In Memory of
Remington Kellogg
7 8 nn
> Mammalogist- ;
a! gistN aepr,
RI Baleontolsgist Tea
AN
DIE
ARKTISCHE FISCHEREI
DER
DEUTSCHEN SEESTÄDTE
1620 —1868,.
IN VERGLEICHENDER DARSTELLUNG
VON
MORITZ LINDEMAN.
MIT ZWEI KARTEN VON A. PETERMANN.
(ERGÄNZUNGSHEFT No. 26 ZU PETERMANN’S „GEOGRAPHISCHEN MITTHEILUNGEN”.)
REMINGTON KELLOGG
LIBRARY OF
MARINE MAMMALOGY
SMITHSONIAN INS]
ZUNTHSONI }
APR 9 6 1993
LIBRARIE>
GOTHA: JUSTUS PERTHES.
1869.
Ar
Vorwort.
Die Eismeere unserer Erde bildeten seit Jahrhunderten eine reiche Quelle des Erwerbes durch den Fang
der sie bewohnenden Seethiere, besonders des Walfisches und der Robbe; geographische Entdeckungen selbst
unscheinbarer beschränkter Lokalitäten, wie z. B. Spitzbergen, schufen von Zeit zu Zeit neue wichtige maritime
Goldländer, aus denen viele Millionen Thaler baaren Gewinnes gewonnen wurden.
Wie aber das gelbe Metall an manchen seiner Fundorte erschöpft, wie manches werthvolle Objekt der Jagd
auf dem Festlande, z. B. der Elephant, der Zobel &e., seltener und mit vollständiger Ausrottung bedroht wird,
so sind auch diese reichen Schätze des Meeres in Folge der schonungslosen Art ihrer Zerstörung durch den
Menschen an ihren bisherigen Fangplätzen mehr und mehr verringert worden. In wie weit die noch unent-
deckten weiten Central-Regionen der beiden Pole neue reiche Fundorte jener kostbaren Seethiere bergen,
bleibt weiteren Entdeckungsreisen darzuthun übrig. Gewiss ist, dass namhafte neue geographische Entdeckungen
innerhalb der Eismeere wiederholt die kostbarsten neuen Fischgründe nachgewiesen haben, selbst in unserer
Zeit, so die Fischereien in der Ponds-Bai durch die neueren Englischen arktischen Entdeckungs-Expeditionen,
die von den Amerikanern entdeckten Fischereien nördlich der Bering-Strasse, die anfänglich, d. h. vor
20 Jahren, in bloss zwei Jahren den enormen Ertrag von 8.442.453 Dollars gewährten ).
Trotzdem die bisher ausgebeuteten Grossfischereien der Eismeere allmählich abgenommen haben, umfasst
die Walfischfänger-Flotte der Nordamerikaner am 1. Januar 1369 immer noch die bedeutende Zahl von 336 Schiffen,
und der Walfischfang zählt bei dieser unternehmenden und seetüchtigen Nation noch immer zu den allereinträg-
lichsten Gewerben, die es giebt, trotz Californischer Goldfelder und Mexikanischer Silbergruben.
Aber der direkte Ertrag und die wirthschaftliche Bedeutung der Eismeer-Fischereien ist vielleicht noch
ihre weniger wichtige Seite. Ihr Einfluss auf die Ausbildung und Hebung der Schifffahrt und der Seetüchtig-
keit ist bei den seefahrenden und seemächtigen Nationen von der allergrössten Wichtigkeit gewesen.
„Wer”, so sagt ein geistreicher Schriftsteller 2), „hat für die Menschen die grossen Wasserstrassen auf-
gethan, wer mit Einem Wort den Erdball erkundet? Der Walfisch und der Walfischfänger. Und das Alles
lange vor Columbus und den berüchtigten Goldsuchern, die unter grossem Geschrei wieder fanden, was die
Fischer lange vorher schon gefunden hatten. Die Fahrt über den Ocean, die man im 15. Jahrhundert so hoch
feierte, war über die Meerenge zwischen Island und Grönland schon oft zurückgelegt worden, ja man hatte die
ganze Breite durchmessen, denn Basken kamen bis Neu-Fundland. Es waren Walfischfänger, die bis zum Ende
der Welt drangen, bis in die Nordmeere. Wer das wagte, den liessen die gewöhnlichen Gefahren des Meeres
ziemlich kalt. Edler Krieg, herrliche Schule des Muthes! Der Walfischfang war damals nicht eine leichte
Metzelei mit aus der Ferne wirkenden Maschinen. Man rückte dem Feind auf den Leib, setzte Leben gegen
Leben. Man tödtete nicht viele Walfische, aber man gewann unendlich an Seetüchtigkeit, Geduld, Schlauheit,
1) $. Geogr. Mitth. 1869, 8. 37.
2) Michelet, Das Meer, Deutsch von F. Spielhagen. Leipzig, Weber 1861, S. 209.
VI =
Unerschrockenheit. Man brachte weniger Thran, aber desto mehr Ruhm zurück. Man verdankt daher den
Walfischen sehr viel; ohne sie hätten sich die Fischer stets an der Küste gehalten, denn beinahe alle Fische
sind Küstenbewohner. Der Walfisch emancipirte den Fischer, führte ihn überall hin.” j
Es gab bisher noch keine gründliche und erschöpfende Geschichte der Eismeer-Fischereien von ihren An-
füngen bis auf die Gegenwart. Angesichts des neu angeregten Interesses für den nordpolaren Theil unserer Erde
hat mein Freund Moritz Lindeman mit grossem Fleiss zahllose publieirte und unpublieirte Dokumente studirt,
ganze Archive in unseren Seestädten durchsucht, mit heutigen Walfischfahrern correspondirt und verkehrt, und
Alles aufgeboten, um eine werthvolle Arbeit wie die vorliegende zu liefern, die in Bezug auf den Deutschen
Antheil an diesen Unternehmungen zum ersten Male eine ausführliche und genaue Darstellung giebt und auch
von dem Theile berichtet, den andere Nationen daran haben. Es führt uns diese Arbeit gleichzeitig über die
ganze Entwickelungsperiode der Seefahrt und Seemacht aller Kulturvölker der Erde, und wenn die jetzige Ge-
neration zu neuer Thatkraft in dieser maritimen Richtung erwacht, bietet uns die vorliegende Schrift ein will-
kommenes Hülfsmittel, um einen Rückblick zu werfen auf alles das, was unsere Vorväter gethan haben.
Seien wir Deutsche stolz darauf, dass endlich auch wieder, nach Jahrhunderte langer Pause, Deutschland
ernsthafte Anstrengungen zu machen bereit ist, um wieder in die so lange verlorene Stellung zur See in der
Reihe anderer viel weniger mächtigen und wohlhabenden Kulturstaaten einzutreten. Wie Entdeckungsreisen und
ihre Ergebnisse stets die wichtigsten Pioniere der Kultur, Macht und Weltstellung der Nationen gewesen sind,
so ist zu hoffen, dass die Deutschen Nordpolar-Expeditionen dazu beitragen werden, Deutschland die ihm ge-
bührende Stellung zur See wieder zu erringen. .
Dazu brauchen wir vor Allem richtig geschulte, kühne, durchwetterte Seeleute, wie sie die Engländer,
Nordamerikaner, Holländer u. a. aus ihren Grossfischereien und Forschungs-Expeditionen im Eise gewannen.
Panzerschiffte und Kanonen allein thun es nicht, und Eisenherzen hinter hölzernen Wällen sind besser als Hasen-
herzen hinter eisernen Wällen.
Gotha, 24 Mai 1869.
A. Petermann.
INHALT.
Einleitung.
Allgemeine wirthschaftliche und ie Bedeutung der grossen
Fischerei B
Ursachen des Zurückbleibens unserer grossen Fischerei hinter
derjenigen anderer Völker . >
Energische und ausdauernde Leistungen der Hansestädte
I. Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor
der Entdeckung Spitzbergens.
Allgemeiner Überblick
Hervorragender Antheil der Deutschen Häfen a an der arktischen
Fischerei
Vorgeschichte des Walfischfanges;
Walthiere in früheren Zeiten
Die Islandsfahrten der Hanseaten .
Verbot der Deutschen Islandsfahrten
südlicheres Vorkommen der
ll. Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahr-
hundert.
Erste Englische und Holländische Fischer -Expeditionen nach
Spitzbergen
Streitigkeiten zwischen den Englischen und Holländischen
Fischern bei Spitzbergen 3
Bildung von Fischerei- -Kompagnien® in England und Holland B
Energisches Vorgehen Holländischer Seestädte in der Ausbeu-
tung der neuen Fischerei 0 a . :
Errichtung der Noordschen Maatschappy
Die Dänen erscheinen bei Spitzbergen
Vertheilung Spitzberger Häfen an die verschiedenen Nationen
Smeerenburg, die Holländische Fischerkolonie : P
Ergiebigkeit der Fischerei in der ersten Zeit
Älteste Spuren von Grönlandsfahrten der Bremer .
Gesandtschaft Bremen’s nach Kopenhagen
Muthmasslieher Anfang der Bremer Grönlandsfahrten um 16 25;
aktenmässiger Nachweis derselben aus dem Jahre 1674
Einzelheiten über die ältere Bremer Grönlandsfahrt
Das Grönländische Recht der Holländer; Annahme desselben
Seitens der Deutschen Seestädte 5
Älteste Grönlands-Fischerei Hamburg’s .
Die Schoonenfahrer-Gesellschaft e
Verzeichniss der Hamburger Walfischtahrer 1669 bis 1698
Martens, des Hamburger Schiffsbarbiers, Grönlandsfahrt im
Jahre 1671, von ihm selbst erzählt z 5 a
Martens’ Schilderung von are
Smeerenburg . 3
Fischreviere .
Früheste Art und Weise des Fischereibetriebes; die Baienfscherei
Die Eisfischerei A a 2
Grösse und Ausrüstung der Fahrzeuge
Verriehtungen und Gebräuche beim Fang
Der Prozess des Flenssens und Abmachens des Fisches.
Versuche der Überwinterung von Walfischjägern auf Jan Mayen
und Spitzbergen
Überwinterungsgeschichte von "acht Mann des Londoner Schiffes
„Salutation”, 1630/31
Überwinterung Niederländischer Freiwilliger auf Spitzbergen,
1633/34 5 R 2 n E
Die weiteren Unternehmungen bis zum I9. Jahrhundert.
Blüthezeit des Niederländischen Walfischfanges; Schiffsverluste
Rückgang der Holländischen Grönlands-Fischerei
Die Gross-Britannischen Fischereien
Reformen im Englischen 'Fischereibetrieb, hervorgerufen durch
einen Deutschen Kaufmann . : : : 2
Die Südsee-Kompagnie . .
Beginn der Fischerfahrten nach der Davis- Strasse .
Züge der Holländischen Fahrzeuge in der Davis-Strasse
Tauschhandel der Holländer mit den Grönländern .
Verbot der Grönlands-Fahrten an die Hansestädte durch König
Christian V. von Dänemark : .
Ohnmacht der Hansestädte diesem Verbot gegenüber
Seite
-
Dow
27
Hamburg ruft Schwedens Vermittelung an
Vertrag zwischen Gross-Britannien, Frankreich und den Nieder-
landen 3
Selbsthülfe der Hansestädte durch Konvoyirung der "Grönlands-
Fahrten mit eigenen Kriegsschiffen A
Näheres über die Hamburger und Bremer Konvoyer
Siegreiches Seetreffen des Hamburger Konvoyers „Leopoldus
Primus” s
Genaue Nachrichten über die Bremer Grönlands- Fischerei
Bremer Kommandeure, Rheder, Schiffe in älterer Zeit 2
Die Föhringer in Englischen und Holländischen Diensten auf
der Grönlandsfahrt 5
Die Walfischjäger von der Unterweser-Gegend
Holländische Gebräuche und Einrichtungen auf den hansea-
tischen Grönlandsfahrern
Schiffsbau in Bremen am Ende des 17. Jahrhunderts
Holländische Seeberichte aus Grönland .
Schiffbrüche von Hamburger und Holländischen Fischerfahr-
zeugen an der Küste von Ost-Grönland 1777 .
Berieht dreier Matrosen von der Unterweser über den Schif-
bruch der ‚„Wilhelmina”
Sie trieben von der Gale Hamkes Bai zum Theil auf Eisfeldern
bis herab nach Kap Farewell
Auf dem Eise bei Staatenhoek
Trennung der ie
Land in "Sicht >
Landung der Schiffbrüchigen in Grönland
Gute Aufnahme bei den Grönländern
Mittheilungen über Sitten und Lebensweise der Grönländer
Fahrt nach Godhaab
Weiterreise nach Zuyker Toppen und Holsteinborg o
Die Schiffbrüchigen nehmen Dienste auf einem Dänischen Fahr-
zeug . A
Rückkehr über Kopenhagen und Amsterdam in die Heimath >
Bericht über die Reise des Hamburger Walfischfängers „Frau
Elisabeth” 1769
Fahrt und Abenteuer des Hamburger Schiffes „Sara Cecilia” 177 7
Verschiedene Grönländer Schiffs-Nachrichten ö - 5
Aus alten Schiffs-Journalen von Grönlandsfahrern .
Terminologie der Grönlandsfahrer in Bezug auf Eis und Wetter
Walfischfangs-Poesie der Deutschen, Holländer und Amerikaner
Grönländisches Recht und Fischerei-Usancen . L .
Erörterungen über die Rentabilität der Fischerei
Grönlands-Unternehmungen der Bremer von Bergen aus.
Das Englische Prämiensystem 6
Vergleichende Daten über die Fischereien Englands, Hollands
und der Deutschen Häfen im vorigen Jahrhundert
Hamburg’s Unternehmungen 5
Die Dänische Fischerei im 18. Jahrhundert
Zerstörende Wirkungen der Seekriege zu Ende des 18. und
Anfang des 19. Jahrhunderts auf die Grönlands-Fischerei .
Die Deutschen Grönlandsfahrten hören in der sogenannten
Französischen Zeit ganz uf .
Hannoyer’sche Fischerei- Unternehmungen: Emden, die Unter-
weser-Gegend und Stade R x 2
Grönlandsreise des Sachsen Fr.
Die Britische Fischerei .
Aufschwung der Deutschen Fischerei nach dem Sturz der Fran-
zösischen Herrschaft .
Vergleichende Statistik der Britischen Fischerei 1830 bis 1868
Rückgang der Fischerei: Einzelheiten aus dieser Zeit f
. Köhler 1801
IV. Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und
Spitzbergen und in der Davis-Strasse. Die Deutschen
Fischerei-Unternehmungen im Grossen Ocean (,Südsee”),
in der Bai von Ochotsk und in der Bering- -Strasse.
Gegenstände des jetzigen Fischfanges in den arktischen Meeren
Europa’s: der Grönländische Walfisch und andere en,
der Eisbär, das Walross und der Seehund.
Die Jagd auf Eisbären .
Das Walross und seine Jagd durch die Grönlandsfahrer
Seite
67
71
vI
Seite | Seite
Schiffe von der Weser auf der Walrossjagd bei Spitzbergen . 71 | Die Whalerflotten . 99
Chancen des Fischfanges je nach Eis- und Witterungsverhältnissen 71 Umfang und Werth der een en! "Walfischerei 99
Scoresby und Gray über Eis und Fischreviere in verschiedenen | Südseefischerei Englands und Frankreichs. Prämien 99
Jahren Ta Deutsche Südsee-Fischerei 100
Die Oldenburgischen Fischerei- Unternehmungen. Allgemeines . 75 Erschwerung der Deutschen Fischerei durch fremde Zölle 100
Verschiedene kleinere Unternehmungen . - : 75 Ditterenzielle Behandlung Deutscher Schiffe bei Einfuhr des
Die Stedinger Kompagnie 75 angebrachten Segens in den Zollverein 101
Auszüge aus Schiffsjournalen von 1846 . 76 Die Beseitigung der Zölle für die Einfuhr der Erzeugnisse der
Bedrohung der Fischerei durch den Krieg mit Denemark 1848/49 Tore von Bremen, Hamburg und Altona ‚betriebenen Gross-
Aufnahme schiffbrüchiger Grönlandsfahrer und Verfahren der | fischerei Seitens des Deutschen Zollvereins in Aussicht 101
Englischen und einer Deutschen Regierung in solchem Falle 76 | Deutsche Fischerfahrten nach der Südsee 101
Glänzendes Ergebniss von 1853 ; 77 Das Bremer Pionierschiff „Virginia” . 102
Auflösung der Gesellschaft 77 Mittheilungen Deutscher Walfischfänger über ihre Reisen 1864
Die Bemannung der Grönlandsfahrer . 77 bis. 1867 } 103
Die Abfindungsweise der gesammten Bemannung - Tu Bau und Einrichtung Deutscher Südseefahrer n 104
Der Robbenschlag: Überblick ; Hamburg, Altona, Glückstadt, | Art und Weise des Fischereibetriebes in der Südsee. Beman-
Elmshorn; die Weserhäfen . | ‚nung, Boote, Antheil ä 104
Jetzige Einrichtungen, Sitten und Gebränche an "Bord, eines Die Fischereigeräthe 105
Bremer Grönlandsfahrers Ber Amerikanisches Fischrecht . 2 105
1. Der „Speckschneider” des "Hudson? 78 | Glänzende Whalerkreuze im Ochotsk- Meara 1854 3 108
2. Die Mannschaft . 79 Erläuterungen zu den Anlagen 106
3. Bau und Einrichtung "des udson” Er die Risfahrt | Rückblick and Schlusswort 107
und die Fischerei >. | Anlagen
3 : nn un: a8 A. 1. Ergebnisse der Hamburger Grönlands-Fischerei in den
6. Wachen so Jahren 1669, 1678, 1689 . Q 108
Segen des „„Hudson” so A. 2. Übersicht über die Zahl der Schitfe und den Ertrag der
Zeit und Ort ) 81 Karen von Hamburg und Bremen in der Zeit von 1700 Fn
is 17
en „der Robbenschlag Ss A. 3. Nordische Fischerei von Gross- -Britannien, Holland und
Die verschiedenen Robbenarten 82 den Norddeutschen Häfen in Bezug auf die Zahl der Schiffe,
Die Wanderungen der Robben und andere Einzelheiten . 83 Schiffsverluste und Erträge in den Jahren 1670 bis 1799 . 111
Wechselnde Lage der Robbenküste je nach der 229 des Rises, | A. 4. Übersicht über den von der Weser aus betriebenen
den Winden Tal Strömungen 2 83 | Fischfang im Grönländischen Meere und in der Davis-Strasse
Walfischfang des „Hudson’ ; Besuch Dei Kapitin Westermeyer | von 1695 bis 1868 111
und Mittheilungen Aaalın N 84 A. 5. Grönlands-Fischerei von Altona und Glückstadt in den
Norwegens arktische Fischerei 86 Jahren 1750/1789 bis 1815/1854 . 111
Der Norwegische Robbenfang bei Jan Mayen. 86 A. 6. Total- -Einfuhr von Thran , Robbenfellen und Walfisch-
Ergebnisse der Walross- und Seehunds- -Jagden der Norweger barten in Hamburg in den Jahren 1864 bis 1868 . 111
bei Spitzbergen in der neuesten Zeit. 87 A. 7. Einfuhr von Thran in Bremen 1864/68 nach Quantum
Umfahrung Spitzbergens durch einen Norwegischen Walrossjäger 88 in Tonnen und Werth in L.-Thlr. . 112
Von Dänemark aus betriebene arktische Fischerei . : 88 A. 8. Einfuhr von Walfischbarten in Bremen 1864/68. nach
Versuch von Amerikanern, in Island einen Walfischereibetrieb Pfund Netto-Gewicht und Werth im L.-Thlr. . . 112
zu begründen 89 B. 1. Übersicht überdie Brutto-Erträge des Walfischfanges von
Schottische Fischerei in ranland nd Ar Das Seh 89 Schiffen der Vereinigten Staaten in den Jahren 1849 bis 1868 112
Schwierigkeiten der Fischerei in der Davis - Strasse 90 B. 2. Schiffe unter Amerikanischer Flagge, die am 1. Januar
Katastrophe im Jahre 1830 in der Melville-Bai 91 1869 im Walfischfang beschäftigt waren 112
Fischerei der Amerikaner in der Hudson-Bai und Cumberland- B. 3. Schiffe und Segen der Französischen Walfischerei 113
Strasse 93 B. 4. Resultate der in der Periode 1836 bis 1859 von der
Weser nach dem Grossen Ocean &e. ausgerüsteten Schiffe . 113
V. Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlan- B. 5. Brutto-Erträge dreier Deutscher Südseefahrer in den
tischen Ocean und in den arktischen Gewässern Asiens Jahren 1861 bis 1868 F . . 113
und Amerika’s, C. Musterrolle .113
Hervorragender Antheil der Nord-Amerikaner an dieser Fischerei 92 D. Schreiben des Büchsenfabrikanten Cordes. in Bremerkisven
Briefliche Mittheilung des Herrn M. E. Pechuel über seine Er- in Betreff der verbesserten Schiessharpune und Bomben-
fahrungen in Bezug auf den Fischfang in der Südsee und | lanze.. s . 115
Bering-Strasse e 92 E. Mittheilung über Thranbereitung und Thranhandel, so wie
Allgemeines 93 über den Handel und die Fabrikation von Walfischbarten ll
Das Blasen der Wale 93 F. Gebiete des Walfischfanges im Atlantischen, Grossen und
Die Wal-Arten 94 Indischen Ocean, so wie in dem arktischen Meere.
Der Potwal 94 I. Der right whale und bow-head A Balaena
Grosse Potwale 95 mysticetus) . E a . 117
Gefahren und Abenteuer bei der Fischerei 95 | II. Der Spermwal . 117
Der right whale und der bow-head oz III. Der Hump-back (Buckelwal) : ; i . 118
Mittheilungen eines Amerikanischen Whalers, Captain Seabury | IV. Der Greyback (Kalifornischer Wal, Rupsack, Stinker,
von New Bedford, vom 1. Februar 1869" 97 | Teufelsfisch) . 118
ee Rückblick auf den Nord- Amerikanischen Wal- | Erfrischungs- und resp. Abladehäfen Amerikanischer Whaler. 118
schlang x 98 |
Karten.
Tafel 1. Nordpolarkarte zur Übersicht einiger geschichtlichen Momente und der jetzigen Hauptplätze der Grossfischereien (Walfischfang und Robben-
schlag). Von A. Petermann. Maassstab 1:40.000.000.
Tafel 2. Karte des Europäischen Nordmeeres zur Übersicht der Geschichte und des jetzigen Standes der Grossfischereien (Walfischfang und Robben-
schlag). Von A. Petermann. Maassstab 1: 10.000.000.
Carton: Specialkarte des nordwestlichen ‚Theiles von Spitzbergen, Maassstab 1: 500.000.
DT >
Einleitung.
Allgemeine wirthschaftliche und politische Bedeutung der
grossen Fischerei. — Von je her ist das Gewerbe des See-
fischfangs, besonders die sogenannte grosse Fischerei, nächst
ihrer wirthschaftlichen Bedeutung, als ein wirksamer Hebel
der Seemacht eines Volkes betrachtet worden. Die Rechte auf
Fischreviere wurden deshalb von den Regierungen und Völ-
kern immer hoch gehalten, sie waren zuweilen Gegenstand
ernster Zerwürfnisse. In älterer Zeit hielt es z. B. die
Hansa der Opfer werth, wegen ihres Anspruchs auf die Fi-
scherei an der Jütischen Westküste einen Krieg zu füh-
ren, und die Streitigkeiten wegen der Fischerei auf den
Bänken von New Foundland
kannt genug. Die Ausübung der Seefischerei ist ja, wie oft
betont, ein treffliches Mittel, ein Volk auf der See heimisch zu
machen.
bei den Seenationen auf vielfache Weise von Staats wegen
begünstigt worden.
in der neueren Zeit sind be-
Dieses Gewerbe ist denn auch zu diesem Zwecke
Die Unterstützung der Fischerei durch
Prämien, die in irgend welcher Form jedem dabei bethei-
listen Fahrzeug aus der Staatskasse bewilligt werden, muss,
vom wirthschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, verwerf-
lich erscheinen. Frankreichs Kabeljaufischerei auf den Bän-
ken und in den Baien von New Foundland z. B. besteht
nur noch durch die Prämien, welche die Regierung den da-
bei beschäftigten Schiffen gewährt, und ist in so fern ein
wirthschaftlich ungesunder, ein künstlich aufrecht erhaltener
Betrieb. Diese im Betrage von !/,s Million Thaler jährlich
gezahlten Prämien sichern aber der Regierung für den Fall
eines Seekrieges etwa 10.000 seegewohnte Matrosen. Im
Blick auf nationale Seewehrfähigkeit erscheinen also sol-
che, auch von England bezüglich der arktischen Fischerei
in grossem Maassstabe ergriffenen und lange Zeit fortgesetz-
ten Maassregeln in einem ganz anderen Lichte.
Ursachen des Zurückbleibens unserer grossen Fischerei hin-
ter derjenigen anderer Völker. — Uns Deutschen war bei
unserer nationalen Zerrissenheit von vorn herein eine der-
Der
von Friedrich dem Grossen der Emder Häringsfischerei am
31. Juli 1769 gewährte Octroi ist ein vereinzeltes Beispiel
von einem Versuche ähnlicher Art für Preussen, ein an un-
rechter Stelle und auf verkehrte Weise angewandtes Kraft-
mittel, das sein Ziel verfehlte. Den Hansestädten lag es fast
Lindeman, die arktisc* s Fischerei der Deutschen Seestädte.
artige Unterstützung der grossen Fischerei verwehrt.
allein ob, den wichtigen Erwerbszweig der Grossfischerei von
Deutschen Küsten aus zu pflegen. Sie haben es Jahrhun-
derte lang gethan und es gab Zeiten, wo der Walfischfang
von Hamburg allein bedeutender war als der von England
und Schottland zusammengenommen. Auf den unermesslich
ergiebigen Fischgründen New Foundlands vermochten frei-
lich Deutsche Schiffe keine Rechte zu erlangen. Von Is-
lands fischreichen Küsten wurden sie durch Machtspruch des
Königs von Dänemark schon frühe vertrieben. Die Kraft
der Hansa war dahin, als die Fischgründe New Foundlands
durch Frankreich und England ausgebeutet wurden. Deutsch-
land hatte keine Kriegsflotten, keine Kolonien, auf welche
sich die Fischereien jener Nationen stützten. Das Material
freilich für den Seefischereibetrieb war auch an den Deut-
schen Küsten, vornehmlich in der seegewohnten Bevölke-
rung Östfrieslands und der Inseln an der Deutschen Nord-
seeküste bis Schleswig hin, gegeben, wenn auch spärlicher
wie an der Normannischen Felsenküste, der Bai von Bis-
Die Holländer, Briten
Deutsche Material
caya und den Britischen Inseln.
und Dänen nützten dieses in ihrem
Dienste weidlich aus.
In der Zersplitterung und Ohnmacht des Deutschen Staats-
wesens, welche, in frühen Zeiten vorbereitet, zuletzt in dem
ehemaligen Deutschen Bunde gesetzliche Sanktion genoss, lag
also eine der Ursachen, weshalb überhaupt unsere Küsten-,
unsere Marine-Interessen nicht die Würdigung und Geltung
Andere Motive des Zu-
rückbleibens Deutschlands in seiner maritimen Entwicke-
lung waren z. B. die einem leichten Seeverkehr vielfach
ungünstige Beschaffenheit des Litorals, die geringen Vor-
erlangten, welche ihnen gebührt.
theile, welche gerade an der Nordsee die zwischen dem
Küstensaum und den inneren Landestheilen sich erstrecken-
den Haiden,. Sand- und Moorstrecken für Besiedelung durch
grössere Volksmengen und einen städtisch-industriellen Ver-
kehr boten.
dem fruchtbaren, aber niedrigen Schwemmboden des Stran-
Die spärliche Bevölkerung, welche sich auf
des und der Flussmündungen des Deutschen Meeres an-
baute, musste Habe und Leben vor dem Meere als ihrem
Feinde hinter hohen Wällen schützen und von selbst er-
zeugte sich in ihr ein kontinental-agrarischer Sinn, während
der Ansiedler der unwirthlichen Kalk- und Kreidefelsen,
1
9 Einleitung.
welche die Küsten Englands besäumen, von Haus aus auf
„die grüne Weide der See” angewiesen war und auf den
Salzwogen gleichsam heimisch wurde.
Jenes politische Hemmniss ist jetzt glücklich beseitigt,
noch aber fehlt viel dazu, dass Küste und Binnenland in
ihrer gegenseitigen Wechselwirkung sich verstehen, dass der
grosse Beruf, welchen die Seestädte für die Nation nach
dem völkerverbindenden Meere hin zu erfüllen haben, er-
kannt und als ein gemeinsam von allen Gliedern des Va-
terlandes zu fördernder aufgefasst werde.
Das erheischt noch eine längere Arbeit, zu welcher viel-
leicht ein kleiner Beitrag geliefert werden mag, wenn die
Geschichte einer von Deutschen Nordseestädten und vor-
zugsweise von den Hansestädten erfassten und durch Jahr-
hunderte mit zäher Energie fortgesetzten Marine-Unterneh-
mung erzählt, ihr Zusammenhang mit dem Handels- und
selbst dem politischen Leben früherer Zeit beleuchtet und
auf diese Weise, wenigstens von Einer Seite her, ein Blick
in den Werdeprozess Nord - Deutscher Seehandels-Emporien
eröffnet wird.
Energische und ausdauernde Leistungen der. Hansestädte.
— Über dem Eingang des heutigen, um die Mitte des
17. Jahrhunderts erbauten „Hauses Seefahrt” in Bremen
lesen wir die merkwürdigen Worte: ‚Navigare necesse est,
vivere non est necesse”. Dieser Spruch, den zuerst der Römer
Pompejus gebraucht haben soll, als es sich darum handelte,
dem hungernden Rom von Afrika Getreide zuzuführen und
die Schiffer bei drohendem Seesturme zögerten abzusegeln,
lässt eine doppelte Auslegung zu.
Nayvigare necesse est, die Schifffahrt ist nothwendig,
wenn auch Stürme und Sturzsee’n, Riffe und Klippen Leib
und Leben .des kühnen Seglers bedrohen, sie ist nothwen-
dig trotz der Schutzlosigkeit unserer Seeschiffe gegenüber
der Gefahr, welche ihnen durch die kriegerische Willkür
der seemächtigen Nationen Europa’s drohte, und, fügen wir
hinzu, trotz der Vortheile und Begünstigungen, welche die
Flaggen anderer Nationen durch ihre staatlichen Organe
genossen und wodurch eben unsere Schiffe im friedlichen
Wettkampfe des Erwerbes durch die Seefahrt zurückgesetzt
oder gar davon ausgeschlossen wurden.
Mit aller der List und Kraft, welche bei Concentration
auf Einem Punkt dem Kleinen und Schwachen Flügel und
stählerne Muskeln verleihen, haben die Hansestädte jenes
Wort aus eimer glanzvollen Jugend durch Jahrhunderte na-
tionaler Ohnmacht bis auf die Gegenwart in ihrem Leben
und Streben verwirklicht. Eine andere bessere Zeit ist jetzt
für das Deutsche Seewesen angebrochen: die Abzeichen der
einzelnen Staaten und Städte sind von der Gaffel unserer
Kauffahrer verschwunden, die schwarz-weiss-rothe Flagge
zeigt Deutschland zur See.
Die nachfolgenden Blätter werden durch vergleichende
Darstellung auch zeigen, mit welcher Thatkraft und un-
verwüstlichen Ausdauer ein stammyerwandtes Volk, die Hol-
länder, gerade kurz nach seiner schwer erkämpften nationa-
len Einigung in schwierigen Marine-Unternehmungen auf-
treten konnte. Möge diess Vorbild in uns, die wir in einer
ähnlichen Entwickelungsperiode stehen, Nacheiferung er-
wecken.
I. Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens.
Allgemeiner Überblick. — Das Thema dieser Betrach-
tung, die arktischen Fiseherfahrten der Deutschen in den
letzten Jahrhunderten, knüpft zugleich an ein unmittelbares
Tagesinteresse an. In Folge der zur Ausführung gebrachten
ersten Deutschen Nordpolar-Expedition und während der Vor-
bereitung der zweiten grösseren hat sich das öffentliche
Interesse wiederum in erhöhtem Maasse auf die Europäi-
schen Polarländer gelenkt, auf jene einsame erhabene Welt
der Gletscher- und Eisregionen, welche die Natur fast un-
nahbar machte. In der vorgeschichtlichen Zeit erscheint je-
ner geheimnissyolle Strich unseres Erdballs, umhüllt von
dem Schleier der Nacht und des Nebels, als der Sitz ge-
waltiger Götter, über deren Thun uns die Mythe phantasie-
reicher nordischer Völker in einem reich sprudelnden poe-
tischen Schatze eine Fülle bedeutsamer Bilder vorführt.
Allmählich wird der Schleier gelüftet, der kühne Normanne,
der Pionier der Seefahrt, bricht sich auch im hohen Nor-
den durch Stürme und Eis mit seinem gebrechlichen Fahr-
zeuge Bahnen; ihm folgt der verwegene Baske.
Inzwischen hat sich durch Erfindungen und Entdeckun-
gen der maritime Unternehmungsgeist der Nationen gewaltig
gehoben. Die Holländer und Engländer lenken zuerst unter
den modernen seefahrenden Nationen den Kiel ihrer un-
behülflich gebauten Schiffe nördlich hinaus über die ultima
Thule, Island. Küsten, Inseln werden entdeckt, es verbrei-
tet sich die Kunde von dem fabelhaften Fischreichthume
der neu entdeckten Gewässer, und nun folgt bald den Spuren
der Pfadfinder eine Flotte von Fischerfahrzeugen, begierig
nach der Beute, welche der Fischreichthum der Baien um
Spitzbergen ihnen bietet. Jene öden Gestade wurden, kaum
25 Jahre nach ihrer Entdeckung durch die nach einer Nord-
ostdurchfahrt forschenden Holländischen Seefahrer Barents,
Jan Corneliszoon de Rijp und Jakob van Heemskerk, zu
einem maritimen Goldlande und schauten ein reges Men-
Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens. 3
schenleben. Kolonien wurden gegründet und längere Zeit
hindurch, wenn auch immer nur auf wenige Sommermonate,
bewohnt. Zahllose Fahrzeuge durchkreuzen die Baien und
Küstengewässer auf der Jagd nach dem Walfisch und in
stolzen Flotten wird die reiche Beute alljährlich nach den
heimischen Ufern geführt.
Bald aber weicht der Fischer von der Küste, er muss,
um seine Beute aufzusuchen, in gefahryoller Fahrt sich
mitten in die schwimmenden Eisfelder hinein wagen. End-
lich lohnen auch diese schwierigen und an Opfern reichen
Unternehmungen den rechnenden Kaufleuten Englands und
Hollands kaum mehr. Nur die Wissenschaft entsendet noch
von Zeit zu Zeit hingebungsvolle Jünger, die den Gefah-
ren der stürmischen See und des Klima’s trotzen um des
edleren Zweckes willen, geistige Schätze heimzubringen,
oder Neugier, nach pikantem Unterhaltungs- und Schil-
derungsstoff verlangend, wagt sich bisin die hohen Breiten
von Spitzbergen hinauf. So viele Geheimnisse aber auch
der Natur entrissen werden, neue Räthsel tauchen immer
wieder auf und das ersehnte Ziel, der Nordpol, ist noch
unerreicht.
Die Geschichte der grossen Fischerei in Europa, insbeson-
dere derjenigen in den nordischen Gewässern, ist bis jetzt
noch nicht genügend erforscht und namentlich ist der An-
theil, welchen Deutsche Häfen daran genommen haben, nicht
in dem Maasse, wie er es werth ist, bekannt. Gerade jetzt
scheint, wie bemerkt, der Zeitpunkt günstig, hierauf näher
einzugehen. Eine journalistische Arbeit führte mich zu wei-
teren Studien darüber, wobei ich von mehreren Seiten auf
das Freundlichste unterstützt und aufgemuntert wurde. Die
Resultate dieser Studien habe ich im Nachfolgenden nieder-
gelegt. Die Arbeit wird noch in manchem Stücke unvoll-
ständig erscheinen, indessen wollte ich sie aus verschiede-
nen Gründen jetzt in die Öffentlichkeit treten lassen. Viel-
leicht mag sie später fortgeführt und auf verwandte Ge-
biete ausgedehnt werden.
Hervorragender Antheil der Deutschen Häfen an der arkti-
schen Fischerei. — Für Hamburg und Bremen hat der Gegen-
stand ein besonderes Interesse. Sind-doch gerade die Gestade
Grönlands und der zahlreichen Felseilande des Nordmeeres ein
Schauplatz ihres maritimen Unternehmungsgeistes, die Scene
ihres seemännischen Wagens gewesen. Schon im 13. und 14.
Jahrhundert führte, wie angedeutet, die Hansa mit Däne-
mark siegreiche Kriege wegen der Aufrechterhaltung ihrer
Fischerei am Lijmfjord und überhaupt an den Jütischen Kü-
sten. Es sind die Hansestädte Hamburg und bald darauf
Bremen, welche im Norden den beiden ersten seefahrenden
Nationen des 17. Jahrhunderts, den Engländern und Hol-
ländern, fast auf dem Fusse folgen. Zwar werden sie nicht
durch die Macht einer Regierung beschützt, welche die Ein-
fuhr von Fischerei-Erzeugnissen anderer Länder verbietet oder
erschwert, welche ihren Unterthanen verwehrt, auf anderen
als den nationalen Fischerfahrzeugen zu dienen, während
Deutsche Matrosen und Fischerleute des reichlichen Verdien-
stes wegen in grosser Zahl in den Fischereien anderer Na-
tionen thätig sind, welche endlich Gesellschaften mit Privile-
gien begabt und bereit ist, den Betrieb nöthigenfalls mit
Waffengewalt ungestört zu erhalten. Auch werden ihnen nicht
in gleichem Maasse, direkt oder indirekt, durch Zollnach-
lässe und Prämien, in Ansehung der Schiffsausrüstungen
und der Einfuhr ihrer Fischereierzeugnisse werthvolle Er-
leichterungen gewährt, vermöge deren sie die bei der grossen
Fischerei von Zeit zu Zeit eintretenden unergiebigen Jahre
und Verluste mit geringeren Schwierigkeiten überwinden
könnten, aber sie bleiben doch, der eigenen schwachen
Kraft vertrauend, nicht zurück.
Beispielsweise finden wir unter den Pionieren der Davis-
Strasse im Anfang der zwanziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts neben Holländern Hamburger und Bremer Schiffe.
Als die Theilung der Fischgründe bei Spitzbergen er-
folgt, kurz nach dem Jahre 1617, nehmen auch die
Hamburger eine Bai als ihre Fischerstation in Anspruch
und sie wird nach ihnen „die Hamburger Bai” benannt.
Im Jahre 1721 wird in London ein Verzeichniss der im
Waltischfang bei Grönland und der Davis-Strasse be-
schäftigten Schiffe anderer Nationen veröffentlicht, und "
zwar, wie Scoresby vermuthet, in der Absicht, „den Bri-
tischen Unternehmungsgeist durch Vorhaltung der Leistun-
gen anderer Nationen anzuspornen”. In dieser Liste figu-
riren die Hansestädte mit 84 Schiffen. Ein Bremer Kauf-
mann, Heinrich Elking, ist es, der aus der Fülle seiner
Erfahrungen in einer Denkschrift, welche er im Januar 1721
dem Sub-governor der Südsee-Compagnie in London, Sir
John Eyles, einreichte, nachweist, aus welchen Ursachen
die Bestrebungen der Engländer, den Walfischfang wieder
in dem früheren Umfange zu betreiben, erfolglos waren.
Bremen endlich ist derjenige Platz, welcher den grossen
Fischfang in den nordischen Gewässern etwa von der Mitte
des 17. Jahrhunderts an bis auf den heutigen Tag, wenn
auch zuletzt nur mit wenigen Schiffen, fortgesetzt hat, wäh-
rend andere, ehedem in diesem Betriebe bedeutende Plätze
die Fahrt längst aufgegeben und die jetzt im arktischen
Fischfang bedeutenden Schottischen Häfen weit später be-
gonnen haben.
Vorgeschichte des Walfischfanges ; südlicheres Vorkommen der
Walthiere in früheren Zeiten. — .Die Walfischjagd wird zuerst
im Anfang des 17. Jahrhunderts in grossartigem Maassstabe
von den Engländern und Holländern unternommen. Die Ent-
deckungen Holländischer und Englischer Meerfahrer, eines
Hudson, Davis, Frobisher, Barents, de Rijp, Willoughby,
1*
4 Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens.
richten die Aufmerksamkeit der Küstenbevölkerungen des
Atlantischen und des Deutschen Meeres nach dem Norden.
Die gesuchte Nordost-Durchfahrt konnte freilich trotz der
heldenmüthigsten Anstrengungen nicht erreicht werden. An-
statt des geträumten Weges nach den Gold- und Edelstein-
schätzen Indiens fand man aber andere Reichthümer. Die
verschiedenen Berichte stimmten darin überein, dass gerade
die neu entdeckten Gewässer und die Baien der arktischen
Inseln und Küsten von einer Menge von Fischen der
grössten Art belebt waren, Fischen, deren Fang einen be-
deutenden Handelsgewinn liefern müsse. Zunächst war es
das Fett der grossen Meerungeheuer, welches eins der
werthyollsten und gesuchtesten Handelserzeugnisse jener
Zeit, den Thran, in ungeahnten Mengen abgab. Der Rob-
benthran, Zelsmond !), wurde bereits im Mittelalter als
Beleuchtungsstoff, vorzüglich aber zur Lederbereitung mas-
senhaft gebraucht.
Der Fang grösserer Fische als die an den Europäischen
Küsten bekannten wurde wahrscheinlich schon vor dem
10. Jahrhundert von Norwegen aus betrieben. Die Edda
erwähnt den Walfischfang. Um das Jahr 890 unternahm
Other von Drontheim aus eine Nordfahrt bis zum Weis-
berichtet darüber
sen Meere; er an König Alfred von
England und dieser Bericht ist in der Übersetzung eines
Spanischen Christen, des Orosius, wiedergegeben. Other er-
zählt von seiner Fahrt in die unbekannten Gefilde des Nor-
dens und berichtet dabei unter Anderem, dass er nur drei
Tage gebraucht habe, um den Punkt zu erreichen, „bis
wohin die Walfischjäger zu gehen pflegten”?). Wenn nach
Scoresby diese Stelle auf die Walross- und Seehundsjäger
zu beziehen ist, so finden sich doch andere, freilich auch
verschieden ausgelegte Stellen, welche geradezu vom Wal-
fischfang sprechen. von Other Walfische
„von 48 bis 50 Ellen Länge” getödtet worden, und zwar
Danach wären
Mit vielem Recht vermuthet
Scoresby, dass hierunter vielleicht eine Gattung Delphine, wie
sie noch heute in Massen an den Küsten von Island, der
Orkney- und Shetland-Inseln gefangen und getödtet wer-
den, gemeint sei.
„ihrer 60 in zwei Tagen”.
Auf den Füröern fängt man noch jetzt
jährlich in Schaaren die sogenannten Grindwhale oder Rund-
köpfe (Delphinus globiceps (uv.), eine Art grosser, 16 bis
18 Fuss langer Delphine, nahe an der Küste, zu welcher man
sie in Schaaren antreibt, indem man ihnen zugleich den
Rückweg abzuschneiden sucht. Oder es mögen Finnwale
gewesen sein, welche, freilich von ansehnlicherer Länge
(50 bıs 60 Fuss), gelegentlich auf ähnliche Weise in schma-
!) Auch Selsmont, Zel-smeer, Sal-smeer, Zel (Hüllmann, Städte-
wesen des Mittelalters, I, S.48). Zel heisst auch im heutigen Dänisch
„Seehund”, Englisch seal.
2) S. B. J. Noel, Tableau historique de la peche de la baleine,
Paris, an VIII, p. 7, und Scoresby, Account of the Aretic Regions, p. 7.
‚Luft gespritzet, darauf er gestorben.
len Fjorden Norwegens gefangen werden, denn die auf
langjährige Erforschung und Erfahrung gegründete An-
sicht Scoresby’s, dass der Grönländische Walfisch (Balaena
mysticetus) nicht über die Grenze der Polar-Regionen aus
dem Norden herabgehe, ist bis jetzt nicht widerlegt, vielmehr
durch Maury’s und Anderer Untersuchungen im Allgemeinen
bestätigt worden. Hierher gehören auch die Erzählungen
von grossen Meerungeheuern, welche zu verschiedenen Zei-
ten einzeln oder in mehreren Exemplaren an Mittel-Euro-
päischen Küsten antrieben und getödtet wurden. Auf der
obern Halle des Bremer Rathhauses hängt das Bild eines
Walfisches, der „uffm Sande im Lesummer Strohm nahendt
dem Lessmer Brüche” am 8. Mai 1669 erschossen wurde
und welcher „vom Maul bis zum Auge 5 Fuss, vom Maul
bis zum Schwanz 29 Fuss lang, dessen Flossfedern 3 Fuss
und dessen Schwanz 9 Fuss breit” war, während der Um-
fang 12 Fuss betrug '). Eben so prangte im vorigen Jahr-
hundert an der Wand des Stadthaussaales zu Brouwers-
haven in Süd-Holland das Bild eines Walfisches, der im
Jahre 1606 auf der Springer-Plaat gefangen worden war.
Dieser Fisch war angeblich 72 Fuss lang, 8 Fuss dick und
hatte einen Rachen von 11 Fuss Weite, darinnen 40 grosse
Zähne, der Schwanz war 17 Fuss lang. (S. Tegenwoordige
Staat der Vereenigde Nederlanden, X, p. 370.)
Von anderen Gegenden liegen aus verschiedenen Zei-
ähnliche Berichte vor. So lesen wir in Hoffmann,
Wangeroogischer Ehrenpreiss, gedruckt und verfasst 1665,
S. 7: „Äusserlich ist die Insel reich an den köstlichsten
Seefischen — — — wie auch Meerwundern: Saalhunden,
Seewölfen, Seekatzen, Springers, einer Art Walfische, wie
denn vor 20 Jahren” — 1645 also — „auch ein grosser
Wallfisch von der See an dieses Land ausgeworfen, dessen '
Kopf 16 Holzfuss lang gewesen, von dessen Graten oder
Rippen die Einwohner noch auf diese Zeit Zaunpfale um
ten
1) In Post’s Bremischer Chronik (Bremer Dombibliothek) wird das
Ereigniss wie folgt näher beschrieben: „Demnach im Lesumer Strom
von den einwohnenden Landleuten im Lessmer Bruch ein Geräusch im
Wasserstrom und folgends ein grosser Fisch, so den Schwanz heraus-
gestrecket, befunden, hat ein Bauerknecht darauf mit Hagel Feuer ge-
geben, darüber der Fisch sich heftig geregt und bei abfallendem Wasser
auf ein Sand hinter Hemeling’s Erben Vorwerk im Lesumer Bruch ge-
rathen, davon er zwar gesucht sich abzuwälzen, ist aber von einem
Bauer aus einem Feuerrohr mit vier Kugeln durchschossen, darauf er,
nach dem Berichte der Landleute, so hoch als die in der Nähe am
Ufer St. Magni [Name des Orts] stehenden Bäume das Wasser in die
Wie dieser Fisch nach Vegesack
auf des Herrn Gohgräfen Arend Havemann Befehl gebracht worden, ist
er daselbst von vielen Personen besichtigt und hat man befunden, dass
er in der Länge 29 Werk-Schue, im Umkreise oder Dicke am Leibe
12 Fuss, die Breite des Schwanzes aber 9 Fuss gewesen ist. Am
9. Mai ist dersclbe nach Bremen geführt und in Prahmen von Ver-
schiedenen beschaut. Am 10. Mai aber ist er ans Land geschleppt,
auf der Schweineweide zerschnitten und daselbst zu Thran verbrannt.
Es war derselbe eine Art der Wallfische und zwar weiblichen Ge-
schlechts. Der Maler und Contrefaiteur Franz Wulffhagen hat ihn auf
Geheiss des Rathes zum immerwährenden Andenken abbilden müssen.
Das Skelet befindet sich noch jetzt im Bremer Museum.”
Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens. 5
ihre Garten haben und zu Hau- und Hackblocken ge-
brauchen.”
In Bruintjes-Kreek bei Bruinesse in Holland wurde,
wie im Tegenwoordige Staat der Vereenigde Nederlanden
erzählt wird, im Jahre 1682 durch einen Muschelfischer
von St. Anna-Land ein grosser Fisch, wie man meint, ein Wal-
fisch, dessen Länge 50 Fuss gewesen, gefangen. Der Fisch
hatte die Länge und Breite einer Treckschuite. Auch aus
dem Anfang des vorigen Jahrhunderts liegen ähnliche Be-
richte vor, namentlich aus dem Jahre 1723 von der EIb-
mündung und aus dem Jahre 1738 von St. Peter im Ey-
derstedtischen. Wir fügen die Berichte darüber in der An-
merkung bei N).
Neben oder eben vor den Norwegern treten die Be-
wohner der Biscayischen Bucht als des grossen Fisch-
fanges kundig auf. Es muss jene kleinere Art gewesen sein,
welche die Biscayer auf kurzen Meerfahrten von ihren
Küsten aus mit Speeren und sonstigen Hand-Wurfgeschossen
verfolgten und tödteten. Der Fischfang wurde regelmässig
und in grossem Umfange betrieben. Im Jahre 1261 finden
wir nach den Angaben Noel’s, dass von allen in Bayonne
eingeführten „Walfischzungen” ein Zoll erhoben wird. Wal-
fische (baleines) wurden auf den Märkten von Biarritz und
Cherbourg gesalzen und frisch verkauft und als Fasten-
speise gegessen. Noel erzählt noch Mehreres über diesen
sogenannten Walfischfang der Biscayer oder Basken. Ein
Mönchsbericht erwähnt endlich den Walfischfang an der
Französischen Küste in dem 12. Jahrhundert. Aus alle
dem ergiebt sich, dass in jener Zeit in den Mittel - Euro-
päischen Meeren Walfische — deren Art uns freilich unbe-
kannt bleibt — nichts Seltenes waren. Im Laufe der
Zeit erst wurden sie an der Küste spärlicher und zogen sich
!) In Post’s Chronik, Bd. 5, S. 165, wird also berichtet: „Im An-
fang des Decembers 1723 hat bei einem Sturmwind eine unerhörte
Sache sich begeben, dass nämlich unterschiedliche der grössten Art
Wallfische, eigentlich Cajelot-Fische genannt, sich zwischen der Elbe und
Weser hat sehen lassen, in der Zahl 18, welche Ungeheuer die Ein-
wohner des Strandes Anfangs in Schrecken gesetzt, und sind gegen die
Elbe zugeschwommen, auch bis an die Insel, das neue Werk genannt,
gekommen, da aber die Fluth weggegangen, sind 13 derselben seewärts
wieder gekehrt, 5 aber haben von den Sandbänken nicht kommen kön-
nen, welche ein entsetzlich Brüllen und Geheul gemacht und sich unter
einander schrecklich geworfen und geschlagen. Wie die Fluth kommen,
sind noch 3 derselben halb todt in See getrieben, an die beiden übri-
gen haben sich die am Strande und auf dem Lande Herumwohnenden
gewagt, der grösste dieser beiden ist 95 Schuh lang gewesen und soll
dem Berichte nach der Speck davon 36.400 Pfund gewogen haben. Von
dem Gehirn oder sogenannten Wallrath sind unterschiedliche Fässer voll-
gefüllt, und hat ein Kaufmann zu Bremen allein für 4000 Thaler da-
von bekommen.” — Im Jahre 1738 am 24. Januar strandete unweit
St. Peter in Eyderstedt ein Cachelot, der in dem umfassenden Hollän-
dischen Werke über den Walfischfang: De Walvischvangst, Amsterdam
1784, ausführlich beschrieben und auch abgebildet ist. Er war 48 Fuss
lang, 12 F. hoch und mass 36 F. im Umfang.” — Eschricht zählt in
seinem Werke über die Walthiere eine Reihe von Beispielen auf, wo,
vom 17, Jahrhundert bis 1860, Walfische an Mittel-Europäischen Küsten
strandeten,
immer mehr nach Norden zurück. Die Biscayer als kühne
Seefahrer folgten ihnen und betrieben später in den nor-
dischen Gewässern, wie berichtet wird, mit 50 bis 60 Fahr-
zeugen gemeinschaftlieh mit den Isländern den Walfischfang.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts tritt die Walfisch-
Jagd zuerst in grösserem Umfange und als ein regelmässig
im Europäischen Eismeere betriebenes Gewerbe auf. Man
wähnte, unter dem Pole hin eine Fahrt gen Osten nach
China und Indien zu finden, und entdeckte bei dieser Ge-
legenheit, im Jahre 1596, die Insel Spitzbergen, jenes viel-
fach ausgebuchtete, mit ewigem Eis bedeckte Eiland, dessen
ersten Anblick die Nordfahrer alter und neuer Zeit mit
dem einer weissen, sonnenbeglänzten Wolke vergleichen.
Spitzbergen wurde die vornehmste Station der Walfisch-
jäger und blieb es fast zwei Jahrhunderte lang.
Die Islandsfahrten der Hanseaten. — Schon früh sehen
wir die Hanseaten mit den Holländern und Engländern allsom-
merlich auf der grossen Fischerei in den nordischen Meeren.
Wir wollen aber, unserem Thema getreu, auf die Nordfahr-
ten der Deutschen in älterer Zeit nicht zurückgehen, son-
dern nur erwähnen, dass wir im 16. Jahrhundert eine regel-
mässige Schifffahrt der Hanseaten nach Island sehen, ja
zu Anfang des 16. Jahrhunderts finden wir in Hamburg
eine Islandsfahrer-Brüderschaft. „Bei Eysland”, lesen wir
in den Erläuterungen zu Bläu’s Atlas 1641, „ist das mitter-
nächtische Meer von Fischen dermaassen reich, dass es nicht
allein derselbigen Insel [Eysland] Inwohner, sondern auch
viele andere an Nahrung erhält und mit aller Nothwendig-
keit versorgt.” Dort fanden sich in grossen Mengen der
Narwal, der Englische Walfisch, der Roider, Seeochse, ja es
werden die gewöhnlichen Längen dieser Fische angegeben.
Aus einer Reihe von Schriftstücken, welche im Bremer Staats-
archiv sich vorfinden, erhellt, dass im Anfang des 16. Jahr-
hunderts die Bürger von Bremen „die Unterthanen der König-
lich Dänischen Majestät in Island seit undenklichen Zeiten
jährlich besuchten und denselbigen ihre Waaren, als Mehl,
Bier und allerhand andern Bedarf von Proviant, zuführten, da-
gegen Fische, Thran, Butter u. dergl. Waaren, so ein Jeder ge-
habt hat, in Bezahlung angenommen haben”. Die Bremer wa-
ren für verschiedene Häfen („Hauens’”) vom König von Däne-
mark „begnadigt und mit Concession versehen”. Der Hafen
Bodenstede in „Schneuel’s Sussell” war bereits im Jahre 1526
von eimem Bremer Bürger, Wylken Hudemann, „sammt
seinen Mitverwandten” gefunden und aufgesegelt. Ein an-
derer Hafen, Kummerwage, wurde, wie es in einer Ur-
kunde von 1564 heisst, vor 30, 40 oder 50 Jahren auf-
gesegelt „mit grosser Gefahr von Leib und Gut und all-
jährlich von dem Schiffer Johann Munstermann !) und sei-
') In zwei anderen Urkunden, 1578, erklärt Claus Möninckhusen,
von Carsten Meier erhalten zu haben: ein Mal 12 gute gangbare Thaler,
6 Die Anfänge der Fischerei in den nördlichen Meeren vor der Entdeckung Spitzbergens.
nen Vorfahren, Schiffsfreunden und Rhedern besucht. Marten
Lösekan war auf den Hafen von Ostford in Östford-Sussell
begnadigt und nach einer Eingabe des Rathes von Bremen
an den König von Dänemark war auch dieser Hafen seit
undenklichen Jahren von Bremer Bürgern besegelt worden.
Karsten Baker befuhr den Hafen des Eilandes Flattöj bei
Island und Johann Schröder den Hafen Wattlose. Die Bre-
mer Bürger hätten, so heisst es am 18. Januar 1588, den
Unterthanen des Königs von Dänemark ihre Waären in
theueren und wohlfeilen Jahren beschafft und solche ihnen
nicht nach ihrem eigenen Vortheil und Gutdünken, sondern
nach des Vogtes oder Königlichen Befehlshabers in Island
angesetztem Werth und Anschlag zukommen lassen. Der
Vogt empfing das ihm Gebührende an Bier, Mehl (je 2 Last),
Brod (je 1 Last), Salz (je 1 Tonne), Eisen, besonders auch
Hufeisen für 50 Pferde. Es waren im Ganzen an acht
Häfen, welche auf diese Weise von Bremer Schiffen jähr-
lich besucht wurden.
Jahren, erhellt nieht —, dass etliche von den Bremer Kauf-
leuten, die mit Königlich Dänischer Concession auf Häfen
belehnt waren, auf der Rückreise von Island mit ihrem
Leib und Gütern „zur See blieben”. Es trat eine Unter-
brechung der Fahrt ein und diess benutzten, so heisst es,
So begab es sich — in welchen
andere Schiffer, um die Bremer zu verdrängen. Namentlich
wird diess von Hamburger Schiffen behauptet. Anschaulich
schildert uns Zorgdrager, der Holländische Commandeur,
S. 50 seines Werkes: „Bloeijjende Opkomst der Aloude en
Hedendaagsche Groenlandsche Vischerij”, diesen früheren
Tauschhandel der Isländer:
„Die Isländer pflegen Waaren weder zu kaufen noch zu
verkaufen, weil unter ihnen kein geprägtes Geld im Schwange
geht. Man bringt ihnen Mehl, Bier, Wein, Branntwein, Eisen,
Tuch und Leinwand, wogegen sie ihre Waaren vertauschen,
bestehend in Stockfisch, Butter, Wachs, grobem Tuch, Schwe-
fel, Fellen von Füchsen, Bären und Luchsen. Diejenigen, welche
tiefer im Lande wohnen, nähren sich von dem Vieh, als
da sind Schafe, Rindvieh und Pferde Sie halten ge-
meiniglich nicht mehr als zwei oder drei Kühe, aber eine
grosse Anzahl Schafe. Diejenigen, welche am Strande und
nahe bei dem Meere wohnen, treiben meistens die Kabel-
jau-Fischerei. Am Strande wird der gefangene Kabeljau
das andere Mal 15 Mark, „up dat everfur van der se und sant zu Islant
up Johann Munsterman’s ship zu Islant”. — Wenn Gott giebt, dass
das gute Schiff von Island wieder kommt, so gelobt Monninckhusen dem
Meier oder seinen Erben (in der zweiten Schrift auch dem Inhaber der
Urkunde) ein Mal 15 gute Thaler oder 1 Tonne Thran, so fern diese
nieht weniger werth ist als 15 Thaler, das andere Mal 500 Pfund
guder islander vische fri up de wage tho leveren, wenn diese weniger
werth wären als 15 Mark, den Rest in Geld. — Beide Verträge sind
rechtsgeschichtlich von Interesse. Offenbar erhält Meier Nichts, wenn
das Schiff nicht von Island zurückkommt. — In einer Bremer Zoll-
rolle von 1657 erscheint „Hitlender und Islender Fisch” unter der
Rubrik Stockfisch.
auf Tafeln zerschnitten und in Tonnen eingesalzen, so dass
das Schiff eine Zeit lang auf Ladung warten muss. Auch
in anderen Häfen liegen Schiffe bereit, von Kaufleuten aus-
gerüstet, deren ein jeder vom Könige in Dänemark seinen
eigenen Hafen gemiethet oder gepachtet hat, weswegen
öfter nicht mehr als Ein Schiff, um Handlung zu treiben,
in einem Hafen anlangt. Blefkenius sagt, dass die Deut-
schen, welche nach Island handelten, nahe bei dem Hafen,
wo sie gelandet, Zelte aufschlugen und daselbst ihre Waa-
ren zum Verkauf auslegten, bestehend in Mänteln, Schuhen,
Spiegeln, Messern und anderen Kleinigkeiten, welche sie
mit den Isländern gegen ihre Waaren umsetzten. So-
bald die Isländer von den Fremden Wein oder Bier ein-
gekauft oder vielmehr eingetauscht hatten, so luden sie ihre
Freunde, Verwandte und Nachbarn dazu ein und gingen nicht
eher von einander, bis sie alle wohl bezecht waren. Bei
diesen Saufgelagen sangen sie die Heldenthaten ihrer Feld-
herren, aber mit einem unförmlichen Ton und sonder einige
Kunst.”
Verbot der Deutschen Islandsfahrten. — Doch ein Macht-
gebot des Königs von Dänemark schnitt diesen direkten
Verkehr Deutscher Häfen mit Island ab. Im Jahre 1601
thut der König von Dänemark Christian IV. dem Rath zu
Bremen zu wissen:
„Dass Wir Etlichen Unserer Stadt Kopenhagen, aueh
anderer Unserer eigenen umliegenden Städte Unter-
thanen und lieben Getreuen alle und jede Hafens
unter Unserem Lande Island aus sonderbaren bewe-
genden Ursachen verpacht Und verschrieben haben,
also dass dieselben solche allein Und kein fremder
neben Ihnen mit ihren Schiffen forthan besegeln, den
Einwohnern des Landes Zufuhr thun Und mit ihnen
ihre Handel und Wandel treiben sollen.”
Zugleich wird bemerkt, dass der Rath denjenigen Bür-
gern, welche Königliche Begnadigung und Passbriefe auf
Häfen in Island hätten, diese Verordnung vorhalten und
ihnen befehlen möge, sobald die Zeit ihrer Begnadigungs-
briefe um sei, ihre Segelation nach jenen Häfen gänz-
lich einzustellen. Um diese dem Bremischen Seehandel
drohende Maassregel abzuwenden, sandte der Rath von
Bremen seinen Hauptmann und Diener Johann von Uffeln
nach Kopenhagen, um wegen der zu Bremen wohnenden
Islandsfahrer zu werben und zu bitten. Trotz der wieder-
holten schriftlichen und mündlichen Vorstellungen thut der
König von Dänemark schliesslich im Jahre 1603 dem Rath
zu Bremen zu wissen, dass nur noch in diesem Jahre zur
Eintreibung der Schulden der Bremer die Fahrt nach Island
zu gestatten sei. Gleiches Verbot wurde gegen Hamburg
erlassen, die durch die „Islandsfahrer”’ noch 1611 von
Neuem hervorgerufenen Remonstrationen des Rathes blie-
ben ebenfalls erfolglos und die „Islandsfahrer-Brüderschaft”
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 7
löste sich auf. Damit hörte vorläufig der Handel Bremen’s
und Hamburg’s mit Island auf. Über die Hitlandfahrer
(die Fahrt nach den Shetland-Inseln), ferner die Fahrt
nach den Färöern habe ich keine näheren Nachrichten auf-
finden können, und doch ist aus mehreren Gründen zu ver-
muthen, dass die Bremer hier nicht sowohl Handel als
Fischerei trieben.
Diese Islandsfahrten der Hanseaten in früheren Zeiten
konnten hier als die Vorläufer der späteren Nordfahrten
zur Grönlandsfischerei nur berührt werden.
Il. Die Spitzberger und arunanderkischere| im 17. Jahrhundert.
Erste Englische und Holländische Fischer - Expeditionen
nach Spitzbergen. — Wir wenden uns nun zunächst näher
zu den ersten Ausrüstungen von Schiffen auf den Walfisch-
fang. Wie bereits angedeutet, war auf Seiten der Eng-
länder der Wunsch, einen Wasserweg bis ins Innere von
Russland behufs Erweiterung ihres Handels zu gewinnen,
und auf Seiten der Holländer der Gedanke vorherrschend,
die nordöstliche Durchfahrt nach China und Indien zu
finden, als sie ‚zuerst jene Gegenden befuhren. Von allen
Englischen Häfen war es Hull, eine schon in damali-
ger Zeit sehr unternehmende Seehandelsstadt, welche die
ersten Schiffe von England aus auf den Walfischfang aus-
rüstete, und zwar geschah diess vom Jahre 1598 an !), nach
den Küsten von Island und in die Gegenden um das Nordkap.
Die in London im Jahre 1553 gegründete „Company for
the Discovery of unknown countries”, auch Muscovy Com-
pany oder the Russia Company genannt, entsendete im Jahre
1610 Captain Jonas Poole auf eine Entdeckungsreise. Poole
konnte nicht viel weiter über Spitzbergen hinaus vordrin-
gen und beschäftigte sich zu dem Zwecke, die Ausrüstungs-
kosten seines Schiffes zu decken, mit dem Tödten von Wal-
rossen. Nach dem, was in dem Werke „de Walvischvangst”,
Amsterdam 1784 (nächst Zorgdrager die werthvollste Quelle
für die Geschichte des grossen Fischfanges der Niederländer),
zu lesen ist, wären die ersten Englischen Walfischfänger
schon 1608 — vier Jahre vor den ersten Holländischen
Schiffen — nach Spitzbergen gesegelt.
Der Bericht des Captain Poole über das Vorhandensein
reicher Walfischgründe bei Spitzbergen veranlasste die Com-
pagnie, im nächsten Jahre, 1611, zwei Schiffe, die „Mary
Margaret” von 160 Tons, Captain Thomas Edge, und die
„Elisabeth” von 60 Tons, Captain Jonas Poole, auf den
Waltischfang auszurüsten. An Bord der „Elisabeth” waren
sechs im grossen Fischfang geübte Biscayer. Am 12. Juni
wurde ein kleiner Walfisch getödtet und der Thran —
12 Tons — ausgesotten. Die „Mary Margaret” wurde bei
Foul Sound vom Eise zertrümmert, die Mannschaft nahm
ihre Zuflucht zu den Booten und wurde zum Theil von
einem Huller Schiff, zum Theil von der „Elisabeth”, wel-
1) S. Elking’s View of the Greenland Trade and Whale-fishery,
p. 41.
ches Schiff sich von ihnen getrennt hatte und wieder gefun-
den wurde, aufgenommen. Aber auch die „Elisabeth” ging
beim Bergen des in Foul Sound zurückgelassenen Fisches
und Thranes verloren und das Huller Schiff führte schliess-
lich Mannschaften und Fang nach London zurück. Im
Jahre 1612 erschienen die ersten Holländischen Schiffe bei
Spitzbergen, ein Schiff von Amsterdam und ein anderes
von Sardam, neben ihnen zwei Englische und ein Spa-
nisches.
Streitigkeiten zwischen den Englischen und den Hollän-
dischen Fischern bei Spützbergen. — Sofort entstand Streit
zwischen den Holländischen und den Englischen Seeleuten.
Die Englischen beanspruchten das ausschliessliche Recht der
Fischerei an den Spitzbergen’schen Küsten, während die Hol-
länder mit Bezug auf die Entdeckung des Eilandes durch
ihre Landsleute im Jahre 1596 das gleiche Recht der
Fischerei zu besitzen behaupteten.
den Engländern, die Holländer zu vertreiben, und die erste-
ren kehrten mit einem Fange von 17 Walfischen nach der
In der That gelang es
Themse zurück.
Bildung von Fischerei-Compagnien in England und Hol-
land. — Im folgenden Jahre (1613) wiederholte sich diese
Scene in grösserem Maassstabe; die Russische Compagnie
hatte sich von der Englischen Regierung eine Charter zu
Gunsten des Fischfanges bei Spitzbergen durch ihre Schiffe
ausschliesslich erwirkt, sie sandte sieben Schiffe aus, welche
zum Theil armirt waren. Von Amsterdam erschienen zwei
Schiffe und zwei von anderen Holländischen Häfen, sie
führten Biscayische Harpuniere, welche „boven schipper bo-
ven al bevelen gaven”. Ferner fanden sich ein: ein Schiff
von Dunkerque, eins von Bordeaux, eins von La Rochelle,
eins von St.-Jean de Luz und einige Schiffe von St. Se-
bastian 1).
Französische, welche sich zu einem Tribute verstanden —
wurden vertrieben und ihres Fanges beraubt. Der Verlust
der Holländer belief sich auf ungefähr 130.000 Gulden.
Dennoch machte die Englische Compagnie in diesem Jahre
ein schlechtes Geschäft, denn über der Verfolgung der Con-
kurrenten hatte man den Fang selbst versäumt und die
Compagnie erlitt einen Schaden von E 3- bis 4000.
1) Scoresby, II, p. 26.
-8 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
Energisches Vorgehen Holländischer Seestädte in der Aus-
beutung der neuen Fischerei. — Die Holländer, damals ein
Volk, das gerade in der Fülle der Kraft und des Strebens
stand, dessen schöpferischer Geist sich mit gewaltiger Ener-
gie nach den verschiedensten Richtungen hin bethätigte,
waren die Letzten, welche sich durch solches Auftreten der
von ihnen zur See kaum für ebenbürtig angesehenen Englän-
der hätten einschüchtern lassen. Gleich im folgenden Jahre
rüsteten die unternehmenden Kaufleute der Stadt Hoorn, wo
schon 1416 die grosse Fischerei der Holländer '), die Härings-
fischerei, durch Anwendung grosser Netze einen bedeutenden
Fortschritt gemacht und deren Kauffahrer, die Hoorn’schen
Katten, schon längere Zeit den Handel mit Süd-Frankreich
und Norwegen vermittelten, ein Schiff aus. Auch war be-
reits in den grösseren Städten Hollands die Bildung einer
grossen Handelsgesellschaft zum Zweck einer umfassenden
Ausbeutung des Spitzbergen’schen Fischreiehthums in Anre-
gung gekommen. Neben Amsterdam und Hoorn regt sich in
Middelburg, in Schiedam das Interesse, eben so in Enkhuizen,
dem vornehmsten Ort der Häringsfischerei, welcher schon
zu Ende des 15. Jahrhunderts 40 Grootschippers (Eigen-
thümer von Schiffen bis zu 120 Last) unter seinen Ein-
wohnern zählte, dessen Rath mit Königen ceorrespondirte und
dessen Bürger bereits 1594 zwei Schiffe unter Cornelis Nai
zur Auffindung der vermeintlichen Nordost-Durchfahrt aus-
gesandt hatten.
Errichtung der Noordschen Maatschappy. — Das von
Hoorn ausgesandte Schiff kehrte mit einem guten Fange
heim und noch in demselben Jahre wurde in Amsterdam
nach dem Vorbilde der Indischen Maatschappy die Noord-
sche Compagnie gegründet und von der Regierung vorerst
auf drei Jahre mit Octroi versehen. Die Gesellschaft er-
hielt das ausschliessliche Recht, Ausrüstungen auf Fischerei
und Handel nach der Davis-Strasse, Grönland, Spitzbergen,
Bären-Eiland und anderen Inseln, „die etwa in diesen Ge-
genden noch möchten entdecket werden,” zu machen. Es
heisst in dem Octroi unter Anderem, „dass die Supplikan-
ten die Allerersten waren, welche angefangen hätten, aus
1) Unter „groote vischerij’” verstanden die Holländer nicht den
Walfischfang, der ja erst später aufkam, sondern die Häringsfischerei
(haringsyaart), und zwar im Gegensatze sowohl zu der Doggevaart, dem
Kabeljaufang (Dogge —= Kabeljau), als zu der kleinen, der Küsten-
fischerei. Es ergiebt sich diess aus verschiedenen Plakaten der älteren
Zeit. Die Doggervaart oder Doggevaart ging nach dem Doggerzand,
der noch heute so fischreichen Bank zwischen Jütland und England,
deren Name sich auf diese Weise erklärt. Die kleine Fischerei betrie-
ben die „Schuiten die om verschen Visch uitvaaren”. S. Teg. Staat.
d. Ver. Neederl., I,p. 584. Dass übrigens der Name „grosse Fischerei”
für die Häringsfischerei auch gegenüber dem Walfischfange wohl berech-
tigt war, ergiebt die Thatsache, dass in der Periode von 1669 bis 1778
der durchschnittliche jährliche Reinertrag des Walfischfanges 442.928 Guld.
betrug, während der jährliche Reinertrag aus der Holländischen Härings-
fischerei in dieser Zeit im Minimum, also in den ungünstigsten Jahren,
noch auf 1.120.000 Gulden angegeben wird.
diesen Landen so weit nach Norden zu fahren oder zu
segeln unter Ausrüstung einer Anzahl Schiffe nach Gegen-
den, wo niemals ein Christenmensch gewesen, ja dass sie
83 Grad passirt hätten, wie diess aus einer gewissen Karte
und Beweis, welche in den Händen der Supplikanten, her-
vorgehe; dass die Schiffe derselben dort, in jenen Gegen-
den, eine offene See ohne Eis, flaches Weideland mit gras-
fressenden Thieren gefunden und ferner an der Seeküste
oder in der Nähe derselben viele Walfische, Walrosse und
andere Fische gefangen hätten”.
Das Unternehmen wurde in Folge dieses Octroi mit
all der Energie und den Mitteln angefasst, welche zu
jener Zeit die Holländer auf alle ihre grossen Handels-
unternehmungen verwenden konnten. Man ging dabei von
dem Gesichtspunkt aus, dass Alles auf eine längere Dauer
angelegt werden müsse. Schiffe wurden in grösserer Zahl
gebaut. Bei dem Fischreichthum der Baien Spitzbergens
wurde der Fang einfach von Booten aus betrieben und es
wurden die nöthigen Einrichtungen dazu getroffen, dass der
Speck sogleich an Ort und Stelle, an der Küste von Spitz-
bergen, in Thran umgewandelt werden könnte. Man führte
Baumaterialien in ansehnlichen Mengen nach Spitzbergen,
um Packhäuser, Thrankochereien, Bötteherwerkstätten und
dergleichen zum Betriebe sonst noch erforderliche Einrich-
tungen herzustellen. Spuren dieser Bauten haben neuere
und neueste Forschungs-Expeditionen auf Spitzbergen und
seinen Nachbar-Inseln gefunden. Auch in Amsterdam, an
der bekannten Kaizersgracht, einer der Hauptstrassen der
damals sich in neu angelegten Stadttheilen noch immer wei-
ter ausdehnenden Handels-Metropole, erhoben sich Gebäude
für den Betrieb der neu gegründeten’ Handels-Gesellschaft,
die sogenannten „Grönländischen Packhäuser”.
Im Jahre 1614 sandte die Compagnie bereits 14 Schiffe
nach Spitzbergen, und vier Kriegsschiffe, jedes mit 30 Ka-
nonen, begleiteten diese stattliche Flottille. Die Engländer,
an Zahl geringer, wagten nicht, die Feindseligkeiten fort-
zusetzen. Im Jahre 1617 kam es noch einmal zu einem
blutigen Conflikte zwischen den Englischen und Nieder-.
ländischen Fischern, wobei die ersteren den Kürzeren
zogen. Allein die Niederländische Regierung war weise ge-
nug, sich über die Parteien zu stellen. Sie gab das ge-
nommene Englische Schiff wieder heraus und beschenkte
überdiess den Kapitän, — ein Akt der Grossmuth, welcher
den Engländern Hochachtung abzwang.
Die Dänen erscheinen bei Spitzbergen. — Im Jahre 1615
erscheinen zuerst zwei Kriegsfahrzeuge der Dänen in den
Gewässern von Spitzbergen. Ihre Commandeure traten mit
dem sonderbaren Anspruch auf, einen Tribut von den
Fischerfahrzeugen aller anderen Nationen zu erheben, ‚weil
sie West-Grönland entdeckt hätten und Spitzbergen zu
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 9
Grönland gehöre”. Ihnen stellten die Engländer entgegen,
dass diese Insel bereits 1553 von Sir Hugh Willoughby
entdeckt worden sei, was freilich nicht wahr war. Inzwi-
schen kam es doch bald zu einem Vergleiche unter den
verschiedenen Nationen, deren Fahrzeuge sich bisher bei
dem Walfischfang betheiligt hatten.
Vertheilung Spitzberger Häfen an die verschiedenen Na-
tionen. — Bei dieser Übereinkunft, beziehungsweise Zuwei-
sung der einzelnen Baien traten als Betheiligte die Engländer,
die Niederländer, die Dänen, welche nun auch, im Jahre 1620,
eine Grönländische Compagnie gegründet hatten, ferner die
Hamburger und endlich die Biscayer und Franzosen auf.
Auch die Regierungen scheinen dabei mitgewirkt zu haben.
Die besten Baien, diejenigen, welche am frühesten vom
Eise befreit waren, nämlich die südlichen, wurden von den
Engländern gewählt. Es waren diess Bel-Sund, Safe-Hafen
(Holländisch: Behoudehaven) im Eis-Fjord und Horizon-
Bai, es kam hinzu eine kleine Bai an der Nordostseite des
Foreland-Fjords, die sogenannte Englische Bai, ferner wei-
ter nördlich die Magdalena-Bai. Die Holländer gingen noch
weiter nördlich und wählten die Amsterdam-Insel mit zwei
schönen Baien — die eine im Süden, die andere im Norden —
und die Holländer-Bai zwischen der Insel Amsterdam und
der Haupt-Insel Spitzbergen. Die Dänen errichteten ihre
Station zwischen ‚denen der Engländer und der Nieder-
länder. Nach ihnen ist die Danes-Insel und das Danes-
Gat benannt. Endlich die Hamburger segelten eine kleine
Bai nördlich von Foreland und nahe bei den Sieben Eis-
bergen auf und wählten sie, weil sie ziemlich eisfrei war,
unter dem Namen - „Hamburger Bai” zu ihrer Fischersta-
tion. Den Spaniern und Franzosen blieb nur noch ein Platz
an dem nördlichen Theile von Spitzbergen, bei Redbay und
Biscayer Hoek. Sie spielen überhaupt keine grosse Rolle
in der Geschichte dieser Fischerei.
Smeerenburg, die Holländische Fischerkolonie. — Eine
Reihe von Jahren hindurch, so lange die Baien fischreich
blieben, war Spitzbergen in den Sommermonaten das Ziel
zahlreicher Schiffe.
gelegenen und nach Spitzbergen zu sich in breiter Fläche
abdachenden Insel Amsterdam die bekannte Holländische
Faktorei Smeerenburg oder Smeerenberg (unter 79° 15’
N. Br.), ferner in der Nähe die Harling’sche Kokery, eine
Thranbrennerei.
Anfang, kostspielig, empfahl sich deshalb, weil man dann,
wie eine Holländische Quelle sagt „een grooter voordeel
in kleiner omtrek t’huis brengen” konnte.
Ergiebigkeit der Fischerei in der ersten Zeit. — Der
Fang war, wie gesagt, leicht. Der Verfasser von „de Wal-
vischvangst” erzählt, dass mitunter die Leute in den Scha-
luppen nach solchen Fischen mit den Rudern schlugen, die
Es entstand auf der seewärts hoch
Diese Einrichtung, wenn auch für den
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
zufällig ihnen in den Weg kommend sie hinderten, die
Die getödteten bugsirte man
ans Ufer, löste die Speckhaut ab (flensste sie) und kochte
gleich den Thran aus; daher führte man auch damals dop-
pelte Besatzung, nämlich 60 bis 80 Mann für jedes Schiff,
Die Menge des ausgebrannten Thranes war so gross, dass
nicht allein die Expeditionsschiffe voll beladen zurückkehrten,
sondern es wurden von Holland Schiffe nachgesendet, bloss
um Thran von Smeerenburg zu holen (die sogenannten
harpunirten zu verfolgen.
„Nascheppen”, Nachschiffe). In neuerer Zeit war man zu-
frieden, wenn das Schiff zu zwei Dritteln mit Speck ge-
füllt wurde. Ein lebhaftes Gewühl herrschte während der
Fischerei in dieser Faktoreiı, wo mehrere tausend Ar-
beiter und Matrosen zusammenkamen. Die „Kommandeurs”
(Name der Führer solcher Expeditionen) wohnten am Lande;
des Morgens, wenn das frisch gebackene Brod aus dem
Ofen kam, wurde diess durch Blasen auf dem Horn be-
kannt gemacht; es gab Schänken, die Seeleute belustigten
sich wie zu Hause und feierten ihre „Kermis”.
Die Ausbeute der Fischerei in jener ersten Zeit war
ganz ausserordentlich und der von. einem Niederländischen
Fischerei-Statistiker ‚gebrauchte Ausdruck „de goudmyn van
het Noorden” mag wenigstens für jene Zeit zutreffend sein,
obwohl genauere Daten über die finanziellen Ergebnisse
fehlen. Zorgdrager erzählt S. 215, Willem Ys, der Schwie-
gervater seines gewesenen Steuermannes Thunis Baltisz,
habe zwei Reisen (tochten) im Jahre nach Jan Mayen gethan
und habe öfter bei 1000 Quardeelen Thran !) geladen, also
2000 im Jahre heimgebracht.
Der Octroi der Nordischen Compagnie wurde im Jahre
1617 auf vier Jahre verlängert und im Jahre 1622 er-
hielten die „Kleine” (inzwischen gebildete) und die „Grosse
Nordische Compagnie” sowie eine neue, die Zeelander
Compagnie, Octroi auf 12 Jahre. Im dem Octroi von
1622 wird noch besonders des Eilandes „Mauritius” (Jan
Mayen) erwähnt und zugleich die Strafe für ein Schiff,
welches die verliehenen Privilegien verletzt, auf 6000 Gul-
den festgesetzt; spätere Octrois führen noch Staaten-Land,
Wybe Jan’s Water, de Zwarte Hoek namentlich auf.
Älteste Spuren von Grönlandsfahrten der Bremer. — Gehen
wir nun auf die Zeit zurück, in welcher Deutsche Seeplätze
zuerst an dem für damalige Zeit so grossartigen Betriebe
Theil nahmen, so giebt uns eine auf der Trese ?) des Bremer
Archives aufbewahrte Urkunde bezüglich Bremen’s die erste
Auskunft, welche freilich mehr negativer Art ist. Es ist ein
Schreiben des Königs Christian IV. von Dänemark vom
!) Die altholländische Quardeel —= 12 Stechkannen, die spätere
Quardeel ist gleich 3 Bremer Tonnen & 216 Pfund.
2) Ein feuerfester Raum in der Liebfrauenkirche, wo in alten Schrän-
ken die werthvollsten Urkunden des Bremer Staatsarchiyes aufbewahrt
werden.
2
10 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
10. Januar 1622 an den Rath von Bremen. Wir theilen
daraus folgende Stellen mit:
Kön. Maj. zur Dannemarken, Norwegen &e. Unser gnedigster Kö-
nig Undt Herr Hatt eines Erbarn Rhats der guten Stadt Brehmen ahn-
bringen und begehren auss ihres abgesandten so woll mündlichen Vor-
trag, alss auch in schriften Übergebenen proposition der lenge nach
Umbstendtlich Und wohl vernommen, Und darauf dem Gesandten fol-
genden Bescheidt zu ertheilen gnedigst befohlen......
Isslandt und Feroe betreffendt, weil dieselbe traffieque Undt com-
mereien bei I. Maj. gewissen Personen schon vor diesem verschrieben
kunnen I. Maj. denen zum präjudieio nichtes Verhengen, doch wollen
I. Maj. bei der Compagnie alhier die gnedigste Verordnung thun das
sie jahrlichs etwan ein oder zwei mit den Wahren so daselbst fallen
beladene Schiffe auff die Stadt Brehmen, dafern solche wahren bei ihnen
gebührlich verhandelt werden können schicken sollen, damit also die
Stadt derselben Commercien gleichwol in etwas weill ein weiteres ohne
abbruch J. Maj. ausgegebenen Verschreibungen nicht geschehen kann
sich zu erfrewen haben möge......
Weil auch I. Maj. mit dem Könige auss Gross-Britannien ge-
wisse pacta wegen Grönlandt und des Walfischfangs unter demselben
Lande aufgerichtet, in welehen Unter andern dieses Versehen, das
I. I. Mitt beiderseits keinen andern alss ihre eigene Underthanen in
eommunionem et commercium istius piscationis admittiren oder zulassen
sollen, Versehen sich I. Maj. ess werde der Erbar Rhatt dieselbe
nicht verdenken das sie davon nicht abweichen können. Damit Sie aber
gleichwol erspüren können das I. Maj. ihrer Stadt und Bürgerschaft
aufnahme so viel möglich zu befördern begierig, auch desswegen be-
queme Mittel auch vor sich selbsten gnedigst gerne ausssinnen, wollen
I. Maj. ihnen sonsten den Walfischfang unter Norlandt und Norwegen,
da es doch allen anderen Nationen verboten, vor ihre eingesessenen
Burger gnedigst hiemit gegen Erlegung der gewonlichen Gerechtigkeiten
Vergonnen und zulassen, Verhoffen auch, der Rhatt gebührliche Auff-
sicht haben werde, das kein Unterschleiff hierbei verlauffen möge, wie
denn I. Maj. auch ferner und zur mehrerer Bezeugung zur gemeiner
Stadt tragender gnedigster Gewogenheit ihnen die erlegung der itzo
extraordinarie auffgelegten Dreissigsten und Zwanzigsten Pfennings zur
Bergen, ob sie woll in partieulari darumb nicht angehalten, hiemit er-
lassen haben auch ahn den Ambtmann daselbsten Befehlschreiben ab-
gehen lassen wollen, das er ihre Bürgerschaft und guter ins künftige
mit exaction desselben verschone......
Gegeben auf dem Königl. Schlosse zu Copenhagen den 10. January
anno 1622. Christian.
Die „Islandiea” bezeichneten Akten des Hamburger
Staatsarchives geben über jene pacta zwischen dem König
Christian IV. von Dänemark und dem König Jakob I. von
England die Auskunft, dass sie im Jahre 1621 abgeschlossen
wurden und dass in diesen ältesten Traktaten an Fremde
(Nicht-Dänen und Nicht-Briten) verboten sei, „Island, Feröe
und andere umliegende Inseln sowohl als die ganze nor-
dische Seite von Norwegen und vieina maria zu besegeln
und dort zu fischen”.
Es ist erklärlich, dass sich der Rath von Bremen da-
mals gerade an Dänemark wandte, um unter seinem Schutze
an der eben in diesem Jahre aufblühenden Grönlands-
Fischerei Theil zu Neben Gross-Britannien und
den Niederlanden war es Dänemark, welches mehrere Pio-
nier-Expeditionen nach dem Norden ausgerüstet hatte. Ver-
möge der politischen Verhältnisse in Deutschland, vermöge
des Handels mit Bergen war Bremen vorzugsweise auf
Dänemark angewiesen. Andererseits lag dem König Chri-
stian daran, den Rath zu Bremen bei der bevorstehenden
Wahl eines Erzbischofs von Bremen für sich zu gewinnen.
nehmen.
Der König wollte seinen Sohn zum Erzbischof erkoren
sehen und der Rath war klug genug, diese Gelegenheit zu
benutzen, um einige im Interesse des Bremer Seehandels
wünschenswerthe Punkte zu erreichen.
Gesandtschaft Bremen’s nach Kopenhagen. — Den Doktor
Preisswerk, welcher zu diesem Zweck als Gesandter des
Rathes von Bremen nach Kopenhagen sing, instruirte er
also unter Andere m dahin:
Instructio
wonach sich bei der Kön. Maj. zu Dennemarck, Norwegen unser Ab-
gesandter Syndicus, der Ehrnveste und Hochgelahrte Herr Johann Preiss-
werck, der Rechten Doctor, in unseren Partieular Sachen richten soll.
Es soll gemelter unser Abgesandter, wan er nach Copenhagen, oder
wo sich sonst I. Kön. Maj. etwa aufhalten möchten, ankommen, be-
neben der gemeinen auch um eine sonderbahre Audientz anhalten, und wan
er darzu verstattet, nach behörlicher- Danksagung, und anderen gewöhn-
lichen Complementen und Curialien, zuforderst I. Kön. Maj. gebürlich
gratuliren, das die ein Zeithero vorgewesene Traetaten, durch sonder-
bahre schickung des Allerhöchsten, Jungst die endtschafft erreichett,
dass I. Kön. Maj. Herr Sohn zu einem Coadjutorn und künfftigen
Successoren dieses löblichen Uhralten Ertz-Stiffts designiret, erwehlett
und proclamiret währe. — — — — —
Endlich würden sich I. Kön. Maj. auch gnädigst erinnern, was
massen Sie sich miltköniglich erbotten, dieser unserer guten Stadt
Commereia in königliehen gnaden zu befurderen und zu vermehren, Das
auch im verflossenen Augusto etzliche Puncten, an deren gnedigsten Bewilli-
gung unserer Stadt ein Königliche favor geschehe, von uns underthänigst
übergeben, hetten auch Jungst von offt wolermelten Abgesandten die gute
vertröstung bekommen, Das I. Kön. Maj. uns zwar in einen und an-
deren gmedigst zu gratificiren geneigett, Allein das Sie in solcher eill,
und abwesenheit des Herrn Reichs-Cantzlers, mit dero Reichs-Räthen
Darauss nit communieiren noch reden lassen können — — — — —
Bremen, d. 8. Decembris 1621. y
Die „Kurtze punctatio der Artieule, worüber die parti-
n
eular diese gute Statt betreffende assecuration zu begeren”,
lautete:
Weill auch 1. Kön. Maj. sich zu verschiedenen mahln sonders
gnedigst erbotten, dass Sie dieser guten Statt commereia und nahrung,
Ihrem hohen wollvermögen nach, milt Königlich verbessern und beför-
dern wolten, So thue man unterthenigst bitten, dass I. Kön. Maj.
gnedigst geruhen wolle, den Bremischen Bürgern die sonderbare König-
liche gnade und freiheit zu indulgieren, dass (nebenst den privilegien
und Freiheiten, so das Cunthor zu Bergen von I. Kön. Maj. und
dero hochlöblichsten Vorfahren habe) ihnen auch in allen andern
I. Maj. zugehörigen Königreichen, Insulen und Ländern, insonderheit
aber auf Grönlandt, Isslandt, Gotlandt, Fehro und auff Jenseits der
North Cape frei zu trafiequieren, zu fahren und zu handlen erlaubt,
Ihnen auch etwa die für diesem in Isslandt gehabte Hauen [Häfen] wie-
der eingeraumet werden mögen, und dass I. Kön. Maytt. auch sonst in
allen andern Stücken oder vorfallend occasionen dieser guten Statt
heill und wollfahrt milt Königlich zu befördern gnedigst geruhen wollen.
Den 8. December 1621.
Darauf wurde die oben erwähnte Antwort von König
Christian ertheilt.
Muthmasslicher Anfang der Bremer Grönlandsfahrten
um 1025; aktenmässiger Nachweis derselben aus dem Jahre
1674. — Es ist, wie auch aus dem Nachfolgenden hervorgeht,
wohl ausser Frage, dass vielleicht schon bald nach jenem
Briefe des Königs Christian auf den Walfischfang ausge-
rüstete Schiffe die Weser verliessen und an dem reichen
Gewinne, welchen die Spitzbergen’sche Fischerei in jenen
Jahren abwarf, sich einen bescheidenen Theil holten. Nach-
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 11
weislich aus den Akten des Bremer Archives!) ist es erst
1674, wo in Bremen eine „Grohnländische Compagnie wieder
aufgerichtet”” worden war.
Am 7. Dezember 1674 suchen nämlich 31 Kaufleute,
„Interessenten der Grönländischen Compagnien”, um Be-
freiung der Consumtionsabgabe nach: für die Viktualien,
besonders die Beesters, welche alljährlich hier geschlachtet
Es ist
in mehrfacher Beziehung für unseren Gegenstand‘ von
und auf den Grönlandsfahrern verzehrt werden.
Interesse, auf den Inhalt des Gesuches etwas näher einzu-
gehen.
Einzelheiten über die ältere Bremer Grönlandsfahrt. —
Die Consumtionsabgabe, so wird ausgeführt, sei zur Unter-
haltung der Soldateske bewilligt.
„Nun werden aber diese Vietualien, so wir auf unsere Grönlän-
dischen Schiffe mit ohnedem sehr schweren Kosten hinuntersenden und
von anderen Örters uns besser damit versehen könnten, hier in loco
nicht, sondern auf dem Schiffe, weit von Bremen, consumirt. Der Rath
solle ferner ponderieren, wann diese angefangene Grönländische Fahrt
durch Gottes väterliche Gnade sich jährlich möchte vermehren und
zunehmen, was dieser guten Stadt und dem Publico von Zeit zu Zeit
darinen zuwachsen könne, indem dadurch die frembde und ausslän-
dische Handelssleute, auch viele gemeine Schifferknechte, ja über
200 Personen, wann sie allhier angenommen, ihr Bier und Brod in
dieser guten Stadt consumiren, Von benachbarten öhrtern abgewöhnet
und anhero gezogen werden, da inzwischen viele burgere hieselbst mehre
andere wahren, welche sonst an diesem ohrte niemals gesuchet und
abgeholet werden, bei der handtzu haben und zu verschaffen, ihnen högst
angelegen sein lassen werden, wie der senatus Hamburgensis löblich
darinnen verfahren, indehm derselbe in so langen Jahren nicht das
geringste von ihren grohnlandischen schiffen begehret, ihnen auch ver-
stattet, dass diese und auch andere Schiffe ihr Bier, und was sie son-
sten nötig, ausser der Stadt in Altena brauen und einkauffen lassen
mögen, ja in ihre Stadt, vor dem Hauen, ohne einigen entgelt solches
einzuladen und einzunehmen, gerne vergonnen, auch die Vorfahren am
löbl. Regiment hieselbst Freyheit an die Hitlenderfahrer und anderen
zur Seh gehenden Fischern ertheilt und dero aussgehende und ein-
bringende wahren gahr geringe beschwehrt und belegt haben, indehm sie
wahren holen, so auss der Seh erst gefangen werden. Ingleichen seien
die Bergerfahrer alhie für anderer Burgern und Kauffleuten mit grossen
privilegien und Freyheiten sowohl wegen ihre einkommende alss aus-
schickende Gütern begnadigt, weil solche über Seh geholet werden.
