete Begleiter 
der Walfischfünger, grau, auf der Brust weiss, ausgezeichnet durch sei- 
nen kräftigen Flug, in dem er gegen die stärksten Stürme verharrt, 
fortwährend nach Nahrung begierig. Beim Flenssen eines Fisches fin- 
det er sich in Massen ein, um’ die Speckabfälle zu verschlingen. 


ging. Auf dem Eise lagen 2 grosse Walrosse, welche durch 
eine löcherige Scholle auf das Eis gekommen waren. Sie 
schliefen. „Wir benahmen ihnen den Pass und bedeekten 
das Loch in den Eisschollen. Danach weckten wir sie mit 
Lanzen auf. Die Walrosse stellten sich gegen uns zur 
Wehr und waren schwer zu tödten.” Am 22. bekamen sie 
den dritten Fisch. Am 30. sahen sie viel Walfischspeck 
treibend, von einem verlorenen Schiffe. Am 1. Juli waren 
2 Walfische nahe beim Schiffe. Die Slupen flogen vom 
Schiffe und einer der Fische wurde harpunirt, nachdem 
eins der Boote von dem Fische umgeschlagen worden war. 
„Desselben Morgens vor dem weiten Hafen liess sich ein 
Walfisch nahe bei unserm Schiff sehen, darauf liessen wir 
4 Slupen vom Schiffe und zwei Holländische Schiffe waren 
auf eine halbe Meile von uns, davon kam eine Slupe an- 
riemen, und wir wendeten grosse Mühe auf den Fisch, der 
Fisch aber kam recht vor des Holländers Slupen auf und 
ward von dem Holländer mit der Harpune geworfen. Das 
war recht das Brod vor dem Maul weggerissen, es schmerzte 
uns wohl ein wenig. Die Holländer nahmen darauf den 
Fisch zu sich und brachten ihn todt an ihr Schiff.” 

Um Mitternacht des 2. zum 3. Juli waren sie wieder 
auf der Jagd und fingen den fünften Fisch. Das Speck 
schnitten sie davon und warfen es in das Flenssgatt, ‚den 
Platz im Schiffe vor dem Mittelmast, wo man unter der 
grossen Pforte oder Luke die Fässer einlässt. Am 4. be- 
kamen wir den sechsten Fisch von 45 Kardelen Speck.” 

Am 3. und 4. Juli sahen sie mehr Walfische als sonst 
auf der ganzen Reise. Am 5. des Morgens schossen sie 
einen Walfisch „vor dem Weihegatt”. 

„Dieser Fisch lief rings um unter Wasser und der 
Strick oder die Leine, an welcher die Harpune fest war, 
kam um eine Klippe und verwirrte sich, die Harpune riss 
aus und der Fisch entlief.” 

Am Mittag bekamen sie den siebenten Fisch von 45 Kar- 
delen Speck. Sie segelten nun „von dem Weihegatt ein 
wenig um die West vor den Muschelhafen oder Bai und 
liessen den Anker fallen; unsere Arbeit war die Zerschnei- 
dung der grossen Stücke Specks in kleine Stücke, damit 
die Kardelen zu füllen.” 

Die Schiffsleute schnitten den Speck von einem Wal- 
fische und der Fisch borst. „Das gab einen so harten 
Schlag wie ein Kanonenschuss und bespritzte die Arbeiter 
sehr hässlich.” 

Am 9. fingen sie wiederum vor dem Weihegatt einen 
Walfisch, den achten, und zwar von 54 Kardelen Speck, 
„Am 12. des Abends”, heisst es weiter, „segelten wir mit 
3 Slupen im Eise vor dem Weihegatt und fingen 3 weisse 
Bären, eine Alte mit 2 Jungen, welche wie Fische im 
Wasser schwammen.” Auf dem Eise lagen viel Walrosse. 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 17 


Sie tödteten 10 davon, die anderen bedrohten die Slupen, 
welche vor der sich immer vergrössernden Menge von Wal- 
rossen weichen mussten. Wenn sich die Slupen bei Nacht 
vom Schiff entfernt haben und bei starkem Nebel, so dass 
es für die Slupen schwer ist, die Schiffe wieder zu finden, 
„löset man zum Zeichen eine Kanone oder man bläst auf 
Trompeten oder Schalmeyen’”. 

Am 13. segelten sie von dem „Südosterland” um die 
„West” bei der Nordseite von dem Bärenhafen und bei dem 
„Rehenfelt” '), wo das Eis das Land schon stark besetzt hatte, 
durch bis an den „Vogelsang”. Sie kamen bei einem ge- 
bliebenen Schiffe vorbei. Am 15. wurden viele Schiffe in 
dem Bärenhafen und der Muschelbai vom Eise besetzt. Des 
Nachts segelten sie in den Südhafen. Es lagen 28 Schiffe 
vor Anker, davon waren 8 Hamburger, die anderen Hol- 
ländische. Aus dem Südhafen fahrend behielten sie lange 
Zeit das Land in Sicht „und also lange warten die Schiffer 
in der See beim Eise, zu sehen, ob noch Schiffe vorhan- 
den”. Des Nachts holten sie Wasser vom Lande bei der 
Harlinger Kocherei. Es war Sammelwasser aus einer Höhle. 
Am 18. bei 
mit einer Slupe in den Dänischen Hafen und sammelten 
Kräuter von den Klippen. (Moose, Löffelkraut, Sauer- 
ampfer &c. nahmen die Schiffer für sich und ihre Rheder 
noch in neuester Zeit von Spitzbergen mit.) „Im Südhafen 
lagen 30 Schiffe vor Anker.” Am 
der Seite’des Nordfore-Landes gegen Westen und der Sce zu. 
Am 4. August ging die Sonne des Nachts unter und man 


schönem Wetter und Windstille riemten sie 


28. wendeten sie von 


sah die Sterne; am 9. waren sie auf 66° 47’. „Wir se- 
gelten Süden zum Westen bei dem Norden-Wall oder Lande 
hin.” Am 13. 


des Morgens sahen sie das Nordende von Hitland. Sie se- 


Sie empfanden täglich mehr die Wärme. 


gelten zwischen Hitland und Fair-Il erstlich Südwest und 
danach Südsüdwest beschreibt 
Martens umständlich die Art und Weise des Lothens: „Ein 
Mann gehet forne auff die Gallion oder den Schnabel des 
Schiffes, ein ander auff die Backe, auf den födersten obern 
Söller, der dritte in die Mitte des Schiffes, und so viel ihr 
seynd, biss hinten zu; ein jeder hat ein Faden 4 oder 5 


und Süden. Schliesslich 


auffgewickeltes Fadem in der Hand und der erste im Gallion 
wirfft das Bley in die See; wenn der ander mercket, dass 
das Bley ziehet, läst er den Fadem fahren, und so fort an 
biss zu dem letzten Mann, dann ziehen sie den Fadem wie- 
der ein mit Gewalt und besehen unten das Bley, worin ein 
Loch ist, so mit Unschlit aussgefüllet, daran sehen sie, ob 
es Sand oder ander Grund ist.” („Röthlich, grünlich, gelb- 
lich, weisslich oder schwärzlich” lautet eine dazu gemachte 


) Es ist Weleome-Point gemeint. 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


handschriftliche Bemerkung in dem mir vorliegenden Exem- 
plar der Hamburger Commerz-Bibliothek.) 

Den 20. endlich heisst es: „Als es begann zu tagen, 
sahen wir Hilgeland Süden zum Osten von uns, wir segel- 
ten Süd-Ost; des Tages kamen wir bey Hilgeland und nah- 
men einen Piloten oder Lohtsmann ein.” 

„Am 31. war es schön Wetter, warm Sonnenschein 
den ganzen Tag, wir segelten vor der Elbe und lagen vor 
Anker bey der ersten Tonnen (die „rothe Tonne” genannt), 
dess Nachmittags huben wir das Anker auf und segelten 
bis Kucks-Hafen, die Nacht Donner und Blitz, regnicht 
dabey.” — So weit die Reisebeschreibung. 

Martens’ Schilderung von Spitzbergen. — Auch von 
„Spitzbergens Erdreich, Meer, Eise und Luft, Wind, Schnee, 
Regenbogen, Kräutern, Thieren” &c. handelt das merk- 
würdige Buch, welches die Hakluyt Society für werth ge- 
halten hat, in Englischer Übersetzung in ihre Sammlung 
(A Collection of Documents on Spitzbergen and Greenland, 
London 1855) aufzunehmen. Da die naturwissenschaftliche 
Seite in unserer Arbeit nur so weit, als es erforderlich ist, be- 
rührt werden kann, so beschränken wir uns darauf, aus diesem 
Theile von Martens einige Stellen hervorzuheben, welche 
obigem Reisebericht gewissermaassen als Ergänzung dienen. 

„Wir sind”, beginnt Martens dieses Kapitel, „gekommen 
auf 81. Grad, nicht ferner sind dieses Jahr Schiffe gewesen, 
wie ferne aber das Land nach Norden sich strecket, ist 
noch zur Zeit unbekannt. 

„Den 18. Juni, Sonntag, Vormittags kamen wir. bei 
Spitzbergen, bei dem Vorlande.” 

Die von den Walfischfängern am meisten besuchten Theile, 
im Westen und Nordwesten, schildert Martens, wie folgt: 

„Der Fuss dieser Berge war anzusehen wie Feuer und 
die Spitzen der Berge waren mit Nebel bedeckt, der ge- 
marmelte Schnee 'war wie die Äste oder Telgen an den 
Bäumen anzusehen und gaben einen Schein oder hellen 
Glanz an der Luft, als ob die Sonne schiene. 

„Wann das Eis hart zu treiben kommt, segeln die Schiffe 
in die Hafenbaien oder Reviere, wie man sie nennt, die in 
das Land laufen; der Wind 
freundlich, wenn man darin segelt, und braust über die 


empfängt Einen etwas un- 


dürren Berge mit vielen kleinen Wirbeln. 

„Folgende Häfen halten sie für die sichersten: der Behal- 
tene Hafen, die Süd- und die Nord-Bai (südlich und nördlich der 
Amsterdam-Insel), welche die bekanntesten in Spitzbergen sind. 

„Die anderen Häfen, wie sie auch mögen genannt werden, 
segelt man gerne vorbei, weil sie an das Meer grenzen, an- 
dere wegen des stehenden Eises und der blinden Steimklippen. 

In dem Süd- und nördlichen Hafen (oder Bai) liegen 
gemeinschaftlich die meisten Schiffe, ich zählte manchmal 
10, 20 bis 30 Schiffe, welche vor Anker lagen. 


Q 
oO 


18 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 


„Unten am Fusse der Berge stehen die Eisberge sehr 
hoch und enden sich an den Spitzen der Berge; nach Art 
der Steinklippen, welche gespalten oder löchericht sind, also 
sind sie mit Schnee ausgefüllt, weswegen diese Berge denen, 
die es nicht gesehen, ganz wunderlich vorkommen, als 
dürre Bäume mit vielen Ästen; wenn aber Schnee darauf 
fällt, bekommen diese Schneebäume Blätter, welche bald 
schmelzen und wieder mehr gewinnen, so dass sie dann 
zierlich aussehen.” 

Über die Gletscher sagt Martens: „Es werden sieben grosse 
Eisberge in einer Reihe am Lande gesehen, sie liegen 
zwischen den hohen Steinklippen und sind schön blau von 
Farben, wie das andere Eis, mit vielen Ritzen und Lö- 
chern, und werden von dem herunterlaufenden Regen- und 
Schneewasser also löchericht zerschmelzt, auch werden sie 
von dem spritzenden Schnee ausgearbeitet, wie das andere 
Eis, welches hin und her im Meer treibt, und nehmen 
jährlich zu an der Grösse von dem geschmolzenen Schnee, 
von den Klippen und von dem Regen, der darauf fällt.” 

Über diese von Scoresby in seinem Werke so anziehend 
geschilderten „Sieben Eisberge” an der Westseite, nördlich 
von Fore-Land, sagt unser Martens noch: „Sie schienen sehr 
hoch, als wir an ihnen vorbeisegelten, unten war der Schnee 
finster von dem Schatten der Wolken, zierlich mit blauen 
Ritzen vorne an dem abgebrochenen Eisberg. 

„An der Mitte des Berges schwebten Nebelwoken und 
höher als die untersten Nebelwolken war der Schnee ganz 
licht. 

„Die rechten Steinklippen schienen feurig und die Sonne 
schien bleich daran, und an der Luft gab der Schnee einen 
hellen Wiederschein. 

„Unten am Fusse der Berge, wo keine Eisberge stehen, 
liegen an deren Statt grosse Felsen lose auf einander, wie 
sie auf einander gefallen sind, mit Höhlen und Löchern, dass 
übel darauf zu gehen ist; grosse und kleine Steine liegen 
durch einander, von Farben sind dieselben grau mit schwar- 
zen Adern, sie schimmern, wie Silbersand oder glänzen 
wie das Erz aus den Bergwerken; die meisten Felsen 
am untersten Fusse der Berge gleichen den Steinen, wie sie 
hier gesehen werden auf den Gassen. Auf den Felsen wächst 
allerhand Kraut, Gras und Must in grosser Menge und 
wachsen in den zwei Monaten Juni und Juli von Anfang, 
bis sie Samen tragen. 

„Die Berge sind voll Ritzen, worin einige Vögel nisten 
und ihre Jungen ausbrüten, sie fliegen alle von den Bergen 
und suchen ihre Nahrung im Wasser, etliche essen das 
Aas von todten Fischen, etliche die kleinen Fische und 
Garnellen. 

„Dass die niedrigsten Berge nicht hoch scheinen, kommt 
davon, dass ihres gleichen viel höher sind und Alles gross 


gesehen wird; ein Schiff mit Mast und Stenge ist gegen 
die Berge zu achten als ein Haus gegen einen hohen 
Thurm; die Meilen scheinen auch gar nahe, wenn sie aber 
auf dem Lande sollen gewandert werden, findet es sich viel 
anders, und man ermüdet auch bald, auch wegen Schärfe der 
Felsen und ungebauten Wege wird einem bald eine Hitze 
ausgejagt, wenn es noch so kalt ist. Ein Paar neue Schuhe 
halten hier nicht lange. 

„Wir gingen des Nachts bei hellem Sonnenschein an den 
Stemklippen bei dem Englischen Hafen eme Meile lang 
und sahen nach dem Walfisch, der uns entkommen war; 
in der Mitte dieses Hafens riemten Andere mit den Slu- 
pen, die kaum zu erkennen waren; von einem Berge fiel 
ein grosser Theil herunter, was sehr stark lautete; die 
Berge waren anzusehen schwarz von Farben, mit weissem 
adrichten Schnee gezieret; es war so stille, dass kaum Wind 
zu hören war, es war wenig kalt dabei; am Lande lag es 
voll von Wal-Rossen, welche brülleten, wie von ferne Brül- 
len der Ochsen gehöret wird. 

„Auf dem Lande geht man also: man nimmt mit auf 
die Reise ein oder zwei Büchsen und Spiesse, den Ränbern 
oder Bären damit zu begegnen, man wird aber das Reisen 
bald müde, weil auf den Steinen und hohlem Eis sehr übel 
zu gehen ist. 

„Dass ich der Berge gedenke, so viel ich dieselben ge- 
sehen, so liegen sie folgender Gestalt: die höhesten von dem 
Vorlande bis an den Muschel-Hafen (oder Muschelbai), fol- 
gen die Sieben Eisberge, welche sehr hoch sind, und haben 
ihren Namen von den Eisbergen, welche zwischen den 
Steinklippen liegen; diese Steinklippen sind oben nicht so 
scharf mit Spitzen wie die zwei vordersten Klippen an dem 
Magdalenen-Hafen. Hierauf folgt der Hamburger (Magda- 
lenen-), Englische und Dänische Hafen (oder Bai), ferner 
der Südhafen. An dem Magdalenen-Hafen liegen die Stein- 
klippen in die Runde, wie ein halber Zirkel, an beiden 
Seiten neben einander stehen zwei hohe Berge, die das 
Aussehen haben, als wenn sie in der Mitte hohl und aus- 
gegraben wären, nach Art als ein Brust-Wehr oben mit 
vielen Spitzen und Ritzen, nach Art als Dächer an Häu- 
sern; unten inwendig des Berges steht ein Eisberg, welcher 
bis zu der Spitze des Berges reicht, wie ein Baum mit vie- 
len Ästen anzusehen, die anderen Klippen sind anzusehen 
als Todtengräber. 

„In dem südlichen Hafen (oder Südbai) liegen die Schiffe 
vor Anker zwischen hohen Bergen; wenn man darin segelt, 
liegt zu der Linken ein Berg, Bienenkorb, welcher so ge- 
nannt wird, weil er aussieht wie ein Bienenkorb; daran liegt 
ein grosser und hoher Berg, den sie Teufels-Huck nennen. 
Dieser Berg ist gewöhnlich mit Nebel bedeckt, und sieht es, 
wenn der Wind über diesen Berg zieht, aus, als ob der Berg 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 19 


raucht; auf dem Berge befinden sich drei weisse Hügel, von 
Schnee weiss bedeckt. Zwei Hügel davon stehen nahe an 
einander; in der Mitte dieses Hafens liegt eine Insel, die 
das Todte Mannes-Eiland genannt wird, weil man die Tod- 
ten darauf begräbt, und diess geschieht in folgender Weise: 
die Todten werden in den Sarg gelegt, dieser mit- grossen 
Steinen bedeckt. dann den 
weissen Bären gefunden und aufgefressen. 

„Andere kleine Inseln mehr, die eben nicht genannt sind, 


Die Leichname werden von 


werden zusammen die Vogel-Eilande genannt, weil man 
darauf die Berg-Enten- und Kirmöwen-Eier sammelt; solche 
Inseln liegen hin und wieder in den Häfen.” 

Smeerenburg. — „Darnach kömmt man bei Schmerenborg. 
Es hat den Namen in der That, da stehen noch Häuser 
von den Holländern erbauet , wo sie vor diesem Thran ge- 
brennet, hier haben einige Holländer versucht, einen Win- 
ter über zu bleiben, es ist aber keiner lebendig geblieben 
(s. jedoch weiter unten). 

„Es ist noch zu bemerken, dass kein todter Körper da 
leicht verwest, denn man hat gefunden, dass nach 10 Jah- 
ren einer in vollkommener Gestalt da gelegen hat, weil 
man hat auf dem Kreutz des Grabes sehen können, wann 
er gestorben ist. 

„Die Häuser werden nun von Jahren zu Jahren ver- 
schleehtert und verbrannt. 

„Dieses Jahr standen noch verschiedene Häuser, wovon 
einige verbrannt wurden. 

„Gegen Schmerenborg über stehen auch noch etliche 
Häuser und noch eine Pfanne, diesen Ort nennen sie die 
„Harlinger Kocherei”, das Jahr standen noch vier: zwei 
Packhäuser, in den anderen drei haben sie gewohnt. Die 
Häuser sind folgender Gestalt gebaut: nicht gar zu gross, 
mit einer Stube und Boden, hinten ist das Haus, so breit 
es ist, mit einer Kammer versehen. Die Packhäuser sind 
etwas grösser, in denselben liegen noch viele Fässer oder 
Kardelen, die ganz zersprungen sind, das Eis liegt noch 
in derselben Weise, wie dıe Fässer gelegen haben. Ambos, 
Schmiedezange und anderes Werkzeug, welches zur Brenne- 
rei gehört, waren im Eise gefroren, die Pfanne stand noch 
so, wie sie gemauert war, und die hölzernen Tröge dabei. 
Von da kaun man bei dem Englischen Hafen hingehen, an 
der andern Seite ist eine Stätte, wo die Todten begraben 
werden, da sieht es aus, als sei die Erde zertreten, sie ist 
aber mit Absicht eben gemacht. Hinter diesen Häusern 
ragen hohe Berge, wenn man sie hinaufsteigt, wie auf die 
anderen, und man die Fusstritte oder Steine nicht gemerkt, 
weiss man nicht, wie man wieder herunter kommen soll, 
das ist sehr gefährlich, woher es auch kommt, dass Manche 
dabei zu Tode kommen. 

„In dem nördlichen Hafen oder Bai liegt ein grosser 


Berg, der oben flach ist. Dieses Eiland wird Vogelsang 
wegen der Menge der Vögel genannt, welche sich hier 
aufhalten ; dieselben machen ein fürchterliches Geschrei, wenn 
dieselben auffliegen, so stark, dass man Nichts hören kann.” 

Fischreviere. — Die Angaben aus älterer Zeit über die 
Lage der Fischreviere sind spärlich. Zorgdrager giebt zuerst, 
im Allgemeinen die Fischreviere in der Grönländischen See 
wie folgt an: 

„Von der Strasse Davis oder von Island längs dem 
Saum des Westeises bis an Jan Mayen-Eiland und so fer- 
ner längs desselben Saumes bis an Spitzbergen, weiter von 
dem Südkap in Spitzbergen längs dem Rande des Süd-Eises, 
welches süd- und ostwärts Spitzbergen liegt, bis an Noya 
Zembla und von da durch den Waigats bis in die Tartarische 
See, sodann rund um den Nordpol oder so nahe, als man 
wegen des Eises und Landes demselben sich nähern kann.” 

Neben dieser allgemeinen Angabe finden sich 
noch hie und da Bemerkungen über bestimmte Plätze, welche 
sich als fischreich erwiesen haben. 


höchst 


zu bestimmten Zeiten 
Martens sagt ganz allgemein: „Der Walfisch hat im Früh- 
jahr seinen Lauf gegen Westen, bei Alt-Grönland und Jan 
Mayen, dann läuft er gegen Osten bei Spitzbergen.” 

Nördlich von Jan Mayen, in dem 74. Breitengrade, 
war nach Zorgdrager in den Jahren 1611 bis 1633 eine 
sehr ergiebige Fischerei. Ein Schiff habe von dort in einem 
Jahre auf zwei Reisen 2000 Quardeel Thran heimgebracht, 
der wahrscheinlich auf Jan Mayen ausgekocht worden war 
Bei der Gael Hamkes-Bai in Alt-Grönland war, wie später, 
schon damals eine gute Fischerei. Besonders in den acht- 
ziger Jahren des 17. Jahrhunderts wurde dort mit dem 
grössten Erfolge gefischt. Es heisst in dem Bericht: 

„Eine Anzahl Schiffe trieben einige Tage längs der 
Küste und Angesichts des Landes. Da sie nun etwas mehr 
nach der Landseite des Eisfeldes, wo die anderen Schiffe 
lagen, kamen, sahen sie, dass die Fische fort und fort 
längs des Landes um Südwesten trieben, und sahen täglich 
den Wechsel der Küstenlandschaft, bald hohe, weit in die 
See ragende Landecken, bald wieder tiefe Buchten und 
Baien; zuweilen, wenn sich das Eis ein wenig öffnete, 
wollten sie nach dem Lande segeln, jedoch die Fischerei 
hinderte dieses sahen fort und fort 
Fische. Wenn sie den einen gefangen, geflensst und ab- 
gemacht hatten, sahen sie bald wieder andere... Sie beka- 
men also eine volle Ladung und andere Schiffe kehrten 
schon früher mit voller Ladung zurück.” 

Endlich wird eine Bank vor der Südbai Spitzbergens 
erwähnt, genannt Kerskar nach einem Kommandeur Kerre, 
welcher hier mehrere Jahre hindurch reichlichen Fischfang 
hatte. 

Die Karte von Spitzbergen, welche dem Werke ‚de wal- 

3 * 


immer; denn sie 


20 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 


vischvangst” beigegeben ist, bezeichnet auch einen Fisch- 
platz an der Südwestspitze von „Stans Voorland”, bei 
Disco. 

Früheste Art und Weise des Fischereibetriebes; die Baien- 
fischerei. — Den Betrieb in der ersten Periode des soge- 
nannten Eiländischen Fischfanges — wie Zorgdrager ihn 
nennt —, die Baienfischerei, beschreibt Scoresby nach einem 
im British Museum aufbewahrten Manuskript des Capt. An- 
derson aus den ersten Jahren des vierten Jahrzehnts des 
17. Jahrhunderts. 
praktisch. Das Thranauskochen geschah, wie schon bemerkt, 


Das Verfahren war sehr einfach und 


am Lande in Spitzbergen. Unter dem kupfernen Kessel, 
in welchem der Speck zu Thran ausgesotten werden sollte, 
ward zunächst ein Holzfeuer gemacht, das auch durch den 
Speckabfall genährt wurde. Der siedende T'hran wurde in 
einen Kühler geleitet, dann in Fässer gefüllt und zu Schiff 
befördert. 
gerissen, in Bündel gepackt und in Booten an das Transport- 
schiff befördert. Während auf diese Weise ein Theil der 
Mannschaft beschäftigt war, ging ein anderer Theil wieder 


Ferner wurden die Walfischbarten kunstgerecht 


auf den Fischfang aus. Als Zuflucht vor Stürmen, widrigen 
Winden. oder Eis standen die einzelnen Baien jedem belie- 
bigen Schiffe offen. 1630 bis 1640 wurde 
Die 
Compagnien erlitten schwere Verluste, doch aber waren zu 


In den Jahren 
die Baienfischerei weniger ergiebig. Niederländischen 
Zeiten an bestimmten Stellen oder auf gewissen Bänken die 
Fische noch immer in grösserer Zahl vorhanden und die 
Fischerfahrzeuge, welche besonders achtsame und thätige 
Harpuniere und Mannschaften hatten, machten glückliche 
Reisen. Immer noch wurde der Speck der Fische, welche 
von den aus den Baien segelnden Booten harpunirt und ge- 
fangen waren, am Lande in Spitzbergen ausgesotten und 
als Thran fortgeführt. 

Die Bisfischerei. — Allmählich, aber unaufhaltsam, da 
die Fische immer scheuer wurden und mehr und mehr aus 
den Baien wichen, vollzog sich der Übergang zu der Eis- 
fischerei. Es ergab sich, dass bei der grösseren Entfernung 
der Fischplätze weniger Zeit und Gelegenheit war, noch 
vor der Heimfahrt zu landen und den Speck m Thran zu 
verwandeln. Die Schiffe blieben nicht im Hafen, sondern 
hielten sich in der Nähe der auf den Fang ausgesandten 
Boote. Man packte den Speck, den man sammt den Barten 
von dem langseits des Schiffes gezogenen Fisch genommen 
hatte, in Fässer und brachte ihn in diesem Zustande nach 
Hause. Es entstanden an den Ufern der Elbe, Weser, des 
Y und der Zaan, 
Siedereien. 


der Themse und des Humber Thran- 


Uber die Art und Weise der Eisfischerei liegen ver- 
schiedene und in den Hauptpunkten übereinstimmende Be- 


richte vor. Wir folgen. den Darstellungen unseres Lands- 


mannes Martens und Zorgdrager’s. Es ist die Periode am 
Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts. Die Nie- 
derländer hatten die erste Stelle behauptet, ihre Sitten, Ge- 
bräuche und Gewohnheiten, ihre ganze Praxis wurde mehr 
oder weniger von den übrigen Nationen angenommen. Das 
Schiff, welches zu dem Fange benutzt werden soll, gehört 
in der Regel einem der Rheder, welcher Antheil an dem 
Fischerei-Unternehmen hat, letzteres beruht auf Theilhaber- 
schaft. Diese hat einen sehr verschiedenen Umfang, so 
dass es auch dem kleinen Kapital möglich ist, sich mit zu 
betheiligen. Es giebt Yo, Ya, Yo, Y und Y, Antheile. 
Einer der Theilhaber wird zum Buchhalter oder Directeur 
bestellt, wofür er eine besondere Vergütung von circa 1000 
Gulden geniesst. 

Grösse und Ausrüstung der Fahrzeuge. — Das Verhält- 
niss der Grösse der Schiffe zur Zahl der Schaluppen und 
Mannschaft ist folgendes: 


Fuss Länge Breite Höhe Schaluppen Mann 

100 26 114 | | 4 28 

er RE 107 28 12 (erfordert einel 5 | 35 
Ein Schiff’ von To). a9, 19t | Vleet von | er 
118 30 124 7 50 


Die Aussenwand der Schiffe wird zum Schutz gegen 


Eis verdoppelt und vorn mit einem eisernen „Brustfleck” 
Im März beginnt man die Ausrüstung, es wird 
das sogenannte Hard-Brod (7, Roggen- und 1; 
mehl) in Bestellung gegeben. Im Anfang April wird das 
weiche Rog$enbrod gebacken. Ein Schiff mit 35 Mann 
und 5 Schaluppen erfordert unter Anderem: 


15 Fässer hartes Brod, 16 Säcke weiches Brod, 28 Säcke Erbsen, 
8 Tonnen Fleisch, 13 Viertel Butter, 1000 Pfund Käse, 500 Pfund 
Speck, 900 Pfund Stockfisch, 28 Fässer Bier, 24 Anker Branntwein, 
6 Fässer Torf &e. Auch Zwetschen, Rosinen, Feigen, ein Flaschen- 
keller mit Rheinischem Anis, Löffelkraut-Branntwein &e., Stockzucker, 
Indische Gewürze und selbst die „Schwefelstöcke” (15 Büschel) feh- 
len nicht. 


Die leeren Fässer für den Speck sind vom Böttcher fer- 
tig gemacht, sie werden im Raum aufgeschichtet und die 


versehen. 


Weizen- 


Zwischenräume mit Brennholz ausgefüllt, wovon 26 Klaf- 
tern mitgenommen werden. Die zwei untersten Lagen der 
Fässer, an 200, werden mit Wasser gefüllt. Der Vorbug des 
Schiffes wird von innen gegen die Bande bis zu dem Bal- 
ken des unteren Verdecks von beiden Seiten gestützt, damit 
das Schiff besser gegen das Eis Stand halten möge. Gegen 
Ende März erschemt der Kommandeur mit einigen anderen 
Sachverständigen, um Alles nachzusehen. Später findet in 
einem Wirthshause der Hafenstadt die Annahme des Schiffs- 
volkes Statt. Ein Jeder, der um Sold dienen will, zahlt 


10 oder 12 Stüber Leih- oder Weinkauf, begiebt sich sodann 


!) In Teg. Staat d. Nederlanden wird angegeben, dass ein Schiff von 
180 Fuss Länge mit 6 Schaluppen und 42 Mann neu 25.000 Gulden und 
die Vleet (Ausrüstung) weitere 8- bis 10.000 Gulden koste. Das war 
im Anfang des vorigen Jahrhunderts. Der Preis hat sich seitdem wohl 
um das Fünf- oder Sechsfache gesteigert, freilich sind Schiff und Aus- 
rüstung auch weit besser. 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 21 


nach einem oder zwei Tagen mit seiner Kiste und den son- 
stigen Effekten zu Schiffe. Inzwischen wird die Vleet oder, 
wie die Holländer sagen, „Armazoen” auf das Schiff gesen- 
det, auch werden die Lebensmittel an Bord genommen. Zu 
der Vleet eines Schiffes mit 6 Schaluppen (42 Mann) ge- 
hören unter Anderem: 


450 neue Fässer oder Quardeelen, 60 neue Walfischleinen, jede zu 
125 Faden Länge, so und so viel Topreepe, Trossen, Tauwerk zu 
Grundseilen &e., Blöcke, welche theils zu Zwecken der Schifffahrt (An- 
binden von Tauen &e.), theils beim Abmachen des Fisches und nament- 
lich dem Speekschneiden benutzt werden; ferner 50 eichene Harpun- 
stöcke, 25 Eisbäume, verschiedenes Böttchergeräth, Tuch zu Segeln, 
40 neue und 10 alte Harpunen, 50 neue Lanzen, 6 Walross-Harpunen, 
6 Walross-Lanzen, 7 Neushaken (Eishaken), 6 Schaluppen-Anker, 1 Eis- 
säge, 10 Speckmesser, 5 Bartenmesser, 7 Kapmesser, Eisbeile, Eis- 
sporen, ferner kupfernes und zinnernes Kochgeräth &e. 


Zorgdrager zählt diess Alles haarklein auf, bis auf den 
Butterstecher, Porzellan-Kaffeegeschirr, Spiegel für die Ka- 
jüte, Weinrömer, Servietten. Man sieht, dass unsere see- 
fahrtskundigen Stammverwandten selbst unter den arktischen 
Breiten ihren gemak, ihre Behaglichkeit nicht vergassen. 

Heuer und Antheil der Mannschaft am Fange. — Nach- 
dem der Schiffspass beschafft und — so war es in den Nieder- 
landen und England — Bürgschaft dafür gestellt worden, dass 
das Schiff und die Ladung nach glücklich vollbrachter Reise 
wieder nach der Heimath zurückkommen werde, erfolgt in 
der Zeit vom 6. bis 8. April die Musterung des Schiffs- 
volkes in der Kajüte des Schiffes vor dem Buchhalter (Di- 
reeteur) und Kommandeur. Es wird das Handgeld bezahlt. 
Der Kommandeur erhält 100 bis 150 Gulden (heute 100 Tha- 
ler) und für Vorbereitung der Equipage 25 Gulden. Sein 
Part an jedem Quardeel Thran, welchen die gefangenen Fische 
liefern, wird festgesetzt (20 bis 25 Stüber von jedem Quar- 
deel); er empfängt ausserdem an Fischgeld von jedem gefan- 
genen Fisch 20 bis 25 Gulden. Der Steuermann bekommt 60 
oder 65 Gulden „auf die Hand” und von jedem Quardeel 
Thran 16 oder 17 Stüber. Die Harpuniere empfangen je 50 
oder 55 Gulden auf die Hand und von dem Quardeel Thran 
14 oder 15 Stüber, auch wohl bisweilen mehr, aber Nichts 
für die Barten. Gegen Monatsgeld werden angenommen: 


Der Zimmermann zu 36 oder 40 Gulden, der Bootsmann zu 28 Gul- 
den, der Koch zu 28 Gulden, der Böttcher zu 28 Gulden, der Barbier 
zu 26 Gulden, der Schiemann (der die Aufsicht über das Tauwerk führt) 
zu 25 Gulden, jeder ältere Matrose zu 18 oder 20 Gulden, jeder junge 
Matrose zu 14 oder 15 Gulden, der Kochgehülfe zu 12 Gulden, der Ka- 
jütenwächter zu 10 oder 11 Gulden. 


Die um Sold Dienenden empfangen ferner von jedem 
Fische 20 oder 30 Stüber und der Steuerer einer auf den 
Fischfang ausgesandten Schaluppe empfängt von jedem Fische 
3 Gulden. Der 15. oder 20. April ist die Zeit, wo die 
Schiffe in See stechen. Die nach der Davis-Strasse be- 
stimmten Schiffe gehen durchschnittlich einen Mona‘ früher 
weg. 

Verrichtungen und Gebräuche beim Fang. — Wenn das 
Schiff auf der Höhe von 61 bis 66 Grad angekommen ist, 


” 


werden alle Einrichtungen für die Fischerei getroffen. Der 
Kommandeur lässt das Schiffsvolk bei der grossen Spille zu- 
sammentreten und vertheilt nach einer förmlichen Anrede 
die Bedienungen. Sie zerfallen in die Arbeiten beim Flenssen 
und in die Arbeiten zum Abmachen des Fisches. Zu dem 
Flenssen werden der Speckschneider und die Harpuniere 
commandirt, es wird ein „Speck-König” und eine „Speck- 
Königin” ernannt, deren Geschäfte wir gleich näher be- 
zeichnen wollen. Jeder Harpunier erhält seine Schaluppe 
und das dazu erforderliche Volk durch das Loos. Die Lei- 
nen für die Schaluppen werden vertheilt und von dem 
Steuerer in das hintere und beziehungsweise das vordere 
„Leinhok” sorgfältig’ eingeschossen. Jede Schaluppe erhält 
7 Leinen, eine jede 120 Faden lang, sie sind von dem 
besten Hanf gefertigt; zugleich werden die Riemen, Lan- 
zen, Harpunen, Messer &c. ausgetheilt. 

Die Fischerei-Geräthschaften jener Zeit waren sehr ein- 
fach. Martens beschreibt die Harpune und die Lanze. 
Jene ist vorn wie ein Pfeil, hat zwei scharfe Widerhaken, die 
wie em Beil vorn schneiden, am Rücken breit und stumpf. 
Der Stiel, welcher in dem hohlen Schaft der Harpune sitzt, 
ist vorn und hinten dicker als in der Mitte. Die besten 
Harpunen seien die von Stahl. 

„Es hat”, sagt Zorgdrager, „die Fischerei drei besondere 
Abtheilungen ; die erste besteht im Fischen, die zweite im 
Flenssen (den Fisch vom oberen Bord stückweis in das 
Schiff und in das Flenssloch zu arbeiten), die dritte in dem 
Abmachen.” 

Kommandeur und Harpunier spähen nach allen Rich- 
tungen, ob sie etwa einen Fisch entdecken. Auch schaut 
die Mannschaft nach einem todten Fisch; wer solchen zu- 
Sobald einer unter den 
Eisfeldern hervorkommt, ertönt der Ruf: „Val! Val!”, das 
Schiffsvolk stürzt in die Slupen. Ein Boot ist dem Fische 
nahe genug. Da wirft der Harpunier, der am Steven steht, 


erst sieht, erhält einen Dukaten. 


die Harpune in der Hand, das Geschoss dem Fisch in 
den Leib, hinter das Blaseloch oder in den dicken Speck 
auf dem Rücken. Unmittelbar am Eisen der Harpune ist 
eine ungetheerte, vom besten Hanfe verfertigte, sehr ge- 
schmeidige Leine, der „Vorgänger” (voorganger), befestigt, 
welche ringartig aufgerollt worden und die nun der Fisch 
mit noch bis zu fünf anderen Leinen, welche getheert und 
auf dem Vorgänger festgesplisst sind, „ausläuft”. Zuruf er- 
tönt, eine oder zwei andere Slupen schiessen hinzu und 
befestigen eine oder mehrere ihrer Leinen an die erst- 
genannten, welche inzwischen schon abgelaufen sind. In 
jeder Slupe befinden sich sieben Leinen, wovon jedoch zwei 
nur im äussersten Nothfalle gebraucht werden. Man schlägt 
die Leinen ein oder zwei Mal um den Slupsteven, um den 
Fisch desto eher abzumatten. Ein nasses Tuch muss zur 
% 


22 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 


Hand sein, um die Entzündung des Holzes zu verhindern. 
Die Männer in der Slupe müssen auch wohl Acht geben, 
dass sich die Leine nicht bei der schnellen Fahrt verwirre 
oder von der Seite komme, sonst schlägt die Slupe um und 
es kostet dann manchem braven Manne das Leben, wenn 
nicht gleich Hülfe da ist. Der Fisch kann zehn Leinen, 
von denen jede 125 Faden lang ist, auslaufen, dann ist er 
genöthigt, ermattet wieder an die Oberfläche des Wassers 
zu kommen. Man schiesst nun eine zweite Harpune in 
den Fisch und während letzterer schnauft und nach Athem 
schnappt, sucht man ihn mit Lanzen von 6 Fuss Länge 
von der Seite bis ins Eingeweide zu stechen und ihn so zu 
tödten. Schwer getroffen schlägt er mit Schwanz und Flos- 
sen gewaltig um sich, ein gefährlicher Moment für die Slu- 
pen, welche unter dem Geschrei „Stryk!” und „Roei aan!” 
(ab! oder näher aurudern!) seinen Schlägen bald nach der einen, 
bald nach der anderen Seite hin ausweichen. Unterdess bläst der 
schwer verwundete Fisch Blut und Wasser aus. Endlich stirbt 
er. Zuweilen, sagt Martens, werden von zwei Schiffen zu- 
gleich Harpunen in einen Fisch geworfen; solche Fische wer- 
den zur Hälfte getheilt. Man schneidet dem Fische nun den 
Schwanz ab, da dieser beim Hinschleppen des Fisches an 
das Schiff durch die Boote hinderlich ist, macht ein Loch 
in den Stumpf, holt ein Tau durch und daran bugsiren 
nun vier oder fünf Boote mit der ganzen Mannschaft den 
Fisch zum Schiffe. An dieses wird er mit Tauen gebun- 
den, der Schwanzstumpf vorn am Schiff, der Kopf nach hinten. 

Der Prozess des Flenssens und Abmachens des Fisches. — 
Darauf geht man wieder auf den Fang aus, oder wenn da- 
zu die Gelegenheit nicht mehr günstig ist, rüstet man sich 
zum Flenssen des Fisches. Man geht daran, letzteren in 
grosse Stücke zu schneiden, zu welchem Zwecke Einige der 
Mannschaft mit Nägelstiefeln und mit langen Messern ver- 
Die Stücke werden an bei- 
den Spillen an Bord gewunden !). Auch die Barten werden 
aus den Kinnladen losgeschnitten und mit drei Zugrollen 
ins Schiff geholt. 


schen auf den Fisch steigen. 


Man klopft sie dann mit den Barten- 
beilen aus einander und reinigt sie von dem überflüssigen 
Fleische. Ein Fisch von 50 Quardeelen Speck liefert 240 
bis 250 Maassbarten (Barten von mindestens 11 Fuss Länge) 
und ‚ungefähr 200 Untermaassbarten. Die grossen Stücke 
Speck werden ins Flenssloch geworfen, dürfen aber nicht 
länger als zwei Mal 24 Stunden dort bleiben, sonst träufeln 
sie zu viel Thran aus. 

Spätestens nach 48 Stunden also, wenn es die Witte- 
rung nur irgend erlaubt, macht man sich zum Abmachen 
bereit. Die Speckbank wird mit den Slippen der erhaltenen 


!) Das erste Stück ist das Kenterstück hinten am Kopfe, es wird 
ein Tau daran befestigt und rund herum gleichsam abgeschält, wobei 
der Fisch zugleich gewendet wird. 


Walfischschwänze belegt. Die ‚„Kappers” hauen die zähe- 
sten Stücke Speck, die Speckschneider schneiden die wei- 
cheren. Beide Sorten werden in den Raum befördert, nach- 
dem sie zuvor von Haut und Fleisch auf dem „Klaas”, einem 
grossen Block, geremigt sind. Man kappt und schneidet 
, Fuss 


Länge und zwei Daumen Breite, welche in die Speckrinne 


den Speck in sogenannte Vinken (Würfel) von 


geworfen und darin bis in den Raum fortgeschoben werden. 
Hier werden sie von den Leuten im Raume in Baaljes (Zu- 
bern) gefangen und in die Speckfässer oder Kwarteelen ge- 
staut. Diese Arbeit geschieht unter einem beständigen An- 
rufen aus dem Raum und vom Deck: „Zet Speck op! Speck 
op Klaas! Speck op Staart!. Speck op Bank! Stryk Speck! 
op!”, während das Volk vom Kopf bis zum Fuss von Thran 
und Walfischblut tropft. 
ab und zu eme Dicke von 2 Fuss. Das Fleisch des Walfisches 


Am unteren Kiemen hat der Speck 


Das dickste am Schwanz wurde aber 
Die grössten Walfische lie- 


ist zu Nichts nütze. 
von den Biscayern gegessen. 
fern 70 bis 9) Fass Speck. 

So weit die Mittheilung von Zorgdrager und Anderen 
über das Verfahren beim Fischfang in damaliger Zeit. Im 
Wesentlichen hat es sich bis auf den heutigen Tag unver- 
ändert erhalten. Im Bau der Schiffe, in den Werkzeugen 
und Waffen sind allerdings Abänderungen eingetreten und 
Fortschritte gemacht. Wir werden später, bei der Schilde- 
rung einer der jetzigen Grönlands-Fahrten, noch auf einige 
Details zurückkommen. 

Versuche der Überwinterung von Walfischjägern auf Jan 
Mayen und Spitzbergen. — Im September, Oktober oder 
spätestens November kehrten die Walfischfänger aus den 
arktischen Gewässern zurück. Es ist kein Beispiel der frei- 
willigen Überwinterung von aus Deutschen Häfen ausge- 
Wohl aber 


die Holländischen Compagnien zu verschiedenen Malen Ver- 


gangenen Walfischfängern bekannt. machten 
suche der Überwinterung von Schiffsmannschaften auf In- 
seln der arktischen Gewässer, namentlich auf Jan Mayen 
(1633/34) und auf Spitzbergen (1630/31 mit gutem Er- 
folg, 1633 mit unglücklichem Ausgang). 

Die tragische Geschichte des Lebens und Todes der 
sieben Freiwilligen der Niederländischen Grönlands- Flotte 
im Winter 1633 bis 1634 ist durch Vogt’s und Berna’s 
Nordische Reise in weiten Kreisen bekannt geworden. Der 
Strenge des arktischen Winters trotzen zuweilen in un- 
serem Jahrhundert Russische Bären- und Fuchsjäger; nicht 
dieser also war es, der die Lebensgeister jener wetter- 
festen Seeleute besiegte, sondern der Mangel an frischer 
Nahrung. Das von Scoresby aus Churchill’s Collection of- 
Voyages and Travels abgedruckte, mit grosser Genauigkeit 
über die Witterungsverhältnisse Buch führende Journal en- 
digt am 30. April 1634 mit dem Worte „Tod!” Der 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 23 


Mangel an frischer Nahrung erzeugt Skorbut und diese 
furchtbare Krankheit war es, welche vom 16. April an die 
Unglücklichen einen nach dem anderen dahin raffte. 

Überwinterungsgeschichte von acht Mann des Londoner 
Schiffes „‚Salutation”, 1630/31. — Weniger bekannt ist die 
unfreiwillige Überwinterung von acht Mann des der Mus- 
covian Company zu London gehörenden Grönlandsfahrers 
„Salutation” auf Spitzbergen im Winter 1630/31. Die 
Geschichte wird von Edward Pellham, Gunner’s Mate, in 
einer zu London 1631 gedruckt erschienenen, von der 
Hakluyt Society (A Collection of Documents on Spitzber- 
gen and Greenland, London, August 1855) sammt den in- 
teressanten Illustrationen und Karten wieder abgedruckten 
Schrift erzählt. 

Die naive Erzählungsweise, die markige, oft tief ergrei- 
fende Sprache verleihen diesem ältesten Fischerbericht aus 
den arktischen Regionen einen eigenthümlichen Reiz. Das 
Buch führt folgenden Titel: 


God’s Power and Providence shewed in the miraculous Preser- 
vation and Deliverance of eight Englishmen, left by mischance 
in Greenland, AoO 1630, nine moneths and twelve dayes. With 
a true Relation of all their miseries, their shifts and hardship 
they were put to, their food, &e., such as neither Heathen, 
nor Christian men ever before endured. With a description 
of the chiefe Places and Rarities of that barren and cold 
Country. Faithfully reported by Edward Pellham, one of the 
eight men aforesaid. As also with a Map of Greenland. London. 
Printed by R. Y. for John Partridge, 1631. 


Im Ganzen überwinterten folgende Leute: William Fakely, 
Gunner; Edward Pellham, Gunner’s Mate; John Wise und Ro- 
bert Goodfellow, Seamen ; Thomas Ayers, Whalecutter; Henry 
Bett, Cooper; John Dawes und Richard Kellet, Land-men. 

Das Schiff ging auf den Walfisch- und Walrossfang 
am 1. Mai 1630 von London aus und am 11. Juni war es 
in dem bestimmten Hafen von Spitzbergen. Es waren 
ihrer drei Schiffe dort, welehe unter dem Oberbefehle von 
Kapitän William Goddler standen. Sie blieben bis zum 
15. Juli bei Fore-Land, dann sollte ein Schiff noch bis zum 
20. August dort bleiben, die „Salutation”, ein anderes Schiff 
sollte östlich gehen und dort nach einem Fischgrund suchen, 
ein drittes Schiff endlich sollte nach Green Harbour gehen. In 
Folge späteren Befehles des Kapitäns Goddler verliess aber die 
‚Salutation” schon am 8. August Fore-Land und steuerte süd- 
lieh nach Green Harbour, um dort von dem vorausgesandten 
Bei Black 
Point wurden jene acht Mann mit einem Boot ans Land ge- 
sandt, um Wild und damit Lebensmittel für das Schiff zu ho- 
len. Die Jagd war sehr glücklich, allein am folgenden Morgen 


Schiffe einige Mannschaft wieder aufzunehmen. 


war dickes (nebliges) Wetter und viel Eis an der Kiiste, 
der Wind wehte gegen dieselbe, das Schiff musste weit ab- 
halten und die Leute konnten nicht an Bord kommen. Sie 
fuhren daher am Lande hin bis nach Green Harbour, indem 
Allein 


sie unterwegs Renthiere jagten. in Green Har- 


Schiff, ihre 
Sie wollten nun nach Bel-Sund, wo Kapitän 
der sie dorthin beordert 
hatte, um Hülfe zu haben gegen die Dunkirker, welche 


fanden sıe das 
nicht wieder. 


Goddler mit seinem Schiffe lag, 


bour gegen Vermuthung, 


diess Mal sehr stark vertreten waren und die mit Speck 
beladen heimkehrenden Englischen Schiffe zu berauben 
drohten, allein sie fanden den Weg nicht mehr dahin und 
fuhren kreuz und quer. Nähe 
von Bel-Sund an, es fand sich aber, dass die Schiffe be- 
reits wieder in See gegangen waren. Die Leute fuhren 
nun mit ihrem Boot nach Bottlekove an der anderen Seite 
des Sundes 


Endlich kamen sie im der 


und hier überzeugten sie sich nun vollends 
alle, dass sie nicht fortkommen würden. 

Lebhaft schildert Pellham die Empfindungen des 
Schreckens, als die Leute sich überzeugen mussten, das sie 
in Grönland!) (Spitzbergen), mit hin nur 12° 20’ vom Nord- 
Sie 
standen da, als wären sie schon in Eis verwandelt, wie 


pole selbst entfernt, den Winter zubringen müssten. 
von Sinnen. Ein Schauer des Todes überkam sie, denn 


sie sahen im Geiste schon ihre Leiber zerfleischt, eine 


Beute hungriger Raubthiere. Sie erinnerten sich, dass die 
Muscovian Company einmal eine Anzahl Verbrecher nach 
Grönland hatte schaffen lassen, mit der Bestimmung, dass 
sie dort ein Jahr bleiben sollten. Es war ihnen Straflo- 
sigkeit zugesagt und ausserdem stellte man ihnen eine Be- 
Als diese Unglücklichen nun aber 


den öden, unwirthlichen Boden der Insel betraten, da er- 


lohnung in Aussicht. 


griff sie ein so unüberwindliches Gefühl des Abscheues ge- 
gen den Aufenthalt hier, dass sie ohne Zögern dem Ka- 
pitän, als dieser abfahren wollte, erklärten, sie wollten lie- 
ber das über sie verhängte Urtheil leiden und ihren Nacken 
dem Stricke bieten als in Grönland überwintern. Der mit- 
leidige Kapitän wollte sie nicht zwingen, er nahm sie 
wieder mit und schliesslich wurden sie in England auf 
Diese 
Schreckbilder spiegelten sich vor der Seele der Unglück- 


lichen, doch bald fassten sie den männlichen Entschluss, 


Verwendung der genannten Compagnie begnadigt. 


zu ihrer Rettung zu thun, was in ihren Kräften stände. 


!) Es sei hierbei bemerkt, dass in der Schiffersprache Spitzbergen 
in Grönland mit inbegriffen ist. Scoresby nennt es „Spitzbergen or 
East Greenland”. Im Gegensatz zu solchem East Greenland erscheint 
allerdings die nach Europa zugekehrte Küste von Grönland, welche die 
Geographen im Blick auf die andere, an derDavis-Strasse gelegene, dem 
arktischen Archipel Amerika’s zugekehrte Seite Ost-Grönland nennen, 
als „West-Grönland” und so heisst diese Küste denn auch immer in 
den Grönländischen Schiffsjournalen und der Schiffersprache; dabei 
wird noch zwischen Alt-Grönland, dem südlicheren Theile der Küste 
von diesem im Sinne der Schiffer gemeinten ‚ West-Grönland”, und 
Neu-Grönland, dem unter höheren Breiten, etwa vom 67. Grade an, 
gelegenen Theil der Küste, unterschieden. Das geographische West- 
Grönland, die diesseitige Kiste der Davis-Strasse, wird einfach unter 
dem Ausdruck „Straat Davis” inbegriffen. Die Amerikanische Küste der 
Davis-Strasse und Baffin-Bai heisst bei den dort fischenden Whalern 
wiederum das „Westland”. 


24 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 


Am 25. August segelten sie nach Green Harbour, in 
dessen Nähe viel Wild war, es wurde aus Segeln und Ru- 
dern ein Zelt errichtet und sogleich die Jagd begonnen; 
sieben Renthiere und vier Bären waren die erste Beute. 

Mit Hülfe von einigen Hunden, welche sie mit an Bord 
gehabt und nun mitgenommen hatten, schossen sie noch 
ziemlich viel Wild und kehrten in zwei Booten nach Bottle- 
kove im Bel-Sund zurück. (Das zweite Boot war von der 
heimkehrenden Flottille, wie immer, für Schiffbrüchige zu- 
rückgelassen worden.) Sie erlitten hier wiederum das in ihrer 
Lage schwere Missgeschick, dass ihnen durch die Wellen 
des Meeres das Wild aus den Schaluppen gespült wurde. 
Mit vieler Mühe und indem die Leute Wasser hinaus 
wateten, gelang es, die kostbare Beute wenigstens theil- 


ins 
weis wieder zu erlangen. In einer aus tannenen Dielen 
gezimmerten Hütte, die für die Thranköche der Compagnie 
gebaut war, verbrachten die Seeleute den arktischen Winter. 
Im Inneren dieser Hütte bauten sie nämlich noch eine klei- 
nere Behausung. Kalk, der vorhanden war, mit Küsten- 
sand gemischt, gab den Mörtel ab, Ziegelsteine nahmen sie 
von dem Rauchfang der Thranküche; zwei Seiten der en- 
geren Hütte, die Wetterseiten, wurden gemauert, während 
die anderen beiden aus Balken gezimmert wurden. So war 
ein ziemlich geschützter Raum von 20 Fuss Länge, 16 Fuss 
Breite und 10 Fuss Höhe hergestellt, in welchem sie sich 
vier Cabinen mit Hülfe von Renthier-Fellen herrichteten. 
Sieben 


material, ferner wurden verschiedene Kühlfässer dazu ver- 


zurückgelassene Schaluppen lieferten Feuerungs- 
wendet, jedoch nur solche, welche für ihren ursprünglichen 
Des Nachts rakten 
sie das Feuer zusammen und bedeckten es mit heisser 
Asche. 
und nach 16 Stunden glimmte es noch fort, so dass an 
Wenn Wimd und Wetter es 
gestatteten, wurden Jagdzüge unternommen und es gelang, 


Zweck nicht mehr tauglich erschienen. 
In die Mitte wurde ein Stück Ulmenholz gelegt 
Feuerung kein Mangel war. 


indem sich ein paar Leute in einem Boote heranschlichen, 
mit alten Harpunen und Lanzen, die sich noch in der Hütte 
vorfanden, einige Walrosse „aus dem Schlafe in den Tod 
Bald aber nahmen Nacht und Kälte so zu, 
dass sie auf weitere Beute bis zum Frühjahr verzichten 
zu müssen glaubten! Sie beschlossen also, zwei Fasttage 


zu befördern”. 


in der Woche zu halten und an diesen Tagen nur von 
den Greben des vorhandenen Fischthrans zu geniessen. Diese 
Diät wurde drei Monate beibehalten. Kleider und Schuhwerk 
wurden allmählich so defekt, dass sie nothgedrungen aus- 
gebessert werden mussten, wozu Nadeln aus Fischbein und 
Garn aus Tauwerk gebraucht wurden. 

Am 10. Oktober war die Kälte bereits so heftig, dass 
die See völlig überfror. Die Verzweiflung klopfte an die 


elende Behausung der Unglücklichen. Bald dachten sie an 


ihre verlassenen Frauen und Kinder, bald warfen sie sich 
auf die Kniee und sandten heisse Gebete zum Himmel um 
Ausdauer und Geduld im Elend. Man setzte sich auf noch 
schmalere Kost: vier Tage Wildfleisch, drei Tage Fisch- 
In der Zeit vom 14. Oktober bis 3. Februar 
war die Sonne verschwunden, aber der Mond zeigte sich 
zu Tages- und Nachtzeiten, wenn ihn nicht Wolken ver- 
hüllten. Er schien so hell und freundlich wie in England. 
Vom 1. bis zum 20. Dezember war auch der letzte Dämmer- 


speckgreben. 


schein des Lichtes verloren. Ein matter Schimmer von 
Weiss zeigte sich zuweilen gegen Süden wie eine Ahnung 
von Tageslicht. sie weitere 


Spuren von Tageslicht, noch immer aber wussten sie nicht, 


Anfangs Januar begrüssten 


wann es Tag, wann Nacht war, dennoch gelang es Pell- 
ham, Monat und Datum nach dem Monde auszurechnen, 
so dass er später, als die rettenden Schiffe da waren, genau 
Mit 
Hülfe von alten Leinen und des Vorrathes an Thran wur- 


angeben konnte, welchen Monat und Tag sie hatten. 


den drei Lampen angefertigt und beständig brennend er- 
halten. Mit zunehmendem Tageslicht wurde die Kälte noch 
stärker, so dass sie in Folge derselben Blasen auf der Haut 
bekamen und bei der Berührung von Eisen die Finger 
Am 3. Februar 
zeigte sich Morgenröthe und endlich erglänzten die ersten 
Die Licht- 


krone der Sonne und das blendende Weiss des Schnee’s 


daran klebten, als ob es Vogelleim wäre. 
Sonnenstrahlen auf den höchsten Berggipfeln. 


boten einen so zauberhaften Anblick, dass, wie Pellham 
sagt, selbst „die Lebensgeister eines Sterbenden davon wie- 
Ein Bären-Paar kam 
auf die Hütte zu, dem ein heisser Empfang bereitet wurde; 


der aufgeweckt werden mussten”. 


die Leute verlegten den Bären mit Lanzen den Weg und 
tödteten einen derselben, während die Bärin entfloh. Das 
Fleisch des ersteren reichte zur Ernährung der ganzen 
Mannschaft während 20 Tagen. 
Ganzen sieben Bären zu tödten. Nun assen sie fleissig 
zwei bis drei Mal täglich Fleisch und die Kräfte kehrten 
mehr und mehr wieder. 


Im März glückte es, im 


Die Füchse erschienen wieder, 
um ihrer Nahrung, einer Art kleiner Fische, nachzugehen ; 
sie wurden in eigens zu dem Zwecke hergerichteten Fallen 
gefangen, in welche eine Art Eulen, die sich auf dem 
Schnee liegend vielfach vorfanden, als Lockspeise gesteckt 
waren. Endlich nahte die Stunde der Erlösung aus dem 
Eisgefängnisse. 

Am 25. Mai zeigten sich zwei Schiffe von Hull im 
Bel-Sund. Ein Boot landete, die Mannschaft ging auf die 
Hütte zu und rief letztere in üblicher Weise mit „Hei!” 
an, worauf zu ihrem grossen Schrecken aus derselben die 
Antwort „Ho!” erfolgte. 
kommenden traten aus der, wie sie nicht anders glaubten, 


Zum grössten Erstaunen der An- 


menschenleeren Hütte plötzlich acht wild aussehende Männer 


Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 25 


mit von Rauch geschwärzten Gesichtern, bald aber folgte 
die frohe Scene des Wiedererkennens.. Alle fuhren in der 
Schaluppe nach dem Schiff hinüber. Nach drei Tagen traf 
die Londoner Fischerflotte ein. Der Captain 
Goodler, „ein kluger und erfahrener Seemann”, empfing sie 
auf das Freundlichste und liess sie 14 Tage am Bord mit dem 
Besten, was da war, verpflegen. Der grösste Theil der Mann- 
schaft kehrte aber erst im August nach der Heimath zurück. 

Überwinterung Niederländischer Freiwilliger auf Spitz- 
bergen, 1633/34. — Nun ein Bericht über die freiwillige 
Überwinterung von sieben Niederländischen Seeleuten auf 
Spitzbergen im Jahre 1633, den ersten freiwillig unternom- 
Versuch dieser Art. 
unter 


Admiral, 


menen und mit Erfolg gekrönten 


Zorgdrager erzählt uns darüber aus dem Journal 
Anderem wie folgt: 

Am 30. August 1633 verliessen die Schiffe der Nieder- 
ländischen Compagnie die Nord-Bai (bei Smeerenberg) zur 
Ileimreise. 
den, — wo, wird nicht genau angegeben, eben so wenig fin- 
den wir nähere Angaben über die getroffenen Einrichtun- 
gen zur Überwinterung. Schon damals waren Steinbauten 
auf der Amsterdam-Insel errichtet, so dass also die Mann- 
schaft ohne Weiteres in einer dieser gegen die Einwirkun- 
gen des Spitzberger Winterklima’s wohl noch mit besonderen 
Sehutzmitteln versehenen Behausungen ihr Winterquartier 
einrichten konnte. Die Überwinterung war offenbar nur 
zu dem Zwecke veranstaltet, um zu sehen, ob auch m der 
Zeit, wo sich Schiffe nicht bei Spitzbergen aufhielten, Jagd 
und Walfischfang mit lohnendem Erfolg betrieben werden 
könnten. Die Heizung wurde durch Treibholz reich- 
lieh beschafft, -auch gelang es in der ersten Zeit, eini- 
ges Wild (Renthiere) zu schiessen. Es wurden Ausflüge 
zu Boot nach der West-Bai, der Englischen Bai gemacht; 
Walfische sah man genug, auch der Fang derselben wurde 
versucht. Man band zwei Fässer zusammen und befestigte 
das eine Ende der Harpunenleine daran, um den har- 
punirten Fisch auf diese Weise leichter fest zu behalten. 
Walfischbarten wurden öfter am Ufer aufgefischt. Auf 
dem „Schlehenberg” fand man „Schlehen” in Menge, ein 
Gewächs, welches der Wasserkresse gleicht. An dem Berge 
nisten alljährlich viele Möven, deren Dünger ein üppiges 
Wachsthum des Mooses erzeugt. Auch Sauerampfer fand man. 


Ihrer sieben Mann waren zurückgelassen wor- 


(Martens sagt: „Der Sauerampfer, welchen ich auf Spitzber- 
gen fand, ist dem, welcher mir zu Bremen in des Holländi- 
schen Gärtners Hofe unter diesem Namen gezeigt wurde, 
an Grösse gleich, aber die Blätter des Spitzbergischen sind - 
von rother Farbe.’) Einen todten Walfisch, den man am 
Ufer fand, suchte man vergeblich ans Land zu bugsiren, 
eben so misslang es, eines bereits glücklich harpunirten Wal- 
fisches vom Boote aus habhaft zu werden. . 

Am 13. Oktober fror es bereits so stark, dass der In- 
halt eines Fasses Bier gegen drei Daumen diek gefroren war. 
Zwei Tage später fror es bis auf den Grund, so dass das 
Fass aufgeschlagen, das Eis m Stücke zerhauen und dann 
am Feuer geschmolzen wurde. Am 4. November war nur noch 
während 4 bis 5 Stunden Dämmerung. Bären und Füchse 
wurden ab und zu gesehen und einige von ihnen getödtet. 
Im Dezember war es so bitter kalt, dass die Leute in ih- 
ren Kojen nicht lange liegen bleiben durften, sondern ab 
und zu in dem Hause auf und nieder gehen mussten, um 
nicht zu erstarren. ‚Am 20. Dezember sahen sie gegen 
Süden am Horizont einen Dämmerschein und gegen Ende 
Nordlicht. Am 7. 
schon um die Hütte herum- 
geschnüffelt hatten. Am 25. 
Am folgenden Tage wurde es so hell, dass um Mit- 


Dezember starkes Januar erfolgreiche 
öfter 


Januar mehrstündige Dämme- 


Jagd auf Bären, die 
rung. 
tag die Sterne gegen Süden nicht mehr gesehen wurden. 
Am’ 22. die-Sonne zum ersten Male 
wieder blicken. 
grossen Bären, der, obwohl schwer verwundet, doch noch 
entkam. Im März wurden täglich viele Füchse geschossen. 
Das Fleisch wurde an die Luft gehängt und dann mit 
Zwetschen und Rosinen gekoeht. Im April zeigten sich 
wieder Walfisch. Am 1. Mai wurde bei Bier und war- 
mem Wein die Spitzberger Kermis gefeiert. Die Jagd auf 
Berg-Enten, Walrosse, Eisbären und Robben beschäftigte 
die Leute die übrige Zeit, bis sich — nach 9 Monaten und 
5 Tagen der Überwinterung — die erste Schaluppe eines 
Holländischen Grönlands-Fahrers zeigte, der in der West- 
Bai ankerte. — Im Jahre 1634 wurden sieben andere Leute 
der Niederländischen Flotte zurückgelassen, allein Keiner 
von ihnen wurde im folgenden Frühjahr lebend angetroffen, 
und somit wurden von den Niederländischen Compagnien 


liess sich 


Am 3. März heftiger Kampf mit einem 


Februar 


weitere Überwinterungsversuche nicht gemacht. 


II. Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Blüthezeit des Niederländischen Walfischfanges ; Schiffs- 
verluste. — Die Niederländer waren im 17. und dem grös- 
seren Theile des 18. Jahrhunderts das erste Volk in der 
Gross-Eischerei, wie es heut zu Tage unstreitig die Nord- 
Amerikaner sind. Über ein Jahrhundert betrieben sie mit 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


einer unverdrossenen Ausdauer und auch mit gutem finan- 

ziellen Erfolg, neben dem Härings- und Kabeljaufang, die 

arktische Fischerei. Die Flotte, welche alljährlich im April 

die Ufer des Y und der Zaan verliess, um bei dem fer- 

nen Polar-Eilande Spitzbergen allen den unsäglichen Schwie- 
4 


26 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


rigkeiten des arktischen Fischfanges zu trotzen, war weit- 
aus die zahlreichste von allen. In kriegerischer Zeit wurde 
sie öfter von Kriegsschiffen begleitet, so in dem Jahre 
1697, wo die ganze Walfischflotte bei Spitzbergen unter 
dem Schutze Niederländischer und Hamburger Convoyer 
lag. Im Anfange des 18. Jahrhunderts kreuzten Kriegs- 
schiffe zur Zeit der Rückkunft der Häringsbüsen, der Grön- 
lands-Flottille und der aus dem Süden, von Brasilien oder 
Indien, mit werthvollen Ladungen heimkehrenden Fahrzeuge. 
Neben Spitzbergen war seit 1719 die Davis- Strasse mit 
ihren zahlreichen Baien, Einlässen und Insel-Meerengen das 
Ziel der kühnen Fischer. Den Umfang der Niederländi- 
schen Fischerei und zugleich die Verluste an Schiffen, wel- 
che sie erlitten, veranschaulichen am besten folgende, den 
Holländischen Quellen entnommene Ziffern und Daten. 

Das mir vorliegende „Alphabetische Namenverzeichniss 
der Grönländischen und Straat - Davis - Commandeure von 
1719 bis 1770” zählt folgende 44 Orte auf, von wel- 
chen Ausrüstungen geschahen: Rotterdam, Amsterdam, 
Zaandam, Hoorn, Medemblyk, Bevernwyk, Koogh, Westzaan, 
Ostzaan, Zaandyk, Ihisp, De Ryp, Wormerveer, Noordeynd, 
Alkmaar, Knollendam, Uytegeest, Schiedam, Delfshaven, 
Assendelft, Graft, Crommeny, Crommenydyk, ‘De Krayl, 
Broek in Waterland, Haarlem, Dortrecht, Oude Niedorp, 
Krimpen op de Leck, Edam, Monnikendam, Purmerende, 
Vlaardingen, Zierikzee, -Alblasserdam, Maassluys, Harlingen, 
Grootebroek, Middelburg, Vlissingen, Grooningen, Spanbroek, 
Wieringerward, De Helder. 

Amsterdam und Rotterdam hatten die zahlreichsten 
Fischertlotten, dann folgten Zaandam und De Ryp. 

Es liefen von Niederländischen Häfen aus: 


in den Jahren j [genommen, 
1669 bis 1678 993 Schiffe, davon 83 verloren oder vom Feinde 
1679 » 1688 1932 ” ” 113 ” 


1689 » 1698 955 » E) 82 ” 
1699 »' 1708 1652 ” ” 62 ” 
1709 » 1718 1351 » E) 51 e 
1719 » 1728 1504 - » 40 ” 
1729 » 1738. 858 n » 13 » 
1739 » 1748 1356 » ” 31 ” 
1749 » 1758 1339 r E) 30 ” 
1759 » 1768 1324 E) E) 25 » 
1769 » 1778 903 » » 31 2) 


14167 » 561 = 4 Proz. der Gesammtzahl. 

Die Rentabilität dieses so grossartig betriebenen Fi- 
schereigeschäftes war zu verschiedenen Zeiten sehr verschie- 
den. Scoresby unterscheidet vier Phasen des Holländischen 
Walfischfanges: 1. die Zeit vom Beginn des Walfischfanges 
um 1612 bis zum Jahre 1642, wo die Privilegien der Com- 
pagnien von den hochmögenden Generalstaaten als den ge- 
meinen Handels-Interessen der vereinigten Provinzen schäd- 
‚lich und darum für aufgehoben erklärt, somit die Fischerei 
frei gegeben wurde. Der Charakter dieser Periode ist: un- 
_ ermesslicher Reichthum- an Fischen, ungeahnter Aufschwung 


der am Fange betheiligten Rhederei, bedeutende Kapital- 
anlagen in Fahrzeugen, in Einrichtungen auf Spitzbergen 
zum Thranbrennen und überhaupt zur sommerlichen Nieder- 
lassung, gegen Ende der Periode allmähliche Verminderung 
der Fische bei der Küste. 

Zweite Periode: Entwerthung aller dieser kostspieligen 
Einrichtungen durch die Nothwendigkeit, die Fische fern 
von der Küste im Eise aufzusuchen, schwere Verluste der 
Compasgnien. 

Die dritte Periode, welche etwa das letzte Drittel des 
17. und den ersten Theil des 18. Jahrhunderts umfasst, 
bezeichnet einen neuen. Aufschwung. Dank jenem echt 
kaufmännischen Sinne, welcher die Holländer in damaliger 
Zeit auszeichnet, wird die Grönlands-Fischerei auf einen 
Fuss gesetzt, der trotz aller Schwierigkeiten den Betrieb 
durchschnittlich mit gutem Erfolg für alle Betheiligten und 
verbunden mit indirekten nationalen und politischen Vor- 
theilen ermöglicht. Die wesentlichen Züge des adoptirten 
neuen Systems waren: 1. Beschränkung der Zahl der Mann- 
schaften und des Quantums an Provisionen auf das in 
Wirklichkeit erforderliche, früher oft überschrittene Maass; 
2. Vertheilung des Gewinn- und Verlust-Risiko’s auf grös- 
sere Kreise, in der Art, dass Krämer, Bäcker, Brauer, Segel- 
macher, Reepschläger, Kupferschmiede und andere Hand- 
werker sich gleichsam nach dem Prinzip der Bodmerei be- 
theiligten. Sie lieferten ihre Erzeugnisse auf das gute Glück 
der Fischerei; wenn diese schlecht war, so verloren sie 
ihre Zahlung ganz oder theilweis, während sie, wenn die 
Schiffe mit reicher Ladung an Speck und Barten zurück- 
kehrten, vielleicht den doppelten Preis für die von ıhnen 
gelieferten Vorräthe und Fabrikate erhielten. Es war diess 
gewissermaassen eine Ausdehnung des von Anfang an bei 
den Fischerleuten selbst schon angewandten Prinzips der 
Partnerschaft, eine Maassregel, die damals wohl nur in Hol- 
land möglich war, wo ausgebreiteter Handel, verbunden mit 
einer bedeutenden Industrie und dem angebornen haushälte- 
rischen Sinne, grosse Kapitalien in den verschiedensten 
Kreisen der Gesellschaft aufgehäuft hatte. Wir sehen, dass 
unter diesem System die Holländische Grönlands - Flotte 
durchschnittlich jährlich an 140 Fahrzeuge zählte. 

Die vierte Periode ist die des allmählichen Sinkens und 
zuletzt gänzlichen Aufhörens der Niederländischen Fischerei. 

Rückgang der Holländischen Grönlands-Fischere. — Die 
blau-weiss-rothe Flagge, einst die zahlreichste, geachtetste 
und gefürchtetste in den arktischen Meeren, ist jetzt dort bei- 
nahe verschwunden, zwei zum Theil mit Norwegischer Mann- 
schaft in den letzten Jahren im südlichen Norwegen auf den 
Robbenfang ausgerüstete Fahrzeuge sind es allein, welche die 
Erinnerung an jene Glanzzeit der Holländischen Fischer-Ma- 
rine in schroffen Gegensätzen von heute und sonst auffrischen. 


„ bei schwerer Strafe untersagt.) 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Die Ursache des Verfalles ist zunächst die Erschlaf- 
fung des nationalen Geistes, der maritimen Unternehmungs- 


lust, welche namentlich seit der Französischen Invasion 
hervortrat. Allerdings war auch die geringere Ergiebig- 


keit des Fischfanges eine Ursache, allein nach der Nieder- 
werfung des Französischen Imperators sehen wir in Eng- 
land und Schottland, an der Weser und Elbe die alt ge- 
wohnte Grönlands-Fischerei mit Erfolg wieder aufgenom- 
men, während diess den Holländern trotz grosser Anstren- 
gung der Regierung, durch ausgesetzte Prämien &c., selbst 
mit Hülfe Englischer Fischerleute nicht gelingt. 

Die Gross-Britannischen Fischereien. — Anders gestal- 
teten sich die Dinge in Gross-Britannien. Wir haben ge- 
sehen, dass Britische Fischer die ersten in den Gewässern 
von Spitzbergen waren; allein während in der ersten Zeit 
die Fischereien der Holländer fast alljährlich ihren Unter- 
nehmern reichen Gewinn brachten, waren stets nur Ver- 
luste das Resultat der Englischen Expeditionen, welche in 
Folge dessen immer spärlicher wurden. Die Holländischen 
und Hanseatischen Fischer-Flotten zählten zusammen 3- bis 
400 Segel, als die Engländer nur noch gelegentlich mit 
wenigen Schiffen auf ihren ehedem so zahlreich besuchten 
Fischgründen erschienen (1669 nur Ein Schiff, 1668 sogar 
keins). Die Bedeutung der grossen Fischerei für die Zwecke 
der Kriegs-Marine wurde indessen den Engländern durch 
das Beispiel der Holländer sehr bald gründlich einleuchtend. 
In den Kriegsjahren 1659 und 1665 bis 1667 stand die ge- 
sammte Bemannung der Holländischen Grönlands-Flotte, so 
weit die Leute unter Niederländischer Hoheit standen, der 
Regierung zur Verfügung. (Für die Kriegszeit war die 
_Grönlands-Fahrt von Holland aus durch die-Generalstaaten 
Im Jahre 1672 ergriff 
denn nun die Englische Regierung mit Gewährung von 
allerlei Vergünstigungen jener Art, wie sie damals Brauch 
waren, die Initiative. Es wurde eine Parlaments-Akte er- 
lassen, welche die Produkte der Englischen Grönlands- 
Fischerei von allen Einfuhrzöllen befreite, während der 
Zoll für die Kolonial-Schiffe in den Kolonien noch theil- 
weis aufrecht erhalten wurde. Im Gegensatz hierzu wurde 
der auf fremden Schiffen eingeführte Thran und resp. das 
so -eingebrachte Fischben mit den enormen Zollsätzen 
von LE. 9 und L. 18 die Tonne belegt. Die bestehenden 
Schifffahrtsgesetze wurden in Ansehung der Grönlands- 
Fischerei in so weit abgeändert, dass gestattet wurde, die 
Mannschaft zur Hälfte aus Fremden zu rekrutiren, vor- 
ausgesetzt, dass das Schiff in England gebaut und der Ka- 
pitän und die andere Hälfte der Mannschaft Britische Un- 
terthanen seien. 

Dieses Gesetz wurde wiederholt prolongirt und der im 
Jahre 1693 gebildeten „Company of Merchants of London 


Er 


trading to Greenland” sogar die Annahme von zwei Drittel 
fremder Fischerleute für jedes von ihr auf den Walfisch- 
Letztere verbrauchte 
in 10 Jahren ihr ganzes, für jene Zeit sehr bedeutendes 
Aktienkapital von L. 81.000, sie machte durchgängig schlechte 
Geschäfte, selbst in Jahren wie 1697, wo von den Nieder- 


fang ausgehende Schiff frei gegeben. 


ländischen und Deutschen Fahrzeugen keins weniger als 
drei Die Holländer 
jenen 10 Jahren aus ihrer Grönlands-Fischerei einen Rein- 
Der Fehler lag 
Diess setzte 


Fische gefangen hatte. zogen im 
gewinn von beinahe 5 Millionen Gulden. 
in der ganzen Art und Weise des Betriebes. 
ein Bremer Kaufmann, Henrich Eelking, welcher in Bremen 
längere Zeit Directeur von Grönlands-Fahrten gewesen war, 
schlicht und schlagend in der Schrift auseinander, welche 
überschrieben war „View of the Greenland Trade and 
Whale-fishery with the National and Private Advantages 
thereof” und die von dem Verfasser dem Sub-governor der 
South-Sea-Company zum Zweck der Gründung einer neuen, 
auf den entwickelten Prinzipien basirten Gesellschaft über- 
geben wurde. Es ist sehr schmeichelhaft für uns Deutsche, 
wenn der Engländer Scoresby diese Schrift in der Vorrede 
zu seinem berühmten Werk „Our only Original Work on 
this interesting Subject” nennt. 

Reformen im Englischen Fischereibetrieb, hervorgerufen 
durch einen Deutschen Kaufmann. — Kelking zeigt in seiner 
natürlich Englisch geschriebenen Abhandlung zunächst den 
bisherigen Zustand des Walfischfanges und die Art und 
Weise, wie derselbe betrieben werden sollte, sodann, von wem 
er betrieben wird und mit welchem Gewinn; er giebt einen 
Rückblick auf die ersten Fischereien und setzt auseinander, 
welches die Ursachen waren, dass alle Versuche der Eng- 
lischen Kaufleute, diesen Betrieb mit Erfolg wieder aufzu- 
nehmen, fehl schlugen; endlich liefert er einen vollständigen 
Beweis dafür, dass England mit Erfolg das Geschäft wieder 
aufnehmen und es mit grösserem Vortheil als jede andere 
Nation betreiben könne, wobei er denn alle angeführten 
Gegengründe beleuchtet und zu widerlegen sucht. 

Eelking weist unter Anderem darauf hin, dass die Eng- 
lischen Schiffe meist von im Fischfang unkundigen Leuten 
commandirt würden, dass es verkehrt sei, der Mannschaft 
feste Gage zu geben, anstatt sie mit ihrer Einnahme auf 
den Fang anzuweisen. Daher komme es oft vor, dass die 
Mannschaften der Englischen Schiffe, anstatt Fische zu 
suchen und zu verfolgen, sich in Spitzbergen ans Land be- 
gäben, um Renthiere zu jagen, deren Fell, Geweihe und Fett 
ihr Benefiz war, dass bei dem Aussieden des Thranes von 
der Mannschaft nicht vorsichtig genug umgegangen und 
die Barten nicht gehörig gereinigt würden und in Folge 
dessen die Englischen Fischerei-Erzeugnisse immer nur nie- 
drigere Preise am Markt erzielen könnten. Das gesammte 
4* 


25 


Fischereigeräthe sei in schlechtem Stande, die Mannschaft 
gehe nicht sorgfältig damit um, darum müsse es häufig er- 
Überhaupt würden bei dem ganzen Be- 
triebe sehr viele unnütze Ausgaben gemacht, Boote, Provi- 
bezahlt &e. Tüchtige 
Fischermannschaften könne sich England eben so gut schaffen 
als Holland, das seine Fischerflotte alljährlich durch Tau- 
sende von fremden Seeleuten aus Jütland, Holstein, Schott- 


neuert werden. 


sionen und Apparate zu theuer 


land, Norwegen, den Weser-Gegenden &e. bemanne. Wenn 
eingewandt worden, dass die Schiffe in England nicht so 
billig gebaut werden könnten als in Holland, so behauptet 
Eelking, dass sie dafür weit stärker und dauerhafter her- 
gestellt würden. Auch müsse Holland fast alle zum Schiffs- 
bau nöthigen Materialien, als Planken, Balken und Masten, 
Eisen, Hanf, Theer, Provisionen &e., erst einführen, während 
in England diess Alles im Lande oder doch in den Eng- 
lischen Kolonien vorhanden sei. Scoresby ist geneigt, dem 
Raisonnement Eelking’s beizustimmen: der Englische Fischer 
und Seemann habe damals gegen den Holländer in Aus- 
dauer, Geschick, Selbstvertrauen und Energie zurückge- 
standen. 

Die Südsee-Compagnie. — Es gelang in der That un- 
serem Landsmann !), die Gründung einer grossartigen Com- 
paguie zu Stande zu bringen. Ein eigenes Dock wurde an 
der Themse für die Zwecke der Gesellschaft gemiethet, 
Lagerhäuser und Thrankochereien errichtet und im Früh- 
jahr 1725 verliess eine Flotte von 12 neuen Schiffen, jedes 
zu 306 Tons, die Themse. Der Erfolg war. ein mässiger, 
254 Fische, aber doch weit günstiger als alle Ergebnisse 
der letzten Jahre. Ein Theil der Mannschaften 
und namentlich der Fischerleute auf diesen Schiffen waren 
Deutsche und zwar vorzugsweise aus Sylt und Föhr. Sie 
waren mit dem arktischen Fischfang vertraut, erhielten da- 
her die Offizierstellen. Einige Schotten mit eingerechnet, 
welche aus dem Niederländischen Dienst übertraten, waren 
auf dieser ersten Expedition der „Südsee-Compagnie” 152 
Fremde beschäftigt, welche ım Ganzen einen Verdienst von 


grosser 


1) Henrich Martens Eelking war der Sohn von Martens Eelking 
und Margaretha Terhellen und geboren den 26. Februar 1673. Er war 
Kaufmann und wurde am 1. September 1717 zum Ältermann in Bre- 
men gewählt. Uber seine ferneren Schicksale kommt in einem älteren 
Verzeichniss der Alterleute Folgendes vor: „Anno 1718, den 19. Okto- 
ber, kam es mit ihm zum Bankerott, wiewohl seine Sachen so gar 
schlimm nicht stunden. Er ging nach England, und weil er von gutem 
natürlichen Verstande war, brachte er es dahin, dass ihm die Aus- 
rüstung einer neuen Schifffahrt nach Grönland in London übertragen 
wurde, die auch 1726 zuerst dahin absegelte.” — Ein Wappenbuch der 
Alterleute hat darüber folgende Nachricht: „Den 18. Oktober 1718 
wegen nicht bezahlter Wechsel seinen Abschied [i. e. aus dem Colle- 


gium] genommen. Ist aber nachher in London bei der Südsee’schen 


"oder Grönländischen Compagnie Direktor und Agent der 3 Hansestädte 


geworden; 1739, 30. September, anhero gekommen und prätendiret so- 
wohl das rückständige honorarium, als auch die Aufnahme in das Col- 
lesium, ist aber abgeschlagen.” — Er starb im April 1740 in Bremen. 
(Nach gefälliger Mittheilung aus den Familienpapieren.) 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


E. 3056, 18 s. 3 d. mitnahmen. Indessen, nachdem die 
Gesellschaft 8 Jahre hindurch grosse Anstrengungen ge- 
macht und bedeutende Summen aufgewendet, gab sie (1732) 
das Geschäft unter erheblichen Verlusten für alle Betheilig- 
ten auf. 

Unter dieser Gesellschaft war es auch, wo zuerst eine 
Whale-gun, Schiess-Harpune, zum Tödten der Fische in An- 
wendung kam, und zwar so glücklich, dass bei dem ersten 
Schiffe, wo der Widerstand der am Alten hangenden Har- 
puniere überwunden und die neue Waffe eingeführt wer- 
den konnte, zwei Fische von den drei überhaupt gefange- 
nen durch die Whale-gun getödtet wurden. Für die Insu- 
laner von Sylt und Föhr waren jene 8 Jahre des Be- 
stehens der Südsee-Compagnie eine goldene Zeit, während 
gerade die hohen Summen, welche den fremden Fischern 


gezahlt werden mussten, an dem Unternehmen zehrten. 
Ein Prediger auf Föhr saug freilich ein Jahrhundert später, 
1824, in einem Gedicht: 

„Grönlands eisiges Meer war uns, was Spanien Peru. 

Aber wir Thoren, wir lehrten den stolzen Briten das Fischen, 
Schieckten Harpunen ihm auch und büssen jetzt Strafe der Einfalt!” 


Das war in einer solchen poetischen Ansprache an den 
König von Dänemark sehr schön gesagt, allein wie die 
Dinge nun einmal damals lagen, waren die Dienste, welche 
die Bewohner der Friesischen Inseln den stolzen Briten in 
der Fischerei leisteten, für die armen Insulaner eine reiche 
Quelle des Wohlstandes. Der baare Gewinn der Friesischen 
Fischerleute, welchen sie während der Zeit des Bestehens 
jener Compagnie gemacht haben, soll nach einer Angabe 
von kundiger Hand in den Schleswig-Holsteinischen Pro- 
vinzial-Berichten $0.000 Thaler betragen haben. Im Jahre 
1727, wo die Compagnie 25 Fahrzeuge hatte, waren diese 
sämmtlich mit Föhringer Kommandeuren und Harpunieren 
besetzt. 
schen Inseln werden weiterhin noch näher zu besprechen sein. 

Bald nach der Auflösung der Compagnie erfolgte die Ge- 
nehmigung der Regierung zur Bewilligung einer schon früher 
von der Gesellschaft erbetenen Staatsprämie für den Walfisch- 
fang. Schiffe von 200 Tons und darüber, auf den Waltisch- 
fang ausgesandt, sollten für jede Ton jährlich 20 Schillinge 


Diese Fischerfahrten der Männer von den Friesi- 


(6 Thlr. 20 Sgr.) Prämie aus der Staatskasse empfangen. 
Indessen auch dadurch ermunterte man den durch die gros- 
sen Verluste gedrückten Unternehmungsgeist nicht. 

Beginn der Fischerfahrten nach der Davis- Strasse. — 
Unterdessen fuhren die Holländer fort, in zahlreichen Flot- 
tillen die arktischen Meere nach allen Richtungen hin auf den 
Fischfang zu durchkreuzen. Im Jahre 1719 befuhren sie 
zum ersten Mal die Davis-Strasse und fischten in den Baien 
derselben. Gelegentlich traten sie auch mit den Eingebo- 
renen in Verkehr und trieben Tauschhandel mit ihnen. Die 


Die weiteren Unternehmungen’ bis zum 19. Jahrhundert. 29 


Kabeljau-Fischerei der Holländer bei Island mag der Anlass 
gewesen sein, zu versuchen, ob nicht weiter nordwestlich 
die Gross-Fischerei mit Erfolg zu betreiben sei. Dazu kam 
die grosse Conkurrenz im der Fischerei bei Spitzbergen, 
welche eine allmähliche Vertilgung der Walfische in Aus- 
‚sicht stellte. In den ersten 10 Jahren sandten die Hol- 
länder 748 Schiffe nach der Davis-Strasse, was durch- 
schnittlich nahezu 75 Schiffe für jedes Jahr giebt. Die Ham- 
burger begannen diese Fischerei zugleich mit den Hollän- 
dern, sie rüsteten im Jahre 1719 vier Schiffe dahin aus. 
Die Bremer begannen 1725 mit zwei Schiffen. 

Züge der Holländischen Fahrzeuge in der Davis-Strasse. — 
Welchen Kurs jene nach der Davis-Strasse bestimmten Fahr- 
zeuge nahmen und wo ungefähr sie dem Fischfang oblagen, 
darüber giebt uns das Werk „De Walvischvangst” einige 
Auskunft. 
Insel Disco, wo noch heute die Walfischjäger von Dun- 
dee und Peterhead: ihren freilich jetzt bedeutend weiter nörd- 
lich ausgedehnten Rundlauf beginnen. Der gewöhnliche Weg, 
der für die Fischerei auf den 


Die Hauptfischerei war an der Südseite der 


wie er sich allmählich als 
verschiedenen Gründen vortheilhafteste herausstellte, war nun 
der folgende: Nach Umsegelung von Statenhoek steuerte 
man längs der (West-) Küste von Grönland hin bis zur 
Zuidbaay (67° 10’ N. Br.), wo sich auch die Schiffe bei 
der Rückkehr wieder zusammenfanden. 14 Holländische Mei- 
len südlich derselben erstreckt sich eine ziemlich weite Bucht 
und 3 bis 4 Meilen südwestlich von jener Bai finden sich drei 
bis vier Eilande, von welchen das nordöstliche das grösste 
ist. „Het Rif van de Zuidbaay” ist der Holländische Name 
dieser Eilande. Man passirt diese Inseln am sichersten vor 
starken Strömungen zwischen den Inseln und dem festen 
Lande, wobei der Seefahrer ins Auge zu fassen hat, dass 
das Land südlich der Südbai weit höher ist als nördlich 
derselben. 4 Meilen Nordnordost der Südbai ist ein Fjord, 
De Rommelpot genannt, und nördlich von diesem stellt sich 
die Küste als sehr zerrissen und inselreich dar. Die Fahrt 
geht dann nordöstlich bei dem Wilde Eiland vorüber nach der 
mit hohem Ufer emporsteigenden Insel Rifkol (67° 16’). 
In nordöstlicher Richtung segelt man an verschiedenen Inseln 
vorbei und hat dann die Insel Disco nördlich, man segelt 
jedoch bis auf 4 Meilen Ostnordost an und gelangt in 
die Bonte Baay, weiter östlich in die Jessebaay. Dann fol- 
- gen die Noordbaay, die Aenebaay, die Groene Eilanden 
(sechs an der Zahl); von der südöstlichsten dieser Inseln 
Südost zu Ost nach der Wilde Baay, zur Spieringbaay und 
Zandbaay, in deren Norden der an Eisbergen reiche Eis- 
Fjord, weiterhin die Roode Baay; von letzterer steuerten 
die Schiffe Nord zu West zur Zwarte Vogelbaay und dann 
im Kurs Nordwest zu Nord durch das Waygat, welches 
“sich zwischen der Insel Disco und dem festen Lande 3 Mei- 


len breit ausdehnt. Disco hat theils flachen, theils sehr 
hohen Strand, vor dem Waygat zwei Inseln mit gewaltigen 
Strömungen, die meist „om den Noord” gehen. Von der 
Roode Baay nach der Disco-Baay ist der Kurs Nordwest 
zu West. Von der Disco-Baay bis zur Liefde Baay. In die- 
sen Baien waren damals reiche Walfischgründe, und zwar 
sind letztere auf 10 bis 12 Meilen Ost zu West und auf 
4 bis 5 Meilen Süd zu Nord beschränkt. „Von der Disco- 
Bai läuft die Strasse Davis noch weiter nördlich”, sagt un- 
sere Holländische Quelle, „wie weit, ist bis heute [1784] 
unbekannt”. 

Die späteren Entdeckungen der Engländer und Ameri- 
kaner haben uns den Aufschluss darüber gebracht. Die 
heutigen Fischer fahren regelmässig bis zur Melville - Bai. 
Kommandeur L. Feykes Haan fand im Juli 1715, wo er 
„bis dieht an den 72. Grad hinaufsegelte”, das Eis un- 
Jetzt gehen die Walfisch- 
fänger in der Regel bis zum 79. Grad! 


beweglich und festgeschlossen. 


— Die 
Holländer traten, wie gesagt, öfters mit den Eingebornen 
an der Grönländischen Küste in Verkehr. 
Werkzeuge, Glasperlen u. dergl. tauschten sie von den Ein- 
gebornen Robbenspeck ein. In der Liste finden wir denn 
auch eine Anzahl Schiffe, die alljährlich nicht als Fischer, 
sondern als Händler („handelaar”) nach der Davis - Strasse 
geschickt wurden. Der von ihnen eingetauschte Speck wird 


Tauschhandel der Holländer mit den Grönländern. 


Gegen eiserne 


mit dem Namen „handelspek” bezeichnet. Von diesem ein- 
stigen Tauschhandel Holländer 
finden sich noch Spuren in Gräbern, in deren Innerem man 


der mit den Grönländern 
Eisengeräthe, Glasperlen u. dgl. gefunden hat. „Es ist wohl 
keine Frage”, sagt Etzel in seiner aus Dänischen Quellen- 
schriften geschöpften Darstellung von Grönland, „dass dieser 
Handel zu vielfachen Streitigkeiten und Blutvergiessen Ver- 
anlassung gegeben hat, worauf mehrere Erzählungen hin- 
deuten, die in dem Tagebuch des Dänischen Missionärs Paul 
Egede aufbewahrt sind. Die Holländer müssen eine merk- 
würdige Keeckheit und Ausdauer bei der Untersuchung der 
Küste in ihrer ganzen Ausdehnung besessen haben, sie sind 
von Upernivik bis nach Nennortalik im Süden von Julians- 
haab gekommen, wo noch vor einem Menschenalter der Rest 
des Wracks eines Holländischen Schiffes zu sehen gewesen. 
Fast in jedem Distrikt dieses Theiles von Grönland findet 
man einen „Holländer Hafen”, eine „Holländer Bucht”. Eine 
Niederlassung der Holländer an irgend einem Theile der 
Küste oder eine Besitznahme erfolgte von Seite der Holländer 
nirgends. Jetzt, wo auf einer Insel westlich vom Kap 
Farewell reiche Lager von Kryolith, Blei &e. von den 
Dänen gefunden sind und ausgebeutet werden, mögen sie 
es wohl bereuen. Die Marine der Hansestädte spielte in 
jener Zeit, Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts, 


30 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


eine untergeordnete Rolle. Holland war der eigentliche 
Mittelpunkt des grossen Seeverkehrs, Amsterdam nahm unter 
den Europäischen Seehafenplätzen eine Stelle ein wie heut 
zu Tage etwa London.” 

Verbot der Grönlands-Fahrten an die Hansestädte durch 
König Christian V. von Dänemark. — Der Krieg der grossen 
Allianz (Englansd, Spaniens und Hollands) gegen das von 
Ludwig XIV. regierte eroberungssüchtige Frankreich war 
entbrannt. Zu Lande und zu Wasser, von gewaltigen Heeren 
und mächtigen Flotten wurde gekämpft. Die Niederlande, 
um ihre Flotten durch seekundige Mannschaft zu besetzen 
und diese vollzählig zu erhalten, verboten ihrem Gebrauche 
gemäss die Fahrt nach Grönland, ja, sie gingen weiter und 
verlangten am 20. Februar 1691 durch ein von Seite des Nie- 
derländischen Residenten, Egerhard van der Kuistens zu 
Hamburg, überreichtes Schreiben von den Hansestädten, 
dass auch sie die Fahrten nach Grönland für das Jahr 1691 
einstellen möchten. Die Deutschen Seestädte, so heisst es 
in dem Schreiben der hochmögenden Generalstaaten, möchten 
pro communi causa für dieses Jahr von der Grönlands-Fahrt 
abstehen und nicht etwa von dem Eifer der Generalstaaten 
für das gemeine Wohlsein einen Gewinn suchen. Sie wand- 
ten sich deshalb auch an das Reich. Fast gleichzeitig, am 
23. Februar, erlässt König Christian V. von Dänemark ein 
Mandat, in welchem er ohne Weiteres den Walfischfang an 
der Grönländischen Küste durch andere als Dänische Schiffe 
verbietet. Die hochfahrende Sprache dieses Mandats wird 
aus folgenden Stellen hervorleuchten: 

Der König, heisst es, habe vernommen, dass verschie- 

dene Personen sich ohne seine gnädigste Zulassung der 
Fahrt nach Grönland (seit 50 Jahren war die Fahrt nach 
Grönland völlig frei gewesen!) bedienten. Es hätten ihm 
nun aber einige seiner lieben und getreuen Unterthanen 
mitgetheilt, dass sie die Grönlands-Fischerei, welche eine 
geraume Zeit geruht habe, wieder aufnehmen wollten. Der 
König, als rechtmässiger Herrscher von Grönland und den 
umliegenden Inseln, habe ihnen die Erlaubniss dazu er- 
theilt. „Damit dieser Handel desto besser bei ihnen ge- 
rathe und Fortgang haben möge, so verbieten Wir hiermit 
den Hansestädten in Deutschland, dass sie, es geschehe 
unter was pretext es wolle, sich solcher Fahrt auf Unseren 
Strömen für vermeltes Grönland und andere Unserer Lan- 
den und Inseln hinkünftig ohne Unsere allergnädigsten 
Pässe und Zulassung ferner gebrauchen noch fortsetzen. 
Daferne sie sich unterstehen möchten, diesem Unserm 
ernstlichen Verbote zuwider zu thun, so wollen Wir deren 
Schiffe und Güter, welche solcher Gestalt betreten und an- 
getroffen werden, aufbringen und confiseiren lassen, wonach 
sich alle Interessenten Allerunterthänigst wissen zu richten 
_ und vor Schaden zu hüten haben.” 