Ihrer Königl. Maytt. von Dennemark nehmen nichts von denen Schiffen,
so auss ihren Landen nach Grohnland fahren, ja vergonnen auch denen
Lübeckschen Bürgern, dass sie mit Ihren Grohnlandschen Schiffen durch
den Sundt zollfrei passiren mögen, ohne zu gedenken, wie die H. H.
Staten von Hollandt lange Jahre mit Freygebung aller unpflichten
diess herrliche Werk und Fahrt so rülmlich befordet und ihren ein-
wohnern überdehme alle hülffmitteln dazu alss sonderliche liebhabern
der commereia und handlungen gecontribuirt haben, wan den nuhmehro
auch unserem lieben Vaterlande zum besten noch eine andere undt
neuwe comp. gleichfalls entstanden undt auffgerichtet, so nach Grohn-
land werden equipiren, und uns ersuchet mit dieser Supplik einzukom-
men, welche sie auch nebenst uns unterzeichnet haben.”
Um es beiläufig zu erwähnen, wurde die gewünschte
Begünstigung in so weit gewährt, dass gegen Einreichung
einer Spezifikation die Consumtions-Freiheit für den Schiffs-
consum an Brod und Mehl zugestanden wurde. (Senats-
conelusa vom 23. Dezember 1698 und 8. Februar 1704.)
Noch einiger anderer Archiv- Akten möge hier gedacht
‘) Im Hamburger Staats-Archiv fand ich ebenfalls kein Schrift-
stück, das einige Auskunft über diese ältesten Bremer Grönlandsfahrten
gegeben hätte.
r
werden, weil sie nach mehr als Einer Seite hin für unser
Thema und die Anschauungen jener Zeit von Interesse sind.
Im März des Jahres 1676 suchen die
„Burgers und Rehders der Grohnlandischen Compagnie (Rehders der
6 nach Grohnland destinirten Schiffe) um Bürgerrecht für ihre fremde -
Matrosen wegen des französischen Krieges nach, sie haben, erklären sie,
von Fürstlicher Durchlaucht von Hannover Residenten in Paris Zeitun-
gen erhalten, dass gegen Zahlung eines gewissen für die Last dieser
Stadt Schifffahrt durch die französischen Kapers oder Schiffe gahr
nicht sollte troubilirt werden, dennoch aber mit dieser Condition, dass
kein einziger Holländer noch Hamburger sich darauff befinden müsse,
ja dass ein einziger Cajüt Junge von Feindes-nation capable wäre, das
gantze Schiff mit der Lahdung ins Verderben zu stürzen.” Sie erklären
weiter: „Weil es aber uns Rehdern der gedachten Schiffe unmöglich
fällt, mit Bremer Bootsknechten oder Schiffsleuten alleine zu fahren,
auch desswegen schon eine ziemliche Zahl von anderen Nationen an-
genommen, und darauf ein ziemliches Stück Geldes expendiret haben,
und dieser Stadt Nahrung und Schifffahrt durch diesen vor kurzen
Jahren wieder angefangenen Handel merklich befördert wird, so bitten
sie darum, dass man diesen fremden auf unseren Schiffen dienenden
Schiffleuten, zur promotion der Commercien, dass hiesige Bürger Recht
precario nur so lange grossgünstig verleihen und geben mögte, alss
Sie sich dieses Jahr auff gedachten unsern Schiffen befinden würden, da-
mit dieselben bey ankommen einiger Caper völlig versichert und alles
auffbringens geäussert sein mögen.”
Am 7. November 1677 kommt zuerst in Frage, wie
hoch der Eingangszoll auf aus Holland als Handelsartikel
eingeführte Barten zu setzen sei. Es heisst in dem bezüg-
lichen Wittheits- Protokoll (dem Protokoll des in corpore
versammelten Raths):
„Da bisher Fischbein zur convoje das Pfund schwer 4 Groten
gegeben, die Kaufleute aber von den Wahren so viel zu geben nicht
vermeinten,, so wurde beliebet, dass die Accise-Herren mit ihnen des-
wegen handeln mögen und das Pfund schwer auf 3 oder 2 Groten
convoje setzen”.
Im Jahre 1677 beschweren sich die Interessenten bei
der Grönländischen Compagnie darüber, dass die Tonnen-
macher und Seiler ihnen Vorschriften machen wollten, bei
welchem Meister sie ihre Arbeiten machen lassen sollen.
Das Grönländische Recht der Holländer; Annahme des-
selben Seitens der Deutschen Seestädte.e — Aus dem Jahre
1684 endlich ist ein nicht unwichtiges Aktenstück erhalten,
in welchem die bisher faktisch angenommenen Holländischen
Usaneen des Fischereibetriebes in Grönland durch eime
ausdrückliche Erklärung der betreffenden Bremer Rheder
förmlich adoptirt werden.
ländischer Sprache abgefassten Schriftstück die folgenden
wichtigsten Stellen:
Vor dem Senat erschienen: Eldermann Jürgen Baltzers und Bruno
Heylman, ferner Dirck Wolpman, Conrad Mehne, Jacob von Berchem, Al-
bert Schomaker, Henrich Sanders, Frans Dreyer, Henrich Klugkist jun.,
Albert Ellerhorst, Arnold Duntze, Daniel Meinershagen, Jobst Henrich
Balcke, Kaufleute Bremen’s aus verschiedenen auf Grönland rhedernden
Compagnien, Waben sich darüber informirt, welche Gebräuche und Ge-
wohnheiten in den Fällen von Schiffsunglück!) in Grönland bezüg-
lich des Bergens von Volk, Schiffen, Walfischfanggeräthschaften, Speck,
Thran, Barten &e. bei den Einwohnern der vereinigten Niederländischen
Provinzen bestehen. Sie finden, dass die Mannschaft eines verun-
“
Wir entnehmen diesem in Hol-
1) Datt zye voor genoemde reedery op groenland voor eenige jae-
ren weer heryatt hadden en bevonden datt die derwaerts gaende Schee-
pen, groot risico vann door hett ys gebrooken off door datt selbe
besett te worden.
2 *
77
12 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
glückten Schiffes durch das erste Schift, an das sie kommt, zu den
gebräuchlichen Kosten aufgenommen und mit Mundkost bis zu dem
Platz versehen wird, wo das bergende Schiff zu Haus gehört; —
ferner, dass die in Grönland oder in dieser Gegend aus verunglückten
oder verlassenen Schiffen geborgenen Güter zur Hälfte an den Eigner,
_ der das Schiff verloren, oder an dessen Ordre zurück erstattet werden,
und zwar an dem Platz, wo das bergende Schiff ankommt, indem dem
Berger als Berglohn und Fracht die andere Hälfte zukommt. Die At-
testanten waren hierin übereingekommen und es war ihrer Ordre ge-
mäss durch ihre Commandeurs zu verschiedenen Malen Volk von ver-
schiedenen Nationen übergenommen worden. Sie waren mit Kost und
Trank versorgt und nach ihrer Ankunft hier waren ihnen, besonders
den Holländern, so viel Lebensmittel und Reisegeld gegeben worden,
dass sie nach Hause zurückkehren konnten. Bezüglich der geborgenen
Güter hatten die Attestanten und ihre respektiven Compagnien solehe
Ordre gegeben, dass sich Niemand über sie beschwerte, noch Ursache
hatte, mit Recht sich über sie zu beschweren. Im den kurzen Jahren,
dass ihnen diese Gewohnheit bekannt war, waren ihnen nur die beiden
folgenden Beispiele vorgekommen: Commandeur Gerrith Jacob Buis,
führend das Schiff „die Eendracht’”, hatte im Jahre 1682 einiges Gut
von dem verunglückten Schiff, dessen Commandeur Bowe Jochens, ge-
wöhnlich Bowe genannt, geborgen. Davon hatte genannter C. Buis den
halben Werth in Geld zu Folge Übereinkunft mit dem Buchhalter des
gebliebenen Schiffes an diesen Buchhalter im Namen seiner Rheder frei-
willig und ohne Widerspruch restituirt. Commandeur Jost Blase, füh-
rend das Schiff „de Koning Albertus”, hatte im Jahre 1683 einiges
Gut aus dem verunglückten und verlassenen Schiff „de vergulde Duyft”
geborgen, wovon die hier wohnenden Rheder an die Eigner zugleich
mit dem hier geschätzten Werthe desselben Kunde gegeben, indem sie
es ihrer Wahl überliessen, ob sie das Geborgene zu dem Werthe des
geschätzten Preises annehmen und die Hälfte davon empfangen wollten
oder das Gegentheil. Die Eigner des geborgenen Gutes entschieden
sich dahin, die Hälfte des geschätzten Werthes in Geld anzunehmen,
und dieses ist dann ohne Widerrede an ihren Buchhalter S. Dirck
Leenders durch Ordre der Rheder des ,„Koning Albertus” ausgekehrt
und bezahlt worden. Ferner haben wiederum die Herren Holländer an
einige der Attestanten und Mitglieder in dergleichen Vorfall die Hälfte
des den Attestanten aus verunglückten oder verlassenen Schiffen zu-
kommenden Bergegutes wieder lassen zukommen, wie zu ersehen aus
der Restitution, welche Symon Willenjin zu Middelburg, J. Walerave
zu Dortrecht und Commandeur Elias Pairi, zu Rotterdam wohnend, an
die Rheder des im Jahre 1681 verunglückten Schiffes „de Jonas” ge-
than. Die Berger schätzten das Berggut, die Eigner nahmen den ge-
sehätzten Werth als richtig an und kehrten den Bergern die Hälfte
desselben aus. Commandeur Claes de Valck restituirte an die Rheder des
im Jahre 1683 verunglückten und verlassenen Schiffes „de Muyser’”
einiges geborgene Gut gegen Empfang der Hälfte des geschätzten
Werthes. Die Attestanten erklärten nun für sich und ihre Mitrheder
mit feierlichem Eide, dass diess Alles der Wahrheit gemäss sei und
dass sie beschlossen hätten, solchen Gebrauch und Recht auch ferner
reciproque beizubehalten, dass auch weder von dem Rath noch von
dem Richter dieser Stadt einige Frage oder Process gegen die Bürger
- der Stadt wegen dieses Gegenstandes erhoben sei. Wir haben daher
auf die Requisition der genannten Attestanten diesen Akt mit dem Sie-
gel unserer Stadt und der Unterschrift des p. t. Praeses Bürgermei-
sters ausgefertigt.
Geschehen zu Bremen am 19. November 1684.
Nicolaes Zobel, Dr., p. t. Praeses Reipublicae Bremensis.
Es scheint, dass dieses Aktenstück nach Amsterdam an
die Regierung so wie an sämmtliche Holländische Grön-
lands-Rheder geschickt wurde. Dort wird den 22. Januar
1695 von den Staaten von Holland und West- Fries-
land eine Resolution gefasst, welche das Grönländische
Recht in einer Reihe von theilweise bereits im Jahre 1677
adoptirten Grundsätzen, die seitdem in den Niederlanden
im Wesentlichen Geltung hatten, enthielt. In Bremen
und in Hamburg (durch ausdrückliche Verordnung von
1696) und in Emden wurde diese Resolution die Grundlage
und Norm des Grönländischen Rechts.
„Wir Bürgermeister und Rath der Stadt Hamburg”, so lautet die
Verordnung des Raths von Hamburg von 1696, „geben allen und je-
den, denen daran gelegen, vermittelst dieses offenen Drucks zu verneh-
men, wessgestalt Uns hiesige committirte von den gesammten Inter-
essenten der Grönländischen Fischerei nachfolgendes von ihnen entwor-
fenes Reglement übergeben, und dabei geziement gebeten, Wir geru-
heten solches Obrigkeitlich zu approbiren, und in vim Legis zu auto-
risiren.
„Wie Wir nun dieses Reglement so befunden, dass es zum Besten
der Grönlandsfahrt gute Verordnungen in sich hält, so haben Wir auch
kein Bedenken gehabt, solches in allen seinen Puncten gut zu heissen,
und zu Jedermanns Wissenschaft, wie hiemit geschieht, solches drucken
und publieiren zu lassen, mit dem Anhange, dass sich ein Jeder darnach
hinführo schuldigst achten, und demselben nachleben soll; Gestalt dann
auch bei ereignenden Fällen in judieando einhalts sothanen Reglements
jeder Zeit zu verfahren.”
Es folgt dann das Reglement, welches von den Com-
mittirten, den Herren Harm Gerh. Backer, Berend de Vlieger,
Joh. Carl de Vlieger, Joh. Beetz, Gerhard Gühle und Jon
Tamm, unterzeichnet ist. Wir geben jene Resolution im
Auszuge, übersetzt aus „de Walvisvangst’”’ (Th. I, $. 22).
Das Hamburger Reglement lautet im Wesentlichen über-
einstimmend.
Auszug aus der Resolution der Staaten von Holland
und West-Friesland, in ihrer Versammlung gefasst den
22. Januar 1695:
1) Wenn ein Schiff verunglückt und der Commandeur und das
Volk sich zu retten suchen, soll das erste Schiff, an welches sie kom-
men, sie zu retten schuldig sein, und wenn dieses einem andern
Schiffe begegnet, soll es die Hälfte des besagten Volkes übergeben,
wie auch das geborgene Volk schuldig sein soll überzugehen, es wäre
denn, dass das zweite Schiff bereits geborgenes Volk inne hätte, in
welchem Falle das Volk pro rata vertheilt werden soll, dass eines so
viel als das andere und ein jedes der beiden Schiffe die Hälfte des
Volkes habe, und wenn sie zu anderen Schiffen kommen sollten, soll
alsdann wieder wie zuvor eine Vertheilung geschehen.
2) Die Viktualien, welche die Geborgenen an Bord bringen, sollen
von ihnen selbst verzehrt werden, und was noch übrig sein möchte,
nachdem sie an das zweite oder folgende Schiff gekommen sind, davon
sollen sie pro rata des Volkes mitgeben; desgleichen soll den sal-
virten Schaluppen, welche keine Viktualien mitbringen, aus christlicher
Liebe beigestanden werden, mit Beding, dass sie arbeiten, wie andere
Matrosen. .
3) So auch, wenn ein oder mehrere Schiffe und Güter in Grönland
bleiben müssten oder verloren würden, so soll der Kommandeur und
Schifter, oder wer an ihrer Stelle ist, ein Jeder für so viel ihn angeht,
so lange sie dabei sind, ihre freie Wahl haben, ob sie das Gut wollen
bergen lassen, und wie, jedoch so, dass die Kommandeurs, welche
allda gegenwärtig sind, die Freiheit haben sollen, solche Güter 'zu
übernehmen oder nicht. !
4) Wenn Jemand zu einem oder mehreren gebliebenen oder verlo-
renen Schiffen und Gütern kommt, welche verlassen sein möchten, und
Niemanden dabei fände, so mag er solches Gut bergen. Von diesen
geborgenen Gütern, es sei Geräthschaft zum Walfischfang, Speck, Thran
und Walfischbarten, Walrosszähne, Schiffsgeräth, oder was dergleichen
Mehreres sein möchte, soll, wenn er hier zu Lande kommt, die eine
Hälfte dem zu Gute gehen, der es gerettet hat, und die andere Hälfte
denen verbleiben, die es verloren haben, welchen derjenige, der es ge-
rettet hat, die Hälfte herausgeben soll, ohne Fracht, Parteniergeld
oder andere Unkosten zu fordern oder zu prätendiren.
5) Wofern ein oder mehrere Schiffe oder Güter vor dem Bergen
von denen, welche Monatsgelder, und den Parteniers, welche Theil ha-
ben, wäre verlassen worden, so sollen weder die, welche auf Sold,
noch die auf Part dienen, von dem geborgenen Schiffe, Schiffen und
Gütern Etwas geniessen oder zu prätendiren haben, und soll in diesem
Falle das Gut des Schiffes und das von dem Walfischfang den Rhe-
dern zu Gute gekommene von ihnen genossen werden.
6) Wenn aber das Volk von dem gebliebenen Schiff oder Schiffen
und Gütern dabei ist und die Güter hat retten helfen, sollen aus dem
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 13
reinen vierten Theil von allem Geborgenen die, welche um Sold auf
dem Schiffe dienen, ihr bedungenes Monatsgeld und die Parteniers,
oder welche um Part dienen, für ihre gethane Arbeit ein Monatsgeld
von 20 Gulden geniessen, bis dahin, als das Schiff geblieben ist, so dass
die Parteniers in diesem Falle eben so wie die, welche um monatliche
Gage dienen, considerirt werden. Wenn jedoch der vorbesagte vierte
Theil nicht so weit reichen sollte, wird ein Jeder, sowohl der um Mo-
natsgeld als der auf Part dient, nach Advenant missen müssen, und
was von demselben vierten Part über die erwähnten Monatsgelder
Überschuss ist, soll den Rhedern zum Profit gereichen.
. 7) Der Kommandeur, welcher einiges Gut rettet, soll den Werth
desselben berechnen, davon den im vorstehenden Artikel erwähnten Be-
trag an Monatsgeldern abziehen, die sich ergebende Summe mit den
Marktpreisen des Thrans und der Barten vergleichen und danach Offi-
ziere und Mannschaft so bezahlen, als wäre die Summe das Ergebniss
der Fischerei; aber die um Sold dienen, sollen Nichts davon geniessen
und sollen 50 Quardeele Thran und 1600 Pfund Barten. für einen Fisch
gerechnet werden.
8) Alle solche geborgenen und zu Schiffe gebrachten Güter sollen
allem Vorfall von Schaden und Haverei eben so wohl als eigen Gut un-
terworfen sein.
9) WennJemand in dem Eis einen Fisch getödtet hat und solchen
durch Ungelegenheit nicht könnte an Bord bekommen, so bleibt er
Eigner, so lange Jemand von dem Volke dabei ist, und wenn kein
Volk dabei ist, obschon er ihn an einem Eisschots festgemacht, so
mag der, welcher dahin kommt, diesen Fisch zu sich nehmen.
10) Wenn man bei dem Lande sich befindet und es hat Jemand
einen Fisch, mag er denselben vor Anker, Dreggen oder kleinen Ankern
und Seilen festlegen, nebst einem Zeichen oder Flagge darauf, so bleibt,
wenn schon Niemand dabei ist, er doch dem Eigenthümer liegen.
11) Wenn auf der Reise nach Grönland unter der Admiralschaft
im Defendiren Jemand an seinen Gliedern verstümmelt würde, soll da-
für der Billigkeit nach. von den Committirten der Grönländischen Fi-
scherei bezahlt und solches repartirt werden über die ganze Flotte; so
auch bei der Rückreise.
12) Endlich, . wenn einige Sachen, die hierinnen nicht begriffen
sind, sich heryorthun sollten, will man selbiges durch ehrliche Leute
ausmachen lassen.
Diese auf Gerechtigkeit und Humanität beruhenden
Grundsätze kamen dem ganzen Betriebe zu Gute, manchen
Streitigkeiten war im Voraus die Spitze abgebrochen und
die Rettung von Menschenleben so viel wie möglich erleich-
tert und gesichert.
In Gross-Britannien wurden niemals bestimmte, auf diese
Fragen bezügliche Vorschriften und Gesetze erlassen. Zwei
Grundsätze hatten dort aber immer nach Scoresby prakti-
sche Geltung: 1) ein festgemachter Fisch, lebendig oder
todt, ist Eigenthum derer, welche mit dem Fisch in Ver-
bindung; stehen oder ihn in Besitz halten; 2) ein freier,
nieht auf solche Weise gebundener Fisch ist gute Jagd für
Jeden.
Den einfachsten und für alle Fälle anwendbaren Grund-
satz findet der würdige Scoresby in dem Wort der Bibel:
„Was du willst, das dir die Leute thun sollen, das thue
ihnen auch, und was du nicht willst, das dir die Leute
thun sollen, das thue ihnen auch nicht.”
Nur wenige Fälle kamen vor, in welchen zwischen Com-
mandeuren, beziehungsweise Rhedern Deutscher Schiffe
Streitigkeiten entstanden, welche durch Anrufung und Ver-
mittelung von Behörden erledigt werden mussten. Einzelne
dieser Fälle sollen später angeführt werden.
Älteste Grönlands-Fischerei Hamburg’s. — Hamburg, an
dem grössten der ihren Lauf nach der Nordsee richtenden
Deutschen Ströme gelegen, eine Stadt, deren Mauern von dem
Athemzuge des Meeres, von Ebbe und Fluth, unmittelbar er-
reicht werden, wo Schiffsbau und Handel, Seefahrt und Fische-
rei der Deutschen Küsten mehr und mehr ihren Markt und
Mittelpunkt fanden, das endlich geübte Fischerleute in gros-
ser Zahl auf den nahen Holsteinischen und Schleswig’schen
Inseln zur Hand hatte, nahm wohl unter den Hanse-
städten zuerst an der Grönlands-Fischerei Theil. Nach
Scoresby’s Aufstellung folgten die Hamburger unmittelbar
den Dänen, also noch vor 1620. Sie wählten ihre Sta-
tion in einer von ihnen entdeckten kleinen Bai an der
Westküste von Spitzbergen, bei den Sieben Eisbergen.
Ziemlich eisfrei eignete sie sich sehr gut zu einer Fischerei-
Station. Nach Friedrich Martens’ Spitzbergen’scher Reise-
beschreibung wäre es um 1640 („etliche dreissig Jahre vor
1675”) gewesen, als zuerst die Hamburger mit einem oder
zwei Schiffen es wagten, in so grausam kalten Landen
Nahrung zu suchen.
Die erste Glanzperiode der Fischerei, die Baienfischerei,
war also schon vorüber und unsere Landsleute hatten von
Anfang an mit grösseren Schwierigkeiten zu kümpfen als
die Engländer, Holländer, Dänen und Franzosen.
„Als dieses negotium”, so sagt ein späteres, Aktenstück
aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, „in Hamburg sta-
biliret wurde, embrassirte es die Stadt mit solchem applausu,
wie eine dergleichen bloss auf Gottes Segen beruhende Nah-
rung billig verdiente.”
Die Schoonenfahrergesellschaft. — Es scheint, dass der
Hamburgische Walfisch- und Robbenfang sich zuerst bei
der Schoonenfahrergesellschaft concentrirte. Diese Gesell-
schaft hatte grösstentheils den Fang und Handel der grossen
Fische, namentlich auch den Häringshandel von Ham-
burg aus in ihren Händen '). Letzterer unterlag, als
die Hauptbeschäftigung der Gesellschaft, einer staatlichen
Oberaufsicht, während der Walfisch- und Robbenfang als ein
internum der Gesellschaft erscheint. Im Jahre 1648 soll
die erste Thranhütte in Hamburg erbaut und eingerichtet
worden sein, im Jahre 1674 waren bereits neun Thran-
hütten vorhanden und somit der Betrieb schon ein sehr
bedeutender.
In einem Gesuche der Öberalten der Schoonenfahrer-
Compagnie an den Rath wegen freier Lagerung des Thranes
in den Packhäusern heisst es unter Anderem: „Wann nun
dieses eine Sache, so unsere gesammte Schonfahrer - Com-
pagnie, auch die Grönlandsfahrer, Bergerfahrer, Moscovie-
1) Nach einer Mittheilung aus den Akten des Hamburger Staats-
archives, welche Verfasser der Gefälligkeit des Herrn Archivar Dr. O.
Benecke verdankt.
14 _ Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
fahrer, Drontheimer und alle Kaufleute dieser guten Stadt,
welche mit Thran handeln, eoncernieret, Massen bekannt”
us. w.
= Vorzeichniss der Hamburger Walfischfahrer 1669—1638.—
Die werthvollste Nachricht über die Geschichte der älteren
Hamburger Grönlands-Fischerei ist ohne Zweifel das „Ver-
zeichniss der Schiffe, die auf den Walfischfang von Ham-
burg abgegangen, und wie viel sie jedes Mal gefangen ha-
ben, vom Jahre 1669 bis 1698 incl.” Es ist in Holländi-
scher Sprache geführt, wie jene frühere Erklärung der Bre-
mer Rheder, — wohl erklärlich, wenn man bedenkt, -dass
die Holländer damals noch immer das erste Seehandels-
'volk Europa’s waren und daher die Hansestädte in der
„ganzen Art und Weise ihres Handelsbetriebes viel von dem
Holländischen Wesen und seinen Eigenthümlichkeiten anneh-
men mussten. Das Verzeichniss, aus welchem wir im Anhang
als Probe einige Jahre mittheilen, da es bisher unseres
Wissens noch nicht veröffentlicht wurde, giebt die Namen
der „Directeurs” (Eigenthümer) der Schiffe oder der Ver-
treter der Compagnien, welchen sie gehören, ferner die Na-
men der Kommandeure, die Zeit der Rückkunft und den
Ertrag an Fischen und Speck an.
Die Familiennamen sind zum Theil alt-Hamburgischen,
zum Theil Holsteinischen und Holländischen Ursprungs,
manche, wie Schomaker, Backer, Mangels, Witte, Teunis,
Dirks, Roloffs, finden wir in dem Bremischen Verzeichnisse,
welches zu Ende des 17. Jahrhunderts beginnt, wieder, ein-
zelne Kommandeure, wie folgende:
6. Riekmers, von 1669—1689 Kommandeur,
R. Volkers, von 1678—1681 Kommandeur,
P. Peters, von 1671—1681 Kommandeur,
fuhren jedes Frühjahr auf die Fischerei bei Grönland. In
der Liste der Directeurs finden wir einzelne Namen und
Firmen diese 30 Jahre hindurch im Walfischfang engagirt;
es sind diess die Govers, de Vlieger, Backer, Schomaker.
Die Namen der Schiffe sind nicht ohne charakteristi-
sches Interesse. Die Apostel des Neuen wie die Glaubens-
helden des Alten Testaments sind es vornehmlich, die den
auf gut Glück zu so gefährlicher Fahrt ausgehenden Schiffen
ihren Namen geben und so gleichsam ihnen Schutz und
Schirm werden: St. Paulus, St. Pieter, St. Jan Evangelist, de
Koning David, de Koning Josephus, Abraham offer Sande,
St. Jan Baptist, St. Jacob, de Prophet Daniel, de Maria,
de Engel Gabriel, St. Michel, de Oude Tobias, St. Johannes,
St. Nicolas, de Jonas, de Ledder Jocob’s, Salomon’s Gericht,
de drie Helden David’s, St. Elisabeth, de Sara, de Susanna
Maria, St. Gertruyt, St. Anna, de heylige dry Koning.
Neben den Königen und Propheten des Alten und Neuen
Testaments läuft auch gelegentlich ein Name aus der Hei-
denwelt mit unter, wie Neptunus, de Fortuyn, de Justitia,
de Hector, de Concordia, de Charitas, de Patientia, de Vogel
Phönix, de Vigilantia. Viele Namen beziehen sich auf
Seefahrt und Fischfang oder sind nationaler und stadt-
patriotischer Bedeutung oder sie sind als Huldigungen an
hohe Personen anzusehen oder deuten die lebhaften Han-
delsbeziehungen an, in welchen Hamburg zu anderen Län-
dern und Plätzen stand, deren Kapital wohl bei der be-
treffenden Unternehmung mit betheiligt war. Noch an-
dere sind Thiernamen oder moralischer Tendenz. Eigen-
namen von Rhedern kommen nur wenig vor, wohl aber
nicht selten die Vornamen ihrer Frauen und Töchter.
Von der ersteren Art sind besonders folgende bezeichnend:
de Zeemann, de jonge Zeemaun, de Hoop, de Zeepardt,
de Valk, de Hoop op de Walvis, de witte Bahr, de Dol-
phin, de Noordsteeren, de Sonn, de Walrus, de Morgen-
steeren, de Jager, de Gronlandsche Vissery, de swarte ge-
eronde Walviss, de Walviss met de Jonas, de seven Steeren,
de Visser, ”t wakent Oog, de gröne Jager. Die zweite Gat-
tung wird unter Anderem durch folgende Namen vertreten:
de Kayser Kunradus, de Ruland, de Konigin Christina, de
Geluckstädter, de Stadt Hamborg, ’t Wapen von Bergen, de
Moscovieter, de Stadts wolvaerdt, de Kayserinne, ’t Wapen
von Ostfriesland, de Burger van Hamborg, ’'t Wapen von
Hamborg, de Börs van Copenhagen, ’t Wapen van Däne-
mark, de Konigin van Sweden, ’t Casteel van Glückstadt,
de Stad Stockholm, ’t rathhuys van Altona, Schip Kron-
borg, de Stadt Glückstadt, d’Elffstrom, de Stadt Stockholm,
de Koning van Sweden, de Burger van Stockholm. Von
den Thiernamen kommen ausser den obigen unter anderen
vor: die Nachtigal, der Falk, der rothe, der weisse und der
goldene Löwe, der Hahn, der goldene Kranich, der weisse
Schwan, die Löffelgans, der Pelikan, der Papagei, der grüne
Papagei, das weisse Pferd, die goldene Fliege, der goldene
Elephant, der schwarze und der blaue Adler, der gekrönte
Pfau, die goldene Taube, der wachende Kranich, ja sogar
das Kameel. Frauennamen sind z. B. die Jungfrau Chri-
stina, Jungfrau Johanne, die Lucia, die Anna Catharina,
männliche Vornamen: Emanuel, Franeiscus, Salomon u. a.
Moralischer Tendenz sind z. B.: Liebe, Friede, gekrönter
Friede, gekrönte Liebe, die Eintracht. Auch die Pflanzenwelt
ist durch einige Namen vertreten: der Kirschbaum, der grüne
Baum, der Orangenbaum, der Palmbaum. Den hohen Werth
eines Schiffes zeigen die Namen Krone, Perle, Schildpatt,
und endlich fällt uns der sonderbare Name des Schiffes
„de Schrieffeder”” (Schreibfeder) auf.
Was den Ertrag der Hamburger Grönlands - Fischerei
während der Periode des Verzeichnisses angeht, so sind die
Jahre 1669, 1671, 1672, 1673, 1682 und 1697 die glän-
zendsten. Es kamen in diesen Jahren durchschnittlich
auf jedes Schiff 7—11 Fische. Nach den guten Jahren
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 15
1671 bis 1673 wird die Zahl der ausgehenden Walfischfänger
verdoppelt, von 40 steigt sie nämlich auf 83, sinkt aber
wegen des sich wiederum sehr vermindernden Ertrages bis
auf 50 und 40 herab. Die ungünstigsten Jahre waren
1688 und 1689, wo auf jedes Schiff durchschnittlich nicht
ein Fisch kam. Als die glücklichsten Walfischfänger er-
scheinen unter Anderen folgende:
Schift. Kommandeur. Fische.
d’Nachtigaal Peter Petersen 26 in 5 Jahren,
de vergulde Falk Peter Dierks er:
Sankt Peter Peter Castens BIESEH a
de Liefde Cornelis Peters 980, 12005
de witte Baer Cordt Kuhl Tara,
Es gab in der fraglichen Periode Jahre, wie z. B. 1674
(75 Schiffe), wo von der ganzen Fischerflottille nicht ein
einziges Schiff verloren ging, höher als fünf steigt die Zahl
der durch Seeunglück verlorenen Schiffe nie und es war
in der ganzen Periode der Verlust an Schiffen durch See-
unglück bei 1549 auf den Fang ausgelaufenen Schiffen 56,
was kaum 34 Prozent beträgt. Es kommt aber für die
Rheder noch der Verlust durch Kaperei hinzu, welche in
der Kriegszeit gegen Ende des 17. Jahrhunderts besonders
gegen die oft mit höchst werthvoller Ladung heimkehren-
den Grönlands-Fischer betrieben wurde.
Martens, des Hamburger Schiffsbarbiers, Grönlandsfahrt
im Jahre 1671, von ihm selbst erzählt. — Jetzt zu dem
ältesten Druckwerk über die Deutsche Grönlands-Fischerei,
zu „Friedrich Martens’ von Hamburg Spitzbergischer oder
Grönlandischer Reise-Beschreibung, gethan im Jahre 1671” 1).
An der Hand von Martens lernen wir erst den ganzen Be-
trieb näher kennen. Martens erzählt in der Widmung sei-
ner Schrift an den Rath von Hamburg, datirt von 1675,
„dass er vor 4 Jahren auf einem nach Spitzbergen gehen-
den Hamburger Schiffe die Reise nach Spitzbergen gethan
und sich als einen Schiffsbarbier darauf habe brauchen
lassen”. Er sagt weiter:
„Ich habe bey dieser Gelegenheit Gottes sonderbahre
Vorsehung an diesen kalten Orten betrachtet, und was ich
im Eise, im Wasser, in der Luft und auff dem Lande Denk-
würdiges gefunden, nach dem Leben alsobald auff der Reise
frisch abgerissen und, so viel ich gekonnt, nicht aus an-
deren Büchern, sondern aus eigener Erfahrung beschrieben.”
Lebendig und anschaulich, wenn auch in einfacher und
stellenweis selbst plumper Sprache, schildert der Hambur-
ger Schiffsbarbier im ersten Theile den Verlauf seiner Reise,
welche vom 15. April bis 21. August 1671 währte.
Des Mittags am 15. April segelte das Schiff bei Nordost-
wind von der Elbe in die See. Es hiess „Jonas im Wal-
fisch”, der Schiffer „Peter Petersen der Friese” ?). Am
!) Hamburg, auff Gottfried Schultzens Kosten gedruckt im Jahre
1675.
2) Wie aus der im Hamburger Archiy vorhandenen Übersicht zu
Abend waren sie bei Helgoland (Heilige Land). Am 21.
(auf 62° 12’) rüsteten sie sich schon auf den Waltischfang.
Die Lanzen, Harpunen, Leinen, Riemen, und was noch mehr
dazu gehörte, legten sie m die Nebenschifflein oder Slupen
auf Vorrath nieder. Am 27. kam das Schiff bei Ostnord-
ost auf 71° au das Eis. Jan Mayen-Eiland war Südwest
zum Westen’nach Muthmassung 10 Meilen entfernt, jedoch,
wie so häufig, wegen des Nebels nicht zu sehen. Am
4. Mai wird berichtet, dass täglich „unbeständig Gewitter”
sei. „Die Seehunde siehet man sehr viel, sie springen aus
dem Wasser vor den Schiffen her, possierlich anzusehen,
stehen mit halbem Leibe aus dem Wasser und halten gleich-
sam einen Tanz (Rüben-Tanz genannt) unter einander.”
Vom 5. an sahen sie täglich viele Schiffe, die um das.
Eis kreuzten, „Ich merkte, wann einer dem andern nahe
vorbeisegelte, preieten sie einander, das ist, sie riefen: Holla,
der andere rief wieder also: Wie viel Fische habt ihr ge-
Der andere antwortet: drei, vier, fünf, oder wie
Der andere macht es wieder also, sollte er
fangen ?
viel es sind.
auch noch einen oder mehr, als er hat, dazu setzen, schadet
eben Nichts.”
Wenn es so windig, dass sie wegen des Windes ein-
ander nicht zurufen können, schlagen sie mit dem Hute
auf und nieder, so viel Mal, als Einer Fische gefangen hat.
„Wenn sie aber ihre vollkommene Schiffsladung von
Walfischen haben, lassen sie zum Zeichen die grossen Fah-
nen (Flaggen genannt) wehen. Hat Einer ein Gewerbe an
den Andern, so legt er dasselbe bei dem Andern ab.” (Mar-
tens verweist hinsichtlich des Flaggens auf die beigegebene
Abbildung. Auf dieser erscheint unter Anderem ein grosser
Walfischfänger im Fange eines Fisches begriffen. An der
Spitze des vorderen und hinteren Mastes wehen Flaggen;
Farben und Insignien nieht zu erkennen. Am Spiegel eine
breite Flagge mit kurzem Stock, auf welcher die Umrisse
eines Walfisches deutlich zu schauen sind.)
Am 7. Mai Nachmittags sahen sie Spitzbergen, das
„Südende von dem Nordvorlande”. Sie wussten nicht an-
ders, als dass es der Behaltene Hafen (behoude haven) war.
„Das Land sahen wir wie eine finstere Wolke, welche voll
weisser Striche war.” Sturm, Schnee und Nebel wechselten
mit einander ab. Sie steuerten westlich und waren am 14.
bei schönem Wetter auf 75° 22° N. Br. An diesem Tage
sahen sie 20 Schiffe. Es war viel kleines Eis und sie
vermieden es, hinein zu fahren.
Am 15. sahen sie den ersten Walfisch, liessen 4 Slu-
entnehmen, segelten in diesem Jahre von Hamburg 40 Schiffe nach
Grönland. Sie brachten 351 Fische heim, welche 16.937 Quardeele Speck
lieferten. Peter Petersen wird der Friese genannt, zum Unterschied von
einem anderen Commandeur gleichen Namens, weleher den Grönlands-
Fahrer „d’Nachtigaal” commandirte.
16 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
pen vom Schiffe, indess der Fisch ging unter Wasser. Den
21. segelten sie mit noch einem Hamburger Schiffe, der
„Lepeler” (Comm. Cornelis Nannings) genannt, und acht
Holländern in das Eis, sie machten das Schiff mit Eishaken
an einem srossen Eisfelde fest und zählten 30 Schiffe im
Eise, die wie in einem Hafen lagen. „Man wagt die Schiffe
in das Eis hinein, wie es trifft, wie man es wagt mit einem
Glas, das, ob es wohl auf die Erde fällt, doch zuweilen
ganz bleibt.”
‘Am 30. Mai schreibt unser Schiffsbarbier: „Des Mor-
gens hörten wir einen Walfisch blasen, da die Sonne im
Osten war, und brachten ein Walfisch-Weiblein an das
Schiff, da die Sonne Ostsüdost war; denselben Tag schnit-
ten wir den Speck davon und füllten 70 Kardelen voll
Specks.” (Das ganze Verfahren bei der Fischerei lernen
wir weiter unten kennen.) „Bei diesem Fische vernahmen
wir viel Vögel, die meisten waren Mallemükken !), und waren
also begierlich nach der Speise, dass man sie mit Stecken
zu Tode schlug. Dieser Fisch ward meist von den Vögeln
verrathen, denn man sah überall viel Vögel auf dem Meer,
wo der Walfisch gewesen war. Er war mit einer Harpune
verwundet, welehe ihm noch im Fleische stak. Der Wal-
fisch hatte sich auch ermüdet von hartem Schwimmen, er
blies ganz hohl und war entzündet, dass er lebendig stank,
Dieser Walfisch gährte
stark, wie er todt war, und von dem Rauch entzündeten
sich unsere Augen.”
und die Vögel assen von ihm.
In der folgenden Nacht ging im Drängen des Eises ein
Holländisches Schiff, Comm, Cornelius Seemann, verloren
und einige Tage später kamen acht von der Mannschaft
dieses Schiffes an Bord. Nachdem sie auf verschiedene Wal-
fische Jagd gemacht, jedoch ohne Erfolg, und gelegentlich
Seehunde geschlagen, heisst es am 13. Juni: „Nachts sahen
wir mehr als 20 Walfische. Sie liefen hinter einander her
nach dem Eise und davon bekamen wir den andern Fisch,
“ welcher ein Walfisch-Männlein war. Dieser Fisch, als man
ihn mit Lanzen tödtete, blies stark Blut, so dass die See
davon gefärbt war.”
Am 18. waren sie wieder bei Spitzbergen. Sie segel-
ten bei dem Vorlande, bei den 7 Eisbergen, bei dem Ham-
burger, dem Magdalenen-, dem Englischen und Dänischen
Hafen vorbei in den Südhafen. Es foleten ihnen 3 Ham-
burger und 4 Holländische Schiffe. In der Nacht vom 19.
zum 20. segelten sie mit 3 Slupen in den Englischen Ha-
fen, harpunirten einen Walfisch, der ihnen indessen ent-
') Procellaria glaeialis, bei den Hollündern Mallemuk, bei den Eng-
ländern Fulmar, bei den Schweden Stormfogel genannt, der stete Begleiter
der Walfischfünger, grau, auf der Brust weiss, ausgezeichnet durch sei-
nen kräftigen Flug, in dem er gegen die stärksten Stürme verharrt,
fortwährend nach Nahrung begierig. Beim Flenssen eines Fisches fin-
det er sich in Massen ein, um’ die Speckabfälle zu verschlingen.
ging. Auf dem Eise lagen 2 grosse Walrosse, welche durch
eine löcherige Scholle auf das Eis gekommen waren. Sie
schliefen. „Wir benahmen ihnen den Pass und bedeekten
das Loch in den Eisschollen. Danach weckten wir sie mit
Lanzen auf. Die Walrosse stellten sich gegen uns zur
Wehr und waren schwer zu tödten.” Am 22. bekamen sie
den dritten Fisch. Am 30. sahen sie viel Walfischspeck
treibend, von einem verlorenen Schiffe. Am 1. Juli waren
2 Walfische nahe beim Schiffe. Die Slupen flogen vom
Schiffe und einer der Fische wurde harpunirt, nachdem
eins der Boote von dem Fische umgeschlagen worden war.
„Desselben Morgens vor dem weiten Hafen liess sich ein
Walfisch nahe bei unserm Schiff sehen, darauf liessen wir
4 Slupen vom Schiffe und zwei Holländische Schiffe waren
auf eine halbe Meile von uns, davon kam eine Slupe an-
riemen, und wir wendeten grosse Mühe auf den Fisch, der
Fisch aber kam recht vor des Holländers Slupen auf und
ward von dem Holländer mit der Harpune geworfen. Das
war recht das Brod vor dem Maul weggerissen, es schmerzte
uns wohl ein wenig. Die Holländer nahmen darauf den
Fisch zu sich und brachten ihn todt an ihr Schiff.”
Um Mitternacht des 2. zum 3. Juli waren sie wieder
auf der Jagd und fingen den fünften Fisch. Das Speck
schnitten sie davon und warfen es in das Flenssgatt, ‚den
Platz im Schiffe vor dem Mittelmast, wo man unter der
grossen Pforte oder Luke die Fässer einlässt. Am 4. be-
kamen wir den sechsten Fisch von 45 Kardelen Speck.”
Am 3. und 4. Juli sahen sie mehr Walfische als sonst
auf der ganzen Reise. Am 5. des Morgens schossen sie
einen Walfisch „vor dem Weihegatt”.
„Dieser Fisch lief rings um unter Wasser und der
Strick oder die Leine, an welcher die Harpune fest war,
kam um eine Klippe und verwirrte sich, die Harpune riss
aus und der Fisch entlief.”
Am Mittag bekamen sie den siebenten Fisch von 45 Kar-
delen Speck. Sie segelten nun „von dem Weihegatt ein
wenig um die West vor den Muschelhafen oder Bai und
liessen den Anker fallen; unsere Arbeit war die Zerschnei-
dung der grossen Stücke Specks in kleine Stücke, damit
die Kardelen zu füllen.”
Die Schiffsleute schnitten den Speck von einem Wal-
fische und der Fisch borst. „Das gab einen so harten
Schlag wie ein Kanonenschuss und bespritzte die Arbeiter
sehr hässlich.”
Am 9. fingen sie wiederum vor dem Weihegatt einen
Walfisch, den achten, und zwar von 54 Kardelen Speck,
„Am 12. des Abends”, heisst es weiter, „segelten wir mit
3 Slupen im Eise vor dem Weihegatt und fingen 3 weisse
Bären, eine Alte mit 2 Jungen, welche wie Fische im
Wasser schwammen.” Auf dem Eise lagen viel Walrosse.
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 17
Sie tödteten 10 davon, die anderen bedrohten die Slupen,
welche vor der sich immer vergrössernden Menge von Wal-
rossen weichen mussten. Wenn sich die Slupen bei Nacht
vom Schiff entfernt haben und bei starkem Nebel, so dass
es für die Slupen schwer ist, die Schiffe wieder zu finden,
„löset man zum Zeichen eine Kanone oder man bläst auf
Trompeten oder Schalmeyen’”.
Am 13. segelten sie von dem „Südosterland” um die
„West” bei der Nordseite von dem Bärenhafen und bei dem
„Rehenfelt” '), wo das Eis das Land schon stark besetzt hatte,
durch bis an den „Vogelsang”. Sie kamen bei einem ge-
bliebenen Schiffe vorbei. Am 15. wurden viele Schiffe in
dem Bärenhafen und der Muschelbai vom Eise besetzt. Des
Nachts segelten sie in den Südhafen. Es lagen 28 Schiffe
vor Anker, davon waren 8 Hamburger, die anderen Hol-
ländische. Aus dem Südhafen fahrend behielten sie lange
Zeit das Land in Sicht „und also lange warten die Schiffer
in der See beim Eise, zu sehen, ob noch Schiffe vorhan-
den”. Des Nachts holten sie Wasser vom Lande bei der
Harlinger Kocherei. Es war Sammelwasser aus einer Höhle.
Am 18. bei
mit einer Slupe in den Dänischen Hafen und sammelten
Kräuter von den Klippen. (Moose, Löffelkraut, Sauer-
ampfer &c. nahmen die Schiffer für sich und ihre Rheder
noch in neuester Zeit von Spitzbergen mit.) „Im Südhafen
lagen 30 Schiffe vor Anker.” Am
der Seite’des Nordfore-Landes gegen Westen und der Sce zu.
Am 4. August ging die Sonne des Nachts unter und man
schönem Wetter und Windstille riemten sie
28. wendeten sie von
sah die Sterne; am 9. waren sie auf 66° 47’. „Wir se-
gelten Süden zum Westen bei dem Norden-Wall oder Lande
hin.” Am 13.
des Morgens sahen sie das Nordende von Hitland. Sie se-
Sie empfanden täglich mehr die Wärme.
gelten zwischen Hitland und Fair-Il erstlich Südwest und
danach Südsüdwest beschreibt
Martens umständlich die Art und Weise des Lothens: „Ein
Mann gehet forne auff die Gallion oder den Schnabel des
Schiffes, ein ander auff die Backe, auf den födersten obern
Söller, der dritte in die Mitte des Schiffes, und so viel ihr
seynd, biss hinten zu; ein jeder hat ein Faden 4 oder 5
und Süden. Schliesslich
auffgewickeltes Fadem in der Hand und der erste im Gallion
wirfft das Bley in die See; wenn der ander mercket, dass
das Bley ziehet, läst er den Fadem fahren, und so fort an
biss zu dem letzten Mann, dann ziehen sie den Fadem wie-
der ein mit Gewalt und besehen unten das Bley, worin ein
Loch ist, so mit Unschlit aussgefüllet, daran sehen sie, ob
es Sand oder ander Grund ist.” („Röthlich, grünlich, gelb-
lich, weisslich oder schwärzlich” lautet eine dazu gemachte
) Es ist Weleome-Point gemeint.
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
handschriftliche Bemerkung in dem mir vorliegenden Exem-
plar der Hamburger Commerz-Bibliothek.)
Den 20. endlich heisst es: „Als es begann zu tagen,
sahen wir Hilgeland Süden zum Osten von uns, wir segel-
ten Süd-Ost; des Tages kamen wir bey Hilgeland und nah-
men einen Piloten oder Lohtsmann ein.”
„Am 31. war es schön Wetter, warm Sonnenschein
den ganzen Tag, wir segelten vor der Elbe und lagen vor
Anker bey der ersten Tonnen (die „rothe Tonne” genannt),
dess Nachmittags huben wir das Anker auf und segelten
bis Kucks-Hafen, die Nacht Donner und Blitz, regnicht
dabey.” — So weit die Reisebeschreibung.
Martens’ Schilderung von Spitzbergen. — Auch von
„Spitzbergens Erdreich, Meer, Eise und Luft, Wind, Schnee,
Regenbogen, Kräutern, Thieren” &c. handelt das merk-
würdige Buch, welches die Hakluyt Society für werth ge-
halten hat, in Englischer Übersetzung in ihre Sammlung
(A Collection of Documents on Spitzbergen and Greenland,
London 1855) aufzunehmen. Da die naturwissenschaftliche
Seite in unserer Arbeit nur so weit, als es erforderlich ist, be-
rührt werden kann, so beschränken wir uns darauf, aus diesem
Theile von Martens einige Stellen hervorzuheben, welche
obigem Reisebericht gewissermaassen als Ergänzung dienen.
„Wir sind”, beginnt Martens dieses Kapitel, „gekommen
auf 81. Grad, nicht ferner sind dieses Jahr Schiffe gewesen,
wie ferne aber das Land nach Norden sich strecket, ist
noch zur Zeit unbekannt.
„Den 18. Juni, Sonntag, Vormittags kamen wir. bei
Spitzbergen, bei dem Vorlande.”
Die von den Walfischfängern am meisten besuchten Theile,
im Westen und Nordwesten, schildert Martens, wie folgt:
„Der Fuss dieser Berge war anzusehen wie Feuer und
die Spitzen der Berge waren mit Nebel bedeckt, der ge-
marmelte Schnee 'war wie die Äste oder Telgen an den
Bäumen anzusehen und gaben einen Schein oder hellen
Glanz an der Luft, als ob die Sonne schiene.
„Wann das Eis hart zu treiben kommt, segeln die Schiffe
in die Hafenbaien oder Reviere, wie man sie nennt, die in
das Land laufen; der Wind
freundlich, wenn man darin segelt, und braust über die
empfängt Einen etwas un-
dürren Berge mit vielen kleinen Wirbeln.
„Folgende Häfen halten sie für die sichersten: der Behal-
tene Hafen, die Süd- und die Nord-Bai (südlich und nördlich der
Amsterdam-Insel), welche die bekanntesten in Spitzbergen sind.
„Die anderen Häfen, wie sie auch mögen genannt werden,
segelt man gerne vorbei, weil sie an das Meer grenzen, an-
dere wegen des stehenden Eises und der blinden Steimklippen.
In dem Süd- und nördlichen Hafen (oder Bai) liegen
gemeinschaftlich die meisten Schiffe, ich zählte manchmal
10, 20 bis 30 Schiffe, welche vor Anker lagen.
Q
oO
18 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
„Unten am Fusse der Berge stehen die Eisberge sehr
hoch und enden sich an den Spitzen der Berge; nach Art
der Steinklippen, welche gespalten oder löchericht sind, also
sind sie mit Schnee ausgefüllt, weswegen diese Berge denen,
die es nicht gesehen, ganz wunderlich vorkommen, als
dürre Bäume mit vielen Ästen; wenn aber Schnee darauf
fällt, bekommen diese Schneebäume Blätter, welche bald
schmelzen und wieder mehr gewinnen, so dass sie dann
zierlich aussehen.”
Über die Gletscher sagt Martens: „Es werden sieben grosse
Eisberge in einer Reihe am Lande gesehen, sie liegen
zwischen den hohen Steinklippen und sind schön blau von
Farben, wie das andere Eis, mit vielen Ritzen und Lö-
chern, und werden von dem herunterlaufenden Regen- und
Schneewasser also löchericht zerschmelzt, auch werden sie
von dem spritzenden Schnee ausgearbeitet, wie das andere
Eis, welches hin und her im Meer treibt, und nehmen
jährlich zu an der Grösse von dem geschmolzenen Schnee,
von den Klippen und von dem Regen, der darauf fällt.”
Über diese von Scoresby in seinem Werke so anziehend
geschilderten „Sieben Eisberge” an der Westseite, nördlich
von Fore-Land, sagt unser Martens noch: „Sie schienen sehr
hoch, als wir an ihnen vorbeisegelten, unten war der Schnee
finster von dem Schatten der Wolken, zierlich mit blauen
Ritzen vorne an dem abgebrochenen Eisberg.
„An der Mitte des Berges schwebten Nebelwoken und
höher als die untersten Nebelwolken war der Schnee ganz
licht.
„Die rechten Steinklippen schienen feurig und die Sonne
schien bleich daran, und an der Luft gab der Schnee einen
hellen Wiederschein.
„Unten am Fusse der Berge, wo keine Eisberge stehen,
liegen an deren Statt grosse Felsen lose auf einander, wie
sie auf einander gefallen sind, mit Höhlen und Löchern, dass
übel darauf zu gehen ist; grosse und kleine Steine liegen
durch einander, von Farben sind dieselben grau mit schwar-
zen Adern, sie schimmern, wie Silbersand oder glänzen
wie das Erz aus den Bergwerken; die meisten Felsen
am untersten Fusse der Berge gleichen den Steinen, wie sie
hier gesehen werden auf den Gassen. Auf den Felsen wächst
allerhand Kraut, Gras und Must in grosser Menge und
wachsen in den zwei Monaten Juni und Juli von Anfang,
bis sie Samen tragen.
„Die Berge sind voll Ritzen, worin einige Vögel nisten
und ihre Jungen ausbrüten, sie fliegen alle von den Bergen
und suchen ihre Nahrung im Wasser, etliche essen das
Aas von todten Fischen, etliche die kleinen Fische und
Garnellen.
„Dass die niedrigsten Berge nicht hoch scheinen, kommt
davon, dass ihres gleichen viel höher sind und Alles gross
gesehen wird; ein Schiff mit Mast und Stenge ist gegen
die Berge zu achten als ein Haus gegen einen hohen
Thurm; die Meilen scheinen auch gar nahe, wenn sie aber
auf dem Lande sollen gewandert werden, findet es sich viel
anders, und man ermüdet auch bald, auch wegen Schärfe der
Felsen und ungebauten Wege wird einem bald eine Hitze
ausgejagt, wenn es noch so kalt ist. Ein Paar neue Schuhe
halten hier nicht lange.
„Wir gingen des Nachts bei hellem Sonnenschein an den
Stemklippen bei dem Englischen Hafen eme Meile lang
und sahen nach dem Walfisch, der uns entkommen war;
in der Mitte dieses Hafens riemten Andere mit den Slu-
pen, die kaum zu erkennen waren; von einem Berge fiel
ein grosser Theil herunter, was sehr stark lautete; die
Berge waren anzusehen schwarz von Farben, mit weissem
adrichten Schnee gezieret; es war so stille, dass kaum Wind
zu hören war, es war wenig kalt dabei; am Lande lag es
voll von Wal-Rossen, welche brülleten, wie von ferne Brül-
len der Ochsen gehöret wird.
„Auf dem Lande geht man also: man nimmt mit auf
die Reise ein oder zwei Büchsen und Spiesse, den Ränbern
oder Bären damit zu begegnen, man wird aber das Reisen
bald müde, weil auf den Steinen und hohlem Eis sehr übel
zu gehen ist.
„Dass ich der Berge gedenke, so viel ich dieselben ge-
sehen, so liegen sie folgender Gestalt: die höhesten von dem
Vorlande bis an den Muschel-Hafen (oder Muschelbai), fol-
gen die Sieben Eisberge, welche sehr hoch sind, und haben
ihren Namen von den Eisbergen, welche zwischen den
Steinklippen liegen; diese Steinklippen sind oben nicht so
scharf mit Spitzen wie die zwei vordersten Klippen an dem
Magdalenen-Hafen. Hierauf folgt der Hamburger (Magda-
lenen-), Englische und Dänische Hafen (oder Bai), ferner
der Südhafen. An dem Magdalenen-Hafen liegen die Stein-
klippen in die Runde, wie ein halber Zirkel, an beiden
Seiten neben einander stehen zwei hohe Berge, die das
Aussehen haben, als wenn sie in der Mitte hohl und aus-
gegraben wären, nach Art als ein Brust-Wehr oben mit
vielen Spitzen und Ritzen, nach Art als Dächer an Häu-
sern; unten inwendig des Berges steht ein Eisberg, welcher
bis zu der Spitze des Berges reicht, wie ein Baum mit vie-
len Ästen anzusehen, die anderen Klippen sind anzusehen
als Todtengräber.
„In dem südlichen Hafen (oder Südbai) liegen die Schiffe
vor Anker zwischen hohen Bergen; wenn man darin segelt,
liegt zu der Linken ein Berg, Bienenkorb, welcher so ge-
nannt wird, weil er aussieht wie ein Bienenkorb; daran liegt
ein grosser und hoher Berg, den sie Teufels-Huck nennen.
Dieser Berg ist gewöhnlich mit Nebel bedeckt, und sieht es,
wenn der Wind über diesen Berg zieht, aus, als ob der Berg
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 19
raucht; auf dem Berge befinden sich drei weisse Hügel, von
Schnee weiss bedeckt. Zwei Hügel davon stehen nahe an
einander; in der Mitte dieses Hafens liegt eine Insel, die
das Todte Mannes-Eiland genannt wird, weil man die Tod-
ten darauf begräbt, und diess geschieht in folgender Weise:
die Todten werden in den Sarg gelegt, dieser mit- grossen
Steinen bedeckt. dann den
weissen Bären gefunden und aufgefressen.
„Andere kleine Inseln mehr, die eben nicht genannt sind,
Die Leichname werden von
werden zusammen die Vogel-Eilande genannt, weil man
darauf die Berg-Enten- und Kirmöwen-Eier sammelt; solche
Inseln liegen hin und wieder in den Häfen.”
Smeerenburg. — „Darnach kömmt man bei Schmerenborg.
Es hat den Namen in der That, da stehen noch Häuser
von den Holländern erbauet , wo sie vor diesem Thran ge-
brennet, hier haben einige Holländer versucht, einen Win-
ter über zu bleiben, es ist aber keiner lebendig geblieben
(s. jedoch weiter unten).
„Es ist noch zu bemerken, dass kein todter Körper da
leicht verwest, denn man hat gefunden, dass nach 10 Jah-
ren einer in vollkommener Gestalt da gelegen hat, weil
man hat auf dem Kreutz des Grabes sehen können, wann
er gestorben ist.
„Die Häuser werden nun von Jahren zu Jahren ver-
schleehtert und verbrannt.
„Dieses Jahr standen noch verschiedene Häuser, wovon
einige verbrannt wurden.
„Gegen Schmerenborg über stehen auch noch etliche
Häuser und noch eine Pfanne, diesen Ort nennen sie die
„Harlinger Kocherei”, das Jahr standen noch vier: zwei
Packhäuser, in den anderen drei haben sie gewohnt. Die
Häuser sind folgender Gestalt gebaut: nicht gar zu gross,
mit einer Stube und Boden, hinten ist das Haus, so breit
es ist, mit einer Kammer versehen. Die Packhäuser sind
etwas grösser, in denselben liegen noch viele Fässer oder
Kardelen, die ganz zersprungen sind, das Eis liegt noch
in derselben Weise, wie dıe Fässer gelegen haben. Ambos,
Schmiedezange und anderes Werkzeug, welches zur Brenne-
rei gehört, waren im Eise gefroren, die Pfanne stand noch
so, wie sie gemauert war, und die hölzernen Tröge dabei.
Von da kaun man bei dem Englischen Hafen hingehen, an
der andern Seite ist eine Stätte, wo die Todten begraben
werden, da sieht es aus, als sei die Erde zertreten, sie ist
aber mit Absicht eben gemacht. Hinter diesen Häusern
ragen hohe Berge, wenn man sie hinaufsteigt, wie auf die
anderen, und man die Fusstritte oder Steine nicht gemerkt,
weiss man nicht, wie man wieder herunter kommen soll,
das ist sehr gefährlich, woher es auch kommt, dass Manche
dabei zu Tode kommen.
„In dem nördlichen Hafen oder Bai liegt ein grosser
Berg, der oben flach ist. Dieses Eiland wird Vogelsang
wegen der Menge der Vögel genannt, welche sich hier
aufhalten ; dieselben machen ein fürchterliches Geschrei, wenn
dieselben auffliegen, so stark, dass man Nichts hören kann.”
Fischreviere. — Die Angaben aus älterer Zeit über die
Lage der Fischreviere sind spärlich. Zorgdrager giebt zuerst,
im Allgemeinen die Fischreviere in der Grönländischen See
wie folgt an:
„Von der Strasse Davis oder von Island längs dem
Saum des Westeises bis an Jan Mayen-Eiland und so fer-
ner längs desselben Saumes bis an Spitzbergen, weiter von
dem Südkap in Spitzbergen längs dem Rande des Süd-Eises,
welches süd- und ostwärts Spitzbergen liegt, bis an Noya
Zembla und von da durch den Waigats bis in die Tartarische
See, sodann rund um den Nordpol oder so nahe, als man
wegen des Eises und Landes demselben sich nähern kann.”
Neben dieser allgemeinen Angabe finden sich
noch hie und da Bemerkungen über bestimmte Plätze, welche
sich als fischreich erwiesen haben.
höchst
zu bestimmten Zeiten
Martens sagt ganz allgemein: „Der Walfisch hat im Früh-
jahr seinen Lauf gegen Westen, bei Alt-Grönland und Jan
Mayen, dann läuft er gegen Osten bei Spitzbergen.”
Nördlich von Jan Mayen, in dem 74. Breitengrade,
war nach Zorgdrager in den Jahren 1611 bis 1633 eine
sehr ergiebige Fischerei. Ein Schiff habe von dort in einem
Jahre auf zwei Reisen 2000 Quardeel Thran heimgebracht,
der wahrscheinlich auf Jan Mayen ausgekocht worden war
Bei der Gael Hamkes-Bai in Alt-Grönland war, wie später,
schon damals eine gute Fischerei. Besonders in den acht-
ziger Jahren des 17. Jahrhunderts wurde dort mit dem
grössten Erfolge gefischt. Es heisst in dem Bericht:
„Eine Anzahl Schiffe trieben einige Tage längs der
Küste und Angesichts des Landes. Da sie nun etwas mehr
nach der Landseite des Eisfeldes, wo die anderen Schiffe
lagen, kamen, sahen sie, dass die Fische fort und fort
längs des Landes um Südwesten trieben, und sahen täglich
den Wechsel der Küstenlandschaft, bald hohe, weit in die
See ragende Landecken, bald wieder tiefe Buchten und
Baien; zuweilen, wenn sich das Eis ein wenig öffnete,
wollten sie nach dem Lande segeln, jedoch die Fischerei
hinderte dieses sahen fort und fort
Fische. Wenn sie den einen gefangen, geflensst und ab-
gemacht hatten, sahen sie bald wieder andere... Sie beka-
men also eine volle Ladung und andere Schiffe kehrten
schon früher mit voller Ladung zurück.”
Endlich wird eine Bank vor der Südbai Spitzbergens
erwähnt, genannt Kerskar nach einem Kommandeur Kerre,
welcher hier mehrere Jahre hindurch reichlichen Fischfang
hatte.
Die Karte von Spitzbergen, welche dem Werke ‚de wal-
3 *
immer; denn sie
20 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
vischvangst” beigegeben ist, bezeichnet auch einen Fisch-
platz an der Südwestspitze von „Stans Voorland”, bei
Disco.
Früheste Art und Weise des Fischereibetriebes; die Baien-
fischerei. — Den Betrieb in der ersten Periode des soge-
nannten Eiländischen Fischfanges — wie Zorgdrager ihn
nennt —, die Baienfischerei, beschreibt Scoresby nach einem
im British Museum aufbewahrten Manuskript des Capt. An-
derson aus den ersten Jahren des vierten Jahrzehnts des
17. Jahrhunderts.
praktisch. Das Thranauskochen geschah, wie schon bemerkt,
Das Verfahren war sehr einfach und
am Lande in Spitzbergen. Unter dem kupfernen Kessel,
in welchem der Speck zu Thran ausgesotten werden sollte,
ward zunächst ein Holzfeuer gemacht, das auch durch den
Speckabfall genährt wurde. Der siedende T'hran wurde in
einen Kühler geleitet, dann in Fässer gefüllt und zu Schiff
befördert.
gerissen, in Bündel gepackt und in Booten an das Transport-
schiff befördert. Während auf diese Weise ein Theil der
Mannschaft beschäftigt war, ging ein anderer Theil wieder
Ferner wurden die Walfischbarten kunstgerecht
auf den Fischfang aus. Als Zuflucht vor Stürmen, widrigen
Winden. oder Eis standen die einzelnen Baien jedem belie-
bigen Schiffe offen. 1630 bis 1640 wurde
Die
Compagnien erlitten schwere Verluste, doch aber waren zu
In den Jahren
die Baienfischerei weniger ergiebig. Niederländischen
Zeiten an bestimmten Stellen oder auf gewissen Bänken die
Fische noch immer in grösserer Zahl vorhanden und die
Fischerfahrzeuge, welche besonders achtsame und thätige
Harpuniere und Mannschaften hatten, machten glückliche
Reisen. Immer noch wurde der Speck der Fische, welche
von den aus den Baien segelnden Booten harpunirt und ge-
fangen waren, am Lande in Spitzbergen ausgesotten und
als Thran fortgeführt.
Die Bisfischerei. — Allmählich, aber unaufhaltsam, da
die Fische immer scheuer wurden und mehr und mehr aus
den Baien wichen, vollzog sich der Übergang zu der Eis-
fischerei. Es ergab sich, dass bei der grösseren Entfernung
der Fischplätze weniger Zeit und Gelegenheit war, noch
vor der Heimfahrt zu landen und den Speck m Thran zu
verwandeln. Die Schiffe blieben nicht im Hafen, sondern
hielten sich in der Nähe der auf den Fang ausgesandten
Boote. Man packte den Speck, den man sammt den Barten
von dem langseits des Schiffes gezogenen Fisch genommen
hatte, in Fässer und brachte ihn in diesem Zustande nach
Hause. Es entstanden an den Ufern der Elbe, Weser, des
Y und der Zaan,
Siedereien.
der Themse und des Humber Thran-
Uber die Art und Weise der Eisfischerei liegen ver-
schiedene und in den Hauptpunkten übereinstimmende Be-
richte vor. Wir folgen. den Darstellungen unseres Lands-
mannes Martens und Zorgdrager’s. Es ist die Periode am
Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts. Die Nie-
derländer hatten die erste Stelle behauptet, ihre Sitten, Ge-
bräuche und Gewohnheiten, ihre ganze Praxis wurde mehr
oder weniger von den übrigen Nationen angenommen. Das
Schiff, welches zu dem Fange benutzt werden soll, gehört
in der Regel einem der Rheder, welcher Antheil an dem
Fischerei-Unternehmen hat, letzteres beruht auf Theilhaber-
schaft. Diese hat einen sehr verschiedenen Umfang, so
dass es auch dem kleinen Kapital möglich ist, sich mit zu
betheiligen. Es giebt Yo, Ya, Yo, Y und Y, Antheile.
Einer der Theilhaber wird zum Buchhalter oder Directeur
bestellt, wofür er eine besondere Vergütung von circa 1000
Gulden geniesst.
Grösse und Ausrüstung der Fahrzeuge. — Das Verhält-
niss der Grösse der Schiffe zur Zahl der Schaluppen und
Mannschaft ist folgendes:
Fuss Länge Breite Höhe Schaluppen Mann
100 26 114 | | 4 28
er RE 107 28 12 (erfordert einel 5 | 35
Ein Schiff’ von To). a9, 19t | Vleet von | er
118 30 124 7 50
Die Aussenwand der Schiffe wird zum Schutz gegen
Eis verdoppelt und vorn mit einem eisernen „Brustfleck”
Im März beginnt man die Ausrüstung, es wird
das sogenannte Hard-Brod (7, Roggen- und 1;
mehl) in Bestellung gegeben. Im Anfang April wird das
weiche Rog$enbrod gebacken. Ein Schiff mit 35 Mann
und 5 Schaluppen erfordert unter Anderem:
15 Fässer hartes Brod, 16 Säcke weiches Brod, 28 Säcke Erbsen,
8 Tonnen Fleisch, 13 Viertel Butter, 1000 Pfund Käse, 500 Pfund
Speck, 900 Pfund Stockfisch, 28 Fässer Bier, 24 Anker Branntwein,
6 Fässer Torf &e. Auch Zwetschen, Rosinen, Feigen, ein Flaschen-
keller mit Rheinischem Anis, Löffelkraut-Branntwein &e., Stockzucker,
Indische Gewürze und selbst die „Schwefelstöcke” (15 Büschel) feh-
len nicht.
Die leeren Fässer für den Speck sind vom Böttcher fer-
tig gemacht, sie werden im Raum aufgeschichtet und die
versehen.
Weizen-
Zwischenräume mit Brennholz ausgefüllt, wovon 26 Klaf-
tern mitgenommen werden. Die zwei untersten Lagen der
Fässer, an 200, werden mit Wasser gefüllt. Der Vorbug des
Schiffes wird von innen gegen die Bande bis zu dem Bal-
ken des unteren Verdecks von beiden Seiten gestützt, damit
das Schiff besser gegen das Eis Stand halten möge. Gegen
Ende März erschemt der Kommandeur mit einigen anderen
Sachverständigen, um Alles nachzusehen. Später findet in
einem Wirthshause der Hafenstadt die Annahme des Schiffs-
volkes Statt. Ein Jeder, der um Sold dienen will, zahlt
10 oder 12 Stüber Leih- oder Weinkauf, begiebt sich sodann
!) In Teg. Staat d. Nederlanden wird angegeben, dass ein Schiff von
180 Fuss Länge mit 6 Schaluppen und 42 Mann neu 25.000 Gulden und
die Vleet (Ausrüstung) weitere 8- bis 10.000 Gulden koste. Das war
im Anfang des vorigen Jahrhunderts. Der Preis hat sich seitdem wohl
um das Fünf- oder Sechsfache gesteigert, freilich sind Schiff und Aus-
rüstung auch weit besser.
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 21
nach einem oder zwei Tagen mit seiner Kiste und den son-
stigen Effekten zu Schiffe. Inzwischen wird die Vleet oder,
wie die Holländer sagen, „Armazoen” auf das Schiff gesen-
det, auch werden die Lebensmittel an Bord genommen. Zu
der Vleet eines Schiffes mit 6 Schaluppen (42 Mann) ge-
hören unter Anderem:
450 neue Fässer oder Quardeelen, 60 neue Walfischleinen, jede zu
125 Faden Länge, so und so viel Topreepe, Trossen, Tauwerk zu
Grundseilen &e., Blöcke, welche theils zu Zwecken der Schifffahrt (An-
binden von Tauen &e.), theils beim Abmachen des Fisches und nament-
lich dem Speekschneiden benutzt werden; ferner 50 eichene Harpun-
stöcke, 25 Eisbäume, verschiedenes Böttchergeräth, Tuch zu Segeln,
40 neue und 10 alte Harpunen, 50 neue Lanzen, 6 Walross-Harpunen,
6 Walross-Lanzen, 7 Neushaken (Eishaken), 6 Schaluppen-Anker, 1 Eis-
säge, 10 Speckmesser, 5 Bartenmesser, 7 Kapmesser, Eisbeile, Eis-
sporen, ferner kupfernes und zinnernes Kochgeräth &e.
Zorgdrager zählt diess Alles haarklein auf, bis auf den
Butterstecher, Porzellan-Kaffeegeschirr, Spiegel für die Ka-
jüte, Weinrömer, Servietten. Man sieht, dass unsere see-
fahrtskundigen Stammverwandten selbst unter den arktischen
Breiten ihren gemak, ihre Behaglichkeit nicht vergassen.
Heuer und Antheil der Mannschaft am Fange. — Nach-
dem der Schiffspass beschafft und — so war es in den Nieder-
landen und England — Bürgschaft dafür gestellt worden, dass
das Schiff und die Ladung nach glücklich vollbrachter Reise
wieder nach der Heimath zurückkommen werde, erfolgt in
der Zeit vom 6. bis 8. April die Musterung des Schiffs-
volkes in der Kajüte des Schiffes vor dem Buchhalter (Di-
reeteur) und Kommandeur. Es wird das Handgeld bezahlt.
Der Kommandeur erhält 100 bis 150 Gulden (heute 100 Tha-
ler) und für Vorbereitung der Equipage 25 Gulden. Sein
Part an jedem Quardeel Thran, welchen die gefangenen Fische
liefern, wird festgesetzt (20 bis 25 Stüber von jedem Quar-
deel); er empfängt ausserdem an Fischgeld von jedem gefan-
genen Fisch 20 bis 25 Gulden. Der Steuermann bekommt 60
oder 65 Gulden „auf die Hand” und von jedem Quardeel
Thran 16 oder 17 Stüber. Die Harpuniere empfangen je 50
oder 55 Gulden auf die Hand und von dem Quardeel Thran
14 oder 15 Stüber, auch wohl bisweilen mehr, aber Nichts
für die Barten. Gegen Monatsgeld werden angenommen:
Der Zimmermann zu 36 oder 40 Gulden, der Bootsmann zu 28 Gul-
den, der Koch zu 28 Gulden, der Böttcher zu 28 Gulden, der Barbier
zu 26 Gulden, der Schiemann (der die Aufsicht über das Tauwerk führt)
zu 25 Gulden, jeder ältere Matrose zu 18 oder 20 Gulden, jeder junge
Matrose zu 14 oder 15 Gulden, der Kochgehülfe zu 12 Gulden, der Ka-
jütenwächter zu 10 oder 11 Gulden.
Die um Sold Dienenden empfangen ferner von jedem
Fische 20 oder 30 Stüber und der Steuerer einer auf den
Fischfang ausgesandten Schaluppe empfängt von jedem Fische
3 Gulden. Der 15. oder 20. April ist die Zeit, wo die
Schiffe in See stechen. Die nach der Davis-Strasse be-
stimmten Schiffe gehen durchschnittlich einen Mona‘ früher
weg.
Verrichtungen und Gebräuche beim Fang. — Wenn das
Schiff auf der Höhe von 61 bis 66 Grad angekommen ist,
”
werden alle Einrichtungen für die Fischerei getroffen. Der
Kommandeur lässt das Schiffsvolk bei der grossen Spille zu-
sammentreten und vertheilt nach einer förmlichen Anrede
die Bedienungen. Sie zerfallen in die Arbeiten beim Flenssen
und in die Arbeiten zum Abmachen des Fisches. Zu dem
Flenssen werden der Speckschneider und die Harpuniere
commandirt, es wird ein „Speck-König” und eine „Speck-
Königin” ernannt, deren Geschäfte wir gleich näher be-
zeichnen wollen. Jeder Harpunier erhält seine Schaluppe
und das dazu erforderliche Volk durch das Loos. Die Lei-
nen für die Schaluppen werden vertheilt und von dem
Steuerer in das hintere und beziehungsweise das vordere
„Leinhok” sorgfältig’ eingeschossen. Jede Schaluppe erhält
7 Leinen, eine jede 120 Faden lang, sie sind von dem
besten Hanf gefertigt; zugleich werden die Riemen, Lan-
zen, Harpunen, Messer &c. ausgetheilt.
Die Fischerei-Geräthschaften jener Zeit waren sehr ein-
fach. Martens beschreibt die Harpune und die Lanze.
Jene ist vorn wie ein Pfeil, hat zwei scharfe Widerhaken, die
wie em Beil vorn schneiden, am Rücken breit und stumpf.
Der Stiel, welcher in dem hohlen Schaft der Harpune sitzt,
ist vorn und hinten dicker als in der Mitte. Die besten
Harpunen seien die von Stahl.
„Es hat”, sagt Zorgdrager, „die Fischerei drei besondere
Abtheilungen ; die erste besteht im Fischen, die zweite im
Flenssen (den Fisch vom oberen Bord stückweis in das
Schiff und in das Flenssloch zu arbeiten), die dritte in dem
Abmachen.”
Kommandeur und Harpunier spähen nach allen Rich-
tungen, ob sie etwa einen Fisch entdecken. Auch schaut
die Mannschaft nach einem todten Fisch; wer solchen zu-
Sobald einer unter den
Eisfeldern hervorkommt, ertönt der Ruf: „Val! Val!”, das
Schiffsvolk stürzt in die Slupen. Ein Boot ist dem Fische
nahe genug. Da wirft der Harpunier, der am Steven steht,
erst sieht, erhält einen Dukaten.
die Harpune in der Hand, das Geschoss dem Fisch in
den Leib, hinter das Blaseloch oder in den dicken Speck
auf dem Rücken. Unmittelbar am Eisen der Harpune ist
eine ungetheerte, vom besten Hanfe verfertigte, sehr ge-
schmeidige Leine, der „Vorgänger” (voorganger), befestigt,
welche ringartig aufgerollt worden und die nun der Fisch
mit noch bis zu fünf anderen Leinen, welche getheert und
auf dem Vorgänger festgesplisst sind, „ausläuft”. Zuruf er-
tönt, eine oder zwei andere Slupen schiessen hinzu und
befestigen eine oder mehrere ihrer Leinen an die erst-
genannten, welche inzwischen schon abgelaufen sind. In
jeder Slupe befinden sich sieben Leinen, wovon jedoch zwei
nur im äussersten Nothfalle gebraucht werden. Man schlägt
die Leinen ein oder zwei Mal um den Slupsteven, um den
Fisch desto eher abzumatten. Ein nasses Tuch muss zur
%
22 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
Hand sein, um die Entzündung des Holzes zu verhindern.
Die Männer in der Slupe müssen auch wohl Acht geben,
dass sich die Leine nicht bei der schnellen Fahrt verwirre
oder von der Seite komme, sonst schlägt die Slupe um und
es kostet dann manchem braven Manne das Leben, wenn
nicht gleich Hülfe da ist. Der Fisch kann zehn Leinen,
von denen jede 125 Faden lang ist, auslaufen, dann ist er
genöthigt, ermattet wieder an die Oberfläche des Wassers
zu kommen. Man schiesst nun eine zweite Harpune in
den Fisch und während letzterer schnauft und nach Athem
schnappt, sucht man ihn mit Lanzen von 6 Fuss Länge
von der Seite bis ins Eingeweide zu stechen und ihn so zu
tödten. Schwer getroffen schlägt er mit Schwanz und Flos-
sen gewaltig um sich, ein gefährlicher Moment für die Slu-
pen, welche unter dem Geschrei „Stryk!” und „Roei aan!”
(ab! oder näher aurudern!) seinen Schlägen bald nach der einen,
bald nach der anderen Seite hin ausweichen. Unterdess bläst der
schwer verwundete Fisch Blut und Wasser aus. Endlich stirbt
er. Zuweilen, sagt Martens, werden von zwei Schiffen zu-
gleich Harpunen in einen Fisch geworfen; solche Fische wer-
den zur Hälfte getheilt. Man schneidet dem Fische nun den
Schwanz ab, da dieser beim Hinschleppen des Fisches an
das Schiff durch die Boote hinderlich ist, macht ein Loch
in den Stumpf, holt ein Tau durch und daran bugsiren
nun vier oder fünf Boote mit der ganzen Mannschaft den
Fisch zum Schiffe. An dieses wird er mit Tauen gebun-
den, der Schwanzstumpf vorn am Schiff, der Kopf nach hinten.
Der Prozess des Flenssens und Abmachens des Fisches. —
Darauf geht man wieder auf den Fang aus, oder wenn da-
zu die Gelegenheit nicht mehr günstig ist, rüstet man sich
zum Flenssen des Fisches. Man geht daran, letzteren in
grosse Stücke zu schneiden, zu welchem Zwecke Einige der
Mannschaft mit Nägelstiefeln und mit langen Messern ver-
Die Stücke werden an bei-
den Spillen an Bord gewunden !). Auch die Barten werden
aus den Kinnladen losgeschnitten und mit drei Zugrollen
ins Schiff geholt.
schen auf den Fisch steigen.
Man klopft sie dann mit den Barten-
beilen aus einander und reinigt sie von dem überflüssigen
Fleische. Ein Fisch von 50 Quardeelen Speck liefert 240
bis 250 Maassbarten (Barten von mindestens 11 Fuss Länge)
und ‚ungefähr 200 Untermaassbarten. Die grossen Stücke
Speck werden ins Flenssloch geworfen, dürfen aber nicht
länger als zwei Mal 24 Stunden dort bleiben, sonst träufeln
sie zu viel Thran aus.
Spätestens nach 48 Stunden also, wenn es die Witte-
rung nur irgend erlaubt, macht man sich zum Abmachen
bereit. Die Speckbank wird mit den Slippen der erhaltenen
!) Das erste Stück ist das Kenterstück hinten am Kopfe, es wird
ein Tau daran befestigt und rund herum gleichsam abgeschält, wobei
der Fisch zugleich gewendet wird.
Walfischschwänze belegt. Die ‚„Kappers” hauen die zähe-
sten Stücke Speck, die Speckschneider schneiden die wei-
cheren. Beide Sorten werden in den Raum befördert, nach-
dem sie zuvor von Haut und Fleisch auf dem „Klaas”, einem
grossen Block, geremigt sind. Man kappt und schneidet
, Fuss
Länge und zwei Daumen Breite, welche in die Speckrinne
den Speck in sogenannte Vinken (Würfel) von
geworfen und darin bis in den Raum fortgeschoben werden.
Hier werden sie von den Leuten im Raume in Baaljes (Zu-
bern) gefangen und in die Speckfässer oder Kwarteelen ge-
staut. Diese Arbeit geschieht unter einem beständigen An-
rufen aus dem Raum und vom Deck: „Zet Speck op! Speck
op Klaas! Speck op Staart!. Speck op Bank! Stryk Speck!
op!”, während das Volk vom Kopf bis zum Fuss von Thran
und Walfischblut tropft.
ab und zu eme Dicke von 2 Fuss. Das Fleisch des Walfisches
Am unteren Kiemen hat der Speck
Das dickste am Schwanz wurde aber
Die grössten Walfische lie-
ist zu Nichts nütze.
von den Biscayern gegessen.
fern 70 bis 9) Fass Speck.
So weit die Mittheilung von Zorgdrager und Anderen
über das Verfahren beim Fischfang in damaliger Zeit. Im
Wesentlichen hat es sich bis auf den heutigen Tag unver-
ändert erhalten. Im Bau der Schiffe, in den Werkzeugen
und Waffen sind allerdings Abänderungen eingetreten und
Fortschritte gemacht. Wir werden später, bei der Schilde-
rung einer der jetzigen Grönlands-Fahrten, noch auf einige
Details zurückkommen.
Versuche der Überwinterung von Walfischjägern auf Jan
Mayen und Spitzbergen. — Im September, Oktober oder
spätestens November kehrten die Walfischfänger aus den
arktischen Gewässern zurück. Es ist kein Beispiel der frei-
willigen Überwinterung von aus Deutschen Häfen ausge-
Wohl aber
die Holländischen Compagnien zu verschiedenen Malen Ver-
gangenen Walfischfängern bekannt. machten
suche der Überwinterung von Schiffsmannschaften auf In-
seln der arktischen Gewässer, namentlich auf Jan Mayen
(1633/34) und auf Spitzbergen (1630/31 mit gutem Er-
folg, 1633 mit unglücklichem Ausgang).
Die tragische Geschichte des Lebens und Todes der
sieben Freiwilligen der Niederländischen Grönlands- Flotte
im Winter 1633 bis 1634 ist durch Vogt’s und Berna’s
Nordische Reise in weiten Kreisen bekannt geworden. Der
Strenge des arktischen Winters trotzen zuweilen in un-
serem Jahrhundert Russische Bären- und Fuchsjäger; nicht
dieser also war es, der die Lebensgeister jener wetter-
festen Seeleute besiegte, sondern der Mangel an frischer
Nahrung. Das von Scoresby aus Churchill’s Collection of-
Voyages and Travels abgedruckte, mit grosser Genauigkeit
über die Witterungsverhältnisse Buch führende Journal en-
digt am 30. April 1634 mit dem Worte „Tod!” Der
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 23
Mangel an frischer Nahrung erzeugt Skorbut und diese
furchtbare Krankheit war es, welche vom 16. April an die
Unglücklichen einen nach dem anderen dahin raffte.
Überwinterungsgeschichte von acht Mann des Londoner
Schiffes „‚Salutation”, 1630/31. — Weniger bekannt ist die
unfreiwillige Überwinterung von acht Mann des der Mus-
covian Company zu London gehörenden Grönlandsfahrers
„Salutation” auf Spitzbergen im Winter 1630/31. Die
Geschichte wird von Edward Pellham, Gunner’s Mate, in
einer zu London 1631 gedruckt erschienenen, von der
Hakluyt Society (A Collection of Documents on Spitzber-
gen and Greenland, London, August 1855) sammt den in-
teressanten Illustrationen und Karten wieder abgedruckten
Schrift erzählt.
Die naive Erzählungsweise, die markige, oft tief ergrei-
fende Sprache verleihen diesem ältesten Fischerbericht aus
den arktischen Regionen einen eigenthümlichen Reiz. Das
Buch führt folgenden Titel:
God’s Power and Providence shewed in the miraculous Preser-
vation and Deliverance of eight Englishmen, left by mischance
in Greenland, AoO 1630, nine moneths and twelve dayes. With
a true Relation of all their miseries, their shifts and hardship
they were put to, their food, &e., such as neither Heathen,
nor Christian men ever before endured. With a description
of the chiefe Places and Rarities of that barren and cold
Country. Faithfully reported by Edward Pellham, one of the
eight men aforesaid. As also with a Map of Greenland. London.
Printed by R. Y. for John Partridge, 1631.
Im Ganzen überwinterten folgende Leute: William Fakely,
Gunner; Edward Pellham, Gunner’s Mate; John Wise und Ro-
bert Goodfellow, Seamen ; Thomas Ayers, Whalecutter; Henry
Bett, Cooper; John Dawes und Richard Kellet, Land-men.
Das Schiff ging auf den Walfisch- und Walrossfang
am 1. Mai 1630 von London aus und am 11. Juni war es
in dem bestimmten Hafen von Spitzbergen. Es waren
ihrer drei Schiffe dort, welehe unter dem Oberbefehle von
Kapitän William Goddler standen. Sie blieben bis zum
15. Juli bei Fore-Land, dann sollte ein Schiff noch bis zum
20. August dort bleiben, die „Salutation”, ein anderes Schiff
sollte östlich gehen und dort nach einem Fischgrund suchen,
ein drittes Schiff endlich sollte nach Green Harbour gehen. In
Folge späteren Befehles des Kapitäns Goddler verliess aber die
‚Salutation” schon am 8. August Fore-Land und steuerte süd-
lieh nach Green Harbour, um dort von dem vorausgesandten
Bei Black
Point wurden jene acht Mann mit einem Boot ans Land ge-
sandt, um Wild und damit Lebensmittel für das Schiff zu ho-
len. Die Jagd war sehr glücklich, allein am folgenden Morgen
Schiffe einige Mannschaft wieder aufzunehmen.
war dickes (nebliges) Wetter und viel Eis an der Kiiste,
der Wind wehte gegen dieselbe, das Schiff musste weit ab-
halten und die Leute konnten nicht an Bord kommen. Sie
fuhren daher am Lande hin bis nach Green Harbour, indem
Allein
sie unterwegs Renthiere jagten. in Green Har-
Schiff, ihre
Sie wollten nun nach Bel-Sund, wo Kapitän
der sie dorthin beordert
hatte, um Hülfe zu haben gegen die Dunkirker, welche
fanden sıe das
nicht wieder.
Goddler mit seinem Schiffe lag,
bour gegen Vermuthung,
diess Mal sehr stark vertreten waren und die mit Speck
beladen heimkehrenden Englischen Schiffe zu berauben
drohten, allein sie fanden den Weg nicht mehr dahin und
fuhren kreuz und quer. Nähe
von Bel-Sund an, es fand sich aber, dass die Schiffe be-
reits wieder in See gegangen waren. Die Leute fuhren
nun mit ihrem Boot nach Bottlekove an der anderen Seite
des Sundes
Endlich kamen sie im der
und hier überzeugten sie sich nun vollends
alle, dass sie nicht fortkommen würden.
Lebhaft schildert Pellham die Empfindungen des
Schreckens, als die Leute sich überzeugen mussten, das sie
in Grönland!) (Spitzbergen), mit hin nur 12° 20’ vom Nord-
Sie
standen da, als wären sie schon in Eis verwandelt, wie
pole selbst entfernt, den Winter zubringen müssten.
von Sinnen. Ein Schauer des Todes überkam sie, denn
sie sahen im Geiste schon ihre Leiber zerfleischt, eine
Beute hungriger Raubthiere. Sie erinnerten sich, dass die
Muscovian Company einmal eine Anzahl Verbrecher nach
Grönland hatte schaffen lassen, mit der Bestimmung, dass
sie dort ein Jahr bleiben sollten. Es war ihnen Straflo-
sigkeit zugesagt und ausserdem stellte man ihnen eine Be-
Als diese Unglücklichen nun aber
den öden, unwirthlichen Boden der Insel betraten, da er-
lohnung in Aussicht.
griff sie ein so unüberwindliches Gefühl des Abscheues ge-
gen den Aufenthalt hier, dass sie ohne Zögern dem Ka-
pitän, als dieser abfahren wollte, erklärten, sie wollten lie-
ber das über sie verhängte Urtheil leiden und ihren Nacken
dem Stricke bieten als in Grönland überwintern. Der mit-
leidige Kapitän wollte sie nicht zwingen, er nahm sie
wieder mit und schliesslich wurden sie in England auf
Diese
Schreckbilder spiegelten sich vor der Seele der Unglück-
lichen, doch bald fassten sie den männlichen Entschluss,
Verwendung der genannten Compagnie begnadigt.
zu ihrer Rettung zu thun, was in ihren Kräften stände.
!) Es sei hierbei bemerkt, dass in der Schiffersprache Spitzbergen
in Grönland mit inbegriffen ist. Scoresby nennt es „Spitzbergen or
East Greenland”. Im Gegensatz zu solchem East Greenland erscheint
allerdings die nach Europa zugekehrte Küste von Grönland, welche die
Geographen im Blick auf die andere, an derDavis-Strasse gelegene, dem
arktischen Archipel Amerika’s zugekehrte Seite Ost-Grönland nennen,
als „West-Grönland” und so heisst diese Küste denn auch immer in
den Grönländischen Schiffsjournalen und der Schiffersprache; dabei
wird noch zwischen Alt-Grönland, dem südlicheren Theile der Küste
von diesem im Sinne der Schiffer gemeinten ‚ West-Grönland”, und
Neu-Grönland, dem unter höheren Breiten, etwa vom 67. Grade an,
gelegenen Theil der Küste, unterschieden. Das geographische West-
Grönland, die diesseitige Kiste der Davis-Strasse, wird einfach unter
dem Ausdruck „Straat Davis” inbegriffen. Die Amerikanische Küste der
Davis-Strasse und Baffin-Bai heisst bei den dort fischenden Whalern
wiederum das „Westland”.
24 Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert.
Am 25. August segelten sie nach Green Harbour, in
dessen Nähe viel Wild war, es wurde aus Segeln und Ru-
dern ein Zelt errichtet und sogleich die Jagd begonnen;
sieben Renthiere und vier Bären waren die erste Beute.
Mit Hülfe von einigen Hunden, welche sie mit an Bord
gehabt und nun mitgenommen hatten, schossen sie noch
ziemlich viel Wild und kehrten in zwei Booten nach Bottle-
kove im Bel-Sund zurück. (Das zweite Boot war von der
heimkehrenden Flottille, wie immer, für Schiffbrüchige zu-
rückgelassen worden.) Sie erlitten hier wiederum das in ihrer
Lage schwere Missgeschick, dass ihnen durch die Wellen
des Meeres das Wild aus den Schaluppen gespült wurde.
Mit vieler Mühe und indem die Leute Wasser hinaus
wateten, gelang es, die kostbare Beute wenigstens theil-
ins
weis wieder zu erlangen. In einer aus tannenen Dielen
gezimmerten Hütte, die für die Thranköche der Compagnie
gebaut war, verbrachten die Seeleute den arktischen Winter.
Im Inneren dieser Hütte bauten sie nämlich noch eine klei-
nere Behausung. Kalk, der vorhanden war, mit Küsten-
sand gemischt, gab den Mörtel ab, Ziegelsteine nahmen sie
von dem Rauchfang der Thranküche; zwei Seiten der en-
geren Hütte, die Wetterseiten, wurden gemauert, während
die anderen beiden aus Balken gezimmert wurden. So war
ein ziemlich geschützter Raum von 20 Fuss Länge, 16 Fuss
Breite und 10 Fuss Höhe hergestellt, in welchem sie sich
vier Cabinen mit Hülfe von Renthier-Fellen herrichteten.
Sieben
material, ferner wurden verschiedene Kühlfässer dazu ver-
zurückgelassene Schaluppen lieferten Feuerungs-
wendet, jedoch nur solche, welche für ihren ursprünglichen
Des Nachts rakten
sie das Feuer zusammen und bedeckten es mit heisser
Asche.
und nach 16 Stunden glimmte es noch fort, so dass an
Wenn Wimd und Wetter es
gestatteten, wurden Jagdzüge unternommen und es gelang,
Zweck nicht mehr tauglich erschienen.
In die Mitte wurde ein Stück Ulmenholz gelegt
Feuerung kein Mangel war.
indem sich ein paar Leute in einem Boote heranschlichen,
mit alten Harpunen und Lanzen, die sich noch in der Hütte
vorfanden, einige Walrosse „aus dem Schlafe in den Tod
Bald aber nahmen Nacht und Kälte so zu,
dass sie auf weitere Beute bis zum Frühjahr verzichten
zu müssen glaubten! Sie beschlossen also, zwei Fasttage
zu befördern”.
in der Woche zu halten und an diesen Tagen nur von
den Greben des vorhandenen Fischthrans zu geniessen. Diese
Diät wurde drei Monate beibehalten. Kleider und Schuhwerk
wurden allmählich so defekt, dass sie nothgedrungen aus-
gebessert werden mussten, wozu Nadeln aus Fischbein und
Garn aus Tauwerk gebraucht wurden.
Am 10. Oktober war die Kälte bereits so heftig, dass
die See völlig überfror. Die Verzweiflung klopfte an die
elende Behausung der Unglücklichen. Bald dachten sie an
ihre verlassenen Frauen und Kinder, bald warfen sie sich
auf die Kniee und sandten heisse Gebete zum Himmel um
Ausdauer und Geduld im Elend. Man setzte sich auf noch
schmalere Kost: vier Tage Wildfleisch, drei Tage Fisch-
In der Zeit vom 14. Oktober bis 3. Februar
war die Sonne verschwunden, aber der Mond zeigte sich
zu Tages- und Nachtzeiten, wenn ihn nicht Wolken ver-
hüllten. Er schien so hell und freundlich wie in England.