Mit Recht erregten beide Ansinnen in den Hansestädten 
Unwillen und Bestürzung. Es fanden Verhandlungen zwi- 
schen den Städten Statt, wobei sich für uns ergiebt, 
dass auch Lübeck — in welchem Umfange, erfahren wir 
Beson- 
ders auffallend war die Zumuthung von Dänemark, das auf 


einmal alte, vermeintliche, von England und Holland nie 


nicht — an der Grönlands-Fahrt betheiligt war. 


eingeräumte, ausserdem durch einen Vergleich unter den 
betheiligten Flotten über die Fischgründe und Stationen 
längst, wie man annehmen durfte, antiquirte Rechte dem 
zur See ohnmächtigen Deutschland gegenüber geltend machte. 
In der allgemeinen Verwirrung des Europäischen Krieges 
hoffte Christian V. die in der letzten Zeit sehr einträglich 
gewordene Grönlands-Fischerei ganz seinen Unterthanen wie- 
der zuwenden zu können. 

Ohnmacht der Hansestädte diesem Verbot gegenüber. — 
Hamburg ') schlug vor, man solle gemeinschaftlich bei dem 
König von Dänemark Gegenvorstellungen thun und auch 
den Kaiser um seine Vermittelung angehen, damit das Ver- 
bot zurückgenommen werde. Lübeck war mit dem Vor- 
schlag einverstanden, Bremen aber widerstrebte, es be- 
sorgte, dass Christian V. durch solche Schritte zu noch 
grösserem Unwillen gereizt werden möchte, und so unter- 
blieben sie. Eben so widerstrebte auch Bremen dem Vor- 
schlage, dass die Städte durch eine gemeinsame energische 
Erklärung die Forderung der Holländer zurückweisen möch- 
Es wollte, da das Verlangen der Holländischen Re- 
gierung gegen jede einzelne Stadt besonders ausgesprochen 


ten. 


sei, auch von jeder eine besondere Erwiderung, wenn auch 
im Wesentlichen gleichen Inhaltes, erlassen wissen. Lübeck 
mahnte umsonst: „Dum pugnamus singuli, vineimur omnes.” 

In der vom Bremer Senat an die Generalstaaten er- 
lassenen Antwort wird zuerst betont, dass Bremen gern um 
des gemeinschaftlichen Interesses willen dem Ersuchen der 
Generalstaaten nachzukommen bereit wäre, Bremen habe 
sich aber bereits auf des Kaisers Zumuthen und Verord- 
nung mit einem jährlichen gar hohen Contingent und Bei- 
steuer zur Bestreitung des Krieges beschwert und werde 
genöthigt, sich immer mehr, über der Stadt Vermögen, an- 
zugreifen; ohnehin laste der Kriegs mit den Hemmnissen, 
welche er über den Handel bringe, schwer auf den Ein- 
wohnern der Stadt und selbst die Untergehörigen der Ge- 
neralstaaten würden die Fahrt nach Grönland nicht ein- 
stellen, vielmehr seien, wie man vernommen, in Norwegen 
zur Continuirung des Waltischfanges auf Grönland für Hol- 
ländische Rechnung einige Schiffe angeschafft und parat). 


!) Die nächstfolgende Stelle ist der gefälligen Mittheilung des Herrn 
Archivar Dr. Wehrmann in Lübeck, welche mir derselbe auf Grund der 
Durchsicht der dortigen Akten machte, entnommen. 

2) Die schlauen Holländischen Kaufleute hatten also neben dem „ge- 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. al 


Die weltbekannte Äquanimität der Generalstaaten werde um 
so weniger das sonst so treu vertheidigte mare liberum et 
innoxium commereium den Bürgern Bremen’s missgönnen, 
als die nach Grönland von Bremen auslaufenden 4 bis 5 
Schiffe nicht mit Matrosen oder Kriegsleuten, sondern mit 
in Bremen sesshaften Bürgern und Handwerksgesellen be- 
setzt und versehen würden. 

Hamburg ruft Schwedens Vermittelung an. — Hamburg 
wandte sich, um das Mandat des Königs von Dänemark 
rückgängig zu machen, an den König von Schweden. Die 
Kopie dieses Schreibens, datirt vom 15. September 1691, 
liest bei den Hamburger Grönlandsfahrer-Akten. In diesem 
äusserst devot gehaltenen Schreiben heisst es: 


Die „erbarmende Hülfe” gegenüber den Drangsalen, mit welchen 
die Krone Dänemark Hamburg bedrohe, erwarte der Senat einzig und 
allein von des Königs gnädigster Zuneigung für die Stadt Hamburg. 
„Wir abstrahiren billig von weiterer Anführung des Schadens und Ab- 
bruchs, welchen Ew. Königl. Maj. eigene Länder sammt Dero allgemei- 
nes Interesse unter diesen Neuerungen leiden und ferner zu befürchten 
haben, immassen von selbst hervorleuchtet, dass das praetendirte domi- 
nium über die nordischen Meere und die daraus angemasste inhibition 
des Walfischfangs auch in sich die Macht und das Recht einschliesse, 
allen anderen und also nicht weniger den Schwedischen Unterthanen 
selbige Fahrt, falls sie sich deren über kurz oder lang sollten gebrau- 
chen wollen, verbieten zu können, aus der auf dem Elbstrom unter- 
nehmenden sistirung, visitirung und redimirung unserer Schiffe aber und 
aus ungezwungener Verbindlichkeit aller derer, welche mit Dänischen 
Pässen gefahren, unzählige zeführliche effectus erfolgen müssen, indem 
Ihre König]. Maj. von Däncmark dadurch das gesammte Elbeommereium 
unter Ihre Macht und disposition ziehen, wirklich ein Mehreres und 
weit Beschwerlicheres einführen, als der verlangte Glückstädtische Zoll 
nicht gewesen sein würde, zu Behauptung sothaner usurpatio juris, 
wenigstens unter dessen \orwand, selbigen freien Reichsstrom mit 
Kriegsschiffen belegen und sich dadurch capabel machen dürften, 
nicht allein diese Stadt nach eigenem Willen zu insultiren, sondern auch 
anderen an der Elbe situirten Herrschaften, absonderlich bei etwa ver- 
änderten Conjuneturen, grossen Schaden zuzufügen, überdem durch den 
Bezwang hiesiger, mit Dänischen Pässen bishero fahrenden und, wie 
wir zu unserm schmerzlichsten Leidwesen vernehmen, eine grosse An- 
zahl ausmachende Schiffe, worunter viele 30 und mehr, ja einige gar 
über 50 Kanonen führen, in benöthigten Fällen Dero Kriegsflotte auf 
eine grosse verstärken können, hingegen, da all solche Schiffe meisten- 
theils zu Glückstadt ein- und ausladen müssen, das Commereium von 
dieser Stadt ab und dahin detourniret, Ew. Königl. Maj. Elbzolle zu 
Stade aber (zu wessen regulirung bishero so viele Mühe genommen, 
und worüber Ew. Königl. Maj. gnädigste ratification wir mit sehn- 
liehem Verlangen erwarten) aufs Höchste deteriorirt und geschmälert, 
wo nicht gar fruchtlos gemacht werden wird, zumahl da alle noch 
etwa nach dieser Stadt destinirten Waaren in kleinen, als Dänischen 
Unterthanen zugehörigen, und besagten Zollen nieht unterwürfigen 
Schiffsgefässen anhero transportirt werden mögen” u. s. f. 


Mit Einem Wort, das Interesse der Schwedischen Be- 
sitzungen in Deutschland erheische, dass „den Pressuren 
Dänemark’s, welche zum Ruin Hamburg’s führten”, Einhalt 
gethan werde. Der Senat spricht aus, dass er nicht im 
Geringsten zweifele, der König werde zum Schutze Ham- 
burg’s diejenigen Mittel anwenden, welche er nach seinem 
höchst erleuehteten judieio für die convenabelsten und zuläng- 
lichsten achte, und schliesst unter „der in tiefster Ergebenheit 


meinen Wohlsein” doch ihren persönlichen Gewinn wohl im Auge und 
wussten das Verbot der eigenen Regierung zu umgehen. 


ausgesprochenen demüthigsten Empfehlung an die gnädigste 
Propension des Königs”. 

Der ganze Vorfall, welcher weiter keine Folgen hatte, 
da, wie wir sehen werden, die Fischerei der Hansestädte 
bei Spitzbergen ihren Fortgang nahm, ist in mehrfacher 
Beziehung charakteristisch und es rechtfertigen sich dadurch 
diese eingehenderen Auszüge aus den Akten. Das waren 
Glieder des Hansabundes, der einst im Norden hochgebie- 
tend dastand, um dessen Gunst die nordischen Könige ge- 
Zu so kleinlichen Mitteln mussten die 
Städte greifen, auf solchen Umwegen mussten sie den Schutz 
ihres Handels erstreben. Es tritt uns hier ein abschrecken- 
des Bild der Ohnmacht entgegen, welche das Deutsche Reich 
damals vornehmlich auch nach der See hin zeigte. 

Vertrag zwischen Gross-Britannien, Frankreich und den 
Niederlanden. — Im Jahre 1709 taucht die Gefahr, von 
der Grönlands-Fischerei ausgeschlossen zu werden, für die 
Hansestädte noch einmal auf, jetzt von England her. Am 
8. März dieses Jahres schreibt der Englische Minister-Re- 
sident Wich zu Hamburg, dass dem Vernehmen nach zwi- 
schen Gross-Britannien, Frankreich und den Niederlanden 
Behufs Sicherstellung ihres Walfischfanges während der 
Kriegszeit über eine gegenseitige Verständigung verhandelt 
werde. Er ist überzeugt, dass der Ausschluss der Stadt 
Bremen von diesem Vertrage der Ruin eines ihrer bedeu- 
tendsten Handelszweige sein würde. Der Bremer Senat 
nimmt in einem Lateinischen Rückschreiben die angebotene 
Vermittelung des Englischen Minister-Residenten dahin, dass 
Bremen’s Fischerei in Grönland in diese Übereinkunft mit 
eingeschlossen werde, unter vielen Dankbezeigungen an den 
Minister-Residenten für seine Fürsorge um das Gedeihen 
des Bremischen Handels an: „Hoc non tantum laude debita 
celebramus, "verum etiam gratissimo animo agnoscimus at- 


worben hatten! 


que hactenus compensamus, data occasione reapse compen- 
saturi.” Er habe deshalb auch an die Königin von Eng- 
land geschrieben, „quae haetenus se clementissimam con- 
seryatricem et promotricem commerciorum nostrae reipublicae 
demonstravit”. Am 2. April 1709 meldet der Englische 
Minister- Resident auf Grund eines vom Staats- Sekretär 
empfangenen Schreibens, „que votre ville n’a rien ä eraindre 
sur le sujet d’ötre exclue du commerce de Groenland. Vous 
trouvez par lä, Messieurs, que la reine, ma tres-gracieuse 
maitresse, est fort indulgente en toutes occasions vers les 
villes Hanseatiques” &e. 

Selbsthülfe der Hansestüdte durch Convoyirung der Grön- 
lands-Fahrten mit eigenen Kriegsschiffen. — Neben allen die- 
sen schwächlichen diplomatischen Mitteln, zu welchen die 
Hansestädte gegenüber den grossen Seemächten ‚durch ihre 
Kleinheit und isolirte Stellung gezwungen waren, suchten die 
Städte sich aber auch mannhaft selbst zu helfen, so weit sie 


32 

es nur vermochten. Die Convoyirung ihrer mit werth- 
vollen Ladungen fahrenden Schiffe durch mit Kriegsleuten 
bemannte und für eine kräftige Seewehr genügend aus- 
gerüstete Schiffe war das Mittel, welches sich in manchen 
Fällen als sehr wirksam erwies. Besonders waren es die 
durch die Algierischen Seeräuber fortwährend der Hambur- 
ger Handelsmarine zugefügten Verluste, welche die Staats- 
behörden der aufblühenden Handelsstädte zu energischerem 
Vorgehen bestimmten. Im Jahre 1662 waren acht Ham- 
burger Schiffe durch zwei Algierische Korsaren-Fregatten 
weggenommen worden. Der Anschluss Hamburg’s an das 
Holländische Convoy - Wesen wurde vergebens durch den 
Hanseatischen Gesandten in Holland, Aitzema, erstrebt. Man 
bildete nun in Hamburg eigene Convoy - Anstalten. Aus 
Mitgliedern des schon im Jahre 1623 in Hamburg errich- 
teten Admiralitäts-Collegiums wurde als Sektion eine Convoy- 
Deputation eingesetzt, in Bremen gab es um diese Zeit schon 
„Convoy-Herren”. Im Jahre 1669 waren in Hamburg zwei 
nach Holländischem Muster neu erbaute dreimastige Orlog- 
schiffe, der „Leopoldus primus”, Kommandeur Kapitän Ma- 
thias Dreyer, und das „Wapen van Hamburg”, Kapitän 
Holst, fertig. 
wohl in die nördlichen Meere, zum Schutze der Grönlands- 
und Archangel-Fahrer, als in die „Westsee” und ins Mittel- 
meer. 


Die Hamburger Convoy -Fahrten gingen so- 


Näheres über die Hamburger und Bremer Convoyer. — 
Es wird von Interesse sein, über dieses Stück Deutscher 
Wehrhaftigkeit zur See einiges Nähere nach Herrn Archivar 
Dr. ©. Beneke’s Hamburgischen Geschichten und Denk- 
„Je 20 bis 30, oft 40 bis 
sich um ihr Convoyschiff wie 
wehrlose Leute um einen gewappneten Mann. Der Kapitän 


würdigkeiten hier mitzutheilen. 
50 Kauffahrer sammelten 


desselben war ihr Admiral, in seiner Hand lag "das General- 
Kommando, welchem zu Aller Heil der strengste Gehorsam 
geleistet wurde. Seine Verantwortung war gross, denn 
nicht nur die Vertheidigung gegen die Türkengefahr, son- 
dern auch gegen Wind und Wetter, die strategische wie 
Der Admiralsbrief 
bestimmte genau das Verhalten der Handelsschiffe zum 
Kommandeur. Der Wichtigkeit seines Amtes entsprach die 
ihm beigelegte Autorität, wie auch zur See sein wirklicher 
Admiralsrang, wenn schon die Hanseatische Abneigung gegen 
hochklingende Titel ihm nur den Charakter eines Kapitäns 
oder Commodore gönnte. Unter ihm standen der Schiffs- 
Lieutenant, der Schiffer, die Steuerleute, Ober-Constabler 
und andere Offiziere nebst einer Mannschaft von 130 bis 
150 Matrosen und 60 bis 80 Soldaten. - Ausserdem waren 
an Bord: der Convoy -Prediger, der beim Schiffsvolk nur 
‘den Holländischen Titel „Domine” führte, ein Wundarzt, 
ein „Botellier”, der die Getränke beaufsichtigte, Köche, ein 


- 


nautische Führung war ihm anvertraut. 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Profos &e. Morgens und Abends war Gottesdienst, Sonn- 
tags ausserdem Predigt und Communion, denn damals galt 
der Spruch: 


„Kein guter Boots- und Steuermann 
Ohn’ Beten und Singen fahren kann.’ 


Der Artikelbrief enthielt strenge Disciplinarvorschriften 
für die Mannschaft. Ein gottesfürchtiger Wandel war darin 
neben dem unbedingtesten Gehorsam Allen eingeschärft. 
Trunk, Zank, Lästern und Fluchen zog schweren Arrest 
nach sich. Wer äuf der Wacht schlief, wurde drei Mal 
„gekielt” (unter dem Schiffskiel durchgezogen) und von'allem 
Schiftsvolk „geleerset” (vermuthlich die Bezeichnung für 
eine Art Spiessruthenlaufen). Wer den Anderen freventlich 
verletzte, wurde gekielt; wer sein Messer auf den Anderen 
zückte, dem wurde die linke Hand mit einem Messer an 
den Mast genagelt &e. Im Kabelraum durfte nicht „Toback 
getrunken” (geraucht) werden. Karten, Würfel und Weiber 
wurden an Bord nicht geduldet. 
men und fleissigen Bootsleuten ein guter Sold, rechtschaffene 


Dagegen war den from- 


Kost und bei Verwundung oder Verkrüppelung im Schiffs- 


dienst oder Gefecht die Heilung auf Staatskosten bei vollem ° 


Solde, auch anständige Versorgung am Lande im Aussicht 
gestellt.” 

Bezüglich Bremen’s wird schon im Jahre 1671 ein „von 
Jakob Gerdes kommandirtes Jagtschiff”” neben dem damali- 
gen, vermuthlich als Wachtschiff bei der Stadt benutzten 
sogenannten Orlogschiff erwähnt. Doch meistens schlossen 
sich die Bremer Schiffe einem Hamburger, Holländischen 
oder Englischen Convoy an (letzterem besonders für die 
Fahrt nach und von England), wobei der letztere sich frei- 
lich als ziemlich kostspielig erwies. Im Jahre 1691 besass 
Bremen ein eigenes Conyoy-Schiff, das „Wappen von Bre- 
men”, unter dem Kommando von Jürgen Bakker, ein Name, 
der später in der Liste der Bremischen Kapitäne oft wieder- 
kehrt. Dieses Schiff war, wie aus den folgenden Angaben 
sich ergiebt, für seinen Zweck „sattsam ausgerüstet”. Es 
war 112 Fuss lang, 29 Fuss weit, hatte im Raume 12 Fuss 
und unter Deck 6 Fuss, führte 14 Zwölf-, 1 Acht-, 9 Sechs-, 
10 Vier- und 4 Dreipfünder, ausserdem 4 metallene Kanonen 
von 3 Pfund und 8 metallene Bassen nebst 8 Bomben, 180 
Handgranaten, 31 Fässer Pulver, je zu 100 Pfund, und 
21 Pfund Musketenkugeln, desgleichen 42 Musketen, 46 
Pistolen, 30 Enterbeile, 14 davon mit Hellebarden, &e. 
Der „Roland”, ein zweites kleineres Schiff mit 4 Ankern 
und 2 Werf-Ankern, hatte an Bord 1 Handbombe, 6 eiserne 
Kanonen von 12 Pfund, 18 von 6 Pfund, 8 von 4 Pfund, 
16 Koparden von 12 Pfund, 4 desgleichen von 6 Pfund, 
8 eiserne Bassen mit 16 Camern, 50 Musketen, 45 Pisto- 
len, 20 Hauer, 28 Enterbeile, 24 Piken &e. 

Dieses Schitt war es wohl, welches im August 1696 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 33 


auf Ansuchen der Compagnien auf die rückkehrenden Grön- 
lands-Fahrer zu ihrer Convoyirung in die Heimathshäfen 
kreuzte. 

Schon im Jahre 1690 
Grohnland” in den Bremer Akten erwähnt, wie es scheint, 


wird eim „Convoyschiff nach 
von den betheiligten Rhedern angeschafft und unterhalten. 

Am 2. April dieses Jahres bitten Albert Ellerhorst und 
Consorten, „in dem Convoyschiff nach Grohnland interessiret, 
um Herleyhung von 16 bis 18 eisernen Stücken, wie sie 
im Schiffe dienlich, nicht eben der grössten Art, sammt 
den Laffetten oder Koparden”. Sie erklären sich dabei 
bereit, den Kaufpreis der Kanonen zu hinterlegen, indem 
sie sich verpflichten, dieselben innerhalb drei Monate un- 
beschädigt zurückzuliefern oder auch andere dafür wieder 
zu liefern oder das baare Geld zu erlegen. Die Dauer 
der Reise, wie sie hier angegeben wird, erscheint ziemlich 
kurz, da zu eben derselben Zeit die Niederländischen 
Grönlandsfahrer in der Regel vier Monate ausblieben. 

In Hamburg fand zu jener Zeit die Convoyirung der 
Grönlandsfahrer wohl regelmässig Statt, sofern solche erbeten 
war. Namentlich lassen sieh Conyoyirungen aus den Jahren 
1679, 1691, 1695, 1696, 1703 bis 1711 (jährlich) nach- 
weisen. Im Jahre 1676, am 17. April, fand die Musterung der 
220 Mann starken Equipage auf des Kapitän Holst Orlogschiff 
zu Wittenbergen Stat. Am 14. März 1677 schloss Kapi- 
tän Dietrich Hillebrandt seine Kapitulation ab. Derselbe 
nahm ausser der übrigen Mannschaft 43 Soldaten an Bord. 
In demselben Jahre ward die Hamburger Kriegsfregatte 
„Leopoldus Primus” zum Convoydienst ausgerüstet und 
kehrte im September nach etwa dreimonatlicher Fahrt von 
Grönland zurück. Im nächstfolgenden Jahre, am 3. April, 
nahm der berühmte Kapitän Berend Jacob Karpfanger für 
den „Leopoldus Primus” 220 Mann „für den Convoydienst 
auf Grönland aus und zu Hauss” an. Mit reicher Beute 
von 513 Fischen kehrte die aus 55 Schiffen bestehende 
Flotte nach etwa dreimonatlicher Fahrt im September zurück. 

Siegreiches Seetrefen des Hamburger Convoyers „Leopol- 
dus Primus”. — Zuvor war jedoch ein Gefecht mit Kapern 
zu bestehen, dessen für das Deutsche Kriegsschiff rühm- 
lichen Verlauf uns Dr. Beneke anschaulich in folgender 
Weise schildert: „Guten Muthes in die Elbmündung ein- 
segelnd sah sich plötzlich die Flotte von fünf gut armirten 
Schnellseglern, Französischen Kapern aus Dünkirchen, an- 
gefallen. Das grösste dieser Schiffe führte 38 Kanonen. 
Rasch traf Karpfanger seine Anstalten. 
fehle so umsichtig, dass die semer Obhut vertrauten Schiffe 
völlig gedeckt blieben, während er selbst den Kampf mit 
den Piraten ausfocht. 
diges Treffen, in welchem zuletzt die Kaper von den Ka- 


Er gab seine Be- 


Es war ein hitziges, fast zwölfstün- 


nonen des „Kaiser Leopold” arg zugerichtet wurden. Zwei 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


ihrer Schiffe schoss Karpfanger in den Grund, dass sie vor 
seinen Augen mit Mann und Maus versanken, die übrigen 
suchten mit Verlust einiger 50 Mann das Weite und ent- 
kamen unter dem Schutze der Nacht. Das Convoyschiff 
hatte nur zwei Todte und einen Verwundeten verloren. 
Unter den Todten war der Schiffs-Profos. Dieser, der beim 
Gefecht eigentlich Nichts zu thun hatte, war aus Neugier 
aufs Deck gegangen, um nachzusehen, ob die Affaire bald 
zu Ende sei, denn ihn hungerte. Und gerade als er einem 
Bootsmann äusserte, er habe seit dem Frühstück noch nichts 
Gewichtiges im Leibe, traf eine achtpfündige Kanonenkugel 
Dem ‚Kaiser Leopold” waren 
einige Schüsse unter Wasser in den Rumpf gegangen, auch 
Sonst aber hatte er 
bei dem Feuer der fünf Kaper so gut manöyrirt, dass er 
Wegen dieser 


des armen Mannes Magen. 
hatte die Schanzbekleidung gelitten. 


im Übrigen unbeschädigt geblieben war. 
rühmlichen Affaire war viel Jubels in Hamburg. Selbst 
die Admiralität — nach freistädtischer Art in lobender An- 
erkennung der Verdienste ihrer Untergebenen äusserst spar- 
sam — konnte nicht umhin, den bravyen Karpfanger in da- 
bekam 


mals üblicher Weise auszuzeichnen. Er 


seiner wider die franschen Kaper zur Defension der Grön- 


„wegen 


landsfahrer getroffenen guten Anstalten und wegen so mann- 
haft als siegreich gelieferten Gefechtes” eine „Verehrung” 
von 300 Thalern.” 

Im Jahre 1679 war „Leopoldus Primus” wieder auf 
Convoy nach Grönland, doch begleitete er die Schiffe nur 
bis auf eine bestimmte Höhe und holte dann die Lissabon- 
fahrer von England ab. 

1694 ging der Conyoy im April in See und kehrte am 
17. September zurück, im folgenden Jahre war er vom 
27. April bis Mitte September aus. 1696 war Kapitän 
Mariensen, 1697 der Kapitän Tamm auf Convoy nach 
Grönland. 

Über die Entschädigung, welche von den Walfisch- und 
Robbenfängern an den Staat für den Convoy gezahlt wurde, 
findet man in Klefeker, Hamb. Gesetze und Verfassungen, 
VII, S. 52, Auskunft. Anno 1693 ward beliebt, dass 6 Thaler 
für jeden Fisch gezahlt werden sollten. Im Jahre 1705 
offerirten die Deputirten der Grönländischen Rhederei 4 Tha- 
ler per Fisch an die Kammer und 300 Mark an die Ad-- 
miralität pro Schiff. Nach längeren Verhandlungen ward 
dann pro ultimato beschlossen: „Von jedem Schiff, das nach 
Grönlandt gehet, soll ohne präjudice statt der sonstigen 
Fischgelder 100 Mark in Cronen an die Kammer und der 
Admiralität 100 Reichsthaler in Cronen erlegt werden”. 

In diesem Jahre übernahm der „Prophet Daniel”, sein 
mit 50 Stück montirtes und mit 200 Mann, worunter 50 
Soldaten, ausgerüstetes Schiff den Convoy nach Grönland 


und war am 25. April segelfertig. 


oı 


34 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Hier sei die Grenze unseres Streifzuges auf das die 
Grönlandsfahrten berührende Gebiet der Deutschen Kriegs- 
marine-Geschichte. 

Genaue Nachrichten über die Bremer Grönlands - Fische- 
rei. — Die ersten genauen Aufzeichnungen über die Zahl 
und Namen der Schiffe, der Directeurs und der Kom- 
mandeurs bezüglich Bremen’s enthält ein jetzt noch in ein 
Es be- 
ginnt im Jahre 1695 und ist wenigstens in ein Paar Haupt- 


oder zwei Exemplaren vorhandenes Rhederbuch. 


rubriken Jahr für Jahr bis zur Gegenwart fortgeführt. We- 
der von England und den Niederlanden noch von Hamburg 
vermochte ich trotz vielfacher Bemühung eine so vollstän- 
dige Liste aufzutreiben. 
lichen einen Überblick über die von der Weser unter- 


Diese Aufzeichnungen ermög- 


nommenen Grönlandsfahrten von jenem Jahre an bis zum 
heutigen Tage, also auf 173 Jahre. In einer Beilage sind 
ein Auszug aus diesem Rhederbuch !) nach zehnjährigen 
Perioden und die letzten acht Jahre einzeln gegeben. Auf 
Einzelnes, namentlich auf den Robbenschlag, werde ich zu- 
rückkommen und hier nur noch Einiges erwähnen. Von 
1716 bis 1725 beschäftigte Bremen die höchste Zahl, zwi- 
schen 20 und 21 Schiff, in der Grönlandsfahrt. Rechnen 
wir durchschnittlich Schiffe und Ausrüstungen zusammen ?) 
nur zu 12.000 Thalern, so hatte in jenen Jahren Bremen 
im Sommer immer ein Kapital von mindestens 250.000 Tha- 
lern in der Grönlandsfahrt stecken. Nach den bis 1730 
zurückreichenden Tabellen über die Ergebnisse der in Bre- 
men erhobenen Vermögenssteuer betrug in jenem Jahre 
das gesammte steuerbare Vermögen 10% Millionen Thaler. 
Das jährlich in der Fischerei steckende Kapital war also 
grösser als die Hälfte einer vierprozentigen Rente dieses 
Gesammtvermögens. 

Für das Jahr 1695 giebt das Buch folgendes Verzeichniss: 


Directeurs Schiffe Kommandeurs Fische Chardel 


Cord Grelle Margreta Jacob Boje 1 444 
5 = Bienkorb Arian Dirks 3 150 
vs nn Freede Rulff Rulffs 4 200 

Peter Löning Endracht Frerich Hansen 3 220 
9 ei Hoffnung Jan Classen 2 165 

Dan Willet Moses D. W. Bleeker _ = 

Herm. Backer Charitas G. Andreesen —_ — 

Dan Willet Segelmacher Rulff Rulffs 2 9 

8 Schitte 15 7884 


Barten 85 Thaler, Thran 16 Thaler. 
Im Jahre 1696 finden wir 12 Schiffe, im Jahre 1697 
16 Schiffe beschäftigt. Aus diesem Jahre erzählt Zorgdrager: 
„In der Klokkbai, bei der ersten Vertheilung der Spitzbergi- 
schen Baien auch Englische Bai genannt, welches eine weite 
und geräumige, mit verschiedenen Armen tief in das Land 


!) Dasselbe ist auch im Jahrgang 1867 der Geogr. Mittheilungen 
(S. 416) schon besprochen. 

2) Unter Berücksichtigung der damaligen Preise und Vergleichung 
der Kosten, wie sie sich nach vorliegenden Angaben damals in Hol- 
land und 50 Jahre später in. Bremen stellen. 


hinein laufende Bai ist, sind wir im Jahre 1697 mit un- 
serem Schiff, die „vier Brüder” genannt, mit sieben Fischen 
nebst einer durchgängig reich geladenen Flotte von mehr 
als 200 Schiffen gelegen. Denn weil mit Frankreich Krieg 
war, musste allhier unser Sammelplatz sein. Von dieser 
Flotte, welche unter Beschützung neun Holländischer und 
zwei Hamburger Convoyer in der Bai sich versammlete, 
bemerke ich Folgendes: 
Es bestand diese Flotte aus 
121 Holländischen Schiffen, deren Ladung 1252 Fische, 


54 Hamburger 55 nr > DBIS 
15 Bremer > 9 5) 1197 
2 Emdener ” = = 2.05 


1888 Fische waren. 

„Unter allen diesen Schiffen war nicht eines, das Nichts 
gefangen hatte; viele aber waren voll und hatte unter den 
Holländischen das geringste drei Fische. In jetzt gemeldter 


192 Schiffe, deren Ladung 


innern Bai, der Schöne Haven genannt, konnten alle Schiffe 
auf einem guten Sand und Steck-Grund, vor allen Winden 
beschützet, gemächlich zur Anfuhrt kommen. Auch kamen 
allhier noch verschiedene Moscovien-Fahrer zu uns, um unter 
unserer Convoy mit zu segeln.” Das sechzehnte Schiff der Bre- 
mer, das „witte Lam”, Kommandeur J. Schwartz, verbrannte. 

Bremer Kommandeure, Rheder, Schiffe in älterer Zeit. — 
Die Namen der Bremer Kommandeure sind zum Theil noch 
jetzt unter den Bremer und Vegesacker Schifferfamilien zu 
finden, wie z. B. die Dirks, Wischhusen, Geers. Andere 
Bremer Namen: Teklenborg (Kommandeur des Schiffes 
„Vreede”, Direeteur H. Schomaker), ferner P. Wilmssen 
(Kommandeur der „Fortuna”) und J. Wischhusen (Komman- 
deur des Schiffes ‚Freede’”, Directeur Cord Grelle) und M. 
Janssen (Kommandeur des Schiffes „Charitas”, Directeur H. 
Backer) sind noch jetzt vertreten. Gleichlautend mit den 
Namen Holländischer Kommandeure ist z. B. Rulff Rulfis. 
Es kommen zwei dieses Namens vor, von denen der eine 
die „witte Duve”, der andere das Schiff „Segelmaker” kom- 
mandirte. Der Kommandeur Jan Classen (das Schiff „Hoff- 
nung”, Directeur Peter Löning) war, wie ich aus einer 
Notiz ersehen habe, ein Jüte, während der Name des Kom- 
mandeurs Frerich Hansen auf Holstein oder Schleswig deutet. 

Die Föhringer in Englischen und Holländischen Diensten 
auf der Grönlandsfahrt. — Wie auf den Schiffen der Eng- 
lischen Südsee-Compagnie, so dienten die Schleswig’schen 
und Holsteinischen Insel-Friesen auch auf den Holländischen 
und hanseatischen Grönlandsfahrern. Posselt, Prediger zu 
St. Johannes auf Föhr, erzählt, dass die Insel Föhr von 
jeher eine Pflanzschule der Woalfischfänger gewesen sei. 
Seit undenklichen Zeiten hätten ihre Seefahrer die Hollän- 
dische Grönlandsflotte angeführt und bedient. Sogar in 
Spanischen Diensten befanden sich zu Ende des 18. Jahr- 
hunderts Harpuniere aus Holstein auf dem grossen Fisch- 


fang in der Südsee. Vormals, so berichtet er weiter, ging 
Alles, was männlichen Geschlechts auf Föhr war, sobald 
die Tüchtigkeit zum Seedienst anfing und so lange sie 
dauerte, auf den Walfischfang nach Grönland. Man darf 
annehmen, dass auch die Holländer ohne die Hülfe unserer 
in der grossen Fischerei erfahrenen Landsleute ihren Fi- 
schereibetrieb in dem damaligen grossartigen Maassstabe 
nicht hätten fortsetzen können. Stibolt (om Hvalfiskerier- 
nes Hindringer og Opkomst, in den Schriften der Kopenh. 
Landh.-Ges. 1, S. 376) versichert, im Jahre 1765 selbst 
Zeuge ihrer grossen Verlegenheit gewesen zu sein, als die 
Ankunft der Föhringer durch widrige Winde verzögert wurde, 
so dass die mit dem ersten Schiffe Angekommenen sich 
eine ungewöhnlich grosse Heuer bedingen konnten. Den 
Frauen überliess man den unbedeutenden und sehr ver- 
nachlässigten Ackerbau und steuerte mit Anbruch des Früh- 
jahrs in einer Flottille von 10 bis 14 kleinen Fahrzeugen 
nach der Elbe und den Holländischen Häfen. Zu Anfang des 
Herbstes kehrte man wieder nach der Heimath zurück, oft 
ohne einen Mann verloren zu haben. 

In der Berechnung der Reinerträge des Holländischen 
Walfischfangs, welche 1733 die Rheder der Grönländischen 
Fischerei der Regierung von Amsterdam einreichten, wird 
angenommen, dass überhaupt der vierte Theil der auf den 
Holländischen Grönlandsfahrern bezahlten Monatsgelder an 
„Jutten en Norren” bezahlt werde, davon bleibe jedoch der 
grössere Theil in den Niederlanden, indem sie sich bei 
ihrer Rückkehr nach der Heimath im Herbste mit Haus- 
rath, Kleidern u. dergl. versorgten. Unter jenem Ausdruck 
„Jutten en Norren” war Niemand anders als die Insel- 
Friesen verstanden. Es wird angenommen, dass sie durch- 
schnittlich jährlich an baarem Gelde 20.000 Gulden mit 
nach Hause brachten. Noch heut zu Tage sind auf den 
Friesischen Inseln in den „Kakebeens”, den Kinnbacken- 
knochen der Wale, sichtbare Zeichen jener Friesischen Grön- 
landsfahrten vorhanden. Sie dienen als Umfriedigungen 
von Gärten. In Bremen und Umgegend, so wie in verschie- 
denen Theilen Hollands wurden diese „Kakebeens” einzeln 
vor Häusern und an Landwegen als Prellsteine aufgepflanzt. 

Ferner schreibt mir Herr Pastor Frerks zu St. Nicolai 
auf Föhr, 17. August 1868: „Im Besitz meiner Ältern in 
Wyk war ein Ölgemälde, freilich ohne künstlerischen Werth, 
den Walfischfang darstellend. Man sieht an Grönlands fel- 
siger. Küste mn dem mit Eisschollen bedeckten Meere ein 
Dänisches, ein Holländisches, ein Englisches, ein Hamburger 
und ein 'Schwedisches Schiff im Eise zertrimmert. Im 
Vordergrund sind der Walfisch- und Robbenfang, sowie Eis- 
bärenjagden dargestellt. Darüber steht: „Vis vineitur arte” 
und die Unterschrift nennt -den Maler: Johann Samuel 
Winkstern 1778. Ich habe das Bild in der Vordiele des 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 35 


Pastorats aufgehängt, wo es als Andenken an alte gute 
Zeiten hängen bleiben mag.” 

Die Seefahrer, welche auf den Walfischfang in der 
Davis-Strasse fuhren, reisten schon in der spätern Hälfte 
des Januar von Föhr nach den Plätzen ab, wo sie sich 
vermietheten. Gegen Ausgang Februars fuhr ein anderer 
Theil und im Anfang März ein zweiter grösserer aus der 
Winterstation ab. 

Im Jahre 1777, Anfang März, segelten an einem Tage 
13 Schmacken mit etwa 1000 Seefahrenden von Föhr nach 
Holland, Altona, Hamburg und anderen Orten ab. — Nach 
zurückgelegter Reise, welche gewöhnlich 5 bis 6 Monate 
währte, kehrten die Leute so bald als möglich zu den Ihri- 
gen zurück. Gewöhnlich lagen Schiffe, welche für 50 bis 
80 Personen Raum hatten, zur Zeit der Rückunft von Grön- 
land bereit, sie mit dem ersten günstigen Winde nach ihrer 
Heimath zu führen. Der Theil der Seefahrer, welcher sich 
durch Tüchtigkeit im Dienst und Rechtschaffenheit bewährt 
hatte, wurde sehr geschätzt und viele derselben wurden 
gewöhnlich gleich beim Abschiede von der zurückgelegten 
Reise oder bald nachher zum Dienst fürs folgende Jahr 
wieder angenommen. 

Der Winter war den Leuten im Schoosse der Familie 
eine Zeit der Ruhe und des Glückes. Jünglinge von 16 
bis 20 Jahren und darüber besuchten die Steuermanns- 
Schulen. Diese wurden in allen Dörfern gefunden. Die 
Lehrer derselben waren grösstentheils Seefahrende, welche 
zum Unterricht in der Navigation die erforderlichen Kennt- 
nisse besassen. Die Schulen wurden am Tage und in den 
Abendstunden besucht und für jeden Tag oder Abend von 
dem einzelnen Schüler 1 Schilling bezahlt. 

Die Abreise im Frühjahr und die Ankunft im Herbst 
waren nicht bloss für die Angehörigen, sondern für die 
sämmtlichen Bewohner der Insel ein Ereigniss. Schon meh- 
rere Wochen vor der Reise beschäftigten sich die Haus- 
genossen der Abreisenden mit der Instandsetzung der Sachen, 
War die Zeit der Ab- 
reise gekommen und die Sachen der Abfahrenden auf die 


deren sie auf der Reise bedurften. 


Schiffe gebracht, der Wind günstig geworden, dann musste 
Abschied genommen werden von Familie und Heimath. Die 
Tage der Heimkunft im Herbst waren Festtage !). 

Die Walfischjäger von der Unterweser-Gegend. — Unter 
den Westfriesischen Inseln stellte Borkum ein besonders 
starkes Contingent von Seeleuten für die Holländische 
Fischerflotte. Auch die Leute von der Oldenburgischen Geest, 
aus dem Stedingerlande, dem Amte Delmenhorst und aus der 
Umgegend von Vegesack sehen wir schon frühe zahlreiche 
Mannschaften zu dem gefährlichen, aber auch eimträglichen 

1!) Schlesw.-Holst. Prov.-Bericht, Jahrgang 1824. 

5* 


56 _ Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Gewerbe stellen. Diess sind die Ortschaften Ganderkesee 
und Altenesch am linken (Oldenburgischen) Weser - Ufer, 
ferner die Dorfschaften Hasenbüren, Mittelsbüren und Nieder- 
büren, Lesumbrok, Schönebeck &e.!) Es kommen z. B. 
als Kommandeur-Namen die Wubbenhorst und Pund vor, 
beides Namen von alten Bauernfamilien, die schon Jahr- 
hunderte hindurch und noch heute auf dem Hofe ihrer Väter 
dicht an dem grossen Eichenwalde Hassbrook sitzen. Jün- 
gere Söhne dieser Familien werden einst, da der Hof ihnen 
nieht zufallen konnte, zur See gegangen sem. Der Beruf 
erbte sich hier wie da vom Vater auf den Sohn fort. 
Während die Einen daheim die väterliche Scholle pflügten, 
massen sich die Anderen als Kommandeure oder Harpu- 
niere im Kampf mit den Stürmen des Eismeeres, mit den 
weissen Bären und dem Seeungeheuer, dem Walfisch. 
Holländische Gebräuche und Einrichtungen auf den han- 
seatischen Grönlandsfahrern. — Auf den Bremer wie den 
Hamburger Schiffen war bei dem Walfischfange das be- 
währte System der: Partnerschaft nach Holländischem Vor- 
bild eingeführt. Der Kommandeur und der Harpunier er- 
hielten ein Bestimmtes im Voraus, der Betrag schwankte 
zwischen 100 und 200 Gulden, und ausserdem eine Prämie 
für jeden gefangenen Fisch. Die Mannschaft erhielt ein Hand- 
geld. Im Übrigen erhielten sie entweder, was selten geschah, 
volle Monatsgage, in welchem Falle sie an dem Ertrage 
des Fisches keinen Antheil hatten, oder sie hatten halb 
eine feste Heuer, halb waren sie auf den Ertrag des Fan- 
ges angewiesen, oder endlich war bis auf das Handgeld ihre 
ganze Einnahme von dem Ertrag des Fischfangs abhängig. 
Schiffsbau in Bremen am Ende des 17. Jahrhunderts. — 
Gerade um die Zeit, wo der Walfischfang in Bremen wie- 
der aufgenommen wurde, im letzten Viertel des 17. Jahr- 
hunderts, zeigte sich überhaupt an der Weser eine regere 
Entwickelung der Seeschifffahrt. Im Jahre 1622 war der 
Vegesacker Hafen eröffnet worden. Der Schiffsbau bei der 
Stadt Bremen ward im Jahre 1688 durch eine Gesellschaft von 
Interessenten wieder aufgenommen, als deren Vertreter die 
Bremischen Rheder Dietrich Düsing, Werner Wortmann, Bor- 
nemann und ter Hellen genannt werden. Nachdem dem Rath 
vorgestellt war, „dass es für die Handlung von grossem 
Vortheil sein würde, wenn der Schiffsbau hier bei der Stadt 
wieder eingeführt würde”, erhält diese Gesellschaft verschie- 


\) Am 15. März 1710 richtet der Senat von Bremen an die Königlich 
Dänische Regierung zu Oldenburg das Ersuchen, die in den Graf- 
schaften Oldenburg und Delmenhorst für die Bremer Grönlandsflotte an- 
geworbenen Mannschaften von „ca. 50 Mann” zu ihrer Pflicht und 
Dienst anzuhalten, da dieselben vor dem Erscheinen des Königl. Patents 
vom 12. März, welches verbot, sich in fremde Dienste zu begeben, an- 
genommen seien. (Diesem Gesuch giebt denn auch der Gouverneur 
Hahn Folge, da die Bremer Kaufleute sich erboten hatten, „zur An- 
werbung der gleichen Zahl von Mannschaft den in Bremen sich auf- 
haltenden Dänischen Werbecapitains behülflich zu sein”.) 


D 
dene Vergünstigungen. Es wird ihr ein Platz nebst Haus 
am Bauhofe zugewiesen Es wird ferner die Erlaubniss ge- 
geben, dass eine Anzahl Knaben aus dem Waisenhause auf 
der neuen Werft als Lehrlinge eintreten sollten. Den Baas 
der Werft zusammt drei oder vier Gesellen, ferner den 
Ankerschmied und seine Leute liess man aus der Fremde 
(wahrscheinlich aus Holland) kommen und sie erhielten für 
sich und ihre Familien das Bürgerrecht. Es ward zu- 
gestanden, „dass die auf der Werft erbauten Schiffe, es 
seien fremde oder hiesige, die ersten sechs Jahre bei der 
Abfahrt keine Bau- oder andere Ungelder geben sollten, 
wenn schon dieselben von fremden Personen gekauft sein 
würden, jedoch mit dem Bedingen, dass unsere Bürger und 
Einwohner allemalen den Vorzug für Fremde behalten 
sollen, dergestalt, dass, wenn dieselben ein Schiff begehren, 
vor Fremde keine gebaut noch abgefolgt werden.” Diese 
Bestimmung war schon weit liberaler als eine frühere han- 
seatische Verordnung, nach welcher überhaupt der Bau der 
Schiffe für fremde Rechnung, verboten war. 

Selbst der Vegesacker Hafenmeister, welcher eine Hel- 
lung zum Kalfatern der Schiffe unterhielt, musste, wenn er 
neue Schiffe bauen wollte, das Holz nach Bremen bringen 
lassen und auf dem Bauhof in Bremen bauen. In solcher 
Weise legte man sich doch wieder selbst Fesseln an, wäh- 
rend sich ohnehin von aussenher dem Aufschwung der Deut- 
schen Handelsmarine Schwierigkeiten genug entgegenstellten. 

Aus dem 18. Jahrhundert sind uns in eimigen jetzt 
sehr selten gewordenen Druckschriften Schilderungen ausser- 
ordentlicher Erlebnisse und Gefahren, welche Deutsche See- 
leute und Deutsche Schiffe in den Polar-Gewässern zu be- 
stehen hatten, überliefert. 

Holländische Seeberichte aus Grönland. — Ich lasse einige 
Notizen über verschiedene Schiffsunglücke und Ereignisse 
bei der Holländischen Flotte aus der Zeit von 1670 bis 
1770 vorhergehen. Sie betreffen zunächst die Verluste 
„om de Ost”, an der am wenigsten zugänglichen Ostseite 
von Spitzbergen, und die Schiffsbrände, sodann einige un- 
gewöhnliche Vorfälle. 


Jahre Verlassen „om de Ost” Verbrannt 
(nämlich von Spitzbergen) 

1684 15 — 

1701 — 1 

1722 — 1 

1741 5 —_ 

1752 3 — 


1710. Ein Schiff aus Enkhuizen im September in der Besetzung bei 
Island im Westeise (also bei Ost-Grönland) geblieben. 
Ferner ein Schiff aus Uytgeest den 25. September in der 
Besetzung im Westeise geblieben. 

1712. Ein Schiff aus Jhisp, Kommandeur Jan Balk, durch die Fran- 
zosen genommen und durch J. Schol wiederum genommen. 

1735. Ein Schiff aus Westzaan überwintert (wo? nicht angegeben). 

1741. Ein Schiff aus Monnikendam „om de Ost’ verlassen und 1742 
wieder gefunden mit 7 Fischen, 220 Fass Speck, im Ganzen 
330 Quardeele Thran. 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 37 


1741. Durch den Kommandeur und einen "Theil der Mannschaft 
wurde ein Schiff aus Westzaan im Westeise verlassen, aber 
durch 13 Mann, welche auf dem Schiffe geblieben waren, auf 
die Elbe binnen gebracht und von da durch Bartel Koopmann 
nach Texel geführt. 

1743. Kommandeur Claas Keuken aus Zaandam fand diess Jahr sein 
Schiff, das er im Jahre 1741 verlassen hatte, wieder und 
barg dasselbe mit 3 Fischen, 100 Fass Speck, im Ganzen 
158 Quardeele Thran. 

1752. Ein Schiff aus Westzaan hinterm „Reeneveldt’ verlassen. 
Ein Schiff aus Krimpen op de Leck hinterm „Reeneveldt’ 
verlassen. 

1759. Ein Schiff aus Vlissingen geblieben bei Borkum. 

1767. Ein Schiff aus Wieringerward hat auf Moffen-Eiland 2200 
Walrosse getödtet, wovon 930 übergeführt wurden, welche 
170 Fass Speck (196 Quardeele Thran) hatten. 

1768. Ein Schiff aus Zaandam ging erst nach Nova Zembla und von 


da in die Grönländischen Gewässer. . 
Schiffbrüche von Hamburger und Holländischen Fischer- 
Fahrzeugen an der Küste von Ost-Grönland 1777. — Jetzt 


zuerst die Erzählung einiger Deutschen Seeleute über den 
Holländischen Grönlandsfahrer „Wilhelmina”, welcher ım 
Jahre 1777 an der Grönländischen Ostküste scheiterte. 
Der „Schreiber” eines im Jahre 1773 verunglückten 
Holländischen Schiffes begegnete in Amsterdam am Sonn- 
tag den 12. Juli 1778, wie er in der Vorrede des nach- 
benannten Schriftchens erzählt, drei Leuten in Kleidern der 
Wilden. Es waren drei Deutsche Matrosen, welche im 
Jahre 1777, den 14. April, mit dem Schiff „De Wilhel- 
mina” unter dem Kommandeur Jak. Henr. Broertjes von der 
Helder aus Texel nach Grönland zum Walfischfang gesendet 
worden und dort durch das Westeis ihr Schiff verloren hatten. 
Die Neugierde, welche, wie der genannte Holländer erzählt, 
einem „öffentlichen Skribenten eigen ist, um besondere Um- 
stände merkwürdiger Begebenheiten zu hören”, veranlasste 
ihn zu einem Gespräch mit den drei Leuten. Zur grossen 
Verwunderung des Holländers fand sich, dass die drei 
Deutschen (zwei Oldenburger und ein Hannoveraner) ein 
Tagregister über ihre Erlebnisse geführt hatten, welches 
um die Hälfte grösser war als die gedruckt erschienene 
Erzählung eines der mitbetheiligten Kommandeure (Marten 
Janssen). Die Namen der drei Leute waren Harm Henr. 
Kröger, 60 Jahre, und Harm Henr. Kröger der Sohn, 
20 Jahre alt, beide von Altenesch im Delmenhorstischen, 
und Kasten Külke, 19 Jahre alt, aus Lesum bei Bremen. 
Der Holländer veranlasste und vermittelte die Herausgabe 
des Journals des Harm Henr. Kröger zum Besten der drei 
Schiffbrüchigen und 1779 kam in Bremen bei Georg Lud- 
wig Förster eine Übersetzung unter folgendem Titel heraus: 


„Historisch wahre Nachricht von dem Elend und Drangsalen des 
im Jahre 1777 auf den Walfischfang nach Grönland abgefahrenen, ver- 
unglückten Schiffes „Wilhelmina” unter dem Commandeur Jakob Hen- 
rich Broertjes, aus dem Holländischen Tagebuche und mündlicher Er- 
zählung der drei Matrosen Harm Henrich Kröger, Harm Henrich Kröger 
der Sohn, beide von Altenesch im Delmenhorstischen, und Kasten Külke 
aus Lesum, eine Meile von Bremen, — übersetzt”. 


Aus diesem noch heute interessanten Schiffs-Journal 
möge hier nun ein Auszug folgen. 


Bericht dreier Matrosen von der Unterweser über den 
Schiffbruch der „Wilhelmina”. — Es war im Jahre 1777 
und, so viel ich mich besinne, den 14. April, alsich, Harm 
Henrich Kröger, mit meinem Sohne, desselben Namens, mit 
dem Schiffe „die Wilhelmina” unter dem Kommandeur Ja- 
kob Henrich Broertjes aus Texel zum Walfischfang ab- 
gefahren. Wir waren insgesammt 44 Seelen stark; unser 
Schiff war mit sieben Schaluppen ‘versehen. Was die Aus- 
reise betrifft, so war sie nicht eilig, weil wir widrige Winde 
hatten; doch war durchgehends noch gutes Wetter, bis wir 
am 22. Juni an ein grosses Bisfeld kamen (Angabe der 
Breite und Länge fehlt leider), woran wir unser Schiff fest 
machten, allwo ausserdem wohl noch 50 Schiffe lagen. 
Dieses Eisfeld trieb stark nach Süden. 
einer vortheilhaften Fischerei an, da wir des folgenden 


Es liess sich zu 


Tages, den 23. Juni, schon einen Walfisch fingen. Den 24. 
wurden wir besetzt und trieben in fünf Tagen mit dem 
Eisfelde 2° gegen Westen. Wir lagen 14 Tage an diesem 
Felde, da wir endlich Gale Hamkes Land (also die Ostküste 
von Grönland unter 74° 57’ N. Br.) ins Gesicht bekamen . 
und beständig östlichen Wind mit schweren Drehungen und 
Pressungen vom Eise hatten. So wurden wir, um unser 
Schiff zu bergen und zu erhalten, gezwungen, unsere Zu- 
tlucht zum Sägen zu nehmen, womit wir acht Tage hinter 
einander zu thun hatten, eine sehr beschwerliche Sache, 
weil das Eis 12 bis 13 Fuss diek war. 

Sie treiben von der Gale Hamkes Bai zum Theil auf 
Eisfeldern bis herab nach Kap Farewell. — Wir lagen, 
wie gesagt, im Anfang mit mehr als 50 Schiffen an diesem 
Felde; die aber, welche an der Ostseite lagen, fanden ver- 
schiedene Mittel, davon zu kommen, so dass wir nur noch 
mit 27 Schiffen daran liegen blieben. Hier mochten wir 
arbeiten, was wir konnten, es war nicht möglich, von die- 
sem Felde loszukommen; wir verfielen immer länger und 
weiter unter Gale Hamkes Land. Diess dauerte bis zum 
25. Juli, da wir eine kleine Öffnung bekamen. Unser 
Kommandeur säumte nicht, diese Gelegenheit wahrzunehmen, 
denn auf seinen Befehl zogen wir mit Tauen (warpten) 
vier Tage lang das Schiff von einer grossen Eisscholle zur 
andern, bis wir endlich an ein grosses Feld kamen, stille 
hielten und nicht weiter konnten. Diejenigen, die mit uns 
nach auswärts bugsirt waren, bestanden noch in vier Schif- 
fen, deren Kommandeure Jeldert Janz Groot, Klaas Janz 
Kastrikum, beide, wie der unsere, von Zaandam, Volkert 
Janz von Amsterdam und Marten Jans von Hamburg waren. 
Mit dem Kommandeur Groot kam auch Harm Mester aus 
Hasenbüren, Stadt Bremischen Gebiets, ein Knabe von 
15 Jahren, nach dem Verlust des Schiffes, „Anna’” genannt, 
auf unser Schiff „Wilhelmina”. Sein Vater ist auch dabei 
gewesen, ist aber unter der grossen Menge derer, die sich 


33 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


nachher absonderten, wegfuhren und dabei grösstentheils 
unglücklich waren, ohne Zweifel mit geblieben. (Dieser 
junge Matrose hat durch das lange Essen und Trinken von 
Speck und Thran von Walfischen und Robben bis jetzt 
noch einen starken Ekel vor Fleisch und Brod. „Er ist”, 
so bemerkt der Übersetzer, ‚weit‘ unter den Wilden herum 
gekommen,’ nach ganz anderen Gegenden und Bewohnern 
von Grönland gebracht, bis er endlich mit einigen Wenigen 
nach Kopenhagen, von da nach Amsterdam und endlich hier 
(in der Heimath) wieder angelangt. Er weiss durch Fragen, 
die man nach diesem Büchlein an ihn stellt, auf Alles um- 
ständlich zu antworten.”) 

Die anderen Schiffe waren uns aus dem Gesicht ge- 
kommen. Bereits fing es an, betrübt und elend auszusehen. 
Während die Ostnordost-Winde anhielten, blieb das Eis ge- 
schlossen und wir trieben im Gesicht Gale Hamkes Land 
täglich sehr südwärts. Der Kommandeur, aus Furcht, Man- 
gel an Lebensmitteln zu bekommen, weil man nicht wissen 
konnte, wie lang oder kurz es dauern würde, liess dem 
Volke weniger Ration geben. Das Drängen und Mahlen 
des Eises waren beständig sehr schwer, so dass wir vom 
1. August an keine Wache mit Ruhe in der Koje durften 
liegen bleiben und daher sehr abgemattet wurden. So unter 
Gottes Gnade forttreibend bekamen wir den 16. August 
wieder vier Schiffe ins Gesicht, nämlich Dirk Broer, Roloff 
Meyer, Jakob Bremer von Amsterdam und Rikmer Hen- 
dricks von Gottenburg. Die Nordost- und Ostnordost-Winde 
hielten noch immer an. Den 19. August hatten wir einen 
schweren Sturm aus Ostnordost mit schrecklich starken 
Pressungen und Mahlen des Eises, ja es drängte so stark 
und gewaltig auf einander, dass wir alle Augenblicke be- 
fürchten mussten, unser Schiff würde in Stücke gebrochen 
werden. 
traf das Unglück, sein Schiff zu verlieren, und obgleich 


Einen unserer Schicksalsgenossen, Volkert Janz, 


wir unser Schiff behielten, so wurde es doch 5 bis 6 Fuss 
aus seiner Lage gedrängt. Hierauf bekamen wir den 
20. August den allerschrecklichsten Orkan; unsere Segel 
wehten unter der Rae los, die Eisstücke schoben sich 23 
bis 24 Fuss auf einander hinauf. Unser Schiff wurde in 
dieser Nacht auf die Seite des Schiffes des Kommandeurs 
Kastrikum und mit dem Vorderkiel aufs Eis gedrängt. Wir 
verloren durch diesen Sturm zwei Schaluppen und einen 
Pflicht- Anker, ‘welche durch den Drang in Stücke zer- 
brachen. Kommandeur Marten Jansen verlor sein Schiff. 
Das Volk der zwei verunglückten Schiffe wurde auf die 
drei übrigen vertheilt, zwei Schiffe waren noch dicht, das- 
jenige aber des Kommandeurs Kastrikum war sehr leck. 
Den 21. August war es schönes Wetter, so dass wir, wie 
_ auch das Volk von den zwei anderen Schiffen, mit der 
Mannschaft von den verlorenen noch einige Viktualien und 


Güter aus dem Wrack des Kommandeurs Marten Jansen 
bergen konnten. Doch dieses half wenig zu unserer Be- 
freiung, denn wir froren so fest, dass wir nirgend hin 
konnten. Dieses dauerte bis zum 25. August, da die Kom- 
mandeure beschlossen, 12 Mann nach den vier Schiften zu 
schicken, die wir den 16. August Nordost von uns gesehen 
hatten. Es waren die Kommandeure Rikmer Hendricks, 
Dirk Broer, Roloff Meyer und Jakob Bremer gewesen, die 
letzten von ihnen hatten an demselben 20. August auch 
ihre Schiffe verloren, das Volk hatte sich aber an Bord der 
beiden ersten geborgen. Auch noch zwei Hamburger Kom- 
mandeure, mit Namen Engelbert Jansen und Peter Hen- 
driksen, verloren ihre Schiffe, deren Untergang wir nachher 
erst von dem darauf gewesenen Volke vernahmen. Den 
24. August kam uns Island ins Gesicht. (Die Strömung 
hatte sie also bedeutend südwärts geführt.) Den 26. ent- 
stand nieht gar weit von uns eine Öffnung und Drehung 
im Eise. Wir bemerkten, dass die Kommandeure Broer und 
Meyer ihr Bestes thaten, um mit ihren Schiffen vorwärts 
zu arbeiten. Den 27. sahen wir sie noch, wie auch in 
Ostsüdosten noch sieben andere Schiffe, welche alle den 
28. sich wieder aus unserm Gesicht verloren, denn da sie 
weiter auswärts waren, so lief das Eis um so viel härter 
westwärts. Wir trieben um diese Zeit zwischen Gale 
Hamkes Land und Island, wir konnten letzteres sehr deut- 
lich sehen. Den 30. bekamen wir schwere Bewegungen, 
dass die Felder alle in Stücken gingen; wir konnten die 
raume See von unserm Mast sehen, aber, ach! dahin zu 
kommen, war nicht möglich, noch weniger, frei zu werden. 
Am selbigen Tage war Jeldert Janz Groot bei uns; wir 
machten unsere drei Schiffe an einem Eisfelsen fest und 
trieben so zusammen Südwest auf, unter dem Lande hin; 
der Wind allzeit Nordost, Ostnordost und Ost; beständig 
schwere Mahlung und Drängungen im Eise, von starkem 
Sturm begleitet. Nun entstand den 7. September ein star- 
ker Sturm aus Ostnordosten, die Windungen des Eises ver- 
doppelten sich und wurden je länger, desto heftiger. Des 
Kommandeurs Kastrikum Schiff bekam ein Loch hinten 
unterwärts und das Wasser stürzte mit aller Gewalt hmein. 
Guter Rath war theuer. Mittel mussten gesucht werden. 
Wir halfen mit aller Mannschaft, Stacken und Swabber 
in das Loch zu stecken. Mit fünf Pumpen wurde bestän- 
dig gearbeitet. Wir machten das Schiff von hinten leichter, 
dass die Lecke über Wasser kamen. Die Viktualien hatten 
wir so lange auf eine Eisscholle gelegt. Desselben Abends 
betraf Kommandeur Groot auch das Unglück, in so kurzer 
Zeit sein Schiff zu verlieren, dass das Volk kaum ein wenig 
Viktualien auf dem Eise bergen konnte; so ging ein See- 
kasteel vor, das andere nach in den Abgrund. Was unser 
Schiff betrifft, so war es in so weit noch dicht, und in dem 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 39 


vom Kommandeur Kastrikum wurde das Loch gestopft, wo- 
- durch es wieder in die Höhe kam und mit einer Pumpe 
im Gange gehalten werden konnte. Es waren nur wenig 
Lebensmittel vorhanden, da die Mannschaft von fünf Schif- 
fen sich auf den zwei Schiffen befand. Ein Theil des 
Schiftsvolkes vom Kommandeur Klaas Keuken, der schon 
früh sein Schiff verloren hatte, war noch hinzugekommen. 
Um den Leuten Schlafstätten zu bereiten, mussten solche zwi- 
schen zwei Reihen lediger Fässer „in der Pint bis zum grossen 
Mast’’ gemacht werden. Am 29. September befand sich die 
„Wilhelmina” nach der Aussage der Offiziere auf 654° N. Br. 
Das Schiff trieb noch beständig nach Westen auf. An der 
einen Seite hatten sie immer das Land in Sicht, an der 
andern konnten sie, wenn sie in den Mast stiegen, jeder- 
zeit die See sehen. Gegen Abend des 29. mussten sie 
wieder an ein Eisfeld fest machen. Es kostete viele Arbeit: 
die Hölzer brachen in Stücken und die Neushaken zerspran- 
gen durch den gewaltigen Druck wie Glas, doch glückte 
es, das Schiff mit vier Tauen auf dem Eise fest zu machen. 
Am 30., als Kröger die Tagewacht hatte, näherte sich dem 
Schiffe in schneller Fahrt ein Eisberg, dessen Höhe der 
Erzähler in der Weise bezeichnet: „wie eine Tabakspfeife 
zum Westerthurm in Amsterdam, so ungefähr verhielt sich 
jener Thurm zu diesem Eisberg-Riesen”. Gleichwohl war 
der Eisberg viel weiter entfernt von dem Schiffe, als man 
anfänglich glaubte. Als der Eisberg zum Vorschein kam, 
lagen Viele von uns mit abgematteten Gliedern in ihren 
Kojen und schliefen, doch, wie man leicht denken kann, 
meinten die Wachenden nicht anders, als der letzte Augen- 
blick wäre da, und sie schrieen: Überall! Überall! Ganz 
oder halb gekleidet, mit Schuhen und Hosen in der Hand, 
wie sie eben waren, flog das Volk nach oben. Da sie die 
Deckbalken springen hörten, erschrak ein Jeder. Man 
möchte fragen, warum nicht eher „Überall!” gerufen wor- 
den. Zur Antwort dient, dass diejenigen, welche die Wache 
hatten, den Berg für Land ansahen. Da sie oben kamen, hatten 
diejenigen, welche noch halb nackt waren, kaum Zeit, vor dem 
Verlassen des Schiffes sich anzukleiden. Man hörte nichts An- 
deres als „Flieht, ihr Männer, flieht!” Ja, es war kaum so viel 
Zeit, dass wenig oder Nichts von Viktualien aufs Eis gesetzt 
werden konnte. Wir sahen, dass unser Schiff mehr als 10 Fuss 
von dem Eise über Wasser gedrängt wurde und in weniger Zeit 
zersplittert wie Glas in den Abgrund der See unter dem Eise 
begraben werden musste. Des Nachts blieben wir auf dem 
Eise, errichteten ein Zelt und machten ein grosses Feuer 
auf dem Eise. Öfter müsste der Feuerplatz verlegt wer- 
den, da das Eis vom Feuer schmolz. Des andern Morgens, 
da wir beschäftigt waren, ein wenig Grütze zu kochen, um 
unsere ermüdeten und abgemergelten Körper etwas zu stär- 
ken, bekamen wir zum zweiten Male das Schiff des Kom- 


mandeurs Kastrikum in Gesicht. Augenblicklich war Jeder 
begieriger, dahin zu gehen als zu speisen, desto mehr, da 
wir von ferne bemerkten, dass Kastrikum sein Zeichen auf 
den Vortop gesetzt hatte. Als unser Kommandeur solches 
sah, berichtete er an uns, die wir 129 Seelen stark waren, 
er hätte mit Kastrikum abgeredet, dass, wer von uns zuerst 
aus dem Eise kime, seine Geusje (Gösche — kleine Signal- 
ftlagge) auf den Vortop setzen sollte, um dem Andern zu 
warschauen, damit alle die, welche dann mitfahren wollten, 
sich aufs Eiligste an Bord des befreiten Schiffes begeben 
könnten. „Derhalben, Männer”, sagte unser Kommandeur, 
„ich mit meinen Confratres gehen nach dem Schiff von 
Kastrikum, und wer mit uns Eines Sinnes ist, denselben 
Weg einzuschlagen, der muss eilen, und Jeder folge seinem 
eigenen Kommandeur.” — So waren damals drei Komman- 
deure, nämlich Jak. Henr. Broertjes, Jeldert Janz Groot und 
ein Hamburger, Volkert Janz, bei einander. Als sich dieses 
zutrug, waren wir nicht weit vom Lande, doch wir wuss- 
ten, dass-die raume See mehr Hoffnung gäbe, um ge- 
schwind nach dem Vaterlande zu kommen, während es un- 
sicher war, ob wir jemals wieder unsern Fuss au Land 
setzen würden. Niemand von uns bedachte sich lange; 
wir verliessen Alles, selbst unsere wenigen Viktualien, denn 
dieselben über die losen Eisfelsen mit uns zu nehmen, da- 
zu war erstlich keine Zeit und dann war es zu gefährlich. 
Es hätte uns auch lange aufgehalten und Kastrikum hätte, 
wie wir uns vorstellten, leicht seeein gehen können. Ja 
selbst den Kessel mit Grütze, darnach wir zuerst alle ge- 
schnappt hatten, weil wir ausgehungert waren, verliessen 
wir; doch kann ich nicht leugnen (ich spreche von mir 
selbst), wie ich gern einige Löffel voll davon gehabt hätte. 
Diesen Kessel so verlassen zu haben, haben wir tausend 
Mal bereut. Aber zu dieser Speise gönnten wir uns da- 
mals die Zeit nicht; wie stark auch der Hunger war, den 
wir hatten, eilte doch ein Jeder hinter seinem Kommandeur 
her und vorwärts von einem Eisstück auf das andere mit tau- 
send Gefahren, um das Schiff des Kommandeurs Kastrikum, 
wo wir unsere Befreiung hofften, anzutreffen. Wir waren 
in Angst, dass wir nicht geschwind genug an das Schiff 
kommen könnten, und dass vielleicht Kommandeur Kastri- 
kum die Segel aufziehen würde, aus Furcht vor einer neuen 
Besetzung, ehe wir zu ihm kämen. Er und sein Schiff 
war nun nächst Gott unsere einzige Hoffnung. Deswegen 
eilte ein Jeder, so stark er konnte, bis wir endlich am 
1. Oktober zum Schiffe kamen. Alle unsere Hoffnung ver- 
schwand hier in einen Rauch, denn wir fanden es nieht nur 
wiederum stark besetzt, sondern es wurde selbst so heftig 
einwärts nach dem Lande gedrängt, dass Alles im Schiffe 
bebte und krachte. Hier lag unsere Hoffnung auf Erlösung 
gänzlich darnieder. Der Eine sah den Andern mit betrüb- 


40 : 


ten Augen an. Auch ich war schwer betrübt, denn da ich 
meinen Sohn bei mir hatte, so schmolz mein väterliches 
Herz, wenn ich mein Kind anschaute. Ein Jeder, der zu 
mir kam, klagte über Hunger und Gebrech, das er leiden 
musste. Dieses schnitt mir durch die Seele. 

Wir waren noch nieht lange am Schiffe, als wir von 
ferne etwas Schwarzes sahen, das sich bewegte. Beim An- 
nähern fand sich, dass es Menschen, betrübte Unglücks- 
genossen yon uns waren, die von der Seeseite nach uns 
zukamen. Es waren 50 Mann. Sie hatten zu ihrem An- 
führer den Kommandeur Hans Christians von Hamburg, der 
am 30. sein Schiff an der Seeseite verloren hatte. Sie be- 
richteten, dass noch zwei Schiffe bei ihnen gewesen wären, 
nämlich Kommandeur Hans Pieters und Hidde Dirks Kat 
von Hamburg, doch dass dieselben ihnen aus dem Gesicht 
gekommen. Weiter erzählte uns Kommandeur Hans Chri- 
stians, dass sein Harpunier mit 13 Mann (Marten Jansen 
sagt in seiner kurzen, doch echten Erzählung: Ich meine 
den Harpunier mit 12 Mann und zwei Jungen; doch die 
Jungens auf einen Mann gerechnet, macht auch 13 Mann aus) 
auswärts vom Eise bei dem Wrack geblieben und sie hätten 
im Sinn gehabt, wenn es möglich sei, Island aufzusuchen. 
Damals befanden wir uns, glaube ich, auf 64°, wie die 
Wir trieben weiter, 
noch immer stark um Südwest längs dem Lande. Wie be- 


Kommandeure und Steuerleute sagten. 


trübt es in dem Schiffe des Kommandeurs Kastrikum aus- 
sah, kann man sich selbst überlegen, wenn man bedenkt, 
dass wir 286 Seelen waren und schr wenig Viktualien 
hatten, so dass die Ration so gering war, dass wir des 
Mittags nur vier abgestrichene Löffel voll Grütze und des 
Abends vier Löffel Erbsen ohne Brod und Fleisch bekamen. 
Kröger sagt: Ich hätte manchmal beinahe geweint, wenn 
eine Erbse aus meinem Löffel fiel, nicht dass ich abgünstig 
war, aber Hunger — Hunger ist ein fürehterliches Schwert. 
Dieses konnte man daraus abnehmen, dass wir das Zahn- 
fleisch, welches zwischen den Walfischbarten sass, abschrap- 
ten und brieten, um durch solche elende Kost den rasen- 
den Hunger zu stillen. Wir sahen aber, dass es unmöglich 
war, mit dem Schiffe von Kastrikum aus dem Eise zu 
kommen. Wir scheuten die Mühe nicht, über die Eisstücke 
mit Gefahr unseres Lebens wieder nach dem von uns ver- 
lassenen Zelte zu gehen, um die Lebensmittel, welche wir 
auf dem Eise hatten liegen lassen, und unsern Kessel mit 
Grütze wieder zu holen. Aber vergebliche Mühe! Das 
Zelt war nicht zu finden; so kamen wir nach langem Her- 
umirren leer zurück. Mit einem Fernglas ging Einer auf 
die grosse Stange, aber es war kein Zelt zu sehen. Das 
Stück Eis, worauf das Zelt mit den Lebensmitteln sich be- 
fand, war verschwunden, sei es nun, dass dasselbe durch 
schwere Drängungen von einander gebrochen oder durch 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


einen vorbeischeuernden Eisberg zerschmettert worden ist. 
Es waren 286 hungrige Menschen an Bord. Der Mangel 
begann je länger, desto mehr überhand zu nehmen. 
Schiffshunde mussten daran. 


Unsere 


Um einige Wärme zu bekommen und den Durst zu 
löschen, schrapten wir die Pockholz-Nägel ab, zerschnitten 
und kochten sie in geschmolzenem Schneewasser, welches 
uns zum Kaffee diente. Als dieses Alles geschah, trieben 
wir mit unserem Schiff in eine Enge (Bucht) und befanden 
uns nach Muthmassung 5 bis 6 Meilen von dem Lande. 
Zwölf Leute entschlossen sich, eine Probe zu machen, ob sie 
das feste Land erreichen könnten, doch sie kamen nur auf 
eine Insel, wo sie emige schwarze Beeren fanden, doch ans 
Wir waren damals auf 63° 
und so nahe bei der See, dass wir dieselbe von dem Deck 


feste Land konnten sie nicht. 


sehen konnten, ohne erlöst werden zu können. 

Den 1. Oktober schwerer 
Nordost; wir trieben immer näher nach dem Lande; das 
Eis drehte sich so gefährlich, dass Alles bebte und zitterte; 
das Schiff krachte so gewaltig, dass wir alle Augenblicke 


war wieder ein Sturm aus 


erwarteten, in den Abgrund zu fahren. Das Übermaass 


des Grauens zu vermehren, zeigten sieh wieder zwei 
schwere Eisberge. Sie drangen gewaltig auf das Schiff los. 
Es folgte eine Nacht so voll Gefahren, dass ich sie niemals 
vergessen werde. Noch immer blieb uns ein Schimmer von 
Hoffnung, dass wir noch eine Öffnung bekommen würden, 
Doch auch diese Aus- 
sicht verschwand auf einmal. Den 2. Oktober drückten 
die Eisberge so heftig, dass das Schiff Noth litt und end- 


Es, - 
lich in Stücken ging. 


um die geraume See zu gewinnen. 


Kaum dass wir mit genauer Noth 
einige Lebensmittel, einige Segel und eilf Schaluppen mit 
der grössten Eilfertigkeit auf das Eis gebracht hatten, so 
sahen wir in einem Augenblick das Unterste unseres Schif- 
fes zu oberst, ganz in Stücken zerbrochen, unter das Eis 


gedrängt und in der grundlosen See begraben. Brennholz 
konnten wir nicht bergen. Wir mussten uns von einem 


Stück Eis aufs andere retten. 

Auf dem Bise bei Staatenhoek. — Durch das starke Mah- 
len und Drehen des Eises verloren wir ferner acht von 
unseren Schaluppen und dabei wurde das Eisstück, worauf 
wir standen, so gedrückt und erschüttert, dass wir immer 
Doch Gott, 
der durch einen blossen Wink seiner Augen die Winde 
und Wasser regiert, sei gelobt und gedankt, wir behielten 
unser Eisstück, worauf wir standen; 


unter dem Eise begraben zu werden glaubten. 


die Eisberge mar- 
schirten vorbei, ohne dass wir weiteren Schaden als tödt- 
lichen Schrecken davon empfingen. Wir beschlossen nun, 
nicht weiter unter dem freien Himmel zu bleiben, und mach- 
ten zwei Zelte von unseren geborgenen Segeln. Zum Glück 


wurde es stilles Wetter. Als dieses Alles vorfiel, waren 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 41 


& 
wir 10 Meilen gegen Osten bei Staaten-Hoek. Den 11. 
und 17. Oktober trieben wir mit den Eisstücken stark nach 
Süden bis auf 60° 5’ N.Br., dieht längs dem Lande. Bis- 
weilen war das Eis rund um uns her geschlossen und dann 
bekamen wir wieder eine Öffnung, doch begleitet von hohen 
Wellen, so dass wir alle Augenblicke dachten, das Eis würde 
brechen. Einige von unserm Volk, die früher die Fahrt 
nach der Davis-Strasse gemacht hatten, schlugen am Mor- 
gen des 13. Oktober vor, zu versuchen, ob wir an das feste 
Land kommen könnten, wozu sie gute Hoffnung zu haben 
glaubten, einestheils weil ihnen bekannt wäre, dass bei 
Kaffer-Wall, welches nach ihrer Meinung nur 13 Meilen 
von Staaten-Hoek wäre, Herrnhuter wohnten, und fer- 
ner gründeten sie ihre Vermuthung darauf, dass das Eis 
diesen Morgen dicht geschlossen lag und sie so viel 
besser ans Land kommen könnten. Hierauf beschlossen 
230 Mann, diese Unternehmung auszuführen. Sie waren aber 
nicht alle einerlei Meinung und nahmen folglich nicht alle 
einerlei Weg, denn die Kommandeure Marten Jans, Jeldert 
Janz Groot und Hans Christians Jaspers mit noch 40 Mann 
nahmen einen ganz andern Weg. Sie nahmen zwei von den 
Schaluppen mit sich. Wir blieben noch mit 56 Mann und 
einer Schaluppe bei den Zelten auf dem Eise. Nachher 
haben wir vernommen, dass sie nicht alle ans Land ge- 
kommen, sondern verschiedene von ihnen unter den Eis- 
stücken verunglückt sind und ihre zwei Schaluppen haben 
verlassen müssen. Gleichwohl ist Kommandeur Marten 
Jans nebst seinen Gefährten 15 Tage eher bei) Menschen, 
den Eingebornen von Grönland, angekommen als wir, die 
auf dem Eise geblieben waren und noch bittere Tage ver- 
leben mussten. Hätte ich den Worten meines Sohnes ge- 
folgt, ich würde vielleicht entweder todt oder eher am 
Lande gewesen sein, indem er mir stark anlag, mit nach 
dem Wall zu gehen. Ich konnte mich nicht dazu entschlies- 
sen, weil es mir viel zu unsicher und gefährlich vorkam. 
Wir trieben alle weiter mit unseren Zelten auf dem 
Eise stark um Staaten-Hoek hin. Als wir gerade davor 
waren, ging das Eis auf einmal aus einander, die See lief 
mit starkem Drang über die grossen Eisstücke hin, und es 
schien nicht anders, als würden wir alle weggespült werden. 
Doch lief der Wind nach Südwesten und wir trieben wie- 
Den 16. Oktober sahen wir eine 
Wir liefen, von einem 


der nach dem Lande zu. 
Schaluppe auf dem Eise stehen. 
Eisstück auf das andere springend, danach zu und fanden, 
dass es eine verlassene Schaluppe vom Kommandeur Kastri- 
kum und seiner Mannschaft se. Es war noch ein alter 
Mann von 60 Jahren darin. Diese alte Seele hatte in dem 
grössten Kummer und Elend schon drei Tage in der Scha- 
luppe zugebracht und zurückbleiben müssen, weil er zu 
kraftlos war, dem andern Volke folgen zu können, Das 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


Auffinden dieser Schaluppe gab uns einigen Trost, weil wir 
nun ein Fahrzeug mehr hatten, unr See damit zu halten. 
Wir schleppten sie also über das Eis nach unserem Zeite. 
Desselben Tages, als wir mit der Schaluppe beschäftigt 
waren, kamen noch zwei Mann, die drei Tage auf einem 
Eisstück gestanden hatten, zu uns, von welchen der Eine der 
junge Mensch, Kasten Külke war. Sie hatten noch einen 
alten Mann bei sich gehabt, der aber, weil er nicht mehr 
fortkommen konnte, sie gebeten hatte, da er den Tod vor sich 
sah, ihn zu verlassen und, wenn es möglich wäre, sich selbst 
zu retten. Er hatte zu ihnen gesagt: „Kinder, ich fühle, 
dass ich bald sterben muss, und hoffe, dass Gott meine Seele 
in Gnaden annehmen werde. Ihr seht, ich kann nicht mehr. 
Macht Euch nicht unglücklich um meinetwillen. Vielleicht 
spart der Allmächtige Euer Leben noch.” Es war den zwei 
Matrosen sehr hart, ihren alten unglücklichen Genossen zu 
verlassen, ohne dass sie ihm einige Unterstützung geben 
konnten, als ihn mit thränenden Augen aufzunehmen und 
unter der Spitze eines Stückes Eis, das ihn gleichsam von 
oben bedeckte, niederzusetzen, wo er ohne Zweifel gestor- 
ben ist und sein Grab im Abgrund der See gefunden hat. 

In der Hoffnung, an Land zu kommen, fassten wir den 
Entschluss, das Eis und Zelt zu verlassen und mit den 
Schaluppen eine Unternehmung zu wagen. Wir hatten zwei 
Steuerleute bei uns. Der eine war von Borkum in Fries- 
land, Namens Jakob Kieviet, der andere war ein Hamburger 
Steuermann. Nun begriffen ich und andere brave Matrosen 
mit mir sehr wohl, dass, wenn unsere Unternehmung glücken 
sollte, wir bei jeder Schaluppe einen Befehlshaber anstellen 
müssten. So trugen wir denn diesen beiden Steuerleuten 
das Amt auf, die Mannschaft in zwei Haufen, jeden von 
26 Mann, zu theilen. Zwei Mann blieben bei dem Zelt 
und wollten sich nicht überreden lassen, mit uns zu gehen. 
Mit eifriger Anrufung Gottes, der Alles erschaffen hat, 
gingen wir am 18. Oktober in die Schaluppen. Wir ar- 
beiteten mit allem unsern Vermögen und fuhren 2 Meilen 
von dem Zelte weg, konnten aber nicht weiter kommen. 
Wir besorgten, dass wir Mangel an Lebensmitteln zu lei- 
den Gefahr laufen möchten. Es wurde deshalb beschlossen, 
um so viel leichter fortzukommen, 18 Mann aus der Scha- 
luppe aufs Eis zu setzen, und die übrigen 8 Mann sollten 
mit dem Steuermann wieder nach dem Zelte rudern, um 
noch Lebensmittel zu holen. Die 18 Zurückgebliebenen 
sollten dann wieder abgeholt werden. Was die andere 
Schaluppe betrifft, auf welcher der Hamburger Steuermann 
war, so war sie östlicher aufgegangen, und wir sahen, dass 
er noch immer fortruderte. Es glückte uns, dass wir zum 
zweiten Mal ohne Ungemach an das Eis und zu unserem 
Zelt kamen, wo wir noch Lebensmittel einschifften. Indem 
wir aber wieder wegzurudern im Begriff waren, schloss sich 

6 


’ 


‚das Eis rund wieder zu und wir konnten nicht weiter 
kommen. Die Achtzehn auf dem Eise wurden nun miss- 
trauisch und glaubten, dass wir sie zu verlassen suchten. 
Sie liefen deshalb so geschwind als möglich über das Eis 
weg nach dem Zelte und kamen zu uns, wo sie die wahre 
Ursache der Zögerung entdeckten. Inzwischen war uns die 
andere Schaluppe bereits aus dem Gesicht gekommen. Des 
Abends lief der Wind südöstlich mit einem starken Sturm. 
Wir geriethen in Todesangst, weil das Eis eine so schnelle 
Fahrt bekam, dass wir alle Augenblicke glaubten, durch 
die drängenden Eismassen und treibenden Eisberge ver- 
schlungen zu werden. Am folgenden Tage, den 19. Okto- 
ber, war es des Morgens so neblig, dass wir weder Land 
Gegen Mittag klärte sich 
konnten die See wieder 


sehen konnten. 
Wir 


sehen, hatten auch wieder offenes Wasser und brachten in 


noch Wasser 
der Himmel wieder auf. 


Gottes Namen die Schaluppe wieder in die Fahrt seewärts. 
Trennung der Unglücksgefährten. — Wir stiegen mit 
dem Steuermann Kieviet, als Befehlshaber, und 25 Mann 
in die Schaluppe. Drei blieben auf dem Eise bei dem 
Zelte. Vergeblich hatten wir sie zu überreden gesucht, 
mit uns zu gehen. Sie meinten, wir müssten aus Mangel 
umkommen, während sie auf dem Eise in dem Zelte durch 
Gottes Hülfe mit den noch vorräthigen Lebensmitteln eine 
Zeit lang auszukommen glaubten. Übrigens, wenn Gott be- 
schlossen hätte, sie zu erhalten, könnten sie eben so gut 
auf dem Eise, als indem sie sich neuen Gefahren bloss 
stellten, gerettet werden. Wir ruderten, da wir offenes 
Wasser fanden, frisch weg, um gegen Abend ans Land zu 
kommen. Zu dem Ende fuhren wir gegen Osten. Bei einer 
Last von 26 Mann konnten wir nicht so geschwind fort- 
kommen als mit einer leichteren Schaluppe. Auch fing 
das Eis wieder an, sich zu schliessen. Wir mussten also 
gegen Abend die Schaluppe aufs Eis ziehen und die 
ganze Nacht in Noth und Kälte unter dem freien Himmel 
zubringen. Desselben Abends sahen wir unsere andere 
Schaluppe östlich von uns, doch vernahmen wir nachher 
Nichts mehr davon. Erst auf meiner Heimreise, den 6. Juli 
1778 zu Kopenhagen, sah und sprach ich drei von dieser 
Mannschaft. Sie sagten mir, es wären neun Hamburger 
wohlbehalten angekommen, aber die anderen 16 Mann, 
lauter Deutsche, seien verloren gegangen. Ich frug sie, wie 
die 16 Mann umgekommen? Ob sie diess nicht sagen woll- 
ten, weiss ich nicht, sie antworteten zweifelhaft mit den 
Worten: „Sie sind weg und kommen niemals wieder.” 
Land in Sicht. — Am folgenden Tage, den 20. Okto- 
ber, als wir eine betrübte Nacht zurückgelegt hatten, muss- 
ten wir auf dem Eise bleiben, weil dasselbe rund herum 
geschlossen war. Am 21. bekamen wir eine Öffnung, wir 
brachten die Schaluppe zu Wasser und ruderten Ostnordost 


42 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


auf bis gegen Abend, wo wir unsern Kurs nach Nordosten 
nahmen. Endlich sahen wir Land von ferne und dankten 
Gott. Obgleich wir uns dicht an der Küste befanden, konn- 
ten wir nicht ans Land kommen, wir hätten denn mit un- 
serm kleinen, schwer beladenen Schiffe, welches kaum drei 
Daumen Bord hatte, erst in See stechen müssen, was wir 
fürs Erste nicht wagen durften. Das Eis lag an der Küste, 
Liegen bleiben konnten wir auch nicht, weil wir besorgen 
mussten, das Eis würde sich wieder schliessen. In Gottes 
Namen wagten wir es daher, befahlen unsere Seelen dem 
barmherzigen Gott und ruderten mit unserer kleinen, schwer 
beladenen Schaluppe nach Osten in die hohle See. Wir 
setzten doppelt Volk an die Riemen, während wir mit Mes- 
sern in der Hand sassen, um das Eis, das mit dem über- 
laufenden Seewasser einlief, loszumachen und über Bord zu 
werfen. Denn alles Seewasser, welches ins Schiff kam, 
fror gleich zu Eis. Wir ruderten frisch fort bis 1 Uhr in 
der Nacht. Da konnten wir nicht weiter durch das Eis, 
wir mussten die Schaluppe wieder aufs Eis ziehen und 
die Nacht, welche heftig kalt war, so gut wir konnten, 
auf dem Eise und im Schnee zubringen. — Hier hält 
es unser ehrlicher Seemann für nöthig, folgende Rand- 
bemerkung zu machen: Wenn man sagt, das Eis liege fest 
bis ans Land, so ist doch noch zwischen Eis und Land 
ein weiter Raum von Wasser, wo man nicht hinüber kom- 
men kann. Denn hätte das Eis bis ans Land festgelegen, so 
hätten wir, wie Jeder begreift, über dasselbe nach dem Lande 
gehen können. — Wie abgemattet wir uns auch befanden, 
Niemand durfte sich schlafen legen, wir hielten uns, so viel 
wie möglich, in Bewegung und hatten unter einander ver- 
abredet, dass, wenn Einer den Anderen einschlafen oder 
stille sitzen sähe, wir uns gegenseitig munter machen und 
in Bewegung bringen sollten. Nach der Nacht zwischen dem 
22. und 23. Oktober, die wir mit klappernden Zähnen auf 
dem Eise zugebracht hatten, ging des Abends das Eis aus 
einander und wir kamen an eine Insel. Wir blieben hier 
die Nacht über. Als wir am Morgen des 24. Oktober be- 
merkten, dass alles Eis unter dem Lande weg war, ruder- 
ten wir, so stark wir konnten, nach einer grossen Klippe, 
die 5 Meilen lang, ganz mit Eis bedeckt war, weswegen sie, 
wie ich meine, von den Grönländern Ysblink genannt wird. 
Längs dieser Klippe ruderten wir bis Abends, konnten dar- 
auf nicht weiter kommen, weil das Eis uns im Wege lag. 
Um nun nicht in Schlaf zu fallen und todt zu frieren, zo- 
gen wir die Schaluppe wieder aufs Eis und wanderten die 
ganze Nacht auf dem Eise hin und her durch den Schnee. 
Landung der Schiffbrüchigen in Grönland. — Die Nacht 
vom 25. zum 26. Oktober mussten wir wieder auf dem 
Eise zubringen.: Den 26. Oktober ruderten wir, so stark 
es unsere Kräfte zuliessen, mit allem Vermögen frisch durch 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 43 


bis Mittag, als wir Etwas von ferne im Wasser erblickten; 
es dauerte aber nicht lange, so erkannten wir einen wil- 
den Mann, der in seinem Schuitchen sass.. Wie er so 
nahe herbei kam, dass wir ihm zurufen konnten, frugen 
wir ihn durch Jemand, der vordem die Davis-Strasse be- 
fahren hatte und einige Worte in der Landessprache reden 
konnte, wo der Priester wohne (so nennen sie die Pastoren 
oder Prediger, die durch Seine Dänische Majestät dahin 
geschickt sind) und ob wir weit davon wären? Er winkte 
und bedeutete darauf mit seiner Hand, dass wir weiter 
nach Norden hinauf müssten, gab uns auch ein Zeichen, 
ihm zu folgen, was wir auch thaten, und so brachte er 
uns ans Land und nahm uns mit in sein Haus. Als wir 
nahe hinzu kamen, sahen wir eine Menge Männer und 
Frauen, alle in Felle von Seehunden gekleidet, zum Vor- 
schein kommen. Anstatt nach ihnen hin zu gehen, nahmen 
wir erschreckt die Flucht in die Schaluppe. Wir ruderten 
weiter fort, bis wir an eine Insel kamen. Verdurstet, wie 
wir waren, suchten wir zuerst dort nach frischem Wasser, 
aber vergeblich. Von Hunger, Durst und Müdigkeit ge- 
quält entschlossen wir uns, wieder zu den Wilden zurück- 
zukehren. Ein schneller Tod dünkte uns besser als ein 
langsam elendes Absterben. Nach einem vergeblichen Ver- 
suche, ans Land zu kommen, sahen wir uns aber genöthigt, 
obgleich halb todt vor Ermattung, nach der Insel zurück zu 
rudern. Nunmehr gaben wir allen Muth auf, doch Gott sandte 
uns unerwartet Hülfe zu. Die Wilden, die wir des vorigen 
Tages gesehen, hatten uns ungeachtet der Dunkelheit ent- 
deckt. Sie kamen übers Eis zu uns. Wir wussten nicht, 
ob wir sie als Freunde oder als Feinde betrachten sollten. 
Mit freundlichen Geberden nöthigten sie uns, ihnen nach 
dem Ort, wo sie wohnten, zu folgen. Es wagten es zehn 
Mann, worunter ich war, mit ihnen zu gehen. Die ande- 
ren Leute wären auch gern schon damals mitgegangen, 
wenn sie nicht durch Kälte und lange ausgestandenes Un- 
gemach so abgemattet gewesen wären, dass es ihnen nicht 
möglich war, so weit zu gehen. So blieben sie denn diese 
Nacht auf der Insel. 

Gute Aufnahme bei den Grönländern. — Nachdem wir 
mit den Wilden an ihr Häuschen gekommen waren, wur- 
den wir daselbst von diesen Menschen, sowohl Männern 
als Frauen (obgleich sie nur blinde Heiden und abscheu- 
lich anzusehen waren), mit so vieler Liebe und Freundlich- 
keit empfangen, dass es von unseren Landsleuten, wenn 
wir zu ihnen gekommen wären, nicht besser hätte geschehen 
können. Sie hatten Nichts in ihrer Wohnung, das nicht 
für uns war. Sie sahen wohl, dass wir ausgehungert waren. 
‚Sie gaben uns also zuerst Etwas zu essen. Dieses bestand 
in gekochtem Robbenspeck. Wie angenehm und erquick- 
lich mir diese Speise damals schmeckte, werde ich nimmer- 


mehr vergessen. Des anderen Tages, als wir etwas zu Kräf- 
ten gekommen waren, gingen wir zu unseren Freunden, 
welche wir bei der Schaluppe auf der Insel gelassen hatten. 
Wir fanden sie noch alle am Leben. Auf unsern Bericht 
schöpften sie Muth, strengten ihre Kräfte an und folgten uns 
zu unseren heidnischen Wohlthätern. Diese empfingen sie 
eben so freundlich wie uns und brachten sie ebenfalls im 


ihr Haus. 
Mittheilungen über Sitten und Lebensweise der Grön- 
länder. — Dieses Haus war im Grunde ausgegraben, mit 


rohen grossen Steinen vorne, hinten und an beiden Seiten 
aufgesetzt, mit Holz bedeckt und darüber waren wieder 
Steine und Robbenfelle gelegt. An beiden Seiten des Hau- 
ses waren zwei viereckige Löcher statt der Fenster, um 
dadurch Licht zu bekommen. Statt des Glases dienten ge- 
reinigte und ausgespannte Walfischdärme, die an einander 
genäht waren. In ihrem Hause war es sehr warm. Feuer 
und Beleuchtung zugleich haben sie sich auf folgende Weise 
verschafft: Eine grosse steinerne viereckige Pfanne, welche 
sie von den Dänen für Robbenfelle und dergleichen ein- 
tauschten, ist oben mit breitem Rande versehen, der rund 
herum mit etwas Klippenmoos belegt ist, dann giessen 
sie Thran auf das Moos und in die Pfanne und stecken es 
in Brand. Dieses giebt nicht allein ein grosses Licht, son- 
dern es macht auch die Wohnung so warm, als wenn ein 
Kachelofen darin stände. Wenn sie ihre Speise kochen 
wollen, die meist aus Robben- und Walfischspeck besteht, 
hängen sie über die Pfanne noch eine andere und kochen 
auf diese Weise ihre Speise. Das Hausgeräth bestand aus 
folgenden Gegenständen: einige steinerne Pfannen, um die 
Speisen zu bereiten, ferner Messer, Pfeile, Bogen, und was 
sie zur Jagd und Fischerei noch weiter brauchen. Ihre 
Schlafplätze sind, wie in Holland die Ställe des Hornviehs, 
einige abgesondert, einige nicht, doch alle nach oben offen; 
dort legen sie sich auf Felle nieder, Einige umwinden sich 
dabei mit Thierfellen, Andere bleiben mit dem Oberleibe 
nackt. Dass sie mitleidig sind, haben sie an uns erwiesen. 
Gierigkeit kennen sie nicht, denn wenn einer von ihnen 
Etwas auf der Jagd bekommen oder Fische gefangen hat, 
so wird es in die allgemeine Wohnung gebracht, wo öfter 
10 bis 12 Haushaltungen mit Frauen und Kindern bei ein- 
ander sind. Ein Jeder läuft herzu und wählt das, was ihm 
nöthig ist, davon. Man hört unter den Männern und Frauen, 
auch selbst unter den Kindern niemals, dass eins mit dem 
Andern streitet. Wenn der Mann mit seinem Schiffchen 
aus gewesen ist und einen Seehund gefangen hat, zieht er 
das Schiff, und was er sonst mitbringt, auf das Land; er 
lässt sein Fischzeug, und wenn er auf der Jagd gewesen, 
seine Jagdgeräthschaften und Alles, was dazu gehört, lie- 
gen und geht, ohne Etwas mitzutragen, ledig nach seiner 
6 * 


44 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


"unterirdischen Wohnung. Dort empfängt ihn seine Frau 
und diese bringt das Schiff in Sicherheit, schleppt die Beute 
auf eine Klippe, zieht dem Seehunde das Fell ab, bringt 
das Fleisch in die Wohnung und trocknet das Fell, das 
nachher gegerbt und bereitet wird. Aus den rauchen 
Fellen werden Winterkleider und aus den Fellen, von wel- 
chen sie die Haare gebrüht haben, Kleider für den Som- 
mer, auch Schuhe gemacht. 

Fahrt nach Godhaab. — In Folge der ungewohnten 
Wärme schwollen unseren Seeleuten Hände und Füsse, in- 
dessen machten sie sich doch bald wieder auf, besserten 
ihre Schaluppe aus und gingen am 28. Oktober wieder ab, 
um nach den erhaltenen Anweisungen eine der Dänischen 
Kolonien zu erreichen. Wir waren 
ungefähr 2 Meilen fortgerudert, als wir einen wilden Mann 


Es heisst nun weiter: 
in seinem Schiffehen sahen. Wir riefen ihn und frugen, 
ob er uns nicht anzeigen könne, wo die Dänische Nieder- 
lassung wäre. Er brachte uns selbst zu einem Dänischen 
Schulmeister, der daselbst wohnte, um die Wilden zu leh- 
ren und in dem christlichen Gottesdienst zu unterrichten. 
Er theilte 


dass wir uns sorgfältig hüten müssten, die 


Diese Nacht blieben wir bei dem Schulmeister. 
uns mit, 
Eingebornen des Landes „Wilde” zu nennen, weil sie bös 
darüber würden. Wir müssten, wenn wir von ihnen rede- 
Ferner berichtete uns der- 
selbe auch, dass wir noch.8 Meilen von Balster-Rivier (soll 
wohl heissen Revier) ab wären, dass ferner auf dem hal- 
ben Wege wieder Grönländer wohnten. Mit dieser Nach- 
richt fuhren wir den 29. Oktober des Morgens früh von dem 
Schulmeister ab und hofften, in der folgenden Nacht zu 
den Grönländern, die auf dem halben Wege nach Balster- 
Revier wohnen sollten, zu kommen. Aber wir suchten den 
Ort vergeblich. Es sah wieder betrübt aus, da wir die 
ganze Nacht in bitterer Kälte und im Schnee auf einer 
Klippe zubringen mussten. Den 30. Oktober früh Morgens 
verliessen wir die Klippe und dachten an diesem Tage früh- 
zeitig bei den Grönländern zu landen. Zu unserem Glück 
kam uns ein Grönländer in Sieht, der in seinem kleinen 
Schiffe, Kajak genannt, sass. Er kam von selbst auf uns 
zu. Wir fragten ihn, wo der Priester wohne? Er bedeutete 
uns darauf, dass er daher wäre, erbot sich auch, uns dahin 
zu bringen und voraus zu rudern. 
gleich. 


ten, sie „Grönländer” nennen. 


Letzteres that er so- 
Doch weil der Strom zu hart ging und unsere 
Schaluppe sehr schwer beladen war, konnten wir des Stro- 
mes und der hohlen See wegen die Schaluppe nicht gerade 
halten. Das Wasser lief mit grosser Gewalt ins Schiff, da- 
her wir gezwungen wurden, zehn Mann auf eine Klippe zu 
setzen, auf welcher man kaum seinen Leib bergen konnte. 
Wir versprachen, sie, sobald als wir über das hohle Was- 
ser würden gekommen sein und erst einige Mannschaft aus- 


Doch der Wind war so stark 
dass wir nicht hinauf rudern konnten, so mussten wir nur 


geladen hätten, abzuholen. 


Mittlerweile war uns der 
Grönländer durch das Zaudern aus dem Gesicht gekommen. 
Dadurch geriethen wir natürlich in grosse Verlegenheit. 
Endlieh kam er, nachdem er uns schon bei dem. Volk auf 
der Klippe gesucht hatte, um 2 Uhr in der Nacht zu uns, er 
brachte uns nun zu der Herrnhuter-Kolonie, wo wir todt 
abgemattet, ganz durchnässt, kalt und ohnmächtig von Hun- 
ger und Durst ankamen. 


suchen, ans Land zu kommen. 


Gern hätten wir noch unsere 
anderen zehn Mann abgeholt, aber das war wegen des star- 
ken Stromes nicht möglich. So mussten sie bis zum andern 
Morgen, wo die Fluth kam, auf der Klippe bleiben. Sie 
standen viele Noth aus. In der Nacht war es sehr kalt. 
Sie fielen mit ihren gefrorenen Händen und Füssen über 
einander, ohne schlafen zu dürfen, aus Furcht, todt zu 
frieren. In der Morgenstunde kamen zwei Grönländer mit 
ihren Schiffehen zu ihnen, die sie riefen. Ein Hamburger 
Matrose gab dem einen Wilden ein seidenes Tuch von sei- 
nem Halse mit der Bitte, sie von der Klippe abzuholen. 
Hierauf ruderten die Wilden zurück und holten ein „Koene 
Boot” oder ein Frauenschif. Wir waren auch schon mit 
unserer Schaluppe in Bereitschaft und fuhren mit den 
Grönländern nach der Klippe. Sie fuhren voran und brach- 
ten den zehn ausgehungerten Leuten Brod und Trank, 
welches die Herrnhuter den Grönländern mitgegeben hatten. 
Als unsere Kameraden alle zu uns in die Schaluppe ge- 
kommen waren, ruderten wir, mit Lob und Danksagung zu 
Gott für seine Gnade, über den Fluss zu den Herrnhutern. 
Diese erquickten uns alle mit warmer Speise und Trank. 
Diese unsere 
Wohlthäter sprachen gut Hochdeutsch. Darunter war ein 


Sie bewirtheten uns nach ihrem Vermögen. 


Nachdem wir uns 
daselbst etwas erquickt hatten, begleiteten sie uns den 


Brandenburger, von Lenzen gebürtig. 


1. November nach der Dänischen Kolonie, „Gute Hoffnung” 
(Gothoop) — Godhaab, also auf der Westseite Grönlands, 
am Eingang der Davis-Strasse — genannt, wo wir den Win- 
Wir wurden sehr freund- 
Der Kaufmann aber erklärte, uns nicht 
alle erhalten zu können, weil er so viel Lebensmittel nicht 
habe, sein Proviantschiff sei noch nicht angekommen. Diese 
Kompagnie bestand aus vier bis fünf Häusern, nach Art 
eines Kirchdorfes ; ein Kaufmann, ein Prediger und ein Schul- 


ter über zu bleiben gedachten. 
lich empfangen. 


meister wohnten hier und die Grönländer gehen hier zur 
Kirche. Des folgenden Tages, es war Sonntag den 2. Novem- 
ber, gingen wir alle zusammen in die Kirche, um die Verkün- 
digung des Wortes Gottes anzuhören, bei welcher Gelegen- 
heit der Prediger von „Gothoop” eine Danksagung zu Gott 
für unsere Erhaltung sprach. 

Weiterreise nach Zuyker Toppen und Holsteinborg. — 


RM 


I 


- Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 45 


Wir blieben ‘hier bis den 5. November, um. auszuruhen. 
Darauf erklärte der Kaufmann (der Name dieses Mannes 
wird nicht genannt), dreizehn Mann wolle er behalten, 
und zwar solche, denen die Füsse so erfroren wären, dass 
sie weder Schuhe noch Pantoffeln anziehen und noch weni- 
. ger weiter kommen‘ könnten. Uns übrigen zwölf Mann 
übergab er-das Dänische Boot, weil unsere Schaluppe un- 
brauchbar und der Kiel zwei Mal gebrochen war, dazu 
Proviant für drei Wochen zur Reise und zwei Grönländer 
- mit ihren Schuiten als Wegweiser nach der Kolonie Zuyker 
Toppen, 24 Meilen weiter nach Norden. 

Nachdem wir unsern Dank bei dem Kaufmann abge- 
stattet hatten, traten wir mit zwölf, nämlich fünf Mann 
vom Kommandeur Broertjes und sieben Hamburgern, von 
zwei Grönländern begleitet, in Gottes Namen die Reise wie- 
der‘an. Wir ruderten den Tag nicht weiter als 2 Meilen, 
weil hier wieder Grönländer wohnten, bei welchen wir die 
Nacht über blieben. Als wir des Morgens weiter gehen 
wollten, fing es aus Norden so stark zu wehen an, dass 
wir vier Tage hier verweilen mussten. Den 10. November 
setzten wir unsere Reise fort, mussten aber des Nachts bei 
strenger Kälte im Boote bleiben. Den 11. kamen wir zu 
einem Dänischen Schulmeister, Pisbeek genannt. Daselbst 
blieben wir die Nacht und wurden freundschaftlich bewir- 
thet. Den 12. gingen wir wieder auf die Reise, mussten 
aber des gewaltigen Windes wegen wieder zurückkehren 
und zum anderen Mal die Nacht bei dem Schulmeister zu- 
bringen, worauf wir den 13. unsere Fahrt fortsetzten. 
Acht Meilen von da wohnten wieder Grönländer, bei welchen 
wir gern am Tage anzulanden wünschten; aber wir konn- 
ten vor 12 Uhr in der Nacht nicht landen, weil es gegen 
Abend stark wehte und viel Wasser ins Boot lief, was uns 
nicht wenig aufhielt. Am 14. November hielt der Wind 
noch immer an. Wir blieben hier den ganzen Tag und 

wurden ausnehmend freundlich behandelt. Den 15. reisten 
wir von hier ab. Gegen Abend fing der Wind an, mit einer 
hohlen See stärker zu wehen. Wir können mit Recht 
sagen, dass unsere zwei Grönländischen Begleiter nächst 
Gott unsere Erhalter waren. Auf diese Weise kamen wir 
gegen Abend wieder zu Grönländern, wo wir die Nacht 
und des schlechten Wetters halber auch den folgenden Tag 
und Nacht blieben und sehr gut und freundschaftlich be- 
handelt wurden. Den 17. November kamen wir bei gün- 
stigem Winde frühzeitig in Zuyker Toppen an. Hier glaub- 
ten wir von unseren ausgestandenen Gefahren ausruhen zu 
können, allein der Kaufmann gab vor, er habe nicht Lebens- 
mittel genug, um uns den Winter über zu erhalten. Auch 
sein Proviantschiff war „noch nicht angekommen”. So blie- 
ben wir hier nur zwei Tage. Er gab uns für eine Woche 
Lebensmittel mit auf den Weg und zwei andere Grönländer 


mit ihren Schiffen als Begleiter, die uns nach der Kolonie 
Holsteinburg (also bedeutend weiter nördlich in die Davis- 
Strasse hinein) bringen sollten. 

Wir waren wegen dieser Reise sehr besorgt. Denn erst- 
lich war es eine Fahrt von 24 Meilen, ferner ein schlech- 
tes Fahrwasser, wo die freie offene See gegen das Land 
anschlägt, weil keine Klippen oder Inseln davor liegen, und 
dann wohnte Niemand auf dem ganzen Wege von Zuyker 
Toppen bis nach Holsteinburg. Endlich lag auf der Hälfte 
des Weges fast 2 Meilen in See eine trockene Sandbank, 
welche wir mit hohem Wasser passiren mussten. Nachdem 
wir bei dem Kaufmann so viel ausgerichtet hatten, dass 
einer von unseren Leuten, ein Hamburger, der nieht weiter 
kommen konnte, da bleiben durfte, gingen wir eilf Mann 
und zwei Grönländer den 19. November des Morgens um 
4 Uhr von Zuyker Toppen weiter. Mit einigen Schwierig- 
keiten passirten wir seewärts um die Bank herum und 
kamen am 22. November Abends zu Holsteinburg an. 

Wir wurden freundlich empfangen und diese Leute tha- 
ten an uns alles Gute, was in ihrem Vermögen war; auf 
diese Weise hatten wir doppelt Ursache, dem grossen Gott 
zu danken, was wir auch am gleich darauf folgenden Sonn- 
tage mit dem Pastor öffentlich in der Kirche thaten. 

Die Schiffbrüchigen nehmen Dienste auf einem Dänischen 
Fahrzeug. — Als wir nun hier waren, hörten wir, dass 
2 Meilen von Holsteinburg ein Königlich Dänisches Schiff 
lag, welches mit Proviant angekommen war und im Früh- 
jahr daselbst auf den Walfischfang gehen sollte. Als 
der Kommandeur dieses gemeldeten Schiffes auf der Kolonie 
bei dem Kaufmann ankam, redete er mit uns und erbot 
Er- stellte 
uns vor, dass, wenn wir in seinen Dienst treten und im 


sich, uns mit nach seinem Hause zu nehmen. 


Frühjahr ihm mit fischen helfen wollten, wir noch etwas 
Geld verdienen und folglich den andern Sommer mit ihm 
nach Kopenhagen fahren könnten. Dieses Anerbieten nah- 
men wir gern an. Denn da wir Alles verloren hatten, be- 
kamen wir Hoffnung, auf diesem Wege wenigstens noch 
etwas Geld in die Hände zu bekommen. 

Auf diese Weise fuhren wir mit dem Dänischen Kom- 
mandeur, Dirk Boisen genannt, auf seiner Schaluppe von 
der Kolonie nach seinem Hause. Hier traten wir in seinen 
Dienst. Weil er noch viele Mauersteine im Schiffe hatte, 
mussten wir dieselben heraus und auf eine hohe Klippe 
tragen. Daselbst sollte noch ein Haus gebaut werden. Fer- 
ner liess er uns die schlimmsten, schwersten und schlechtesten 
Schiffs- und andere Arbeiten thun. Obgleich wir von allem 
erlittenen Elend noch sehr schwach und kraftlos waren, 
verschonte er uns doch nicht. Auch als wir nachher ans 
Fischen gingen, behandelte er uns eben so. Wir mussten 
allezeit die erste Arbeit thun. Ja, er ging so weit, unser 


| 46 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


- 


Volk zu stossen und zu schlagen, warf uns täglich vor, 
dass wir Geld verdienten und deshalb brav arbeiten müss- 
ten. Mit dem Geldverdienen war es leider Nichts, wie sich 
später ergab. 

Rückkehr über Kopenhagen und Amsterdam in die Hei- 
math. — Im Sommer, nachdem die Fischerei vorbei war, 
sind wir mit dem Kommandeur Boisen von der Kolonie 
Holsteinburg, unserer zwölf Personen von drei verunglückten 
Schiffen, nach Kopenhagen gefahren, nämlich unserer sechs 
Mann vom Kommandeur Broertjes (wir waren nur unserer 
fünf Mann an die Kolonie gekommen, nachher kam aber 
noch einer von unserm Schiff daselbst an) und sechs Ham- 
burger vom Kommandeur Hans Christians Jaspers. Wir 
haben auf der ganzen Reise Matrosenarbeit gethan, und 
gewiss die schwerste, glaubten aber, wenn wir nachher in 
Kopenhagen angelangt sein würden, einige Belohnung dafür 
zu bekommen. Doch, ach! es wurde weiter Nichts daraus, 
als dass Jeder einen halben Reichsthaler empfing, womit 
wir weiter reisen mussten. Die übrigen Umstände, wie wir 
nach Amsterdam gekommen, übergehe ich mit Stillschweigen. 
Für die Kost wurden wir als Matrosen auf einem Friesi- 
schen Kuffschiff angenommen und kamen den 12. Juli 
1778 wohlbehalten, doch sehr arm, in Grönländischer Klei- 
dung in Amsterdam an. 

Als wir noch auf der Kolonie waren, empfingen wir 

Nachricht, dass noch sieben Mann von unserem Schiffe weit 
gegen Süden hin angekommen seien. Was die Komman- 
deure mit ihrem bei sich habenden Volk, an 230 Seelen, 
die vom Zelt nach dem Lande gegangen waren, betrifft, so 
sollen einige davon verunglückt, andere an verschiedenen 
Orten ans Land gekommen und hernach weiter nach Nor- 
den (in die Davis-Strasse) gebracht sein, um zu Hollän- 
dischen Schiffen zu kommen. Die Zahl der Menschen, die 
in Grönland das unglückliche Schicksal erlitten, ihre Schiffe 
im Jahre 1777 zu verlieren, wird auf 450 Seelen an- 
genommen. Die Zahl derer, von welchen man bis jetzt 
weiss, dass sie noch am Leben sind, ist 140 Personen. 
Mithin müssen 310 Personen umgekommen sein, worunter 
Kommandeur Broertjes mit gerechnet wird. Die Namen 
der Kommandeure, die ihre Schiffe verloren haben, sind: 
Holländer: 1) Klaas Keuken, 2) Klaas Kastrikum, 3) Jakob 
Henrich Broertjes, 4) Roloff Meyer, 5) Jakob Bremer, 
6) Volkert Janz und 7) Jeldert Janz Groot; Hamburger: 
1) Jenz Hansen, 2) Pieter Andries, 3) Engelbert Janz, 
4) Hans Christians Jaspers und 5) Marten Jans. 

Bericht über die Reise des Hamburger Walfischfängers 
„Frau Elisabeth” 1769. — Es folgt zunächst ein Bericht 
über des Hamburger Kommandeurs Jakob Janssen merk- 
würdige Reise, welcher mit dem Schiffe „die Frau Elisa- 

 beth” den 7. April 1769 nach Grönland auf den Walfisch- 


fang ging, von Anfang Juli bis zum 19. November im 
Eise fest war, dann wieder frei wurde und den 13. De- 
zember 1769 glücklich wieder in Hamburg anlangte '). 


„Um die gewöhnliche Jahreszeit, nämlich den 7. April, des ab- 
gewichenen Jahres gingen verschiedene Schiffe von Hamburg auf den 
Walfischfang aus, und unter ihnen führte ich (Kommandeur Jakob 
Janssen) das von Herrn Berend Roosen für eigene Rechnung erbaute 
Schiff, „die Frau Maria Elisabeth’ genannt, welches mit 45 Mann be- 
mannt und mit allen zu einer vollständigen Ausrüstung gehörigen Er- 
fordernissen sehr wohl versehen war. Ein konträrer Wind nöthigte 
uns, einige Tage zu Cuxhaven zu liegen, nach deren Verlauf er südlich 
und für uns so günstig ward, dass an einem Tage, als am 14. April, 
sieben Hamburger Schiffe auf einmal in See gehen konnten. c 

„In offener See, wo ein Jeder den ihm gefälligen Kurs nimmt, 
verliert man einander bald, und auf dem meinigen war ich schon den 
20. Hittland passir. Am 28. sah ich das erste Eis und traf auch 
eine Menge Schiffe an. Am 29. liess ich die Walfisch-Leinen in meine 
Schaluppen schiessen und befand mich auf der Höhe von 74° 40’. Fol- 
genden Tages segelte ich höher nordwärts auf, erblickte den 7. Mai 
auf 75° 20' das sogenannte Ost-Eis bei Spitzbergen, erreichte den 8. 
mit 77° 12’ das Vorland von Spitzbergen und entschloss mich, am 17. 
auf der Höhe von 78° 15’ an einem Eisfelde fest zu machen, um be- 
queme Gelegenheit zum Fischen zu erwarten. Ich hatte das Glück, am 
23. drei Fische und Tags darauf wieder drei Fische zu fangen, ging 
dann nordostwärts höher auf und fing am 26. auf der Höhe von 78° 30' 
noch einen Fisch, am 27. zwei Fische, am 30. vier Fische und am 31. 
noch einen Fisch, so dass ich nun zusammen vierzehn Fische gefangen 
hatte. Unter der Zeit, da besagte Fische gefangen, abgelöst und ins Schiff 
übergebracht worden, wehte fast durchgehends ein nördlicher und öst- 
licher Wind mit empfindlich kalter Luft, allein in den letzten drei Ta- 
gen des Maimonats erhob sich ein heftiger‘Südwind, der die mit jenem 
Winde von Norden südwärts getriebenen Eisschollen zurückführte, so 
dass ich in einer kleinen Bucht eingeschlossen ward. Es lagen mir 
sehr viele Schiffe zu Gesicht, wir konnten aber wegen des zusammen- 
gehenden Eises nicht zu einander kommen. 

„Den 12. Juni kam mit einem starken westlichen Winde die See 
in Bewegung, das Eis theilte sich, ich segelte zu den mir in Sicht lie- 
genden sieben Schiffen und schloss Maskopie und Kameradschaft mit 
einem zweiten Schiffe meines Patrons, „der wachende Kranich’” genannt, 
geführt von dem Kommandeur Geerd Geelds. Wir machten uns fest 
am Eise, sahen am 15. viele Fische, fuhren in Gesellschaft von sechs 
und in Sicht von zehn Schiffen drei Tage an den Eisfeldern auf und 
nieder, sahen am 18. wieder einige Fische, ohne ihrer habhaft werden 
zu können, und hatten am 18. bei sehr angenehmem Wetter vierzehn 
Schiffe um uns liegen. Am 28. sahen wir abermals einen Fisch auf - 
der Höhe von 76° 20'. In den ersten Tagen des Julimonats rückten 
die Eisschollen wieder ziemlich zusammen, doch hatten wir den 5. 


‚und 6. auf 75° 32’ noch fünf Schiffe in Sicht und waren also un- 


serer sieben zusammen, von welchen aber am folgenden Morgen in dem 
stark zusammendrängenden Eise drei Schiffe, nämlich „Volkert Claessen”, 
„Martin Claessen”, beide aus Holland, und ein Englisches, verunglückten. 
Jedoch wurden das Volk und einige Güter vom Kommandeur „Nanning 
Adriansen” geborgen. Am 8. gesellte sich ein drittes Schiff, „die 
Fischlust” genannt, geführt vom Kommandeur „Freerk Broersen”, zu 
uns, als wir abermals ziemlich mit Eisschollen umgeben waren; wir 
sahen noch ein viertes Schiff und auch die Trümmer der verunglückten 
Schiffe im Eise, konnten aber nieht zu ihnen kommen, sondern mussten 
sogar höher hinauf gehen, weil das vom Südwest-Winde gegen Süd- 
osten getriebene Eis sich immer fester setzte und uns täglich mehr 
beengte. Wir segelten dann an den Feldern aufund nieder, ob irgend 
eine Öffnung sein möchte, fanden aber keinen Weg, aus dem Eise zu 
entkommen, und befanden uns daneben in steter Gefahr, Schiff, Gut 
und Leben zu verlieren. Das nun ohne Aufhören von Nordwesten oder 
„Alt-Grönland” her sich ansammelnde Eis, das unter dem Namen von 
„West-Eis” bekannt ist, hatte eine Dicke von 8 Fuss; die Schollen 


‘) Der Bericht ist in Hamburg 1770 gedruckt; es sind demselben 
eine Abbildung, welche drei Schiffe im Vordergrund und hinten das 
vierte in der gewaltigen Eisbesetzung nahe der Küste zeigt, und eine 
rohe Karte der Davis-Strasse, Grönlands und des Eismeeres zwischen 
Spitzbergen und Grönland beigegeben. 


Bu. 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 47 


thürmten sich häuserhoch über einander und liessen uns an einem langen 
Felde in einer kleinen Bucht, wo hinein wir uns gesägt hatten, nur 
einigen kleinen Raum zum Liegen übrig. 

„In dieser Lage und da wir deutlich bemerkten, dass selbst die 
hohen Eisberge sich in einander zahnten, auch unbeweglich wurden, 
fassten wir schon ernstliche Gedanken. Ich ermunterte jedoch meine 
Leute, so viel es möglich war. Obwohl nun unser Vorrath an Lebens- 
mitteln ansehnlich war, wir auch bis dahin noch kein hartes Brod oder 
Schifiszwieback gekostet, sondern noch immer weiches, d. i. ordentlich 
gebackenes, Brod gegessen hatten, so stellte ich meinen Leuten doch vor, 
wie wir schuldig wären, unser Leben, so lange es immer möglich, zu 
erhalten, und eröffnete ihnen zugleich am 16., dass fürs Künftige täg- 
lich nur zwei warme Mahlzeiten gehalten werden sollten, womit sie 
alle zufrieden waren. Am 17. wurde damit auch der Anfang gemacht. 
Indessen rückten die Eisfelder täglich näher zusammen, so dass wir 
wegen des uns bedrängenden Eises unsere Schiffe zu verlieren besorg- 
ten und ich daher am 26., da wir auf der Höhe von 74° 53’ waren, 
unsere Lebensmittel theils zwischen, theils über das Verdeck bringen 
liess, um dieselben retten zu können, wenn etwa das Schiff zerdrückt 
werden sollte. 

„Den 27. verspürten wir eine sogenannte „Diening’” oder Bewegung 
im ı Eise, welche gemeiniglich entsteht, wenn die offene See durch einen 

rın in Bewegung gesetzt wird; die Eisberge trennten sich, wir er- 
hielten etwas mehr Raum und konnten an den Eisfeldern anf und nie- 
der segeln. Den 30. verzehrten wir unser letztes weiches Brod und 
entdeckten auf der Höhe von 74° 9' „Gale Hamkes Land” in einer 
Weite — wie wir sie schätzten — von etwa 15 Meilen. Am letzten 
dieses Monats verlor sich eine grosse Eisspitze, wir erhielten noch 


_ mehr Raum, fuhren zwischen den Eisschollen hin und her und bemerk- 


ten am 4. August, dass wir in dem Eise um ein Ansehnliches weiter 
nach der offenen See zu gekommen wären. 

„Demungeachtet machte ich an diesem Tage den Anfang, Brod 
nach Rationen auszugeben, und vertheilte davon vier Fässer unter mein 
Volk, mit dem Antrage, dass ein Mann, der wirthschaftlich zehren wolle, 
mit seiner Portion 56 Tage ausreichen könne. 

„Den 5. erblickten wir in der Entfernung von 4 bis 5 Meilen 
noch ein viertes Schiff im Eise, welches gleichfalls bemüht war, einen 
Ausweg zu suchen, verloren es aber den 6. wieder aus dem Gesichte. 
Wir machten uns an einer Eisscholle fest, zogen den 7., 8. und 9. un- 
sere Schiffe mit Leinen an den Feldern hin und wurden auf der Höhe 
von. 74° 5’ wieder vom Eise besetzt. Indessen sahen wir das Schiff wie- 
der vor uns, auch auf den Eisschollen die auf- und abklimmenden See- 


‚hunde spielen, und da in den folgenden Tagen das Eis wieder lose 


ward, arbeiteten wir unermüdet zwischen den treibenden Schollen hin, 
um heraus zu kommen. Eis und beständiger dieker Nebel, der nicht 
die geringste Aussicht gestattete, hinderten uns daran. Am 17. sahen 
wir einige Fische, hatten am 18. starken Regen bei Ostwind, welcher 
nach und nach stärker ward und uns die erste recht rauhe Winterluft 
zuführte. Den 20. bemerkten wir wieder einige Seebewegung, hatten 
starke Nebel, zogen uns jedoch an Leinen nordwärts, verloren das 
vierte Schiff abermals aus dem Gesicht und waren auf der Höhe von 
73° 48t. 

„Bei allen diesen Mühseligkeiten wollte das Glück, dass wir gar 
keinen Schnee hatten, obwohl uns der bestündige Nebel beschwerlich 
genug war, indem er entweder wie Reif oder wie Glatteis an das Schiff 
und an die Tauwände desselben so stark sich anlegte, dass diese 


‘ wie Breterwände und jenes wie ein Eisberg erschien. Alle Rollen und 


auch das Braspill wurden ganz fest und wir mussten,. wenn es nöthig 
war, solche mit Schlagen und Stossen beweglich zu machen suchen, ja 
endlich mussten. wir die Rollen in den Kloben mit glühendem Eisen 
aufthauen. 

„Nunmehr hatten wir seit einiger Zeit auch eine Art von Diümme- 


‚rung verspürt, jedoch wegen des Nebels, der oft um Mittag grosse 


Dunkelheit erzeugte, konnten wir das nicht genau bestimmen. Wir 
erhielten aber am 21. klare, heitere Luft, hatten zum ersten Mal ent- 
schieden Nacht und sahen mit ihr die ersten Sterne. Der Winter stellte 
sich mit heftigem Froste ein. Gegen das Ende*des August verloren 
sich auch alle Vögel und selbst die Seehunde, zum betrübten Zeichen 
für uns, dass der volle Winter eingetreten war. Andererseits liessen 
sich viele Falken blicken, was sonst hier den Fischern etwas Uh- 
gewöhnliches ist, und wir wurden gewahr, dass wir bei stillem Wetter 
mit dem grossen Eisfelde, in welches wir eingesperrt waren, immer 
mehr gegen Süden hinunter getrieben wurden, wie denn bekanntlich 
die See hierselbst einen beständigen Strom von Nordosten gegen Süd- 
westen hat. Zuweilen hörten wir, nicht ohne Vergnügen, das Blasen 


oder Brausen der Walfische, jedoch wegen der grossen Eisberge, welche 
uns umgaben, konnten wir sie nicht sehen. 

„Am 2. September spürten wir abermals Seebewegungen, nach 
welchen sich die Eisberge noch höher aufthürmten, weil der Wind bei 
uns immer nördlich und östlich blieb, während er ohne Zweifel in der 
See westlich war. Den 6. sahen wir unser viertes Schiff, merkten den 
10. wieder Seebewegungen mit gleichem Erfolge, trieben immer etwas 
südlich fort und fanden uns den 14. auf der Höhe von 73°. 

„Bis zum 18. hatten wir südöstlichen Wind mit starkem Froste 
und wurden nunmehr in dem Eise gänzlich fest. Den 19. September 
gingen sechs Mann von „Freerk Broersen’s’” Schiff ab, um übers Eis 
das in unserm Gesichte liegende vierte Schiff zu besuchen. Sie kamen 
von ihrem äusserst gefährlichen Spaziergange in zwei Tagen wieder zu- 
rück und berichteten, dass Freerk Pieters der Kommandeur sei, dass 
das Schiff eben so fest wie die unserigen liege, dass es nicht mehr 
Proviant als wir habe und dass die Leute nicht weniger als wir be- 
sorgt wären. 

„Am 20. fiel sehr gelindes Wetter. ein, so dass das Eis, welches 
unser Schiff zunächst umgab, ganz mürbe ward und wir den uns nöthi- 
gen Wasservorrath einnehmen konnten. Allein wieder eintretender 
starker Frost machte uns in wenigen Tagen eben so fest. 
am 24. auf 72° 30’, am 25. auf 72° 19’, am 27. auf 72° 15' und 
merkten, dass unser Kompass eine Abweichung von 3 Striehen, das ist 
etwa von 34 Graden, hatte. Der 29. schenkte uns mit starkem Süd- 
west-Winde ein sehr gelindes Wetter, allein obgleich den 30. der Wind 
noch stärker wurde und viel Regen fiel, auch die See recht merkliche 
Bewegungen hatte, so blieben wir doch immer fest. 
des Oktober blieb zwar die Witterung gelind, auch ward die See- 
bewegung viel stärker, aber am 4. erhob sich ein starker Wind aus 
Nordosten, der Frost ward heftig, in der Nacht fiel zum ersten Male 
ein starker Schnee und wir verloren am 5. den Kommandeur Freerk 
Pieters mit seinem Schiffe gänzlich aus unserem Gesicht. 

„Bis zum 16. veränderliche Witterung mit Südsüdwest-Wind, wel- 
cher das südwärts getriebene Schiff wieder auf 72° 24’ hinauf jagte. 
Wir erblickten Jan Mayen-Eiland gegen Südosten und hatten etwa 
14 Stunden Nacht. Am 23. kamen übers Eis. kleine Füchse zu uns, 
deren wir nach und nach 18 schossen und verspeisten; in der Nacht 
hörten wir das Blasen der Walfische, lagen auf 71° 14' und schätzten, 
dass wir etwa 8 Meilen von Jan Mayen-Eiland wären. Am 24. 
theilte ich meine letzten drei Fässer Brod oder Schiffszwieback unter 
meine Leute aus, machte die Einrichtung, dass täglich nur eine ge- 
wöhnliche warme Mahlzeit und eine von gebratenen Walfischschwänzen 
gehalten werden sollte. Der Versuch ward sogleich gemacht, das Volk 
speiste mit vielem Wohlgeschmacke, befand sich auch überaus wohl 
dabei, ja ein Mann, der am Scharbock hart darniederlag, ward davon 
zusehends besser und erlangte seine völlige Gesundheit in wenigen Tagen 
wieder. Ich sagte dann meinen Leuten, dass wir noch einen ansehn- 


lichen Vorrath von allerhand Lebensmitteln hätten, und machte ihnen 


den Überschlag, dass, wenn es auch nicht möglich wäre, aus dem Eise 
zu entkommen, wir dennoch bei unseren so eingerichteten Mahlzeiten 
gewiss bis zum Ende des Februarmonats auslangen, auch unterdessen 
ohne Zweifel so weit gegen Süden abgetrieben sein würden, dass wir 
Land erreichen und uns übers Eis nach Island retten könnten. Mein 
Volk war in der Folge bei dieser Kost so wohl vergnügt als nur 
immer bei der gewöhnlichen Schiffskost und half sich den Umständen 
nach so gut, als iches nur wünschen mochte. Als es an Thee gebrach, 
wurden pockhölzerne Schiffsrollen geraspelt und davon Thee mit vieler 
Zufriedenheit getrunken. Es fehlte Tabak und man rauchte die Rinde, 
welche von den Reifen oder Tonnenbändern abgeschält wurde. 

„Am 26. theilte ich Branntwein rationenweise aus und setzte ein 
Oxhoft Bier für zwölf Tage auf. Am 27. hatten wir 
Tag, welcher etwa 7 Stunden lang war. 

„Vom 1. bis 10. November war wenig Veränderung. Der Nebel 
hielt an, der Frost war sehr heftig, der Tag war etwa 6 Stunden lang; 
Füchse und Bären liessen sich sehr häufig sehen, vielleicht von dem 
Geruche des gebratenen Walfischschwanzes angelockt. 
so scheu, dass man ihnen Nichts anhaben konnte. Nur Einer wagte 
es, nahe ans Schiff zu kommen, entfloh aber sogleich, als er Menschen 
erblickte. Am 12., als wir die Höhe von 70° 30’ hatten, kam bei 
einem schweren Winde aus Norden die See wieder etwas in Bewegung. 
So lieb es uns nun war, wahrzunehmen, dass unser Eisfeld so merk- 
lich gegen Süden hinab getrieben war, so aufmerksam machte uns an- 
dererseits die Entdeckung, dass unser Feld seine Riehtung geändert und 
sich um 2 Striche, das ist etwa 22 Grad, herumgedreht hatte. Beides be- 
stärkte uns in der Hoffnung, mit dem von Norden abgehenden Strome 


Wir lagen. 


Mit dem Anfange 


Letztere waren. 


einen hellen 


u 


st 


48 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


immer weiter gegen Süden, mithin unserer Befreiung auf die eine oder 
die andere Weise näher zu kommen. Am 13. ward sowohl der Wind 
als die Seebewegung stärker, wir sahen gegen Süden, ingleichen gegen 
Nordosten Wasser, jedoch bei der am 15. erfolgten Stille setzte 
sich Alles wiederum zusammen. Den 16. war unbeständiger Wind, 
heftige Kälte, auch etwas Bewegung in der See, welche jedoch am 17. 
so stark ward, dass sich das Eis trefflich zertheilte und unsere Schiffe 
in dem Eise wieder los wurden. Wir versäumten nicht, nach allen 
Kräften uns heraus zu arbeiten, hingen das Steuerruder ein und brach- 
ten Segel bei. Diese und alles Tauwerk waren gefroren, wir hatten 
also dabei unglaubliche Arbeit. 

„Am 19. Morgens kamen wir endlich aus der schweren Besetzung 
heraus. Mittags lief ich mit dem „wachenden Kranich” etwas gegen 
Süden. Es wehte ein starker Sturm aus Norden bei hoher Seebewe- 
gung aus Westen; beide Schiffe wurden öfter unter grösster Gefahr 
von einer Eisscholle an die andere geworfen, so dass wir sie an einer 
treibenden Eisscholle fest machen mussten. Den 20. Morgens befanden 
wir uns auf der Höhe von 68° 45’, der Nordwind erhob sich noch 
stärker, die hohen Wellen der See gingen aus Westen entgegen und 
wir hatten heftige Stösse auszustehen. Mein Schiff blieb indessen dicht, 
nur die Ruderpinne ward zerbrochen und mein Eisbrecher von dem 
Vorsteven gänzlich abgerissen. Es war noch immer Frost und der Tag 
nur etwa 4 Stunden lang. Abends glaubten wir, dass wir in offener See 
wären, liessen unser Schiff treiben und es waren noch alle drei Schiffe 
beisammen. Am 21. des Morgens sah ich meinen Kameraden, den 


“ „wachenden Kranich”, nicht mehr, wohl aber noch den Kommandeur 


Freerk Broersen, welcher sein Schiff gegen Nordwesten antreiben liess, 
da ich hingegen gegen Südosten aus dem Eise heraussegelte. Ob er 
diess vielleicht aus Noth gethan, weil sein Schiff schon vorher etwas 
leck war und er es vielleicht deswegen auf der einen Seite halten 
musste, kann ich nicht beurtheilen. Es war keine Möglichkeit, zu ihm 
zu kommen, weil es sehr stürmisch war, auch die Nacht schon wieder 
herannahte, ‚weswegen ich mit einem Fock-, Besan- und grossen Mast- 
Segel meinen Lauf verfolgte. Den 22. schätzte ich, 6° 45’ Länge und 
67° 45’ Breite zu haben. Das Wetter war gut, daher beschloss ich, 
meine Fahrt gerade nach Hause fortzusetzen, und brachte zu dem Ende 
mehr Segel bei. Da Alles gefroren war, hatten wir sehr saure Arbeit 
damit, die Segel beizubringen und die Beschädigungen auf dem Schiffe 
wieder herzustellen, doch rechneten wir, in 24 Stunden 17 Meilen rein 
gesegelt zu haben. Um desto mehr sorgte ich nun für meine Leute 
und verordnete, dass täglich wiederum drei warme Mahlzeiten gehalten 
wurden. Sie hatten noch alle Brod von der letzten Austheilung und 
einige, die gut gewirthschaftet hatten, waren noch sehr reichlich da- 
mit versehen. Am 23. ward das Wetter gut, der Wind Südsüdwest, 
unsere Länge auf 7? 30', die Breite auf 67° geschätzt. Wir bekamen 
ein Leck am Backbord (an der linken Seite des Schiffes), weshalb wir, 
um das Schiff wasserfrei zu erhalten, beständig eine Pumpe gehen lassen 
mussten. 

„Am Morgen des 25. heftiger Südsüdost-Sturm, so dass alle un- 
sere Segel fortgingen, eine unter dem sogenannten Galgen hängende 
Schaluppe von den über das Schiff hinschlagenden hohen Wellen ab- 
gerissen, zwei Schaluppen auf dem Verdeck in Stücke zerschlagen und 
dabei die Bolzen, womit sie auf demselben befestigt waren, theils zer- 
brochen, theils herausgezogen wurden. Ich schätzte unsere dermalige 
Länge auf 10° 30’ und die Breite auf 66° 48'. Den 26. und 27. dauerte 
der Sturm aus Nordnordwesten fort. Wir trieben vor einem Besan, weil 
wir bei solchem Wetter keine Segel mehr beibringen konnten. Den 28. 


erlaubte uns 'ein des Morgens aus Südosten, Mittags aus Nordnord- 


westen, Abends aus Nordosten gehender mässiger Wind, mehrere Segel 
beizubringen. Wir schätzten unsere Breite auf 64° 40', die Länge auf 12°. 
Am 29. hatten wir gutes Wetter mit beyuemem Winde, kamen etwa 
20 Meilen fort, auf die Breite von 63° 45’ und die Länge von 14° 30’, 
segelten den 30. ungefähr 24 Meilen bei steifem Winde und schätzten 
nunmehr unsere Länge auf 16° 30', die Breite auf 61° 30'. Der 1. De- 
zember brachte uns nach der geschätzten Länge von 17°, Breite von 59° 
20’ in die Nordsee. Ich liess die Taue in die Anker bringen und hatte 
den 2. Nordnordwest-Wind mit Regen, doch mitunter so gutes Wetter, 
dass ich zum ersten Mal wieder eine feste Sonnenhöhe von 57° 47' 
nehmen konnte, wobei ich die Länge auf 18° 30' berechnete. Wir 
hatten auch die Freude, drei Schiffe in der See zu sehen. Den 3. lie- 
fen wir über den Doggers-Sand hin, fanden 21 bis 22 Faden Tiefe, 
55° 48' Minuten Breite, 19° Länge und am 4. mit südlichem Winde 
bei gutem Wetter etwa 22 Faden Wasser, eine Breite von 54° 15’ und 
eine Länge von 22° 30'.- _ 

„Den 5. des Morgens sahen wir voll Freuden das Feuer von Hel- 


goland. Um Mittag kam eine Fischerschaluppe von Helgoland an Bord, 
welche ich mit einem Briefe an meinen Schiffspatron, Herrn Berend 
Roosen, abfertigte; Abends ging ich zwischen Helgoland und der Elbe 
auf 94 Faden Tiefe vor Anker. Den 6. nahm ich zwei Helgoländer 
Lootsen an Bord, lichtete die Anker und kam Abends vor die Mündung 
der Elbe. Den 7. des Morgens erreichten wir die Elbe, gingen Abends 
bei Freiburg vor Anker, segelten den 8. bis Glückstadt und mussten 
widrigen Windes und des abgehenden Treibeises wegen vom 9. bis zum 
12. stille liegen. Den 13. ging der Wind nach Westen um. Ich liess 
um 1 Uhr Mittags die Anker lichten und kam, unerachtet bei Witten- 
berg und Schulau uns sehr vieles Eis entgegen trieb, dennoch Abends 
um 6 Uhr wohlbehalten vor Hamburg an, nachdem ich just 8 Monate 
auf meiner, obwohl beschwerlichen, dennoch gesegneten und durch Got- 
tes Güte wohl ausgeschlagenen Reise zugebracht hatte. Meine Mann- 
schaft war, Gott Lob! sämmtlich gesund. 

„Als wir auf die Elbe kamen, hatten wir noch Brod und einen guten 
Vorrath von Fleisch, Stockfisch, Erbsen und anderen gewöhnlichen Schiffs- 
viktualien. Mein Schiffsvolk, welches nunmehr für 7 Monate Monats- 
gelder und für vierzehn Fische Fischgelder zu empfangen hatte, ward noch 
denselben Abend abgelohnt und ging mitlautem Jubelgeschrei von Bord. 
Sehon seit einiger Zeit hatten sie ihre Freude laut geäussert und durch 
Hurrahs die Freudenbezeugungen erwiedert, welche man’ uns auf dem 
Elbstrome häufig erwies. Denn die Schiffe, welche uns begegneten, 
und die Menschen an den Ufern, welche uns aufkommen sahen, bewill- 
kommten uns mit Zurufen, Freudenschüssen und dem Aufhissen von 
Flaggen, um ihren herzlichen Antheil an unserer Errettung zu be- 
zeugen. 

„In Hamburg vernahm ich zwar mit Vergnügen, dass das oft ge- 
dachte vierte Schiff des Kommandeurs Freerk Pieters, welches wir am 
5. Oktober aus dem Gesichte verloren, glücklich in Holland eingetroffen 
sei (nach „De Walvischvangst”, Theil IV, S. 17, kam das Schiff „De 
Vrouwe Maria”, Kommandeur Frederich Pieters, am 16. November aus der 
Besetzung und, nachdem es viele Gefahren überstanden, am 5. Dezember 
glücklich in Texel an), hätte aber geglaubt, meinen Kameraden, „den 
wachenden Kranich”, welcher vermuthlich eher als ich aus dem Eise 
kam, schon vorzufinden. Ob die Hand Gottes, die uns wider alles Ver- 
muthen errettet, auch ihn nebst dem Kommandeur Broersen zurück- 
führen werde, müssen wir erwarten. Gefahr haben sie gewiss genug 
gehabt. Es ist kaum glaublich, dass ein Schiff solche Gewalt ausstehen - 
könne, als wir von den durch Sturm und Wellen auf uns geworfenen 
Eisschollen gelitten haben. Nur gar zu oft glaubten wir den letzten 
Stoss empfangen zu haben. Hierzu kam die von Nebeln begleitete 
fürehterliche Kälte, welche uns kaum verstattete, die Hand an Etwi 
zu legen, auch war Alles, was man nur anfasste, Eis. Die Kälte war 
im November so gross, dass alle Nathen oder Fugen im Obertheile 
des Schiffes sich öffneten, und zwar mit einem Knalle, der einem 
Pistolenschuss gleich war, so dass wir oft meinten, das ganze Schiff 
würde aus einander bersten. Diese offenen Nathen waren nachher, als 
wir wieder ins Wasser kamen, eben so viele Lecke, die sich aber, als 
unser Schiff allenthalben von Wasser umgeben ward, von selbst wieder 
zusammenzogen. Bei dieser grossen Kälte, in welcher auch alle inne- 
ren Wände des Schiffes durchaus mit Eis überzogen wurden, ingleichen 
alle unsere Wassergefässe zu Grunde ausfroren, machte ich meinen 
Leuten Zwischendecks-Verkleidungen von unseren Segeln, wodurch die 
Kälte doch so weit abgehalten ward, dass sie sich darinnen bergen 
konnten. Indess gefror selbst in der Küche Alles, obgleich bei noch 
ansehnlichem Holzvorrath darin beständig Feuer gehalten ward. Als 
etwas Sonderbares muss ich noch bemerken, dass wir in der ganzen 
Zeit, die wir im Eise zubrachten, kein Nordlicht sahen. Das erste er- 
bliekten wir wiederum, als wir in die offene See kamen. Sonst hatten 
wir sehr starkes sogenanntes Eisblinken und der Mondsehbein war viel 
heller, als er bei uns gewöhnlich ist. Die Sterne erschienen uns immer 
feuerroth, ohne Zweifel von dem Nebel, welcher nie gänzlich verging, 
wenn auch das Wetter hell war. Die Sonne erschien immer gross, wie 
es der Fall ist, wenn sie dem Horizonte nahe ist, doch nur bleich und 
nie so roth wie die Sterne. 

„Die höchste erreichte Breite war den 12. Mai, nämlich 79° 30'”, 


Fahrt und Abenteuer des Hamburger Schiffes „Sara 
Cecilia” 1777. — Ein dritter Bericht ist die „Wahrhafte 
Nachricht von den im Jahre 1777 auf den Walfischfang 
nach Grönland abgegangenen und daselbst verunglückten 
fünf Hamburger Schiffen, gezogen aus dem Journal des 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 49 


Küpers Jürgen Röper auf dem Schiffe genannt Sara Cecilia, 
Kommandeur Hans Pieters. Altona 1778”. 


„Anno 1777, den 14. März, gingen wir mit oben benannten Schif- 
__ fen nebst verschiedenen anderen Seglern von der Elbe in die See und 
setzten unseren Kurs nach dem Orte unserer Bestimmung fort, bis wir 
endlich an und in dem Eise nach der Gegend von Spitzbergen gelang- 
ten, wobei keine sonderlichen Vorfälle sich zutrugen. lm Monat Juni, 
ungefähr gegen den Johannistag, geriethen wir im Gesicht des Landes 
Geel Hamkes in Gesellschaft vom 27 Schiffen verschiedener Nationen 
in Besetzung und blieben ohne merkliche Veränderung bis den 29. Juli 
insgesammt liegen. An diesem Tage verspürten wir bei stillem Winde 
einen entsetzlichen Druck des Eises an unserm Schiffe, so dass wir in 
Gefahr waren, solches zu verlieren. — Im Anfang des August öffnete sich 
das Eis einigermaassen um und neben uns. Wir waren daher bemüht, 
vermittelst der Schaluppen und Ziehen mit dem Tauwerk das Schiff 
aus der Besetzung zu bringen, welches in dem Gesichte von Island ge- 
schalı, es wollte aber unser Vorhaben nicht gelingen. Wir verloren bei 
dieser Begebenheit die meisten mit uns in Besetzung gewesenen Schiffe 
aus den Augen, nur blieben ünser Schiff nebst vier anderen Hamburgern, 
nämlich dem „Jakobus”, „Die zwei Hermanns”, „Frau Clara’ und dem 
„Mereurius”, bei einander liegen. 

„Am 20. des gedachten Monats gingen bei einem heftigen Sturme, 
durch die Dünung des Eises, die beiden Schiffe „Jakobus’” und „Die 
zwei Hermanns’ verloren und unser Schiff bekam dadurch eine grosse 
Öffnung an der Steuerbords-Seite und es zerbrachen zwei Kniee im 
Raum; nichts desto weniger bekamen wir von den beiden verunglückten 
Schiffen einige Mannschaft an Bord und wurden daher mit den Unseri- 
gen 70 Mann stark. Wir hatten also diesen Tag genug zu schaffen, 
dureh beständiges Pumpen unser Schiff vom Wasser leer zu halten, 
und arbeiteten sowohl diesen Tag als den folgenden, die Schaluppen, 
Lebensmittel und Güter auf dem Eise in Sicherheit zu bringen. Andere 
aber waren beschäftist, die Öffnungen am Schiffe wieder dieht zu machen. 
Wir kamen auch damit so weit, dass wir die aus dem Schiffe gesetzten 
Güter am 22. wieder übernehmen konnten. Unser Kommandeur wurde 
von Sorgen und Grämen, auch durch den schon vor einiger Zeit auf- 
getretenen Skorbut, von Tag zu Tag immer schlechter, bis er endlich 
an dieser seiner Krankheit am 20. September des Mittags zu unserer 
allseitigen Betrübniss seinen Geist aufgab. . 

„Wir trieben also mit dem Schiffe im Eise nebst den zwei übri- 
gen, hatten bis den 30. desselben Monats immer Geel Hamkes und 
Island westwärts hin im Gesichte. An diesem Tage entstand ein hef- 
tiger Wind aus Osten und gingen damit alle drei Schiffe auf einmal ver- 
loren, wodurch unsere Noth den Anfang nahm. Wir brachten von un- 
serm verlorenen Schiffe alle Schaluppen, Lebensmittel und Güter, so 
viel nur immer möglich war, auf das Eis und weil wir nicht weit von 
der offenen See entfernt waren, so bemühten wir uns, eine Schaluppe 
mit einer Tonne Brod und einem Fässchen Butter eiswärts einzubrin- 
gen, und redeten dem übrigen Volke zu, unserm Beispiele zu folgen; 
aber es half hier bei ihnen keine Vorstellung noch Bitten, sondern sie 
blieben bei dem Gute und den Lebensmitteln liegen, sonst hätten wir 
weit mehr Schaluppen und andere Nothwendigkeiten retten können, 
welches ihre Widerspenstigkeit verhinderte. 

„Die Dünung des Wassers war so ausserordentlich, dass wir bei 
unseren geborgenen Schaluppen, an die 60 Mann stark, die folgende 
Nacht auf dem Eise im Wasser stehen mussten, und hatten unaufhör- 
lich Nichts als unsern Tod vor Augen. Tags darauf, den 1. Oktober, 
_ wurden wir noch eine Sehaluppe im Eise gewahr, es begaben sich 
einige Leute von uns, um selbige zu holen, dahin, aber im Hingehen 
hatten zwei von ihnen das Unglück zu ertrinken, die übrigen kamen 
mit der Schaluppe wieder zu uns. Wir waren auf verschiedene Schol- 
len Eis vertheilt und bei diesen beiden Schaluppen befanden sich in 
Allem 21 Mann. Den 2. erblickten wir noch eine Schaluppe in offe- 
nem Wasser. Wir bemühten uns, mit den beiden Schaluppen dahin 
zu kommen, fanden aber, dass dieselbe in Stücken und unbrauchbar 
war, und da wir wegen eines entstandenen Windes aus Ostnordost 
nicht wieder auf das Eis gehen konnten, mussten wir die ganze Nacht 
in See verweilen, wobei wir einen Mann verloren. Am andern Morgen 
wollten wir wiederum nach den Hinterlassenen zurück, konnten aber keine 
Öffnung im Eise finden. Wir segelten also am 3., so wie das Eis trieb, 
neben demselben, auch zuweilen in gefundenen Öffnungen zwischen dem 
Eise, um wieder zu den unserigen Zurückgebliebenen hin zu gelangen; 
es war aber durchaus unmöglich, und sie konnten gleichfalls nicht zu 
uns kommen, obgleich wir ihnen durch Rufen und Schreien solches 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


zu erkennen gaben, bis wir sie endlich gar vermissten. Da wir aber 
am 5. nicht weiterim Wasser fortkommen konnten, bemühten wir uns, 
gegen Abend die Schaluppen auf das Eis zu bringen. Am 6. waren 
wir geschäftig, die Schaluppen von einer Eisscholle auf die andere 
fortzuschleppen, um nach dem Lande, welches wir immer im Gesichte 
hatten, zu gelangen. Wir waren aber durch unendliche Arbeit, Hunger, 
Kälte und schlaflose Nächte dergestalt abgemattet, dass wir solches 
unterlassen mussten. Auch waren die Schaluppen schon durch das 
Auf- und Abbringen so sehr beschädigt, dass wir sie fernerhin nicht 
mehr im Wasser gebrauchen konnten. — Den 8. begaben sich acht 
Mann von uns weg, um einen Versuch anzustellen, das Land zu errei- 
chen, welches Unternehmen ihnen auch gelang. Sie sind daher die Ur- 
sache gewesen, dass die sogenannten Wilden, bei welchen sie angelandet, 
uns Übrige nachher aufsuchen liessen.” 

Landung der Schiffbrüchigen von der „Sara Cecilia” in Grön- 
land. — „Den 9. Okt. gingen wir Zurückgebliebenen von den Schaluppen 
ab nach dem Lande zu und erreichten am dritten Tage, den 11., eine 
in der See gelegene ziemlich hohe Klippe, allwo wir aus Mangel aller 
natürlichen Speisen von Muscheln, Kräutern und kleinen Beeren, den 
hiesigen Wachholderbeeren gleich, zwölf Tage lang unser Leben auf- 
halten und des Nachts zum Schlafen solche Örter an den Felsen suchen 
mussten, wo wir, von Schnee und Wind befreit, schlafen konnten. 

„Den 23. des Morgens um 10 Uhr kam ein wilder Mann mit sei- 
nem kleinen Schuitehen zu uns gerudert, er konnte aber so wenig un- 
sere Sprache als wir die seinige verstehen, doch gab er uns mit Deuten 
und Zeichen zu erkennen, dass er wieder kommen und uns abholen 
wolle, kam auch gegen Abend mit zwei von ihren Schuiten, deren sich 
ihre Frauen bedienen, zurück. Die Frauen ruderten, in jeder Schuite 
war ein Mann, der das Steuer regierte. Wir stiegen also in Gottes 
Namen zu ihnen, in jede Schuite sechs Mann, und kamen darauf meiner 
Meinung nach an die Insel Kap Farwel um 10 Uhr glücklich an. Wir 
waren von Hunger und Kälte so sehr abgemattet, dass wir nicht nach 
ihren Wohnungen hinzugehen vermögend waren, sondern wurden vielmehr 
von den Frauen einer nach dem andern dahin getragen. Sie bewirthe- 
ten uns darauf mit ihrer gewöhnlichen Speise, nämlich Robbenfleisch 
und Speck, und anstatt des Brodes mit kleinen getrockneten Fischen. 
Wir stillten so viel wie möglich unsern Hunger und schliefen darauf die 
Nacht ziemlich ruhig. Den folgenden Morgen wurden wir von einem 
Herrnhutischen Mann, der von Sr. Königl. Majestät von Dänemark sei- 
ner Rede nach beordert war, die dortigen Heiden zum christlichen 
Glauben zu bringen, nach seiner Wohnung hin genöthigt. Er labte uns 
mit Kaffee und etwas Grütze und wiederholte solches jeden Morgen 
unseres Aufenthalts daselbst, gleichwie er die acht Mann, welche vor- 
hin von den Unserigen allda angekommen, bewirthet hatte. Die un- 
gewohnte Kost der Wilden war zwar anfänglich uns sehr zuwider, es 
versüsste uns aber der Hunger die ekelhafte Speise und wir wurden 
ihrer nach und nach gewohnt. Allein der Vorrath, welchen die Leute 
davon hatten, war nicht zureichend, so viel fremde Gäste in die Länge 
damit zu versorgen, wenn sie nicht am Ende selbst mit den Ihrigen 
Mangelleiden wollten, weshalb wir uns gefallen lassen mussten, nachdem 
wir uns zwei Tage bei ihnen aufgehalten hatten, von ihnen nach einer 
andern Insel, die einige Meilen von ihnen abgelegen war, mit ihren 
Schuiten gebracht zu werden. Auf dieser Insel, Julianen Hoop, war 
eine kleine Dänische Kolonie, allwo wir aus Mangel an Lebensmitteln 
nieht länger als einen Tag verweilen konnten. Von da wurden wir von 
den dortigen Wilden, so zu sagen, stationsweise von dem einen Orte 
zu dem andern fortgebracht, bis wir endlich in der 50 Meilen weit 
entfernten Kolonie Friedrich’s Hoop kurz vor dem Weihnachtsfeste an- 
kamen. 

„Auf dieser langen, beschwerlichen Wasserfahrt lebten wir bestän- 
dig in grosser Noth und Elend und waren die meisten Wilden, die uns 
transportiren mussten, äusserst verdrossene Leute und sehr kärglich - 
mit ihrer Speise, so dass wir das Robbenfleisch und den Speck, ingleiehen 
das Fleisch von ihren geschlachteten Landhunden mit unseren Kleidern 
vom Leibe austauschen und auf das Theuerste von ihnen kaufen muss- 
ten, wodurch es denn geschah, dass wir fast nackt und bloss in dieser 
Kolonie ankamen. Hier veränderten sich einigermaassen unsere Lebens- 
art und Umstände. Denn wir erhielten nunmehr gleich Anfangs ein 
Jeder zu zwei Hemden Leinwand und, um unsern Leib zu bekleiden, 
sieben Robbenfelle nebst zwei Paar wollenen Strümpfen. Die Hemden 
mussten die wilden Frauen nähen und aus den erhaltenen Fellen Stie- 
feln, Hosen und Rock oder, wie sie es nennen, Koppeldeck verfertigen, 
und damit dieselben uns nicht lange damit aufhalten möchten, so mun- 
terten wir sie mit Tabak, welchen wir aus der Kolonie bekamen, zu 
fleissiger Arbeit auf. Zur benöthigten Speise bekamen wir während 


7 


50 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


der Zeit unseres Hierseins wöchentlich der Mann 4 Pfund Roggen-Hart- 
brod, 4 Pfund Schweinespeck, 1 Pfund Schaffleisch nebst etwas Grütze 
und Erbsen, womit wir zur Noth unsern Leib erhalten konnten. 

„In dieser Kolonie waren wir also von Weihnachten 1777 an 
bis zum 7. April 1778, an welchem Tage wir mit einem von da nach 
Kopenhagen bestimmten Schiffe, kommandirt durch Kapitän Jakob Jür- 
gen List, abgingen und wegen eines in See erhaltenen Lecks mit gött- 
licher Hülfe zu Bergen in Norwegen am 15. Mai glücklich anlandeten.”” 


Verschiedene Grönländer Schiffs- Nachrichten. — End- 
lich theile ich eine Zusammenstellung aus den Grönländer 
Schiffs-Nachrichten aus älterer Zeit mit, so weit ich solche 
‚habe zusammenbringen können. Ich gebe dieselben in 
ihrer ursprünglichen chronikartigen Form. 

Im Jahre 1690, gegen die Zurückkunft der Grönlands- 
fahrer, legte sich der Französische Freibeuter Jean Bart 
vor die Elbe und hielt neun Schiffe an, von denen er die 
Kommandeure wegnahm, bis sie sich ranzionirt hatten. Die 
Ranzion betrug 106.500 Mark. 

Im Jahre 1694 gingen die Hamburger Schiffe unter 
Bedeckung des Convoy-Schiffes, Kapitän Michael Schröder, 
und zahlten dafür 15.000 Mark. Die Bedeckung erhielten 
sie auch in den beiden folgenden Jahren gegen gleiche Ver- 
gütung. 

Im Jahre 1697 wurden die Hamburger Schiffe von bei- 
den Hamburger Convoyen unter den Kapitänen Kaspar Tamm 
und Michael Schröder bis nach Grönland und zurück be- 
deckt. Für Convoy-Geld wurde dem ersten 15.000 Mark, 
dem zweiten 36.000 Mark bezahlt. Die 54 Hamburger 
und 15 Bremer Schiffe kehrten mit reichem Fange heim. 

Im Jahre 1702 gingen die Hamburger Schiffe ohne 
Convoy aus, wurden aber bei ihrer Zurückkunft von Kapi- 
tän Schröder bedeckt. 

1705 kamen die Hamburger und Bremer Schiffe unter 
Holländischer Convoy nach Hause. Das Schiff „Endracht”, 
Rheder P. Löning, Kommandeur Johann Meyer, beladen 
mit 17 oder 19 Fischen, gab sich vor der Weser von der 
Convoy ab, wurde von den Franzosen genommen und zu 
Dieppe aufgebracht. 

Im Jahre 1724 wurden zwei Schiffe von Hamburg nach 
Island bestimmt, wovon eines ledig zurückkam und das 
andere einen Fisch und 35 Fass Speck hatte. 

Im Jahre 1725 brachte das Bremer Schiff „Der Bloom- 
pott”, Kommandeur D. Tegeler, Directeur J. B. Müllhausen, 
einen „Combaers” (Cambaers) !), wovon ein Holländischer 
Kommandeur den halben Antheil prätendirte; es kam zum 
Prozess, der „Bloompott”’” wurde im Hafen mit Arrest be- 
legt, wo er bis 1743 lag und dann als unnütz weggebracht 
und geschleift wurde. 


!) Ich habe nieht auffinden können, welche Art von Thranthieren 
bei den Fischern diesen Namen führte, doch war es jedenfalls eine 
kleinere Art von Walfisch, vielleicht Delphinus Tursio, der neben dem 
mysticetus noch jetzt Gegenstand unserer Fischerei ist. 


1726 wird berichtet, dass das Eis sehr stark gewesen 
sei. 20 Schiffe wurden vom Eise besetzt und 40 bis 
50 Meilen vertrieben. Die meisten haben am 2. und 
3. August eine Öffnung gefunden und sich aus dem Eise 
herausgearbeitet, zwei Hamburger aber sind sitzen geblie- 
ben und mit aller Mannschaft verunglückt. 

1741. Das Hamburger Grönlands-Schiff „Die Martha” 
wurde am 10. November zu 3600 Thaler und die „Katha- 
rina Maria” zu 2300 Thaler verkauft. 

Das Bremer Schiff „Wapen von Bremen”, Kommandeur 
Köper, Directeur Müllhausen, ist am 6. Januar 1752 an der 
Thranbrennerei vom Stapel gelassen, kostete frei in Sce circa 
18.000 Thaler und ist 1755 für 2000 Thaler verkauft; es 
wurde durch Martin Menke gebaut und war so rank, dass 
es keinen Fisch überwinden konnte, es wurden Taschen 
daran gemacht, um es einigermaassen dienstbar zu machen, 

Das Schiff „Wapen von Bremen” konnte 1753 nicht über 
die „Egge nach Ronnebeck” kommen, blieb bis zum 7. Mai 
sitzen und kam erst am 16. Mai in See. Es brachte doch 
noch drei Fische zurück. 

In den Jahren 1761 bis 1764 ist von Bremen keine 
Fahrt nach Grönland gewesen. 

Das Schiff „Der Roland” wurde im September 1773 
unter Jütland von einem Sturme befallen, in welchem es 
sein Fleth und zwei Anker verlor, demnach vor Wrack in 
Husum eingebracht, von wo es am 23. Oktober auf der 
Weser ankam, hatte mit einem Schiffe „von der Oost” einen 
Fisch gefangen, davon Lambke, der Kommandeur, die Hälfte 
der Barten brachte, der Thran aber des ganzen Fisches war 
in dem Ooster Schiffe. 

Das Bremer Schiff „Argus”, Kommandeur Jan Mangels, 
Directeur Br. Seekamp, war verdoppelt, hatte aber, als es 
in See kam, ein offenes Leck, so dass sie die ganze Reise 
pumpen mussten. 

Den 15. April 1780 verlor dasselbe Schiff zwei Scha- 
luppen im Eise, weshalb es nach Hause zu kommen genöthigt 
war. Weil die Frachten hoch waren, fuhr der „Argus” 
auf Kauffahrtei. Das Bremer Schiff „Der Roland” war ein 
altes fuhrenes Schiff mit einer Eichenhaut. "Als es nach 
dem Hafen gebracht werden sollte, kam es am 3. Oktober 
unweit der Marckgeeren an der Stedinger Seite auf Grund, 
„zerbrach den Rücken” und sank. „Der Rumpf wurde für 
36 Thaler verkauft, es konnte aber wenig herausgebracht 
werden.” 

Jan Backer, Kommandeur der „Lucia Margreta”, Direc- 
teur J. & D. Lankenau in Bremen, hatte, nach den Aus- 
sagen verschiedener seiner Offiziere, sich auf der Reise nicht 
wohl betragen, einige sagten, er wäre krank, andere, dass 
er berauscht gewesen, die meiste Zeit sei er in der Kajüte 
gewesen und habe Niemandem das Kommando übergeben, das 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 51 


Schiff sei nicht weit genug und zwar nur vom 16. Mai 
bis zum 16. Juni im Eise gewesen, und also sei das Volk 
in Unthätigkeit geblieben. 
abgesetzt. 

Das Bremer Schiff „Lucia Margreta”, Kommandeur 


Er wurde von der Rhederei 


J. Mangels, Directeur D. Lankenau, kam am 13. März 
1787 wegen Sturmes mit einem Leck zurück und wurde 
gekielholt. Der Kommandeur Jan Mangels wurde abgesetzt 
und statt seiner Dierk Gleistein zum Kommandeur ernannt. 
Mit ihm ging das Schiff am 10. April wieder in See. Die 
Havarie betrug circa 1400 Thaler. Am 31. Juli kam es 
zurück ohne irgend einen Fang. 

Das Schiff „Der Morgenstern”, Directeur Schröder und 
Dorbeck in Bremen, Kommandeur Jan Jessen, hatte bei 
Bergen einen heftigen Sturm gehabt, wodurch es das Bug- 
spriet und alle Masten verloren hatte. Es lief in Glück- 
stadt am 14. März ein, wurde daselbst reparirt und ging 
am 8. April wieder in See. 
6000 Thaler. Dagegen betrug der Werth des von dem 
Schiffe heimgebrachten Segens 9541 Thaler 65 Groten. 

Das Schiff „Der verguldete Robbe”, Kommandeur Henr. 
Jaborg, hatte in einem Sturme seine vier Schaluppen ver- 


Die Havarie betrug circa 


loren, es kam am 18. März auf die Weser zurück, nahm 
vier neue Schaluppen wieder an Bord, ging den 12. April 
wieder in See und kehrte am 31. Juli leer wieder zurück. 

Das Bremer Schiff „Der verguldete Walfisch” litt im 
Eise einen so heftigen Stoss am Boeg, dass die ganze Reise 
über gepumpt werden musste und das Schiff mit genauer 
Noth wieder auf der Weser ankam. Der Kommandeur er- 
klärte sogleich, dass er mit diesem Schiff nicht wieder nach 
Grönland fahren wolle, und bei genauer Untersuchung wurde 
es auch für untüchtig befunden, daher beschloss die Rhe- 
derei, weil kein taugliches Schiff zum Grönlandsfahrer zu 
kaufen sei, ein neues bauen zu lassen. Es wurde demnach 
mit dem Zimmermeister Janssen ein Kontrakt geschlossen, 
worin er versprach, im November 1797 einen Rumpf von 
eirca 230 Lasten zu liefern, wogegen ihm die Rhederei 
9700 Reichsthaler ausgelobte. Weil aber das Schiff nicht 
zeitig genug fertig wurde, so konnte es Anno 1797 nicht 
nach Grönland kommen. 

Das Bremer Schiff „Endracht” wurde im Jahre 1799 zu 
18.500 Thaler verkauft und sollte zu einer Unternehmung 
nach West-Indien gebraucht werden, das Fleth aber behielt 
die Rhederei. 
schlug sich und es machte unter dem Namen „Visurgis” 


Die Unternehmung für dieses Schiff zer- 


eine Reise nach Ost-Indien, danach wurde es wieder zu 
einem Grönlandsfahrer eingerichtet und ging 1803 nach 
Grönland. 

Aus alten Schiffs- Journalen von Grönlandsfahrern. — 
An diese bunte Auswahl Grönländischer Sehifts - Nach- 


richten möge sich noch ein Blick in einige alte Schifts-Jour- 
nale schliessen, welche, in Familienpapieren wohl verwahrt, 
mir durch die freundliche Vermittelung des Herrn Pastor 
Frerks zu St. Johann, Wyk auf Föhr, zugänglich gemacht 
wurden. 

Es sind zuerst die Journale „gehalten von dem Kom- 
mandeur !) Volckert Boysen auf dem von Hamburg fahren- 
den Schiffe „De Sanct Peter”, datirend aus den Jahren 
17725 1773, 1774, 1776, 1777, 1783, 1784, 1785 und 
1786”. Sie sind sauber und in einer äusserst acceuraten 
Handschrift geführt, und was in damaliger Zeit ein See- 
mann beobachten konnte, das Alles ist wohl hier getreulich 
zu Buch gebracht. Wie auch jetzt noch geschieht, pfleg- 
ten die Rheder ihr Schiff bei der Abfahrt noch eine Strecke 
zu begleiten. „Des Nachmittags den 2. April 1772 kam 
Herr Rowohl junior mit zwei Anderen bei uns an Bord und 
segelten von Hamburg mit uns, die Glocke 4 fuhren sie 
wieder neben Neuenstädten von Bord. Des Abends gegen 
Sonnenuntergang kamen wir zu Twielenfleth zu Anker. 
Am 4. ging das Schiff bei Freiburg zu Anker.” Am 6. 
heisst es: „Die Glocke 9 waren schon Coxhafen vorbei. 
Hatten recht schön Wetter, die Glocke 11 fuhr uns Loets 
ans Schiff, 1 Stund darnach passirten die Rothe Ton. Gott 
gebe zu dieser Reise sein Glück und Segen und erhalte 
uns alle bei Gesundheit, dass wir hier vergnügt wieder 
anlangen mögen!” Dergleichen fromme Stossgebete und 
Seufzer des gewiss in seinem innersten Herzen braven, 
gottesfürchtigen Seemannes nehmen sich im Journal doch 
zuweilen sonderbar aus, wenn es nachher gleich heisst: 
„Schossen in der Geschwindigkeit einen Fisch fest”, oder: 
„Der Fisch lieferte so und so viel Heele und Piepjes Speck. 
Gott segne unsern Fischfang weiter!” 

Nächst den Angaben über den Zug des Schiffes füllen 
die Bemerkungen über Wind, Wetter, Segelstellung, See- 
gang und Eis das Tagebuch. Durch Überschriften sind 
die einzelnen Journale eingetheilt: „Auf die Hinreise nach 
Grohnland. In die Nordsee. In die Spanische See & Trächter. 
In Grohnland in’s Eiss (loss Eis, Süd-Eis, West-Eis). Neben 
oder bei Spitzbergen. Aussen vor’s Eis. Auf die zu Hause 
Reyss von Grohnland”. Charakteristisch sind die (zum 
Theil Holländischen) Ausdrücke für die Wetter-Erscheinun- 


!) Klefeker in seiner Sammlung der Hamburger Gesetze und Ver- 
fassungen, 1769, erklärt die Wahl des Wortes „Kommandeur’” anstatt 
„Schiffer” (Kapitän) so: Die Schiffer auf hansestädtischen Schiffen 
mussten das Bürgerrecht gewinnen. Eine Ausnahme hiervon wurde bei 
den Grönlandsfahrern gemacht. Sie waren meist Schleswiger, kamen 
jedes Jahr für die Grönlands-Fahrt nach Hamburg und kehrten nach 
vollbrachter Reise in ihre Heimath zurück. Sie wurden in den See- 
pässen nicht Schiffer, sondern Kommandeur (praefectus) genannt. Später 
verfügte der Hamburger Senat, dass sie gegen angelobte Treue in Hand- 
schlag und Schutz genommen würden, und sie wurden nun in den Ham- 
burger Seepässen „dieser Stadt Einwohner und Unterthanen’”’ genannt. 


7* 


52 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


gen, von welchen noch jetzt manche gäng und gäbe sind, 
z. B.: der Wind war westlich mit geil Sonnenschein, hand- 
sames Wetter, stiltjes, frische Kolte, flaue Kolte. Hatten ein 
klein Lochtje aus Süden. Des Mittags gings Lochtje nach 
Westen um (Windje, Wassertje. Der Wind schraelte 
zum Nordosten. Der Wind schamfielte (scheuerte) zum 
Westen. Der Wind krump ganz zum Nordnordwesten um. 
Es war mistiges, dunkelhaftiges Wetter. Hatten billig gut 
Wetter. Es wurde gewaltig dick mit einer starken Schnee- 
jagd. Es wehte einen grossen Sturm. Es wurde büig. 
Flammige (schneetlammige) Luft. Kriegten ein klein Blinkje. 
Schneejagdiges, schneebrockiges Wetter. Es wehte einen 
ganzen Sturm. Dann die Ausdrücke in Beziehung auf die 
Lage und Beschaffenheit des Eises, die Schifffahrt und 
Fischerei, z. B.: Vollhandig Eis, Packen-Eis be Oosten vor 
uns. Bald kamen sie „in ein gross Räumte”, bald „avan- 
eirten” sie wieder langsam, weil sie zu Zeiten Eisdämme 
durehbohren mussten (die Boote voran, das Schiff hinterher 
geschleppt). 

Terminologie der Grönlandsfahrer in Bezug auf Eis und 
Wetter. — Die Ausdrücke Eisknollen, Bai-Eis, Packeneis, 
Flarden, Felder, Schotsen führen uns zu einigen Bemerkun- 
gen über die Terminologie der Grönlandsfahrer in Beziehung 
Felder, 
Flarden, Schotsen, loses Eis wurden von den Holländischen 
Ein Eisfeld 
ist eine Eisfläche, die nach Schätzung mindestens einen 


auf Form, Grösse und Beschaffenheit des Eises. 
Fischern nur nach der Grösse unterschieden. 


Umfang von 2% Meilen hat. Flächen, die nicht so gross, 
doch mindestens Y/, Meile im Umfang, hiessen Flarden 
(wiederum in grosse und kleine Flarden unterschieden), 
kleinere Stücke hiessen Schotsen, und diese letzteren ge- 
mischt mit treibenden kleineren Schollen nannten sie loss 
Eis. Die Fischerei an einem grossen, starken Eisfelde 
schildern die Holländer als die „gemakkelykste”; denn wenn 
der Fisch angeschossen sei und unters Eis gehe, müsse er 
bald wieder zum Vorschein kommen, während ein dünnes, 
mit Waken (Löchern im Eise) durchsetztes Feld ihm Ge- 
legenheit biete, unterm Eise von Zeit zu Zeit auftauchend 
zu schwimmen, und auf diese Weise werde die Verfolgung 
des Fisches ausserordentlich erschwert. Das Bai-Eis wer- 
den wir beim Robbenfang noch näher kennen lernen. Die 
Englischen whalers sprechen von einem ice-field, wenn vom 
Krähennest aus die Grenze der Eisfläche nicht erschaut 
werden kann; die floes entsprechen den Flarden, für Schot- 
sen finden wir keinen Englischen Ausdruck, während Sco- 
resby noch eine Reihe anderer Unterscheidungen kennt, 
nämlich brash-icee, Stücke Eis, die kleiner als Treibeis, 
die Fragmente von grösseren Stücken. Sludge nennt er 
den Zustand der See, welcher unmittelbar der Bildung des 
Bai-Eises vorhergeht, oder wenn sie in stürmischer Bewe- 


gung ist. Sie ist dann durchsetzt mit zahllosen kleinen 
Eiskrystallen, Schneeflocken und Resten von brash -ice, 
welches vielleicht am treffendsten mit Brocken-Eis be- 
zeichnet werden könnte. Andere Ausdrücke, wie Pack-Eis, 
Land-Eis, sind bekannt, eben so übergehe ich andere von 
Scoresby angeführte Bezeichnungen, da sie in das eigent- 
liche seemännische Gebiet fallen. — Unser Kommandeur fährt 
fort: „Segelten um ein Pönt (Vorsprung des Eises), machten 
unter die Opper (leewärts) vor ein gross Flard fest. Krieg- 
ten gute Avantür auf Walfische. Sahen ein Loopje Wal- 
fische.” Am 30. Mai 1772 heisst es: „Des Morgens der 
Wind von Südwesten, machten loss und segelten um ein 
Pönt hin, wo wir gleich ziemlich viel Walfische verspürten, 
sahen auch gleich ein quettjen (grossen) Fisch in Ly vor uns, 
waren so glücklich, dass wir da fest anrakten und ihn auch 
binnen ein Glas, Gott sei gedanket! todt hatten, machten uns 
Schiff da ans Feld fest, und als wir in Arbeit waren, uns 
Flens-Gaat klar zu machen, schoss uns Schlup wieder fest, 
welcher Fisch sich aber todt in die erste Harpon lief, muss- 
ten ihn also von die Grund aufwinden und hatten, Gott sei 
gedanket, ihn gegen Abend todt auf die Seite; als wir aber 
damit völlig klar, rakten wieder fest; sobald die Schlupen 
nur von Bord, schoss noch einer von unseren Harponiers 
in em losen (einen bereits durch eine Harpune, die nicht 
mehr in Verbindung mit einem Boot steht, angeschossenen) 
Fisch mehr, welche beide wir auch mit der Geschwindig- 
keit todt hatten. Gott sei von Herzen gedanket für den 
reichen Seegen, so er uns heute verliehen, und lasse es zu 
unserm Nutzen anwenden.” — „Wir hatten”, heisst es öfter, 
„eine schöne oder eine ziemliche oder auch eine billige 
Verthierung von Walfischen”. Öfter sind sie mit 30, 40, 
ja 100 Schiffen, darunter viele Holländer und mancher 
„Engelsmann”. Gegenseitige Besuche (,„Kakauen”) der Kom- 
mandeure finden öfter Statt, wenn Geschäfte und Witterung 
es erlauben. „Wir prajten Jan Ricklefs oder Sev. Andre- 
sen, Jürgen Jürgens, Claas Hoek” (von Bremen, Hamburg, 
Glückstadt, Kopenhagen). Man lässt dem Andern die Goese 
oder das Gösje (die kleine Signalflagge) zuwehen, man 
empfängt gute oder schlechte Zeitung, lässt sich über die 
Fischerei, die Lage des Eises und dergleichen berichten, 
wie natürlich noch heute geschieht. Die Fischerei in Kom- 
pagnie mit zwei oder drei Schiffern (Mackerschaften) ist 
nichts Seltenes und wir finden sie noch heute, z. B. unter 
den im Ochotskischen Meere kreuzenden Walfängern. Der 
Ertrag der Fischerei wird dann getheilt, daher finden wir 
in den Tabellen oft „Y, Fisch”. „Machten mit L. Hen- 
drich bis zu dem und dem Tage Mackerschaft”, oder: 
„sagten die Mackerschaft wieder ab.” Auch schon vor der 
Ausreise wird die Mackerschaft zuweilen abgeschlossen. 
Der oben angeführte reiche Segen an Einem Tage ist 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 53 


natürlich ein seltenes Ereigniss.. Wenn auch die „Verthie- 
rung” gut und Loopje Fische zu sehen waren, so konnten 
sie häufig wegen vielen jungen Bai-Eises nicht daran kom- 
men oder das Wetter war zu still oder der Fisch „lief zu 
hart”. Einmal „lief der angeschossene Fisch sich unter 
einer Eisfeldkante todt, so dass sie einen grossen Wurf- 
Anker und Sandfass dabei einsenken mussten”, um ihn 
todt herauf zu bekommen. 

Zwischen dem 78. und 80. Breitengrad, nahe der Küste 
(dem „festen Wall”), nach Gissing so und so viel Meilen 
davon, legen sich die Schiffe in Buchten vor Anker, z. B. 
bei der Malenen-Bai, beim Südhoek van’s Forland, beim 
Uytkiek (Zeeuw’schen Uitkiek), bei Schmeerenborg und 
Mackeleouw. Von da aus senden sie ihre Boote auf den 
Fischfang aus (nach dem Vogelsang, Reenefeld, Rothgansen- 
Eiland) !). „Om die Oost” segelnd dringen sie häufig bis 
zum Nordosterland vor, das sie (1775) „klar van’s Deck” 
sehen können. Landungen der Boote geschehen nur zu 
dem Zweck, um frisches Wasser einzunehmen. Gelegentlich 
bringen die Boote kleine Jagdbeute mit. 

Auch nach der Ostküste von Grönland streifen die 
Schiffe auf ihren Fischjagden. Am 16. Juli 1773 heisst 
es: „Des Vormittags klarte es durch, sahen das Gale Ham- 
kes Land hoch und klar von die Hütt, welches wir nach 
Gissing nur 4 bis 5 Meilen von uns hatten, das Eis aber 
lag an’s Land, dass so zu sagen auch nicht weiter für uns 
kommen war, machten los und setzten es bei der Wind 
ostw. über, wo wir J. Jansen und J. K. Kastrikum vor- 
funden und ich bei Ersterem des Nachmittags an Bord war, 
mit welchem wir feste Mackerschaft machten,” u. s. f. Die 
Reisen dauern in der Regel 4 Monate. Anfang, spätestens 
Mitte April verlassen die Schiffe die Elbe und kehren in 
der Zeit von Ende Juli bis Ende August zurück. Je nach- 
dem eben der Fischfang früher oder später glücklich war 
oder der Kommandeur Nichts mehr zu profitiren sah, setz- 
ten sie den Kurs in Gottes Namen „an Hitland vorüber 
nach dem Vaterlande zu”. Auf dem Nachhauseweg wird, wie 
- es sich gehört, öfter gelothet und Farbe und Beschaffenheit 
des Grundes untersucht, um sich desto gewisser zurecht zu 
finden. Zuweilen hatten sie Mannschaften von verlorenen 
Schiffen an Bord, welche sie, sobald Gelegenheit dazu war, 
auf andere Schiffe vertheilten. 

28 Jahre, bis 1800, fuhr Kommandeur Volckert Boysen 
mit seinem „St. Peter” nach Grönland. Im Jahre 1800, 
zu guter Letzt, wäre es ihm beinahe noch begegnet, einem 
Englischen Kaper mit seinem guten Fange als willkommene 
Prise zu dienen, indess besann sich der Engländer eines 


1) Die Jagd auf Walrosse wird noch heute in ähnlicher Weise von 
den Norwegischen Fahrzeugen mit Durchstreifen der Baien von Spitz- 
bergen auf Booten betrieben. 


Bessern, er liess ihn wieder frei, wodurch Kommandeur 
Boysen, wie er in seinem Journal sagt, „übermässig erfreut 
wurde”. Mit diesem Jahre schliessen die Journale und, wie 
es scheint, auch die Grönlandsfahrten unseres Kommandeurs, 
der, wie gesagt, im Ganzen 28;solcher Reisen und zwar 
mit Ausnahme eines Jahres alljährlich unternommen und 
niemals ein Schiff verloren hatte. 

Aus den nach Kräften sorgfältigst geführten Journalen 
lassen sich die Züge des „St. Peter” wenigstens für einige 
1772 war die höchste 
erreichte Breite am 24. Mai 79° 8’ (Längen sind nur sel- 
ten angegeben), 1773 am 28. Mai 79°, 1774 war der 
„St. Peter” schon am 16. Mai auf 79° und verweilte bis 
zum 18. Juni zwischen dem 78. und 79. Grade, 1775 am 
1. Mai 75° 49’, 16. Mai 79°, 18: Juni 78° 10’. 1776 
kreuzte der „St. Peter” schon am 8. Mai auf 78° 15’, 
war am 15. auf 79° 30’ und bis zum 10. Juni auf 78° 
10’. 1783 wurde am 4. Juni 79° 30’ erreicht und bis 
29. Juni herab zum 78° gefischt. Im Jahre 1803 fischten 
die Engländer schon im April auf 80° mit reichem Ertrage, 
1815 war ein reicher Segen schon in der ersten Woche 
des April, zu welcher Zeit Englische Schiffe auf 80° bei 
Jetzt kommen die Englischen und 
Deutschen Fischerfahrzeuge erst im Juli nach der sogenann- 
ten Walfisch-Küste, da sie erst dem Robbenschlag obliegen. 

Walfischfangs-Poesie der Deutschen, Holländer und Ameri- 
kaner. — Wie die Holländische und Amerikanische so hat 
auch die Deutsche Walfischjagd ihren Sänger, freilich einen 
Friedrich Meister, studiosus medicinae, 
der, vermuthlich als Schiffs-Chirurg, eine der Grönlands- 


Jahre ziemlich deutlich erkennen. 


Spitzbergen eintrafen. 


sehr prosaischen. 


Fahrten Boysen’s mitmachte, verfasste eine „poetische Be- 
schreibung der Grönländischen Schifffahrt”, die im Manu- 
skript — gedruckt ist sie wohl nie — den Journalen Boy- 
sen’s beigefügt ist. Dieser Meister mag in der That ein 
Meister im Bartscheeren, Schröpfen und dergleichen gewe- 
sen sein, dagegen erweist er sich in seinem herzlich schlech- 
ten Poem als Nichts weniger denn ein Meister der Dicht- 
kunst. 

Anfang: 


Er bekennt diess nun aber offenherzig gleich zu 


„Es ist zwar nur schlecht eingericht’t 
Und von dem Meister wahr erdicht’t, 
Der auf dem Schiff, St. Pieter genannt, 
Gefahren ist hin nach Grönland.” 


Er singt weiter: 
„Für Frühlingsblumen Lieblichkeit 
Ist Frost dort und Schnee die Füll’ bereit.” 
In der Schilderung des Fischfanges finden wir unter 
Anderem folgende herzzerreissende Reime: 
„Wenn nun der Fisch ist überwunden, 
Und Vivat! Vivat! Vivat! schrie’n, 
Wird er an seinem Stert gebunden, 
Gebracht durch Sloopen an Bord hin. 


54 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Allwo die Dackels schon bereit 
Zum Aufziehen mit Händigkeit. 
Darnach ein Gläschen Branntewein 
Wird Jedermann geschenket ein’ &e. 


Da ist doch noch mehr Saft und Kraft in jenen Ver- 
sen über den Walfischfang, welche der ehrliche Zorgdrager 
als von einem „erfahrenen Dichter” seines Vaterlandes her- 


rührend mittheilt und wo es z. B. heisst: 


„t’Sa Mannen, elk zie toe, men zal hem onderscheppen; 
Zie ginder voor dien zoom; elk gaat zich dapper reppen. 
Val, val: wanneer men dit van ’t opperhoofd maar hoort, 
Elk rolt gelyk een kloot voort daadlyk over boord. 

De rappe gasten, als de brakk’ en haazewinden, 

Zyn eer men honderd telt, dan nergens meer te vinden. 
Of’t klaar, oft graau weer is, of’t hagelt, sneeuwt of mist, 
Daar word niet na gezien, en nimmer tyd vergist. 

Men roeit’er recht op aan, geen roeyer durft omkyken, 

Om niet door Visch of Staart, de schrik baart, te bezwyken. 
Dus roept hen moedig toe, de Harpoenier vol vuur, 

t’ Sa Mannen wakker aan! hy is ons, binnen ’t uur. 

Pas op nu Stuurder, zoo, zoet, sachjes, zonder schreeuwen, 
Haal uit! Courage, Sa! als Turken en als Leeuwen. 

Dat’s braaf! nu zyn we’er by: zit vast: de riemen in, 

De Lynen kant en klaar, dat’s weer een nieuw begin. 

De Harpoenier schiet toe, dat hem de beenen beeven; 
Welk oorlogs Kapitein zou niet de moed begeeven ? 
’t-Harpoen zit wakker diep; daar drilt de stok ’er uit; 
Dat vlyt de gasten wel.’ 


Zu Deutsch: 


„So, Männer, sehet auf! wo soll man ihn bestricken 

Seht hin vor diesen Saum: er thut sich wacker schicken. 
Fall! Fall! Ein Jeder rollt wie eine Kugel fort, 

Wenn nur der Kommandeur diess Wort sagt, über Bord. 
Der hurtige Gesell ist, gleich den Brack’ und Winden, 

Eh’ man noch hundert zählt, schon nirgend mehr zu finden. 
Es sei das Wetter hell, es hagle, neble, schnei’, 

Man acht’t es nicht und lässt hier keine Zeit vorbei, 

Man rudert grad drauf an, kein Bursch darf sich umsehen, 
Um nicht durch Fisch und Schwanz, die Schreck-Bärt, zu vergehen. 
Dann ruft der Harpunier ganz voller Feu’r und frisch: 

So, Männer, wacker an! wir haben schon den Fisch. 

So, Steurer, besser auf, so, sacht, still, ohne Schreien, 

Hol’ aus! Courage, so! wie Türken und wie Leuen. 

O brav! nun sind wir bei: sitz’ fest: die Riemen ein, 

Die Leinen gar, dass sie aufs Neue fertig sei’n. 

Der Harpunier schiesst zu, dass ihm die Beine beben. 

Sollt’ nicht ein Kapitän im Krieg den Muth begeben: 

Das Eisen sitzet fest, da fährt der Stock heraus; 

Das thut den Leuten wohl.” 


Da wir einmal bei der Walfischfangs-Poesie sind, so 
lasse ich hier noch zwei Lieder folgen: „Grönländers Wacht- 
lied”, noch jetzt auf unseren Grönlandsfahrern gesungen, 
und ein Amerikanischer „Whaleman’s song”, bei welchem 
ich zugleich die Übertragung von Friedrich Ruperti (Fremde 
Dichtungen im Deutschen Gewande von Fr. Ruperti und 
Ad. Laun, Bremen, J. G. Heyse’s Verlag, 1862) gebe. 
Der Leser wird nicht schwanken, welchem von diesen Ge- 
dichten der Preis gebühre; der „Whaleman’s song” ist bei 
weitem der schönste, schwungvollste. Also zuerst: 


Grönländers Wachtlied. 
Weil jetzt ist unsere Wacht vollendet, 
So sehnen wir uns nach der Ruh’; 
Drum hab’ ich mich hierher gewendet, 
Dass ich Euch Wachtvolk rufe zu: 
Ihr sollt von Eurem Schlaf aufstehn, 
Da Eure Wächt nun soll angehn. 


Zuerst sollt Ihr zu Gott Euch wenden. 
Ruft ihn um seinen Beistand an, 
"Dass er Euch Hilfe möge senden, 
Weil anders Niemand helfen kann. 
Wenn aller Menschen Hilf’ ist todt, 
So hilft doch Gott aus jeder Noth. 


Wie waren nicht in Angst und Schrecken 

Die Jünger Jesu in dem Schiff! 

Sie thaten ihn so ängstlich wecken, 

Doch er that’ gleich als ob er schlief”. 
Dann stand er auf und stillt’ das Meer, 
Dass Jedermann sich wundert’ sehr. 


Nun woll’ Gott unser Schiff bewahren, 
Das Ruder, Stagen, Steng’ und Wand, 
Dass wir behalten mögen fahren 
Zurück in unser Vaterland! 

Gott geb’ uns eine behalt’ne Reis’, 

Des Rheders Nutzen und Ihm zum Preis! 


Dein ist, o Gott, allein die Ehre! 
Dein Reich, es komm’, dein Will’ gescheh’! 
Das täglich Brod uns auch beschere 
Und alle Sünden uns vergieb! 
Führ’ uns nicht in Versuchung ein! 
Lös’ uns vom Übel insgemein! 


(Backbords) Wachtvolk, Ihr sollt aufstehen, 

Weil Eure Wache jetzt beginnt. 

Wenn Ihr auf Deek kommt, sollt Ihr sehen, 

Dass wir jetzt segeln (bei) dem Wind. 
Drum säumet nun nicht lange mehr, 
Denn unsre Wacht verlängert sich sehr. 


Kochsmat, Du musst nun auch aufstehen 
Und treten Deine Wache an; 
Du musst in die Kabuse gehen, 
Dein Werk verrichten wie ein Mann. 
Und wenn dann das Gebet ist aus, 
So trägt der Koch das Schaffen auf. 


„Reisst aus Quartier!” ist unser Verlangen, 
„Reisst aus Quartier!” ist unser Will’! 
Den Mann am Ruder zu verfangen, 
Weil er nicht länger stehen will. 
So geht auf Deck, tretet an die Wacht 
Und nehmt den Ausguk gut in Acht! 


Nun will ich Euch das Amen singen, 

Sprich du, o Gott, das Ja dazu! 

Ich will dir Dank und Lieder bringen; 

Ich sehne mich nun auch zur Ruh’, 
Wachtvolk, nehmt Alles wohl in Acht 
Und haltet mit Gott eine gute Wacht. 


Whaleman’s Song. 
(By one of them.)') 
Has a love of adventure, a promise of gold 

Or an ardent desire to roam 
Ever tempted you far o’er the watery world 
Away from your kindred and home, 
With a storm beaten captain, free-hearted and bold, 
And a score of brave fellows or two, 
Inured to the hardships of hunger and cold, 
A fearless and jolly good erew? 


Have you ever stood watch where Diego’s bold shores 
Loom up from the Antaretie wave, 
Where the snowy plumed albatross merrily soars 
O’er many a poor mariners grave? 


1) Bezieht sich auf den Walfischfang in der Südsee. 


- Die weiteren Unternehmungen 


Have you heard the masthead man sing out: „There she blows!” 
Seen the boats gaily leave the ship’s side, 

And the giant fish writhe near the harpooneers blow, 

While the blue sea with erimson was dyed? 


Have you seen the foam fly, when the migthy right whale, 
Thus boldly attacked in his lair, 
With a terrible blow of his ponderous tail 
Sent the boat spinning up in the air? 
Or where the fair isles of the evergreen glades 
Are teeming with dainties so rare, 
Have you ever made love ’neath cocoas’ shades 
To the sweet sunny maids that dwell there? 


And have you e’er joined in the boisterous cheer 
Ringing far through the heaven’s blue dome, 
When rich in the spoils you had purchased so dear 
You hoisted your topsails for home? 
Or when the dear hills of Columbia rose 
From out the blue waves of the main, 
Have you e’er realized the unspeakable joys 
Of meeting with loved ones again? 


Let those who delight in the comforts of home 
And the joys of a warm fireside, 
Who deem it a peril the ocean to roam, 
In the cots of their fathers abide! 
But not a day nearer we reckon our death, 
Though we daily sport over our grave! 
Nor sweeter they ’ll slumber the green sod beneath 
Than we in the boisterous wave. 


In der Übersetzung von Fr. Ruperti: 
Der Walfschfänger. 


(Von einem derselben.) 


Trieb Goldesbegier, unruhiger Sion 

Und Lust, dir die Welt zu beschau’n, 

Je über die schaumigen Wogen dich hin, 
Entronnen den heimischen Gau’n, 

Der Führer ein wettergebräunter Kumpan, 
Von Herzen seemännisch und echt, 
Gefährten, gehärtet auf stürmischer Bahn, 
Ein kühnes und frisches Geschlecht? 


Und hieltest du Wacht, wo sich finster erhebt 
Diego’s Fels in die Luft, 

Wo schneeigen Flügels der Albatros schwebt 

Ob armer Matrosen Gruft? 

Vernahmst du den Ruf: „Er bläst!” von dem Mast 
In bangem, doch freudigem Muth, 

Und sahst du ihn, von der Harpune zefasst, 
Aufzucken und röthen die Fluth? 


Und sahst du den Schaum und das Wogengetos, 
Wenn, dicht von Feinden umstellt, 

Er wild mit des Schweifes gewaltigem Stoss 
Das Boot zu den Wolken geschnellt ? 

Und ruhtest du unter den Palmen je, 

Umspielt von der Luft so gelind, 

Auf lieblicher Insel der südlichen See, 

Am Busen ein sonniges Kind? 


Und stimmtest du ein in den freudigen Sang, 
Der weit in den Lüften erscholl, 

Wenn endlich nach reichem, gesegneten Fang 
Heimkehrend das Seget schwoll? 

Und winkte dir deutlicher allgemach 
Columbia’s grünender Strand, 

Und drücktest du unter dem heimischen Dach 
In Rührung den Lieben die Hand? 


Lass sie, die Sturm und Gefahren scheuen, 
Wie täglich die See sie beschert, 

Sich gern der behaglichen Ruh’ erfreuen 
Und weilen am häuslichen Herd! 


bis zum 19. Jahrhundeıt. 55 


Wir lassen nicht nach, wir besegeln den Schlund, 
Ob einst er uns decke, mit Muth! 

Ihr ruhet nicht sanfter im Erdengrund 

Wie wir in der stürmischen Fluth. 


Grönländisches Recht und Fischerei-Usancen. — Einen 
ernüchternden Gegensatz zu dieser poetischen Abschweifung 
bildet der jetzt mitzutheilende Rechtsfall. Die Beispiele, 
in welchen die Anwendung des Grönländischen Rechtes 
unter Deutschen Schiffen so weit streitig wurde, dass man 
die Behörden anrief, sind im vorigen Jahrhundert selten 
und Nachweise über solche Fälle äusserst spärlich. Etwaige 
Streitigkeiten wurden wohl meist auf dem Wege der Ver- 
ständigung unter den Kommandeuren selbst erledigt. Was 
das Recht bei der Fischerei selbst angeht, so hat sich bis 
heute die Englische Usance — Gross-Britannien hatte nie- 
mals allgemeine gesetzliche Bestimmungen darüber, eben so 
wenig die Niederlande — erhalten: 1. ein fest gemachter 
Fisch, lebend oder todt, ist rechtmässiges Eigenthum derjeni- 
gen, welche mit ihm in Verbindung sind oder ihn in Besitz 
halten; 2. ein freier, ungebundener Fisch ist gute Jagd 
für Jeden (Scoresby, II, S. 322). Auf das Fischrecht in 
der Südsee gehen wir später mit einigen Worten ein. 

Das Eigenthumsrecht am Fisch steht und fällt damit, 
ob man mit dem Fisch in Verbindung steht oder nicht, 
und zwar ist es gleichgültig, auf‘ welche Art diese Verbin- 
dung erhalten wird, ob durch Leinen, Taue, Haken, Spiess 
oder etwas Ähnliches, ob vom Schiffe, vom Boot, vom Eise, 
selbst vom Wasser aus, durch Einen oder Mehrere der 
Mannschaften des Schiffes. Die Tragweite dieser Bestim- 
mung beleuchtet schlagend ein von Scoresby erzählter Fall. 