Vom 1. bis zum 20. Dezember war auch der letzte Dämmer-
speckgreben.
schein des Lichtes verloren. Ein matter Schimmer von
Weiss zeigte sich zuweilen gegen Süden wie eine Ahnung
von Tageslicht. sie weitere
Spuren von Tageslicht, noch immer aber wussten sie nicht,
Anfangs Januar begrüssten
wann es Tag, wann Nacht war, dennoch gelang es Pell-
ham, Monat und Datum nach dem Monde auszurechnen,
so dass er später, als die rettenden Schiffe da waren, genau
Mit
Hülfe von alten Leinen und des Vorrathes an Thran wur-
angeben konnte, welchen Monat und Tag sie hatten.
den drei Lampen angefertigt und beständig brennend er-
halten. Mit zunehmendem Tageslicht wurde die Kälte noch
stärker, so dass sie in Folge derselben Blasen auf der Haut
bekamen und bei der Berührung von Eisen die Finger
Am 3. Februar
zeigte sich Morgenröthe und endlich erglänzten die ersten
Die Licht-
krone der Sonne und das blendende Weiss des Schnee’s
daran klebten, als ob es Vogelleim wäre.
Sonnenstrahlen auf den höchsten Berggipfeln.
boten einen so zauberhaften Anblick, dass, wie Pellham
sagt, selbst „die Lebensgeister eines Sterbenden davon wie-
Ein Bären-Paar kam
auf die Hütte zu, dem ein heisser Empfang bereitet wurde;
der aufgeweckt werden mussten”.
die Leute verlegten den Bären mit Lanzen den Weg und
tödteten einen derselben, während die Bärin entfloh. Das
Fleisch des ersteren reichte zur Ernährung der ganzen
Mannschaft während 20 Tagen.
Ganzen sieben Bären zu tödten. Nun assen sie fleissig
zwei bis drei Mal täglich Fleisch und die Kräfte kehrten
mehr und mehr wieder.
Im März glückte es, im
Die Füchse erschienen wieder,
um ihrer Nahrung, einer Art kleiner Fische, nachzugehen ;
sie wurden in eigens zu dem Zwecke hergerichteten Fallen
gefangen, in welche eine Art Eulen, die sich auf dem
Schnee liegend vielfach vorfanden, als Lockspeise gesteckt
waren. Endlich nahte die Stunde der Erlösung aus dem
Eisgefängnisse.
Am 25. Mai zeigten sich zwei Schiffe von Hull im
Bel-Sund. Ein Boot landete, die Mannschaft ging auf die
Hütte zu und rief letztere in üblicher Weise mit „Hei!”
an, worauf zu ihrem grossen Schrecken aus derselben die
Antwort „Ho!” erfolgte.
kommenden traten aus der, wie sie nicht anders glaubten,
Zum grössten Erstaunen der An-
menschenleeren Hütte plötzlich acht wild aussehende Männer
Die Spitzberger und Grönlands-Fischerei im 17. Jahrhundert. 25
mit von Rauch geschwärzten Gesichtern, bald aber folgte
die frohe Scene des Wiedererkennens.. Alle fuhren in der
Schaluppe nach dem Schiff hinüber. Nach drei Tagen traf
die Londoner Fischerflotte ein. Der Captain
Goodler, „ein kluger und erfahrener Seemann”, empfing sie
auf das Freundlichste und liess sie 14 Tage am Bord mit dem
Besten, was da war, verpflegen. Der grösste Theil der Mann-
schaft kehrte aber erst im August nach der Heimath zurück.
Überwinterung Niederländischer Freiwilliger auf Spitz-
bergen, 1633/34. — Nun ein Bericht über die freiwillige
Überwinterung von sieben Niederländischen Seeleuten auf
Spitzbergen im Jahre 1633, den ersten freiwillig unternom-
Versuch dieser Art.
unter
Admiral,
menen und mit Erfolg gekrönten
Zorgdrager erzählt uns darüber aus dem Journal
Anderem wie folgt:
Am 30. August 1633 verliessen die Schiffe der Nieder-
ländischen Compagnie die Nord-Bai (bei Smeerenberg) zur
Ileimreise.
den, — wo, wird nicht genau angegeben, eben so wenig fin-
den wir nähere Angaben über die getroffenen Einrichtun-
gen zur Überwinterung. Schon damals waren Steinbauten
auf der Amsterdam-Insel errichtet, so dass also die Mann-
schaft ohne Weiteres in einer dieser gegen die Einwirkun-
gen des Spitzberger Winterklima’s wohl noch mit besonderen
Sehutzmitteln versehenen Behausungen ihr Winterquartier
einrichten konnte. Die Überwinterung war offenbar nur
zu dem Zwecke veranstaltet, um zu sehen, ob auch m der
Zeit, wo sich Schiffe nicht bei Spitzbergen aufhielten, Jagd
und Walfischfang mit lohnendem Erfolg betrieben werden
könnten. Die Heizung wurde durch Treibholz reich-
lieh beschafft, -auch gelang es in der ersten Zeit, eini-
ges Wild (Renthiere) zu schiessen. Es wurden Ausflüge
zu Boot nach der West-Bai, der Englischen Bai gemacht;
Walfische sah man genug, auch der Fang derselben wurde
versucht. Man band zwei Fässer zusammen und befestigte
das eine Ende der Harpunenleine daran, um den har-
punirten Fisch auf diese Weise leichter fest zu behalten.
Walfischbarten wurden öfter am Ufer aufgefischt. Auf
dem „Schlehenberg” fand man „Schlehen” in Menge, ein
Gewächs, welches der Wasserkresse gleicht. An dem Berge
nisten alljährlich viele Möven, deren Dünger ein üppiges
Wachsthum des Mooses erzeugt. Auch Sauerampfer fand man.
Ihrer sieben Mann waren zurückgelassen wor-
(Martens sagt: „Der Sauerampfer, welchen ich auf Spitzber-
gen fand, ist dem, welcher mir zu Bremen in des Holländi-
schen Gärtners Hofe unter diesem Namen gezeigt wurde,
an Grösse gleich, aber die Blätter des Spitzbergischen sind -
von rother Farbe.’) Einen todten Walfisch, den man am
Ufer fand, suchte man vergeblich ans Land zu bugsiren,
eben so misslang es, eines bereits glücklich harpunirten Wal-
fisches vom Boote aus habhaft zu werden. .
Am 13. Oktober fror es bereits so stark, dass der In-
halt eines Fasses Bier gegen drei Daumen diek gefroren war.
Zwei Tage später fror es bis auf den Grund, so dass das
Fass aufgeschlagen, das Eis m Stücke zerhauen und dann
am Feuer geschmolzen wurde. Am 4. November war nur noch
während 4 bis 5 Stunden Dämmerung. Bären und Füchse
wurden ab und zu gesehen und einige von ihnen getödtet.
Im Dezember war es so bitter kalt, dass die Leute in ih-
ren Kojen nicht lange liegen bleiben durften, sondern ab
und zu in dem Hause auf und nieder gehen mussten, um
nicht zu erstarren. ‚Am 20. Dezember sahen sie gegen
Süden am Horizont einen Dämmerschein und gegen Ende
Nordlicht. Am 7.
schon um die Hütte herum-
geschnüffelt hatten. Am 25.
Am folgenden Tage wurde es so hell, dass um Mit-
Dezember starkes Januar erfolgreiche
öfter
Januar mehrstündige Dämme-
Jagd auf Bären, die
rung.
tag die Sterne gegen Süden nicht mehr gesehen wurden.
Am’ 22. die-Sonne zum ersten Male
wieder blicken.
grossen Bären, der, obwohl schwer verwundet, doch noch
entkam. Im März wurden täglich viele Füchse geschossen.
Das Fleisch wurde an die Luft gehängt und dann mit
Zwetschen und Rosinen gekoeht. Im April zeigten sich
wieder Walfisch. Am 1. Mai wurde bei Bier und war-
mem Wein die Spitzberger Kermis gefeiert. Die Jagd auf
Berg-Enten, Walrosse, Eisbären und Robben beschäftigte
die Leute die übrige Zeit, bis sich — nach 9 Monaten und
5 Tagen der Überwinterung — die erste Schaluppe eines
Holländischen Grönlands-Fahrers zeigte, der in der West-
Bai ankerte. — Im Jahre 1634 wurden sieben andere Leute
der Niederländischen Flotte zurückgelassen, allein Keiner
von ihnen wurde im folgenden Frühjahr lebend angetroffen,
und somit wurden von den Niederländischen Compagnien
liess sich
Am 3. März heftiger Kampf mit einem
Februar
weitere Überwinterungsversuche nicht gemacht.
II. Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Blüthezeit des Niederländischen Walfischfanges ; Schiffs-
verluste. — Die Niederländer waren im 17. und dem grös-
seren Theile des 18. Jahrhunderts das erste Volk in der
Gross-Eischerei, wie es heut zu Tage unstreitig die Nord-
Amerikaner sind. Über ein Jahrhundert betrieben sie mit
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
einer unverdrossenen Ausdauer und auch mit gutem finan-
ziellen Erfolg, neben dem Härings- und Kabeljaufang, die
arktische Fischerei. Die Flotte, welche alljährlich im April
die Ufer des Y und der Zaan verliess, um bei dem fer-
nen Polar-Eilande Spitzbergen allen den unsäglichen Schwie-
4
26 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
rigkeiten des arktischen Fischfanges zu trotzen, war weit-
aus die zahlreichste von allen. In kriegerischer Zeit wurde
sie öfter von Kriegsschiffen begleitet, so in dem Jahre
1697, wo die ganze Walfischflotte bei Spitzbergen unter
dem Schutze Niederländischer und Hamburger Convoyer
lag. Im Anfange des 18. Jahrhunderts kreuzten Kriegs-
schiffe zur Zeit der Rückkunft der Häringsbüsen, der Grön-
lands-Flottille und der aus dem Süden, von Brasilien oder
Indien, mit werthvollen Ladungen heimkehrenden Fahrzeuge.
Neben Spitzbergen war seit 1719 die Davis- Strasse mit
ihren zahlreichen Baien, Einlässen und Insel-Meerengen das
Ziel der kühnen Fischer. Den Umfang der Niederländi-
schen Fischerei und zugleich die Verluste an Schiffen, wel-
che sie erlitten, veranschaulichen am besten folgende, den
Holländischen Quellen entnommene Ziffern und Daten.
Das mir vorliegende „Alphabetische Namenverzeichniss
der Grönländischen und Straat - Davis - Commandeure von
1719 bis 1770” zählt folgende 44 Orte auf, von wel-
chen Ausrüstungen geschahen: Rotterdam, Amsterdam,
Zaandam, Hoorn, Medemblyk, Bevernwyk, Koogh, Westzaan,
Ostzaan, Zaandyk, Ihisp, De Ryp, Wormerveer, Noordeynd,
Alkmaar, Knollendam, Uytegeest, Schiedam, Delfshaven,
Assendelft, Graft, Crommeny, Crommenydyk, ‘De Krayl,
Broek in Waterland, Haarlem, Dortrecht, Oude Niedorp,
Krimpen op de Leck, Edam, Monnikendam, Purmerende,
Vlaardingen, Zierikzee, -Alblasserdam, Maassluys, Harlingen,
Grootebroek, Middelburg, Vlissingen, Grooningen, Spanbroek,
Wieringerward, De Helder.
Amsterdam und Rotterdam hatten die zahlreichsten
Fischertlotten, dann folgten Zaandam und De Ryp.
Es liefen von Niederländischen Häfen aus:
in den Jahren j [genommen,
1669 bis 1678 993 Schiffe, davon 83 verloren oder vom Feinde
1679 » 1688 1932 ” ” 113 ”
1689 » 1698 955 » E) 82 ”
1699 »' 1708 1652 ” ” 62 ”
1709 » 1718 1351 » E) 51 e
1719 » 1728 1504 - » 40 ”
1729 » 1738. 858 n » 13 »
1739 » 1748 1356 » ” 31 ”
1749 » 1758 1339 r E) 30 ”
1759 » 1768 1324 E) E) 25 »
1769 » 1778 903 » » 31 2)
14167 » 561 = 4 Proz. der Gesammtzahl.
Die Rentabilität dieses so grossartig betriebenen Fi-
schereigeschäftes war zu verschiedenen Zeiten sehr verschie-
den. Scoresby unterscheidet vier Phasen des Holländischen
Walfischfanges: 1. die Zeit vom Beginn des Walfischfanges
um 1612 bis zum Jahre 1642, wo die Privilegien der Com-
pagnien von den hochmögenden Generalstaaten als den ge-
meinen Handels-Interessen der vereinigten Provinzen schäd-
‚lich und darum für aufgehoben erklärt, somit die Fischerei
frei gegeben wurde. Der Charakter dieser Periode ist: un-
_ ermesslicher Reichthum- an Fischen, ungeahnter Aufschwung
der am Fange betheiligten Rhederei, bedeutende Kapital-
anlagen in Fahrzeugen, in Einrichtungen auf Spitzbergen
zum Thranbrennen und überhaupt zur sommerlichen Nieder-
lassung, gegen Ende der Periode allmähliche Verminderung
der Fische bei der Küste.
Zweite Periode: Entwerthung aller dieser kostspieligen
Einrichtungen durch die Nothwendigkeit, die Fische fern
von der Küste im Eise aufzusuchen, schwere Verluste der
Compasgnien.
Die dritte Periode, welche etwa das letzte Drittel des
17. und den ersten Theil des 18. Jahrhunderts umfasst,
bezeichnet einen neuen. Aufschwung. Dank jenem echt
kaufmännischen Sinne, welcher die Holländer in damaliger
Zeit auszeichnet, wird die Grönlands-Fischerei auf einen
Fuss gesetzt, der trotz aller Schwierigkeiten den Betrieb
durchschnittlich mit gutem Erfolg für alle Betheiligten und
verbunden mit indirekten nationalen und politischen Vor-
theilen ermöglicht. Die wesentlichen Züge des adoptirten
neuen Systems waren: 1. Beschränkung der Zahl der Mann-
schaften und des Quantums an Provisionen auf das in
Wirklichkeit erforderliche, früher oft überschrittene Maass;
2. Vertheilung des Gewinn- und Verlust-Risiko’s auf grös-
sere Kreise, in der Art, dass Krämer, Bäcker, Brauer, Segel-
macher, Reepschläger, Kupferschmiede und andere Hand-
werker sich gleichsam nach dem Prinzip der Bodmerei be-
theiligten. Sie lieferten ihre Erzeugnisse auf das gute Glück
der Fischerei; wenn diese schlecht war, so verloren sie
ihre Zahlung ganz oder theilweis, während sie, wenn die
Schiffe mit reicher Ladung an Speck und Barten zurück-
kehrten, vielleicht den doppelten Preis für die von ıhnen
gelieferten Vorräthe und Fabrikate erhielten. Es war diess
gewissermaassen eine Ausdehnung des von Anfang an bei
den Fischerleuten selbst schon angewandten Prinzips der
Partnerschaft, eine Maassregel, die damals wohl nur in Hol-
land möglich war, wo ausgebreiteter Handel, verbunden mit
einer bedeutenden Industrie und dem angebornen haushälte-
rischen Sinne, grosse Kapitalien in den verschiedensten
Kreisen der Gesellschaft aufgehäuft hatte. Wir sehen, dass
unter diesem System die Holländische Grönlands - Flotte
durchschnittlich jährlich an 140 Fahrzeuge zählte.
Die vierte Periode ist die des allmählichen Sinkens und
zuletzt gänzlichen Aufhörens der Niederländischen Fischerei.
Rückgang der Holländischen Grönlands-Fischere. — Die
blau-weiss-rothe Flagge, einst die zahlreichste, geachtetste
und gefürchtetste in den arktischen Meeren, ist jetzt dort bei-
nahe verschwunden, zwei zum Theil mit Norwegischer Mann-
schaft in den letzten Jahren im südlichen Norwegen auf den
Robbenfang ausgerüstete Fahrzeuge sind es allein, welche die
Erinnerung an jene Glanzzeit der Holländischen Fischer-Ma-
rine in schroffen Gegensätzen von heute und sonst auffrischen.
„ bei schwerer Strafe untersagt.)
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Die Ursache des Verfalles ist zunächst die Erschlaf-
fung des nationalen Geistes, der maritimen Unternehmungs-
lust, welche namentlich seit der Französischen Invasion
hervortrat. Allerdings war auch die geringere Ergiebig-
keit des Fischfanges eine Ursache, allein nach der Nieder-
werfung des Französischen Imperators sehen wir in Eng-
land und Schottland, an der Weser und Elbe die alt ge-
wohnte Grönlands-Fischerei mit Erfolg wieder aufgenom-
men, während diess den Holländern trotz grosser Anstren-
gung der Regierung, durch ausgesetzte Prämien &c., selbst
mit Hülfe Englischer Fischerleute nicht gelingt.
Die Gross-Britannischen Fischereien. — Anders gestal-
teten sich die Dinge in Gross-Britannien. Wir haben ge-
sehen, dass Britische Fischer die ersten in den Gewässern
von Spitzbergen waren; allein während in der ersten Zeit
die Fischereien der Holländer fast alljährlich ihren Unter-
nehmern reichen Gewinn brachten, waren stets nur Ver-
luste das Resultat der Englischen Expeditionen, welche in
Folge dessen immer spärlicher wurden. Die Holländischen
und Hanseatischen Fischer-Flotten zählten zusammen 3- bis
400 Segel, als die Engländer nur noch gelegentlich mit
wenigen Schiffen auf ihren ehedem so zahlreich besuchten
Fischgründen erschienen (1669 nur Ein Schiff, 1668 sogar
keins). Die Bedeutung der grossen Fischerei für die Zwecke
der Kriegs-Marine wurde indessen den Engländern durch
das Beispiel der Holländer sehr bald gründlich einleuchtend.
In den Kriegsjahren 1659 und 1665 bis 1667 stand die ge-
sammte Bemannung der Holländischen Grönlands-Flotte, so
weit die Leute unter Niederländischer Hoheit standen, der
Regierung zur Verfügung. (Für die Kriegszeit war die
_Grönlands-Fahrt von Holland aus durch die-Generalstaaten
Im Jahre 1672 ergriff
denn nun die Englische Regierung mit Gewährung von
allerlei Vergünstigungen jener Art, wie sie damals Brauch
waren, die Initiative. Es wurde eine Parlaments-Akte er-
lassen, welche die Produkte der Englischen Grönlands-
Fischerei von allen Einfuhrzöllen befreite, während der
Zoll für die Kolonial-Schiffe in den Kolonien noch theil-
weis aufrecht erhalten wurde. Im Gegensatz hierzu wurde
der auf fremden Schiffen eingeführte Thran und resp. das
so -eingebrachte Fischben mit den enormen Zollsätzen
von LE. 9 und L. 18 die Tonne belegt. Die bestehenden
Schifffahrtsgesetze wurden in Ansehung der Grönlands-
Fischerei in so weit abgeändert, dass gestattet wurde, die
Mannschaft zur Hälfte aus Fremden zu rekrutiren, vor-
ausgesetzt, dass das Schiff in England gebaut und der Ka-
pitän und die andere Hälfte der Mannschaft Britische Un-
terthanen seien.
Dieses Gesetz wurde wiederholt prolongirt und der im
Jahre 1693 gebildeten „Company of Merchants of London
Er
trading to Greenland” sogar die Annahme von zwei Drittel
fremder Fischerleute für jedes von ihr auf den Walfisch-
Letztere verbrauchte
in 10 Jahren ihr ganzes, für jene Zeit sehr bedeutendes
Aktienkapital von L. 81.000, sie machte durchgängig schlechte
Geschäfte, selbst in Jahren wie 1697, wo von den Nieder-
fang ausgehende Schiff frei gegeben.
ländischen und Deutschen Fahrzeugen keins weniger als
drei Die Holländer
jenen 10 Jahren aus ihrer Grönlands-Fischerei einen Rein-
Der Fehler lag
Diess setzte
Fische gefangen hatte. zogen im
gewinn von beinahe 5 Millionen Gulden.
in der ganzen Art und Weise des Betriebes.
ein Bremer Kaufmann, Henrich Eelking, welcher in Bremen
längere Zeit Directeur von Grönlands-Fahrten gewesen war,
schlicht und schlagend in der Schrift auseinander, welche
überschrieben war „View of the Greenland Trade and
Whale-fishery with the National and Private Advantages
thereof” und die von dem Verfasser dem Sub-governor der
South-Sea-Company zum Zweck der Gründung einer neuen,
auf den entwickelten Prinzipien basirten Gesellschaft über-
geben wurde. Es ist sehr schmeichelhaft für uns Deutsche,
wenn der Engländer Scoresby diese Schrift in der Vorrede
zu seinem berühmten Werk „Our only Original Work on
this interesting Subject” nennt.
Reformen im Englischen Fischereibetrieb, hervorgerufen
durch einen Deutschen Kaufmann. — Kelking zeigt in seiner
natürlich Englisch geschriebenen Abhandlung zunächst den
bisherigen Zustand des Walfischfanges und die Art und
Weise, wie derselbe betrieben werden sollte, sodann, von wem
er betrieben wird und mit welchem Gewinn; er giebt einen
Rückblick auf die ersten Fischereien und setzt auseinander,
welches die Ursachen waren, dass alle Versuche der Eng-
lischen Kaufleute, diesen Betrieb mit Erfolg wieder aufzu-
nehmen, fehl schlugen; endlich liefert er einen vollständigen
Beweis dafür, dass England mit Erfolg das Geschäft wieder
aufnehmen und es mit grösserem Vortheil als jede andere
Nation betreiben könne, wobei er denn alle angeführten
Gegengründe beleuchtet und zu widerlegen sucht.
Eelking weist unter Anderem darauf hin, dass die Eng-
lischen Schiffe meist von im Fischfang unkundigen Leuten
commandirt würden, dass es verkehrt sei, der Mannschaft
feste Gage zu geben, anstatt sie mit ihrer Einnahme auf
den Fang anzuweisen. Daher komme es oft vor, dass die
Mannschaften der Englischen Schiffe, anstatt Fische zu
suchen und zu verfolgen, sich in Spitzbergen ans Land be-
gäben, um Renthiere zu jagen, deren Fell, Geweihe und Fett
ihr Benefiz war, dass bei dem Aussieden des Thranes von
der Mannschaft nicht vorsichtig genug umgegangen und
die Barten nicht gehörig gereinigt würden und in Folge
dessen die Englischen Fischerei-Erzeugnisse immer nur nie-
drigere Preise am Markt erzielen könnten. Das gesammte
4*
25
Fischereigeräthe sei in schlechtem Stande, die Mannschaft
gehe nicht sorgfältig damit um, darum müsse es häufig er-
Überhaupt würden bei dem ganzen Be-
triebe sehr viele unnütze Ausgaben gemacht, Boote, Provi-
bezahlt &e. Tüchtige
Fischermannschaften könne sich England eben so gut schaffen
als Holland, das seine Fischerflotte alljährlich durch Tau-
sende von fremden Seeleuten aus Jütland, Holstein, Schott-
neuert werden.
sionen und Apparate zu theuer
land, Norwegen, den Weser-Gegenden &e. bemanne. Wenn
eingewandt worden, dass die Schiffe in England nicht so
billig gebaut werden könnten als in Holland, so behauptet
Eelking, dass sie dafür weit stärker und dauerhafter her-
gestellt würden. Auch müsse Holland fast alle zum Schiffs-
bau nöthigen Materialien, als Planken, Balken und Masten,
Eisen, Hanf, Theer, Provisionen &e., erst einführen, während
in England diess Alles im Lande oder doch in den Eng-
lischen Kolonien vorhanden sei. Scoresby ist geneigt, dem
Raisonnement Eelking’s beizustimmen: der Englische Fischer
und Seemann habe damals gegen den Holländer in Aus-
dauer, Geschick, Selbstvertrauen und Energie zurückge-
standen.
Die Südsee-Compagnie. — Es gelang in der That un-
serem Landsmann !), die Gründung einer grossartigen Com-
paguie zu Stande zu bringen. Ein eigenes Dock wurde an
der Themse für die Zwecke der Gesellschaft gemiethet,
Lagerhäuser und Thrankochereien errichtet und im Früh-
jahr 1725 verliess eine Flotte von 12 neuen Schiffen, jedes
zu 306 Tons, die Themse. Der Erfolg war. ein mässiger,
254 Fische, aber doch weit günstiger als alle Ergebnisse
der letzten Jahre. Ein Theil der Mannschaften
und namentlich der Fischerleute auf diesen Schiffen waren
Deutsche und zwar vorzugsweise aus Sylt und Föhr. Sie
waren mit dem arktischen Fischfang vertraut, erhielten da-
her die Offizierstellen. Einige Schotten mit eingerechnet,
welche aus dem Niederländischen Dienst übertraten, waren
auf dieser ersten Expedition der „Südsee-Compagnie” 152
Fremde beschäftigt, welche ım Ganzen einen Verdienst von
grosser
1) Henrich Martens Eelking war der Sohn von Martens Eelking
und Margaretha Terhellen und geboren den 26. Februar 1673. Er war
Kaufmann und wurde am 1. September 1717 zum Ältermann in Bre-
men gewählt. Uber seine ferneren Schicksale kommt in einem älteren
Verzeichniss der Alterleute Folgendes vor: „Anno 1718, den 19. Okto-
ber, kam es mit ihm zum Bankerott, wiewohl seine Sachen so gar
schlimm nicht stunden. Er ging nach England, und weil er von gutem
natürlichen Verstande war, brachte er es dahin, dass ihm die Aus-
rüstung einer neuen Schifffahrt nach Grönland in London übertragen
wurde, die auch 1726 zuerst dahin absegelte.” — Ein Wappenbuch der
Alterleute hat darüber folgende Nachricht: „Den 18. Oktober 1718
wegen nicht bezahlter Wechsel seinen Abschied [i. e. aus dem Colle-
gium] genommen. Ist aber nachher in London bei der Südsee’schen
"oder Grönländischen Compagnie Direktor und Agent der 3 Hansestädte
geworden; 1739, 30. September, anhero gekommen und prätendiret so-
wohl das rückständige honorarium, als auch die Aufnahme in das Col-
lesium, ist aber abgeschlagen.” — Er starb im April 1740 in Bremen.
(Nach gefälliger Mittheilung aus den Familienpapieren.)
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
E. 3056, 18 s. 3 d. mitnahmen. Indessen, nachdem die
Gesellschaft 8 Jahre hindurch grosse Anstrengungen ge-
macht und bedeutende Summen aufgewendet, gab sie (1732)
das Geschäft unter erheblichen Verlusten für alle Betheilig-
ten auf.
Unter dieser Gesellschaft war es auch, wo zuerst eine
Whale-gun, Schiess-Harpune, zum Tödten der Fische in An-
wendung kam, und zwar so glücklich, dass bei dem ersten
Schiffe, wo der Widerstand der am Alten hangenden Har-
puniere überwunden und die neue Waffe eingeführt wer-
den konnte, zwei Fische von den drei überhaupt gefange-
nen durch die Whale-gun getödtet wurden. Für die Insu-
laner von Sylt und Föhr waren jene 8 Jahre des Be-
stehens der Südsee-Compagnie eine goldene Zeit, während
gerade die hohen Summen, welche den fremden Fischern
gezahlt werden mussten, an dem Unternehmen zehrten.
Ein Prediger auf Föhr saug freilich ein Jahrhundert später,
1824, in einem Gedicht:
„Grönlands eisiges Meer war uns, was Spanien Peru.
Aber wir Thoren, wir lehrten den stolzen Briten das Fischen,
Schieckten Harpunen ihm auch und büssen jetzt Strafe der Einfalt!”
Das war in einer solchen poetischen Ansprache an den
König von Dänemark sehr schön gesagt, allein wie die
Dinge nun einmal damals lagen, waren die Dienste, welche
die Bewohner der Friesischen Inseln den stolzen Briten in
der Fischerei leisteten, für die armen Insulaner eine reiche
Quelle des Wohlstandes. Der baare Gewinn der Friesischen
Fischerleute, welchen sie während der Zeit des Bestehens
jener Compagnie gemacht haben, soll nach einer Angabe
von kundiger Hand in den Schleswig-Holsteinischen Pro-
vinzial-Berichten $0.000 Thaler betragen haben. Im Jahre
1727, wo die Compagnie 25 Fahrzeuge hatte, waren diese
sämmtlich mit Föhringer Kommandeuren und Harpunieren
besetzt.
schen Inseln werden weiterhin noch näher zu besprechen sein.
Bald nach der Auflösung der Compagnie erfolgte die Ge-
nehmigung der Regierung zur Bewilligung einer schon früher
von der Gesellschaft erbetenen Staatsprämie für den Walfisch-
fang. Schiffe von 200 Tons und darüber, auf den Waltisch-
fang ausgesandt, sollten für jede Ton jährlich 20 Schillinge
Diese Fischerfahrten der Männer von den Friesi-
(6 Thlr. 20 Sgr.) Prämie aus der Staatskasse empfangen.
Indessen auch dadurch ermunterte man den durch die gros-
sen Verluste gedrückten Unternehmungsgeist nicht.
Beginn der Fischerfahrten nach der Davis- Strasse. —
Unterdessen fuhren die Holländer fort, in zahlreichen Flot-
tillen die arktischen Meere nach allen Richtungen hin auf den
Fischfang zu durchkreuzen. Im Jahre 1719 befuhren sie
zum ersten Mal die Davis-Strasse und fischten in den Baien
derselben. Gelegentlich traten sie auch mit den Eingebo-
renen in Verkehr und trieben Tauschhandel mit ihnen. Die
Die weiteren Unternehmungen’ bis zum 19. Jahrhundert. 29
Kabeljau-Fischerei der Holländer bei Island mag der Anlass
gewesen sein, zu versuchen, ob nicht weiter nordwestlich
die Gross-Fischerei mit Erfolg zu betreiben sei. Dazu kam
die grosse Conkurrenz im der Fischerei bei Spitzbergen,
welche eine allmähliche Vertilgung der Walfische in Aus-
‚sicht stellte. In den ersten 10 Jahren sandten die Hol-
länder 748 Schiffe nach der Davis-Strasse, was durch-
schnittlich nahezu 75 Schiffe für jedes Jahr giebt. Die Ham-
burger begannen diese Fischerei zugleich mit den Hollän-
dern, sie rüsteten im Jahre 1719 vier Schiffe dahin aus.
Die Bremer begannen 1725 mit zwei Schiffen.
Züge der Holländischen Fahrzeuge in der Davis-Strasse. —
Welchen Kurs jene nach der Davis-Strasse bestimmten Fahr-
zeuge nahmen und wo ungefähr sie dem Fischfang oblagen,
darüber giebt uns das Werk „De Walvischvangst” einige
Auskunft.
Insel Disco, wo noch heute die Walfischjäger von Dun-
dee und Peterhead: ihren freilich jetzt bedeutend weiter nörd-
lich ausgedehnten Rundlauf beginnen. Der gewöhnliche Weg,
der für die Fischerei auf den
Die Hauptfischerei war an der Südseite der
wie er sich allmählich als
verschiedenen Gründen vortheilhafteste herausstellte, war nun
der folgende: Nach Umsegelung von Statenhoek steuerte
man längs der (West-) Küste von Grönland hin bis zur
Zuidbaay (67° 10’ N. Br.), wo sich auch die Schiffe bei
der Rückkehr wieder zusammenfanden. 14 Holländische Mei-
len südlich derselben erstreckt sich eine ziemlich weite Bucht
und 3 bis 4 Meilen südwestlich von jener Bai finden sich drei
bis vier Eilande, von welchen das nordöstliche das grösste
ist. „Het Rif van de Zuidbaay” ist der Holländische Name
dieser Eilande. Man passirt diese Inseln am sichersten vor
starken Strömungen zwischen den Inseln und dem festen
Lande, wobei der Seefahrer ins Auge zu fassen hat, dass
das Land südlich der Südbai weit höher ist als nördlich
derselben. 4 Meilen Nordnordost der Südbai ist ein Fjord,
De Rommelpot genannt, und nördlich von diesem stellt sich
die Küste als sehr zerrissen und inselreich dar. Die Fahrt
geht dann nordöstlich bei dem Wilde Eiland vorüber nach der
mit hohem Ufer emporsteigenden Insel Rifkol (67° 16’).
In nordöstlicher Richtung segelt man an verschiedenen Inseln
vorbei und hat dann die Insel Disco nördlich, man segelt
jedoch bis auf 4 Meilen Ostnordost an und gelangt in
die Bonte Baay, weiter östlich in die Jessebaay. Dann fol-
- gen die Noordbaay, die Aenebaay, die Groene Eilanden
(sechs an der Zahl); von der südöstlichsten dieser Inseln
Südost zu Ost nach der Wilde Baay, zur Spieringbaay und
Zandbaay, in deren Norden der an Eisbergen reiche Eis-
Fjord, weiterhin die Roode Baay; von letzterer steuerten
die Schiffe Nord zu West zur Zwarte Vogelbaay und dann
im Kurs Nordwest zu Nord durch das Waygat, welches
“sich zwischen der Insel Disco und dem festen Lande 3 Mei-
len breit ausdehnt. Disco hat theils flachen, theils sehr
hohen Strand, vor dem Waygat zwei Inseln mit gewaltigen
Strömungen, die meist „om den Noord” gehen. Von der
Roode Baay nach der Disco-Baay ist der Kurs Nordwest
zu West. Von der Disco-Baay bis zur Liefde Baay. In die-
sen Baien waren damals reiche Walfischgründe, und zwar
sind letztere auf 10 bis 12 Meilen Ost zu West und auf
4 bis 5 Meilen Süd zu Nord beschränkt. „Von der Disco-
Bai läuft die Strasse Davis noch weiter nördlich”, sagt un-
sere Holländische Quelle, „wie weit, ist bis heute [1784]
unbekannt”.
Die späteren Entdeckungen der Engländer und Ameri-
kaner haben uns den Aufschluss darüber gebracht. Die
heutigen Fischer fahren regelmässig bis zur Melville - Bai.
Kommandeur L. Feykes Haan fand im Juli 1715, wo er
„bis dieht an den 72. Grad hinaufsegelte”, das Eis un-
Jetzt gehen die Walfisch-
fänger in der Regel bis zum 79. Grad!
beweglich und festgeschlossen.
— Die
Holländer traten, wie gesagt, öfters mit den Eingebornen
an der Grönländischen Küste in Verkehr.
Werkzeuge, Glasperlen u. dergl. tauschten sie von den Ein-
gebornen Robbenspeck ein. In der Liste finden wir denn
auch eine Anzahl Schiffe, die alljährlich nicht als Fischer,
sondern als Händler („handelaar”) nach der Davis - Strasse
geschickt wurden. Der von ihnen eingetauschte Speck wird
Tauschhandel der Holländer mit den Grönländern.
Gegen eiserne
mit dem Namen „handelspek” bezeichnet. Von diesem ein-
stigen Tauschhandel Holländer
finden sich noch Spuren in Gräbern, in deren Innerem man
der mit den Grönländern
Eisengeräthe, Glasperlen u. dgl. gefunden hat. „Es ist wohl
keine Frage”, sagt Etzel in seiner aus Dänischen Quellen-
schriften geschöpften Darstellung von Grönland, „dass dieser
Handel zu vielfachen Streitigkeiten und Blutvergiessen Ver-
anlassung gegeben hat, worauf mehrere Erzählungen hin-
deuten, die in dem Tagebuch des Dänischen Missionärs Paul
Egede aufbewahrt sind. Die Holländer müssen eine merk-
würdige Keeckheit und Ausdauer bei der Untersuchung der
Küste in ihrer ganzen Ausdehnung besessen haben, sie sind
von Upernivik bis nach Nennortalik im Süden von Julians-
haab gekommen, wo noch vor einem Menschenalter der Rest
des Wracks eines Holländischen Schiffes zu sehen gewesen.
Fast in jedem Distrikt dieses Theiles von Grönland findet
man einen „Holländer Hafen”, eine „Holländer Bucht”. Eine
Niederlassung der Holländer an irgend einem Theile der
Küste oder eine Besitznahme erfolgte von Seite der Holländer
nirgends. Jetzt, wo auf einer Insel westlich vom Kap
Farewell reiche Lager von Kryolith, Blei &e. von den
Dänen gefunden sind und ausgebeutet werden, mögen sie
es wohl bereuen. Die Marine der Hansestädte spielte in
jener Zeit, Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts,
30 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
eine untergeordnete Rolle. Holland war der eigentliche
Mittelpunkt des grossen Seeverkehrs, Amsterdam nahm unter
den Europäischen Seehafenplätzen eine Stelle ein wie heut
zu Tage etwa London.”
Verbot der Grönlands-Fahrten an die Hansestädte durch
König Christian V. von Dänemark. — Der Krieg der grossen
Allianz (Englansd, Spaniens und Hollands) gegen das von
Ludwig XIV. regierte eroberungssüchtige Frankreich war
entbrannt. Zu Lande und zu Wasser, von gewaltigen Heeren
und mächtigen Flotten wurde gekämpft. Die Niederlande,
um ihre Flotten durch seekundige Mannschaft zu besetzen
und diese vollzählig zu erhalten, verboten ihrem Gebrauche
gemäss die Fahrt nach Grönland, ja, sie gingen weiter und
verlangten am 20. Februar 1691 durch ein von Seite des Nie-
derländischen Residenten, Egerhard van der Kuistens zu
Hamburg, überreichtes Schreiben von den Hansestädten,
dass auch sie die Fahrten nach Grönland für das Jahr 1691
einstellen möchten. Die Deutschen Seestädte, so heisst es
in dem Schreiben der hochmögenden Generalstaaten, möchten
pro communi causa für dieses Jahr von der Grönlands-Fahrt
abstehen und nicht etwa von dem Eifer der Generalstaaten
für das gemeine Wohlsein einen Gewinn suchen. Sie wand-
ten sich deshalb auch an das Reich. Fast gleichzeitig, am
23. Februar, erlässt König Christian V. von Dänemark ein
Mandat, in welchem er ohne Weiteres den Walfischfang an
der Grönländischen Küste durch andere als Dänische Schiffe
verbietet. Die hochfahrende Sprache dieses Mandats wird
aus folgenden Stellen hervorleuchten:
Der König, heisst es, habe vernommen, dass verschie-
dene Personen sich ohne seine gnädigste Zulassung der
Fahrt nach Grönland (seit 50 Jahren war die Fahrt nach
Grönland völlig frei gewesen!) bedienten. Es hätten ihm
nun aber einige seiner lieben und getreuen Unterthanen
mitgetheilt, dass sie die Grönlands-Fischerei, welche eine
geraume Zeit geruht habe, wieder aufnehmen wollten. Der
König, als rechtmässiger Herrscher von Grönland und den
umliegenden Inseln, habe ihnen die Erlaubniss dazu er-
theilt. „Damit dieser Handel desto besser bei ihnen ge-
rathe und Fortgang haben möge, so verbieten Wir hiermit
den Hansestädten in Deutschland, dass sie, es geschehe
unter was pretext es wolle, sich solcher Fahrt auf Unseren
Strömen für vermeltes Grönland und andere Unserer Lan-
den und Inseln hinkünftig ohne Unsere allergnädigsten
Pässe und Zulassung ferner gebrauchen noch fortsetzen.
Daferne sie sich unterstehen möchten, diesem Unserm
ernstlichen Verbote zuwider zu thun, so wollen Wir deren
Schiffe und Güter, welche solcher Gestalt betreten und an-
getroffen werden, aufbringen und confiseiren lassen, wonach
sich alle Interessenten Allerunterthänigst wissen zu richten
_ und vor Schaden zu hüten haben.”
Mit Recht erregten beide Ansinnen in den Hansestädten
Unwillen und Bestürzung. Es fanden Verhandlungen zwi-
schen den Städten Statt, wobei sich für uns ergiebt,
dass auch Lübeck — in welchem Umfange, erfahren wir
Beson-
ders auffallend war die Zumuthung von Dänemark, das auf
einmal alte, vermeintliche, von England und Holland nie
nicht — an der Grönlands-Fahrt betheiligt war.
eingeräumte, ausserdem durch einen Vergleich unter den
betheiligten Flotten über die Fischgründe und Stationen
längst, wie man annehmen durfte, antiquirte Rechte dem
zur See ohnmächtigen Deutschland gegenüber geltend machte.
In der allgemeinen Verwirrung des Europäischen Krieges
hoffte Christian V. die in der letzten Zeit sehr einträglich
gewordene Grönlands-Fischerei ganz seinen Unterthanen wie-
der zuwenden zu können.
Ohnmacht der Hansestädte diesem Verbot gegenüber. —
Hamburg ') schlug vor, man solle gemeinschaftlich bei dem
König von Dänemark Gegenvorstellungen thun und auch
den Kaiser um seine Vermittelung angehen, damit das Ver-
bot zurückgenommen werde. Lübeck war mit dem Vor-
schlag einverstanden, Bremen aber widerstrebte, es be-
sorgte, dass Christian V. durch solche Schritte zu noch
grösserem Unwillen gereizt werden möchte, und so unter-
blieben sie. Eben so widerstrebte auch Bremen dem Vor-
schlage, dass die Städte durch eine gemeinsame energische
Erklärung die Forderung der Holländer zurückweisen möch-
Es wollte, da das Verlangen der Holländischen Re-
gierung gegen jede einzelne Stadt besonders ausgesprochen
ten.
sei, auch von jeder eine besondere Erwiderung, wenn auch
im Wesentlichen gleichen Inhaltes, erlassen wissen. Lübeck
mahnte umsonst: „Dum pugnamus singuli, vineimur omnes.”
In der vom Bremer Senat an die Generalstaaten er-
lassenen Antwort wird zuerst betont, dass Bremen gern um
des gemeinschaftlichen Interesses willen dem Ersuchen der
Generalstaaten nachzukommen bereit wäre, Bremen habe
sich aber bereits auf des Kaisers Zumuthen und Verord-
nung mit einem jährlichen gar hohen Contingent und Bei-
steuer zur Bestreitung des Krieges beschwert und werde
genöthigt, sich immer mehr, über der Stadt Vermögen, an-
zugreifen; ohnehin laste der Kriegs mit den Hemmnissen,
welche er über den Handel bringe, schwer auf den Ein-
wohnern der Stadt und selbst die Untergehörigen der Ge-
neralstaaten würden die Fahrt nach Grönland nicht ein-
stellen, vielmehr seien, wie man vernommen, in Norwegen
zur Continuirung des Waltischfanges auf Grönland für Hol-
ländische Rechnung einige Schiffe angeschafft und parat).
!) Die nächstfolgende Stelle ist der gefälligen Mittheilung des Herrn
Archivar Dr. Wehrmann in Lübeck, welche mir derselbe auf Grund der
Durchsicht der dortigen Akten machte, entnommen.
2) Die schlauen Holländischen Kaufleute hatten also neben dem „ge-
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. al
Die weltbekannte Äquanimität der Generalstaaten werde um
so weniger das sonst so treu vertheidigte mare liberum et
innoxium commereium den Bürgern Bremen’s missgönnen,
als die nach Grönland von Bremen auslaufenden 4 bis 5
Schiffe nicht mit Matrosen oder Kriegsleuten, sondern mit
in Bremen sesshaften Bürgern und Handwerksgesellen be-
setzt und versehen würden.
Hamburg ruft Schwedens Vermittelung an. — Hamburg
wandte sich, um das Mandat des Königs von Dänemark
rückgängig zu machen, an den König von Schweden. Die
Kopie dieses Schreibens, datirt vom 15. September 1691,
liest bei den Hamburger Grönlandsfahrer-Akten. In diesem
äusserst devot gehaltenen Schreiben heisst es:
Die „erbarmende Hülfe” gegenüber den Drangsalen, mit welchen
die Krone Dänemark Hamburg bedrohe, erwarte der Senat einzig und
allein von des Königs gnädigster Zuneigung für die Stadt Hamburg.
„Wir abstrahiren billig von weiterer Anführung des Schadens und Ab-
bruchs, welchen Ew. Königl. Maj. eigene Länder sammt Dero allgemei-
nes Interesse unter diesen Neuerungen leiden und ferner zu befürchten
haben, immassen von selbst hervorleuchtet, dass das praetendirte domi-
nium über die nordischen Meere und die daraus angemasste inhibition
des Walfischfangs auch in sich die Macht und das Recht einschliesse,
allen anderen und also nicht weniger den Schwedischen Unterthanen
selbige Fahrt, falls sie sich deren über kurz oder lang sollten gebrau-
chen wollen, verbieten zu können, aus der auf dem Elbstrom unter-
nehmenden sistirung, visitirung und redimirung unserer Schiffe aber und
aus ungezwungener Verbindlichkeit aller derer, welche mit Dänischen
Pässen gefahren, unzählige zeführliche effectus erfolgen müssen, indem
Ihre König]. Maj. von Däncmark dadurch das gesammte Elbeommereium
unter Ihre Macht und disposition ziehen, wirklich ein Mehreres und
weit Beschwerlicheres einführen, als der verlangte Glückstädtische Zoll
nicht gewesen sein würde, zu Behauptung sothaner usurpatio juris,
wenigstens unter dessen \orwand, selbigen freien Reichsstrom mit
Kriegsschiffen belegen und sich dadurch capabel machen dürften,
nicht allein diese Stadt nach eigenem Willen zu insultiren, sondern auch
anderen an der Elbe situirten Herrschaften, absonderlich bei etwa ver-
änderten Conjuneturen, grossen Schaden zuzufügen, überdem durch den
Bezwang hiesiger, mit Dänischen Pässen bishero fahrenden und, wie
wir zu unserm schmerzlichsten Leidwesen vernehmen, eine grosse An-
zahl ausmachende Schiffe, worunter viele 30 und mehr, ja einige gar
über 50 Kanonen führen, in benöthigten Fällen Dero Kriegsflotte auf
eine grosse verstärken können, hingegen, da all solche Schiffe meisten-
theils zu Glückstadt ein- und ausladen müssen, das Commereium von
dieser Stadt ab und dahin detourniret, Ew. Königl. Maj. Elbzolle zu
Stade aber (zu wessen regulirung bishero so viele Mühe genommen,
und worüber Ew. Königl. Maj. gnädigste ratification wir mit sehn-
liehem Verlangen erwarten) aufs Höchste deteriorirt und geschmälert,
wo nicht gar fruchtlos gemacht werden wird, zumahl da alle noch
etwa nach dieser Stadt destinirten Waaren in kleinen, als Dänischen
Unterthanen zugehörigen, und besagten Zollen nieht unterwürfigen
Schiffsgefässen anhero transportirt werden mögen” u. s. f.
Mit Einem Wort, das Interesse der Schwedischen Be-
sitzungen in Deutschland erheische, dass „den Pressuren
Dänemark’s, welche zum Ruin Hamburg’s führten”, Einhalt
gethan werde. Der Senat spricht aus, dass er nicht im
Geringsten zweifele, der König werde zum Schutze Ham-
burg’s diejenigen Mittel anwenden, welche er nach seinem
höchst erleuehteten judieio für die convenabelsten und zuläng-
lichsten achte, und schliesst unter „der in tiefster Ergebenheit
meinen Wohlsein” doch ihren persönlichen Gewinn wohl im Auge und
wussten das Verbot der eigenen Regierung zu umgehen.
ausgesprochenen demüthigsten Empfehlung an die gnädigste
Propension des Königs”.
Der ganze Vorfall, welcher weiter keine Folgen hatte,
da, wie wir sehen werden, die Fischerei der Hansestädte
bei Spitzbergen ihren Fortgang nahm, ist in mehrfacher
Beziehung charakteristisch und es rechtfertigen sich dadurch
diese eingehenderen Auszüge aus den Akten. Das waren
Glieder des Hansabundes, der einst im Norden hochgebie-
tend dastand, um dessen Gunst die nordischen Könige ge-
Zu so kleinlichen Mitteln mussten die
Städte greifen, auf solchen Umwegen mussten sie den Schutz
ihres Handels erstreben. Es tritt uns hier ein abschrecken-
des Bild der Ohnmacht entgegen, welche das Deutsche Reich
damals vornehmlich auch nach der See hin zeigte.
Vertrag zwischen Gross-Britannien, Frankreich und den
Niederlanden. — Im Jahre 1709 taucht die Gefahr, von
der Grönlands-Fischerei ausgeschlossen zu werden, für die
Hansestädte noch einmal auf, jetzt von England her. Am
8. März dieses Jahres schreibt der Englische Minister-Re-
sident Wich zu Hamburg, dass dem Vernehmen nach zwi-
schen Gross-Britannien, Frankreich und den Niederlanden
Behufs Sicherstellung ihres Walfischfanges während der
Kriegszeit über eine gegenseitige Verständigung verhandelt
werde. Er ist überzeugt, dass der Ausschluss der Stadt
Bremen von diesem Vertrage der Ruin eines ihrer bedeu-
tendsten Handelszweige sein würde. Der Bremer Senat
nimmt in einem Lateinischen Rückschreiben die angebotene
Vermittelung des Englischen Minister-Residenten dahin, dass
Bremen’s Fischerei in Grönland in diese Übereinkunft mit
eingeschlossen werde, unter vielen Dankbezeigungen an den
Minister-Residenten für seine Fürsorge um das Gedeihen
des Bremischen Handels an: „Hoc non tantum laude debita
celebramus, "verum etiam gratissimo animo agnoscimus at-
worben hatten!
que hactenus compensamus, data occasione reapse compen-
saturi.” Er habe deshalb auch an die Königin von Eng-
land geschrieben, „quae haetenus se clementissimam con-
seryatricem et promotricem commerciorum nostrae reipublicae
demonstravit”. Am 2. April 1709 meldet der Englische
Minister- Resident auf Grund eines vom Staats- Sekretär
empfangenen Schreibens, „que votre ville n’a rien ä eraindre
sur le sujet d’ötre exclue du commerce de Groenland. Vous
trouvez par lä, Messieurs, que la reine, ma tres-gracieuse
maitresse, est fort indulgente en toutes occasions vers les
villes Hanseatiques” &e.
Selbsthülfe der Hansestüdte durch Convoyirung der Grön-
lands-Fahrten mit eigenen Kriegsschiffen. — Neben allen die-
sen schwächlichen diplomatischen Mitteln, zu welchen die
Hansestädte gegenüber den grossen Seemächten ‚durch ihre
Kleinheit und isolirte Stellung gezwungen waren, suchten die
Städte sich aber auch mannhaft selbst zu helfen, so weit sie
32
es nur vermochten. Die Convoyirung ihrer mit werth-
vollen Ladungen fahrenden Schiffe durch mit Kriegsleuten
bemannte und für eine kräftige Seewehr genügend aus-
gerüstete Schiffe war das Mittel, welches sich in manchen
Fällen als sehr wirksam erwies. Besonders waren es die
durch die Algierischen Seeräuber fortwährend der Hambur-
ger Handelsmarine zugefügten Verluste, welche die Staats-
behörden der aufblühenden Handelsstädte zu energischerem
Vorgehen bestimmten. Im Jahre 1662 waren acht Ham-
burger Schiffe durch zwei Algierische Korsaren-Fregatten
weggenommen worden. Der Anschluss Hamburg’s an das
Holländische Convoy - Wesen wurde vergebens durch den
Hanseatischen Gesandten in Holland, Aitzema, erstrebt. Man
bildete nun in Hamburg eigene Convoy - Anstalten. Aus
Mitgliedern des schon im Jahre 1623 in Hamburg errich-
teten Admiralitäts-Collegiums wurde als Sektion eine Convoy-
Deputation eingesetzt, in Bremen gab es um diese Zeit schon
„Convoy-Herren”. Im Jahre 1669 waren in Hamburg zwei
nach Holländischem Muster neu erbaute dreimastige Orlog-
schiffe, der „Leopoldus primus”, Kommandeur Kapitän Ma-
thias Dreyer, und das „Wapen van Hamburg”, Kapitän
Holst, fertig.
wohl in die nördlichen Meere, zum Schutze der Grönlands-
und Archangel-Fahrer, als in die „Westsee” und ins Mittel-
meer.
Die Hamburger Convoy -Fahrten gingen so-
Näheres über die Hamburger und Bremer Convoyer. —
Es wird von Interesse sein, über dieses Stück Deutscher
Wehrhaftigkeit zur See einiges Nähere nach Herrn Archivar
Dr. ©. Beneke’s Hamburgischen Geschichten und Denk-
„Je 20 bis 30, oft 40 bis
sich um ihr Convoyschiff wie
wehrlose Leute um einen gewappneten Mann. Der Kapitän
würdigkeiten hier mitzutheilen.
50 Kauffahrer sammelten
desselben war ihr Admiral, in seiner Hand lag "das General-
Kommando, welchem zu Aller Heil der strengste Gehorsam
geleistet wurde. Seine Verantwortung war gross, denn
nicht nur die Vertheidigung gegen die Türkengefahr, son-
dern auch gegen Wind und Wetter, die strategische wie
Der Admiralsbrief
bestimmte genau das Verhalten der Handelsschiffe zum
Kommandeur. Der Wichtigkeit seines Amtes entsprach die
ihm beigelegte Autorität, wie auch zur See sein wirklicher
Admiralsrang, wenn schon die Hanseatische Abneigung gegen
hochklingende Titel ihm nur den Charakter eines Kapitäns
oder Commodore gönnte. Unter ihm standen der Schiffs-
Lieutenant, der Schiffer, die Steuerleute, Ober-Constabler
und andere Offiziere nebst einer Mannschaft von 130 bis
150 Matrosen und 60 bis 80 Soldaten. - Ausserdem waren
an Bord: der Convoy -Prediger, der beim Schiffsvolk nur
‘den Holländischen Titel „Domine” führte, ein Wundarzt,
ein „Botellier”, der die Getränke beaufsichtigte, Köche, ein
-
nautische Führung war ihm anvertraut.
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Profos &e. Morgens und Abends war Gottesdienst, Sonn-
tags ausserdem Predigt und Communion, denn damals galt
der Spruch:
„Kein guter Boots- und Steuermann
Ohn’ Beten und Singen fahren kann.’
Der Artikelbrief enthielt strenge Disciplinarvorschriften
für die Mannschaft. Ein gottesfürchtiger Wandel war darin
neben dem unbedingtesten Gehorsam Allen eingeschärft.
Trunk, Zank, Lästern und Fluchen zog schweren Arrest
nach sich. Wer äuf der Wacht schlief, wurde drei Mal
„gekielt” (unter dem Schiffskiel durchgezogen) und von'allem
Schiftsvolk „geleerset” (vermuthlich die Bezeichnung für
eine Art Spiessruthenlaufen). Wer den Anderen freventlich
verletzte, wurde gekielt; wer sein Messer auf den Anderen
zückte, dem wurde die linke Hand mit einem Messer an
den Mast genagelt &e. Im Kabelraum durfte nicht „Toback
getrunken” (geraucht) werden. Karten, Würfel und Weiber
wurden an Bord nicht geduldet.
men und fleissigen Bootsleuten ein guter Sold, rechtschaffene
Dagegen war den from-
Kost und bei Verwundung oder Verkrüppelung im Schiffs-
dienst oder Gefecht die Heilung auf Staatskosten bei vollem °
Solde, auch anständige Versorgung am Lande im Aussicht
gestellt.”
Bezüglich Bremen’s wird schon im Jahre 1671 ein „von
Jakob Gerdes kommandirtes Jagtschiff”” neben dem damali-
gen, vermuthlich als Wachtschiff bei der Stadt benutzten
sogenannten Orlogschiff erwähnt. Doch meistens schlossen
sich die Bremer Schiffe einem Hamburger, Holländischen
oder Englischen Convoy an (letzterem besonders für die
Fahrt nach und von England), wobei der letztere sich frei-
lich als ziemlich kostspielig erwies. Im Jahre 1691 besass
Bremen ein eigenes Conyoy-Schiff, das „Wappen von Bre-
men”, unter dem Kommando von Jürgen Bakker, ein Name,
der später in der Liste der Bremischen Kapitäne oft wieder-
kehrt. Dieses Schiff war, wie aus den folgenden Angaben
sich ergiebt, für seinen Zweck „sattsam ausgerüstet”. Es
war 112 Fuss lang, 29 Fuss weit, hatte im Raume 12 Fuss
und unter Deck 6 Fuss, führte 14 Zwölf-, 1 Acht-, 9 Sechs-,
10 Vier- und 4 Dreipfünder, ausserdem 4 metallene Kanonen
von 3 Pfund und 8 metallene Bassen nebst 8 Bomben, 180
Handgranaten, 31 Fässer Pulver, je zu 100 Pfund, und
21 Pfund Musketenkugeln, desgleichen 42 Musketen, 46
Pistolen, 30 Enterbeile, 14 davon mit Hellebarden, &e.
Der „Roland”, ein zweites kleineres Schiff mit 4 Ankern
und 2 Werf-Ankern, hatte an Bord 1 Handbombe, 6 eiserne
Kanonen von 12 Pfund, 18 von 6 Pfund, 8 von 4 Pfund,
16 Koparden von 12 Pfund, 4 desgleichen von 6 Pfund,
8 eiserne Bassen mit 16 Camern, 50 Musketen, 45 Pisto-
len, 20 Hauer, 28 Enterbeile, 24 Piken &e.
Dieses Schitt war es wohl, welches im August 1696
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 33
auf Ansuchen der Compagnien auf die rückkehrenden Grön-
lands-Fahrer zu ihrer Convoyirung in die Heimathshäfen
kreuzte.
Schon im Jahre 1690
Grohnland” in den Bremer Akten erwähnt, wie es scheint,
wird eim „Convoyschiff nach
von den betheiligten Rhedern angeschafft und unterhalten.
Am 2. April dieses Jahres bitten Albert Ellerhorst und
Consorten, „in dem Convoyschiff nach Grohnland interessiret,
um Herleyhung von 16 bis 18 eisernen Stücken, wie sie
im Schiffe dienlich, nicht eben der grössten Art, sammt
den Laffetten oder Koparden”. Sie erklären sich dabei
bereit, den Kaufpreis der Kanonen zu hinterlegen, indem
sie sich verpflichten, dieselben innerhalb drei Monate un-
beschädigt zurückzuliefern oder auch andere dafür wieder
zu liefern oder das baare Geld zu erlegen. Die Dauer
der Reise, wie sie hier angegeben wird, erscheint ziemlich
kurz, da zu eben derselben Zeit die Niederländischen
Grönlandsfahrer in der Regel vier Monate ausblieben.
In Hamburg fand zu jener Zeit die Convoyirung der
Grönlandsfahrer wohl regelmässig Statt, sofern solche erbeten
war. Namentlich lassen sieh Conyoyirungen aus den Jahren
1679, 1691, 1695, 1696, 1703 bis 1711 (jährlich) nach-
weisen. Im Jahre 1676, am 17. April, fand die Musterung der
220 Mann starken Equipage auf des Kapitän Holst Orlogschiff
zu Wittenbergen Stat. Am 14. März 1677 schloss Kapi-
tän Dietrich Hillebrandt seine Kapitulation ab. Derselbe
nahm ausser der übrigen Mannschaft 43 Soldaten an Bord.
In demselben Jahre ward die Hamburger Kriegsfregatte
„Leopoldus Primus” zum Convoydienst ausgerüstet und
kehrte im September nach etwa dreimonatlicher Fahrt von
Grönland zurück. Im nächstfolgenden Jahre, am 3. April,
nahm der berühmte Kapitän Berend Jacob Karpfanger für
den „Leopoldus Primus” 220 Mann „für den Convoydienst
auf Grönland aus und zu Hauss” an. Mit reicher Beute
von 513 Fischen kehrte die aus 55 Schiffen bestehende
Flotte nach etwa dreimonatlicher Fahrt im September zurück.
Siegreiches Seetrefen des Hamburger Convoyers „Leopol-
dus Primus”. — Zuvor war jedoch ein Gefecht mit Kapern
zu bestehen, dessen für das Deutsche Kriegsschiff rühm-
lichen Verlauf uns Dr. Beneke anschaulich in folgender
Weise schildert: „Guten Muthes in die Elbmündung ein-
segelnd sah sich plötzlich die Flotte von fünf gut armirten
Schnellseglern, Französischen Kapern aus Dünkirchen, an-
gefallen. Das grösste dieser Schiffe führte 38 Kanonen.
Rasch traf Karpfanger seine Anstalten.
fehle so umsichtig, dass die semer Obhut vertrauten Schiffe
völlig gedeckt blieben, während er selbst den Kampf mit
den Piraten ausfocht.
diges Treffen, in welchem zuletzt die Kaper von den Ka-
Er gab seine Be-
Es war ein hitziges, fast zwölfstün-
nonen des „Kaiser Leopold” arg zugerichtet wurden. Zwei
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
ihrer Schiffe schoss Karpfanger in den Grund, dass sie vor
seinen Augen mit Mann und Maus versanken, die übrigen
suchten mit Verlust einiger 50 Mann das Weite und ent-
kamen unter dem Schutze der Nacht. Das Convoyschiff
hatte nur zwei Todte und einen Verwundeten verloren.
Unter den Todten war der Schiffs-Profos. Dieser, der beim
Gefecht eigentlich Nichts zu thun hatte, war aus Neugier
aufs Deck gegangen, um nachzusehen, ob die Affaire bald
zu Ende sei, denn ihn hungerte. Und gerade als er einem
Bootsmann äusserte, er habe seit dem Frühstück noch nichts
Gewichtiges im Leibe, traf eine achtpfündige Kanonenkugel
Dem ‚Kaiser Leopold” waren
einige Schüsse unter Wasser in den Rumpf gegangen, auch
Sonst aber hatte er
bei dem Feuer der fünf Kaper so gut manöyrirt, dass er
Wegen dieser
des armen Mannes Magen.
hatte die Schanzbekleidung gelitten.
im Übrigen unbeschädigt geblieben war.
rühmlichen Affaire war viel Jubels in Hamburg. Selbst
die Admiralität — nach freistädtischer Art in lobender An-
erkennung der Verdienste ihrer Untergebenen äusserst spar-
sam — konnte nicht umhin, den bravyen Karpfanger in da-
bekam
mals üblicher Weise auszuzeichnen. Er
seiner wider die franschen Kaper zur Defension der Grön-
„wegen
landsfahrer getroffenen guten Anstalten und wegen so mann-
haft als siegreich gelieferten Gefechtes” eine „Verehrung”
von 300 Thalern.”
Im Jahre 1679 war „Leopoldus Primus” wieder auf
Convoy nach Grönland, doch begleitete er die Schiffe nur
bis auf eine bestimmte Höhe und holte dann die Lissabon-
fahrer von England ab.
1694 ging der Conyoy im April in See und kehrte am
17. September zurück, im folgenden Jahre war er vom
27. April bis Mitte September aus. 1696 war Kapitän
Mariensen, 1697 der Kapitän Tamm auf Convoy nach
Grönland.
Über die Entschädigung, welche von den Walfisch- und
Robbenfängern an den Staat für den Convoy gezahlt wurde,
findet man in Klefeker, Hamb. Gesetze und Verfassungen,
VII, S. 52, Auskunft. Anno 1693 ward beliebt, dass 6 Thaler
für jeden Fisch gezahlt werden sollten. Im Jahre 1705
offerirten die Deputirten der Grönländischen Rhederei 4 Tha-
ler per Fisch an die Kammer und 300 Mark an die Ad--
miralität pro Schiff. Nach längeren Verhandlungen ward
dann pro ultimato beschlossen: „Von jedem Schiff, das nach
Grönlandt gehet, soll ohne präjudice statt der sonstigen
Fischgelder 100 Mark in Cronen an die Kammer und der
Admiralität 100 Reichsthaler in Cronen erlegt werden”.
In diesem Jahre übernahm der „Prophet Daniel”, sein
mit 50 Stück montirtes und mit 200 Mann, worunter 50
Soldaten, ausgerüstetes Schiff den Convoy nach Grönland
und war am 25. April segelfertig.
oı
34 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Hier sei die Grenze unseres Streifzuges auf das die
Grönlandsfahrten berührende Gebiet der Deutschen Kriegs-
marine-Geschichte.
Genaue Nachrichten über die Bremer Grönlands - Fische-
rei. — Die ersten genauen Aufzeichnungen über die Zahl
und Namen der Schiffe, der Directeurs und der Kom-
mandeurs bezüglich Bremen’s enthält ein jetzt noch in ein
Es be-
ginnt im Jahre 1695 und ist wenigstens in ein Paar Haupt-
oder zwei Exemplaren vorhandenes Rhederbuch.
rubriken Jahr für Jahr bis zur Gegenwart fortgeführt. We-
der von England und den Niederlanden noch von Hamburg
vermochte ich trotz vielfacher Bemühung eine so vollstän-
dige Liste aufzutreiben.
lichen einen Überblick über die von der Weser unter-
Diese Aufzeichnungen ermög-
nommenen Grönlandsfahrten von jenem Jahre an bis zum
heutigen Tage, also auf 173 Jahre. In einer Beilage sind
ein Auszug aus diesem Rhederbuch !) nach zehnjährigen
Perioden und die letzten acht Jahre einzeln gegeben. Auf
Einzelnes, namentlich auf den Robbenschlag, werde ich zu-
rückkommen und hier nur noch Einiges erwähnen. Von
1716 bis 1725 beschäftigte Bremen die höchste Zahl, zwi-
schen 20 und 21 Schiff, in der Grönlandsfahrt. Rechnen
wir durchschnittlich Schiffe und Ausrüstungen zusammen ?)
nur zu 12.000 Thalern, so hatte in jenen Jahren Bremen
im Sommer immer ein Kapital von mindestens 250.000 Tha-
lern in der Grönlandsfahrt stecken. Nach den bis 1730
zurückreichenden Tabellen über die Ergebnisse der in Bre-
men erhobenen Vermögenssteuer betrug in jenem Jahre
das gesammte steuerbare Vermögen 10% Millionen Thaler.
Das jährlich in der Fischerei steckende Kapital war also
grösser als die Hälfte einer vierprozentigen Rente dieses
Gesammtvermögens.
Für das Jahr 1695 giebt das Buch folgendes Verzeichniss:
Directeurs Schiffe Kommandeurs Fische Chardel
Cord Grelle Margreta Jacob Boje 1 444
5 = Bienkorb Arian Dirks 3 150
vs nn Freede Rulff Rulffs 4 200
Peter Löning Endracht Frerich Hansen 3 220
9 ei Hoffnung Jan Classen 2 165
Dan Willet Moses D. W. Bleeker _ =
Herm. Backer Charitas G. Andreesen —_ —
Dan Willet Segelmacher Rulff Rulffs 2 9
8 Schitte 15 7884
Barten 85 Thaler, Thran 16 Thaler.
Im Jahre 1696 finden wir 12 Schiffe, im Jahre 1697
16 Schiffe beschäftigt. Aus diesem Jahre erzählt Zorgdrager:
„In der Klokkbai, bei der ersten Vertheilung der Spitzbergi-
schen Baien auch Englische Bai genannt, welches eine weite
und geräumige, mit verschiedenen Armen tief in das Land
!) Dasselbe ist auch im Jahrgang 1867 der Geogr. Mittheilungen
(S. 416) schon besprochen.
2) Unter Berücksichtigung der damaligen Preise und Vergleichung
der Kosten, wie sie sich nach vorliegenden Angaben damals in Hol-
land und 50 Jahre später in. Bremen stellen.
hinein laufende Bai ist, sind wir im Jahre 1697 mit un-
serem Schiff, die „vier Brüder” genannt, mit sieben Fischen
nebst einer durchgängig reich geladenen Flotte von mehr
als 200 Schiffen gelegen. Denn weil mit Frankreich Krieg
war, musste allhier unser Sammelplatz sein. Von dieser
Flotte, welche unter Beschützung neun Holländischer und
zwei Hamburger Convoyer in der Bai sich versammlete,
bemerke ich Folgendes:
Es bestand diese Flotte aus
121 Holländischen Schiffen, deren Ladung 1252 Fische,
54 Hamburger 55 nr > DBIS
15 Bremer > 9 5) 1197
2 Emdener ” = = 2.05
1888 Fische waren.
„Unter allen diesen Schiffen war nicht eines, das Nichts
gefangen hatte; viele aber waren voll und hatte unter den
Holländischen das geringste drei Fische. In jetzt gemeldter
192 Schiffe, deren Ladung
innern Bai, der Schöne Haven genannt, konnten alle Schiffe
auf einem guten Sand und Steck-Grund, vor allen Winden
beschützet, gemächlich zur Anfuhrt kommen. Auch kamen
allhier noch verschiedene Moscovien-Fahrer zu uns, um unter
unserer Convoy mit zu segeln.” Das sechzehnte Schiff der Bre-
mer, das „witte Lam”, Kommandeur J. Schwartz, verbrannte.
Bremer Kommandeure, Rheder, Schiffe in älterer Zeit. —
Die Namen der Bremer Kommandeure sind zum Theil noch
jetzt unter den Bremer und Vegesacker Schifferfamilien zu
finden, wie z. B. die Dirks, Wischhusen, Geers. Andere
Bremer Namen: Teklenborg (Kommandeur des Schiffes
„Vreede”, Direeteur H. Schomaker), ferner P. Wilmssen
(Kommandeur der „Fortuna”) und J. Wischhusen (Komman-
deur des Schiffes ‚Freede’”, Directeur Cord Grelle) und M.
Janssen (Kommandeur des Schiffes „Charitas”, Directeur H.
Backer) sind noch jetzt vertreten. Gleichlautend mit den
Namen Holländischer Kommandeure ist z. B. Rulff Rulfis.
Es kommen zwei dieses Namens vor, von denen der eine
die „witte Duve”, der andere das Schiff „Segelmaker” kom-
mandirte. Der Kommandeur Jan Classen (das Schiff „Hoff-
nung”, Directeur Peter Löning) war, wie ich aus einer
Notiz ersehen habe, ein Jüte, während der Name des Kom-
mandeurs Frerich Hansen auf Holstein oder Schleswig deutet.
Die Föhringer in Englischen und Holländischen Diensten
auf der Grönlandsfahrt. — Wie auf den Schiffen der Eng-
lischen Südsee-Compagnie, so dienten die Schleswig’schen
und Holsteinischen Insel-Friesen auch auf den Holländischen
und hanseatischen Grönlandsfahrern. Posselt, Prediger zu
St. Johannes auf Föhr, erzählt, dass die Insel Föhr von
jeher eine Pflanzschule der Woalfischfänger gewesen sei.
Seit undenklichen Zeiten hätten ihre Seefahrer die Hollän-
dische Grönlandsflotte angeführt und bedient. Sogar in
Spanischen Diensten befanden sich zu Ende des 18. Jahr-
hunderts Harpuniere aus Holstein auf dem grossen Fisch-
fang in der Südsee. Vormals, so berichtet er weiter, ging
Alles, was männlichen Geschlechts auf Föhr war, sobald
die Tüchtigkeit zum Seedienst anfing und so lange sie
dauerte, auf den Walfischfang nach Grönland. Man darf
annehmen, dass auch die Holländer ohne die Hülfe unserer
in der grossen Fischerei erfahrenen Landsleute ihren Fi-
schereibetrieb in dem damaligen grossartigen Maassstabe
nicht hätten fortsetzen können. Stibolt (om Hvalfiskerier-
nes Hindringer og Opkomst, in den Schriften der Kopenh.
Landh.-Ges. 1, S. 376) versichert, im Jahre 1765 selbst
Zeuge ihrer grossen Verlegenheit gewesen zu sein, als die
Ankunft der Föhringer durch widrige Winde verzögert wurde,
so dass die mit dem ersten Schiffe Angekommenen sich
eine ungewöhnlich grosse Heuer bedingen konnten. Den
Frauen überliess man den unbedeutenden und sehr ver-
nachlässigten Ackerbau und steuerte mit Anbruch des Früh-
jahrs in einer Flottille von 10 bis 14 kleinen Fahrzeugen
nach der Elbe und den Holländischen Häfen. Zu Anfang des
Herbstes kehrte man wieder nach der Heimath zurück, oft
ohne einen Mann verloren zu haben.
In der Berechnung der Reinerträge des Holländischen
Walfischfangs, welche 1733 die Rheder der Grönländischen
Fischerei der Regierung von Amsterdam einreichten, wird
angenommen, dass überhaupt der vierte Theil der auf den
Holländischen Grönlandsfahrern bezahlten Monatsgelder an
„Jutten en Norren” bezahlt werde, davon bleibe jedoch der
grössere Theil in den Niederlanden, indem sie sich bei
ihrer Rückkehr nach der Heimath im Herbste mit Haus-
rath, Kleidern u. dergl. versorgten. Unter jenem Ausdruck
„Jutten en Norren” war Niemand anders als die Insel-
Friesen verstanden. Es wird angenommen, dass sie durch-
schnittlich jährlich an baarem Gelde 20.000 Gulden mit
nach Hause brachten. Noch heut zu Tage sind auf den
Friesischen Inseln in den „Kakebeens”, den Kinnbacken-
knochen der Wale, sichtbare Zeichen jener Friesischen Grön-
landsfahrten vorhanden. Sie dienen als Umfriedigungen
von Gärten. In Bremen und Umgegend, so wie in verschie-
denen Theilen Hollands wurden diese „Kakebeens” einzeln
vor Häusern und an Landwegen als Prellsteine aufgepflanzt.
Ferner schreibt mir Herr Pastor Frerks zu St. Nicolai
auf Föhr, 17. August 1868: „Im Besitz meiner Ältern in
Wyk war ein Ölgemälde, freilich ohne künstlerischen Werth,
den Walfischfang darstellend. Man sieht an Grönlands fel-
siger. Küste mn dem mit Eisschollen bedeckten Meere ein
Dänisches, ein Holländisches, ein Englisches, ein Hamburger
und ein 'Schwedisches Schiff im Eise zertrimmert. Im
Vordergrund sind der Walfisch- und Robbenfang, sowie Eis-
bärenjagden dargestellt. Darüber steht: „Vis vineitur arte”
und die Unterschrift nennt -den Maler: Johann Samuel
Winkstern 1778. Ich habe das Bild in der Vordiele des
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 35
Pastorats aufgehängt, wo es als Andenken an alte gute
Zeiten hängen bleiben mag.”
Die Seefahrer, welche auf den Walfischfang in der
Davis-Strasse fuhren, reisten schon in der spätern Hälfte
des Januar von Föhr nach den Plätzen ab, wo sie sich
vermietheten. Gegen Ausgang Februars fuhr ein anderer
Theil und im Anfang März ein zweiter grösserer aus der
Winterstation ab.
Im Jahre 1777, Anfang März, segelten an einem Tage
13 Schmacken mit etwa 1000 Seefahrenden von Föhr nach
Holland, Altona, Hamburg und anderen Orten ab. — Nach
zurückgelegter Reise, welche gewöhnlich 5 bis 6 Monate
währte, kehrten die Leute so bald als möglich zu den Ihri-
gen zurück. Gewöhnlich lagen Schiffe, welche für 50 bis
80 Personen Raum hatten, zur Zeit der Rückunft von Grön-
land bereit, sie mit dem ersten günstigen Winde nach ihrer
Heimath zu führen. Der Theil der Seefahrer, welcher sich
durch Tüchtigkeit im Dienst und Rechtschaffenheit bewährt
hatte, wurde sehr geschätzt und viele derselben wurden
gewöhnlich gleich beim Abschiede von der zurückgelegten
Reise oder bald nachher zum Dienst fürs folgende Jahr
wieder angenommen.
Der Winter war den Leuten im Schoosse der Familie
eine Zeit der Ruhe und des Glückes. Jünglinge von 16
bis 20 Jahren und darüber besuchten die Steuermanns-
Schulen. Diese wurden in allen Dörfern gefunden. Die
Lehrer derselben waren grösstentheils Seefahrende, welche
zum Unterricht in der Navigation die erforderlichen Kennt-
nisse besassen. Die Schulen wurden am Tage und in den
Abendstunden besucht und für jeden Tag oder Abend von
dem einzelnen Schüler 1 Schilling bezahlt.
Die Abreise im Frühjahr und die Ankunft im Herbst
waren nicht bloss für die Angehörigen, sondern für die
sämmtlichen Bewohner der Insel ein Ereigniss. Schon meh-
rere Wochen vor der Reise beschäftigten sich die Haus-
genossen der Abreisenden mit der Instandsetzung der Sachen,
War die Zeit der Ab-
reise gekommen und die Sachen der Abfahrenden auf die
deren sie auf der Reise bedurften.
Schiffe gebracht, der Wind günstig geworden, dann musste
Abschied genommen werden von Familie und Heimath. Die
Tage der Heimkunft im Herbst waren Festtage !).
Die Walfischjäger von der Unterweser-Gegend. — Unter
den Westfriesischen Inseln stellte Borkum ein besonders
starkes Contingent von Seeleuten für die Holländische
Fischerflotte. Auch die Leute von der Oldenburgischen Geest,
aus dem Stedingerlande, dem Amte Delmenhorst und aus der
Umgegend von Vegesack sehen wir schon frühe zahlreiche
Mannschaften zu dem gefährlichen, aber auch eimträglichen
1!) Schlesw.-Holst. Prov.-Bericht, Jahrgang 1824.
5*
56 _ Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Gewerbe stellen. Diess sind die Ortschaften Ganderkesee
und Altenesch am linken (Oldenburgischen) Weser - Ufer,
ferner die Dorfschaften Hasenbüren, Mittelsbüren und Nieder-
büren, Lesumbrok, Schönebeck &e.!) Es kommen z. B.
als Kommandeur-Namen die Wubbenhorst und Pund vor,
beides Namen von alten Bauernfamilien, die schon Jahr-
hunderte hindurch und noch heute auf dem Hofe ihrer Väter
dicht an dem grossen Eichenwalde Hassbrook sitzen. Jün-
gere Söhne dieser Familien werden einst, da der Hof ihnen
nieht zufallen konnte, zur See gegangen sem. Der Beruf
erbte sich hier wie da vom Vater auf den Sohn fort.
Während die Einen daheim die väterliche Scholle pflügten,
massen sich die Anderen als Kommandeure oder Harpu-
niere im Kampf mit den Stürmen des Eismeeres, mit den
weissen Bären und dem Seeungeheuer, dem Walfisch.
Holländische Gebräuche und Einrichtungen auf den han-
seatischen Grönlandsfahrern. — Auf den Bremer wie den
Hamburger Schiffen war bei dem Walfischfange das be-
währte System der: Partnerschaft nach Holländischem Vor-
bild eingeführt. Der Kommandeur und der Harpunier er-
hielten ein Bestimmtes im Voraus, der Betrag schwankte
zwischen 100 und 200 Gulden, und ausserdem eine Prämie
für jeden gefangenen Fisch. Die Mannschaft erhielt ein Hand-
geld. Im Übrigen erhielten sie entweder, was selten geschah,
volle Monatsgage, in welchem Falle sie an dem Ertrage
des Fisches keinen Antheil hatten, oder sie hatten halb
eine feste Heuer, halb waren sie auf den Ertrag des Fan-
ges angewiesen, oder endlich war bis auf das Handgeld ihre
ganze Einnahme von dem Ertrag des Fischfangs abhängig.
Schiffsbau in Bremen am Ende des 17. Jahrhunderts. —
Gerade um die Zeit, wo der Walfischfang in Bremen wie-
der aufgenommen wurde, im letzten Viertel des 17. Jahr-
hunderts, zeigte sich überhaupt an der Weser eine regere
Entwickelung der Seeschifffahrt. Im Jahre 1622 war der
Vegesacker Hafen eröffnet worden. Der Schiffsbau bei der
Stadt Bremen ward im Jahre 1688 durch eine Gesellschaft von
Interessenten wieder aufgenommen, als deren Vertreter die
Bremischen Rheder Dietrich Düsing, Werner Wortmann, Bor-
nemann und ter Hellen genannt werden. Nachdem dem Rath
vorgestellt war, „dass es für die Handlung von grossem
Vortheil sein würde, wenn der Schiffsbau hier bei der Stadt
wieder eingeführt würde”, erhält diese Gesellschaft verschie-
\) Am 15. März 1710 richtet der Senat von Bremen an die Königlich
Dänische Regierung zu Oldenburg das Ersuchen, die in den Graf-
schaften Oldenburg und Delmenhorst für die Bremer Grönlandsflotte an-
geworbenen Mannschaften von „ca. 50 Mann” zu ihrer Pflicht und
Dienst anzuhalten, da dieselben vor dem Erscheinen des Königl. Patents
vom 12. März, welches verbot, sich in fremde Dienste zu begeben, an-
genommen seien. (Diesem Gesuch giebt denn auch der Gouverneur
Hahn Folge, da die Bremer Kaufleute sich erboten hatten, „zur An-
werbung der gleichen Zahl von Mannschaft den in Bremen sich auf-
haltenden Dänischen Werbecapitains behülflich zu sein”.)
D
dene Vergünstigungen. Es wird ihr ein Platz nebst Haus
am Bauhofe zugewiesen Es wird ferner die Erlaubniss ge-
geben, dass eine Anzahl Knaben aus dem Waisenhause auf
der neuen Werft als Lehrlinge eintreten sollten. Den Baas
der Werft zusammt drei oder vier Gesellen, ferner den
Ankerschmied und seine Leute liess man aus der Fremde
(wahrscheinlich aus Holland) kommen und sie erhielten für
sich und ihre Familien das Bürgerrecht. Es ward zu-
gestanden, „dass die auf der Werft erbauten Schiffe, es
seien fremde oder hiesige, die ersten sechs Jahre bei der
Abfahrt keine Bau- oder andere Ungelder geben sollten,
wenn schon dieselben von fremden Personen gekauft sein
würden, jedoch mit dem Bedingen, dass unsere Bürger und
Einwohner allemalen den Vorzug für Fremde behalten
sollen, dergestalt, dass, wenn dieselben ein Schiff begehren,
vor Fremde keine gebaut noch abgefolgt werden.” Diese
Bestimmung war schon weit liberaler als eine frühere han-
seatische Verordnung, nach welcher überhaupt der Bau der
Schiffe für fremde Rechnung, verboten war.
Selbst der Vegesacker Hafenmeister, welcher eine Hel-
lung zum Kalfatern der Schiffe unterhielt, musste, wenn er
neue Schiffe bauen wollte, das Holz nach Bremen bringen
lassen und auf dem Bauhof in Bremen bauen. In solcher
Weise legte man sich doch wieder selbst Fesseln an, wäh-
rend sich ohnehin von aussenher dem Aufschwung der Deut-
schen Handelsmarine Schwierigkeiten genug entgegenstellten.
Aus dem 18. Jahrhundert sind uns in eimigen jetzt
sehr selten gewordenen Druckschriften Schilderungen ausser-
ordentlicher Erlebnisse und Gefahren, welche Deutsche See-
leute und Deutsche Schiffe in den Polar-Gewässern zu be-
stehen hatten, überliefert.
Holländische Seeberichte aus Grönland. — Ich lasse einige
Notizen über verschiedene Schiffsunglücke und Ereignisse
bei der Holländischen Flotte aus der Zeit von 1670 bis
1770 vorhergehen. Sie betreffen zunächst die Verluste
„om de Ost”, an der am wenigsten zugänglichen Ostseite
von Spitzbergen, und die Schiffsbrände, sodann einige un-
gewöhnliche Vorfälle.
Jahre Verlassen „om de Ost” Verbrannt
(nämlich von Spitzbergen)
1684 15 —
1701 — 1
1722 — 1
1741 5 —_
1752 3 —
1710. Ein Schiff aus Enkhuizen im September in der Besetzung bei
Island im Westeise (also bei Ost-Grönland) geblieben.
Ferner ein Schiff aus Uytgeest den 25. September in der
Besetzung im Westeise geblieben.
1712. Ein Schiff aus Jhisp, Kommandeur Jan Balk, durch die Fran-
zosen genommen und durch J. Schol wiederum genommen.
1735. Ein Schiff aus Westzaan überwintert (wo? nicht angegeben).
1741. Ein Schiff aus Monnikendam „om de Ost’ verlassen und 1742
wieder gefunden mit 7 Fischen, 220 Fass Speck, im Ganzen
330 Quardeele Thran.
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 37
1741. Durch den Kommandeur und einen "Theil der Mannschaft
wurde ein Schiff aus Westzaan im Westeise verlassen, aber
durch 13 Mann, welche auf dem Schiffe geblieben waren, auf
die Elbe binnen gebracht und von da durch Bartel Koopmann
nach Texel geführt.
1743. Kommandeur Claas Keuken aus Zaandam fand diess Jahr sein
Schiff, das er im Jahre 1741 verlassen hatte, wieder und
barg dasselbe mit 3 Fischen, 100 Fass Speck, im Ganzen
158 Quardeele Thran.
1752. Ein Schiff aus Westzaan hinterm „Reeneveldt’ verlassen.
Ein Schiff aus Krimpen op de Leck hinterm „Reeneveldt’
verlassen.
1759. Ein Schiff aus Vlissingen geblieben bei Borkum.
1767. Ein Schiff aus Wieringerward hat auf Moffen-Eiland 2200
Walrosse getödtet, wovon 930 übergeführt wurden, welche
170 Fass Speck (196 Quardeele Thran) hatten.
1768. Ein Schiff aus Zaandam ging erst nach Nova Zembla und von
da in die Grönländischen Gewässer. .
Schiffbrüche von Hamburger und Holländischen Fischer-
Fahrzeugen an der Küste von Ost-Grönland 1777. — Jetzt
zuerst die Erzählung einiger Deutschen Seeleute über den
Holländischen Grönlandsfahrer „Wilhelmina”, welcher ım
Jahre 1777 an der Grönländischen Ostküste scheiterte.
Der „Schreiber” eines im Jahre 1773 verunglückten
Holländischen Schiffes begegnete in Amsterdam am Sonn-
tag den 12. Juli 1778, wie er in der Vorrede des nach-
benannten Schriftchens erzählt, drei Leuten in Kleidern der
Wilden. Es waren drei Deutsche Matrosen, welche im
Jahre 1777, den 14. April, mit dem Schiff „De Wilhel-
mina” unter dem Kommandeur Jak. Henr. Broertjes von der
Helder aus Texel nach Grönland zum Walfischfang gesendet
worden und dort durch das Westeis ihr Schiff verloren hatten.
Die Neugierde, welche, wie der genannte Holländer erzählt,
einem „öffentlichen Skribenten eigen ist, um besondere Um-
stände merkwürdiger Begebenheiten zu hören”, veranlasste
ihn zu einem Gespräch mit den drei Leuten. Zur grossen
Verwunderung des Holländers fand sich, dass die drei
Deutschen (zwei Oldenburger und ein Hannoveraner) ein
Tagregister über ihre Erlebnisse geführt hatten, welches
um die Hälfte grösser war als die gedruckt erschienene
Erzählung eines der mitbetheiligten Kommandeure (Marten
Janssen). Die Namen der drei Leute waren Harm Henr.
Kröger, 60 Jahre, und Harm Henr. Kröger der Sohn,
20 Jahre alt, beide von Altenesch im Delmenhorstischen,
und Kasten Külke, 19 Jahre alt, aus Lesum bei Bremen.
Der Holländer veranlasste und vermittelte die Herausgabe
des Journals des Harm Henr. Kröger zum Besten der drei
Schiffbrüchigen und 1779 kam in Bremen bei Georg Lud-
wig Förster eine Übersetzung unter folgendem Titel heraus:
„Historisch wahre Nachricht von dem Elend und Drangsalen des
im Jahre 1777 auf den Walfischfang nach Grönland abgefahrenen, ver-
unglückten Schiffes „Wilhelmina” unter dem Commandeur Jakob Hen-
rich Broertjes, aus dem Holländischen Tagebuche und mündlicher Er-
zählung der drei Matrosen Harm Henrich Kröger, Harm Henrich Kröger
der Sohn, beide von Altenesch im Delmenhorstischen, und Kasten Külke
aus Lesum, eine Meile von Bremen, — übersetzt”.
Aus diesem noch heute interessanten Schiffs-Journal
möge hier nun ein Auszug folgen.
Bericht dreier Matrosen von der Unterweser über den
Schiffbruch der „Wilhelmina”. — Es war im Jahre 1777
und, so viel ich mich besinne, den 14. April, alsich, Harm
Henrich Kröger, mit meinem Sohne, desselben Namens, mit
dem Schiffe „die Wilhelmina” unter dem Kommandeur Ja-
kob Henrich Broertjes aus Texel zum Walfischfang ab-
gefahren. Wir waren insgesammt 44 Seelen stark; unser
Schiff war mit sieben Schaluppen ‘versehen. Was die Aus-
reise betrifft, so war sie nicht eilig, weil wir widrige Winde
hatten; doch war durchgehends noch gutes Wetter, bis wir
am 22. Juni an ein grosses Bisfeld kamen (Angabe der
Breite und Länge fehlt leider), woran wir unser Schiff fest
machten, allwo ausserdem wohl noch 50 Schiffe lagen.
Dieses Eisfeld trieb stark nach Süden.
einer vortheilhaften Fischerei an, da wir des folgenden
Es liess sich zu
Tages, den 23. Juni, schon einen Walfisch fingen. Den 24.
wurden wir besetzt und trieben in fünf Tagen mit dem
Eisfelde 2° gegen Westen. Wir lagen 14 Tage an diesem
Felde, da wir endlich Gale Hamkes Land (also die Ostküste
von Grönland unter 74° 57’ N. Br.) ins Gesicht bekamen .
und beständig östlichen Wind mit schweren Drehungen und
Pressungen vom Eise hatten. So wurden wir, um unser
Schiff zu bergen und zu erhalten, gezwungen, unsere Zu-
tlucht zum Sägen zu nehmen, womit wir acht Tage hinter
einander zu thun hatten, eine sehr beschwerliche Sache,
weil das Eis 12 bis 13 Fuss diek war.
Sie treiben von der Gale Hamkes Bai zum Theil auf
Eisfeldern bis herab nach Kap Farewell. — Wir lagen,
wie gesagt, im Anfang mit mehr als 50 Schiffen an diesem
Felde; die aber, welche an der Ostseite lagen, fanden ver-
schiedene Mittel, davon zu kommen, so dass wir nur noch
mit 27 Schiffen daran liegen blieben. Hier mochten wir
arbeiten, was wir konnten, es war nicht möglich, von die-
sem Felde loszukommen; wir verfielen immer länger und
weiter unter Gale Hamkes Land. Diess dauerte bis zum
25. Juli, da wir eine kleine Öffnung bekamen. Unser
Kommandeur säumte nicht, diese Gelegenheit wahrzunehmen,
denn auf seinen Befehl zogen wir mit Tauen (warpten)
vier Tage lang das Schiff von einer grossen Eisscholle zur
andern, bis wir endlich an ein grosses Feld kamen, stille
hielten und nicht weiter konnten. Diejenigen, die mit uns
nach auswärts bugsirt waren, bestanden noch in vier Schif-
fen, deren Kommandeure Jeldert Janz Groot, Klaas Janz
Kastrikum, beide, wie der unsere, von Zaandam, Volkert
Janz von Amsterdam und Marten Jans von Hamburg waren.
Mit dem Kommandeur Groot kam auch Harm Mester aus
Hasenbüren, Stadt Bremischen Gebiets, ein Knabe von
15 Jahren, nach dem Verlust des Schiffes, „Anna’” genannt,
auf unser Schiff „Wilhelmina”. Sein Vater ist auch dabei
gewesen, ist aber unter der grossen Menge derer, die sich
33 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
nachher absonderten, wegfuhren und dabei grösstentheils
unglücklich waren, ohne Zweifel mit geblieben. (Dieser
junge Matrose hat durch das lange Essen und Trinken von
Speck und Thran von Walfischen und Robben bis jetzt
noch einen starken Ekel vor Fleisch und Brod. „Er ist”,
so bemerkt der Übersetzer, ‚weit‘ unter den Wilden herum
gekommen,’ nach ganz anderen Gegenden und Bewohnern
von Grönland gebracht, bis er endlich mit einigen Wenigen
nach Kopenhagen, von da nach Amsterdam und endlich hier
(in der Heimath) wieder angelangt. Er weiss durch Fragen,
die man nach diesem Büchlein an ihn stellt, auf Alles um-
ständlich zu antworten.”)
Die anderen Schiffe waren uns aus dem Gesicht ge-
kommen. Bereits fing es an, betrübt und elend auszusehen.
Während die Ostnordost-Winde anhielten, blieb das Eis ge-
schlossen und wir trieben im Gesicht Gale Hamkes Land
täglich sehr südwärts. Der Kommandeur, aus Furcht, Man-
gel an Lebensmitteln zu bekommen, weil man nicht wissen
konnte, wie lang oder kurz es dauern würde, liess dem
Volke weniger Ration geben. Das Drängen und Mahlen
des Eises waren beständig sehr schwer, so dass wir vom
1. August an keine Wache mit Ruhe in der Koje durften
liegen bleiben und daher sehr abgemattet wurden. So unter
Gottes Gnade forttreibend bekamen wir den 16. August
wieder vier Schiffe ins Gesicht, nämlich Dirk Broer, Roloff
Meyer, Jakob Bremer von Amsterdam und Rikmer Hen-
dricks von Gottenburg. Die Nordost- und Ostnordost-Winde
hielten noch immer an. Den 19. August hatten wir einen
schweren Sturm aus Ostnordost mit schrecklich starken
Pressungen und Mahlen des Eises, ja es drängte so stark
und gewaltig auf einander, dass wir alle Augenblicke be-
fürchten mussten, unser Schiff würde in Stücke gebrochen
werden.
traf das Unglück, sein Schiff zu verlieren, und obgleich
Einen unserer Schicksalsgenossen, Volkert Janz,
wir unser Schiff behielten, so wurde es doch 5 bis 6 Fuss
aus seiner Lage gedrängt. Hierauf bekamen wir den
20. August den allerschrecklichsten Orkan; unsere Segel
wehten unter der Rae los, die Eisstücke schoben sich 23
bis 24 Fuss auf einander hinauf. Unser Schiff wurde in
dieser Nacht auf die Seite des Schiffes des Kommandeurs
Kastrikum und mit dem Vorderkiel aufs Eis gedrängt. Wir
verloren durch diesen Sturm zwei Schaluppen und einen
Pflicht- Anker, ‘welche durch den Drang in Stücke zer-
brachen. Kommandeur Marten Jansen verlor sein Schiff.