Während eines Sturmes und Schneegestöbers kreuzten mehrere 
Schiffe unter leichten Segeln längs einer Masse zusammengeschobenen 
Eises. Der Sturm legte sich, sie segelten auf das Eis los und waren 
demselben am nächsten — auf ungefähr 1 Englische Meile —, als die 
Mannschaft beider Schiffe zu gleicher Zeit einen todten Fisch zwischen 
dem losen Eis erblickte. Beide Schiffe näherten sich; was das eine 
durch dessen Lage voraus hatte, gewann das andere durch Schnellig- 
keit. Auf dem Vordertheil eines jeden Schiffes stand ein Harpunier 
mit seiner Waffe bereit. Es traf sich aber, dass auf kurze Entfernung 
von dem Fisch die Schiffe.an einander stiessen und wieder von einander 
prallten. Die Harpunen wurden geworfen, fielen aber alle zu kurz. Der 
zweite Steuermann des mit dem Winde gelegenen Schiffes, ein tüchtiger 
Seemann, sprang gleich über Bord, schwamm nach dem Walfisch, fasste 
ihn bei den Flossen und proklamirte ihn als gute Prise. Der Fisch 
war indessen so geschwollen, ragte dermaassen aus dem Wasser empor, 
dass er nicht hinauf klettern konnte, sondern in furchtbarem Frost im 
Wasser auf Hülfe warten musste. Sein Kapitän war so erfreut über 
sein Glück, dass er hierüber seinen braven zweiten Steuermann vergass 
oder vernachlässigte; anstatt daran zu denken, diesem ein Boot zu sen- 
den, um ihn aus seiner unangenehmen Lage zu befreien, beschäftigte 
er sich damit, sein Schiff an ein nahes Stück Eis zu befestigen. In 
der Zwischenzeit wendete das andere Schiff, der Kommandeur selbst 
stieg in ein Boot, stiess ab und liess ruhig auf den todten Fisch 
steuern. Da er den im Wasser hängenden zitternden Seemann sah, 
der eine Flosse erfasst hatte, sprach er zu ihm: „Nun, mein Junge, da 
habt Ihr ja einen schönen Fisch!” worauf jener bejahend antwortete 
und der Kapitän hinzufügte: „Findet Ihr es nicht recht kalt?” „Ja”, 
sagte der zitternde Seemann, „ich komme fast um und möchte gern, 
dass Ihr mich in Euer Boot nähmet, bis das unserige ankommt.” Die 
Bitte brauchte er nicht zu wiederholen, das Boot näherte sich dem 
Manne und man half ihm einsteigen. Dadurch wurde also der Fisch 


S 


56 


wieder frei und ohne Eigenthümer; der Kapitän warf gleich seine Har- 
pune in denselben, zog seine Flagge auf und proklamirte die gemachte 
Prise. So gekränkt und missvergnügt der andere Kapitän durch diesen 
schlauen Streich wurde, so musste er doch ruhig zugeben, dass sein 
Konkurrent den Fisch mit sich führte, da sein Recht verloren gegangen 
war; den zweiten Steuermann mochte er für seine geringe Rücksicht 
ausschelten und mit sich selbst zürnen, nicht mehr Mitgefühl für die 
Leiden des armen Mannes gehabt zu haben, wodurch dieser unan- 
genehme Vorfall verhindert worden wäre. 


Jetzt zur Darstellung eines streitigen Bergungsfalles. 


Anfang Juli 1731 befand sich, nach der Darstellung Joh. Bernh. 
Müllhausen’s, des Direeteurs der Bremer Schiffe „Martha” und „Su- 
sanna”, in einer Eingabe an den Rath von Bremen, in der Grönländi- 
schen See unweit der genannten Bremer Schiffe das Altonaer Schiff 
„Vreyheit’’, betroffen von einem besonders schweren Ungewitter. Alle 
seine Anker waren an Strand getrieben, sein Tauwerk zerrissen. Da 
ist der Kommandeur Andressen an Bord eines der beiden Bremer Schiffe 
gekommen und hat Hülfe begehrt. Die beiden Bremer Kapitäne lassen 
eine Sehaluppe zur Hülfe abgehen und die Leute derselben helfen ihm 
„40 Gläser” pumpen, allein es gelingt nicht, das Schiff in eine bessere 
Lage zu bringen. Es wird nun ein Kontrakt geschlossen, dessen 
Wortlaut in den Akten noch aufbewahrt ist. Wir theilen ihn hier mit, 
indem wir bemerken, dass wir das Deutsch der beiden Kommandeure, 
um nicht zu ermüden, nur so weit beibehalten haben, als es uns cha- 
rakteristisch schien. 

= Grönland, d. 6. July 1731. 

Nachdem leider Gottes Kommandeur Zween Andressen neben seiner 
bei habenden Mannschaft allbier in Grönland mit diesem sogenannten 
Schiff „‚die Freiheit”! in einem besonders schweren Ungewitter das Un- 
geluck getroffen, von allen seinen Ankern am Strande getrieben und seine 
Tauen alle zerbrochen zu haben, so ist der wollerfahrene Kommandeur 
Zween Andressen bei uns unten genannten Kommandeuren an Bord 
gekommen und hat Anfrage bei uns gethan, ob wir nicht vorerst, der 
Liebe nach, die hülfliche Hand leisten wollen, um sein fast unbequemes 
Schiff mit Pumpen so lange es immer möglich lens zu helfen zu halten, 
weil sein Volk, so zu sagen, den Muth sinken liesse, ganz abgemattet, 
und keine Macht mehr hätte, das Schiff in dene Gelegenheiten zu be- 
arbeiten, auch dabei kein einzig Anker vom Strande abzuwinden hatte. 
So haben wir unten genannte Kommandeurs unsere Gedanken hierüber 
ergehen lassen, und einen völligen Rath geschlossen, mit Rath und Zu- 
stimmung unser allerseits Offieiers bewilligt; weil wir unsern Herrn 
Interessenten keinen Dienst wissen keineswegs ein oder ausser dem 
Eyse auszuführen, also sind wir 3 Kommandeurs völlig veraccordirt, 
dass der Kommandeur Zween Andressen verspricht bei Treu und wah- 
rem Glauben mit Rath und Zustimmung seiner Offieiers, wenn wir ihm 
allhier so weit helfen, als wir können, weiter, wenn das Schiff auf frei 
Wasser geholfen, und wir noch für gut befinden, unser Leben darauf 
zu wagen, "; Theil von seinem Speck und Barten, nach beendter und 
behaltener Reise, an unsere Herrn Interessenten richtig überzuliefern: 
sollte es sich aber zutragen, welches sehr zu befürchten, dass das 
Schiff umsinke oder unbequem über See zu fahren geachtet würde, und 
wir das Speck bärgen, alsdann unseren Herrn die Hälfte zukomme. 
Dahingegen versprechen wir, als Kommandeure: Harm Wessels, im 
gleichen Kommandeur Jürgen Janssen, uns in diesen vorgeschriebe- 
nen Hauptsachen getreu und als Christen zu verhalten, so weit es 
Gott der Herr zulässt, auch, bei Treu und wahrem Glauben, mit ein- 
ander zur rechten Zeit nach Haus zu segeln und bei einander zu blei- 
ben, wenns möglich ist. Verhoffen allerseits, dass dieses unser allerseits 
Bewilligung von unsern Herrn Interessenten zur genüge möge geachtet 
werden. Dass dieses sich in der Wahrheit also verhält, bescheinigen 
wir hiermit allerseits. 

Den 6. July Anno 1731. 

Zween Andressen. Harm Wessels. Jürgen Janssen. 
Steuermann Jan Meynders. Schiffer Johann Schmidt. 

Danach sollten die „Martha’” und „Susanna’” den dritten Theil 
an Barten und Speck der „Vreyheit’” erhalten, wenn Schiff und Ladung 
wohlbehalten nach Hause käme, wenn aber das Schiff verlassen und 
die Ladung übernommen werden müsste, in diesem Falle sollte die 
Ladung zur Hälfte an die beiden Schiffe übergehen. Es gelang durch 
grosse Mühe und Arbeit, das Schiff mit seiner Ladung von drei Fischen 
auf freies Wasser zu bringen, und das Schiff wurde von den beiden 
‘Bremer Schiffen glücklich bis zur Elbe gebracht. Der Vertrag, der in 
Grönland geschlossen war, sicherte allerdings den beiden Bremer Schiffen 
eine reichliche Vergütung für die geleistete Hülfe, stand indessen in 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


keiner Weise mit dem überkommenen Grönländischen Recht in Wider- 
spruch. Letzteres sprach sieh über Fälle, wie der vorliegende, nieht 
näher aus, indessen ging doch aus dem Wortlaute hervor, dass der 
Antheil an dem Fange des Schiffes, dem man zu Hülfe kam, in jedem 
einzelnen Falle durch Vertrag in beliebiger Weise festgesetzt werden 
konnte. Ferner sagt einer der Holländischen Artikel von 1695, „dass 
alle geborgene und zu Schiffe gebrachte Güter allem Vorfall von Scha- 
den und Haverei eben sowohl als eigen Gut unterworfen sein sollen”. 
Nach glücklicher Ankunft der ‚„Vreyheit” in Altona wollte der Admi- 
nistrator jenes Schiffes das verabredete Dritttheil nieht zahlen und es 
entspannen sich Verhandlungen zwischen dem Bremer und dem Ham- 
burger Senat und dem an der Spitze der Dänischen Verwaltung in 
Altona stehenden Grafen Reventlow. Der Hamburger Senat war der 
Meinung und sprach sich in einem Schreiben an den Bremer Senat da- 
hin aus, dass die beiden Kapitäne die Hülfe aus christlicher Liebe hät- 
ten leisten sollen. Unter dem 4. September 1731 schreibt der Ham- 
burger Rath an den Bremer, dass sie 
„aus nachbarlicher Freundschaft und dienstlichem Egard für diesel- 
ben die Sache in commissione solchergestalt vergleichen lassen, dass 
an dessen Bürger, wegen ihrer Forderung, 1500 Thaler bezahlt 
worden.!) Wie uns nun lieb gewesen, Ewr. Ehrbl. Wolwl. bei 
dieser Gelegenheit eine Probe unserer Bereitwilligkeit sehen zu lassen, 
so hegen wir auch hinwieder die Hoffnung, dieselben werden den 
ihrigen, welche bei der Grönländisehen Fahrt interessiret sind, nach- 
drücklich zureden, dass sie, gleich allen anderen Nationen, in Noth- 
fällen den unsrigen nach der christlichen Liebe in’s künftige bei- 
springen, nicht aber dergleichen Contraete wider alle Billigkeit von 
ihnen exigiren. Inmassen solche so wenig in den Rechten bestehen 
mögen, als bei irgend einer Nation geduldet werden, wohl aber zu 
allerhand übeln Folgen Anlass geben, und nicht nur die unsrigen, 
sondern auch die Holländer, Engländer und übrige leicht daher be- 
wogen werden könnten, unter sich communem causam zu machen 
und auch den bremischen bei ihnen eben so leicht als anderen auf- 
stossender Gefahr entweder überall keine Assistenz oder jedoch 
nicht anders als unter eben so harten, unbilligen Conditionen zu leisten. 
Wir sind dessen von Ew. Ehrbarl. Wolw. Gemüthsbilligkeit und 
Einsicht vollkommen versichert’ &e. 

Gegenüber diesem Vorwurf der Unbilliskeit beruhigen sich der 
Rath von Bremen und die betreffenden Rheder mit vollem Rechte nicht. 
Am 13. Februar 1732 schreibt der Senat an Henrich Eelking in Lon- 
don. Er übersendet den in Grönland abgeschlossenen Kontrakt und 
species facti zu dem Ende, um darüber von den dortigen sachverstän- 
digen Grönländischen Interessenten ein Parere zeichnen und sich erthei- 
len zu lassen. Die betreffenden Namen sind in der species facti dem 
Gebrauche gemäss mit fingirten (Lateinischen) Namen vertauscht und 
heisst es darin: Kommandeur Mefius, ferner die Kommandeure Titius 
und Sempronius. Speziell werden die Sachverständigen aufgefordert, 
ihr Gutachten darüber abzugeben, ob der Kontrakt nicht der Billigkeit 
und den Seerechten gemäss sei und bei den Nationen wohl geduldet 
werden könne. Leider erhellt nicht aus den Akten, wie dieses Parere 
ausgefallen ist. Im Jahre 1838 bargen ein Elmshorner Schiff („Stadt 
Altona”) und ein Bremer Schiff Mannschaften und einen Theil des Fan- 
ges des im Eise zerdrückten Englischen Schiffes „Wernegrefl”. Beim 
Bergen des Specks (600 Tonnen) half die Englische Mannschaft mit. 
Der Englische Rheder verlangte von dem Elmshorner und dem Bremer 
die Herausgabe von zwei Dritttheilen des geborgenen Gutes. Ich habe 
nicht in Erfahrung bringen können, wie die Sache abgelaufen ist. 


Auch zu anderen Zwecken mussten die Behörden ge- 
legentlich dazwischen treten. So im Jahre 1732 in Bremen, 
wo der Rath „davon gehört hat, dass gravamina und andere 


!) Wie aus den bezüglichen Hamburger Akten hervorgeht, hatte 
vor einer Kommission des Senats ein Vergleich zwischen Dr. Schmidt, 
dem Mandatar Müllhausen’s, und den Vertretern der Interessenten des 
Schiffes „Die Freiheit’, den Herren Licentiat Bentzen und Rassow, 
Statt gefunden, in welehem die Interessenten des Schiffes zwar wieder- 
holt betonen, dass die geleistete Hülfe vermöge der christlichen Billig- 
keit und der jeder Zeit recipirten Gewohnheit bei allen übrigen Natio- 
nen hätte erfolgen müssen, dass sie aber dennoch „zur Verhütung aller 
Weitläufigkeit und unter allen möglichen Rechtsreseryationen zu der 
Zahlung von 1500 Thalern sich bereit erklären, und zwar nach erfolgter 
Ratifikation dieses Vergleichs und 'geschehener Relaxirung des bei dieser 
Stadt Thranbrennereien eingelegten Arrests”, 


Beschwerden der Grönländischen Kompagnie wider ihre 
Schiffer vorlägen. Der Rath, in dem Wunsch, commereia 
überhaupt, so auch diese Navigation zu befördern, setzt eine 
Kommission nieder, vor welcher fünf Vertreter der Kom- 
pagnie: Dionis Schumbart, Berend Barkey, Daniel Meinerts- 
hagen, Jakob Barkey und Berend Nonne, am 11. November 
1732 erscheinen und klagen, dass ihre Reglements und 
Verordnungen vielfach übertreten würden. Dionis Schumbart 
habe noch in diesem Jahr ein Exempel auf seinem eignen 
Schiff gehabt, dass ein Steurer in der Schaluppe, der ordi- 
niret worden, nach dem Fisch zu rojen, trunken und voll 
sich hätte besoffen und anstatt, dass er nach dem Fisch 
sollte steuren, sein Werk hätte konträr verrichtet, wodurch 
der Fisch echappirt und sie desselben nicht hätten habhaft 
werden können. Andere Klagen gehen dahin, dass die Schiffer 
zu früh von der Fischerei zurückkommen, dass Schiffer 
(Kapitän) und Schiffsleute (Matrosen) sich Unterschleife beim 
Proviant hätten zu Schulden kommen lassen und bei der 
Rückkunft Vieles verschleudert würde, besonders auf dem 
Schiff Margarethe sei dergleichen vorgekommen. Man ver- 
weist auf die Holländischen Vorschriften, welche dergleichen 
wirksam verhinderten. Der Senat erklärt sich bereit, mit 
den „Administratoren” über Mittel zur Abhülfe zu be- 
rathen.” : 

Brörterungen über die Rentabilität der Fischerei. — Die 
Frage nach der grösseren oder geringeren Rentabilität der 
arktischen Fischerei bei verschiedenen Nationen und in äl- 
terer und neuerer Zeit kann bei der Dürftigkeit der vorlie- 
genden Materialien nur mangelhaft beantwortet werden. 
Diese Art von Unternehmungen erfordert von vorn herein 
nicht unerhebliche Kapitalauslagen und neben manchen Ein- 
wirkungen, welche die Unternehmer direkt und indirekt zu 
Gunsten eines glücklichen Erfolges ausüben können, kommen 
doch eine Menge anderer, in keiner Weise vorher zu be- 
rechnender, Umstände dabei in Betracht. Im älterer Zeit 
brauchte man da, wo heut zu Tage die Fischerei völlig er- 
schöpft ist, kaum lange zu suchen. Geschick, Erfahrung 
und das unentbehrliche Fischerglück auf Seiten des Kom- 
mandeurs, tüchtige Mannschaft, ein starkes, schnell segelndes 
Schiff, gute Werkzeuge und Geräthe sind die ersten Vor- 
aussetzungen. 

Das von den Holländern eingeführte Partensystem hat 
sich glänzend bewährt und wohl nirgends in der Welt wer- 
den noch Schiffe auf den Walfischfang ausgesandt, ohne 
dass die sämmtliche Bemannung durch Antheil am Brutto- 
ertrag in das Interesse des Unternehmens mit hereingezogen 
würde. Welche Rolle die Witterungs- und Eisverhältnisse 
bei dem Erfolg der Fischerei spielen, werde ich später noch 
zu zeigen versuchen. 

Schon Wagenaar, der sein beschreibendes Werk über 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 57 


die Niederlande zu einer Zeit veröffentlichte, wo die ark- 
tische Fischerei einen neuen Aufschwung zu nehmen schien, 
bezeichnet den ganzen Betrieb als eine Lotterie, bei welchem 
also nur Einige einen hohen Gewinn erzielten, die Übrigen 
leer ausgingen oder Verluste erlitten. Er wundert sich, wie 
man dazu habe kommen können, den Walfischfang als eine 
„Goldmine Hollands” zu bezeichnen. 

Die Grossartigkeit der früheren Holländischen Grönlands- 
Fischerei zeigt eine Berechnung aus dem Jahre 1733. In 
diesem Jahr führte nämlich die Ost-Indische Kompagnie aus 
Holländisch-Indien zum ersten Mal eine Partie Barten ein. 
Die Bevollmächtigten der Grönlands-Fischerei besorgten Nach- 
theile von dieser Konkurrenz und legten bei dieser Gelegen- 
heit in einigen Zahlen den Umfang der Holländischen Grön- 
lands-Fischerei dar, um zu zeigen, welehen Nutzen das Land 
davon hätte und wie sehr es im Interesse des Landes dar- 
auf ankomme, diesen Betrieb „ungestört” zu erhalten. Da- 
nach wagten die Holländischen Grönlands-Rheder durch die 
Ausrüstung von 180 Schiffen ein Kapital von 1.800.000 Gul- 
den. Die einzelnen Posten, welche summirt diesen Betrag 
ergeben, für Fasswerk, Lebensmittel, Getränke (darunter 
550 Anker „gebrannte Wasser”), Schuitfrachten &e., werden 
aufgeführt. Der mittlere Jahresertrag der Fischerei „bei 
einem gewöhnlichen Jahre” wird auf 44.000 Quardeelen 
Thran und 1.200.000 Pfd. Barten angegeben, welche ausser 
den Walrosszähnen und Robbenfellen einen Werth von 
2.100.000 Gulden darstellten. 

Nach einer anderen Rechnung von Engelbrecht in seinem 
„Magazin für denkende Kaufleute” (Bremen 1788) sind die 
Chancen für die Rentabilität des Walfischfanges in Grönland 
schon damals weit geringer gewesen, als obige Berechnung 
annimmt; er schätzt die Ausrüstungskosten höher, auf 12.600 
Gulden für jedes Schiff durchschnittlich, und weist nach, wie 
klein die Zahl der glücklichen Jahre schon von Ende des 
17. Jahrhunderts an war. Von Interesse ist aber noch, dass 
Engelbreeht auf Grund von Mittheilungen, die er, wie er 
sagt, einem in diesem Handel sehr erfahrenen Kaufmann 
verdankt, Bremen verhältnissmässig den Löwenantheil an 
dem Ertrage der Grönlands-Fischerei zuschreibt. 

Als Beleg für diese Behauptung führt er unter Anderem 
an, dass „Bremen in seinem und dem umliegenden Gebiete 
eine Menge der tüchtigsten, muthigsten und erfahrensten 
Seeleute habe, wie schon die Holländer bewiesen, welche 
diese Leute zur Bemannung ihrer Schiffe stark suchten.” 
Dadurch fielen in Bremen die anderswo gezahlten Reise- 
kosten weg. Die Leute führen lieber direkt von ihrer Hei- 
math aus. Die Schiffe seien in Bremen billiger zu bauen, Ma- 
terialien und Lebensmittel seien ebenfalls billiger. Das „Fleth”, 
der ganze Apparat zur Fischerei, sei in Bremen um 2000 Thlr. 
billiger als in England und auch erheblich wohlfeiler als in 

8 


58 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Holland zu beschaffen. Etwas von der Kunst, preiswürdige 
und gute Materialien für den Walfischfang zu beschaffen, 
scheint noch jetzt in Bremen zurückgeblieben zu sein, denn 
die Reepschlägerei von Lahmann liefert noch jetzt, trotz 
New Bedford’s Konkurrenz in diesem für die Fischerei wich- 
tigen Artikel, Walfischleinen nach Honolulu und dieses 
Deutsche Fabrikat wird in der Südsee hoch geschätzt. 

Engelbreeht giebt die Ausrüstungskosten eines von Bre- 
men aus expedirten Grönlandsfahrers auf 5- bis 6000 Thaler 
an. Er sagt: „Bremen hat einen solchen Absatz von Thran 
— der ja damals der wichtigste Stoff für die Beleuchtung 
war —, dass 25 Grönlandsfahrer das für den Absatz er- 
forderliche Quantum nicht liefern könnten.” Er stellt schliess- 
lich eine vergleichende Berechnung darüber an, wie sich in 
Bremen, abzüglich der Kosten, die Preise für 4000 Pfund 
Barten und 400 Tonnen Thran ..stellen, und kommt dabei 
zu dem Ergebniss, dass die Rechnung sich in Bremen gün- 
stiger stelle gegen Hamburg um 839 Thaler 9 Grote, gegen 
Holland um 116 Thaler 48 Grote und gegen England um 
2301 Thaler 5 Grote. Ein Bremisches Schiff ersetze die 
gehabten Unkosten von 5500 Thaler schon, wenn es nur 
250 Tonnen Thran und 2500 Pfund Barten mitbringe. 

Zur Vergleichung füge ich aus neuerer Zeit noch einige 
Angaben bezüglich Bremen’s bei. Im Jahre 1843 giebt ein 
Bremer Kaufmann, Henr. Schröder, Friedr. Sohn, in einer 
Mittheilung an den Senat „über den Bestand und Zustand 
des von der Weser aus betriebenen Walfischfangs und Rob- 
benschlags in Grönland” an, dass die Ausrüstung und Aus- 
lagen eines solchen Schiffes von 180 Last an Lebensmit- 
teln, Assekuranz-Prämie, Engagement, Handgeld und Ver- 
schiedenem 5100 Thaler betragen, dass das Flethund Fass- 
werk auf 10.000 Thaler, das Schiff selbst auf 13.900 Tha- 
ler anzunehmen sei, dass ferner an Zinsen des ganzen aus- 
gelegten Kapitals von 29.000 Thaler zu 4 Prozent, an Ab- 
nutzung des Schiffes und Kosten der Rückkehr noch 3510 Tha- 
ler hinzukommen, ‚während er den Werth eines guten Fan- 
ges von Robben af auf 13.000 Thaler anschlägt. 

Jetzt würde sich für ein Schiff von soleher Grösse bei 
einem mittleren Fange von Robben die Rechnung etwa wie 
folgt stellen : 


Berechnung für ein Schiff von 150 Last auf den Robbenfang. 
Schiff mit Verdoppelung 10.000 Thaler, 


6° Boote a 100 Thaler . . . » 600  „ 
15 Kugelbüchsen, 8 Doppelflinten, 
Waffenkiste, Geräthschaften . 1.100 


”„ 
Tanks und Fässer für den Speck 1.000 „ 
12.700 Thaler. 
Mittlerer Ertrag, angenommen zu: 
4000 jungen Robben, liefern (10 
= 1 Tonne Thran a 25 Thlr.) 
Aau0 Tonnen‘. ur ee 3000 
4000 Robbenfelle & 1 Thlr. 


” 
4.000 „ 


14.000 Thaler. 


Transport: 14,000 Thaler. 


Davon ab: 
Antheil für 36 Mann . . 1.800 Thaler, 
Hiandgeldtian Fra 22° RR: 666 x 
Monatsgage, un. nu m ah 415 A 
Erowiant ee ee n22DOU- En, 
Pulver undWBlei me mn mr EHE: 
Kapitän 4 Prozent vom Brutto- 
BEBONW war Me re AR DEU, 
Assekuranz 24 Prozent . 300 » e 


Abnutzung des Schiffes 10 Proz. 1.200 ,„ 
Fässer für den Thran und Ko- 

sten des Ausbrennens, 14 Thlr. 

Per. Donner ee Hosen 


Ted 
6.304 Thaler. 

Hierzu würden ferner noch einige Kosten für Feuer- 
Assekuranz, Courtage, Umsatzsteuer &c. mit 4- bis 500 
Thaler kommen. 

Bei Gelegenheit der Oldenburgischen Grönlands - Unter- 
nehmungen wird auf diese Seite des Gegenstandes noch- 
mals zurückzukommen sein. 


Grönlands - Unternehmungen der Bremer von Bergen aus. 
— Mit wechselndem Glück setzten die Hansestädte Ham- 
burg und Bremen das ganze vorige Jahrhundert hindurch 
die Grönlandsfahrt fort. 

Jährlich erschienen 20 bis 30 Hamburger und bis zu 
10 Bremer Schiffe in den Grönländischen Gewässern und 
in der Davis-Strasse. Von Bergen aus wird um die Mitte 
des Jahrhunderts Woalfischfang im Grönländischen Meer 
eine Zeit lang betrieben, und zwar durch die Deutsche 
Bergenfahrer-Gesellschaft. Diese besass noch von früherer 
Zeit her in Bremen werthvolle Vorrechte in Bezug auf 
die Einfuhr Norwegischer Erzeugnisse. 

Im Jahre 1721 werden fünf von Bergen aus fah- 
rende Bremer Grönlandsfahrer erwähnt und kurze Zeit dar- 
auf wird von einer dort gebildeten Norwegischen Gesellschaft 
der Versuch gemacht, durch ein Schiff einen Tauschverkehr 
mit den Eskimos der Davis-Strasse zu eröffnen, während 
ein anderes Schiff auf den grossen Fischfang gesandt wird. 
Beide Unternehmungen erwiesen sich als finanziell unglück- 
lich. Jenes auf den Tauschhandel ausgesandte Schiff gerieth 
in die Strömungen bei Statenhoek, der Südspitze von Grön- 
land, und kam mit genauer Noth, entmastet und auch 
sonst beschädigt, wieder in Norwegen an. Dass von den 
Bergenfahrern eine Zeit lang die Grönlandsfahrt betrieben 
wurde, dafür scheint auch folgende Stelle eines in den 
Bergenfahrer-Akten des Bremer Staatsarchives sich vorfin- 


denden Briefes von einem „Friedrich Ehlers” 


zu sprechen, 
Agenten der Bremer Bergenfahrer - Gesellschaft in Bergen, 
an Herrn Hermann Meybohm in Bremen, einen der Ge- 
nossen der Gesellschaft: „Unser Hans Fester ist allhier 
vorgestern von dem Grönland angelanget mit 30 Cord: 


(Quardeelen) Speck; er berichtet, dass alle Rubbenschläger 


\ 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 59 


einen „mieserabel Fangst” gehabt und dass er vor' 15 Ta- 
gen nicht mehr als ein Cordehl gehabt.: Derselbige Schit- 
fer sei erst vor 15 Tagen von Grönland abgegangen.” 
„Ich habe”, schreibt der Briefsteller, „ihn heute selbst ge- 
sprochen; die Walfischerei betreffend, weiss er nichts von, 
aber nach Wetter und Wind denket er schlecht.” Der 
Brief, „durch Schiffer Johan Stengrave, den Gott gelete”, 
übersandt, ist „Bergen, 8. Juni 1750” datirt. 


Das Englische Prämiensystem. — In England erhält sich 
in dieser Zeit der Grossfischfang in den arktischen Meeren 
vorzugsweise durch die von der Regierung gezahlten Prä- 
mien. Ein Rückblick über diese von der Regierung dem 
Englischen Walfischfang gewährten direkten Unterstützungen 
zeigt am besten, wie sehr der Regierung an der Erhaltung 
dieses Betriebes, durch welchen sie sich für Kriegszeiten einen 
Stamm seegewohnter, beherzter Matrosen erziehen wollte, 
gelegen war. 
jedem Schiff von über 200 Tons Gehalt, welches auf den 
Walfischfang ausgeht, ausgelobt; 1749 wird diese Prämie 


Im Jahre 1732 werden 20 Shilling per Ton 


auf das Doppelte, 40 Shilling, erhöht und es begannen nun 
die Ausrüstungen von Fischerfahrzeugen besonders in Schot- 
tischen Häfen. In der Zeit von 1750 bis 1769 wurden 
durchschnittlich jährlich eirca 40 Schiffe aus Englischen 
Häfen und circa 12 aus Schottischen Häfen auf den Wal- 
fischfang ausgesandt und die Summe der in diesen 20 Jahren 
gezahlten Prämien betrug L. 613.261 9s. 11 d. Da glaubte 
die Regierung, dass der erstrebte Zweck erfüllt sei, und 
setzte die Prämie auf 30 Shilling herab. Sofort vermin- 
derte sich die Zahl der ausgesandten Fahrzeuge, und zwar 
von 98 auf 39 in den nächsten fünf Jahren, und die Prä- 
mie musste wieder auf den früheren Betrag gesetzt werden. 
Dieses ungesunde Prämiensystem währte bei zeitweiligen 
Veränderungen bis zum Jahre 1824 fort und man hat er- 
mittelt, dass von 1750 an bis zum Jahre 1824, wo die 
Prämien völlig abgeschafft wurden, etwa 23 Millionen Pfund 
Sterling zur Beförderung des Walfischfanges von der Gross- 
Britannischen Regierung verausgabt worden sind (!). In einer 
Anlage gebe ich eine vergleichende Übersicht des Britischen 
Walfischfanges in den Gewässern des nördlichen Polarkreises, 
nach der Zahl und Grösse der Schiffe, nach Scoresby und 
M‘Culloch; die Ergebnisse des Fanges sind leider lücken- 
haft verzeichnet und es fehlen auch Angaben über die Zahl 
der verloren gegangenen Schitte. 


Vergleichende Daten über die Fischereien Englands, Hol- 
lands und der Deutschen Häfen im vorigen Jahrhundert. — 
Vergleicht man die Holländischen, Britischen und Deutschen 
Fischereien hinsichtlich. ihres Umfanges in derjenigen Pe- 
riode, wofür sich die Daten von allen dreien vorfinden, so 
stellt sich heraus, dass in diesen Zeiten Schiffe ausrüsteten: 


Deutsche (Hamburg, 
Bremen und Schles- 


die Niederlande  ig-Holsteinische) 


Gross-Britannien 


Häfen 
1750—1759: 556 167985 215 
1760—1769: 459 1620 250 
1770— 1779: 741 1337 459 


Die Deutschen Grönlands-Rhedereien vermehrten sich 
also in diesen 30 Jahren über das Doppelte der Zahl der 
Schiffe nach, während die Holländischen zurückgingen und 
die Gross-Britannischen nur um etwas zunahmen. 

Hamburg’s Unternehmungen. — In Betreff der Resultate 
der Hamburger Grönlands-Fischerei sind wir für jene Zeit 
auf blosse Notizen angewiesen. 

Der Umfang und Ertrag wird nur für einen kurzen 
Zeitraum in Folge einer Anfrage der Englischen Regierung 
genauer bestimmt. Die Angaben umfassen die fünf Jahre 
von 1787 bis 1791. Danach beläuft sich die Zahl der von 
Hamburg nach Grönland ausgelaufenen Schiffe auf durch- 
schnittlich 30, die Grösse der Schiffe ist 200 bis 400 Eng- 
lische Tonnen, jedes Schiff hat 36 bis 45 Mann. Der Fisch- 
fang ist sehr ungleich: 1789 1314 Fische, 1791 dagegen 
nur 164, 1790 45.000 Robben, 1791 7900, 1789 5578 
Tonnen Thran, 1791 nur 1274 Tonnen, 1789 75.900 
Pfund Barten, 1791 nur 28.000 Pfund. Die Preise schwan- 
ken nicht genau nach dem reicheren oder kümmerlichen 
Ertrage jedes Jahres, da sie noch von anderen Verhält- 
nissen, namentlich der grösseren oder geringeren Nachfrage, 
beeinflusst werden, so dass auch bei einem reichen Ertrag 
erhöhte Nachfrage hohe Preise erhält und bei geringerem 
Erfolg und zugleich mässigem Begehr letztere nicht so hoch 
gehen, wie man erwarten sollte. Für Barten schwanken 
die Preise von 21 bis 474 Reichsthaler Banco per 100 Pfund, 
für Thran von 34 bis 60 Mark die Tonne, für Seehunds- 
felle von dem Mittelpreis von 25 Schilling bis zu dem Mit- 
telpreis von 50 Schilling Hamb. Gegenwärtig (Oktober 1868), 
um diess hier des Vergleiches halber zu erwähnen, ist der 
Preis für Grönlands-Barten in Bremen 105 Thaler Gold für 
100 Pfund, für die Tonne Thran 22 Thaler Gold; der Preis 
für Seehundsfelle ist je nach der Qualität und Grösse na- 
türlich sehr verschieden, doch mindestens 1 Thaler das Stück. 

Trotz der bedeutenden Produktion der Amerikanischen 
Fischerei und des reichen Ersatzes, den man wenigstens 
für die meisten Zwecke statt des Thranes in vegetabilischen 
und mineralischen Ölen gefunden hat, sind also die Preise 
heute höher, freilich sind es aber auch die Auslagen und 
Unkosten des Betriebes. Wenn aber die Fischerei nur wieder 
ergiebiger würde, so wäre bei der heutigen industriellen 
Entwiekelung wohl keine Sorge um die Verwendung der 
Erzeugnisse und demnach um eine angemessene Verwerthung 
derselben, die entsprechende Vergütung des auf das Gewerbe 
verwandten Geld- und Arbeitskapitals.. Syndikus Matsen 
giebt dem Englischen Minister-Residenten Fraser in Erwie- 

8* 


HU. ; Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


derung der erwähnten, im Auftrage des Staats-Sekretärs 
Marquis of Carmarthen auf Begehr der Lords of the, com- 
mittee for trade gethanen Anfrage die weitere Auskunft, 
dass die Gesammt-Ausrüstungskosten eines Schiffes sich nach 
einem niedrigen Anschlag auf 12.000 Mark belaufen. Es 
liefen in dem fraglichen Jahre (1788) 33 Schiffe aus, somit 
war die gesammte Auslage 396.000 Mark. Der gesammte 
Brutto-Ertrag war 176.627 Mark 8 Schilling. Demnach 
war der Verlust in der Fischerei in diesem unglücklichen 
Jahre 219.372 Mark 8 Schilling. 

Ein unglückliches Jahr war z. B. auch 1794, wie fol- 
gende von Posselt gegebenen Zahlen beweisen: 


55 Holländische Schiffe brachten 994 Fische, 


26 Hamburger an „ 27» 
6 Bremer „ „ 13 » 
2 Hannover’sche „, > 3 „ 
8 Altonaer „ „ 14 ” 
12 Glückstädter „, = 3 „» 


109 Schiffe 1594 Fische. 


Die Dänische Fischerei im 18. Jahrhundert. — In Däne- 
mark bestand um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine privi- 
legirte Grönlands-Kompagnie; ihr ward das ausschliessliche 
Recht des Handels mit Grönland gegeben und die Grön- 
lands-Fischerei Dänemarks einschliesslich der Herzogthümer 
war 1753 auf 90 Schiffe gestiegen. 

Aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts scheint ein 
merkwürdiges Aktenstück zu stammen, das sich ohne Datum 
in den Akten des Hamburger Archives vorfindet. Es ist 
überschrieben: „Koncept, wie auf gute Manier aufs Beste, 
auch vermeintlich mit höchster Räson und Recht der im- 
portante Grönländische Handel (Fischerei) den Hamburgern 
ab und zu Altona zu ziehen wäre”. 


In neun Punkten wird auseinandergesetzt, wie diess auszuführen 
ist. Es sollten zunächst in Altona ein bis zwei Königliche Schiffe 
von 150 bis 160 Last erbaut werden. In Altona befänden sich bereits 
zwei Schiffsbauwerften, auch eigne sich der Altonaer Strand über alle 
Maassen zum Schiffsbau und liessen sich da die schwersten und grössten 
Kriegsschiffe bauen. Sollten einige Altonaer Kaufleute geneigt sein, mit 
einigen Schiffen eine Königliche freie Grönlands-Fischerei aufzurichten, 
so seien nöthigenfalls aus Hamburg Schiffe zu einem billigen Preise zu 
erlangen. Wenn nun eine Königliche oktroyirte Grönlands-Fischerei in 
Hamburg aufgerichtet, so sei den Hamburgern zu notifieiren, „dass die 
Grönlands-Fischerei und das Grönländische Territorium dem König von 
Dänemark komportire und dass die Hamburger für die von ihnen ohne 
Erlaubniss des Königs von Dänemark geraume Zeit betriebene Fischerei 
Satisfaktion an den König, undzwar durch ein jährliches Gewisses oder 
ein für alle Mal, zu leisten schuldig wären. Die Hamburger sollten 
dann auch veranlasst werden, ihre Grönlandsfahrer in Altona bauen, die 
Ausrüstung in Altona beschaffen, die Mannschaft von dort aus enga- 
giren zu lassen. Wenn nun der König von Dünemark allergnädigst be- 
lieben sollte, den Hamburgern diese Fischerei ferner nachzusehen, so möge 
auch konsideriret werden, ob nicht die Hamburger (gleich wie die Hol- 
länder den Häringsfang an die Engelländer theuer rekompensiren und 
bezahlen müssen) 200, 150 oder 100 Thaler, nach Gutbefindung Ihrer 
allergnädigsten Königl. Maj., von jedem Fische, den sie fangen, wel- 
chen man gewohnt ist, klein und gross durch einander auf 1200 
Thaler, wenigstens 1000 Thaler zu taxiren, schuldig sind, Fischgeld an 
Ihre Königl. Maj. zu Altona zu bezahlen.” Es wird bemerkt, dass 
schon ein mässiger Fang dem König 30- bis 50.000 Thaler einbringen 
würde. Muthmasslich würden aber viele Hamburger Grönlands-Rheder, 


um solchem Fischgelde zu entgehen, sich in Altona niederlassen. Der 
König sei in seinem vollen Recht, einen solchen Zoll zu erheben, denn 
er führe in Grönland das dominium maris. Von den Holländern sei 
keine Einsprache wegen dieses den Hamburgern auferlegten "'ributs zu 
besorgen, weil letztere den Amsterdamern in dem Grönländischen Han- 
del fast überlegen und die Holländer daher besondere Jalousie gegen 
die Hamburger geschöpft hätten. Schliesslich wird bemerkt, dass Däne- 
mark, um alles dieses ins Werk zu setzen, nur einige Kriegsschiffe auf 
dem Elbstrom zu stationiren brauche und dass von anderen Potentaten 
in diesem casu Nichts zu besorgen sei. 


Es ist bekannt, dass dieser Plan, von dem sich die 
Hamburger wohl gerade zur rechten Zeit, um Gegenmittel 
zu gebrauchen, Kunde verschafften, in der Hauptsache 
nicht zur Ausführung gekommen ist. Der Geist, welcher 
aus dem Schriftstücke spricht, ist bezeichnend für die An- 
schauungen jener Zeit, oder sagen wir lieber für die un- 
geheuerlichen Ansprüche, welche man auf Dänischer Seite 
namentlich dem Schwachen gegenüber immer von Neuem 
geltend machte. An den Küsten von Ost-Grönland und 
Spitzbergen hatte Dänemark auch nicht einmal einen Schein 
von Vorrecht, nur die Fischerei an der Davis-Strasse konnte 
wegen der dortigen Dänischen Ansiedelungen in Betracht 
kommen. Ich habe aber vergeblich danach gesucht, ob 
Dänemark jemals Holländern gegenüber die Fischerei- 
Gerechtsame in der Davis-Strasse für sich ausschliesslich 
beansprucht hätte. 

Begünstigungen anderer, unschuldigerer Art, welche die 
Dänische Regierung durch Aussetzung von Prämien und 
Befreiung der eingeführten Fischerei-Geräthschaften &e. vom 
Zoll dem Fischfang Dänischer und damit auch Schleswig- 
Holsteinischer Schiffe zuwendete, belebten nur während einer 
kurzen Zeit den Betrieb. Gegen Ende des Jahrhunderts 
hatte z. B. Glückstadt zehn Grönlandsfahrer. 

Zerstörende Wirkungen der Seekriege zu Ende des 16. 
und Anfang des 19. Jahrhunderts auf die Grönlands- 
Fischerei. — Die Französische - Revolution mit ihrem Ge- 
folge, den Seekriegen und Handelsstörungen, der Kaperei 
und der massenhaften Verwendung der Mannschaften für 
militärische Zwecke, machten für eine Reihe von Jahren 
der Grönlands-Fischerei in England und Holland wie nicht 
minder in den Deutschen Küstenplätzen ein Ende. 

In Hamburg finden wir im Jahre 1802 noch 15 Schiffe, 
die 62 Fische erbeuten und 3409 Barile Thran (ä 226 Pfd.) 
gewinnen, in der Grönlandsfahrt, unter ihnen das Fregatten- 
schiff „Die Lillie”, Kommandeur Peter Hansen, von welchem 
mir die Schiffs-Journale aus der Zeit von 1795 bis 1803 
vorliegen. Von der Weser fuhren von Anfang des Jahr- 
hunderts bis 1808 noch fünf bis acht Schiffe, darunter zwei 
Hannoverische. Die Kriege zwischen Frankreich und England, 
später die Kontinentalsperre übten auf den Seeverkehr und 
so auch auf die Fischerei-Unternehmungen der Deutschen 
Küsten jenen furchtbaren Druck, der sich selbst bis zur völ- 
ligen Zerstörung der Handelsblüthe einzelner Städte steigerte. 


A 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 61 


Die Schiffsnachrichten aus jener jammervollen Zeit be- 
richten z. B. Folgendes: 


„Im Jahre 1803 wurde die Weser von den Engländern 
blockirt. Christian Siedenburg (Kommandeur des Schiffes 
„Sophia Katharina”) und Jan Hacke (Kommandeur der „Drei 
Freunde”) kamen vorher ein, die übrigen Schiffe mussten 
Nothhäfen suchen. „Die Visurgis”, Kommandeur A. Fenkohl, 
„Der Walfisch”, Kommandeur J. H. Wurtmann, „Der Nord- 
stern”, Kommandeur J. H. Engel, ‚‚Die Grönland”, Komm. 
H. Wurtmann, liefen in der Ems ein, während die beiden 
Hannoverischen Schiffe „Königin Charlotte’, Kommandeur 
Jan Hashagen, und „Georg III.”, Kommandeur F. Fenkohl, 
Bergen aufsuchten. Dort wurden sie entladen und über- 
winterten. Der Speck wurde von der Ems theils zu Lande, 
theils zu Schiff über die Watten nach Bremen gebracht. 
Die in Bergen eingelaufenen Schiffe liessen den Speck dort 
zu Thran auskochen und letzterer wurde sodann zu Schiff 
nach der Jade gebracht. Im folgenden Frühjahr liefen 
die Schiffe theils von Emden, theils von Bergen aus; rück- 
kehrend richteten sie ihren Kurs nach der Jade, und erst 
nachdem vom Englischen Konsul die Erlaubniss dazu aus- 
gewirkt, „kamen sie nach der Weser herum”. Der Fang 
war in diesem Jahre ein sehr reicher, denn die sieben Schiffe 
brachten zusammen 57 Fische mit. Im Jahre 1805, wo 
die Schiffe theils von der Jade, theils von der Weser und 
Ems ausliefen, währte die Blockade nicht bis zur Rückkehr der 
Schiffe. Im Juni wurde sie aufgehoben und die Schiffe kehrten 
wiederum mit reichem Fischsegen nach der Weser zurück.” 
“ Am 21. April 1806 wurde die Weser wiederum von 
den Engländern blockirt. Die beiden Schiffe „Der Nord- 
stern” und „Die drei Freunde”, welche wegen widrigen 
Windes noch nicht weit gekommen waren, wurden zurück- 
gewiesen und kamen wieder auf die Weser. Die beiden 
Schiffe „Königin Charlotte” und „Georg III.” wurden aber 
nach England aufgebracht. Am 7. Mai wurden sie wieder 
frei gegeben, weil aber das Wasser in dem Hafen zu Ply- 
mouth so niedrig geworden war, dass sie nicht heraus zu 
bringen waren, so konnten sie ihre Reise nach Grönland 
nicht fortsetzen und kamen am 9. Juli auf die Weser zu- 
rück. Auf den fünf anderen Grönländischen Schiffen ent- 
stand ein Aufruhr unter dem Volke, als sie segelfertig 
waren; das Volk machte für den Fall, dass sie aufgebracht 
würden, Forderungen, in welche die Rhedereien nicht willi- 
gen konnten. Auf den Schiffen „Die drei Freunde”, „So- 
phia Katharina” und „Grönland” konnte das Volk auf 
keine Weise beruhigt werden und diese mussten ihre diess- 
jährige Reise aufgeben. Auf den Schiffen „Der Walfisch” 
und „Der Nordstern” gelang diess aber; ersteres ging am 
6. Mai und letzteres am 7. Mai in See. „Der Walfisch” 
entging den Engländern und setzte seine Reise nach Grön- 
land fort, allein „Der Nordstern” wurde von ihnen genom- 
men und nach Leith aufgebracht, wo er wieder frei gegeben 
wurde, jedoch erst am 13. Juni abgehen konnte. Der Kom- 
mandeur glaubte nun, es sei zu spät, nach Grönland zu 
gehen, und kam am 20. Juni wieder auf die Weser zurück, 
womit die Rhederei sehr unzufrieden war, denn sie hatte 
gewünscht, dass er noch nach Grönland gegangen wäre, 
obgleich es so spät sei. Wäre dieses Schiff einen Tag 
früher, nämlich am 6. Mai, in See gegangen, so wäre es 


wahrscheinlich auch den Engländern entkommen. „Der 
Walfisch” kam am 13. Juli mit 5 Fischen und 198 Quar- 
deelen Speck ungehindert auf die Jade zurück und einige Tage 
nachher unter Certifikat vom Englischen Konsul mit seiner 
vollen Ladung auf die Weser. Im Jahre 1307 liefen noch 
fünf Schiffe von der Weser nach Grönland aus und kehr- 
ten ungehindert zurück. 


Die Deutschen Grönlandsfahrten hören in der sogenannten 
Französischen Zeit ganz auf. — Im Dezember 1807 er- 
liess der grosse Imperator von Mailand aus seinen Bann- 
strahl gegen den Englischen Seehandel. Durch ihn, wurden 
die Deutschen Handelsmarine-Interessen auf das Tiefste ge- 
troffen. 
lischen Kolonie ausgelaufene odeg von Englischen Schiffen 
angehaltene, resp. durchsuchte Schiff sollte danach als Eng- 
lisches Eigenthum angesehen und in jedem befreundeten Ha- 
fen mit Beschlag belegt werden. 

Vergeblich waren die Schritte, welche die Hansestädte 


Jedes aus einem Hafen Englands oder einer Eng- 


zu Gunsten der Aufrechterhaltung ihrer Grönlandsfahrt in 
Paris thaten. 
Paris, Abel, überreichte der Kaiserlich Französischen Regie- 
rung in Paris eine Note, in welcher um freie Ein- und 
Ausfahrt für die Walfisch- und Häringsfang-Schiffe nach- 
gesucht wird. Für den Häringsfang habe sich in den letz- 
ten Jahren eine Kompagnie gebildet. Man möge die Schiffe 
nach erfolgter Visitation frei sein lassen, selbst wenn einzelne 
im Zwangsverkehr mit Englischen Kreuzern hätten treten 
müssen. Es heisst: „Quoique cette double peche ne soit 
dans tems ordinaires qu’un objet secondaire pour les habi- 
tants de Bröme, il ne leur est pas du tout indifferent dans 
la stagnation actuelle du commerce maritime et du cabotage, 
de conserver cette petite branche d’industrie innocente et 
non suspecte.” 

Die Note fruchtete Nichts, dieses „unschuldige, unver- 
dächtige Gewerbe” musste der Seehandelspolitik Napoleon’s 
zum Opfer fallen. 

Ob überhaupt eine Antwort ertheilt wurde, erhellt nicht 
aus den Akten, jedenfalls blieb aber das Gesuch ohne Folge. 


Der Minister-Resident der Hansestädte ın 


Hannover’sche Fischerei- Unternehmungen: Emden, die Un- 
ter- Weser-Gegend und Stade. — Hannover’sche Küstenplätze 
hatten sich hie und da für kurze Zeit an der Grönlands- 
fahrt betheiligt. Allein ausdauernder Unternehmungsgeist 
und Kapital, diese beiden Hauptfaktoren alles kaufmänni- 
schen Wagens, waren dort nur in weit geringerem Grade 
vorhanden, wenn es auch an geübten Fischerleuten nieht 
fehlte, vornehmlich auf der Insel Borkum, welche bis. zu- 
letzt eine bedeutende Anzahl Mannschaften zur Hollän- 
dischen Fischerflotte gestellt hatte. Hier noch einige Einzel- 
heiten über die Hannover’schen Unternehmungen. 

Unter der im Jahre 1697 mit reichem Segen heimkeh- 
renden Flotte von 192 Schiffen werden auch zwei Emdener 


62 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


erwähnt. Mitte des vorigen Jahrhunderts entstehen dort 
zwei Grönlands-Kompagnien '); die eine errichteten der Stadt- 
Sekretär Haykens und ein gewisser Oterendorp; sie endigte 
mit Bankerott. Die zweite Emdener Unternehmung wurde 
von dem Kaufmann Wichers ins Leben gerufen. Zwölf Jahre 
hindurch wurde der Betrieb, freilich nur mit Einem Schiffe, 
fortgesetzt. Im Jahre 1757, nachdem sich ein Verlust von 
100.000 Gulden ergeben hatte, kam das Schiff in Amster- 
dam zum Verkauf. Bei Besprechung der Ursachen, wes- 
halb diese Unternehmungen missglückten, wird unter An- 
derem die bedeutende Kapital-Auslage erwähnt, welche sich 
für ein gutes Schiff sammt Ausrüstung wohl auf 50.000 
Gulden Ostfriesisch belaufe. In Holland, so wird weiter 
gesagt, seien andere Verhältnisse, dort seien die beim 
Schiffsbau beschäftigten Zimmerleute, Schmiede, Seiler, 
Segelmacher an den Fischerei-Unternehmungen betheiligt. 
Kapital sei dort reichlich und der Besitzer mit einer ge- 


ringen Rente zufrieden. In Ostfriesland wende sich mit 


Recht das vorhandene Kapital mehr der Landwirthschaft, 


dem Rapsbau und Ölmühlenbetrieb zu, auch sei der Werth 
der Barten in Folge der veränderten Mode der Reifröcke 
gesunken und das Rüböl mache dem Thran erhebliche Kon- 
kurrenz. 

In Stade ward in den Jahren 1777 bis 1779 ebenfalls 
jährlich ein Schiff ausgerüstet, es kehrte aber auch in den 
ersten beiden Jahren mit einem nur sehr mässigen Fange 
heim und im Jahre 1779 machte ein Amerikanischer Ka- 
per, der das Schiff unter dem 75. Grade wegnahm, dem 
ganzen Unternehmen ein Ende. 

Endlich ward acht Jahre später an dem Hannover’- 


schen Weser-Ufer ein Unternehmen durch Eingesessene - 


des Herzogthums Bremen ins Leben gerufen, das etwas 
besseren Erfolg hatte als die bisherigen. Ein Schiff von 
120 Last ward von dem Schiffszimmermeister Raschen 
Schiff, Aus- 
rüstung, Assekuranz, Matrosenlohn &e. erforderten die 
Summe von 9200 Thaler. 
Kollegium in Hannover gab dazu, in Erwägung, dass seit 


zu dem Zweck gekauft und eingerichtet. 
Das Königliche Kommerz- 


langer Zeit eine solche Unternehmung in Hannover nicht 
geschehen, gegen gehörige Sicherheit 4000 Thaler zinsfrei 
her, das Übrige wurde als Aktienkapital durch Landes- 
eingesessene zusammengebracht. Das Schiff wurde unter 
den Befehl emes erfahrenen Kommandeurs, des Kapitäns 
Fennekohl aus St. Magnus, gestellt, führte die Kurhanno- 
ver’sche Flagge und erhielt den Namen „Georg III.”; die 
Besatzung, 39 Mann, bestand ausschliesslich aus Hannove- 


1) Historisch - politisch -geographisch - statistische und militärische 
Beiträge, die Königlich Preussischen und benachbarten Staaten betreffend. 
Band I. Berlin 1781. Namen wie Bakker, Janssen, die wir in den 
Listen der Holländischen Kommandeure finden, zeigt noch das heutige 
Verzeichniss Ostfriesischer Seeschiffs-Kapitäne. 


ranern. Unter den Provisionen figuriren unter Anderem 
4500 Pfund Fleisch verschiedener Gattung, 5300 Pfund 
Brod, 1668 Pfund Butter, 29 Oxhoft Bier, 44 Anker Brannt- 
wein, 94 Pfund Syrup und 45 Faden Brennholz. 

Die ganze Ausrüstung wurde in Amsterdam für 16.000 
Gulden versichert. Den 10. April konnte die Mannschaft 
an Bord genommen werden. Widrige Winde hielten die 
von Vegesack erfolgte Abfahrt des Schiffes so sehr zurück, 
dass es erst den 25. April die offene See erreichte. Den 
4. Juni kam, so sagt der Bericht, das Schiff in den Grön- 
ländischen Gewässern (zwischen dem 70. und 75° N. Br.) an, 
und nachdem es sich glücklich durch das Süder-Eis durch- 
gearbeitet, erreichte es den 10. Juni diejenigen Blänken, in 
welchen die Walfische gejagt zu werden pflegen. Am 
16. Juni wurden in Einem Tage zwei Fische getödtet, 
alle weiteren Bemühungen waren vergeblich und das Schiff 
kehrte Anfangs Juli durch das Süder-Eis zurück, wo noch 
einige Robben erlegt wurden. Der „Georg III.” langte am 
6. August wieder auf der Weser an. 

Die beiden Fische lieferten zusammen 174 Tonnen Thran 
(die Tonne zu 216 Pfund), die Barten wogen 2300 Pfund. 
Von dem Ertrage konnte eine Dividende gezahlt, 1000 Tha- 
ler von der Schuld an das Kommerz-Kollegium abgetragen 
und 2800 Thaler für die nächstjährige Expedition verwen- 
det werden. Später kam noch ein zweites Schiff, die „Rö- 
nigin Charlotte”, hinzu. Das Handlungshaus €. L. Brauer 
und Sohn in Bremen trat an die Spitze des Unternehmens. 
Beide Schiffe fuhren bis 1807 und von 1814 bis 1816 für 
Rechnung der Aktien-Gesellschaft, dann übernahm sie das 
genannte Handlungshaus. Es zahlte für die Schiffe zusam- 
men 12.200 Thaler. Umgetauft in „Elise Dorothea” und 
„Friedrich August” setzten sie unter Bremer Flagge die 
Grönlandsfahrten noch einige Zeit fort. 

Grönlandsreise des Sachsen Fr. @. Köhler 1801. — 
Einen originellen Grönlandsfahrer- Bericht haben wir noch 
aus dem Anfange dieses Jahrhunderts nachzutragen; es ist 
die Erzählung jenes Seilermeisters Friedrich Gottlob Köhler 
aus Pirna in Sachsen von seiner im Jahre 1801 auf dem 
Altonaer Schiffe „Grönland” unternommenen „ersten und 
einzigen Reise nach dem Eismeere”. Neben manchen naiven 
und ergötzlichen Bemerkungen des Binnenländers über die 
verschiedensten Gegenstände des Seewesens führt uns Köh- 
ler’s Bericht das damalige Leben und Treiben auf einem 
Grönlandsfahrer doch recht anschaulich und lebendig vor 
Augen. Es mögen daher hier einige Stellen aus dem 
Schriftehen folgen, das, wohl nur noch in wenigen Exem- 
plaren vorhanden, den Titel trägt: „Reise ins Eismeer und 
nach den Küsten von Grönland und Spitzbergen im Jahre 
1801 von Friedrich Gottlob Köhler, Seilermeister in Pirna. 
Leipzig 1820”. 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Es fehlte mir, so erzählt der ehrsame Pirnaer Seepionier, in meiner 
Jugend nicht an Muth, Entschlossenheit und Herzhaftigkeit, aber ich darf 
ohne Unbescheidenheit von mir selber sagen, dassich mich bei Allem, was 
ich unternahm, klug, gesittet und anständig zu betragen wusste. Selbst 
unter der rohesten Menschenklasse vergass ich mich nie. Ich hatte 
immer einen unruhigen Geist und stets trieb mich eine lebhafte Wiss- 
begierde. Erfahrung, dachte ich, macht die Menschen klug. Endlich 
war ich der Landreisen müde. Da ich nirgends ein Ruheplätzchen ge- 
funden hatte, wollte ich mein Glück zur See und in fernen Himmels- 
gegenden suchen. So kam ich im Frühjahr 1801 nach Altona, zu der 
Zeit, wo die Grönlandsfahrer, die auf den Walfischfang gehen, abreisen. 
Mein Sinn stand gerade nicht dahin, aber auf Zureden einiger jungen 
Leute von meinem Handwerke, die auch zum ersten Mal die Reise da- 
hin machten und die Gefahren und Beschwerden solcher Fahrten so 
wenig als ich kannten, entschloss ich mich, das tolle Abenteuer zu wa- 
gen und als Matrose nach Grönland zu gehen. 

Z Ich ging an Bord des dreimastigen Schiffes „Grönland’” unter Ka- 
pitän Johann Schmit aus Jütland. Am 16. März 1801 verliessen wir 
Altona in Gesellschaft von 18 Schiffen, die gleichfalls nördlich segelten. 
Es war ein schöner, heiterer Tag. Als das Schiff segelfertig war, wur- 
den wir alle gemustert, unsere Gesundheit wurde noch einmal unter- 
sucht und nachgesehen, ob unsere Sachen im gehörigen Stande wären, 
uns gegen die Kälte zu schützen. Ich erhielt monatlich 7 Thaler, doch 
hat Jeder von der Mannschaft auf einem Grönlandsfahrer noch einige 
kleine Einkünfte, wenn der Fang gut ist. Für Kleider aber muss Jeder 
selbst sorgen, er erhält dazu den Vorschuss einer zweimonatlichen Löh- 
nung, wofür er sich den Schiffs-Anzug kauft. Der nothdürftigste An- 
zug besteht in zwei Paar guten Stiefeln, einem halben Dutzend Strüm- 
pfen, vier Paar Beinkleidern von grober Sackleinwand, acht Paar Hand- 
schühen und zwei Pelzmützen. Diesen Anzug kann man für den er- 
haltenen Vorschuss kaufen, weil Alles so eingerichtet ist, dass es nur 
ein halbes Jahr hält. Vor der Abfahrt mussten wir sämmtlich Treue 
schwören und versprechen, das Schifl nieht zu verlassen, „so lange 
Kiel, Steng, Stag, Mast und Wand noch steht”. Als wir mit Ost-Wind 
von Altona abfuhren, nahm Jeder von der Mannschaft mit dreimaligem 
Hurrahgeschrei Abschied vom festen Lande. Bei Glückstadt lag ein 
kleines Kriegsschifl, eine Fregatte, welche wir mit Aufsteckung unserer 
grossen Flagge begrüssten. Der Kapitän oder Befehlshaber des Schiffes 
stand auf dem Verdeck und sagte uns durch ein Zeichen mit dem 
entblössten Degen Lebewohl. Auf beiden Ufern standen Menschen,. die 
ihre Hüte schwenkten und uns ein freudiges Hurrah nachriefen. An 
demselben Abend kam das Schiff bis Cuxhaven, am andern Morgen 
ging’s in die hohe See. Die Mannschaft wurde in drei Wachen ein- 
getheilt, in die Kapitäns-, Steuermanns- und Bootsmanns-Wache, von 
welchen jede aus 14 Mann bestand. Als die Mündung der Elbe ver- 
lassen war, erhielt Jeder von der Mannschaft einen Holländischen Käse 
‘von 5 Pfund. Bei Cuxhaven musste sich das Schiff durch vieles Treib- 
eis durcharbeiten und unserm Sachsen schauderte es jetzt bei dem Ge- 
danken an Grönland. Wir Deutsche hielten immer treu zusammen und 
lebten sehr brüderlich, denn das übrige Schiffsvolk bestand aus Dänen, 
Jütländern und Holländern. Es waren unser fünf, der Schiffs-Wund- 
arzt, der Sohn eines Predigers aus der Gegend von Stendal, zwei Sei- 
ler aus Pesth und aus Halberstadt, ein Fleischer aus Erfurt und ich. 
Einzelne Scenen der Rohheit auf dem Schiffe waren für Köhler ab- 
schreckend; so z.B. schlug der Steuermann im Wortwechsel mit einem 
angetrunkenen Matrosen diesen so derb mit der Faust ins Gesicht, dass 
er ihm mit dem grossen messingenen Ringe, den er am Finger trug, 
eine tiefe Wunde beibrachte. Am fünften oder sechsten Tage rief man 
„Land!” Es war Norwegen. Wir kamen, erzählt Köhler, durch den Trichter 
oder die Meerenge von Norwegen und den Britischen Inseln und hatten 
die hohe Gebirgskette dieses Landes stets vor Augen. Einige Tage 
_ machher kamen wirin das nördliche Atlantische Weltmeer oder die Spa- 
nische See, wie die Matrosen es nennen. Dieses Meer ist sehr unge- 
stüm. Einst in der Nacht, als wir des starken Windes wegen die Se- 
gel fest machen mussten, fehlte uns, während wir oben waren, ein 
Mann. Als wir mit der Arbeit fertig waren und wieder hinunter stie- 
gen, griff einer von uns unter die Salung am grossen Mast, und siehe 
da! der Vermisste hatte diesen Schlupfwinkel gewählt. Jener zog ihn 
bei den Haaren hervor, nahm das Stagtau— ein Tau, das vom grossen 
Mast von oben her nach dem vordern Mast führt — zwischen die 
Beine, und indem er den Kerl schwebend hielt, fuhr er hinunter mit 
ihm ins Meer. Das war die Strafe für das Verstecken. Überdiess er- 
hielt er von Jedem drei Hiebe mit einem Endtau. 

Am 25.Tage der Reise erblickten sie das erste Eis, es war kleines 

“ Treibeis. Sechs Tage später kamen sie an das Packeis. 


63 


Über das Seeleben und die Einrichtungen auf dem Schiffe lässt 
sieh Köhler des Breiteren aus. Tabakrauchen und Kartenspiel waren 
durchaus verboten. Ehe Jemand zum Essen kam, musste bewiesen wer- 
den, dass er den Mund ausgespült, Gesicht und Hände gewaschen hatte; 
wer diese Vorschrift nicht befolgte, erhielt drei Hiebe mit einem 
Tauende. Jeder ohne Unterschied musste alle acht Stunden unter die 
grosse Luke treten und das Hemd ausziehen, um nachzusehen, ob sich 
Ungeziefer eingenistet habe. Bei heftiger Kälte war diess ein böses 
Stück Arbeit. Diebstahl, besonders Entwendung eines Kleidungsstückes, 
wurde sehr hart mit Hieben bestraft. Jede der drei- Wachen dauert 
vier Stunden. Nach der Ablösung hat das Volk acht Stunden frei, 
wenn nicht schlechtes Wetter eintritt, und während dieser Zwischen- 
zeit kaun Jeder thun, was er will, Niemand aber darf zum Zeitvertreib 
aufs Verdeck gehen, der nicht die Wache hat. (Auf einem mit Kauf- 
mannsgütern beladenen Schiffe sind statt drei nur zwei Wachen und 
das Schiffsvolk hat also nur vier Stunden frei.) E 

Wenn sich Walfischfahrer im Eismeere begegnen und nicht zu 
weit von einander entfernt sind, wünscht die Mannschaft auf jedem - 
Schiffe zu wissen, wie viel Fische das andere Schiff gefangen hat. Man 
nimmt, wenn man sich wegen des Windes oder wegen Unkunde der 
Sprache nicht zurufen kann, irgend Etwas, z. B. einen Besen, eine 
Stange, in die Hand und giebt damit dem vorbeifahrenden Schiff so viel 
Mal ein Zeichen, als man Fische hat. Bei solehen Gelegenheiten habe ich oft 
den Stolz der Engländer bemerken können. Jedes Englische Schiff wartet, 
bis das vorüberfahrende Schiff die Zahl seiner Fische angegeben hat, und 
giebt dann immer ein paar mehr an als jenes. Alsich eines Tages selbst auf 
dem Verdeck stand, um das Zeichen zu geben, befahl mir der Kapitän, 10 an- 
zuzeigen, und setzte hinzu, der Engländer werde gewiss 11 oder 12 angeben. 
Und er hatte Recht. Der Küchenzettel war fest bestimmt. Jeden Morgen um 
4 Uhr gab es grobe Graupen mit etwas Butter zum Frühstück. Der Mittags- 
Küchenzettel bietet eben so wenig Abwechselung, eben so: wenig Lecker- 
bissen dar. Am Sonntag graue Erbsen mit Pökelfleisch; Montags gelbe 
Erbsen mit Stockfisch; Dienstags graue Erbsen und Fleisch; Mittwochs 
gelbe Erbsen und Stockfisch; Donnerstags eben so; Freitags graue Erb- 
sen und Fleisch; Sonnabends gelbe Erbsen und Stockfisch, und so 
wechseln die leidigen grauen und gelben Erbsen eine Woche wie die 
andere. Nur ein Paar Mal gab es weisse Bohnen und zwei Mal Sauer- 
kraut. Man kann sich also vorstellen, was für ein Fest es war, als 
das Schiffsyvolk am Geburtstage des Kapitäns, am 28. Mai, mit 22 Fla- 
schen Wein erquickt wurde. Wir tranken des Königs von Dänemark 
Gesundheit. Ich habe selbst in jenen rauhen Gegenden, wenn wir hin- 
term Wind an ein Eisfeld gelegt hatten, so manchen frohen Tag gehabt. 
Bei solchen Gelegenheiten erlaubte der Kapitän dem Schiffsvolk allerlei _ 
Leibesübung '), wo wir Deutsche dann den Jütländern manchen Possen 
spielten, und es war eine Lust, wenn wir dabei über diejenigen, die 
uns zu befehlen hatten, Meister werden konnten. Der Kapitän sah es 
gern, wenn das Schiffsvolk froh und guter Dinge war. Wenn es zu- 
weilen gar nicht damit gehen wollte und Alles still und niedergeschla- 
gen war, kam er wohl zu mir und sagte: Mien hochtütsker, mack man 
eng betjen dum tüg, dat de Lühde lustig wehren. — Er spielte auch 
selbst oft mit, und ehe er sich’s versah, war er ausgeräuchert, so gut 
als der Gemeinste, und ging dann lachend davon. Immer aber wusste 
er sich so zu benehmen, dass er bei Niemand die Achtung verlor. 

Am 28. Tage nach der Abfahrt begann der Robbenschlag, der im 
Ganzen nur 1400 Robben lieferte. (Wir gehen darauf wie auf die Einzel- 
heiten des Walfischfanges, um nicht durch spätere Wiederholung zu er- 
miüden, nicht näher ein.) Manchen Tag, manche Woche segelten wir 
nördkch, ohne dass uns etwas Wichtiges begegnete, bis wir in die Gegend 
kamen, wo wir den Walfisch fanden, dessen Fang der Hauptzweck un- 
serer Reise war. Diess ist die Gegend der Insel Spitzbergen, wo es 
die meisten. Walfische, aber wenig Seehunde giebt. Wir sind mit kei- 
nem Fuss ans Land gekommen und haben uns die meiste Zeit in jener 
Gegend aufgehalten. Die Schiffe, welche auf den Walfischfang gehen, 
landen überhaupt nur im Nothfalle, wenn Stürme sie überfallen oder 
wenn sie in Gefahr sind, vom Eise eingeschlossen zu werden. Nicht 
selten aber legten wir an Eisbergen an, was man „sich hinter den 
Wind legen” nennt, wie wir denn einst drei Tage an einem solchen 
Berge bei der Insel Jan Mayen östlich von Grönland lagen. Nur ein 


!) Ein alter erfahrener Bremer Kommandeur, Albert Haake, erzählt 
mir, dass, wenn er mit seinem Schiff still an einem Eisfelde lag, er 
oft mit einem Theil seiner Mannschaft aufs Eis gegangen sei und Ball 
oder sonstige muntere Spiele mit den Leuten gespielt habe, damit sie 
frisch und regsam blieben. 


64 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Mal kamen wir Grönland nahe, in einer Entfernung von 4- bis 500 
Schritten, so viel ich es berechnen konnte, aber wegen der Eismassen, 
die ans Land getrieben wurden, war es uns nicht möglich , näher zu 
kommen. Zwei Mal waren wir in der Nähe von Nowa Zembla, ein Mal 
auf der westlichen und das andere Mal auf der nördlichen Seite, 
aber nur in der Entfernung von '/, Meile, weil wir wegen der Eis- 
massen uns auch hier der Küste nicht nähern konnten. Die Westseite 
zeigte sich als ein grauer Felsen mit etwas Schnee, auf der Nordseite 
aber war mehr Schnee zu sehen. Das Meer zwischen Spitzbergen und 
Nowa Zembla war oft ganze Tage ohne Eis und das Eis nie sehr gross, 
sondern nur Treibeis. Östlich und südlich von Spitzbergen fanden wir 
immer mehr Eis als nördlich. Der grossen Insel Spitzbergen, die sich 
vom 77. Grad bis über den 80. Grad ausdehnt, waren wir oft sehr nahe. 
In der Ferne sieht sie aus wie eine schwarze Wolke mit vielen weissen 
Strichen. 

In dieser Gegend des Eismeeres giebt es die grössten Eismassen, von 
welchen die Schiffe sehr oft zerdrückt werden. Auch wir befanden uns hier 
vom 14, bis 23. August in einer so schrecklichen Gefahr, dass wir uns Gott 
befahlen und unsern Untergang vor Augen zu sehen fürchteten, bis 
ein Nordwest-Wind das Eis aus einander trieb und uns wieder in freies 
Wasser brachte. Als wir unsern Fang im Meere um Spitzbergen ge- 
macht hatten, segelten wir über jene Insel hinaus, und zwar fünf Tage 
und eben so viele Nächte lang. Ein Hamburgisches Schiff, das uns be- 
gleitete, veranlasste uns zu dieser Fahrt. Es war nicht glücklich im 
Walfischfange gewesen und der Kapitän, der den unserigen kannte, hatte 
sich vorgenommen, gegen den Pol zu segeln, in der Hoffnung, todte 
Walfische anzutreffen. Wir fanden erst weniger, dann aber wieder 
mehr Eis; auf dem höchsten Punkte, den wir erreichten, war jedoch 
überall frei Wasser. Endlich aber rief der Steuermann des Hamburger 
Schiffes uns zu, dass sein Kompass nicht mehr treu bleibe. Auf un- 
serm Schiffe wurde diess gleichfalls bemerkt, die Magnetnadel war in 
so unruhiger Bewegung, dass sie den Kurs nicht mehr anzeigte, und 
nun wurde sogleich auf beiden Schiffen Befehl gegeben, wieder südlich 
zu steuern. Bei dem Eise ist das Meer sehr tief. Die Farbe der See, 
meint Köhler, ändert sich nach der Beschaffenheit der Luft. Bei kla- 
rem Himmel ist die See blau; ist aber der Himmel ein wenig bewölkt, 
so wird sie grün, und bei trübem Sonnenschein gelblich. Wenn es 
ganz dunkel ist, so sieht sie schwarzblau aus und bei einem Sturme 
grauschwarz. In den Gegenden, wo Eis ist, hat das Meer zuweilen 
eine vitriolblaue, zuweilen eine grüne Farbe. 

Die Eismassen, die man im Eismeere findet, bestehen theils aus 
Treibeis, theils aus Eisbergen oder Eisstücken von wunderbarer Gestalt 
und Grösse, die in der See schwimmen. Von diesem Treibeis nun 
unterscheiden sich die Eisberge, welche man hieund da im Meere sieht, 
wo sie auf dem Grunde zu ruhen scheinen und oft lange Zeit unver- 
änderlich ihre Lage behalten. In der That hörte ich mehr als ein Mal, 
wenn wir an solchen Eismassen vorüberfuhren, das Schiffsvolk sagen: 
„An diesem Felde haben wir voriges Jahr mehrere Tage hinter dem 
Winde gelegen.” Ich besinne mich, wie einst der Schimmann — der 
Mann, welcher in dem innern Raume des Schiffes den Befehl und die 
Oberaufsicht führt —, als wir zwischen zwei grossen Eismassen hin- 
durchsegelten, versicherte, er kenne diese Massen schon seit 5 Jahren 
und habe sie immer auf derselben Stelle gefunden. Der alte Mann 
musste das Eismeer wohl kennen, da es gleichsam seine Heimath war; 
er war nun zum 47. Male in dieser Gegend und hatte also gewisser- 
maassen 94 Winter gesehen und keinen Sommer, denn 14 Tage nach 
seiner Abfahrt, zur Zeit, wo bei uns Winter und Frühling sich schei- 
den, war er schon wieder zwischen Eis und Schnee und bei seiner 
Rückkehr fing der Winter in seiner Heimath an. 

Jene Eisberge glichen zuweilen Kirchen oder Schlössern mit stum- 
pfen und spitzigen Thürmen oder grossen Inseln mit Bergen und Thä- 
lern. Die grössten Massen sahen wir bei Spitzbergen, wo sie wie 
Berge im Meere sich bewegen. 

Oft werden die Schiffe von dem Treibeise so sehr besetzt, dass 
sie sich durch die Schollen mit der Säge den Weg bahnen müssen. 
Wir waren einmal nahe bei Spitzbergen in diesem Falle. Man verfährt 
dabei auf diese Art: Die grosse Säge, welche dazu gebraucht wird, 
gleicht einer Schrot- oder Baumsäge, ist 16 bis 18 Ellen lang und hat 
grosse, weit von einander stehende Zähne. Ist nun das Schiff ganz 
vom Eise umschlossen und zeigt sich die Möglichkeit, durch das Zer- 
sägen der Eismassen freie Fuhrt zu gewinnen, so werden Leinen an 
die Arme der Säge gebunden und oft wird die Hälfte der Schiffsmann- 
schaft angestellt, daran zu ziehen. Erst wird oben abgesägt und als- 
dann sucht man die im Wasser befindlichen Massen durch Haken unter 
das andere Eis zu schieben. Aber nur bei Windstille und wenn die 


um das Schiff sich drängenden Eismassen nicht zu gross sind, ist das 
Sägen anwendbar, denn wenn nicht Windstille ist, macht man sich 
vergebliche Arbeit, da der Wind, sobald die Säge eine Fuhrt geöffnet 
hat, das Eis wieder zusammentreibt. Auch muss man sich in sol- 
chen Gefahren oft mit den Schaluppen unter mühsamer Arbeit aus dem 
Eise bugsiren. Alle Mannschaft fährt in Schaluppen aus, um den 
schmalsten Streif in den Eisfeldern zu suchen, wo durchzukommen ist. 
Hat man einen solchen, der nicht von vorne kommt, gefunden, so 
spannt man alle Segel auf und fährt darauf los. Es ist uns oft ge- 
glückt, auf diese Art durchzukommen, aber es gehen auch viele Schiffe 
dabei verloren, zumal wenn sie alt sind. Oft geschieht es auch, wie 
ich bereits beiläufig erwähnt habe, dass man die Schiffe mit Eishaken, 
die mit starken Tauen versehen sind, an grosse Eisfelder oder Eisberge 
fest macht, wo sie wie vor Anker liegen. Zuweilen liegen einige Schiffe 
um ein grosses Eisfeld, besser aber ist es, wenn nur Ein Schiff anlegt, 
weil sie sich sonst am Walfischfange hindern. Zwischen den grossen 
Eismassen findet man keine hohen Wellen, sondern die See ist hier 
selbst bei einem Sturme ziemlieh ruhig. Aber auch an den grössten 
Eisfeldern liegen die Schiffe nieht ganz sicher, weil diese Massen zu- 
weilen von der Bewegung der Wellen brechen, wodurch unzählige klei- 
nere Massen entstehen, die einen Wirbel in der See machen. Kommt 
das Schiff in die Mitte solcher Schollen, so ist es verloren. In der 
äussersten Gefahr bleibt oft keine andere Hülfe für die Mannschaft 
übrig, als sich über das Eis zu retten oder sich in ihre Boote zu wer- 
fen, und es ist ein Glück, wenn sie ein anderes Schiff findet, das sie 
aufnimmt. Von solchen Unglücksfällen hört man die Grönlandsfahrer 
oft erzählen. 

Ein Abenteuer mit einem Bären, welches der Sächsische Seiler- 
meister bestand, hatte glücklicher Weise keinen traurigen Ausgang. 
„Als ich so in Gedanken auf dem Eise umher ging und mich um- 
sah, wie weit das Schiff wäre, erblickte ich plötzlich ein grosses 
weisses Thier, 60 bis 70 Schritte vorwärts von mir entfernt. Ich 
glaubte Anfangs, es sei ein alter Seehund (!). Als ich mich aber einige 
Schritte näherte, wurde mir vom Schiffe durch das Sprachrohr zugeru- 
fen: Geh’ nicht weiter, es liegt ein Bär vor Dir! Ich betrachtete das 
Thier nun genauer und sah, dass es ein weisser Bär war, der sich im 
Schnee kugelte. Ich zog mich so schnell als möglich zurück, um mich 
den Blicken des Thieres zu entziehen.” 

Die Bekanntschaft unseres Pirnaer Landsmannes mit dem ersten Wal- 
fisch wird so erzählt: „Mit Schauder denke ich noch an den Augenblick, als 
ich ihn zu Gesicht bekam. Er sah von Weitem wie ein Stück schwarzes 
Land oder wie ein kleiner Berg aus. Es wurde sogleich eine Scha- 
luppe gestrichen und ich war leider gleich das erste Mal unter den 
sieben Mann, welche beordert wurden, auf den Walfisch loszugehen. 
Mein Herz klopfte, als wir fortruderten; ich fing an zu beten, und je 
näher wir dem Ungeheuer kamen, desto deutlicher hörten wir sein 
Blasen und meine Angst stieg. Als wir nun dem Walfisch nahe waren 
und der Harpunier ihm den tödtlichen Stich versetzte, fing das Thier 
an, sich zu bewegen, stürzte sich auf den Kopf, schlug mit dem 
Schwanze so gewaltig auf das Wasser, dass die Schaluppe, worin ich 
war, einen heftigen Stoss bekam und 20 bis 30 Schritt weggeschleu- 
dert wurde. Ich war im Herzen froh, dass der Fang uns entging.” 

Einmal ereignete es sich, dass unser Köhler in Folge des Losbrechens 
eines Stückes Eis von einem Eisberge, auf welchen er, um Schnee zu 
Wasservorräthen für das Schiff zu sammeln, gestiegen war, in eine Eis- 
spalte hinabstürzte. Weitläufig berichtet er über dieses Abenteuer, 
welches er sich wohl gefährlicher vorgestellt haben mag, als es wirk- 
lich war. „Ich lag dort ganz weich in dem kalten Schneelager. Ohne 
fremde Hülfe herauszukommen, war unmöglich. Man konnte mich 
nur vom Gipfel des Berges sehen. Ich schrie laut. Einige vom Schifts- 
volk hatten zwar meinen Fall gesehen, aber wegen des mir nachrollen- 
den Schnee’s wusste man nicht, ob ich ins Meer gefallen wäre oder 
nicht. Der Zugang zu meiner Lagerstätte war sehr schwierig. Vergebens 
schrie, bat und lärmte ich, betete in der Angst und stiess auch wohl 
in meiner Verzweiflung laute Verwünschungen aus, und da ich das 
Schiffsvolk oft lachen hörte, so glaubte ich, man habe keinen Willen, 
mir Hülfe zu leisten, was auch, wie ich später erfuhr, gar nicht so 
schwer war. So hatte ich schon 10 bis 12 Minuten gelegen, als mir 
plötzlich ein Klumpen Schnee in den Nacken flog. Ich sah auf und 
erblickte oben auf dem Gipfel des Berges zwei Matrosen, einen Hol- 
länder und einen Dänen. Als sie sahen, dass ich mit leichter Mühe 
vermittelst einer Leine herausgezogen werden konnte, riefen sie nach 
diesem Hülfsmittel. Man warf auch sogleich eine Leine vom grossen 
Mast herüber, die aber zum Unglück den Dänen so hart ins Gesicht 
traf, dass er umfiel. Ich konnte mich nicht enthalten zu lachen, so 


Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 65 


sehr ich in der Klemme war, als ich das Schiffsvolk über den Unfall 
lachen hörte. Der arme Däne trug mehrere Wochen das Zeichen davon 
an Mund und Nase. Der Holländer warf mir nun die Leine zu und 
ich kehrte den gekrümmten Rücken gegen den Wurf, um meine Nase 
vor einem ähnlichen Unfalle zu bewahren. Der hülfreiche Holländer 
wollte mich aus meinem Schneekerker ziehen, aber es war ihm allein 
unmöglich und der Däne war wieder hinab geklettert.” Endlich liess 
der Kapitän den in-der Eisversenkung Schmachtenden durch zwei Ma- 
trosen herauf holen underquickte ihn zur Stärkung nach den überstan- 
denen Ängsten mit zwei Maass Branntwein. 

Unbeschreibliche Freude empfand der Seilermeister, als es den 
23. August hiess: „Es geht nach Hause!” Die Freude begeisterte den 
Schiffts-Wundarzt zu einem Gedichte, worin er von der traurigen Eis- 
welt Abschied nahm. ‚Wir steuerten einige Tage westsüdwestlich, bis 
wir das Eis aus dem Gesichte verloren. Am 1. Oktober kam die Insel 
Helgoland in Sicht. Noch hatte die „Grönland’” ein kleines Abenteuer 
mit einem Englischen Kriegsschiff zu bestehen. Es wurde eine Kanone 
abgefeuert als Signal für die Lootsen. Nach einiger Zeit kam ein 
Fahrzeug mit einem einzigen Mann auf uns zu. Es war ein Lootse. 
Der Kapitän unterhandelte lange mit ihm, da der Lootse bis Cuxhaven 
88 Thaler verlangte, eine zu hohe Forderung, worüber man nicht einig 
wurde. Der Lootse entfernte sich und wir segelten einige Stunden 
allein fort, was sehr gewagt ist. Gegen Abend wurden wir ein Schiff 
gewahr und erkannten darin bald eine Englische ‚‚Convoy”. Es segelte 
auf uns zu und löste eine Kanone. Diess war das Zeichen, wodurch 
uns angedeutet wurde, unsere Flagge zu zeigen. Wir folgten dieser 
Aufforderung aber nicht und segelten weiter. Wir hatten keine Furcht, 
ungeachtet das Englische Schiff 16 Kanonen führte und schon zwei 
Schiffe, ein Dänisches und ein Schwedisches, genommen hatte, aber 
eben dadurch hatte es sich geschwächt und bei uns waren doch auch 
50 Mann an Bord. Als der Kapitän des Englischen Schiffes sah, dass 
wir unsere Flagge nicht zeigten und unser Segel in vollem Zuge liessen, 
gab er noch einige Mal Feuer auf unser Schiff, aber kein Schuss traf. 
In diesem Augenblick kam unser Schiff plötzlich auf den Sand, und 
zwar mit einer so heftigen Bewegung, dass wir alle auf dem Verdeck 
umfielen, da der Wind eine Seite des Schiffes hoch auf den Sand ge- 
trieben hatte. Es lag völlig auf der Seite. Nun war grosse Noth. 
Die Masten knarrten fürchterlich. Wir mussten unsere Segel fest 
machen und die Leesegel, d. h. die auswendig an den Seiten des Schif- 
fes befindlichen Segel, anbringen. Der Wind blies heftig. Das Eng- 
lische Schiff kam uns näher und schon sahen wir einem gefährlichen 
Kampf entgegen, als sich unser Schiff plötzlich losriss und wieder flott 
wurde. Dem Englischen Schiffe aber wurde es schwer, uns beizukom- 
men, weil esgegen den Wind auf unslos segeln musste. Es wurde dieses 
Spieles endlich auch müde und nahm auf einmal einen andern Lauf. 
In derselben Nacht gingen wir zum ersten Male wieder vor Anker. 
Am nächsten Morgen erhielten wir einen Lootsen, der uns an demsel- 
ben Tage bis Cuxhaven brachte. Als wir hier Anker geworfen hatten, 
gingen fünf Matrosen ans Land und kamen bald mit verschiedenen 
Früchten: Apfeln, Birnen, Mispeln, zurück, diesie uns sehr theuer ver- 
kauften; auch brachten sie etwas weiches Brod mit. 

Nie vergesse ich die Scene, von welcher ich nun Zeuge war. Alles 
drängte und stiess sich hin und her, um nur ein Stückehen Brod zu 
erhaschen, und die Verkäufer wurden fast erdrückt. Ich selber war so 
glücklich, ein Stückchen, ungefähr 2 Loth schwer, zu erhalten, und 
obgleich ich es mit mehr als dreissig Rippen- und Rückenstössen er- 
kaufen musste, so habe ich doch in meinem Leben keinen Bissen ge- 
gessen, der mir so geschmeckt hätte. In Cuxhaven erhielten wir einen 
andern Lootsen, der uns bis Altona brachte. Auf der Elbe hatten wir 
noch eine angstvolle Nacht. Wir fuhren mit Nordwest-Wind die Elbe 
hinauf, als gerade Ebbe war, und als wir bei Blankenese anlangten, ge- 
riethen wir auf eine Sandbank, wo wir so fest sassen, dass wir bei 
dem heftigen Winde Alles fürchten mussten. In diesem gefährlichen 
Augenblick sahen wir ein Amerikanisches Schiff mit vollen Segeln auf 
uns zukommen. Wir hatten Laternen ausgehängt, damit die ankom- 
menden Schiffe uns sehen und nicht mit dem unserigen zusammenstossen 
sollten. Der Amerikaner sah uns, warf aber nicht aufs Steng, d. i. 
er liess seine Segel nicht fallen, sondern fuhr schnell an uns vorbei. 
Der Lootse, der an Bord dieses Schiffes war, kannte die Fahrt besser 
als der unserige. Wir mussten auf der Sandbank sitzen bleiben und 
geduldig die zurückkehrende Fluth abwarten, mit welcher wir endlich 
wieder flott wurden. An demselben Tage lesten wir bei Altona vor 
Anker. Der grösste Theil der Mannschaft wurde noch vor Abend ver- 
abschiedet, nachdem Jeder seinen verdienten Lohn empfangen hatte. 
Ich und zwei andere Matrosen erhielten für einige in grossen Gefahren 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


geleistete Dienste eine ausserordentliche Belohnung, die für Jeden 
10 Thaler betrug. Alsdann stiegen wir ans Land, küssten die Erde 
und gingen aus einander, nachdem !wir freundlich Abschied genommen 
hatten.” 

Die Britische Fischerei. — Die Grönlandsfahrt vom 
Festlande aus hörte, wie oben gesagt, in der Zeit der 
Französischen Oberherrschaft gänzlich auf. Von Gross- 
Britannien dagegen, das seine schützenden Kriegsschiffe 
auch hier zur Hand hatte, wurde sie fortgesetzt, ja die 
Englische Regierung war klug genug, Holländische Unter- 
nehmer und Holländisches Kapital für den Betrieb von 
England und Schottland zu gewinnen, indem ihnen alle 
Vortheile geboten wurden, welche dem Gewerbe, wenn 
von den Britischen Unterthanen unternommen, zu Gute 
kamen. Dadurch sicherte sich England die Erhaltung. die- 
ses Seegewerbes. In der Zeit von 1810 bis :1818 ein- 
schliesslich segelten von England 824 Schiffe nach Grön- 
land und der Davis-Strasse aus, von Schottland 361. Die 
Zahl der Schiffe, welche von Schottland ausgingen, stieg ım 
Hull, London, Aberdeen, 
Leith, Whitby, Peterhead und Dundee waren die meist be- 
theiligten Häfen. Der Erfolg war reich lohnend; 392 Schiffe 
von England brachten in der Periode von 1814 bis 1817 
einschliesslich allen 3348 Walfische mit, ausserdem zahl- 
reiche Seehunde, Bären und Walrosse. Der Ertrag an Thran 
belief sich auf 35.324 Tons und an Fischbein auf 1806 Tons. 
Von Schottland brachten in derselben Zeit 194 Schiffe 
1682 Walfische; 96 Tons Thran und über 4 Tons Barten 
kamen durchschnittlich auf jede Reise jedes Schiffes. 

Ganz besonders ergiebig war das Jahr 1814, wo auf 
jedes beim Fischfang betheiligte Schiff beinahe 19 Fische und 
über 159 Tons Thran kamen. Die „Resolution” von Peter- 
head, Kommandeur Souter, brachte 44 Fische und es betrug 
der Bruttowerth der Fischerei dieses Schiffes, die Prämie 
eingerechnet, die enorme Summe von E£. 11.000. 

Aufschwung der Deutschen Fischerei nach dem Sturz der 
Französischen Herrschaft. — Man darf sich hiernach nicht 
wundern, dass, sobald durch den Sturz Napoleon’s die Meere 
wieder frei wurden, sich die Grönlands-Flottillen auch von der 
Weser und Elbe wieder in Bewegung setzten. Die ersten Jahre 
nach der Franzosen-Herrschaft waren überhaupt eine Zeit des 
Aufschwunges des Bremer Ein- und Ausfuhr-Handels nach 
Nord-Amerika, Cuba, Haiti und die daraus gezogenen Ge- 
winne wirkten belebend auf andere Geschäftszweige ein. 
Im Frühjahr 1814 fahren von der Weser sieben Schiffe, die 
144 Fische mitbrachten. Hamburg sendete 1815 doch wieder 
vier, Altona Ein Schiff aus, die mit ziemlich gutem Fange 
heimkehrten. Überall an der Schleswig-Holsteinischen Elb- 
küste, in Glückstadt, Elmshorn, Ütersen, Itzehoe, Bruns- 
büttel, Bardenfleth, bildeten sich Kompagnien mit einem 


dieser Zeit über das Doppelte. 


oder ein paar Grönlandsfahrern, und zwar meistens durch 
9 


66 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 


Betheiligung von Landleuten. In Glückstadt verdoppelt 
sich in der kurzen Zeit von 1815 bis 1818 die Zahl der 
Grönlandsfahrer. Sie steigt von 7 auf 17, welche eine 
Tragfähigkeit von 1368 Commerz-Lasten haben. 


Auch Holland beginnt wieder die arktische Fischerei, , 


die Regierung kommt mit beträchtlichen Geldunterstützungen 
zu Hülfe, indem sie die bedeutende Prämie von 5000 Gul- 
den für jedes leer zurückkommende Schiff bestimmt; es 
entstehen drei Kompagnien, allein es fehlt an der früher 
in so grosser Zahl zur Verfügung stehenden, der Fischerei 
kundigen und tüchtigen Mannschaft; Missgeschick kommt 
noch hinzu und im Jahre 1828 sehen wir als letzteu 
schwachen Versuch nur noch ein Schiff, von der Harlınger 
Kompagnie ausgerüstet, von Holland nach Grönland aus- 


segeln. 
Vergleichende Statistik der Britischen Fischerei 1830 bis 
1868. — Dem Aufschwung folgt überhaupt bald wieder ein 


starker Rückgang, die nachfolgende statistische Übersicht 
giebt darüber genauere Auskunft. Für die Periode 1815 
bis 1834 berechnete man die jährliche Durchschnittszahl 
Britischer Schiffe, welche im Walfischfang in Grönland und 
der Davis-Strasse beschäftigt waren, auf 116 Fahrzeuge. Ich 
gehe hier eine Vergleichung der Britischen Fischerei in der 
Grönländischen See, der Davis- und Cumberland-Strasse aus 
drei verschiedenen Jahren, wobei ich, der nachfolgenden 
Darstellung über die Fischerei der Gegenwart vorgreifend, 
das vorige Jahr, 1868, mit aufgenommen habe. 


R 1830 - 1857 1868 
Häfen 
Schiffe Tons Schiffe Tons | Schiffe Tons 
Peterhead . 13 3.720 30 8.397 12 2.948 
Fraserburg —_ —_ 5 1.245 2 549 
Aberdeen . 10 3.035 6 1.482 1 239 
Dundee 9 3.033 4 1.394 12 4.618 
Kirkealdy . 5 1.597 3 1.058 | oe 452 
Borrowstoness — —_ 1 357 —_ —_ 
Hull 33 11.009 11 2.805 2 530 
Whitby 2 686 _ — en —_ 
Neweastle. 3 1.103 _ _ En —_ 
Berwick 1 310 —_ — _ — 
London 2 642 — —_ —_ 
Montrose . 4 1.302 _ —_ = —— 
Burntisland 1 280 — — _ — 
Leith % 2.426 — —_ —_ 
Greenock . 1 316 —_ —_ _ —_ 
Insgesammt 91 29.459 60 116.738 | 30 9.336 


Die Zah] der betheiligten Plätze hat sich also seit 1830 
von 15 auf 6 vermindert, die Zahl der Schiffe auf YY, der 
Zahl im Jahre 1830, die Zahl der Tons auf kaum 1, 
der Zahl von 1830. Nur die Walfischflotte von Dundee 
hat sich gemehrt. (Die Zahlen sind 
lässig.) 

Ftückgang der Fischerei; Einzelheiten aus dieser Zeit. — 
Die Unergiebigkeit des Fischfanges, der geringere Werth des 


durchaus zuver- 


Thranes, dem fortdauernd im Gas, in den vegetabilischen 
und später in den mineralischen Ölen gewaltige Konkurren- 
ten entstehen, die immer grösser und vielseitiger werdende 
Entwickelung des Seehandels durch Erleichterungen des 
Verkehrs, welche anderweitig eine lohnende Beschäftigung 
der Schiffe bewirken, das sind Ursachen des Rückganges. 
Wenn auch später die Mode trotz der gewaltigen Produktion 
der Südsee-Fischerei den Preis eines der Fang-Erzeugnisse, _ 
der Barten, wesentlich erhöhte, so ist die Grönlands-Fischerei 
Namentlich 
in Hamburg sinkt das Gewerbe mehr und mehr. In der 
fünfjährigen Periode 1816 bis 1820 incl. kamen dort von 
Grönland zusammen 53 Schiffe an, in Bremen 40. Ein- 
zelne Jahre waren glücklich. Im Jahre 1821 z. B. war der 
Fang zweier Bremer Schiffe, „Hanseat”, Kommandeur Harm 
Haake, und „Bremen”, Kommandeur Albert Haake, beson- 
ders reich, sie brachten zusammen 18 Fische mit und es be- 
trug der Werth des Fanges beider Schiffe über 37.000 Thlr. 
Das Schiff „Der Patriot Gloystein” musste einige Fässer 
Bier und Brod leeren, um den Speck bergen zu können. 
Das Schiff „Der Hanseat” musste ebenfalls wegen des 
ausserordentlichen „Segens” nicht nur seine Bier- und Brod- 
fässer benutzen, sondern ihm wurden noch 40 Fässer an 
Bord geschickt. 

Noch einige Berichte aus dieser Zeit über die Schick- 


doch bis heute fortwährend zurückgegangen. 


sale unserer arktischen Fischerei heben wir heraus. 

Am 17. März 1825 wurde das Schiff „Der Patriot 
Gloystein”, Kommandeur Johann Haake, zuletzt auf 65° 
N. Br. von Kommandeur Albert Haake, seinem Bruder, ge- 
Kommandeur Albert Haake sah einen Sturm vor- 
aus, reffte die Segel und drehte bei. „Der Patriot Gloystein” 
Bald stellte sich der Sturm 
ein und von dem „Patriot Gloystein” wurde nie wieder 
Ohne Zweifel ist das Schiff 
mit seiner ganzen Bemannung von 46 Maun bei Jan Mayen 
gescheitert. Im folgenden Jahre, am 18. April, ging der 
„Harpunier” auf 69° N. Br. an der Robbenküste im Eise 
bei einem Sturme aus Ostsüdosten verloren. Die „Bremen”, 


sehen. 


segelte weiter. auch wirklich 


Etwas gehört noch gesehen. 


welche erst: in Grönland war, dann am 25. Juni Kap Farewell 
passirend erst am 26. Juli auf dem Hauptfischplatz in der 
Davis-Strasse angelangt war, gerieth auf der Heimkehr 
fünf Mal bei Borkum an Grund und musste in Delfzyl 
einlaufen, von wo sie erst im folgenden Jahre nach der 
Weser kam. 

1831. 
schen Unternehmungen, so wie die schlechte Beschaffenheit 
der beiden Schiffe „Hanseat’” und „Bremen’” erforderten den 
öffentlichen Verkauf und der „Hanseat” wurde zu 1605 LThlr., 
das Fleth zu 455 LThlr., die „Bremen” zu 1070 LThhlr., das 
Fleth zu 330 LThlr. verkauft (!). 


Die gänzliche Muthlosigkeit für die Grönländi- 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 67 


1851. Der „Neptun” ging am 14. Mai mit 7000 Rob- 
ben und einem Fisch im Eise verloren. Mannschaft ge- 
rettet. 

1857. Der „Eisbär”, Bremer Flagge, kam im April 


1857 bei Wardö auf den Strand. Mannschaft gerettet. 

Für die folgenden Perioden ergiebt sich nachstehendes 
Verhältniss, wobei die nicht jedes Jahr erfolgten Fahrten 
nach der Davis-Strasse mit inbegriffen sind. 


Von Grönland kamen an: 


in Hamburg in den Weser-Häfen 


1821 bis 1830 inel. 25 Schiffe, 51 Schiffe, 
1831 „ 1840 ,„ Sa 23 .; 
1841 „1850 „ BE“ 126 „ 
1851 „ 1860 „ Ce, 117,8 
1561... 18035 Aue Tee. 


!) Die Fischerei Hamburg’s schliesst schon mit dem Jahre 1861, 
die in den Jahren 1862 und 1863 aus Grönland gekommenen Schiffe 
waren nicht auf den Fischfang gegangen, sondern brachten Kryolith. 


IV. Die heutige Fischerei Europa's zwischen Grönland und Spitzbergen und in der 
Davis-Strasse. Die Deutschen Fischerei-Unternehmungen im Grossen Ocean („Südsee”), 
in der Bai von Ochotsk und in der Bering-Strasse. 


Wir sind in unserer Betrachtung zu der letzten Ver- 
gangenheit und der Gegenwart gelangt. 

Überblicken wir die Entwickelung der letzten 30 bis 
40 Jahre, so finden wir, dass in Europa mehr und mehr 
der Unternehmungsgeist für die arktische Fischerei schwindet. 
Nur Norwegen zeigt in der letzten Jahresreihe einen Fort- 
schritt. Die Fischerei Englischer und Schottischer Häfen 
in der Grönländischen See wird geringer. Vor etwa 40 Jahren 
hatte sie in Folge der Entdeckungen von Ross und Parry 
in den nordwestlichen Revieren einen bedeutenden Auf- 
schwung genommen, im Jahre 1831 aber traf sie ein furcht- 
barer Schlag, indem ein grosser Theil der Englischen Fahr- 
zeuge (19) im Eise der Melville-Bai vernichtet wurde. Die 
Zahl der beim Fischfang betheiligten Häfen ist ebenfalls 
weit geringer als früher, nur Dundee schickt noch jetzt 
eine grössere Anzahl Dampfer auf den Robbenfang nach 
Grönland (wir gebrauchen hier diesen Ausdruck immer im 
Sinne der Fischer, welche darunter die See bei Ost - Grön- 
land und Spitzbergen verstehen). Sodann gehen dieselben 
Dampfer, nachdem sie den Robbensegen abgeladen, nach 
der Davis-Strasse, um bis weit nach Norden hinauf Wal- 
fische zu fangen. Die Einführung der Dampfer für diese 
Grossfischerei datirt aus dem Jahre 1858. Die Fischerei 
Dundee’s stützt sich bekanntlich hauptsächlich auf die da- 
selbst emporgeblühte Jutefabrikation, welche nach Yea- 
man’s Mittheilungen in dieser Zeitschrift das weitaus bedeu- 
tendste Manufakt Dundee’s ist. Die Anwendung des Wal- 
fisch- und Seehundsthranes vor dem Spinnen der Fasern ist 
unentbehrlich; beide grosse Erwerbszweige stützen und 
tragen sich also gegenseitig. Dundee bedarf zum Zwecke 
dieser Fabrikation jährlich 2200 Tons Thran, was gegen 
Auch in Deutschland ist 
die Jutefabrikation in der Entwickelung begriffen, aber die 
an der Weser noch immer aufrecht erhaltene Deutsche Gross- 
fischerei wird ihren Bedarf an Thran wohl nicht in dem 


21.000 Bremer Tonnen ausmacht. 


Maasse decken, wie diess in Schottland der Fall ist. Das 
in Dundee’s Fischerflotte angelegte Kapital beträgt weit 
über £. 200.000. — Die Schleswig-Holsteinischen und Hol- 
ländischen Häfen scheiden aus den Grönlands-Unternehmungen 
In Dänemark wurde 
eine neue Fischereigesellschaft gegründet, deren Betrieb 
Der Robbenschlag 


fast ganz aus, Hamburg ebenfalls. 


leider bis jetzt ein ungünstiger war. 
wird mehr und mehr Hauptsache. 
Seit den dreissiger Jahren tritt die sogenannte Südsee- 
fischerei, in welcher die Amerikaner schon lange Zeit hin- 
durch Bedeutendes leisteten, 
Unternehmungen in den Vordergrund. Sie erstreckt sich auf 
das ganze Gebiet des Stillen Meeres, das Bering-Meer und 
das Polar-Meer jenseits der Bering-Strasse, die Gründe um 
Aljaska und die Bai von Ochotsk, während die antarktischen 
Regionen nur einzeln besucht werden. Die Betheiligung Eu- 


auch für die Europäischen 


ropa’s an dieser Fischerei gipfelt Anfangs der funfziger Jahre, 
sinkt aber" rasch und jetzt haben die direkten Expeditionen 
von Fischerfahrzeugen aus Europa nach der Südsee mei- 
nes Wissens ganz aufgehört. 

Wir werfen nun zunächst unseren Blick auf einige 
Gegenstände und Verhältnisse, welche bisher noch nicht 
berührt wurden, die aber beleuchtet werden müssen, wenn 
das von uns zu entwerfende Bild des ganzen Betriebes in neuer 
und neuester Zeit ein einigermaassen vollständiges sein soll. 

Gegenstände des jetzigen Fischfanges in den arktischen 
Meeren Europa’s: der Grönländische Walfisch und andere 
Walarten, der Eisbär, das Walross und der Seehund. — 
Ohne auf das schwierige und, wie die neuesten Diskussionen 
zwischen zwei berühmten Naturforschern, den Herren J. E. 
Gray und Van Beneden, zeigen, noch immer streitige Kapitel 
der Klassifikation der Cetaceen näher einzugehen, müssen 
wir doch hier zum Verständniss des Folgenden Einiges in 
Beziehung auf die Gegenstände des Fanges anführen. Wir 
stützen uns dabei hauptsächlich auf Scoresby und die in 

g* 


68 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


freundlichster Weise uns gegebenen Mittheilungen des Cap- 
tain David Gray in Peterhead, des bekannten Englischen 
Fischerkapitäns, und berücksichtigen dabei zugleich, was uns 
aus den mündlichen Mittheilungen hiesiger Kapitäne be- 
merkenswerth erschien. 

Die Walthiere, welche in der Grönländischen See und 
in der Davis-Strasse Gegenstand des Fanges, sind folgende: 


1) der Gemeine oder Grönländische Walfisch (Balaena mysticetus), 

2) der Rorqual, bei den Engländern the Finner genannt (Balaen- 
"optera boops), 

3) der Weisse Wal (Beluga, Delphinopterus leucas), 

4) der Narwal (Monodon monoceros), 

5) der Bottlenose der Englischen Fischer. 


1. Der für den Fang wichtigste und bedeutendste ist 

- der unter 1 aufgeführte Grönländische Walfisch, von den 
Englischen Fischern „the Black” oder „Greenland Whale” 
genannt; seine gewöhnliche Länge ist 50 bis 60 Engl. Fuss, 
und wenn er ausgewachsen ist, liefert er 14 bis 20 Tons 
Thran. Nach Scoresby misst ein ausgewachsener Walfisch 
hinter den Finnen 30 bis 40 Engl. Fuss im Umfange. Der 
Kopf hat gewissermaassen eine dreieckige Gestalt, der untere 
Theil, dessen bogenförmige Aussenlinie durch die Form der 
Kinnlade bestimmt wird, ist flach und misst 16 bis 20 Fuss 
in der Länge, 10 bis 12 Fuss !) in der Breite. Die Unter- 
lippe, welche 15 bis 20 Fuss lang, 5 bis 6 Fuss hoch ist und 
die Höhlung des Mundes bildet, sitzt an der unteren Seite der 
Kinnlade fest, steigt unter einem Winkel von etwa 80 Graden 
aufwärts und hat von vorne gesehen die Gestalt der ersten 
Hälfte des Buchstabens U (so wie er geschrieben wird). Die 
obere Kinnlade, die den Schädel einfasst,. ist an der vorderen 
Seite unterwärts gebogen, so dass sie die Stirn und die oberen 
Theile der Mundhöhle schliesst, und ist von der Oberlippe 
schuppenartig auf beiden Seiten überdeckt. Die Finnen oder 
Flossen, zwei an der Zahl, liegen zwischen einem Drittel und 
zwei Fünfteln der Länge des Thieres, von dem Maul an ge- 
rechnet, und ungefähr 2 Fuss hinter dem Mundwinkel. Sie 

sind 7 bis 9 Fuss lang und 4 bis 5 Fuss breit. 

Der Schwanz, der auf jeder Seite 80 bis 100 Q.-Fuss 


Fläche hält, ist ein furchtbares Werkzeug zur Bewegung ' 


und Vertheidigung. Seine Länge beträgt nur 5 oder 6 Fuss, 
aber seime Breite 18 bis 24 oder 26 Fuss. 

Der Rachen enthält anstatt der Zähne zwei, lange 
Reihen von Barten oder Fischbein, die an den Seiten des 
Schädels festsitzen. Sie sind im Allgemeinen der Länge 
nach gekrümmt, obwohl sie bisweilen gerade gehen, und 
geben dem oberen Theile des Rachens eine bogenförmige 
Gestalt. Sie sind unmittelbar von den Lippen bedeckt, die 
an dem unteren Theil der Kinnlade festsitzen, und schliessen 
zwischen ihren äussersten Enden die Zunge ein. Jede Reihe 
besteht aus mehr als 300 einzelnen Stücken oder Blättern; 


!) Die Fusse sind hier immer Englisches Maass. 


die längsten sitzen ungefähr in der Mitte und von da neh- 
men sie nach beiden Seiten hin immer mehr ab. 15 Fuss 
ist die grösste Länge des Fischbeins, 10 bis 11 Fuss die 
mittlere Grösse und 13 Fuss ist eine Länge, die man schon 
selten findet. Die grösste Breite, die es an dem Theile hat, 
welcher im Gaumenfleisch festsitzt, beträgt 10 oder 12 Zoll. 
Die Blätter, welche die beiden Reihen von Fischbein aus- 
machen, laufen parallel, mit ihrer breiten Seite gegen ein- 
ander gekehrt, in einem Abstand von zwei Dritteln eines 
Zolles (die Dieke des Blattes mitgerechnet), und gleichen 
einem Paar Sägen in einer Schneidemühle. Die inneren 
Ränder sind mit Fransen von Haaren besetzt und der 
äussere Rand eines jeden Blattes, einige wenige an einem 
jeden Ende der Reihe ausgenommen, ist unterwärts ge- 
krümmt und abgeplattet, so dass gegen die Lippen eine 
glatte Fläche gekehrt ist. Bei den jungen Walfischen ist 
das Fischbein nur wenige Zoll lang; erreicht die Länge des- 
selben 6 Fuss und darüber, so giebt der Fisch schon eine 
ziemliche Menge Thran. Die Farbe des Fischbeins ist 
bräunlich-schwarz oder bläulich-schwarz, bisweilen ist es 
der Länge nach weiss gestreift !). Wenn es eben gereinigt 
ist, so zeigt die Oberfläche ein hübsches Farbenspiel. Ein 
grosser Walfisch giebt bisweilen anderthalb Tons Fisch- 
bein. Wenn das „Probeblatt”, das grösste von der ganzen 
Reihe, 7 Pfund wiegt, so kann der ganze Ertrag auf eine 
Tonne geschätzt werden, und so nach Verhältniss. Das 
Fischbein ist in dem Schädel in eine Art von Fuge ein- 
Alle Blätter derselben Reihe sind durch das 
Gaumenfleisch verbunden, in welches das dieke Ende der- 
selben hineinreicht. Das Gaumenfleisch ist weiss, faserig, 
zart und geschmacklos. Es schneidet sich wie Käse und hat 


gelassen. 


das Aussehen des Inneren einer Kokusnuss. 

Unmittelbar unter der Haut liegt der Speck oder das 
Fett, das den ganzen Körper des Thieres nebst den Flossen 
und dem Schwanze umkleidet. Die Farbe desselben ist 
gelblich -weiss, gelb oder roth, an sehr jungen Thieren ist 
es immer gelblich- weiss. Bei manchen alten gleicht es in 
seiner Farbe dem Fleisch des Lachses.. Es schwimmt in 
Wasser, daher die im Verhältniss zu seinem Gewicht enorme 
Schwimmkraft des Fisches. Die Dicke desselben rund um 
den Körper ist zwischen 8 und 10 bis 20 Zoll, sie ist so- 
wohl an verschiedenen Theilen als bei verschiedenen Thieren 
verschieden. Die Lippen bestehen fast ganz aus Speck, die 
Zunge besteht vorzüglich aus einer weichen Art von Fett, 
das weniger Thran giebt als em anderer gleich grosser Theil 
des Specks. In der Mitte und gegen die Wurzel der Zunge 
ist das Fett mit muskelartigen Fibern durchzogen. Der 
übrige Theil des Unterkopfes, ausser der Kinnlade, besteht 


') Siehe die später folgenden Mittheilungen über die Fischbein- 
Fabrikation in Deutschland. 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


fast ganz ‘aus Fett und auch der Schädel ist mit einer 
beträchtlichen Schicht desselben bedeckt. Die Flossen be- 
stehen aus Speck, Sehnen und Knochen und der Schwanz 
enthält einen dünnen Überzug von Speck. Der Thran 
scheint in dem Speck in klemen Zellen enthalten zu sein, 
die durch ein starkes Netz von sehnigen Fasern verbun- 
den sind. Diese Fasern scheinen, indem sie an der Ober- 
fläche dicht zusammengehen, die Substanz der Haut zu 
bilden. Der Thran wird durch die Hitze herausgetrieben 
und geht grossentheils von selbst aus den zerschnittenen 
Speckstücken heraus, wenn der sehnige Theil des Specks 
in Fäulniss übergeht. Der Speck und das Fischbein sind 
allein die Gegenstände, um derentwillen der Walfisch ge- 
fangen wird. Das Fleisch und die Knochen werden zurück- 
gelassen, ausgenommen bisweilen die Kinnladen. Der Speck 
hat, so lange er frisch ist, durchaus keinen unangenehmen 
Geruch. Die Menge Thran, welche ein Walfisch liefert, 
steht gewöhnlich in einem bestimmten Verhältniss zu der 
Länge seiner längsten Barten. Man hat die folgende 
Tabelle über dieses Verhältniss nach einem mittleren An- 
schlage aufgestellt: 


El oJ a Se 


Länge derBarten inFussen 1 
a al 


2 3 3,6 3 
Ertrag an Thran in Tons 14 21 23 314 5 6% S} 
Dass bisweilen Ausnahmen hiervon vorkommen, versteht 
‚sich von selbst. So erzählt Scoresby, dass einmal ein 
Walfisch von 24 Fuss Fischbein beinahe 10 Tons Thran 
gab, dagegen ein anderer mit 12 Fuss Fischbein nur 
9 Tons. Indessen sind solche Beispiele sehr selten. 
Von einem grossen Walfisch, der 60 Fuss lang und 
70 Tons schwer ist, wiegt der Speck etwa 30 Tons, die 
Knochen des Kopfes, das Fischbein, die Flossen und der 
Schwanz 8 bis 10 und der übrige Theil des Rumpfes 30 bis 32. 
Das Fleisch eines jungen Walfisches hat eine rothe 
Farbe, und wenn es vom Fett gereinigt, auf dem Rost ge- 
braten und mit Pfeffer und Salz gewürzt wird, so schmeckt 
es wie derbes Rindfleisch; dagegen sieht das Fleisch von 
alten Walfischen beinahe schwarz aus und ist überaus grob. 
Von der ungeheueren Masse von Muskeln, die den Körper 
umgeben, dient ein grosser Theil zur Bewegung des Schwanzes. 
Der Schwanz besteht vornehmlich aus zwei netzartigen Lagen 
von sehnigen Fibern, die dieht in einander geflochten sind 
und sehr wenig Thran enthalten. In der Mitte laufen die 
Fibern nach allen Richtungen, in den übrigen Theilen sind 
sie geordneter. Diese Substanz wurde besonders m Hol- 
land in den Leimsiedereien benutzt. E 
Die meisten Knochen des Walfisches sind sehr porös 
und enthalten eine grosse Menge Thran. Die Kinnladen, 
die 20 bis 25 Fuss lang sind, werden, wie gesagt, öfter 
mitgenommen, und zwar wegen des Thranes, der aus ihnen 
herausträufelt, wenn das Schiff in ein wärmeres Klima kommt. 


69 


Die äussere Oberfläche der meisten porösen Knochen ist dieht 
und fest. Die Rippen sind fast durchgehends dicht, aber 
der Schädel ist beinahe eben so porös wie die Kinnladen. 

2. Der Rorqual, Englisch the Finner genannt, 90 bis 
100 Fuss lang, geringer an Thranergiebigkeit, ist neuer- 
dings besonders von Norwegen aus Gegenstand des Fanges 
geworden. Ich habe mich bemüht, Näheres über diese Wal- 
art und namentlich den. Werth des Fanges von dorther zu 
erfahren, indessen ohne genügenden Erfolg, so dass ich nur 
abschreiben müsste, was Scoresby über diese Walart sagt. 
Ich ziehe es daher vor, auf das Werk desselben und zwar 
auf Band I, S. 482, zu verweisen. Von Deutschen Fischern 
wird diese Walart eben der geringeren Thranergiebigkeit 
wegen nicht gefangen. Die Deutsche Fischerei beschränkt 
sich vielmehr lediglich auf den unter 1 aufgeführten „Grön- 
ländischen Walfisch”., 

3. Der Weisse Wal, ungefähr von derselben Grösse wie 
der Narwal, liefert auch eben so viel Thran. 
ders in der Cumberland-Strasse von den Englischen Whalern 
mit Hülfe der Eingeborenen getödtet. 

Nur der Grönländische Wal und der Finner haben Barten. 

4. Der Narwal. Derselbe ist nach Captain D. Gray’s 
Mittheilungen 12 bis 15 Engl. Fuss lang und liefert % bis 
Y; Ton Thran. Einen nicht unbedeutenden Handelswerth 
(150 Thlr.) hat bekanntlich der 9 bis 10 Fuss lange Zahn 
des „Eenhoormn”, wie unsere Seeleute diese Walart nennen. 
Der „Hudson” fing im Jahr 1860 zwei Narwale. 

5. Der Bottlenose-Wal, 15 bis 20 Engl. Fuss lang, liefert 
14 bis 2 Tons Thran. 

Es mag hier noch der Schwertfisch als einer der ärg- 
sten Feinde des Grönländischen Walfisches, des Bottlenose 
und des Narwal erwähnt werden. Nicht selten sind Grön- 
landsfahrer Zeugen davon gewesen, dass eine Heerde Schwert- 
fische auf emen Waltisch der erstgenannten Art Jagd machte 
und ihn tödtete !). Auch Seehunde werden von den Schwert- 
fischen gejagt und Kapitän Gray erzählt mir ein Beispiel, 
wo ein Seehund sich, von einem Schwertfisch gejagt, auf 
ein Schiff zu flüchten suchte. 

Dass die Grönlandswale Wanderungen, entweder um Kap 
Farewell herum oder ‚durch irgend eine noch unentdeckte 
Strasse im Norden Grönland’s, von der Spitzbergen - See 
nach der Davis-Strasse und umgekehrt unternehmen, dafür 
ist ein Fall bekannt, obgleich Kapitän Gray mir nicht das 
Schiff und das Jahr angeben kann, in welchem es sich er- 
eignete, dass ein bei Spitzbergen harpunirter Fisch in der 
Davis-Strasse — in einer und derselben Saison — setödtet 
wurde. Im Jahr 1863 tödtete Kapitän Gray in der Grön- 


!) Captain Gravil von dem Englischen Schiff „Diana” sah eine 
solche Jagd 300 miles östlich vom Kap Farewell. 


Er wird beson- 


70 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


ländischen See einen grossen Wal, in dessen Körper noch 
eine Schiessharpune stak, datirt: Newcastle 1839. Ohne 
Zweifel war dieser Fisch in der Davis-Strasse harpunirt 
worden, denn von Newcastle aus 'sind die Grönlandsfahrten 
schon früh eingestellt worden, während sie nach der Davis- 
Strasse noch bis in die neuere Zeit fortgesetzt wurden. Die 
Barke „Kate” tödtete 1866 einen kleinen Wal unter 78° 
30' N. Br. (Länge nicht angegeben), in dessen Körper eine 
Eskimo-Harpune stak. 

Ähnliche Zeichen der Wanderungen der Wale, und zwar 
vom Europäischen Eismeere nach der Bering-Strasse und um- 
gekehrt, sind durch Scoresby und Andere bekannt geworden. 

Die Jagd auf Eisbären. — Über die Jagd des Eisbären, 
des Königs unter den Vierfüssern der Polargegenden, wie 


ihn Scoresby nennt, das Folgende. Er ist bekannt genug, 


findet sich fast in jedem Zoologischen Garten, und an natur- , 


geschichtlichen Beschreibungen über dieses Thier ist kein 
Mangel. Nur wenn die Gelegenheit sich als besonders 
günstig erweist und weder Robben noch Fische in Sicht sind, 
wenn das Schiff an einem Felde ruhig vor Anker liegt und 
hier oder auf einer an dem Boot vorübertreibenden Scholle 
der meist nur vereinzelt vorkommende Eisbär (Ursus mari- 
timus) unbeweglich sitzend einem gutgezielten Schusse Er- 
folg verspricht, war und ist er ein Gegenstand der Jagd. 
Die Eisbärenjagd ist unter allen Umständen mit Gefahr ver- 
bunden. 
destens 4 bis 5 Mann stark sein, um einander beizuspringen, 


„Die auf die Eisbärenjagd ausgehen, müssen min- 


wenn der Erste, welcher auf das Thier anschlägt, das Miss- 
geschick haben sollte, zu fehlen. Man zielt am besten auf 
die Ohren oder die Brust.” So sagen die alten Holländi- 
schen Fischerberichte, indem sie manche Anekdote über 
heisse, mit Bären bestandene Kämpfe hinzufügen. Aus neuerer 
Zeit ist folgende von Martins in seiner „Reise von Spitzber- 
gen zur Sahara” wieder mitgetheilte Anekdote von Admiral 
Nelson, der bekanntlich seine erste Probe als Seemann im 
Nelson machte als Mid- 
shipman die Polarexpedition von Phipps mit. 


Eismeer ablegte, bemerkenswerth. 
Ganz allein 
nahm er es einst mit einem Eisbären auf, und als man den 
schmächtigen, zarten Jüngling fragte, wie er so waghalsig 
sein könne, sich mit einem so furchtbaren Thiere zu messen, 
antwortete er einfach: „Ich wollte sein Fell meinem Vater 
mitbringen.” 

Barents und seine Leute hatten aufihrer Fahrt und beim 
Aufenthalt auf Nowaja Semlä manchen Strauss mit den Eis- 
bären zu bestehen, eben so Cook 1788 bei Spitzbergen. Es 
ist schwieriger, den Bären auf dem Eise zu jagen als im 
Wasser. Naht er sich dem Boot, so haben die Leute die 
Beile bereit, um ihm die Tatzen, wenn ersie etwa auf den 
Bord des Bootes legen sollte, abzuhacken. Die Vervoll- 
kommnung der Schusswaffen kommt auch der Bärenjagd sehr 


zu Statten und diess erwies sich im Jahre 1868 besonders 
bei den Bärenkämpfen, welche die Leute des Dampfers 
„Albert”” bestanden. Der Eisbär wird allein seines Felles 
wegen gejagt, das je nach der Grösse 15 bis 20 Thlr. werth 
ist. Eins der vom ‚„Albert” mitgebrachten Eisbärenfelle 
mass in seiner grössten Länge etwa 9 Fuss. Der vorjähri- 
gen Bärenjagden der Mannschaft des „Albert” ist in dem 
früher abgedruckten Bericht über die vorjährige Polarreise 
dieses Schiffes gedacht worden. Indessen will ich hier noch 
die kurze, aber äusserst lebendige Schilderung einer Eis- 
bärenjagd mittheilen, welche der Königl. Preuss. Marine- 
Ingenieur Brix in seinen „Skizzen aus dem nördlichen Eis- 
meer nach Tagebuchaufzeichnungen” giebt. Brix machte 
im Jahre 1852 eine Grönlandsfahrt auf dem Bremer Schiff 
„Neptun” mit und schildert seine Eindrücke in äusserst 
frischer und lebendiger Weise, so dass das in der Form 
von zwei Vorlesungen gedruckte Büchlein Jedem zur an- 
regenden Unterhaltung zu empfehlen ist. 


„Siehe! wer unterbrieht plötzlich die Einförmigkeit der Winter- 
landschaft? Warum stürzen sich die vereinzelten Robben in jäher Hast 
in die Fluth? Lärmend und schreiend erhebt sich das Volk der Luft 
und umkreist mit ängstlichem Flügelschlage das Schiff. Schwerfällig, 
plumpen Schrittes bewegt sich auf dem Eise der langgestreckte Leib 
des Königs der nördlichen Quadrupeden. Eine Eisbärin, wie sieh bei 
näherer Betrachtung zeigt, gefolgt von zweien Jungen, nähert sich uns. 
„Das ist ein Fang, der lohnt; seid bereit zur Jagd! Dort jene von 
Eistrümmern gebildete Wand ist wie geschaffen, uns ihren argwöh- 
nischen Blicken zu verbergen.” Schnell ist ein Köder hingeworfen und 
von den scharfen Nasen der Thiere gewittert. Die Jungen, vorschnell, 
versuchen der Alten vorauszueilen, ein sanfter Schlag mit der Pranke 
der Mutter, der sie einige Schritte zurückwirft, belehrt sie, dass sie 
die Gesetze der Höflichkeit übertreten haben. Aller Vorsicht, welche 
die Mutter anwendet, ungeachtet und alles Misstrauens zum Trotz zieht 
es sie jedoch immer näher zu dem herrlich duftenden Fischspeek. Da 
kracht ein Schuss durch die Stille; das eine der beiden Jungen stürzt 
zusammen. Durch den Knall erschreckt wendet sich die Mutter zur 
Flucht; doch gewahrend, dass nur einer der kleinen Bären ihr folgt, kehrt 
sie zurück, beschnuppert den blutenden Liebling und von seinem leisen 
Wimmern zur Rache entflammt wendet sie sich gegen uns, die wir 
unsern schützenden Wall verlassen haben. Bald aufgerichtet auf den 
Hinterbeinen schreitend, bald wieder schwer auf die Vorderfüsse nieder- 
fallend, stürzt sie sich auf ihre Feinde. Aus grösserer Nähe kracht 
ihr ein zweiter Schuss entgegen, verwundet zuckt sie zusammen, doch 
aufs Neue stürzt sie vorwärts. Von zwei Seiten mit Lanzen angefallen, 
wird sie, wenn sie sich dem einen der Angreifer zuwendet, die ent- 
gegengesetzte Seite unbeschützt lassen und dort den Todesstoss em- 
pfangen. Mit lang aus dem weit geöffneten Rachen heraushängender 
Zunge, dampfendem Athem und rollenden Augen läuft sie, ein Bild der 
blinden Wuth, die verkörperte Rache, schrecklich anzusehen, in ihr 
Schicksal, das sie bald ereilt und nach kurzem Kampfe zu ihrem todten 
Jungen bettet, dem sich endlich auch das letzte Glied der Familie zu- 
gesellt, welches unwissend, was zu thun, neugierig dem Kampfe zu- 
geschaut hat.” 


Höher stellt sich der Werth des Eisbären, wenn es ge- 
lingt, sich seiner lebend zu bemächtigen. Im Jahre 1867 
brachte der „Hudson” einen alten und einen jungen leben- 
digen Bären mit, im Jahre 1868 fand ich auf dem Deck 
des eben angekommenen Dampfers ‚Bienenkorb” ebenfalls 
Die 
welche ihre brennenden Strahlen auf seinen 
schmutzig-gelben Pelz ergoss, stimmte ihn offenbar sehr 


einen jungen lebendigen Bären im Käfig eingesperrt. 
Juli-Sonne, 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 71 


unbehaglich. (Derselbe war für den ÖOberpräsidenten der 
Provinz Hannover bestimmt, ist aber bald — wenn ich nicht 
irre, im Zoologischen Garten zu Hannover — gestorben.) Ein 
ausgewachsener lebendiger Eisbär wird mit 100 bis 150 Thlr. 
bezahlt. Das Einfangen eines Bären geschieht vom Boot 
aus mittelst einer geschickt um den Hals des Thieres zu 
werfenden Schlinge; durch zwei eiserne Ringe, die an der 
Aussenseite des Bootes befestigt sind, wird dann das Tau duxch- 


gezogen und der Bär so lange angepresst festgehalten, bis 


ihm vom Schiffe aus ein stärkeres Tau umgeschlungen ist, 
mittelst dessen er auf das Schiff hoch aufgewunden und in 
den grossen eisernen Käfig, den jedes Grönlandsschiff für 
solche Fälle auf Deck hat, eingelassen wird; dort sitzt er 
dann wohl verwahrt, von Zeit zu Zeit mit Seewasser über- 
schüttet und mit Fleisch gefüttert, bis er bei der Rückkehr 
in dem milderen Klima zu leiden beginnt. Er wird dann 
möglichst bald verkauft, seinem neuen Eigenthümer, einem 
Händler mit wilden Thieren, oder, wenn ihm gleich das 
bessere Loos lächelt, einem Zoologischen Garten zugeführt, 
wo ihm ja immer eine sorgsame, seiner Polarnatur möglichst 
entsprechende Behandlung und Verpflegung zu Theil wird. 

Dass übrigens die „Grönländer” von der Weser die Be- 
gegnung mit dem Polarbären nicht scheuten, mag aus fol- 
genden Zahlen der Eisbärenjagden einiger der Bremer Grön- 
landsfahrer hervorgehen. Seit 1852, bis wohin zurück ich 
schriftliche Notirungen darüber vorfinde, wurden im Ganzen 
durch die von der Weser ausgehenden Schiffe 156 Eisbären 
als Jagdbeute mitgebracht. Im Jahr 1857 war diese Jagd 
"besonders ergiebig, denn es brachten mit: 


Schiff „Weser”. 15 Bären, 
„»  „Grönland” . gast 
„» „August RN: an), 
SEARBEIRHNERN au 
RE SESSBERE E42. 12 en A 
30 Bären. 
1859 brachte die „Hannover” . 10 Bären, 
1863 3 ES SNMEBBLEIG ee LO 6 
1865 ders, Hudson. Bere. 2, Se, 


Auch die Schiffe, welche nach der Davis-Strasse oder, 
wie unsere Deutschen Seeleute kurzweg sagen, nach der 
„Strasse” fahren, bringen öfter Bären mit. 
im vorigen Jahre berichtet, dass der Schottische, am 2. Noy. 


So wird noch 


heim gekommene Schraubendampfer „Polynia” zwei leben- 
dige Bären mitbrachte und deren eine grosse Zahl tödtete. 

Das Walross und seine Jagd durch die Grönlandsfahrer. — 
Von der Jagd auf das Walross giebt uns Dr. Hayes in 
seinem Polar-Reisebericht eine höchst anziehende Schilderung. 
Noch im vorigen Jahrhundert gab es bei Spitzbergen solche 
ungeheuere Heerden, wie sie Hayes am 3. Juni 1861 auf 
78° N. Br. und 73 bis 74° W.L. antraf. Holländische 
Fischer tödteten im Jahr 1767 auf Moffen-Eiland 2200 Wal- 


!) Unter ihnen ein lebendiger. 


rosse, die am Ufer überrascht und denen der Rückweg da- 
durch abgeschnitten wurde, dass man die Leichen der ge- 
tödteten Thiere als einen Wall zwischen der Heerde und 
dem Meere aufstapelte. Gegen das Walross ist die Lanze, 
nicht die Harpune die richtige Waffe. Jetzt gehen noch 
einige Fahrzeuge von Norwegen (Tromsöe) auf den Wal- 
rossfang an der Ostküste von Spitzbergen, während die 
Russen sich seit etwa 1830 von Spitzbergen zurückgezogen 
haben und diese von Spörer uns so anschaulich in seinem Werk 
über Nowaja Semlä geschilderte Jagd noch bei Nowaja Semlä 
betreiben. In der Bering-Strasse ist das Wallross sehr häufig. 

Schiffe von der Weser auf die Walrossjagd bei Spitz- 
bergen. — Auch von der Weser aus sind wiederholt Schiffe 
expedirt worden, um auf und bei Spitzbergen Walrosse und 
Renthiere zu jagen, nebenher auch die Nester der Eider- 
Es hat sich aber dieses Geschäft als 
durchaus nicht lohnend erwiesen. Die „Aurora”, ein kleines 
Fahrzeug von 49 Last, bemannt mit 18 Mann, wurde für 
Hannover’sche Rechnung zuerst am 17. April 1860 expedirt. 
Sie kehrte Mitte November mit dem geringen Fange von 
70 Walrossen und einer Partie Robben zurück, welche zu- 
Carlsen, ein zu diesem 
Zweck engagirter Norweger, kommandirte die Aurora”, 
welche 1861 vom 15. März bis 9. Oktober abwesend war 
und nur 6 Walrosse, 33 grosse Robben, 2 Eisbären, 10 Ren- 
thiere und 21 Pfund Daunen mitbrachte. Die „Aurora” 
fuhr noch vier Jahre für ein Bremer Haus nach Spitz- 
bergen; in den beiden letzten Jahren war Kapitän Hagens 
Kommandeur. 

Ehe wir den Seehundsfang, welcher noch jetzt einen 
wesentlichen Theil der Englischen, Deutschen, Norwegischen 
und Dänischen Grönlands-Unternehmungen ausmacht, be- 
sprechen, holen wir Einiges nach. Es betrifft hauptsächlich 
die grösseren oder geringeren Chancen des Fischfanges und 
auch des Robbenschlages im Grönländischen Meere, je nach 
der Lage und Beschaffenheit des Eises, so wie den sonstigen 


gans auszunehmen. 


sammen 120 Tonnen Thran lieferten. 


Witterungsverhältnissen. 

Chancen des Fischfanges je nach Eis- und Witterungs- 
verhältnissen. — Die Verbreitungszone des Walfisches ist 
durch Maury, der in seinem berühmten Werke „Physische 
Geographie des Meeres” nach sorgfältigen Ermittelungen, 
aus einer grossen Zahl von Whaler-Logbüchern, das Ge- 
biet des Walfisches im Ganzen bestimmte, bezeichnet und 
im Allgemeinen dahin angegeben, „dass die tropischen Ge- 
genden des Oceans dem eigentlichen Walfisch gleichsam ein . 
Feuermeer sind, durch welches er nicht hindurch kann und 
in welches er nie eindringt”. Er sagt weiter: „Auch. die 
Thatsache wurde an den Tag gebracht, dass dieselbe Art 
Walfische, welche längs der Küsten Grönlands,. in der Baffin- 
Bai &e., gefunden wird, auch im nördlichen Stillen Ocean 


12 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


und um die Bering- Strasse vorkommt und dass der Wal- 
- fisch der nördlichen Hemisphäre von dem der südlichen sich 
wesentlich unterscheidet.” Ob aber der bow-head der Bering- 
Strasse wirklich genau dieselbe Art wie der Grönländische Wal 
ist, darüber vermochte ich mir noch keine Gewissheit zu ver- 
schaffen. In unserem Falle handelt es sich vorzugsweise um 
den „gemeinen Grönländischen Walfisch” (Balaenamysticetus). 
In den arktischen Gewässern Europa’s ist der 71. Grad (nach 
Seoresby) oder nach der Ansicht erfahrener Kommandeure, 
von welchen ich mündliche, resp. schriftliche Mittheilungen 
darüber erhielt, der 70. Grad die südlichste Grenze, bis zu 
der noch, wenn auch selten, Walfische angetroffen werden. 
Im Allgemeinen gilt bei unseren Fischern die Regel, dass 
im Frühsommer die Fischerei vorzugsweise auf dem 78. und 
79. Breitengrad, dagegen in der „Natid”, wie sie es nennen, 
im August, auf dem 73. bis 75. Breitengrad ergiebig sei. Nach 
des Bremer Kapitäns Westermeyer Erfahrung nimmt der 
Fisch (unter Fisch ist immer Walfisch in der Grönlands- 
fahrer-Sprache zu verstehen) sehr häufig seinen Lauf in der 


Richtung von Südwest nach Nordost. Scoresby macht in 


seinem, in dieser Beziehung freilich durch die seitdem ver- 


flossene Zeit wohl nicht mehr vollgültigen, Werk, das 1820 
erschien, ausführliche Mittheilungen, denen wir noch Einiges 
entnehmen. Im Allgemeinen gilt von Alters her die Regel, 
dass aus der Farbe des Wassers, dunkelgrün, sich auf reich- 
liches Vorhandensein der Krustaceen, der Nahrung des 
Fisches, und somit auf die Nähe von Fischen schliessen 
Fischerei bei Spitzbergen: Frühzeitig im April reich- 
lich an der Grenze des Eises bei Hakluyt’s Headland auf 
dem 80. Grad N. Br., auch wohl 1 bis 2 Grad südlicher. 
Im Monat Mai öfter am Rande des losen Eises auf dem 
79. Breitengrade grosse Fische. 


lasse. 


Kleinere an Eisfeldern und 
öfter in Eisbaien auf dem 80. Breitengrad. Im Juni ist 
der Fisch am häufigsten und wird zuweilen zwischen dem 
75. bis 80. Grad auf jedem Breitengrad getroffen, und zwar 
sowohl im offenen Wasser als im losen Eis und an Eis- 
feldern und Flarden, wie auch an dem festen, undurchdring- 
lichen Eis gegen die Küste von Grönland. Die kleine- 
ren Fische werden zu dieser Zeit südlicher als im Früh- 
jahr angetroffen, und zwar an den Grenzen des Westeises 
auf 78 bis 784° N. Br. Der 78. bis 784 Grad ist nach 
Scoresby das unergiebigste Gebiet. Diese Breite ist bei 
den Englischen Fischern die Grenze zwischen der Fischerei 
„northward” und der Fischerei „southward”. 

Auf der Breite zwischen 77 und 774° wird überhaupt 
selten ein Fisch gefangen, daher nennen sie die Engländer 
„the dead latitude”, die Deutschen „dat dowe Wäter” (das 
taube Wasser). Die Breiten werden von unseren Kom- 
mandeuren kurzweg mit „up de eene, up de twee” (auf 
der Eins, auf der Zwei) &c. bezeichnet. Die Fische wech- 


seln nach Scoresby in Folge der Nachstellungen ihre Re- 
viere. Wenn man sie eine längere Zeit ungestört liesse, 
würden sie wahrscheinlich zu den Küsten und Baien von 
Spitzbergen und der Nachbarinseln zurückkehren. 

Wenn zwischen der Bären-Insel und Spitzbergen das 
Osteis sich mit dem Grönländischen Eis verbunden hat und 
sich auf diese Weise eine geschlossene Eismasse bildet, dann 
sagt der Fischer: „Das Eis liegt breit, es ist ein Südeisjahr”. 
Dieses „Südeis”, wo der Fisch zu suchen ist, schützt ihn 
vor südwestlicher Dünung, doch lässt sich nicht unbedingt 
sagen, dass der Fisch die Dünung vermeide. Liegt das 
Eis dagegen schmal, dann sind die Aussichten für die 
Fischerei schlecht. Das Gebiet ist dann zu gross und die 
Fische sind schwer zu erreichen. Doch gilt diess, wie wir 
Die Fischerei ist gewöhnlich 
nach einem strengen Winter gut, wenn also das Eis sehr 
südlich liest. Dann kommen, sagt L. Bahre, in seinen 
1838 geschriebenen Skizzen, auch die Fische, welche zwi- 
schen Spitzbergen und Nowaja Semlä leben, heraus und zum 
Vorschein, zur grossen Freude der Harpuniere, welche diese, 
die kürzer, dicker, heller von Farbe und leichter zu fangen 
sein sollen als die im Westeis, zum Unterschied Südeis- 
Fische nennen. Manche dieser Gattung bleiben an den 
Küsten von Grönland; so sagen die Kommandeure, welche 
deren habhaft wurden, und die den leichten Fang des 
dickeren, weicheren Speckes des Südeis-Fisches, oder eigent- 
lichen Fisches von Osten her, nicht genug rühmen können. 
Die Farbe dieser Gattung sei sehr hell, sagen sie, die des 


sehen werden, nicht immer. 


Westeis-Fisches sammt-schwarz, die grauen müssten die 
Der Fisch von Osten liebt das kleine zer- 
brochene Eis, der von Westen, welcher, wie sie meinen, 
südlich um Kap Farewell Reisen nach der Davis - Strasse 
macht, sucht das grosse Eis. 

Das Eis soll bei einem Südeis-Jahr im Frühjahr etwa 
auf folgende Weise sich gelagert finden: 


Bastarde sein. 


„Einige Meilen 


südlich vom Kap Farewell auf Island, so dass die Hälfte- 


dieser Insel umschlossen ist, von hier ein wenig westlich, 
von Jan Mayen auf Kap Lookout von Spitzbergen, 40 bis 
48 Engl. Meilen südlich von demselben, und dann streicht 
es östlich auf Nowaja Semlä” oder gar auf Lappland, häu- 
figer ist Bären-Eiland auch innerhalb des Eisgebiets. Im 
Frühjahr bricht das Eis an der Westküste Spitzbergens auf 
und wird durch nordöstliche Winde auf das an den Ost- 
küsten von Grönland 'sich ablagernde sogenannte Westeis ge- 
schoben, so dass hierdurch ein Bassin entsteht, in welchem 
ziemlich frei umhergesegelt werden kann; doch ist es oft 
sogar schwierig, zu demselben zu gelangen und die Pas- 
sage durch einen Damm zusammengeschobenen Eises, der 
südlich vom Kap Lookout an sich westlich nach dem festen 
Eis hinzieht, zu suchen. 


Deutlicher spricht sich noch Scoresby über die Grenzen 
und Lage des Polareises bei den Fischrevieren in der Grön- 
ländischen See aus. Er sagt: In einer „open season”, wenn 
also ein ununterbrochenes Fahrwasser längs der Westküste 
von Spitzbergen bis nach Hakluyt Headland sich erstreckt, 
dehnt sich ein 20 bis 30 Seemeilen breiter Wasserkanal 
zwischen dem Lande und dem Eise bis zum 79. oder 
80. Breitengrade aus, indem er sich allmählich der Küste 
nähert. Durch Stürme und Strömungen erleidet die Grenze 
und Beschaffenheit des Eises verschiedene Veränderungen, 
die besonders in der Nähe der Küste deutlich werden, da 
man von dieser aus am besten das Hervortreten oder Zurück- 
gehen der Eislinie bemerken kann. 

Scoresby und Gray über Eis und Fischreviere in ver- 
schiedenen Jahren. — Scoresby macht uns ausführliche Mit- 
theilungen, wie verschieden sich die Verhältnisse in einer 
Reihe von Jahren — 1803 bis 1822 — gestalteten. Ich gebe 
hier Einiges daraus, indem ich die neueren Erfahrungen 
des Captain D. Gray anschliesse. 

1803 war „an open season”, Mitte April freie Schifffahrt 
bis zum 81. Grad, die Fischerei aber schlecht. 

1804. Mitte Mai eröffnete sich den Schiffen eine Pas- 
sage zu den nördlichen Stationen, die Fischerei war leidlich 
gut. Eben so war sie es 1805, wo gegen Ende April bis 
zum 78. Breitengrad die Schifffahrt frei war. Die Rück- 
fahrt aus dem Eise war leicht. 

Das Jahr 1806 war ein Südeis-Jahr. Die Eisbarriere 
war so ausgedehnt, dass es nur drei Schiffen gelang, sie 
zu durchdringen, sie erstreckte sich von 75,20 Grad bis 
79,30 Grad. Jenseits derselben war eine offene See in 
einer Ausdehnung von 30 bis 50 Engl. Meilen von Süd 
nach Nord. Scoresby’s Schiff segelte hindurch und zwar 
zuletzt etwa 300 Englische Meilen nordöstlich, ohne das 
Ende dieser offenen See zu erreichen. (Bei dieser Gelegen- 
heit erreichte er die hohe Breite von 81° 30’ bei 19° Ö.L.) 

Das Jahr 1807 war wiederum ein Südeis-Jahr. Der 
glücklichste Fischfang war auf dem 75. und 76. Breitengrad. 

1808 war „an open season”. Das vorhandene Eis ge- 
währte genügenden Schutz, ohne die Fischerei zu hemmen. 
Walfische waren in Menge vorhanden und die Fischerei 
ungewöhnlich gut. Bei der Rückkehr bot sich auf dem 
74. Breitengrad den Schiffen ein erhebliches Hinderniss dar. 
Es war eine Eisbarriere von losem Packeis, die sich von 
dem Westeise über 100 Engl. Meilen östlich bei einer 
durchschnittlichen Breite von 10 bis 20 Seemeilen aus- 
dehnte; nur wenige Schiffe erzwangen den Durchgang, der 
grösste Theil der Fischerflotte umfuhr dieses Hinderniss an 
seinem östlichen Rande. 

1809 war wiederum ein Südeis-Jahr. 

Das Jahr 1810 war ähnlich dem von 1804. 


Lindeman,-die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 73 


Im Jahr 1811, einem Südeis-Jahre, konnten die Schiffe 
erst gegen Ende Mai durchdringen und die Fischerei war 
durchgängig gut. 

1812. In diesem Jahre sperrten Eisfelder von furchtbarer 
Stärke die Schifffahrt. Das Eis lag von dem östlichen Pack- 
eise (von Point Lookout bis Cherry Island, also vom Süden 
Spitzbergens zu der Bären-Insel) in nordwestlicher Richtung 
nach dem festen Westeise herüber; viel offenes Treibeis be- 
deckte den südwestlichen Rand dieser kolossalen Eismasse und 
schützte so die Eisfelder und Flarden vor der zerstörenden 
Seedünung. Dieser Eiswall war einer der furehtbarsten von 
allen, die überhaupt von Scoresby in der Polarsee angetroffen 
wurden. Alle Versuche der Schiffe, denselben vor dem Ende 
des Maimonats zu durchdringen, wurden mit der augen- 
scheinlichsten Gefahr unternommen und waren alle vergeblich. 
Nachdem eine Woche lang ruhiges, mildes Wetter gewesen, 
lösten sich die Felder von einander und es eröffnete sich 
eine Strasse für die Schiffe in einer Ausdehnung von 
60 Engl. Meilen, welche in eine bis zum Lande offene See 
führte. Bemerkenswerth war es, dass man gerade in diesem 
Sommer die ausserordentlichen Veränderungen beobachten 
konnte, welche mit dem Polareis vor sich gehen, denn wäh- 
rend, wie bereits mitgetheilt, im Anfang das Packeis ausge- 
dehnt und von furchtbarer Stärke sich zeigte und auf diese 
Weise den Schiffen die Fahrt nach den nördlichen Fisch- 
revieren verwehrte, so fanden die Schiffe bei ihrer Rückkehr 
im Juli nicht das mindeste Hinderniss, vielmehr war die 
See offen vom 79. Breitengrad bis zum Atlantischen Ocean. 

Das Jahr 1813 war ein schlechtes Fischjahr. Die Schiffe 
konnten schon Mitte April bis jenseits des 80. Breitengrades 
vordringen. 

Im Jahr 1815 war wiederum eine „open season”. 

Der Sommer von 1817 wird von Scoresby als besonders 
bemerkenswerth wegen der grössen Ausdehnung des offenen 
Meeres bezeichnet. Scoresby sah in diesem Jahre Ostgrön- 
land und wurde nur durch einen Nebel verhindert zu lan- 
den. Im Monat Juni veremigte sich das nördliche Landeis 
mit dem Westeis auf dem 79. Breitengrad und dehnte sich 
südöstlich bis nach Point Lookout aus. In der Gegend, wo 
sich das Landeis mit dem Westeis vereinigte, war die 
Fischerei theilweise glücklich. 

Im Jahr 1818 waren die Verhältnisse ähnlich, die 
Fischerei mässig. 

In den beiden Sommern 1817 und 1818 war die Grön- 
ländische See zwischen dem 74. und 80. Breitengrade auf 
einer Fläche von etwa 2000 Q.-Meilen frei von Eis. 

Im Jahr 1818 wieder waren zwei Schiffe in der Nähe 
der östlichen Küste von Grönland. 

Für die beiden Jahre 1820 und 1821 bemerkt Scoresby 
in seinem „Journal of a Voyage to the Northern Whale 

10 


74 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 
\ 


fishery, including Researches and Discoveries on the eastern 
coast of West-Greenland, made in the Summer of 1822, 
in the ship Baffin of Liverpool” Folgendes: 

„Im Jahr 1820 erlangte ich eine volle Ladung, vornehm- 
lich in jener Gegend, vom 74. bis hinunter zum 71. Grade; 
auch verschiedene andere Schiffe machten einen glücklichen 
Fang in demselben Eise und im Angesicht des West-Lan- 
des (Grönlands). Im folgenden Jahr hinderte uns ein grosses 
und dichtes Eisfeld, der Küste von Grönland näher zu 
kommen, als dass wir sie eben erblickten, und der Fang 
schlug überhaupt fehl; nur wenige Schiffe, die eine günsti- 
gere Öffnung im Eise gefunden hatten, waren durch die 
Eisschranken hindurch gekommen und hatten eine erträg- 
liche Ladung erhalten.” 

Im Jahr 1822 fischte Scoresby wieder an der Ostküste 
von Grönland und führte seine bekannten Landungen und 
Küstenuntersuchungen aus. — 
Scoresby’s. 

Wenn dereinst einmal die Aufgabe gelöst wird, wäh- 
rend einer längeren Reihe von Jahren die Lage und Be- 
schaffenheit der Eisränder des Polarbassins allsommerlich 
zu verschiedenen Zeitpunkten zu bestimmen und ihren Zu- 
sammenhang mit den Strömungs- und Windrichtungen wie 
den Temperaturverhältnissen anzugeben, erst dann werden 


Diess die Andeutungen 


manche scheinbare Widersprüche aufgedeckt und die Kennt- 
niss aller dieser Verhältnisse wird keine so lückenhafte mehr 
sein. Die zahlreichen Grönlandsfahrer, welche auch noch in 
diesem Jahrhundert in den Europäisch-arktischen Gewässern 
jährlich kreuzten, hätten ein werthvolles, reiches Material 
zu dieser Kunde fast mühelos liefern können, allein, wie 
bemerkt, wenige Kommandeure hatten — die Einsicht der 
noch vorhandenen Schiffsjournale beweist diess — Etwas 
von dem unermüdlichen Beobachtungs- und Forschungstriebe 
Scoresby’s. Wir sagen: Material hätten sie dann immerhin 
genug beschaffen können, wenn sie auch nicht im Stande 
waren, dasselbe, so wie der mit einem durchdringenden 
Geiste und reichen Kenntnissen ausgerüstete Mann, selbst- 
ständig wissenschaftlich zu verarbeiten und zu einem so 
werthvollen Werke, wie die Arctic regions, zu gestalten.. 

Ich schliesse diesen Abschnitt mit folgenden, hierher 
gehörenden, werthvollen Mittheilungen des Captain D. Gray. 
Dieselben setzen besonders die gegenwärtigen Verhältnisse 
auseinander. 

Nach Captain David Gray’s mir in freundlichster Weise per- 
sönlich gemachten Mittheilungen (aus Peterhead vom 24. Nov. 
1868) sind die besten Fischgründe bei der Spitzbergenküste: 
vom 80° N. Br. und 2° W. L. bis zum 79° 30’ N. Br. 
und 1° W. L.; ferner 78° 40’ N. Br. zu 2° W.L., vom 
716° N.Br. zu 10°W.L.; vom 75° N. Br. zu 12 bis 14° 
W. L., vom 74° N. Br. zu 15 bis 16° W. L., vom 73° 


N. Br. zu 15 bis 17° W. L. und vom 73° N. Br. bis 
herab auf 70° N. Br. bei 17 bis 20° W.L. Captain Gray 
sagt, dass die Walfische nach und von den Bänken bei 
Spitzbergen und Grönland kommen und gehen, je nachdem 
sie das Eis und Nahrung entsprechend finden. Captain Gray 
bestätigt, dass die beste Walfischsaison bei Spitzbergen 
immer diejenige der closed years ist, wenn nämlich das 
Eis eine geschlossene Linie bildet, welche bei dem Grön- 
landeis etwa auf 76° N. Br. beginnend bei der Bären-Insel 
vorüber bis zum Nordkap läuft. Allein die Ergiebigkeit der 
Gründe bei Grönland hängt davon nicht ab. Die Gründe ver- 
legen sich je nach der Jahreszeit, und zwar ganz erheblich 
in einem und demselben Sommer. Captain Gray fügt hinzu, 
dass unter „banks” die Stellen verstanden werden, wo die 
Walfische hinreichende Nahrung finden. Es ist damit nicht 
gesagt, dass das Meer auf diesen Stellen nicht eben so tief 
sei, wie an anderen. (Die Übersetzung in „Gründe” wird von 
vorn herein dieses Missverständniss abschneiden.) Im ver- 
gangenen Sommer (1868) war aussenseits nur an eisfreien 
Stellen des Meeres Nahrung für die Fische, vom 80. bis 
70. Grad herab, daher die geringe Zahl gefangener Fische. 
Captain Gray findet keinen Unterschied gegen früher im der 
Zahl der Fische bei Grönland, in grossen Mengen sah er 
sie nie und hundert ist die höchste Zahl, die er jemals in 
Einem Sommer sah, wobei es wahrscheinlich ist, dass er 
manche unter diesen mehr als ein Mal sah. Längere Zeit 
hindurch hat er die Beobachtung gemacht, dass er keinen 
Fisch fing, der nicht schon vorher einmal harpunirt war. 
Dadurch wird die Annahme begründet, dass die Zahl der 
Fische in diesen Gewässern nicht gross ist. Captain Gray 
erwähnt auch, dass, seitdem er auf der Fischerei ist, er 
nieht mehr als sechs alte Walfische mit Jungen gesehen 
hat. Entweder also vermehren sie sich nur wenig oder 
sie suchen irgend eine unbekannte Zuflucht für ihre Jungen. 
Genug, die Fische besuchen nicht die Baien von Spitz- 
bergen oder Grönland und Captain Gray hat sie nie dicht 
bei Land gesehen. 

Auf die Frage in Beziehung auf die Fischerei zu ver- 
schiedenen Zeiten des Sommers in verschiedenen Polhöhen 
antwortet mir Captain Gray: Wenn das Eis östlich vom 
Meridian von Greenwich und näher der Küste von Grönland 
sich erstreckt, pflegen sich die Walfische bei Spitzbergen auf- 
zuhalten. Wenn aber das Eis bedeutend westlich von dem 
genannten Meridian sich erstreckt, finden sich nur kleme _ 
Fische und noch dazu spärlich südlich vom 75. Grad. Im | 
Frühsommer gehen nach Captain Gray die Fische nördlich, 
so weit das Polareis sich öffnet; die kleinen Fische ver- 
schwinden immer um Mitte Juni in den Tiefen des Polar- 
eises. Anders ist es mit den grösseren Fischen, man sieht 
sie ihren Lauf im Mai und Juni öfter südlich nehmen; 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 75 


wenn diess aber eintritt, so ist die Wahrscheinlichkeit vor- 
handen, dass sie wiederum zurückkehren, bevor sie im 
Herbste südlich gehen. 

Die Oldenburgischen Fischereiunternehmungen. _Allge- 
meines. — Die Oldenburgische Wesergegend, von der Natur 
mehr begünstigt, hat sich in Seehandelsunternehmungen be- 
sonders in neuerer Zeit regsamer gezeigt als die Hannöver’- 
sche. In den fruchtbaren Wesermarschen des Stedinger- und 
des Stadlandes war die Bevölkerung zahlreicher. Der Fisch- 
fang, welcher hier seit alter Zeit m der Weser und den 
beiden auf dieser Seite mündenden Nebenflüssen, der Hunte 
und Ochtum, betrieben wurde, war besonders ergiebig. Brake 
und Elsfleth lagen weiter herab nach der Mündung des Stromes 
als Vegesack und sie wurden daher — vornehmlich Brake — 
für die grösseren Seeschiffe in neuerer Zeit und bis zur Grün- 
dung Bremerhafen’s fast ausschliesslich als Ein- und Ausgangs- 
häfen benutzt. Die Bauernhöfe liegen vielfach dicht hinter 
dem Weserdeich. Von diesem herab schaute der junge Mann 
schon als Knabe die Kauffahrer mit geschwellten Segeln 
stromabwärts nach unbekannten Gestaden jenseits des Meeres 
ziehen oder er sah sie mit reicher Ladung in den Hafen 
zurückkehren und liess sich von den Matrosen, von „Unkel 
Jan” oder „Hinrik”, die bestandenen Abenteuer und Ge- 
fahren erzählen. Wenn nun so in Manchem schon früh die 
Neigung zum Seeleben erwachen mochte, so traten später 
noch greifbarere Motive hinzu, welche die Wahl des See- 
mannsberufes begünstigten. Durch verschiedene Verordnun- 
gen und Gesetze — die erste Bestimmung datirt von 1831 — 
gewährte die Regierung den Oldenburgischen Seeleuten grosse 
Erleichterungen in der Erfüllung ihrer Militärpflicht, ja unter 
Umständen befreite sie dieselben von dieser ihnen lästigen 
Fessel so gut wie gänzlich !). Ferner wies das bestehende 
ländliche Erbrecht Einem der Söhne eines Bauern den Hof 
ganz zu, während es die übrigen auf verhältnissmässig ge- 
ringe Abfindungen beschränkte. Wenn sich daher Viele 
ausser Stande sahen, selbstständig eine bäuerliche Wirth- 
schaft zu betreiben, so zogen sie es vor, „Fahrensleute” zu 
werden, zur See zu gehen, anstatt als Knechte im elter- 
lichen Hause zu bleiben oder gar einem Fremden ihre 
Dienste zu leihen. 

So sehen wir schon früh unter den Kapitänen der See- 
- handelsflotte der Weser viele Oldenburger. Mit Hülfe von 
Freunden und Verwandten, die einen Theil des aus der er- 
giebigen Landwirthschaft gewonnenen Kapitals in Schiffs- 
parten anlegten, übernahmen dann Manche selbstständig die 
Führung von unter ihrem Namen eingetragenen Seeschiffen. 
Dadurch kam nun auch der Schiffsbau an der Oldenburgi- 
schen Weserseite in Blüthe. 


'") Durch das Rekrutirungsgesetz vom 27. August 1861 wurden 
alle Befreiungen und Begünstigungen in dieser Beziehung aufgehoben. 


Verschiedene kleinere Unternehmungen. — Vereinzelt 
sehen wir schon vom Jahr 1323 an Schiffe, von Olden- 
burgischen Häfen ausgerüstet, auf die Fischerei bei Grön- 
land gehen: von Brake in den Jahren 1823 und 1824 der 
„Robbe” auf Robben-, Walross- und Renthierjagd, von 1832 
bis 1837 alljährlich ein bis zwei Schiffe (Concordia, Azaria, 
Elise, Friederike Auguste); 1841 bildet sich in Elsfleth 
eine Gesellschaft, welche ein Schiff auf den grossen Fisch- 
fang bei Spitzbergen ausrüstet. Aber alle diese Unter- 
nehmungen hatten nicht viel zu bedeuten und waren auch 
vom Glücke wenig begünstigt. Anfang der vierziger Jahre 
beginnen aber grössere Gesellschaftsunternehmungen; 1843 
tritt die „Stedinger Kompagnie” ins Leben, welche den 
Fischereibetrieb 19 Jahre fortsetzte, in einzelnen Jahren 
ausserordentlich günstige Ergebnisse erzielte, in anderen 
wiederum grosse Verluste erlitt, ohne dass ihr auch nur 
ein Schiff verloren ging, und sich endlich im Jahre 1862 
auflöste, ohne dass, wie sich später ergeben wird, für die 
Theilnehmer sich ein Verlust herausstellte, wenn man von 
Beginn bis zu Ende Gewinn und Verlust in einer Gesammt- 
rechnung mit einander vergleicht. 

Ein von Anfang bis zu Ende unglückliches Unternehmen 
war die von den Kaufleuten Borgstede und Schiff ın Els- 
fleth mit einem Aktienkapital von 12.000 Thlr. erriehtete 
„Elsflether Kompagnie für Robbenschlag und Walfischfang”. 
Zur Unterstützung desselben betheiligte sich die Regierung 
mit fünf Aktien & 200 Thlr. Am 22. März 1844 lief das 
von der Kompagnie ausgerüstete, bereits 15 Jahre alte und 
in der Kauffahrtei wohl kaum mehr zu gebrauchende Brig- 
schiff „der Nordstern”, Kapıtän J. Dittmer, welches mit Aus- 
rüstung 16.253 Thlr. gekostet hatte, aus, brachte indessen 
in diesem und dem nächsten Jahre nur sehr geringen Segen 
mit nach Haus. Im Jahre 1846 brachte ‚der Nordstern” 
sogar nur 80 Robben mit, machte bei der Rückkehr in der 
Nordsee auch noch Havarie und musste deshalb in Bergen 
einlaufen, wobei 2203 Thlr. Kosten aufliefen. Bei Reguli- 
rung der Sache musste jeder Aktionär noch 45 Thlr. 30 Groten 
nachzahlen, „womit denn”, wie der Amtmann von Elsfleth 
sich in seinem Bericht an die Regierung ausdrückt, „dieses 
unerfreuliche Geschäft sein Ende erreichte”. 


Die Stedinger Kompagnie. — Anders, wie bemerkt, stell- 
ten sich die Dinge bei der am 26. Dez. 1842 gegründeten 
„Stedinger Kompagnie”. Die durch die Statuten geschaffene 
Organisation war eine sehr zweckmässige und als geschäfts- 
führender Direktor trat ein durchaus sachkundiger und 
energischer Mann, Herr F. E. von Buttel in ‚Brake, ein. 
Das Aktienkapital betrug zuerst nur 9000 Thlr. Der Gross- 
herzog bezeigte seine Theilnahme durch Zeichnung von 
10 Aktien. Es wurde in Bremen die Bark „Pauline” an- 

10,* 


76 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


gekauft und schon im ersten Jahre, 1843, liess sich der 
Betrieb recht gut an. 

Das auf den Robbenfang ausgerüstete Schiff „Pauline’” 
brachte einen Reingewinn von 1686 Thlr. 37 Groten, somit 
auf jede Aktie einen Überschuss von ca. 183 Proz. Die Ge- 
sellschaft, vergrössert durch den Hinzutritt neuer Aktionäre, 
richtete sich eine eigene Thranbrennerei ein und kaufte ein 
zweites Schiff, den „Julius und Eduard”, nunmehr „August”, 
von 180 Bremer Rockenlast. Letzterer wurde auch auf den 
Fischfang ausgerüstet. Das gesammte Aktienkapital betrug 
nun 27.500 Thlr. in 275 Aktien & 100 Thlr. 

Das Jahr 1845 brachte keinen Gewinn, das Jahr 1846 
sogar Verluste. 

Auszüge aus Schiffsjournalen von 1846. — Die Fischerei 
lieferte 1846 
spärlichen Ertrag. Es heisst im Journal des „August” unter 
Anderem: 


gar keinen, der Robbenschlag nur einen 


„Am 8. April war der „August’” bei Jan Mayen. Peilten die Insel 
Westnordwest bei einer Distanz von 12 bis 14 Seemeilen. Am 9. 
waren wir bei einem grossen Robbenfelde, steuerten Südwest, um einen 
Pack (ein verkürzter Ausdruck für Packeis, manche Grönlandsfahrer 
brauchen auch dafür das Plattdeutsche „Backs”, d. i. Klumpen), schweres 
Eis, zu umgehen, und hatten gegen Abend das Missgeschick, nur noch 
eine Meile von dem Robbenstapel entfernt einzufrieren. Am 10. war 
das Schiff in derselben Lage und die Leute mussten eine Meile zu Fuss 
nach den Robben gehen. Abends kamen sie mit 500 Robben wieder. 
Am folgenden Tage war diess nicht mehr ausführbar, weil das Eis durch 
Dünung hie und da lose geworden war und Viele unterwegs durchbrachen. 
Am nächstfolgenden war es möglich, mit einem Theil der Boote in eine 
Bucht hineinzuarbeiten, die Mannschaft brachte aber nur 80 Robben mit; 
dabei war sie, da inzwischen starker Nebel eintrat, der grossen Gefahr 
ausgesetzt gewesen, das Schiff nicht wieder erreichen zu können. 

„Darauf wurde das Schiff im Eise bei starkem Nebel zwischen die 
gefährlichen Klippen an der Nordost-Küste von Jan Mayen getrieben. 
Sie lagen in der Great Wood Bay (groote houd baay), an der Südost- 
seite, im mittleren Theile der Insel, kaum eine halbe Meile von dem 
Segelfelsen (derselbe wird bekanntlich wegen seiner Gestalt von den 
Holländern sail-klip, von den Engländern sail-rock genannt). Der Wind 
war südöstlich, das Schiff wurde durch den Druck von 20 bis 40 Fuss 
dieken Eisstücken nach dem steilen Felsen-Ufer hingedrängt, bis end- 
lich am 21. April der Wind westlich lief. Nach 30stündiger Arbeit 
gelang es nun, aus dem Eise zu kommen. Sie steuerten jetzt dem 
Robbenstapel zu, allein die Alten waren inzwischen weggezogen und die 
Jungen ebenfalls nach verschiedenen Richtungen hin zu Wasser ge- 
gangen”. — Die Fischerei war schlecht, weil, wie der Kommandeur 
berichtete, der Winter gelind war und die Fische das zwischen den 
schweren Eisstücken liegende einjährige Eis durchbrechen konnten, um 
Luft zu holen. Man konnte unter solchen Umständen nicht an die 
Fische kommen. 


Zur Winterzeit wurden, wenn möglich, die Schiffe der 
Kompagnie nach England befrachtet. 

Das Jahr 1847 war ein günstiges. Der „August” machte 
eine so ergiebige Robbenjagd, dass er vom Fischfang aus 
Rücksicht auf Raummangel absehen musste. Er brachte 
7541 Robben, welche 970 Tonnen Thran lieferten, die 
„Pauline” 2720 Robben und 467 Tonnen Thran. Beiden 
Schiffen war in Grönland durch einen heftigen Sturm und 
schweren Seegang noch die ansehnliche Menge von 4500 
Stück Robbenfellen, zum Theil auch noch mit dem Speck, 


vom Verdeck weggespült worden. Der Brutto-Ertrag beider 


Schiffe war 29.281 Thlr. und es konnte bei einem Netto- 
Überschuss von ca. 15.000 Thlr. auf jede Aktie (im Betrage 
von 100 Thlr.) eine Dividende von 30 Thlr. bezahlt werden. 

Bedrohung der Fischerei durch den Krieg mit Dänemark 
1848/49. — Der Krieg mit Dänemark in den Jahren 1848 
und 1849 bereitete der gesammten Rhederei des zur See 
machtlosen Deutschlands bekanntlich schwere direkte und 
indirekte Verluste. Durch die Umsicht der Direktion und 
durch Glück wurden die zur Zeit des Ausbruchs des Krieges 
schon in den Grönländischen Gewässern weilenden Fischer- 
fahrzeuge der Gesellschaft vor dem Schicksal bewahrt, das 
so manche Deutsche Handelsschiffe als gute Prise nach 
Kopenhagen führte. Der Energie des geschäftsführenden 
Direktors, welcher überhaupt mehr und mehr die Seele 
des ganzen Unternehmens wurde, gelang es, in Hamburg 
eine Vereinbarung der meisten Grönlandsrhedereien an der 
Elbe und Weser zu Stande zu bringen. Sofort brach ein 
schnell segelndes Fahrzeug nach den Grönländischen Ge- 
wässern auf und benachrichtigte die dort weilenden Deut- 
schen Schiffe, im Ganzen 16, von der Gefahr, welche sie 
bei ihrer Rückkehr Seitens der in den Deutschen Strom- 
mündungen kreuzenden Dänischen Kriegsschiffe bedrohte. 
Das Fahrzeug erhielt den Auftrag, die Schiffe möglichst 
direkt aufzusuchen und zu warnen, wenn diess nicht voll- 
ständig möglich, sie indirekt, durch von ihm angesprochene 
andere Schiffe, warnen zu lassen und auf diese Weise das 
Einlaufen der Deutschen Schiffe in Schottische Häfen zu 
bewirken, ‘bevor sie, weiter südlich, dem Feinde als Beute 
verfallen mussten. Es gelang, den „August” rechtzeitig zu - 
und dieser fand in Lerwick (Shetland- 
Inseln) eine sichere Zuflucht; die „Pauline”, welche nicht 
benachrichtigt werden konnte, hatte das Glück, auf direkter 
Rückreise — mit der ihr drohenden Gefahr gänzlich un- 
bekannt — mitten durch die Blockade hindurch, vom Feinde 
dennoch unbemerkt, auf die Weser heim zu kommen, 
während beinahe gleichzeitig mehrere andere Grönlands- 
fahrer, z. B. der „Neptun” und die „Grönland” (wie unter 
den Schiffsnachrichten bereits mitgetheilt) von den Dänen 
aufgefangen und nach Kopenhagen gebracht wurden. Der 
Kostenantheil der Gesellschaft für die Entsendung des War- 
nungsschiffes betrug +40 Thlr. und gerade der ‚August”, 
welcher dadurch rechtzeitig die erforderliche Kunde empfan- 
gen hatte, brachte den werthvollsten Fang mit. 

In diesem für die Deutsche Rhederei unheilvollen Jahre 
konnte die Gesellschaft ihren Aktionären noch immer eine , 


benachrichtigen, 


Dividende von 124 Proz. auszahlen und es blieb dabei ein 
Vermögensbestand von 28.256 Thlr. — 102% Thlr. auf 
jede Aktie. £ 
Aufnahme schöffbrüchiger Grönlandsfahrer und Verfahren 
der Englischen und einer Deutschen Regierung in solchem 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 17 


Falle. — Der „August” hatte auf dieser Fahrt sechs Mann 
eines kleinen, von Hooksiel im Oldenburgischen (Jeverland) 
ausgerüsteten Robbenfängers, „Adelheid”, übergenommen, 
unterwegs verpflegt und mit nach Hause gebracht. Die 
„Adelheid” war ein kleines Fahrzeug, das von einer Kom- 
pagnie (Direktoren D. G. F. Focken, D. Fimmen und H.J. 
Lubinus in Hooksiel) im Jahre 1846 zu dem Preise von 
4000 Thlr. angekauft und seitdem auf den Robbenschlag 
ausgesandt worden war. Die „Adelheid”, 37 Kommerzlast 
gross, geführt vom Kapitän Carsens, strandete auf einem 
der Riffe bei Jan Mayen. Das Bremer Schiff Hannover”, 
Kapitän Hashagen, war in der Nähe und die gesammte Be- 
satzung der „Adelheid’” wurde vom „Hannover” aufgenommen. 
Der Kapitän gab sodann, wie es Grönländischer Brauch, 
einen Theil der Mannschaft, wie es eben passte, an andere 
Schiffe ab, brachte die Übrigen mit nach Hause und ver- 
sah ausserdem die Leute noch mit etwas Geld. Es waren 
dadurch den Rhedern des „Hannover” (Lange und Grave) 
144 Thlr. Unkosten erwachsen, welche sie natürlich von 
der Hooksieler Kompagnie reklamirten. Diese gab den Be- 
scheid, dass die Kompagnie nicht schuldig sei, diese Unkosten 
zu zahlen, da die Regierung dergleichen Leistungen an 
- Schiffbrüchige und Hülfsbedürftige erstatte. Die Regierung 
aber gab den Bescheid, dass die Annahme und Behauptung, 
dass die Grossherzogl. Regierung alle für schiftbrüchige 
Oldenburger im Auslande gemachten Verwendungen erstatte, 
auf einem Irrthum und Missverständniss beruhe. Die Ste- 
dinger Kompagnie hatte mit ihrer Rechnung für Beköstigung 
von sechs Mann der „Adelheid” während 30 Tage an Bord 
des „August” gleiches Resultat. Als Gegenstück dient das 
Verfahren der Englischen Regierung im folgenden gleichen 
Falle. Der „August” nahm im Jahre 1849 sieben Mann 
von einem verunglückten Englischen Grönlandsfahrer auf, 
verpflegte und beköstigte sie 9, resp. 16 Wochen. Dafür 
empfing die Gesellschaft von der Englischen Regierung eine 
Vergütung von Y, Thlr. für den Mann und Tag. Ich habe 
diese beiden Beispiele angeführt, weil sie in ihrem Gegen- 
satze beredt genug die damalige Hülflosigkeit Deutscher 
Schiffe in See im Vergleich zu der Flagge anderer Nationen 
illustriren. 

Glänzendes Ergebniss von 1853. — Blättern wir die 
Jahresberichte der Gesellschaft bis zu dem der Auflösung 
vorhergehenden letzten Betriebsjahre durch, so finden wir 
das glänzendste Ergebniss im Jahre 1353. In diesem be- 
trug der Bruttowerth des Fanges 35.605 Thlr. und es 
konnte eine Dividende von 65 Proz. an die Aktionäre be- 
zahlt werden. 

4Juflösung der Gesellschaft. — Ungünstige Jahre waren 
besonders 1856 und 1858. In letzterem Jahre erlitt der 
„August” Hayarie im Eise, und da die Versicherung sich 


nicht auf im Eise erlittene Beschädigungen erstreckt \), 
mussten die Unkosten auch diese aus dem Säckel der Ge- 
sellschaft bezahlt werden. 1863 — der Direktor war in- 
zwischen verstorben — löste sich die Gesellschaft auf. Die 
Öldenburgische Regierung machte sich bei Beendigung des 
Unternehmens für ihre 20 Aktien A 100 Thlr., mit welchen 
sie daran betheiligt war, eine Rechnung, wonach sich im 
Ganzen, ohne Berechnung von Zinsen, ein Gewinn von 
995 Thlr. 3 Sgr. 4 Pf. ergab. 

Die Bemannung der Grönlandsfahrer war und ist, je 
nach der Grösse der Schiffe und der dadurch bedingten 
grösseren Zahl der Boote, verschieden, 40 bis 50. Die Trag- 
fähigkeit der Fahrzeuge, welche auf Fischfang und Robben- 
schlag ausgehen, variirte in den vierziger Jahren zwischen 
100 und 250 Last, während für Robbenschlag allein kleinere 
Fahrzeuge bis zu 60 Last herab benutzt wurden. 

Die Abfindungsweise der gesammten Bemannung besteht 
noch jetzt im Wesentlichen auf dem alt - Holländischen 
System: in einem Antheil am Brutto-Ertrage des Fanges, in 
der Monatsheuer und dem Handgelde. Ein Theil fährt halb 
auf Part, halb auf Heuer, es sind diess Halbpart-Fahrer. 
Diesen so wie den allein auf Heuer Fahrenden, den so- 
genannten Monatsgästen, wird das Handgeld als Betrag 
eines Monats angerechnet. 

Die jetzigen Sätze an der Weser ergeben sich aus 
einigen später folgenden Notizen in Betreff des „Hudson”, 
und ausserdem theile ich in einer Anlage die Musterrolle 
des Dampfers „Albert” für die Fahrt 1867 mit. Verglichen 
mit den an der Weser im Jahre 1843 ‘geltenden erscheinen 
die Sätze fast durchgängig nicht unerheblich höher. 


Der Robbenschlag. 

Überblick. — Es sind die Küsten und Inseln von West- 
Grönland, Neu-Fundland, Neu-Schottland und gewisse Theile 
des Europäischen Eismeeres östlich von Grönland, wo noch 
heute zu vielen Tausenden der Seehund geduldig den Todes- 
streich empfangen muss, um des Thranes und Felles wegen, 
die er liefert. Für die Grönländer ist der Seehundsfang der 
wichtigste Erwerbszweig. Nach Rink ?) und Whymper be- 
trägt die Zahl der von den Eingeborenen an der Westküste 
Grönlands jährlich getödteten Robben wohl 100.000 Stück, 
von welchen etwa 50.000 Felle nebst Speck, im Werthe von 
etwa 100.000 Thlr. durch die Dänische Handelsgesellschaft 
in den Handel kommen.+ Im vorigen Jahre (1868) dürfte 


!) Ein Paragraph in den Versicherungs-Bedingungen der Bremer 
Assekuranz- Kompagnien lautet dahin: „Bei Versicherungen auf das 
Kasko eines nach Grönland oder der Davis-Strasse bestimmten Schiffes 
bezahlen die Kompagnien keine Schäden, die das Schiff im Eise und 
während der Zeit des Fanges leidet, ausgenommen gänzliches Verun- 
glücken.”’ 

2) Dr. Rink’s, Inspektors der Dänischen Kolonien in Süd-Grönland, 
treffliches, von A. v. Etzel übersetztes Werk über Grönland. 


73 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


sich der Robbenfang in Europa und West-Grönland etwa 
wie folgt gestellt haben: 


Durch 5 Deutsche Schiffe . 17.000 Stück, 


durch 5 Dänische „ angenommen auf . . . 5.000 „ 
N Re EG 
„ 22 Britische Pr Treo nr SRSERDERUDOTE.NG, 


Im Ganzen durch 47 Schiffe 136.750 Stück. 
Dazu in Grönland etwa . . 100.000 „, 


236.750 Stück. 


Der Handelswerth dieses gesammten Fanges würde sich, 
wenn man die Hälfte des Fanges in Grönland für den dor- 
tigen Verbrauch abrechnet und Thran und Fell der Robbe 
durchschnittlich zu 3 Thlr. Preuss. annimmt, auf 560.250 Thlr. 
stellen. (Der Seehundsfang durch Russische Fahrzeuge bei 
Nowaja Semlä scheint sehr unbedeutend. Im Jahr 1865 
belief sich die Zahl der durch die Leute dieser Fahrzeuge 
getödteten Robben auf 26. Dort ist, wie Spörer im Er- 
gänzungsheft „Nowaja Semlä” ausgeführt hat, der bis zum 
Jahre 1840 von den Russen auch auf Spitzbergen betriebene 
Walrossfang die Hauptsache. Nach einer Mittheilung in 
Erman’s Archiv zur Kunde von Russland liefen von acht 
Küstenorten des Weissen Meeres im Jahr 1865 auf Fisch- 
fang und Jagd bei Nowaja Semlä 15 Fahrzeuge mit 122 Mann 
aus. Sie erbeuteten unter Anderem 600 Walrosse mit 
6350 Pud Thran. Auch dort herrscht das Partensystem, 
der Eigenthümer behält vom Gewinn 1%,,, die Übrigen 1%.) 

Eine besondere Gattung, die Pelzrobben, war mit Hülfe 
der Eingeborenen auf den Inseln der Anadyr Sea einer der 
einträglichsten Artikel des im Ganzen wenig lukrativen 
Betriebes der Russisch - Amerikanischen Gesellschaft. Dort 
waren und sind es allein die sehr werthvollen Pelze dieses 
Thieres, derentwegen die Jagd auf Robben betrieben wird, 
während der Speck unverwerthet bleibt. Nach dem Über- 
gang der Besitzungen der genannten Kompagnie an die 
Vereinigten Staaten haben sich die Amerikaner dieses Be- 
triebes bereits bemächtigt und zwei dahin von New London 
gesandte Schiffe sind nach den letzten Nachrichten mit 
werthvollem Fange auf der Rückkehr begriffen. Neben 
einem Amerikaner ist ein Deutscher, Herr Pflüger aus 
Bremen, bei diesem Unternehmen betheiligt. Es sollen 
nach den in Amerikanischen Zeitungen gemachten Angaben 
nicht weniger als 40.000 Stück Pelze erbeutet sein, die, 
nachdem sie weiter bearbeitet, einen hohen Handelswerth 
haben (angeblich 6 bis 10 Thlr. das Stück). 

Hamburg, Altona, Glückstadt, Elmshorn. — Elmshorn 
sendet jetzt noch Ein Schiff, die Flora”, auf den Robben- 
schlag, und zwar soll diess Schiff schon seit 1818 fahren. 
Das ist der Überrest des einst blühenden Betriebes. Ham- 
burg rüstete vom Jahre 1720 an eigene Schiffe für den 
Robbenschlag aus, deren Zahl zehn Jahre später schon 28 
war; Glückstadt beginnt mit diesem Betrieb 1740, Altona 


1765. Letzteres hat 1768 bereits 13 Schiffe zu diesem 
Zweck. Erst später werden Robbenschlag und Fischfang 
zugleich von einem und demselben Schiffe betrieben. Am 
stärksten von den Elbhäfen war noch in diesem Jahrhun- 
dert Glückstadt betheiligt: 1807 nahmen Englische Kreuzer 
die Hälfte seiner Grönlandsflotte weg und 1818 sandte es 
doch schon wieder 16 Fahrzeuge auf den Robbenschlag. 

Die Weserhäfen betreiben den Robbenschlag seit 1720, 
zuerst als Nebengewerbe, während derselbe später bei der 
geringeren Ergiebigkeit des Fischfanges mehr und mehr 
Hauptsache wird. Vergleicht man die guten Jahre des 
Robbenschlages in dem vorigen und in diesem Jahrhundert, 
so kann man damach auf keine Abnahme schliessen; denn 
während 1760 19 Hamburger Robbenschiffe 44.722 Robben 
brachten, betrug im Jahr 1850 der Segen der von der 
Weser ausgegangenen 12 Schiffe 48.800 Robben. In neue- 
ster Zeit waren 8- bis 10.000 Stück der grösste Erfolg eines 
einzelnen Schiffes von der Weser (1844, 1847, 1850, 1864). 

Vier Schiffe sind es, welche jetzt noch von der Weser 
aus die Grönlandsfahrt unterhalten: der „Hannover” (Kom- 
mandeur W. Lübbers), 237 Last gross, bisher unter Han- 
növer’scher, später unter Preussischer Flagge, Rheder: die 
Herren J. Lange, Schiffsbaumeister und Rheder in Grohn 
bei Vegesack; der Hudson” (Kommandeur J. H. Wester- 
meyer), 229 Last gross, Rheder: die Herren B. Grover- 
mann & Komp. in Bremen, Bremer Flagge, beides ältere 
Schiffe; sodann der „Albert”, ein vor drei Jahren neu er- 
bauter hölzerner Schraubendampfer (Kommandeur H. Has- 
hagen), 328 Last gross; endlich der Schraubendampfer 
„Bienenkorb”, früher Segelschiff Weser” (Kommandeur 
Hagens), 186 Last gross, beide bisher unter Hannöver’scher, 
später unter Preussischer Flagge. Die vorjährige Reise des 
„Albert”” ist in den „Geograph. Mittheilungen”, und zwar 
in dem vorläufigen Bericht über die Deutsche Nordpol-Ex- 
pedition, nach einem Bericht des Verfassers in der Weser- 
Zeitung bereits geschildert, die Reise des „Bienenkorb” bot 
nichts besonders Bemerkenswerthes. Wir wollen zur Schil- 
derung der jetzigen Betriebsweise des Robben- und Wal- 
fischfanges die Reise des „Hudson” wählen, welcher in der 
vorjährigen, dem Fischfang ungünstigen Saison (1868) so 
glücklich war, wenigstens Einen grossen Fisch von etwa 
50 Fuss Länge zu erlegen, der 150 Tonnen Thran und 
1300 Pfd. Barten lieferte und also allein einen Werth von 
ungefähr 4500 Thlr. repräsentirt. 

Jetzige Einrichtungen, Sitten und Gebräuche an Bord 
eines Bremer Grönlandsfahrers. — Über Einrichtung und 
Bemannung des „Hudson”, so wie die jetzigen Sitten und 
Gebräuche an Bord der Grönlandsfahrer schicken wir einige 
Bemerkungen voraus. 

1. Der „Speckscehneider” des „Hudson”. — Der „Hudson” 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. NE; 


hat im Ganzen eine Besatzung von 50 Mann. Der see- 
männische Theil dieser Bemannung stammt zumeist aus der 
Niederweser-Gegend, besonders aus der Oldenburgischen 
Geest; der „Speckschneider” (Offizier), welcher diess Mal 
zuerst den Fisch anschoss, ist z. B. aus Ganderkesee, vier 
Stunden von Bremen. Er ist ein in seinem Fache wohl 
erfahrener und durchaus nicht ungebildeter Mann, der, als 
er dem Knabenalter kaum entwachsen war, zur See ging, 
in Ost- und West-Indien war und unter Anderem auch als 
Vollmatrose auf einem Englischen Kriegsschiffe, das in den 
Chinesischen Gewässern kreuzte, Dienste that. Jetzt ist er 
schon seit einer Reihe von Jahren in der Grönlandsfahrt. 
Als ich ihn besuchte, war ich erstaunt, ihn, den viel er- 
fahrenen Walfischjäger, auf einmal als — Musikus wieder 
zu finden. Er geigte lustig darauf los, während sein Sohn 
ihn auf einem gewaltigen Blasinstrumente, der Tuba, zu 
begleiten versuchte. 
mit, dass er im Winter „Tanzmusik mache”, sein eigent- 
liches Instrument sei aber weder Violine noch Tuba, sondern 
der Brummbass. So spielt er denn im Winter den Olden- 
burger Bauernburschen und Mädchen lustig und unermüd- 
lich zu frohem Reigen auf. Wenn aber der Februar heran- 
gekommen ist, dann tritt der Postbote in sein sauberes, 
wenn auch kleines Häuschen und bringt einen Brief von 
„Kummdeer” (Kommandeur), dass es Zeit ist, „anzumustern 
für Grönland”. Dann wandern Brummbass und Tuba in 
die Ecke, die Kiste wird gepackt und fort geht’s nach 
Bremerhafen und von da durch die wogende See ins Eis- 
meer, um dort den Walfischen und Eisbären „Eins auf- 
zuspielen”. Solch eine Sommerfahrt in den Winter hinein 
lohnt, wenn das Glück einigermaassen wohl will, ihm, der 
als Speckschneider einen der höchsten Antheile hat, immer- 
hin 3- bis 400 Thlr. 

2. Die Mannschaft. — Im Januar findet Seitens des 
Kommandeurs die Annahme der Mannschaft Statt, wobei 
die Unterzeichnung der Musterrolle (des Seedienst-Kon- 
traktes) beglaubigt wird. Diese Beglaubigung geschieht in 
Bremen und im Oldenburgischen durch den Wasserschout, 
im Hannöver’schen durch den Notar. Wir bemerken hier, 
dass auf dem „Hudson” die Bemannung sich wie folgt 
klassifieirt: 

a. Offiziere: 1) Kommandeur, 2) Steuermann, 3) Speck- 
schneider, 4) Speckschneidersmaat, 5) und 6) erster und 
zweiter Harpunier, 7) Bootsmann, welcher die Obhut des 
Tauwerkes hat, 8) Oberküper, welcher die Aufsicht über 
alles Fasswerk hat, 9) der Schiemann, welcher das Fasswerk 
zu verstauen hat, 10) der Zimmermann. Jeder Offizier, den 
Schiemann und Oberküper ausgenommen, ist nöthigenfalls 
auch Harpunier. 

b. Die Mannschaft zerfällt in Seeleute und Nichtseeleute, 


In der Unterredung theilte er mir 


welche letztere, abgesehen vom Rudern, nicht zu den eigent- 
lichen Seemannsarbeiten, sondern nur beim Robbenschlag, 
Abmachen des Fisches &c. verwandt werden. An dem für 
die Abfahrt bestimmten Tage oder am Abend vorher muss 
die gesammte Mannschaft an Bord sein. 

3. Bau und Einrichtung des „Hudson” für die Eisfahrt 
und die Fischerei. — Der „Hudson” ist, wie alle. Grönlands- 
fahrer, für die Eisfahrt besonders ausgestattet. Er ist aussen 
vom Kiel bis zu den Berghölzern mit einer zweiten Planken- 
haut (Doppelung) geschützt. Ausserdem ist er noch mit 
einer „Eisschürung”, welche vom Vordersteven bis zur Mitte 
reicht, versehen. Ferner schützt das Schiff der eiserne 
Steven, welcher durch die eisernen „Maulbänder” mit dem 
Holzsteven fest verbunden ist. Am Bug, vom Steven nach 
hinten, befinden sich 20 Fuss lange eiserne Schienen, die 
„Bugbänder”. Dem Inneren geben die vom Zwischendeck 
nach unten reichenden starken Holzbänder ebenfalls eine 
erhöhte Festigkeit. Der „Hudson” hat acht Fangboote, ein 
jedes zu sechs Mann. Die Boote sind schmal und scharf 
gebaut, etwa 25 Fuss lang und aus Eichenholz. Ein jedes 
Boot, wenn es nach Ankunft an der Walfschküste zum Fang 
bereit gemacht ist, hat ein „Stell Leinen”, fünf an einander 
gesplisste, hinten und in der Mitte in Buchten eingeschorene 
Leinen, jede zu 120 Faden & 6 Fuss Bremer Maass, somit 
3600 Fuss Leinen. Der 20 Faden lange, unmittelbar an der 
Harpune befestigte Vorgänger liegt in einem Tubben vorn, 
links von den Walfischleinen. Das Ende der Leinen liegt 
über die „Doffen”, die Sitze im Boot, weg, vorn über die 
„Plicht”, die Spitze des Bootes, durch die „Klüse”, die guss- 
eiserne Nase des Bootes. Mittelst einer Öse wird sie an 
den Vorgänger befestigt. 

4. Die Fanggeräthe: Harpune und Lanze. — Das Wich- 
tigste für einen guten Erfolg der Fischerei ist neben der 
Tüchtigkeit, Behendigkeit und Ausdauer der Mannschaft der 
Muth und die Kaltblütigkeit des Harpuniers. Um aber 
seiner Sache einigermaassen gewiss zu sein, muss er Ver- 
trauen zu seiner Waffe, der Harpune, haben. Die bekannte 
Form der Harpune hat sich im Laufe der Zeit wenigstens 
im Grönländischen Fischfang wenig geändert. Man unter- 
scheidet die Hand- und die Schiessharpune (whale gun, 
auch gun-Harpune genannt). Schon im vorigen Jahrhundert 
sind, wie wir gesehen haben, Versuche mit einer in Eng- 
land von einem Schmied erfundenen Schiessharpune ge- 
macht, aber erst neuerdings, seit Captain Manby bedeutende 
Verbesserungen angebracht hat, ist die Schiessharpune all- 
gemeiner in Anwendung. Vor einer Reihe von Jahren’ liess 
sich Herr Philipp Rechten aus Bremen auf eine vervoll- 
kommnete Schiessharpune in England Patent ertheilen und 
jetzt ist namentlich der Büchsenfabrikant Cordes in Bremer- 
hafen schon seit längerer Zeit mit Anfertigung verbesserter 


80 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


Schiessharpunen und Walfischkanonen beschäftigt. In einer 
Anlage theile ich ein Schreiben des Herrn Cordes an mich 
über die Erfindung mit. Die Herren Cordes und Rechten 
haben sich neuerdings in Bezug auf Verwerthung ihrer ver- 
besserten Fanginstrumente assocürt, Herr Rechten ist nach 
Amerika gegangen, um die Erfindung dort zur Anerkennung 
zu bringen. Herr Rechten ist ein ausgezeichneter Schütze 
und war nach den neuesten Nachrichten im Begriff, von 
Provincetown mit einem dortigen Whaler auf den Fischfang 
in der Südsee zu gehen. Um den Gang unserer Betrachtung 
nicht abzulenken, erwähnen wir hier nur Folgendes: 

Bei der bisherigen, namentlich in England gebräuch- 
lichen Walfischkanone war die Einrichtung der Art, dass 
der Vorgänger, d. i. die Leine oder der Kupferdraht, mit- 
telst eines in dem gespaltenen Schaft der Harpune hängen- 
den Bügels an die Harpune von aussen befestigt war. In 
dem Moment, wo die Harpune herausfliegt, führt der am 
oberen Ende des gespaltenen Schaftes ruhende Bügel zurück 
bis an das geschlossene Ende der Harpune und nimmt nun 
den unmittelbar an ihn befestigten Vorgänger mit. — Neben 
der Schiessharpune dient aber noch immer die mit einem 
hölzernen Schaft versehene 2% Fuss lange Handharpune 
mindestens als Aushülfe ). Schliesslich sei hier erwähnt, 
dass von der Dünischen Fischerei - Gesellschaft im vorigen 
Jahre beim Walfischfang Dynamitgranaten, und zwar, dem 
Berichte des Direktors Kapitüin Hammer nach, mit gutem 
Erfolg, verwandt wurden. 

In der Mitte des Bootes liegen 13, hinten 34 Leinen, 
letztere sind mit einem „Kleid”, einem hölzernen Deckel, 
bedeckt, damit der sparsame Raum noch benutzt werden 
kann. Auf diesem Deckel hat der Bootssteuerer seinen 
Stand. Ist die Harpune geschossen, so springt der Boots- 
steuerer zurück und reisst das Verdeck auf, damit die Leine 
ihren freien Lauf habe. 

5. Proviant und Speisezette. — Die Kombüse (Koch- 
heerd) befindet sich im Zwischendeck, im Logis des Volkes. 
Das Schiff nimmt Proviant auf 7 bis 8 Monate mit. Brot, 
Fleisch, Hülsenfrüchte und Kaffee sind die Hauptbestand- 
theille der Nahrung, daneben als Getränk süsses Bier. 
Branntwein wird in der Regel nur selten verabreicht. Hier 
ist die Speisekarte der Woche an Bord des „Hudson”: 


Montag Schelde-Gerste und gesalzenes Ochsenfleisch; Dienstag gelbe 
Erbsen und Speck; Mittwoch grüne Erbsen und Ochsenfleisch; Don- 
nerstag graue Erbsen und Ochsenfleisch ;, Freitag Sauerkohl und Schweine- 
fleisch; Sonnabend weisse Bohnen und Pudding (Sackkuchen); Sonntag 
graue Erbsen und Öchsenfleisch, und so geht es in der folgenden 
Woche wieder in der reizenden Abwechselung zwischen Grau, Grün 
und Gelb fort, so dass es nicht zu verwundern ist, wenn auch die 
Mannschaft zuweilen nach etwas Anderem verlangt. Da thun sich denn 


!) Bei Humburg in Vegesack verfertigt. Ferner werden noch jetzt 
von Honolulu aus Walfischleinen aus Bremen bezogen, und zwar aus der 


Reepschlägerei von A. H. Lahmann Sohn, die ein vorzügliches Fabrikat 
liefern soll. 


zwei oder Mehrere zusammen und machen eine „Pottjemaatschaft’’, eine 
Topf-Assoeiation, ein Pickenick; nämlich ein Jeder hat gewöhnlich noch 
für sich einen besonderen kleinen Vorrath an Lebensmitteln. Vor Allem 
wird der Kaffeetopf nie kalt. Wer von der Wache kommt, muss heissen 
Kaffee haben. 