Das Volk der zwei verunglückten Schiffe wurde auf die
drei übrigen vertheilt, zwei Schiffe waren noch dicht, das-
jenige aber des Kommandeurs Kastrikum war sehr leck.
Den 21. August war es schönes Wetter, so dass wir, wie
_ auch das Volk von den zwei anderen Schiffen, mit der
Mannschaft von den verlorenen noch einige Viktualien und
Güter aus dem Wrack des Kommandeurs Marten Jansen
bergen konnten. Doch dieses half wenig zu unserer Be-
freiung, denn wir froren so fest, dass wir nirgend hin
konnten. Dieses dauerte bis zum 25. August, da die Kom-
mandeure beschlossen, 12 Mann nach den vier Schiften zu
schicken, die wir den 16. August Nordost von uns gesehen
hatten. Es waren die Kommandeure Rikmer Hendricks,
Dirk Broer, Roloff Meyer und Jakob Bremer gewesen, die
letzten von ihnen hatten an demselben 20. August auch
ihre Schiffe verloren, das Volk hatte sich aber an Bord der
beiden ersten geborgen. Auch noch zwei Hamburger Kom-
mandeure, mit Namen Engelbert Jansen und Peter Hen-
driksen, verloren ihre Schiffe, deren Untergang wir nachher
erst von dem darauf gewesenen Volke vernahmen. Den
24. August kam uns Island ins Gesicht. (Die Strömung
hatte sie also bedeutend südwärts geführt.) Den 26. ent-
stand nieht gar weit von uns eine Öffnung und Drehung
im Eise. Wir bemerkten, dass die Kommandeure Broer und
Meyer ihr Bestes thaten, um mit ihren Schiffen vorwärts
zu arbeiten. Den 27. sahen wir sie noch, wie auch in
Ostsüdosten noch sieben andere Schiffe, welche alle den
28. sich wieder aus unserm Gesicht verloren, denn da sie
weiter auswärts waren, so lief das Eis um so viel härter
westwärts. Wir trieben um diese Zeit zwischen Gale
Hamkes Land und Island, wir konnten letzteres sehr deut-
lich sehen. Den 30. bekamen wir schwere Bewegungen,
dass die Felder alle in Stücken gingen; wir konnten die
raume See von unserm Mast sehen, aber, ach! dahin zu
kommen, war nicht möglich, noch weniger, frei zu werden.
Am selbigen Tage war Jeldert Janz Groot bei uns; wir
machten unsere drei Schiffe an einem Eisfelsen fest und
trieben so zusammen Südwest auf, unter dem Lande hin;
der Wind allzeit Nordost, Ostnordost und Ost; beständig
schwere Mahlung und Drängungen im Eise, von starkem
Sturm begleitet. Nun entstand den 7. September ein star-
ker Sturm aus Ostnordosten, die Windungen des Eises ver-
doppelten sich und wurden je länger, desto heftiger. Des
Kommandeurs Kastrikum Schiff bekam ein Loch hinten
unterwärts und das Wasser stürzte mit aller Gewalt hmein.
Guter Rath war theuer. Mittel mussten gesucht werden.
Wir halfen mit aller Mannschaft, Stacken und Swabber
in das Loch zu stecken. Mit fünf Pumpen wurde bestän-
dig gearbeitet. Wir machten das Schiff von hinten leichter,
dass die Lecke über Wasser kamen. Die Viktualien hatten
wir so lange auf eine Eisscholle gelegt. Desselben Abends
betraf Kommandeur Groot auch das Unglück, in so kurzer
Zeit sein Schiff zu verlieren, dass das Volk kaum ein wenig
Viktualien auf dem Eise bergen konnte; so ging ein See-
kasteel vor, das andere nach in den Abgrund. Was unser
Schiff betrifft, so war es in so weit noch dicht, und in dem
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 39
vom Kommandeur Kastrikum wurde das Loch gestopft, wo-
- durch es wieder in die Höhe kam und mit einer Pumpe
im Gange gehalten werden konnte. Es waren nur wenig
Lebensmittel vorhanden, da die Mannschaft von fünf Schif-
fen sich auf den zwei Schiffen befand. Ein Theil des
Schiftsvolkes vom Kommandeur Klaas Keuken, der schon
früh sein Schiff verloren hatte, war noch hinzugekommen.
Um den Leuten Schlafstätten zu bereiten, mussten solche zwi-
schen zwei Reihen lediger Fässer „in der Pint bis zum grossen
Mast’’ gemacht werden. Am 29. September befand sich die
„Wilhelmina” nach der Aussage der Offiziere auf 654° N. Br.
Das Schiff trieb noch beständig nach Westen auf. An der
einen Seite hatten sie immer das Land in Sicht, an der
andern konnten sie, wenn sie in den Mast stiegen, jeder-
zeit die See sehen. Gegen Abend des 29. mussten sie
wieder an ein Eisfeld fest machen. Es kostete viele Arbeit:
die Hölzer brachen in Stücken und die Neushaken zerspran-
gen durch den gewaltigen Druck wie Glas, doch glückte
es, das Schiff mit vier Tauen auf dem Eise fest zu machen.
Am 30., als Kröger die Tagewacht hatte, näherte sich dem
Schiffe in schneller Fahrt ein Eisberg, dessen Höhe der
Erzähler in der Weise bezeichnet: „wie eine Tabakspfeife
zum Westerthurm in Amsterdam, so ungefähr verhielt sich
jener Thurm zu diesem Eisberg-Riesen”. Gleichwohl war
der Eisberg viel weiter entfernt von dem Schiffe, als man
anfänglich glaubte. Als der Eisberg zum Vorschein kam,
lagen Viele von uns mit abgematteten Gliedern in ihren
Kojen und schliefen, doch, wie man leicht denken kann,
meinten die Wachenden nicht anders, als der letzte Augen-
blick wäre da, und sie schrieen: Überall! Überall! Ganz
oder halb gekleidet, mit Schuhen und Hosen in der Hand,
wie sie eben waren, flog das Volk nach oben. Da sie die
Deckbalken springen hörten, erschrak ein Jeder. Man
möchte fragen, warum nicht eher „Überall!” gerufen wor-
den. Zur Antwort dient, dass diejenigen, welche die Wache
hatten, den Berg für Land ansahen. Da sie oben kamen, hatten
diejenigen, welche noch halb nackt waren, kaum Zeit, vor dem
Verlassen des Schiffes sich anzukleiden. Man hörte nichts An-
deres als „Flieht, ihr Männer, flieht!” Ja, es war kaum so viel
Zeit, dass wenig oder Nichts von Viktualien aufs Eis gesetzt
werden konnte. Wir sahen, dass unser Schiff mehr als 10 Fuss
von dem Eise über Wasser gedrängt wurde und in weniger Zeit
zersplittert wie Glas in den Abgrund der See unter dem Eise
begraben werden musste. Des Nachts blieben wir auf dem
Eise, errichteten ein Zelt und machten ein grosses Feuer
auf dem Eise. Öfter müsste der Feuerplatz verlegt wer-
den, da das Eis vom Feuer schmolz. Des andern Morgens,
da wir beschäftigt waren, ein wenig Grütze zu kochen, um
unsere ermüdeten und abgemergelten Körper etwas zu stär-
ken, bekamen wir zum zweiten Male das Schiff des Kom-
mandeurs Kastrikum in Gesicht. Augenblicklich war Jeder
begieriger, dahin zu gehen als zu speisen, desto mehr, da
wir von ferne bemerkten, dass Kastrikum sein Zeichen auf
den Vortop gesetzt hatte. Als unser Kommandeur solches
sah, berichtete er an uns, die wir 129 Seelen stark waren,
er hätte mit Kastrikum abgeredet, dass, wer von uns zuerst
aus dem Eise kime, seine Geusje (Gösche — kleine Signal-
ftlagge) auf den Vortop setzen sollte, um dem Andern zu
warschauen, damit alle die, welche dann mitfahren wollten,
sich aufs Eiligste an Bord des befreiten Schiffes begeben
könnten. „Derhalben, Männer”, sagte unser Kommandeur,
„ich mit meinen Confratres gehen nach dem Schiff von
Kastrikum, und wer mit uns Eines Sinnes ist, denselben
Weg einzuschlagen, der muss eilen, und Jeder folge seinem
eigenen Kommandeur.” — So waren damals drei Komman-
deure, nämlich Jak. Henr. Broertjes, Jeldert Janz Groot und
ein Hamburger, Volkert Janz, bei einander. Als sich dieses
zutrug, waren wir nicht weit vom Lande, doch wir wuss-
ten, dass-die raume See mehr Hoffnung gäbe, um ge-
schwind nach dem Vaterlande zu kommen, während es un-
sicher war, ob wir jemals wieder unsern Fuss au Land
setzen würden. Niemand von uns bedachte sich lange;
wir verliessen Alles, selbst unsere wenigen Viktualien, denn
dieselben über die losen Eisfelsen mit uns zu nehmen, da-
zu war erstlich keine Zeit und dann war es zu gefährlich.
Es hätte uns auch lange aufgehalten und Kastrikum hätte,
wie wir uns vorstellten, leicht seeein gehen können. Ja
selbst den Kessel mit Grütze, darnach wir zuerst alle ge-
schnappt hatten, weil wir ausgehungert waren, verliessen
wir; doch kann ich nicht leugnen (ich spreche von mir
selbst), wie ich gern einige Löffel voll davon gehabt hätte.
Diesen Kessel so verlassen zu haben, haben wir tausend
Mal bereut. Aber zu dieser Speise gönnten wir uns da-
mals die Zeit nicht; wie stark auch der Hunger war, den
wir hatten, eilte doch ein Jeder hinter seinem Kommandeur
her und vorwärts von einem Eisstück auf das andere mit tau-
send Gefahren, um das Schiff des Kommandeurs Kastrikum,
wo wir unsere Befreiung hofften, anzutreffen. Wir waren
in Angst, dass wir nicht geschwind genug an das Schiff
kommen könnten, und dass vielleicht Kommandeur Kastri-
kum die Segel aufziehen würde, aus Furcht vor einer neuen
Besetzung, ehe wir zu ihm kämen. Er und sein Schiff
war nun nächst Gott unsere einzige Hoffnung. Deswegen
eilte ein Jeder, so stark er konnte, bis wir endlich am
1. Oktober zum Schiffe kamen. Alle unsere Hoffnung ver-
schwand hier in einen Rauch, denn wir fanden es nieht nur
wiederum stark besetzt, sondern es wurde selbst so heftig
einwärts nach dem Lande gedrängt, dass Alles im Schiffe
bebte und krachte. Hier lag unsere Hoffnung auf Erlösung
gänzlich darnieder. Der Eine sah den Andern mit betrüb-
40 :
ten Augen an. Auch ich war schwer betrübt, denn da ich
meinen Sohn bei mir hatte, so schmolz mein väterliches
Herz, wenn ich mein Kind anschaute. Ein Jeder, der zu
mir kam, klagte über Hunger und Gebrech, das er leiden
musste. Dieses schnitt mir durch die Seele.
Wir waren noch nieht lange am Schiffe, als wir von
ferne etwas Schwarzes sahen, das sich bewegte. Beim An-
nähern fand sich, dass es Menschen, betrübte Unglücks-
genossen yon uns waren, die von der Seeseite nach uns
zukamen. Es waren 50 Mann. Sie hatten zu ihrem An-
führer den Kommandeur Hans Christians von Hamburg, der
am 30. sein Schiff an der Seeseite verloren hatte. Sie be-
richteten, dass noch zwei Schiffe bei ihnen gewesen wären,
nämlich Kommandeur Hans Pieters und Hidde Dirks Kat
von Hamburg, doch dass dieselben ihnen aus dem Gesicht
gekommen. Weiter erzählte uns Kommandeur Hans Chri-
stians, dass sein Harpunier mit 13 Mann (Marten Jansen
sagt in seiner kurzen, doch echten Erzählung: Ich meine
den Harpunier mit 12 Mann und zwei Jungen; doch die
Jungens auf einen Mann gerechnet, macht auch 13 Mann aus)
auswärts vom Eise bei dem Wrack geblieben und sie hätten
im Sinn gehabt, wenn es möglich sei, Island aufzusuchen.
Damals befanden wir uns, glaube ich, auf 64°, wie die
Wir trieben weiter,
noch immer stark um Südwest längs dem Lande. Wie be-
Kommandeure und Steuerleute sagten.
trübt es in dem Schiffe des Kommandeurs Kastrikum aus-
sah, kann man sich selbst überlegen, wenn man bedenkt,
dass wir 286 Seelen waren und schr wenig Viktualien
hatten, so dass die Ration so gering war, dass wir des
Mittags nur vier abgestrichene Löffel voll Grütze und des
Abends vier Löffel Erbsen ohne Brod und Fleisch bekamen.
Kröger sagt: Ich hätte manchmal beinahe geweint, wenn
eine Erbse aus meinem Löffel fiel, nicht dass ich abgünstig
war, aber Hunger — Hunger ist ein fürehterliches Schwert.
Dieses konnte man daraus abnehmen, dass wir das Zahn-
fleisch, welches zwischen den Walfischbarten sass, abschrap-
ten und brieten, um durch solche elende Kost den rasen-
den Hunger zu stillen. Wir sahen aber, dass es unmöglich
war, mit dem Schiffe von Kastrikum aus dem Eise zu
kommen. Wir scheuten die Mühe nicht, über die Eisstücke
mit Gefahr unseres Lebens wieder nach dem von uns ver-
lassenen Zelte zu gehen, um die Lebensmittel, welche wir
auf dem Eise hatten liegen lassen, und unsern Kessel mit
Grütze wieder zu holen. Aber vergebliche Mühe! Das
Zelt war nicht zu finden; so kamen wir nach langem Her-
umirren leer zurück. Mit einem Fernglas ging Einer auf
die grosse Stange, aber es war kein Zelt zu sehen. Das
Stück Eis, worauf das Zelt mit den Lebensmitteln sich be-
fand, war verschwunden, sei es nun, dass dasselbe durch
schwere Drängungen von einander gebrochen oder durch
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
einen vorbeischeuernden Eisberg zerschmettert worden ist.
Es waren 286 hungrige Menschen an Bord. Der Mangel
begann je länger, desto mehr überhand zu nehmen.
Schiffshunde mussten daran.
Unsere
Um einige Wärme zu bekommen und den Durst zu
löschen, schrapten wir die Pockholz-Nägel ab, zerschnitten
und kochten sie in geschmolzenem Schneewasser, welches
uns zum Kaffee diente. Als dieses Alles geschah, trieben
wir mit unserem Schiff in eine Enge (Bucht) und befanden
uns nach Muthmassung 5 bis 6 Meilen von dem Lande.
Zwölf Leute entschlossen sich, eine Probe zu machen, ob sie
das feste Land erreichen könnten, doch sie kamen nur auf
eine Insel, wo sie emige schwarze Beeren fanden, doch ans
Wir waren damals auf 63°
und so nahe bei der See, dass wir dieselbe von dem Deck
feste Land konnten sie nicht.
sehen konnten, ohne erlöst werden zu können.
Den 1. Oktober schwerer
Nordost; wir trieben immer näher nach dem Lande; das
Eis drehte sich so gefährlich, dass Alles bebte und zitterte;
das Schiff krachte so gewaltig, dass wir alle Augenblicke
war wieder ein Sturm aus
erwarteten, in den Abgrund zu fahren. Das Übermaass
des Grauens zu vermehren, zeigten sieh wieder zwei
schwere Eisberge. Sie drangen gewaltig auf das Schiff los.
Es folgte eine Nacht so voll Gefahren, dass ich sie niemals
vergessen werde. Noch immer blieb uns ein Schimmer von
Hoffnung, dass wir noch eine Öffnung bekommen würden,
Doch auch diese Aus-
sicht verschwand auf einmal. Den 2. Oktober drückten
die Eisberge so heftig, dass das Schiff Noth litt und end-
Es, -
lich in Stücken ging.
um die geraume See zu gewinnen.
Kaum dass wir mit genauer Noth
einige Lebensmittel, einige Segel und eilf Schaluppen mit
der grössten Eilfertigkeit auf das Eis gebracht hatten, so
sahen wir in einem Augenblick das Unterste unseres Schif-
fes zu oberst, ganz in Stücken zerbrochen, unter das Eis
gedrängt und in der grundlosen See begraben. Brennholz
konnten wir nicht bergen. Wir mussten uns von einem
Stück Eis aufs andere retten.
Auf dem Bise bei Staatenhoek. — Durch das starke Mah-
len und Drehen des Eises verloren wir ferner acht von
unseren Schaluppen und dabei wurde das Eisstück, worauf
wir standen, so gedrückt und erschüttert, dass wir immer
Doch Gott,
der durch einen blossen Wink seiner Augen die Winde
und Wasser regiert, sei gelobt und gedankt, wir behielten
unser Eisstück, worauf wir standen;
unter dem Eise begraben zu werden glaubten.
die Eisberge mar-
schirten vorbei, ohne dass wir weiteren Schaden als tödt-
lichen Schrecken davon empfingen. Wir beschlossen nun,
nicht weiter unter dem freien Himmel zu bleiben, und mach-
ten zwei Zelte von unseren geborgenen Segeln. Zum Glück
wurde es stilles Wetter. Als dieses Alles vorfiel, waren
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 41
&
wir 10 Meilen gegen Osten bei Staaten-Hoek. Den 11.
und 17. Oktober trieben wir mit den Eisstücken stark nach
Süden bis auf 60° 5’ N.Br., dieht längs dem Lande. Bis-
weilen war das Eis rund um uns her geschlossen und dann
bekamen wir wieder eine Öffnung, doch begleitet von hohen
Wellen, so dass wir alle Augenblicke dachten, das Eis würde
brechen. Einige von unserm Volk, die früher die Fahrt
nach der Davis-Strasse gemacht hatten, schlugen am Mor-
gen des 13. Oktober vor, zu versuchen, ob wir an das feste
Land kommen könnten, wozu sie gute Hoffnung zu haben
glaubten, einestheils weil ihnen bekannt wäre, dass bei
Kaffer-Wall, welches nach ihrer Meinung nur 13 Meilen
von Staaten-Hoek wäre, Herrnhuter wohnten, und fer-
ner gründeten sie ihre Vermuthung darauf, dass das Eis
diesen Morgen dicht geschlossen lag und sie so viel
besser ans Land kommen könnten. Hierauf beschlossen
230 Mann, diese Unternehmung auszuführen. Sie waren aber
nicht alle einerlei Meinung und nahmen folglich nicht alle
einerlei Weg, denn die Kommandeure Marten Jans, Jeldert
Janz Groot und Hans Christians Jaspers mit noch 40 Mann
nahmen einen ganz andern Weg. Sie nahmen zwei von den
Schaluppen mit sich. Wir blieben noch mit 56 Mann und
einer Schaluppe bei den Zelten auf dem Eise. Nachher
haben wir vernommen, dass sie nicht alle ans Land ge-
kommen, sondern verschiedene von ihnen unter den Eis-
stücken verunglückt sind und ihre zwei Schaluppen haben
verlassen müssen. Gleichwohl ist Kommandeur Marten
Jans nebst seinen Gefährten 15 Tage eher bei) Menschen,
den Eingebornen von Grönland, angekommen als wir, die
auf dem Eise geblieben waren und noch bittere Tage ver-
leben mussten. Hätte ich den Worten meines Sohnes ge-
folgt, ich würde vielleicht entweder todt oder eher am
Lande gewesen sein, indem er mir stark anlag, mit nach
dem Wall zu gehen. Ich konnte mich nicht dazu entschlies-
sen, weil es mir viel zu unsicher und gefährlich vorkam.
Wir trieben alle weiter mit unseren Zelten auf dem
Eise stark um Staaten-Hoek hin. Als wir gerade davor
waren, ging das Eis auf einmal aus einander, die See lief
mit starkem Drang über die grossen Eisstücke hin, und es
schien nicht anders, als würden wir alle weggespült werden.
Doch lief der Wind nach Südwesten und wir trieben wie-
Den 16. Oktober sahen wir eine
Wir liefen, von einem
der nach dem Lande zu.
Schaluppe auf dem Eise stehen.
Eisstück auf das andere springend, danach zu und fanden,
dass es eine verlassene Schaluppe vom Kommandeur Kastri-
kum und seiner Mannschaft se. Es war noch ein alter
Mann von 60 Jahren darin. Diese alte Seele hatte in dem
grössten Kummer und Elend schon drei Tage in der Scha-
luppe zugebracht und zurückbleiben müssen, weil er zu
kraftlos war, dem andern Volke folgen zu können, Das
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
Auffinden dieser Schaluppe gab uns einigen Trost, weil wir
nun ein Fahrzeug mehr hatten, unr See damit zu halten.
Wir schleppten sie also über das Eis nach unserem Zeite.
Desselben Tages, als wir mit der Schaluppe beschäftigt
waren, kamen noch zwei Mann, die drei Tage auf einem
Eisstück gestanden hatten, zu uns, von welchen der Eine der
junge Mensch, Kasten Külke war. Sie hatten noch einen
alten Mann bei sich gehabt, der aber, weil er nicht mehr
fortkommen konnte, sie gebeten hatte, da er den Tod vor sich
sah, ihn zu verlassen und, wenn es möglich wäre, sich selbst
zu retten. Er hatte zu ihnen gesagt: „Kinder, ich fühle,
dass ich bald sterben muss, und hoffe, dass Gott meine Seele
in Gnaden annehmen werde. Ihr seht, ich kann nicht mehr.
Macht Euch nicht unglücklich um meinetwillen. Vielleicht
spart der Allmächtige Euer Leben noch.” Es war den zwei
Matrosen sehr hart, ihren alten unglücklichen Genossen zu
verlassen, ohne dass sie ihm einige Unterstützung geben
konnten, als ihn mit thränenden Augen aufzunehmen und
unter der Spitze eines Stückes Eis, das ihn gleichsam von
oben bedeckte, niederzusetzen, wo er ohne Zweifel gestor-
ben ist und sein Grab im Abgrund der See gefunden hat.
In der Hoffnung, an Land zu kommen, fassten wir den
Entschluss, das Eis und Zelt zu verlassen und mit den
Schaluppen eine Unternehmung zu wagen. Wir hatten zwei
Steuerleute bei uns. Der eine war von Borkum in Fries-
land, Namens Jakob Kieviet, der andere war ein Hamburger
Steuermann. Nun begriffen ich und andere brave Matrosen
mit mir sehr wohl, dass, wenn unsere Unternehmung glücken
sollte, wir bei jeder Schaluppe einen Befehlshaber anstellen
müssten. So trugen wir denn diesen beiden Steuerleuten
das Amt auf, die Mannschaft in zwei Haufen, jeden von
26 Mann, zu theilen. Zwei Mann blieben bei dem Zelt
und wollten sich nicht überreden lassen, mit uns zu gehen.
Mit eifriger Anrufung Gottes, der Alles erschaffen hat,
gingen wir am 18. Oktober in die Schaluppen. Wir ar-
beiteten mit allem unsern Vermögen und fuhren 2 Meilen
von dem Zelte weg, konnten aber nicht weiter kommen.
Wir besorgten, dass wir Mangel an Lebensmitteln zu lei-
den Gefahr laufen möchten. Es wurde deshalb beschlossen,
um so viel leichter fortzukommen, 18 Mann aus der Scha-
luppe aufs Eis zu setzen, und die übrigen 8 Mann sollten
mit dem Steuermann wieder nach dem Zelte rudern, um
noch Lebensmittel zu holen. Die 18 Zurückgebliebenen
sollten dann wieder abgeholt werden. Was die andere
Schaluppe betrifft, auf welcher der Hamburger Steuermann
war, so war sie östlicher aufgegangen, und wir sahen, dass
er noch immer fortruderte. Es glückte uns, dass wir zum
zweiten Mal ohne Ungemach an das Eis und zu unserem
Zelt kamen, wo wir noch Lebensmittel einschifften. Indem
wir aber wieder wegzurudern im Begriff waren, schloss sich
6
’
‚das Eis rund wieder zu und wir konnten nicht weiter
kommen. Die Achtzehn auf dem Eise wurden nun miss-
trauisch und glaubten, dass wir sie zu verlassen suchten.
Sie liefen deshalb so geschwind als möglich über das Eis
weg nach dem Zelte und kamen zu uns, wo sie die wahre
Ursache der Zögerung entdeckten. Inzwischen war uns die
andere Schaluppe bereits aus dem Gesicht gekommen. Des
Abends lief der Wind südöstlich mit einem starken Sturm.
Wir geriethen in Todesangst, weil das Eis eine so schnelle
Fahrt bekam, dass wir alle Augenblicke glaubten, durch
die drängenden Eismassen und treibenden Eisberge ver-
schlungen zu werden. Am folgenden Tage, den 19. Okto-
ber, war es des Morgens so neblig, dass wir weder Land
Gegen Mittag klärte sich
konnten die See wieder
sehen konnten.
Wir
sehen, hatten auch wieder offenes Wasser und brachten in
noch Wasser
der Himmel wieder auf.
Gottes Namen die Schaluppe wieder in die Fahrt seewärts.
Trennung der Unglücksgefährten. — Wir stiegen mit
dem Steuermann Kieviet, als Befehlshaber, und 25 Mann
in die Schaluppe. Drei blieben auf dem Eise bei dem
Zelte. Vergeblich hatten wir sie zu überreden gesucht,
mit uns zu gehen. Sie meinten, wir müssten aus Mangel
umkommen, während sie auf dem Eise in dem Zelte durch
Gottes Hülfe mit den noch vorräthigen Lebensmitteln eine
Zeit lang auszukommen glaubten. Übrigens, wenn Gott be-
schlossen hätte, sie zu erhalten, könnten sie eben so gut
auf dem Eise, als indem sie sich neuen Gefahren bloss
stellten, gerettet werden. Wir ruderten, da wir offenes
Wasser fanden, frisch weg, um gegen Abend ans Land zu
kommen. Zu dem Ende fuhren wir gegen Osten. Bei einer
Last von 26 Mann konnten wir nicht so geschwind fort-
kommen als mit einer leichteren Schaluppe. Auch fing
das Eis wieder an, sich zu schliessen. Wir mussten also
gegen Abend die Schaluppe aufs Eis ziehen und die
ganze Nacht in Noth und Kälte unter dem freien Himmel
zubringen. Desselben Abends sahen wir unsere andere
Schaluppe östlich von uns, doch vernahmen wir nachher
Nichts mehr davon. Erst auf meiner Heimreise, den 6. Juli
1778 zu Kopenhagen, sah und sprach ich drei von dieser
Mannschaft. Sie sagten mir, es wären neun Hamburger
wohlbehalten angekommen, aber die anderen 16 Mann,
lauter Deutsche, seien verloren gegangen. Ich frug sie, wie
die 16 Mann umgekommen? Ob sie diess nicht sagen woll-
ten, weiss ich nicht, sie antworteten zweifelhaft mit den
Worten: „Sie sind weg und kommen niemals wieder.”
Land in Sicht. — Am folgenden Tage, den 20. Okto-
ber, als wir eine betrübte Nacht zurückgelegt hatten, muss-
ten wir auf dem Eise bleiben, weil dasselbe rund herum
geschlossen war. Am 21. bekamen wir eine Öffnung, wir
brachten die Schaluppe zu Wasser und ruderten Ostnordost
42 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
auf bis gegen Abend, wo wir unsern Kurs nach Nordosten
nahmen. Endlich sahen wir Land von ferne und dankten
Gott. Obgleich wir uns dicht an der Küste befanden, konn-
ten wir nicht ans Land kommen, wir hätten denn mit un-
serm kleinen, schwer beladenen Schiffe, welches kaum drei
Daumen Bord hatte, erst in See stechen müssen, was wir
fürs Erste nicht wagen durften. Das Eis lag an der Küste,
Liegen bleiben konnten wir auch nicht, weil wir besorgen
mussten, das Eis würde sich wieder schliessen. In Gottes
Namen wagten wir es daher, befahlen unsere Seelen dem
barmherzigen Gott und ruderten mit unserer kleinen, schwer
beladenen Schaluppe nach Osten in die hohle See. Wir
setzten doppelt Volk an die Riemen, während wir mit Mes-
sern in der Hand sassen, um das Eis, das mit dem über-
laufenden Seewasser einlief, loszumachen und über Bord zu
werfen. Denn alles Seewasser, welches ins Schiff kam,
fror gleich zu Eis. Wir ruderten frisch fort bis 1 Uhr in
der Nacht. Da konnten wir nicht weiter durch das Eis,
wir mussten die Schaluppe wieder aufs Eis ziehen und
die Nacht, welche heftig kalt war, so gut wir konnten,
auf dem Eise und im Schnee zubringen. — Hier hält
es unser ehrlicher Seemann für nöthig, folgende Rand-
bemerkung zu machen: Wenn man sagt, das Eis liege fest
bis ans Land, so ist doch noch zwischen Eis und Land
ein weiter Raum von Wasser, wo man nicht hinüber kom-
men kann. Denn hätte das Eis bis ans Land festgelegen, so
hätten wir, wie Jeder begreift, über dasselbe nach dem Lande
gehen können. — Wie abgemattet wir uns auch befanden,
Niemand durfte sich schlafen legen, wir hielten uns, so viel
wie möglich, in Bewegung und hatten unter einander ver-
abredet, dass, wenn Einer den Anderen einschlafen oder
stille sitzen sähe, wir uns gegenseitig munter machen und
in Bewegung bringen sollten. Nach der Nacht zwischen dem
22. und 23. Oktober, die wir mit klappernden Zähnen auf
dem Eise zugebracht hatten, ging des Abends das Eis aus
einander und wir kamen an eine Insel. Wir blieben hier
die Nacht über. Als wir am Morgen des 24. Oktober be-
merkten, dass alles Eis unter dem Lande weg war, ruder-
ten wir, so stark wir konnten, nach einer grossen Klippe,
die 5 Meilen lang, ganz mit Eis bedeckt war, weswegen sie,
wie ich meine, von den Grönländern Ysblink genannt wird.
Längs dieser Klippe ruderten wir bis Abends, konnten dar-
auf nicht weiter kommen, weil das Eis uns im Wege lag.
Um nun nicht in Schlaf zu fallen und todt zu frieren, zo-
gen wir die Schaluppe wieder aufs Eis und wanderten die
ganze Nacht auf dem Eise hin und her durch den Schnee.
Landung der Schiffbrüchigen in Grönland. — Die Nacht
vom 25. zum 26. Oktober mussten wir wieder auf dem
Eise zubringen.: Den 26. Oktober ruderten wir, so stark
es unsere Kräfte zuliessen, mit allem Vermögen frisch durch
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 43
bis Mittag, als wir Etwas von ferne im Wasser erblickten;
es dauerte aber nicht lange, so erkannten wir einen wil-
den Mann, der in seinem Schuitchen sass.. Wie er so
nahe herbei kam, dass wir ihm zurufen konnten, frugen
wir ihn durch Jemand, der vordem die Davis-Strasse be-
fahren hatte und einige Worte in der Landessprache reden
konnte, wo der Priester wohne (so nennen sie die Pastoren
oder Prediger, die durch Seine Dänische Majestät dahin
geschickt sind) und ob wir weit davon wären? Er winkte
und bedeutete darauf mit seiner Hand, dass wir weiter
nach Norden hinauf müssten, gab uns auch ein Zeichen,
ihm zu folgen, was wir auch thaten, und so brachte er
uns ans Land und nahm uns mit in sein Haus. Als wir
nahe hinzu kamen, sahen wir eine Menge Männer und
Frauen, alle in Felle von Seehunden gekleidet, zum Vor-
schein kommen. Anstatt nach ihnen hin zu gehen, nahmen
wir erschreckt die Flucht in die Schaluppe. Wir ruderten
weiter fort, bis wir an eine Insel kamen. Verdurstet, wie
wir waren, suchten wir zuerst dort nach frischem Wasser,
aber vergeblich. Von Hunger, Durst und Müdigkeit ge-
quält entschlossen wir uns, wieder zu den Wilden zurück-
zukehren. Ein schneller Tod dünkte uns besser als ein
langsam elendes Absterben. Nach einem vergeblichen Ver-
suche, ans Land zu kommen, sahen wir uns aber genöthigt,
obgleich halb todt vor Ermattung, nach der Insel zurück zu
rudern. Nunmehr gaben wir allen Muth auf, doch Gott sandte
uns unerwartet Hülfe zu. Die Wilden, die wir des vorigen
Tages gesehen, hatten uns ungeachtet der Dunkelheit ent-
deckt. Sie kamen übers Eis zu uns. Wir wussten nicht,
ob wir sie als Freunde oder als Feinde betrachten sollten.
Mit freundlichen Geberden nöthigten sie uns, ihnen nach
dem Ort, wo sie wohnten, zu folgen. Es wagten es zehn
Mann, worunter ich war, mit ihnen zu gehen. Die ande-
ren Leute wären auch gern schon damals mitgegangen,
wenn sie nicht durch Kälte und lange ausgestandenes Un-
gemach so abgemattet gewesen wären, dass es ihnen nicht
möglich war, so weit zu gehen. So blieben sie denn diese
Nacht auf der Insel.
Gute Aufnahme bei den Grönländern. — Nachdem wir
mit den Wilden an ihr Häuschen gekommen waren, wur-
den wir daselbst von diesen Menschen, sowohl Männern
als Frauen (obgleich sie nur blinde Heiden und abscheu-
lich anzusehen waren), mit so vieler Liebe und Freundlich-
keit empfangen, dass es von unseren Landsleuten, wenn
wir zu ihnen gekommen wären, nicht besser hätte geschehen
können. Sie hatten Nichts in ihrer Wohnung, das nicht
für uns war. Sie sahen wohl, dass wir ausgehungert waren.
‚Sie gaben uns also zuerst Etwas zu essen. Dieses bestand
in gekochtem Robbenspeck. Wie angenehm und erquick-
lich mir diese Speise damals schmeckte, werde ich nimmer-
mehr vergessen. Des anderen Tages, als wir etwas zu Kräf-
ten gekommen waren, gingen wir zu unseren Freunden,
welche wir bei der Schaluppe auf der Insel gelassen hatten.
Wir fanden sie noch alle am Leben. Auf unsern Bericht
schöpften sie Muth, strengten ihre Kräfte an und folgten uns
zu unseren heidnischen Wohlthätern. Diese empfingen sie
eben so freundlich wie uns und brachten sie ebenfalls im
ihr Haus.
Mittheilungen über Sitten und Lebensweise der Grön-
länder. — Dieses Haus war im Grunde ausgegraben, mit
rohen grossen Steinen vorne, hinten und an beiden Seiten
aufgesetzt, mit Holz bedeckt und darüber waren wieder
Steine und Robbenfelle gelegt. An beiden Seiten des Hau-
ses waren zwei viereckige Löcher statt der Fenster, um
dadurch Licht zu bekommen. Statt des Glases dienten ge-
reinigte und ausgespannte Walfischdärme, die an einander
genäht waren. In ihrem Hause war es sehr warm. Feuer
und Beleuchtung zugleich haben sie sich auf folgende Weise
verschafft: Eine grosse steinerne viereckige Pfanne, welche
sie von den Dänen für Robbenfelle und dergleichen ein-
tauschten, ist oben mit breitem Rande versehen, der rund
herum mit etwas Klippenmoos belegt ist, dann giessen
sie Thran auf das Moos und in die Pfanne und stecken es
in Brand. Dieses giebt nicht allein ein grosses Licht, son-
dern es macht auch die Wohnung so warm, als wenn ein
Kachelofen darin stände. Wenn sie ihre Speise kochen
wollen, die meist aus Robben- und Walfischspeck besteht,
hängen sie über die Pfanne noch eine andere und kochen
auf diese Weise ihre Speise. Das Hausgeräth bestand aus
folgenden Gegenständen: einige steinerne Pfannen, um die
Speisen zu bereiten, ferner Messer, Pfeile, Bogen, und was
sie zur Jagd und Fischerei noch weiter brauchen. Ihre
Schlafplätze sind, wie in Holland die Ställe des Hornviehs,
einige abgesondert, einige nicht, doch alle nach oben offen;
dort legen sie sich auf Felle nieder, Einige umwinden sich
dabei mit Thierfellen, Andere bleiben mit dem Oberleibe
nackt. Dass sie mitleidig sind, haben sie an uns erwiesen.
Gierigkeit kennen sie nicht, denn wenn einer von ihnen
Etwas auf der Jagd bekommen oder Fische gefangen hat,
so wird es in die allgemeine Wohnung gebracht, wo öfter
10 bis 12 Haushaltungen mit Frauen und Kindern bei ein-
ander sind. Ein Jeder läuft herzu und wählt das, was ihm
nöthig ist, davon. Man hört unter den Männern und Frauen,
auch selbst unter den Kindern niemals, dass eins mit dem
Andern streitet. Wenn der Mann mit seinem Schiffchen
aus gewesen ist und einen Seehund gefangen hat, zieht er
das Schiff, und was er sonst mitbringt, auf das Land; er
lässt sein Fischzeug, und wenn er auf der Jagd gewesen,
seine Jagdgeräthschaften und Alles, was dazu gehört, lie-
gen und geht, ohne Etwas mitzutragen, ledig nach seiner
6 *
44 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
"unterirdischen Wohnung. Dort empfängt ihn seine Frau
und diese bringt das Schiff in Sicherheit, schleppt die Beute
auf eine Klippe, zieht dem Seehunde das Fell ab, bringt
das Fleisch in die Wohnung und trocknet das Fell, das
nachher gegerbt und bereitet wird. Aus den rauchen
Fellen werden Winterkleider und aus den Fellen, von wel-
chen sie die Haare gebrüht haben, Kleider für den Som-
mer, auch Schuhe gemacht.
Fahrt nach Godhaab. — In Folge der ungewohnten
Wärme schwollen unseren Seeleuten Hände und Füsse, in-
dessen machten sie sich doch bald wieder auf, besserten
ihre Schaluppe aus und gingen am 28. Oktober wieder ab,
um nach den erhaltenen Anweisungen eine der Dänischen
Kolonien zu erreichen. Wir waren
ungefähr 2 Meilen fortgerudert, als wir einen wilden Mann
Es heisst nun weiter:
in seinem Schiffehen sahen. Wir riefen ihn und frugen,
ob er uns nicht anzeigen könne, wo die Dänische Nieder-
lassung wäre. Er brachte uns selbst zu einem Dänischen
Schulmeister, der daselbst wohnte, um die Wilden zu leh-
ren und in dem christlichen Gottesdienst zu unterrichten.
Er theilte
dass wir uns sorgfältig hüten müssten, die
Diese Nacht blieben wir bei dem Schulmeister.
uns mit,
Eingebornen des Landes „Wilde” zu nennen, weil sie bös
darüber würden. Wir müssten, wenn wir von ihnen rede-
Ferner berichtete uns der-
selbe auch, dass wir noch.8 Meilen von Balster-Rivier (soll
wohl heissen Revier) ab wären, dass ferner auf dem hal-
ben Wege wieder Grönländer wohnten. Mit dieser Nach-
richt fuhren wir den 29. Oktober des Morgens früh von dem
Schulmeister ab und hofften, in der folgenden Nacht zu
den Grönländern, die auf dem halben Wege nach Balster-
Revier wohnen sollten, zu kommen. Aber wir suchten den
Ort vergeblich. Es sah wieder betrübt aus, da wir die
ganze Nacht in bitterer Kälte und im Schnee auf einer
Klippe zubringen mussten. Den 30. Oktober früh Morgens
verliessen wir die Klippe und dachten an diesem Tage früh-
zeitig bei den Grönländern zu landen. Zu unserem Glück
kam uns ein Grönländer in Sieht, der in seinem kleinen
Schiffe, Kajak genannt, sass. Er kam von selbst auf uns
zu. Wir fragten ihn, wo der Priester wohne? Er bedeutete
uns darauf, dass er daher wäre, erbot sich auch, uns dahin
zu bringen und voraus zu rudern.
gleich.
ten, sie „Grönländer” nennen.
Letzteres that er so-
Doch weil der Strom zu hart ging und unsere
Schaluppe sehr schwer beladen war, konnten wir des Stro-
mes und der hohlen See wegen die Schaluppe nicht gerade
halten. Das Wasser lief mit grosser Gewalt ins Schiff, da-
her wir gezwungen wurden, zehn Mann auf eine Klippe zu
setzen, auf welcher man kaum seinen Leib bergen konnte.
Wir versprachen, sie, sobald als wir über das hohle Was-
ser würden gekommen sein und erst einige Mannschaft aus-
Doch der Wind war so stark
dass wir nicht hinauf rudern konnten, so mussten wir nur
geladen hätten, abzuholen.
Mittlerweile war uns der
Grönländer durch das Zaudern aus dem Gesicht gekommen.
Dadurch geriethen wir natürlich in grosse Verlegenheit.
Endlieh kam er, nachdem er uns schon bei dem. Volk auf
der Klippe gesucht hatte, um 2 Uhr in der Nacht zu uns, er
brachte uns nun zu der Herrnhuter-Kolonie, wo wir todt
abgemattet, ganz durchnässt, kalt und ohnmächtig von Hun-
ger und Durst ankamen.
suchen, ans Land zu kommen.
Gern hätten wir noch unsere
anderen zehn Mann abgeholt, aber das war wegen des star-
ken Stromes nicht möglich. So mussten sie bis zum andern
Morgen, wo die Fluth kam, auf der Klippe bleiben. Sie
standen viele Noth aus. In der Nacht war es sehr kalt.
Sie fielen mit ihren gefrorenen Händen und Füssen über
einander, ohne schlafen zu dürfen, aus Furcht, todt zu
frieren. In der Morgenstunde kamen zwei Grönländer mit
ihren Schiffehen zu ihnen, die sie riefen. Ein Hamburger
Matrose gab dem einen Wilden ein seidenes Tuch von sei-
nem Halse mit der Bitte, sie von der Klippe abzuholen.
Hierauf ruderten die Wilden zurück und holten ein „Koene
Boot” oder ein Frauenschif. Wir waren auch schon mit
unserer Schaluppe in Bereitschaft und fuhren mit den
Grönländern nach der Klippe. Sie fuhren voran und brach-
ten den zehn ausgehungerten Leuten Brod und Trank,
welches die Herrnhuter den Grönländern mitgegeben hatten.
Als unsere Kameraden alle zu uns in die Schaluppe ge-
kommen waren, ruderten wir, mit Lob und Danksagung zu
Gott für seine Gnade, über den Fluss zu den Herrnhutern.
Diese erquickten uns alle mit warmer Speise und Trank.
Diese unsere
Wohlthäter sprachen gut Hochdeutsch. Darunter war ein
Sie bewirtheten uns nach ihrem Vermögen.
Nachdem wir uns
daselbst etwas erquickt hatten, begleiteten sie uns den
Brandenburger, von Lenzen gebürtig.
1. November nach der Dänischen Kolonie, „Gute Hoffnung”
(Gothoop) — Godhaab, also auf der Westseite Grönlands,
am Eingang der Davis-Strasse — genannt, wo wir den Win-
Wir wurden sehr freund-
Der Kaufmann aber erklärte, uns nicht
alle erhalten zu können, weil er so viel Lebensmittel nicht
habe, sein Proviantschiff sei noch nicht angekommen. Diese
Kompagnie bestand aus vier bis fünf Häusern, nach Art
eines Kirchdorfes ; ein Kaufmann, ein Prediger und ein Schul-
ter über zu bleiben gedachten.
lich empfangen.
meister wohnten hier und die Grönländer gehen hier zur
Kirche. Des folgenden Tages, es war Sonntag den 2. Novem-
ber, gingen wir alle zusammen in die Kirche, um die Verkün-
digung des Wortes Gottes anzuhören, bei welcher Gelegen-
heit der Prediger von „Gothoop” eine Danksagung zu Gott
für unsere Erhaltung sprach.
Weiterreise nach Zuyker Toppen und Holsteinborg. —
RM
I
- Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 45
Wir blieben ‘hier bis den 5. November, um. auszuruhen.
Darauf erklärte der Kaufmann (der Name dieses Mannes
wird nicht genannt), dreizehn Mann wolle er behalten,
und zwar solche, denen die Füsse so erfroren wären, dass
sie weder Schuhe noch Pantoffeln anziehen und noch weni-
. ger weiter kommen‘ könnten. Uns übrigen zwölf Mann
übergab er-das Dänische Boot, weil unsere Schaluppe un-
brauchbar und der Kiel zwei Mal gebrochen war, dazu
Proviant für drei Wochen zur Reise und zwei Grönländer
- mit ihren Schuiten als Wegweiser nach der Kolonie Zuyker
Toppen, 24 Meilen weiter nach Norden.
Nachdem wir unsern Dank bei dem Kaufmann abge-
stattet hatten, traten wir mit zwölf, nämlich fünf Mann
vom Kommandeur Broertjes und sieben Hamburgern, von
zwei Grönländern begleitet, in Gottes Namen die Reise wie-
der‘an. Wir ruderten den Tag nicht weiter als 2 Meilen,
weil hier wieder Grönländer wohnten, bei welchen wir die
Nacht über blieben. Als wir des Morgens weiter gehen
wollten, fing es aus Norden so stark zu wehen an, dass
wir vier Tage hier verweilen mussten. Den 10. November
setzten wir unsere Reise fort, mussten aber des Nachts bei
strenger Kälte im Boote bleiben. Den 11. kamen wir zu
einem Dänischen Schulmeister, Pisbeek genannt. Daselbst
blieben wir die Nacht und wurden freundschaftlich bewir-
thet. Den 12. gingen wir wieder auf die Reise, mussten
aber des gewaltigen Windes wegen wieder zurückkehren
und zum anderen Mal die Nacht bei dem Schulmeister zu-
bringen, worauf wir den 13. unsere Fahrt fortsetzten.
Acht Meilen von da wohnten wieder Grönländer, bei welchen
wir gern am Tage anzulanden wünschten; aber wir konn-
ten vor 12 Uhr in der Nacht nicht landen, weil es gegen
Abend stark wehte und viel Wasser ins Boot lief, was uns
nicht wenig aufhielt. Am 14. November hielt der Wind
noch immer an. Wir blieben hier den ganzen Tag und
wurden ausnehmend freundlich behandelt. Den 15. reisten
wir von hier ab. Gegen Abend fing der Wind an, mit einer
hohlen See stärker zu wehen. Wir können mit Recht
sagen, dass unsere zwei Grönländischen Begleiter nächst
Gott unsere Erhalter waren. Auf diese Weise kamen wir
gegen Abend wieder zu Grönländern, wo wir die Nacht
und des schlechten Wetters halber auch den folgenden Tag
und Nacht blieben und sehr gut und freundschaftlich be-
handelt wurden. Den 17. November kamen wir bei gün-
stigem Winde frühzeitig in Zuyker Toppen an. Hier glaub-
ten wir von unseren ausgestandenen Gefahren ausruhen zu
können, allein der Kaufmann gab vor, er habe nicht Lebens-
mittel genug, um uns den Winter über zu erhalten. Auch
sein Proviantschiff war „noch nicht angekommen”. So blie-
ben wir hier nur zwei Tage. Er gab uns für eine Woche
Lebensmittel mit auf den Weg und zwei andere Grönländer
mit ihren Schiffen als Begleiter, die uns nach der Kolonie
Holsteinburg (also bedeutend weiter nördlich in die Davis-
Strasse hinein) bringen sollten.
Wir waren wegen dieser Reise sehr besorgt. Denn erst-
lich war es eine Fahrt von 24 Meilen, ferner ein schlech-
tes Fahrwasser, wo die freie offene See gegen das Land
anschlägt, weil keine Klippen oder Inseln davor liegen, und
dann wohnte Niemand auf dem ganzen Wege von Zuyker
Toppen bis nach Holsteinburg. Endlich lag auf der Hälfte
des Weges fast 2 Meilen in See eine trockene Sandbank,
welche wir mit hohem Wasser passiren mussten. Nachdem
wir bei dem Kaufmann so viel ausgerichtet hatten, dass
einer von unseren Leuten, ein Hamburger, der nieht weiter
kommen konnte, da bleiben durfte, gingen wir eilf Mann
und zwei Grönländer den 19. November des Morgens um
4 Uhr von Zuyker Toppen weiter. Mit einigen Schwierig-
keiten passirten wir seewärts um die Bank herum und
kamen am 22. November Abends zu Holsteinburg an.
Wir wurden freundlich empfangen und diese Leute tha-
ten an uns alles Gute, was in ihrem Vermögen war; auf
diese Weise hatten wir doppelt Ursache, dem grossen Gott
zu danken, was wir auch am gleich darauf folgenden Sonn-
tage mit dem Pastor öffentlich in der Kirche thaten.
Die Schiffbrüchigen nehmen Dienste auf einem Dänischen
Fahrzeug. — Als wir nun hier waren, hörten wir, dass
2 Meilen von Holsteinburg ein Königlich Dänisches Schiff
lag, welches mit Proviant angekommen war und im Früh-
jahr daselbst auf den Walfischfang gehen sollte. Als
der Kommandeur dieses gemeldeten Schiffes auf der Kolonie
bei dem Kaufmann ankam, redete er mit uns und erbot
Er- stellte
uns vor, dass, wenn wir in seinen Dienst treten und im
sich, uns mit nach seinem Hause zu nehmen.
Frühjahr ihm mit fischen helfen wollten, wir noch etwas
Geld verdienen und folglich den andern Sommer mit ihm
nach Kopenhagen fahren könnten. Dieses Anerbieten nah-
men wir gern an. Denn da wir Alles verloren hatten, be-
kamen wir Hoffnung, auf diesem Wege wenigstens noch
etwas Geld in die Hände zu bekommen.
Auf diese Weise fuhren wir mit dem Dänischen Kom-
mandeur, Dirk Boisen genannt, auf seiner Schaluppe von
der Kolonie nach seinem Hause. Hier traten wir in seinen
Dienst. Weil er noch viele Mauersteine im Schiffe hatte,
mussten wir dieselben heraus und auf eine hohe Klippe
tragen. Daselbst sollte noch ein Haus gebaut werden. Fer-
ner liess er uns die schlimmsten, schwersten und schlechtesten
Schiffs- und andere Arbeiten thun. Obgleich wir von allem
erlittenen Elend noch sehr schwach und kraftlos waren,
verschonte er uns doch nicht. Auch als wir nachher ans
Fischen gingen, behandelte er uns eben so. Wir mussten
allezeit die erste Arbeit thun. Ja, er ging so weit, unser
| 46 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
-
Volk zu stossen und zu schlagen, warf uns täglich vor,
dass wir Geld verdienten und deshalb brav arbeiten müss-
ten. Mit dem Geldverdienen war es leider Nichts, wie sich
später ergab.
Rückkehr über Kopenhagen und Amsterdam in die Hei-
math. — Im Sommer, nachdem die Fischerei vorbei war,
sind wir mit dem Kommandeur Boisen von der Kolonie
Holsteinburg, unserer zwölf Personen von drei verunglückten
Schiffen, nach Kopenhagen gefahren, nämlich unserer sechs
Mann vom Kommandeur Broertjes (wir waren nur unserer
fünf Mann an die Kolonie gekommen, nachher kam aber
noch einer von unserm Schiff daselbst an) und sechs Ham-
burger vom Kommandeur Hans Christians Jaspers. Wir
haben auf der ganzen Reise Matrosenarbeit gethan, und
gewiss die schwerste, glaubten aber, wenn wir nachher in
Kopenhagen angelangt sein würden, einige Belohnung dafür
zu bekommen. Doch, ach! es wurde weiter Nichts daraus,
als dass Jeder einen halben Reichsthaler empfing, womit
wir weiter reisen mussten. Die übrigen Umstände, wie wir
nach Amsterdam gekommen, übergehe ich mit Stillschweigen.
Für die Kost wurden wir als Matrosen auf einem Friesi-
schen Kuffschiff angenommen und kamen den 12. Juli
1778 wohlbehalten, doch sehr arm, in Grönländischer Klei-
dung in Amsterdam an.
Als wir noch auf der Kolonie waren, empfingen wir
Nachricht, dass noch sieben Mann von unserem Schiffe weit
gegen Süden hin angekommen seien. Was die Komman-
deure mit ihrem bei sich habenden Volk, an 230 Seelen,
die vom Zelt nach dem Lande gegangen waren, betrifft, so
sollen einige davon verunglückt, andere an verschiedenen
Orten ans Land gekommen und hernach weiter nach Nor-
den (in die Davis-Strasse) gebracht sein, um zu Hollän-
dischen Schiffen zu kommen. Die Zahl der Menschen, die
in Grönland das unglückliche Schicksal erlitten, ihre Schiffe
im Jahre 1777 zu verlieren, wird auf 450 Seelen an-
genommen. Die Zahl derer, von welchen man bis jetzt
weiss, dass sie noch am Leben sind, ist 140 Personen.
Mithin müssen 310 Personen umgekommen sein, worunter
Kommandeur Broertjes mit gerechnet wird. Die Namen
der Kommandeure, die ihre Schiffe verloren haben, sind:
Holländer: 1) Klaas Keuken, 2) Klaas Kastrikum, 3) Jakob
Henrich Broertjes, 4) Roloff Meyer, 5) Jakob Bremer,
6) Volkert Janz und 7) Jeldert Janz Groot; Hamburger:
1) Jenz Hansen, 2) Pieter Andries, 3) Engelbert Janz,
4) Hans Christians Jaspers und 5) Marten Jans.
Bericht über die Reise des Hamburger Walfischfängers
„Frau Elisabeth” 1769. — Es folgt zunächst ein Bericht
über des Hamburger Kommandeurs Jakob Janssen merk-
würdige Reise, welcher mit dem Schiffe „die Frau Elisa-
beth” den 7. April 1769 nach Grönland auf den Walfisch-
fang ging, von Anfang Juli bis zum 19. November im
Eise fest war, dann wieder frei wurde und den 13. De-
zember 1769 glücklich wieder in Hamburg anlangte ').
„Um die gewöhnliche Jahreszeit, nämlich den 7. April, des ab-
gewichenen Jahres gingen verschiedene Schiffe von Hamburg auf den
Walfischfang aus, und unter ihnen führte ich (Kommandeur Jakob
Janssen) das von Herrn Berend Roosen für eigene Rechnung erbaute
Schiff, „die Frau Maria Elisabeth’ genannt, welches mit 45 Mann be-
mannt und mit allen zu einer vollständigen Ausrüstung gehörigen Er-
fordernissen sehr wohl versehen war. Ein konträrer Wind nöthigte
uns, einige Tage zu Cuxhaven zu liegen, nach deren Verlauf er südlich
und für uns so günstig ward, dass an einem Tage, als am 14. April,
sieben Hamburger Schiffe auf einmal in See gehen konnten. c
„In offener See, wo ein Jeder den ihm gefälligen Kurs nimmt,
verliert man einander bald, und auf dem meinigen war ich schon den
20. Hittland passir. Am 28. sah ich das erste Eis und traf auch
eine Menge Schiffe an. Am 29. liess ich die Walfisch-Leinen in meine
Schaluppen schiessen und befand mich auf der Höhe von 74° 40’. Fol-
genden Tages segelte ich höher nordwärts auf, erblickte den 7. Mai
auf 75° 20' das sogenannte Ost-Eis bei Spitzbergen, erreichte den 8.
mit 77° 12’ das Vorland von Spitzbergen und entschloss mich, am 17.
auf der Höhe von 78° 15’ an einem Eisfelde fest zu machen, um be-
queme Gelegenheit zum Fischen zu erwarten. Ich hatte das Glück, am
23. drei Fische und Tags darauf wieder drei Fische zu fangen, ging
dann nordostwärts höher auf und fing am 26. auf der Höhe von 78° 30'
noch einen Fisch, am 27. zwei Fische, am 30. vier Fische und am 31.
noch einen Fisch, so dass ich nun zusammen vierzehn Fische gefangen
hatte. Unter der Zeit, da besagte Fische gefangen, abgelöst und ins Schiff
übergebracht worden, wehte fast durchgehends ein nördlicher und öst-
licher Wind mit empfindlich kalter Luft, allein in den letzten drei Ta-
gen des Maimonats erhob sich ein heftiger‘Südwind, der die mit jenem
Winde von Norden südwärts getriebenen Eisschollen zurückführte, so
dass ich in einer kleinen Bucht eingeschlossen ward. Es lagen mir
sehr viele Schiffe zu Gesicht, wir konnten aber wegen des zusammen-
gehenden Eises nicht zu einander kommen.
„Den 12. Juni kam mit einem starken westlichen Winde die See
in Bewegung, das Eis theilte sich, ich segelte zu den mir in Sicht lie-
genden sieben Schiffen und schloss Maskopie und Kameradschaft mit
einem zweiten Schiffe meines Patrons, „der wachende Kranich’” genannt,
geführt von dem Kommandeur Geerd Geelds. Wir machten uns fest
am Eise, sahen am 15. viele Fische, fuhren in Gesellschaft von sechs
und in Sicht von zehn Schiffen drei Tage an den Eisfeldern auf und
nieder, sahen am 18. wieder einige Fische, ohne ihrer habhaft werden
zu können, und hatten am 18. bei sehr angenehmem Wetter vierzehn
Schiffe um uns liegen. Am 28. sahen wir abermals einen Fisch auf -
der Höhe von 76° 20'. In den ersten Tagen des Julimonats rückten
die Eisschollen wieder ziemlich zusammen, doch hatten wir den 5.
‚und 6. auf 75° 32’ noch fünf Schiffe in Sicht und waren also un-
serer sieben zusammen, von welchen aber am folgenden Morgen in dem
stark zusammendrängenden Eise drei Schiffe, nämlich „Volkert Claessen”,
„Martin Claessen”, beide aus Holland, und ein Englisches, verunglückten.
Jedoch wurden das Volk und einige Güter vom Kommandeur „Nanning
Adriansen” geborgen. Am 8. gesellte sich ein drittes Schiff, „die
Fischlust” genannt, geführt vom Kommandeur „Freerk Broersen”, zu
uns, als wir abermals ziemlich mit Eisschollen umgeben waren; wir
sahen noch ein viertes Schiff und auch die Trümmer der verunglückten
Schiffe im Eise, konnten aber nieht zu ihnen kommen, sondern mussten
sogar höher hinauf gehen, weil das vom Südwest-Winde gegen Süd-
osten getriebene Eis sich immer fester setzte und uns täglich mehr
beengte. Wir segelten dann an den Feldern aufund nieder, ob irgend
eine Öffnung sein möchte, fanden aber keinen Weg, aus dem Eise zu
entkommen, und befanden uns daneben in steter Gefahr, Schiff, Gut
und Leben zu verlieren. Das nun ohne Aufhören von Nordwesten oder
„Alt-Grönland” her sich ansammelnde Eis, das unter dem Namen von
„West-Eis” bekannt ist, hatte eine Dicke von 8 Fuss; die Schollen
‘) Der Bericht ist in Hamburg 1770 gedruckt; es sind demselben
eine Abbildung, welche drei Schiffe im Vordergrund und hinten das
vierte in der gewaltigen Eisbesetzung nahe der Küste zeigt, und eine
rohe Karte der Davis-Strasse, Grönlands und des Eismeeres zwischen
Spitzbergen und Grönland beigegeben.
Bu.
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 47
thürmten sich häuserhoch über einander und liessen uns an einem langen
Felde in einer kleinen Bucht, wo hinein wir uns gesägt hatten, nur
einigen kleinen Raum zum Liegen übrig.
„In dieser Lage und da wir deutlich bemerkten, dass selbst die
hohen Eisberge sich in einander zahnten, auch unbeweglich wurden,
fassten wir schon ernstliche Gedanken. Ich ermunterte jedoch meine
Leute, so viel es möglich war. Obwohl nun unser Vorrath an Lebens-
mitteln ansehnlich war, wir auch bis dahin noch kein hartes Brod oder
Schifiszwieback gekostet, sondern noch immer weiches, d. i. ordentlich
gebackenes, Brod gegessen hatten, so stellte ich meinen Leuten doch vor,
wie wir schuldig wären, unser Leben, so lange es immer möglich, zu
erhalten, und eröffnete ihnen zugleich am 16., dass fürs Künftige täg-
lich nur zwei warme Mahlzeiten gehalten werden sollten, womit sie
alle zufrieden waren. Am 17. wurde damit auch der Anfang gemacht.
Indessen rückten die Eisfelder täglich näher zusammen, so dass wir
wegen des uns bedrängenden Eises unsere Schiffe zu verlieren besorg-
ten und ich daher am 26., da wir auf der Höhe von 74° 53’ waren,
unsere Lebensmittel theils zwischen, theils über das Verdeck bringen
liess, um dieselben retten zu können, wenn etwa das Schiff zerdrückt
werden sollte.
„Den 27. verspürten wir eine sogenannte „Diening’” oder Bewegung
im ı Eise, welche gemeiniglich entsteht, wenn die offene See durch einen
rın in Bewegung gesetzt wird; die Eisberge trennten sich, wir er-
hielten etwas mehr Raum und konnten an den Eisfeldern anf und nie-
der segeln. Den 30. verzehrten wir unser letztes weiches Brod und
entdeckten auf der Höhe von 74° 9' „Gale Hamkes Land” in einer
Weite — wie wir sie schätzten — von etwa 15 Meilen. Am letzten
dieses Monats verlor sich eine grosse Eisspitze, wir erhielten noch
_ mehr Raum, fuhren zwischen den Eisschollen hin und her und bemerk-
ten am 4. August, dass wir in dem Eise um ein Ansehnliches weiter
nach der offenen See zu gekommen wären.
„Demungeachtet machte ich an diesem Tage den Anfang, Brod
nach Rationen auszugeben, und vertheilte davon vier Fässer unter mein
Volk, mit dem Antrage, dass ein Mann, der wirthschaftlich zehren wolle,
mit seiner Portion 56 Tage ausreichen könne.
„Den 5. erblickten wir in der Entfernung von 4 bis 5 Meilen
noch ein viertes Schiff im Eise, welches gleichfalls bemüht war, einen
Ausweg zu suchen, verloren es aber den 6. wieder aus dem Gesichte.
Wir machten uns an einer Eisscholle fest, zogen den 7., 8. und 9. un-
sere Schiffe mit Leinen an den Feldern hin und wurden auf der Höhe
von. 74° 5’ wieder vom Eise besetzt. Indessen sahen wir das Schiff wie-
der vor uns, auch auf den Eisschollen die auf- und abklimmenden See-
‚hunde spielen, und da in den folgenden Tagen das Eis wieder lose
ward, arbeiteten wir unermüdet zwischen den treibenden Schollen hin,
um heraus zu kommen. Eis und beständiger dieker Nebel, der nicht
die geringste Aussicht gestattete, hinderten uns daran. Am 17. sahen
wir einige Fische, hatten am 18. starken Regen bei Ostwind, welcher
nach und nach stärker ward und uns die erste recht rauhe Winterluft
zuführte. Den 20. bemerkten wir wieder einige Seebewegung, hatten
starke Nebel, zogen uns jedoch an Leinen nordwärts, verloren das
vierte Schiff abermals aus dem Gesicht und waren auf der Höhe von
73° 48t.
„Bei allen diesen Mühseligkeiten wollte das Glück, dass wir gar
keinen Schnee hatten, obwohl uns der bestündige Nebel beschwerlich
genug war, indem er entweder wie Reif oder wie Glatteis an das Schiff
und an die Tauwände desselben so stark sich anlegte, dass diese
‘ wie Breterwände und jenes wie ein Eisberg erschien. Alle Rollen und
auch das Braspill wurden ganz fest und wir mussten,. wenn es nöthig
war, solche mit Schlagen und Stossen beweglich zu machen suchen, ja
endlich mussten. wir die Rollen in den Kloben mit glühendem Eisen
aufthauen.
„Nunmehr hatten wir seit einiger Zeit auch eine Art von Diümme-
‚rung verspürt, jedoch wegen des Nebels, der oft um Mittag grosse
Dunkelheit erzeugte, konnten wir das nicht genau bestimmen. Wir
erhielten aber am 21. klare, heitere Luft, hatten zum ersten Mal ent-
schieden Nacht und sahen mit ihr die ersten Sterne. Der Winter stellte
sich mit heftigem Froste ein. Gegen das Ende*des August verloren
sich auch alle Vögel und selbst die Seehunde, zum betrübten Zeichen
für uns, dass der volle Winter eingetreten war. Andererseits liessen
sich viele Falken blicken, was sonst hier den Fischern etwas Uh-
gewöhnliches ist, und wir wurden gewahr, dass wir bei stillem Wetter
mit dem grossen Eisfelde, in welches wir eingesperrt waren, immer
mehr gegen Süden hinunter getrieben wurden, wie denn bekanntlich
die See hierselbst einen beständigen Strom von Nordosten gegen Süd-
westen hat. Zuweilen hörten wir, nicht ohne Vergnügen, das Blasen
oder Brausen der Walfische, jedoch wegen der grossen Eisberge, welche
uns umgaben, konnten wir sie nicht sehen.
„Am 2. September spürten wir abermals Seebewegungen, nach
welchen sich die Eisberge noch höher aufthürmten, weil der Wind bei
uns immer nördlich und östlich blieb, während er ohne Zweifel in der
See westlich war. Den 6. sahen wir unser viertes Schiff, merkten den
10. wieder Seebewegungen mit gleichem Erfolge, trieben immer etwas
südlich fort und fanden uns den 14. auf der Höhe von 73°.
„Bis zum 18. hatten wir südöstlichen Wind mit starkem Froste
und wurden nunmehr in dem Eise gänzlich fest. Den 19. September
gingen sechs Mann von „Freerk Broersen’s’” Schiff ab, um übers Eis
das in unserm Gesichte liegende vierte Schiff zu besuchen. Sie kamen
von ihrem äusserst gefährlichen Spaziergange in zwei Tagen wieder zu-
rück und berichteten, dass Freerk Pieters der Kommandeur sei, dass
das Schiff eben so fest wie die unserigen liege, dass es nicht mehr
Proviant als wir habe und dass die Leute nicht weniger als wir be-
sorgt wären.
„Am 20. fiel sehr gelindes Wetter. ein, so dass das Eis, welches
unser Schiff zunächst umgab, ganz mürbe ward und wir den uns nöthi-
gen Wasservorrath einnehmen konnten. Allein wieder eintretender
starker Frost machte uns in wenigen Tagen eben so fest.
am 24. auf 72° 30’, am 25. auf 72° 19’, am 27. auf 72° 15' und
merkten, dass unser Kompass eine Abweichung von 3 Striehen, das ist
etwa von 34 Graden, hatte. Der 29. schenkte uns mit starkem Süd-
west-Winde ein sehr gelindes Wetter, allein obgleich den 30. der Wind
noch stärker wurde und viel Regen fiel, auch die See recht merkliche
Bewegungen hatte, so blieben wir doch immer fest.
des Oktober blieb zwar die Witterung gelind, auch ward die See-
bewegung viel stärker, aber am 4. erhob sich ein starker Wind aus
Nordosten, der Frost ward heftig, in der Nacht fiel zum ersten Male
ein starker Schnee und wir verloren am 5. den Kommandeur Freerk
Pieters mit seinem Schiffe gänzlich aus unserem Gesicht.
„Bis zum 16. veränderliche Witterung mit Südsüdwest-Wind, wel-
cher das südwärts getriebene Schiff wieder auf 72° 24’ hinauf jagte.
Wir erblickten Jan Mayen-Eiland gegen Südosten und hatten etwa
14 Stunden Nacht. Am 23. kamen übers Eis. kleine Füchse zu uns,
deren wir nach und nach 18 schossen und verspeisten; in der Nacht
hörten wir das Blasen der Walfische, lagen auf 71° 14' und schätzten,
dass wir etwa 8 Meilen von Jan Mayen-Eiland wären. Am 24.
theilte ich meine letzten drei Fässer Brod oder Schiffszwieback unter
meine Leute aus, machte die Einrichtung, dass täglich nur eine ge-
wöhnliche warme Mahlzeit und eine von gebratenen Walfischschwänzen
gehalten werden sollte. Der Versuch ward sogleich gemacht, das Volk
speiste mit vielem Wohlgeschmacke, befand sich auch überaus wohl
dabei, ja ein Mann, der am Scharbock hart darniederlag, ward davon
zusehends besser und erlangte seine völlige Gesundheit in wenigen Tagen
wieder. Ich sagte dann meinen Leuten, dass wir noch einen ansehn-
lichen Vorrath von allerhand Lebensmitteln hätten, und machte ihnen
den Überschlag, dass, wenn es auch nicht möglich wäre, aus dem Eise
zu entkommen, wir dennoch bei unseren so eingerichteten Mahlzeiten
gewiss bis zum Ende des Februarmonats auslangen, auch unterdessen
ohne Zweifel so weit gegen Süden abgetrieben sein würden, dass wir
Land erreichen und uns übers Eis nach Island retten könnten. Mein
Volk war in der Folge bei dieser Kost so wohl vergnügt als nur
immer bei der gewöhnlichen Schiffskost und half sich den Umständen
nach so gut, als iches nur wünschen mochte. Als es an Thee gebrach,
wurden pockhölzerne Schiffsrollen geraspelt und davon Thee mit vieler
Zufriedenheit getrunken. Es fehlte Tabak und man rauchte die Rinde,
welche von den Reifen oder Tonnenbändern abgeschält wurde.
„Am 26. theilte ich Branntwein rationenweise aus und setzte ein
Oxhoft Bier für zwölf Tage auf. Am 27. hatten wir
Tag, welcher etwa 7 Stunden lang war.
„Vom 1. bis 10. November war wenig Veränderung. Der Nebel
hielt an, der Frost war sehr heftig, der Tag war etwa 6 Stunden lang;
Füchse und Bären liessen sich sehr häufig sehen, vielleicht von dem
Geruche des gebratenen Walfischschwanzes angelockt.
so scheu, dass man ihnen Nichts anhaben konnte. Nur Einer wagte
es, nahe ans Schiff zu kommen, entfloh aber sogleich, als er Menschen
erblickte. Am 12., als wir die Höhe von 70° 30’ hatten, kam bei
einem schweren Winde aus Norden die See wieder etwas in Bewegung.
So lieb es uns nun war, wahrzunehmen, dass unser Eisfeld so merk-
lich gegen Süden hinab getrieben war, so aufmerksam machte uns an-
dererseits die Entdeckung, dass unser Feld seine Riehtung geändert und
sich um 2 Striche, das ist etwa 22 Grad, herumgedreht hatte. Beides be-
stärkte uns in der Hoffnung, mit dem von Norden abgehenden Strome
Wir lagen.
Mit dem Anfange
Letztere waren.
einen hellen
u
st
48 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
immer weiter gegen Süden, mithin unserer Befreiung auf die eine oder
die andere Weise näher zu kommen. Am 13. ward sowohl der Wind
als die Seebewegung stärker, wir sahen gegen Süden, ingleichen gegen
Nordosten Wasser, jedoch bei der am 15. erfolgten Stille setzte
sich Alles wiederum zusammen. Den 16. war unbeständiger Wind,
heftige Kälte, auch etwas Bewegung in der See, welche jedoch am 17.
so stark ward, dass sich das Eis trefflich zertheilte und unsere Schiffe
in dem Eise wieder los wurden. Wir versäumten nicht, nach allen
Kräften uns heraus zu arbeiten, hingen das Steuerruder ein und brach-
ten Segel bei. Diese und alles Tauwerk waren gefroren, wir hatten
also dabei unglaubliche Arbeit.
„Am 19. Morgens kamen wir endlich aus der schweren Besetzung
heraus. Mittags lief ich mit dem „wachenden Kranich” etwas gegen
Süden. Es wehte ein starker Sturm aus Norden bei hoher Seebewe-
gung aus Westen; beide Schiffe wurden öfter unter grösster Gefahr
von einer Eisscholle an die andere geworfen, so dass wir sie an einer
treibenden Eisscholle fest machen mussten. Den 20. Morgens befanden
wir uns auf der Höhe von 68° 45’, der Nordwind erhob sich noch
stärker, die hohen Wellen der See gingen aus Westen entgegen und
wir hatten heftige Stösse auszustehen. Mein Schiff blieb indessen dicht,
nur die Ruderpinne ward zerbrochen und mein Eisbrecher von dem
Vorsteven gänzlich abgerissen. Es war noch immer Frost und der Tag
nur etwa 4 Stunden lang. Abends glaubten wir, dass wir in offener See
wären, liessen unser Schiff treiben und es waren noch alle drei Schiffe
beisammen. Am 21. des Morgens sah ich meinen Kameraden, den
“ „wachenden Kranich”, nicht mehr, wohl aber noch den Kommandeur
Freerk Broersen, welcher sein Schiff gegen Nordwesten antreiben liess,
da ich hingegen gegen Südosten aus dem Eise heraussegelte. Ob er
diess vielleicht aus Noth gethan, weil sein Schiff schon vorher etwas
leck war und er es vielleicht deswegen auf der einen Seite halten
musste, kann ich nicht beurtheilen. Es war keine Möglichkeit, zu ihm
zu kommen, weil es sehr stürmisch war, auch die Nacht schon wieder
herannahte, ‚weswegen ich mit einem Fock-, Besan- und grossen Mast-
Segel meinen Lauf verfolgte. Den 22. schätzte ich, 6° 45’ Länge und
67° 45’ Breite zu haben. Das Wetter war gut, daher beschloss ich,
meine Fahrt gerade nach Hause fortzusetzen, und brachte zu dem Ende
mehr Segel bei. Da Alles gefroren war, hatten wir sehr saure Arbeit
damit, die Segel beizubringen und die Beschädigungen auf dem Schiffe
wieder herzustellen, doch rechneten wir, in 24 Stunden 17 Meilen rein
gesegelt zu haben. Um desto mehr sorgte ich nun für meine Leute
und verordnete, dass täglich wiederum drei warme Mahlzeiten gehalten
wurden. Sie hatten noch alle Brod von der letzten Austheilung und
einige, die gut gewirthschaftet hatten, waren noch sehr reichlich da-
mit versehen. Am 23. ward das Wetter gut, der Wind Südsüdwest,
unsere Länge auf 7? 30', die Breite auf 67° geschätzt. Wir bekamen
ein Leck am Backbord (an der linken Seite des Schiffes), weshalb wir,
um das Schiff wasserfrei zu erhalten, beständig eine Pumpe gehen lassen
mussten.
„Am Morgen des 25. heftiger Südsüdost-Sturm, so dass alle un-
sere Segel fortgingen, eine unter dem sogenannten Galgen hängende
Schaluppe von den über das Schiff hinschlagenden hohen Wellen ab-
gerissen, zwei Schaluppen auf dem Verdeck in Stücke zerschlagen und
dabei die Bolzen, womit sie auf demselben befestigt waren, theils zer-
brochen, theils herausgezogen wurden. Ich schätzte unsere dermalige
Länge auf 10° 30’ und die Breite auf 66° 48'. Den 26. und 27. dauerte
der Sturm aus Nordnordwesten fort. Wir trieben vor einem Besan, weil
wir bei solchem Wetter keine Segel mehr beibringen konnten. Den 28.
erlaubte uns 'ein des Morgens aus Südosten, Mittags aus Nordnord-
westen, Abends aus Nordosten gehender mässiger Wind, mehrere Segel
beizubringen. Wir schätzten unsere Breite auf 64° 40', die Länge auf 12°.
Am 29. hatten wir gutes Wetter mit beyuemem Winde, kamen etwa
20 Meilen fort, auf die Breite von 63° 45’ und die Länge von 14° 30’,
segelten den 30. ungefähr 24 Meilen bei steifem Winde und schätzten
nunmehr unsere Länge auf 16° 30', die Breite auf 61° 30'. Der 1. De-
zember brachte uns nach der geschätzten Länge von 17°, Breite von 59°
20’ in die Nordsee. Ich liess die Taue in die Anker bringen und hatte
den 2. Nordnordwest-Wind mit Regen, doch mitunter so gutes Wetter,
dass ich zum ersten Mal wieder eine feste Sonnenhöhe von 57° 47'
nehmen konnte, wobei ich die Länge auf 18° 30' berechnete. Wir
hatten auch die Freude, drei Schiffe in der See zu sehen. Den 3. lie-
fen wir über den Doggers-Sand hin, fanden 21 bis 22 Faden Tiefe,
55° 48' Minuten Breite, 19° Länge und am 4. mit südlichem Winde
bei gutem Wetter etwa 22 Faden Wasser, eine Breite von 54° 15’ und
eine Länge von 22° 30'.- _
„Den 5. des Morgens sahen wir voll Freuden das Feuer von Hel-
goland. Um Mittag kam eine Fischerschaluppe von Helgoland an Bord,
welche ich mit einem Briefe an meinen Schiffspatron, Herrn Berend
Roosen, abfertigte; Abends ging ich zwischen Helgoland und der Elbe
auf 94 Faden Tiefe vor Anker. Den 6. nahm ich zwei Helgoländer
Lootsen an Bord, lichtete die Anker und kam Abends vor die Mündung
der Elbe. Den 7. des Morgens erreichten wir die Elbe, gingen Abends
bei Freiburg vor Anker, segelten den 8. bis Glückstadt und mussten
widrigen Windes und des abgehenden Treibeises wegen vom 9. bis zum
12. stille liegen. Den 13. ging der Wind nach Westen um. Ich liess
um 1 Uhr Mittags die Anker lichten und kam, unerachtet bei Witten-
berg und Schulau uns sehr vieles Eis entgegen trieb, dennoch Abends
um 6 Uhr wohlbehalten vor Hamburg an, nachdem ich just 8 Monate
auf meiner, obwohl beschwerlichen, dennoch gesegneten und durch Got-
tes Güte wohl ausgeschlagenen Reise zugebracht hatte. Meine Mann-
schaft war, Gott Lob! sämmtlich gesund.
„Als wir auf die Elbe kamen, hatten wir noch Brod und einen guten
Vorrath von Fleisch, Stockfisch, Erbsen und anderen gewöhnlichen Schiffs-
viktualien. Mein Schiffsvolk, welches nunmehr für 7 Monate Monats-
gelder und für vierzehn Fische Fischgelder zu empfangen hatte, ward noch
denselben Abend abgelohnt und ging mitlautem Jubelgeschrei von Bord.
Sehon seit einiger Zeit hatten sie ihre Freude laut geäussert und durch
Hurrahs die Freudenbezeugungen erwiedert, welche man’ uns auf dem
Elbstrome häufig erwies. Denn die Schiffe, welche uns begegneten,
und die Menschen an den Ufern, welche uns aufkommen sahen, bewill-
kommten uns mit Zurufen, Freudenschüssen und dem Aufhissen von
Flaggen, um ihren herzlichen Antheil an unserer Errettung zu be-
zeugen.
„In Hamburg vernahm ich zwar mit Vergnügen, dass das oft ge-
dachte vierte Schiff des Kommandeurs Freerk Pieters, welches wir am
5. Oktober aus dem Gesichte verloren, glücklich in Holland eingetroffen
sei (nach „De Walvischvangst”, Theil IV, S. 17, kam das Schiff „De
Vrouwe Maria”, Kommandeur Frederich Pieters, am 16. November aus der
Besetzung und, nachdem es viele Gefahren überstanden, am 5. Dezember
glücklich in Texel an), hätte aber geglaubt, meinen Kameraden, „den
wachenden Kranich”, welcher vermuthlich eher als ich aus dem Eise
kam, schon vorzufinden. Ob die Hand Gottes, die uns wider alles Ver-
muthen errettet, auch ihn nebst dem Kommandeur Broersen zurück-
führen werde, müssen wir erwarten. Gefahr haben sie gewiss genug
gehabt. Es ist kaum glaublich, dass ein Schiff solche Gewalt ausstehen -
könne, als wir von den durch Sturm und Wellen auf uns geworfenen
Eisschollen gelitten haben. Nur gar zu oft glaubten wir den letzten
Stoss empfangen zu haben. Hierzu kam die von Nebeln begleitete
fürehterliche Kälte, welche uns kaum verstattete, die Hand an Etwi
zu legen, auch war Alles, was man nur anfasste, Eis. Die Kälte war
im November so gross, dass alle Nathen oder Fugen im Obertheile
des Schiffes sich öffneten, und zwar mit einem Knalle, der einem
Pistolenschuss gleich war, so dass wir oft meinten, das ganze Schiff
würde aus einander bersten. Diese offenen Nathen waren nachher, als
wir wieder ins Wasser kamen, eben so viele Lecke, die sich aber, als
unser Schiff allenthalben von Wasser umgeben ward, von selbst wieder
zusammenzogen. Bei dieser grossen Kälte, in welcher auch alle inne-
ren Wände des Schiffes durchaus mit Eis überzogen wurden, ingleichen
alle unsere Wassergefässe zu Grunde ausfroren, machte ich meinen
Leuten Zwischendecks-Verkleidungen von unseren Segeln, wodurch die
Kälte doch so weit abgehalten ward, dass sie sich darinnen bergen
konnten. Indess gefror selbst in der Küche Alles, obgleich bei noch
ansehnlichem Holzvorrath darin beständig Feuer gehalten ward. Als
etwas Sonderbares muss ich noch bemerken, dass wir in der ganzen
Zeit, die wir im Eise zubrachten, kein Nordlicht sahen. Das erste er-
bliekten wir wiederum, als wir in die offene See kamen. Sonst hatten
wir sehr starkes sogenanntes Eisblinken und der Mondsehbein war viel
heller, als er bei uns gewöhnlich ist. Die Sterne erschienen uns immer
feuerroth, ohne Zweifel von dem Nebel, welcher nie gänzlich verging,
wenn auch das Wetter hell war. Die Sonne erschien immer gross, wie
es der Fall ist, wenn sie dem Horizonte nahe ist, doch nur bleich und
nie so roth wie die Sterne.
„Die höchste erreichte Breite war den 12. Mai, nämlich 79° 30'”,
Fahrt und Abenteuer des Hamburger Schiffes „Sara
Cecilia” 1777. — Ein dritter Bericht ist die „Wahrhafte
Nachricht von den im Jahre 1777 auf den Walfischfang
nach Grönland abgegangenen und daselbst verunglückten
fünf Hamburger Schiffen, gezogen aus dem Journal des
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 49
Küpers Jürgen Röper auf dem Schiffe genannt Sara Cecilia,
Kommandeur Hans Pieters. Altona 1778”.
„Anno 1777, den 14. März, gingen wir mit oben benannten Schif-
__ fen nebst verschiedenen anderen Seglern von der Elbe in die See und
setzten unseren Kurs nach dem Orte unserer Bestimmung fort, bis wir
endlich an und in dem Eise nach der Gegend von Spitzbergen gelang-
ten, wobei keine sonderlichen Vorfälle sich zutrugen. lm Monat Juni,
ungefähr gegen den Johannistag, geriethen wir im Gesicht des Landes
Geel Hamkes in Gesellschaft vom 27 Schiffen verschiedener Nationen
in Besetzung und blieben ohne merkliche Veränderung bis den 29. Juli
insgesammt liegen. An diesem Tage verspürten wir bei stillem Winde
einen entsetzlichen Druck des Eises an unserm Schiffe, so dass wir in
Gefahr waren, solches zu verlieren. — Im Anfang des August öffnete sich
das Eis einigermaassen um und neben uns. Wir waren daher bemüht,
vermittelst der Schaluppen und Ziehen mit dem Tauwerk das Schiff
aus der Besetzung zu bringen, welches in dem Gesichte von Island ge-
schalı, es wollte aber unser Vorhaben nicht gelingen. Wir verloren bei
dieser Begebenheit die meisten mit uns in Besetzung gewesenen Schiffe
aus den Augen, nur blieben ünser Schiff nebst vier anderen Hamburgern,
nämlich dem „Jakobus”, „Die zwei Hermanns”, „Frau Clara’ und dem
„Mereurius”, bei einander liegen.
„Am 20. des gedachten Monats gingen bei einem heftigen Sturme,
durch die Dünung des Eises, die beiden Schiffe „Jakobus’” und „Die
zwei Hermanns’ verloren und unser Schiff bekam dadurch eine grosse
Öffnung an der Steuerbords-Seite und es zerbrachen zwei Kniee im
Raum; nichts desto weniger bekamen wir von den beiden verunglückten
Schiffen einige Mannschaft an Bord und wurden daher mit den Unseri-
gen 70 Mann stark. Wir hatten also diesen Tag genug zu schaffen,
dureh beständiges Pumpen unser Schiff vom Wasser leer zu halten,
und arbeiteten sowohl diesen Tag als den folgenden, die Schaluppen,
Lebensmittel und Güter auf dem Eise in Sicherheit zu bringen. Andere
aber waren beschäftist, die Öffnungen am Schiffe wieder dieht zu machen.
Wir kamen auch damit so weit, dass wir die aus dem Schiffe gesetzten
Güter am 22. wieder übernehmen konnten. Unser Kommandeur wurde
von Sorgen und Grämen, auch durch den schon vor einiger Zeit auf-
getretenen Skorbut, von Tag zu Tag immer schlechter, bis er endlich
an dieser seiner Krankheit am 20. September des Mittags zu unserer
allseitigen Betrübniss seinen Geist aufgab. .
„Wir trieben also mit dem Schiffe im Eise nebst den zwei übri-
gen, hatten bis den 30. desselben Monats immer Geel Hamkes und
Island westwärts hin im Gesichte. An diesem Tage entstand ein hef-
tiger Wind aus Osten und gingen damit alle drei Schiffe auf einmal ver-
loren, wodurch unsere Noth den Anfang nahm. Wir brachten von un-
serm verlorenen Schiffe alle Schaluppen, Lebensmittel und Güter, so
viel nur immer möglich war, auf das Eis und weil wir nicht weit von
der offenen See entfernt waren, so bemühten wir uns, eine Schaluppe
mit einer Tonne Brod und einem Fässchen Butter eiswärts einzubrin-
gen, und redeten dem übrigen Volke zu, unserm Beispiele zu folgen;
aber es half hier bei ihnen keine Vorstellung noch Bitten, sondern sie
blieben bei dem Gute und den Lebensmitteln liegen, sonst hätten wir
weit mehr Schaluppen und andere Nothwendigkeiten retten können,
welches ihre Widerspenstigkeit verhinderte.
„Die Dünung des Wassers war so ausserordentlich, dass wir bei
unseren geborgenen Schaluppen, an die 60 Mann stark, die folgende
Nacht auf dem Eise im Wasser stehen mussten, und hatten unaufhör-
lich Nichts als unsern Tod vor Augen. Tags darauf, den 1. Oktober,
_ wurden wir noch eine Sehaluppe im Eise gewahr, es begaben sich
einige Leute von uns, um selbige zu holen, dahin, aber im Hingehen
hatten zwei von ihnen das Unglück zu ertrinken, die übrigen kamen
mit der Schaluppe wieder zu uns. Wir waren auf verschiedene Schol-
len Eis vertheilt und bei diesen beiden Schaluppen befanden sich in
Allem 21 Mann. Den 2. erblickten wir noch eine Schaluppe in offe-
nem Wasser. Wir bemühten uns, mit den beiden Schaluppen dahin
zu kommen, fanden aber, dass dieselbe in Stücken und unbrauchbar
war, und da wir wegen eines entstandenen Windes aus Ostnordost
nicht wieder auf das Eis gehen konnten, mussten wir die ganze Nacht
in See verweilen, wobei wir einen Mann verloren. Am andern Morgen
wollten wir wiederum nach den Hinterlassenen zurück, konnten aber keine
Öffnung im Eise finden. Wir segelten also am 3., so wie das Eis trieb,
neben demselben, auch zuweilen in gefundenen Öffnungen zwischen dem
Eise, um wieder zu den unserigen Zurückgebliebenen hin zu gelangen;
es war aber durchaus unmöglich, und sie konnten gleichfalls nicht zu
uns kommen, obgleich wir ihnen durch Rufen und Schreien solches
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
zu erkennen gaben, bis wir sie endlich gar vermissten. Da wir aber
am 5. nicht weiterim Wasser fortkommen konnten, bemühten wir uns,
gegen Abend die Schaluppen auf das Eis zu bringen. Am 6. waren
wir geschäftig, die Schaluppen von einer Eisscholle auf die andere
fortzuschleppen, um nach dem Lande, welches wir immer im Gesichte
hatten, zu gelangen. Wir waren aber durch unendliche Arbeit, Hunger,
Kälte und schlaflose Nächte dergestalt abgemattet, dass wir solches
unterlassen mussten. Auch waren die Schaluppen schon durch das
Auf- und Abbringen so sehr beschädigt, dass wir sie fernerhin nicht
mehr im Wasser gebrauchen konnten. — Den 8. begaben sich acht
Mann von uns weg, um einen Versuch anzustellen, das Land zu errei-
chen, welches Unternehmen ihnen auch gelang. Sie sind daher die Ur-
sache gewesen, dass die sogenannten Wilden, bei welchen sie angelandet,
uns Übrige nachher aufsuchen liessen.”
Landung der Schiffbrüchigen von der „Sara Cecilia” in Grön-
land. — „Den 9. Okt. gingen wir Zurückgebliebenen von den Schaluppen
ab nach dem Lande zu und erreichten am dritten Tage, den 11., eine
in der See gelegene ziemlich hohe Klippe, allwo wir aus Mangel aller
natürlichen Speisen von Muscheln, Kräutern und kleinen Beeren, den
hiesigen Wachholderbeeren gleich, zwölf Tage lang unser Leben auf-
halten und des Nachts zum Schlafen solche Örter an den Felsen suchen
mussten, wo wir, von Schnee und Wind befreit, schlafen konnten.
„Den 23. des Morgens um 10 Uhr kam ein wilder Mann mit sei-
nem kleinen Schuitehen zu uns gerudert, er konnte aber so wenig un-
sere Sprache als wir die seinige verstehen, doch gab er uns mit Deuten
und Zeichen zu erkennen, dass er wieder kommen und uns abholen
wolle, kam auch gegen Abend mit zwei von ihren Schuiten, deren sich
ihre Frauen bedienen, zurück. Die Frauen ruderten, in jeder Schuite
war ein Mann, der das Steuer regierte. Wir stiegen also in Gottes
Namen zu ihnen, in jede Schuite sechs Mann, und kamen darauf meiner
Meinung nach an die Insel Kap Farwel um 10 Uhr glücklich an. Wir
waren von Hunger und Kälte so sehr abgemattet, dass wir nicht nach
ihren Wohnungen hinzugehen vermögend waren, sondern wurden vielmehr
von den Frauen einer nach dem andern dahin getragen. Sie bewirthe-
ten uns darauf mit ihrer gewöhnlichen Speise, nämlich Robbenfleisch
und Speck, und anstatt des Brodes mit kleinen getrockneten Fischen.
Wir stillten so viel wie möglich unsern Hunger und schliefen darauf die
Nacht ziemlich ruhig. Den folgenden Morgen wurden wir von einem
Herrnhutischen Mann, der von Sr. Königl. Majestät von Dänemark sei-
ner Rede nach beordert war, die dortigen Heiden zum christlichen
Glauben zu bringen, nach seiner Wohnung hin genöthigt. Er labte uns
mit Kaffee und etwas Grütze und wiederholte solches jeden Morgen
unseres Aufenthalts daselbst, gleichwie er die acht Mann, welche vor-
hin von den Unserigen allda angekommen, bewirthet hatte. Die un-
gewohnte Kost der Wilden war zwar anfänglich uns sehr zuwider, es
versüsste uns aber der Hunger die ekelhafte Speise und wir wurden
ihrer nach und nach gewohnt. Allein der Vorrath, welchen die Leute
davon hatten, war nicht zureichend, so viel fremde Gäste in die Länge
damit zu versorgen, wenn sie nicht am Ende selbst mit den Ihrigen
Mangelleiden wollten, weshalb wir uns gefallen lassen mussten, nachdem
wir uns zwei Tage bei ihnen aufgehalten hatten, von ihnen nach einer
andern Insel, die einige Meilen von ihnen abgelegen war, mit ihren
Schuiten gebracht zu werden. Auf dieser Insel, Julianen Hoop, war
eine kleine Dänische Kolonie, allwo wir aus Mangel an Lebensmitteln
nieht länger als einen Tag verweilen konnten. Von da wurden wir von
den dortigen Wilden, so zu sagen, stationsweise von dem einen Orte
zu dem andern fortgebracht, bis wir endlich in der 50 Meilen weit
entfernten Kolonie Friedrich’s Hoop kurz vor dem Weihnachtsfeste an-
kamen.
„Auf dieser langen, beschwerlichen Wasserfahrt lebten wir bestän-
dig in grosser Noth und Elend und waren die meisten Wilden, die uns
transportiren mussten, äusserst verdrossene Leute und sehr kärglich -
mit ihrer Speise, so dass wir das Robbenfleisch und den Speck, ingleiehen
das Fleisch von ihren geschlachteten Landhunden mit unseren Kleidern
vom Leibe austauschen und auf das Theuerste von ihnen kaufen muss-
ten, wodurch es denn geschah, dass wir fast nackt und bloss in dieser
Kolonie ankamen. Hier veränderten sich einigermaassen unsere Lebens-
art und Umstände. Denn wir erhielten nunmehr gleich Anfangs ein
Jeder zu zwei Hemden Leinwand und, um unsern Leib zu bekleiden,
sieben Robbenfelle nebst zwei Paar wollenen Strümpfen. Die Hemden
mussten die wilden Frauen nähen und aus den erhaltenen Fellen Stie-
feln, Hosen und Rock oder, wie sie es nennen, Koppeldeck verfertigen,
und damit dieselben uns nicht lange damit aufhalten möchten, so mun-
terten wir sie mit Tabak, welchen wir aus der Kolonie bekamen, zu
fleissiger Arbeit auf. Zur benöthigten Speise bekamen wir während
7
50 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
der Zeit unseres Hierseins wöchentlich der Mann 4 Pfund Roggen-Hart-
brod, 4 Pfund Schweinespeck, 1 Pfund Schaffleisch nebst etwas Grütze
und Erbsen, womit wir zur Noth unsern Leib erhalten konnten.
„In dieser Kolonie waren wir also von Weihnachten 1777 an
bis zum 7. April 1778, an welchem Tage wir mit einem von da nach
Kopenhagen bestimmten Schiffe, kommandirt durch Kapitän Jakob Jür-
gen List, abgingen und wegen eines in See erhaltenen Lecks mit gött-
licher Hülfe zu Bergen in Norwegen am 15. Mai glücklich anlandeten.””
Verschiedene Grönländer Schiffs- Nachrichten. — End-
lich theile ich eine Zusammenstellung aus den Grönländer
Schiffs-Nachrichten aus älterer Zeit mit, so weit ich solche
‚habe zusammenbringen können. Ich gebe dieselben in
ihrer ursprünglichen chronikartigen Form.
Im Jahre 1690, gegen die Zurückkunft der Grönlands-
fahrer, legte sich der Französische Freibeuter Jean Bart
vor die Elbe und hielt neun Schiffe an, von denen er die
Kommandeure wegnahm, bis sie sich ranzionirt hatten. Die
Ranzion betrug 106.500 Mark.
Im Jahre 1694 gingen die Hamburger Schiffe unter
Bedeckung des Convoy-Schiffes, Kapitän Michael Schröder,
und zahlten dafür 15.000 Mark. Die Bedeckung erhielten
sie auch in den beiden folgenden Jahren gegen gleiche Ver-
gütung.
Im Jahre 1697 wurden die Hamburger Schiffe von bei-
den Hamburger Convoyen unter den Kapitänen Kaspar Tamm
und Michael Schröder bis nach Grönland und zurück be-
deckt. Für Convoy-Geld wurde dem ersten 15.000 Mark,
dem zweiten 36.000 Mark bezahlt. Die 54 Hamburger
und 15 Bremer Schiffe kehrten mit reichem Fange heim.
Im Jahre 1702 gingen die Hamburger Schiffe ohne
Convoy aus, wurden aber bei ihrer Zurückkunft von Kapi-
tän Schröder bedeckt.
1705 kamen die Hamburger und Bremer Schiffe unter
Holländischer Convoy nach Hause. Das Schiff „Endracht”,
Rheder P. Löning, Kommandeur Johann Meyer, beladen
mit 17 oder 19 Fischen, gab sich vor der Weser von der
Convoy ab, wurde von den Franzosen genommen und zu
Dieppe aufgebracht.
Im Jahre 1724 wurden zwei Schiffe von Hamburg nach
Island bestimmt, wovon eines ledig zurückkam und das
andere einen Fisch und 35 Fass Speck hatte.
Im Jahre 1725 brachte das Bremer Schiff „Der Bloom-
pott”, Kommandeur D. Tegeler, Directeur J. B. Müllhausen,
einen „Combaers” (Cambaers) !), wovon ein Holländischer
Kommandeur den halben Antheil prätendirte; es kam zum
Prozess, der „Bloompott”’” wurde im Hafen mit Arrest be-
legt, wo er bis 1743 lag und dann als unnütz weggebracht
und geschleift wurde.
!) Ich habe nieht auffinden können, welche Art von Thranthieren
bei den Fischern diesen Namen führte, doch war es jedenfalls eine
kleinere Art von Walfisch, vielleicht Delphinus Tursio, der neben dem
mysticetus noch jetzt Gegenstand unserer Fischerei ist.
1726 wird berichtet, dass das Eis sehr stark gewesen
sei. 20 Schiffe wurden vom Eise besetzt und 40 bis
50 Meilen vertrieben. Die meisten haben am 2. und
3. August eine Öffnung gefunden und sich aus dem Eise
herausgearbeitet, zwei Hamburger aber sind sitzen geblie-
ben und mit aller Mannschaft verunglückt.
1741. Das Hamburger Grönlands-Schiff „Die Martha”
wurde am 10. November zu 3600 Thaler und die „Katha-
rina Maria” zu 2300 Thaler verkauft.
Das Bremer Schiff „Wapen von Bremen”, Kommandeur
Köper, Directeur Müllhausen, ist am 6. Januar 1752 an der
Thranbrennerei vom Stapel gelassen, kostete frei in Sce circa
18.000 Thaler und ist 1755 für 2000 Thaler verkauft; es
wurde durch Martin Menke gebaut und war so rank, dass
es keinen Fisch überwinden konnte, es wurden Taschen
daran gemacht, um es einigermaassen dienstbar zu machen,
Das Schiff „Wapen von Bremen” konnte 1753 nicht über
die „Egge nach Ronnebeck” kommen, blieb bis zum 7. Mai
sitzen und kam erst am 16. Mai in See. Es brachte doch
noch drei Fische zurück.
In den Jahren 1761 bis 1764 ist von Bremen keine
Fahrt nach Grönland gewesen.
Das Schiff „Der Roland” wurde im September 1773
unter Jütland von einem Sturme befallen, in welchem es
sein Fleth und zwei Anker verlor, demnach vor Wrack in
Husum eingebracht, von wo es am 23. Oktober auf der
Weser ankam, hatte mit einem Schiffe „von der Oost” einen
Fisch gefangen, davon Lambke, der Kommandeur, die Hälfte
der Barten brachte, der Thran aber des ganzen Fisches war
in dem Ooster Schiffe.
Das Bremer Schiff „Argus”, Kommandeur Jan Mangels,
Directeur Br. Seekamp, war verdoppelt, hatte aber, als es
in See kam, ein offenes Leck, so dass sie die ganze Reise
pumpen mussten.
Den 15. April 1780 verlor dasselbe Schiff zwei Scha-
luppen im Eise, weshalb es nach Hause zu kommen genöthigt
war. Weil die Frachten hoch waren, fuhr der „Argus”
auf Kauffahrtei. Das Bremer Schiff „Der Roland” war ein
altes fuhrenes Schiff mit einer Eichenhaut. "Als es nach
dem Hafen gebracht werden sollte, kam es am 3. Oktober
unweit der Marckgeeren an der Stedinger Seite auf Grund,
„zerbrach den Rücken” und sank. „Der Rumpf wurde für
36 Thaler verkauft, es konnte aber wenig herausgebracht
werden.”
Jan Backer, Kommandeur der „Lucia Margreta”, Direc-
teur J. & D. Lankenau in Bremen, hatte, nach den Aus-
sagen verschiedener seiner Offiziere, sich auf der Reise nicht
wohl betragen, einige sagten, er wäre krank, andere, dass
er berauscht gewesen, die meiste Zeit sei er in der Kajüte
gewesen und habe Niemandem das Kommando übergeben, das
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 51
Schiff sei nicht weit genug und zwar nur vom 16. Mai
bis zum 16. Juni im Eise gewesen, und also sei das Volk
in Unthätigkeit geblieben.
abgesetzt.
Das Bremer Schiff „Lucia Margreta”, Kommandeur
Er wurde von der Rhederei
J. Mangels, Directeur D. Lankenau, kam am 13. März
1787 wegen Sturmes mit einem Leck zurück und wurde
gekielholt. Der Kommandeur Jan Mangels wurde abgesetzt
und statt seiner Dierk Gleistein zum Kommandeur ernannt.
Mit ihm ging das Schiff am 10. April wieder in See. Die
Havarie betrug circa 1400 Thaler. Am 31. Juli kam es
zurück ohne irgend einen Fang.
Das Schiff „Der Morgenstern”, Directeur Schröder und
Dorbeck in Bremen, Kommandeur Jan Jessen, hatte bei
Bergen einen heftigen Sturm gehabt, wodurch es das Bug-
spriet und alle Masten verloren hatte. Es lief in Glück-
stadt am 14. März ein, wurde daselbst reparirt und ging
am 8. April wieder in See.
6000 Thaler. Dagegen betrug der Werth des von dem
Schiffe heimgebrachten Segens 9541 Thaler 65 Groten.
Das Schiff „Der verguldete Robbe”, Kommandeur Henr.
Jaborg, hatte in einem Sturme seine vier Schaluppen ver-
Die Havarie betrug circa
loren, es kam am 18. März auf die Weser zurück, nahm
vier neue Schaluppen wieder an Bord, ging den 12. April
wieder in See und kehrte am 31. Juli leer wieder zurück.
Das Bremer Schiff „Der verguldete Walfisch” litt im
Eise einen so heftigen Stoss am Boeg, dass die ganze Reise
über gepumpt werden musste und das Schiff mit genauer
Noth wieder auf der Weser ankam. Der Kommandeur er-
klärte sogleich, dass er mit diesem Schiff nicht wieder nach
Grönland fahren wolle, und bei genauer Untersuchung wurde
es auch für untüchtig befunden, daher beschloss die Rhe-
derei, weil kein taugliches Schiff zum Grönlandsfahrer zu
kaufen sei, ein neues bauen zu lassen. Es wurde demnach
mit dem Zimmermeister Janssen ein Kontrakt geschlossen,
worin er versprach, im November 1797 einen Rumpf von
eirca 230 Lasten zu liefern, wogegen ihm die Rhederei
9700 Reichsthaler ausgelobte. Weil aber das Schiff nicht
zeitig genug fertig wurde, so konnte es Anno 1797 nicht
nach Grönland kommen.
Das Bremer Schiff „Endracht” wurde im Jahre 1799 zu
18.500 Thaler verkauft und sollte zu einer Unternehmung
nach West-Indien gebraucht werden, das Fleth aber behielt
die Rhederei.
schlug sich und es machte unter dem Namen „Visurgis”
Die Unternehmung für dieses Schiff zer-
eine Reise nach Ost-Indien, danach wurde es wieder zu
einem Grönlandsfahrer eingerichtet und ging 1803 nach
Grönland.
Aus alten Schiffs- Journalen von Grönlandsfahrern. —
An diese bunte Auswahl Grönländischer Sehifts - Nach-
richten möge sich noch ein Blick in einige alte Schifts-Jour-
nale schliessen, welche, in Familienpapieren wohl verwahrt,
mir durch die freundliche Vermittelung des Herrn Pastor
Frerks zu St. Johann, Wyk auf Föhr, zugänglich gemacht
wurden.
Es sind zuerst die Journale „gehalten von dem Kom-
mandeur !) Volckert Boysen auf dem von Hamburg fahren-
den Schiffe „De Sanct Peter”, datirend aus den Jahren
17725 1773, 1774, 1776, 1777, 1783, 1784, 1785 und
1786”. Sie sind sauber und in einer äusserst acceuraten
Handschrift geführt, und was in damaliger Zeit ein See-
mann beobachten konnte, das Alles ist wohl hier getreulich
zu Buch gebracht. Wie auch jetzt noch geschieht, pfleg-
ten die Rheder ihr Schiff bei der Abfahrt noch eine Strecke
zu begleiten. „Des Nachmittags den 2. April 1772 kam
Herr Rowohl junior mit zwei Anderen bei uns an Bord und
segelten von Hamburg mit uns, die Glocke 4 fuhren sie
wieder neben Neuenstädten von Bord. Des Abends gegen
Sonnenuntergang kamen wir zu Twielenfleth zu Anker.
Am 4. ging das Schiff bei Freiburg zu Anker.” Am 6.
heisst es: „Die Glocke 9 waren schon Coxhafen vorbei.
Hatten recht schön Wetter, die Glocke 11 fuhr uns Loets
ans Schiff, 1 Stund darnach passirten die Rothe Ton. Gott
gebe zu dieser Reise sein Glück und Segen und erhalte
uns alle bei Gesundheit, dass wir hier vergnügt wieder
anlangen mögen!” Dergleichen fromme Stossgebete und
Seufzer des gewiss in seinem innersten Herzen braven,
gottesfürchtigen Seemannes nehmen sich im Journal doch
zuweilen sonderbar aus, wenn es nachher gleich heisst:
„Schossen in der Geschwindigkeit einen Fisch fest”, oder:
„Der Fisch lieferte so und so viel Heele und Piepjes Speck.
Gott segne unsern Fischfang weiter!”
Nächst den Angaben über den Zug des Schiffes füllen
die Bemerkungen über Wind, Wetter, Segelstellung, See-
gang und Eis das Tagebuch. Durch Überschriften sind
die einzelnen Journale eingetheilt: „Auf die Hinreise nach
Grohnland. In die Nordsee. In die Spanische See & Trächter.
In Grohnland in’s Eiss (loss Eis, Süd-Eis, West-Eis). Neben
oder bei Spitzbergen. Aussen vor’s Eis. Auf die zu Hause
Reyss von Grohnland”. Charakteristisch sind die (zum
Theil Holländischen) Ausdrücke für die Wetter-Erscheinun-
!) Klefeker in seiner Sammlung der Hamburger Gesetze und Ver-
fassungen, 1769, erklärt die Wahl des Wortes „Kommandeur’” anstatt
„Schiffer” (Kapitän) so: Die Schiffer auf hansestädtischen Schiffen
mussten das Bürgerrecht gewinnen. Eine Ausnahme hiervon wurde bei
den Grönlandsfahrern gemacht. Sie waren meist Schleswiger, kamen
jedes Jahr für die Grönlands-Fahrt nach Hamburg und kehrten nach
vollbrachter Reise in ihre Heimath zurück. Sie wurden in den See-
pässen nicht Schiffer, sondern Kommandeur (praefectus) genannt. Später
verfügte der Hamburger Senat, dass sie gegen angelobte Treue in Hand-
schlag und Schutz genommen würden, und sie wurden nun in den Ham-
burger Seepässen „dieser Stadt Einwohner und Unterthanen’”’ genannt.
7*
52 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
gen, von welchen noch jetzt manche gäng und gäbe sind,
z. B.: der Wind war westlich mit geil Sonnenschein, hand-
sames Wetter, stiltjes, frische Kolte, flaue Kolte. Hatten ein
klein Lochtje aus Süden. Des Mittags gings Lochtje nach
Westen um (Windje, Wassertje. Der Wind schraelte
zum Nordosten. Der Wind schamfielte (scheuerte) zum
Westen. Der Wind krump ganz zum Nordnordwesten um.
Es war mistiges, dunkelhaftiges Wetter. Hatten billig gut
Wetter. Es wurde gewaltig dick mit einer starken Schnee-
jagd. Es wehte einen grossen Sturm. Es wurde büig.
Flammige (schneetlammige) Luft. Kriegten ein klein Blinkje.
Schneejagdiges, schneebrockiges Wetter. Es wehte einen
ganzen Sturm. Dann die Ausdrücke in Beziehung auf die
Lage und Beschaffenheit des Eises, die Schifffahrt und
Fischerei, z. B.: Vollhandig Eis, Packen-Eis be Oosten vor
uns. Bald kamen sie „in ein gross Räumte”, bald „avan-
eirten” sie wieder langsam, weil sie zu Zeiten Eisdämme
durehbohren mussten (die Boote voran, das Schiff hinterher
geschleppt).
Terminologie der Grönlandsfahrer in Bezug auf Eis und
Wetter. — Die Ausdrücke Eisknollen, Bai-Eis, Packeneis,
Flarden, Felder, Schotsen führen uns zu einigen Bemerkun-
gen über die Terminologie der Grönlandsfahrer in Beziehung
Felder,
Flarden, Schotsen, loses Eis wurden von den Holländischen
Ein Eisfeld
ist eine Eisfläche, die nach Schätzung mindestens einen
auf Form, Grösse und Beschaffenheit des Eises.
Fischern nur nach der Grösse unterschieden.
Umfang von 2% Meilen hat. Flächen, die nicht so gross,
doch mindestens Y/, Meile im Umfang, hiessen Flarden
(wiederum in grosse und kleine Flarden unterschieden),
kleinere Stücke hiessen Schotsen, und diese letzteren ge-
mischt mit treibenden kleineren Schollen nannten sie loss
Eis. Die Fischerei an einem grossen, starken Eisfelde
schildern die Holländer als die „gemakkelykste”; denn wenn
der Fisch angeschossen sei und unters Eis gehe, müsse er
bald wieder zum Vorschein kommen, während ein dünnes,
mit Waken (Löchern im Eise) durchsetztes Feld ihm Ge-
legenheit biete, unterm Eise von Zeit zu Zeit auftauchend
zu schwimmen, und auf diese Weise werde die Verfolgung
des Fisches ausserordentlich erschwert. Das Bai-Eis wer-
den wir beim Robbenfang noch näher kennen lernen. Die
Englischen whalers sprechen von einem ice-field, wenn vom
Krähennest aus die Grenze der Eisfläche nicht erschaut
werden kann; die floes entsprechen den Flarden, für Schot-
sen finden wir keinen Englischen Ausdruck, während Sco-
resby noch eine Reihe anderer Unterscheidungen kennt,
nämlich brash-icee, Stücke Eis, die kleiner als Treibeis,
die Fragmente von grösseren Stücken. Sludge nennt er
den Zustand der See, welcher unmittelbar der Bildung des
Bai-Eises vorhergeht, oder wenn sie in stürmischer Bewe-
gung ist. Sie ist dann durchsetzt mit zahllosen kleinen
Eiskrystallen, Schneeflocken und Resten von brash -ice,
welches vielleicht am treffendsten mit Brocken-Eis be-
zeichnet werden könnte. Andere Ausdrücke, wie Pack-Eis,
Land-Eis, sind bekannt, eben so übergehe ich andere von
Scoresby angeführte Bezeichnungen, da sie in das eigent-
liche seemännische Gebiet fallen. — Unser Kommandeur fährt
fort: „Segelten um ein Pönt (Vorsprung des Eises), machten
unter die Opper (leewärts) vor ein gross Flard fest. Krieg-
ten gute Avantür auf Walfische. Sahen ein Loopje Wal-
fische.” Am 30. Mai 1772 heisst es: „Des Morgens der
Wind von Südwesten, machten loss und segelten um ein
Pönt hin, wo wir gleich ziemlich viel Walfische verspürten,
sahen auch gleich ein quettjen (grossen) Fisch in Ly vor uns,
waren so glücklich, dass wir da fest anrakten und ihn auch
binnen ein Glas, Gott sei gedanket! todt hatten, machten uns
Schiff da ans Feld fest, und als wir in Arbeit waren, uns
Flens-Gaat klar zu machen, schoss uns Schlup wieder fest,
welcher Fisch sich aber todt in die erste Harpon lief, muss-
ten ihn also von die Grund aufwinden und hatten, Gott sei
gedanket, ihn gegen Abend todt auf die Seite; als wir aber
damit völlig klar, rakten wieder fest; sobald die Schlupen
nur von Bord, schoss noch einer von unseren Harponiers
in em losen (einen bereits durch eine Harpune, die nicht
mehr in Verbindung mit einem Boot steht, angeschossenen)
Fisch mehr, welche beide wir auch mit der Geschwindig-
keit todt hatten. Gott sei von Herzen gedanket für den
reichen Seegen, so er uns heute verliehen, und lasse es zu
unserm Nutzen anwenden.” — „Wir hatten”, heisst es öfter,
„eine schöne oder eine ziemliche oder auch eine billige
Verthierung von Walfischen”. Öfter sind sie mit 30, 40,
ja 100 Schiffen, darunter viele Holländer und mancher
„Engelsmann”. Gegenseitige Besuche (,„Kakauen”) der Kom-
mandeure finden öfter Statt, wenn Geschäfte und Witterung
es erlauben. „Wir prajten Jan Ricklefs oder Sev. Andre-
sen, Jürgen Jürgens, Claas Hoek” (von Bremen, Hamburg,
Glückstadt, Kopenhagen). Man lässt dem Andern die Goese
oder das Gösje (die kleine Signalflagge) zuwehen, man
empfängt gute oder schlechte Zeitung, lässt sich über die
Fischerei, die Lage des Eises und dergleichen berichten,
wie natürlich noch heute geschieht. Die Fischerei in Kom-
pagnie mit zwei oder drei Schiffern (Mackerschaften) ist
nichts Seltenes und wir finden sie noch heute, z. B. unter
den im Ochotskischen Meere kreuzenden Walfängern. Der
Ertrag der Fischerei wird dann getheilt, daher finden wir
in den Tabellen oft „Y, Fisch”. „Machten mit L. Hen-
drich bis zu dem und dem Tage Mackerschaft”, oder:
„sagten die Mackerschaft wieder ab.” Auch schon vor der
Ausreise wird die Mackerschaft zuweilen abgeschlossen.
Der oben angeführte reiche Segen an Einem Tage ist
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 53
natürlich ein seltenes Ereigniss.. Wenn auch die „Verthie-
rung” gut und Loopje Fische zu sehen waren, so konnten
sie häufig wegen vielen jungen Bai-Eises nicht daran kom-
men oder das Wetter war zu still oder der Fisch „lief zu
hart”. Einmal „lief der angeschossene Fisch sich unter
einer Eisfeldkante todt, so dass sie einen grossen Wurf-
Anker und Sandfass dabei einsenken mussten”, um ihn
todt herauf zu bekommen.
Zwischen dem 78. und 80. Breitengrad, nahe der Küste
(dem „festen Wall”), nach Gissing so und so viel Meilen
davon, legen sich die Schiffe in Buchten vor Anker, z. B.
bei der Malenen-Bai, beim Südhoek van’s Forland, beim
Uytkiek (Zeeuw’schen Uitkiek), bei Schmeerenborg und
Mackeleouw. Von da aus senden sie ihre Boote auf den
Fischfang aus (nach dem Vogelsang, Reenefeld, Rothgansen-
Eiland) !). „Om die Oost” segelnd dringen sie häufig bis
zum Nordosterland vor, das sie (1775) „klar van’s Deck”
sehen können. Landungen der Boote geschehen nur zu
dem Zweck, um frisches Wasser einzunehmen. Gelegentlich
bringen die Boote kleine Jagdbeute mit.
Auch nach der Ostküste von Grönland streifen die
Schiffe auf ihren Fischjagden. Am 16. Juli 1773 heisst
es: „Des Vormittags klarte es durch, sahen das Gale Ham-
kes Land hoch und klar von die Hütt, welches wir nach
Gissing nur 4 bis 5 Meilen von uns hatten, das Eis aber
lag an’s Land, dass so zu sagen auch nicht weiter für uns
kommen war, machten los und setzten es bei der Wind
ostw. über, wo wir J. Jansen und J. K. Kastrikum vor-
funden und ich bei Ersterem des Nachmittags an Bord war,
mit welchem wir feste Mackerschaft machten,” u. s. f. Die
Reisen dauern in der Regel 4 Monate. Anfang, spätestens
Mitte April verlassen die Schiffe die Elbe und kehren in
der Zeit von Ende Juli bis Ende August zurück. Je nach-
dem eben der Fischfang früher oder später glücklich war
oder der Kommandeur Nichts mehr zu profitiren sah, setz-
ten sie den Kurs in Gottes Namen „an Hitland vorüber
nach dem Vaterlande zu”. Auf dem Nachhauseweg wird, wie
- es sich gehört, öfter gelothet und Farbe und Beschaffenheit
des Grundes untersucht, um sich desto gewisser zurecht zu
finden. Zuweilen hatten sie Mannschaften von verlorenen
Schiffen an Bord, welche sie, sobald Gelegenheit dazu war,
auf andere Schiffe vertheilten.
28 Jahre, bis 1800, fuhr Kommandeur Volckert Boysen
mit seinem „St. Peter” nach Grönland. Im Jahre 1800,
zu guter Letzt, wäre es ihm beinahe noch begegnet, einem
Englischen Kaper mit seinem guten Fange als willkommene
Prise zu dienen, indess besann sich der Engländer eines
1) Die Jagd auf Walrosse wird noch heute in ähnlicher Weise von
den Norwegischen Fahrzeugen mit Durchstreifen der Baien von Spitz-
bergen auf Booten betrieben.
Bessern, er liess ihn wieder frei, wodurch Kommandeur
Boysen, wie er in seinem Journal sagt, „übermässig erfreut
wurde”. Mit diesem Jahre schliessen die Journale und, wie
es scheint, auch die Grönlandsfahrten unseres Kommandeurs,
der, wie gesagt, im Ganzen 28;solcher Reisen und zwar
mit Ausnahme eines Jahres alljährlich unternommen und
niemals ein Schiff verloren hatte.
Aus den nach Kräften sorgfältigst geführten Journalen
lassen sich die Züge des „St. Peter” wenigstens für einige
1772 war die höchste
erreichte Breite am 24. Mai 79° 8’ (Längen sind nur sel-
ten angegeben), 1773 am 28. Mai 79°, 1774 war der
„St. Peter” schon am 16. Mai auf 79° und verweilte bis
zum 18. Juni zwischen dem 78. und 79. Grade, 1775 am
1. Mai 75° 49’, 16. Mai 79°, 18: Juni 78° 10’. 1776
kreuzte der „St. Peter” schon am 8. Mai auf 78° 15’,
war am 15. auf 79° 30’ und bis zum 10. Juni auf 78°
10’. 1783 wurde am 4. Juni 79° 30’ erreicht und bis
29. Juni herab zum 78° gefischt. Im Jahre 1803 fischten
die Engländer schon im April auf 80° mit reichem Ertrage,
1815 war ein reicher Segen schon in der ersten Woche
des April, zu welcher Zeit Englische Schiffe auf 80° bei
Jetzt kommen die Englischen und
Deutschen Fischerfahrzeuge erst im Juli nach der sogenann-
ten Walfisch-Küste, da sie erst dem Robbenschlag obliegen.
Walfischfangs-Poesie der Deutschen, Holländer und Ameri-
kaner. — Wie die Holländische und Amerikanische so hat
auch die Deutsche Walfischjagd ihren Sänger, freilich einen
Friedrich Meister, studiosus medicinae,
der, vermuthlich als Schiffs-Chirurg, eine der Grönlands-
Jahre ziemlich deutlich erkennen.
Spitzbergen eintrafen.
sehr prosaischen.
Fahrten Boysen’s mitmachte, verfasste eine „poetische Be-
schreibung der Grönländischen Schifffahrt”, die im Manu-
skript — gedruckt ist sie wohl nie — den Journalen Boy-
sen’s beigefügt ist. Dieser Meister mag in der That ein
Meister im Bartscheeren, Schröpfen und dergleichen gewe-
sen sein, dagegen erweist er sich in seinem herzlich schlech-
ten Poem als Nichts weniger denn ein Meister der Dicht-
kunst.
Anfang:
Er bekennt diess nun aber offenherzig gleich zu
„Es ist zwar nur schlecht eingericht’t
Und von dem Meister wahr erdicht’t,
Der auf dem Schiff, St. Pieter genannt,
Gefahren ist hin nach Grönland.”
Er singt weiter:
„Für Frühlingsblumen Lieblichkeit
Ist Frost dort und Schnee die Füll’ bereit.”
In der Schilderung des Fischfanges finden wir unter
Anderem folgende herzzerreissende Reime:
„Wenn nun der Fisch ist überwunden,
Und Vivat! Vivat! Vivat! schrie’n,
Wird er an seinem Stert gebunden,
Gebracht durch Sloopen an Bord hin.
54 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Allwo die Dackels schon bereit
Zum Aufziehen mit Händigkeit.
Darnach ein Gläschen Branntewein
Wird Jedermann geschenket ein’ &e.
Da ist doch noch mehr Saft und Kraft in jenen Ver-
sen über den Walfischfang, welche der ehrliche Zorgdrager
als von einem „erfahrenen Dichter” seines Vaterlandes her-
rührend mittheilt und wo es z. B. heisst:
„t’Sa Mannen, elk zie toe, men zal hem onderscheppen;
Zie ginder voor dien zoom; elk gaat zich dapper reppen.
Val, val: wanneer men dit van ’t opperhoofd maar hoort,
Elk rolt gelyk een kloot voort daadlyk over boord.
De rappe gasten, als de brakk’ en haazewinden,
Zyn eer men honderd telt, dan nergens meer te vinden.
Of’t klaar, oft graau weer is, of’t hagelt, sneeuwt of mist,
Daar word niet na gezien, en nimmer tyd vergist.
Men roeit’er recht op aan, geen roeyer durft omkyken,
Om niet door Visch of Staart, de schrik baart, te bezwyken.
Dus roept hen moedig toe, de Harpoenier vol vuur,
t’ Sa Mannen wakker aan! hy is ons, binnen ’t uur.
Pas op nu Stuurder, zoo, zoet, sachjes, zonder schreeuwen,
Haal uit! Courage, Sa! als Turken en als Leeuwen.
Dat’s braaf! nu zyn we’er by: zit vast: de riemen in,
De Lynen kant en klaar, dat’s weer een nieuw begin.
De Harpoenier schiet toe, dat hem de beenen beeven;
Welk oorlogs Kapitein zou niet de moed begeeven ?
’t-Harpoen zit wakker diep; daar drilt de stok ’er uit;
Dat vlyt de gasten wel.’
Zu Deutsch:
„So, Männer, sehet auf! wo soll man ihn bestricken
Seht hin vor diesen Saum: er thut sich wacker schicken.
Fall! Fall! Ein Jeder rollt wie eine Kugel fort,
Wenn nur der Kommandeur diess Wort sagt, über Bord.
Der hurtige Gesell ist, gleich den Brack’ und Winden,
Eh’ man noch hundert zählt, schon nirgend mehr zu finden.
Es sei das Wetter hell, es hagle, neble, schnei’,
Man acht’t es nicht und lässt hier keine Zeit vorbei,
Man rudert grad drauf an, kein Bursch darf sich umsehen,
Um nicht durch Fisch und Schwanz, die Schreck-Bärt, zu vergehen.
Dann ruft der Harpunier ganz voller Feu’r und frisch:
So, Männer, wacker an! wir haben schon den Fisch.
So, Steurer, besser auf, so, sacht, still, ohne Schreien,
Hol’ aus! Courage, so! wie Türken und wie Leuen.
O brav! nun sind wir bei: sitz’ fest: die Riemen ein,
Die Leinen gar, dass sie aufs Neue fertig sei’n.
Der Harpunier schiesst zu, dass ihm die Beine beben.
Sollt’ nicht ein Kapitän im Krieg den Muth begeben:
Das Eisen sitzet fest, da fährt der Stock heraus;
Das thut den Leuten wohl.”
Da wir einmal bei der Walfischfangs-Poesie sind, so
lasse ich hier noch zwei Lieder folgen: „Grönländers Wacht-
lied”, noch jetzt auf unseren Grönlandsfahrern gesungen,
und ein Amerikanischer „Whaleman’s song”, bei welchem
ich zugleich die Übertragung von Friedrich Ruperti (Fremde
Dichtungen im Deutschen Gewande von Fr. Ruperti und
Ad. Laun, Bremen, J. G. Heyse’s Verlag, 1862) gebe.
Der Leser wird nicht schwanken, welchem von diesen Ge-
dichten der Preis gebühre; der „Whaleman’s song” ist bei
weitem der schönste, schwungvollste. Also zuerst:
Grönländers Wachtlied.
Weil jetzt ist unsere Wacht vollendet,
So sehnen wir uns nach der Ruh’;
Drum hab’ ich mich hierher gewendet,
Dass ich Euch Wachtvolk rufe zu:
Ihr sollt von Eurem Schlaf aufstehn,
Da Eure Wächt nun soll angehn.
Zuerst sollt Ihr zu Gott Euch wenden.
Ruft ihn um seinen Beistand an,
"Dass er Euch Hilfe möge senden,
Weil anders Niemand helfen kann.
Wenn aller Menschen Hilf’ ist todt,
So hilft doch Gott aus jeder Noth.
Wie waren nicht in Angst und Schrecken
Die Jünger Jesu in dem Schiff!
Sie thaten ihn so ängstlich wecken,
Doch er that’ gleich als ob er schlief”.
Dann stand er auf und stillt’ das Meer,
Dass Jedermann sich wundert’ sehr.
Nun woll’ Gott unser Schiff bewahren,
Das Ruder, Stagen, Steng’ und Wand,
Dass wir behalten mögen fahren
Zurück in unser Vaterland!
Gott geb’ uns eine behalt’ne Reis’,
Des Rheders Nutzen und Ihm zum Preis!
Dein ist, o Gott, allein die Ehre!
Dein Reich, es komm’, dein Will’ gescheh’!
Das täglich Brod uns auch beschere
Und alle Sünden uns vergieb!
Führ’ uns nicht in Versuchung ein!
Lös’ uns vom Übel insgemein!
(Backbords) Wachtvolk, Ihr sollt aufstehen,
Weil Eure Wache jetzt beginnt.
Wenn Ihr auf Deek kommt, sollt Ihr sehen,
Dass wir jetzt segeln (bei) dem Wind.
Drum säumet nun nicht lange mehr,
Denn unsre Wacht verlängert sich sehr.
Kochsmat, Du musst nun auch aufstehen
Und treten Deine Wache an;
Du musst in die Kabuse gehen,
Dein Werk verrichten wie ein Mann.
Und wenn dann das Gebet ist aus,
So trägt der Koch das Schaffen auf.
„Reisst aus Quartier!” ist unser Verlangen,
„Reisst aus Quartier!” ist unser Will’!
Den Mann am Ruder zu verfangen,
Weil er nicht länger stehen will.
So geht auf Deck, tretet an die Wacht
Und nehmt den Ausguk gut in Acht!
Nun will ich Euch das Amen singen,
Sprich du, o Gott, das Ja dazu!
Ich will dir Dank und Lieder bringen;
Ich sehne mich nun auch zur Ruh’,
Wachtvolk, nehmt Alles wohl in Acht
Und haltet mit Gott eine gute Wacht.
Whaleman’s Song.
(By one of them.)')
Has a love of adventure, a promise of gold
Or an ardent desire to roam
Ever tempted you far o’er the watery world
Away from your kindred and home,
With a storm beaten captain, free-hearted and bold,
And a score of brave fellows or two,
Inured to the hardships of hunger and cold,
A fearless and jolly good erew?
Have you ever stood watch where Diego’s bold shores
Loom up from the Antaretie wave,
Where the snowy plumed albatross merrily soars
O’er many a poor mariners grave?
1) Bezieht sich auf den Walfischfang in der Südsee.
- Die weiteren Unternehmungen
Have you heard the masthead man sing out: „There she blows!”
Seen the boats gaily leave the ship’s side,
And the giant fish writhe near the harpooneers blow,
While the blue sea with erimson was dyed?
Have you seen the foam fly, when the migthy right whale,
Thus boldly attacked in his lair,
With a terrible blow of his ponderous tail
Sent the boat spinning up in the air?
Or where the fair isles of the evergreen glades
Are teeming with dainties so rare,
Have you ever made love ’neath cocoas’ shades
To the sweet sunny maids that dwell there?
And have you e’er joined in the boisterous cheer
Ringing far through the heaven’s blue dome,
When rich in the spoils you had purchased so dear
You hoisted your topsails for home?
Or when the dear hills of Columbia rose
From out the blue waves of the main,
Have you e’er realized the unspeakable joys
Of meeting with loved ones again?
Let those who delight in the comforts of home
And the joys of a warm fireside,
Who deem it a peril the ocean to roam,
In the cots of their fathers abide!
But not a day nearer we reckon our death,
Though we daily sport over our grave!
Nor sweeter they ’ll slumber the green sod beneath
Than we in the boisterous wave.
In der Übersetzung von Fr. Ruperti:
Der Walfschfänger.
(Von einem derselben.)
Trieb Goldesbegier, unruhiger Sion
Und Lust, dir die Welt zu beschau’n,
Je über die schaumigen Wogen dich hin,
Entronnen den heimischen Gau’n,
Der Führer ein wettergebräunter Kumpan,
Von Herzen seemännisch und echt,
Gefährten, gehärtet auf stürmischer Bahn,
Ein kühnes und frisches Geschlecht?
Und hieltest du Wacht, wo sich finster erhebt
Diego’s Fels in die Luft,
Wo schneeigen Flügels der Albatros schwebt
Ob armer Matrosen Gruft?
Vernahmst du den Ruf: „Er bläst!” von dem Mast
In bangem, doch freudigem Muth,
Und sahst du ihn, von der Harpune zefasst,
Aufzucken und röthen die Fluth?
Und sahst du den Schaum und das Wogengetos,
Wenn, dicht von Feinden umstellt,
Er wild mit des Schweifes gewaltigem Stoss
Das Boot zu den Wolken geschnellt ?
Und ruhtest du unter den Palmen je,
Umspielt von der Luft so gelind,
Auf lieblicher Insel der südlichen See,
Am Busen ein sonniges Kind?
Und stimmtest du ein in den freudigen Sang,
Der weit in den Lüften erscholl,
Wenn endlich nach reichem, gesegneten Fang
Heimkehrend das Seget schwoll?
Und winkte dir deutlicher allgemach
Columbia’s grünender Strand,
Und drücktest du unter dem heimischen Dach
In Rührung den Lieben die Hand?
Lass sie, die Sturm und Gefahren scheuen,
Wie täglich die See sie beschert,
Sich gern der behaglichen Ruh’ erfreuen
Und weilen am häuslichen Herd!
bis zum 19. Jahrhundeıt. 55
Wir lassen nicht nach, wir besegeln den Schlund,
Ob einst er uns decke, mit Muth!
Ihr ruhet nicht sanfter im Erdengrund
Wie wir in der stürmischen Fluth.
Grönländisches Recht und Fischerei-Usancen. — Einen
ernüchternden Gegensatz zu dieser poetischen Abschweifung
bildet der jetzt mitzutheilende Rechtsfall. Die Beispiele,
in welchen die Anwendung des Grönländischen Rechtes
unter Deutschen Schiffen so weit streitig wurde, dass man
die Behörden anrief, sind im vorigen Jahrhundert selten
und Nachweise über solche Fälle äusserst spärlich. Etwaige
Streitigkeiten wurden wohl meist auf dem Wege der Ver-
ständigung unter den Kommandeuren selbst erledigt. Was
das Recht bei der Fischerei selbst angeht, so hat sich bis
heute die Englische Usance — Gross-Britannien hatte nie-
mals allgemeine gesetzliche Bestimmungen darüber, eben so
wenig die Niederlande — erhalten: 1. ein fest gemachter
Fisch, lebend oder todt, ist rechtmässiges Eigenthum derjeni-
gen, welche mit ihm in Verbindung sind oder ihn in Besitz
halten; 2. ein freier, ungebundener Fisch ist gute Jagd
für Jeden (Scoresby, II, S. 322). Auf das Fischrecht in
der Südsee gehen wir später mit einigen Worten ein.
Das Eigenthumsrecht am Fisch steht und fällt damit,
ob man mit dem Fisch in Verbindung steht oder nicht,
und zwar ist es gleichgültig, auf‘ welche Art diese Verbin-
dung erhalten wird, ob durch Leinen, Taue, Haken, Spiess
oder etwas Ähnliches, ob vom Schiffe, vom Boot, vom Eise,
selbst vom Wasser aus, durch Einen oder Mehrere der
Mannschaften des Schiffes. Die Tragweite dieser Bestim-
mung beleuchtet schlagend ein von Scoresby erzählter Fall.
Während eines Sturmes und Schneegestöbers kreuzten mehrere
Schiffe unter leichten Segeln längs einer Masse zusammengeschobenen
Eises. Der Sturm legte sich, sie segelten auf das Eis los und waren
demselben am nächsten — auf ungefähr 1 Englische Meile —, als die
Mannschaft beider Schiffe zu gleicher Zeit einen todten Fisch zwischen
dem losen Eis erblickte. Beide Schiffe näherten sich; was das eine
durch dessen Lage voraus hatte, gewann das andere durch Schnellig-
keit. Auf dem Vordertheil eines jeden Schiffes stand ein Harpunier
mit seiner Waffe bereit. Es traf sich aber, dass auf kurze Entfernung
von dem Fisch die Schiffe.an einander stiessen und wieder von einander
prallten. Die Harpunen wurden geworfen, fielen aber alle zu kurz. Der
zweite Steuermann des mit dem Winde gelegenen Schiffes, ein tüchtiger
Seemann, sprang gleich über Bord, schwamm nach dem Walfisch, fasste
ihn bei den Flossen und proklamirte ihn als gute Prise. Der Fisch
war indessen so geschwollen, ragte dermaassen aus dem Wasser empor,
dass er nicht hinauf klettern konnte, sondern in furchtbarem Frost im
Wasser auf Hülfe warten musste. Sein Kapitän war so erfreut über
sein Glück, dass er hierüber seinen braven zweiten Steuermann vergass
oder vernachlässigte; anstatt daran zu denken, diesem ein Boot zu sen-
den, um ihn aus seiner unangenehmen Lage zu befreien, beschäftigte
er sich damit, sein Schiff an ein nahes Stück Eis zu befestigen. In
der Zwischenzeit wendete das andere Schiff, der Kommandeur selbst
stieg in ein Boot, stiess ab und liess ruhig auf den todten Fisch
steuern. Da er den im Wasser hängenden zitternden Seemann sah,
der eine Flosse erfasst hatte, sprach er zu ihm: „Nun, mein Junge, da
habt Ihr ja einen schönen Fisch!” worauf jener bejahend antwortete
und der Kapitän hinzufügte: „Findet Ihr es nicht recht kalt?” „Ja”,
sagte der zitternde Seemann, „ich komme fast um und möchte gern,
dass Ihr mich in Euer Boot nähmet, bis das unserige ankommt.” Die
Bitte brauchte er nicht zu wiederholen, das Boot näherte sich dem
Manne und man half ihm einsteigen. Dadurch wurde also der Fisch
S
56
wieder frei und ohne Eigenthümer; der Kapitän warf gleich seine Har-
pune in denselben, zog seine Flagge auf und proklamirte die gemachte
Prise. So gekränkt und missvergnügt der andere Kapitän durch diesen
schlauen Streich wurde, so musste er doch ruhig zugeben, dass sein
Konkurrent den Fisch mit sich führte, da sein Recht verloren gegangen
war; den zweiten Steuermann mochte er für seine geringe Rücksicht
ausschelten und mit sich selbst zürnen, nicht mehr Mitgefühl für die
Leiden des armen Mannes gehabt zu haben, wodurch dieser unan-
genehme Vorfall verhindert worden wäre.
Jetzt zur Darstellung eines streitigen Bergungsfalles.
Anfang Juli 1731 befand sich, nach der Darstellung Joh. Bernh.
Müllhausen’s, des Direeteurs der Bremer Schiffe „Martha” und „Su-
sanna”, in einer Eingabe an den Rath von Bremen, in der Grönländi-
schen See unweit der genannten Bremer Schiffe das Altonaer Schiff
„Vreyheit’’, betroffen von einem besonders schweren Ungewitter. Alle
seine Anker waren an Strand getrieben, sein Tauwerk zerrissen. Da
ist der Kommandeur Andressen an Bord eines der beiden Bremer Schiffe
gekommen und hat Hülfe begehrt. Die beiden Bremer Kapitäne lassen
eine Sehaluppe zur Hülfe abgehen und die Leute derselben helfen ihm
„40 Gläser” pumpen, allein es gelingt nicht, das Schiff in eine bessere
Lage zu bringen. Es wird nun ein Kontrakt geschlossen, dessen
Wortlaut in den Akten noch aufbewahrt ist. Wir theilen ihn hier mit,
indem wir bemerken, dass wir das Deutsch der beiden Kommandeure,
um nicht zu ermüden, nur so weit beibehalten haben, als es uns cha-
rakteristisch schien.
= Grönland, d. 6. July 1731.
Nachdem leider Gottes Kommandeur Zween Andressen neben seiner
bei habenden Mannschaft allbier in Grönland mit diesem sogenannten
Schiff „‚die Freiheit”! in einem besonders schweren Ungewitter das Un-
geluck getroffen, von allen seinen Ankern am Strande getrieben und seine
Tauen alle zerbrochen zu haben, so ist der wollerfahrene Kommandeur
Zween Andressen bei uns unten genannten Kommandeuren an Bord
gekommen und hat Anfrage bei uns gethan, ob wir nicht vorerst, der
Liebe nach, die hülfliche Hand leisten wollen, um sein fast unbequemes
Schiff mit Pumpen so lange es immer möglich lens zu helfen zu halten,
weil sein Volk, so zu sagen, den Muth sinken liesse, ganz abgemattet,
und keine Macht mehr hätte, das Schiff in dene Gelegenheiten zu be-
arbeiten, auch dabei kein einzig Anker vom Strande abzuwinden hatte.
So haben wir unten genannte Kommandeurs unsere Gedanken hierüber
ergehen lassen, und einen völligen Rath geschlossen, mit Rath und Zu-
stimmung unser allerseits Offieiers bewilligt; weil wir unsern Herrn
Interessenten keinen Dienst wissen keineswegs ein oder ausser dem
Eyse auszuführen, also sind wir 3 Kommandeurs völlig veraccordirt,
dass der Kommandeur Zween Andressen verspricht bei Treu und wah-
rem Glauben mit Rath und Zustimmung seiner Offieiers, wenn wir ihm
allhier so weit helfen, als wir können, weiter, wenn das Schiff auf frei
Wasser geholfen, und wir noch für gut befinden, unser Leben darauf
zu wagen, "; Theil von seinem Speck und Barten, nach beendter und
behaltener Reise, an unsere Herrn Interessenten richtig überzuliefern:
sollte es sich aber zutragen, welches sehr zu befürchten, dass das
Schiff umsinke oder unbequem über See zu fahren geachtet würde, und
wir das Speck bärgen, alsdann unseren Herrn die Hälfte zukomme.
Dahingegen versprechen wir, als Kommandeure: Harm Wessels, im
gleichen Kommandeur Jürgen Janssen, uns in diesen vorgeschriebe-
nen Hauptsachen getreu und als Christen zu verhalten, so weit es
Gott der Herr zulässt, auch, bei Treu und wahrem Glauben, mit ein-
ander zur rechten Zeit nach Haus zu segeln und bei einander zu blei-
ben, wenns möglich ist. Verhoffen allerseits, dass dieses unser allerseits
Bewilligung von unsern Herrn Interessenten zur genüge möge geachtet
werden. Dass dieses sich in der Wahrheit also verhält, bescheinigen
wir hiermit allerseits.
Den 6. July Anno 1731.
Zween Andressen. Harm Wessels. Jürgen Janssen.
Steuermann Jan Meynders. Schiffer Johann Schmidt.
Danach sollten die „Martha’” und „Susanna’” den dritten Theil
an Barten und Speck der „Vreyheit’” erhalten, wenn Schiff und Ladung
wohlbehalten nach Hause käme, wenn aber das Schiff verlassen und
die Ladung übernommen werden müsste, in diesem Falle sollte die
Ladung zur Hälfte an die beiden Schiffe übergehen. Es gelang durch
grosse Mühe und Arbeit, das Schiff mit seiner Ladung von drei Fischen
auf freies Wasser zu bringen, und das Schiff wurde von den beiden
‘Bremer Schiffen glücklich bis zur Elbe gebracht. Der Vertrag, der in
Grönland geschlossen war, sicherte allerdings den beiden Bremer Schiffen
eine reichliche Vergütung für die geleistete Hülfe, stand indessen in
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
keiner Weise mit dem überkommenen Grönländischen Recht in Wider-
spruch. Letzteres sprach sieh über Fälle, wie der vorliegende, nieht
näher aus, indessen ging doch aus dem Wortlaute hervor, dass der
Antheil an dem Fange des Schiffes, dem man zu Hülfe kam, in jedem
einzelnen Falle durch Vertrag in beliebiger Weise festgesetzt werden
konnte. Ferner sagt einer der Holländischen Artikel von 1695, „dass
alle geborgene und zu Schiffe gebrachte Güter allem Vorfall von Scha-
den und Haverei eben sowohl als eigen Gut unterworfen sein sollen”.
Nach glücklicher Ankunft der ‚„Vreyheit” in Altona wollte der Admi-
nistrator jenes Schiffes das verabredete Dritttheil nieht zahlen und es
entspannen sich Verhandlungen zwischen dem Bremer und dem Ham-
burger Senat und dem an der Spitze der Dänischen Verwaltung in
Altona stehenden Grafen Reventlow. Der Hamburger Senat war der
Meinung und sprach sich in einem Schreiben an den Bremer Senat da-
hin aus, dass die beiden Kapitäne die Hülfe aus christlicher Liebe hät-
ten leisten sollen. Unter dem 4. September 1731 schreibt der Ham-
burger Rath an den Bremer, dass sie
„aus nachbarlicher Freundschaft und dienstlichem Egard für diesel-
ben die Sache in commissione solchergestalt vergleichen lassen, dass
an dessen Bürger, wegen ihrer Forderung, 1500 Thaler bezahlt
worden.!) Wie uns nun lieb gewesen, Ewr. Ehrbl. Wolwl. bei
dieser Gelegenheit eine Probe unserer Bereitwilligkeit sehen zu lassen,
so hegen wir auch hinwieder die Hoffnung, dieselben werden den
ihrigen, welche bei der Grönländisehen Fahrt interessiret sind, nach-
drücklich zureden, dass sie, gleich allen anderen Nationen, in Noth-
fällen den unsrigen nach der christlichen Liebe in’s künftige bei-
springen, nicht aber dergleichen Contraete wider alle Billigkeit von
ihnen exigiren. Inmassen solche so wenig in den Rechten bestehen
mögen, als bei irgend einer Nation geduldet werden, wohl aber zu
allerhand übeln Folgen Anlass geben, und nicht nur die unsrigen,
sondern auch die Holländer, Engländer und übrige leicht daher be-
wogen werden könnten, unter sich communem causam zu machen
und auch den bremischen bei ihnen eben so leicht als anderen auf-
stossender Gefahr entweder überall keine Assistenz oder jedoch
nicht anders als unter eben so harten, unbilligen Conditionen zu leisten.
Wir sind dessen von Ew. Ehrbarl. Wolw. Gemüthsbilligkeit und
Einsicht vollkommen versichert’ &e.
Gegenüber diesem Vorwurf der Unbilliskeit beruhigen sich der
Rath von Bremen und die betreffenden Rheder mit vollem Rechte nicht.
Am 13. Februar 1732 schreibt der Senat an Henrich Eelking in Lon-
don. Er übersendet den in Grönland abgeschlossenen Kontrakt und
species facti zu dem Ende, um darüber von den dortigen sachverstän-
digen Grönländischen Interessenten ein Parere zeichnen und sich erthei-
len zu lassen. Die betreffenden Namen sind in der species facti dem
Gebrauche gemäss mit fingirten (Lateinischen) Namen vertauscht und
heisst es darin: Kommandeur Mefius, ferner die Kommandeure Titius
und Sempronius. Speziell werden die Sachverständigen aufgefordert,
ihr Gutachten darüber abzugeben, ob der Kontrakt nicht der Billigkeit
und den Seerechten gemäss sei und bei den Nationen wohl geduldet
werden könne. Leider erhellt nicht aus den Akten, wie dieses Parere
ausgefallen ist. Im Jahre 1838 bargen ein Elmshorner Schiff („Stadt
Altona”) und ein Bremer Schiff Mannschaften und einen Theil des Fan-
ges des im Eise zerdrückten Englischen Schiffes „Wernegrefl”. Beim
Bergen des Specks (600 Tonnen) half die Englische Mannschaft mit.
Der Englische Rheder verlangte von dem Elmshorner und dem Bremer
die Herausgabe von zwei Dritttheilen des geborgenen Gutes. Ich habe
nicht in Erfahrung bringen können, wie die Sache abgelaufen ist.
Auch zu anderen Zwecken mussten die Behörden ge-
legentlich dazwischen treten. So im Jahre 1732 in Bremen,
wo der Rath „davon gehört hat, dass gravamina und andere
!) Wie aus den bezüglichen Hamburger Akten hervorgeht, hatte
vor einer Kommission des Senats ein Vergleich zwischen Dr. Schmidt,
dem Mandatar Müllhausen’s, und den Vertretern der Interessenten des
Schiffes „Die Freiheit’, den Herren Licentiat Bentzen und Rassow,
Statt gefunden, in welehem die Interessenten des Schiffes zwar wieder-
holt betonen, dass die geleistete Hülfe vermöge der christlichen Billig-
keit und der jeder Zeit recipirten Gewohnheit bei allen übrigen Natio-
nen hätte erfolgen müssen, dass sie aber dennoch „zur Verhütung aller
Weitläufigkeit und unter allen möglichen Rechtsreseryationen zu der
Zahlung von 1500 Thalern sich bereit erklären, und zwar nach erfolgter
Ratifikation dieses Vergleichs und 'geschehener Relaxirung des bei dieser
Stadt Thranbrennereien eingelegten Arrests”,
Beschwerden der Grönländischen Kompagnie wider ihre
Schiffer vorlägen. Der Rath, in dem Wunsch, commereia
überhaupt, so auch diese Navigation zu befördern, setzt eine
Kommission nieder, vor welcher fünf Vertreter der Kom-
pagnie: Dionis Schumbart, Berend Barkey, Daniel Meinerts-
hagen, Jakob Barkey und Berend Nonne, am 11. November
1732 erscheinen und klagen, dass ihre Reglements und
Verordnungen vielfach übertreten würden. Dionis Schumbart
habe noch in diesem Jahr ein Exempel auf seinem eignen
Schiff gehabt, dass ein Steurer in der Schaluppe, der ordi-
niret worden, nach dem Fisch zu rojen, trunken und voll
sich hätte besoffen und anstatt, dass er nach dem Fisch
sollte steuren, sein Werk hätte konträr verrichtet, wodurch
der Fisch echappirt und sie desselben nicht hätten habhaft
werden können. Andere Klagen gehen dahin, dass die Schiffer
zu früh von der Fischerei zurückkommen, dass Schiffer
(Kapitän) und Schiffsleute (Matrosen) sich Unterschleife beim
Proviant hätten zu Schulden kommen lassen und bei der
Rückkunft Vieles verschleudert würde, besonders auf dem
Schiff Margarethe sei dergleichen vorgekommen. Man ver-
weist auf die Holländischen Vorschriften, welche dergleichen
wirksam verhinderten. Der Senat erklärt sich bereit, mit
den „Administratoren” über Mittel zur Abhülfe zu be-
rathen.” :
Brörterungen über die Rentabilität der Fischerei. — Die
Frage nach der grösseren oder geringeren Rentabilität der
arktischen Fischerei bei verschiedenen Nationen und in äl-
terer und neuerer Zeit kann bei der Dürftigkeit der vorlie-
genden Materialien nur mangelhaft beantwortet werden.
Diese Art von Unternehmungen erfordert von vorn herein
nicht unerhebliche Kapitalauslagen und neben manchen Ein-
wirkungen, welche die Unternehmer direkt und indirekt zu
Gunsten eines glücklichen Erfolges ausüben können, kommen
doch eine Menge anderer, in keiner Weise vorher zu be-
rechnender, Umstände dabei in Betracht. Im älterer Zeit
brauchte man da, wo heut zu Tage die Fischerei völlig er-
schöpft ist, kaum lange zu suchen. Geschick, Erfahrung
und das unentbehrliche Fischerglück auf Seiten des Kom-
mandeurs, tüchtige Mannschaft, ein starkes, schnell segelndes
Schiff, gute Werkzeuge und Geräthe sind die ersten Vor-
aussetzungen.
Das von den Holländern eingeführte Partensystem hat
sich glänzend bewährt und wohl nirgends in der Welt wer-
den noch Schiffe auf den Walfischfang ausgesandt, ohne
dass die sämmtliche Bemannung durch Antheil am Brutto-
ertrag in das Interesse des Unternehmens mit hereingezogen
würde. Welche Rolle die Witterungs- und Eisverhältnisse
bei dem Erfolg der Fischerei spielen, werde ich später noch
zu zeigen versuchen.
Schon Wagenaar, der sein beschreibendes Werk über
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 57
die Niederlande zu einer Zeit veröffentlichte, wo die ark-
tische Fischerei einen neuen Aufschwung zu nehmen schien,
bezeichnet den ganzen Betrieb als eine Lotterie, bei welchem
also nur Einige einen hohen Gewinn erzielten, die Übrigen
leer ausgingen oder Verluste erlitten. Er wundert sich, wie
man dazu habe kommen können, den Walfischfang als eine
„Goldmine Hollands” zu bezeichnen.
Die Grossartigkeit der früheren Holländischen Grönlands-
Fischerei zeigt eine Berechnung aus dem Jahre 1733. In
diesem Jahr führte nämlich die Ost-Indische Kompagnie aus
Holländisch-Indien zum ersten Mal eine Partie Barten ein.
Die Bevollmächtigten der Grönlands-Fischerei besorgten Nach-
theile von dieser Konkurrenz und legten bei dieser Gelegen-
heit in einigen Zahlen den Umfang der Holländischen Grön-
lands-Fischerei dar, um zu zeigen, welehen Nutzen das Land
davon hätte und wie sehr es im Interesse des Landes dar-
auf ankomme, diesen Betrieb „ungestört” zu erhalten. Da-
nach wagten die Holländischen Grönlands-Rheder durch die
Ausrüstung von 180 Schiffen ein Kapital von 1.800.000 Gul-
den. Die einzelnen Posten, welche summirt diesen Betrag
ergeben, für Fasswerk, Lebensmittel, Getränke (darunter
550 Anker „gebrannte Wasser”), Schuitfrachten &e., werden
aufgeführt. Der mittlere Jahresertrag der Fischerei „bei
einem gewöhnlichen Jahre” wird auf 44.000 Quardeelen
Thran und 1.200.000 Pfd. Barten angegeben, welche ausser
den Walrosszähnen und Robbenfellen einen Werth von
2.100.000 Gulden darstellten.
Nach einer anderen Rechnung von Engelbrecht in seinem
„Magazin für denkende Kaufleute” (Bremen 1788) sind die
Chancen für die Rentabilität des Walfischfanges in Grönland
schon damals weit geringer gewesen, als obige Berechnung
annimmt; er schätzt die Ausrüstungskosten höher, auf 12.600
Gulden für jedes Schiff durchschnittlich, und weist nach, wie
klein die Zahl der glücklichen Jahre schon von Ende des
17. Jahrhunderts an war. Von Interesse ist aber noch, dass
Engelbreeht auf Grund von Mittheilungen, die er, wie er
sagt, einem in diesem Handel sehr erfahrenen Kaufmann
verdankt, Bremen verhältnissmässig den Löwenantheil an
dem Ertrage der Grönlands-Fischerei zuschreibt.
Als Beleg für diese Behauptung führt er unter Anderem
an, dass „Bremen in seinem und dem umliegenden Gebiete
eine Menge der tüchtigsten, muthigsten und erfahrensten
Seeleute habe, wie schon die Holländer bewiesen, welche
diese Leute zur Bemannung ihrer Schiffe stark suchten.”
Dadurch fielen in Bremen die anderswo gezahlten Reise-
kosten weg. Die Leute führen lieber direkt von ihrer Hei-
math aus. Die Schiffe seien in Bremen billiger zu bauen, Ma-
terialien und Lebensmittel seien ebenfalls billiger. Das „Fleth”,
der ganze Apparat zur Fischerei, sei in Bremen um 2000 Thlr.
billiger als in England und auch erheblich wohlfeiler als in
8
58 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Holland zu beschaffen. Etwas von der Kunst, preiswürdige
und gute Materialien für den Walfischfang zu beschaffen,
scheint noch jetzt in Bremen zurückgeblieben zu sein, denn
die Reepschlägerei von Lahmann liefert noch jetzt, trotz
New Bedford’s Konkurrenz in diesem für die Fischerei wich-
tigen Artikel, Walfischleinen nach Honolulu und dieses
Deutsche Fabrikat wird in der Südsee hoch geschätzt.
Engelbreeht giebt die Ausrüstungskosten eines von Bre-
men aus expedirten Grönlandsfahrers auf 5- bis 6000 Thaler
an. Er sagt: „Bremen hat einen solchen Absatz von Thran
— der ja damals der wichtigste Stoff für die Beleuchtung
war —, dass 25 Grönlandsfahrer das für den Absatz er-
forderliche Quantum nicht liefern könnten.” Er stellt schliess-
lich eine vergleichende Berechnung darüber an, wie sich in
Bremen, abzüglich der Kosten, die Preise für 4000 Pfund
Barten und 400 Tonnen Thran ..stellen, und kommt dabei
zu dem Ergebniss, dass die Rechnung sich in Bremen gün-
stiger stelle gegen Hamburg um 839 Thaler 9 Grote, gegen
Holland um 116 Thaler 48 Grote und gegen England um
2301 Thaler 5 Grote. Ein Bremisches Schiff ersetze die
gehabten Unkosten von 5500 Thaler schon, wenn es nur
250 Tonnen Thran und 2500 Pfund Barten mitbringe.
Zur Vergleichung füge ich aus neuerer Zeit noch einige
Angaben bezüglich Bremen’s bei. Im Jahre 1843 giebt ein
Bremer Kaufmann, Henr. Schröder, Friedr. Sohn, in einer
Mittheilung an den Senat „über den Bestand und Zustand
des von der Weser aus betriebenen Walfischfangs und Rob-
benschlags in Grönland” an, dass die Ausrüstung und Aus-
lagen eines solchen Schiffes von 180 Last an Lebensmit-
teln, Assekuranz-Prämie, Engagement, Handgeld und Ver-
schiedenem 5100 Thaler betragen, dass das Flethund Fass-
werk auf 10.000 Thaler, das Schiff selbst auf 13.900 Tha-
ler anzunehmen sei, dass ferner an Zinsen des ganzen aus-
gelegten Kapitals von 29.000 Thaler zu 4 Prozent, an Ab-
nutzung des Schiffes und Kosten der Rückkehr noch 3510 Tha-
ler hinzukommen, ‚während er den Werth eines guten Fan-
ges von Robben af auf 13.000 Thaler anschlägt.
Jetzt würde sich für ein Schiff von soleher Grösse bei
einem mittleren Fange von Robben die Rechnung etwa wie
folgt stellen :
Berechnung für ein Schiff von 150 Last auf den Robbenfang.
Schiff mit Verdoppelung 10.000 Thaler,
6° Boote a 100 Thaler . . . » 600 „
15 Kugelbüchsen, 8 Doppelflinten,
Waffenkiste, Geräthschaften . 1.100
”„
Tanks und Fässer für den Speck 1.000 „
12.700 Thaler.
Mittlerer Ertrag, angenommen zu:
4000 jungen Robben, liefern (10
= 1 Tonne Thran a 25 Thlr.)
Aau0 Tonnen‘. ur ee 3000
4000 Robbenfelle & 1 Thlr.
”
4.000 „
14.000 Thaler.
Transport: 14,000 Thaler.
Davon ab:
Antheil für 36 Mann . . 1.800 Thaler,
Hiandgeldtian Fra 22° RR: 666 x
Monatsgage, un. nu m ah 415 A
Erowiant ee ee n22DOU- En,
Pulver undWBlei me mn mr EHE:
Kapitän 4 Prozent vom Brutto-
BEBONW war Me re AR DEU,
Assekuranz 24 Prozent . 300 » e
Abnutzung des Schiffes 10 Proz. 1.200 ,„
Fässer für den Thran und Ko-
sten des Ausbrennens, 14 Thlr.
Per. Donner ee Hosen
Ted
6.304 Thaler.
Hierzu würden ferner noch einige Kosten für Feuer-
Assekuranz, Courtage, Umsatzsteuer &c. mit 4- bis 500
Thaler kommen.
Bei Gelegenheit der Oldenburgischen Grönlands - Unter-
nehmungen wird auf diese Seite des Gegenstandes noch-
mals zurückzukommen sein.
Grönlands - Unternehmungen der Bremer von Bergen aus.
— Mit wechselndem Glück setzten die Hansestädte Ham-
burg und Bremen das ganze vorige Jahrhundert hindurch
die Grönlandsfahrt fort.
Jährlich erschienen 20 bis 30 Hamburger und bis zu
10 Bremer Schiffe in den Grönländischen Gewässern und
in der Davis-Strasse. Von Bergen aus wird um die Mitte
des Jahrhunderts Woalfischfang im Grönländischen Meer
eine Zeit lang betrieben, und zwar durch die Deutsche
Bergenfahrer-Gesellschaft. Diese besass noch von früherer
Zeit her in Bremen werthvolle Vorrechte in Bezug auf
die Einfuhr Norwegischer Erzeugnisse.
Im Jahre 1721 werden fünf von Bergen aus fah-
rende Bremer Grönlandsfahrer erwähnt und kurze Zeit dar-
auf wird von einer dort gebildeten Norwegischen Gesellschaft
der Versuch gemacht, durch ein Schiff einen Tauschverkehr
mit den Eskimos der Davis-Strasse zu eröffnen, während
ein anderes Schiff auf den grossen Fischfang gesandt wird.
Beide Unternehmungen erwiesen sich als finanziell unglück-
lich. Jenes auf den Tauschhandel ausgesandte Schiff gerieth
in die Strömungen bei Statenhoek, der Südspitze von Grön-
land, und kam mit genauer Noth, entmastet und auch
sonst beschädigt, wieder in Norwegen an. Dass von den
Bergenfahrern eine Zeit lang die Grönlandsfahrt betrieben
wurde, dafür scheint auch folgende Stelle eines in den
Bergenfahrer-Akten des Bremer Staatsarchives sich vorfin-
denden Briefes von einem „Friedrich Ehlers”
zu sprechen,
Agenten der Bremer Bergenfahrer - Gesellschaft in Bergen,
an Herrn Hermann Meybohm in Bremen, einen der Ge-
nossen der Gesellschaft: „Unser Hans Fester ist allhier
vorgestern von dem Grönland angelanget mit 30 Cord:
(Quardeelen) Speck; er berichtet, dass alle Rubbenschläger
\
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 59
einen „mieserabel Fangst” gehabt und dass er vor' 15 Ta-
gen nicht mehr als ein Cordehl gehabt.: Derselbige Schit-
fer sei erst vor 15 Tagen von Grönland abgegangen.”
„Ich habe”, schreibt der Briefsteller, „ihn heute selbst ge-
sprochen; die Walfischerei betreffend, weiss er nichts von,
aber nach Wetter und Wind denket er schlecht.” Der
Brief, „durch Schiffer Johan Stengrave, den Gott gelete”,
übersandt, ist „Bergen, 8. Juni 1750” datirt.
Das Englische Prämiensystem. — In England erhält sich
in dieser Zeit der Grossfischfang in den arktischen Meeren
vorzugsweise durch die von der Regierung gezahlten Prä-
mien. Ein Rückblick über diese von der Regierung dem
Englischen Walfischfang gewährten direkten Unterstützungen
zeigt am besten, wie sehr der Regierung an der Erhaltung
dieses Betriebes, durch welchen sie sich für Kriegszeiten einen
Stamm seegewohnter, beherzter Matrosen erziehen wollte,
gelegen war.
jedem Schiff von über 200 Tons Gehalt, welches auf den
Walfischfang ausgeht, ausgelobt; 1749 wird diese Prämie
Im Jahre 1732 werden 20 Shilling per Ton
auf das Doppelte, 40 Shilling, erhöht und es begannen nun
die Ausrüstungen von Fischerfahrzeugen besonders in Schot-
tischen Häfen. In der Zeit von 1750 bis 1769 wurden
durchschnittlich jährlich eirca 40 Schiffe aus Englischen
Häfen und circa 12 aus Schottischen Häfen auf den Wal-
fischfang ausgesandt und die Summe der in diesen 20 Jahren
gezahlten Prämien betrug L. 613.261 9s. 11 d. Da glaubte
die Regierung, dass der erstrebte Zweck erfüllt sei, und
setzte die Prämie auf 30 Shilling herab. Sofort vermin-
derte sich die Zahl der ausgesandten Fahrzeuge, und zwar
von 98 auf 39 in den nächsten fünf Jahren, und die Prä-
mie musste wieder auf den früheren Betrag gesetzt werden.
Dieses ungesunde Prämiensystem währte bei zeitweiligen
Veränderungen bis zum Jahre 1824 fort und man hat er-
mittelt, dass von 1750 an bis zum Jahre 1824, wo die
Prämien völlig abgeschafft wurden, etwa 23 Millionen Pfund
Sterling zur Beförderung des Walfischfanges von der Gross-
Britannischen Regierung verausgabt worden sind (!). In einer
Anlage gebe ich eine vergleichende Übersicht des Britischen
Walfischfanges in den Gewässern des nördlichen Polarkreises,
nach der Zahl und Grösse der Schiffe, nach Scoresby und
M‘Culloch; die Ergebnisse des Fanges sind leider lücken-
haft verzeichnet und es fehlen auch Angaben über die Zahl
der verloren gegangenen Schitte.
Vergleichende Daten über die Fischereien Englands, Hol-
lands und der Deutschen Häfen im vorigen Jahrhundert. —
Vergleicht man die Holländischen, Britischen und Deutschen
Fischereien hinsichtlich. ihres Umfanges in derjenigen Pe-
riode, wofür sich die Daten von allen dreien vorfinden, so
stellt sich heraus, dass in diesen Zeiten Schiffe ausrüsteten:
Deutsche (Hamburg,
Bremen und Schles-
die Niederlande ig-Holsteinische)
Gross-Britannien
Häfen
1750—1759: 556 167985 215
1760—1769: 459 1620 250
1770— 1779: 741 1337 459
Die Deutschen Grönlands-Rhedereien vermehrten sich
also in diesen 30 Jahren über das Doppelte der Zahl der
Schiffe nach, während die Holländischen zurückgingen und
die Gross-Britannischen nur um etwas zunahmen.
Hamburg’s Unternehmungen. — In Betreff der Resultate
der Hamburger Grönlands-Fischerei sind wir für jene Zeit
auf blosse Notizen angewiesen.
Der Umfang und Ertrag wird nur für einen kurzen
Zeitraum in Folge einer Anfrage der Englischen Regierung
genauer bestimmt. Die Angaben umfassen die fünf Jahre
von 1787 bis 1791. Danach beläuft sich die Zahl der von
Hamburg nach Grönland ausgelaufenen Schiffe auf durch-
schnittlich 30, die Grösse der Schiffe ist 200 bis 400 Eng-
lische Tonnen, jedes Schiff hat 36 bis 45 Mann. Der Fisch-
fang ist sehr ungleich: 1789 1314 Fische, 1791 dagegen
nur 164, 1790 45.000 Robben, 1791 7900, 1789 5578
Tonnen Thran, 1791 nur 1274 Tonnen, 1789 75.900
Pfund Barten, 1791 nur 28.000 Pfund. Die Preise schwan-
ken nicht genau nach dem reicheren oder kümmerlichen
Ertrage jedes Jahres, da sie noch von anderen Verhält-
nissen, namentlich der grösseren oder geringeren Nachfrage,
beeinflusst werden, so dass auch bei einem reichen Ertrag
erhöhte Nachfrage hohe Preise erhält und bei geringerem
Erfolg und zugleich mässigem Begehr letztere nicht so hoch
gehen, wie man erwarten sollte. Für Barten schwanken
die Preise von 21 bis 474 Reichsthaler Banco per 100 Pfund,
für Thran von 34 bis 60 Mark die Tonne, für Seehunds-
felle von dem Mittelpreis von 25 Schilling bis zu dem Mit-
telpreis von 50 Schilling Hamb. Gegenwärtig (Oktober 1868),
um diess hier des Vergleiches halber zu erwähnen, ist der
Preis für Grönlands-Barten in Bremen 105 Thaler Gold für
100 Pfund, für die Tonne Thran 22 Thaler Gold; der Preis
für Seehundsfelle ist je nach der Qualität und Grösse na-
türlich sehr verschieden, doch mindestens 1 Thaler das Stück.
Trotz der bedeutenden Produktion der Amerikanischen
Fischerei und des reichen Ersatzes, den man wenigstens
für die meisten Zwecke statt des Thranes in vegetabilischen
und mineralischen Ölen gefunden hat, sind also die Preise
heute höher, freilich sind es aber auch die Auslagen und
Unkosten des Betriebes. Wenn aber die Fischerei nur wieder
ergiebiger würde, so wäre bei der heutigen industriellen
Entwiekelung wohl keine Sorge um die Verwendung der
Erzeugnisse und demnach um eine angemessene Verwerthung
derselben, die entsprechende Vergütung des auf das Gewerbe
verwandten Geld- und Arbeitskapitals.. Syndikus Matsen
giebt dem Englischen Minister-Residenten Fraser in Erwie-
8*
HU. ; Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
derung der erwähnten, im Auftrage des Staats-Sekretärs
Marquis of Carmarthen auf Begehr der Lords of the, com-
mittee for trade gethanen Anfrage die weitere Auskunft,
dass die Gesammt-Ausrüstungskosten eines Schiffes sich nach
einem niedrigen Anschlag auf 12.000 Mark belaufen. Es
liefen in dem fraglichen Jahre (1788) 33 Schiffe aus, somit
war die gesammte Auslage 396.000 Mark. Der gesammte
Brutto-Ertrag war 176.627 Mark 8 Schilling. Demnach
war der Verlust in der Fischerei in diesem unglücklichen
Jahre 219.372 Mark 8 Schilling.
Ein unglückliches Jahr war z. B. auch 1794, wie fol-
gende von Posselt gegebenen Zahlen beweisen:
55 Holländische Schiffe brachten 994 Fische,
26 Hamburger an „ 27»
6 Bremer „ „ 13 »
2 Hannover’sche „, > 3 „
8 Altonaer „ „ 14 ”
12 Glückstädter „, = 3 „»
109 Schiffe 1594 Fische.
Die Dänische Fischerei im 18. Jahrhundert. — In Däne-
mark bestand um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine privi-
legirte Grönlands-Kompagnie; ihr ward das ausschliessliche
Recht des Handels mit Grönland gegeben und die Grön-
lands-Fischerei Dänemarks einschliesslich der Herzogthümer
war 1753 auf 90 Schiffe gestiegen.
Aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts scheint ein
merkwürdiges Aktenstück zu stammen, das sich ohne Datum
in den Akten des Hamburger Archives vorfindet. Es ist
überschrieben: „Koncept, wie auf gute Manier aufs Beste,
auch vermeintlich mit höchster Räson und Recht der im-
portante Grönländische Handel (Fischerei) den Hamburgern
ab und zu Altona zu ziehen wäre”.
In neun Punkten wird auseinandergesetzt, wie diess auszuführen
ist. Es sollten zunächst in Altona ein bis zwei Königliche Schiffe
von 150 bis 160 Last erbaut werden. In Altona befänden sich bereits
zwei Schiffsbauwerften, auch eigne sich der Altonaer Strand über alle
Maassen zum Schiffsbau und liessen sich da die schwersten und grössten
Kriegsschiffe bauen. Sollten einige Altonaer Kaufleute geneigt sein, mit
einigen Schiffen eine Königliche freie Grönlands-Fischerei aufzurichten,
so seien nöthigenfalls aus Hamburg Schiffe zu einem billigen Preise zu
erlangen. Wenn nun eine Königliche oktroyirte Grönlands-Fischerei in
Hamburg aufgerichtet, so sei den Hamburgern zu notifieiren, „dass die
Grönlands-Fischerei und das Grönländische Territorium dem König von
Dänemark komportire und dass die Hamburger für die von ihnen ohne
Erlaubniss des Königs von Dänemark geraume Zeit betriebene Fischerei
Satisfaktion an den König, undzwar durch ein jährliches Gewisses oder
ein für alle Mal, zu leisten schuldig wären. Die Hamburger sollten
dann auch veranlasst werden, ihre Grönlandsfahrer in Altona bauen, die
Ausrüstung in Altona beschaffen, die Mannschaft von dort aus enga-
giren zu lassen. Wenn nun der König von Dünemark allergnädigst be-
lieben sollte, den Hamburgern diese Fischerei ferner nachzusehen, so möge
auch konsideriret werden, ob nicht die Hamburger (gleich wie die Hol-
länder den Häringsfang an die Engelländer theuer rekompensiren und
bezahlen müssen) 200, 150 oder 100 Thaler, nach Gutbefindung Ihrer
allergnädigsten Königl. Maj., von jedem Fische, den sie fangen, wel-
chen man gewohnt ist, klein und gross durch einander auf 1200
Thaler, wenigstens 1000 Thaler zu taxiren, schuldig sind, Fischgeld an
Ihre Königl. Maj. zu Altona zu bezahlen.” Es wird bemerkt, dass
schon ein mässiger Fang dem König 30- bis 50.000 Thaler einbringen
würde. Muthmasslich würden aber viele Hamburger Grönlands-Rheder,
um solchem Fischgelde zu entgehen, sich in Altona niederlassen. Der
König sei in seinem vollen Recht, einen solchen Zoll zu erheben, denn
er führe in Grönland das dominium maris. Von den Holländern sei
keine Einsprache wegen dieses den Hamburgern auferlegten "'ributs zu
besorgen, weil letztere den Amsterdamern in dem Grönländischen Han-
del fast überlegen und die Holländer daher besondere Jalousie gegen
die Hamburger geschöpft hätten. Schliesslich wird bemerkt, dass Däne-
mark, um alles dieses ins Werk zu setzen, nur einige Kriegsschiffe auf
dem Elbstrom zu stationiren brauche und dass von anderen Potentaten
in diesem casu Nichts zu besorgen sei.
Es ist bekannt, dass dieser Plan, von dem sich die
Hamburger wohl gerade zur rechten Zeit, um Gegenmittel
zu gebrauchen, Kunde verschafften, in der Hauptsache
nicht zur Ausführung gekommen ist. Der Geist, welcher
aus dem Schriftstücke spricht, ist bezeichnend für die An-
schauungen jener Zeit, oder sagen wir lieber für die un-
geheuerlichen Ansprüche, welche man auf Dänischer Seite
namentlich dem Schwachen gegenüber immer von Neuem
geltend machte. An den Küsten von Ost-Grönland und
Spitzbergen hatte Dänemark auch nicht einmal einen Schein
von Vorrecht, nur die Fischerei an der Davis-Strasse konnte
wegen der dortigen Dänischen Ansiedelungen in Betracht
kommen. Ich habe aber vergeblich danach gesucht, ob
Dänemark jemals Holländern gegenüber die Fischerei-
Gerechtsame in der Davis-Strasse für sich ausschliesslich
beansprucht hätte.
Begünstigungen anderer, unschuldigerer Art, welche die
Dänische Regierung durch Aussetzung von Prämien und
Befreiung der eingeführten Fischerei-Geräthschaften &e. vom
Zoll dem Fischfang Dänischer und damit auch Schleswig-
Holsteinischer Schiffe zuwendete, belebten nur während einer
kurzen Zeit den Betrieb. Gegen Ende des Jahrhunderts
hatte z. B. Glückstadt zehn Grönlandsfahrer.
Zerstörende Wirkungen der Seekriege zu Ende des 16.
und Anfang des 19. Jahrhunderts auf die Grönlands-
Fischerei. — Die Französische - Revolution mit ihrem Ge-
folge, den Seekriegen und Handelsstörungen, der Kaperei
und der massenhaften Verwendung der Mannschaften für
militärische Zwecke, machten für eine Reihe von Jahren
der Grönlands-Fischerei in England und Holland wie nicht
minder in den Deutschen Küstenplätzen ein Ende.
In Hamburg finden wir im Jahre 1802 noch 15 Schiffe,
die 62 Fische erbeuten und 3409 Barile Thran (ä 226 Pfd.)
gewinnen, in der Grönlandsfahrt, unter ihnen das Fregatten-
schiff „Die Lillie”, Kommandeur Peter Hansen, von welchem
mir die Schiffs-Journale aus der Zeit von 1795 bis 1803
vorliegen. Von der Weser fuhren von Anfang des Jahr-
hunderts bis 1808 noch fünf bis acht Schiffe, darunter zwei
Hannoverische. Die Kriege zwischen Frankreich und England,
später die Kontinentalsperre übten auf den Seeverkehr und
so auch auf die Fischerei-Unternehmungen der Deutschen
Küsten jenen furchtbaren Druck, der sich selbst bis zur völ-
ligen Zerstörung der Handelsblüthe einzelner Städte steigerte.
A
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 61
Die Schiffsnachrichten aus jener jammervollen Zeit be-
richten z. B. Folgendes:
„Im Jahre 1803 wurde die Weser von den Engländern
blockirt. Christian Siedenburg (Kommandeur des Schiffes
„Sophia Katharina”) und Jan Hacke (Kommandeur der „Drei
Freunde”) kamen vorher ein, die übrigen Schiffe mussten
Nothhäfen suchen. „Die Visurgis”, Kommandeur A. Fenkohl,
„Der Walfisch”, Kommandeur J. H. Wurtmann, „Der Nord-
stern”, Kommandeur J. H. Engel, ‚‚Die Grönland”, Komm.
H. Wurtmann, liefen in der Ems ein, während die beiden
Hannoverischen Schiffe „Königin Charlotte’, Kommandeur
Jan Hashagen, und „Georg III.”, Kommandeur F. Fenkohl,
Bergen aufsuchten. Dort wurden sie entladen und über-
winterten. Der Speck wurde von der Ems theils zu Lande,
theils zu Schiff über die Watten nach Bremen gebracht.
Die in Bergen eingelaufenen Schiffe liessen den Speck dort
zu Thran auskochen und letzterer wurde sodann zu Schiff
nach der Jade gebracht. Im folgenden Frühjahr liefen
die Schiffe theils von Emden, theils von Bergen aus; rück-
kehrend richteten sie ihren Kurs nach der Jade, und erst
nachdem vom Englischen Konsul die Erlaubniss dazu aus-
gewirkt, „kamen sie nach der Weser herum”. Der Fang
war in diesem Jahre ein sehr reicher, denn die sieben Schiffe
brachten zusammen 57 Fische mit. Im Jahre 1805, wo
die Schiffe theils von der Jade, theils von der Weser und
Ems ausliefen, währte die Blockade nicht bis zur Rückkehr der
Schiffe. Im Juni wurde sie aufgehoben und die Schiffe kehrten
wiederum mit reichem Fischsegen nach der Weser zurück.”
“ Am 21. April 1806 wurde die Weser wiederum von
den Engländern blockirt. Die beiden Schiffe „Der Nord-
stern” und „Die drei Freunde”, welche wegen widrigen
Windes noch nicht weit gekommen waren, wurden zurück-
gewiesen und kamen wieder auf die Weser. Die beiden
Schiffe „Königin Charlotte” und „Georg III.” wurden aber
nach England aufgebracht. Am 7. Mai wurden sie wieder
frei gegeben, weil aber das Wasser in dem Hafen zu Ply-
mouth so niedrig geworden war, dass sie nicht heraus zu
bringen waren, so konnten sie ihre Reise nach Grönland
nicht fortsetzen und kamen am 9. Juli auf die Weser zu-
rück. Auf den fünf anderen Grönländischen Schiffen ent-
stand ein Aufruhr unter dem Volke, als sie segelfertig
waren; das Volk machte für den Fall, dass sie aufgebracht
würden, Forderungen, in welche die Rhedereien nicht willi-
gen konnten. Auf den Schiffen „Die drei Freunde”, „So-
phia Katharina” und „Grönland” konnte das Volk auf
keine Weise beruhigt werden und diese mussten ihre diess-
jährige Reise aufgeben. Auf den Schiffen „Der Walfisch”
und „Der Nordstern” gelang diess aber; ersteres ging am
6. Mai und letzteres am 7. Mai in See. „Der Walfisch”
entging den Engländern und setzte seine Reise nach Grön-
land fort, allein „Der Nordstern” wurde von ihnen genom-
men und nach Leith aufgebracht, wo er wieder frei gegeben
wurde, jedoch erst am 13. Juni abgehen konnte. Der Kom-
mandeur glaubte nun, es sei zu spät, nach Grönland zu
gehen, und kam am 20. Juni wieder auf die Weser zurück,
womit die Rhederei sehr unzufrieden war, denn sie hatte
gewünscht, dass er noch nach Grönland gegangen wäre,
obgleich es so spät sei. Wäre dieses Schiff einen Tag
früher, nämlich am 6. Mai, in See gegangen, so wäre es
wahrscheinlich auch den Engländern entkommen. „Der
Walfisch” kam am 13. Juli mit 5 Fischen und 198 Quar-
deelen Speck ungehindert auf die Jade zurück und einige Tage
nachher unter Certifikat vom Englischen Konsul mit seiner
vollen Ladung auf die Weser. Im Jahre 1307 liefen noch
fünf Schiffe von der Weser nach Grönland aus und kehr-
ten ungehindert zurück.
Die Deutschen Grönlandsfahrten hören in der sogenannten
Französischen Zeit ganz auf. — Im Dezember 1807 er-
liess der grosse Imperator von Mailand aus seinen Bann-
strahl gegen den Englischen Seehandel. Durch ihn, wurden
die Deutschen Handelsmarine-Interessen auf das Tiefste ge-
troffen.
lischen Kolonie ausgelaufene odeg von Englischen Schiffen
angehaltene, resp. durchsuchte Schiff sollte danach als Eng-
lisches Eigenthum angesehen und in jedem befreundeten Ha-
fen mit Beschlag belegt werden.
Vergeblich waren die Schritte, welche die Hansestädte
Jedes aus einem Hafen Englands oder einer Eng-
zu Gunsten der Aufrechterhaltung ihrer Grönlandsfahrt in
Paris thaten.
Paris, Abel, überreichte der Kaiserlich Französischen Regie-
rung in Paris eine Note, in welcher um freie Ein- und
Ausfahrt für die Walfisch- und Häringsfang-Schiffe nach-
gesucht wird. Für den Häringsfang habe sich in den letz-
ten Jahren eine Kompagnie gebildet. Man möge die Schiffe
nach erfolgter Visitation frei sein lassen, selbst wenn einzelne
im Zwangsverkehr mit Englischen Kreuzern hätten treten
müssen. Es heisst: „Quoique cette double peche ne soit
dans tems ordinaires qu’un objet secondaire pour les habi-
tants de Bröme, il ne leur est pas du tout indifferent dans
la stagnation actuelle du commerce maritime et du cabotage,
de conserver cette petite branche d’industrie innocente et
non suspecte.”
Die Note fruchtete Nichts, dieses „unschuldige, unver-
dächtige Gewerbe” musste der Seehandelspolitik Napoleon’s
zum Opfer fallen.
Ob überhaupt eine Antwort ertheilt wurde, erhellt nicht
aus den Akten, jedenfalls blieb aber das Gesuch ohne Folge.
Der Minister-Resident der Hansestädte ın
Hannover’sche Fischerei- Unternehmungen: Emden, die Un-
ter- Weser-Gegend und Stade. — Hannover’sche Küstenplätze
hatten sich hie und da für kurze Zeit an der Grönlands-
fahrt betheiligt. Allein ausdauernder Unternehmungsgeist
und Kapital, diese beiden Hauptfaktoren alles kaufmänni-
schen Wagens, waren dort nur in weit geringerem Grade
vorhanden, wenn es auch an geübten Fischerleuten nieht
fehlte, vornehmlich auf der Insel Borkum, welche bis. zu-
letzt eine bedeutende Anzahl Mannschaften zur Hollän-
dischen Fischerflotte gestellt hatte. Hier noch einige Einzel-
heiten über die Hannover’schen Unternehmungen.
Unter der im Jahre 1697 mit reichem Segen heimkeh-
renden Flotte von 192 Schiffen werden auch zwei Emdener
62 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
erwähnt. Mitte des vorigen Jahrhunderts entstehen dort
zwei Grönlands-Kompagnien '); die eine errichteten der Stadt-
Sekretär Haykens und ein gewisser Oterendorp; sie endigte
mit Bankerott. Die zweite Emdener Unternehmung wurde
von dem Kaufmann Wichers ins Leben gerufen. Zwölf Jahre
hindurch wurde der Betrieb, freilich nur mit Einem Schiffe,
fortgesetzt. Im Jahre 1757, nachdem sich ein Verlust von
100.000 Gulden ergeben hatte, kam das Schiff in Amster-
dam zum Verkauf. Bei Besprechung der Ursachen, wes-
halb diese Unternehmungen missglückten, wird unter An-
derem die bedeutende Kapital-Auslage erwähnt, welche sich
für ein gutes Schiff sammt Ausrüstung wohl auf 50.000
Gulden Ostfriesisch belaufe. In Holland, so wird weiter
gesagt, seien andere Verhältnisse, dort seien die beim
Schiffsbau beschäftigten Zimmerleute, Schmiede, Seiler,
Segelmacher an den Fischerei-Unternehmungen betheiligt.
Kapital sei dort reichlich und der Besitzer mit einer ge-
ringen Rente zufrieden. In Ostfriesland wende sich mit
Recht das vorhandene Kapital mehr der Landwirthschaft,
dem Rapsbau und Ölmühlenbetrieb zu, auch sei der Werth
der Barten in Folge der veränderten Mode der Reifröcke
gesunken und das Rüböl mache dem Thran erhebliche Kon-
kurrenz.
In Stade ward in den Jahren 1777 bis 1779 ebenfalls
jährlich ein Schiff ausgerüstet, es kehrte aber auch in den
ersten beiden Jahren mit einem nur sehr mässigen Fange
heim und im Jahre 1779 machte ein Amerikanischer Ka-
per, der das Schiff unter dem 75. Grade wegnahm, dem
ganzen Unternehmen ein Ende.
Endlich ward acht Jahre später an dem Hannover’-
schen Weser-Ufer ein Unternehmen durch Eingesessene -
des Herzogthums Bremen ins Leben gerufen, das etwas
besseren Erfolg hatte als die bisherigen. Ein Schiff von
120 Last ward von dem Schiffszimmermeister Raschen
Schiff, Aus-
rüstung, Assekuranz, Matrosenlohn &e. erforderten die
Summe von 9200 Thaler.
Kollegium in Hannover gab dazu, in Erwägung, dass seit
zu dem Zweck gekauft und eingerichtet.
Das Königliche Kommerz-
langer Zeit eine solche Unternehmung in Hannover nicht
geschehen, gegen gehörige Sicherheit 4000 Thaler zinsfrei
her, das Übrige wurde als Aktienkapital durch Landes-
eingesessene zusammengebracht. Das Schiff wurde unter
den Befehl emes erfahrenen Kommandeurs, des Kapitäns
Fennekohl aus St. Magnus, gestellt, führte die Kurhanno-
ver’sche Flagge und erhielt den Namen „Georg III.”; die
Besatzung, 39 Mann, bestand ausschliesslich aus Hannove-
1) Historisch - politisch -geographisch - statistische und militärische
Beiträge, die Königlich Preussischen und benachbarten Staaten betreffend.
Band I. Berlin 1781. Namen wie Bakker, Janssen, die wir in den
Listen der Holländischen Kommandeure finden, zeigt noch das heutige
Verzeichniss Ostfriesischer Seeschiffs-Kapitäne.
ranern. Unter den Provisionen figuriren unter Anderem
4500 Pfund Fleisch verschiedener Gattung, 5300 Pfund
Brod, 1668 Pfund Butter, 29 Oxhoft Bier, 44 Anker Brannt-
wein, 94 Pfund Syrup und 45 Faden Brennholz.
Die ganze Ausrüstung wurde in Amsterdam für 16.000
Gulden versichert. Den 10. April konnte die Mannschaft
an Bord genommen werden. Widrige Winde hielten die
von Vegesack erfolgte Abfahrt des Schiffes so sehr zurück,
dass es erst den 25. April die offene See erreichte. Den
4. Juni kam, so sagt der Bericht, das Schiff in den Grön-
ländischen Gewässern (zwischen dem 70. und 75° N. Br.) an,
und nachdem es sich glücklich durch das Süder-Eis durch-
gearbeitet, erreichte es den 10. Juni diejenigen Blänken, in
welchen die Walfische gejagt zu werden pflegen. Am
16. Juni wurden in Einem Tage zwei Fische getödtet,
alle weiteren Bemühungen waren vergeblich und das Schiff
kehrte Anfangs Juli durch das Süder-Eis zurück, wo noch
einige Robben erlegt wurden. Der „Georg III.” langte am
6. August wieder auf der Weser an.
Die beiden Fische lieferten zusammen 174 Tonnen Thran
(die Tonne zu 216 Pfund), die Barten wogen 2300 Pfund.
Von dem Ertrage konnte eine Dividende gezahlt, 1000 Tha-
ler von der Schuld an das Kommerz-Kollegium abgetragen
und 2800 Thaler für die nächstjährige Expedition verwen-
det werden. Später kam noch ein zweites Schiff, die „Rö-
nigin Charlotte”, hinzu. Das Handlungshaus €. L. Brauer
und Sohn in Bremen trat an die Spitze des Unternehmens.
Beide Schiffe fuhren bis 1807 und von 1814 bis 1816 für
Rechnung der Aktien-Gesellschaft, dann übernahm sie das
genannte Handlungshaus. Es zahlte für die Schiffe zusam-
men 12.200 Thaler. Umgetauft in „Elise Dorothea” und
„Friedrich August” setzten sie unter Bremer Flagge die
Grönlandsfahrten noch einige Zeit fort.
Grönlandsreise des Sachsen Fr. @. Köhler 1801. —
Einen originellen Grönlandsfahrer- Bericht haben wir noch
aus dem Anfange dieses Jahrhunderts nachzutragen; es ist
die Erzählung jenes Seilermeisters Friedrich Gottlob Köhler
aus Pirna in Sachsen von seiner im Jahre 1801 auf dem
Altonaer Schiffe „Grönland” unternommenen „ersten und
einzigen Reise nach dem Eismeere”. Neben manchen naiven
und ergötzlichen Bemerkungen des Binnenländers über die
verschiedensten Gegenstände des Seewesens führt uns Köh-
ler’s Bericht das damalige Leben und Treiben auf einem
Grönlandsfahrer doch recht anschaulich und lebendig vor
Augen. Es mögen daher hier einige Stellen aus dem
Schriftehen folgen, das, wohl nur noch in wenigen Exem-
plaren vorhanden, den Titel trägt: „Reise ins Eismeer und
nach den Küsten von Grönland und Spitzbergen im Jahre
1801 von Friedrich Gottlob Köhler, Seilermeister in Pirna.
Leipzig 1820”.
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Es fehlte mir, so erzählt der ehrsame Pirnaer Seepionier, in meiner
Jugend nicht an Muth, Entschlossenheit und Herzhaftigkeit, aber ich darf
ohne Unbescheidenheit von mir selber sagen, dassich mich bei Allem, was
ich unternahm, klug, gesittet und anständig zu betragen wusste. Selbst
unter der rohesten Menschenklasse vergass ich mich nie. Ich hatte
immer einen unruhigen Geist und stets trieb mich eine lebhafte Wiss-
begierde. Erfahrung, dachte ich, macht die Menschen klug. Endlich
war ich der Landreisen müde. Da ich nirgends ein Ruheplätzchen ge-
funden hatte, wollte ich mein Glück zur See und in fernen Himmels-
gegenden suchen. So kam ich im Frühjahr 1801 nach Altona, zu der
Zeit, wo die Grönlandsfahrer, die auf den Walfischfang gehen, abreisen.