6. Wachen. — Der Tag ist in sechs Wachen getheilt, 
eine jede währt vier Stunden und es befindet sich immer em 
Drittel der Mannschaft auf Wache. Die vier Stunden Wache 
werden wiederum in halbe Stunden = ein Glas (Sanduhr) 
eingetheilt, eine Stunde also ist gleich „zwei Glasen”. Von 
4 bis 8 Uhr ist die Morgenwache, von 8 bis 12 Uhr die 
Vormittagswache, von 12 bis 4 Uhr die Nachmittagswache, 
von 4 bis S Uhr die Abendwache, von 8 bis 12 Uhr die 
erste Wache, von 12 bis 4 Uhr die zweite Wache. Um 
auf die Walfischjagd, welche in erster Linie von der Wach- 
mannschaft aufzunehmen ist, vollständig gerüstet zu sein, 
tritt, wenn das Schiff „auf der Fischerei” ist, noch eine Er- 
satzwache, die „Jöllwacht”, ein. Für die ersten zwei Stunden 
einer jeden Wache wird sie von den Mannschaften der vor- 
hergehenden Wache übernommen, für die letzten beiden 
Stunden von den Mannschaften der nächstfolgenden Wache. 

Die durch einen kleinen Ofen heizbare Kajüte des Kom- 
mandeurs liegt im Hintertheil des Zwischendecks, daneben 
weiter nach vorn die Koje des Steuermanns. Das Logis 
der Offiziere liegt noch weiter nach vorn. Hinten im 
Zwischendeck steht die grosse Waffenkiste, welche das bei 
der Fischerei und dem Robbenschlag an Waffen und Ge- 
räthen Erforderliche: Harpunen, Robbenschläger, Messer, 
Beile, Harpunkanonen &e., enthält. Im Vordertheil des 
Zwischendecks finden wir in zwei Reihen über einander 
die Kojen (das Logis) der Mannschaft. Je zwei und zwei 
schlafen zusammen. 

Der „Hudson” auf der Robbenküste. — Wir wenden uns 
nun zunächst zum Robbenschlag. Der „Hudson ” verliess 
die Weser am 21. Februar. Am 8. März befand er sich 
auf 71° 18’ N.Br. und 3° 8’ W.L., nach Nordwest durch 
Eisstreifen hindurchsegelnd. Am 9. gegen Abend erblickte 
man Nordwest zu West auf etwa 20 Meilen Abstand den 
Beerenberg von Jan Mayen-Eiland.. Am 14. harter Wind 
und Sturzsee’n, ein Theil der Schanzbekleidung schlug weg. 
Das Schiff gelangte Anfang April auf die Robbenküste; wie 
bereits bemerkt, lagen in diesem Jahre die Robben westlich 
und nördlich von Jan Mayen auf 72° N. Br. und 2° Ö.L. 
Verschiedene Fahrzeuge waren bereits zur Stelle. Am 11. 
begann der „Enterfall” (das Schlagen der jungen Robben) 
Nachmittags 3 Uhr, Abends 11 Uhr waren 901 junge Robben 
an Bord und am 12. 8 Uhr Abends war die Zahl der von 
der Mannschaft des „Hudson” geschlagenen und an Bord 
gebrachten Robben 2171. 


Segen des „udson”. — An verschiedenen Tagen gelang 
es dem „Hudson”, im Ganzen 5400 junge Robben zu schla- 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 81 


gen, welche 620 Tonnen Thran geliefert haben. Der Preis 
des Thranes war 223 Thlr. Gold die Tonne, die Felle 
waren das Stück 1 Thlr. 8 Groten (1 Thlr. 7 Sgr.) werth. 
Im Ganzen betrug der Bruttowerth des Segens des „Hudson” 
in diesem Jahre (5400 Robben und ein Fisch) 23.983 Thlr. 
Davon geht jedoch, abgesehen von allen sonstigen Unkosten, 
hinsichtlich des Thranes reichlich ein Viertel als Aniheil 
der Mannschaft ab. 

Der „Hudson” segelte dann auf die Fischerei und sich- 
tete bereits am 5. Mai Spitzbergen. Ehe wir ihn dahin 
begleiten, widmen wir den Robben noch einen Abschnitt. 

Zeit und Ort. — Jetzt treten die Grönlandsfahrer von 
der Weser und Elbe gegen Ende Februar, spätestens in 
den ersten Tagen des März ihre Reise an; früher, wo der 
Robbenschlag noch nicht betrieben wurde, erfolgte die Ab- 
fahrt zwei Monate später. Die Schiffe halten zunächst 
nordwestlich, dann nördlich, zwischen Hitland (Shetland) und 
Norwegen, durch den „Trichter” in die „Spanische See”. 
Der Kurs wird, wenn die Eisgrenze es zulässt, östlich von 
Jan Mayen genommen, wobei diese Insel, wenn das Schiff 
auf ihrer Höhe angekommen, bei freilich um diese Zeit sel- 
tenem hellen Wetter gesichtet wird. Je nachdem Wind und 
Wetter günstig oder ungünstig sind, erreichen die Schiffe 
die Höhe dieser Felseninsel in frühestens acht Tagen bis 
spätestens vier Wochen. Auch die Dampfer suchen bis 
hierher möglichst nur mit Segelkraft zu gelangen, da sie die 
Kohlen demnächst auf der Robben- und Walfischküste noch 
sehr nothwendig bedürfen. Befindet sich das Schiff etwa 
um den 18. März auf dem 72. Breitengrade und ist noch 
kein Eis in Sicht, so wird auf das Eis zu gehalten. Es 
gilt, das sogenannte Bai-Eis (nach Anderen Boje-Eis) zu er- 
reichen. Dieses Eis bildet sich in der Regel erst um eben 
die Zeit, zu welcher die Schiffe in diesen Breiten erscheinen. 
Es ist daher junges Eis in einer Stärke von einigen Zoll 
bis zu 1 Fuss, in Schollen von der Grösse einer kleinen 
Tischplatte. In diesem Bai-Eis findet das Schiff Schutz vor 
Stürmen, da es den Seegang bedeutend mildert, es dient 
als schwimmende Wellenbrecher. Wenn das Bai-Eis sich 
bildet, so erscheint die Fläche des Meeres wie von Schmalz 
übergossen. Es bilden sich zunächst kleine runde Stücke 
von der Grösse eines Tellers. Bei scharfer Kälte sind diese 
Flocken schon am folgenden Tag Eisplatten von circa 6 Fuss 
Breite. Die nächsten 14 Tage bis drei Wochen werden nur 
dem Robbensuchen und Robbenschlag gewidmet. Es ist die 
Zeit, wo Männchen und Weibchen auf Nahrung ausgehen, 
welche letztere bekanntlich vorzugsweise in kleinen Fischen, 
Weich- und Krustenthieren besteht. In manchen Jahren 
bildet sich kein Bai-Eis, daun müssen die Robben auf dem 
schweren Polar-Eise gesucht werden. Etwa um den 22. 
bis 24. März „setzen sich” die Robben und die Weibchen 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


werfen. 


| 


Letztere suchen vorzugsweise zu diesem Zwecke 
das etwas schwerere Bai-Eis auf. Zur Zeit des Werfens 
befindet sich das Männchen bei dem Weibchen, zuweilen 
sind auch zwei Männchen bei einem Weibchen. In der 
Regel wirft das Weibchen nur Ein Junges, welches es, wenn 
es nicht beunruhigt wird, 17 bis 18 Tage säugt. Die Jungen 
entwickeln sich ausserordentlich schnell und sind nach drei 
bis vier Wochen schon speckreich genug, um eine gute 
Beute abzugeben. Die Werfzeit dauert ungefähr bis zum 
5. April, vier bis fünf Tage später verlassen die männlichen 


Robben den „Stapel” (die Engländer gebrauchen nach Sco- 


resby den Ausdruck „shoal”, die Holländer ehedem das Wort 
„schole”) und ziehen in nordöstlicher Richtung fort. Die 
Weibchen bleiben noch eine kurze Zeit bei den Jungen 
zurück, dann verlassen auch sie die Stelle und ziehen in 
derselben Richtung, welche die Mänuchen einschlugen, ab. 
Die Jungen, ihrem Schicksal überlassen, bleiben noch einige 
Tage ohne Nahrung, dann entschliessen auch sie sich, zu 
Ist das 
Wetter nur einigermaassen günstig und ist namentlich kein 


Wasser zu gehen, und rutschen vom Eise hinab. 


Schneegestöber, das sich bei südlichem Wind in die so- 
genannten „Hundshaare” (scharfe, stechende Schneeflocken) 
verwandelt, so erfolgt zunächst der „Enterfall”, d. h. das 
Tödten der Robben auf dem Eise mittelst des Robbenschlägers. 

Die Robbenküste, der Robbenschlag. — Das Gebiet der 
Robbenjagd, wenn man anders das Abschlachten der meist 
geduldig herhaltenden Thiere so nennen darf, ist ein un- 
geheuer grosses, denn die Robbenküste, welche freilich keine 
Küste ist, sondern aus See und Eisfeldern besteht, umfasst 
6- bis 8000 Q.-Meilen. In diesen Gegenden trifft man die 
Robben in ungeheueren Heerden, welche nach dem Berichte 
von Yeaman oft 20 bis 30 Engl. Meilen breit sein sollen. 
Die Engländer nennen solche Heerden „Seehundshochzeiten” 
(seals- weddings) oder „Seehundswiesen” (seal-meadows). 
Der Kommandeur mit dem Fernrohr oben aus dem Krähen- 
nest lugend hat die Robbenheerden zuerst entdeckt. Der 
Ruf „Over all!” ertönt. Die Mannschaft wirft sich in ihr 
Kostüm für den Robbenschlag. Dieses besteht aus grauem 
Leinenzeug; um den Leib wird ein Riemen gegürtet und 
in diesen das Buffmesser gesteckt. Vor Allem aber versieht 
man sich mit Tauwerk und dem „Robbenknüppel” (einem 
starken Stock mit eiserner Spitze, Hammer und Haken). 
Bald liegen die Boote zu Wasser, die Mannschaften stürzen 
und mit lautem Ruf „Holulu!” aufs Eis. Das 
Schlagen der Robben auf dem Eis beginnt. Wenn die 
Robben getödtet sind, wird der Leib vom Halse an mit dem 
Buffmesser aufgeschlitzt und das Fell sammt der Speekhaut 


hinein, 


abgezogen. Die Schiffsjungen, und später alle Mann, ziehen 

die Felle der „Hunde”, wie die Robben in der Grönländischen 

Sprache heissen, mittelst der Taue nach dem Schiffe, wo der 
11 


82 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


sogenannte Doktor (der Barbier) sie in Empfang zu nehmen 
und, bevor sie ins Flenssgat kommen, sogleich zu zählen hat. 
Der Rest des Thhieres, die sogenannte Krenge, bleibt, eine 
Beute der Vögel und Eisbären, auf dem Eise liegen. Die 
Ergiebigkeit des Robbenschlages ist wesentlich dadurch be- 
dingt, dass der günstige Moment rasch benutzt wird. Die 
Mannschaft muss fortwährend flink bei der Hand sein. 
500 bis 600 Robben können in einem Tage von der Mann- 
schaft eines Schiffes von 180 Lasten geschlagen werden. Die 
Schwierigkeit für die Mannschaft, von Scholle zu Scholle 
springend das Schiff wieder zu erreichen, ist nicht gering. 

Die Boots- oder Slupenjagd ist bequemer, sie wird vor- 
zugsweise angewendet, wenn sich zwischen den Schollen viel 
offenes Wasser findet. Man springt aus den Booten auf die 
Schollen, schlägt die Robben auf dieselbe Weise, nimmt sie 
vorläufig ins Boot und bufft sie auf der ersten besten grösseren 
Scholle ab. Das Trennen des Felles vom Speck geschieht 
bei Gelegenheit an Bord durch die Offiziere. Bei dieser 
Arbeit wird nach alt-Holländischem Brauch Reih’ um ein 
„Lütjer” genommen !), auch wohl gelegentlich zur Auf- 
heiterung ein Gesang angestimmt. Das Fell wird auf einem 
Holzgestell festgehakt, der Speck abgetrennt und vorläufig 
in eine Balje geworfen. Die Küper haben dann den Speck 
in die im Unter- und Mittelraum befindlichen Fässer (oder 
eisernen Tanks) zu packen. Die Kunst des richtigen Los- 
lösens des Speckes unter vollständiger Schonung des Felles 
ist nicht schnell zu lernen, besonders davon hängt der 
Werth der Felle ab. Wie ich höre, hat der Rheder des 
„Albert”” durch eine kleine Modifikation im Partgeld die 
Leute an der möglichsten Schonung des Felles interessirt, 
was einen guten Erfolg gehabt hat. Die Felle werden mit 
Seesalz eingesalzen, nochmals gezählt und weggelegt. Gegen 
Ende April ist die Zeit des eigentlichen Robbenschlages vor- 
über. Alte Robben sind selten zu erreichen, denn sie sind 
sehr auf ihrer Hut; von den Norwegischen Schiffen, deren 
Leute treffliche Schützen sind, werden indess noch manche 
geschossen. Der Werth eiher jungen Robbe (Speck und 
Fell) ist 23 bis 3 Thlr., während die alten den doppelten 
Werth haben. 

Verwendung der Robbenfelle. — Das Fell wurde bekannt- 
lich früher vorzugsweise zu der Anfertigung von Tornistern 
und Koffern gebraucht, jetzt verwendet man es in England 
auch zur Schuhfabrikation, indem es zu diesem Zwecke 
gespalten wird. Ferner werden, wie man mir sagt, sogar 
Handschuhe, Tapeten und Unterbeinkleider daraus verfertigt. 
Auf der Londoner internationalen Ausstellung 1862 sah 


') Die Holländer tranken bei dieser Gelegenheit den Schnaps aus 

Näpfen. Auf manchen Deutschen Schiffen soll es Brauch oder vielmehr 

_ Missbrauch gewesen sein, die Schnapskruke mit ins Boot zu nehmen, 
oder sie hing an einer Jeine vom Schiff herunter. 


man laekirtes Robbenleder. Der amtliche Bericht des Be- 
vollmächtigten des Deutschen Zollvereins bemerkt darüber: 
„England hat Proben von lackirten Robbenfellen geliefert. 
Sie gefallen dem Auge; der Lack ist schön und glän- 
zend, jedoch mit dem Deutschlands nicht zu vergleichen. 
Dieser Fabrikationszweig scheint bestimmt, rücksichtlich 
seiner Solidität sowohl als seines ermässigten Preises in 
kommerzieller Hinsicht eine bedeutende Rolle zu spielen.” 
(Auch Walrossleder, dessen man sich in den Messerschmiede- 
werkstätten und bei der Pumpenfabrikation bedient, war in 
der Dieke eines Daumens von Englischen Fabrikanten aus- 
gestellt.) Die Ausbeute des Robbenschlages an Thran wird 
auf eine Tonne von zehn jungen Robben durchschnittlich 
angenommen. Die Robbe ist im Allgemeinen von unseren 
Küsten her bekannt und es bedarf deshalb keiner weiteren 
Beschreibung. Oft genug wird sie der aus dem Inneren des 
Landes in der Sommerzeit nach den Bade-Inseln Kommende 
gesehen haben, wie sie sich auf den „Platen”, den von der 
Ebbe frei gelegten kleinen Sand-Inseln, sonnten und in pos- 
sierlichen Bewegungen mit einander spielten. Für die Es- 
kimos, die Bewohner Grönlands, sind sie eine äusserst wich- 
tige Thiergattung. Sie liefern ihnen Nahrung, Kleidung und 
Beleuchtung. Die Eskimos verstehen es, die Felle wasser- 
dicht zu machen, und ein solcher Seehundsfell-Anzug ist 
bei den Walfischfängern ein gesuchter Artikel, weil der 
Thran daran nicht haftet. 

Die verschiedenen Robbenarten. — Martins („Von Spitz- 
bergen zur Sahara”) unterscheidet unter den auf Spitzbergen 
vorkommenden Robben folgende drei Arten: Phoca barbata, 
Fabr., Phoca groenlandica, Fabr., Phoca hispida, Erxleben. 

Quennerstedt unterscheidet die Grönlandsrobbe (in ver- 
schiedenen Färbungen, je nach dem Alter) und die sogenann- 
ten Klappmützen und Malmgren bezeichnet in der wissen- 
schaftlichen Beilage des Werkes „Svenska Expeditioner till 
Spetsbergen och Jan Mayen utförda under ären 1863 och 
1864” folgende drei: Cystophora eristata, Erxl. (Schwedisch: 
Klapmyts), Phoca barbata, Fabr. (Schwedisch: Storkobbe, 
Bläkobbe) und Phoca groenlandica, Müll. (Schwedisch: Grön- 
landssäl). Rink unterscheidet in West- Grönland fünf See- 
hundsarten. Die Klappmütze ist leicht dadurch von ihren, 
wie man sieht, mit verschiedenen Namen von den Natur- 
forschern belegten Kollegen zu unterscheiden, dass sie, die 
überhaupt kräftiger gebaut ist, durch zwei bewegliche Haut- 
lappen zur Seite der Nase kenntlich ist. Die Sattler (Platt- 
deutsch: Sodler), welcher Art die grösste Mehrheit der ge- 
schlagenen Robben angehört, haben den Namen von einem 
durch die Farbe sich auszeichnenden Fleck auf dem Rücken. 
Von den Klappmützen ist ein Exemplar (Fell und Speck) 
wohl 10 bis 12 Thlr. werth. Die Jungen der Klappmützen 
nennen die Seeleute „Blaumantjes”. Die Landrobbe, welche 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 83 


sich vorzugsweise an den Küsten Grönlands und der Inseln, 
namentlich Spitzbergens, vorfindet, wird selten erlegt. Ein 
bei dem Fischfang betheilister Bremer Rheder, Henr. Schrö- 
-der, Friedrich’s Sohn, giebt in einem Bericht vom Jahre 
1843 Folgendes an: 

„Der Preis der Robbenfelle ist sehr verschieden und 
richtet sich darnach, ob es 


blonde, 
weisse, 
halbweisse, 
Klappmützen, 
Greise, | 
mittlere, 
blaue, 


Sattler. \ 
Sattlerweibchen / alla Eoblen 


| junge Robben, 


| mittlere Robben, 


sind.” Diese Unterscheidungen nach Grösse und Farbe des 
Felles bestehen noch fort. Über den Preis vergleiche man 
weiter unten die Mittheilungen aus Norwegen. 

Robben, die bereits im Wasser waren, können nicht 
geschlagen, sondern müssen geschossen werden. Gegen Ende 
April oder Anfang Mai wird nach der Walfischküste ge- 
segelt (auch schlechtweg die „Fischerei” genannt). Unter- 
wegs werden noch einzelne Robben vom Treibeis „abgesucht”. 
Gegen den 10. Mai haben die jungen Robben die voraus 
wandernden alten Robben in der Regel wieder erreicht. 
Die alten Robben werden mit der Büchse geschossen, gehen 
aber, wenn sie am Rande des Eises getroffen werden, unter 
und dann verloren. 

Die Wanderungen der Robben und andere Einzelheiten. — 
Hier nun noch Einiges, was Quennerstedt (Anteckningar &e. 
S. 177) zum Theil aus eigener Erfahrung über die Wan- 
derungen der Robben mittheilt. Der Grönlands-Seehund ist ein 
sehr geselliges Thier und man trifft ihn in grossen Schaaren 
immer nur an einigen wenigen Punkten. Dieser starke Ge- 
selligkeitstrieb ist besonders lebhaft zur Zeit der Ernährung 
der Jungen. Dieser Trieb ist überhaupt ein hervorstechender 
Zug mancher Thierarten der hochnordischen Zone. Neben 
den unermesslichen ‘Schaaren von Seehunder, die mit ihren 
Jungen ruhend auf dem Eise angetroffen werden, führen 
uns diess die Felseilande, wo zahllose Vögel dicht neben 
einander nisten, lebhaft vor Augen. Bekanntlich unter- 
nimmt der Grönländische Seehund von den Küstenstrecken 
seines gewöhnlichen Aufenthaltes zu gewissen Jahreszeiten 
weite Wanderungen. Von Grönland, - wo die Robbe ein 
wesentliches Existenzmittel der Einwohner ausmacht, wan- 
dert sie jährlich zwei Mal, von März bis Mai und von 
Juli bis August, aus. Von Islands Küste verschwindet sie 
nur periodenweise, und zwar das erste Mal im Monat 
März. Diese erste Auswanderung, welche auf allen Küsten- 
strecken, wo diese Art Robbe vorkommt, die bei weitem 
umfangreichste ist, geschieht zu dem Zwecke, weit vom 


Lande auf dem Treibeis die Jungen zu werfen. Diese 
Wanderungen erinnern also an die Reisen der Zugvögel zu 
ihren Brutplätzen im Frühjahr. Vom westlichen Grönland 
geht die Wanderung vermuthlich nach der Baffin-Bai und 
den Eismassen der Davis-Strasse. Das sogenannte Mittel- 
oder Pack-Eis der Walfischfänger und der grossartige Robben- 
fang, welcher in der Gegend von Neu-Fundland getrieben 
wird, steht hiermit wahrscheinlich in Verbindung !). Die 
ausserordentliche Menge Robben, welche nach dem Jan 
Mayen-Eis heraufkommen, scheinen sich an den Küsten des 
ganzen Eismeer-Bassins zwischen dem östlichen Grönland, 
Island, Spitzbergen und Nowaja Semlä zu sammeln. Nach 
der Meinung der Robbenjäger käme die Hauptmasse aus 
dem Meere um Nowaja Semlä bei der Bären-Insel vorüber. 
Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass die Robbe 
einen Ruheplatz auf dem Treibeis sucht, welches im Früh- 
jahr stets in grossen Massen um Bären -Eiland angetroffen 
wird. Quennerstedt sah auf seiner Reise nach Spitzbergen 
im Jahre 1858 hier im Anfang Juli Schaaren von Grön- 
landsrobben, die gewiss zu dieser Zeit auf dem Rückweg 
begriffen waren. Bei der Wanderung geht die Robbe auf 
das Jan Mayen-Eis, und zwar an die nördliche Seite des- 
selben, wobei sie vorzugsweise Bai-Eis oder dichteres und 
glatteres Pack-Eis sucht. Man hat sie oft auf diesen Wan- 
derungen beobachtet, in grossen Schaaren von Norden kom- 
mend und gleich grossen Fischzügen ‘die Oberfläche des 
Meeres auffurchend. 

Von den jungen Robben vermag nach Quennerstedt die 
Mannschaft eines einzigen Fahrzeuges oft an einem einzigen 
Tage mehr als 1000 zu schlagen. 

Wechselnde Lage der Robbenküste je nach der Lage des 
Eises, den Winden und Strömungen. — Der Robbenschlag 
geschieht gewöhnlich zwischen 72 und 73° N.Br. und 0° 
bis 2° W. L. Diess Terrain verschiebt sich jedoch natür- 
lich in den verschiedenen Jahren bei der ungleichen Lage 
und Beschaffenheit des Eises. Die Fischer haben folgende 
Regel: Wenn das Eis sehr westlich liegt, das will sagen: 
wenn es sich nicht weit von Grönland aus erstreckt, so hat 
man die Robben weit im Westen und auf einem südlicheren 
Breitengrad (zuweilen sogar herab bis zum 69. und 68. Grad) 
zu suchen. Im entgegengesetzten Falle liegen die Robben- 
felder mehr östlich und auf nördlicheren Breiten. Kapitän 
Westermeyer vom Schiff „Hudson” traf im Jahre 1868 die 
Robben auf 2° Ö. L. und 72° N. Br. Er bezeichnet mir 


') Nach Berichten von Walfischjägern, welche in der Davis-Strasse 
überwinterten, ziehen dort die Robben bei Eintritt des Winters in un- 
geheueren Mengen südwärts bis in die Gegend der New Foundland 
Bank. Bei der Insel Belle Isle zweigt sich eine Abtheilung ab. Diese 
bleibt theilweise bis zum Juni im Golf von St. Lawrence. Bei ihrer 
Rückwanderung nach Norden werden grosse Schaaren die Beute der 
Fischer an der Küste, von Kap Charles bis zum Golf von St. Lawrence. 


Jur* 


84 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


die Differenzen der Lage der sogenannten Robbenküste je 
nach den Eisverhältnissen als zwischen 68 und 74° N. Br. 
und 2° Ö. L. bis 16° W. L. variirend. 

Nördliche Winde sind die vortheilhaftesten, weil sie das 
Eis zertheilen, südliche und östliche pressen dagegen die mit 
dem Strom von Nordosten in südwestlicher Richtung herab- 
treibenden Eismassen zusammen. Dieser Strom, welcher die 
kalten Gewässer des Eismeeres nach Süden entführt und dem 
es die auf gleicher Breite mit dem Nordkap belegene Insel 
Jan Mayen zu danken hat, dass sie ein Klima besitzt, 
welches wohl eben so rauh ist wie das des nördlichen Spitz- 
bergen, wird schon von den ältesten Zeiten des Fischfanges 
an erwähnt. Dass er die angeführte Richtung hat, ergiebt 
sich aus verschiedenen bekannten Fällen, wo Fahrzeuge im 
Eis fest froren und ins Treiben kamen. 

Zorgdrager trieb im West-Eise im Jahre 1698 in 18 
Tagen vom 774° N. Br. auf 754° und einige Walfisch- 
fänger trieben sogar im Jahre 1777 von dem 76° N. Br. 
und 5. bis 6° Ö. L. herab bis zum 62° N. Br. und auf 
den 40° W. L. in einer Zeit von 108 Tagen. (Vergleiche 
hierbei die oben von uns mitgetheilten Fälle der „Sara Ce- 


cilia” und der „Wilhelmina”.) Dass Schiffe auf diese Weise 


auf längere oder kürzere Zeit fest gerathen und dadurch 
des Fanges verlustig gehen, gehört zu den gewöhnlichen 
Erscheinungen, dagegen ist der Verlust des Schiffes im All- 
gemeinen seltener, und zwar in Folge des stärkeren Baues 
‚der Fahrzeuge und der grossen Erfahrung in der Eisfahrt, 
welche langjährige Gewohnheit den Schiffsführern gegeben 
hat. Doch sollen während eines in dieser Hinsicht beson- 
ders unglücklichen Jahres nicht weniger als 14 Fahrzeuge 
im Eise theils völlig verloren, theils mit grösserer oder ge- 
ringerer Beschädigung zurückgekehrt sein !). Ein Englisches 
eisernes Fahrzeug, so wurde berichtet, drückten die Eis- 
massen so schnell zusammen und es sank in einer so kurzen 
Zeit, dass die Besatzung desselben sich nur mit genauer 
Noth auf das Eis retten konnte. 

Es kommt zuweilen vor, dass die alte Robbe ihr Junges 
zu vertheidigen sucht. Auch hat man ab und zu beobach- 
tet, dass, wenn die Robben auf dem Eise ruhen, einige aus 
der Schaar, wie diess auch bei anderen Jagdthieren zu ge- 
schehen pflegt, Wachtdienste leisten. Wird dieser Wacht- 
posten auf die nahende Gefahr aufmerksam und hat er noch 
Zeit genug, ins Wasser zu kommen, so folgen die anderen ihm 
bald nach. Ganz dasselbe berichten auch die Robbenfänger 
von der Weser. Die Aufmerksamkeit des Jägers ist daher 
vor Allem auf diese Wachtposten gerichtet. Wie die Robben 

') Quennerstedt meint hier offenbar das Jahr 1777, wo ein sechs- 
tägiger Orkan die Eisfläche vor Ost-Grönland auf 160 miles von Westen 
nach Osten aufriss, vier Schiffe zerstörte und einige 50 Boote mit den 


Mannschaften — 600, und zwar Engländer und Hamburger — zum 
grossen Theil vernichtete. Scoresby, I, 513, 


während des Ruhens unaufhörlich das Haupt erheben und 
sich umsehen, hat Quennerstedt oft beobachtet. Der Knall 
des Schusses und das plötzliche Zusammensinken der tödt- 
lich getroffenen Thiere scheint die anderen nicht zu be- 
unruhigen; wälzt sich aber das verwundete Thier im Todes- 
kampfe auf dem Eise herum, dann fallen sofort wenigstens 
die nächstliegenden ins Wasser. - 

Walfischfang des „Hudson” ; Besuch bei Kapitän Wester- 
meyer und Mittheilungen desselben. — Wir kehren zum 
„Hudson” zurück und lassen Kapitän Westermeyer erzählen. 
Kapitän Westermeyer’s Wohnung erreichen wir — um den 
Leser auch in das Daheim eines Deutschen Walfischfängers 
einzuführen — von Bremen in %, Stunden. Der Bahnzug 
führt uns in einer Viertelstunde auf der Geestebahn nach 
Burg-Lesum, von wo wir bequem auf dem Deiche an der 
Seeschiffe tragenden und von den Tiden berührten Lesum 
hinschlendern. In einer halben Stunde ist Kapitän Wester- 
meyer’s Behausung erreicht. Sie gehört zu dem Fischer- 
dorf Lesumbrook '). Gegenüber erhebt sich die Hügelkette 
von St. Magnus, geschmückt mit eleganten Landhäusern, 
dunklen Parks und freundlichen Gärten, welche Bremer 
Kaufleuten in der Sommerzeit die gesuchte Ruhe und Er- 
holung vom Geschäft bieten. Gleich vom Deich treten wir 
in die Hausflur, werden von der Hausfrau freundlich be- 
willkommt und durch Kapitän Westermeyer in seine behag- 
liche Häuslichkeit eingeführt. Viele von den alten Kom- 
mandeuren, die zum Theil noch die letzte schwunghafte 
Periode der Grönlandsfahrt mit durchmachten, wohnen hier 
in dieser Gegend, in den Dörfern Mittel- und Niederbüren 
an der Weser und drüben in Vegesack, Löhnhorst, Borchs- 
höhe, Schönebeck u. a. 

Kapitän Hashagen vom Dampfer „Albert” wohnt z. B. 
in Borchshöhe bei Vegesack, Kapitän Hagens vom Dampfer 
„Bienenkorb” in dem unweit Lesumbrook gelegenen Weser- 
dorfe Mittelbüren. Zwei mächtige Walfischkinnbacken bil- 
den das Eingangsthor zu Hashagen’s Garten. Drüben jenseits 
der Weser, etwas weiter herauf, sind ebenfalls viele Grön- 
landsfahrer zu Hause. Wir nennen nur Hasenbüren, ein 
Bremer, und Altenesch, ein Oldenburger Dorf. Wir stehen 
hier also gleichsam auf klassischem ‚, Grönländer - Boden”. 
Von hier aus wurde auch das sogenannte „Bauernschiff” 
im Jahre 1832 entsandt, eine Unternehmung, bei welcher 
sich vorzugsweise bäuerliche Grundbesitzer jener Gegend 
betheiligt hatten, in der löblichen Absicht, zahlreichen durch 
den Rückgang des Fischereibetriebes brodlos gewordenen 
Familien. Verdienst zu verschaffen. Kapitän Westermeyer 
fährt bereits 26 Jahre nach Grönland, d. h. auf den Wal- 


1) Dasselbe Dorf, bei welchem 1669 ein Finnfisch gefangen wurde, 
8. 8. 4. 2 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


fischfang bei Grönland, denn am Land war er nie, weder 
in Spitzbergen noch in Grönland. Gleichwohl war er im 
letzten Jahre der von unserer Nordfahrt so mühevoll um- 
worbenen Ostküste von Grönland (d. h. in der Seemanns- 
sprache West-Grönland) näher als die übrigen Deutschen 
Fischerfahrzeuge '). Er hat also einen guten Theil seines 
Lebens in den Polarregionen verbracht, auch hat er schmerz- 
liche Opfer, wie sie jene schwierige Schifffahrt leider von 
Zeit zu Zeit fordert, zu beklagen, denn sein Vater blieb 
(verunglückte) in Grönland und noch vor einigen Jahren 
verlor er dort seinen ältesten, 18jährigen Sohn, der die erste 
Reise mitmachte. 
ausgleitend fiel dieser in die See und konnte von dem so- 
fort zu Wasser gelassenen Boot nicht gerettet werden. Dass 
aber echtes Seemannsblut in den Westermeyers fliesst, mag 
daraus hervorgehen, dass der heranwachsende zweite Sohn 


Von der durch den Frost glatten Rehling 


wahrscheinlich in einem der nächsten Jahre seine erste 
Fahrt nach Grönland machen wird. 


das Schiffsjournal zur Hand nehmend und eime Karte der 


Kapitän Westermeyer, 


Europäischen Polarregionen vor uns ausbreitend, erzählt ?): 


Es war am 18. Juli, Morgens 8% Uhr, der „‚Hudson” auf etwa 72° N. Br. 
und 17° W.L. (An dem Tage, wo ein Fisch gefangen, ist keine Zeit für 
die Ermittlung der Breite und Länge, die betreffende Rubrik wird ‚dann 
nach altem Brauch durch einen grossen, mit der Feder gezeichneten 
Fischschwanz ausgefüllt.) Wir steuerten in losem Eise westlich über. 
Der Kommandeur lag oben im Krähennest, auslugend nach Fischen. 
Das Krähennest (erows-nest) ist ein unentbehrliches Requisit auf allen 
Grönlandsfahrern. Es besteht aus einer 85 Fuss über Deck „am grossen 
Bramtop’” angebrachten Tonne, etwa von der Grösse eines Oxhoft- 
fasses, die dem Kommandeur oder ersten Offizier als eine Art Wacht- 
thurm dient. Zu dem Ende ist sie oben offen, unten im Boden mit 
einer Fallthür versehen, durch welche der Kommandeur oder Offizier 
auf der Jakobsleiter (einer mit Stäben versehenen Strickleiter) hinein 
steigt. Im Krähennest, das aussen noch mit Segeltuch umkleidet, ist 
ein Sitz angebracht, Sprach- und Fernrohr sind zur Hand. Hier bringt 
der Kommandeur oft lange Stunden zu, bald die Lage und Bewegung 
des Eises beobachtend, bald nach Robben oder Fischen lugend. Die 
Laufplanken werden hinten auf Deck über die Rehling gelegt. Von 
hier aus haben die Offiziere auszusehen, wenn das Schiff zwischen Eis 
steuert. Das Wetter leidlich, es ist nur etwas Dünung. Da von fern 
jene dunkle Masse, von Zeit zu Zeit blitzende Wasserstrahlen , ein 
Fisch in Sieht! Auf Deck ertönt der Ruf: „Fisch vorut!” (Diess 
verändert sieh natürlich darnach, wo der Fisch gesehen wird, da heisst 
es bald: „Fisch in Lee!” „Fisch leeward!”’ oder: „Fisch steuerbord!” 
„Fisch backbord!” oder endlich: „Fisch vorut!” „Fisch achter ut!”) 
Mit „Over all!” wird sofort die ganze Mannschaft lebendig. So wie 
sie eben sind, Einzelne vielleicht nur halb bekleidet, stürzen sie zu den 
Booten. Zwei Boote werden sofort gestrichen (zu Wasser gelassen). 
Pfeilschnell durchschneiden sie die Fluthen in der Richtung nach dem 
Fisch, der seinen Lauf verändert und dadurch einem inzwischen erst 
gestriehenen Boot die erste Chance giebt. Mit kräftigen Ruderschlägen 
arbeitet das Boot in rastloser Jagd durch die Wogen dem Fische nach. 
Eine halbe Stunde schon hat das Boot, gefolgt von sechs anderen, die 
Führung behalten, da endlich gelingt es, dem Fisch auf 20 Schritt 
nahe zu kommen. Jetzt ein Schuss! und siehe, Meister Engelbert hat 
den Fisch fest, der sofort in die Tiefe geht und in 5 Minuten die 
3600 Fuss Leinen ausläuft. Vom Fallboot weht die sofort aufgesteckte 


!) Laut Journal 4. Juli, Morgens 44 Uhr, sahen sie auf 73° 53’ 
N. Br. und 14° 31’ 30" W. L. die Insel Pendulum nordnordwestlich 
auf circa 16 Meilen Distanz, am folgenden Tage Nachmittags nord- 
westlich die Insel Shannon auf circa 15 Meilen Distanz. 

2) Nachstehender Bericht beruht theils auf mündlichen Mittheilun- 
gen, theils auf Auszügen aus dem Journal. 


85 


Gösche !), zum Zeichen, dass der Fisch fest ist (blau mit weissem Kreuz, 
beim „Albert” roth und weiss. Köhler nennt diese Fahne die „Blut- 
fahne” und erzählt, dass, wenn nicht sofort, nachdem sie erschienen, 
Alle in die Boote gesprungen, die Zaudernden von den auf dem Schiffe 
Zurückbleibenden in ihre Boote hinabgeworfen und von den schon im 
Boote Sitzenden in kreuzweis über einander gelegten Rudern empfan- 
gen worden wären). Schon übernahm das zweite, pfeilschnell heran- 
geschossene Boot die weitere Verfolgung, seine Leinen an die auslau- 
fenden, splissend und dadurch das erste Boot, die Fallslupe, vom Fisch 
frei machend. Wohl gegen eine halbe Stunde verging, ehe der er- 
schreckte Fisch, vom heftigen Lauf schon etwas ermüdet, wieder auf- 
tauchte. Nach einiger Zeit gelang es auch diesem Boot, mit einer 
zweiten Harpune, dem dritten Boot, mit einer dritten Harpune den 
Fisch fest zu machen, und dieses letzte Boot kam dem Fische nahe 
genug, um ihm noch eine Handharpune beizubringen. Nach 14stündiger 
Jagd war der Fisch durch vier Harpunen und eine vom letzten Boot 
ihm beigebrachte Lanze völlig ermattet und es folgte der letzte Akt 
des blutigen Schauspiels, der Todeskampf des gewaltigen Thieres. Mit 
mächtigen Schlägen (der Waltischfänger nennt sie „de Doodsläge”) 
peitschte der Wal die schäumende, von Blut und Thran gefärbte See. 
In diesem entscheidenden Moment haben sich alle Boote in gemessener 
Entfernung zu halten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, dass ihr 
Boot kentern und ihnen mindestens ein unwillkommenes Seebad, wenn 
nieht noch Schlimmeres, bereitet werde. Noch vor drei Jahren passirte 
diess einem Boot des „Hudson”, das, nachdem es den Fisch gelanzt, 
nicht flink genug bei Seite gekommen war. Glücklicher Weise wurden 
alle Mann gesund herausgefischt. Hat der Fisch seine „Doodsläge’” gethan, 
dann neigt sich der gewaltige Körper zur Seite, er ist todt. In diesem 
Augenblick erschallt von den Booten ein dreimaliges kräftiges „Hurrah !”, 
das von der Mannschaft des Schiffes, wenn letzteres nahe genug ist, 
kräftig beantwortet wird. Die Boote umgeben den Fisch, ziehen Harpune 
“und Lanze heraus, binden die Flossen über dem Bauch zusammen, das 
letzte Boot befestigt im Schwanze, der zu diesem Zweck an vier ver- 
schiedenen Stellen durchbohrt wird, ein Bugsirtau und nun geht langsam 
und unter eintönigem Gesang und „Hoihoh!’” der seltsame Leichenzug 
nach dem Schiffe, wo der Fisch langseit gelegt und befestigt wird. Um 
14 Uhr Mittags war alles diess geschehen und um 114 Uhr Nachts 
hatten wir, so heisst es im Journal, den Fisch über Bord,. worauf sich 
die Mannschaft todmüde zur Ruhe begab. Ist es noch Zeit, so wird 
nach dieser beschwerlichen Arbeit oft noch geschafft (gegessen), eine 
süsse Biersuppe ist dann bei dem Volke besonders beliebt. Den Pro- 
zess des Flenssens schildern wir hier noch näher. 

Das Flenzen oder Flenssen musste diess Mal unter Segel vor sich 
gehen, da der Wind nach dem Eise zu wehte und das Schiff sonst be- 
setzt worden wäre. Wenn die Witterungsverhältnisse es zulassen, sucht 
sich das Schiff mit Eisankern (den Neushaken) an einem Eisfelde, einer 
Flarde, fest zu machen, um den ganzen Prozess mit mehr Sicherheit 
zu vollziehen. Zuweilen erlauben Sturm und Seegang das Flenssen vor- 
läufig noch gar nieht und das Schiff hat dann Tage lang den Fischkoloss 
zur Seite, was nicht ohne Gefahr ist. Zunächst ist also der Fisch, welcher 
etwa 50 Fuss lang war und als stärksten Durchmesser 18 Fuss maass, 
durch Taue, die mittelst Haken am Kopf und am Schwanz eingreifen, 
befestigt. Speckschneider und Speckschneiders-Maat begeben sich in 
langen Stiefeln, die mit „BEiskrabben” (Bissporen) versehen sind, aus 
dem Boot auf den Kopf des Fisches, erster und zweiter Harpunier und 
Steuermann in demselben Kostüm gehen auf den Rumpf. Alle fünf 
sind mit langstieligen Beilen, den sogenannten Speckspaten, versehen. 
Sie beginnen nun den Speck 3 Fuss breit streifenweise herauszulösen, 
indem sie die Haut (welche bis zu °/ Zoll dick) und den Speck, der 
bis zu 14 Fuss diek ist, durchhauen. An den Streifen werden Gienen an- 
gehakt, die „Taljen” (Flaschenzüge), deren Kloben je drei oder zwei 
Rollen enthalten. Es sind drei Gienen in Thätigkeit, eine zweischeibige 
mit Kloben von zwei Rollen vorn am Bug, eine dreischeibige, die Kenter- 


!) Die Grönlandsfahrer haben ihre eigenen Signale, welche Sco- 
resby, Band II, S. 524, ausführlich angiebt, darunter „the bucket’”, ein 
auf Reifen gespanntes Stück getheerter Leinwand, und „the jack”, die 
Gösche oder Fallflagge. Die Korrespondenz der Boote mit dem Schiff 
wird beim „Hudson” auch durch Segelstellung unterhalten; wenn die 
Boote backbord aufrudern sollen, wird die Backbordschote, wenn steuer- 
bord, die Bramschote aufgegeiht. Sollen sie weiter rudern, so werden 
die beiden Vor-Bramschoten aufgegeiht. Sollen die Boote zurückkehren, 
so wird die Flagge im Schau aufgehisst. Bei Nebel wird durch Blasen 
oder Schiessen signalisirt. 


86 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


gien, in der Mitte und eine dreischeibige, die Nasengien, auf dem Hin- 
terdeck. Je ein Block der Gienen ist an der Topkette, die vom Vor- 
zum grossen Top reicht, befestigt und der Läufer der Kentergien wird 
um die Ankerspille gelegt. Darauf dreht die Mannschaft im Takte 
und unter fröhlichem Gesang die Spille, allmählich und unter Beistand 
der Offiziere auf dem Fisch, welche mit ihren Messern tüchtig nach- 
helfen, lösen sich die Speckstreifen los. Nur in der Mitte bleibt ein 
Streifen Speck, das Kenterstück (Mittelstück, Prutstück) und mit Hülfe 
dieses am Fischkörper noch festsitzenden Theiles wird der Fisch, so- 
bald die eine Seite vollständig abgespeckt ist, umgedreht (gekentert). 
Nun beginnt der Prozess des Flenssens von Neuem, bis der Fisch nur 
noch ein roher, unförmlicher Fleischklumpen ist. Das Fischbein wurde 
vom Speckschneider aus den Kinnbacken herausgelöst. Man lässt dann 
den aller werthvollen Theile beraubten Fischkadaver treiben, der eine 
Beute der Haie, Bären und Vögel wird. Letztere, die Lummen, die Mal- 
mucken, ziehen gewöhnlich schon während des Flenssens heran, lassen 
sich auf dem Fischkörper nieder und sind so begierig, Stücke von dem 
Fischspeck abzuzerren und zu picken, dass sie sich oft haufenweise greifen 
und schlagen lassen. Die ‚Kunst des geschickten Ablösens der Barten 
besteht hauptsächlich darin, sie möglichst tief vom Nasenbein zu tren- 
nen, denn die grössere Länge der Barten erhöht ihre Brauchbarkeit und 
verleiht ihnen grösseren Werth. Daher die Unterscheidungen in Unter- 
maassbarten, Maassbarten (Barten von 6 Fuss Länge) und Übermaass- 
barten. Das Auslösen geschieht mittelst 1 bis 2 Fuss langer ein- oder 
zweischneidiger Bartenmesser. Die grösste der Barten war 11 Fuss 
lang, 10 Zoll breit und %, Zoll dick. Die etwa 18 Fuss lange Zunge 
wurde in vier Stücken auf Deck geholt, der Schwanz kommt ganz her- 
auf und wird erst später in sechs oder acht Stücke getheilt. Die Kinn- 
backen werden ebenfalls übergeholt und in den Wanten (den starken 
Masttauen) aufgehängt. Im untergestellten Baljen (Trögen) wird die 
aus ihnen austropfende fettige Substanz aufgefangen und es ergab diess 


noch eine Tonne Thran. Später ging’s dann ans „Innmaken” (in die‘ 


Fässer machen) des Speckes. Auch diess ist eine längere Prozedur. 
Der Speck war in Würfel geschnitten und mit der °/, Zoll dicken Haut 
in den Raum geworfen worden. Beim „Innmaken” wird aus und von 
den Leuten ein Speekkönig (Smeerkönig) gewählt. Dieser steigt in den 
Raum und wirft mit der Speckgabel (Speckforke) die Speckwürfel auf 
Deck. Bei der nun beginnenden Arbeit des Kleinmachens des Speckes 
und Einfüllens desselben in die eisernen Fässer (Tanks) im Raum sind 
die Rollen fest vertheilt. Die Harpuniere lösen die Schwarte vom Speck, 
der Speckschneider reinigt den letzteren von den ihm noch anhaftenden 
Fleischtheilen. Der Schwanz wird in so viel Stücke getheilt, als Hau- 
blöcke vorhanden sind; diese Stücke werden dann auf die Haublöcke 
gelegt und die Steuerer der acht Boote zerlegen (kappen) nun den 
Speck mittelst der Kappmesser in kleinere Stücke. Der Speck kommt 
in Tröge (Baljen). Mittelst aus Segeltuch verfertigter Schläuche (Lul- 
len) wird dann der Speck in die leeren Fässer (Tanks) im Raume ge- 
leitet, welche Arbeit der Lullenkneifer hat, während der „Farkentreiber” 
den Speck nach den Schläuchen schiebt. 

In der Regel rechnet man 20 Quardeelen Speck und 60 Tonnen 
Thran auf einen mittelgrossen Walfisch. Die Slupe, welche den Fisch 
festschiesst, erhält eine Prämie von 7 Gulden, davon fallen auf den Har- 
punier 2 Gulden. Besteht der im Ganzen von dem Schiff heimgebrachte 
Segen aus 400 Tonnen Thran und darüber, so erhalten die Offiziere 
und Partfahrer 1 Anker, die Slupensteuerer °/; Anker und*die Halb- 
partfahrer '/, Anker Thran. Der Kapitän erhält ein Fischgeld von 
10 Thalern, das nach dem Thran berechnet wird, wobei es gleichviel 
ist, ob Robben- oder Fischthran. Für jede 60 Tonnen Thran wird ein 

 Fischgeld von 10 Thalern vergütet. Derjenige, welcher den Fisch fest- 
geschossen hat, erhält ausser seinem Antheil an der Bootsprämie ein 
Fischgeld von 5 Thalern, der Speckschneider erhält ein Schneidegeld 
von 6 Thalern bei Fischen mit Maassbarten (6 Fuss und darüber lang), 
bei Fischen mit Untermaassbarten die Hälfte. 


Norwegens arktische Fischerei. — Es ist hier nicht der 
Ort, den grossen Fischfang Norwegens in seinem ganzen 
Umfange näher zu besprechen, da unsere Betrachtung auf 


die Fischerei im Eismeere beschränkt ist. Wenn Norwegen 


an dieser letzteren nur einen verhältnissmässig geringen 
und im Vergleich zu seinem Stockfisch- und Häringsfang 
unbedeutenden Antheil nahm, so ist das leicht erklärlich, 
wenn man an die hohen Kapitalauslagen und an die Un- 
sicherheit des Ertrages denkt. Beide Umstände mussten 
dem geldarmen Lande, welches freilich wohl die trefflich- 
sten Mannschaften für nordische Fischerfahrten besitzt !), 
die Theilnahme erschweren. Die jetzt mit einigen zwanzig 
kleineren Fahrzeugen von den nördlichen Häfen, namentlich 
von Hammerfest und Tromsö aus, bei Spitzbergen be- 
triebene Walrossjagd scheint niemals ganz unterbrochen 
gewesen zu sein. £ 

Der Norwegische Robbenfang bei Jan Mayen. — Der 
Robbenschlag bei Jan Mayen wurde erst im Jahre 1846 
wieder aufgenommen, und zwar von den südlichen Häfen. 
Es wurden drei Fahrzeuge ausgesandt, eins derselben, 
„Habe”, kommandirte Svend Foyn von Tönsberg ?), einer 
der Veteranen der Norwegischen Nordfahrer. Durch Glück 
und Erfahrung ist es ihm gelungen, im arktischen Fisch- 
fange ein ziemlich bedeutendes Vermögen sich zu erwerben. 
Überhaupt waren in den ersten Jahren die Schiffe glücklich. 
Foyn auf dem Dampfer „Elieser” fing z. B. in einem Jahre 
16.400 Robben im Werth von 40.000 Spezies. 

1867 waren Schiffe in der Grösse von 62 bis 147 Kom- 
merzlasten von folgenden Orten betheiligt: 


Von Tönsberg 8, von Christiania 3, von Drammen 1, von Sande- 
Fjord 1, von Holmestrand 1, von Frederikhall 1, von Purmerende 
(Niederlande) 1, 


zusammen 16. Darunter waren zwei Schraubendampfer, 
„Elieser” und ‚„Isbjörne”. Die Besatzung verproviantirte 
sich zum grössten Theil selbst. 

Inzwischen bin ich in den Stand gesetzt worden, hier eine 
vollständige Übersicht des Norwegischen Robbenschlages der 
letzten fünf Jahre, 1864 bis 1868, zu geben. Ich bin da- 
für dem Herrn Kiaer, Chef des Statistischen Bureau’s in 
Christiania, und dem Herrn Jakob Melsom in Tönsberg zu 
Dank verpflichtet. Sie enthält, wie man sieht, die wichtig- 
sten Punkte vollständig und darf in so fern als ein Muster 
bezeichnet werden. 


!) Der Dorschfang Norwegens an den Lofodden beschäftigte im 
Jahre 1867 über 28.000 Fischer und Seeleute, was beinahe die Hälfte 
der Gesammtzahl der Norddeutschen Seeleute ausmacht. Er lieferte, 
beiläufig erwähnt, einen Brutto-Ertrag von über 35 Millionen Spezies. 

?2) Herr Foyn, der für eigene Rechnung fuhr, erzielte im Jahre 
1847 740 Tonnen Thran, im Jahre 1848 1140 Tonnen Thran, im Blo- 
kadejahr 1849 1100 Tonnen Thran. Herr Foyn sandte im Jahre 1867 
an ein Hamburger Haus circa 4000 Tonnen Thran. Die Norwegische 
Tönder (250 Pfund Brutto) ist der Bremer Tonne (216 Pfund Netto), 
wenn man das Netto-Gewicht vergleicht, ziemlich entsprechend. 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


Angabe über den Robbenfang des südlichen Norwegen bei Jan Mayen während der letzten 5 Jahre. 


| Aus- | | ] | 
| | \ rüstungs- | | 
| und Unter- E Nr 
oe | Kapital-Ver- Zinsen des £ ' Ys Antheil E ER 
| Tragfähig- | Zahl der | Werth der | haltungs- = TR Eee - 1ER | Werth der, RENTE Gewinn für 
Zahl der , .., © Ihr minderung Kapitals Zahl ıler Seehunde N für die = 
Jahr Schiffe“ en Besatzung Schiffe nassen: & 3 Prozent |A 5 Prozent | | Seehunde | Besatzung die Rheder 
| Thaler per | 
| ! Last | | 
| | Mann Spez.-Thlr. | Spez.-Thlr. | Spez.-Thlr. Spez.-Thlr. | Junge | alte | Spez.-Thlr. | Spez.-Thlr. | Spez.-Thlr. 
1864 | 16 1699 | 71a | 265.000 | 81.552 7.950 | 13.250 | 23.364 | 24.723 | 152.000 25.333 | 23.915 
1865 | 16 | 1699 | 714 \ 257.000 81.552 7.710 | 12.850 | 41.758 | 18.724 | 172.500 28.750 41.638 
1866 16: = 17637 | 728 272.000!) 84.624 8.160 13.600 39.576 8.106 144.000 24.000 | 13.616 
1867 ; 15 | 1641 | 688 257.000 73.768 | 7.710 12.850 59.931 23.292 | 247.000 41.166 | 106.506 
1868 152 1° 51641 684 249.000 78.768 7.470 12.450 49.533 14.224 184.284 | 30.714 54.882 
!) In diesem Jahre waren zwei dieser Schiffe mit Dampfkraft versehen, daher die Steigerung im Werth. 


Tönsberg, den 26. Oktober 1868. 


Das Ergebniss der letzten beiden Jahre und namentlich 
des Jahres 1867 stellt sich hiernach als ein recht günstiges 
heraus. Denn während 1864 16 Schiffe einen Reingewinn 
für die Rheder im Betrage von nur 23.915 Spezies, 1866 
eben so viel Schiffe gar nur 13.616 Spezies Netto für die 
Rheder erzielten, stellte sich das Ergebniss im Jahre 1867 
auf 106.506 Spezies bei nur 15 Schiffen. Das relativ gün- 
stige Ergebniss des Norwegischen Robbenschlages -im Ver- 
gleich zu dem der Deutschen und Englischen Schiffe ist 
dadurch zu erklären, dass die Norweger die Robben in 
grösserer Zahl weiter nordöstlich als jene suchten und fanden. 


Ergebnisse der Walross- und Seehunds-Jagden der Nor- 
weger bei Spitzbergen in der neuesten Zeit. — Über diesen 
Gegenstand empfing ich ebenfalls ein Schreiben des Herrn 
Kiaer aus Christiania, welches ich hier vollständig mittheile. 
Die Angabe in Betreff der Fahrzeuge auf den Robbenfang 
stinnmt nicht ganz überein mit der eben mitgetheilten des 
Herrn Melsom. Diese letztere ist die zuyverlässigere, ich 
gebe aber die Übersicht unverändert, so wie ich sie empfing, 
da die Abweichung für die Vergleichung und das Gesammt- | 
Resultat unwesentlich ist. L | 

„In Veranlassung Ihrer im Schreiben vom 5. v. M. an 
das Departement des Innern der Königlich Norwegischen | 
Regierung gerichteten Anfrage über Norwegische Expedi- 
tionen im nördlichen Eismeere und Ferneres habe ich die | 
Ehre, Folgendes mitzutheilen: | 

„Sämmtliche Produkte des Norwegischen Grossfischfanges 
(Eismeer-Expeditionen) gehen zollfrei in Norwegen ein; es 
wird auch kein Zoll erlegt, wenn sie in fremden Schiffen 
eingeführt werden. 

„Die Anzahl der ins nördliche Eismeer expedirten Nor- 
wegischen Schiffe ist folgende gewesen: 


Unterzeichnet: Jakob Melsom. 


Nach Spitzbergen von Tromsö | Auf Seehundsfang ins nördliche 


Jahr und Hammerfest ne: vom südlichen Norwegen 
Anzahl Anzahl 

1863 | 18 I 
1564 21 13 (16 nach Melsom) 
1865 23 16 
1866 | 21 Tsadios ads 
isoce\ 23 16 (15 „5 Be. 
-1867 f Anzahl Tons 800 Anzahl Tons 3.600 

\ Mannschaft 250 Mannschaft 660 


„Ausserdem wurden im südlichen Norwegen 1867 auf 
Seehundsfang zwei Holländische Schiffe ausgerüstet. Von 
den zum Seehundsfang ausgerüsteten Norwegischen Fahr- 
zeugen war eins em Dampfschiff und zwei hatten Hülfs- 
Dampfmaschinen, die übrigen waren Segelschifte. 

„Auf Walfischfang im nördlichen Eismeer wurde 1867 
Die Ausbeute der 
Expeditionen nach Spitzbergen von Tromsö und Hammer- 
fest besteht namentlich in Seehunden und Walrossen; für 
Tromsö wird das Resultat als zufriedenstellend angegeben, 


und 1368 ein Dampfschiff ausgerüstet. 


für Hammerfest (dessen Expedition. im verflossenen Jahre 
doppelt so gross wie die von Tromsö gewesen ist) war 
die Ausbeute 1864 24.000 Spezies, 1865 18.000 Spezies, 
1367 20.500 Spezies. Über die Ausbeute des Seehunds- 
fanges wird genauere Angabe erwartet; vorläufig wird fol- 
gende Notiz über die Ausfuhr von Sechunds-Fellen, See- 
hunds-Speck und Thran von den Städten, welche derartige 
Expeditionen ausrüsten, mitgetheilt. 


Tan |  Seehundsfelle Speck Thran 
|Stück 90 Spez.-Thlr.|Tönder & 12 Spez.-Thir.|Tönder & 14 Spez.-Thlr, 
1863 N 25.121 3.156 590 
1864 41.367 2.976 | 546 
1865 | 66.627 5.839 1.255 
1866 52.231 3.637 | 1.375 
1867 65.805 | 7.743 | 4.346 


Christiania, den 16. Oktober 1868. 
A. N. Kiaer, Chef des Statistischen Bureau’s.” 


88 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


Den Walfischfang betreibt allein Herr Foyn in Töns- 
berg, seit vier Jahren, aber erst im letzten Jahre mit gutem 
Erfolge, und zwar ist es eine Art der Finnfische, auf welche 
er in der Nähe des Nordkaps und bei der Bären-Insel Jagd 
macht. Er bediente sich dabei der Cordes’schen Granat- 
Harpune und es gelang ihm im vorigen Jahre, 30 Wale 
zu erlegen, die immerhin einen Werth von 18.000 Thalern 
Preussisch gehabt haben mögen. 

Die Gefahren und Abenteuer der Norwegischen Spitzber- 
genfahrer schildert Quennerstedt ziemlich eingehend, indem 
er mehrere Berichte über Schiffbrüche bei Spitzbergen mit- 
theilt. So wurden die Fahrzeuge „Karl Johann”, „Fortuna’” 
und „Die Brüder” im August 1850 in Walter Thymen- 
Strasse vom Eise zerstört und es gelang nur einem Theil 
der Mannschaft, sich auf einem verlassenen Fahrzeug nach 
Norwegen zu retten. — Ferner wird in dem Bericht über 
die Schwedische Expedition 1864 nach Spifzbergen eine 
merkwürdige Überwinterungs-Geschiehte Norwegischer Wal- 
rossjäger an der Crossbai (79° 7 bis 15’ N. Br. und 10° 
11’ bis 10° 44' Östl. L.) erzählt. 24 Leute arbeiteten sich, 
nachdem ihre Fahrzeuge gescheitert, in Booten dahin, wo sie 
in den beiden dort vorhandenen Hütten Zuflucht und einige 
Lebensmittel fanden. Ein von Parry’s Expedition stammen- 
des Depöt von Lebensmitteln kam ihnen sehr zu Statten 
und es gelang, durch Seehunds- und Renthierjagd den wei- 
teren Bedarf zu decken. Ein grosser Theil der Mannschaft 
erkrankte am Skorbut, doch nur drei starben daran; der 
Genuss von frischem Robbenblut erwies 
Heilmittel dagegen. 


sich als bestes 


Umfahrung Spitzbergens durch einen Norwegischen Wal- 
rossjäger. — Dass Deutsche Walfischjäger in neuerer Zeit, 
ihrem Fange nachgehend, eine Umschiffung der ganzen 
Spitzbergischen Inselgruppe, also auch um Nordostland, 
von Süden oder Norden kommend unternommen hätten, 
darüber habe ich Nichts erfahren können. Der Norwe- 
gische Walrossjäger Karlsen unternahm mit der Brig ‚Jan 
Mayen” eine solche im Jahre 1863. 
sirte er die nördlichste oder nördlich von Nordostland 
gelegene Insel, die kleine Tafel-Insel, wobei sie nach 
Norden das Meer eisfrei fanden, den 9. August waren sie 
bei der Walross-Insel, immer die an dieser Seite der Insel- 
gruppe meist ergiebigere Walrossjagd betreibend, fuhren 
südlich bei der grossen Insel vorbei, unter der Ostküste von 
Nordostland, bekamen dann Gillisland, eine mit hoch auf- 
steigenden Bergen besetzte und von Fjords tief eingeschnittene 
Insel, in Sicht; nach der Schätzung Karlsen’s lag es auf 
79° 5’ N. Br. und waren sie nur 8 Seemeilen davon ent- 
fernt. Beim Eingang in Walter Thymen-Fjord hatten sie 
es noch immer nordöstlich in Sicht; den 20. segelten sie 


Den 2. August pas- 


I 


an den Ryk-Is-Inseln bei Stans-Foreland vorüber, passirten 
Süd-Ostland und nahmen ihren Kurs nun auf Norwegen. 

Die von Dänemark aus betriebene arktische Fischerei. — 
Die theilweise bereits erwähnte Dänische Fischerei im Eurö- 
päischen Meer hat, so scheint es, niemals ein zufrieden- 
stellendes Resultat für die Unternehmer gegeben. Nur der 
von den Dänischen Kolonien in West-Grönland an bestimm- 
ten Stationen mit Hülfe der Eingebornen betriebene Wal- 
fischfang war zu Zeiten im vorigen Jahrhundert erfolgreich 
und bedeutend, jetzt ist er gering. In neuerer Zeit wur- 
den von der Insel Bornholm einige Fahrzeuge auf den 
Robbenschlag ausgerüstet. Der letztere grössere Versuch, 
von Kopenhagen aus Walfischfang im Eismeere zu betrei- 
ben, begann im Jahre 1866. 

Die Dänische Fischerei-Gesellschaft wurde zu Ende des 
Jahres 1865 mit einem Aktienkapital von 180.000 Reichs- 
banko-Thalern (eirca EL. 20.000) gegründet. Zu Ende des 
Jahres 1866 wurde das Kapital um 55.000 Reichsbanko- 
Thaler vergrössert, also auf 235.000 Reichsbanko-Thaler ge- 
bracht. Nach den brieflichen Mittheilungen, welche mir 
durch den Vorstand der genannten Gesellschaft im Septem- 
ber 1868 von Kopenhagen wurden, hatte die Gesellschaft 
zu jener Zeit einen Doppel-Schraubendampfer von 216 Tons 
Reg., einen kleinen Hülfsdampfer von 6 Tons, zwei Schoner 
von zusammen ca. 90 Kommerz-Lasten und zwei Jachten von 
zusammen ca. 40 Lasten. Die Gegenstände des Betriebes 
waren Seehundsfang im Frühjahr, Walrossfang und Wal- 
fischfang (letzterer namentlich an der Ostküste von Island), 
ferner Dorschfang. Die Ergebnisse des Betriebes in den 
Jahren 1866 und 1867 waren die folgenden: Im Jahre 
1866 Bruttowerih des Fanges 14.578 Thaler 2 Mark 
13 Schilling Unterbilanz nach Abzug des Kasko 60.000 
Thaler; im Jahre 1867 Brutto - Ertrag 65.599 Thaler 
5 Mark. 12 Schilling, Unterbilanz 30.000 Thaler. Also 
trotz der weit besseren Ausbeute im Jahre 1867 er- 
gab sich doch ein Verlust von 30.000 Thalern. Die Aus- 
gaben, namentlich der Betrag der Partgelder, waren sehr be- 
deutend. Bis zum Anfang September vorigen Jahres war 
das Betriebs-Ergebniss besonders schlecht, der Seehunds- 
fang misslang vollständig, auch der Walfischfang war 
belief sich im Ganzen auf sechs Walfische 
(wahrscheinlich von den kleineren Arten, denn sechs mittel- 
grosse Grönländische Walfische würden ein gutes Ergebniss 
gewesen sein). Zu der Zeit, wo mir diese briefliche Mit- 
theilung gemacht wurde, stand die Auflösung der Gesell- 
schaft in Aussicht. Die Aktien wurden nur zu 10 Prozent 
ihres Nominalwerthes notirt. Seitdem ich diese Mitthei- 
lung empfangen, hat die Generalversammlung der Gesell- 
schaft su Kopenhagen Statt gefunden. Der von dem Dirck- 
tor der Gesellschaft, Kapitän Hammer, gegebene Bericht 


schlecht, er 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 59 


stimmt mit den obigen Mittheilungen. Der Werth des ge- 
sammten Fanges war nur 27.404 Thaler (Dänisch). Der 
Robbenfang war schlecht. In den Fjorden an der Nordost- 
seite von Island herrschten ungewöhnliche Strömungsver- 
hältnisse vor, die nach der Meinung des Kapitän Hammer 
mit den Erderschütterungen des vorigen Jahres zusammen- 
hingen und den Walfischfang gänzlich störten. (Die Ame- 
rikanischen Walfischjäger in der Bering-Strasse und dem 
Ochotsk-Meer stellen eine ähnliche Vermuthung für die ent- 
gegengesetzte Erscheinung auf, dass die bis Anfang Septem- 
ber sehr unergiebige Fischerei schliesslich dadurch sehr loh- 
nend wurde, dass ganze Züge von Fischen, vom Norden 
her kommend, erschienen und dass die Fische, welche nach 
der Meinung der Kapitäne „von Grönland durch das offene 
Polarmeer” kamen, sehr zahm waren und sich leicht fangen 
liessen.) Gegenüber den misslichen Betriebs - Ergebnissen 
verlor die Gesellschaft aber doch nicht den Muth zur Fort- 
setzung der Unternehmung. Diese wurde vielmehr für die- 
ses Jahr dadurch gesichert, dass man beschloss, für 70.000 
Thaler Prioritäts-Aktien auszugeben, und dass von diesem 
Betrage sofort 51.000 Thaler gezeichnet wurden. 

Versuch von Amerikanern, in Island einen Walfischerei- 
betrieb zu begründen. — Von besonderem Interesse ist der 
Bericht über den Versuch des Walfischfanges mit der Raket- 
Harpune, welcher von zwei Amerikanern, Lilliendahl und 
Roys, in Island gemacht worden ist. Dieselben liessen sich 
1865 unter 65° 18’ N. Br. am Seidis-Fjord nieder. Sie 
betrieben den Fischfang mit zwei Schiffen, der Barke „Rein- 
deer” von New York, unter Amerikanischer Flagge, und 
dem kleinen Schraubendampfer „Visionary”, welcher, in 
Schottland erbaut, unter Dänischer Flagge fuhr. Er führte, 
auf den Fang ausgehend, ein Paar Walfischboote im Schlepp- 
tau. Einen jeden gefangenen Fisch schleppte der Dampfer 
in den Fjord herein zum Abflenssen. Im ersten Jahre lie- 
ferte der Betrieb keine günstigen Ergebnisse, im folgenden 
Jahre wurden 20 Walfische gefangen, darunter 6 Buckel- 
Wale. Im Ganzen wurden 900 Tönder Thran gewonnen. 
Am Lande war eme Dampf-Thrankocherei eingerichtet. 

Im Winter 1865/66 wurde der Holländische Schooner 
„Jan Albert” in Dundee zum Schraubendampfer eingerichtet, 
und zwar unter dem Namen „Liteno”. Die Besatzung be- 
stand aus Amerikanern, Dänen, Schotten, Russen und einem 
Polynesier. Man benutzte ferner zwei kleine eiserne 
Dampfer, die in Glasgow und resp. in Liverpool erbaut 
waren, „Vigilant” und „Stegpiregder”. Ende September 
hatten die drei Schiffe nach der Angabe 40 Wale kleinerer 
Art gefangen, welche im Ganzen 23- bis 2400 Tönder 
Thran lieferten. Diese Unternehmung des Captain Roys ist 
aufgegeben worden, weil sie sich nicht bezahlt machte. (Mit- 
theilung aus New Bedford.) 


_ 
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestüdte. 


Schottische Fischerei in Grönland und der Davis- Strasse. — 
Wie früher (,Geogr. Mitth.”, Jahrg. 1867, S. 418) mit- 
getheilt, sind es Schottische Häfen, welche noch jetzt zwi- 
schen Grönland und Spitzbergen, vorzugsweise aber in der 
Davis-Strasse, der Baffin-Bai und den an der Amerikanischen 
Seite sich anschliessenden Armen des Polarmeeres einen 
ziemlich bedeutenden Walfischfang betreiben. 

Im Jahre 1868 !) waren in diesem Betriebe beschäftigt: 
von Peterhead 12 Schiffe, unter ihnen vier Dampfer in der 
Grösse von 200 bis 295 Tons, während die Segelschiffe 
eine Grösse von 130 bis 380 Tons haben; von Fraserburgh 
zwei Segelschiffe von 292 und 297 Tons; von Dundee 
11 Dampfer und ein Segelschiff mit einem Gesammtgehalt 
von 4618 Tons. Die einzelnen Dampfer variiren zwischen 
278 und 455 Tons. Kirkaldy war noch durch einen 
Dampfer von 452 Tons vertreten, Hull schloss im Jahre 
1868 vorläufig seine Grönlandsfahrten, denn die beiden 
Fahrzeuge, welche dieser einst in der Walfischerei so be- 
deutende Platz noch in diesem Jahre aussandte, der Dampfer 
„Ravens Craig” von 452 Tons und das Segelschiff „True 
Love”, sind nun aus der Fahrt genommen, da die Unter- 
nehmung sich für die Rheder unvortheilhaft erwiesen hat; 
eben so scheiden die beiden Schiffe von Fraserburgh aus. 
Im Ganzen waren also, wie schon früher angegeben, im 
Jahre 1868 39 Schiffe zu einem Gehalt von 8397 Tons von 
Schottland aus im Walfischfang beschäftigt. 

Blicken wir auf das Ergebniss des Schottischen Robben- 
schlages und Walfischfanges im letzten Jahre, so erinnern 
wir uns zunächst, dass ein Theil der vorbezeichneten Flotte 
auf Robbenschlag und Fischfang zwischen Grönland und 
Spitzbergen, ein anderer Theil, besonders die Dampfer von 
Dundee, zuerst auf den Robbenfang bei Jan Mayen geht, 
dann nach dem Heimathshafen zurückkehrt und gegen 
Mitte Mai sich nach der Davis-Strasse auf den Fischfang 
begiebt, dass endlich ein Theil in der Cumberland-Strasse 
fischt, beziehungsweise zum Zweck der Fischerei an der 
Küste zeitig im Frühjahr, unter jenen Breiten überwintert. 

Die 15 Schiffe, welche auf Robben- und Fischfang bei 
Grönland waren, brachten nur drei Fische, 51.863 Robben 
und im Ganzen 637 Tons Thran, was durchschnittlich für 
jedes Schiff noch nicht 3500 Robben und 423 Tons Thran 


1) Nachstehende statistische Daten sind auf Grund der Mittheilun- 
gen des Captain D. Gray von mir zusammengestellt. Ausrüstung und 
Einriehtung der Schottischen Walfischfahrer sind seiner Zeit von Herrn 
Yeaman schon kurz angegeben. Die „Eelipse”, Captain Gray, z. B. 
hat bei einer Grösse von 434 Tons Gross-Register im Ganzen, den 
Kapitän mit eingeschlossen, 54 Mann, darunter 7 Harpuniere, 7 Boots- 
steuerer &c. An Fischerei-Geräthen wurden unter Anderem 48 Wal- 
fischleinen, 40 Lanzen, 36 Gun-Harpunen, 36 Hand-Harpunen bei 
8 Booten mitgenommen. Die „Eclipse” geht nur nach Grönland, nicht 
nach der Davis-Strasse, und ist auch jetzt (März 1869) wieder dahin 
abgegangen; mit ihr 7 andere Schiffe. 


12 


90 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


ergiebt. Zehn Schiffe kehrten völlig leer zurück, einzelne 
dagegen, wie der „Alexander” (mit 11.200 Robben und 
130 Tons Thran), waren glücklich. Im Ganzen war es 
also ein schlechtes Resultat. Besser war es in der Davis- 
Strasse, von wo zehn Dampfer mit 104 Walen bei einem 
Thran-Ertrag von 880 Tons (nahe an 21 Millionen Thaler 
werth) zurückkehrten, während von der Cumberland-Strasse 
vier Schiffe mit 22 Walen und 880 Weissen Walen zurück- 
kehrten, unter ihnen zwei, welche überwinterten und daher 
18 Monate aus waren. Ein fünftes Schiff überwinterte gegen- 
wärtig. Beiläufig sei erwähnt, dass ein Londoner Haus, 
Mess'® Anthony Gibbs & Son, eine Sommer- Niederlassung 
zum Zweck des Bergbaues und des Fischfanges am Exeter- 
Sund unterhielt. Dieselbe ist im vorigen Jahre aufgegeben 
worden, nachdem sich ein Verlust von 10- bis 12.000 
herausgestellt hat. Der in der Regel sehr glücklich fischende 
Dampfer „Camperdown” brachte 1868 19 Walfische (150 Tons 
Thran und 11 Tons Barten). 
jährigen Reisen mehrerer Schottischer Whaler liegen mir vor. 

Während des Druckes erhalte ich aus Schottland noch 
einige dankenswerthe Notizen, welche ich summarisch hier 


Die Berichte über die vor- 


mittheile, besonders deshalb, weil sie die ausserordentliche 
in verschiedenen 
Es handelt sich um die Erträge der von 
Dundee betriebenen Fischerei im Grönlandsmeere und in 
und 1868. Der 
Brutto-Ertrag der Grönlandsfischerei 1868 belief sich auf 
Z: 9563 15 s. Nach Abzug sämmtlicher Parten blieb die 
Summe von & 3203 15 =. 


Verschiedenheit der Fischerei - Erträge 
Jahren darthun. 


der Davis-Strasse in den Jahren 1867 


Die Schiffe wurden theils von 
Kompagnien, theils von Einzelnen ausgerüstet. Während 
1867 in der Davis-Strasse von den Dundee’r Schiffen nur 
2 Wale gefangen wurden, betrug dieser Fang 1868 von 
acht Schiffen 79 Wale! Der Bruttowerth dieses Fanges 
war L 49.780. Davon gingen L 12.320 für Antheile ab 
und blieben somit EL 37.460, dazu der Ertrag der Grön- 


ländischen Fischerei ergiebt zusammen EZ 40.663 15 s. Für 
Versicherungen und Provisionen der Schiffe — die zwei 
verlorenen bleiben hierbei ausser Rechnung — geht die 


Summe von L 25.200 ab; es bleiben also noch E 15.463 
15 s., wovon wiederum noch ein Betrag für Reparaturen 
der Schiffe abgehen würde. 1867 
des Robbenfanges LE 32.069, der des Walfischfanges nur 
& 1777 10 s., die Unkosten waren EL 51.660, somit ein 
Verlust von EL 17.818. 


war der Bruttowerth 


Schwierigkeiten der Fischerei in der Davis-Strasse. — 
Die eigenthümlichen Schwierigkeiten, welche sich den auf 
den Fischfang in jenen Strassen und Baien ausgehenden 
Fahrzeugen durch Eis, Winde und Strömungen bieten, sind 


von Hayes in seiner Polarreise auseinandergesetzt worden. 


In der Mitte der Strasse treiben Eismassen (Berge, Felder 
und Flarden), welche der Fischer Mittel-Eis (middle ice) 
oder kurzweg „the pack” nennt, und zwar zuweilen bis 
hinab an die Grenze des Polarkreises. Stets in Bewegung, 
bald nach dieser, bald nach jener Richtung, pressen sie sich 
je nach den Winden und Strömungen oder zerstreuen sich 
und öffnen auf diese Weise der Schifffahrt schmale oder 
breitere Bahnen. An irgend einer Stelle muss aber dieses 
Mittel-Eis von den Schiffen „genommen” werden, denn die 
Fischerei beginnt an der Küste von West-Grönland bei der 
Insel Disco mit dem East Side fishing und bei Kap York _ 
(der Grenze der geographischen Melville-Bai, während die 
Melville-Bai der Walfischfänger einen grossen Theil der 
Baffin-Bai mit begreift) oder etwas höher hinauf müssen die 
Schiffe das Landwasser der Amerikanischen Seite zu ge- 
winnen suchen. Bei ungünstigen Verhältnissen bringen die 
Schiffe Wochen und selbst Monate auf dieser Fahrt zu und 
in der Regel ist sie sehr gefährlich. Erst im August ist 
durch die doppelte Einwirkung der Polar-Strömungen !) und 
der Sonne das Mittel-Eis an Masse und Stärke am erheb- 
lichsten verringert. Die Whaler müssen früher durchgehen. 
Im vorigen Jahre unternahmen die Schiffe diese Fahrt meist 
schon gegen Ende Juni, ohne auf Schwierigkeiten zu stossen, 
Ein an Bord des Dampfers „Narwhal” geführtes Tagebuch 
sagt: „So viel freies Wasser hatte man seit 20 Jahren 
nicht gesehen”. Diese Erscheinung wurde den fortwährend 
Gleich- 
wohl”, so heisst es dort weiter, „sind wir unseres Schiffes 


vorherrschenden Nordost- Winden zugeschrieben. 


nicht für eine halbe Stunde sicher, so lauge wir durch die 
Jedermann 
an Bord hat seine Sachen gepackt und bei der Hand, um sie, 


Der 
Dampfer „Wildfire”, Captain Hay, war nicht so glücklich 


Melville-Bai gehen. "Alle schlafen angekleidet. 


wenn nöthig, sofort aufs Eis werfen zu können” &e. 
als der „Narwhal”. Nachdem er bei. Hare Island und in 
der Nordost-Bai bis zum 3. Mai gekreuzt, unternahm er 
schon um diese Zeit die Fahrt nach dem „Westlande”, das 
Schiff wurde aber am 12. an der Schraube durch Treib- 
eis schwer beschädigt, musste in der Dänischen Kolonie 
Holsteinborg reparirt werden, ging von Neuem aus, bekam 
wiederum ein schweres Leck und musste am 17. Juli als 
vollständiges Wrack verlassen werden. Ein gleiches Schicksal 
traf den neu erbauten eisernen Dampter „River Tay” 2) (von 
510 Tons Register), welcher seine erste Reise nach der 
Davis-Strasse machte, nachdem er im Frühjahr in Grönland 
mit Erfolg auf dem Robbenschlag gewesen war. Der „River 


!) Bei Kap York vereinigt sich der um Kap Farewell herum nord- 
wärts fliessende Polar-Strom mit dem aus dem Smith-, Jones- und Lan- 
easter-Sund kommenden und beide Ströme nehmen ihren Weg südwärts, 
an Labrador und Neu-Fundland vorüber. 

2) Herr Yeaman erwähnte in seinem Bericht diesen Dampfer als 
im Bau begriffen. 


Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 91 


Tay” hatte Lerwick ') am 12. Mai verlassen und war nach 
einer schnellen Reise von nur 19 Tagen schon am Eise 
(auf 63° 20’ N. Br. und 59° W. L.). Zwar kam das 
Schiff glücklich am 24. Juni zur Ponds-Bai, am 17. August 
aber bei Agnes Monument steuerbords in schwere Kollision 
mit dem Eise und sank trotz angestrengtester Arbeit an den 
Pumpen. Man konnte eben noch rechtzeitig zu einem Eis- 
felde dampfen, um das Nöthigste und alle Menschenleben 
zu bergen. (Versicherter Werth des Schiffes L 7000.) Der 
„River Tay” war zu L 19.000 (nach der Angabe des Dundee 
Advertiser vom 26. Okt. 1868) versichert. Diese Erfahrung 
spricht also wiederum gegen die Verwendung eiserner Schiffe 
in arktischen Gewässern. Ausserdem ging noch ein als 
Kohlentender mit hinauf gesandtes Schiff, die „Columbia”, 
100 Miles vom „Ostlande” (West-Grönland) entfernt ver- 
loren 2). 

Die Hauptfischplätze waren im vorigen Sommer auf der 
Westseite die Ponds-Bai, Coutts Inlet, die Scott- und die 
Home-Bai. Im Laufe der Jahre haben sich die Züge der 
Schiffe mehrfach verändert. Wenn es jetzt als das Zweck- 
dienlichste zur Gewinnung einer möglichst grossen Menge 
Thran erachtet wird, die grösseren Dampfer erst auf den 
Robbenschlag bei Jau Mayen gehen und dann den Rund- 
lauf Ost und West der Davis- Strasse machen zu lassen, 
gingen die Schiffe Anfangs der dreissiger Jahre im April 
weg, und zwar zuerst nach der Küste von Labrador oder 
der Cumberland-Strasse, zur „Südwest-Fischerei”. Sie kreuz- 
ten dann nach der Ostküste der Strasse und fischten in der 
Nordost- und Südost-Bai und in Hornsund. Im Juli gingen 
sie durch die Baffin -Bai hinüber nach Lancastersund, zu- 
weilen auch in die Barrow-Strasse hinein. Auf der Rück- 
kehr wurden dann die noch jetzt frequentirten Fischplätze 
der Ponds-Bai, Home-Bai u. a. aufgesucht. Die Entdeckungs- 
reisen von Ross und Parry und die Berichte über reiche 
Fischgründe in den höheren Breiten, besonders im Nord- 
westen der Baffın-Bai, hatten wesentlich dazu beigetragen, 
dass die Fischerei wieder ergiebiger wurde, und es liegt 
darin wiederum ein Beweis, dass die Polar-Expeditionen 
auch eine hohe praktische Bedeutung haben. 


Katastrophe im Jahr 1830 in der Melville-Bai. — Wenn 
man von dem Walfischfang in jenen Gegenden spricht, darf 
man die Katastrophe des Jahres 1830 nicht unerwähnt 
lassen, wo 20 Schiffe — 19 Englische und ein Französi- 


1) Auf den Shetland-Inseln pflegen die Schiffe ihre Mannschaft zu 
vervollständigen. Nach einer mir freundlichst von Herrn Sheriff A. Mure 
gewordenen Mittheilung nimmt in Lerwick oder einem anderen Platze 
der Shetland-Inseln jedes Schiff noch ungefähr 25 Mann an. 

2) Der Brief des Kapitäns mit dieser Nachricht nahm einen merk- 
würdigen Weg. Er ging mit einem Kryolith-Schiff von Ivikät nach 
Philadelphia und von da nach Schottland. 


sches — im Mittel-Eis bei der Melville-Bai verloren gingen. 
Dieses Ereigniss versetzte den arktischen Fischerei-Unter- 
nehmungen seinen empfindlichsten, lange Zeit nachwirken- 
den Schlag. Wir finden es ausführlich in dem zu Edinburg 
(Oliver & Boyd) erschienenen Werke „Discovery and Ad- 
venture in the Polar Seas and Regions, by John Leslie, 
Robert Jameson and Hugh Murray” !) beschrieben, und zwar 
auf Grund verschiedener Schiffsjournale und der Mittheilung 
von Augenzeugen. Hinsichtlich der Einzelheiten verweisen 
wir daher auf diesen Bericht. 

Die Scene war bei Kap York (75° N. Br.). Südwest- 
liche Stürme hatten im der Zeit vom 19. bis 26. Juni 
furchtbare Eismassen gegen das hier bedeutend vorsprin- 
gende Land getrieben. Die Schiffe waren in verschiedenen 
Abtheilungen zerstreut, sie wurden zum Theil völlig zer- 
trümmert, zum Theil schwer beschädigt. 

Merkwürdiger Weise ging bei den Schiffbrüchen nicht 
Ein Menschenleben verloren, Alle, etwa 1000 Mann, retteten 
sich aufs Eis. Sie konnten auch noch Lebensmittel genug 
bergen und kampirten nun bis Ende Juli auf dem Eise. Ich 
kann mir nicht versagen, wenigstens eine charakteristische 
Stelle des Englischen Berichtes hier zu citiren: 

„So waren sie wie Ausgesetzte in dem ödesten Theil 
der Erde, ohne sichere Aussicht der Rückkehr noch auch 
der Existenz. Gleichwohl ist der Geist der Britischen See- 
leute so elastisch, dass, nachdem der erste Schrecken vor- 
über war, sie sich, in dem Gedanken, jetzt ihre eigenen 
Herren zu sein, der Freude hingaben. Unglücklicher Weise 
befanden sich bedeutende Quantitäten Wein und Spirituosen 
unter dem Bergegut und es begann nun ein allzu lustiges 
Leben mit Tanz und Gesang, wobei die heiteren Franzosen 
den Reigen anführten. Daher der Name „Baffin Fair”. 
Die Französischen Matrosen meinten, in ihrem Leben nie- 
mals so vergnügt gewesen zu sein wie hier auf’den öden 
Eisflächen der Baffin-Bai. Von einer Zeltgruppe zur an- . 
deren wurden Exkursionen gemacht und man stellte einen 
regelmässigen Verkehr zwischen den nördlichen und süd- 
lichen Abtheilungen der Flotten her, den man scherzweise 
die Nordische Post nannte.” 

Am 21. Juli konnten einige Schiffe den ersten Versuch 
wagen, sich aus dem Eise herauszuarbeiten. Die Seeleute 
der verlorenen Schiffe waren auf die übrigen vertheilt 
worden. Ende August bis 10. September kamen die Schiffe 
endlich auf die andere Seite und glücklich in offenes Wasser. 
Der Verlust und Schaden an Schiffen und Schiffsinventar 
betrug LE 142.600. - 

Es heisst in dem Bericht des Bremer Schiffes „„Hanseat”, 
Kapitän Harm Haake, wie folgt: 


1) Die letzte Ausgabe ist, wenn wir nicht irren, 1857 erschienen. 
12 * 


92 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 


„In der Melville-Bai, Mitte Juni, kam das Eis durch starke Stürme 
aus Südwesten in eine solche Pressung, dass der Kommandeur täglich 
Gefahr lief, das Schiff zertrümmert zu sehen. Er musste eine Zeit 
lang mit dem Volke auf dem Eise kampiren, da durch den Druck der 
furchtbaren Eismassen die Nähte im Schiffe, die Deckplanken zollweise 
aus einander standen, das Schiff im Kreuz verbogen war und selbiges 
voll Wasser lief. In einer Runde von wenigen Meilen um ihn wurden 
19 Schiffe zerdrückt, wovon mehrere dicht vor seinem Angesicht. Schon 
hatte er sich entschlossen, seine Mannschaft, die um 20 Englische Ma- 
trosen, welche sich zu seinem Schiffe geflüchtet hatten, vergrössert und 
schon länger auf Rationen gesetzt war, nach den Dänischen Kolonien 
zu schicken und selbst mit einigen Wenigen an Bord zu bleiben, um 
dort sein ferneres Schicksal zu erwarten, als den 14. September eine 
Spalte ins Eis kam, die sich nach und nach erweiterte und es ihm 
möglich machte, mit ausserordentlicher Anstrengung sieh hindurch und 
endlich auf freies Wasser zu arbeiten. Das Schiff hatte bedeutend ge- 
litten und war so leck, dass es nur mit der grössten Mühe durch 
Pumpen oben erhalten werden konnte. Der Kommandeur liess es durch 
seine Leute so viel als möglich kalfatern und am 26. Oktober kam das 
Schiff glücklich auf der Weser an. Dem Kommandeur”, so fügt der Be- 
richt hinzu, „gereicht es zur grossen Ehre, dasselbe noch übergebracht 
zu haben, denn von manchem andern nieht so energischen Mann wäre es 
gewiss verlassen worden.” 


Ein ähnliches Abenteuer bestand im Juli 1862 das 
Bremer Schiff „Hudson” mit mehreren Englischen Schiffen, 
von welchen letzteren zwei verloren gingen. Nachdem sie 
fünf Wochen im Eise festgesessen und oftmals Angesichts 
der drohenden Gefahr sich auf das Eis hatten flüchten 
müssen, gelang es bei günstigem Winde, und indem durch 
Sprengen des Eises mit Pulver nachgeholfen wurde, freies 
Wasser zu gewinnen. Der „Hudson” kam erst am 12. Okt. 
auf der Weser an. 

Bei dieser Gelegenheit mag noch erwähnt werden, dass 
der „Hudson” im Sommer 1860, um nach Walfischen zu 
suchen, nördlich von Nowaja Semlä vordrang und ohne er- 
hebliches Hinderniss die Breite von 78° 54’ und 57° 18’ 
Ö. L. erreichte (am 18. Juli). 
Aussage des Kapitäns Brummerhop grösstentheils leicht. 

Unvergessen wird die Leidensgeschichte des Englischen 
Schraubendampfers „Diana” sein, welcher in der Baffın-Bai 
Anfangs September 1866 zuerst auf dem 72. Grad, etwa bei 
Kap Liverpool, besetzt wurde und bis zum 17. März 1867 
im Eise eingeschlossen blieb, wobei die Mannschaft durch 
Hunger und Kälte den furchtbarsten Leiden ausgesetzt war 
und ihnen zum Theil unterlag. Das zuletzt von dem 
Dampfer „Intrepid” gesehene Schiff hatte man in England 
längst aufgegeben, als Schiff und Mannschaft im elendesten 
Zustande in Roenessyoe (Hebriden) ankamen. Das Schiff 
war Mitte September von der Clyde-Bai bis nach der Fro- 
bisher-Bai (8 bis 9 Grad) im Eise herabgetrieben. Zuletzt 
war es den Leuten gelungen, zum Theil ebenfalls mit Hülfe 
von Sprengungen, frei zu kommen, und sie legten dann 
noch auf der Heimreise 1800 Engl. Meilen auf dem halb- 
wracken Schiffe zurück. 


Das Eis fand sich nach der 


Noch ist der Fischerei der Amerikaner in der Hudson- 
Bai und Cumberland-Strasse zu gedenken. 
sche Fischerei 


Die Amerikani- 
in den nördlichen Breiten auf dieser Seite 
des Amerikanischen Kontinents ist verschwindend gering im 
Vergleich zu ihrem, Hunderte von Schiffen zählenden, Be- 
triebe im Atlantischen und Stillen Meere, so wie in den 


‚- arktischen Gewässern Asiens und des westlichen Amerika. 


Sie beschäftigt nach der mir vorliegenden Liste des New 
Bedford Whaleman noch neun Schiffe von im Ganzen 
1073 Tons, hauptsächlich von New London. Im Jahre 
1867 zählte die Amerikanische Hudson’s Bay and Cumber- 
land Inlet Fleet noch 19 Schiffe, darunter einen Dampfer. 
Ein Theil dieser Flotte, 13 Schiffe, kehrte mit einem Fang- 
ergebniss von 4708 barrels Walfischthran und 81.940 Pfd. 
Fischbein zurück, sechs überwinterten. (Der 
Dampfer ging verloren.) Im Jahre 1868 bestand diese 
Flotte aus 12 Schiffen. Ein Schiff ging verloren, sieben 
überwinterten jetzt dort. Diese Fischerei hat, wenn sie auch 


während 


nicht eben sehr ergiebig ist, einige Vortheile im Vergleich zu 
derjenigen im Pacific: Reparaturen in fremden Häfen, die 
immer kostspieliger, kommen nicht vor, ferner sind in der 
Regel die Beschädigungen an Schiff, Tauwerk, Segel &e. 
geringer, die Kupferung des Schiffes ist nicht erforderlich, 
endlich können keine Desertionen von Offizieren und Mann- 
schaften vorfallen, weil die Schiffe nirgends als da, wo sie 
fangen oder überwintern wollen, anlegen. Die Amerikani- 
sche Fischerei wird hauptsächlich bei Southampton-Island, 
Cape Fullerton, und Northumberland-Inlet betrieben. Die 
Dauer der Reisen ist 6 bis 18 Monate, der Durchschnitts- 
ertrag eines Fisches 100 bis 120 barrels Thran. 

Ehedem, als die Vereinigten Staaten noch Englische 
Kolonie waren, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, 
war ein ziemlich bedeutender Betrieb, Walfisch- und Robben- 
fang, Seitens der Amerikanischen Kolonisten mit Hülfe der 
Eingeborenen bei Neu-Fundland, an der Küste von Labra- 
dor und am Golf von St. Lawrence und die Englische Re- 
gierung half durch Prämien, Zollfreiheit &e. nach, so dass 
die Zahl der Schiffe bis auf 300 stieg (1767). Schon früher, 
Ende des 17. Jahrhunderts, war der Walfischfang weiter 
südlich, von der kleinen Insel Nantucket, in Angriff ge- 
nommen und damit waren die Anfänge zu dem Amerikani- 
schen Walfischfang gemacht, ein Betrieb, der die Unter- 
nehmungen aller anderen Nationen an Umfang und Erfolg 
weit zurückgelassen hat. Ein Überblick auf diesen gross- 
artigen Betrieb und die Mittheilung des Antheils, welchen 
Deutsche Seestädte und Deutscher Seehandel daran nehmen, 
soll meine Betrachtung schliessen. 


Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 93 


V, Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean und in den 
arktischen Gewässern Asiens und Amerika’s. 


Hervorragender Antheil der Nord- Amerikaner an dieser 
Fischerei. — Was die Holländer einst in der Grönlands- 
fischerei waren, das sind die Nord-Amerikaner heute auf 
unvergleichlich ausgedehnteren Meeresgebieten in weit gross- 
artigerem Maassstabe. In Hinsicht auf die Menge der ver- 
wendeten Fahrzeuge, auf Zahl der Mannschaft, auf Ausbil- 
dung und praktische Erfahrung in dem Betriebe, endlich 
auf Ausdauer und glückliche Erfolge kann sich im Gebiete 
dieser Grossfischerei kein anderes Volk auch nur entfernt 
mit ihnen messen. 

Der Überblick über die Amerikanische Fischerei und 
den Antheil, welchen die Nationen Europa’s und namentlich 
die Deutschen an jenem Betriebe haben, mag durch eine 
Skizze eingeleitet werden, welche mir ein Deutscher Lands- 
mann, Herr M. E. Pechuel aus Zöschen bei Merseburg, in 
freundlichster Weise zur Verfügung gestellt hat. Herr 
Pechuel hat im Jahre 1865 auf dem Amerikanischen Schiffe 
„Massachusetts” von New Bedford als Whaler das Stille 
Meer und die Bering-Strasse besucht, kennt also den Be- 
trieb aus eigener Praxis und theilt hier nun seine Beobach- 
tungen in Bezug auf die Wale jener Gewässer mit. 


Briefliche Mittheilung des Herrn M. E. Pechuel über 
seine Erfahrungen in Bezug auf den Fischfang in der Süd- 
see und Bering-Strasse. — Die Kenntnisse, welche ich wäh- 
rend meiner-Reisen über die Wale und deren Fang erlangt 
habe, stelle ich Ihnen sehr gern zur Verfügung, und zwar 
so, dass ich meine eigenen Erlebnisse und Beobachtungen 
wiedergebe, wie ich sie in meinem Tagebuche verzeichnet 
finde, und mich nur dann auf das Gebiet der Theorie wage, 
wenn ich das Aufstellen einer solchen verantworten kann. 


Allgemeines. — Eine genaue Kenntniss der physischen 
Geographie der See ermöglicht allein eine Bestimmung be- 
züglich der Verbreitung der Wal-Arten, da die letztere 
lediglich von klimatischen Verhältnissen abhängt, in so fern 
die Temperatur des Wassers und das Vorkommen der nöthi- 
gen Nahrung dadurch bedingt werden. 

Wo Küsten- und Bodenformationen auf die Strömungen 
der See einwirken, sie ablenken und theilweise zum Kreis- 
lauf zwingen, werden sich auch grössere Futtermengen an- 
sammeln und dort wird man auch die Cetaceen zu suchen 
haben; sollte man sie, wie häufig, auch noch anderweit an- 
treffen, so lässt sich annehmen, dass sie nur eine sogenannte 
„Passage” machen, d. h. dass sie von einem unzureichend 
gewordenen Weideplatze zum anderen ziehen. 

Letzteres ist denn auch den alle Meere durchstreifenden 
Walfischfängern wohlbekannt, und findet einer derselben 


einen besonders ergiebigen Fangort, so hütet er sich wohl, 
seine Entdeckung zu verrathen. Seltsame Mythen cirkuliren 
unter den „Speckjägern” über das fabelhafte Glück mancher 
Kapitäne und das Abenteuerliche des Gewerbes reprodueirt 
sich wieder in phantasiereichen Sagen, die fortleben werden, 
so lange die Wale uns Thran liefern. 

Das Blasen der Wale. — Über das „Blasen” der Ceta- 
ceen habe ich ganz spezielle Beobachtungen anzustellen 
Gelegenheit gehabt. Sie treiben keine Wasserstrahlen aus, 
sondern nur Luft, welche aber durch den von dem gewaltig 
ausströmenden Athem mit fortgerissenen feinen Wasserstaub 
sichtbar gemacht wird. 

Bei allen Repräsentanten der grossen Familie habe ich 
es allerdings in nächster Nähe gesehen, dass unmittelbar 
nach dem Auftauchen und beim ersten Ausstossen des 
Athems zuvörderst etwas Wasser aufspritzt, doch muss 
dieses von aussen-in die Blasröhre eingedrungen sein, da 
es zuerst und zwar in breiter unbestimmter Form aus- 
geworfen wird, während die nachfolgende Dunstsäule des 
eigentlichen Athems stets in bestimmter Form und Rich- 
tung aufsteigt. Noch deutlicher zeigt es sich, wenn der 
Wal tödtlich verwundet ist und nun Blut auswirft. Der 
dicke rothe Strahl oder auch Doppelstrahl zeigt sich kon- 
form mit der vorher bemerkten Athemsäule; das, wie ich 
annehme, zufällig ausgeworfene Wasser thut es niemals, 
sondern scheint einfach als lästiger Eindringling ausgehustet 
zu werden. Der ganze Prozess wird uns in jeder Bade- 
anstalt veranschaulicht, wenn ein Schwimmer sich während 
des Schwimmens die Nase ausbläst. 