Mein Sinn stand gerade nicht dahin, aber auf Zureden einiger jungen
Leute von meinem Handwerke, die auch zum ersten Mal die Reise da-
hin machten und die Gefahren und Beschwerden solcher Fahrten so
wenig als ich kannten, entschloss ich mich, das tolle Abenteuer zu wa-
gen und als Matrose nach Grönland zu gehen.
Z Ich ging an Bord des dreimastigen Schiffes „Grönland’” unter Ka-
pitän Johann Schmit aus Jütland. Am 16. März 1801 verliessen wir
Altona in Gesellschaft von 18 Schiffen, die gleichfalls nördlich segelten.
Es war ein schöner, heiterer Tag. Als das Schiff segelfertig war, wur-
den wir alle gemustert, unsere Gesundheit wurde noch einmal unter-
sucht und nachgesehen, ob unsere Sachen im gehörigen Stande wären,
uns gegen die Kälte zu schützen. Ich erhielt monatlich 7 Thaler, doch
hat Jeder von der Mannschaft auf einem Grönlandsfahrer noch einige
kleine Einkünfte, wenn der Fang gut ist. Für Kleider aber muss Jeder
selbst sorgen, er erhält dazu den Vorschuss einer zweimonatlichen Löh-
nung, wofür er sich den Schiffs-Anzug kauft. Der nothdürftigste An-
zug besteht in zwei Paar guten Stiefeln, einem halben Dutzend Strüm-
pfen, vier Paar Beinkleidern von grober Sackleinwand, acht Paar Hand-
schühen und zwei Pelzmützen. Diesen Anzug kann man für den er-
haltenen Vorschuss kaufen, weil Alles so eingerichtet ist, dass es nur
ein halbes Jahr hält. Vor der Abfahrt mussten wir sämmtlich Treue
schwören und versprechen, das Schifl nieht zu verlassen, „so lange
Kiel, Steng, Stag, Mast und Wand noch steht”. Als wir mit Ost-Wind
von Altona abfuhren, nahm Jeder von der Mannschaft mit dreimaligem
Hurrahgeschrei Abschied vom festen Lande. Bei Glückstadt lag ein
kleines Kriegsschifl, eine Fregatte, welche wir mit Aufsteckung unserer
grossen Flagge begrüssten. Der Kapitän oder Befehlshaber des Schiffes
stand auf dem Verdeck und sagte uns durch ein Zeichen mit dem
entblössten Degen Lebewohl. Auf beiden Ufern standen Menschen,. die
ihre Hüte schwenkten und uns ein freudiges Hurrah nachriefen. An
demselben Abend kam das Schiff bis Cuxhaven, am andern Morgen
ging’s in die hohe See. Die Mannschaft wurde in drei Wachen ein-
getheilt, in die Kapitäns-, Steuermanns- und Bootsmanns-Wache, von
welchen jede aus 14 Mann bestand. Als die Mündung der Elbe ver-
lassen war, erhielt Jeder von der Mannschaft einen Holländischen Käse
‘von 5 Pfund. Bei Cuxhaven musste sich das Schiff durch vieles Treib-
eis durcharbeiten und unserm Sachsen schauderte es jetzt bei dem Ge-
danken an Grönland. Wir Deutsche hielten immer treu zusammen und
lebten sehr brüderlich, denn das übrige Schiffsvolk bestand aus Dänen,
Jütländern und Holländern. Es waren unser fünf, der Schiffs-Wund-
arzt, der Sohn eines Predigers aus der Gegend von Stendal, zwei Sei-
ler aus Pesth und aus Halberstadt, ein Fleischer aus Erfurt und ich.
Einzelne Scenen der Rohheit auf dem Schiffe waren für Köhler ab-
schreckend; so z.B. schlug der Steuermann im Wortwechsel mit einem
angetrunkenen Matrosen diesen so derb mit der Faust ins Gesicht, dass
er ihm mit dem grossen messingenen Ringe, den er am Finger trug,
eine tiefe Wunde beibrachte. Am fünften oder sechsten Tage rief man
„Land!” Es war Norwegen. Wir kamen, erzählt Köhler, durch den Trichter
oder die Meerenge von Norwegen und den Britischen Inseln und hatten
die hohe Gebirgskette dieses Landes stets vor Augen. Einige Tage
_ machher kamen wirin das nördliche Atlantische Weltmeer oder die Spa-
nische See, wie die Matrosen es nennen. Dieses Meer ist sehr unge-
stüm. Einst in der Nacht, als wir des starken Windes wegen die Se-
gel fest machen mussten, fehlte uns, während wir oben waren, ein
Mann. Als wir mit der Arbeit fertig waren und wieder hinunter stie-
gen, griff einer von uns unter die Salung am grossen Mast, und siehe
da! der Vermisste hatte diesen Schlupfwinkel gewählt. Jener zog ihn
bei den Haaren hervor, nahm das Stagtau— ein Tau, das vom grossen
Mast von oben her nach dem vordern Mast führt — zwischen die
Beine, und indem er den Kerl schwebend hielt, fuhr er hinunter mit
ihm ins Meer. Das war die Strafe für das Verstecken. Überdiess er-
hielt er von Jedem drei Hiebe mit einem Endtau.
Am 25.Tage der Reise erblickten sie das erste Eis, es war kleines
“ Treibeis. Sechs Tage später kamen sie an das Packeis.
63
Über das Seeleben und die Einrichtungen auf dem Schiffe lässt
sieh Köhler des Breiteren aus. Tabakrauchen und Kartenspiel waren
durchaus verboten. Ehe Jemand zum Essen kam, musste bewiesen wer-
den, dass er den Mund ausgespült, Gesicht und Hände gewaschen hatte;
wer diese Vorschrift nicht befolgte, erhielt drei Hiebe mit einem
Tauende. Jeder ohne Unterschied musste alle acht Stunden unter die
grosse Luke treten und das Hemd ausziehen, um nachzusehen, ob sich
Ungeziefer eingenistet habe. Bei heftiger Kälte war diess ein böses
Stück Arbeit. Diebstahl, besonders Entwendung eines Kleidungsstückes,
wurde sehr hart mit Hieben bestraft. Jede der drei- Wachen dauert
vier Stunden. Nach der Ablösung hat das Volk acht Stunden frei,
wenn nicht schlechtes Wetter eintritt, und während dieser Zwischen-
zeit kaun Jeder thun, was er will, Niemand aber darf zum Zeitvertreib
aufs Verdeck gehen, der nicht die Wache hat. (Auf einem mit Kauf-
mannsgütern beladenen Schiffe sind statt drei nur zwei Wachen und
das Schiffsvolk hat also nur vier Stunden frei.) E
Wenn sich Walfischfahrer im Eismeere begegnen und nicht zu
weit von einander entfernt sind, wünscht die Mannschaft auf jedem -
Schiffe zu wissen, wie viel Fische das andere Schiff gefangen hat. Man
nimmt, wenn man sich wegen des Windes oder wegen Unkunde der
Sprache nicht zurufen kann, irgend Etwas, z. B. einen Besen, eine
Stange, in die Hand und giebt damit dem vorbeifahrenden Schiff so viel
Mal ein Zeichen, als man Fische hat. Bei solehen Gelegenheiten habe ich oft
den Stolz der Engländer bemerken können. Jedes Englische Schiff wartet,
bis das vorüberfahrende Schiff die Zahl seiner Fische angegeben hat, und
giebt dann immer ein paar mehr an als jenes. Alsich eines Tages selbst auf
dem Verdeck stand, um das Zeichen zu geben, befahl mir der Kapitän, 10 an-
zuzeigen, und setzte hinzu, der Engländer werde gewiss 11 oder 12 angeben.
Und er hatte Recht. Der Küchenzettel war fest bestimmt. Jeden Morgen um
4 Uhr gab es grobe Graupen mit etwas Butter zum Frühstück. Der Mittags-
Küchenzettel bietet eben so wenig Abwechselung, eben so: wenig Lecker-
bissen dar. Am Sonntag graue Erbsen mit Pökelfleisch; Montags gelbe
Erbsen mit Stockfisch; Dienstags graue Erbsen und Fleisch; Mittwochs
gelbe Erbsen und Stockfisch; Donnerstags eben so; Freitags graue Erb-
sen und Fleisch; Sonnabends gelbe Erbsen und Stockfisch, und so
wechseln die leidigen grauen und gelben Erbsen eine Woche wie die
andere. Nur ein Paar Mal gab es weisse Bohnen und zwei Mal Sauer-
kraut. Man kann sich also vorstellen, was für ein Fest es war, als
das Schiffsyvolk am Geburtstage des Kapitäns, am 28. Mai, mit 22 Fla-
schen Wein erquickt wurde. Wir tranken des Königs von Dänemark
Gesundheit. Ich habe selbst in jenen rauhen Gegenden, wenn wir hin-
term Wind an ein Eisfeld gelegt hatten, so manchen frohen Tag gehabt.
Bei solchen Gelegenheiten erlaubte der Kapitän dem Schiffsvolk allerlei _
Leibesübung '), wo wir Deutsche dann den Jütländern manchen Possen
spielten, und es war eine Lust, wenn wir dabei über diejenigen, die
uns zu befehlen hatten, Meister werden konnten. Der Kapitän sah es
gern, wenn das Schiffsvolk froh und guter Dinge war. Wenn es zu-
weilen gar nicht damit gehen wollte und Alles still und niedergeschla-
gen war, kam er wohl zu mir und sagte: Mien hochtütsker, mack man
eng betjen dum tüg, dat de Lühde lustig wehren. — Er spielte auch
selbst oft mit, und ehe er sich’s versah, war er ausgeräuchert, so gut
als der Gemeinste, und ging dann lachend davon. Immer aber wusste
er sich so zu benehmen, dass er bei Niemand die Achtung verlor.
Am 28. Tage nach der Abfahrt begann der Robbenschlag, der im
Ganzen nur 1400 Robben lieferte. (Wir gehen darauf wie auf die Einzel-
heiten des Walfischfanges, um nicht durch spätere Wiederholung zu er-
miüden, nicht näher ein.) Manchen Tag, manche Woche segelten wir
nördkch, ohne dass uns etwas Wichtiges begegnete, bis wir in die Gegend
kamen, wo wir den Walfisch fanden, dessen Fang der Hauptzweck un-
serer Reise war. Diess ist die Gegend der Insel Spitzbergen, wo es
die meisten. Walfische, aber wenig Seehunde giebt. Wir sind mit kei-
nem Fuss ans Land gekommen und haben uns die meiste Zeit in jener
Gegend aufgehalten. Die Schiffe, welche auf den Walfischfang gehen,
landen überhaupt nur im Nothfalle, wenn Stürme sie überfallen oder
wenn sie in Gefahr sind, vom Eise eingeschlossen zu werden. Nicht
selten aber legten wir an Eisbergen an, was man „sich hinter den
Wind legen” nennt, wie wir denn einst drei Tage an einem solchen
Berge bei der Insel Jan Mayen östlich von Grönland lagen. Nur ein
!) Ein alter erfahrener Bremer Kommandeur, Albert Haake, erzählt
mir, dass, wenn er mit seinem Schiff still an einem Eisfelde lag, er
oft mit einem Theil seiner Mannschaft aufs Eis gegangen sei und Ball
oder sonstige muntere Spiele mit den Leuten gespielt habe, damit sie
frisch und regsam blieben.
64 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Mal kamen wir Grönland nahe, in einer Entfernung von 4- bis 500
Schritten, so viel ich es berechnen konnte, aber wegen der Eismassen,
die ans Land getrieben wurden, war es uns nicht möglich , näher zu
kommen. Zwei Mal waren wir in der Nähe von Nowa Zembla, ein Mal
auf der westlichen und das andere Mal auf der nördlichen Seite,
aber nur in der Entfernung von '/, Meile, weil wir wegen der Eis-
massen uns auch hier der Küste nicht nähern konnten. Die Westseite
zeigte sich als ein grauer Felsen mit etwas Schnee, auf der Nordseite
aber war mehr Schnee zu sehen. Das Meer zwischen Spitzbergen und
Nowa Zembla war oft ganze Tage ohne Eis und das Eis nie sehr gross,
sondern nur Treibeis. Östlich und südlich von Spitzbergen fanden wir
immer mehr Eis als nördlich. Der grossen Insel Spitzbergen, die sich
vom 77. Grad bis über den 80. Grad ausdehnt, waren wir oft sehr nahe.
In der Ferne sieht sie aus wie eine schwarze Wolke mit vielen weissen
Strichen.
In dieser Gegend des Eismeeres giebt es die grössten Eismassen, von
welchen die Schiffe sehr oft zerdrückt werden. Auch wir befanden uns hier
vom 14, bis 23. August in einer so schrecklichen Gefahr, dass wir uns Gott
befahlen und unsern Untergang vor Augen zu sehen fürchteten, bis
ein Nordwest-Wind das Eis aus einander trieb und uns wieder in freies
Wasser brachte. Als wir unsern Fang im Meere um Spitzbergen ge-
macht hatten, segelten wir über jene Insel hinaus, und zwar fünf Tage
und eben so viele Nächte lang. Ein Hamburgisches Schiff, das uns be-
gleitete, veranlasste uns zu dieser Fahrt. Es war nicht glücklich im
Walfischfange gewesen und der Kapitän, der den unserigen kannte, hatte
sich vorgenommen, gegen den Pol zu segeln, in der Hoffnung, todte
Walfische anzutreffen. Wir fanden erst weniger, dann aber wieder
mehr Eis; auf dem höchsten Punkte, den wir erreichten, war jedoch
überall frei Wasser. Endlich aber rief der Steuermann des Hamburger
Schiffes uns zu, dass sein Kompass nicht mehr treu bleibe. Auf un-
serm Schiffe wurde diess gleichfalls bemerkt, die Magnetnadel war in
so unruhiger Bewegung, dass sie den Kurs nicht mehr anzeigte, und
nun wurde sogleich auf beiden Schiffen Befehl gegeben, wieder südlich
zu steuern. Bei dem Eise ist das Meer sehr tief. Die Farbe der See,
meint Köhler, ändert sich nach der Beschaffenheit der Luft. Bei kla-
rem Himmel ist die See blau; ist aber der Himmel ein wenig bewölkt,
so wird sie grün, und bei trübem Sonnenschein gelblich. Wenn es
ganz dunkel ist, so sieht sie schwarzblau aus und bei einem Sturme
grauschwarz. In den Gegenden, wo Eis ist, hat das Meer zuweilen
eine vitriolblaue, zuweilen eine grüne Farbe.
Die Eismassen, die man im Eismeere findet, bestehen theils aus
Treibeis, theils aus Eisbergen oder Eisstücken von wunderbarer Gestalt
und Grösse, die in der See schwimmen. Von diesem Treibeis nun
unterscheiden sich die Eisberge, welche man hieund da im Meere sieht,
wo sie auf dem Grunde zu ruhen scheinen und oft lange Zeit unver-
änderlich ihre Lage behalten. In der That hörte ich mehr als ein Mal,
wenn wir an solchen Eismassen vorüberfuhren, das Schiffsvolk sagen:
„An diesem Felde haben wir voriges Jahr mehrere Tage hinter dem
Winde gelegen.” Ich besinne mich, wie einst der Schimmann — der
Mann, welcher in dem innern Raume des Schiffes den Befehl und die
Oberaufsicht führt —, als wir zwischen zwei grossen Eismassen hin-
durchsegelten, versicherte, er kenne diese Massen schon seit 5 Jahren
und habe sie immer auf derselben Stelle gefunden. Der alte Mann
musste das Eismeer wohl kennen, da es gleichsam seine Heimath war;
er war nun zum 47. Male in dieser Gegend und hatte also gewisser-
maassen 94 Winter gesehen und keinen Sommer, denn 14 Tage nach
seiner Abfahrt, zur Zeit, wo bei uns Winter und Frühling sich schei-
den, war er schon wieder zwischen Eis und Schnee und bei seiner
Rückkehr fing der Winter in seiner Heimath an.
Jene Eisberge glichen zuweilen Kirchen oder Schlössern mit stum-
pfen und spitzigen Thürmen oder grossen Inseln mit Bergen und Thä-
lern. Die grössten Massen sahen wir bei Spitzbergen, wo sie wie
Berge im Meere sich bewegen.
Oft werden die Schiffe von dem Treibeise so sehr besetzt, dass
sie sich durch die Schollen mit der Säge den Weg bahnen müssen.
Wir waren einmal nahe bei Spitzbergen in diesem Falle. Man verfährt
dabei auf diese Art: Die grosse Säge, welche dazu gebraucht wird,
gleicht einer Schrot- oder Baumsäge, ist 16 bis 18 Ellen lang und hat
grosse, weit von einander stehende Zähne. Ist nun das Schiff ganz
vom Eise umschlossen und zeigt sich die Möglichkeit, durch das Zer-
sägen der Eismassen freie Fuhrt zu gewinnen, so werden Leinen an
die Arme der Säge gebunden und oft wird die Hälfte der Schiffsmann-
schaft angestellt, daran zu ziehen. Erst wird oben abgesägt und als-
dann sucht man die im Wasser befindlichen Massen durch Haken unter
das andere Eis zu schieben. Aber nur bei Windstille und wenn die
um das Schiff sich drängenden Eismassen nicht zu gross sind, ist das
Sägen anwendbar, denn wenn nicht Windstille ist, macht man sich
vergebliche Arbeit, da der Wind, sobald die Säge eine Fuhrt geöffnet
hat, das Eis wieder zusammentreibt. Auch muss man sich in sol-
chen Gefahren oft mit den Schaluppen unter mühsamer Arbeit aus dem
Eise bugsiren. Alle Mannschaft fährt in Schaluppen aus, um den
schmalsten Streif in den Eisfeldern zu suchen, wo durchzukommen ist.
Hat man einen solchen, der nicht von vorne kommt, gefunden, so
spannt man alle Segel auf und fährt darauf los. Es ist uns oft ge-
glückt, auf diese Art durchzukommen, aber es gehen auch viele Schiffe
dabei verloren, zumal wenn sie alt sind. Oft geschieht es auch, wie
ich bereits beiläufig erwähnt habe, dass man die Schiffe mit Eishaken,
die mit starken Tauen versehen sind, an grosse Eisfelder oder Eisberge
fest macht, wo sie wie vor Anker liegen. Zuweilen liegen einige Schiffe
um ein grosses Eisfeld, besser aber ist es, wenn nur Ein Schiff anlegt,
weil sie sich sonst am Walfischfange hindern. Zwischen den grossen
Eismassen findet man keine hohen Wellen, sondern die See ist hier
selbst bei einem Sturme ziemlieh ruhig. Aber auch an den grössten
Eisfeldern liegen die Schiffe nieht ganz sicher, weil diese Massen zu-
weilen von der Bewegung der Wellen brechen, wodurch unzählige klei-
nere Massen entstehen, die einen Wirbel in der See machen. Kommt
das Schiff in die Mitte solcher Schollen, so ist es verloren. In der
äussersten Gefahr bleibt oft keine andere Hülfe für die Mannschaft
übrig, als sich über das Eis zu retten oder sich in ihre Boote zu wer-
fen, und es ist ein Glück, wenn sie ein anderes Schiff findet, das sie
aufnimmt. Von solchen Unglücksfällen hört man die Grönlandsfahrer
oft erzählen.
Ein Abenteuer mit einem Bären, welches der Sächsische Seiler-
meister bestand, hatte glücklicher Weise keinen traurigen Ausgang.
„Als ich so in Gedanken auf dem Eise umher ging und mich um-
sah, wie weit das Schiff wäre, erblickte ich plötzlich ein grosses
weisses Thier, 60 bis 70 Schritte vorwärts von mir entfernt. Ich
glaubte Anfangs, es sei ein alter Seehund (!). Als ich mich aber einige
Schritte näherte, wurde mir vom Schiffe durch das Sprachrohr zugeru-
fen: Geh’ nicht weiter, es liegt ein Bär vor Dir! Ich betrachtete das
Thier nun genauer und sah, dass es ein weisser Bär war, der sich im
Schnee kugelte. Ich zog mich so schnell als möglich zurück, um mich
den Blicken des Thieres zu entziehen.”
Die Bekanntschaft unseres Pirnaer Landsmannes mit dem ersten Wal-
fisch wird so erzählt: „Mit Schauder denke ich noch an den Augenblick, als
ich ihn zu Gesicht bekam. Er sah von Weitem wie ein Stück schwarzes
Land oder wie ein kleiner Berg aus. Es wurde sogleich eine Scha-
luppe gestrichen und ich war leider gleich das erste Mal unter den
sieben Mann, welche beordert wurden, auf den Walfisch loszugehen.
Mein Herz klopfte, als wir fortruderten; ich fing an zu beten, und je
näher wir dem Ungeheuer kamen, desto deutlicher hörten wir sein
Blasen und meine Angst stieg. Als wir nun dem Walfisch nahe waren
und der Harpunier ihm den tödtlichen Stich versetzte, fing das Thier
an, sich zu bewegen, stürzte sich auf den Kopf, schlug mit dem
Schwanze so gewaltig auf das Wasser, dass die Schaluppe, worin ich
war, einen heftigen Stoss bekam und 20 bis 30 Schritt weggeschleu-
dert wurde. Ich war im Herzen froh, dass der Fang uns entging.”
Einmal ereignete es sich, dass unser Köhler in Folge des Losbrechens
eines Stückes Eis von einem Eisberge, auf welchen er, um Schnee zu
Wasservorräthen für das Schiff zu sammeln, gestiegen war, in eine Eis-
spalte hinabstürzte. Weitläufig berichtet er über dieses Abenteuer,
welches er sich wohl gefährlicher vorgestellt haben mag, als es wirk-
lich war. „Ich lag dort ganz weich in dem kalten Schneelager. Ohne
fremde Hülfe herauszukommen, war unmöglich. Man konnte mich
nur vom Gipfel des Berges sehen. Ich schrie laut. Einige vom Schifts-
volk hatten zwar meinen Fall gesehen, aber wegen des mir nachrollen-
den Schnee’s wusste man nicht, ob ich ins Meer gefallen wäre oder
nicht. Der Zugang zu meiner Lagerstätte war sehr schwierig. Vergebens
schrie, bat und lärmte ich, betete in der Angst und stiess auch wohl
in meiner Verzweiflung laute Verwünschungen aus, und da ich das
Schiffsvolk oft lachen hörte, so glaubte ich, man habe keinen Willen,
mir Hülfe zu leisten, was auch, wie ich später erfuhr, gar nicht so
schwer war. So hatte ich schon 10 bis 12 Minuten gelegen, als mir
plötzlich ein Klumpen Schnee in den Nacken flog. Ich sah auf und
erblickte oben auf dem Gipfel des Berges zwei Matrosen, einen Hol-
länder und einen Dänen. Als sie sahen, dass ich mit leichter Mühe
vermittelst einer Leine herausgezogen werden konnte, riefen sie nach
diesem Hülfsmittel. Man warf auch sogleich eine Leine vom grossen
Mast herüber, die aber zum Unglück den Dänen so hart ins Gesicht
traf, dass er umfiel. Ich konnte mich nicht enthalten zu lachen, so
Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert. 65
sehr ich in der Klemme war, als ich das Schiffsvolk über den Unfall
lachen hörte. Der arme Däne trug mehrere Wochen das Zeichen davon
an Mund und Nase. Der Holländer warf mir nun die Leine zu und
ich kehrte den gekrümmten Rücken gegen den Wurf, um meine Nase
vor einem ähnlichen Unfalle zu bewahren. Der hülfreiche Holländer
wollte mich aus meinem Schneekerker ziehen, aber es war ihm allein
unmöglich und der Däne war wieder hinab geklettert.” Endlich liess
der Kapitän den in-der Eisversenkung Schmachtenden durch zwei Ma-
trosen herauf holen underquickte ihn zur Stärkung nach den überstan-
denen Ängsten mit zwei Maass Branntwein.
Unbeschreibliche Freude empfand der Seilermeister, als es den
23. August hiess: „Es geht nach Hause!” Die Freude begeisterte den
Schiffts-Wundarzt zu einem Gedichte, worin er von der traurigen Eis-
welt Abschied nahm. ‚Wir steuerten einige Tage westsüdwestlich, bis
wir das Eis aus dem Gesichte verloren. Am 1. Oktober kam die Insel
Helgoland in Sicht. Noch hatte die „Grönland’” ein kleines Abenteuer
mit einem Englischen Kriegsschiff zu bestehen. Es wurde eine Kanone
abgefeuert als Signal für die Lootsen. Nach einiger Zeit kam ein
Fahrzeug mit einem einzigen Mann auf uns zu. Es war ein Lootse.
Der Kapitän unterhandelte lange mit ihm, da der Lootse bis Cuxhaven
88 Thaler verlangte, eine zu hohe Forderung, worüber man nicht einig
wurde. Der Lootse entfernte sich und wir segelten einige Stunden
allein fort, was sehr gewagt ist. Gegen Abend wurden wir ein Schiff
gewahr und erkannten darin bald eine Englische ‚‚Convoy”. Es segelte
auf uns zu und löste eine Kanone. Diess war das Zeichen, wodurch
uns angedeutet wurde, unsere Flagge zu zeigen. Wir folgten dieser
Aufforderung aber nicht und segelten weiter. Wir hatten keine Furcht,
ungeachtet das Englische Schiff 16 Kanonen führte und schon zwei
Schiffe, ein Dänisches und ein Schwedisches, genommen hatte, aber
eben dadurch hatte es sich geschwächt und bei uns waren doch auch
50 Mann an Bord. Als der Kapitän des Englischen Schiffes sah, dass
wir unsere Flagge nicht zeigten und unser Segel in vollem Zuge liessen,
gab er noch einige Mal Feuer auf unser Schiff, aber kein Schuss traf.
In diesem Augenblick kam unser Schiff plötzlich auf den Sand, und
zwar mit einer so heftigen Bewegung, dass wir alle auf dem Verdeck
umfielen, da der Wind eine Seite des Schiffes hoch auf den Sand ge-
trieben hatte. Es lag völlig auf der Seite. Nun war grosse Noth.
Die Masten knarrten fürchterlich. Wir mussten unsere Segel fest
machen und die Leesegel, d. h. die auswendig an den Seiten des Schif-
fes befindlichen Segel, anbringen. Der Wind blies heftig. Das Eng-
lische Schiff kam uns näher und schon sahen wir einem gefährlichen
Kampf entgegen, als sich unser Schiff plötzlich losriss und wieder flott
wurde. Dem Englischen Schiffe aber wurde es schwer, uns beizukom-
men, weil esgegen den Wind auf unslos segeln musste. Es wurde dieses
Spieles endlich auch müde und nahm auf einmal einen andern Lauf.
In derselben Nacht gingen wir zum ersten Male wieder vor Anker.
Am nächsten Morgen erhielten wir einen Lootsen, der uns an demsel-
ben Tage bis Cuxhaven brachte. Als wir hier Anker geworfen hatten,
gingen fünf Matrosen ans Land und kamen bald mit verschiedenen
Früchten: Apfeln, Birnen, Mispeln, zurück, diesie uns sehr theuer ver-
kauften; auch brachten sie etwas weiches Brod mit.
Nie vergesse ich die Scene, von welcher ich nun Zeuge war. Alles
drängte und stiess sich hin und her, um nur ein Stückehen Brod zu
erhaschen, und die Verkäufer wurden fast erdrückt. Ich selber war so
glücklich, ein Stückchen, ungefähr 2 Loth schwer, zu erhalten, und
obgleich ich es mit mehr als dreissig Rippen- und Rückenstössen er-
kaufen musste, so habe ich doch in meinem Leben keinen Bissen ge-
gessen, der mir so geschmeckt hätte. In Cuxhaven erhielten wir einen
andern Lootsen, der uns bis Altona brachte. Auf der Elbe hatten wir
noch eine angstvolle Nacht. Wir fuhren mit Nordwest-Wind die Elbe
hinauf, als gerade Ebbe war, und als wir bei Blankenese anlangten, ge-
riethen wir auf eine Sandbank, wo wir so fest sassen, dass wir bei
dem heftigen Winde Alles fürchten mussten. In diesem gefährlichen
Augenblick sahen wir ein Amerikanisches Schiff mit vollen Segeln auf
uns zukommen. Wir hatten Laternen ausgehängt, damit die ankom-
menden Schiffe uns sehen und nicht mit dem unserigen zusammenstossen
sollten. Der Amerikaner sah uns, warf aber nicht aufs Steng, d. i.
er liess seine Segel nicht fallen, sondern fuhr schnell an uns vorbei.
Der Lootse, der an Bord dieses Schiffes war, kannte die Fahrt besser
als der unserige. Wir mussten auf der Sandbank sitzen bleiben und
geduldig die zurückkehrende Fluth abwarten, mit welcher wir endlich
wieder flott wurden. An demselben Tage lesten wir bei Altona vor
Anker. Der grösste Theil der Mannschaft wurde noch vor Abend ver-
abschiedet, nachdem Jeder seinen verdienten Lohn empfangen hatte.
Ich und zwei andere Matrosen erhielten für einige in grossen Gefahren
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
geleistete Dienste eine ausserordentliche Belohnung, die für Jeden
10 Thaler betrug. Alsdann stiegen wir ans Land, küssten die Erde
und gingen aus einander, nachdem !wir freundlich Abschied genommen
hatten.”
Die Britische Fischerei. — Die Grönlandsfahrt vom
Festlande aus hörte, wie oben gesagt, in der Zeit der
Französischen Oberherrschaft gänzlich auf. Von Gross-
Britannien dagegen, das seine schützenden Kriegsschiffe
auch hier zur Hand hatte, wurde sie fortgesetzt, ja die
Englische Regierung war klug genug, Holländische Unter-
nehmer und Holländisches Kapital für den Betrieb von
England und Schottland zu gewinnen, indem ihnen alle
Vortheile geboten wurden, welche dem Gewerbe, wenn
von den Britischen Unterthanen unternommen, zu Gute
kamen. Dadurch sicherte sich England die Erhaltung. die-
ses Seegewerbes. In der Zeit von 1810 bis :1818 ein-
schliesslich segelten von England 824 Schiffe nach Grön-
land und der Davis-Strasse aus, von Schottland 361. Die
Zahl der Schiffe, welche von Schottland ausgingen, stieg ım
Hull, London, Aberdeen,
Leith, Whitby, Peterhead und Dundee waren die meist be-
theiligten Häfen. Der Erfolg war reich lohnend; 392 Schiffe
von England brachten in der Periode von 1814 bis 1817
einschliesslich allen 3348 Walfische mit, ausserdem zahl-
reiche Seehunde, Bären und Walrosse. Der Ertrag an Thran
belief sich auf 35.324 Tons und an Fischbein auf 1806 Tons.
Von Schottland brachten in derselben Zeit 194 Schiffe
1682 Walfische; 96 Tons Thran und über 4 Tons Barten
kamen durchschnittlich auf jede Reise jedes Schiffes.
Ganz besonders ergiebig war das Jahr 1814, wo auf
jedes beim Fischfang betheiligte Schiff beinahe 19 Fische und
über 159 Tons Thran kamen. Die „Resolution” von Peter-
head, Kommandeur Souter, brachte 44 Fische und es betrug
der Bruttowerth der Fischerei dieses Schiffes, die Prämie
eingerechnet, die enorme Summe von E£. 11.000.
Aufschwung der Deutschen Fischerei nach dem Sturz der
Französischen Herrschaft. — Man darf sich hiernach nicht
wundern, dass, sobald durch den Sturz Napoleon’s die Meere
wieder frei wurden, sich die Grönlands-Flottillen auch von der
Weser und Elbe wieder in Bewegung setzten. Die ersten Jahre
nach der Franzosen-Herrschaft waren überhaupt eine Zeit des
Aufschwunges des Bremer Ein- und Ausfuhr-Handels nach
Nord-Amerika, Cuba, Haiti und die daraus gezogenen Ge-
winne wirkten belebend auf andere Geschäftszweige ein.
Im Frühjahr 1814 fahren von der Weser sieben Schiffe, die
144 Fische mitbrachten. Hamburg sendete 1815 doch wieder
vier, Altona Ein Schiff aus, die mit ziemlich gutem Fange
heimkehrten. Überall an der Schleswig-Holsteinischen Elb-
küste, in Glückstadt, Elmshorn, Ütersen, Itzehoe, Bruns-
büttel, Bardenfleth, bildeten sich Kompagnien mit einem
dieser Zeit über das Doppelte.
oder ein paar Grönlandsfahrern, und zwar meistens durch
9
66 Die weiteren Unternehmungen bis zum 19. Jahrhundert.
Betheiligung von Landleuten. In Glückstadt verdoppelt
sich in der kurzen Zeit von 1815 bis 1818 die Zahl der
Grönlandsfahrer. Sie steigt von 7 auf 17, welche eine
Tragfähigkeit von 1368 Commerz-Lasten haben.
Auch Holland beginnt wieder die arktische Fischerei, ,
die Regierung kommt mit beträchtlichen Geldunterstützungen
zu Hülfe, indem sie die bedeutende Prämie von 5000 Gul-
den für jedes leer zurückkommende Schiff bestimmt; es
entstehen drei Kompagnien, allein es fehlt an der früher
in so grosser Zahl zur Verfügung stehenden, der Fischerei
kundigen und tüchtigen Mannschaft; Missgeschick kommt
noch hinzu und im Jahre 1828 sehen wir als letzteu
schwachen Versuch nur noch ein Schiff, von der Harlınger
Kompagnie ausgerüstet, von Holland nach Grönland aus-
segeln.
Vergleichende Statistik der Britischen Fischerei 1830 bis
1868. — Dem Aufschwung folgt überhaupt bald wieder ein
starker Rückgang, die nachfolgende statistische Übersicht
giebt darüber genauere Auskunft. Für die Periode 1815
bis 1834 berechnete man die jährliche Durchschnittszahl
Britischer Schiffe, welche im Walfischfang in Grönland und
der Davis-Strasse beschäftigt waren, auf 116 Fahrzeuge. Ich
gehe hier eine Vergleichung der Britischen Fischerei in der
Grönländischen See, der Davis- und Cumberland-Strasse aus
drei verschiedenen Jahren, wobei ich, der nachfolgenden
Darstellung über die Fischerei der Gegenwart vorgreifend,
das vorige Jahr, 1868, mit aufgenommen habe.
R 1830 - 1857 1868
Häfen
Schiffe Tons Schiffe Tons | Schiffe Tons
Peterhead . 13 3.720 30 8.397 12 2.948
Fraserburg —_ —_ 5 1.245 2 549
Aberdeen . 10 3.035 6 1.482 1 239
Dundee 9 3.033 4 1.394 12 4.618
Kirkealdy . 5 1.597 3 1.058 | oe 452
Borrowstoness — —_ 1 357 —_ —_
Hull 33 11.009 11 2.805 2 530
Whitby 2 686 _ — en —_
Neweastle. 3 1.103 _ _ En —_
Berwick 1 310 —_ — _ —
London 2 642 — —_ —_
Montrose . 4 1.302 _ —_ = ——
Burntisland 1 280 — — _ —
Leith % 2.426 — —_ —_
Greenock . 1 316 —_ —_ _ —_
Insgesammt 91 29.459 60 116.738 | 30 9.336
Die Zah] der betheiligten Plätze hat sich also seit 1830
von 15 auf 6 vermindert, die Zahl der Schiffe auf YY, der
Zahl im Jahre 1830, die Zahl der Tons auf kaum 1,
der Zahl von 1830. Nur die Walfischflotte von Dundee
hat sich gemehrt. (Die Zahlen sind
lässig.)
Ftückgang der Fischerei; Einzelheiten aus dieser Zeit. —
Die Unergiebigkeit des Fischfanges, der geringere Werth des
durchaus zuver-
Thranes, dem fortdauernd im Gas, in den vegetabilischen
und später in den mineralischen Ölen gewaltige Konkurren-
ten entstehen, die immer grösser und vielseitiger werdende
Entwickelung des Seehandels durch Erleichterungen des
Verkehrs, welche anderweitig eine lohnende Beschäftigung
der Schiffe bewirken, das sind Ursachen des Rückganges.
Wenn auch später die Mode trotz der gewaltigen Produktion
der Südsee-Fischerei den Preis eines der Fang-Erzeugnisse, _
der Barten, wesentlich erhöhte, so ist die Grönlands-Fischerei
Namentlich
in Hamburg sinkt das Gewerbe mehr und mehr. In der
fünfjährigen Periode 1816 bis 1820 incl. kamen dort von
Grönland zusammen 53 Schiffe an, in Bremen 40. Ein-
zelne Jahre waren glücklich. Im Jahre 1821 z. B. war der
Fang zweier Bremer Schiffe, „Hanseat”, Kommandeur Harm
Haake, und „Bremen”, Kommandeur Albert Haake, beson-
ders reich, sie brachten zusammen 18 Fische mit und es be-
trug der Werth des Fanges beider Schiffe über 37.000 Thlr.
Das Schiff „Der Patriot Gloystein” musste einige Fässer
Bier und Brod leeren, um den Speck bergen zu können.
Das Schiff „Der Hanseat” musste ebenfalls wegen des
ausserordentlichen „Segens” nicht nur seine Bier- und Brod-
fässer benutzen, sondern ihm wurden noch 40 Fässer an
Bord geschickt.
Noch einige Berichte aus dieser Zeit über die Schick-
doch bis heute fortwährend zurückgegangen.
sale unserer arktischen Fischerei heben wir heraus.
Am 17. März 1825 wurde das Schiff „Der Patriot
Gloystein”, Kommandeur Johann Haake, zuletzt auf 65°
N. Br. von Kommandeur Albert Haake, seinem Bruder, ge-
Kommandeur Albert Haake sah einen Sturm vor-
aus, reffte die Segel und drehte bei. „Der Patriot Gloystein”
Bald stellte sich der Sturm
ein und von dem „Patriot Gloystein” wurde nie wieder
Ohne Zweifel ist das Schiff
mit seiner ganzen Bemannung von 46 Maun bei Jan Mayen
gescheitert. Im folgenden Jahre, am 18. April, ging der
„Harpunier” auf 69° N. Br. an der Robbenküste im Eise
bei einem Sturme aus Ostsüdosten verloren. Die „Bremen”,
sehen.
segelte weiter. auch wirklich
Etwas gehört noch gesehen.
welche erst: in Grönland war, dann am 25. Juni Kap Farewell
passirend erst am 26. Juli auf dem Hauptfischplatz in der
Davis-Strasse angelangt war, gerieth auf der Heimkehr
fünf Mal bei Borkum an Grund und musste in Delfzyl
einlaufen, von wo sie erst im folgenden Jahre nach der
Weser kam.
1831.
schen Unternehmungen, so wie die schlechte Beschaffenheit
der beiden Schiffe „Hanseat’” und „Bremen’” erforderten den
öffentlichen Verkauf und der „Hanseat” wurde zu 1605 LThlr.,
das Fleth zu 455 LThlr., die „Bremen” zu 1070 LThhlr., das
Fleth zu 330 LThlr. verkauft (!).
Die gänzliche Muthlosigkeit für die Grönländi-
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 67
1851. Der „Neptun” ging am 14. Mai mit 7000 Rob-
ben und einem Fisch im Eise verloren. Mannschaft ge-
rettet.
1857. Der „Eisbär”, Bremer Flagge, kam im April
1857 bei Wardö auf den Strand. Mannschaft gerettet.
Für die folgenden Perioden ergiebt sich nachstehendes
Verhältniss, wobei die nicht jedes Jahr erfolgten Fahrten
nach der Davis-Strasse mit inbegriffen sind.
Von Grönland kamen an:
in Hamburg in den Weser-Häfen
1821 bis 1830 inel. 25 Schiffe, 51 Schiffe,
1831 „ 1840 ,„ Sa 23 .;
1841 „1850 „ BE“ 126 „
1851 „ 1860 „ Ce, 117,8
1561... 18035 Aue Tee.
!) Die Fischerei Hamburg’s schliesst schon mit dem Jahre 1861,
die in den Jahren 1862 und 1863 aus Grönland gekommenen Schiffe
waren nicht auf den Fischfang gegangen, sondern brachten Kryolith.
IV. Die heutige Fischerei Europa's zwischen Grönland und Spitzbergen und in der
Davis-Strasse. Die Deutschen Fischerei-Unternehmungen im Grossen Ocean („Südsee”),
in der Bai von Ochotsk und in der Bering-Strasse.
Wir sind in unserer Betrachtung zu der letzten Ver-
gangenheit und der Gegenwart gelangt.
Überblicken wir die Entwickelung der letzten 30 bis
40 Jahre, so finden wir, dass in Europa mehr und mehr
der Unternehmungsgeist für die arktische Fischerei schwindet.
Nur Norwegen zeigt in der letzten Jahresreihe einen Fort-
schritt. Die Fischerei Englischer und Schottischer Häfen
in der Grönländischen See wird geringer. Vor etwa 40 Jahren
hatte sie in Folge der Entdeckungen von Ross und Parry
in den nordwestlichen Revieren einen bedeutenden Auf-
schwung genommen, im Jahre 1831 aber traf sie ein furcht-
barer Schlag, indem ein grosser Theil der Englischen Fahr-
zeuge (19) im Eise der Melville-Bai vernichtet wurde. Die
Zahl der beim Fischfang betheiligten Häfen ist ebenfalls
weit geringer als früher, nur Dundee schickt noch jetzt
eine grössere Anzahl Dampfer auf den Robbenfang nach
Grönland (wir gebrauchen hier diesen Ausdruck immer im
Sinne der Fischer, welche darunter die See bei Ost - Grön-
land und Spitzbergen verstehen). Sodann gehen dieselben
Dampfer, nachdem sie den Robbensegen abgeladen, nach
der Davis-Strasse, um bis weit nach Norden hinauf Wal-
fische zu fangen. Die Einführung der Dampfer für diese
Grossfischerei datirt aus dem Jahre 1858. Die Fischerei
Dundee’s stützt sich bekanntlich hauptsächlich auf die da-
selbst emporgeblühte Jutefabrikation, welche nach Yea-
man’s Mittheilungen in dieser Zeitschrift das weitaus bedeu-
tendste Manufakt Dundee’s ist. Die Anwendung des Wal-
fisch- und Seehundsthranes vor dem Spinnen der Fasern ist
unentbehrlich; beide grosse Erwerbszweige stützen und
tragen sich also gegenseitig. Dundee bedarf zum Zwecke
dieser Fabrikation jährlich 2200 Tons Thran, was gegen
Auch in Deutschland ist
die Jutefabrikation in der Entwickelung begriffen, aber die
an der Weser noch immer aufrecht erhaltene Deutsche Gross-
fischerei wird ihren Bedarf an Thran wohl nicht in dem
21.000 Bremer Tonnen ausmacht.
Maasse decken, wie diess in Schottland der Fall ist. Das
in Dundee’s Fischerflotte angelegte Kapital beträgt weit
über £. 200.000. — Die Schleswig-Holsteinischen und Hol-
ländischen Häfen scheiden aus den Grönlands-Unternehmungen
In Dänemark wurde
eine neue Fischereigesellschaft gegründet, deren Betrieb
Der Robbenschlag
fast ganz aus, Hamburg ebenfalls.
leider bis jetzt ein ungünstiger war.
wird mehr und mehr Hauptsache.
Seit den dreissiger Jahren tritt die sogenannte Südsee-
fischerei, in welcher die Amerikaner schon lange Zeit hin-
durch Bedeutendes leisteten,
Unternehmungen in den Vordergrund. Sie erstreckt sich auf
das ganze Gebiet des Stillen Meeres, das Bering-Meer und
das Polar-Meer jenseits der Bering-Strasse, die Gründe um
Aljaska und die Bai von Ochotsk, während die antarktischen
Regionen nur einzeln besucht werden. Die Betheiligung Eu-
auch für die Europäischen
ropa’s an dieser Fischerei gipfelt Anfangs der funfziger Jahre,
sinkt aber" rasch und jetzt haben die direkten Expeditionen
von Fischerfahrzeugen aus Europa nach der Südsee mei-
nes Wissens ganz aufgehört.
Wir werfen nun zunächst unseren Blick auf einige
Gegenstände und Verhältnisse, welche bisher noch nicht
berührt wurden, die aber beleuchtet werden müssen, wenn
das von uns zu entwerfende Bild des ganzen Betriebes in neuer
und neuester Zeit ein einigermaassen vollständiges sein soll.
Gegenstände des jetzigen Fischfanges in den arktischen
Meeren Europa’s: der Grönländische Walfisch und andere
Walarten, der Eisbär, das Walross und der Seehund. —
Ohne auf das schwierige und, wie die neuesten Diskussionen
zwischen zwei berühmten Naturforschern, den Herren J. E.
Gray und Van Beneden, zeigen, noch immer streitige Kapitel
der Klassifikation der Cetaceen näher einzugehen, müssen
wir doch hier zum Verständniss des Folgenden Einiges in
Beziehung auf die Gegenstände des Fanges anführen. Wir
stützen uns dabei hauptsächlich auf Scoresby und die in
g*
68 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
freundlichster Weise uns gegebenen Mittheilungen des Cap-
tain David Gray in Peterhead, des bekannten Englischen
Fischerkapitäns, und berücksichtigen dabei zugleich, was uns
aus den mündlichen Mittheilungen hiesiger Kapitäne be-
merkenswerth erschien.
Die Walthiere, welche in der Grönländischen See und
in der Davis-Strasse Gegenstand des Fanges, sind folgende:
1) der Gemeine oder Grönländische Walfisch (Balaena mysticetus),
2) der Rorqual, bei den Engländern the Finner genannt (Balaen-
"optera boops),
3) der Weisse Wal (Beluga, Delphinopterus leucas),
4) der Narwal (Monodon monoceros),
5) der Bottlenose der Englischen Fischer.
1. Der für den Fang wichtigste und bedeutendste ist
- der unter 1 aufgeführte Grönländische Walfisch, von den
Englischen Fischern „the Black” oder „Greenland Whale”
genannt; seine gewöhnliche Länge ist 50 bis 60 Engl. Fuss,
und wenn er ausgewachsen ist, liefert er 14 bis 20 Tons
Thran. Nach Scoresby misst ein ausgewachsener Walfisch
hinter den Finnen 30 bis 40 Engl. Fuss im Umfange. Der
Kopf hat gewissermaassen eine dreieckige Gestalt, der untere
Theil, dessen bogenförmige Aussenlinie durch die Form der
Kinnlade bestimmt wird, ist flach und misst 16 bis 20 Fuss
in der Länge, 10 bis 12 Fuss !) in der Breite. Die Unter-
lippe, welche 15 bis 20 Fuss lang, 5 bis 6 Fuss hoch ist und
die Höhlung des Mundes bildet, sitzt an der unteren Seite der
Kinnlade fest, steigt unter einem Winkel von etwa 80 Graden
aufwärts und hat von vorne gesehen die Gestalt der ersten
Hälfte des Buchstabens U (so wie er geschrieben wird). Die
obere Kinnlade, die den Schädel einfasst,. ist an der vorderen
Seite unterwärts gebogen, so dass sie die Stirn und die oberen
Theile der Mundhöhle schliesst, und ist von der Oberlippe
schuppenartig auf beiden Seiten überdeckt. Die Finnen oder
Flossen, zwei an der Zahl, liegen zwischen einem Drittel und
zwei Fünfteln der Länge des Thieres, von dem Maul an ge-
rechnet, und ungefähr 2 Fuss hinter dem Mundwinkel. Sie
sind 7 bis 9 Fuss lang und 4 bis 5 Fuss breit.
Der Schwanz, der auf jeder Seite 80 bis 100 Q.-Fuss
Fläche hält, ist ein furchtbares Werkzeug zur Bewegung '
und Vertheidigung. Seine Länge beträgt nur 5 oder 6 Fuss,
aber seime Breite 18 bis 24 oder 26 Fuss.
Der Rachen enthält anstatt der Zähne zwei, lange
Reihen von Barten oder Fischbein, die an den Seiten des
Schädels festsitzen. Sie sind im Allgemeinen der Länge
nach gekrümmt, obwohl sie bisweilen gerade gehen, und
geben dem oberen Theile des Rachens eine bogenförmige
Gestalt. Sie sind unmittelbar von den Lippen bedeckt, die
an dem unteren Theil der Kinnlade festsitzen, und schliessen
zwischen ihren äussersten Enden die Zunge ein. Jede Reihe
besteht aus mehr als 300 einzelnen Stücken oder Blättern;
!) Die Fusse sind hier immer Englisches Maass.
die längsten sitzen ungefähr in der Mitte und von da neh-
men sie nach beiden Seiten hin immer mehr ab. 15 Fuss
ist die grösste Länge des Fischbeins, 10 bis 11 Fuss die
mittlere Grösse und 13 Fuss ist eine Länge, die man schon
selten findet. Die grösste Breite, die es an dem Theile hat,
welcher im Gaumenfleisch festsitzt, beträgt 10 oder 12 Zoll.
Die Blätter, welche die beiden Reihen von Fischbein aus-
machen, laufen parallel, mit ihrer breiten Seite gegen ein-
ander gekehrt, in einem Abstand von zwei Dritteln eines
Zolles (die Dieke des Blattes mitgerechnet), und gleichen
einem Paar Sägen in einer Schneidemühle. Die inneren
Ränder sind mit Fransen von Haaren besetzt und der
äussere Rand eines jeden Blattes, einige wenige an einem
jeden Ende der Reihe ausgenommen, ist unterwärts ge-
krümmt und abgeplattet, so dass gegen die Lippen eine
glatte Fläche gekehrt ist. Bei den jungen Walfischen ist
das Fischbein nur wenige Zoll lang; erreicht die Länge des-
selben 6 Fuss und darüber, so giebt der Fisch schon eine
ziemliche Menge Thran. Die Farbe des Fischbeins ist
bräunlich-schwarz oder bläulich-schwarz, bisweilen ist es
der Länge nach weiss gestreift !). Wenn es eben gereinigt
ist, so zeigt die Oberfläche ein hübsches Farbenspiel. Ein
grosser Walfisch giebt bisweilen anderthalb Tons Fisch-
bein. Wenn das „Probeblatt”, das grösste von der ganzen
Reihe, 7 Pfund wiegt, so kann der ganze Ertrag auf eine
Tonne geschätzt werden, und so nach Verhältniss. Das
Fischbein ist in dem Schädel in eine Art von Fuge ein-
Alle Blätter derselben Reihe sind durch das
Gaumenfleisch verbunden, in welches das dieke Ende der-
selben hineinreicht. Das Gaumenfleisch ist weiss, faserig,
zart und geschmacklos. Es schneidet sich wie Käse und hat
gelassen.
das Aussehen des Inneren einer Kokusnuss.
Unmittelbar unter der Haut liegt der Speck oder das
Fett, das den ganzen Körper des Thieres nebst den Flossen
und dem Schwanze umkleidet. Die Farbe desselben ist
gelblich -weiss, gelb oder roth, an sehr jungen Thieren ist
es immer gelblich- weiss. Bei manchen alten gleicht es in
seiner Farbe dem Fleisch des Lachses.. Es schwimmt in
Wasser, daher die im Verhältniss zu seinem Gewicht enorme
Schwimmkraft des Fisches. Die Dicke desselben rund um
den Körper ist zwischen 8 und 10 bis 20 Zoll, sie ist so-
wohl an verschiedenen Theilen als bei verschiedenen Thieren
verschieden. Die Lippen bestehen fast ganz aus Speck, die
Zunge besteht vorzüglich aus einer weichen Art von Fett,
das weniger Thran giebt als em anderer gleich grosser Theil
des Specks. In der Mitte und gegen die Wurzel der Zunge
ist das Fett mit muskelartigen Fibern durchzogen. Der
übrige Theil des Unterkopfes, ausser der Kinnlade, besteht
') Siehe die später folgenden Mittheilungen über die Fischbein-
Fabrikation in Deutschland.
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
fast ganz ‘aus Fett und auch der Schädel ist mit einer
beträchtlichen Schicht desselben bedeckt. Die Flossen be-
stehen aus Speck, Sehnen und Knochen und der Schwanz
enthält einen dünnen Überzug von Speck. Der Thran
scheint in dem Speck in klemen Zellen enthalten zu sein,
die durch ein starkes Netz von sehnigen Fasern verbun-
den sind. Diese Fasern scheinen, indem sie an der Ober-
fläche dicht zusammengehen, die Substanz der Haut zu
bilden. Der Thran wird durch die Hitze herausgetrieben
und geht grossentheils von selbst aus den zerschnittenen
Speckstücken heraus, wenn der sehnige Theil des Specks
in Fäulniss übergeht. Der Speck und das Fischbein sind
allein die Gegenstände, um derentwillen der Walfisch ge-
fangen wird. Das Fleisch und die Knochen werden zurück-
gelassen, ausgenommen bisweilen die Kinnladen. Der Speck
hat, so lange er frisch ist, durchaus keinen unangenehmen
Geruch. Die Menge Thran, welche ein Walfisch liefert,
steht gewöhnlich in einem bestimmten Verhältniss zu der
Länge seiner längsten Barten. Man hat die folgende
Tabelle über dieses Verhältniss nach einem mittleren An-
schlage aufgestellt:
El oJ a Se
Länge derBarten inFussen 1
a al
2 3 3,6 3
Ertrag an Thran in Tons 14 21 23 314 5 6% S}
Dass bisweilen Ausnahmen hiervon vorkommen, versteht
‚sich von selbst. So erzählt Scoresby, dass einmal ein
Walfisch von 24 Fuss Fischbein beinahe 10 Tons Thran
gab, dagegen ein anderer mit 12 Fuss Fischbein nur
9 Tons. Indessen sind solche Beispiele sehr selten.
Von einem grossen Walfisch, der 60 Fuss lang und
70 Tons schwer ist, wiegt der Speck etwa 30 Tons, die
Knochen des Kopfes, das Fischbein, die Flossen und der
Schwanz 8 bis 10 und der übrige Theil des Rumpfes 30 bis 32.
Das Fleisch eines jungen Walfisches hat eine rothe
Farbe, und wenn es vom Fett gereinigt, auf dem Rost ge-
braten und mit Pfeffer und Salz gewürzt wird, so schmeckt
es wie derbes Rindfleisch; dagegen sieht das Fleisch von
alten Walfischen beinahe schwarz aus und ist überaus grob.
Von der ungeheueren Masse von Muskeln, die den Körper
umgeben, dient ein grosser Theil zur Bewegung des Schwanzes.
Der Schwanz besteht vornehmlich aus zwei netzartigen Lagen
von sehnigen Fibern, die dieht in einander geflochten sind
und sehr wenig Thran enthalten. In der Mitte laufen die
Fibern nach allen Richtungen, in den übrigen Theilen sind
sie geordneter. Diese Substanz wurde besonders m Hol-
land in den Leimsiedereien benutzt. E
Die meisten Knochen des Walfisches sind sehr porös
und enthalten eine grosse Menge Thran. Die Kinnladen,
die 20 bis 25 Fuss lang sind, werden, wie gesagt, öfter
mitgenommen, und zwar wegen des Thranes, der aus ihnen
herausträufelt, wenn das Schiff in ein wärmeres Klima kommt.
69
Die äussere Oberfläche der meisten porösen Knochen ist dieht
und fest. Die Rippen sind fast durchgehends dicht, aber
der Schädel ist beinahe eben so porös wie die Kinnladen.
2. Der Rorqual, Englisch the Finner genannt, 90 bis
100 Fuss lang, geringer an Thranergiebigkeit, ist neuer-
dings besonders von Norwegen aus Gegenstand des Fanges
geworden. Ich habe mich bemüht, Näheres über diese Wal-
art und namentlich den. Werth des Fanges von dorther zu
erfahren, indessen ohne genügenden Erfolg, so dass ich nur
abschreiben müsste, was Scoresby über diese Walart sagt.
Ich ziehe es daher vor, auf das Werk desselben und zwar
auf Band I, S. 482, zu verweisen. Von Deutschen Fischern
wird diese Walart eben der geringeren Thranergiebigkeit
wegen nicht gefangen. Die Deutsche Fischerei beschränkt
sich vielmehr lediglich auf den unter 1 aufgeführten „Grön-
ländischen Walfisch”.,
3. Der Weisse Wal, ungefähr von derselben Grösse wie
der Narwal, liefert auch eben so viel Thran.
ders in der Cumberland-Strasse von den Englischen Whalern
mit Hülfe der Eingeborenen getödtet.
Nur der Grönländische Wal und der Finner haben Barten.
4. Der Narwal. Derselbe ist nach Captain D. Gray’s
Mittheilungen 12 bis 15 Engl. Fuss lang und liefert % bis
Y; Ton Thran. Einen nicht unbedeutenden Handelswerth
(150 Thlr.) hat bekanntlich der 9 bis 10 Fuss lange Zahn
des „Eenhoormn”, wie unsere Seeleute diese Walart nennen.
Der „Hudson” fing im Jahr 1860 zwei Narwale.
5. Der Bottlenose-Wal, 15 bis 20 Engl. Fuss lang, liefert
14 bis 2 Tons Thran.
Es mag hier noch der Schwertfisch als einer der ärg-
sten Feinde des Grönländischen Walfisches, des Bottlenose
und des Narwal erwähnt werden. Nicht selten sind Grön-
landsfahrer Zeugen davon gewesen, dass eine Heerde Schwert-
fische auf emen Waltisch der erstgenannten Art Jagd machte
und ihn tödtete !). Auch Seehunde werden von den Schwert-
fischen gejagt und Kapitän Gray erzählt mir ein Beispiel,
wo ein Seehund sich, von einem Schwertfisch gejagt, auf
ein Schiff zu flüchten suchte.
Dass die Grönlandswale Wanderungen, entweder um Kap
Farewell herum oder ‚durch irgend eine noch unentdeckte
Strasse im Norden Grönland’s, von der Spitzbergen - See
nach der Davis-Strasse und umgekehrt unternehmen, dafür
ist ein Fall bekannt, obgleich Kapitän Gray mir nicht das
Schiff und das Jahr angeben kann, in welchem es sich er-
eignete, dass ein bei Spitzbergen harpunirter Fisch in der
Davis-Strasse — in einer und derselben Saison — setödtet
wurde. Im Jahr 1863 tödtete Kapitän Gray in der Grön-
!) Captain Gravil von dem Englischen Schiff „Diana” sah eine
solche Jagd 300 miles östlich vom Kap Farewell.
Er wird beson-
70 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
ländischen See einen grossen Wal, in dessen Körper noch
eine Schiessharpune stak, datirt: Newcastle 1839. Ohne
Zweifel war dieser Fisch in der Davis-Strasse harpunirt
worden, denn von Newcastle aus 'sind die Grönlandsfahrten
schon früh eingestellt worden, während sie nach der Davis-
Strasse noch bis in die neuere Zeit fortgesetzt wurden. Die
Barke „Kate” tödtete 1866 einen kleinen Wal unter 78°
30' N. Br. (Länge nicht angegeben), in dessen Körper eine
Eskimo-Harpune stak.
Ähnliche Zeichen der Wanderungen der Wale, und zwar
vom Europäischen Eismeere nach der Bering-Strasse und um-
gekehrt, sind durch Scoresby und Andere bekannt geworden.
Die Jagd auf Eisbären. — Über die Jagd des Eisbären,
des Königs unter den Vierfüssern der Polargegenden, wie
ihn Scoresby nennt, das Folgende. Er ist bekannt genug,
findet sich fast in jedem Zoologischen Garten, und an natur- ,
geschichtlichen Beschreibungen über dieses Thier ist kein
Mangel. Nur wenn die Gelegenheit sich als besonders
günstig erweist und weder Robben noch Fische in Sicht sind,
wenn das Schiff an einem Felde ruhig vor Anker liegt und
hier oder auf einer an dem Boot vorübertreibenden Scholle
der meist nur vereinzelt vorkommende Eisbär (Ursus mari-
timus) unbeweglich sitzend einem gutgezielten Schusse Er-
folg verspricht, war und ist er ein Gegenstand der Jagd.
Die Eisbärenjagd ist unter allen Umständen mit Gefahr ver-
bunden.
destens 4 bis 5 Mann stark sein, um einander beizuspringen,
„Die auf die Eisbärenjagd ausgehen, müssen min-
wenn der Erste, welcher auf das Thier anschlägt, das Miss-
geschick haben sollte, zu fehlen. Man zielt am besten auf
die Ohren oder die Brust.” So sagen die alten Holländi-
schen Fischerberichte, indem sie manche Anekdote über
heisse, mit Bären bestandene Kämpfe hinzufügen. Aus neuerer
Zeit ist folgende von Martins in seiner „Reise von Spitzber-
gen zur Sahara” wieder mitgetheilte Anekdote von Admiral
Nelson, der bekanntlich seine erste Probe als Seemann im
Nelson machte als Mid-
shipman die Polarexpedition von Phipps mit.
Eismeer ablegte, bemerkenswerth.
Ganz allein
nahm er es einst mit einem Eisbären auf, und als man den
schmächtigen, zarten Jüngling fragte, wie er so waghalsig
sein könne, sich mit einem so furchtbaren Thiere zu messen,
antwortete er einfach: „Ich wollte sein Fell meinem Vater
mitbringen.”
Barents und seine Leute hatten aufihrer Fahrt und beim
Aufenthalt auf Nowaja Semlä manchen Strauss mit den Eis-
bären zu bestehen, eben so Cook 1788 bei Spitzbergen. Es
ist schwieriger, den Bären auf dem Eise zu jagen als im
Wasser. Naht er sich dem Boot, so haben die Leute die
Beile bereit, um ihm die Tatzen, wenn ersie etwa auf den
Bord des Bootes legen sollte, abzuhacken. Die Vervoll-
kommnung der Schusswaffen kommt auch der Bärenjagd sehr
zu Statten und diess erwies sich im Jahre 1868 besonders
bei den Bärenkämpfen, welche die Leute des Dampfers
„Albert”” bestanden. Der Eisbär wird allein seines Felles
wegen gejagt, das je nach der Grösse 15 bis 20 Thlr. werth
ist. Eins der vom ‚„Albert” mitgebrachten Eisbärenfelle
mass in seiner grössten Länge etwa 9 Fuss. Der vorjähri-
gen Bärenjagden der Mannschaft des „Albert” ist in dem
früher abgedruckten Bericht über die vorjährige Polarreise
dieses Schiffes gedacht worden. Indessen will ich hier noch
die kurze, aber äusserst lebendige Schilderung einer Eis-
bärenjagd mittheilen, welche der Königl. Preuss. Marine-
Ingenieur Brix in seinen „Skizzen aus dem nördlichen Eis-
meer nach Tagebuchaufzeichnungen” giebt. Brix machte
im Jahre 1852 eine Grönlandsfahrt auf dem Bremer Schiff
„Neptun” mit und schildert seine Eindrücke in äusserst
frischer und lebendiger Weise, so dass das in der Form
von zwei Vorlesungen gedruckte Büchlein Jedem zur an-
regenden Unterhaltung zu empfehlen ist.
„Siehe! wer unterbrieht plötzlich die Einförmigkeit der Winter-
landschaft? Warum stürzen sich die vereinzelten Robben in jäher Hast
in die Fluth? Lärmend und schreiend erhebt sich das Volk der Luft
und umkreist mit ängstlichem Flügelschlage das Schiff. Schwerfällig,
plumpen Schrittes bewegt sich auf dem Eise der langgestreckte Leib
des Königs der nördlichen Quadrupeden. Eine Eisbärin, wie sieh bei
näherer Betrachtung zeigt, gefolgt von zweien Jungen, nähert sich uns.
„Das ist ein Fang, der lohnt; seid bereit zur Jagd! Dort jene von
Eistrümmern gebildete Wand ist wie geschaffen, uns ihren argwöh-
nischen Blicken zu verbergen.” Schnell ist ein Köder hingeworfen und
von den scharfen Nasen der Thiere gewittert. Die Jungen, vorschnell,
versuchen der Alten vorauszueilen, ein sanfter Schlag mit der Pranke
der Mutter, der sie einige Schritte zurückwirft, belehrt sie, dass sie
die Gesetze der Höflichkeit übertreten haben. Aller Vorsicht, welche
die Mutter anwendet, ungeachtet und alles Misstrauens zum Trotz zieht
es sie jedoch immer näher zu dem herrlich duftenden Fischspeek. Da
kracht ein Schuss durch die Stille; das eine der beiden Jungen stürzt
zusammen. Durch den Knall erschreckt wendet sich die Mutter zur
Flucht; doch gewahrend, dass nur einer der kleinen Bären ihr folgt, kehrt
sie zurück, beschnuppert den blutenden Liebling und von seinem leisen
Wimmern zur Rache entflammt wendet sie sich gegen uns, die wir
unsern schützenden Wall verlassen haben. Bald aufgerichtet auf den
Hinterbeinen schreitend, bald wieder schwer auf die Vorderfüsse nieder-
fallend, stürzt sie sich auf ihre Feinde. Aus grösserer Nähe kracht
ihr ein zweiter Schuss entgegen, verwundet zuckt sie zusammen, doch
aufs Neue stürzt sie vorwärts. Von zwei Seiten mit Lanzen angefallen,
wird sie, wenn sie sich dem einen der Angreifer zuwendet, die ent-
gegengesetzte Seite unbeschützt lassen und dort den Todesstoss em-
pfangen. Mit lang aus dem weit geöffneten Rachen heraushängender
Zunge, dampfendem Athem und rollenden Augen läuft sie, ein Bild der
blinden Wuth, die verkörperte Rache, schrecklich anzusehen, in ihr
Schicksal, das sie bald ereilt und nach kurzem Kampfe zu ihrem todten
Jungen bettet, dem sich endlich auch das letzte Glied der Familie zu-
gesellt, welches unwissend, was zu thun, neugierig dem Kampfe zu-
geschaut hat.”
Höher stellt sich der Werth des Eisbären, wenn es ge-
lingt, sich seiner lebend zu bemächtigen. Im Jahre 1867
brachte der „Hudson” einen alten und einen jungen leben-
digen Bären mit, im Jahre 1868 fand ich auf dem Deck
des eben angekommenen Dampfers ‚Bienenkorb” ebenfalls
Die
welche ihre brennenden Strahlen auf seinen
schmutzig-gelben Pelz ergoss, stimmte ihn offenbar sehr
einen jungen lebendigen Bären im Käfig eingesperrt.
Juli-Sonne,
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 71
unbehaglich. (Derselbe war für den ÖOberpräsidenten der
Provinz Hannover bestimmt, ist aber bald — wenn ich nicht
irre, im Zoologischen Garten zu Hannover — gestorben.) Ein
ausgewachsener lebendiger Eisbär wird mit 100 bis 150 Thlr.
bezahlt. Das Einfangen eines Bären geschieht vom Boot
aus mittelst einer geschickt um den Hals des Thieres zu
werfenden Schlinge; durch zwei eiserne Ringe, die an der
Aussenseite des Bootes befestigt sind, wird dann das Tau duxch-
gezogen und der Bär so lange angepresst festgehalten, bis
ihm vom Schiffe aus ein stärkeres Tau umgeschlungen ist,
mittelst dessen er auf das Schiff hoch aufgewunden und in
den grossen eisernen Käfig, den jedes Grönlandsschiff für
solche Fälle auf Deck hat, eingelassen wird; dort sitzt er
dann wohl verwahrt, von Zeit zu Zeit mit Seewasser über-
schüttet und mit Fleisch gefüttert, bis er bei der Rückkehr
in dem milderen Klima zu leiden beginnt. Er wird dann
möglichst bald verkauft, seinem neuen Eigenthümer, einem
Händler mit wilden Thieren, oder, wenn ihm gleich das
bessere Loos lächelt, einem Zoologischen Garten zugeführt,
wo ihm ja immer eine sorgsame, seiner Polarnatur möglichst
entsprechende Behandlung und Verpflegung zu Theil wird.
Dass übrigens die „Grönländer” von der Weser die Be-
gegnung mit dem Polarbären nicht scheuten, mag aus fol-
genden Zahlen der Eisbärenjagden einiger der Bremer Grön-
landsfahrer hervorgehen. Seit 1852, bis wohin zurück ich
schriftliche Notirungen darüber vorfinde, wurden im Ganzen
durch die von der Weser ausgehenden Schiffe 156 Eisbären
als Jagdbeute mitgebracht. Im Jahr 1857 war diese Jagd
"besonders ergiebig, denn es brachten mit:
Schiff „Weser”. 15 Bären,
„» „Grönland” . gast
„» „August RN: an),
SEARBEIRHNERN au
RE SESSBERE E42. 12 en A
30 Bären.
1859 brachte die „Hannover” . 10 Bären,
1863 3 ES SNMEBBLEIG ee LO 6
1865 ders, Hudson. Bere. 2, Se,
Auch die Schiffe, welche nach der Davis-Strasse oder,
wie unsere Deutschen Seeleute kurzweg sagen, nach der
„Strasse” fahren, bringen öfter Bären mit.
im vorigen Jahre berichtet, dass der Schottische, am 2. Noy.
So wird noch
heim gekommene Schraubendampfer „Polynia” zwei leben-
dige Bären mitbrachte und deren eine grosse Zahl tödtete.
Das Walross und seine Jagd durch die Grönlandsfahrer. —
Von der Jagd auf das Walross giebt uns Dr. Hayes in
seinem Polar-Reisebericht eine höchst anziehende Schilderung.
Noch im vorigen Jahrhundert gab es bei Spitzbergen solche
ungeheuere Heerden, wie sie Hayes am 3. Juni 1861 auf
78° N. Br. und 73 bis 74° W.L. antraf. Holländische
Fischer tödteten im Jahr 1767 auf Moffen-Eiland 2200 Wal-
!) Unter ihnen ein lebendiger.
rosse, die am Ufer überrascht und denen der Rückweg da-
durch abgeschnitten wurde, dass man die Leichen der ge-
tödteten Thiere als einen Wall zwischen der Heerde und
dem Meere aufstapelte. Gegen das Walross ist die Lanze,
nicht die Harpune die richtige Waffe. Jetzt gehen noch
einige Fahrzeuge von Norwegen (Tromsöe) auf den Wal-
rossfang an der Ostküste von Spitzbergen, während die
Russen sich seit etwa 1830 von Spitzbergen zurückgezogen
haben und diese von Spörer uns so anschaulich in seinem Werk
über Nowaja Semlä geschilderte Jagd noch bei Nowaja Semlä
betreiben. In der Bering-Strasse ist das Wallross sehr häufig.
Schiffe von der Weser auf die Walrossjagd bei Spitz-
bergen. — Auch von der Weser aus sind wiederholt Schiffe
expedirt worden, um auf und bei Spitzbergen Walrosse und
Renthiere zu jagen, nebenher auch die Nester der Eider-
Es hat sich aber dieses Geschäft als
durchaus nicht lohnend erwiesen. Die „Aurora”, ein kleines
Fahrzeug von 49 Last, bemannt mit 18 Mann, wurde für
Hannover’sche Rechnung zuerst am 17. April 1860 expedirt.
Sie kehrte Mitte November mit dem geringen Fange von
70 Walrossen und einer Partie Robben zurück, welche zu-
Carlsen, ein zu diesem
Zweck engagirter Norweger, kommandirte die Aurora”,
welche 1861 vom 15. März bis 9. Oktober abwesend war
und nur 6 Walrosse, 33 grosse Robben, 2 Eisbären, 10 Ren-
thiere und 21 Pfund Daunen mitbrachte. Die „Aurora”
fuhr noch vier Jahre für ein Bremer Haus nach Spitz-
bergen; in den beiden letzten Jahren war Kapitän Hagens
Kommandeur.
Ehe wir den Seehundsfang, welcher noch jetzt einen
wesentlichen Theil der Englischen, Deutschen, Norwegischen
und Dänischen Grönlands-Unternehmungen ausmacht, be-
sprechen, holen wir Einiges nach. Es betrifft hauptsächlich
die grösseren oder geringeren Chancen des Fischfanges und
auch des Robbenschlages im Grönländischen Meere, je nach
der Lage und Beschaffenheit des Eises, so wie den sonstigen
gans auszunehmen.
sammen 120 Tonnen Thran lieferten.
Witterungsverhältnissen.
Chancen des Fischfanges je nach Eis- und Witterungs-
verhältnissen. — Die Verbreitungszone des Walfisches ist
durch Maury, der in seinem berühmten Werke „Physische
Geographie des Meeres” nach sorgfältigen Ermittelungen,
aus einer grossen Zahl von Whaler-Logbüchern, das Ge-
biet des Walfisches im Ganzen bestimmte, bezeichnet und
im Allgemeinen dahin angegeben, „dass die tropischen Ge-
genden des Oceans dem eigentlichen Walfisch gleichsam ein .
Feuermeer sind, durch welches er nicht hindurch kann und
in welches er nie eindringt”. Er sagt weiter: „Auch. die
Thatsache wurde an den Tag gebracht, dass dieselbe Art
Walfische, welche längs der Küsten Grönlands,. in der Baffin-
Bai &e., gefunden wird, auch im nördlichen Stillen Ocean
12 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
und um die Bering- Strasse vorkommt und dass der Wal-
- fisch der nördlichen Hemisphäre von dem der südlichen sich
wesentlich unterscheidet.” Ob aber der bow-head der Bering-
Strasse wirklich genau dieselbe Art wie der Grönländische Wal
ist, darüber vermochte ich mir noch keine Gewissheit zu ver-
schaffen. In unserem Falle handelt es sich vorzugsweise um
den „gemeinen Grönländischen Walfisch” (Balaenamysticetus).
In den arktischen Gewässern Europa’s ist der 71. Grad (nach
Seoresby) oder nach der Ansicht erfahrener Kommandeure,
von welchen ich mündliche, resp. schriftliche Mittheilungen
darüber erhielt, der 70. Grad die südlichste Grenze, bis zu
der noch, wenn auch selten, Walfische angetroffen werden.
Im Allgemeinen gilt bei unseren Fischern die Regel, dass
im Frühsommer die Fischerei vorzugsweise auf dem 78. und
79. Breitengrad, dagegen in der „Natid”, wie sie es nennen,
im August, auf dem 73. bis 75. Breitengrad ergiebig sei. Nach
des Bremer Kapitäns Westermeyer Erfahrung nimmt der
Fisch (unter Fisch ist immer Walfisch in der Grönlands-
fahrer-Sprache zu verstehen) sehr häufig seinen Lauf in der
Richtung von Südwest nach Nordost. Scoresby macht in
seinem, in dieser Beziehung freilich durch die seitdem ver-
flossene Zeit wohl nicht mehr vollgültigen, Werk, das 1820
erschien, ausführliche Mittheilungen, denen wir noch Einiges
entnehmen. Im Allgemeinen gilt von Alters her die Regel,
dass aus der Farbe des Wassers, dunkelgrün, sich auf reich-
liches Vorhandensein der Krustaceen, der Nahrung des
Fisches, und somit auf die Nähe von Fischen schliessen
Fischerei bei Spitzbergen: Frühzeitig im April reich-
lich an der Grenze des Eises bei Hakluyt’s Headland auf
dem 80. Grad N. Br., auch wohl 1 bis 2 Grad südlicher.
Im Monat Mai öfter am Rande des losen Eises auf dem
79. Breitengrade grosse Fische.
lasse.
Kleinere an Eisfeldern und
öfter in Eisbaien auf dem 80. Breitengrad. Im Juni ist
der Fisch am häufigsten und wird zuweilen zwischen dem
75. bis 80. Grad auf jedem Breitengrad getroffen, und zwar
sowohl im offenen Wasser als im losen Eis und an Eis-
feldern und Flarden, wie auch an dem festen, undurchdring-
lichen Eis gegen die Küste von Grönland. Die kleine-
ren Fische werden zu dieser Zeit südlicher als im Früh-
jahr angetroffen, und zwar an den Grenzen des Westeises
auf 78 bis 784° N. Br. Der 78. bis 784 Grad ist nach
Scoresby das unergiebigste Gebiet. Diese Breite ist bei
den Englischen Fischern die Grenze zwischen der Fischerei
„northward” und der Fischerei „southward”.
Auf der Breite zwischen 77 und 774° wird überhaupt
selten ein Fisch gefangen, daher nennen sie die Engländer
„the dead latitude”, die Deutschen „dat dowe Wäter” (das
taube Wasser). Die Breiten werden von unseren Kom-
mandeuren kurzweg mit „up de eene, up de twee” (auf
der Eins, auf der Zwei) &c. bezeichnet. Die Fische wech-
seln nach Scoresby in Folge der Nachstellungen ihre Re-
viere. Wenn man sie eine längere Zeit ungestört liesse,
würden sie wahrscheinlich zu den Küsten und Baien von
Spitzbergen und der Nachbarinseln zurückkehren.
Wenn zwischen der Bären-Insel und Spitzbergen das
Osteis sich mit dem Grönländischen Eis verbunden hat und
sich auf diese Weise eine geschlossene Eismasse bildet, dann
sagt der Fischer: „Das Eis liegt breit, es ist ein Südeisjahr”.
Dieses „Südeis”, wo der Fisch zu suchen ist, schützt ihn
vor südwestlicher Dünung, doch lässt sich nicht unbedingt
sagen, dass der Fisch die Dünung vermeide. Liegt das
Eis dagegen schmal, dann sind die Aussichten für die
Fischerei schlecht. Das Gebiet ist dann zu gross und die
Fische sind schwer zu erreichen. Doch gilt diess, wie wir
Die Fischerei ist gewöhnlich
nach einem strengen Winter gut, wenn also das Eis sehr
südlich liest. Dann kommen, sagt L. Bahre, in seinen
1838 geschriebenen Skizzen, auch die Fische, welche zwi-
schen Spitzbergen und Nowaja Semlä leben, heraus und zum
Vorschein, zur grossen Freude der Harpuniere, welche diese,
die kürzer, dicker, heller von Farbe und leichter zu fangen
sein sollen als die im Westeis, zum Unterschied Südeis-
Fische nennen. Manche dieser Gattung bleiben an den
Küsten von Grönland; so sagen die Kommandeure, welche
deren habhaft wurden, und die den leichten Fang des
dickeren, weicheren Speckes des Südeis-Fisches, oder eigent-
lichen Fisches von Osten her, nicht genug rühmen können.
Die Farbe dieser Gattung sei sehr hell, sagen sie, die des
sehen werden, nicht immer.
Westeis-Fisches sammt-schwarz, die grauen müssten die
Der Fisch von Osten liebt das kleine zer-
brochene Eis, der von Westen, welcher, wie sie meinen,
südlich um Kap Farewell Reisen nach der Davis - Strasse
macht, sucht das grosse Eis.
Das Eis soll bei einem Südeis-Jahr im Frühjahr etwa
auf folgende Weise sich gelagert finden:
Bastarde sein.
„Einige Meilen
südlich vom Kap Farewell auf Island, so dass die Hälfte-
dieser Insel umschlossen ist, von hier ein wenig westlich,
von Jan Mayen auf Kap Lookout von Spitzbergen, 40 bis
48 Engl. Meilen südlich von demselben, und dann streicht
es östlich auf Nowaja Semlä” oder gar auf Lappland, häu-
figer ist Bären-Eiland auch innerhalb des Eisgebiets. Im
Frühjahr bricht das Eis an der Westküste Spitzbergens auf
und wird durch nordöstliche Winde auf das an den Ost-
küsten von Grönland 'sich ablagernde sogenannte Westeis ge-
schoben, so dass hierdurch ein Bassin entsteht, in welchem
ziemlich frei umhergesegelt werden kann; doch ist es oft
sogar schwierig, zu demselben zu gelangen und die Pas-
sage durch einen Damm zusammengeschobenen Eises, der
südlich vom Kap Lookout an sich westlich nach dem festen
Eis hinzieht, zu suchen.
Deutlicher spricht sich noch Scoresby über die Grenzen
und Lage des Polareises bei den Fischrevieren in der Grön-
ländischen See aus. Er sagt: In einer „open season”, wenn
also ein ununterbrochenes Fahrwasser längs der Westküste
von Spitzbergen bis nach Hakluyt Headland sich erstreckt,
dehnt sich ein 20 bis 30 Seemeilen breiter Wasserkanal
zwischen dem Lande und dem Eise bis zum 79. oder
80. Breitengrade aus, indem er sich allmählich der Küste
nähert. Durch Stürme und Strömungen erleidet die Grenze
und Beschaffenheit des Eises verschiedene Veränderungen,
die besonders in der Nähe der Küste deutlich werden, da
man von dieser aus am besten das Hervortreten oder Zurück-
gehen der Eislinie bemerken kann.
Scoresby und Gray über Eis und Fischreviere in ver-
schiedenen Jahren. — Scoresby macht uns ausführliche Mit-
theilungen, wie verschieden sich die Verhältnisse in einer
Reihe von Jahren — 1803 bis 1822 — gestalteten. Ich gebe
hier Einiges daraus, indem ich die neueren Erfahrungen
des Captain D. Gray anschliesse.
1803 war „an open season”, Mitte April freie Schifffahrt
bis zum 81. Grad, die Fischerei aber schlecht.
1804. Mitte Mai eröffnete sich den Schiffen eine Pas-
sage zu den nördlichen Stationen, die Fischerei war leidlich
gut. Eben so war sie es 1805, wo gegen Ende April bis
zum 78. Breitengrad die Schifffahrt frei war. Die Rück-
fahrt aus dem Eise war leicht.
Das Jahr 1806 war ein Südeis-Jahr. Die Eisbarriere
war so ausgedehnt, dass es nur drei Schiffen gelang, sie
zu durchdringen, sie erstreckte sich von 75,20 Grad bis
79,30 Grad. Jenseits derselben war eine offene See in
einer Ausdehnung von 30 bis 50 Engl. Meilen von Süd
nach Nord. Scoresby’s Schiff segelte hindurch und zwar
zuletzt etwa 300 Englische Meilen nordöstlich, ohne das
Ende dieser offenen See zu erreichen. (Bei dieser Gelegen-
heit erreichte er die hohe Breite von 81° 30’ bei 19° Ö.L.)
Das Jahr 1807 war wiederum ein Südeis-Jahr. Der
glücklichste Fischfang war auf dem 75. und 76. Breitengrad.
1808 war „an open season”. Das vorhandene Eis ge-
währte genügenden Schutz, ohne die Fischerei zu hemmen.
Walfische waren in Menge vorhanden und die Fischerei
ungewöhnlich gut. Bei der Rückkehr bot sich auf dem
74. Breitengrad den Schiffen ein erhebliches Hinderniss dar.
Es war eine Eisbarriere von losem Packeis, die sich von
dem Westeise über 100 Engl. Meilen östlich bei einer
durchschnittlichen Breite von 10 bis 20 Seemeilen aus-
dehnte; nur wenige Schiffe erzwangen den Durchgang, der
grösste Theil der Fischerflotte umfuhr dieses Hinderniss an
seinem östlichen Rande.
1809 war wiederum ein Südeis-Jahr.
Das Jahr 1810 war ähnlich dem von 1804.
Lindeman,-die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 73
Im Jahr 1811, einem Südeis-Jahre, konnten die Schiffe
erst gegen Ende Mai durchdringen und die Fischerei war
durchgängig gut.
1812. In diesem Jahre sperrten Eisfelder von furchtbarer
Stärke die Schifffahrt. Das Eis lag von dem östlichen Pack-
eise (von Point Lookout bis Cherry Island, also vom Süden
Spitzbergens zu der Bären-Insel) in nordwestlicher Richtung
nach dem festen Westeise herüber; viel offenes Treibeis be-
deckte den südwestlichen Rand dieser kolossalen Eismasse und
schützte so die Eisfelder und Flarden vor der zerstörenden
Seedünung. Dieser Eiswall war einer der furehtbarsten von
allen, die überhaupt von Scoresby in der Polarsee angetroffen
wurden. Alle Versuche der Schiffe, denselben vor dem Ende
des Maimonats zu durchdringen, wurden mit der augen-
scheinlichsten Gefahr unternommen und waren alle vergeblich.
Nachdem eine Woche lang ruhiges, mildes Wetter gewesen,
lösten sich die Felder von einander und es eröffnete sich
eine Strasse für die Schiffe in einer Ausdehnung von
60 Engl. Meilen, welche in eine bis zum Lande offene See
führte. Bemerkenswerth war es, dass man gerade in diesem
Sommer die ausserordentlichen Veränderungen beobachten
konnte, welche mit dem Polareis vor sich gehen, denn wäh-
rend, wie bereits mitgetheilt, im Anfang das Packeis ausge-
dehnt und von furchtbarer Stärke sich zeigte und auf diese
Weise den Schiffen die Fahrt nach den nördlichen Fisch-
revieren verwehrte, so fanden die Schiffe bei ihrer Rückkehr
im Juli nicht das mindeste Hinderniss, vielmehr war die
See offen vom 79. Breitengrad bis zum Atlantischen Ocean.
Das Jahr 1813 war ein schlechtes Fischjahr. Die Schiffe
konnten schon Mitte April bis jenseits des 80. Breitengrades
vordringen.
Im Jahr 1815 war wiederum eine „open season”.
Der Sommer von 1817 wird von Scoresby als besonders
bemerkenswerth wegen der grössen Ausdehnung des offenen
Meeres bezeichnet. Scoresby sah in diesem Jahre Ostgrön-
land und wurde nur durch einen Nebel verhindert zu lan-
den. Im Monat Juni veremigte sich das nördliche Landeis
mit dem Westeis auf dem 79. Breitengrad und dehnte sich
südöstlich bis nach Point Lookout aus. In der Gegend, wo
sich das Landeis mit dem Westeis vereinigte, war die
Fischerei theilweise glücklich.
Im Jahr 1818 waren die Verhältnisse ähnlich, die
Fischerei mässig.
In den beiden Sommern 1817 und 1818 war die Grön-
ländische See zwischen dem 74. und 80. Breitengrade auf
einer Fläche von etwa 2000 Q.-Meilen frei von Eis.
Im Jahr 1818 wieder waren zwei Schiffe in der Nähe
der östlichen Küste von Grönland.
Für die beiden Jahre 1820 und 1821 bemerkt Scoresby
in seinem „Journal of a Voyage to the Northern Whale
10
74 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
\
fishery, including Researches and Discoveries on the eastern
coast of West-Greenland, made in the Summer of 1822,
in the ship Baffin of Liverpool” Folgendes:
„Im Jahr 1820 erlangte ich eine volle Ladung, vornehm-
lich in jener Gegend, vom 74. bis hinunter zum 71. Grade;
auch verschiedene andere Schiffe machten einen glücklichen
Fang in demselben Eise und im Angesicht des West-Lan-
des (Grönlands). Im folgenden Jahr hinderte uns ein grosses
und dichtes Eisfeld, der Küste von Grönland näher zu
kommen, als dass wir sie eben erblickten, und der Fang
schlug überhaupt fehl; nur wenige Schiffe, die eine günsti-
gere Öffnung im Eise gefunden hatten, waren durch die
Eisschranken hindurch gekommen und hatten eine erträg-
liche Ladung erhalten.”
Im Jahr 1822 fischte Scoresby wieder an der Ostküste
von Grönland und führte seine bekannten Landungen und
Küstenuntersuchungen aus. —
Scoresby’s.
Wenn dereinst einmal die Aufgabe gelöst wird, wäh-
rend einer längeren Reihe von Jahren die Lage und Be-
schaffenheit der Eisränder des Polarbassins allsommerlich
zu verschiedenen Zeitpunkten zu bestimmen und ihren Zu-
sammenhang mit den Strömungs- und Windrichtungen wie
den Temperaturverhältnissen anzugeben, erst dann werden
Diess die Andeutungen
manche scheinbare Widersprüche aufgedeckt und die Kennt-
niss aller dieser Verhältnisse wird keine so lückenhafte mehr
sein. Die zahlreichen Grönlandsfahrer, welche auch noch in
diesem Jahrhundert in den Europäisch-arktischen Gewässern
jährlich kreuzten, hätten ein werthvolles, reiches Material
zu dieser Kunde fast mühelos liefern können, allein, wie
bemerkt, wenige Kommandeure hatten — die Einsicht der
noch vorhandenen Schiffsjournale beweist diess — Etwas
von dem unermüdlichen Beobachtungs- und Forschungstriebe
Scoresby’s. Wir sagen: Material hätten sie dann immerhin
genug beschaffen können, wenn sie auch nicht im Stande
waren, dasselbe, so wie der mit einem durchdringenden
Geiste und reichen Kenntnissen ausgerüstete Mann, selbst-
ständig wissenschaftlich zu verarbeiten und zu einem so
werthvollen Werke, wie die Arctic regions, zu gestalten..
Ich schliesse diesen Abschnitt mit folgenden, hierher
gehörenden, werthvollen Mittheilungen des Captain D. Gray.
Dieselben setzen besonders die gegenwärtigen Verhältnisse
auseinander.
Nach Captain David Gray’s mir in freundlichster Weise per-
sönlich gemachten Mittheilungen (aus Peterhead vom 24. Nov.
1868) sind die besten Fischgründe bei der Spitzbergenküste:
vom 80° N. Br. und 2° W. L. bis zum 79° 30’ N. Br.
und 1° W. L.; ferner 78° 40’ N. Br. zu 2° W.L., vom
716° N.Br. zu 10°W.L.; vom 75° N. Br. zu 12 bis 14°
W. L., vom 74° N. Br. zu 15 bis 16° W. L., vom 73°
N. Br. zu 15 bis 17° W. L. und vom 73° N. Br. bis
herab auf 70° N. Br. bei 17 bis 20° W.L. Captain Gray
sagt, dass die Walfische nach und von den Bänken bei
Spitzbergen und Grönland kommen und gehen, je nachdem
sie das Eis und Nahrung entsprechend finden. Captain Gray
bestätigt, dass die beste Walfischsaison bei Spitzbergen
immer diejenige der closed years ist, wenn nämlich das
Eis eine geschlossene Linie bildet, welche bei dem Grön-
landeis etwa auf 76° N. Br. beginnend bei der Bären-Insel
vorüber bis zum Nordkap läuft. Allein die Ergiebigkeit der
Gründe bei Grönland hängt davon nicht ab. Die Gründe ver-
legen sich je nach der Jahreszeit, und zwar ganz erheblich
in einem und demselben Sommer. Captain Gray fügt hinzu,
dass unter „banks” die Stellen verstanden werden, wo die
Walfische hinreichende Nahrung finden. Es ist damit nicht
gesagt, dass das Meer auf diesen Stellen nicht eben so tief
sei, wie an anderen. (Die Übersetzung in „Gründe” wird von
vorn herein dieses Missverständniss abschneiden.) Im ver-
gangenen Sommer (1868) war aussenseits nur an eisfreien
Stellen des Meeres Nahrung für die Fische, vom 80. bis
70. Grad herab, daher die geringe Zahl gefangener Fische.
Captain Gray findet keinen Unterschied gegen früher im der
Zahl der Fische bei Grönland, in grossen Mengen sah er
sie nie und hundert ist die höchste Zahl, die er jemals in
Einem Sommer sah, wobei es wahrscheinlich ist, dass er
manche unter diesen mehr als ein Mal sah. Längere Zeit
hindurch hat er die Beobachtung gemacht, dass er keinen
Fisch fing, der nicht schon vorher einmal harpunirt war.
Dadurch wird die Annahme begründet, dass die Zahl der
Fische in diesen Gewässern nicht gross ist. Captain Gray
erwähnt auch, dass, seitdem er auf der Fischerei ist, er
nieht mehr als sechs alte Walfische mit Jungen gesehen
hat. Entweder also vermehren sie sich nur wenig oder
sie suchen irgend eine unbekannte Zuflucht für ihre Jungen.
Genug, die Fische besuchen nicht die Baien von Spitz-
bergen oder Grönland und Captain Gray hat sie nie dicht
bei Land gesehen.
Auf die Frage in Beziehung auf die Fischerei zu ver-
schiedenen Zeiten des Sommers in verschiedenen Polhöhen
antwortet mir Captain Gray: Wenn das Eis östlich vom
Meridian von Greenwich und näher der Küste von Grönland
sich erstreckt, pflegen sich die Walfische bei Spitzbergen auf-
zuhalten. Wenn aber das Eis bedeutend westlich von dem
genannten Meridian sich erstreckt, finden sich nur kleme _
Fische und noch dazu spärlich südlich vom 75. Grad. Im |
Frühsommer gehen nach Captain Gray die Fische nördlich,
so weit das Polareis sich öffnet; die kleinen Fische ver-
schwinden immer um Mitte Juni in den Tiefen des Polar-
eises. Anders ist es mit den grösseren Fischen, man sieht
sie ihren Lauf im Mai und Juni öfter südlich nehmen;
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 75
wenn diess aber eintritt, so ist die Wahrscheinlichkeit vor-
handen, dass sie wiederum zurückkehren, bevor sie im
Herbste südlich gehen.
Die Oldenburgischen Fischereiunternehmungen. _Allge-
meines. — Die Oldenburgische Wesergegend, von der Natur
mehr begünstigt, hat sich in Seehandelsunternehmungen be-
sonders in neuerer Zeit regsamer gezeigt als die Hannöver’-
sche. In den fruchtbaren Wesermarschen des Stedinger- und
des Stadlandes war die Bevölkerung zahlreicher. Der Fisch-
fang, welcher hier seit alter Zeit m der Weser und den
beiden auf dieser Seite mündenden Nebenflüssen, der Hunte
und Ochtum, betrieben wurde, war besonders ergiebig. Brake
und Elsfleth lagen weiter herab nach der Mündung des Stromes
als Vegesack und sie wurden daher — vornehmlich Brake —
für die grösseren Seeschiffe in neuerer Zeit und bis zur Grün-
dung Bremerhafen’s fast ausschliesslich als Ein- und Ausgangs-
häfen benutzt. Die Bauernhöfe liegen vielfach dicht hinter
dem Weserdeich. Von diesem herab schaute der junge Mann
schon als Knabe die Kauffahrer mit geschwellten Segeln
stromabwärts nach unbekannten Gestaden jenseits des Meeres
ziehen oder er sah sie mit reicher Ladung in den Hafen
zurückkehren und liess sich von den Matrosen, von „Unkel
Jan” oder „Hinrik”, die bestandenen Abenteuer und Ge-
fahren erzählen. Wenn nun so in Manchem schon früh die
Neigung zum Seeleben erwachen mochte, so traten später
noch greifbarere Motive hinzu, welche die Wahl des See-
mannsberufes begünstigten. Durch verschiedene Verordnun-
gen und Gesetze — die erste Bestimmung datirt von 1831 —
gewährte die Regierung den Oldenburgischen Seeleuten grosse
Erleichterungen in der Erfüllung ihrer Militärpflicht, ja unter
Umständen befreite sie dieselben von dieser ihnen lästigen
Fessel so gut wie gänzlich !). Ferner wies das bestehende
ländliche Erbrecht Einem der Söhne eines Bauern den Hof
ganz zu, während es die übrigen auf verhältnissmässig ge-
ringe Abfindungen beschränkte. Wenn sich daher Viele
ausser Stande sahen, selbstständig eine bäuerliche Wirth-
schaft zu betreiben, so zogen sie es vor, „Fahrensleute” zu
werden, zur See zu gehen, anstatt als Knechte im elter-
lichen Hause zu bleiben oder gar einem Fremden ihre
Dienste zu leihen.
So sehen wir schon früh unter den Kapitänen der See-
- handelsflotte der Weser viele Oldenburger. Mit Hülfe von
Freunden und Verwandten, die einen Theil des aus der er-
giebigen Landwirthschaft gewonnenen Kapitals in Schiffs-
parten anlegten, übernahmen dann Manche selbstständig die
Führung von unter ihrem Namen eingetragenen Seeschiffen.
Dadurch kam nun auch der Schiffsbau an der Oldenburgi-
schen Weserseite in Blüthe.
'") Durch das Rekrutirungsgesetz vom 27. August 1861 wurden
alle Befreiungen und Begünstigungen in dieser Beziehung aufgehoben.
Verschiedene kleinere Unternehmungen. — Vereinzelt
sehen wir schon vom Jahr 1323 an Schiffe, von Olden-
burgischen Häfen ausgerüstet, auf die Fischerei bei Grön-
land gehen: von Brake in den Jahren 1823 und 1824 der
„Robbe” auf Robben-, Walross- und Renthierjagd, von 1832
bis 1837 alljährlich ein bis zwei Schiffe (Concordia, Azaria,
Elise, Friederike Auguste); 1841 bildet sich in Elsfleth
eine Gesellschaft, welche ein Schiff auf den grossen Fisch-
fang bei Spitzbergen ausrüstet. Aber alle diese Unter-
nehmungen hatten nicht viel zu bedeuten und waren auch
vom Glücke wenig begünstigt. Anfang der vierziger Jahre
beginnen aber grössere Gesellschaftsunternehmungen; 1843
tritt die „Stedinger Kompagnie” ins Leben, welche den
Fischereibetrieb 19 Jahre fortsetzte, in einzelnen Jahren
ausserordentlich günstige Ergebnisse erzielte, in anderen
wiederum grosse Verluste erlitt, ohne dass ihr auch nur
ein Schiff verloren ging, und sich endlich im Jahre 1862
auflöste, ohne dass, wie sich später ergeben wird, für die
Theilnehmer sich ein Verlust herausstellte, wenn man von
Beginn bis zu Ende Gewinn und Verlust in einer Gesammt-
rechnung mit einander vergleicht.
Ein von Anfang bis zu Ende unglückliches Unternehmen
war die von den Kaufleuten Borgstede und Schiff ın Els-
fleth mit einem Aktienkapital von 12.000 Thlr. erriehtete
„Elsflether Kompagnie für Robbenschlag und Walfischfang”.
Zur Unterstützung desselben betheiligte sich die Regierung
mit fünf Aktien & 200 Thlr. Am 22. März 1844 lief das
von der Kompagnie ausgerüstete, bereits 15 Jahre alte und
in der Kauffahrtei wohl kaum mehr zu gebrauchende Brig-
schiff „der Nordstern”, Kapıtän J. Dittmer, welches mit Aus-
rüstung 16.253 Thlr. gekostet hatte, aus, brachte indessen
in diesem und dem nächsten Jahre nur sehr geringen Segen
mit nach Haus. Im Jahre 1846 brachte ‚der Nordstern”
sogar nur 80 Robben mit, machte bei der Rückkehr in der
Nordsee auch noch Havarie und musste deshalb in Bergen
einlaufen, wobei 2203 Thlr. Kosten aufliefen. Bei Reguli-
rung der Sache musste jeder Aktionär noch 45 Thlr. 30 Groten
nachzahlen, „womit denn”, wie der Amtmann von Elsfleth
sich in seinem Bericht an die Regierung ausdrückt, „dieses
unerfreuliche Geschäft sein Ende erreichte”.
Die Stedinger Kompagnie. — Anders, wie bemerkt, stell-
ten sich die Dinge bei der am 26. Dez. 1842 gegründeten
„Stedinger Kompagnie”. Die durch die Statuten geschaffene
Organisation war eine sehr zweckmässige und als geschäfts-
führender Direktor trat ein durchaus sachkundiger und
energischer Mann, Herr F. E. von Buttel in ‚Brake, ein.
Das Aktienkapital betrug zuerst nur 9000 Thlr. Der Gross-
herzog bezeigte seine Theilnahme durch Zeichnung von
10 Aktien. Es wurde in Bremen die Bark „Pauline” an-
10,*
76 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
gekauft und schon im ersten Jahre, 1843, liess sich der
Betrieb recht gut an.
Das auf den Robbenfang ausgerüstete Schiff „Pauline’”
brachte einen Reingewinn von 1686 Thlr. 37 Groten, somit
auf jede Aktie einen Überschuss von ca. 183 Proz. Die Ge-
sellschaft, vergrössert durch den Hinzutritt neuer Aktionäre,
richtete sich eine eigene Thranbrennerei ein und kaufte ein
zweites Schiff, den „Julius und Eduard”, nunmehr „August”,
von 180 Bremer Rockenlast. Letzterer wurde auch auf den
Fischfang ausgerüstet. Das gesammte Aktienkapital betrug
nun 27.500 Thlr. in 275 Aktien & 100 Thlr.
Das Jahr 1845 brachte keinen Gewinn, das Jahr 1846
sogar Verluste.
Auszüge aus Schiffsjournalen von 1846. — Die Fischerei
lieferte 1846
spärlichen Ertrag. Es heisst im Journal des „August” unter
Anderem:
gar keinen, der Robbenschlag nur einen
„Am 8. April war der „August’” bei Jan Mayen. Peilten die Insel
Westnordwest bei einer Distanz von 12 bis 14 Seemeilen. Am 9.
waren wir bei einem grossen Robbenfelde, steuerten Südwest, um einen
Pack (ein verkürzter Ausdruck für Packeis, manche Grönlandsfahrer
brauchen auch dafür das Plattdeutsche „Backs”, d. i. Klumpen), schweres
Eis, zu umgehen, und hatten gegen Abend das Missgeschick, nur noch
eine Meile von dem Robbenstapel entfernt einzufrieren. Am 10. war
das Schiff in derselben Lage und die Leute mussten eine Meile zu Fuss
nach den Robben gehen. Abends kamen sie mit 500 Robben wieder.
Am folgenden Tage war diess nicht mehr ausführbar, weil das Eis durch
Dünung hie und da lose geworden war und Viele unterwegs durchbrachen.
Am nächstfolgenden war es möglich, mit einem Theil der Boote in eine
Bucht hineinzuarbeiten, die Mannschaft brachte aber nur 80 Robben mit;
dabei war sie, da inzwischen starker Nebel eintrat, der grossen Gefahr
ausgesetzt gewesen, das Schiff nicht wieder erreichen zu können.
„Darauf wurde das Schiff im Eise bei starkem Nebel zwischen die
gefährlichen Klippen an der Nordost-Küste von Jan Mayen getrieben.
Sie lagen in der Great Wood Bay (groote houd baay), an der Südost-
seite, im mittleren Theile der Insel, kaum eine halbe Meile von dem
Segelfelsen (derselbe wird bekanntlich wegen seiner Gestalt von den
Holländern sail-klip, von den Engländern sail-rock genannt). Der Wind
war südöstlich, das Schiff wurde durch den Druck von 20 bis 40 Fuss
dieken Eisstücken nach dem steilen Felsen-Ufer hingedrängt, bis end-
lich am 21. April der Wind westlich lief. Nach 30stündiger Arbeit
gelang es nun, aus dem Eise zu kommen. Sie steuerten jetzt dem
Robbenstapel zu, allein die Alten waren inzwischen weggezogen und die
Jungen ebenfalls nach verschiedenen Richtungen hin zu Wasser ge-
gangen”. — Die Fischerei war schlecht, weil, wie der Kommandeur
berichtete, der Winter gelind war und die Fische das zwischen den
schweren Eisstücken liegende einjährige Eis durchbrechen konnten, um
Luft zu holen. Man konnte unter solchen Umständen nicht an die
Fische kommen.
Zur Winterzeit wurden, wenn möglich, die Schiffe der
Kompagnie nach England befrachtet.
Das Jahr 1847 war ein günstiges. Der „August” machte
eine so ergiebige Robbenjagd, dass er vom Fischfang aus
Rücksicht auf Raummangel absehen musste. Er brachte
7541 Robben, welche 970 Tonnen Thran lieferten, die
„Pauline” 2720 Robben und 467 Tonnen Thran. Beiden
Schiffen war in Grönland durch einen heftigen Sturm und
schweren Seegang noch die ansehnliche Menge von 4500
Stück Robbenfellen, zum Theil auch noch mit dem Speck,
vom Verdeck weggespült worden. Der Brutto-Ertrag beider
Schiffe war 29.281 Thlr. und es konnte bei einem Netto-
Überschuss von ca. 15.000 Thlr. auf jede Aktie (im Betrage
von 100 Thlr.) eine Dividende von 30 Thlr. bezahlt werden.
Bedrohung der Fischerei durch den Krieg mit Dänemark
1848/49. — Der Krieg mit Dänemark in den Jahren 1848
und 1849 bereitete der gesammten Rhederei des zur See
machtlosen Deutschlands bekanntlich schwere direkte und
indirekte Verluste. Durch die Umsicht der Direktion und
durch Glück wurden die zur Zeit des Ausbruchs des Krieges
schon in den Grönländischen Gewässern weilenden Fischer-
fahrzeuge der Gesellschaft vor dem Schicksal bewahrt, das
so manche Deutsche Handelsschiffe als gute Prise nach
Kopenhagen führte. Der Energie des geschäftsführenden
Direktors, welcher überhaupt mehr und mehr die Seele
des ganzen Unternehmens wurde, gelang es, in Hamburg
eine Vereinbarung der meisten Grönlandsrhedereien an der
Elbe und Weser zu Stande zu bringen. Sofort brach ein
schnell segelndes Fahrzeug nach den Grönländischen Ge-
wässern auf und benachrichtigte die dort weilenden Deut-
schen Schiffe, im Ganzen 16, von der Gefahr, welche sie
bei ihrer Rückkehr Seitens der in den Deutschen Strom-
mündungen kreuzenden Dänischen Kriegsschiffe bedrohte.
Das Fahrzeug erhielt den Auftrag, die Schiffe möglichst
direkt aufzusuchen und zu warnen, wenn diess nicht voll-
ständig möglich, sie indirekt, durch von ihm angesprochene
andere Schiffe, warnen zu lassen und auf diese Weise das
Einlaufen der Deutschen Schiffe in Schottische Häfen zu
bewirken, ‘bevor sie, weiter südlich, dem Feinde als Beute
verfallen mussten. Es gelang, den „August” rechtzeitig zu -
und dieser fand in Lerwick (Shetland-
Inseln) eine sichere Zuflucht; die „Pauline”, welche nicht
benachrichtigt werden konnte, hatte das Glück, auf direkter
Rückreise — mit der ihr drohenden Gefahr gänzlich un-
bekannt — mitten durch die Blockade hindurch, vom Feinde
dennoch unbemerkt, auf die Weser heim zu kommen,
während beinahe gleichzeitig mehrere andere Grönlands-
fahrer, z. B. der „Neptun” und die „Grönland” (wie unter
den Schiffsnachrichten bereits mitgetheilt) von den Dänen
aufgefangen und nach Kopenhagen gebracht wurden. Der
Kostenantheil der Gesellschaft für die Entsendung des War-
nungsschiffes betrug +40 Thlr. und gerade der ‚August”,
welcher dadurch rechtzeitig die erforderliche Kunde empfan-
gen hatte, brachte den werthvollsten Fang mit.
In diesem für die Deutsche Rhederei unheilvollen Jahre
konnte die Gesellschaft ihren Aktionären noch immer eine ,
benachrichtigen,
Dividende von 124 Proz. auszahlen und es blieb dabei ein
Vermögensbestand von 28.256 Thlr. — 102% Thlr. auf
jede Aktie. £
Aufnahme schöffbrüchiger Grönlandsfahrer und Verfahren
der Englischen und einer Deutschen Regierung in solchem
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 17
Falle. — Der „August” hatte auf dieser Fahrt sechs Mann
eines kleinen, von Hooksiel im Oldenburgischen (Jeverland)
ausgerüsteten Robbenfängers, „Adelheid”, übergenommen,
unterwegs verpflegt und mit nach Hause gebracht. Die
„Adelheid” war ein kleines Fahrzeug, das von einer Kom-
pagnie (Direktoren D. G. F. Focken, D. Fimmen und H.J.
Lubinus in Hooksiel) im Jahre 1846 zu dem Preise von
4000 Thlr. angekauft und seitdem auf den Robbenschlag
ausgesandt worden war. Die „Adelheid”, 37 Kommerzlast
gross, geführt vom Kapitän Carsens, strandete auf einem
der Riffe bei Jan Mayen. Das Bremer Schiff Hannover”,
Kapitän Hashagen, war in der Nähe und die gesammte Be-
satzung der „Adelheid’” wurde vom „Hannover” aufgenommen.
Der Kapitän gab sodann, wie es Grönländischer Brauch,
einen Theil der Mannschaft, wie es eben passte, an andere
Schiffe ab, brachte die Übrigen mit nach Hause und ver-
sah ausserdem die Leute noch mit etwas Geld. Es waren
dadurch den Rhedern des „Hannover” (Lange und Grave)
144 Thlr. Unkosten erwachsen, welche sie natürlich von
der Hooksieler Kompagnie reklamirten. Diese gab den Be-
scheid, dass die Kompagnie nicht schuldig sei, diese Unkosten
zu zahlen, da die Regierung dergleichen Leistungen an
- Schiffbrüchige und Hülfsbedürftige erstatte. Die Regierung
aber gab den Bescheid, dass die Annahme und Behauptung,
dass die Grossherzogl. Regierung alle für schiftbrüchige
Oldenburger im Auslande gemachten Verwendungen erstatte,
auf einem Irrthum und Missverständniss beruhe. Die Ste-
dinger Kompagnie hatte mit ihrer Rechnung für Beköstigung
von sechs Mann der „Adelheid” während 30 Tage an Bord
des „August” gleiches Resultat. Als Gegenstück dient das
Verfahren der Englischen Regierung im folgenden gleichen
Falle. Der „August” nahm im Jahre 1849 sieben Mann
von einem verunglückten Englischen Grönlandsfahrer auf,
verpflegte und beköstigte sie 9, resp. 16 Wochen. Dafür
empfing die Gesellschaft von der Englischen Regierung eine
Vergütung von Y, Thlr. für den Mann und Tag. Ich habe
diese beiden Beispiele angeführt, weil sie in ihrem Gegen-
satze beredt genug die damalige Hülflosigkeit Deutscher
Schiffe in See im Vergleich zu der Flagge anderer Nationen
illustriren.
Glänzendes Ergebniss von 1853. — Blättern wir die
Jahresberichte der Gesellschaft bis zu dem der Auflösung
vorhergehenden letzten Betriebsjahre durch, so finden wir
das glänzendste Ergebniss im Jahre 1353. In diesem be-
trug der Bruttowerth des Fanges 35.605 Thlr. und es
konnte eine Dividende von 65 Proz. an die Aktionäre be-
zahlt werden.
4Juflösung der Gesellschaft. — Ungünstige Jahre waren
besonders 1856 und 1858. In letzterem Jahre erlitt der
„August” Hayarie im Eise, und da die Versicherung sich
nicht auf im Eise erlittene Beschädigungen erstreckt \),
mussten die Unkosten auch diese aus dem Säckel der Ge-
sellschaft bezahlt werden. 1863 — der Direktor war in-
zwischen verstorben — löste sich die Gesellschaft auf. Die
Öldenburgische Regierung machte sich bei Beendigung des
Unternehmens für ihre 20 Aktien A 100 Thlr., mit welchen
sie daran betheiligt war, eine Rechnung, wonach sich im
Ganzen, ohne Berechnung von Zinsen, ein Gewinn von
995 Thlr. 3 Sgr. 4 Pf. ergab.
Die Bemannung der Grönlandsfahrer war und ist, je
nach der Grösse der Schiffe und der dadurch bedingten
grösseren Zahl der Boote, verschieden, 40 bis 50. Die Trag-
fähigkeit der Fahrzeuge, welche auf Fischfang und Robben-
schlag ausgehen, variirte in den vierziger Jahren zwischen
100 und 250 Last, während für Robbenschlag allein kleinere
Fahrzeuge bis zu 60 Last herab benutzt wurden.
Die Abfindungsweise der gesammten Bemannung besteht
noch jetzt im Wesentlichen auf dem alt - Holländischen
System: in einem Antheil am Brutto-Ertrage des Fanges, in
der Monatsheuer und dem Handgelde. Ein Theil fährt halb
auf Part, halb auf Heuer, es sind diess Halbpart-Fahrer.
Diesen so wie den allein auf Heuer Fahrenden, den so-
genannten Monatsgästen, wird das Handgeld als Betrag
eines Monats angerechnet.
Die jetzigen Sätze an der Weser ergeben sich aus
einigen später folgenden Notizen in Betreff des „Hudson”,
und ausserdem theile ich in einer Anlage die Musterrolle
des Dampfers „Albert” für die Fahrt 1867 mit. Verglichen
mit den an der Weser im Jahre 1843 ‘geltenden erscheinen
die Sätze fast durchgängig nicht unerheblich höher.
Der Robbenschlag.
Überblick. — Es sind die Küsten und Inseln von West-
Grönland, Neu-Fundland, Neu-Schottland und gewisse Theile
des Europäischen Eismeeres östlich von Grönland, wo noch
heute zu vielen Tausenden der Seehund geduldig den Todes-
streich empfangen muss, um des Thranes und Felles wegen,
die er liefert. Für die Grönländer ist der Seehundsfang der
wichtigste Erwerbszweig. Nach Rink ?) und Whymper be-
trägt die Zahl der von den Eingeborenen an der Westküste
Grönlands jährlich getödteten Robben wohl 100.000 Stück,
von welchen etwa 50.000 Felle nebst Speck, im Werthe von
etwa 100.000 Thlr. durch die Dänische Handelsgesellschaft
in den Handel kommen.+ Im vorigen Jahre (1868) dürfte
!) Ein Paragraph in den Versicherungs-Bedingungen der Bremer
Assekuranz- Kompagnien lautet dahin: „Bei Versicherungen auf das
Kasko eines nach Grönland oder der Davis-Strasse bestimmten Schiffes
bezahlen die Kompagnien keine Schäden, die das Schiff im Eise und
während der Zeit des Fanges leidet, ausgenommen gänzliches Verun-
glücken.”’
2) Dr. Rink’s, Inspektors der Dänischen Kolonien in Süd-Grönland,
treffliches, von A. v. Etzel übersetztes Werk über Grönland.
73 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
sich der Robbenfang in Europa und West-Grönland etwa
wie folgt gestellt haben:
Durch 5 Deutsche Schiffe . 17.000 Stück,
durch 5 Dänische „ angenommen auf . . . 5.000 „
N Re EG
„ 22 Britische Pr Treo nr SRSERDERUDOTE.NG,
Im Ganzen durch 47 Schiffe 136.750 Stück.
Dazu in Grönland etwa . . 100.000 „,
236.750 Stück.
Der Handelswerth dieses gesammten Fanges würde sich,
wenn man die Hälfte des Fanges in Grönland für den dor-
tigen Verbrauch abrechnet und Thran und Fell der Robbe
durchschnittlich zu 3 Thlr. Preuss. annimmt, auf 560.250 Thlr.
stellen. (Der Seehundsfang durch Russische Fahrzeuge bei
Nowaja Semlä scheint sehr unbedeutend. Im Jahr 1865
belief sich die Zahl der durch die Leute dieser Fahrzeuge
getödteten Robben auf 26. Dort ist, wie Spörer im Er-
gänzungsheft „Nowaja Semlä” ausgeführt hat, der bis zum
Jahre 1840 von den Russen auch auf Spitzbergen betriebene
Walrossfang die Hauptsache. Nach einer Mittheilung in
Erman’s Archiv zur Kunde von Russland liefen von acht
Küstenorten des Weissen Meeres im Jahr 1865 auf Fisch-
fang und Jagd bei Nowaja Semlä 15 Fahrzeuge mit 122 Mann
aus. Sie erbeuteten unter Anderem 600 Walrosse mit
6350 Pud Thran. Auch dort herrscht das Partensystem,
der Eigenthümer behält vom Gewinn 1%,,, die Übrigen 1%.)
Eine besondere Gattung, die Pelzrobben, war mit Hülfe
der Eingeborenen auf den Inseln der Anadyr Sea einer der
einträglichsten Artikel des im Ganzen wenig lukrativen
Betriebes der Russisch - Amerikanischen Gesellschaft. Dort
waren und sind es allein die sehr werthvollen Pelze dieses
Thieres, derentwegen die Jagd auf Robben betrieben wird,
während der Speck unverwerthet bleibt. Nach dem Über-
gang der Besitzungen der genannten Kompagnie an die
Vereinigten Staaten haben sich die Amerikaner dieses Be-
triebes bereits bemächtigt und zwei dahin von New London
gesandte Schiffe sind nach den letzten Nachrichten mit
werthvollem Fange auf der Rückkehr begriffen. Neben
einem Amerikaner ist ein Deutscher, Herr Pflüger aus
Bremen, bei diesem Unternehmen betheiligt. Es sollen
nach den in Amerikanischen Zeitungen gemachten Angaben
nicht weniger als 40.000 Stück Pelze erbeutet sein, die,
nachdem sie weiter bearbeitet, einen hohen Handelswerth
haben (angeblich 6 bis 10 Thlr. das Stück).
Hamburg, Altona, Glückstadt, Elmshorn. — Elmshorn
sendet jetzt noch Ein Schiff, die Flora”, auf den Robben-
schlag, und zwar soll diess Schiff schon seit 1818 fahren.
Das ist der Überrest des einst blühenden Betriebes. Ham-
burg rüstete vom Jahre 1720 an eigene Schiffe für den
Robbenschlag aus, deren Zahl zehn Jahre später schon 28
war; Glückstadt beginnt mit diesem Betrieb 1740, Altona
1765. Letzteres hat 1768 bereits 13 Schiffe zu diesem
Zweck. Erst später werden Robbenschlag und Fischfang
zugleich von einem und demselben Schiffe betrieben. Am
stärksten von den Elbhäfen war noch in diesem Jahrhun-
dert Glückstadt betheiligt: 1807 nahmen Englische Kreuzer
die Hälfte seiner Grönlandsflotte weg und 1818 sandte es
doch schon wieder 16 Fahrzeuge auf den Robbenschlag.
Die Weserhäfen betreiben den Robbenschlag seit 1720,
zuerst als Nebengewerbe, während derselbe später bei der
geringeren Ergiebigkeit des Fischfanges mehr und mehr
Hauptsache wird. Vergleicht man die guten Jahre des
Robbenschlages in dem vorigen und in diesem Jahrhundert,
so kann man damach auf keine Abnahme schliessen; denn
während 1760 19 Hamburger Robbenschiffe 44.722 Robben
brachten, betrug im Jahr 1850 der Segen der von der
Weser ausgegangenen 12 Schiffe 48.800 Robben. In neue-
ster Zeit waren 8- bis 10.000 Stück der grösste Erfolg eines
einzelnen Schiffes von der Weser (1844, 1847, 1850, 1864).
Vier Schiffe sind es, welche jetzt noch von der Weser
aus die Grönlandsfahrt unterhalten: der „Hannover” (Kom-
mandeur W. Lübbers), 237 Last gross, bisher unter Han-
növer’scher, später unter Preussischer Flagge, Rheder: die
Herren J. Lange, Schiffsbaumeister und Rheder in Grohn
bei Vegesack; der Hudson” (Kommandeur J. H. Wester-
meyer), 229 Last gross, Rheder: die Herren B. Grover-
mann & Komp. in Bremen, Bremer Flagge, beides ältere
Schiffe; sodann der „Albert”, ein vor drei Jahren neu er-
bauter hölzerner Schraubendampfer (Kommandeur H. Has-
hagen), 328 Last gross; endlich der Schraubendampfer
„Bienenkorb”, früher Segelschiff Weser” (Kommandeur
Hagens), 186 Last gross, beide bisher unter Hannöver’scher,
später unter Preussischer Flagge. Die vorjährige Reise des
„Albert”” ist in den „Geograph. Mittheilungen”, und zwar
in dem vorläufigen Bericht über die Deutsche Nordpol-Ex-
pedition, nach einem Bericht des Verfassers in der Weser-
Zeitung bereits geschildert, die Reise des „Bienenkorb” bot
nichts besonders Bemerkenswerthes. Wir wollen zur Schil-
derung der jetzigen Betriebsweise des Robben- und Wal-
fischfanges die Reise des „Hudson” wählen, welcher in der
vorjährigen, dem Fischfang ungünstigen Saison (1868) so
glücklich war, wenigstens Einen grossen Fisch von etwa
50 Fuss Länge zu erlegen, der 150 Tonnen Thran und
1300 Pfd. Barten lieferte und also allein einen Werth von
ungefähr 4500 Thlr. repräsentirt.
Jetzige Einrichtungen, Sitten und Gebräuche an Bord
eines Bremer Grönlandsfahrers. — Über Einrichtung und
Bemannung des „Hudson”, so wie die jetzigen Sitten und
Gebräuche an Bord der Grönlandsfahrer schicken wir einige
Bemerkungen voraus.
1. Der „Speckscehneider” des „Hudson”. — Der „Hudson”
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. NE;
hat im Ganzen eine Besatzung von 50 Mann. Der see-
männische Theil dieser Bemannung stammt zumeist aus der
Niederweser-Gegend, besonders aus der Oldenburgischen
Geest; der „Speckschneider” (Offizier), welcher diess Mal
zuerst den Fisch anschoss, ist z. B. aus Ganderkesee, vier
Stunden von Bremen. Er ist ein in seinem Fache wohl
erfahrener und durchaus nicht ungebildeter Mann, der, als
er dem Knabenalter kaum entwachsen war, zur See ging,
in Ost- und West-Indien war und unter Anderem auch als
Vollmatrose auf einem Englischen Kriegsschiffe, das in den
Chinesischen Gewässern kreuzte, Dienste that. Jetzt ist er
schon seit einer Reihe von Jahren in der Grönlandsfahrt.
Als ich ihn besuchte, war ich erstaunt, ihn, den viel er-
fahrenen Walfischjäger, auf einmal als — Musikus wieder
zu finden. Er geigte lustig darauf los, während sein Sohn
ihn auf einem gewaltigen Blasinstrumente, der Tuba, zu
begleiten versuchte.
mit, dass er im Winter „Tanzmusik mache”, sein eigent-
liches Instrument sei aber weder Violine noch Tuba, sondern
der Brummbass. So spielt er denn im Winter den Olden-
burger Bauernburschen und Mädchen lustig und unermüd-
lich zu frohem Reigen auf. Wenn aber der Februar heran-
gekommen ist, dann tritt der Postbote in sein sauberes,
wenn auch kleines Häuschen und bringt einen Brief von
„Kummdeer” (Kommandeur), dass es Zeit ist, „anzumustern
für Grönland”. Dann wandern Brummbass und Tuba in
die Ecke, die Kiste wird gepackt und fort geht’s nach
Bremerhafen und von da durch die wogende See ins Eis-
meer, um dort den Walfischen und Eisbären „Eins auf-
zuspielen”. Solch eine Sommerfahrt in den Winter hinein
lohnt, wenn das Glück einigermaassen wohl will, ihm, der
als Speckschneider einen der höchsten Antheile hat, immer-
hin 3- bis 400 Thlr.
2. Die Mannschaft. — Im Januar findet Seitens des
Kommandeurs die Annahme der Mannschaft Statt, wobei
die Unterzeichnung der Musterrolle (des Seedienst-Kon-
traktes) beglaubigt wird. Diese Beglaubigung geschieht in
Bremen und im Oldenburgischen durch den Wasserschout,
im Hannöver’schen durch den Notar. Wir bemerken hier,
dass auf dem „Hudson” die Bemannung sich wie folgt
klassifieirt:
a. Offiziere: 1) Kommandeur, 2) Steuermann, 3) Speck-
schneider, 4) Speckschneidersmaat, 5) und 6) erster und
zweiter Harpunier, 7) Bootsmann, welcher die Obhut des
Tauwerkes hat, 8) Oberküper, welcher die Aufsicht über
alles Fasswerk hat, 9) der Schiemann, welcher das Fasswerk
zu verstauen hat, 10) der Zimmermann. Jeder Offizier, den
Schiemann und Oberküper ausgenommen, ist nöthigenfalls
auch Harpunier.
b. Die Mannschaft zerfällt in Seeleute und Nichtseeleute,
In der Unterredung theilte er mir
welche letztere, abgesehen vom Rudern, nicht zu den eigent-
lichen Seemannsarbeiten, sondern nur beim Robbenschlag,
Abmachen des Fisches &c. verwandt werden. An dem für
die Abfahrt bestimmten Tage oder am Abend vorher muss
die gesammte Mannschaft an Bord sein.
3. Bau und Einrichtung des „Hudson” für die Eisfahrt
und die Fischerei. — Der „Hudson” ist, wie alle. Grönlands-
fahrer, für die Eisfahrt besonders ausgestattet. Er ist aussen
vom Kiel bis zu den Berghölzern mit einer zweiten Planken-
haut (Doppelung) geschützt. Ausserdem ist er noch mit
einer „Eisschürung”, welche vom Vordersteven bis zur Mitte
reicht, versehen. Ferner schützt das Schiff der eiserne
Steven, welcher durch die eisernen „Maulbänder” mit dem
Holzsteven fest verbunden ist. Am Bug, vom Steven nach
hinten, befinden sich 20 Fuss lange eiserne Schienen, die
„Bugbänder”. Dem Inneren geben die vom Zwischendeck
nach unten reichenden starken Holzbänder ebenfalls eine
erhöhte Festigkeit. Der „Hudson” hat acht Fangboote, ein
jedes zu sechs Mann. Die Boote sind schmal und scharf
gebaut, etwa 25 Fuss lang und aus Eichenholz. Ein jedes
Boot, wenn es nach Ankunft an der Walfschküste zum Fang
bereit gemacht ist, hat ein „Stell Leinen”, fünf an einander
gesplisste, hinten und in der Mitte in Buchten eingeschorene
Leinen, jede zu 120 Faden & 6 Fuss Bremer Maass, somit
3600 Fuss Leinen. Der 20 Faden lange, unmittelbar an der
Harpune befestigte Vorgänger liegt in einem Tubben vorn,
links von den Walfischleinen. Das Ende der Leinen liegt
über die „Doffen”, die Sitze im Boot, weg, vorn über die
„Plicht”, die Spitze des Bootes, durch die „Klüse”, die guss-
eiserne Nase des Bootes. Mittelst einer Öse wird sie an
den Vorgänger befestigt.
4. Die Fanggeräthe: Harpune und Lanze. — Das Wich-
tigste für einen guten Erfolg der Fischerei ist neben der
Tüchtigkeit, Behendigkeit und Ausdauer der Mannschaft der
Muth und die Kaltblütigkeit des Harpuniers. Um aber
seiner Sache einigermaassen gewiss zu sein, muss er Ver-
trauen zu seiner Waffe, der Harpune, haben. Die bekannte
Form der Harpune hat sich im Laufe der Zeit wenigstens
im Grönländischen Fischfang wenig geändert. Man unter-
scheidet die Hand- und die Schiessharpune (whale gun,
auch gun-Harpune genannt). Schon im vorigen Jahrhundert
sind, wie wir gesehen haben, Versuche mit einer in Eng-
land von einem Schmied erfundenen Schiessharpune ge-
macht, aber erst neuerdings, seit Captain Manby bedeutende
Verbesserungen angebracht hat, ist die Schiessharpune all-
gemeiner in Anwendung. Vor einer Reihe von Jahren’ liess
sich Herr Philipp Rechten aus Bremen auf eine vervoll-
kommnete Schiessharpune in England Patent ertheilen und
jetzt ist namentlich der Büchsenfabrikant Cordes in Bremer-
hafen schon seit längerer Zeit mit Anfertigung verbesserter
80 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
Schiessharpunen und Walfischkanonen beschäftigt. In einer
Anlage theile ich ein Schreiben des Herrn Cordes an mich
über die Erfindung mit. Die Herren Cordes und Rechten
haben sich neuerdings in Bezug auf Verwerthung ihrer ver-
besserten Fanginstrumente assocürt, Herr Rechten ist nach
Amerika gegangen, um die Erfindung dort zur Anerkennung
zu bringen. Herr Rechten ist ein ausgezeichneter Schütze
und war nach den neuesten Nachrichten im Begriff, von
Provincetown mit einem dortigen Whaler auf den Fischfang
in der Südsee zu gehen. Um den Gang unserer Betrachtung
nicht abzulenken, erwähnen wir hier nur Folgendes:
Bei der bisherigen, namentlich in England gebräuch-
lichen Walfischkanone war die Einrichtung der Art, dass
der Vorgänger, d. i. die Leine oder der Kupferdraht, mit-
telst eines in dem gespaltenen Schaft der Harpune hängen-
den Bügels an die Harpune von aussen befestigt war. In
dem Moment, wo die Harpune herausfliegt, führt der am
oberen Ende des gespaltenen Schaftes ruhende Bügel zurück
bis an das geschlossene Ende der Harpune und nimmt nun
den unmittelbar an ihn befestigten Vorgänger mit. — Neben
der Schiessharpune dient aber noch immer die mit einem
hölzernen Schaft versehene 2% Fuss lange Handharpune
mindestens als Aushülfe ). Schliesslich sei hier erwähnt,
dass von der Dünischen Fischerei - Gesellschaft im vorigen
Jahre beim Walfischfang Dynamitgranaten, und zwar, dem
Berichte des Direktors Kapitüin Hammer nach, mit gutem
Erfolg, verwandt wurden.
In der Mitte des Bootes liegen 13, hinten 34 Leinen,
letztere sind mit einem „Kleid”, einem hölzernen Deckel,
bedeckt, damit der sparsame Raum noch benutzt werden
kann. Auf diesem Deckel hat der Bootssteuerer seinen
Stand. Ist die Harpune geschossen, so springt der Boots-
steuerer zurück und reisst das Verdeck auf, damit die Leine
ihren freien Lauf habe.
5. Proviant und Speisezette. — Die Kombüse (Koch-
heerd) befindet sich im Zwischendeck, im Logis des Volkes.
Das Schiff nimmt Proviant auf 7 bis 8 Monate mit. Brot,
Fleisch, Hülsenfrüchte und Kaffee sind die Hauptbestand-
theille der Nahrung, daneben als Getränk süsses Bier.
Branntwein wird in der Regel nur selten verabreicht. Hier
ist die Speisekarte der Woche an Bord des „Hudson”:
Montag Schelde-Gerste und gesalzenes Ochsenfleisch; Dienstag gelbe
Erbsen und Speck; Mittwoch grüne Erbsen und Ochsenfleisch; Don-
nerstag graue Erbsen und Ochsenfleisch ;, Freitag Sauerkohl und Schweine-
fleisch; Sonnabend weisse Bohnen und Pudding (Sackkuchen); Sonntag
graue Erbsen und Öchsenfleisch, und so geht es in der folgenden
Woche wieder in der reizenden Abwechselung zwischen Grau, Grün
und Gelb fort, so dass es nicht zu verwundern ist, wenn auch die
Mannschaft zuweilen nach etwas Anderem verlangt. Da thun sich denn
!) Bei Humburg in Vegesack verfertigt. Ferner werden noch jetzt
von Honolulu aus Walfischleinen aus Bremen bezogen, und zwar aus der
Reepschlägerei von A. H. Lahmann Sohn, die ein vorzügliches Fabrikat
liefern soll.
zwei oder Mehrere zusammen und machen eine „Pottjemaatschaft’’, eine
Topf-Assoeiation, ein Pickenick; nämlich ein Jeder hat gewöhnlich noch
für sich einen besonderen kleinen Vorrath an Lebensmitteln. Vor Allem
wird der Kaffeetopf nie kalt. Wer von der Wache kommt, muss heissen
Kaffee haben.
6. Wachen. — Der Tag ist in sechs Wachen getheilt,
eine jede währt vier Stunden und es befindet sich immer em
Drittel der Mannschaft auf Wache. Die vier Stunden Wache
werden wiederum in halbe Stunden = ein Glas (Sanduhr)
eingetheilt, eine Stunde also ist gleich „zwei Glasen”. Von
4 bis 8 Uhr ist die Morgenwache, von 8 bis 12 Uhr die
Vormittagswache, von 12 bis 4 Uhr die Nachmittagswache,
von 4 bis S Uhr die Abendwache, von 8 bis 12 Uhr die
erste Wache, von 12 bis 4 Uhr die zweite Wache. Um
auf die Walfischjagd, welche in erster Linie von der Wach-
mannschaft aufzunehmen ist, vollständig gerüstet zu sein,
tritt, wenn das Schiff „auf der Fischerei” ist, noch eine Er-
satzwache, die „Jöllwacht”, ein. Für die ersten zwei Stunden
einer jeden Wache wird sie von den Mannschaften der vor-
hergehenden Wache übernommen, für die letzten beiden
Stunden von den Mannschaften der nächstfolgenden Wache.
Die durch einen kleinen Ofen heizbare Kajüte des Kom-
mandeurs liegt im Hintertheil des Zwischendecks, daneben
weiter nach vorn die Koje des Steuermanns. Das Logis
der Offiziere liegt noch weiter nach vorn. Hinten im
Zwischendeck steht die grosse Waffenkiste, welche das bei
der Fischerei und dem Robbenschlag an Waffen und Ge-
räthen Erforderliche: Harpunen, Robbenschläger, Messer,
Beile, Harpunkanonen &e., enthält. Im Vordertheil des
Zwischendecks finden wir in zwei Reihen über einander
die Kojen (das Logis) der Mannschaft. Je zwei und zwei
schlafen zusammen.
Der „Hudson” auf der Robbenküste. — Wir wenden uns
nun zunächst zum Robbenschlag. Der „Hudson ” verliess
die Weser am 21. Februar. Am 8. März befand er sich
auf 71° 18’ N.Br. und 3° 8’ W.L., nach Nordwest durch
Eisstreifen hindurchsegelnd. Am 9. gegen Abend erblickte
man Nordwest zu West auf etwa 20 Meilen Abstand den
Beerenberg von Jan Mayen-Eiland.. Am 14. harter Wind
und Sturzsee’n, ein Theil der Schanzbekleidung schlug weg.
Das Schiff gelangte Anfang April auf die Robbenküste; wie
bereits bemerkt, lagen in diesem Jahre die Robben westlich
und nördlich von Jan Mayen auf 72° N. Br. und 2° Ö.L.
Verschiedene Fahrzeuge waren bereits zur Stelle. Am 11.
begann der „Enterfall” (das Schlagen der jungen Robben)
Nachmittags 3 Uhr, Abends 11 Uhr waren 901 junge Robben
an Bord und am 12. 8 Uhr Abends war die Zahl der von
der Mannschaft des „Hudson” geschlagenen und an Bord
gebrachten Robben 2171.
Segen des „udson”. — An verschiedenen Tagen gelang
es dem „Hudson”, im Ganzen 5400 junge Robben zu schla-
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 81
gen, welche 620 Tonnen Thran geliefert haben. Der Preis
des Thranes war 223 Thlr. Gold die Tonne, die Felle
waren das Stück 1 Thlr. 8 Groten (1 Thlr. 7 Sgr.) werth.
Im Ganzen betrug der Bruttowerth des Segens des „Hudson”
in diesem Jahre (5400 Robben und ein Fisch) 23.983 Thlr.
Davon geht jedoch, abgesehen von allen sonstigen Unkosten,
hinsichtlich des Thranes reichlich ein Viertel als Aniheil
der Mannschaft ab.
Der „Hudson” segelte dann auf die Fischerei und sich-
tete bereits am 5. Mai Spitzbergen. Ehe wir ihn dahin
begleiten, widmen wir den Robben noch einen Abschnitt.
Zeit und Ort. — Jetzt treten die Grönlandsfahrer von
der Weser und Elbe gegen Ende Februar, spätestens in
den ersten Tagen des März ihre Reise an; früher, wo der
Robbenschlag noch nicht betrieben wurde, erfolgte die Ab-
fahrt zwei Monate später. Die Schiffe halten zunächst
nordwestlich, dann nördlich, zwischen Hitland (Shetland) und
Norwegen, durch den „Trichter” in die „Spanische See”.
Der Kurs wird, wenn die Eisgrenze es zulässt, östlich von
Jan Mayen genommen, wobei diese Insel, wenn das Schiff
auf ihrer Höhe angekommen, bei freilich um diese Zeit sel-
tenem hellen Wetter gesichtet wird. Je nachdem Wind und
Wetter günstig oder ungünstig sind, erreichen die Schiffe
die Höhe dieser Felseninsel in frühestens acht Tagen bis
spätestens vier Wochen. Auch die Dampfer suchen bis
hierher möglichst nur mit Segelkraft zu gelangen, da sie die
Kohlen demnächst auf der Robben- und Walfischküste noch
sehr nothwendig bedürfen. Befindet sich das Schiff etwa
um den 18. März auf dem 72. Breitengrade und ist noch
kein Eis in Sicht, so wird auf das Eis zu gehalten. Es
gilt, das sogenannte Bai-Eis (nach Anderen Boje-Eis) zu er-
reichen. Dieses Eis bildet sich in der Regel erst um eben
die Zeit, zu welcher die Schiffe in diesen Breiten erscheinen.
Es ist daher junges Eis in einer Stärke von einigen Zoll
bis zu 1 Fuss, in Schollen von der Grösse einer kleinen
Tischplatte. In diesem Bai-Eis findet das Schiff Schutz vor
Stürmen, da es den Seegang bedeutend mildert, es dient
als schwimmende Wellenbrecher. Wenn das Bai-Eis sich
bildet, so erscheint die Fläche des Meeres wie von Schmalz
übergossen. Es bilden sich zunächst kleine runde Stücke
von der Grösse eines Tellers. Bei scharfer Kälte sind diese
Flocken schon am folgenden Tag Eisplatten von circa 6 Fuss
Breite. Die nächsten 14 Tage bis drei Wochen werden nur
dem Robbensuchen und Robbenschlag gewidmet. Es ist die
Zeit, wo Männchen und Weibchen auf Nahrung ausgehen,
welche letztere bekanntlich vorzugsweise in kleinen Fischen,
Weich- und Krustenthieren besteht. In manchen Jahren
bildet sich kein Bai-Eis, daun müssen die Robben auf dem
schweren Polar-Eise gesucht werden. Etwa um den 22.
bis 24. März „setzen sich” die Robben und die Weibchen
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
werfen.
|
Letztere suchen vorzugsweise zu diesem Zwecke
das etwas schwerere Bai-Eis auf. Zur Zeit des Werfens
befindet sich das Männchen bei dem Weibchen, zuweilen
sind auch zwei Männchen bei einem Weibchen. In der
Regel wirft das Weibchen nur Ein Junges, welches es, wenn
es nicht beunruhigt wird, 17 bis 18 Tage säugt. Die Jungen
entwickeln sich ausserordentlich schnell und sind nach drei
bis vier Wochen schon speckreich genug, um eine gute
Beute abzugeben. Die Werfzeit dauert ungefähr bis zum
5. April, vier bis fünf Tage später verlassen die männlichen
Robben den „Stapel” (die Engländer gebrauchen nach Sco-
resby den Ausdruck „shoal”, die Holländer ehedem das Wort
„schole”) und ziehen in nordöstlicher Richtung fort. Die
Weibchen bleiben noch eine kurze Zeit bei den Jungen
zurück, dann verlassen auch sie die Stelle und ziehen in
derselben Richtung, welche die Mänuchen einschlugen, ab.
Die Jungen, ihrem Schicksal überlassen, bleiben noch einige
Tage ohne Nahrung, dann entschliessen auch sie sich, zu
Ist das
Wetter nur einigermaassen günstig und ist namentlich kein
Wasser zu gehen, und rutschen vom Eise hinab.
Schneegestöber, das sich bei südlichem Wind in die so-
genannten „Hundshaare” (scharfe, stechende Schneeflocken)
verwandelt, so erfolgt zunächst der „Enterfall”, d. h. das
Tödten der Robben auf dem Eise mittelst des Robbenschlägers.
Die Robbenküste, der Robbenschlag. — Das Gebiet der
Robbenjagd, wenn man anders das Abschlachten der meist
geduldig herhaltenden Thiere so nennen darf, ist ein un-
geheuer grosses, denn die Robbenküste, welche freilich keine
Küste ist, sondern aus See und Eisfeldern besteht, umfasst
6- bis 8000 Q.-Meilen. In diesen Gegenden trifft man die
Robben in ungeheueren Heerden, welche nach dem Berichte
von Yeaman oft 20 bis 30 Engl. Meilen breit sein sollen.
Die Engländer nennen solche Heerden „Seehundshochzeiten”
(seals- weddings) oder „Seehundswiesen” (seal-meadows).
Der Kommandeur mit dem Fernrohr oben aus dem Krähen-
nest lugend hat die Robbenheerden zuerst entdeckt. Der
Ruf „Over all!” ertönt. Die Mannschaft wirft sich in ihr
Kostüm für den Robbenschlag. Dieses besteht aus grauem
Leinenzeug; um den Leib wird ein Riemen gegürtet und
in diesen das Buffmesser gesteckt. Vor Allem aber versieht
man sich mit Tauwerk und dem „Robbenknüppel” (einem
starken Stock mit eiserner Spitze, Hammer und Haken).
Bald liegen die Boote zu Wasser, die Mannschaften stürzen
und mit lautem Ruf „Holulu!” aufs Eis. Das
Schlagen der Robben auf dem Eis beginnt. Wenn die
Robben getödtet sind, wird der Leib vom Halse an mit dem
Buffmesser aufgeschlitzt und das Fell sammt der Speekhaut
hinein,
abgezogen. Die Schiffsjungen, und später alle Mann, ziehen
die Felle der „Hunde”, wie die Robben in der Grönländischen
Sprache heissen, mittelst der Taue nach dem Schiffe, wo der
11
82 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
sogenannte Doktor (der Barbier) sie in Empfang zu nehmen
und, bevor sie ins Flenssgat kommen, sogleich zu zählen hat.
Der Rest des Thhieres, die sogenannte Krenge, bleibt, eine
Beute der Vögel und Eisbären, auf dem Eise liegen. Die
Ergiebigkeit des Robbenschlages ist wesentlich dadurch be-
dingt, dass der günstige Moment rasch benutzt wird. Die
Mannschaft muss fortwährend flink bei der Hand sein.
500 bis 600 Robben können in einem Tage von der Mann-
schaft eines Schiffes von 180 Lasten geschlagen werden. Die
Schwierigkeit für die Mannschaft, von Scholle zu Scholle
springend das Schiff wieder zu erreichen, ist nicht gering.
Die Boots- oder Slupenjagd ist bequemer, sie wird vor-
zugsweise angewendet, wenn sich zwischen den Schollen viel
offenes Wasser findet. Man springt aus den Booten auf die
Schollen, schlägt die Robben auf dieselbe Weise, nimmt sie
vorläufig ins Boot und bufft sie auf der ersten besten grösseren
Scholle ab. Das Trennen des Felles vom Speck geschieht
bei Gelegenheit an Bord durch die Offiziere. Bei dieser
Arbeit wird nach alt-Holländischem Brauch Reih’ um ein
„Lütjer” genommen !), auch wohl gelegentlich zur Auf-
heiterung ein Gesang angestimmt. Das Fell wird auf einem
Holzgestell festgehakt, der Speck abgetrennt und vorläufig
in eine Balje geworfen. Die Küper haben dann den Speck
in die im Unter- und Mittelraum befindlichen Fässer (oder
eisernen Tanks) zu packen. Die Kunst des richtigen Los-
lösens des Speckes unter vollständiger Schonung des Felles
ist nicht schnell zu lernen, besonders davon hängt der
Werth der Felle ab. Wie ich höre, hat der Rheder des
„Albert”” durch eine kleine Modifikation im Partgeld die
Leute an der möglichsten Schonung des Felles interessirt,
was einen guten Erfolg gehabt hat. Die Felle werden mit
Seesalz eingesalzen, nochmals gezählt und weggelegt. Gegen
Ende April ist die Zeit des eigentlichen Robbenschlages vor-
über. Alte Robben sind selten zu erreichen, denn sie sind
sehr auf ihrer Hut; von den Norwegischen Schiffen, deren
Leute treffliche Schützen sind, werden indess noch manche
geschossen. Der Werth eiher jungen Robbe (Speck und
Fell) ist 23 bis 3 Thlr., während die alten den doppelten
Werth haben.
Verwendung der Robbenfelle. — Das Fell wurde bekannt-
lich früher vorzugsweise zu der Anfertigung von Tornistern
und Koffern gebraucht, jetzt verwendet man es in England
auch zur Schuhfabrikation, indem es zu diesem Zwecke
gespalten wird. Ferner werden, wie man mir sagt, sogar
Handschuhe, Tapeten und Unterbeinkleider daraus verfertigt.
Auf der Londoner internationalen Ausstellung 1862 sah
') Die Holländer tranken bei dieser Gelegenheit den Schnaps aus
Näpfen. Auf manchen Deutschen Schiffen soll es Brauch oder vielmehr
_ Missbrauch gewesen sein, die Schnapskruke mit ins Boot zu nehmen,
oder sie hing an einer Jeine vom Schiff herunter.
man laekirtes Robbenleder. Der amtliche Bericht des Be-
vollmächtigten des Deutschen Zollvereins bemerkt darüber:
„England hat Proben von lackirten Robbenfellen geliefert.
Sie gefallen dem Auge; der Lack ist schön und glän-
zend, jedoch mit dem Deutschlands nicht zu vergleichen.
Dieser Fabrikationszweig scheint bestimmt, rücksichtlich
seiner Solidität sowohl als seines ermässigten Preises in
kommerzieller Hinsicht eine bedeutende Rolle zu spielen.”
(Auch Walrossleder, dessen man sich in den Messerschmiede-
werkstätten und bei der Pumpenfabrikation bedient, war in
der Dieke eines Daumens von Englischen Fabrikanten aus-
gestellt.) Die Ausbeute des Robbenschlages an Thran wird
auf eine Tonne von zehn jungen Robben durchschnittlich
angenommen. Die Robbe ist im Allgemeinen von unseren
Küsten her bekannt und es bedarf deshalb keiner weiteren
Beschreibung. Oft genug wird sie der aus dem Inneren des
Landes in der Sommerzeit nach den Bade-Inseln Kommende
gesehen haben, wie sie sich auf den „Platen”, den von der
Ebbe frei gelegten kleinen Sand-Inseln, sonnten und in pos-
sierlichen Bewegungen mit einander spielten. Für die Es-
kimos, die Bewohner Grönlands, sind sie eine äusserst wich-
tige Thiergattung. Sie liefern ihnen Nahrung, Kleidung und
Beleuchtung. Die Eskimos verstehen es, die Felle wasser-
dicht zu machen, und ein solcher Seehundsfell-Anzug ist
bei den Walfischfängern ein gesuchter Artikel, weil der
Thran daran nicht haftet.
Die verschiedenen Robbenarten. — Martins („Von Spitz-
bergen zur Sahara”) unterscheidet unter den auf Spitzbergen
vorkommenden Robben folgende drei Arten: Phoca barbata,
Fabr., Phoca groenlandica, Fabr., Phoca hispida, Erxleben.
Quennerstedt unterscheidet die Grönlandsrobbe (in ver-
schiedenen Färbungen, je nach dem Alter) und die sogenann-
ten Klappmützen und Malmgren bezeichnet in der wissen-
schaftlichen Beilage des Werkes „Svenska Expeditioner till
Spetsbergen och Jan Mayen utförda under ären 1863 och
1864” folgende drei: Cystophora eristata, Erxl. (Schwedisch:
Klapmyts), Phoca barbata, Fabr. (Schwedisch: Storkobbe,
Bläkobbe) und Phoca groenlandica, Müll. (Schwedisch: Grön-
landssäl). Rink unterscheidet in West- Grönland fünf See-
hundsarten. Die Klappmütze ist leicht dadurch von ihren,
wie man sieht, mit verschiedenen Namen von den Natur-
forschern belegten Kollegen zu unterscheiden, dass sie, die
überhaupt kräftiger gebaut ist, durch zwei bewegliche Haut-
lappen zur Seite der Nase kenntlich ist. Die Sattler (Platt-
deutsch: Sodler), welcher Art die grösste Mehrheit der ge-
schlagenen Robben angehört, haben den Namen von einem
durch die Farbe sich auszeichnenden Fleck auf dem Rücken.
Von den Klappmützen ist ein Exemplar (Fell und Speck)
wohl 10 bis 12 Thlr. werth. Die Jungen der Klappmützen
nennen die Seeleute „Blaumantjes”. Die Landrobbe, welche
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 83
sich vorzugsweise an den Küsten Grönlands und der Inseln,
namentlich Spitzbergens, vorfindet, wird selten erlegt. Ein
bei dem Fischfang betheilister Bremer Rheder, Henr. Schrö-
-der, Friedrich’s Sohn, giebt in einem Bericht vom Jahre
1843 Folgendes an:
„Der Preis der Robbenfelle ist sehr verschieden und
richtet sich darnach, ob es
blonde,
weisse,
halbweisse,
Klappmützen,
Greise, |
mittlere,
blaue,
Sattler. \
Sattlerweibchen / alla Eoblen
| junge Robben,
| mittlere Robben,
sind.” Diese Unterscheidungen nach Grösse und Farbe des
Felles bestehen noch fort. Über den Preis vergleiche man
weiter unten die Mittheilungen aus Norwegen.
Robben, die bereits im Wasser waren, können nicht
geschlagen, sondern müssen geschossen werden. Gegen Ende
April oder Anfang Mai wird nach der Walfischküste ge-
segelt (auch schlechtweg die „Fischerei” genannt). Unter-
wegs werden noch einzelne Robben vom Treibeis „abgesucht”.
Gegen den 10. Mai haben die jungen Robben die voraus
wandernden alten Robben in der Regel wieder erreicht.
Die alten Robben werden mit der Büchse geschossen, gehen
aber, wenn sie am Rande des Eises getroffen werden, unter
und dann verloren.
Die Wanderungen der Robben und andere Einzelheiten. —
Hier nun noch Einiges, was Quennerstedt (Anteckningar &e.
S. 177) zum Theil aus eigener Erfahrung über die Wan-
derungen der Robben mittheilt. Der Grönlands-Seehund ist ein
sehr geselliges Thier und man trifft ihn in grossen Schaaren
immer nur an einigen wenigen Punkten. Dieser starke Ge-
selligkeitstrieb ist besonders lebhaft zur Zeit der Ernährung
der Jungen. Dieser Trieb ist überhaupt ein hervorstechender
Zug mancher Thierarten der hochnordischen Zone. Neben
den unermesslichen ‘Schaaren von Seehunder, die mit ihren
Jungen ruhend auf dem Eise angetroffen werden, führen
uns diess die Felseilande, wo zahllose Vögel dicht neben
einander nisten, lebhaft vor Augen. Bekanntlich unter-
nimmt der Grönländische Seehund von den Küstenstrecken
seines gewöhnlichen Aufenthaltes zu gewissen Jahreszeiten
weite Wanderungen. Von Grönland, - wo die Robbe ein
wesentliches Existenzmittel der Einwohner ausmacht, wan-
dert sie jährlich zwei Mal, von März bis Mai und von
Juli bis August, aus. Von Islands Küste verschwindet sie
nur periodenweise, und zwar das erste Mal im Monat
März. Diese erste Auswanderung, welche auf allen Küsten-
strecken, wo diese Art Robbe vorkommt, die bei weitem
umfangreichste ist, geschieht zu dem Zwecke, weit vom
Lande auf dem Treibeis die Jungen zu werfen. Diese
Wanderungen erinnern also an die Reisen der Zugvögel zu
ihren Brutplätzen im Frühjahr. Vom westlichen Grönland
geht die Wanderung vermuthlich nach der Baffin-Bai und
den Eismassen der Davis-Strasse. Das sogenannte Mittel-
oder Pack-Eis der Walfischfänger und der grossartige Robben-
fang, welcher in der Gegend von Neu-Fundland getrieben
wird, steht hiermit wahrscheinlich in Verbindung !). Die
ausserordentliche Menge Robben, welche nach dem Jan
Mayen-Eis heraufkommen, scheinen sich an den Küsten des
ganzen Eismeer-Bassins zwischen dem östlichen Grönland,
Island, Spitzbergen und Nowaja Semlä zu sammeln. Nach
der Meinung der Robbenjäger käme die Hauptmasse aus
dem Meere um Nowaja Semlä bei der Bären-Insel vorüber.
Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass die Robbe
einen Ruheplatz auf dem Treibeis sucht, welches im Früh-
jahr stets in grossen Massen um Bären -Eiland angetroffen
wird. Quennerstedt sah auf seiner Reise nach Spitzbergen
im Jahre 1858 hier im Anfang Juli Schaaren von Grön-
landsrobben, die gewiss zu dieser Zeit auf dem Rückweg
begriffen waren. Bei der Wanderung geht die Robbe auf
das Jan Mayen-Eis, und zwar an die nördliche Seite des-
selben, wobei sie vorzugsweise Bai-Eis oder dichteres und
glatteres Pack-Eis sucht. Man hat sie oft auf diesen Wan-
derungen beobachtet, in grossen Schaaren von Norden kom-
mend und gleich grossen Fischzügen ‘die Oberfläche des
Meeres auffurchend.
Von den jungen Robben vermag nach Quennerstedt die
Mannschaft eines einzigen Fahrzeuges oft an einem einzigen
Tage mehr als 1000 zu schlagen.
Wechselnde Lage der Robbenküste je nach der Lage des
Eises, den Winden und Strömungen. — Der Robbenschlag
geschieht gewöhnlich zwischen 72 und 73° N.Br. und 0°
bis 2° W. L. Diess Terrain verschiebt sich jedoch natür-
lich in den verschiedenen Jahren bei der ungleichen Lage
und Beschaffenheit des Eises. Die Fischer haben folgende
Regel: Wenn das Eis sehr westlich liegt, das will sagen:
wenn es sich nicht weit von Grönland aus erstreckt, so hat
man die Robben weit im Westen und auf einem südlicheren
Breitengrad (zuweilen sogar herab bis zum 69. und 68. Grad)
zu suchen. Im entgegengesetzten Falle liegen die Robben-
felder mehr östlich und auf nördlicheren Breiten. Kapitän
Westermeyer vom Schiff „Hudson” traf im Jahre 1868 die
Robben auf 2° Ö. L. und 72° N. Br. Er bezeichnet mir
') Nach Berichten von Walfischjägern, welche in der Davis-Strasse
überwinterten, ziehen dort die Robben bei Eintritt des Winters in un-
geheueren Mengen südwärts bis in die Gegend der New Foundland
Bank. Bei der Insel Belle Isle zweigt sich eine Abtheilung ab. Diese
bleibt theilweise bis zum Juni im Golf von St. Lawrence. Bei ihrer
Rückwanderung nach Norden werden grosse Schaaren die Beute der
Fischer an der Küste, von Kap Charles bis zum Golf von St. Lawrence.
Jur*
84 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
die Differenzen der Lage der sogenannten Robbenküste je
nach den Eisverhältnissen als zwischen 68 und 74° N. Br.
und 2° Ö. L. bis 16° W. L. variirend.
Nördliche Winde sind die vortheilhaftesten, weil sie das
Eis zertheilen, südliche und östliche pressen dagegen die mit
dem Strom von Nordosten in südwestlicher Richtung herab-
treibenden Eismassen zusammen. Dieser Strom, welcher die
kalten Gewässer des Eismeeres nach Süden entführt und dem
es die auf gleicher Breite mit dem Nordkap belegene Insel
Jan Mayen zu danken hat, dass sie ein Klima besitzt,
welches wohl eben so rauh ist wie das des nördlichen Spitz-
bergen, wird schon von den ältesten Zeiten des Fischfanges
an erwähnt. Dass er die angeführte Richtung hat, ergiebt
sich aus verschiedenen bekannten Fällen, wo Fahrzeuge im
Eis fest froren und ins Treiben kamen.
Zorgdrager trieb im West-Eise im Jahre 1698 in 18
Tagen vom 774° N. Br. auf 754° und einige Walfisch-
fänger trieben sogar im Jahre 1777 von dem 76° N. Br.
und 5. bis 6° Ö. L. herab bis zum 62° N. Br. und auf
den 40° W. L. in einer Zeit von 108 Tagen. (Vergleiche
hierbei die oben von uns mitgetheilten Fälle der „Sara Ce-
cilia” und der „Wilhelmina”.) Dass Schiffe auf diese Weise
auf längere oder kürzere Zeit fest gerathen und dadurch
des Fanges verlustig gehen, gehört zu den gewöhnlichen
Erscheinungen, dagegen ist der Verlust des Schiffes im All-
gemeinen seltener, und zwar in Folge des stärkeren Baues
‚der Fahrzeuge und der grossen Erfahrung in der Eisfahrt,
welche langjährige Gewohnheit den Schiffsführern gegeben
hat. Doch sollen während eines in dieser Hinsicht beson-
ders unglücklichen Jahres nicht weniger als 14 Fahrzeuge
im Eise theils völlig verloren, theils mit grösserer oder ge-
ringerer Beschädigung zurückgekehrt sein !). Ein Englisches
eisernes Fahrzeug, so wurde berichtet, drückten die Eis-
massen so schnell zusammen und es sank in einer so kurzen
Zeit, dass die Besatzung desselben sich nur mit genauer
Noth auf das Eis retten konnte.
Es kommt zuweilen vor, dass die alte Robbe ihr Junges
zu vertheidigen sucht. Auch hat man ab und zu beobach-
tet, dass, wenn die Robben auf dem Eise ruhen, einige aus
der Schaar, wie diess auch bei anderen Jagdthieren zu ge-
schehen pflegt, Wachtdienste leisten. Wird dieser Wacht-
posten auf die nahende Gefahr aufmerksam und hat er noch
Zeit genug, ins Wasser zu kommen, so folgen die anderen ihm
bald nach. Ganz dasselbe berichten auch die Robbenfänger
von der Weser. Die Aufmerksamkeit des Jägers ist daher
vor Allem auf diese Wachtposten gerichtet. Wie die Robben
') Quennerstedt meint hier offenbar das Jahr 1777, wo ein sechs-
tägiger Orkan die Eisfläche vor Ost-Grönland auf 160 miles von Westen
nach Osten aufriss, vier Schiffe zerstörte und einige 50 Boote mit den
Mannschaften — 600, und zwar Engländer und Hamburger — zum
grossen Theil vernichtete. Scoresby, I, 513,
während des Ruhens unaufhörlich das Haupt erheben und
sich umsehen, hat Quennerstedt oft beobachtet. Der Knall
des Schusses und das plötzliche Zusammensinken der tödt-
lich getroffenen Thiere scheint die anderen nicht zu be-
unruhigen; wälzt sich aber das verwundete Thier im Todes-
kampfe auf dem Eise herum, dann fallen sofort wenigstens
die nächstliegenden ins Wasser. -
Walfischfang des „Hudson” ; Besuch bei Kapitän Wester-
meyer und Mittheilungen desselben. — Wir kehren zum
„Hudson” zurück und lassen Kapitän Westermeyer erzählen.
Kapitän Westermeyer’s Wohnung erreichen wir — um den
Leser auch in das Daheim eines Deutschen Walfischfängers
einzuführen — von Bremen in %, Stunden. Der Bahnzug
führt uns in einer Viertelstunde auf der Geestebahn nach
Burg-Lesum, von wo wir bequem auf dem Deiche an der
Seeschiffe tragenden und von den Tiden berührten Lesum
hinschlendern. In einer halben Stunde ist Kapitän Wester-
meyer’s Behausung erreicht. Sie gehört zu dem Fischer-
dorf Lesumbrook '). Gegenüber erhebt sich die Hügelkette
von St. Magnus, geschmückt mit eleganten Landhäusern,
dunklen Parks und freundlichen Gärten, welche Bremer
Kaufleuten in der Sommerzeit die gesuchte Ruhe und Er-
holung vom Geschäft bieten. Gleich vom Deich treten wir
in die Hausflur, werden von der Hausfrau freundlich be-
willkommt und durch Kapitän Westermeyer in seine behag-
liche Häuslichkeit eingeführt. Viele von den alten Kom-
mandeuren, die zum Theil noch die letzte schwunghafte
Periode der Grönlandsfahrt mit durchmachten, wohnen hier
in dieser Gegend, in den Dörfern Mittel- und Niederbüren
an der Weser und drüben in Vegesack, Löhnhorst, Borchs-
höhe, Schönebeck u. a.
Kapitän Hashagen vom Dampfer „Albert” wohnt z. B.
in Borchshöhe bei Vegesack, Kapitän Hagens vom Dampfer
„Bienenkorb” in dem unweit Lesumbrook gelegenen Weser-
dorfe Mittelbüren. Zwei mächtige Walfischkinnbacken bil-
den das Eingangsthor zu Hashagen’s Garten. Drüben jenseits
der Weser, etwas weiter herauf, sind ebenfalls viele Grön-
landsfahrer zu Hause. Wir nennen nur Hasenbüren, ein
Bremer, und Altenesch, ein Oldenburger Dorf. Wir stehen
hier also gleichsam auf klassischem ‚, Grönländer - Boden”.
Von hier aus wurde auch das sogenannte „Bauernschiff”
im Jahre 1832 entsandt, eine Unternehmung, bei welcher
sich vorzugsweise bäuerliche Grundbesitzer jener Gegend
betheiligt hatten, in der löblichen Absicht, zahlreichen durch
den Rückgang des Fischereibetriebes brodlos gewordenen
Familien. Verdienst zu verschaffen. Kapitän Westermeyer
fährt bereits 26 Jahre nach Grönland, d. h. auf den Wal-
1) Dasselbe Dorf, bei welchem 1669 ein Finnfisch gefangen wurde,
8. 8. 4. 2
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
fischfang bei Grönland, denn am Land war er nie, weder
in Spitzbergen noch in Grönland. Gleichwohl war er im
letzten Jahre der von unserer Nordfahrt so mühevoll um-
worbenen Ostküste von Grönland (d. h. in der Seemanns-
sprache West-Grönland) näher als die übrigen Deutschen
Fischerfahrzeuge '). Er hat also einen guten Theil seines
Lebens in den Polarregionen verbracht, auch hat er schmerz-
liche Opfer, wie sie jene schwierige Schifffahrt leider von
Zeit zu Zeit fordert, zu beklagen, denn sein Vater blieb
(verunglückte) in Grönland und noch vor einigen Jahren
verlor er dort seinen ältesten, 18jährigen Sohn, der die erste
Reise mitmachte.
ausgleitend fiel dieser in die See und konnte von dem so-
fort zu Wasser gelassenen Boot nicht gerettet werden. Dass
aber echtes Seemannsblut in den Westermeyers fliesst, mag
daraus hervorgehen, dass der heranwachsende zweite Sohn
Von der durch den Frost glatten Rehling
wahrscheinlich in einem der nächsten Jahre seine erste
Fahrt nach Grönland machen wird.
das Schiffsjournal zur Hand nehmend und eime Karte der
Kapitän Westermeyer,
Europäischen Polarregionen vor uns ausbreitend, erzählt ?):
Es war am 18. Juli, Morgens 8% Uhr, der „‚Hudson” auf etwa 72° N. Br.
und 17° W.L. (An dem Tage, wo ein Fisch gefangen, ist keine Zeit für
die Ermittlung der Breite und Länge, die betreffende Rubrik wird ‚dann
nach altem Brauch durch einen grossen, mit der Feder gezeichneten
Fischschwanz ausgefüllt.) Wir steuerten in losem Eise westlich über.
Der Kommandeur lag oben im Krähennest, auslugend nach Fischen.
Das Krähennest (erows-nest) ist ein unentbehrliches Requisit auf allen
Grönlandsfahrern. Es besteht aus einer 85 Fuss über Deck „am grossen
Bramtop’” angebrachten Tonne, etwa von der Grösse eines Oxhoft-
fasses, die dem Kommandeur oder ersten Offizier als eine Art Wacht-
thurm dient. Zu dem Ende ist sie oben offen, unten im Boden mit
einer Fallthür versehen, durch welche der Kommandeur oder Offizier
auf der Jakobsleiter (einer mit Stäben versehenen Strickleiter) hinein
steigt. Im Krähennest, das aussen noch mit Segeltuch umkleidet, ist
ein Sitz angebracht, Sprach- und Fernrohr sind zur Hand. Hier bringt
der Kommandeur oft lange Stunden zu, bald die Lage und Bewegung
des Eises beobachtend, bald nach Robben oder Fischen lugend. Die
Laufplanken werden hinten auf Deck über die Rehling gelegt. Von
hier aus haben die Offiziere auszusehen, wenn das Schiff zwischen Eis
steuert. Das Wetter leidlich, es ist nur etwas Dünung. Da von fern
jene dunkle Masse, von Zeit zu Zeit blitzende Wasserstrahlen , ein
Fisch in Sieht! Auf Deck ertönt der Ruf: „Fisch vorut!” (Diess
verändert sieh natürlich darnach, wo der Fisch gesehen wird, da heisst
es bald: „Fisch in Lee!” „Fisch leeward!”’ oder: „Fisch steuerbord!”
„Fisch backbord!” oder endlich: „Fisch vorut!” „Fisch achter ut!”)
Mit „Over all!” wird sofort die ganze Mannschaft lebendig. So wie
sie eben sind, Einzelne vielleicht nur halb bekleidet, stürzen sie zu den
Booten. Zwei Boote werden sofort gestrichen (zu Wasser gelassen).
Pfeilschnell durchschneiden sie die Fluthen in der Richtung nach dem
Fisch, der seinen Lauf verändert und dadurch einem inzwischen erst
gestriehenen Boot die erste Chance giebt. Mit kräftigen Ruderschlägen
arbeitet das Boot in rastloser Jagd durch die Wogen dem Fische nach.
Eine halbe Stunde schon hat das Boot, gefolgt von sechs anderen, die
Führung behalten, da endlich gelingt es, dem Fisch auf 20 Schritt
nahe zu kommen. Jetzt ein Schuss! und siehe, Meister Engelbert hat
den Fisch fest, der sofort in die Tiefe geht und in 5 Minuten die
3600 Fuss Leinen ausläuft. Vom Fallboot weht die sofort aufgesteckte
!) Laut Journal 4. Juli, Morgens 44 Uhr, sahen sie auf 73° 53’
N. Br. und 14° 31’ 30" W. L. die Insel Pendulum nordnordwestlich
auf circa 16 Meilen Distanz, am folgenden Tage Nachmittags nord-
westlich die Insel Shannon auf circa 15 Meilen Distanz.
2) Nachstehender Bericht beruht theils auf mündlichen Mittheilun-
gen, theils auf Auszügen aus dem Journal.
85
Gösche !), zum Zeichen, dass der Fisch fest ist (blau mit weissem Kreuz,
beim „Albert” roth und weiss. Köhler nennt diese Fahne die „Blut-
fahne” und erzählt, dass, wenn nicht sofort, nachdem sie erschienen,
Alle in die Boote gesprungen, die Zaudernden von den auf dem Schiffe
Zurückbleibenden in ihre Boote hinabgeworfen und von den schon im
Boote Sitzenden in kreuzweis über einander gelegten Rudern empfan-
gen worden wären). Schon übernahm das zweite, pfeilschnell heran-
geschossene Boot die weitere Verfolgung, seine Leinen an die auslau-
fenden, splissend und dadurch das erste Boot, die Fallslupe, vom Fisch
frei machend. Wohl gegen eine halbe Stunde verging, ehe der er-
schreckte Fisch, vom heftigen Lauf schon etwas ermüdet, wieder auf-
tauchte. Nach einiger Zeit gelang es auch diesem Boot, mit einer
zweiten Harpune, dem dritten Boot, mit einer dritten Harpune den
Fisch fest zu machen, und dieses letzte Boot kam dem Fische nahe
genug, um ihm noch eine Handharpune beizubringen. Nach 14stündiger
Jagd war der Fisch durch vier Harpunen und eine vom letzten Boot
ihm beigebrachte Lanze völlig ermattet und es folgte der letzte Akt
des blutigen Schauspiels, der Todeskampf des gewaltigen Thieres. Mit
mächtigen Schlägen (der Waltischfänger nennt sie „de Doodsläge”)
peitschte der Wal die schäumende, von Blut und Thran gefärbte See.
In diesem entscheidenden Moment haben sich alle Boote in gemessener
Entfernung zu halten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, dass ihr
Boot kentern und ihnen mindestens ein unwillkommenes Seebad, wenn
nieht noch Schlimmeres, bereitet werde. Noch vor drei Jahren passirte
diess einem Boot des „Hudson”, das, nachdem es den Fisch gelanzt,
nicht flink genug bei Seite gekommen war. Glücklicher Weise wurden
alle Mann gesund herausgefischt. Hat der Fisch seine „Doodsläge’” gethan,
dann neigt sich der gewaltige Körper zur Seite, er ist todt. In diesem
Augenblick erschallt von den Booten ein dreimaliges kräftiges „Hurrah !”,
das von der Mannschaft des Schiffes, wenn letzteres nahe genug ist,
kräftig beantwortet wird. Die Boote umgeben den Fisch, ziehen Harpune
“und Lanze heraus, binden die Flossen über dem Bauch zusammen, das
letzte Boot befestigt im Schwanze, der zu diesem Zweck an vier ver-
schiedenen Stellen durchbohrt wird, ein Bugsirtau und nun geht langsam
und unter eintönigem Gesang und „Hoihoh!’” der seltsame Leichenzug
nach dem Schiffe, wo der Fisch langseit gelegt und befestigt wird. Um
14 Uhr Mittags war alles diess geschehen und um 114 Uhr Nachts
hatten wir, so heisst es im Journal, den Fisch über Bord,. worauf sich
die Mannschaft todmüde zur Ruhe begab. Ist es noch Zeit, so wird
nach dieser beschwerlichen Arbeit oft noch geschafft (gegessen), eine
süsse Biersuppe ist dann bei dem Volke besonders beliebt. Den Pro-
zess des Flenssens schildern wir hier noch näher.
Das Flenzen oder Flenssen musste diess Mal unter Segel vor sich
gehen, da der Wind nach dem Eise zu wehte und das Schiff sonst be-
setzt worden wäre. Wenn die Witterungsverhältnisse es zulassen, sucht
sich das Schiff mit Eisankern (den Neushaken) an einem Eisfelde, einer
Flarde, fest zu machen, um den ganzen Prozess mit mehr Sicherheit
zu vollziehen. Zuweilen erlauben Sturm und Seegang das Flenssen vor-
läufig noch gar nieht und das Schiff hat dann Tage lang den Fischkoloss
zur Seite, was nicht ohne Gefahr ist. Zunächst ist also der Fisch, welcher
etwa 50 Fuss lang war und als stärksten Durchmesser 18 Fuss maass,
durch Taue, die mittelst Haken am Kopf und am Schwanz eingreifen,
befestigt. Speckschneider und Speckschneiders-Maat begeben sich in
langen Stiefeln, die mit „BEiskrabben” (Bissporen) versehen sind, aus
dem Boot auf den Kopf des Fisches, erster und zweiter Harpunier und
Steuermann in demselben Kostüm gehen auf den Rumpf. Alle fünf
sind mit langstieligen Beilen, den sogenannten Speckspaten, versehen.
Sie beginnen nun den Speck 3 Fuss breit streifenweise herauszulösen,
indem sie die Haut (welche bis zu °/ Zoll dick) und den Speck, der
bis zu 14 Fuss diek ist, durchhauen. An den Streifen werden Gienen an-
gehakt, die „Taljen” (Flaschenzüge), deren Kloben je drei oder zwei
Rollen enthalten. Es sind drei Gienen in Thätigkeit, eine zweischeibige
mit Kloben von zwei Rollen vorn am Bug, eine dreischeibige, die Kenter-
!) Die Grönlandsfahrer haben ihre eigenen Signale, welche Sco-
resby, Band II, S. 524, ausführlich angiebt, darunter „the bucket’”, ein
auf Reifen gespanntes Stück getheerter Leinwand, und „the jack”, die
Gösche oder Fallflagge. Die Korrespondenz der Boote mit dem Schiff
wird beim „Hudson” auch durch Segelstellung unterhalten; wenn die
Boote backbord aufrudern sollen, wird die Backbordschote, wenn steuer-
bord, die Bramschote aufgegeiht. Sollen sie weiter rudern, so werden
die beiden Vor-Bramschoten aufgegeiht. Sollen die Boote zurückkehren,
so wird die Flagge im Schau aufgehisst. Bei Nebel wird durch Blasen
oder Schiessen signalisirt.
86 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
gien, in der Mitte und eine dreischeibige, die Nasengien, auf dem Hin-
terdeck. Je ein Block der Gienen ist an der Topkette, die vom Vor-
zum grossen Top reicht, befestigt und der Läufer der Kentergien wird
um die Ankerspille gelegt. Darauf dreht die Mannschaft im Takte
und unter fröhlichem Gesang die Spille, allmählich und unter Beistand
der Offiziere auf dem Fisch, welche mit ihren Messern tüchtig nach-
helfen, lösen sich die Speckstreifen los. Nur in der Mitte bleibt ein
Streifen Speck, das Kenterstück (Mittelstück, Prutstück) und mit Hülfe
dieses am Fischkörper noch festsitzenden Theiles wird der Fisch, so-
bald die eine Seite vollständig abgespeckt ist, umgedreht (gekentert).
Nun beginnt der Prozess des Flenssens von Neuem, bis der Fisch nur
noch ein roher, unförmlicher Fleischklumpen ist. Das Fischbein wurde
vom Speckschneider aus den Kinnbacken herausgelöst. Man lässt dann
den aller werthvollen Theile beraubten Fischkadaver treiben, der eine
Beute der Haie, Bären und Vögel wird. Letztere, die Lummen, die Mal-
mucken, ziehen gewöhnlich schon während des Flenssens heran, lassen
sich auf dem Fischkörper nieder und sind so begierig, Stücke von dem
Fischspeck abzuzerren und zu picken, dass sie sich oft haufenweise greifen
und schlagen lassen. Die ‚Kunst des geschickten Ablösens der Barten
besteht hauptsächlich darin, sie möglichst tief vom Nasenbein zu tren-
nen, denn die grössere Länge der Barten erhöht ihre Brauchbarkeit und
verleiht ihnen grösseren Werth. Daher die Unterscheidungen in Unter-
maassbarten, Maassbarten (Barten von 6 Fuss Länge) und Übermaass-
barten. Das Auslösen geschieht mittelst 1 bis 2 Fuss langer ein- oder
zweischneidiger Bartenmesser. Die grösste der Barten war 11 Fuss
lang, 10 Zoll breit und %, Zoll dick. Die etwa 18 Fuss lange Zunge
wurde in vier Stücken auf Deck geholt, der Schwanz kommt ganz her-
auf und wird erst später in sechs oder acht Stücke getheilt. Die Kinn-
backen werden ebenfalls übergeholt und in den Wanten (den starken
Masttauen) aufgehängt. Im untergestellten Baljen (Trögen) wird die
aus ihnen austropfende fettige Substanz aufgefangen und es ergab diess
noch eine Tonne Thran. Später ging’s dann ans „Innmaken” (in die‘
Fässer machen) des Speckes. Auch diess ist eine längere Prozedur.
Der Speck war in Würfel geschnitten und mit der °/, Zoll dicken Haut
in den Raum geworfen worden. Beim „Innmaken” wird aus und von
den Leuten ein Speekkönig (Smeerkönig) gewählt. Dieser steigt in den
Raum und wirft mit der Speckgabel (Speckforke) die Speckwürfel auf
Deck. Bei der nun beginnenden Arbeit des Kleinmachens des Speckes
und Einfüllens desselben in die eisernen Fässer (Tanks) im Raum sind
die Rollen fest vertheilt. Die Harpuniere lösen die Schwarte vom Speck,
der Speckschneider reinigt den letzteren von den ihm noch anhaftenden
Fleischtheilen. Der Schwanz wird in so viel Stücke getheilt, als Hau-
blöcke vorhanden sind; diese Stücke werden dann auf die Haublöcke
gelegt und die Steuerer der acht Boote zerlegen (kappen) nun den
Speck mittelst der Kappmesser in kleinere Stücke. Der Speck kommt
in Tröge (Baljen). Mittelst aus Segeltuch verfertigter Schläuche (Lul-
len) wird dann der Speck in die leeren Fässer (Tanks) im Raume ge-
leitet, welche Arbeit der Lullenkneifer hat, während der „Farkentreiber”
den Speck nach den Schläuchen schiebt.
In der Regel rechnet man 20 Quardeelen Speck und 60 Tonnen
Thran auf einen mittelgrossen Walfisch. Die Slupe, welche den Fisch
festschiesst, erhält eine Prämie von 7 Gulden, davon fallen auf den Har-
punier 2 Gulden. Besteht der im Ganzen von dem Schiff heimgebrachte
Segen aus 400 Tonnen Thran und darüber, so erhalten die Offiziere
und Partfahrer 1 Anker, die Slupensteuerer °/; Anker und*die Halb-
partfahrer '/, Anker Thran. Der Kapitän erhält ein Fischgeld von
10 Thalern, das nach dem Thran berechnet wird, wobei es gleichviel
ist, ob Robben- oder Fischthran. Für jede 60 Tonnen Thran wird ein
Fischgeld von 10 Thalern vergütet. Derjenige, welcher den Fisch fest-
geschossen hat, erhält ausser seinem Antheil an der Bootsprämie ein
Fischgeld von 5 Thalern, der Speckschneider erhält ein Schneidegeld
von 6 Thalern bei Fischen mit Maassbarten (6 Fuss und darüber lang),
bei Fischen mit Untermaassbarten die Hälfte.
Norwegens arktische Fischerei. — Es ist hier nicht der
Ort, den grossen Fischfang Norwegens in seinem ganzen
Umfange näher zu besprechen, da unsere Betrachtung auf
die Fischerei im Eismeere beschränkt ist. Wenn Norwegen
an dieser letzteren nur einen verhältnissmässig geringen
und im Vergleich zu seinem Stockfisch- und Häringsfang
unbedeutenden Antheil nahm, so ist das leicht erklärlich,
wenn man an die hohen Kapitalauslagen und an die Un-
sicherheit des Ertrages denkt. Beide Umstände mussten
dem geldarmen Lande, welches freilich wohl die trefflich-
sten Mannschaften für nordische Fischerfahrten besitzt !),
die Theilnahme erschweren. Die jetzt mit einigen zwanzig
kleineren Fahrzeugen von den nördlichen Häfen, namentlich
von Hammerfest und Tromsö aus, bei Spitzbergen be-
triebene Walrossjagd scheint niemals ganz unterbrochen
gewesen zu sein. £
Der Norwegische Robbenfang bei Jan Mayen. — Der
Robbenschlag bei Jan Mayen wurde erst im Jahre 1846
wieder aufgenommen, und zwar von den südlichen Häfen.
Es wurden drei Fahrzeuge ausgesandt, eins derselben,
„Habe”, kommandirte Svend Foyn von Tönsberg ?), einer
der Veteranen der Norwegischen Nordfahrer. Durch Glück
und Erfahrung ist es ihm gelungen, im arktischen Fisch-
fange ein ziemlich bedeutendes Vermögen sich zu erwerben.
Überhaupt waren in den ersten Jahren die Schiffe glücklich.
Foyn auf dem Dampfer „Elieser” fing z. B. in einem Jahre
16.400 Robben im Werth von 40.000 Spezies.
1867 waren Schiffe in der Grösse von 62 bis 147 Kom-
merzlasten von folgenden Orten betheiligt:
Von Tönsberg 8, von Christiania 3, von Drammen 1, von Sande-
Fjord 1, von Holmestrand 1, von Frederikhall 1, von Purmerende
(Niederlande) 1,
zusammen 16. Darunter waren zwei Schraubendampfer,
„Elieser” und ‚„Isbjörne”. Die Besatzung verproviantirte
sich zum grössten Theil selbst.
Inzwischen bin ich in den Stand gesetzt worden, hier eine
vollständige Übersicht des Norwegischen Robbenschlages der
letzten fünf Jahre, 1864 bis 1868, zu geben. Ich bin da-
für dem Herrn Kiaer, Chef des Statistischen Bureau’s in
Christiania, und dem Herrn Jakob Melsom in Tönsberg zu
Dank verpflichtet. Sie enthält, wie man sieht, die wichtig-
sten Punkte vollständig und darf in so fern als ein Muster
bezeichnet werden.
!) Der Dorschfang Norwegens an den Lofodden beschäftigte im
Jahre 1867 über 28.000 Fischer und Seeleute, was beinahe die Hälfte
der Gesammtzahl der Norddeutschen Seeleute ausmacht. Er lieferte,
beiläufig erwähnt, einen Brutto-Ertrag von über 35 Millionen Spezies.
?2) Herr Foyn, der für eigene Rechnung fuhr, erzielte im Jahre
1847 740 Tonnen Thran, im Jahre 1848 1140 Tonnen Thran, im Blo-
kadejahr 1849 1100 Tonnen Thran. Herr Foyn sandte im Jahre 1867
an ein Hamburger Haus circa 4000 Tonnen Thran. Die Norwegische
Tönder (250 Pfund Brutto) ist der Bremer Tonne (216 Pfund Netto),
wenn man das Netto-Gewicht vergleicht, ziemlich entsprechend.
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
Angabe über den Robbenfang des südlichen Norwegen bei Jan Mayen während der letzten 5 Jahre.
| Aus- | | ] |
| | \ rüstungs- | |
| und Unter- E Nr
oe | Kapital-Ver- Zinsen des £ ' Ys Antheil E ER
| Tragfähig- | Zahl der | Werth der | haltungs- = TR Eee - 1ER | Werth der, RENTE Gewinn für
Zahl der , .., © Ihr minderung Kapitals Zahl ıler Seehunde N für die =
Jahr Schiffe“ en Besatzung Schiffe nassen: & 3 Prozent |A 5 Prozent | | Seehunde | Besatzung die Rheder
| Thaler per |
| ! Last | |
| | Mann Spez.-Thlr. | Spez.-Thlr. | Spez.-Thlr. Spez.-Thlr. | Junge | alte | Spez.-Thlr. | Spez.-Thlr. | Spez.-Thlr.
1864 | 16 1699 | 71a | 265.000 | 81.552 7.950 | 13.250 | 23.364 | 24.723 | 152.000 25.333 | 23.915
1865 | 16 | 1699 | 714 \ 257.000 81.552 7.710 | 12.850 | 41.758 | 18.724 | 172.500 28.750 41.638
1866 16: = 17637 | 728 272.000!) 84.624 8.160 13.600 39.576 8.106 144.000 24.000 | 13.616
1867 ; 15 | 1641 | 688 257.000 73.768 | 7.710 12.850 59.931 23.292 | 247.000 41.166 | 106.506
1868 152 1° 51641 684 249.000 78.768 7.470 12.450 49.533 14.224 184.284 | 30.714 54.882
!) In diesem Jahre waren zwei dieser Schiffe mit Dampfkraft versehen, daher die Steigerung im Werth.
Tönsberg, den 26. Oktober 1868.
Das Ergebniss der letzten beiden Jahre und namentlich
des Jahres 1867 stellt sich hiernach als ein recht günstiges
heraus. Denn während 1864 16 Schiffe einen Reingewinn
für die Rheder im Betrage von nur 23.915 Spezies, 1866
eben so viel Schiffe gar nur 13.616 Spezies Netto für die
Rheder erzielten, stellte sich das Ergebniss im Jahre 1867
auf 106.506 Spezies bei nur 15 Schiffen. Das relativ gün-
stige Ergebniss des Norwegischen Robbenschlages -im Ver-
gleich zu dem der Deutschen und Englischen Schiffe ist
dadurch zu erklären, dass die Norweger die Robben in
grösserer Zahl weiter nordöstlich als jene suchten und fanden.
Ergebnisse der Walross- und Seehunds-Jagden der Nor-
weger bei Spitzbergen in der neuesten Zeit. — Über diesen
Gegenstand empfing ich ebenfalls ein Schreiben des Herrn
Kiaer aus Christiania, welches ich hier vollständig mittheile.
Die Angabe in Betreff der Fahrzeuge auf den Robbenfang
stinnmt nicht ganz überein mit der eben mitgetheilten des
Herrn Melsom. Diese letztere ist die zuyverlässigere, ich
gebe aber die Übersicht unverändert, so wie ich sie empfing,
da die Abweichung für die Vergleichung und das Gesammt- |
Resultat unwesentlich ist. L |
„In Veranlassung Ihrer im Schreiben vom 5. v. M. an
das Departement des Innern der Königlich Norwegischen |
Regierung gerichteten Anfrage über Norwegische Expedi-
tionen im nördlichen Eismeere und Ferneres habe ich die |
Ehre, Folgendes mitzutheilen: |
„Sämmtliche Produkte des Norwegischen Grossfischfanges
(Eismeer-Expeditionen) gehen zollfrei in Norwegen ein; es
wird auch kein Zoll erlegt, wenn sie in fremden Schiffen
eingeführt werden.
„Die Anzahl der ins nördliche Eismeer expedirten Nor-
wegischen Schiffe ist folgende gewesen:
Unterzeichnet: Jakob Melsom.
Nach Spitzbergen von Tromsö | Auf Seehundsfang ins nördliche
Jahr und Hammerfest ne: vom südlichen Norwegen
Anzahl Anzahl
1863 | 18 I
1564 21 13 (16 nach Melsom)
1865 23 16
1866 | 21 Tsadios ads
isoce\ 23 16 (15 „5 Be.
-1867 f Anzahl Tons 800 Anzahl Tons 3.600
\ Mannschaft 250 Mannschaft 660
„Ausserdem wurden im südlichen Norwegen 1867 auf
Seehundsfang zwei Holländische Schiffe ausgerüstet. Von
den zum Seehundsfang ausgerüsteten Norwegischen Fahr-
zeugen war eins em Dampfschiff und zwei hatten Hülfs-
Dampfmaschinen, die übrigen waren Segelschifte.
„Auf Walfischfang im nördlichen Eismeer wurde 1867
Die Ausbeute der
Expeditionen nach Spitzbergen von Tromsö und Hammer-
fest besteht namentlich in Seehunden und Walrossen; für
Tromsö wird das Resultat als zufriedenstellend angegeben,
und 1368 ein Dampfschiff ausgerüstet.
für Hammerfest (dessen Expedition. im verflossenen Jahre
doppelt so gross wie die von Tromsö gewesen ist) war
die Ausbeute 1864 24.000 Spezies, 1865 18.000 Spezies,
1367 20.500 Spezies. Über die Ausbeute des Seehunds-
fanges wird genauere Angabe erwartet; vorläufig wird fol-
gende Notiz über die Ausfuhr von Sechunds-Fellen, See-
hunds-Speck und Thran von den Städten, welche derartige
Expeditionen ausrüsten, mitgetheilt.
Tan | Seehundsfelle Speck Thran
|Stück 90 Spez.-Thlr.|Tönder & 12 Spez.-Thir.|Tönder & 14 Spez.-Thlr,
1863 N 25.121 3.156 590
1864 41.367 2.976 | 546
1865 | 66.627 5.839 1.255
1866 52.231 3.637 | 1.375
1867 65.805 | 7.743 | 4.346
Christiania, den 16. Oktober 1868.
A. N. Kiaer, Chef des Statistischen Bureau’s.”
88 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
Den Walfischfang betreibt allein Herr Foyn in Töns-
berg, seit vier Jahren, aber erst im letzten Jahre mit gutem
Erfolge, und zwar ist es eine Art der Finnfische, auf welche
er in der Nähe des Nordkaps und bei der Bären-Insel Jagd
macht. Er bediente sich dabei der Cordes’schen Granat-
Harpune und es gelang ihm im vorigen Jahre, 30 Wale
zu erlegen, die immerhin einen Werth von 18.000 Thalern
Preussisch gehabt haben mögen.