Auf den oft gemachten Einwurf, dass, wenn auch in 
kalten Breiten der verdichtete Athem sichtbar sei, diess 
doch in den Tropengegenden nicht gut möglich wäre, lässt 
sich entgegnen, dass ein Unterschied in der Dauer der 
Sichtbarkeit ganz entschieden bemerkbar ist, ein Unter- 
schied, der bedingt wird durch Grösse der Dunstsäule, Tem- 
peratur und Wind. Warme und trockene Luft wird die 
Wassertheilchen leichter verschwinden lassen als kalte 
oder feuchte Luft. Der Athem des Potwales zeigt sich in 
buschiger und niedriger Form und, weil meist nur in war- 
men Gegenden, verfliegt schnell; der Athem der hoch blasen- 
den Bartenwale, die meist kalte Breiten frequentiren, ist 
viel länger sichtbar und ich erinnere mich windstiller Tage 
im nördlichen Eismeer, an welchen der ausgestossene Athem 
in kleine Wölkchen geballt minutenlang über dem blasen- 
den Thiere hing. Beobachten wir das Dampfrohr einer 
Fabrik unter verschiedenen Witterungsverhältnissen, so wer- 
den sich ähnliche Erscheinungen zeigen. 


94 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 


Betonen möchte ich nur in Bezug auf das Blasen aller 


Cetaceen, dass der Athem nicht so sehr durch die von’ 


Lokaleinflüssen abhängende Verdichtung sichtbar gemacht 
wird, sondern von vorn herein schon sichtbar ist durch 
den von innen mitfortgerissenen Wasserstaub. Diese Über- 
zeugung wurde mir aufgedrungen durch die Thatsache, dass 
der Dunststrahl unmittelbar über dem Blasloch am deut- 
lichsten hervortritt, während bei Statt findender Verdichtung 
derselbe gerade am Ausströmungspunkte am wenigsten be- 
merkbar sein müsste. 


Die Frage, wo der beigemengte Wasserstaub herkommt, 
beantwortet sich von selbst bei einem Thiere, dessen Fress- 
Diese 
Eigenthümlichkeit mag auch dazu dienen, die Angaben vieler 
glaubwürdiger Beobachter, dass sie einen wirklichen Wasser- 
strahl gesehen hätten, zu erklären; ehe ich die Letzteren 
einer Ungenauigkeit zeihe, möchte ich annehmen, 
zelne der Cetaceen gestrandet und geängstigt sich, wie man 
so sagt, verschluckt haben und dann das eingedrungene 
Wasser theilweise durch die Blaslöcher auswarfen. 


werkzeuge nur unter Wasser gebraucht werden. 


dass ein- 


Erwähnenswerth möchten hier einige Beobachtungen 
sein, die ich im arktischen Meere gemacht habe, und zwar 
nur in Bezug auf den „Bogenkopf”, Balaena mysticetus. Viele 
dieser Thiere, in einem geschützten Wasserloche zwischen 
dem Eise liegend und im Gefühle der Sicherheit und Sät- 
tigung langsam und ruhig athmend, vielleicht schlafend, 
hatten trotz der niedrigen Temperatur gar keinen sichtbaren 
Athem. Ich hörte sie, sah auch den riesigen Kopf in näch- 
ster Nähe, konnte aber trotz des gebrauchten Fernrohres 
keine Spur von etwa ausgestossenem Dunst erkennen. Solche 
Fälle ereigneten sich nur bei Windstille und klarem, son- 
nigen Wetter. 


Andererseits habe ich den Mysticetus eirca 15 Fuss hoch 
blasen sehen (als verglichen mit dem Bootsmast) und zwi- 
schen beiden Extremen liegen so viele Möglichkeiten, dass 
häufig auch der erfahrenste „Ausguck”, durch das Blasen 
auftauchender Robben verleitet, momentan getäuscht wird. 
Einmal hatte ich das seltene Glück, einen Mysticetus „füt- 
ternd” zu beobachten. 
uns entfernt sein und durch zwischen uns und ihm liegen- 


Er mochte eine Schiffslänge von 


des Eis gesichert schob er sich langsam an der spiegel- 
glatten Oberfläche des Wassers entlang, „scooping”, wie die 
Walfischfänger es nennen. 
Maul nach unten aufklappte und die umherschwimmende 
Nahrung „aufschaufelte”; 
durch die Zunge verdrängt das überflüssige Wasser über 
den Rand der ungeheueren Unterlippe, Wirbel an der Ober- 
fläche der See erzeugend. Dieses beobachtete ich fünf Mal, 
während der Wal, dessen Oberkopf nicht unter Wasser ging, 


Ich sah, wie sich das grosse 


langsam sich schliessend, quoll 


in dieser Zeit acht Mal blies, und zwar die gewöhnliche 
Athemsäule, ruhig und langsam, ohne jeden Wasserstrahl. 

Die kleinen, so häufig am Schiffe spielenden Delphine 
blasen ihrer Kleinheit angemessen ganz so wie ihre riesi- 
gen Vettern; da sie meist nur die einzigen Repräsentanten 
der Walfischfamilie sind, welche von Vielen gesehen wer- 
den, so beweisen gerade hier die vielen widersprechenden 
Angaben, dass es nöthig ist, sehen zu lernen, um beobachten 
zu können. 

Die Wal-Arten. — Die geographische Verbreitung der 
Cetaceen macht es möglich, drei Hauptgruppen anzunehmen, 
und auf das schon am Anfang dieser Mittheilung Gesagte 
Bezug nehmend will ich mich in den Schranken meiner 
eigenen Erfahrung halten. 

Sie zerfallen demnach in: 


1) Wale, welche nur in warmen Gewässern leben, 

2) Wale, welche nur in kalten Gewässern leben, 

3) Wale, welche in beiden leben. 

Der Gruppe 1 gehört der Potwal, Physeter maerocephalus, an. 

Die Gruppe 2 zerfällt in zwei Uuterabtheilungen '): 

2a. Der sogenannte Echte Bartenwal (right whale), Balaena australis? 
Er hält sich zwischen den Tropen- und den Polar-Meeren auf. 

2b. Der sogenannte Bogenkopf (bow-head), Balaena mysticetus. 
Er hält sich nur in den Polar-Meeren, vorzüglich in der Nähe des 
Eises auf oder in von dort kommenden Strömungen. 


Beide Arten gehen nie von einer Hemisphäre zur an- 
deren, weil sie die heisse Zone nicht passiren können. 
Zur Gruppe 3 gehören viele Arten der Finnfische (fin-back) 
und der blutdürstige Drescher oder Mörder, Delphinus orca. 
Sie sind die echten beutegierigen Vagabonden; Finnfische so- 
wohl als auch Mörder sah ich nicht nur in den Tropen-, son- 
dern auch in den Polarmeeren. Gefangen habe ich sie nie. 

Der Walfischfänger verfolgt hauptsächlich drei Arten 
der Cetaceen: 


1) den Potwal, 
2) den Echten Bartenwal (right whale), 
3) den Bogenkopf (bow-head), 


ausserdem noch den Hump-back, Devil-fish, Black-fish &e., 
welche ich wohl gesehen, aber, den Black-fish ausgenommen, 
nie gefangen habe. 


!) Bei dieser Mittheilung des Herrn Pechuel sei es mir gestattet, 
ein Paar Worte von Gray, dem berühmten Englischen Zoologen, zu ci- 
tiren. In Beziehung auf die geographische Vertheilung der Right Whales 
liegt nach Ansicht Dr. J. E. Gray’s — On the geographieal Distribution 
of the Balaenidae or Right Wales. Annals of natur. History. Lon- 
don, Nr. 4, 1868 — noch kein genügendes Material vor, um zuver- 
lässige Angaben zu machen. Dass der Wal der Bering - Strasse der- 
selbe .sei, der in der Baffin-Bai gefangen wird, ist nach Gray’s Ab- 
handlung noch nicht ausser allem Zweifel. Captain Roys glaubt es 
(Maury Whale-charts). Gray unterscheidet folgende zehn Arten Ba- 
laenae: 1) Balaena mysticetus, Grönland ; 2) Balaena biscayensis, Küste 
von Spanien; 3) Balaena australis und 4) Balaena Temminckii, beim Kap 
der Guten Hoffnung; 5) Balaena antipodarum, Neuseeland; 6) Balaena 
australiensis und 7) Balaena marginata, an den Küsten Australiens, letz- 
terer nur durch einige Blätter Fischbein bekannt; 8) Balaena japonica, 
von Japan; 9) Balaena nodosa, an der Küste von Nord- Amerika; 
10) Balaena ceisaretica, der black- whale der Ostküste der Vereinigten 
Staaten, vielleicht derselbe wie Balaena nodosa. 


Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 


Meine Erfahrungen beschränken sich auf die drei erst- 
genannten Arten und sind folgende: 

Der Potwal. — Der Potwal ist der nobelste und ge- 
fährlichste unter allen Walen. Er weiss nicht nur seinen 
mächtigen Schwanz äusserst wirksam zu gebrauchen, son- 
dern attakirt auch, gleich einem Widderschiff, was ihm in 
den Weg kommt, (sein kolossaler Kopf scheint eigens dazu 
geschaffen zu sein) und zermalmt in seinem langen, doch 
schmalen Maul ein Boot mit grösster Leichtigkeit. Ich 
habe einen dieser Burschen ein solches Fahrzeug mit seinen 
Kinnladen vollständig vernichten sehen (zwei solcher Fälle 
wurden im September v. J. von einer Valparaiso - Zeitung 
berichtet). 

Die Potwale gehen meistens in Schulen, die 10 bis 30 
Stück zählen, wenn aber viele Weibchen (welche geringer 
sind) unter der Aufsicht einiger mächtiger „Schulmeister” 
schwimmen, so mag deren Zahl, wie ich einmal selbst ge- 
sehen habe, weit über 100 betragen. Alte griesgrämige 
Bullen sondern sich, wie das ja auch bei anderem Wilde 
Statt findet, häufig ab und gehen ihren eigenen Weg. 

An einem der letzteren machte eins. unserer Boote fest, 
der Wal tauchte vertikal hinab, und ehe wir unseren 
Kameraden zu Hülfe eilen konnten, das heisst, ehe wir 
eine Strecke von circa 200 Fuss überruderten, um unsere 
Leinen anzuspleissen, waren deren Leinen, 2100 Fuss lang, 
abgelaufen und mit dem Thiere auf Nimmerwiedersehen 
verschwunden. Das Gänze konnte nicht drei Minuten im 
Anspruch ‘genommen haben und wir alle waren so über- 
rascht durch diesen plötzlichen Abschied, dass wir verblüfft 
einander anschauten. 

Wenn in Schulen beisammen, hauptsächlich an schönen, 
klaren Tagen, scherzen die Potfische auf die wunderlichste 
Weise. Mit dem Kopf nach unten stehend, so dass der 
Schwanz zum Wasser herausragt, schlagen sie mit dem- 
selben schnell vier bis acht Mal vor- und rückwärts, em 
gewaltiges Getöse verursachend, oder sie springen auch voll- 
ständig aus dem heimischen Element heraus, so dass der 
Riesenleib momentan in seiner ganzen Grösse sichtbar ist. 
Derartige Sprünge, von solchen Ungethümen ausgeführt, sind 
wunderbar anzuschauen. Ähnliche Spiele oder vielleicht 
auch nothwendige Reinigungs- und Vertheidigungs-Maass- 
regeln habe ich bei allen Cetaceen beobachtet, nur dass 
die mehr plump gebauten und auch fauleren Echten Barten- 
wale sich viel ungeschiekter anstellen. Überhaupt sind alle 
mit Zähnen versehene Wale, da sie ihre Beute erhaschen 
müssen, aus natürlichen Ursachen viel gewandter als die- 
jenigen, welche bloss Fischbein zum Durchsieben des Was- 
sers haben. 

Der Potwal ist schlank und mit Ausnahme des kolos- 
salen Kopfes sehr gelenkig, sein Querschnitt ist ein Oval 


95 


mit der grössten Axe von oben nach unten, während bow- 
head und right whale mehr rund, dick und kurz sind. 
Seine grösste Länge wird 70 Fuss wohl niemals über- 


schreiten, doch sind mir vielfach fabelhafte Maasse an- 
gegeben worden. 
Grosse Potwale. — Der berühmteste Potfisch ist wohl 


New Zealand Tom, eine Grösse, die mehr Berechtigung zur 
Existenz hat als die hier und da auftauchende Seeschlange. 
Ich habe seine Bekanntschaft nie gemacht, er soll wenig- 
stens 300 Fass besten Thranes immer noch zu retten ge- 
wusst haben, sein Rücken ist mit Harpunen so gespickt, dass 
er einem Stachelschwein ähnelt, und manches schöne Boot, 
viele tausend Faden Leinen, das Andenken manches durch 


. ihn als einen sehr 


ihn verunglückten „Speckjägers” lassen 
theueren und noch immer zu erringenden Preis erscheinen. 
Sein Name besagt, wo seine Hauptstation ist, und er geht 
immer allein; gewiss ist, dass das Schiff „Adonis” ihn einst 
Eine 


ganze Flotte von Booten verfolgte den braven Burschen, 


in Gemeinschaft mit vielen anderen Schiffen jagte. 


aber der unermüdliche Tom zerstörte neun davon vor dem 
Frühstück und zwang die anderen, vom Kampfe abzulassen. 
Solche „fechtende Wale” haben sich an vielen Orten einen 
berühmten Namen gemacht, ähnlich wie ein „Hauptschwein” 
oder ein „Kapitalhirsch” unserer Forsten im Munde der 
Nimrods fortleben. | 


Gefahren und Abenteuer bei der Fischerei. — Einem 
höchst interessanten Kampfe, der überdiess von merkwür- 
digen Nebenumständen begleitet war, wohnte ich nördlich 
von den Sandwich-Inseln bei, 30° N. Br. und 165° W. L. 


Bei vollständiger Windstille erschienen plötzlich an 60 Potwale 
dicht am Schiff, meistens kleine Weibchen, von mehreren riesigen „Schul- 
meistern” begleitet. Hier sah ich zum ersten Mal Gruppen von sechs 
bis zehn in wollgeordneten Reihen schwimmen. Wir machten an einem 
der Schulmeister fest, die anderen verschwanden wie immer sofort. 
Es war am frühen Morgen, vier Boote waren auf dem Kampfplatz und 
trotz aller Anstrengungen gelang es uns nicht, auch nur noch eine ein- 
zige Harpune anzubringen. 

Sobald der Wal das Eisen (die Harpune) fühlte, spie er ein un- 
gefähr mannsgrosses Stück eines eben gefangenen Cephalopoden aus und 
ging unter Wasser. Sein baldiges Wiedererscheinen war das Signal 
zum allgemeinen Angriff, doch wusste er geschickt auszuweichen und 
so meisterhaft zu attakiren, dass wir auf eigene Rettung bedacht sein 
mussten. Das Ganze, wenn auch recht gefährlich, erschien uns dennoch 
sehr komisch und die Betheiligten, animirt, zogen wie die Griechen mit 
heroischem Geschrei zum Kampfe, nur um im nächsten Augenblick zu 
beweisen, dass die Vorsicht der beste Theil des Muthes sei. Wir waren 
ohne Frühstück vom Schiffe weggerudert und am Mittag war der Hun- 
ger unser unwillkommener Gast, aber „Bill”, wie ihn die Leute nann- 
ten, war nicht gewillt, uns seinen Speck zu überlassen. Nach jedem 
hitzigen Gefecht zog er sich in die unergründliche Tiefe zurück und 
wir mussten mehrere Male die Leinen anderer Boote zu Hülfe nehmen, 
um ihm bis über 3000 Fuss tief nachzugehen. Er attakirte wie ein 
Widderschiff einmal auch wirklich unser Boot, hart von unten treffend, 
dann wieder fuhr er seitwärts oder auf dem Rücken liegend mit weit 
gesperrtem Rachen auf uns los oder „fegte” mit dem breiten Schwanz 
das Wasser. Jeder Annäherungsversuch von unserer Seite hatte eine 
wüthende Attake zur Folge und demgemäss eine schmähliche, lächer- 
liche Flucht. Das günstige Wetter gestattete dem Kapitän, vom Schiff 
aus Alles zu beobachten und die längste Zeit des Unter-Wasser-Bleibens 


96 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 


zu bestimmen, sie betrug 1 Stunde 20 Minuten. Keine Täuschung 
möglich! „Bill” attakirte, schnaufte, peitschte das Wasser und tauchte 
den lieben langen Tag; am Abend mussten wir „schneiden”, ihm noch 
500 Fuss der besten Manilla-Leinen mit auf den Weg geben und ohne 
Speck zum Schiff zurückkehren. 

Nächsten Tages kam ein anderes Schiff desselben Weges, sah 
„Bill” mit Leine und Harpune, glaubte, ihn halb gefunden zu haben, 
machte fest an ihm, hatte zwei Boote zerschlagen, einen Mann getödtet 
und verlor eine ganze Leine. 

Das ist das Letzte, was ich von ihm gehört habe. 


Noch Mancherlei könnte man erzählen, da immer neue 
Abenteuer bestanden werden, doch will ich hier nur be- 
merken, dass der Fang, wenn auch gefährlich, doch nicht 
immer so langwierig ist. 

Der Potwal macht gewöhnlich 3 bis 5 Miles die 
Stunde, doch mag seine Schnelligkeit sich bis zu 14 Miles 
steigern, also der besten Fahrt eines Seedampfers gleich- 
kommen. Wenn ungestört, bleibt er sehr lange an der 
Oberfläche, athmet bemerkenswerth ruhig und in gleichen 
Zwischenzeiten und stösst eine niedrige buschige Dunst- 
wolke aus, eirca 45 Grad nach vorn geneigt und etwas 
nach links. Wegen dieser eigenthümlichen Form kann man 
sich beim Sichten dieser Wale auch selten in der Art irren. 
Die Manier des Blasens überhaupt dient dem Walfischfänger 
als Erkennungszeichen auch für eine Distance von Meilen, 
eben so die besondere Form des Schwanzes, sollte derselbe 
über Wasser erscheinen , die Form des 
Rückens, ob glatt,‘ ob mit Buckel oder Finne. Der Speck 
.des Potwales mag am Rumpf 4 bis 8 Zoll dick sein, wäh- 


und schliesslich 


rend der obere Theil des ungeheueren Kopfes aus einem 
einzigen elastischen Fettpolster besteht. Die untere Kinn- 
lade allein enthält bis 7 Zoll lange Zähne, welche in der 
oberen Kinnlade in entsprechende Vertiefungen eingreifen. 
Die Zahl will ich auf 48 angeben, vielleicht auch 52, da 
einige stets verkümmert und die hinteren meist sehr ab- 
genutzt sind, wir auch nicht immer die ganzen Kiefer an 
Deck nahmen. 


ich hier noch eines höchst 


interessanten Vorfalles erwähnen, wie ich ihn nur das eine 
Mal zu beobachten Gelegenheit hatte. 


Ich hatte Schiffbruch gelitten an einem Korallenriff in den West- 
indias und an einem prachtvollen, ruhigen Nachmittag wurden ich und 
meine Leidensgefährten durch ein von der See kommendes Getöse auf- 
geschreckt. Ungefähr 14 Meilen von uns entfernt zeigte sich auf dem 
spiegelglatten Meere „‚weisses Wasser” und von dort kam auch der 
Lärm. Meine Genossen waren keine Speckjäger und das Wort „See- 
schlange”’ machte die Runde. Mein Standpunkt war sehr niedrig und 
trotz des Fernrohres konnte ich nicht so vielerkennen, als ich wünschte. 

Hohe Wassersäulen wurden aufgeworfen, Schaum und Gischt spritz- 
ten umher und dazwischen zeigten sich hier und da schwarze glänzende 
Leiber. Zeitweilig trat eine kurze Pause ein und dann begann das 
seltsame Spektakel von Neuem. Es erinnerte mich an den Todeskampf 
eines mächtigen Wales. Plötzlich sprang ein grosser Fisch aus dem 
Wasser, wendete sich in der Luft und fiel kopfüber mit dumpfem 
Schlage zurück. Ein zweiter und dritter folgten, mehrere zu gleicher 
Zeit, alle auf derselben Stelle. Die Fische mochten an 20 Fuss lang 
sein; der weiss glänzende Bauch, der grell gegen den schwarzen Rücken 
abstach, vor Allem aber die.lange schlappende Rückenfinne lösten mir 
sofort das Räthsel. Es waren die gierigen Mörder oder Drescher (Del- 


In kürzester Weise will 


phinus orca), welche einen ihrer eigenen Vettern umbrachten. Der Kampf 
war ein furchtbarer. Kamen sie an die Oberfläche, so war das Getöse 
wahrhaft erschreckend. Mehrere Male sah ich den Schwanz des Wales, 
es musste ein riesiges Thier sein; ich glaubte daran einen Potwal zu 
erkennen, kann es aber nicht bestimmt behaupten. Von Zeit zu Zeit 
trat Ruhe ein oder vielmehr der Kampf setzte sich unter Wasser fort, 
zog sich aber mehr und mehr seewärts und entschwand schliesslich ganz 
unseren Blicken. Unsere unglückliche Lage machte es uns unmöglich, 
viel zu sehen oder uns dem Schauplatz mittelst eines Bootes zu nähern, 
und so ist diess Alles, was ich über den seltsamen Vorgang sagen kann. 

Ein anderes Mal fanden wir, in der Bering-Strasse treibend, einen 
todten Mysticetus, der keine Verletzung von Menschenhand zeigte, dem 
aber die linke Unterlippe und die Zunge ausgerissen oder abgefressen 
waren. Der Leichnam war frisch und zeigte keine weiteren Spuren an- 
gethaner Gewalt, obgleich ich während des Abspeckens sorgfältig Alles 
überwachte. Seit mehreren Tagen schon hatten wir Delphinus orca ge- 
sehen und Kapitän und Offiziere bedankten sich schmunzelnd bei den 
Mördern für das reiche Geschenk. 


Der right whale und der bow-head. — Ich gehe nun 
über zu den zwei Arten der Wale, welche in kalten Ge- 
wässern gefangen werden und welche der Walfischfänger 
als right whale und bow-head unterscheidet. 

Trotz des hitzigen Streites, der von Fachleuten über 
die Identität beider Arten geführt worden, ist die Frage 
noch immer unentschieden, und wenn meine hier folgenden 
Angaben Etwas zur Aufklärung des streitigen Punktes bei- 
tragen könnten, würde ich mich genügend belohnt finden. 

Den right whale der Südsee (Balaena australis) habe ich 
nie das Glück gehabt zu fangen und ihn, wenn auch zu 
Ich kann 
deswegen nichts Wohlbegründetes über ihn sagen, von Ge- 


verschiedenen Malen, doch nur flüchtig gesehen. 


hörtem oder Vermuthetem zu sprechen, könnte nur störend 
wirken, und ich enthalte mich über ihn aller Angaben. Ob 
also der right whale, der eigentliche Bartenwal der Südsee, 
mit dem risht whale des Nordens identisch ist, weiss ich 
nicht, wohl aber mag ich behaupten, dass auf der nörd- 
lichen Hemisphäre zwei zwar sehr ähnliche, dennoch aber 
verschiedene Arten von Bartenwalen gefangen werden, und 
zu ihrer Bezeichnung will ich die Terminologie der Ameri- 
kanischen Walfischfänger beibehalten: 


1) Der bow-head, Balaena mysticetus, kommt nur im hoben Nor- 
den und zwar in der Nähe des Eises vor, niemals aber in der süd- 
lichen Hemisphäre. 

2) Der right whale (Balaena australis?), kommt in der gemässigten 
Zone der nördlichen Hemisphäre vor und ist vielleicht identisch mit 
dem der Südsee. 


Ich habe im Norden beide Arten gesehen, verfolgt und ge- 
fangen und kann folgende Verschiedenheiten konstatiren. 
Meine Erfahrungen in nördlichen Gewässern beschränken 
sich auf den Stillen Ocean, die Bering-Strasse und den damit 
Während der 
bow-head so weit nördlich geht, als er offenes Wasser fin- 


zusammenhängenden Theil des Polarbassins. 


det, — ich habe ihn selbst bis über den 72. Grad hinaus 
verfolgt und dort unter dem Eise verschwinden sehen — 
hält sich der right whale stets südlich von der Bering- 
Strasse, hauptsächlich in der Nähe der Aleuten. Dort habe 


ich ihn auch gefangen. 


Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 97 


Die Speckjäger erkennen beide Arten meilenweit an der 
Verschiedenheit des Athemstrahles und des Schwanzes. 

Der bow-head bläst hoch und vertikal, der Doppelstrahl 
ist selten bemerkbar und fliesst meist in einen einzigen 
zusammen. Der right whale bläst stets einen deutlichen 
divergirenden Doppelstrahl, eirca 45 Grad nach vorn geneigt, 
der rechte meist kleiner als der linke. Auch möchte ich 
sagen, dass er schärfer und mehr puffend bläst als der 
faulere, lang gezogen athmende bow-head. Doch mag zu- 
fällige Aufregung die Ursache hiervon sein. 

Die Form des Schwanzes ist ebenfalls ein Unterschei- 
dungszeichen. Das Ruder des bow-head ist schön ge- 
schwungen, beide Hälften bilden einen Halbmond; der right 
whale hat zwei Blätter, seitwärts stehend, auch Kurven 
bildend, aber die Enden liegen mit dem Mittelpunkte in 
gerader Linie. 

Beide Wal-Arten gebrauchen nur den Schwanz zu ihrer 
Vertheidigung, während es aber der bow-head meistens 
wohl nur zufällig thut, wird der right whale der Bösartig- 
keit beschuldigt, und da er auch viel gewandter ist, wird 
er mehr gefürchtet. 

Der bow-head hat, wie sein Name (Bogenkopf) besagt, 
einen langen, dünnen, schön gebogenen Oberkiefer, von 
welchem an beiden Seiten dachförmig divergirend die lan- 
gen (10 Fuss 8 Zoll, selbst gemessen), dünnen Barten herab- 
hängen und durch die hoch hinauf reichenden Unterlippen 
verdeckt werden; der Öberkiefer des right whale ist kürzer 
und unförmlicher, hat nach vorn zu einen sehr charakte- 
ristischen Buckel (das sogenannte „bonnet”, welches ge- 
trocknet verhärtetem Kautschuk gleicht und sich gut zu 
Stockgriffen &c. verarbeiten lässt), ist nicht sehr gebogen 
und an ihm hängen viel kürzere, aber dickere Barten. 

Endlich ist die Figur des right whale noch kürzer und 
dieker als die des bow-head. i 

Den right whale habe ich stets in kleinen Schulen bei- 
sammen gesehen, den bow-head niemals. Letzterer zieht 
seinen eigenen Weg, doch gehen viele meist in derselben 
Richtung. Ein sonderbarer Anblick ist es, die riesigen, 
tonnenähnlichen, schwarzen Köpfe zwischen dem Eise ein- 
hergleiten zu sehen; kein Lüftchen regt sich, das Wasser 
spiegelglatt und man hört nun nah und fern das lang 
gezogene Hu f—f—f, Hu f—f—f der blasenden Thiere, 
alle Einen Kurs steuernd, auf- und niedertauchend, kom- 
mend und gehend in stundenlanger Prozession. i 

In der Nähe der Herald-Insel vom Eise besetzt muss- 
ten wir unthätig einer solchen „Passage” beiwohnen, sie 
dauerte beinahe 15 Stunden, und da ich die sich ablösen- 
den „Ausgucks” zum Zählen anhielt, kann ich die Anzahl 
der bow-heads, die uns während dieser Zeit nordwärts pas- 
sirten, auf beinahe 400 angeben. 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


Wenn ich nicht fürchten müsste, dass diese Mittheilung 
zu lang würde, könnte ich noch vieles Interessante er- 
zählen; in nächster Zeit werden aber einige Artikel über 
die Abenteuer beim Walfischfang speziell in der „Garten- 
laube” erscheinen und ich will schliesslich nur noch ein 
Weniges über die Stimme der Wale sagen. 

Wirkliche Töne habe ich von ihnen nie vernommen. 
Obgleich ich viele Arten von Delphinen selbst harpunirt 
habe, kann ich mich doch nicht erinnern, sie jemals schreien 
gehört zu haben oder „quieken” gleich einem Schwein, wie 
oft beschrieben wird. Sie schnappen wohl nach Luft, aber 
wenn diess auch hörbar wird, so beweist es doch noch 
nicht das Vorhandensein einer Stimme. Auch bei allen 
grösseren Cetaceen habe ich nie dergleichen gehört; ein- 
mal, nachdem ein festgemachter Mysticetus untergetaucht 
war und gleich einem Stein tief unten still lag, vernahm 
ich, was ich mit dem nicht sehr euphonischen Ausdruck 
„Murksen” bezeichnen will, zu sieben verschiedenen Malen. 
Der Offizier sagte mir, dass dieser Laut öfters gehört würde, 
für mich war es der einzige Fall. 

Mittheilungen eines Amerikanischen Whalers, des Herrn 
Kapitän Seabury von New Bedford, vom 1. Februar 1869. — 
Während des Druckes meiner Arbeit empfing ich durch 
freundliche Vermittelung eine Reihe werthvoller und inter- 
essanter Mittheilungen, Antworten auf verschiedene von mir 
gestellte Fragen von dem genannten Herrn, welcher eine 
langjährige Erfahrung in der Spermfischerei besitzt. Ich 
entnehme daraus hier und an einer späteren Stelle Einiges, 
das als Ergänzung der vorstehenden Mittheilungen des 
Herrn Pechuel dienen kann. 

Zunächst bestätigt Kapitän Seabury, dass die grossen 
männlichen Potwale die Neigung haben, sich zu verein- 
samen. Die Schulen sind zahlreich, wenn die Fische klein, 
weniger zahlreich, wenn die Fische gross sind. Über die 
Grösse von 70 bb. hinaus findet man gewöhnlich nur zwei 
bis drei Fische beisammen. Die Schnelligkeit der Wale 
giebt Seabury auf 5 bis 6 Miles in der Stunde an. Die 
Fische halten, im Wasser auf- und niedergehend, einen 
festen Kurs ein. Ein grosser Wal bleibt 40 bis 50 Minuten 
unter Wasser, in einem Fall blieb ein grosser Wal eine 
Stunde unten. Auf der Oberfläche des Wassers bleiben die 
grösseren Fische in der Regel eine Viertelstunde, während 
welcher Zeit sie vielleicht 45 Strahlen (Spouts) von sich 
geben. Der Spout des Potwales ist dick, buschig und nach 
vorn geneigt, der des Finnwales gerade und dünn, der des 
right wale doppelt und bis zu 10 Fuss hoch, der des hump- 
back niedriger und dünner. Ausserdem sind die bei klarem 
Wetter bis auf 12 Miles sichtbaren „breaches” — das Auf- 
tauchen der Fische mit ?/; ihrer Länge aus dem Wasser — 
Erkennungszeichen des Vorhandenseins von Fischen, endlich 

13 


98 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 


die gewaltigen Schaumwellen der „top-tails”, der Schwanz- 
schläge.. Als höchste Länge des Pot- und des Recht- 
wales giebt Seabury ebenfalls 70 Fuss an, grösster Umfang 
45 Fuss. — Als grössten Thransegen eines Potwales giebt 
Seabury aus seiner Erfahrung 120 bb. an. Die im Grossen 
Ocean beim Äquator bis auf 135° W.L. gefangenen Wale 
liefern relativ die grösste Menge Thran. Im Karaibischen 
Meere und im Golf von Mexiko, ferner im Atlantischen 
und im Indischen Ocean sind die Potwale kleiner. 

Geschichtlicher Rückblick auf den Nord- Amerikanischen 
Walfischfang. — Man hat die Whaler die Nomaden des 
Meeres genannt. In der That, der Kapitän eines solchen 
Schiffes steht freier und selbstständiger da als der eines 
Kauffahrers. Dieser hat die Aufgabe, die ihm anvertrauten 
Güter möglichst schnell und sicher von Hafen zu Hafen zu 
bringen. Anders der Whaler: Fischgründe zu suchen, Fische 
zu fangen, gleichviel, wo und wie, ist seine Aufgabe. Noch 
heute durchstreifen die Amerikanischen Whaler so ziemlich 
alle Meere, ihre Reviere reichen von den Inseln des Indi- 
schen Meeres bis zur Ochotsk-Bai und diesseits des Ameri- 
kanischen Nord-Kontinentes von der Hudson-Bai und Cumber- 
land-Strasse bis tief südlich in den Atlantischen Ocean hinab 
zu den Falkland-Inseln. Plätze in Chile und Kalifornien 
und der Landenge von Panama, auf Celebes und Japan, an 
den Küsten Süd-Amerika’s und Afrika’s, auf den zahllosen 
Inseln des Stillen Meeres sind ihre Erfrischungsplätze und 
Stationen. Man darf dreist behaupten, dass gerade der Wal- 
fischfang das unvergleichliche Mittel war, um in den Ameri- 
kanern jenen kühnen Seefahrergeist zu entwickeln, welcher sie 
kennzeichnet. Selbstständig, unabhängig von allen Anderen, 
fassten sie das Gewerbe auf; die Fischerei bei Nantucket, 
Kap Cod, Neu-Fundland, war die erste Schule. Die Sperm- 
fischerei von Nantucket begann schon um das Jahr 1712. 
Nachdem ein Fischer von Nantucket zufällig in eine Schule 
von Spermfischen gerathen und einen aus der Schaar ge- 
tödtet, begann man, Schiffe von 40 Tons für diese Fischerei 
zu bauen „to whale out in the deep”, auf die Walerei auf 
hoher See, im Gegensatz zu der bisherigen Küsten- (Baien-) 
Fischerei. Drei Schiffe wurden auf sechs Wochen aus- 
gerüstet. Der Fischspeck wurde erst nach der Rückkehr 
ausgekocht. 

Funfzig Jahre später, in den Jahren 1771 bis 1775, 
besassen die Seeplätze des Staates Massachusetts allein 183 
Schiffe für den Fang im‘ Nord-Atlantischen Ocean (bei den 
Azoren und den Inseln des Grünen Vorgebirges) und 120 
grössere Fahrzeuge für die Fischerei im Süd - Atlantischen 
Ocean, bei Brasilien und in der Le Maire-Strasse (mit den 
Falkland-Inseln als Station). Diese Zeit war es, wo Burke 
im Englischen Parlament die berühmten Worte über den 
maritimen Unternehmungsgeist der Amerikaner sprach. Ein 


Englisches Schiff, die „Emilia”, von der Südsee - Firma 
Enderby in London drang zuerst um Kap Horn vor und 
beutete an der Westküste von Amerika bis dahin noch 
unberührte Gründe aus. Vier Jahre später wird von 
Frankreich eine energische Anstrengung gemacht, um sich 
einen Antheil an den grossen Fischerei - Unternehmungen 
zu sichern. Ludwig XVI. lässt in Dünkirchen sechs Süd- 
seefahrer ausrüsten und bemannt sie zum Theil mit ge- 
übten Fischern von Nantucket. In der That gelingt es 
mit Hülfe von ausserordentlichen Begünstigungen, diesen 
Betrieb in Französischen Plätzen einzubürgern. Die Fran- 
zösische Regierung studirte den Gegenstand sehr ernsthaft 
und hatte einen Gelehrten, den Grafen de Reste, mit der 
Abfassung einer wissenschaftlichen Untersuchung über den 
Walfischfang beauftragt. Da bricht die Revolution aus und 
zerstört diese Keime. 

In gleicher Weise schädigend hat der Amerikanische 
Unabhängigkeitskampf auf die grosse Fischerei von Massa- 
chusetts gewirkt, das vor den Kriegen mit England an 
300 Schiffe im Walfischfang beschäftigte; 134 von diesen 
Fahrzeugen wurden damals vom Feinde genommen. Erst 


"im Jahre 1792 begannen in New Bedford, dem jetzigen 


Centrum des Amerikanischen Waläschfanges, die Fischerei- 
Unternehmungen; Boston tritt allmählich zurück, seitdem 
sehen wir bis Anfang der 50er Jahre, mit alleiniger Aus- 
nahme der Kriegsjahre 1813 bis 1815, einen steten Auf- 
schwung im Amerikanischen Walfischfang. Wir haben im 
der Beilage eine Übersicht des ‘Amerikanischen Walfisch- 
fanges aus den Jahren 1848 bis 1868 gegeben und führen 
hier nur eimzelne Daten an, um diesen Aufschwung zu 
illustriren. 

Im Jahre 1830 wurden durch Amerikanische Schiffe im 
Amerikanischen Häfen eingeführt 106.829 Fässer Spermöl 
und 86.292 Fässer Thran, im Jahre 1837 durch 240 Schiffe 
182.566 Fässer Spermöl und 215.200 Fässer Thran. Der 
Werth des Südseefanges wurde allein auf D. 5.000.000 ge- 
schätzt. Im Jahre 1846 sehen wir 735 Amerikanische 
Fahrzeuge mit einem Gehalt von 233.189 Tons im Wal- 
fischfang beschäftigt, die höchste Zahl, welche je er- 
reicht wurde; seitdem hat sie sich erheblich vermindert. In 
den Jahren 1862 bis 1865 erlitt nämlich der Amerikani- 
sche Walfischfang durch die südstaatlichen Korsaren grosse 
Verluste. 

Im J. 1856 war die Zahl der Amerikanischen Whaler 670 
mit einem Gehalt von 220.000 Tons.. Das darin angelegte 
Kapital betrug an D. 20.000.000. Die Zahl der beschäf- 
tigten Mannschaften war über 20.000, wenn man 30 für 
ein Schiff, 24 für eine Barke, 20 für eine Brigg, 18 für 
einen Schooner rechnet. Der Ertrag der Fischerei allein im 
Nord-Pacific war in der Periode 1847 bis 1861 D. 140.000.000. 


Die Fischerei-Unternehmungen in der 


Im Jahre 1866 dagegen, nach der Revolution, finden wir 
nur noch 263 Fahrzeuge mit zusammen 68.536 Tons.. Am 
1. Januar 1869 hat sich der Bestand der Amerikanischen 
Whalerflotte wieder auf 336 Fahrzeuge von zusammen 
74.519 Tons gehoben. Neuerdings hat sich S. Franeisco 
direkt bei der Walerei und zwar mit sechs Schiffen betheiligt. 

Wenn auch der Betrieb sich jetzt weit von seinem 
Kulminationspunkt (im Jahre 1846 betrug, wie gesagt, der 
Tonnengehalt der Fahrzeuge 233.189 Tons) entfernt hat, so 
spricht doch, in Ermangelung einer zuverlässigen Übersicht 
der Reinerträge des Geschäftes, die Thatsache, dass im Jahre 
1866 vier Häfen (Tisbury, Wellfleet, Newburyport in Mas- 
sachusetts und Groton in Connectieut) in diesem Betrieb sich 
neu aufgethan und dass in der Kreuze 1867/68 zwei Plätze 
ihre Flotten um einige Schiffe vermehrt haben, dafür, dass 
ein merklicher Riickgang noch nicht bevorsteht, dass diese 
Fischerei noch immer ein grossartiger Volkserwerbszweig 
Nord-Amerika’s ist. 


Die Whalerflotten. — Man pflegt die Amerikanischen 
Walfischflotten je nach den Richtungen und Kursen, welche 
sie auf ihrer Fischerei steuern, einzutheilen in: 

1. Die North Paeifie, zerfällt in die Arctic (Bering-Strasse), 
die Ochotsk- und die Kodiak- und Bristol-Bai. 
alle nördlich von den Sandwich-Inseln auf right whale und 
bow-head. 

2, Die North Atlantie, kleinere Schiffe, die auf 18 Monate 
ausgerüstet werden und im Atlantischen Ocean nördlich von 
der Linie fischen. 

3. Die Baffin-Bai, Hudson-Bai und Cumberland Inlet- 
Flotte, fischen auf bow-head und white whale in den durch 
diesen Namen bezeichneten Baien und Strassen. 

4. Die Indian Ocean, fischen im Indischen Meer, von 
den Küsten Ost-Afrika’s bis zu den östlichen Inseln des 
Indischen Archipels, bei Mauritius, den Sechellen, Philip- 
pinen, Karolinen, Japan, auf Spermfisch, mit Kema auf dem 
östlichen Theile von Celebes als einer der wichtigsten Flotten- 
stationen. Es sind grössere Schiffe bei durchschnittlich drei- 
jähriger Reisedauer. Pacific wird mir als eine unbestimmte 
Bezeichnung hingestellt für alle übrigen Whaler, die später 
eine dieser Routen einschlagen. Es sind diess Alles nur 
Andeutungen, welche wegen des Zusammenhanges der arkti- 
schen Fischerei mit der Grossfischerei im Stillen Meere ge- 
macht werden müssen. Denn dieselben Schiffe, welche im 
Sommer ihre Season in den nordischen Breiten haben, gehen 
im Winter und dem zeitigen Frühjahr in die südlichen 
Breiten auf den Fischfang, um da ihre Zwischenkreuze (be- 
tween season) zu halten. In Anlage F. habe ich eine Über- 
sicht der Fischplätze der verschiedenen Flotten, sowie der 
Durchschnittsgrösse der gefangenen Fische nach Kapitän 


Diese fischen 


Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 99 


Seabury’s Mittheilungen gegeben. Zugleich verweise ich 
auf Maury’s Whale Charts von 1853, No. 68 ff. 

Die North und South Atlantic Spermwal-Flotte ist bei 
weitem die zahlreichste: 150 Schiffe. Die North Pacific- 
Flotte umfasst 68 Schiffe, darunter sieben nicht Amerikani- 
sche (Arctic Ocean 41, Ochotsk-Meer 8, Kodiak- und Bristol- 
Bai 19) neben vier Handelsschiffen, das sind solche, die 
Thran und Barten im Handel mit den Eingeborenen ein- 
tauschen; die Indian Ocean-Flotte besteht aus 35 Schiffen, 
endlich die Hudson-Bai- und Cumberland Inlet-Flotte aus 
12 Schiffen. 

Umfang und Werth der Amerikanischen Walfischerei. — 
In einer Anlage habe ich die neueste Übersicht des Be- 
standes der Amerikanischen Whalerflotte nach der Grösse 
und dem Tonnengehalt, so wie nach den einzelnen Häfen 
Es sind 19 Häfen mit’ 336 Fahrzeugen von zu- 
sammen 74.519 Tons. betheilist. Davon fallen auf New 
Bedford allein 50.628 Tons. Darmach sind Provincetown 
mit seiner vorzugsweise den Atlantischen Ocean durch- 
kreuzenden Spermwal-Flotte (5079 Tons) und New London 
(3969 Tons) am stärksten betheiligt. Die Grösse der Schiffe 
der New Bedford-Flotte ist meist 3- bis 400 Tons, diejenige 
der Flotte von Provincetown 50 bis 140 Tons. Der grösste 
Whaler der Amerikanischen Flotte ist ein Schiff von 478 
Tons, der kleinste hat 50 Tons. Über die Brutto-Erträge 
habe ich ebenfalls eine Übersicht nach den Einfuhren der 
letzten 20 Jahre zusammengestellt und zugleich den Ge- 
sammtwerth für jedes Jahr nach den in den Jahresberichten 
der New Yorker Handelskammer angegebenen Durchschnitts- 
preisen berechnet. Dieser Gesammt -Bruttowerth varürt 
zwischen 5 und 10 Millionen, im vorigen Jahre war er 
54 Millionen Dollars. 

Südseefischerei Englands und Frankreichs. 
Englands Betheiligung an der Südseefischerei war im Ver- 
gleich zu dem Walfischfang Nord-Amerika’s mässig, jedoch 
wurden von Englischen Fischern neue Fischgründe auf- 
gesegelt: 1819 die noch jetzt ergiebigen Walfischgründe 
bei Japan (nach Bennett durch das Britische Schiff „Syren”), 
später im Indischen Ocean und bei Neu-Seeland; noch später 
wurde an der Küste Kaliforniens und Mexiko’s, so wie in 
dem Ochotskischen Meere gefischt. Erst im Jahre 1848 
war es einem Amerikaner, dem Kapitän Roys !), vorbehalten, 
die Bering-Strasse als Fischer zu durchsegeln und in dem 
während jenes Sommers weithin eisfreien arktischen Meere 
neue, bis heute mit Erfolg ausgebeutete Fischplätze aufzu- 
finden. 


gegeben. 


Prämien. — 


1) Es ist mir unbekannt, ob es derselbe Kapitän Roys ist, welcher 
jetzt, wie mir Kapitän Hegemann vom Schiff „Julian”, Ende Februar 
1869 von Honolulu als Passagier in Bremen angekommen, erzählt, auf 
der Vancouver-Insel eine Walfischerei zu gründen im Begriff steht. 


13 


100 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &c. 


Zu Anfang der 30er Jahre betrug die Zahl der auf 
den sogenannten Südsee-Walfischfang (welcher auch die 
nordische Fischerei bei Sibirien und Kalifornien mit um- 
fasste) gehenden Britischen Fahrzeuge zwischen 30 und 40. 
Die Schiffe nahmen ihren Weg nach den verschiedenen 
Fischrevieren entweder um das Kap der Guten Hoffnung 
oder um Kap Horn, je nachdem sie den Fang im Indi- 
schen Ocean oder auf den Fischgründen Südwest-Amerika’s 
und Polynesiens betreiben wollten. Die Englischen Kolo- 
nien beginnen, sich durch Ansiedler mehr und mehr zu be- 
leben, und die Küsten- und Baienfischerei wird in Angriff 
genommen. Heut zu Tage wird die Spermfischerei von Neu- 
Seeland aus auf kleinen Fahrzeugen betrieben, in Melbourne 
war eine Fischerei-Gesellschaft in der Bildung begriffen, 
am schwunghaftesten ist aber der Betrieb von Tasmanien, 
von wo der Walfischfang mit 25 Schiffen von zusammen 
5746 Tonnen Gehalt betrieben wird. (Ich weiss nicht, in 
welchen Breiten und welche Art Cetaceen gefischt wird.) 

Frankreichs Südseefischerei wurde im Jahre 1817 wieder 
aufgenommen, und zwar durch einen Amerikaner, Herrn J. 
Winslow. Er eröffnete nach langer Unterbrechung die 
Französische Südseefischerei am 2. April 1817 mit dem 
Schiffe „Massachusetts”. In den 20er Jahren war die 
Zahl der Französischen Whaler sechs bis acht. In den 
Jahren 1831 bis 1844 variirte die Zahl zwischen 16 (1831) 
und 44 (1837); in der Zeit von 1845 bis 1855 war die 
höchste Zahl der in einem Jahre aus Hayre auf den Walfang 
ausgesandten Fahrzeuge neun, sie sank immer weiter herab 
und im Juli 1868 legte der einzige und vorläufig auch 
letzte Whaler der Französischen Marine, aus der Bering- 
Strasse kommend, in dem Hafen von Hayre bei (s. die Tabelle 
über die Erträge der Französischen Walfischerei bis 1868, 
Anlage B, 3). Dieser Rückgang war möglich, trotzdem 
die Regierung die Grossfischerei überhaupt und besonders 
diesen Betrieb auffallend begünstigte! 1819 ward den auf 
die Walerei ausgehenden Französischen Schiffen bei der 
Abfahrt wie bei der Rückkehr eine Prämie von 60 Francs 
für die Tonne bewilligt, unter Beschränkung bis auf 40 Fres., 
je nachdem die Bemannung zum grösseren Theil oder nur 
zur Hälfte aus Franzosen bestand. Später, in den Jahren 
1832 bis 1836, ward diese Prämie etwas modificirt, 1841 
finden wir Prämien von 35 und 25 Fres., die 1851 wieder 
auf 70 Fres. bei der Abfahrt und 50 Fres. bei der Rück- 
kehr eines Whalers gesetzt werden, ausserdem noch eine 
Supplementar-Prämie von 15 Fres. per Quintal Thran, und 
zwar für die nordische Fahrt bei mindestens 30monatlicher 
Abwesenheit und wenn das Schiff in höheren Breiten ge- 
fischt hatte. (Die genauen Bestimmungen über die in Frank- 
reich geltenden Prämien habe ich der erwähnten Tabelle 
angefügt und ich bin für die Mittheilung derselben, so wie 


der Erträge der letzten Jahre dem Rheder Herrn Winslow 
in Hayre zu grossem Dank verpflichtet.) 

Deutsche Südseefischerei. — Ende der 30er Jahre be- 
gannen die an Kapital und Unternehmungsgeist erstarkten 
Hansestädte, und zwar zuerst Bremen, dann Hamburg, die 
Südseefischerei. 

Hamburg rüstete den ersten Südseefahrer 1844 aus 
und im folgenden Jahre expedirte eine Kompagnie, welche 
sich inzwischen gebildet hatte, zwei Schiffe. Später folgen 
einzelne Unternehmungen von Stettin und Wolgast (nach der 
Südsee und Kamtschatka). 

Inzwischen haben sich Handel und Verkehr in der Süd- 
see gewaltig entwickelt. 

Kalifornien, das bis dahin wenig bekannte Indianerland, 
wird durch die Entdeckung unerschöpflicher Goldlager das 
Endziel zahlloser Abenteurer und Ansiedler und bevölkert 
sich mit beispielloser Schnelligkeit durch Einwanderer aus 
Ost-Amerika und Europa. Es wird dadurch ein reich loh- 
nendes Absatzfeld für die Landbauprodukte der fruchtbaren 
Südsee-Inseln, welche zugleich durch Eröffnung des Ver- 
kehres mit China und Japan aus blossen Erfrischungsplätzen 
der Walfänger zu wichtigen Stationen an Weltverkehrs- 
strassen werden. 

Handelshäuser, besonders auf Honolulu und Lahaina, 
vermitteln und erleichtern die Verbindungen, und es er- 
weist sich immer mehr als vortheilhaft, die Fahrzeuge von 
der Fischerei nach den Sandwich-Inseln zurückkehren zu 
lassen und von dort wieder auszurüsten, den Segen aber 
in Handelsschiffen nach Bestimmung des Rheders zu ver- 
laden, ähnlich wie in der ersten Periode der Spitzbergen- 
Fischerei. Fischerfahrzeuge von Deutschen Kaufleuten fahren 
unter Hawalischer und Oldenburgischer Flagge. Der natio- 
nale Nutzen der Grossfischerei, in so fern sie der Nation im 
entscheidenden Augenblick seetüchtige und an Gefahren ge- 
wöhnte Mannschaften zur Verfügung stellt, ging damit frei- 
lich zum Theil verloren, 

Eine Zeit lang war Bremen unter den Deutschen See- 
plätzen der Mittelpunkt für die Südseefischerei - Unterneh- 
mungen. Es wurden an der Weser Fahrzeuge für fremde 
Rechnung ausgerüstet und expedirt und in einzelnen Fällen 
übernahmen Bremer Kapitäne das Kommando von aus frem- 
den Häfen auf die Südseefischerei gesandten Fahrzeugen, 
so z. B. in Rotterdam. Ein Deutscher Gelehrter, Dr. C. 
W. L. Gloger in Breslau, schrieb im Jahre 1847 eine Bro- 
schüre: „Der Walfischfang und seine Beförderung in Deutsch- 
land als vaterländische Zeitfrage”. Er wies auf die Be- 
deutung dieses Betriebes für Deutschlands maritimen Auf- 
schwung hin, allein damals waren die Verhältnisse noch 
lange nicht darnach angethan, dass eine Deutsche Regierung 
sich für dieses wichtige Seegewerbe hätte thatkräftig inter- 


Die Fischerei-Unternehmungen in der 


essiren können und dass das Kapital des Deutschen Binnen- 
landes in einer Seeunternehmung gewagt worden wäre. 

Erschwerungen der Deutschen Fischerei durch fremde Zölle. 
— Die Seestädte blieben ganz und gar auf sich angewiesen. 
Dabei bestanden in Gross-Britannien, den Vereinigten Staaten 
von Nord-Amerika und in Frankreich hohe Schutzzölle zu 
Gunsten der nationalen Fischereien !). Im Jahre 1838 bei- 
spielsweise betrug der Einfuhrzoll auf Thran von fremder 
Fischerei in den Vereinigten Staaten 6 Thlr., in England 
16 Thlr. für die Bremer Tonne. In Frankreich war da- 
mals der Zoll so hoch, dass die Französische Fischerei da- 
durch thatsächlich ein Monopol hatte. 

Daneben bestanden in Frankreich die Prämien, und zwar 
von einem solchen Betrage, dass ein Schiff wie die „Vir- 
ginia”, jener erste Bremer Südseefahrer, bei der Rückkehr 
36.000 Fres. Prämie erhalten haben würde. Wie wichtig 
die Förderung der eigenen Südseefischerei war, ergab die 
Thatsache, dass im Jahre 1837 die Einfuhr von Südsee- 
thran in Bremen 39.000 Tonnen zu einem Kapitalwerth 
von etwa 600.000 Thlr. betrug. Bremen erhob von Süd- 
seethran einen Eingangszoll von 8 Groten auf jede Tonne. 
Die Bremer Südseefahrer machten beim Senate wiederholte, 
aber immer vergebliche Anstrengungen, damit sie den selbst- 
erbeuteten Segen zollfrei in Bremen einbringen könnten. Das 
Motiv des Senates für die Ablehnung war die Rücksicht auf 
die Aufrechthaltung des freien Handels; die im Wege des 
Handels eingeführten Erzeugnisse würden durch eine solche 
Begünstigung in ungerechter Weise benachtheiligt werden. 
Die bis dahin aus früherer Zeit her noch in Kraft ge- 
bliebene Befreiung des Fischsegens der Grönlandsfahrer vom 
Eingangszoll wurde gleichzeitig aufgehoben und es wurde 
dadurch die Fischerei fremder Nationen mit der Bremischen 
in Bezug auf die Einfuhr völlig gleichgestellt. In den 
Vereinigten Staaten bestand, wie gesagt, ein hoher Zoll auf 
die Erzeugnisse der fremden Fischerei, 33 Proz. vom Werth; 
noch jetzt beträgt dort der Einfuhrzoll auf den von fremden 
Fischereien gewonnenen Thran 20 Prozent vom Werth, 
während die nationalen Fischerei-Erzeugnisse frei eingeführt 


werden. 
Differenzielle Behandlung Deutscher Schiffe bei Einfuhr 
des angebrachten Segens in den Zollverein. — Nach der noch 


jetzt zur Anwendung kommenden „Bekanntmachung des 
ehemals Königlich Hannöver’schen Finanz-Ministeriums, be- 
treffend die zollfreie Einlassung der Produkte der vereins- 
ländischen Seefischerei” (Hannover, den 19. Februar 1859), 
gehen gesalzene Fische, Fischthran, Fischspeck, Fischbein, 
Walrath, Seehundsfelle und die Erzeugnisse der Küsten- 


1) Jetzt sind diese Zölle in Gross-Britannien ganz beseitigt, in Frank- 
reich erheblich erniedrigt. 


Südsee, im Atlantischen Ocean &c. 101 


fischerei zollfrei ein, wenn die betreffenden Fische &c. von 
den Mannschaften vereinsländischer Fischerfahrzeuge auf 
dem Meere selbst gefangen sind und wenn die Erzeugnisse 
der Fischerei, so weit nicht die besondere Art der Zurich- 
tung eine Ausnahme erfordert, von den Mannschaften auf 
dem Meere zugerichtet, beziehungsweise verarbeitet sind. 
Zu diesem Zweck findet eine Kontrole Seitens des betreffen- 
den Zollamtes über die Ausrüstung der Fahrzeuge Statt, 
und es haben zu diesem Zweck die Führer der Fahrzeuge 
sowohl beim Ein- wie beim Ausgang eine Reihe näher be- 
zeichneter Angaben an Eides Statt zu machen. Dagegen 
zahlen noch jetzt die Erzeugnisse der auf Bremischen 
Schiffen betriebenen arktischen Fischerei beim Eingang in 
den Zollverein einen nicht unerheblichen Zoll, und zwar 
für Fischthran 15 Sgr., für Robben- und Fischspeck 10 Sgr., 
für Robbenfelle 10 Sgr. per Centner (Barten sind zollfrei). 
Bei der jetzigen politischen Verfassung Nord - Deutschlands 
ist diese Zollerhebung eine abnorme. Es geht offenbar 
nicht an, die von nationalen Schiffen gewonnenen Fischerei- 
erzeugnisse wie eine aus der Fremde kommende Waare zu 
behandeln. 

Die Beseitigung der Zölle auf die Einfuhr der Erzeug- 
nisse der von Bremen, Hamburg und Altona betriebenen Gross- 
‚fischerei Seitens des Deutschen Zollvereins in Aussicht. — 
Von einem Bremer Rheder ist denn auch im vorigen Jahre 
eine Eingabe an den Bundeskanzler gerichtet worden, in 
welcher „um Beseitigung dieser differenziellen Behandlung 
der in Bremen registrirten Norddeutschen Schiffe gegenüber 
den von Geestemünde ausfahrenden” gebeten wird. Unter 
Anderem wird darin gesagt: 

Eine Fortdauer dieser differenziellen Behandlung der 
hierselbst registrirten Norddeutschen Schiffe sei offenbar ein 
Gegensatz zu der verfassungsmässigen Einheit der Deut- 
schen Kauffahrteiflotte und widerspreche dem Geiste der 
neuen Zollvereinsorganisation, welche die Zollausschlüsse 
eben so wohl wie das Zollgebiet umfasse. Der Zweck der 
Zollfreiheit sei Beförderung der nationalen Fischerei und 
eben deshalb müssten die unter Norddeutscher Flagge fah- 
renden hier registrirten Schiffe eben so behandelt werden 
wie die von Geestemünde ausgehenden. 

In der am 11. September v. J. ertheilten Antwort des 
Herrn Präsidenten, des Bundeskanzlers, wird denn auch 
zugesagt, „dass dem Bundesrathe des Zollvereins in dessen 
nächster Session ein Antrag vorgelegt werden solle, durch 
welchen Bremen, Hamburg und Altona mit ihren Freihäfen 
in dieser Beziehung den Freihafenplätzen Brake und Geeste- 
münde gleichgestellt würden”. 

Deutsche Fischerfahrten nach der Südsee. — In Bremen 
waren es vorzugsweise nordische Häuser, welche die Grön- 
landsfahrt fortsetzten, während die Südseefischerei zuerst 


102 


durch Handelshäuser, welche ihre wichtigsten Verbindungen 
mit Nord-Amerika haben, betrieben wurde !). Einen allmäh- 
lichen Übergang von der Atlantischen zur Südseefischerei, eine 
Zwischenstufe, welche wie in Nord-Amerika zu jenem gross- 
artigen Betriebe vorbereitet, finden wir nicht. Der neue Be- 
trieb erfordert sogleich gewaltige Kapitalauslagen. Es zeigen 
sich anfänglich grosse Schwierigkeiten, die erforderliche in 
der Grossfischerei geübte Bemannung zu beschaffen. Die 


Grönlandsfahrer waren kaum dazu geeignet, denn bei der Er- 


öffnung des Betriebes waren die Hauptfischplätze in den süd- 
lichen Breiten und der Betrieb war vielfach ein anderer. Eine 
Vorschule zur Heranbildung tüchtiger Fischerleute, wie sie 
die Amerikaner in der ergiebigen Küstenfischerei hatten, 
existirte an dem wegen seiner Seehandelsbedeutung vor 
Allem in Betracht kommenden Theil der Deutschen Küste, 
Allein 
bald hatte sich der Deutsche Seemann in diesem Betriebe 


an der Nordsee, nur in sehr unbeaeutendem Maasse. 


heimisch gemacht und zeigte sich ausdauernd und tüchtig. 
Eine längere Zeit hindurch waren die Bremer Südsee- 
fischerei-Unternehmungen meist glücklich, so dass sogar aus 
den Kreisen der Bremer Handwerker heraus eine Südsee- 
Sie sandte am 3. Mai 
1847 das Schiff „Bremen”, Kapitän Geerken, auf den Fisch- 
fang in der Südsee und an der Küste von Kalifornien aus, 


fischerei-Kompagnie sich bildete. 


löste sich aber später wegen finanzieller Misserfolge auf. 
Überhaupt erweist sich doch auf die Dauer dieser Betrieb als 
zu unsicher in seinen Ergebnissen, zu weit hinaus angelegt, 
zu schwierig von Europa aus zu betreiben. Die Mitbewerbung 
der ersten Fischer der Welt, der Nord-Amerikaner, später 
auch der Plätze in der Südsee (Süd-Australien, Tasmanien) 
und Chile’s hat die grossen Vortheile besserer Gelegenheit 
voraus. 
der Betrieb der Fischerei direkt von Europa aus unter jedes- 
maliger Rückkehr der Fahrzeuge nach der Heimath, ein- 
gestellt. 


Nach reichlich 20jähriger Dauer wird, wie gesagt, 


Das Bremer Pionierschiff , Virginia”. — Das erste 
Schiff, welches in Bremen für die Südseefischerei ausgerüstet 
wurde, war die „Virginia”, 200 Last gross, Kapitän J. D. 
Krudop; Rheder war das Handlungshaus Gloystein & Geve- 
koht. An Bord waren in der Südseefischerei erfahrene Ameri- 
kaner. Ende September 1836 traf man bei der Brasiliani- 
schen Insel Trinidad die ersten Wale. Der Kurs wurde um 
das Kap der Guten Hoffnung genommen und am 30. Dez. 
im Indischen Meere die höchste Breite, 41° 23’ S. Br., bei 
48° 23’ Ö.L. erreicht. Am 10. Febr. 1837 legte die „Vir- 
ginia” nach einer ununterbrochenen Reise von 197 Tagen bei 
der Robben-Insel vor dem Schwanenflusse, Swan River (West- 


e 1) Das Haus C. A. Heineken & Co. in Baltimore und Bremen 
rüstete seinen ersten Südseefahrer 1837 in Baltimore ans. 


Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, in Atlantischen Ocean &e. 


Australien) vor Anker. Ein Englischer Bericht vom Schwa- 
nenflusse vom 21. Febr. 1837 lautet unter Anderem dahin: 
„In diesen Gewässern befinden sich eine unermsssliche 
Menge Walfische; das Schiff „Japan”, Kapıtän Hill, erst 
18 Monate von London abwesend, hat schon 2200 Fass 
eingenommen; wird indessen von England aus nicht thä- 
tiger an diesem Fange Theil genommen, so werden wohl 
die Nord-Amerikaner jetzt, da sie hier Erfrischungen haben 
können, den meisten Nutzen davon ziehen; ein Schiff von 
Bremen ist zu gleichem Zweck hier eingetroffen” &e. 

In Freemantle entlief der erste Harpunier, ein Ameri- 
kaner. Am 20. Febr. ging die „ Virginia” wieder unter 
Segel und kreuzte nun längere Zeit Fische suchend bei 
Neu-Seeland, namentlich in der Cloudy-Bai. Später ver- 
weilte das Schiff mit anderen Walfischfängern in der Insel- 
Bai, reparirte dort und nahm Erfrischungen (Wasser, Fleisch, 
Gemüse &e.) ein. 

Am 23. April 1838 wurde die Rückreise nach Bremen 
um Kap Horn angetreten und am 15. August langte die 
„Virginia” nach einer Abwesenheit von 25 Monaten mit 
einem Segen von 2300 Tonnen Thran und 20.000 Pfd. 
Barten wieder auf der Weser an. Neben diesem Segen 
brachte die „Virginia” eine Merkwürdigkeit mit, die, wie die 
ganze Unternehmung, damals grosses Aufsehen in Deutsch- 
land erregte. Es waren zwei Neuseeländer, welche Har- 
puniere gewesen und als besoldete Matrosen die Reise nach 
Europa gemacht hatten '). 

Seit dieser Pionierreise der „Virgimia” segelten im 
Ganzen 43 Schiffe von Bremen in direkter Hin- und Rück- 
reise auf den Südseefischfang. Während die ersten auf 
zweijährigen Reisen nur im südlichen Grossen Ocean fisch- 
ten, wurden später die Reisen auf die Gründe an der Kali- 
fornischen Küste, bei Kamtschatka und jenseit der Bering- 
Strasse ausgedehnt. Vierzig von diesen Unternehmungen 
geschahen für Bremer Rechnung, drei wurden für Russische 
Plätze hier ausgerüstet. Das letzte Schiff, welches von der 
Weser auf Südseefischerei segelte, um mit dem gewonnenen 
Segen wieder heimzukehren, war die „Republik” des Hauses 
D.H. Wätjen & Co. Das Schiff war beinahe vier Jahre aus. 

Auf die Expeditionen nach den arktischen Küsten Asiens 
und West-Amerika’s zum Zweck des Tauschhandels will ich 
nur hinweisen. Das Pionierschiff war die „Rhena” von 
Emden, Kapitän Millers. Die Reise ist uns durch E. Mohr’s 
anziehende Schilderung bekannt. Es folgten später mehrere 
Deutsche Unternehmungen dieser Art. Ein Deutsches Haus 
in Honolulu hatte während einiger Jahre eine Pelzhandel- 
Niederlassung in Petropawlowsk. 


!) Das „Ausland” brachte die eingehende Schilderung eines Be- 
suches bei diesen Wilden, welche sich längere Zeit im Hause des Boots- 
manns der „Virginia”, Meinke, in Iprump bei Delmenhorst aufhielten. 


Die Fischerei-Unternehmungen in der 


Über mehrere Reisen von Bremer Schiffen liegen mir 
Journale und eingehendere Berichte vor und aus diesen 
soll hier noch Einiges mitgetheilt werden. 

Die Südseekreuze der „Averik Heineken”, Kapitän 
Schneider, eines in New Bedford gekauften Schiffes, das 
1838 bis 1839 seine erste Fischerfahrt von der Weser 
unter Kapitän Sletsen mit Amerikanischem Volke gemacht 
hatte und für Rechnung von C. A. Heineken fuhr. Am 
10. April 1840 kam das Schiff in See, am 14. Dover pas- 
sirt, am 27. Mai auf 22° 4’ W. L. die Linie passirt, am 
6. Juni bei Trinidad, am 6. Juli auf 40° 9’ 8. Br. und 
31° 54’ W.L. der erste Fisch gefangen. Vom 12. bis 19. 
schwere Stürme, am 19. Mitt. auf 38° 2’ S. Br. und 
76° 2’ Ö. L., Abends die Insel St. Paul erblickt. Am 
20. August die Küste von Neu-Seeland erblickt (134 Tage in 
See) und bei Kap Räkäou vor Anker gegangen. Bis Januar 
1840 wird nun mit gutem Erfolg auf right whale und 
Spermfisch gefischt und zwar von 32 bis 44° 8. Br. und 
von 160 bis 171° W. L. Am 16. in der Akaroa-Bai vor 
Anker gegangen, Kartoffeln eingenommen, Kapitän und Frau 
und Leute wiederholt am Lande; bis dahin waren 20 Fische 
gefangen. Am 27. Januar 1841 wird wieder in See ge- 
gangen und 94 Tage, bis zum 30. April, auf 43 bis 45° 
° 8. Br. und 175 bis 179° Ö. L. gefischt, 24 Fische ge- 
fangen. Sodann folgt Baifischerei in der Port Kuba-Bai mit 
Booten bis Anfang August (das Schiff folgt den Booten unter 
Segel), 13 Fische gefangen. Den 24. August wieder in 
See gestochen, Fischerei bis 23. Oktober unter 33 bis 35° 
S. Br. und 178 bis 170° W. L. Am 23. wird der 68. 
Fisch gefangen und damit ist das Schiff aufgefüllt. Auf 
der Rückreise wird in Talcahuano noch 14 Tage gerastet 
und von dort in 133 Tagen die Weser erreicht. Ankunft 
in Bremerhaven den 6. Mai 1842. 5 

Es wurden noch in den letzten Jahren mehrere Süd- 
seefahrer auf einer Bremischen Werft (von Bosse in Burg 
an der Lesum) erbaut. Die Amerikanische Fischereiliste 
(New Bedford Whalemen’s shipping list vom 19. Januar 
1869) führt unter Bremen noch die Schiffe „Eagle” (nach 
dem Kodiakgrund) und „Count Bismarck” (nach dem arkti- 
schen Meere), beide befehligt von Deutschen Kapitänen, mit 
einem Segen von 170 und resp. 600 Barrels T'hran und 3000, 
resp. 9500 Pfd. Barten auf. Für ein hiesiges Haus waren 
in den letzten Jahren mehrere Schiffe, die unter Oldenburger 
Flagge fuhren, von Honolulu aus mit der Südseefischerei be- 
schäftigt, und zwar theils nördlich der Bering-Strasse, theils 
auf dem Kodiakgrund (bei der Halbinsel Alaska). Das letzte 
dieser Schiffe, der „Julian”, ist, nachdem es an der vorjähri- 
gen Aretic-Kreuze noch Theil genommen und erst am 23. Okt. 
1868 die Bering-Strasse passirt, nunmehr verkauft und es 
ist ungewiss, ob der Betrieb von diesem Hause wieder auf- 


Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 103 


genommen wird. Von einem dieser Rheder wird mir mit- 
getheilt, dass neun Jahre hindurch durchschnittlich drei 
Schiffe für Rechnung dieses Hauses in der Südseefischerei 
beschäftigt waren und dass der Brutto-Ertrag in dieser Zeit 
sich in runder Summe auf mehr als 880.000 Thlr. belief. 

Weshalb die Süd-Atlantische Spermfischerei, welche noch 
im vorigen Jahre von Provincetown mit einigen 50 Schoo- 
nern schwungvoll betrieben wurde, nicht auch von Nord- 
deutschen Plätzen in Angriff genommen wurde, ist nicht 
abzusehen. Dieser Betrieb erfordert ein weit geringeres 
Kapital als die grosse Fahrt und die Deutschen Plätze lie- 
gen dafür gleich günstig. 

Mittheihungen Deutscher Walfischfänger über ihre Reisen 
18564 bis 1867. — 1. Kapitän Mammen vom Oldenburgi- 
schen Schiff „Oregon” auf Spermfischfang im Grossen Ocean 
und nach dem Ochotsk-Meer. 

Zuerst wird der Kurs Südwest genommen, nach der Linie, 
auf Spermfischfang und bei den Salomon-Inseln vorgesprochen. 
Von da nach den Ladronen, um Feuerung und Lebensmittel 
einzunehmen (süsse Kartoffeln und Schweinefleisch, ein- 
getauscht gegen Kattun und Tabak). Bei den Ladronen 
Anfang März. Von da nach der Küste von Japan, wo im 
Osten von der Insel Spermfischfang betrieben wird. Es 
wird für ein paar Tage in Hakodade oder Yokuhama ein- 
gelaufen. Ende April nach dem Norden, um wo möglich 
gegen den 1. Mai in der Ochotsk-See zur Frühjahrsfischerei 
(Eisfischerei) zu sein. Die Schiffe gehen dort zunächst 
nach der Jonas-Insel, wo bow-heads zu treffen sind, eben so 
in den Baien (die Grosse und Kleine Schantar-Bai), Die 
Schiffe streifen an der Küste der Ochotsk-See hin und 
durchsuchen diese Baien nach Fischen. Sie halten sich hier 
bis Anfang Oktober auf, sodann Rückfahrt nach Honolulu, 
wo sie Anfang oder Mitte November wieder eintreffen. 
(Die Amerikanischen Whaler pflegen häufig, um Thran zu 
verschiffen, nach San Franeisco zu gehen.) 

Ein anderer Kurs namentlich der Amerikanischen Wal- 
fischfänger ist folgender: Mitte Dezember gehen die Schiffe 
nach der Küste von Kalifornien auf den Fang des Kalıforni- 
schen Wals der „Grey-backs” und kehren Mitte März nach 
Honolulu zurück, nehmen Lebensmittel em, löschen Thran 
und gehen dann nach der Bering-Strasse, wo die gewöhn- 
liche höchste Breite 72° 50’ ist, während die gewöhnlichen 
Grenzen der Whalerstreifzüge in Ost und West Kap Jakan 
und Kap Lisbourne sind; je nach den Verhältnissen des 
Eises gehen sie zuweilen weiter westlich oder östlich. 

Auf ein Barrel Thran rechnet man 14 Pfd. Barten. 
Die durehschnittliche Thranergiebigkeit eines mittelgrossen 
bow-heads ist 70 bis 110 Barrels (& 216 Pfd. netto). 

2. Kapitän Lübber’s Mittheilungen vom Oldenburger Schiff 
„Julian”. Zunächst von Honolulu im Januar nach Christmas 


104 


Islands, von da nach Pleasant Island. Hier gute Spermfisch- 
gründe. Dann nach der Gilbert-Insel, die Linie passirend, 
auf Spermfischerei. Bis dahin ist die Reisedauer von Hono- 
lulu 14 Tage bis drei Wochen. Dann nach den Sperm- 
Walsründen bei New Ireland, welche an der Nordseite 
am ergiebigsten sind. Starke südliche Strömung. Wieder 
über Pleasant nach Ualan; Tauschhandel mit den Wilden: 
frisches Wasser, Holz, Schweine gegen Tabak und etwas 
Geld. Sodann an der Nordseite der Karolinen nach Guam 
zu, der südlichsten der Marianen. Hier wird eingelaufen 
und es werden Fleisch und Kartoffeln eingenommen. 

Bei Guam ist Fang von hump-back-Walen. (Diese Wale 
müssen in seichtem Wasser gefangen werden und liefern 
20 bis 40 Barrels.) Von Guam bei der Bonin-Insel vorbei, 
Spermfische suchend, durch die Sangar-Strasse nach Hako- 
dade. Einige Schiffe gehen hier auf right wale - Fischerei. 
In Hakodade, Mitte oder Ende April, werden Kartoffeln und 
Fleisch eingenommen (der „Julian” des Kapitän Lübber nahm 
100 Barrels). Mitunter geben die Schiffer hier an andere 
Amerikanische Schiffe Thran ab. Die ganze Flotte geht nur 
bis zum Kap Navarin, hier theilt sich die Ochotsk-Flotte 
von der die Bering-Strasse passirenden Arctic-Flotte ab. 

Schiffe, welche an der Westküste Japan’s auf right whale 
fischen, gehen durch die La Peyrouse-Strasse gleich in die 
Bai von Ochotsk. 

Die Arctie-Flotte geht westlich oder östlich von der 
Bering-Insel. Auf etwa 58 bis 60 Grad Treibeis (loses Eis 
und Eisberge). Bei Kap Navarin bow-head-Fischerei. 

Die bow-heads gehen nicht weiter südlich als das Eis, 
also in der Regel bis zum 58. Grad, sie gehen aber mit 
dem Eis, wenn dasselbe weiter südlich treibt, weiter. Bei 
Point Providence, gewöhnlich Plover-Bai, ist der bow-head 
Mitte oder Ende Juni und Anfangs Juli. Anfangs Oktober 
Rückkehr nach Honolulu durch den Amuchta-Pass (zwischen 
den Aleuten-Inseln Seguam und Amuchta). 

Die beiden Arctic-Kapitäne, welche ich zuletzt sprach, 
schildern mir die erstaunliche Menge von Walrossen, welche 
man nicht selten jenseits der Bering-Strasse trifft. Die 
Mannschaft des ‚‚Julian’” tödtete in ihren Mussestunden, d. h. 
wenn keine Gelegenheit zur Fischerei war, deren 60. 

Bau und Einrichtung Deutscher Südseefahrer. — Die an 
der Weser für die Südseefischerei in den letzten Jahren 
erbauten Fahrzeuge !) weichen in so fern von den Grönlands- 
fahrern ab, als sie viel schärfer gebaut sind. Die von 
Honolulu fahrenden Schiffe sind lediglich für den Fischfang 
bestimmt. Den Transport des Thranes nach Europa ver- 
mitteln Handelsschiffe und auf diese Weise wird das in den 
Fischerfahrzeugen angelegte Kapital nicht durch die lange 
Hin- und Herreise unnöthig brach gelegt. Es kommt nicht 
so sehr darauf an, dass die Schiffe eine grosse Ladung ber- 
gen können, weil sie doch selten in einer Season ,„voll” 
werden, sondern darauf, dass sie schnell segeln, namentlich 
beim Winde gut manöyriren, damit sie auf der Jagd ande- 
ren Schiffen, die mit am Platze sind, voran kommen, damit 
sie auch kühner .sich dem Eise und der Leeküste nähern 


!) In Beziehung auf diese Bemerkungen bin ich dem Herrn Schiffs- 
baumeister J. Bosse in Burg, auf dessen Werft mehrere Siüdseefahrer. 
gebaut wurden, für freundliche Auskunft verbunden. Auch in Bremen 
wurde noch vor zwei Jahren ein Südseefahrer, der „Graf Bismarck”, 
auf der Knickman’schen Werft erbaut. 


Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 


können; die Buge werden nicht wie bei den Grönländern 
mit eisernen Bändern und Platten geschützt, sondern sie 
werden gekupfert, was bei den Grönlandsschiffen nicht ge- 
schieht. (Eisen und Kupfer vertragen sich bekanntlich im 
Seewasser nicht.) Dagegen werden die Steven vorn mit ge- 
gossenen Metallplatten versehen, die Buge bis etwas wei- 
ter als zum Fockmast mit eichener Doppelung belegt. Das 
Schiff wird bis zur Wasserlinie (beladen) mit einer starken 
Kupferhaut versehen. 

(Der an der Lesum unweit Bremen vor einem Jahre 
neu erbaute „Wilhelm 1.” [Barke von 237 Last] hat ausser 
der Bugdoppelung noch eine Spikerhaut von 1 bis 14 Zoll 
Stärke unter dem Kupfer, und zwar um das ganze Schiff, 
damit, wenn das Eis Platten abreissen sollte, das Schiff 
doch noch eine Zeit lang durch die Spikerhaut und den 
darunter liegenden Filz gegen Wurmfrass geschützt sei.) 

Während die Grönlandsfahrer den Speck zurückbringen, 
welcher dann am Lande ausgekocht wird, kocht man be- 
kanntlich auf den Südseefahrern den Speck an Bord aus. 
Zu dem Zwecke befindet sich auf dem Deck hinter dem 
Fockmast ein gemauerter Ofen, in welchem in kupfernen 
Töpfen der Speck ausgeschmolzen wird. Das Mauerwerk ist 
mit eisernen Knieen auf den: Balken verbolzt und es bleibt 
einige Zoll Zwischenraum; beim Thranbrennen wird dieser 
letztere beständig voll Wasser gehalten, um das Anbrennen 
des Decks zu verhüten. Der Speck wird mittelst einer 
Maschine (mince-Maschine) zerstückt. (Geheizt wird mit 
dem ausgebratenen Speck, den Greven, mit Holz wird nur 
angeheizt.) Die übrige Einrichtung weicht nicht viel von 
derjenigen der Grönlandsfahrer ab. Ausser den Krähnen — 
der „Wilhelm I.” hat zehn Krähne für fünf Boote, drei 
am Backbord, zwei am Steuerbord — hat der Südsee- 
fahrer zwischen Gross- und Besanmast einen sogenannten 
Galgen, worauf die Reserve-Schaluppen gelegt werden. Hin- 
ter dem Besanmast bis zum Heck ist ein Überbau für die 
Kombüse, Kajüten-Eingänge und sonstige Räumlichkeiten; 
wegen der Thrankocherei kann die Kombüse nicht in der 
Mitte des Schiffes stehen. Sonst ist das Deck bis zum 
Bratspill im Bug frei, um möglichst Platz für die Arbeit 
und vorläufige Unterbringung eben gefüllter Fässer zu haben. 
An die Reling ist eine Planke gebolzt, an welche die ge- 
füllten Fässer vor dem Verstauen in den Raum gelascht 
werden. Der Grossmast ist stärker als gewöhnlich, auch 
mit einer Spanne Wanten extra versehen, denn an ihm 
wird das Takel befestigt,. womit beim Abspecken des Fisches 
letzterer gekentert wird, in der Weise, dass der Speck ähn- 
lich wie ein Apfel abgeschält und in langen Streifen auf 
Deck gewunden wird. Wenn stürmische See ist, so kommt 
es dabei sehr auf den grossen Mast an. Das Schiff hat 
ein festes Zwischendeck von 64 Fuss Höhe. Die Kajüte 
und Kammer für den Kapitän befinden sich hinten, weiter 
nach vorn ist eine zweite Kajüte und Schlafkammer, so- 
dann am Steuerbord eine Kammer für 7 Harpuniere. Der 
übrige Zwischenraum ist bis zum Bug frei und darin be- 
findet sich das Volkslogis für 25 bis 30 Mann. Im Raum 
ist nichts Besonderes als der Bug, der durch verschiedene so- 
genannte eiserne Schlangen und Bänder gegen den Andrang; 
des Eises verstärkt ist; die Stütze und der Balken sind mit 
Rillen versehen, in welche starke Schotten geschoben wer- 
den, um das Übergehen der Fässer zu verhindern. Die 


Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &c. 


Kosten der Herstellung eines Südseefahrers von der Grösse 
der Bark „König Wilhelm I.”, auf der Werft so weit fertig 
geliefert, als es bei Kauffahrern gebräuchlich ist, stellen 
sich auf 125 bis 130 Thaler per Last, wozu noch die 
Kupferung mit Spikerhaut (3500 Thaler) und die Kosten 
der gesammten Ausrüstung für die Fischerei kommen, die 
immerhin 8000 Thaler betragen mögen. Früher rechnete 
man die Ausrüstung eines Schiffes von 300 Last für die 
Südsee auf zwei Jahre, Alles in Allem, also auch einschliess- 
lich des Proviants, auf 25.000 Thaler. 

Art und Weise des Fischereibetriebes in der Südsee '). 
Bemannung. Boote. Antheil. Wie die Schottischen Fischer- 
dampfer für die Fahrt nach der Davis-Strasse auf den Shet- 
land-Inseln ihre Mannschaft vervollständigen, so thun es 
auch die Südseefahrer, und zwar an verschiedenen Stationen, 
in noch weit grösserem Maassstabe. Kanaken und Neu- 
seeländer, überhaupt Polynesier, Chilenen ®), Peruaner, 
Bewohner ° der Kapverdischen Inseln, 
den unterwegs angenommen und die Plätze der Sand- 
wich-Inseln bilden ein stehendes An- und Abmusterungs- 
Bureau für die Südseefischer. Leute, die sich auf ein an 
Bord nothwendiges Handwerk verstehen, werden vorzugs- 
weise gern genommen. Die Bemannung ist auf Antheil am 
Bruttowerth des Fanges angewiesen. Es scheint diese Ver- 
gütungsweise beim Walfschfang zu allen Zeiten und auf 
allen Meeren bestanden zu haben. Dieser Antheil (lay 
oder outlay) ‚variirt auf Deutschen Schiffen von 1 Tonne 
Thran auf 15 bis herab auf 1 Tonne Thran von 140 Tonnen. 
Die foremasthands, d.i. die Leute vor dem Mast, Matrosen, 
Leichtmatrosen, Zimmermann, Koch und sonstige Hand- 
werker, welche in dem kleinen dreieckigen Logis wohnen, 
das den vordersten Theil des Zwischendecks einnimmt, 
haben 40 von jeder Tonne Thran und auch einen ver- 
hältnissmässigen Antheil an den Barten. Letzterer Antheil 
ist auf den Grönlandsfahrern nicht gebräuchlich. Der Har- 
punier (boatsteerer) bezieht so bis zu Yo, In einzelnen 
Fällen bis zu "so, die Steuerleute Ys3;, der Ober-Steuer- 
mann -Yıs bis /ıs. In Amerika berechnet man jetzt den 
Gesammtbetrag des lay auf 38 Prozent vom Netto-Ertrag 
des Fanges. Der Kapitän erhält eben so viel und ausser- 
dem einen „Bonus”, eine Prämie, je nach dem Fange bis zu 
1000 Dollars. Ein erfahrener, im Fange glücklicher Kapi- 
tän macht freilich selbst seine Bedingungen, so z. B. er- 
hielt ein bewährter Walfänger, Captain Ellen aus New Bed- 
ford, Yıo vom Brutto-Ertrage. Handgeld wird in der Regel 
nicht gegeben, es müsste denn grosser Mangel an Leuten sein. 
Die von Honolulu aufden Walfischfang ausgehenden Deutschen 
Schiffe rüsteten sich auf zehn Monate bis ein Jahr aus. In 
der Regel waren sie mit 42 Mann besetzt. Sie hatten 4 bis 
5 Boote, jedes bemannt mit 6 Mann: Boatsteerer, Harpu- 
nier und ausserdem 4 Mann. Die Besatzung zerfällt in die 
Steuerbords- und Backbords- Wache. Der Wachtdienst ist 
in die Morgen-, Mittag-, Abend- und Mitternachts -Wache 
eingetheilt. Der erste Steuermann kommandirt das Steuer- 
bords-Boot, der zweite das Backbords-Boot, der dritte das 


") Wir behalten diesen Ausdruck bei, weil er einmal gebräuchlich 
geworden ist, obwohl er seine Bedeutung durch das spätere Vordringen 
in die nördlicheren und arktischen Gewässer verloren hat. 

2) Talcahuano betreibt auch selbstständig den Spermfischfang, und 
zwar mit 10 bis 12 Schiffen. 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


Portugiesen wer-. 


105 


Weiss-Boot, der vierte das Bug-Boot. Jeder Boots- Kom- 
mandeur wählt sich seine Mannschaft. Der Bootssteuerer 
hat im Boote seinen Platz vorn und wirft das „Eisen” mit 
in den Fisch, und zwar aus freier Hand. Ein tüchtiger 
Harpunier hat noch auf 24 Fuss einen sichern Wurf. Wenn 
der Wal fest ist, springt der Bootssteuerer nach hinten, um 
das Boot zu steuern, und der Mann am Steuer nimmt den 
Platz desselben ein, um im günstigen Falle den Fisch zu 
lanzen. Die Boote sind 6 Englische Fuss breit und 30 Fuss 
lang, aus Cedernholz und mit fünf Duften (Doffen), d. ı. 
Ruderbänken, versehen. 

Art und Weise des Betriebes von New Bedford. — Nach 
der Mittheilung des Herrn Kapitän Seabury betrug in 
früheren Jahren das in einem Walfischfahrzeug angelegte 
Kapital bis zu 60.000 Doll., je nach der Grösse und Be- 
schaffenheit des Schiffes und der Zeit, für welche es aus- 
gerüstet wurde, und zwar: Schuner, Briggs und Barks für 
den Atlantischen Ocean für ein Jahr ausgerüstet. Durch- 
schnittspreis eines Schuners 6000 Doll., Ausrüstung 6000 
Doll., zusammen 12.000 Doll. Durchschnittspreis einer 
Brigg oder Bark 10.000 Doll., Ausrüstung 7000 Doll., zu- 
sammen 17.000 Doll. Für den Süd-Atlantischen Ocean oder 
für eine 2% bis 3 Jahre dauernde Reise: Barks von 1000 
bis 2000 Bb. Tragfähigkeit. Durchschnittspreis des Schiffes 
12.000 Doll., Ausrüstungskosten 12.000 Doll., zusammen 
24.000 Doll. Für eine Reise von drei Jahren bis 42 Mo- 
naten Schiffe von 1500 bis 3500 Bb. Tragfähigkeit. Durch- 
schnittspreis eines Schiffes 14.000 Doll., Ausrüstungskosten 
19.000 Doll., zusammen 33.000 Doll. Um den Anschlag 
für die jetzigen Verhältnisse zu bekommen, ist ein Zuschlag 
von 50 Prozent zu machen. Die durchschnittlichen Un- 
kosten während der Reise waren in früherer Zeit etwa 
12.000 Doll. und sind jetzt etwa 50 Prozent des Anlage- 
kapitals bei Reisen auf nordische Walerei, 20 Prozent bei 
den übrigen Reisen zu machen. 

Die Amerikanischen Walfischfahrzeuge gehören meist 
einzelnen Personen, zuweilen dem Kapitän, Offizieren und 
Mannschaft gemeinschaftlich. Wenn’Mehrere ein Schiff be- 
sitzen, so wählen diese eine Person aus ihrem Kreise, 
welche die Ausrüstung des Schiffes besorgt und als Agent 
fungirt; oder es ist auch umgekehrt der Fall, dass ein 
Agent, welcher ein Schiff auszurüsten wünscht, zu seinen 
Freunden geht, die Miteigenthümer an anderen Schiffen 
sind, und sie veranlasst, zu erklären, dass sie emen oder 
mehrere Antheile an dem auszurüstenden Schiffe nehmen. 
Sind die Antheile alle untergebracht, so kauft der Agent, 
dem es freigestellt bleibt sich als Miteigenthümer zu be- 
theiligen, ein Schiff und rüstet es für die Fahrt aus, in- 
dem er sich von den einzelnen Betheiligten den auf sie 
muthmasslich fallenden Antheil der Ausrüstungskosten vor- 
auszahlen lässt, und nachdem das Schiff in See gegangen 
unter Empfang von 24 Prozent Commission Abrechnung 
giebt. Die Bemannung stellt sich: auf 15 Mann bei einem 
Schuner mit zwei Booten, auf 21 bis 23 Mann bei einem 
Schuner oder Schiffe mit drei Booten, auf 30 Mann bei 
einem Schiffe mit vier Booten. 

Die Fischereigeräthe. — Die Harpune besteht aus einem 
armdieken, 3 bis 4 Fuss langen hölzernen Pfahl oder Stiel 
von Hickory- oder Eichenholz, auf welchem der kaum finger- 
dieke, 2 Fuss lange eiserne Harpunenschaft befestigt ist. 


14 


106 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 


Die Spitze ist entweder ein doppelter Widerhaken oder ein 
bewegliches Blatt, das zurückklappt und sich, wenn der 
Fisch vorwärts schiesst und dadurch das Eisen angezogen 
wird, quer vor die Wunde legt. Die Einrichtung des Auf- 
rollens der Leinen im Boote ist ähnlich wie bei den Grön- 
landsfahrern.. Jede Schaluppe hat 1500 bis 2400 Fuss 
Leinen. Die Lanze besteht aus eben solchem Pfahl wie 
die Harpune. Der Schaft vom besten Eisen ist 6 bis 7 Fuss 
lang. Ein rautenförmiges, haarscharfes, hohl geschliffenes 
Blatt bildet die Spitze. Zum Zurückziehen sitzt an der Lanze 
eine dünne, 30 bis 40 Fuss lange Leine, der Lanzenwarp. 

Anmerikanisches Fischrecht. — Noch haben wir ein paar 
Worte über das in der „Südsee” (alles nach dem Gebrauch 
darunter zu Begreifende mit einbegriffen) geltende Recht 
zu sagen. Es weicht wesentlich von dem Grönländischen ab. 
Fundamentalsatz ist nicht, wie dort, das Festmachen des 
Fisches und die Fortdauer der Verbindung mit dem Schift, 
sondern das erste Eisen (Harpune) entscheidet über den 
Besitz des Wales. Die Verfolgung des Fisches, so lange er 
nicht fest, ist völlig frei, wenn auch ein Boot dieselbe zu- 
erst begann. Wenn die Leine des fest gewordenen Bootes 
bricht, der Fisch entflieht, später aber dieser Fisch von 
dem Boote eines anderen Schiffes getödtet wird, so muss 
das zweite Schiff seine Beute aufgeben, wenn sich der erste 
Eigenthümer rechtzeitig meldet und seinen Anspruch durch 
die im Körper steckende Harpune, welche die Marke des 
Schiffes trägt, nachweist. (Umgehungen durch Heraus- 
schneiden des fremden Eisens finden natürlich häufig Statt.) 
Meldet sich der Eigenthümer während des Einschneidens 
des Fisches, so lautet die Regel: Alles, was schon binnen- 
bords ist, gehört dem zweiten, Alles, was noch aussenbords 
ist, dem ersten Schiff. Nach diesem Usance-Recht werden 
alle Streitigkeiten unter den Fischern selbst entschieden und 
nur selten erfolgt die Anrufung eines Gerichtshofes. Ein 
solcher Fall trug sich aber doch in der Kreuze 1867 im 
Ochotsk-Meere zu. Die Mannschaft des Oldenburger Schiffes 
„Oregon” tödtete einen Walfisch, dabei war ihr aber auf 
irgend eine Weise die Mannschaft des Amerikanischen 
Schiffes „Richmond” behülflich. Der „Oregon” nahm den 
Fisch ganz über, der „Richmond” erhob aber Anspruch dar- 
auf. In Honolulu stellte der Kapitän des „Richmond” des- 
halb Klage an und der Richter erkannte beiden Parteien 
je Eine Hälfte des Fisches zu. Bei dieser Gelegenheit wurde 
der Werth eines mittelgrossen Walfisches auf 150 Barrels 
Thran und 2000 Pfund Fischbein geschätzt, was nach den 
damaligen Preisen 7500 Dollars ergab. Die Einzelheiten 
dieses Rechtsfalles habe ich, da Kapitän Mammen nun längst 
wieder auf der Südsee schwimmt und ich erst nach seiner 
Abreise von hier Kunde von diesem Fall erhielt, nicht in 
Erfahrung bringen können. 

Glänzende Walerkreuze im Ochotsk-Meere 1854. — Neben 
der Kreuze im Sommer 1849 in der Bering-Strasse war 
das Jahr 1854 in dem Ochotsk-Meer eine der glänzendsten 
Whaler-Seasons. Es nahmen mehrere Deutsche Schiffe daran 
Theil. Die Fischerei in diesem, zum grossen Theil von steilen 
Felsenküsten umgebenen, buchtenreichen Meere ist, wie einst 
die Fischerei bei Spitzbergen, Baienfischerei. Wir haben 
das Eigenthümliche dieser Fischerei bereits kennen gelernt. 
Auf Walgründen in offener See bleibt das Schiff unter 
Segel, erst wenn Fische in Sicht, werden die Boote gestrichen. 


So ist es in der Regel noch jetzt im Grönländischen Meere 
und theilweise auch bei der Fischerei in der Davis-Strasse, 
so auch im arktischen Meere jenseit der Bering-Strasse, auf 
den Kodiak-, Bristolbai- und den Californischen Gründen und 
besonders auch im Spermfischfang. Im? Ochotskischen Meere 
liegen die Schiffe vor Anker. Beim Morgengrauen brechen 
die Boote auf. Nach allen Richtungen durchkreuzen die 
kleinen weissbeschwingten Segler die Bai, es bleiben von 
der Mannschaft nur die Schiffshüter zurück. Die Wal- 
gründe im südwestlichen Theil des genannten Meeres, in 
der Grossen und Kleinen Schantarbai, sind ein Hauptsammel- 
platz der Walfänger. Man rechnete z. B., dass während der 
Hauptmonate, Juli und August, in dem am meisten von den 
Walern frequentirten Theil der Schantarbai nicht weniger 
als 6 bis 7 Wale täglich in jenem Jahre getödtet wurden. 
Tausende von Walen belebten die Gewässer der Bai, welche 
eine seltsame Scenerie zeigte: auf dem Meere zahlreiche 


. Schiffe, unbeweglich an ihren Ankern, da und dort treibend 


die weisslich-rothe Fleischmasse eines Karkass (eines ab- 
gespeckten Fisches), dessen faulende Substanz weithin die 
Luft verpestet, dazwischen die beweglichen Boote, hie und 
da das aufregende Schauspiel des Kampfes eines dieser 
Boote mit einem Wal vor einem Parterre vieler anderer 
als aufmerksamer Zuschauer, am Lande hie und da luftige 
Hütten in Kegelform, aus Baumstämmen und Tannenzwei- 
gen zum Übernachten der durch Nebel an der Rückkehr 
verhinderten Walfänger von ihnen selbst erbaut; bei Nacht 
das Meer und die felsige Küste öfters grell beleuchtet durch 
Waldbrände, welche die Walfischleute aus Muthwillen, um 
sich an dem zauberhaften Anblick zu ergötzen, selbst an- 
zündeten, oder aus dem Dunkel hervorleuchtend das Deck 
eines kochenden Walfängers, die schwarzen Gestalten in 
geschäftiger Thätigkeit um die weithin leuchtende Flamme 
des brodelnden Thrankessels. 

Jetzt ist die Ochotsk-See lange nicht mehr so ergiebig 
und im vorigen Jahre besuchten sie nur noch acht Wal- 
fänger. Sehr wesentlich zur Ausrottung der Wale trägt 
der Umstand bei, dass, wo Gelegenheit dazu ist, das Wal- 
kalb zuerst getödtet wird, um sich der Alten zu versichern, 
welche nicht leicht ihr Junges verlässt. Auch im arktischen 
Meere jenseit der Bering-Strasse hat die Fischerei gewaltig 
abgenommen. Im Jahre 1849, ein Jahr nach Eröffnung 
dieser Gründe, gingen 154 Schiffe dahin und brachten 
200.000 Barrels Thran und 24 Millionen Pfund Barten 
mit, im Jahre 1868 waren nur 41 Schiffe dort beschäftigt, 
welche 35.000 Barrels Thran und 575.200 Pfund Barten 
mitbrachten, unter ihnen das Deutsche Schiff ‚„Julian” mit 
gutem Fange. 

Erläuterungen zu den Anlagen. — Wir haben noch einige 
Erläuterungen zu den Anlagen zu geben, so weit wir solche 
nicht schon in unserer bisherigen Betrachtung eingeflochten 
haben. Was zunächst die statistischen Tabellen betrifft 
(Anlage A), so haben wir in der Übersicht 1 die Ergeb- 
nisse der Hamburger Grönlands-Fischerei in drei verschie- 
denen Jahren des 17. Jahrhunderts mitgetheilt. 

Tabelle A. 2 zeigt den Gang der Grönlands - Fischerei 
von Hamburg und Bremen in den Jahren 1700 bis 1789, 
und zwar nach der Zahl der Schiffe, der Schiffsverluste, 
der Zahl der gefangenen Fische und des Ertrages an Speck. 
Es war nicht möglich, diese Tabelle weiter fortzuführen, 


Die Fischerei-Unternehmungen in der 


weil das Material dazu fehlte, und hier bemerke ich gleich, 
dass die Vollständigkeit und Vielseitigkeit der Tabellen 
durch den vielfach mir entgegentretenden Mangel an zu- 
verlässigem statistischen Stoff leider sehr beschränkt wurde. 
Die hier in Rede stehende Tabelle zeigt, dass in der ersten 
Periode Bremen die Hälfte der Zahl der Hamburger Schiffe 
hatte. Bremen’s Fischerei übersteigt die Zahl der Ham- 
burger Schiffe in der Zeit von 1720 bis 1729, fällt dann 
aber bedeutend herab. In ähnlichem Verhältniss steht 
meist auch der Ertrag. 

Tabelle A. 3 stellt die vorhandenen Daten über die nor- 
dische Fischerei von Gross-Britannien, den Niederlanden und 
den Norddeutschen Häfen nach der Zahl der Schiffe, der 
Schiffsverluste ünd des Ertrages aus der Periode 1670 bis 
1799 zusammen. Sie zeigt das Übergewicht Hollands in 
diesem Betriebe und ergiebt ferner, dass in der ältesten 
Periode die Norddeutschen Häfen eine halb so starke Grön- 
landsflotte besassen als die Holländer. 

Tabelle A. 4 giebt die Übersicht des Betriebes von der 
Weser aus. Sie ist die relativ vollständigste, indem sie 
die Zahl der Schiffe, im Ganzen 1554, die Schiffsverluste, 
die Erträge und Schwankungen in den Preisen von Thran 
und Barten bis auf die neueste Zeit, so weit.die Daten zu 
erlangen waren, angiebt. Bemerkenswerth ist die kleine 
Zahl der verlorenen Schiffe gegenüber der oft betonten Ge- 
fahr der Eisschifffahrt. 

Tabelle A. 5 enthält einige Daten über die Grönlands- 
Fischerei von Altona und Glückstadt. 

Die nächsten drei Tabellen zeigen die Einfuhr von 
Thran und Barten von Hamburg und Bremen in den letz- 
ten fünf Jahren. Sie sind bei Einsicht der in Anlage E. 
gegebenen Mittheilungen über den Thranhandel von Bremen 
und Hamburg und die Deutsche Fischbein-Fabrikation zu 
vergleichen. 

Endlich folgen noch einige Übersichten über die so- 
genannte „Südsee-Fischerei”. _ 

Tabelle B. 1 giebt eine Übersicht der Brutto- Erträge 
des Walfischfanges von den unter Nordamerikanischer Flagge 
fahrenden Schiffen in den letzten zwanzig Jahren, von 1849 
bis 1868, wobei die Gesammt-Brutto-Erträge nach den in 
den Jahresberichten der New Yorker Handelskammer für 
jedes Jahr angegebenen Durchschnittspreisen von mir be- 
rechnet wurden. 

Tabelle B. 2 giebt den Bestand der Amerikanischen 
Walfischflotte am 1. Januar 1869 nach Zahl und Tonnen- 
gehalt der Schiffe und der Betheiligung der einzelnen 
Häfen. 

In Tabelle B. 3 habe ich Übersichten über die Fran- 
zösische Walfischerei gegeben, so weit ich das Material er- 
halten konnte, und zwar von 1836 bis 1868. 

Tabelle B. 4 giebt eine Übersicht über die von der 
Weser aus betriebene Südsee-Fischerei aus den Jahren 1836 
bis 1859. & 

Daran reihen sich noch unter B. 5 Daten über die 
Brutto-Erträge dreier Deutscher Südseefahrer aus den Jah- 
ren 1861 bis 1868 an, welche von Honolulu aus fuhren. 


Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 107 


Anlage C enthält die Musterrolle des Grönlandfahrer- 
Dampfers „Albert” vom 17. Februar 1867. 

Anlage D enthält eine Mittheilung über die vom Büchsen- 
fabrikanten Cordes in Bremerhaven verbesserte Schiesshar- 
pune und Bombenlanze. 

Anlage E enthält Mittheilungen über Thranbereitung, 
Thranhandel und Fischbein-Fabrikation in Deutschland. 

Endlich Anlage F enthält die Mittheilung des Kapitän 
Seabury über die früheren und jetzigen Walfischplätze der 
Amerikanischen Walerei. 

Die beigefügte Karte dient als Erläuterung zum vor- 
stehenden Text. 

Rückblick und Schlusswort. — Wir haben die Deutschen 
Fischerei-Unternehmungen in ihren verschiedenen Entwicke- 
lungsstadien durch drei Jahrhunderte bis auf die Gegenwart 
verfolgt und gefunden, dass unsere Nation, obwohl ohne natio- 
nalen Schutz und Zusammenhalt, in diesem recht eigentlich 
oceanischen Betriebe hinter anderen Nationen nicht zurück- 
gestanden hat. Der Rückgang der arktischen Fischerei ist 
jetzt ein allgemeiner. Aber auch schon früher traten solche 
Perioden ein und wir haben gesehen, dass in Folge des Vor- 
dringens in unbekannte Regionen neue reiche Walgründe 
entdeckt wurden und die Fischerei dann immer einen neuen 
Aufschwung nahm. Erst 21 Jahre sind verflossen, seit- 
dem einer der reichsten Walgründe, das Meer jenseit der 
Bering -Strasse, zuerst ausgebeutet wurde. Man kann es 
als wahrscheinlich hinstellen, dass die Entdeckung bis dahin 
unbefahrener Theile des arktischen Meeres auch neue Fisch- 
gründe eröffnen wird, die, wenn nur einigermaassen Zu- 
gänglich, bald der Tummelplatz von Walfängern werden 
würden. 

Schon in der Einleitung habe ich bemerkt, es sei 
nothwendig, dass unsere Nation ein volles Verständniss für 
ihre nautischen Interessen gewinne. Küste und Binnenland 
dürfen sich nieht mehr fremd gegenüber stehen, sie müssen 
mehr und mehr sich als organisches Ganze erkennen. Viel- 
leicht erweist sich meine Arbeit, die bei dem Mangel an 
zusammenhängenden Berichten über die Deutsche Gross- 
fischerei nichts weniger als mühelos war, dem in dieser 
Beziehung bereits erwachten Streben förderlich. Die „Geo- 
graphischen Mittheilungen” haben, unbeschadet ihres inter- 
nationalen Charakters, für die Hebung der national-mari- 
timen Interessen, wie Jedermann bekannt, stets wacker 
gekämpft, sie sind daher der rechte Platz für eine solche 
Arbeit. 

Wenn diese letztere hie und da zu ausführlich erschei- 
nen sollte, so bemerke ich, dass ich gesucht habe, ver- 
schiedenen Ansprüchen möglichst gerecht zu werden. Ich 
verflocht Verwandtes und Individuelles in den in sich 
an eimer gewissen Einförmigkeit leidenden Stof, um ihn 
schmackhafter zu machen. Dem verehrten Leser, welcher, 
ohne viel zu überschlagen, bis hierher, zum Ende, gelangt, 
sage ich meinen aufrichtigen Dank für seine Geduld. 


Bremen, am 16. März 1869. 
Moritz Lindeman. 


14* 


Anlagen. 


A.1. Ergebnisse der Hamburger Grönlands-Fischerei in den Jahren 1669, 1678, 1689. 


Anno 1669. 


Directeurs. Schiffe. Kommandeurs. Angekommen. l Fische, rn 

Sr. Carel de Vlieger & Hend. | de Mackereel | Peter Eysen 21. Aug. 6 330 
Pender Abrah. offer Sand | Claas Hubens SH. „An, 8 | 450 
de Paradys | Riewert Cornelissen 21. » 3 | 230 

de Zeemann | Gerrit Pieterse 8. Juli 13 | 650 

St. Pieter Abraham Harmans 10. » 10 660 

de Hoop Carste Rickmers Io: en alas 600 

de Liefde Simon Claase 21. » 4 190 

Sr. Albert Meyer de Christina | Michel Janse 2. » | 550 
St. Jan Evangelist | Jan Jacobs len BIS 154 

de Hoop Rieke Nannings leer) | 320 

de Liefde Jan Hamman 21.» JR 520 

z Joh. Engelsmann 30. » 4 220 

St. Jan Baptist Mattys Pieters 31. » 13 898 

Sr. Paul J. Schomaker de Vergulde Valk | Pieter Dirks 21. Aug. | 9 438 
Koning David | Cornel. Michels 2er t) 516 

de Paradys | Franz Dirks 2. Okt. 34 158 

Sr. H. G. Backer de Ouden St. Jan Baptist Jacob Ericks 25. Juli aa 570 
de Liefde Jan Pieters 21. Aug. 5 260 

Sr. H. G. Backer de Jongen de Abraham Roloff Volkers 19. Juli | 13 630 
St. Jan Evangelist | Boy Carstens 4. Aug. 8 417 

| St. Jacob | Jacob Floors 4.» 6 350 

Sr. Vaase Geerkens | St. Jan Baptist Cornelis Pieters 13. Juli 11 620 
| de Moscoviter Junge Mangels 13. Aug. 9 550 

St. Jacob Roloff Adrianse Ditenm | 6 330 

Sr. Lucas Koenen & Comp. de Maria Jan Hanse 12. Juli | 9 600 
de Engel Gabriel Jan Pieters 21. Aug. 4 158 

Sr. Hans Beck | de Kaiser Conradus | Puwel Moy 21. > | 8 450 
| St. Jacob | Jan Mayen 31. » | 4 230 

Sr. Hans von Hecken de Liefde | Peter Jaspers en | 3 175 
de Hoop | Pieter 0. Kraft 21. 'n 7 426 

Sr. Olaas Witte de Hoop | Pink 5. Sept A 220 
Sr. Cornelis Noten de Liefde Cornelis Zeemann 31. Aug. 10 | 580 
de Oude Tobias Jan Jurgens 21. .n 3 | 163 

Sr. Simon Claase | de Neptunus Jacob Zeemann Ban | 180 
Sr. Hendr. Janse Rüpke de Kronenborg Cornelis Nannings 21. » 7 | 420 
| de Nachtigaal Pieter Pieters Se 1 | 50 

Sr. Paul Gowers St. Jacob Lambert Claase 21. n | Biol 264 
37 Schiffe gevangen tesamen | 262 | 14.527 


Directeurs. 


Comt door de Bank 7 Fisch und 393 Quardeel Speck. 


Schiffe. 


Anno 1678. 


— tree III 


Sr. Carel de Vlieger & Comp. 


de Mackereel 

de Paradys 

de witte Baer 
de Bloompott 
de Liefde 

de Kuff Johanna 


Kommandeurs. | Fische, | ER 
| Jan Mayen genommen. 
Jacob Jacobs 11- | 550 
| Jan Peters 2 100 
| Jochim Boy verunglückt. 
| Jan Cornelissen 137% 550 


Cornelis Peters 


3 2176 


Anlagen. 109 

Directeurs. Schiffe, Kommandeurs. Fische er 
Sr. Jan Wreede | St. Jan Evangelist Matthies Peters 19 760 
| de Pelican Jan Peters 16 603 
| de Oranieboom Peter Peters 154 690 
| de Liefde Jan Hamman 15 568 
de Wienberg Jan Dittmers 144 551 
de Rulandt Jan Jacobs 8 336 
Sr. Herm. G. Backer | de Abraham = Jan Floris 1 72 
St. Jan Lübbert Volkers 3 150 
de Hoop | Arend Peters 7 306 
de Heilige Landt | Erick Jacobs 17 710 
Sr. Ammon Andressen de witte Swaen Vincent Janssen 1 72 
de Stadt Hamborg | Jochim Dreyer 12 675 
| de Prophet Daniel Jan Teyssen | 304 
| de Salomon | Jurgen Mangels 5 .| 240 
Sr. Paul J. Schomaker de Koning David | Cornelis Michelsen 15 556 
de Valk Michel Fredericks 10 580 
| de Charitas Peter Dirks 16 615 
Sr. Jochim Jarchan | de Patriarch Abraham | Erick Rickmers 17 750 
| de Patriarch Jacob Jacob Fredericks 10 336 
| St. Nieolaus | Roloff Volkers 17 650 
Sr. Geert H. Backer | Salomon’s Gericht | Tonnies H. Backer 6 300 
| de Abraham Dirk Meyer 7 336 
| St. Anthony Jasper Jacobs 8 306 
Sr. Coordt Jastram | de Nordsteeren Jacob Wormes 12 500 
| de Kaiserrinne Jochim Vydt 14 72 
| de Wapen v. Bergen | Hinrich Vaess 21 750 
Sr. Bartelt Jenkel | St. Michel | Litte Martens 7 220 
de Perell | Berend Boys 13 380 
Sr. Peter H. Backer St. Jan Baptist | Rör Janssen 3 105 
| de Liefde | Jacob Ericks 2 86 
Sr. Franz Schleyer | de Wienberg | Peter Loorens 18 700 
| St. Jan Baptist Jan Schinkel 13 350 
Sr. Conrad Koenen & Comp. | de goude Leu Jürgen Roloffs 10 440 
| de Sara Hinrich Schuldt 9 400 
Sr. Lucas Koenen & Comp. St. Maria | Jan Dirks 6 240 
de jonge Zeemann Jacob Zeemann 9 370 
Sr. Hinrich de Jager de Paradys | Carsten Rickmers 16 600 
Sr. Jan Hans Rüpke de Nachtigaal Roloff Rieckmers s 326 
Sr. Hans Gowers | St. Jacob Jan Peters 4 150 

Sr. Hans Beck | de Hector Hilke Schram verunglückt. 
Sr. Jan Jasp. de Rüscher de 3 Helden David’s Peter Loorens 11 500 
Sr. Bastian Cöcler | de Salomon Boy Schwen 9 384 
Sr. Franz Sabell de Fortuyn Hinr. Lübbers 1 46 
Sr. Hinrich Schuldt de Franeiscus Jan Sontte 8 328 
Sr. Jannes Waldvagel de Fortuyn Peter Carstens 6 260 
Sr. Hans Gowers St. Peter Matthies Kock 6 640 
Sr. Cornelis A. Zeemann de Kayser Cunradus Corn. A. Zeemann 10 450 
Sr. Peter Burmeester St. Elisabeth Jan Steffens 9 300 
Sr. Isaac Rausch St. Peter Jan Claassen 17 594 
55 Schiffe gevangen tesamen 5044 19.657 

Comt door de Bank 94 Fische und 357% Quardeel Speck. 
Anno 1689. 

Directeurs. Schiffe. Kommandeurs. Angekommen. Fische. | r 
Sr. Carel de Vlieger St. Peter Peter Carstens | 13. Aug. 1 64 
de witte Baer | Carsten Andressen 1013 4» —_ — 
de witte Peerdt Jacob Jacobs 2. n Ba. 150 


110 Anlagen. 
Directeurs. Schiffe. Kommandeurs. Angekommen, Fische, Sr 
Sr. Carel de Vlieger de Paradys Jochim Boy 9. Sept. — —_ 
de Fortuyn Jan Christens 22. _ — 
de Justitia Peter Loorens 4. n» —_ _ 
Sr. Jan Wreede St. Jan Baptist Frederick Dirks 4. 2 102 
de Pelican Riewert Jacobs 1. n 2 76 
de Liefde Marten Hanssen verunglückt. 
de Wienberg I Jan Dittmers 28. Aug, —_ —_ 
Sr. Ammon Andressen de Koning Salomon Otte Plump 24.» 1 60 
de Prophet Daniel Jan Teyssen verunglückt. 
de Prophet Jonas Rör Riekmers 11. Sept | DR] 140 
Sr. Herm. G. Backer de Abraham Arend Peters en _ | _ 
; St. Jau Baptist Casper Olderoy las £n 1 40 
de Galliot de Isaac Jacob Koch 19. Aug —_ 
Sr. Herm. Gowers & Comp. de Hoop Adrian Dirks 7. Sept —_ — 
de geeronde Liefde Jan Peters 8. Aug | 4 200 
de Haen Michel Feddersen 24. n 4 27 
Sr. Jaques de Rüscher de 3 Helden David’s Cornelis Loorens geborgen. 
de groene Papagey Hans Janke 8. Aug — _ 
de Fortuyn Haus Hanssen 12. — — 
Sr. Jan Elias Munster de Paradys Carsten Rickmers gefunden. | 40 
de groene boom Jan Lange 16. » 2 90 
de Boers Peter Andressen 7. Sept — — 
Sr. Geert H. Backer Salomon’s Gericht Jan Heere 10.» 1 50 
St. Anthony Jasper Jacobs 1. — —_ 
Sr. Jochim Fock de Hoop Peter Loorens 12. Aug. j 1 16 
de Wapen v. Ostfriesland Jan Schinkel 17. Sept <= 
Sr. Herm. Gowers de Jager Jan Jacobs 12, m — _ 
St. Jacob | Jacob Hoffmann 12. Aug 1 40 
Sr. Jeron de Drusina St. Elisabeth Nanning Cornelissen 1. Sept 1 45 
de Sonn Matthies Claassen 12... — — 
Sr. Geert Geertsen de Wapen v. Hamburg Claas Roodtspraack En | 5 170 
de Neptunus Jan Cornelissen 9.» J 
Sr. Peter Gowers de Vreede Hans Carstens 28. Aug. — — 
f de Carsboom Roloff Dirks 21. Sept. —_ _ 
Sr. Conr. Koenen & Comp. de Vreede Jürgen Cornelissen 13. Aug. 2 85 
de Gideon , Daniel Worms 8» 1 58 
Sr. Paul J. Schomaker de Koning David Nanning Nanningsen 22. Sept. 3 150 
Sr. Paul Paulssen de Wapen v. Bergen Cort Tamsen 12. Aug. 2 90 
Sr. Herm. Harbart de Koning David Peter Peters 21. Sept. 2 75 
Sr. Salomon de Vlieger de Walvisch Jan Hinrich 11. Aug. 1 49 
43 Schiffe gevangen tesamen 384 1817 


Comt door de Bank 4#5 Fisch und 431 Quardeel Speck. 


A. 2. Übersicht über die Zahl der Schiffe und den Ertrag der Fischerei von Hamburg und Bremen in der 
Zeit von 1700 bis 1789. 


Fahre Zahl der Schiffe, Geblieben oder genommen. Gefangene Fische. Ertrag an Quardeel Speck. 

z Hamburg. Bremen. Hamburg. Bremen. Hamburg, Bremen, Hamburg. | Bremen. 
1700 bis 1709 365 | 179 39 5 1710 6334 52.540 23.624 

1710 » 1719 373 | 200 ! 11 4 7724 6583 29.266 22.9084 
1720 » 41729 200 | 227 15 2 72645 3518 23.658 16.061 
1730 » 1739 .253 | 148 4 6 3342 209% 15.911 9.881 
1740 » 1749 171 | 51 2 1 4443 1184 19.700 4.898 
1750 n 1759 174 | ar 5 3 407 454 15.0894 - 1.483 
1760 » 1769 208 | 23 2 —— 5174 28 21.0774 784 
IUWO» 17,09 377 40 9 _ 661 118% 40.757 2.827 
1780 » 1789 300 | 53 ° | 6 — 10284 2174 42.553 4.252 


Anlagen. 


111 


A. 3. Nordische Fischerei von Gross-Britannien, Holland und den Norddeutschen Häfen in Bezug auf die 
Zahl der Schiffe, Schiffsverluste und Erträge in den Jahren 1670 bis 1799, 


a TE 


Tao Zahl der Schiffe. en adey Gefangene Fische. Ertrag an Quardeel Speck. dr 

Grossbrit. | Holland. „|Norda. H. "| Grossbrit. Holland. |Nordd. H. Grossbrit. | Holland. | Nordd. H, | Grossbrit.| Holland. | Nordd. H,. | Holland. | Nordd. H. 

1670 bis 1679| — 993 561 — 83 19 _ 6.414 | 3.7474 En 283.396 | 186.084 | 84%, | 4 % 1 
1680 ,„ 1689 — 1932 553 —_ 113 26 — 10.019 | 2.3763 —_ 395.771,101.295 | 6 „ DE 
1690 ,„ 1699 — 955 492 —_ 82 Sb 4.864 | 1.1294 — 189.132 | 13.234 | 84 „ Sn 
170087, 21709 —_ 1652 BEA 62 44 —. | 8.537 | 2.3432 — 301.250 81.164 | 4 „ SE 
rel) _ 1351 573 — 51 15 — | 48645 | 1.431 —_ 170.488 | 52.1744 4 „ 21 „ 
TOT —_ 2252 El ln > BOT — 3.439 | 1.077414 —_ 131.607 | 44.719 | 3 „| 4A „ 
1730 ,„ 1739 —_ 1839 401 —_ 27 10 —_ 4.690 | 5A _ 86.939 | 25.792) 12, 24 
1740 „ 1749 —_ 1724 222 — 41 3 _ 4.127 | 5634 = 192.859 | 24.598 | 24 „ | 13 „ 
1750, 1759 556 1649 215 _ 36 | ae Er — ee E3bo0le .5054 —. 1135.725| 16.5724) 27 501 AU, 
1760 „ 1769 | 459 1620 273 —_ 29 3 _ 3.283 | 5893 gs 21.8614] 2 „ al 
ao, 1729 Tal 1337 502 — 39 10 —281175:826; | 38392 — 89.378 | 43.584 | 3 „ as 
1780 ,„ 1789| 1284 — 376 — = 6 — — age an EZ Ro tee 
1790 „ 1799| 755 — — = - ey Zn Fee = 0 = _ = 

!) Es sind diess Hamburg, Bremen, Altona und Glückstadt. 
A. 4. Übersicht über den von der Weser aus betriebenen Fischfang im Grönländischen Meere und in der 


Davis-Strasse von 1695 bis 1868. 


Über die von der Weser aus nach Grönland und der Dayis- Strasse unternommenen Ausrüstungen , ursprünglich allein auf den Walfischfang, 
späterhin einzeln, in neuester Zeit vorzugsweise auf den Robbenschlag, liegt uns eine seit dem Jahre 1695 geführte Liste vor, aus welcher wir in 


zehnjährigen Perioden nachstehenden Auszug mittheilen. 


| Total der | | 


Perioden. a rn segenen | ee SBeck| Thranpreise per Bonkei| EP Tonnen Thran. | Robben. 
1695 bis 1700 s1 2 370 17.6068 | 64 bis 16 HM 18 bis 85 M — | _ 
hl ride) 182 3 671 D690 = SEy Bone, Er — | — 
17610 %,01730 205 3 687 24580: |, O0 lan Mac ton _ | _ 
role 1730 226 3 321 16.461 SUR _ _ 
Taler 70 138 Be no 10.655 9%, ul 79, Tao _ | _ 
1741 ,„. 1750 45 _ 113 4.685 110? 2 5 190 59 se — | _ 
1751 ,„ 1760 15 1 3 1.633 Tao, 58 HL E= e= 
a a) 26 _ 55 _ Ts DIE 50 bis, 52° ‚, 7.000 _ 
Te 780 40 — 112 _ u OS aa en 9.087 | _ 
1781 ,„ 1790 59 _ 213 | — 16% ,.n27 2.20) ae 14.997 | —_ 
1791 „ 1800 sı _ 267 — 16. 2, var 51128, oe 23.555 — 
1501 ,„ 1810 50 _ 205 —_ TOR 2 Th = — — 
1811 ,„ 1820 51 —_ 71 E RAR Le _ _ _ 
1821 , 1830 51 2 143 _ a DI ESTER — — 
1831 , 1840 24 _ Do — 14, 5, 21.9, (O1 sonen == 45.700 
1841 ,„ 1850 126 _ 115 _ —_ | —_ _ 298.878 
1851 , 1860 114 _ 65 - _ o | _ 185.137 
1861 , 1868 WW 27 _ _ - _ 60.323 
1554 3749 
A. 5. Grönlands-Fischerei von Altona und Glück- A. 6. Total-Einfuhr von Thran, Robbenfellen und 
stadt in den Jahren 1750/1789 bis 1815/1854. Walfischbarten in Hamburg in den Jahren 1864 
bis 1868. 
Altona. Glückstadt. 
| geblie- Gefan- | 
Jahre. ae en Jahre. Fate Thran. Robbenfelle. Walfischbarten. 
| ze | | JS Quantum Werth | Quantum Werth Quantum| Werth 
1750 "bis 1759 24 1 503 || 1815 bis 1824 | 116 | Stexkan a | SC? | 
1760 “ 1769 | 19 1 | 444 1825 s 1834 | 43 36 at Mark Bco. | Stück. | Mark Bco. | Centner. | Mark Bco. 
1770 „ 1779 | 42 1 | 694 || 1835 „ 1844 | 32 1864 | 289.478 |3.814.280 | 57.900) 258.250 | 1.668 | 501.680 
1730 „ iss | 23 | — | 61 | 185 „ 1854 | 30% 1865 | 282.787 |2.852.980| 26.685 63.820 | 825 | 278.130 
1866 | 226.909 2.003.810, 18.987) 53.100 | 2.211 | 780.500 
x > er EEE Ir 1867 | 309.658 | 2.802.540) 34.681) 117.820 | 2.206 | 696.590 
ne ee ll 1868 | 343.180 |2.712.770 |(cr)4.349| 219.810 | 2.413 | 543.380 


112 Anlagen. 


A.7. Einfuhr von Thran in Bremen 1864/68 nach Quantum in Tonnen und Werth in L.-Thlrn. 


| 1864. 1865. | 1866. 1867. 1868. 

Quantum, | Werth. Quantum. | Werth. | Quantum. Werth. | Quantum. Werth. | Quantum. | Werth. 
Gesammteinfuhr . » . 2... | 16.0814 | 425.305 | 14.2354 | 363.544 | 12.8734 | 321.864 | 17.2553 | 405.083 7.7323 | 172.039 
Darunter von Norwegn. . - » . . |, 1.212 33.769 | 2.1844 | 52.827 | 2.835 64.072 | 3.644 | 81.386 1.8645 | 39.637 
= ASCTONTandN Se are: | 1.112 33.697 | 1.1274 | 28.540 | 2.186 62.437 | 1.770 42.290 | 2.0744 | 49.557 

" „ New Bedford . A | | | 3.255 75.935 | | 

en „ New York. . 2.2... | 543 | 14.290 | | 3.5174 | 74.500 | 
EA „ den Sandwich-Insen . . | 9.244 | 227.828 | 7.966 | 205.110 |, 6.560 | 170.920 | 2.793 72.969 | 2.380 49.285 


A.S. Einfuhr von Walfischbarten in Bremen 1864/68 nach Pfund Netto-Gewicht und Werth in L.-Thirn. 


| 1864. 1865. 1866. | 1867. | 1868. 
ie Quantum. | Werth. Quantum. | ° Werth. Quantum. | Werth, | Quantum. | Werth. Quantum. | Werth. 
Gesammteintuir>; .. 2. ". "ui. 233.056 | 290.894 | 169.212 | 238.448 | 252.722 | 377.136 | 181.105 | 229.627 | 278.340 | 236.670 
Darunter von New York. . . . . . | 154.420 | 190.059 29.634 | 45.259 | 123.702 | 185.577 89.984 | 116.862 | 215,500 | 222.353 
= „ den Sandwich-Insen . . | 76.229 | 90.714 | 118.725 | 157.723 | 113.141 168.347 | 85.137 | 104.745 | 49.115 | 49,683 
5 „ Gross-Britannien | 16.367 | 28.285 | 1.552 | 2.310 | 5.984 | 8.020 | 4.549 | A.us8 
> me Gronland". 27 ne 1.087 1.576 | 4.138 6.869 14.327 20.902, | — —_ 1.200 1.200 

B.1. Übersicht über die Brutto-Erträge des Wal- | 1862 Spermöl . . . . 2.453.769 Doll. Summa 

fischfanges von Schiffen der Vereinigten Staaten ee ee aelano > 4.963.603 Doll 

in den 20. Jahren 1849 bis 1868. i N Hr OL. == ; 
i \ı 1863 Dieses ur De ER SOLLEN En 
1849 | Spermöl . . . . 3.497.710 Doll. | Summa | Walthran .o... '.. 1.884.497 „ 
Walthran. : .. . 3.131.000 ,„ Barton. nn anne 5.896.395 „ 
0 
N ne as Dal; | 1864 Spermöt . . 2. 3.649.892 „, 
1850 Spermol 2 u 222.2 .22:936-11L877,, Wilthrany 22.2222.202:322 790 25 
Walthran . . „ . 3.159.576 „ Barten.s. 2... 0.0162 68:510,2,5 7.961.493 
- 50 6.956.45 e 
IS Bantanl. u 860.760 „, 6.956.454 u LS6HNlELL Spermöll ze mau. 253561027005, 
1enl | Spermöl, 2 0 + AL0NS-AD Me \Melthranie u 3a 2er: 
| Walthran. . . . 4.656.247, Barten... Kurier, EIER 6.391.093 „, 
. 988 97 99.77 
RT ENT SER RE TE LEER 1866 | Spermöl . .. . 204.957 „ 
1852 Spermöle 2. .2.8:105:835° | | (2 Walthrane. ee zEoisnsteler 
Walthvanr 0-2 1.850853 0% | | Barton. mn. m. IERBB.HADe re 6.037.098 „ 
n b} 6 Q I 
IE De a ER EL 1867. |0.Spermäl... „u. © 13.008315, ‚, 

1853 | Spermöl . . . . 4.058.658 „ | |  Walthran.. ... . 2109453 , | 
| Walthran. ®. . 4.916.155. $,, | 1 Baxten= „12080 ..211W201. 6768 „laB.38 9A 
I re le 2 Mn a ie 1868 | Spemöl . .. . 2.897.663 „ 

1854 | Spermöl . . . . 3.623.886 „ | h ne Wealthran.. 2.022 21765226 DEE 
| Walthran.. . . ... 6.044.920 „ | Barten 7 5 ar nt.) OABS93r 5.496.206 „ 

In SBarten 2. 722. 7.,.1.378:.0807 ,,. 17711.046.886 7, y a 2 } 

1855 Smile. 4.198.409. 5 | | B. 2. Schiffe unter Amerikanischer Flagge, die am 
I waltıran a Se: Koss, „ee ' 1. Januar 1869 im Walfischfang beschäftigt waren. 
| Barton. Jerse rare 1.218.300 9.399:105 ,, Schiffe u. Barks. Briggs Schuner Gehalt. 
IE: * & e |TeNSyaBedtorde a. 2 ln 1 4 50.623 Tons 

1856 | SPELMOL ET e. 4.079.427 en | Fairhavenar. ie. 3 3 6 1.608 „ 

Walthran.. . . . 4.986.828 „ BunE | Dartmpouiheesr rer 2 — 1 4955 
Barten eo. 200. 4eb5a:6a0e 10.621.375 „ Westpot . . . .. 10 = = 1.909 
lenaeıeSpermöl =... 3298121180 = | Mation ea a = 2 5 145 „ 
| Walthvan.,: ....... 5.455.982 „ ı Distrikt von New Bedford 188 6 16 55.376 Tons 
ImeBanton.. 206227. 712955:.955: ,, 10.724.055 „ Edgartown En Be RT 7 ur = 2.396 „ 

1858 | Spermöl . . . . 3.097.370 „| Nantuckot W271 e 2 I en 
Walthranfee.. .. 03.157.014 00, | ee ZI = A 50 Ba 2 

Barten. . . . . 1.386.540 7.640.924 NO REN Dana, a 3a ES De SUN CEAER 

| ; 2] ee |  Wellfleet — = 1 ayrn 

18659 U ESpermole oT nag | | Boston. an Re: 1 3 6 alla 

Wiälthrane 2 702.998:972: ,, .| IBEVerIy N — 1 — A325 
|  Barten. . 0. 1.635.273 „ | 7.081.696 „, | Salem 2 2 _ [Ur ae 

1860 | Spermöl . . 2. 3.250.523 a ae = Thale E j De 
| STEH New London. ... . . ) 2 9 3.969 
| Walthran... . 2.205.079 „ | roten ; Lö > | 148 2 

{ I. „Barten. ..... „01.070.120, 6.525.722 ,„ Sag Harbour... . . N D) 55) 996 # 

1361 | Spermel m. 0 noisboiiesn | In Nayxock 7 re. 4 1 = 1.293  „ 

|  Walihran. .'!-. 1.895.439, San Franeisco RAR: 3 2 1 1.414 „ 
Barten m Mae 726.915 ',, 5.445.119 „, 19 Häfen 223 25 85 74.519 Tons 


Anlagen. 


B.3. Schiffe und Segen der Französ. Walfischerei. 
Von Hayre segelten auf den Spermfischfang im Atlantischen und 
Stillen Meer, so wie auf den Walfischfang im Ochotsk-Meer und im arkti- 
schen Meer jenseits der Bering-Strasse: 
Ausgesegelt Eingesegelt 
1836 13 Schiffe 13 Schiffe 
18370 .860-,, 358% 
1838 19 
1839 
1840 14 „ OR 
Isa Bor I, 
1842 
1843 
1844 
1845 
1846 
1847 
1848 
1849 
1850 
1851 
1852 
1853 
1854 
1855 
1856 
1857 
1858 
1859 
1860 
1861 
1862 
1863 
1864 
1865 
1866 
1867 


Erträge 


Quantum des Segens in 
Kilogramm. 
„ Thran 
622.500 
310.700 
130.200 
575.500 13.000 
215.800 7.800 
186.500 _ 
91.500 2.860 
234.200 10.619 
= 2.045 
1868 si % 107.000 3.808 

Jetzt besteht folgendes verwickelte Prämiensystem in Frankreich: 

1. Bei dem Ausgang 70 Fres. par tonneau, wenn die gesammte Be- 
mannung aus Franzosen besteht, und 48 Fres., wenn höchstens ein 
Drittel der Bemannung aus Fremden besteht, diess Alles bis zur Schiffs- 
grösse von 600 tonneaux. Auch müssen jedenfalls mindestens die Hälfte 
der Offiziere und Harpuniere Franzosen sein. 

2. Bei der Rückkehr 50 Fres. par tonneau für die erstgenannte 
Kategorie und 24 Fres. für die Schiffe mit gemischter Mannschaft. Das 
betreffende Schiff muss aber nachweisen, dass es im Stillen Meer Kap 
Horn umfahrend südlich bis mindestens auf dem 62. Breitengrad oder 
östlich vom Kap der Guten Hoffnung auf 48°—50° S. Br. und 45° Ö.L. 
v. P. gewesen ist, dabei muss das Schiff durch seinen Fang mindestens halb 
voll oder 16 Monate auf der Reise gewesen sein. Ausserdem wird noch 
eine Supplementarprämie von 15 Fres. für jedes metrische Quintal des 
gewonnenen Thranes bezahlt: einmal den Französischen Spermfisch-Fahr- 
zeugen im Paeific und dann allen anderen Französischen Walfischfahrern, 
die mindestens 30 Monate in See waren und dabei den 28° N. Br. über- 
schritten. 


B. 4. Resultate der in der Periode 1836 bis 1859 
von der Weser nach dem Grossen Ocean &c. aus- 
gerüsteten Schiffe. 


Die in der Periode 1836 bis 1859 von der Weser nach dem 


Grossen Ocean &e. ausgerüsteten Schiffe lieferten folgende Resultate: 
Ertrag. 


Barten 
24.700 
15.900 

2.100 


| | | Irorror eo Frese Rene eolen| Isaasan 


Zahl der Schiffe Dauer der Reise Tonnen Thran Barten 
1336 1 — Monat 2.800 2) 20.000 Pfd. 
1837: 1 21 Monate 4.500 45.000 ,, 
1838 1 18° a 4.000 40.000 „ 
1839 2 DA DISL28,- 5, 6.700 65.000 ,„ 
1840 2 22 bis 28 „ 7.000 70.000 „, 
1841 1 Aue 4.000 37.000 ,„ 
1342 6 27 DB8T 20.050 181.000 ,„, 
1843 1 el Km 4.000 31.000 „ 
1844 4 29.bis, 40 11.900 90.200 „ 
1845 )) 20 bis 48 „ 17.800 161.000 ,„ 


ı) Bin Schiff, „Mozart”, auf Christmas Islands verloren. ER i 
2) Hierbei ist zu bemerken, dass in der Südsee vielfach die Schiffe einen 


Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte. 


113 


Zahl der Schiffe Dauer der Reise Tonnen Thran Barten 
> 


en 2 44 bis 48 Monate 7.900 93.000 Pid, 

1547 — SE ” = Er ” 

1848 1 rer 4.000 27.000 „ 
Bruttowerth des eingebrachten Segens 

1849 2 3labis 337%; 240.829 Thlr. 

1850 2 45 bis 54 „, 188.562 „ 

1851 3 40 bis 46% „, 73313 5 

1852 2 44 bis 45 „ 123.781 ,„ 

1853 —_ — ,„ — . 

1354 — — ,„ 153.337 „ 

1355 1 43 ,„ 260.842 „, 

18356 1 39 15 207.538 - „ » 

1857 3 Unbekannt, weil die Schiffe nicht nach der Weser zurückkehrten, 

1858 1 44} Monate 52.290 Thlr. 

1359 _ —i 57.740 „ 


B. 5. Brutto-Erträge dreier Deutscher Südseefahrer 
in den Jahren 1861 bis 1868. 
Werth von 


1861 bis 1868 Schiff „Komet’” (im Paeifie und Arctic, Thran u. Barten 

von Honolulu ausgehend) . s . 226.612 L.-Thlr. 
1864 bis 1867 Schiff „Oregon” (im Pacifie und Ochotsk- 

Meer, von Honolulu ausgehend). lt. 3000 
1865 bis 1868 Schiff „Julian’” (im Pacific und Arctic, 

von Honolulu ausgehend) . . 207.454 


608.423 L.-Thlr. 


C. Musterrolle. 


Wir, die Endesunterschriebenen, Schiffsoffiziere und Schiffsvolk, be- 
kennen hiermit, dass wir uns auf nachstehende Bedingungen verheuert 
haben. 

ne 

Wir verpflichten uns, mit dem Dampfschiffe genannt „Albert”, 
worauf als Kommandeur fährt H. Hashagen von Leuchtenburg oder wer 
wegen Sterbefalles sonst an dessen Stelle kommen möchte, zu fahren 
von der Weser nach Grönland auf den Walfisch-, Walross- und Robben- 
fang und von da nach der Weser zurück oder wo sonst unser Lösch- 
platz sein wird. 

ge 2. 

Wir bekennen, yon unseren bedungenen Monatsgeldern Jeder für 
einen Monat erhalten zu haben, und werden die Monatsgelder ihren An- 
fang nehmen von dem Tage an, da wir in See kommen, und sich endigen, 
wenn wir von dem Kommandeur oder dessen Rheder den Abschied er- 
halten. Wir Partfahrer aber bekennen, unser bedungenes Handgeld 
empfangen zu haben, womit wir zufrieden sind, und wollen wir übrigens 
abwarten, ob und welcher Segen uns wird ertheilt werden. 

WE 

Wir versprechen sämmtlich, uns nicht anderswo, und wenn auch ein 
Mehreres und Besseres zu bedingen wäre, anzubieten oder gar zu ver- 
miethen, es geschehe denn mit ausdrücklicher vorgängiger Erlaubniss 
der Rheder, und wenn Jemand diesem zuwider handeln würde oder sich 
schon vorher anderswo vermiethet haben möchte, so soll derselbe aus 
der Liste der hiesigen Seefahrenden gestrichen und obrigkeitlich bestraft 
werden. 


Wir wollen uns, wenn nicht eine erweisliche Krankheit oder sonstige 
Unmöglichkeit eintritt, wovon jedoch so bald als nur immer thunlich die 
Anzeige geschehen muss, zu der uns gesetzten Zeit bei den uns an- 
gewiesenen Kähnen mit unseren Sachen einfinden und an Bord des 
Schiffes begeben; wer aber erst nach der gesetzten Zeit an Bord sich 
einfinden möchte, soll sich nach der Zurückkunft von der Reise ein den 
Umständen Angemessenes von seinem Verdienst abziehen lassen. 

Neaye 

Sobald das Schiffsvolk an Bord sein wird, soll Niemand, weder 
Offizier noch Matrose, bei 5 Thlr. Strafe von Bord gehen, es wäre denn 
im Dienste des Schiffes, wie denn auch der Kommandeur nicht anders 
als zu diesem die Erlaubniss dazu ertheilen darf; bei gleicher Strafe soll 
Niemand, wo auch immer das Schiff sich befinden mag, ohne Zustim- 
mung des Kommandeurs oder Steuermanns weder vermittelst der Scha- 
Theil ihres Segens auf der Reise an irgend einem Platz abladen, so dass diese 
Zahlen nicht den gesammten Brutto-Ertrag der Bremischen Südseefischerei dar- 


stellen. 
15 


114 Anlagen. 


luppe dieses Schiffes noch auf andere Weise von Bord oder auf ein 
anderes Schiff sich begeben oder Kähne, Leicherschiffe oder sonstige 
Fahrzeuge an Bord bringen oder kommen lassen. 


$. 6. 

Wir wollen uns während der ganzen Reise ordentlich und fried- 
fertig betragen, dem Kommandeur und ein Jeder dem ihm vorgesetzten 
Offizier den gebührenden Gehorsam leisten und auf der Reise im Schiffs- 
werke wie auch in der Fischerei die ihm obliegenden oder besonders 
anempfohlenen Arbeiten willig und mit dem besten Fleisse verrichten. 

Und wie ein Jeder vermöge seines Dienstes und des bei jedem 
Schiffe befindlichen Artikelbriefes verbunden ist, auf der ganzen Reise 
nach Vermögen für des Schiffes Erhaltung und Wohlfahrt zu sorgen, 
so soll besonders, wenn dem Schiffe auf der Weser oder an der Mün- 
dung derselben einiger Unfall an Masten, Bugspriet oder sonst begegnen 
sollte oder dasselbe leck werden sollte, ein jeder Schiffs- oder Zimmer- 
mann seine Arbeit zu schleunigster Reparirung unweigerlich leisten, 
auch durchaus nicht ohne des Kommandeurs Willen, unter welchem 
Vorwande es auch sei, von Bord gehen oder gar desertiren, oder für 
seine Arbeit und Hülfe, ehe er Hand an das Werk legt, besondere Be- 
lohnung oder Bezahlung fordern, oder zu dergleichen Unternehmen auf- 
wiegeln. Alles bei Vermeidung der schwersten Strafen. 


$. 7. 

Der Kommandeur verpflichtet sich, der Mannschaft die gewöhnliche 
Ration, für Jeden wöchentlich 4 Pfd. gesalzenes Fleisch, 1 Pfd. ge- 
räucherten oder 14 Pfd. gesalzenen Speck, 1 Pfd, Butter und 6 Pfd. 
Brod, zu verabreichen. 

Die Mannschaft verspricht, mit obigen Rationen zufrieden zu sein. 
Sollte jedoch der Kommandeur in etwaigen dringenden Nothfällen die 
Rationen zu vermindern genöthigt sein, so muss auch ein Jeder von der 
Besatzung bei Verlust der zu Gute habenden Gage zum Vortheil der 
Rhederei und vorbehältlich gesetzlicher Bestrafung nach Befinden mit 
der verminderten Beköstigung sich begnügen. 

$. 8. 

Wer sich nicht zum Gottesdienste einfindet, soll mit 24 Groten 
bestraft werden, 

SER 

Wir wollen unter keinerlei Vorwand unsere Güter oder Kleider, 
oder was es sonst sei, in Säcken, Kisten oder auf andere Art aus dem 
Schiffe ans Land bringen oder in andere Fahrzeuge abgeben, wenn nicht 
der Kommandeur persönlich gegenwärtig und die Säcke &e. vorher, ehe 
sie von Bord gebracht werden, hat öffnen und visitiren lassen. Wer Etwas 
von den mitgebrachten Sachen oder vom Tauwerk, Viktualien, oder was 
es sonst sei, entwendet oder von dem Schiffe unerlaubter Weise ent- 
fernt oder wegschafft, soll auf das Schärfste bestraft werden, Anzeige 
und Überführung des Thäters aber gut belohnt werden. 


$. 10. 

Falls Jemand vom Schiffsvolk sich unmässig im Trinken von Brannt- 
wein oder anderer geistiger Getränke benimmt, so soll es dem Kom- 
mandeur freistehen, dem unmässigen Trinker das von demselben mit- 
gebrachte Getränk abzunehmen und darüber nach Belieben zu verfügen. 
Auch wird ein solcher Trinker bei der Zurückkunft mit der gesetz- 
lichen Strafe belegt werden. 

$. 11. 

Nach beendigter Reise hat ein Jeder das ihm zukommende Monats- 

oder Partgeld in dem Hause des Directeurs des Schiffes zu empfangen. 


N 62 E 

Endlich versprechen wir, und zwar bei Verlust unserer guthaben- 
den Monats- oder Partgelder und Austilgung aus der Liste der hiesigen 
Seefahrenden, dass wir in allen unseren Dienst und die dahin gehören- 
den Verpflichtungen betreffenden Fällen auf Verlangen vor dem Königl, 
Amtsgerichte Blumenthal ohne alle Einreden, wir mögen Untergehörige 
sein oder nicht, uns stellen und daselbst rechtliches Erkenntniss ge- 
wärtigen, auch nach dieser Musterrolle als dem von uns eingegangenen 
Kontrakte uns richten, und falls wir dieselbe übertreten möchten, uns 
darnach bestrafen lassen wollen. Es versteht sich von selbst, dass die 
Partgelder erst nach ausgebranntem Thran ausbezahlt werden. 

In der Regel werden 20 Quardeel Robbenspeck oder 60 Tonnen 
ausgebrannter Thran für einen Walfisch gerechnet. 

Diejenige Schaluppe, aus welcher ein Fisch geschossen und ge- 
fangen wird, erhält eine Prämie von 10 Thlr., wovon der Harpunier 
4 Thlr., der Schaluppensteuerer 2 Thlr. und den Rest die übrige Mann- 
schaft erhält. " 


Ist der angebrachte Segen 400 Tonnen und darüber, so erhalten 


die Offiziere und Partfahrer einen Anker Thran, die Schaluppensteuerer 
3/, Anker und die übrigen Halbpartfahrer '/, Anker Thran. Diejenigen, 
die keine Vollmatrosen sind, erhalten keinen Thran. 

Der Steuermann erhält für einen selbstgeschossenen Fisch mit 
Maassbarten 15 Thlr., Untermaass die Hälfte. 

Der Speckschneider erhält für einen jeden Fisch mit Maassbarten 
6 Thlr. Schneidegeld, Untermaass die Hälfte. 

Der zweite Speckschneider erhält für einen Fisch mit Maassbarten 
3 Thlr., Untermaass die Hälfte. 

Der Bootsmann gleichfalls. 

Sollte das Schiff wegen Kriegsgefahr einen fremden Hafen anlaufen, 
so hat der Kommandeur das Recht, die Mannschaft oder einen Theil 
derselben zu entlassen, mit Reisegeld, welches der Konsul an Ort und 
Stelle bestimmt. 

So lange das Schiff im fremden Hafen liegt und die Mannschaft 
nicht entlassen ist, wird die Monatsgage nur zur Hälfte bezahlt. Die 
Partfahrer erhalten in diesem Falle selbstverständlich keine Monatsgage. 


| | BFIF 

| = |a|#|, 

No.| Qualität. Namen. Wohnort. ale as 

| s |a|32 

| "s58 

| | L.-Thlr. 2 # 

Kommandeur H. Hashagen | Leuchtenburg 100 | 

1.| Steuermann Joh. Hagens , Mittelsbüren 60 | 121] 
2. Speckschneider Herm. Högemeyer Altenesch 1473 /19) 
3.) Speckschneider-Maat H. Wurthmann | Mittelsbüren | 45 | 19 
4. Bootsmann H. Weihusen ‚ Altenesch a) 
5. Oberzimmermann Carl Köper ‚ Leuchtenburg | 45 19 
6.) Harpunier Joh. Jachens b 36 17 
7.| A Joh. Gleistein Eggestedt | 36 17 
8.) n W. Meyer Schönmoor | 36 , [17 
9.| Oberküper H. Windeler Huntebrück 36 17 
10. Schümann Joh. Strodthofft  Schönmoor 36 ı 17 
11. Koch Andr. Gödeke Schönbeek | 384 17 
12.| Doktor (Barbier) Franz Kink Seilingen | 25 | 5) 6 
13.| Bootsmanns-Maat Joh. Meyer ‚ Mittelsbüren | 26 | 16 
14.| Segelmacher .H. Hillmann Stenum | 22 | 810 
15.| Unterzimmermann |Ber. Marschall |Borchshöhe | 20 | 7) 9 
16.| Unterküper |H. D. C. Bolte | Blexen 10|5|15 
17. Vollmatrose H. Schröder  Gruppenbüren) 20 | 6) 9 
18.| r | Fr. Stuhr | Altenhuntorf | 18 | 6| 8 
19. ) \D. Schröder ' Heikenkamp | 20 | 7/8 
20. 5 \ A. Schröder | Ganderkesee | 20 | 7) 8 
21.| ar ‚D. Butt Schönbeck 20 | 7| 8 
22.) „ \ F. Hoggemeyer | Altenesch 20 | 7| 8 
23.| 5 Chr. Vogt Nordenholt 20178 
24. Er A. Wiechmann |Rahde 20 | 7.8 
25» \D. Witte Altenesch 20 | 718 
26.| „ J. D. Sehulte Schönmoor 2015 4 
27.| Leichtmatrose Joh. de Vries Nesse 8/44 
28. 29 V. v. Halem Elmloh 8 67 
29. o Friedr. Palm Schönmoor 12 | 6| 8 
30.| Vollmatrose Joh. Wiese Nütteln ‚18/55 
31. Leichtmatrose | F. Dreeling Gruppenbüren 10 | 79 
32. Vollmatrose B. Perisius Horrel | 20 | 5) 5| 
33.| Leichtmatrose ,C. L. Beer Osnabrück 10/5 4 
34. E \ Wilh. Schwuchow| Schlawe 110,54 
35.| % \ Franz Freye Seeburg IFzsaıgsımn 
36. Unbefahrener ‚ Hinr. Korte | Bockhorn 5/5 1 
37.| B F. Lürssen Braudorf 551 
38. A ıH. Tope Bockholt 5|51 
39.) jr ‚Aug. Dickens Herzberg | 5151 
40. Er 'H. Reimer Eggestedt | 5| 5 1 
41. 55 D. Köther „= I 
42.| " B. Strodthoff Vielstedt | 5)5/1 
43. es ,H. Niebank Braudorf | 5| 1 
A4, es 'D. Hoesloope ss Bst 
45.) is 'M. Ohlenbusch | Schönmoor 5|5 1 
46. „ \B. Dannemann r 5|51 
47.| R ,D. Meyer Geestendorf 815 4 
48. 5 Chr. Knacke | Minnigerode 5|5| 2 
49. Ps | Herm. Schröder | Braudorf 5/51 
50. En G. Schröder | er 515 1 


Anlagen. 115 


=IE 

No. Qualität. Namen. Wohnort. = 5 5 3 

| Fu ae wen 2... |@ A 
51. Unbefahrener \ A. Schröder Braudorf Sat 
52. ” 'H. Buse Hinnebeck Bes T 
53.| ” 'C. Schwiekmann |Gelligehauen 5 5 1 
54. Maschinist L. Fahrig Geestemünde 60 30 8 
55. „ zweiter Georg Vogt Bremerhafen 20 12 8 
56. Heizer Wilh. Stiel Mühlheim 12 12! 6 
57.) Schmied und Heizer H. Röptig Grohn 10 110] 2 

58. Junge Chr. Köper Leuchtenburg 10 —— 2 
PERS Joh. Gröhn & s-1 
60. Heizer H. Althoff , Geestemünde 12 12 6 
61.| Sy L. Hackelbusch  Fürstenau 12 12] 6 
62., Leichtmatrose H. Römer Kulenhamm 12|6,6 


(Folgen die Unterschriften der Vorigen.) 


Register 1316. Dass die in vorstehender Musterrolle unter Nummer 1 
bis 8, 10, 11, 13, 15, 17 bis 32, 37 bis 53, 57 bis 59 aufgeführten 
Personen, so viel sie mir nicht von Person bekannt waren, sich durch 
ihre Legitimationspapiere ausweisend diese Musterrolle nach geschehener 
Vorlesung vor mir eigenhändig unterzeichnet haben, wird damit beglaubigt. 

Aumund, den 11. Febr. 1867. 

Johann Peter Brunkhorst, 
(L. S.) Königl. Preuss., vormals Hannöy. Notar. 
Geschehen Amt Lehe, zu Geestemünde, den 13. Febr. 1867. 

Vor dem unterzeichneten Beamten sind heute erschienen: 

1. Der Kapitän Hashagen, wohnhaft zu Leuchtenburg, führend das 
zu Geestemünde heimathliche Dampfschiff Albert”, Flaggennummer 
Nr. 2362, Kommerzlasten trächtig; 328 Last. 

2. Dessen für folgende Monatsheuer und Part- und Handgeld ge- 
dungene Schiffsmannschaft, nämlich: 

a. H. D. C. Bolte, 21 Jahre alt, aus Blexen, als Unterküper, für 
10 Thlr. Gold Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 5 Stüber pr. Fass Partgeld. 

b. Carl Louis Beer, 28 Jahre alt, aus Osnabrück, als Leiehtmatrose, 
für 10 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 5 Stüber Partgeld. 

e. Hinrich Korte, 39 Jahre alt, aus Bockhorn, als Leichtmatrose, 
für 5 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 1 Stüber Partgeld. 

d. Wilh. Schwuchow, 27 Jahre alt, aus Schlawe, als Leichtmatrose, 
für 10 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 4 Stüber Partgeld. 

e. Franz Freye aus Seeburg, 37 Jahre alt, als Leichtmatrose, für 
8 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 4 Stüber Partgeld. 

f. Dietrich Meyer, 18 Jahre alt, aus Geestendorf, als Leichtmatrose, 
für 8 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 4 Stüber Partgeld. 

Es sind denselben die vom Kapitän überreichten Musterungs- 
bedingungen vorgelesen, und verpflichteten sich beide Theile, die Be- 
dingungen pünktlich zu erfüllen. 

Vorgelesen, genehmigt. W. Hashagen, 

H. D. Bolte, 
H. Korte, 
Louis Beer, 
W. Schwuchow, 
Franz Freye, 
Dietrich Meyer 
Beglaubigt: 
8.) Ebert, Amtsassessor. 


unterschrieben. 


D. Schreiben des Büchsenfabrikanten Cordes in 
Bremerhaven in Betreff der verbesserten Schiess- 
harpune und Bombenlanze. 


Das Rohr ist mit Schildzapfen (früher nicht vorhanden) versehen, 
welche in einer Gabel ruhen, hat eine Länge von 24 Zoll, ein Kaliber 
von 24%; Zoll und ein Gewicht von eirca 100 Pfd. Als Geschosse sind 
hierzu konstruirt eine Harpune und eine sogenannte Bombenlanze, beide 
von Eisen. Die Harpune hat eine Länge von 36 Zoll und ist 9 Pfd. 
schwer. Sie hat vorn die Pfeilspitze, die 5 Zoll lang und deren Wider- 
haken 5 Zoll auseinander stehen; hieran schliesst sich der Schaft, den 
das Rohr aufnimmt und der den doppelten Zweck hat, einestheils die 
Führung im Rohr zu bewirken, anderntheils den Vorgänger (ein 23zÖl- 
liges, 20 Faden — 120 Fuss langes Ende, an welchem die Harpune 


befestigt ist) aufzunehmen. Die Bombenlanze ist 16 Zoll lang, 2% Zoll 
im Durchmesser und 6 Pfd. schwer, hat eine 6 Zoll lange dreikantige 
Spitze und einen 10 Zoll langen cylindrischen Theil; dieser ist zur 
Aufnahme einer Sprengladung von °, Pfd. Pulver bestimmt, welche 
durch einen sehr künstlich konstruirten Zünder entzündet wird. Die 
Geschützladung für Bombenlanze und Harpune ist resp. Y/s, und "/,o Pfd. 

Ein Schiessversuch ergab nachstehende Resultate: Das Ziel für die 
Harpune, eine Fläche von 1 Quadratfuss, war Anfangs 80 Fuss vom 
Geschütz entfernt; jeder Schuss, der von Cordes selbst gerichtet war, 
ging durch das Ziel. Nach und nach wurde die Entfernung vergrössert 
bis auf 112 Fuss, wo noch jeder Schuss das Ziel traf. Die Treft- 
ergebnisse mit der Bombenlanze waren ganz dieselben. Sehr beachtens- 
werth war die Präcision des Zünders, denn bei den verfeuerten drei 
Schüssen variirte die Brennzeit der Zünder nur zwischen 13 und 14 
Sekunden. Die Flugzeit für beide Projektile betrug 2 bis 24 Sekunden. 

Diese neuere Einrichtung führt uns gegen die frühere ein kürzeres 
Geschützrohr und eine kürzere Harpune vor, und in dem letzteren Um- 
stande ist ein Hauptmoment begründet. Die Vortheile liegen für jeden 
Sachkenner klar auf der Hand. Wie schon oben gesagt, ist das Rohr 
mit Schildzapfen versehen, deren Achse durch die Seelenachse geht. Bei 
den früheren Exemplaren dieses Geschützes ist die Befestigung des 
Rohres im Boot derartig gewesen, dass ein Querbolzen unter dem Rohr 
dasselbe mit gwei Blättern verband, die auf einem Poller angebracht 
waren. Hierdurch war der Lagerpunkt bedeutend versenkt, und zwar 
um die halbe Rohrstärke plus der halben Stärke des Bolzens. Der 
hierdurch entstehende Nachtheil war ein sehr starkes Bucken, welches, 
da der Schaft des Rohres mit der Hand gehalten werden muss, dasselbe 
häufig aus der Richtung brachte und sehr oft Veranlassung zu Fehl- 
schüssen gab. Durch die vorliegende Konstruktion des Rohres mit ver- 
gliehenem Lagerpunkt wird das Bucken in hohem Grade vermindert 
und somit auch der Nachtheil des Fehlschiessens bedeutend verringert. 
Ferner die kürzere, also auch leichtere Harpune senkt sich beim Schiessen 
nicht so bald als die längere und also auch schwerere; man braucht 
deshalb auch nicht so viel Elevation und kann aus diesem Grunde auch 
sicherer riehten als sonst; der Fisch wird also in flacherem Bogen, 
mithin direkter getroffen als früher, was auch die Eindringungstiefe der 
Harpune vergrössert. Durch die Bombenlanze soll die umständlichere 
Harpune wo möglich entbehrlich gemacht werden; der wohlgetroftene 
Fisch soll durch die in seinem Leibe durch %, Pfd. Sprengladung kre- 
pirende Bombenlanze sofort getödtet werden. 

Noch eine neue Einrichtung verdient hier Erwähnung: eine Doppel- 
kanone mit denselben Abmessungen wie die oben erwähnte einfache, 
nur dass das Gewicht um etwa 20 Pfd. grösser ist. Sie ersetzt voll- 
ständig zwei einfache Kanonen, für die, wollte man sie wirklich an- 
bringen, man doch keinen Platz haben würde. Der Zweck ist, aus dem 
einen Lauf, und zwar zuerst, die Harpune, aus dem anderen die Bomben- 
lanze zu schiessen. Auch diese Doppelkanone hat bei den Proben die- 
selben guten Resultate geliefert wie die einfache. 

Aus einem späteren Briefe des Herrn Cordes vom 12. Dez. 18368: 

Die zuletzt angefertigten Doppelkanonen für den Walfischfang unter- 
scheiden sich von denen, worüber Sie bereits Kenntniss erhalten, da- 
durch, dass daran der rechte Lauf mit drei Zügen, welche auf eine 
Länge von je 25 Fuss eine ganze Drehung der Bombenlanze bezwecken, 
versehen ist. 

Die Harpunen unterscheiden sich dadurch von den Englischen, dass 
die meinigen derartig eingerichtet sind, dass die Leine mit in das Rohr 
geschoben wird, wohingegen die Englischen mit einem Drahtbügel 
(Scheckel) versehen sind, welcher zwischen dem getheilten Ende (zwi- 
schen den Seitenstangen, welche in das Rohr gehen) hängt, und an 
welchem die Leine befestigt ist. Hierdurch wird die Harpune, wenn 
solche abgeschossen wird, stets etwas aus der ihr durch das Rohr ge- 
gebenen Richtung gebracht und auch die Perkussionskraft bedeutend 
geschwächt. Mit den vom mir gelieferten Walfischkanonen hat Herr 
S. Foyn in Tönsberg laut Mittheilung der Weserzeitung bis zum 15. Mai 
zehn Finnfische erlegt. Private Mittheilungen sind mir darüber nicht 
ertheilt worden, nur dass Herr Foyn bei seinem Besuch. im September 
1866 mir sagte, er hätte im Laufe des Sommers zwölf Finnfische da- 
mit geschossen, was ihn damals veranlasst hatte, acht Stück Kanonen 
nachzubestellen. 

Die Doppelkanone nebst Harpunen und Bombenlanzen, mit welcher 
Herr P. Reehten jetzt nach Amerika gereist ist, ist dieselbe, welche ich 
in der Pariser Industrie-Ausstellung hatte, und ist seitdem weiter keine 
Verbesserung daran gemacht, bis auf eine unerhebliehe Veränderung an 
der Harpune. 


10% 


116 Anlagen. 


E. Mittheilung über Thranbereitung und Thran- 


handel, so wie über den Handel und die Fabrikation 
von Walfischbarten. 


In Bremen sind folgende Thransorten gangbar: 1. Archangler, 
verbraucht zum Brennen, in Seifensiedereien und Weissgerbereien ; 
2. Berger und Tromsöer blanker oder Norweger blanker, wird zum 
Brennen und zu Schmiere verbraucht. Unter diesem blanken Thran 
kommt auch Waare vor, welche Importeure als 3. Medizinalthran zu 
verkaufen suchen. Dieser, wenn echt, stammt nur vom Dorsch, jener 
aber aus der Leber verschiedener Fische. 4. Berger und Tromsöer 
Leberthran, sogenannter „Gerberthran”, für Lohgerbereien. 5. Grön- 
ländischer Thran, wird hauptsächlich in Weissgerbereien und auch zum 
Brennen verbraucht. 6. New Founrdland-Thran, wird unter Anderem 
zur Fabrikation lithographischer Tinte verbraucht, welche hauptsächlich 
in Hannover und Westphalen zum Export nach Frankreich fabrieirt 
wird. 7. Südsee-Thran. Verbrauch: vorzugsweise zu Schmiere und 
ordinären Seifen; Hauptausfuhr nach Frankreich. Grönlands- und Süd- 
see-Thran werden vielfach zur Erleuchtung in Bergwerken verwandt. 
Hamburg empfängt unter Anderem fast die ganze I'hran-Ausbeute vom 
Weissen und Kaspischen Meere, so wie von Norwegen. Es findet dort 
noch eine weitere Behandlung des Thranes Statt, um den verschiedenen 
Bedürfnissen und Gewohnheiten der verschiedenen Länder zu entsprechen. 
Die Einfuhren von Thran in Hamburg und Bremen während der letz- 
ten fünf Jahre sind in Tabelle A. 6 bis 8 mitgetheilt. Auf Grund von 
Auskunftsertheilungen, welche mir von zwei Deutschen Fabrikanten in 
sehr dankenswerther Weise gegeben wurden, lasse ich hier Angaben 
über Handel &e. mit Walfischbarten folgen. Bis in die dreissiger Jahre 
dieses Jahrhunderts war die Verarbeitung der Walfischbarten eine sehr 
einfache Sache, indem sich dieselbe beinahe ausschliesslich auf das so- 
genannte „‚Reissen”, das heisst Spalten der Walfischbarten in Stangen, 
beschränkte. Diese Stangen wurden sodann der Länge nach abgeschnit- 
ten, abgekippt und in Bündel verpackt dem Verbrauche übergeben. 

Dieser Betrieb war also ein sehr einfacher und es waren auch bei 
grösserer Ausdehnung des Geschäfts nur wenige Arbeitskräfte erforder- 
lich, auch schon deswegen, weil bis zum Anfang jener Epoche ausschliess- 
lieh Grönlands- und Davis-Strasse-Barten verarbeitet wurden, die schon 
gereinigt, ja mitunter sogar sortirt von den Stapelplätzen bezogen wur- 
den. Hieraus wurden Stäbe zu Regen- und Sonnenschirmen oder schmä- 
lere und breitere für Mieder gefertigt, die dann bei der Verwendung 
durch den Regenschirmmacher, den Schneider oder die Nähterin noch 
die weiter nöthige Zurichtung erhielten. 

Bald kamen nun sogenannte Südsee-Barten in den Handel und die 
Französische und Amerikanische Fischerei im nördlichen Stillen Ocean 
machte sich immer mehr auch für Fischbein geltend. Walfischbarten 
mussten jetzt in grösseren Partien, weil von entfernten Märkten, bezo- 
gen werden, und nieht nur unsortirt, sondern auch immer ungereinigt. 
Es kamen nun die verschiedenen Sorten: Arctie-, Ochotsk-, Nordwest- 
Barten, nach und nach zur Verwendung. Hierdurch so wie durch den 
Einfluss mancher Mode und wohl auch hauptsächlich durch den Drang, 
welcher allgemein durch die Industrie ging, dem Verbrauche besser und 
handsamer hergestelltes Material zu liefern, verlor die Fabrikation des 
Fischbeins ihre Einfachheit, und während in früherer Epoche 10 bis 
12 Arbeiter genügten, sind jetzt 50 bis 60 erforderlich, das gleiche 
Quantum Fabrikat zu liefern, und dazu noch manche mechanische Vor- 
richtung. In Folge der hohen Preise, welche schon seit einer Reihe 
von Jahren für rohe Barten bezahlt werden, hat der Verbrauch von 
verarbeitetem Fischbein bedeutend abgenommen, indem eine Anzahl 
Surrogate sich billiger herstellen lassen und in manchen Fällen dieselben 
Dienste thun, wie z. B. der ausserordentlich billige Stahl der Krino- 
linenreifen. Die zur Verarbeitung kommenden Barten sind folgende: 

1. Grönländer, auch Arctic- oder Polar-Barten; diese Sorte er- 
reicht die grösste Länge, denn es kommen, wenn auch ausnahmsweise, 
Barten von 14 bis 15 Fuss Leipziger Maass unter ihnen vor. 

2. Ochotsk-Barten, stammen angeblich aus der Bai dieses Namens, 
doch scheinen auch kleinere Grönländer Barten so benannt zu werden. 

3. Nordwest-Barten, von Mittelgrösse, wie Nr. 2, und verhältniss- 
mässig stärkeren Blättern als die anderen Sorten. (Vielleicht von 
Fischen, die bei der Kodiak-Insel und in der Bristol-Bai getödtet wurden?) 

4. Südsee-Barten, ist die kleinste Sorte und kam früher auch von 
Spanien aus unter dem Namen Galieia-Barten in den Handel. 

‚Die von allem Schmutz und von den Haaren befreiten Barten wer- 
den in kochendem Wasser erweicht und dann vermittelst des Hobels der 
Länge nach in Streifen von geeigneter Breite geschnitten. Das Fisch- 


bein kommt zum Theil in diesem Zustande zum Verkauf, um von 
Schneidern, Peitschenmachern und Schirmfabrikanten verarbeitet zu 
werden, theils wird es in der Fabrik noch weiter fertig gemacht und 
polirt, wo es dann von Korsetfabriken, Putzmacherinnen und Mützen- 
fabrikanten verwendet wird. Es werden auch polirte Peitschenstöcke, 
Spazierstöcke und Stricknadeln von Fischbein angefertigt. Die Fisch- 
bein-Abfälle werden theils in chemischen Fabriken wie Horn - Abfälle 
verwendet, theils zur Düngung benutzt. Die feineren Späne werden 
zum Polstern verwendet, eben so die an den Barten befindlichen Haare. 
Die Fabrik in Neudietendorf bei Gotha besteht seit 1785. Über den 
Umsatz lässt sich Nichts sagen, da derselbe ganz von den Preisen ab- 
hängig war, künftig aber selbst bei billigen Preisen wohl gering bleiben 
wird. 

Die Häuser J. M. Dellefant in Augsburg (besteht seit 1790), H. 
C. Meyer jun. in Hamburg und J. G. R. Lilliendahl in Neudietendorf 
sind die ältesten Fabriken in Deutschland. 

Ausserdem ist noch Folgendes mitzutheilen: 

1. Die wirklichen Grönländer Barten sind die spaltbarsten, sie 
haben den feinsten Wuchs und lassen sich zu aller Waare, welche nicht 
gepresst wird, verwenden. 

2. Polar-, Aretic- und Ochotsk-Barten stehen den Grönländer 
etwas nach, sind ihnen übrigens sehr ähnlich. 

3. Nordwest-Barten sind den Grönländer am unähnlichsten, indem 
sie sich am besten pressen lassen, was wohl von einem Fett- oder 
Gallertgehalt herrührt, welcher den Grönländer Barten abgeht. 

4. Südsee-Barten haben am meisten die Eigenschaft der Nordwest- 
Barten, sind aber kleiner und gewöhnlich am billigsten. 

Nr. 1 und 2 sind also am meisten zum Spalten, nicht zum Ge- 
presstwerden geeignet, Nr. 3 und 4 am meisten zum Gepresstwerden 
und lassen sich weniger gut spalten. 

Die äusseren Flächen der Barten werden Schalen genannt, sie 
sind wenig oder gar nicht porös und besitzen wie beim Stuhlrohr die 
eigentliche Elastizität, weshalb auch alle Waare mit Schale gesuchter 
ist als blosse Kernwaare. Das ganz hellgelbe, sogenannte weisse Fisch- 
bein kommt selten vor, am meisten noch Barten mit gelbem Längsrand 
oder Streifen; yanz weisse Barten sind meist klein und kommen nur 
unter Südsee-Barten vor, öfters in einer Länge von höchstens 1% bis 
2% Fuss, weit seltener von 5 bis 6 Fuss Leipziger Maass. Der Um- 
stand, dass ganz weisse Barten nur in der Südsee vorkommen, wider- 
legt wohl die Vermuthung, dass dieselben vom Zwergfinnfisch her- 
rühren könnten, dem Herr Martins („Von Spitzbergen zur Sahara”, 
Bd. I, S. 125) nur weisses Fischbein zutheilt. Auch wäre ‚wohl eine 
Barte von 5 bis 6 Fuss für die Balaena rostrata zu lang. Überhaupt 
kauft man selten Finnfischbein, da Alles, was unter diesem Namen in 
den Handel kommt, stets säbelförmig gebogen und wellig gewachsen ist. 

Der Hauptstapelplatz für Barten ist New Bedford, in letzter Zeit 
scheint auch San Francisco seine Walfischflotte zu vergrössern (siehe die 
Daten über die Amerikanische Fischerei von 1868). Fabrikanten beziehen 
ihren Bedarf theils von New York, theils von Bremen, Hamburg, Hayre 
oder London, je nachdem der eine oder andere Platz zufällige Vortheile 
bietet. Die 23 Arbeiter einer der Fabriken könnten per Jahr ganz 
bequem 120.000 Pfd. Barten in den verschiedenen Sorten des Bedarfs 
verarbeiten. 

Es kommt manchmal vor, dass ein Theil der Barten mit einge- 
schnittenen oder eingebrannten Marken versehen ist, was für den Fa- 
brikanten sehr nachtheilig ist, weil die Waare, welche aus solchen 
Stellen geschnitten wird, nicht gebraucht werden kann. Es sei hier 
nur noch bemerkt, dass unter ‚„weissem’” Fischbein hier immer hell- 
gelbes zu verstehen ist. Schneeweisses kommt gar nicht vor. 

In Berlin bestehen, wie mir von dorther mitgetheilt wird, zwei 
Fischbeinfabriken, von welchen jedoch nur eine das ganze Jahr hin- 
durch Arbeiter in der Fischbeinfabrikation beschäftigt, und zwar 20 bis 
22, während noch eben so viele bei Arbeiten in Rohr beschäftigt werden. 
Der Verbrauch dieser einen Fabrik wird mir auf 60- bis 70.000 Stück 
Barten ä 14 bis 2 Pfund jährlich angegeben. Diese Fabrik ist die 
grösste in Preussen und besteht bereits über hundert Jahre. 


Anlagen. 


F. Gebiete des Walfischfanges im Atlantischen, 
Grossen und Indischen Ocean, so wie in dem 
arktischen Meere '), 


I. Der right-whale und bow-head (Polarwal, Balaena 
mysticetus). 


In den arktischen Meeren, Fischerei auf bow-head: Hudson - Bai 
(hauptsächlich bei Southampton -Insel und Kap Fullerton) und Davis- 
Strasse. — Grösse und Thranergiebigkeit der Fische: früher 120 Bar- 
rels durchschnittlich (Männehen 100 B., Weibchen 140 B.). 

Ochotsk-Meer. Hier kommt zu dem bereits Mitgetheilten noch hinzu: 
Kreuze: Juni bis Oktober; die Fische lieferten früher durchschnittlich 
120 Barrels Thran und bis 1500 Pfund Barten auf 100 Barrels Thran, 
jetzt durchschnittlich 100 Barrels. 

Arktisches Meer jenseit der Bering-Strasse: Ebenfalls mitgetheilt. 
Gewöhnliche Grenzen der Fischerkreuzen: Point Barrow, Icy Cape und 
Herald-Insel, so weit das Eis es zulässt. Einzeln überwinterten Fischer- 
fahrzeuge im Ochotsk-Meer so wie in der Plover- und St. Lorenz-Bai. 
Im Arctie wurden in 1848 Fische gefangen, die 300 Barrels Thran lie- 
ferten, 1300 Pfund Barten auf jede 100 Barrels Thran. Später kleiner. 

Im Atlantischen Ocean, Fischerei auf right-whale: Früher an 

1. der Küste von Brasilien die Brasil oder False Banks zwischen 
36 und 55° S. Br. und von der Ostküste von Süd-Amerika bis 30° 
W. L., besonders auf 38 bis 35° S. Br. und 38 bis 45° W.L. 

2. Die Tristan Grounds von 28 bis 42° S. Br. und vom Meridian 
bis 20° W. L., ferner 34 bis 43° S. Br. und 24 bis 28° W. L., so 
wie früher besonders der Westküste Afrika’s entlang von 22 bis 32° 
S. Br. und südlich vom Kap. 

Ausgewachsene Wale dieser Gründe lieferten: der männliche Fisch 
40 bis 60 Barrels Thran bei 300 Pfund Barten auf 100 Barrels Thran, 
der weibliche Fisch 60 bis 80 Barrels Thran bei 400 bis 600 Pfund 
Barten auf 100 Barrels Thran. Kreuze (season): von September bis 
Mai, Hauptmonate: September bis Februar. 

Im Indischen Ocean: Weiteste Grenzen der Kreuze: Kap der 
Guten Hoffnung (18° Ö.L.) bis zu 80° Ö.L. und zwischen 20 und 50° 
S. Br. Dieses Gebiet ist bereits sehr ausgefischt; die ergiebigsten 
Striche waren und sind theilweise noch: 

1. Delagoa-Bai (26° S. Br., 32° W. L.). 

2. Östlich vom Kap der Guten Hoffnung von 35 bis 38° $. Br. 
und 30 bis 35° Ö.L. 9 

3. Um Crozet Islands (45 bis 47° S. Br., 49 bis 52° 0. L.). 

4. Um St. Paul’s-Insel (32 bis 38° S. Br., 70 bis 80° 0. L.). 

5. An der Süd- und Westküste von Neuholland und Van Diemens- 
land, bei Kap Leeuwin, im King Georges-Sund, Geographen-Bai. 

Die Fische im Indischen Ocean sind durchschnittlich etwas kleiner 
als im Atlantischen, nämlich Männchen 40 Barrels Thran und 240 Pfund 
Barten, Weibchen 60-Barrels Thran und 360 Pfund Barten. Kreuze: 
September bis Mai. In den Wintermonaten in den Baien der Küsten, 
wo die Weibehen Junge bekommen, sonst „off shore”, d. i. vor der Küste. 
Vielfach ist die Fischerei an Inseln und Felsen, besonders wenn Kelp, 
eine Seegras-Art, am Grunde wächst. 

Im Süd-Pacifie: An und vor der Küste von Neuseeland, bei den 
Auckland-Inseln. R 

a) Vor der Küste auf 38 bis 48° S. Br. und 154 bis 162° Ö.L., 
von Oktober bis März, im Norden beginnend und südwärts kreuzend. 

b) Von 36 bis 45° W. L., 160° 6. L. zu 160° W. L. und bei 
den Stewart-Inseln vom Lande bis auf 100 Miles von der Küste. 

2. An der Küste von Chile früher in 42 bis 47° N. Br. und 75 
bis 80° W. L. vom 1. September bis 1. Januar, nach diesem Zeit- 
punkt Kreuze nördlich an der Küste hin und die Baien durchstreifend 
bis 35° S. Br. und wieder auf 40° S. Br. bis Mai, zuweilen in den 
Baien (Concepeion- und St.-Vincent-Bai). Einige Schiffe überwintern in 


») Die Übersichten über die Gebiete des right-whale- und Spermwalfanges sind 
nach den Mittheilungen des Herrn Captain Seabury in New Bedford vom 1. Fe- 
bruar 1869 entworfen. Sie sollen natürlich nur die wichtigsten Fischerplätze und 
Stationen bezeichnen, über die Verbreitung der Wale überhaupt und verschie- 
dene andere auf den Walfischfang bezügliche naturwissenschaftliche Fragen giebt 
ja Maury in seinen vier Whale-charts eine auf den Daten von mehreren hundert 
Logbüchern beruhende Auskunft. Diese Whale -charts hatten bekanntlich auch 
den Zweck, dem Whaler die Mittel in die Hand zu geben, den Fischfang mög- 
lichst erfolgreich zu betreiben, sie sind aber jetzt in mancher Beziehung antiquirt. 
Captain Seabury, welcher bei den mir in dankenswerther Weise gemachten An- 
gaben auch andere Walfischfänger zu Rathe zog, hat leider in den wenigsten 
Fällen angegeben und auch wohl angeben können, welche Gründe noch jetzt so 
fischreich sind, wie sie es früher waren. 


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diesen Baien. Jetzt kreuzen die Schiffe auf diesen Gründen in mixed 
voyages, nämlich im Winter nordwärts auf Spermfischerei. 

Grösse der Fische nicht sehr von den vorhin angegebenen ver- 
schieden. 

Im Nord-Paeifie: 1. Nordwestküste (Kodiakgrund) zwischen 50 
und 60° N. Br. und 130 bis 160° W. L., vorzugsweise zwischen 55 
und 58° N. Br. uud 140 bis 152° W. L. Die Zeit der Kreuze ist 
von April bis Oktober. Die Wale liefern durchschnittlich 125 Barrels, 
nämlich die männlichen 60 bis 100 Barrels, die weiblichen 100 bis 
200 Barrels, Barten, etwa 1000 Pfund auf 100 Barrels; sie sind 
viel länger als die Südsee - Barten, die Zahl der Blätter ist gegen 
200 und von 1 bis 11 Fuss lang. Manche Wale auf diesen Gründen 
erweisen sich als „dryskins”, d. h. bei ihnen liefert der Speck wenig 
Thran. 

2. Bristol-Bai, Fox Islands, bei Kamtschatka und der Anadyrsea. 
Auf diesen Gründen kreuzen die Schiffe noch jetzt mit vielem Erfolg, 
namentlich auch vor der Fahrt nach dem arktischen Meer. 

3. Bei den Inseln am Eingang zum Ochotsk-Meer, im Japanischen 
und Gelben Meere. Hier sind die Fische kleiner als auf dem Kodiak- 
grund, nämlich ein ausgewachsenes Männchen liefert 70 Barrels, ein 
solches Weibchen 110 Barrels Thran. 


» 
II. Der Spermwai. 

Allgemeine Verbreitung: zwischen 60° S. Br. und 60° N. Br. 
Die genaueren Grenzlinien siehe in Maury’s Physischer Geographie, 
auch in Berghaus’ Physikalischem Atlas, VI, Abth. 3. 

Im Karaibischen Meere: Vor Chagres oder Vanquilla und verschie- 
denen anderen Plätzen jenes Meeres; im Golf von Mexiko und zwi- 
schen 28 und 29° N. Br., 89 zu 90° W. L., um die Bahama-Inseln 
(28 bis 29° N. Br. und 79° W. L.), Charleston Ground (29 bis 32° 
N. Br. und 74 bis 77° W. L.). Auf diesen Gründen kreuzen im Früh- 
jahr kleine Schiffe, im Winter kreuzen diese nach Süden zu, gegen den 
Sommer mehr östlich (nach Osten zu kleinere Fische). 

Im Nord- Atlantischen Meere: Von 36° N. Br. zu 74° W. L., 
von 32° N. Br. zu 68° W. L., von 28 bis 32° N. Br. zu 48 bis 57° 
W.L., von 33 bis 45° N. Br. zu 50° W. L. bis östlich von den 
Azoren, besonders aber auf 40° N. Br. und 40° W. L., so wie auf 
dem 36° N. Br. und 36° W.L. (the 2 and 40 grounds und the 2 and 
36 grounds). Kreuze im Sommer, mitunter bis Dezember. Neuerdings 
Fischerei von 43 bis 46° N. Br. und 25 bis 32° W. L., von 48 bis 
50° N.Br. und 21 bis 24° W.L. Auf dem Western Ground (westlich 
von den Azoren) Fische häufig nahe bei den Inseln. 

Steen Ground: von 31 bis 36° N. Br. und von 21 bis 24° W.L. 
Beste Zeit für die Kreuzen: August bis November. Früher vom Kap 
St.-Vincent nach der Strasse von Gibraltar, der Küste von Portugal und 
Spanien entlang und an der Südseite von Teneriffa nahe dem Lande. 
In den Wintermonaten nördlich und westlich der Capverdischen Inseln. 
Ferner von 10 bis 14° N. Br. und 35 bis 40° W. L. im ‚März bis 
Mai, von 5 bis 7° N. Br. und von 18 bis 20° W.L. im Winter. Bei 
der Insel Fernando Po. 

Im Süd-Atlantischen Meere: Früher bei den Alealas Banks grosse 
männliche Wale, auf 17 bis 19° S. Br. und von der Küste zu 35° 
W. L., vor Kap Frio auf 23° S. Br. und von 39 zu 42° W.L. klei- 
nere Wale. Die hier kreuzenden Schiffe gehören meist zu den kleineren. 
Früher bedeutende, jetzt geringere Spermfischerei an den Küsten von 
Brasilien und Uruguay von 30 bis 40° S. Br. und von 30 Miles bis 
4 Grad vor der Küste. Hier auf dem sogenannten River La Plata- 
Grunde ist die Zeit der Kreuze vom September bis Mai. Von 45 bis 
47° S. Br. und von 55 bis 60° W.L. 

Ostseite des Atlantischen Meeres: Fischerei längs der Küste von 
Afrika, bei den Inseln Ascension und St. Helena und südwärts bis zu 
den Tristan-Inseln. Die wichtigsten Fischplätze sind: von 4 bis 23° 
S. Br. und 9 bis 10° W.L., auf 34° S. Br. und von 2 bis 3° O.L. bis 
7° W. L. Kreuze auf diesen Gründen von September bis Mai, nach 
Norden zu das ganze Jahr. Wale meistens gross, öfter werden solche 
vor Kap Horn getroffen. 

Süd -Pacifischer Ocean: Dieses Fischereigebiet beginnt an der 
Westküste von Süd-Amerika auf 46° S. Br. und reicht herab bis auf 
35°, und zwar von der Küste bis auf 200 miles ab. Früher Fischerei 
bei der Insel Chiloe, bei den Inseln Huafo und Ascora auf 44° S. Br., 
vor der Insel Mocha, vor dem Hafen Talcahuano, um die Inseln Juan 
Fernandez und Massafuero, von diesen Inseln zu 90° W. L. Kreuze 
hier und weiter sidwärts vom September bis Mai. Meist grössere Fische. 

Archer Ground: von 17 bis 20° S. Br. und von 84 bis 90° W.L. 
Ferner die Küste hinab von der Breite der Panama-Bai (8° N. Br.) 


118 Anlagen. 


und von der Küste zu 90° W. L. Früher Fischerei auf dem Callao- 
Grunde bei der Küste von 12 bis 18° S. Br., auch von 10 bis 14° 
S. Br. und 86 bis 90° W. L. Jetzt fischt hier noch eine kleine Zahl 
von Schiffen. Fische von allen Grössen, durchschnittlich männliche 40 
bis 60 Barrels Thran. 

Im Anfang der Spermfischerei im Paeific war eine der besuchtesten 
Stellen von 5° S. Br. bis 2° N. Br. und von der Küste von Peru bis 
93° W. L., einschliesslich der Galapagos-Inseln, wo Schiffe das ganze 
Jahr hindurch fischen und die grösste Zahl der Fische aus weiblichen 
mit ihren Jungen besteht, männliche einzeln. Ferner früher vor der 
Küste, besonders von 4 bis 5° S. Br. und 104 bis 110 W. L. Kreuze 
das ganze Jahr. Fische von allen Grössen , die Mehrheit junge männ- 
liche von 40 bis 60 Barrels. (Fische gehen in Schulen, je grösser der 
Wal, desto kleiner die Schulen.) 

Auf dem Aquator von 2° N. Br. bis 2° S. Br., von der West- 
küste von Süd-Amerika-quer nach dem Pacific hinüber, besonders von 
110 bis 130° W. L., bei Jarvis Island und der King’s Mill-Gruppe. 
Die beim Äquator gefangenen Fische sind meist sehr klein, gelegentlich 
ein grosser männlicher Fisch zwischen ihnen. Bei den Marquesas-, den 
Niedrigen, den Gesellschafts- und Schiffer-Inseln, den Hervey- und den 
Viti-Inseln einige Fischerei. 

Bei Neuholland, bei Neuseeland,- besonders bei French Rock, von 
Südost zu Südwest, 20 bis 30 Miles Distanz (31° 30'S. Br. und 179° 
Ww.L.). 

Varques-Grund (25° S. Br. und 170 bis 176° W. L.). 

Bei den Sunday-Inseln (29° S. Br., 179° W.L.); ferner auf 36° 
S. Br. und 165° W.L. 3 

Bei den Three Kings (32° S. Br. und 170 bis 175° OÖ. L.). 

Beim Lande ostnordöstlich von Monganui zu Ostsüdost von Kap 
But auf 40 bis 80 Miles vom Lande. 

Ferner bei der Stewart-Insel und bei den Snares- und Chatham- 
Inseln, auf 36 bis 38° $. Br. und 164 bis 166° Ö. L. 

Die Fische, welche bei Neuseeland gefangen werden, sind gross, 
viele geben 100 Barrels. Die Kreuze im äussersten Süden ist während 
der Sommermonate und von September bis April auf dem nördlicheren 
der eben angegebenen Gründe, so dass die Schiffe das ganze Jahr hin- 
durch hier fischen, und zwar noch jetzt mit gutem Erfolg. Bei den 
Schiffer-Inseln und French Rock werden die Schiffe häufig von Orkanen 
heimgesucht und es werden nach diesen Gründen die besten Schiffe ge- 
sendet. Von Neuseeland quer hinüber nach Neuholland, bei Van Die- 
mensland, die Küste von Neuholland entlang, Wreck Reef und um New 
Island und Bouker-Bai. Ferner bei Salomon Island, New Guinea, New 
Georgia und der King’s Mill-Gruppe. Auf den letzteren Gründen mehr 
kleine Fische. 

Nord-Pacifischer Ocean: Früher kreuzten viele Schiffe bei Kap 
St. Lucas und dem Golf von Kalifornien (auf 23° N.Br., 110° W.L.), 
und zwar war die Fischerei hauptsächlich auf 10 bis 15 Meilen von 
der Küste ab; meist grosse Fische. Kreuze: während der Wintermonate. 
Nach der Sommerfischerei auf den Japan-Gründen kommen die Schiffe 
hierher, jedoch wäre auch in der übrigen Zeit Gelegenheit zur Fischerei. 

Bei Maria Islands und bei San Blas, an der Mexikanischen Küste, 
ferner in der Bai von Panama, von der Küste bis auf 90° W. L., von 
4 zu 8° N. Br. und von 100 bis 110° W. L. und bei den Sandwich- 
Inseln während der Wintermonate. Vor Oahu war der beste Platz. 
Die Japan-Gründe und der Platz bei den Bonin-Inseln lange Zeit hin- 
durch fischreich, und zwar von Mai bis November. Die Kreuze ging 
von 28 bis 38° N. Br. und von 165° W. L. zu 165° OÖ. L. und bei 
den eben genannten Inseln von 10 bis 150 Miles vor der Küste. In der 
späteren Jahreszeit richteten die Orkane (Teifuns) arge Verheerungen 
unter den Whalerschiffen an. Die Fische waren meist gross, besonders 
die männlichen, und viele, wie an den Zähnen bemerklich, sehr alt. 

Bei den Ladronen- und den westlich gelegenen Inseln. 

In der Soloo- und Mindosa-See und bei den East India-Inseln. 
Hier sind die Fische vorzugsweis kleinere. (Viel ruhiges Wetter und 
starke Strömungen.) 

Indischer Ocean: Vor Point Dauphin und bei Madagaskar, im 
Mozambique-Kanal und bei den Inseln Mauritius und Bourbon, bei den 
Inseln Rodriguez und der Amarant-Gruppe, bei den Sechellen, bei der 
Comara-Insel, vor Zanzibar und an der Ostküste von Afrika bis nach dem 
Rothen Meere hin. Ferner vor der Insel Scotia und an der Arabischen 


Küste hin, so wie bei den Laccadiven, ferner bei der Insel Ceylon. 
Die Schiffe kreuzen das ganze Jahr auf diesen Gründen so wie an der 
Süd- und Westküste von Neuholland. Die besten Plätze sind bei Kap 
Leeuwin und längs der Küste südwärts bis Termination-Insel, ferner 
vor Sharke-Bai westlich und um Van Diemens-Land. Von März bis 
Juli kreuzen die Schiffe mehrere Grade vor der Küste nach dem Westen 
von Australien, vom Oktober an nahe dem Lande. Hier sind grössere 
Fische. 


1II. Der Hump-back (Buckelwal). 


Kleiner als der Spermwal, weniger speckergiebig, sehr wild, in 
allen Meeren in seichtem Wasser nahe der Küste. Hauptfangplätze der 
Buckelwale: bei der Insel Trinidad und dem Golf von Para (10 bis 11° 
N. Br. und 61 bis 63° W. L.); ferner bei den Capverdischen Inseln 
und an der Küste von Afrika (23° N. Br., 7° S. Br.) Kreuze an den 
Capverdischen Inseln in den Wintermonaten und an der Afrikanischen 
Küste von Juni bis Oktober. Der ausgewachsene männliche Buckelwal 
(an der Afrikanischen Küste) liefert etwa 40 Barrels und der weibliche 
70 Barrels Thran. 

Im Paeifie: Im Golf von Guayaquil (3° S. Br.) und von hier 
der Küste entlang nach Norden; vor der Küste von Eeuador bis Es- 
meralda und 3° N. Br. Die Kreuze weiter nördlich von Februar bis 
Juni, südlich von Juni bis August; Durchschnitts-Ertrag an Thran: 
ein ausgewachsener männlicher Fisch 20 Barrels, ein ausgewachsener 
weiblicher Fisch 55 Barrels. 

Ferner an der Westküste von Neuholland, besonders um Rosemary- 
Insel an der Nordwestküste. Kreuze: von Juni bis Oktober, in der 
Zeit, wo die Fische in den Baien jungen. Weiter südlich ist die Kreuze 
später. Durchschnitts-Ertrag eines Fisches 40 Barrels Thran. 

Um Brampton Shoals im Pacifie (19° 8. Br. und 158° Ö. L.). 
Durchschnitts - Ertrag eines Fisches 30 Barrels. Kreuze: Juni bis 
November. 


IV. Der Greyback (Kalifornischer Wal, Rupsack, Stinker, 
Teufelsfisch). 

In den Golfen und Baien von Kalifornien in seichtem Wasser, be- 
sonders in. Magdalena-Bai (25° N. Br.), Scammons Lagoon (30° N. Br.) 
und in dem Ochotsk-Meer. Beste Zeit der Kreuze vom November bis 
Mai. Gewöhnlich werden diese Wale mit der Bombenlanze getödtet. 
Der Greyback liefert durchschnittlich 20 Barrels. Der Thran hat eine 
röthliche Farbe und ist ungefähr eben so viel werth als right-whale-Thran. 


Erfrischungs- und resp. Abladehäfen Amerikanischer Whaler. 

Atlantischer Ocean: Barbadoes, Bermuda, Fayal (Azoren), Port 
Praya (Cape de Verde Islands). 

Süd-Atlantischer Ocean: Pernambuco, Rio de Janeiro, St. Catha- 
rines, Montevideo an der Ostküste von Süd-Amerika. An der Afrikani- 
schen Küste: St. Helena, Ambroyet und Kapstadt.- Die wichtigsten Ab- 
ladehäfen im Atlantischen Ocean sind: Barbadoes, Fayal und St. Helena. 

Indischer Ocean: Insel Mauritius (Haupt-Ablade- und Reparatur- 
hafen), Zanzibar, die Sechellen, Singapore und einige Punkte der 
Östindischen Inseln (Kema). Im Westen von Neuholland: Sharke-Bai, 
Geographen-Bai und King Georges-Sund, Hobarttown auf Van Diemens- 
Land und Sydney. 

Süd-Paeifischer Ocean: Monganui- und Insel-Bai im Osten von 
Neuseeland, die Viti- und Schiffer-Inseln, Papepa auf der Insel Ota- 
heiti, Nukahiva (Marquesas-Inseln). Westküste ven Süd- Amerika: 
San Carlos, Talcahuano, Valparaiso, Callao, Paita, Tombez. Ablade- 
häfen sind hauptsächlieh Talcahuano und die Inselbai. Die Galapagos- 
Inseln, welche einige gute Häfen haben, werden gelegentlich der Land- 
schildkröten (Terapins) wegen besueht. Auf der Südseite der Chatham- 
Inseln kann gutes Trinkwasser von November bis Mai eingenommen 
werden. - 

Nord-Paeifischer Ocean: Jacannes in Ecuador, etwa 50 Miles 
nördlich vom Aquator und Panama, letzteres einer der wichtigsten Ab- 
ladehäfen für Thran. Ausserdem sind noch San Franeisco, Hilo, Hono- 
lulu und Lahaina wichtige Erfrischungs- und Verschiffungshäfen. Aca- 
pulco, Yokohama, Hakodade, Japan-Inseln, Guam, Ascension (King’s 
Mill-Gruppe). Früher Hong-Kong und Manila. In verschiedenen klei- 
neren Plätzen werden Mannschaften angenommen. 


Druck der Engelhard-Reyher’schen Hofbuchdruckerei in Gotha. 


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Petermanns Geographische Mittheilungen. Ergänzungsheft N° 26, Tafel. 


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herunter bis 36° N_Br. 

(Breite von Gibraltar 


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nn... Sara Cecilia 1777. SR» Vorkommen. der Walfische 


ee Wilhelmina 1777. Gebiet des Robbenschlags bei 
Curs der alten Holländischen Fischer. Jan Mayen und Robbenwanderungen 
nach diesem. Gebiete 


Maassstab 1: 40.000.000 S——#° 230 see MI 560 Yerıctüsehe M. (RQ0=18) 


GOTHA: JUSTUS PERTERS Lit Anıt  CHeltsrthin Gotha 
1869 


nm. (uns der heutigen Englischen Walfischfahrer. 


„ Schiffbrüche und See-Untalle