Die Gefahren und Abenteuer der Norwegischen Spitzber-
genfahrer schildert Quennerstedt ziemlich eingehend, indem
er mehrere Berichte über Schiffbrüche bei Spitzbergen mit-
theilt. So wurden die Fahrzeuge „Karl Johann”, „Fortuna’”
und „Die Brüder” im August 1850 in Walter Thymen-
Strasse vom Eise zerstört und es gelang nur einem Theil
der Mannschaft, sich auf einem verlassenen Fahrzeug nach
Norwegen zu retten. — Ferner wird in dem Bericht über
die Schwedische Expedition 1864 nach Spifzbergen eine
merkwürdige Überwinterungs-Geschiehte Norwegischer Wal-
rossjäger an der Crossbai (79° 7 bis 15’ N. Br. und 10°
11’ bis 10° 44' Östl. L.) erzählt. 24 Leute arbeiteten sich,
nachdem ihre Fahrzeuge gescheitert, in Booten dahin, wo sie
in den beiden dort vorhandenen Hütten Zuflucht und einige
Lebensmittel fanden. Ein von Parry’s Expedition stammen-
des Depöt von Lebensmitteln kam ihnen sehr zu Statten
und es gelang, durch Seehunds- und Renthierjagd den wei-
teren Bedarf zu decken. Ein grosser Theil der Mannschaft
erkrankte am Skorbut, doch nur drei starben daran; der
Genuss von frischem Robbenblut erwies
Heilmittel dagegen.
sich als bestes
Umfahrung Spitzbergens durch einen Norwegischen Wal-
rossjäger. — Dass Deutsche Walfischjäger in neuerer Zeit,
ihrem Fange nachgehend, eine Umschiffung der ganzen
Spitzbergischen Inselgruppe, also auch um Nordostland,
von Süden oder Norden kommend unternommen hätten,
darüber habe ich Nichts erfahren können. Der Norwe-
gische Walrossjäger Karlsen unternahm mit der Brig ‚Jan
Mayen” eine solche im Jahre 1863.
sirte er die nördlichste oder nördlich von Nordostland
gelegene Insel, die kleine Tafel-Insel, wobei sie nach
Norden das Meer eisfrei fanden, den 9. August waren sie
bei der Walross-Insel, immer die an dieser Seite der Insel-
gruppe meist ergiebigere Walrossjagd betreibend, fuhren
südlich bei der grossen Insel vorbei, unter der Ostküste von
Nordostland, bekamen dann Gillisland, eine mit hoch auf-
steigenden Bergen besetzte und von Fjords tief eingeschnittene
Insel, in Sicht; nach der Schätzung Karlsen’s lag es auf
79° 5’ N. Br. und waren sie nur 8 Seemeilen davon ent-
fernt. Beim Eingang in Walter Thymen-Fjord hatten sie
es noch immer nordöstlich in Sicht; den 20. segelten sie
Den 2. August pas-
I
an den Ryk-Is-Inseln bei Stans-Foreland vorüber, passirten
Süd-Ostland und nahmen ihren Kurs nun auf Norwegen.
Die von Dänemark aus betriebene arktische Fischerei. —
Die theilweise bereits erwähnte Dänische Fischerei im Eurö-
päischen Meer hat, so scheint es, niemals ein zufrieden-
stellendes Resultat für die Unternehmer gegeben. Nur der
von den Dänischen Kolonien in West-Grönland an bestimm-
ten Stationen mit Hülfe der Eingebornen betriebene Wal-
fischfang war zu Zeiten im vorigen Jahrhundert erfolgreich
und bedeutend, jetzt ist er gering. In neuerer Zeit wur-
den von der Insel Bornholm einige Fahrzeuge auf den
Robbenschlag ausgerüstet. Der letztere grössere Versuch,
von Kopenhagen aus Walfischfang im Eismeere zu betrei-
ben, begann im Jahre 1866.
Die Dänische Fischerei-Gesellschaft wurde zu Ende des
Jahres 1865 mit einem Aktienkapital von 180.000 Reichs-
banko-Thalern (eirca EL. 20.000) gegründet. Zu Ende des
Jahres 1866 wurde das Kapital um 55.000 Reichsbanko-
Thaler vergrössert, also auf 235.000 Reichsbanko-Thaler ge-
bracht. Nach den brieflichen Mittheilungen, welche mir
durch den Vorstand der genannten Gesellschaft im Septem-
ber 1868 von Kopenhagen wurden, hatte die Gesellschaft
zu jener Zeit einen Doppel-Schraubendampfer von 216 Tons
Reg., einen kleinen Hülfsdampfer von 6 Tons, zwei Schoner
von zusammen ca. 90 Kommerz-Lasten und zwei Jachten von
zusammen ca. 40 Lasten. Die Gegenstände des Betriebes
waren Seehundsfang im Frühjahr, Walrossfang und Wal-
fischfang (letzterer namentlich an der Ostküste von Island),
ferner Dorschfang. Die Ergebnisse des Betriebes in den
Jahren 1866 und 1867 waren die folgenden: Im Jahre
1866 Bruttowerih des Fanges 14.578 Thaler 2 Mark
13 Schilling Unterbilanz nach Abzug des Kasko 60.000
Thaler; im Jahre 1867 Brutto - Ertrag 65.599 Thaler
5 Mark. 12 Schilling, Unterbilanz 30.000 Thaler. Also
trotz der weit besseren Ausbeute im Jahre 1867 er-
gab sich doch ein Verlust von 30.000 Thalern. Die Aus-
gaben, namentlich der Betrag der Partgelder, waren sehr be-
deutend. Bis zum Anfang September vorigen Jahres war
das Betriebs-Ergebniss besonders schlecht, der Seehunds-
fang misslang vollständig, auch der Walfischfang war
belief sich im Ganzen auf sechs Walfische
(wahrscheinlich von den kleineren Arten, denn sechs mittel-
grosse Grönländische Walfische würden ein gutes Ergebniss
gewesen sein). Zu der Zeit, wo mir diese briefliche Mit-
theilung gemacht wurde, stand die Auflösung der Gesell-
schaft in Aussicht. Die Aktien wurden nur zu 10 Prozent
ihres Nominalwerthes notirt. Seitdem ich diese Mitthei-
lung empfangen, hat die Generalversammlung der Gesell-
schaft su Kopenhagen Statt gefunden. Der von dem Dirck-
tor der Gesellschaft, Kapitän Hammer, gegebene Bericht
schlecht, er
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 59
stimmt mit den obigen Mittheilungen. Der Werth des ge-
sammten Fanges war nur 27.404 Thaler (Dänisch). Der
Robbenfang war schlecht. In den Fjorden an der Nordost-
seite von Island herrschten ungewöhnliche Strömungsver-
hältnisse vor, die nach der Meinung des Kapitän Hammer
mit den Erderschütterungen des vorigen Jahres zusammen-
hingen und den Walfischfang gänzlich störten. (Die Ame-
rikanischen Walfischjäger in der Bering-Strasse und dem
Ochotsk-Meer stellen eine ähnliche Vermuthung für die ent-
gegengesetzte Erscheinung auf, dass die bis Anfang Septem-
ber sehr unergiebige Fischerei schliesslich dadurch sehr loh-
nend wurde, dass ganze Züge von Fischen, vom Norden
her kommend, erschienen und dass die Fische, welche nach
der Meinung der Kapitäne „von Grönland durch das offene
Polarmeer” kamen, sehr zahm waren und sich leicht fangen
liessen.) Gegenüber den misslichen Betriebs - Ergebnissen
verlor die Gesellschaft aber doch nicht den Muth zur Fort-
setzung der Unternehmung. Diese wurde vielmehr für die-
ses Jahr dadurch gesichert, dass man beschloss, für 70.000
Thaler Prioritäts-Aktien auszugeben, und dass von diesem
Betrage sofort 51.000 Thaler gezeichnet wurden.
Versuch von Amerikanern, in Island einen Walfischerei-
betrieb zu begründen. — Von besonderem Interesse ist der
Bericht über den Versuch des Walfischfanges mit der Raket-
Harpune, welcher von zwei Amerikanern, Lilliendahl und
Roys, in Island gemacht worden ist. Dieselben liessen sich
1865 unter 65° 18’ N. Br. am Seidis-Fjord nieder. Sie
betrieben den Fischfang mit zwei Schiffen, der Barke „Rein-
deer” von New York, unter Amerikanischer Flagge, und
dem kleinen Schraubendampfer „Visionary”, welcher, in
Schottland erbaut, unter Dänischer Flagge fuhr. Er führte,
auf den Fang ausgehend, ein Paar Walfischboote im Schlepp-
tau. Einen jeden gefangenen Fisch schleppte der Dampfer
in den Fjord herein zum Abflenssen. Im ersten Jahre lie-
ferte der Betrieb keine günstigen Ergebnisse, im folgenden
Jahre wurden 20 Walfische gefangen, darunter 6 Buckel-
Wale. Im Ganzen wurden 900 Tönder Thran gewonnen.
Am Lande war eme Dampf-Thrankocherei eingerichtet.
Im Winter 1865/66 wurde der Holländische Schooner
„Jan Albert” in Dundee zum Schraubendampfer eingerichtet,
und zwar unter dem Namen „Liteno”. Die Besatzung be-
stand aus Amerikanern, Dänen, Schotten, Russen und einem
Polynesier. Man benutzte ferner zwei kleine eiserne
Dampfer, die in Glasgow und resp. in Liverpool erbaut
waren, „Vigilant” und „Stegpiregder”. Ende September
hatten die drei Schiffe nach der Angabe 40 Wale kleinerer
Art gefangen, welche im Ganzen 23- bis 2400 Tönder
Thran lieferten. Diese Unternehmung des Captain Roys ist
aufgegeben worden, weil sie sich nicht bezahlt machte. (Mit-
theilung aus New Bedford.)
_
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestüdte.
Schottische Fischerei in Grönland und der Davis- Strasse. —
Wie früher (,Geogr. Mitth.”, Jahrg. 1867, S. 418) mit-
getheilt, sind es Schottische Häfen, welche noch jetzt zwi-
schen Grönland und Spitzbergen, vorzugsweise aber in der
Davis-Strasse, der Baffin-Bai und den an der Amerikanischen
Seite sich anschliessenden Armen des Polarmeeres einen
ziemlich bedeutenden Walfischfang betreiben.
Im Jahre 1868 !) waren in diesem Betriebe beschäftigt:
von Peterhead 12 Schiffe, unter ihnen vier Dampfer in der
Grösse von 200 bis 295 Tons, während die Segelschiffe
eine Grösse von 130 bis 380 Tons haben; von Fraserburgh
zwei Segelschiffe von 292 und 297 Tons; von Dundee
11 Dampfer und ein Segelschiff mit einem Gesammtgehalt
von 4618 Tons. Die einzelnen Dampfer variiren zwischen
278 und 455 Tons. Kirkaldy war noch durch einen
Dampfer von 452 Tons vertreten, Hull schloss im Jahre
1868 vorläufig seine Grönlandsfahrten, denn die beiden
Fahrzeuge, welche dieser einst in der Walfischerei so be-
deutende Platz noch in diesem Jahre aussandte, der Dampfer
„Ravens Craig” von 452 Tons und das Segelschiff „True
Love”, sind nun aus der Fahrt genommen, da die Unter-
nehmung sich für die Rheder unvortheilhaft erwiesen hat;
eben so scheiden die beiden Schiffe von Fraserburgh aus.
Im Ganzen waren also, wie schon früher angegeben, im
Jahre 1868 39 Schiffe zu einem Gehalt von 8397 Tons von
Schottland aus im Walfischfang beschäftigt.
Blicken wir auf das Ergebniss des Schottischen Robben-
schlages und Walfischfanges im letzten Jahre, so erinnern
wir uns zunächst, dass ein Theil der vorbezeichneten Flotte
auf Robbenschlag und Fischfang zwischen Grönland und
Spitzbergen, ein anderer Theil, besonders die Dampfer von
Dundee, zuerst auf den Robbenfang bei Jan Mayen geht,
dann nach dem Heimathshafen zurückkehrt und gegen
Mitte Mai sich nach der Davis-Strasse auf den Fischfang
begiebt, dass endlich ein Theil in der Cumberland-Strasse
fischt, beziehungsweise zum Zweck der Fischerei an der
Küste zeitig im Frühjahr, unter jenen Breiten überwintert.
Die 15 Schiffe, welche auf Robben- und Fischfang bei
Grönland waren, brachten nur drei Fische, 51.863 Robben
und im Ganzen 637 Tons Thran, was durchschnittlich für
jedes Schiff noch nicht 3500 Robben und 423 Tons Thran
1) Nachstehende statistische Daten sind auf Grund der Mittheilun-
gen des Captain D. Gray von mir zusammengestellt. Ausrüstung und
Einriehtung der Schottischen Walfischfahrer sind seiner Zeit von Herrn
Yeaman schon kurz angegeben. Die „Eelipse”, Captain Gray, z. B.
hat bei einer Grösse von 434 Tons Gross-Register im Ganzen, den
Kapitän mit eingeschlossen, 54 Mann, darunter 7 Harpuniere, 7 Boots-
steuerer &c. An Fischerei-Geräthen wurden unter Anderem 48 Wal-
fischleinen, 40 Lanzen, 36 Gun-Harpunen, 36 Hand-Harpunen bei
8 Booten mitgenommen. Die „Eclipse” geht nur nach Grönland, nicht
nach der Davis-Strasse, und ist auch jetzt (März 1869) wieder dahin
abgegangen; mit ihr 7 andere Schiffe.
12
90 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
ergiebt. Zehn Schiffe kehrten völlig leer zurück, einzelne
dagegen, wie der „Alexander” (mit 11.200 Robben und
130 Tons Thran), waren glücklich. Im Ganzen war es
also ein schlechtes Resultat. Besser war es in der Davis-
Strasse, von wo zehn Dampfer mit 104 Walen bei einem
Thran-Ertrag von 880 Tons (nahe an 21 Millionen Thaler
werth) zurückkehrten, während von der Cumberland-Strasse
vier Schiffe mit 22 Walen und 880 Weissen Walen zurück-
kehrten, unter ihnen zwei, welche überwinterten und daher
18 Monate aus waren. Ein fünftes Schiff überwinterte gegen-
wärtig. Beiläufig sei erwähnt, dass ein Londoner Haus,
Mess'® Anthony Gibbs & Son, eine Sommer- Niederlassung
zum Zweck des Bergbaues und des Fischfanges am Exeter-
Sund unterhielt. Dieselbe ist im vorigen Jahre aufgegeben
worden, nachdem sich ein Verlust von 10- bis 12.000
herausgestellt hat. Der in der Regel sehr glücklich fischende
Dampfer „Camperdown” brachte 1868 19 Walfische (150 Tons
Thran und 11 Tons Barten).
jährigen Reisen mehrerer Schottischer Whaler liegen mir vor.
Während des Druckes erhalte ich aus Schottland noch
einige dankenswerthe Notizen, welche ich summarisch hier
Die Berichte über die vor-
mittheile, besonders deshalb, weil sie die ausserordentliche
in verschiedenen
Es handelt sich um die Erträge der von
Dundee betriebenen Fischerei im Grönlandsmeere und in
und 1868. Der
Brutto-Ertrag der Grönlandsfischerei 1868 belief sich auf
Z: 9563 15 s. Nach Abzug sämmtlicher Parten blieb die
Summe von & 3203 15 =.
Verschiedenheit der Fischerei - Erträge
Jahren darthun.
der Davis-Strasse in den Jahren 1867
Die Schiffe wurden theils von
Kompagnien, theils von Einzelnen ausgerüstet. Während
1867 in der Davis-Strasse von den Dundee’r Schiffen nur
2 Wale gefangen wurden, betrug dieser Fang 1868 von
acht Schiffen 79 Wale! Der Bruttowerth dieses Fanges
war L 49.780. Davon gingen L 12.320 für Antheile ab
und blieben somit EL 37.460, dazu der Ertrag der Grön-
ländischen Fischerei ergiebt zusammen EZ 40.663 15 s. Für
Versicherungen und Provisionen der Schiffe — die zwei
verlorenen bleiben hierbei ausser Rechnung — geht die
Summe von L 25.200 ab; es bleiben also noch E 15.463
15 s., wovon wiederum noch ein Betrag für Reparaturen
der Schiffe abgehen würde. 1867
des Robbenfanges LE 32.069, der des Walfischfanges nur
& 1777 10 s., die Unkosten waren EL 51.660, somit ein
Verlust von EL 17.818.
war der Bruttowerth
Schwierigkeiten der Fischerei in der Davis-Strasse. —
Die eigenthümlichen Schwierigkeiten, welche sich den auf
den Fischfang in jenen Strassen und Baien ausgehenden
Fahrzeugen durch Eis, Winde und Strömungen bieten, sind
von Hayes in seiner Polarreise auseinandergesetzt worden.
In der Mitte der Strasse treiben Eismassen (Berge, Felder
und Flarden), welche der Fischer Mittel-Eis (middle ice)
oder kurzweg „the pack” nennt, und zwar zuweilen bis
hinab an die Grenze des Polarkreises. Stets in Bewegung,
bald nach dieser, bald nach jener Richtung, pressen sie sich
je nach den Winden und Strömungen oder zerstreuen sich
und öffnen auf diese Weise der Schifffahrt schmale oder
breitere Bahnen. An irgend einer Stelle muss aber dieses
Mittel-Eis von den Schiffen „genommen” werden, denn die
Fischerei beginnt an der Küste von West-Grönland bei der
Insel Disco mit dem East Side fishing und bei Kap York _
(der Grenze der geographischen Melville-Bai, während die
Melville-Bai der Walfischfänger einen grossen Theil der
Baffin-Bai mit begreift) oder etwas höher hinauf müssen die
Schiffe das Landwasser der Amerikanischen Seite zu ge-
winnen suchen. Bei ungünstigen Verhältnissen bringen die
Schiffe Wochen und selbst Monate auf dieser Fahrt zu und
in der Regel ist sie sehr gefährlich. Erst im August ist
durch die doppelte Einwirkung der Polar-Strömungen !) und
der Sonne das Mittel-Eis an Masse und Stärke am erheb-
lichsten verringert. Die Whaler müssen früher durchgehen.
Im vorigen Jahre unternahmen die Schiffe diese Fahrt meist
schon gegen Ende Juni, ohne auf Schwierigkeiten zu stossen,
Ein an Bord des Dampfers „Narwhal” geführtes Tagebuch
sagt: „So viel freies Wasser hatte man seit 20 Jahren
nicht gesehen”. Diese Erscheinung wurde den fortwährend
Gleich-
wohl”, so heisst es dort weiter, „sind wir unseres Schiffes
vorherrschenden Nordost- Winden zugeschrieben.
nicht für eine halbe Stunde sicher, so lauge wir durch die
Jedermann
an Bord hat seine Sachen gepackt und bei der Hand, um sie,
Der
Dampfer „Wildfire”, Captain Hay, war nicht so glücklich
Melville-Bai gehen. "Alle schlafen angekleidet.
wenn nöthig, sofort aufs Eis werfen zu können” &e.
als der „Narwhal”. Nachdem er bei. Hare Island und in
der Nordost-Bai bis zum 3. Mai gekreuzt, unternahm er
schon um diese Zeit die Fahrt nach dem „Westlande”, das
Schiff wurde aber am 12. an der Schraube durch Treib-
eis schwer beschädigt, musste in der Dänischen Kolonie
Holsteinborg reparirt werden, ging von Neuem aus, bekam
wiederum ein schweres Leck und musste am 17. Juli als
vollständiges Wrack verlassen werden. Ein gleiches Schicksal
traf den neu erbauten eisernen Dampter „River Tay” 2) (von
510 Tons Register), welcher seine erste Reise nach der
Davis-Strasse machte, nachdem er im Frühjahr in Grönland
mit Erfolg auf dem Robbenschlag gewesen war. Der „River
!) Bei Kap York vereinigt sich der um Kap Farewell herum nord-
wärts fliessende Polar-Strom mit dem aus dem Smith-, Jones- und Lan-
easter-Sund kommenden und beide Ströme nehmen ihren Weg südwärts,
an Labrador und Neu-Fundland vorüber.
2) Herr Yeaman erwähnte in seinem Bericht diesen Dampfer als
im Bau begriffen.
Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse. 91
Tay” hatte Lerwick ') am 12. Mai verlassen und war nach
einer schnellen Reise von nur 19 Tagen schon am Eise
(auf 63° 20’ N. Br. und 59° W. L.). Zwar kam das
Schiff glücklich am 24. Juni zur Ponds-Bai, am 17. August
aber bei Agnes Monument steuerbords in schwere Kollision
mit dem Eise und sank trotz angestrengtester Arbeit an den
Pumpen. Man konnte eben noch rechtzeitig zu einem Eis-
felde dampfen, um das Nöthigste und alle Menschenleben
zu bergen. (Versicherter Werth des Schiffes L 7000.) Der
„River Tay” war zu L 19.000 (nach der Angabe des Dundee
Advertiser vom 26. Okt. 1868) versichert. Diese Erfahrung
spricht also wiederum gegen die Verwendung eiserner Schiffe
in arktischen Gewässern. Ausserdem ging noch ein als
Kohlentender mit hinauf gesandtes Schiff, die „Columbia”,
100 Miles vom „Ostlande” (West-Grönland) entfernt ver-
loren 2).
Die Hauptfischplätze waren im vorigen Sommer auf der
Westseite die Ponds-Bai, Coutts Inlet, die Scott- und die
Home-Bai. Im Laufe der Jahre haben sich die Züge der
Schiffe mehrfach verändert. Wenn es jetzt als das Zweck-
dienlichste zur Gewinnung einer möglichst grossen Menge
Thran erachtet wird, die grösseren Dampfer erst auf den
Robbenschlag bei Jau Mayen gehen und dann den Rund-
lauf Ost und West der Davis- Strasse machen zu lassen,
gingen die Schiffe Anfangs der dreissiger Jahre im April
weg, und zwar zuerst nach der Küste von Labrador oder
der Cumberland-Strasse, zur „Südwest-Fischerei”. Sie kreuz-
ten dann nach der Ostküste der Strasse und fischten in der
Nordost- und Südost-Bai und in Hornsund. Im Juli gingen
sie durch die Baffin -Bai hinüber nach Lancastersund, zu-
weilen auch in die Barrow-Strasse hinein. Auf der Rück-
kehr wurden dann die noch jetzt frequentirten Fischplätze
der Ponds-Bai, Home-Bai u. a. aufgesucht. Die Entdeckungs-
reisen von Ross und Parry und die Berichte über reiche
Fischgründe in den höheren Breiten, besonders im Nord-
westen der Baffın-Bai, hatten wesentlich dazu beigetragen,
dass die Fischerei wieder ergiebiger wurde, und es liegt
darin wiederum ein Beweis, dass die Polar-Expeditionen
auch eine hohe praktische Bedeutung haben.
Katastrophe im Jahr 1830 in der Melville-Bai. — Wenn
man von dem Walfischfang in jenen Gegenden spricht, darf
man die Katastrophe des Jahres 1830 nicht unerwähnt
lassen, wo 20 Schiffe — 19 Englische und ein Französi-
1) Auf den Shetland-Inseln pflegen die Schiffe ihre Mannschaft zu
vervollständigen. Nach einer mir freundlichst von Herrn Sheriff A. Mure
gewordenen Mittheilung nimmt in Lerwick oder einem anderen Platze
der Shetland-Inseln jedes Schiff noch ungefähr 25 Mann an.
2) Der Brief des Kapitäns mit dieser Nachricht nahm einen merk-
würdigen Weg. Er ging mit einem Kryolith-Schiff von Ivikät nach
Philadelphia und von da nach Schottland.
sches — im Mittel-Eis bei der Melville-Bai verloren gingen.
Dieses Ereigniss versetzte den arktischen Fischerei-Unter-
nehmungen seinen empfindlichsten, lange Zeit nachwirken-
den Schlag. Wir finden es ausführlich in dem zu Edinburg
(Oliver & Boyd) erschienenen Werke „Discovery and Ad-
venture in the Polar Seas and Regions, by John Leslie,
Robert Jameson and Hugh Murray” !) beschrieben, und zwar
auf Grund verschiedener Schiffsjournale und der Mittheilung
von Augenzeugen. Hinsichtlich der Einzelheiten verweisen
wir daher auf diesen Bericht.
Die Scene war bei Kap York (75° N. Br.). Südwest-
liche Stürme hatten im der Zeit vom 19. bis 26. Juni
furchtbare Eismassen gegen das hier bedeutend vorsprin-
gende Land getrieben. Die Schiffe waren in verschiedenen
Abtheilungen zerstreut, sie wurden zum Theil völlig zer-
trümmert, zum Theil schwer beschädigt.
Merkwürdiger Weise ging bei den Schiffbrüchen nicht
Ein Menschenleben verloren, Alle, etwa 1000 Mann, retteten
sich aufs Eis. Sie konnten auch noch Lebensmittel genug
bergen und kampirten nun bis Ende Juli auf dem Eise. Ich
kann mir nicht versagen, wenigstens eine charakteristische
Stelle des Englischen Berichtes hier zu citiren:
„So waren sie wie Ausgesetzte in dem ödesten Theil
der Erde, ohne sichere Aussicht der Rückkehr noch auch
der Existenz. Gleichwohl ist der Geist der Britischen See-
leute so elastisch, dass, nachdem der erste Schrecken vor-
über war, sie sich, in dem Gedanken, jetzt ihre eigenen
Herren zu sein, der Freude hingaben. Unglücklicher Weise
befanden sich bedeutende Quantitäten Wein und Spirituosen
unter dem Bergegut und es begann nun ein allzu lustiges
Leben mit Tanz und Gesang, wobei die heiteren Franzosen
den Reigen anführten. Daher der Name „Baffin Fair”.
Die Französischen Matrosen meinten, in ihrem Leben nie-
mals so vergnügt gewesen zu sein wie hier auf’den öden
Eisflächen der Baffin-Bai. Von einer Zeltgruppe zur an- .
deren wurden Exkursionen gemacht und man stellte einen
regelmässigen Verkehr zwischen den nördlichen und süd-
lichen Abtheilungen der Flotten her, den man scherzweise
die Nordische Post nannte.”
Am 21. Juli konnten einige Schiffe den ersten Versuch
wagen, sich aus dem Eise herauszuarbeiten. Die Seeleute
der verlorenen Schiffe waren auf die übrigen vertheilt
worden. Ende August bis 10. September kamen die Schiffe
endlich auf die andere Seite und glücklich in offenes Wasser.
Der Verlust und Schaden an Schiffen und Schiffsinventar
betrug LE 142.600. -
Es heisst in dem Bericht des Bremer Schiffes „„Hanseat”,
Kapitän Harm Haake, wie folgt:
1) Die letzte Ausgabe ist, wenn wir nicht irren, 1857 erschienen.
12 *
92 Die heutige Fischerei Europa’s zwischen Grönland und Spitzbergen und in der Davis-Strasse.
„In der Melville-Bai, Mitte Juni, kam das Eis durch starke Stürme
aus Südwesten in eine solche Pressung, dass der Kommandeur täglich
Gefahr lief, das Schiff zertrümmert zu sehen. Er musste eine Zeit
lang mit dem Volke auf dem Eise kampiren, da durch den Druck der
furchtbaren Eismassen die Nähte im Schiffe, die Deckplanken zollweise
aus einander standen, das Schiff im Kreuz verbogen war und selbiges
voll Wasser lief. In einer Runde von wenigen Meilen um ihn wurden
19 Schiffe zerdrückt, wovon mehrere dicht vor seinem Angesicht. Schon
hatte er sich entschlossen, seine Mannschaft, die um 20 Englische Ma-
trosen, welche sich zu seinem Schiffe geflüchtet hatten, vergrössert und
schon länger auf Rationen gesetzt war, nach den Dänischen Kolonien
zu schicken und selbst mit einigen Wenigen an Bord zu bleiben, um
dort sein ferneres Schicksal zu erwarten, als den 14. September eine
Spalte ins Eis kam, die sich nach und nach erweiterte und es ihm
möglich machte, mit ausserordentlicher Anstrengung sieh hindurch und
endlich auf freies Wasser zu arbeiten. Das Schiff hatte bedeutend ge-
litten und war so leck, dass es nur mit der grössten Mühe durch
Pumpen oben erhalten werden konnte. Der Kommandeur liess es durch
seine Leute so viel als möglich kalfatern und am 26. Oktober kam das
Schiff glücklich auf der Weser an. Dem Kommandeur”, so fügt der Be-
richt hinzu, „gereicht es zur grossen Ehre, dasselbe noch übergebracht
zu haben, denn von manchem andern nieht so energischen Mann wäre es
gewiss verlassen worden.”
Ein ähnliches Abenteuer bestand im Juli 1862 das
Bremer Schiff „Hudson” mit mehreren Englischen Schiffen,
von welchen letzteren zwei verloren gingen. Nachdem sie
fünf Wochen im Eise festgesessen und oftmals Angesichts
der drohenden Gefahr sich auf das Eis hatten flüchten
müssen, gelang es bei günstigem Winde, und indem durch
Sprengen des Eises mit Pulver nachgeholfen wurde, freies
Wasser zu gewinnen. Der „Hudson” kam erst am 12. Okt.
auf der Weser an.
Bei dieser Gelegenheit mag noch erwähnt werden, dass
der „Hudson” im Sommer 1860, um nach Walfischen zu
suchen, nördlich von Nowaja Semlä vordrang und ohne er-
hebliches Hinderniss die Breite von 78° 54’ und 57° 18’
Ö. L. erreichte (am 18. Juli).
Aussage des Kapitäns Brummerhop grösstentheils leicht.
Unvergessen wird die Leidensgeschichte des Englischen
Schraubendampfers „Diana” sein, welcher in der Baffın-Bai
Anfangs September 1866 zuerst auf dem 72. Grad, etwa bei
Kap Liverpool, besetzt wurde und bis zum 17. März 1867
im Eise eingeschlossen blieb, wobei die Mannschaft durch
Hunger und Kälte den furchtbarsten Leiden ausgesetzt war
und ihnen zum Theil unterlag. Das zuletzt von dem
Dampfer „Intrepid” gesehene Schiff hatte man in England
längst aufgegeben, als Schiff und Mannschaft im elendesten
Zustande in Roenessyoe (Hebriden) ankamen. Das Schiff
war Mitte September von der Clyde-Bai bis nach der Fro-
bisher-Bai (8 bis 9 Grad) im Eise herabgetrieben. Zuletzt
war es den Leuten gelungen, zum Theil ebenfalls mit Hülfe
von Sprengungen, frei zu kommen, und sie legten dann
noch auf der Heimreise 1800 Engl. Meilen auf dem halb-
wracken Schiffe zurück.
Das Eis fand sich nach der
Noch ist der Fischerei der Amerikaner in der Hudson-
Bai und Cumberland-Strasse zu gedenken.
sche Fischerei
Die Amerikani-
in den nördlichen Breiten auf dieser Seite
des Amerikanischen Kontinents ist verschwindend gering im
Vergleich zu ihrem, Hunderte von Schiffen zählenden, Be-
triebe im Atlantischen und Stillen Meere, so wie in den
‚- arktischen Gewässern Asiens und des westlichen Amerika.
Sie beschäftigt nach der mir vorliegenden Liste des New
Bedford Whaleman noch neun Schiffe von im Ganzen
1073 Tons, hauptsächlich von New London. Im Jahre
1867 zählte die Amerikanische Hudson’s Bay and Cumber-
land Inlet Fleet noch 19 Schiffe, darunter einen Dampfer.
Ein Theil dieser Flotte, 13 Schiffe, kehrte mit einem Fang-
ergebniss von 4708 barrels Walfischthran und 81.940 Pfd.
Fischbein zurück, sechs überwinterten. (Der
Dampfer ging verloren.) Im Jahre 1868 bestand diese
Flotte aus 12 Schiffen. Ein Schiff ging verloren, sieben
überwinterten jetzt dort. Diese Fischerei hat, wenn sie auch
während
nicht eben sehr ergiebig ist, einige Vortheile im Vergleich zu
derjenigen im Pacific: Reparaturen in fremden Häfen, die
immer kostspieliger, kommen nicht vor, ferner sind in der
Regel die Beschädigungen an Schiff, Tauwerk, Segel &e.
geringer, die Kupferung des Schiffes ist nicht erforderlich,
endlich können keine Desertionen von Offizieren und Mann-
schaften vorfallen, weil die Schiffe nirgends als da, wo sie
fangen oder überwintern wollen, anlegen. Die Amerikani-
sche Fischerei wird hauptsächlich bei Southampton-Island,
Cape Fullerton, und Northumberland-Inlet betrieben. Die
Dauer der Reisen ist 6 bis 18 Monate, der Durchschnitts-
ertrag eines Fisches 100 bis 120 barrels Thran.
Ehedem, als die Vereinigten Staaten noch Englische
Kolonie waren, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts,
war ein ziemlich bedeutender Betrieb, Walfisch- und Robben-
fang, Seitens der Amerikanischen Kolonisten mit Hülfe der
Eingeborenen bei Neu-Fundland, an der Küste von Labra-
dor und am Golf von St. Lawrence und die Englische Re-
gierung half durch Prämien, Zollfreiheit &e. nach, so dass
die Zahl der Schiffe bis auf 300 stieg (1767). Schon früher,
Ende des 17. Jahrhunderts, war der Walfischfang weiter
südlich, von der kleinen Insel Nantucket, in Angriff ge-
nommen und damit waren die Anfänge zu dem Amerikani-
schen Walfischfang gemacht, ein Betrieb, der die Unter-
nehmungen aller anderen Nationen an Umfang und Erfolg
weit zurückgelassen hat. Ein Überblick auf diesen gross-
artigen Betrieb und die Mittheilung des Antheils, welchen
Deutsche Seestädte und Deutscher Seehandel daran nehmen,
soll meine Betrachtung schliessen.
Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 93
V, Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean und in den
arktischen Gewässern Asiens und Amerika’s.
Hervorragender Antheil der Nord- Amerikaner an dieser
Fischerei. — Was die Holländer einst in der Grönlands-
fischerei waren, das sind die Nord-Amerikaner heute auf
unvergleichlich ausgedehnteren Meeresgebieten in weit gross-
artigerem Maassstabe. In Hinsicht auf die Menge der ver-
wendeten Fahrzeuge, auf Zahl der Mannschaft, auf Ausbil-
dung und praktische Erfahrung in dem Betriebe, endlich
auf Ausdauer und glückliche Erfolge kann sich im Gebiete
dieser Grossfischerei kein anderes Volk auch nur entfernt
mit ihnen messen.
Der Überblick über die Amerikanische Fischerei und
den Antheil, welchen die Nationen Europa’s und namentlich
die Deutschen an jenem Betriebe haben, mag durch eine
Skizze eingeleitet werden, welche mir ein Deutscher Lands-
mann, Herr M. E. Pechuel aus Zöschen bei Merseburg, in
freundlichster Weise zur Verfügung gestellt hat. Herr
Pechuel hat im Jahre 1865 auf dem Amerikanischen Schiffe
„Massachusetts” von New Bedford als Whaler das Stille
Meer und die Bering-Strasse besucht, kennt also den Be-
trieb aus eigener Praxis und theilt hier nun seine Beobach-
tungen in Bezug auf die Wale jener Gewässer mit.
Briefliche Mittheilung des Herrn M. E. Pechuel über
seine Erfahrungen in Bezug auf den Fischfang in der Süd-
see und Bering-Strasse. — Die Kenntnisse, welche ich wäh-
rend meiner-Reisen über die Wale und deren Fang erlangt
habe, stelle ich Ihnen sehr gern zur Verfügung, und zwar
so, dass ich meine eigenen Erlebnisse und Beobachtungen
wiedergebe, wie ich sie in meinem Tagebuche verzeichnet
finde, und mich nur dann auf das Gebiet der Theorie wage,
wenn ich das Aufstellen einer solchen verantworten kann.
Allgemeines. — Eine genaue Kenntniss der physischen
Geographie der See ermöglicht allein eine Bestimmung be-
züglich der Verbreitung der Wal-Arten, da die letztere
lediglich von klimatischen Verhältnissen abhängt, in so fern
die Temperatur des Wassers und das Vorkommen der nöthi-
gen Nahrung dadurch bedingt werden.
Wo Küsten- und Bodenformationen auf die Strömungen
der See einwirken, sie ablenken und theilweise zum Kreis-
lauf zwingen, werden sich auch grössere Futtermengen an-
sammeln und dort wird man auch die Cetaceen zu suchen
haben; sollte man sie, wie häufig, auch noch anderweit an-
treffen, so lässt sich annehmen, dass sie nur eine sogenannte
„Passage” machen, d. h. dass sie von einem unzureichend
gewordenen Weideplatze zum anderen ziehen.
Letzteres ist denn auch den alle Meere durchstreifenden
Walfischfängern wohlbekannt, und findet einer derselben
einen besonders ergiebigen Fangort, so hütet er sich wohl,
seine Entdeckung zu verrathen. Seltsame Mythen cirkuliren
unter den „Speckjägern” über das fabelhafte Glück mancher
Kapitäne und das Abenteuerliche des Gewerbes reprodueirt
sich wieder in phantasiereichen Sagen, die fortleben werden,
so lange die Wale uns Thran liefern.
Das Blasen der Wale. — Über das „Blasen” der Ceta-
ceen habe ich ganz spezielle Beobachtungen anzustellen
Gelegenheit gehabt. Sie treiben keine Wasserstrahlen aus,
sondern nur Luft, welche aber durch den von dem gewaltig
ausströmenden Athem mit fortgerissenen feinen Wasserstaub
sichtbar gemacht wird.
Bei allen Repräsentanten der grossen Familie habe ich
es allerdings in nächster Nähe gesehen, dass unmittelbar
nach dem Auftauchen und beim ersten Ausstossen des
Athems zuvörderst etwas Wasser aufspritzt, doch muss
dieses von aussen-in die Blasröhre eingedrungen sein, da
es zuerst und zwar in breiter unbestimmter Form aus-
geworfen wird, während die nachfolgende Dunstsäule des
eigentlichen Athems stets in bestimmter Form und Rich-
tung aufsteigt. Noch deutlicher zeigt es sich, wenn der
Wal tödtlich verwundet ist und nun Blut auswirft. Der
dicke rothe Strahl oder auch Doppelstrahl zeigt sich kon-
form mit der vorher bemerkten Athemsäule; das, wie ich
annehme, zufällig ausgeworfene Wasser thut es niemals,
sondern scheint einfach als lästiger Eindringling ausgehustet
zu werden. Der ganze Prozess wird uns in jeder Bade-
anstalt veranschaulicht, wenn ein Schwimmer sich während
des Schwimmens die Nase ausbläst.
Auf den oft gemachten Einwurf, dass, wenn auch in
kalten Breiten der verdichtete Athem sichtbar sei, diess
doch in den Tropengegenden nicht gut möglich wäre, lässt
sich entgegnen, dass ein Unterschied in der Dauer der
Sichtbarkeit ganz entschieden bemerkbar ist, ein Unter-
schied, der bedingt wird durch Grösse der Dunstsäule, Tem-
peratur und Wind. Warme und trockene Luft wird die
Wassertheilchen leichter verschwinden lassen als kalte
oder feuchte Luft. Der Athem des Potwales zeigt sich in
buschiger und niedriger Form und, weil meist nur in war-
men Gegenden, verfliegt schnell; der Athem der hoch blasen-
den Bartenwale, die meist kalte Breiten frequentiren, ist
viel länger sichtbar und ich erinnere mich windstiller Tage
im nördlichen Eismeer, an welchen der ausgestossene Athem
in kleine Wölkchen geballt minutenlang über dem blasen-
den Thiere hing. Beobachten wir das Dampfrohr einer
Fabrik unter verschiedenen Witterungsverhältnissen, so wer-
den sich ähnliche Erscheinungen zeigen.
94 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e.
Betonen möchte ich nur in Bezug auf das Blasen aller
Cetaceen, dass der Athem nicht so sehr durch die von’
Lokaleinflüssen abhängende Verdichtung sichtbar gemacht
wird, sondern von vorn herein schon sichtbar ist durch
den von innen mitfortgerissenen Wasserstaub. Diese Über-
zeugung wurde mir aufgedrungen durch die Thatsache, dass
der Dunststrahl unmittelbar über dem Blasloch am deut-
lichsten hervortritt, während bei Statt findender Verdichtung
derselbe gerade am Ausströmungspunkte am wenigsten be-
merkbar sein müsste.
Die Frage, wo der beigemengte Wasserstaub herkommt,
beantwortet sich von selbst bei einem Thiere, dessen Fress-
Diese
Eigenthümlichkeit mag auch dazu dienen, die Angaben vieler
glaubwürdiger Beobachter, dass sie einen wirklichen Wasser-
strahl gesehen hätten, zu erklären; ehe ich die Letzteren
einer Ungenauigkeit zeihe, möchte ich annehmen,
zelne der Cetaceen gestrandet und geängstigt sich, wie man
so sagt, verschluckt haben und dann das eingedrungene
Wasser theilweise durch die Blaslöcher auswarfen.
werkzeuge nur unter Wasser gebraucht werden.
dass ein-
Erwähnenswerth möchten hier einige Beobachtungen
sein, die ich im arktischen Meere gemacht habe, und zwar
nur in Bezug auf den „Bogenkopf”, Balaena mysticetus. Viele
dieser Thiere, in einem geschützten Wasserloche zwischen
dem Eise liegend und im Gefühle der Sicherheit und Sät-
tigung langsam und ruhig athmend, vielleicht schlafend,
hatten trotz der niedrigen Temperatur gar keinen sichtbaren
Athem. Ich hörte sie, sah auch den riesigen Kopf in näch-
ster Nähe, konnte aber trotz des gebrauchten Fernrohres
keine Spur von etwa ausgestossenem Dunst erkennen. Solche
Fälle ereigneten sich nur bei Windstille und klarem, son-
nigen Wetter.
Andererseits habe ich den Mysticetus eirca 15 Fuss hoch
blasen sehen (als verglichen mit dem Bootsmast) und zwi-
schen beiden Extremen liegen so viele Möglichkeiten, dass
häufig auch der erfahrenste „Ausguck”, durch das Blasen
auftauchender Robben verleitet, momentan getäuscht wird.
Einmal hatte ich das seltene Glück, einen Mysticetus „füt-
ternd” zu beobachten.
uns entfernt sein und durch zwischen uns und ihm liegen-
Er mochte eine Schiffslänge von
des Eis gesichert schob er sich langsam an der spiegel-
glatten Oberfläche des Wassers entlang, „scooping”, wie die
Walfischfänger es nennen.
Maul nach unten aufklappte und die umherschwimmende
Nahrung „aufschaufelte”;
durch die Zunge verdrängt das überflüssige Wasser über
den Rand der ungeheueren Unterlippe, Wirbel an der Ober-
fläche der See erzeugend. Dieses beobachtete ich fünf Mal,
während der Wal, dessen Oberkopf nicht unter Wasser ging,
Ich sah, wie sich das grosse
langsam sich schliessend, quoll
in dieser Zeit acht Mal blies, und zwar die gewöhnliche
Athemsäule, ruhig und langsam, ohne jeden Wasserstrahl.
Die kleinen, so häufig am Schiffe spielenden Delphine
blasen ihrer Kleinheit angemessen ganz so wie ihre riesi-
gen Vettern; da sie meist nur die einzigen Repräsentanten
der Walfischfamilie sind, welche von Vielen gesehen wer-
den, so beweisen gerade hier die vielen widersprechenden
Angaben, dass es nöthig ist, sehen zu lernen, um beobachten
zu können.
Die Wal-Arten. — Die geographische Verbreitung der
Cetaceen macht es möglich, drei Hauptgruppen anzunehmen,
und auf das schon am Anfang dieser Mittheilung Gesagte
Bezug nehmend will ich mich in den Schranken meiner
eigenen Erfahrung halten.
Sie zerfallen demnach in:
1) Wale, welche nur in warmen Gewässern leben,
2) Wale, welche nur in kalten Gewässern leben,
3) Wale, welche in beiden leben.
Der Gruppe 1 gehört der Potwal, Physeter maerocephalus, an.
Die Gruppe 2 zerfällt in zwei Uuterabtheilungen '):
2a. Der sogenannte Echte Bartenwal (right whale), Balaena australis?
Er hält sich zwischen den Tropen- und den Polar-Meeren auf.
2b. Der sogenannte Bogenkopf (bow-head), Balaena mysticetus.
Er hält sich nur in den Polar-Meeren, vorzüglich in der Nähe des
Eises auf oder in von dort kommenden Strömungen.
Beide Arten gehen nie von einer Hemisphäre zur an-
deren, weil sie die heisse Zone nicht passiren können.
Zur Gruppe 3 gehören viele Arten der Finnfische (fin-back)
und der blutdürstige Drescher oder Mörder, Delphinus orca.
Sie sind die echten beutegierigen Vagabonden; Finnfische so-
wohl als auch Mörder sah ich nicht nur in den Tropen-, son-
dern auch in den Polarmeeren. Gefangen habe ich sie nie.
Der Walfischfänger verfolgt hauptsächlich drei Arten
der Cetaceen:
1) den Potwal,
2) den Echten Bartenwal (right whale),
3) den Bogenkopf (bow-head),
ausserdem noch den Hump-back, Devil-fish, Black-fish &e.,
welche ich wohl gesehen, aber, den Black-fish ausgenommen,
nie gefangen habe.
!) Bei dieser Mittheilung des Herrn Pechuel sei es mir gestattet,
ein Paar Worte von Gray, dem berühmten Englischen Zoologen, zu ci-
tiren. In Beziehung auf die geographische Vertheilung der Right Whales
liegt nach Ansicht Dr. J. E. Gray’s — On the geographieal Distribution
of the Balaenidae or Right Wales. Annals of natur. History. Lon-
don, Nr. 4, 1868 — noch kein genügendes Material vor, um zuver-
lässige Angaben zu machen. Dass der Wal der Bering - Strasse der-
selbe .sei, der in der Baffin-Bai gefangen wird, ist nach Gray’s Ab-
handlung noch nicht ausser allem Zweifel. Captain Roys glaubt es
(Maury Whale-charts). Gray unterscheidet folgende zehn Arten Ba-
laenae: 1) Balaena mysticetus, Grönland ; 2) Balaena biscayensis, Küste
von Spanien; 3) Balaena australis und 4) Balaena Temminckii, beim Kap
der Guten Hoffnung; 5) Balaena antipodarum, Neuseeland; 6) Balaena
australiensis und 7) Balaena marginata, an den Küsten Australiens, letz-
terer nur durch einige Blätter Fischbein bekannt; 8) Balaena japonica,
von Japan; 9) Balaena nodosa, an der Küste von Nord- Amerika;
10) Balaena ceisaretica, der black- whale der Ostküste der Vereinigten
Staaten, vielleicht derselbe wie Balaena nodosa.
Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e.
Meine Erfahrungen beschränken sich auf die drei erst-
genannten Arten und sind folgende:
Der Potwal. — Der Potwal ist der nobelste und ge-
fährlichste unter allen Walen. Er weiss nicht nur seinen
mächtigen Schwanz äusserst wirksam zu gebrauchen, son-
dern attakirt auch, gleich einem Widderschiff, was ihm in
den Weg kommt, (sein kolossaler Kopf scheint eigens dazu
geschaffen zu sein) und zermalmt in seinem langen, doch
schmalen Maul ein Boot mit grösster Leichtigkeit. Ich
habe einen dieser Burschen ein solches Fahrzeug mit seinen
Kinnladen vollständig vernichten sehen (zwei solcher Fälle
wurden im September v. J. von einer Valparaiso - Zeitung
berichtet).
Die Potwale gehen meistens in Schulen, die 10 bis 30
Stück zählen, wenn aber viele Weibchen (welche geringer
sind) unter der Aufsicht einiger mächtiger „Schulmeister”
schwimmen, so mag deren Zahl, wie ich einmal selbst ge-
sehen habe, weit über 100 betragen. Alte griesgrämige
Bullen sondern sich, wie das ja auch bei anderem Wilde
Statt findet, häufig ab und gehen ihren eigenen Weg.
An einem der letzteren machte eins. unserer Boote fest,
der Wal tauchte vertikal hinab, und ehe wir unseren
Kameraden zu Hülfe eilen konnten, das heisst, ehe wir
eine Strecke von circa 200 Fuss überruderten, um unsere
Leinen anzuspleissen, waren deren Leinen, 2100 Fuss lang,
abgelaufen und mit dem Thiere auf Nimmerwiedersehen
verschwunden. Das Gänze konnte nicht drei Minuten im
Anspruch ‘genommen haben und wir alle waren so über-
rascht durch diesen plötzlichen Abschied, dass wir verblüfft
einander anschauten.
Wenn in Schulen beisammen, hauptsächlich an schönen,
klaren Tagen, scherzen die Potfische auf die wunderlichste
Weise. Mit dem Kopf nach unten stehend, so dass der
Schwanz zum Wasser herausragt, schlagen sie mit dem-
selben schnell vier bis acht Mal vor- und rückwärts, em
gewaltiges Getöse verursachend, oder sie springen auch voll-
ständig aus dem heimischen Element heraus, so dass der
Riesenleib momentan in seiner ganzen Grösse sichtbar ist.
Derartige Sprünge, von solchen Ungethümen ausgeführt, sind
wunderbar anzuschauen. Ähnliche Spiele oder vielleicht
auch nothwendige Reinigungs- und Vertheidigungs-Maass-
regeln habe ich bei allen Cetaceen beobachtet, nur dass
die mehr plump gebauten und auch fauleren Echten Barten-
wale sich viel ungeschiekter anstellen. Überhaupt sind alle
mit Zähnen versehene Wale, da sie ihre Beute erhaschen
müssen, aus natürlichen Ursachen viel gewandter als die-
jenigen, welche bloss Fischbein zum Durchsieben des Was-
sers haben.
Der Potwal ist schlank und mit Ausnahme des kolos-
salen Kopfes sehr gelenkig, sein Querschnitt ist ein Oval
95
mit der grössten Axe von oben nach unten, während bow-
head und right whale mehr rund, dick und kurz sind.
Seine grösste Länge wird 70 Fuss wohl niemals über-
schreiten, doch sind mir vielfach fabelhafte Maasse an-
gegeben worden.
Grosse Potwale. — Der berühmteste Potfisch ist wohl
New Zealand Tom, eine Grösse, die mehr Berechtigung zur
Existenz hat als die hier und da auftauchende Seeschlange.
Ich habe seine Bekanntschaft nie gemacht, er soll wenig-
stens 300 Fass besten Thranes immer noch zu retten ge-
wusst haben, sein Rücken ist mit Harpunen so gespickt, dass
er einem Stachelschwein ähnelt, und manches schöne Boot,
viele tausend Faden Leinen, das Andenken manches durch
. ihn als einen sehr
ihn verunglückten „Speckjägers” lassen
theueren und noch immer zu erringenden Preis erscheinen.
Sein Name besagt, wo seine Hauptstation ist, und er geht
immer allein; gewiss ist, dass das Schiff „Adonis” ihn einst
Eine
ganze Flotte von Booten verfolgte den braven Burschen,
in Gemeinschaft mit vielen anderen Schiffen jagte.
aber der unermüdliche Tom zerstörte neun davon vor dem
Frühstück und zwang die anderen, vom Kampfe abzulassen.
Solche „fechtende Wale” haben sich an vielen Orten einen
berühmten Namen gemacht, ähnlich wie ein „Hauptschwein”
oder ein „Kapitalhirsch” unserer Forsten im Munde der
Nimrods fortleben. |
Gefahren und Abenteuer bei der Fischerei. — Einem
höchst interessanten Kampfe, der überdiess von merkwür-
digen Nebenumständen begleitet war, wohnte ich nördlich
von den Sandwich-Inseln bei, 30° N. Br. und 165° W. L.
Bei vollständiger Windstille erschienen plötzlich an 60 Potwale
dicht am Schiff, meistens kleine Weibchen, von mehreren riesigen „Schul-
meistern” begleitet. Hier sah ich zum ersten Mal Gruppen von sechs
bis zehn in wollgeordneten Reihen schwimmen. Wir machten an einem
der Schulmeister fest, die anderen verschwanden wie immer sofort.
Es war am frühen Morgen, vier Boote waren auf dem Kampfplatz und
trotz aller Anstrengungen gelang es uns nicht, auch nur noch eine ein-
zige Harpune anzubringen.
Sobald der Wal das Eisen (die Harpune) fühlte, spie er ein un-
gefähr mannsgrosses Stück eines eben gefangenen Cephalopoden aus und
ging unter Wasser. Sein baldiges Wiedererscheinen war das Signal
zum allgemeinen Angriff, doch wusste er geschickt auszuweichen und
so meisterhaft zu attakiren, dass wir auf eigene Rettung bedacht sein
mussten. Das Ganze, wenn auch recht gefährlich, erschien uns dennoch
sehr komisch und die Betheiligten, animirt, zogen wie die Griechen mit
heroischem Geschrei zum Kampfe, nur um im nächsten Augenblick zu
beweisen, dass die Vorsicht der beste Theil des Muthes sei. Wir waren
ohne Frühstück vom Schiffe weggerudert und am Mittag war der Hun-
ger unser unwillkommener Gast, aber „Bill”, wie ihn die Leute nann-
ten, war nicht gewillt, uns seinen Speck zu überlassen. Nach jedem
hitzigen Gefecht zog er sich in die unergründliche Tiefe zurück und
wir mussten mehrere Male die Leinen anderer Boote zu Hülfe nehmen,
um ihm bis über 3000 Fuss tief nachzugehen. Er attakirte wie ein
Widderschiff einmal auch wirklich unser Boot, hart von unten treffend,
dann wieder fuhr er seitwärts oder auf dem Rücken liegend mit weit
gesperrtem Rachen auf uns los oder „fegte” mit dem breiten Schwanz
das Wasser. Jeder Annäherungsversuch von unserer Seite hatte eine
wüthende Attake zur Folge und demgemäss eine schmähliche, lächer-
liche Flucht. Das günstige Wetter gestattete dem Kapitän, vom Schiff
aus Alles zu beobachten und die längste Zeit des Unter-Wasser-Bleibens
96 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e.
zu bestimmen, sie betrug 1 Stunde 20 Minuten. Keine Täuschung
möglich! „Bill” attakirte, schnaufte, peitschte das Wasser und tauchte
den lieben langen Tag; am Abend mussten wir „schneiden”, ihm noch
500 Fuss der besten Manilla-Leinen mit auf den Weg geben und ohne
Speck zum Schiff zurückkehren.
Nächsten Tages kam ein anderes Schiff desselben Weges, sah
„Bill” mit Leine und Harpune, glaubte, ihn halb gefunden zu haben,
machte fest an ihm, hatte zwei Boote zerschlagen, einen Mann getödtet
und verlor eine ganze Leine.
Das ist das Letzte, was ich von ihm gehört habe.
Noch Mancherlei könnte man erzählen, da immer neue
Abenteuer bestanden werden, doch will ich hier nur be-
merken, dass der Fang, wenn auch gefährlich, doch nicht
immer so langwierig ist.
Der Potwal macht gewöhnlich 3 bis 5 Miles die
Stunde, doch mag seine Schnelligkeit sich bis zu 14 Miles
steigern, also der besten Fahrt eines Seedampfers gleich-
kommen. Wenn ungestört, bleibt er sehr lange an der
Oberfläche, athmet bemerkenswerth ruhig und in gleichen
Zwischenzeiten und stösst eine niedrige buschige Dunst-
wolke aus, eirca 45 Grad nach vorn geneigt und etwas
nach links. Wegen dieser eigenthümlichen Form kann man
sich beim Sichten dieser Wale auch selten in der Art irren.
Die Manier des Blasens überhaupt dient dem Walfischfänger
als Erkennungszeichen auch für eine Distance von Meilen,
eben so die besondere Form des Schwanzes, sollte derselbe
über Wasser erscheinen , die Form des
Rückens, ob glatt,‘ ob mit Buckel oder Finne. Der Speck
.des Potwales mag am Rumpf 4 bis 8 Zoll dick sein, wäh-
und schliesslich
rend der obere Theil des ungeheueren Kopfes aus einem
einzigen elastischen Fettpolster besteht. Die untere Kinn-
lade allein enthält bis 7 Zoll lange Zähne, welche in der
oberen Kinnlade in entsprechende Vertiefungen eingreifen.
Die Zahl will ich auf 48 angeben, vielleicht auch 52, da
einige stets verkümmert und die hinteren meist sehr ab-
genutzt sind, wir auch nicht immer die ganzen Kiefer an
Deck nahmen.
ich hier noch eines höchst
interessanten Vorfalles erwähnen, wie ich ihn nur das eine
Mal zu beobachten Gelegenheit hatte.
Ich hatte Schiffbruch gelitten an einem Korallenriff in den West-
indias und an einem prachtvollen, ruhigen Nachmittag wurden ich und
meine Leidensgefährten durch ein von der See kommendes Getöse auf-
geschreckt. Ungefähr 14 Meilen von uns entfernt zeigte sich auf dem
spiegelglatten Meere „‚weisses Wasser” und von dort kam auch der
Lärm. Meine Genossen waren keine Speckjäger und das Wort „See-
schlange”’ machte die Runde. Mein Standpunkt war sehr niedrig und
trotz des Fernrohres konnte ich nicht so vielerkennen, als ich wünschte.
Hohe Wassersäulen wurden aufgeworfen, Schaum und Gischt spritz-
ten umher und dazwischen zeigten sich hier und da schwarze glänzende
Leiber. Zeitweilig trat eine kurze Pause ein und dann begann das
seltsame Spektakel von Neuem. Es erinnerte mich an den Todeskampf
eines mächtigen Wales. Plötzlich sprang ein grosser Fisch aus dem
Wasser, wendete sich in der Luft und fiel kopfüber mit dumpfem
Schlage zurück. Ein zweiter und dritter folgten, mehrere zu gleicher
Zeit, alle auf derselben Stelle. Die Fische mochten an 20 Fuss lang
sein; der weiss glänzende Bauch, der grell gegen den schwarzen Rücken
abstach, vor Allem aber die.lange schlappende Rückenfinne lösten mir
sofort das Räthsel. Es waren die gierigen Mörder oder Drescher (Del-
In kürzester Weise will
phinus orca), welche einen ihrer eigenen Vettern umbrachten. Der Kampf
war ein furchtbarer. Kamen sie an die Oberfläche, so war das Getöse
wahrhaft erschreckend. Mehrere Male sah ich den Schwanz des Wales,
es musste ein riesiges Thier sein; ich glaubte daran einen Potwal zu
erkennen, kann es aber nicht bestimmt behaupten. Von Zeit zu Zeit
trat Ruhe ein oder vielmehr der Kampf setzte sich unter Wasser fort,
zog sich aber mehr und mehr seewärts und entschwand schliesslich ganz
unseren Blicken. Unsere unglückliche Lage machte es uns unmöglich,
viel zu sehen oder uns dem Schauplatz mittelst eines Bootes zu nähern,
und so ist diess Alles, was ich über den seltsamen Vorgang sagen kann.
Ein anderes Mal fanden wir, in der Bering-Strasse treibend, einen
todten Mysticetus, der keine Verletzung von Menschenhand zeigte, dem
aber die linke Unterlippe und die Zunge ausgerissen oder abgefressen
waren. Der Leichnam war frisch und zeigte keine weiteren Spuren an-
gethaner Gewalt, obgleich ich während des Abspeckens sorgfältig Alles
überwachte. Seit mehreren Tagen schon hatten wir Delphinus orca ge-
sehen und Kapitän und Offiziere bedankten sich schmunzelnd bei den
Mördern für das reiche Geschenk.
Der right whale und der bow-head. — Ich gehe nun
über zu den zwei Arten der Wale, welche in kalten Ge-
wässern gefangen werden und welche der Walfischfänger
als right whale und bow-head unterscheidet.
Trotz des hitzigen Streites, der von Fachleuten über
die Identität beider Arten geführt worden, ist die Frage
noch immer unentschieden, und wenn meine hier folgenden
Angaben Etwas zur Aufklärung des streitigen Punktes bei-
tragen könnten, würde ich mich genügend belohnt finden.
Den right whale der Südsee (Balaena australis) habe ich
nie das Glück gehabt zu fangen und ihn, wenn auch zu
Ich kann
deswegen nichts Wohlbegründetes über ihn sagen, von Ge-
verschiedenen Malen, doch nur flüchtig gesehen.
hörtem oder Vermuthetem zu sprechen, könnte nur störend
wirken, und ich enthalte mich über ihn aller Angaben. Ob
also der right whale, der eigentliche Bartenwal der Südsee,
mit dem risht whale des Nordens identisch ist, weiss ich
nicht, wohl aber mag ich behaupten, dass auf der nörd-
lichen Hemisphäre zwei zwar sehr ähnliche, dennoch aber
verschiedene Arten von Bartenwalen gefangen werden, und
zu ihrer Bezeichnung will ich die Terminologie der Ameri-
kanischen Walfischfänger beibehalten:
1) Der bow-head, Balaena mysticetus, kommt nur im hoben Nor-
den und zwar in der Nähe des Eises vor, niemals aber in der süd-
lichen Hemisphäre.
2) Der right whale (Balaena australis?), kommt in der gemässigten
Zone der nördlichen Hemisphäre vor und ist vielleicht identisch mit
dem der Südsee.
Ich habe im Norden beide Arten gesehen, verfolgt und ge-
fangen und kann folgende Verschiedenheiten konstatiren.
Meine Erfahrungen in nördlichen Gewässern beschränken
sich auf den Stillen Ocean, die Bering-Strasse und den damit
Während der
bow-head so weit nördlich geht, als er offenes Wasser fin-
zusammenhängenden Theil des Polarbassins.
det, — ich habe ihn selbst bis über den 72. Grad hinaus
verfolgt und dort unter dem Eise verschwinden sehen —
hält sich der right whale stets südlich von der Bering-
Strasse, hauptsächlich in der Nähe der Aleuten. Dort habe
ich ihn auch gefangen.
Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 97
Die Speckjäger erkennen beide Arten meilenweit an der
Verschiedenheit des Athemstrahles und des Schwanzes.
Der bow-head bläst hoch und vertikal, der Doppelstrahl
ist selten bemerkbar und fliesst meist in einen einzigen
zusammen. Der right whale bläst stets einen deutlichen
divergirenden Doppelstrahl, eirca 45 Grad nach vorn geneigt,
der rechte meist kleiner als der linke. Auch möchte ich
sagen, dass er schärfer und mehr puffend bläst als der
faulere, lang gezogen athmende bow-head. Doch mag zu-
fällige Aufregung die Ursache hiervon sein.
Die Form des Schwanzes ist ebenfalls ein Unterschei-
dungszeichen. Das Ruder des bow-head ist schön ge-
schwungen, beide Hälften bilden einen Halbmond; der right
whale hat zwei Blätter, seitwärts stehend, auch Kurven
bildend, aber die Enden liegen mit dem Mittelpunkte in
gerader Linie.
Beide Wal-Arten gebrauchen nur den Schwanz zu ihrer
Vertheidigung, während es aber der bow-head meistens
wohl nur zufällig thut, wird der right whale der Bösartig-
keit beschuldigt, und da er auch viel gewandter ist, wird
er mehr gefürchtet.
Der bow-head hat, wie sein Name (Bogenkopf) besagt,
einen langen, dünnen, schön gebogenen Oberkiefer, von
welchem an beiden Seiten dachförmig divergirend die lan-
gen (10 Fuss 8 Zoll, selbst gemessen), dünnen Barten herab-
hängen und durch die hoch hinauf reichenden Unterlippen
verdeckt werden; der Öberkiefer des right whale ist kürzer
und unförmlicher, hat nach vorn zu einen sehr charakte-
ristischen Buckel (das sogenannte „bonnet”, welches ge-
trocknet verhärtetem Kautschuk gleicht und sich gut zu
Stockgriffen &c. verarbeiten lässt), ist nicht sehr gebogen
und an ihm hängen viel kürzere, aber dickere Barten.
Endlich ist die Figur des right whale noch kürzer und
dieker als die des bow-head. i
Den right whale habe ich stets in kleinen Schulen bei-
sammen gesehen, den bow-head niemals. Letzterer zieht
seinen eigenen Weg, doch gehen viele meist in derselben
Richtung. Ein sonderbarer Anblick ist es, die riesigen,
tonnenähnlichen, schwarzen Köpfe zwischen dem Eise ein-
hergleiten zu sehen; kein Lüftchen regt sich, das Wasser
spiegelglatt und man hört nun nah und fern das lang
gezogene Hu f—f—f, Hu f—f—f der blasenden Thiere,
alle Einen Kurs steuernd, auf- und niedertauchend, kom-
mend und gehend in stundenlanger Prozession. i
In der Nähe der Herald-Insel vom Eise besetzt muss-
ten wir unthätig einer solchen „Passage” beiwohnen, sie
dauerte beinahe 15 Stunden, und da ich die sich ablösen-
den „Ausgucks” zum Zählen anhielt, kann ich die Anzahl
der bow-heads, die uns während dieser Zeit nordwärts pas-
sirten, auf beinahe 400 angeben.
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
Wenn ich nicht fürchten müsste, dass diese Mittheilung
zu lang würde, könnte ich noch vieles Interessante er-
zählen; in nächster Zeit werden aber einige Artikel über
die Abenteuer beim Walfischfang speziell in der „Garten-
laube” erscheinen und ich will schliesslich nur noch ein
Weniges über die Stimme der Wale sagen.
Wirkliche Töne habe ich von ihnen nie vernommen.
Obgleich ich viele Arten von Delphinen selbst harpunirt
habe, kann ich mich doch nicht erinnern, sie jemals schreien
gehört zu haben oder „quieken” gleich einem Schwein, wie
oft beschrieben wird. Sie schnappen wohl nach Luft, aber
wenn diess auch hörbar wird, so beweist es doch noch
nicht das Vorhandensein einer Stimme. Auch bei allen
grösseren Cetaceen habe ich nie dergleichen gehört; ein-
mal, nachdem ein festgemachter Mysticetus untergetaucht
war und gleich einem Stein tief unten still lag, vernahm
ich, was ich mit dem nicht sehr euphonischen Ausdruck
„Murksen” bezeichnen will, zu sieben verschiedenen Malen.
Der Offizier sagte mir, dass dieser Laut öfters gehört würde,
für mich war es der einzige Fall.
Mittheilungen eines Amerikanischen Whalers, des Herrn
Kapitän Seabury von New Bedford, vom 1. Februar 1869. —
Während des Druckes meiner Arbeit empfing ich durch
freundliche Vermittelung eine Reihe werthvoller und inter-
essanter Mittheilungen, Antworten auf verschiedene von mir
gestellte Fragen von dem genannten Herrn, welcher eine
langjährige Erfahrung in der Spermfischerei besitzt. Ich
entnehme daraus hier und an einer späteren Stelle Einiges,
das als Ergänzung der vorstehenden Mittheilungen des
Herrn Pechuel dienen kann.
Zunächst bestätigt Kapitän Seabury, dass die grossen
männlichen Potwale die Neigung haben, sich zu verein-
samen. Die Schulen sind zahlreich, wenn die Fische klein,
weniger zahlreich, wenn die Fische gross sind. Über die
Grösse von 70 bb. hinaus findet man gewöhnlich nur zwei
bis drei Fische beisammen. Die Schnelligkeit der Wale
giebt Seabury auf 5 bis 6 Miles in der Stunde an. Die
Fische halten, im Wasser auf- und niedergehend, einen
festen Kurs ein. Ein grosser Wal bleibt 40 bis 50 Minuten
unter Wasser, in einem Fall blieb ein grosser Wal eine
Stunde unten. Auf der Oberfläche des Wassers bleiben die
grösseren Fische in der Regel eine Viertelstunde, während
welcher Zeit sie vielleicht 45 Strahlen (Spouts) von sich
geben. Der Spout des Potwales ist dick, buschig und nach
vorn geneigt, der des Finnwales gerade und dünn, der des
right wale doppelt und bis zu 10 Fuss hoch, der des hump-
back niedriger und dünner. Ausserdem sind die bei klarem
Wetter bis auf 12 Miles sichtbaren „breaches” — das Auf-
tauchen der Fische mit ?/; ihrer Länge aus dem Wasser —
Erkennungszeichen des Vorhandenseins von Fischen, endlich
13
98 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e.
die gewaltigen Schaumwellen der „top-tails”, der Schwanz-
schläge.. Als höchste Länge des Pot- und des Recht-
wales giebt Seabury ebenfalls 70 Fuss an, grösster Umfang
45 Fuss. — Als grössten Thransegen eines Potwales giebt
Seabury aus seiner Erfahrung 120 bb. an. Die im Grossen
Ocean beim Äquator bis auf 135° W.L. gefangenen Wale
liefern relativ die grösste Menge Thran. Im Karaibischen
Meere und im Golf von Mexiko, ferner im Atlantischen
und im Indischen Ocean sind die Potwale kleiner.
Geschichtlicher Rückblick auf den Nord- Amerikanischen
Walfischfang. — Man hat die Whaler die Nomaden des
Meeres genannt. In der That, der Kapitän eines solchen
Schiffes steht freier und selbstständiger da als der eines
Kauffahrers. Dieser hat die Aufgabe, die ihm anvertrauten
Güter möglichst schnell und sicher von Hafen zu Hafen zu
bringen. Anders der Whaler: Fischgründe zu suchen, Fische
zu fangen, gleichviel, wo und wie, ist seine Aufgabe. Noch
heute durchstreifen die Amerikanischen Whaler so ziemlich
alle Meere, ihre Reviere reichen von den Inseln des Indi-
schen Meeres bis zur Ochotsk-Bai und diesseits des Ameri-
kanischen Nord-Kontinentes von der Hudson-Bai und Cumber-
land-Strasse bis tief südlich in den Atlantischen Ocean hinab
zu den Falkland-Inseln. Plätze in Chile und Kalifornien
und der Landenge von Panama, auf Celebes und Japan, an
den Küsten Süd-Amerika’s und Afrika’s, auf den zahllosen
Inseln des Stillen Meeres sind ihre Erfrischungsplätze und
Stationen. Man darf dreist behaupten, dass gerade der Wal-
fischfang das unvergleichliche Mittel war, um in den Ameri-
kanern jenen kühnen Seefahrergeist zu entwickeln, welcher sie
kennzeichnet. Selbstständig, unabhängig von allen Anderen,
fassten sie das Gewerbe auf; die Fischerei bei Nantucket,
Kap Cod, Neu-Fundland, war die erste Schule. Die Sperm-
fischerei von Nantucket begann schon um das Jahr 1712.
Nachdem ein Fischer von Nantucket zufällig in eine Schule
von Spermfischen gerathen und einen aus der Schaar ge-
tödtet, begann man, Schiffe von 40 Tons für diese Fischerei
zu bauen „to whale out in the deep”, auf die Walerei auf
hoher See, im Gegensatz zu der bisherigen Küsten- (Baien-)
Fischerei. Drei Schiffe wurden auf sechs Wochen aus-
gerüstet. Der Fischspeck wurde erst nach der Rückkehr
ausgekocht.
Funfzig Jahre später, in den Jahren 1771 bis 1775,
besassen die Seeplätze des Staates Massachusetts allein 183
Schiffe für den Fang im‘ Nord-Atlantischen Ocean (bei den
Azoren und den Inseln des Grünen Vorgebirges) und 120
grössere Fahrzeuge für die Fischerei im Süd - Atlantischen
Ocean, bei Brasilien und in der Le Maire-Strasse (mit den
Falkland-Inseln als Station). Diese Zeit war es, wo Burke
im Englischen Parlament die berühmten Worte über den
maritimen Unternehmungsgeist der Amerikaner sprach. Ein
Englisches Schiff, die „Emilia”, von der Südsee - Firma
Enderby in London drang zuerst um Kap Horn vor und
beutete an der Westküste von Amerika bis dahin noch
unberührte Gründe aus. Vier Jahre später wird von
Frankreich eine energische Anstrengung gemacht, um sich
einen Antheil an den grossen Fischerei - Unternehmungen
zu sichern. Ludwig XVI. lässt in Dünkirchen sechs Süd-
seefahrer ausrüsten und bemannt sie zum Theil mit ge-
übten Fischern von Nantucket. In der That gelingt es
mit Hülfe von ausserordentlichen Begünstigungen, diesen
Betrieb in Französischen Plätzen einzubürgern. Die Fran-
zösische Regierung studirte den Gegenstand sehr ernsthaft
und hatte einen Gelehrten, den Grafen de Reste, mit der
Abfassung einer wissenschaftlichen Untersuchung über den
Walfischfang beauftragt. Da bricht die Revolution aus und
zerstört diese Keime.
In gleicher Weise schädigend hat der Amerikanische
Unabhängigkeitskampf auf die grosse Fischerei von Massa-
chusetts gewirkt, das vor den Kriegen mit England an
300 Schiffe im Walfischfang beschäftigte; 134 von diesen
Fahrzeugen wurden damals vom Feinde genommen. Erst
"im Jahre 1792 begannen in New Bedford, dem jetzigen
Centrum des Amerikanischen Waläschfanges, die Fischerei-
Unternehmungen; Boston tritt allmählich zurück, seitdem
sehen wir bis Anfang der 50er Jahre, mit alleiniger Aus-
nahme der Kriegsjahre 1813 bis 1815, einen steten Auf-
schwung im Amerikanischen Walfischfang. Wir haben im
der Beilage eine Übersicht des ‘Amerikanischen Walfisch-
fanges aus den Jahren 1848 bis 1868 gegeben und führen
hier nur eimzelne Daten an, um diesen Aufschwung zu
illustriren.
Im Jahre 1830 wurden durch Amerikanische Schiffe im
Amerikanischen Häfen eingeführt 106.829 Fässer Spermöl
und 86.292 Fässer Thran, im Jahre 1837 durch 240 Schiffe
182.566 Fässer Spermöl und 215.200 Fässer Thran. Der
Werth des Südseefanges wurde allein auf D. 5.000.000 ge-
schätzt. Im Jahre 1846 sehen wir 735 Amerikanische
Fahrzeuge mit einem Gehalt von 233.189 Tons im Wal-
fischfang beschäftigt, die höchste Zahl, welche je er-
reicht wurde; seitdem hat sie sich erheblich vermindert. In
den Jahren 1862 bis 1865 erlitt nämlich der Amerikani-
sche Walfischfang durch die südstaatlichen Korsaren grosse
Verluste.
Im J. 1856 war die Zahl der Amerikanischen Whaler 670
mit einem Gehalt von 220.000 Tons.. Das darin angelegte
Kapital betrug an D. 20.000.000. Die Zahl der beschäf-
tigten Mannschaften war über 20.000, wenn man 30 für
ein Schiff, 24 für eine Barke, 20 für eine Brigg, 18 für
einen Schooner rechnet. Der Ertrag der Fischerei allein im
Nord-Pacific war in der Periode 1847 bis 1861 D. 140.000.000.
Die Fischerei-Unternehmungen in der
Im Jahre 1866 dagegen, nach der Revolution, finden wir
nur noch 263 Fahrzeuge mit zusammen 68.536 Tons.. Am
1. Januar 1869 hat sich der Bestand der Amerikanischen
Whalerflotte wieder auf 336 Fahrzeuge von zusammen
74.519 Tons gehoben. Neuerdings hat sich S. Franeisco
direkt bei der Walerei und zwar mit sechs Schiffen betheiligt.
Wenn auch der Betrieb sich jetzt weit von seinem
Kulminationspunkt (im Jahre 1846 betrug, wie gesagt, der
Tonnengehalt der Fahrzeuge 233.189 Tons) entfernt hat, so
spricht doch, in Ermangelung einer zuverlässigen Übersicht
der Reinerträge des Geschäftes, die Thatsache, dass im Jahre
1866 vier Häfen (Tisbury, Wellfleet, Newburyport in Mas-
sachusetts und Groton in Connectieut) in diesem Betrieb sich
neu aufgethan und dass in der Kreuze 1867/68 zwei Plätze
ihre Flotten um einige Schiffe vermehrt haben, dafür, dass
ein merklicher Riickgang noch nicht bevorsteht, dass diese
Fischerei noch immer ein grossartiger Volkserwerbszweig
Nord-Amerika’s ist.
Die Whalerflotten. — Man pflegt die Amerikanischen
Walfischflotten je nach den Richtungen und Kursen, welche
sie auf ihrer Fischerei steuern, einzutheilen in:
1. Die North Paeifie, zerfällt in die Arctic (Bering-Strasse),
die Ochotsk- und die Kodiak- und Bristol-Bai.
alle nördlich von den Sandwich-Inseln auf right whale und
bow-head.
2, Die North Atlantie, kleinere Schiffe, die auf 18 Monate
ausgerüstet werden und im Atlantischen Ocean nördlich von
der Linie fischen.
3. Die Baffin-Bai, Hudson-Bai und Cumberland Inlet-
Flotte, fischen auf bow-head und white whale in den durch
diesen Namen bezeichneten Baien und Strassen.
4. Die Indian Ocean, fischen im Indischen Meer, von
den Küsten Ost-Afrika’s bis zu den östlichen Inseln des
Indischen Archipels, bei Mauritius, den Sechellen, Philip-
pinen, Karolinen, Japan, auf Spermfisch, mit Kema auf dem
östlichen Theile von Celebes als einer der wichtigsten Flotten-
stationen. Es sind grössere Schiffe bei durchschnittlich drei-
jähriger Reisedauer. Pacific wird mir als eine unbestimmte
Bezeichnung hingestellt für alle übrigen Whaler, die später
eine dieser Routen einschlagen. Es sind diess Alles nur
Andeutungen, welche wegen des Zusammenhanges der arkti-
schen Fischerei mit der Grossfischerei im Stillen Meere ge-
macht werden müssen. Denn dieselben Schiffe, welche im
Sommer ihre Season in den nordischen Breiten haben, gehen
im Winter und dem zeitigen Frühjahr in die südlichen
Breiten auf den Fischfang, um da ihre Zwischenkreuze (be-
tween season) zu halten. In Anlage F. habe ich eine Über-
sicht der Fischplätze der verschiedenen Flotten, sowie der
Durchschnittsgrösse der gefangenen Fische nach Kapitän
Diese fischen
Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 99
Seabury’s Mittheilungen gegeben. Zugleich verweise ich
auf Maury’s Whale Charts von 1853, No. 68 ff.
Die North und South Atlantic Spermwal-Flotte ist bei
weitem die zahlreichste: 150 Schiffe. Die North Pacific-
Flotte umfasst 68 Schiffe, darunter sieben nicht Amerikani-
sche (Arctic Ocean 41, Ochotsk-Meer 8, Kodiak- und Bristol-
Bai 19) neben vier Handelsschiffen, das sind solche, die
Thran und Barten im Handel mit den Eingeborenen ein-
tauschen; die Indian Ocean-Flotte besteht aus 35 Schiffen,
endlich die Hudson-Bai- und Cumberland Inlet-Flotte aus
12 Schiffen.
Umfang und Werth der Amerikanischen Walfischerei. —
In einer Anlage habe ich die neueste Übersicht des Be-
standes der Amerikanischen Whalerflotte nach der Grösse
und dem Tonnengehalt, so wie nach den einzelnen Häfen
Es sind 19 Häfen mit’ 336 Fahrzeugen von zu-
sammen 74.519 Tons. betheilist. Davon fallen auf New
Bedford allein 50.628 Tons. Darmach sind Provincetown
mit seiner vorzugsweise den Atlantischen Ocean durch-
kreuzenden Spermwal-Flotte (5079 Tons) und New London
(3969 Tons) am stärksten betheiligt. Die Grösse der Schiffe
der New Bedford-Flotte ist meist 3- bis 400 Tons, diejenige
der Flotte von Provincetown 50 bis 140 Tons. Der grösste
Whaler der Amerikanischen Flotte ist ein Schiff von 478
Tons, der kleinste hat 50 Tons. Über die Brutto-Erträge
habe ich ebenfalls eine Übersicht nach den Einfuhren der
letzten 20 Jahre zusammengestellt und zugleich den Ge-
sammtwerth für jedes Jahr nach den in den Jahresberichten
der New Yorker Handelskammer angegebenen Durchschnitts-
preisen berechnet. Dieser Gesammt -Bruttowerth varürt
zwischen 5 und 10 Millionen, im vorigen Jahre war er
54 Millionen Dollars.
Südseefischerei Englands und Frankreichs.
Englands Betheiligung an der Südseefischerei war im Ver-
gleich zu dem Walfischfang Nord-Amerika’s mässig, jedoch
wurden von Englischen Fischern neue Fischgründe auf-
gesegelt: 1819 die noch jetzt ergiebigen Walfischgründe
bei Japan (nach Bennett durch das Britische Schiff „Syren”),
später im Indischen Ocean und bei Neu-Seeland; noch später
wurde an der Küste Kaliforniens und Mexiko’s, so wie in
dem Ochotskischen Meere gefischt. Erst im Jahre 1848
war es einem Amerikaner, dem Kapitän Roys !), vorbehalten,
die Bering-Strasse als Fischer zu durchsegeln und in dem
während jenes Sommers weithin eisfreien arktischen Meere
neue, bis heute mit Erfolg ausgebeutete Fischplätze aufzu-
finden.
gegeben.
Prämien. —
1) Es ist mir unbekannt, ob es derselbe Kapitän Roys ist, welcher
jetzt, wie mir Kapitän Hegemann vom Schiff „Julian”, Ende Februar
1869 von Honolulu als Passagier in Bremen angekommen, erzählt, auf
der Vancouver-Insel eine Walfischerei zu gründen im Begriff steht.
13
100 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &c.
Zu Anfang der 30er Jahre betrug die Zahl der auf
den sogenannten Südsee-Walfischfang (welcher auch die
nordische Fischerei bei Sibirien und Kalifornien mit um-
fasste) gehenden Britischen Fahrzeuge zwischen 30 und 40.
Die Schiffe nahmen ihren Weg nach den verschiedenen
Fischrevieren entweder um das Kap der Guten Hoffnung
oder um Kap Horn, je nachdem sie den Fang im Indi-
schen Ocean oder auf den Fischgründen Südwest-Amerika’s
und Polynesiens betreiben wollten. Die Englischen Kolo-
nien beginnen, sich durch Ansiedler mehr und mehr zu be-
leben, und die Küsten- und Baienfischerei wird in Angriff
genommen. Heut zu Tage wird die Spermfischerei von Neu-
Seeland aus auf kleinen Fahrzeugen betrieben, in Melbourne
war eine Fischerei-Gesellschaft in der Bildung begriffen,
am schwunghaftesten ist aber der Betrieb von Tasmanien,
von wo der Walfischfang mit 25 Schiffen von zusammen
5746 Tonnen Gehalt betrieben wird. (Ich weiss nicht, in
welchen Breiten und welche Art Cetaceen gefischt wird.)
Frankreichs Südseefischerei wurde im Jahre 1817 wieder
aufgenommen, und zwar durch einen Amerikaner, Herrn J.
Winslow. Er eröffnete nach langer Unterbrechung die
Französische Südseefischerei am 2. April 1817 mit dem
Schiffe „Massachusetts”. In den 20er Jahren war die
Zahl der Französischen Whaler sechs bis acht. In den
Jahren 1831 bis 1844 variirte die Zahl zwischen 16 (1831)
und 44 (1837); in der Zeit von 1845 bis 1855 war die
höchste Zahl der in einem Jahre aus Hayre auf den Walfang
ausgesandten Fahrzeuge neun, sie sank immer weiter herab
und im Juli 1868 legte der einzige und vorläufig auch
letzte Whaler der Französischen Marine, aus der Bering-
Strasse kommend, in dem Hafen von Hayre bei (s. die Tabelle
über die Erträge der Französischen Walfischerei bis 1868,
Anlage B, 3). Dieser Rückgang war möglich, trotzdem
die Regierung die Grossfischerei überhaupt und besonders
diesen Betrieb auffallend begünstigte! 1819 ward den auf
die Walerei ausgehenden Französischen Schiffen bei der
Abfahrt wie bei der Rückkehr eine Prämie von 60 Francs
für die Tonne bewilligt, unter Beschränkung bis auf 40 Fres.,
je nachdem die Bemannung zum grösseren Theil oder nur
zur Hälfte aus Franzosen bestand. Später, in den Jahren
1832 bis 1836, ward diese Prämie etwas modificirt, 1841
finden wir Prämien von 35 und 25 Fres., die 1851 wieder
auf 70 Fres. bei der Abfahrt und 50 Fres. bei der Rück-
kehr eines Whalers gesetzt werden, ausserdem noch eine
Supplementar-Prämie von 15 Fres. per Quintal Thran, und
zwar für die nordische Fahrt bei mindestens 30monatlicher
Abwesenheit und wenn das Schiff in höheren Breiten ge-
fischt hatte. (Die genauen Bestimmungen über die in Frank-
reich geltenden Prämien habe ich der erwähnten Tabelle
angefügt und ich bin für die Mittheilung derselben, so wie
der Erträge der letzten Jahre dem Rheder Herrn Winslow
in Hayre zu grossem Dank verpflichtet.)
Deutsche Südseefischerei. — Ende der 30er Jahre be-
gannen die an Kapital und Unternehmungsgeist erstarkten
Hansestädte, und zwar zuerst Bremen, dann Hamburg, die
Südseefischerei.
Hamburg rüstete den ersten Südseefahrer 1844 aus
und im folgenden Jahre expedirte eine Kompagnie, welche
sich inzwischen gebildet hatte, zwei Schiffe. Später folgen
einzelne Unternehmungen von Stettin und Wolgast (nach der
Südsee und Kamtschatka).
Inzwischen haben sich Handel und Verkehr in der Süd-
see gewaltig entwickelt.
Kalifornien, das bis dahin wenig bekannte Indianerland,
wird durch die Entdeckung unerschöpflicher Goldlager das
Endziel zahlloser Abenteurer und Ansiedler und bevölkert
sich mit beispielloser Schnelligkeit durch Einwanderer aus
Ost-Amerika und Europa. Es wird dadurch ein reich loh-
nendes Absatzfeld für die Landbauprodukte der fruchtbaren
Südsee-Inseln, welche zugleich durch Eröffnung des Ver-
kehres mit China und Japan aus blossen Erfrischungsplätzen
der Walfänger zu wichtigen Stationen an Weltverkehrs-
strassen werden.
Handelshäuser, besonders auf Honolulu und Lahaina,
vermitteln und erleichtern die Verbindungen, und es er-
weist sich immer mehr als vortheilhaft, die Fahrzeuge von
der Fischerei nach den Sandwich-Inseln zurückkehren zu
lassen und von dort wieder auszurüsten, den Segen aber
in Handelsschiffen nach Bestimmung des Rheders zu ver-
laden, ähnlich wie in der ersten Periode der Spitzbergen-
Fischerei. Fischerfahrzeuge von Deutschen Kaufleuten fahren
unter Hawalischer und Oldenburgischer Flagge. Der natio-
nale Nutzen der Grossfischerei, in so fern sie der Nation im
entscheidenden Augenblick seetüchtige und an Gefahren ge-
wöhnte Mannschaften zur Verfügung stellt, ging damit frei-
lich zum Theil verloren,
Eine Zeit lang war Bremen unter den Deutschen See-
plätzen der Mittelpunkt für die Südseefischerei - Unterneh-
mungen. Es wurden an der Weser Fahrzeuge für fremde
Rechnung ausgerüstet und expedirt und in einzelnen Fällen
übernahmen Bremer Kapitäne das Kommando von aus frem-
den Häfen auf die Südseefischerei gesandten Fahrzeugen,
so z. B. in Rotterdam. Ein Deutscher Gelehrter, Dr. C.
W. L. Gloger in Breslau, schrieb im Jahre 1847 eine Bro-
schüre: „Der Walfischfang und seine Beförderung in Deutsch-
land als vaterländische Zeitfrage”. Er wies auf die Be-
deutung dieses Betriebes für Deutschlands maritimen Auf-
schwung hin, allein damals waren die Verhältnisse noch
lange nicht darnach angethan, dass eine Deutsche Regierung
sich für dieses wichtige Seegewerbe hätte thatkräftig inter-
Die Fischerei-Unternehmungen in der
essiren können und dass das Kapital des Deutschen Binnen-
landes in einer Seeunternehmung gewagt worden wäre.
Erschwerungen der Deutschen Fischerei durch fremde Zölle.
— Die Seestädte blieben ganz und gar auf sich angewiesen.
Dabei bestanden in Gross-Britannien, den Vereinigten Staaten
von Nord-Amerika und in Frankreich hohe Schutzzölle zu
Gunsten der nationalen Fischereien !). Im Jahre 1838 bei-
spielsweise betrug der Einfuhrzoll auf Thran von fremder
Fischerei in den Vereinigten Staaten 6 Thlr., in England
16 Thlr. für die Bremer Tonne. In Frankreich war da-
mals der Zoll so hoch, dass die Französische Fischerei da-
durch thatsächlich ein Monopol hatte.
Daneben bestanden in Frankreich die Prämien, und zwar
von einem solchen Betrage, dass ein Schiff wie die „Vir-
ginia”, jener erste Bremer Südseefahrer, bei der Rückkehr
36.000 Fres. Prämie erhalten haben würde. Wie wichtig
die Förderung der eigenen Südseefischerei war, ergab die
Thatsache, dass im Jahre 1837 die Einfuhr von Südsee-
thran in Bremen 39.000 Tonnen zu einem Kapitalwerth
von etwa 600.000 Thlr. betrug. Bremen erhob von Süd-
seethran einen Eingangszoll von 8 Groten auf jede Tonne.
Die Bremer Südseefahrer machten beim Senate wiederholte,
aber immer vergebliche Anstrengungen, damit sie den selbst-
erbeuteten Segen zollfrei in Bremen einbringen könnten. Das
Motiv des Senates für die Ablehnung war die Rücksicht auf
die Aufrechthaltung des freien Handels; die im Wege des
Handels eingeführten Erzeugnisse würden durch eine solche
Begünstigung in ungerechter Weise benachtheiligt werden.
Die bis dahin aus früherer Zeit her noch in Kraft ge-
bliebene Befreiung des Fischsegens der Grönlandsfahrer vom
Eingangszoll wurde gleichzeitig aufgehoben und es wurde
dadurch die Fischerei fremder Nationen mit der Bremischen
in Bezug auf die Einfuhr völlig gleichgestellt. In den
Vereinigten Staaten bestand, wie gesagt, ein hoher Zoll auf
die Erzeugnisse der fremden Fischerei, 33 Proz. vom Werth;
noch jetzt beträgt dort der Einfuhrzoll auf den von fremden
Fischereien gewonnenen Thran 20 Prozent vom Werth,
während die nationalen Fischerei-Erzeugnisse frei eingeführt
werden.
Differenzielle Behandlung Deutscher Schiffe bei Einfuhr
des angebrachten Segens in den Zollverein. — Nach der noch
jetzt zur Anwendung kommenden „Bekanntmachung des
ehemals Königlich Hannöver’schen Finanz-Ministeriums, be-
treffend die zollfreie Einlassung der Produkte der vereins-
ländischen Seefischerei” (Hannover, den 19. Februar 1859),
gehen gesalzene Fische, Fischthran, Fischspeck, Fischbein,
Walrath, Seehundsfelle und die Erzeugnisse der Küsten-
1) Jetzt sind diese Zölle in Gross-Britannien ganz beseitigt, in Frank-
reich erheblich erniedrigt.
Südsee, im Atlantischen Ocean &c. 101
fischerei zollfrei ein, wenn die betreffenden Fische &c. von
den Mannschaften vereinsländischer Fischerfahrzeuge auf
dem Meere selbst gefangen sind und wenn die Erzeugnisse
der Fischerei, so weit nicht die besondere Art der Zurich-
tung eine Ausnahme erfordert, von den Mannschaften auf
dem Meere zugerichtet, beziehungsweise verarbeitet sind.
Zu diesem Zweck findet eine Kontrole Seitens des betreffen-
den Zollamtes über die Ausrüstung der Fahrzeuge Statt,
und es haben zu diesem Zweck die Führer der Fahrzeuge
sowohl beim Ein- wie beim Ausgang eine Reihe näher be-
zeichneter Angaben an Eides Statt zu machen. Dagegen
zahlen noch jetzt die Erzeugnisse der auf Bremischen
Schiffen betriebenen arktischen Fischerei beim Eingang in
den Zollverein einen nicht unerheblichen Zoll, und zwar
für Fischthran 15 Sgr., für Robben- und Fischspeck 10 Sgr.,
für Robbenfelle 10 Sgr. per Centner (Barten sind zollfrei).
Bei der jetzigen politischen Verfassung Nord - Deutschlands
ist diese Zollerhebung eine abnorme. Es geht offenbar
nicht an, die von nationalen Schiffen gewonnenen Fischerei-
erzeugnisse wie eine aus der Fremde kommende Waare zu
behandeln.
Die Beseitigung der Zölle auf die Einfuhr der Erzeug-
nisse der von Bremen, Hamburg und Altona betriebenen Gross-
‚fischerei Seitens des Deutschen Zollvereins in Aussicht. —
Von einem Bremer Rheder ist denn auch im vorigen Jahre
eine Eingabe an den Bundeskanzler gerichtet worden, in
welcher „um Beseitigung dieser differenziellen Behandlung
der in Bremen registrirten Norddeutschen Schiffe gegenüber
den von Geestemünde ausfahrenden” gebeten wird. Unter
Anderem wird darin gesagt:
Eine Fortdauer dieser differenziellen Behandlung der
hierselbst registrirten Norddeutschen Schiffe sei offenbar ein
Gegensatz zu der verfassungsmässigen Einheit der Deut-
schen Kauffahrteiflotte und widerspreche dem Geiste der
neuen Zollvereinsorganisation, welche die Zollausschlüsse
eben so wohl wie das Zollgebiet umfasse. Der Zweck der
Zollfreiheit sei Beförderung der nationalen Fischerei und
eben deshalb müssten die unter Norddeutscher Flagge fah-
renden hier registrirten Schiffe eben so behandelt werden
wie die von Geestemünde ausgehenden.
In der am 11. September v. J. ertheilten Antwort des
Herrn Präsidenten, des Bundeskanzlers, wird denn auch
zugesagt, „dass dem Bundesrathe des Zollvereins in dessen
nächster Session ein Antrag vorgelegt werden solle, durch
welchen Bremen, Hamburg und Altona mit ihren Freihäfen
in dieser Beziehung den Freihafenplätzen Brake und Geeste-
münde gleichgestellt würden”.
Deutsche Fischerfahrten nach der Südsee. — In Bremen
waren es vorzugsweise nordische Häuser, welche die Grön-
landsfahrt fortsetzten, während die Südseefischerei zuerst
102
durch Handelshäuser, welche ihre wichtigsten Verbindungen
mit Nord-Amerika haben, betrieben wurde !). Einen allmäh-
lichen Übergang von der Atlantischen zur Südseefischerei, eine
Zwischenstufe, welche wie in Nord-Amerika zu jenem gross-
artigen Betriebe vorbereitet, finden wir nicht. Der neue Be-
trieb erfordert sogleich gewaltige Kapitalauslagen. Es zeigen
sich anfänglich grosse Schwierigkeiten, die erforderliche in
der Grossfischerei geübte Bemannung zu beschaffen. Die
Grönlandsfahrer waren kaum dazu geeignet, denn bei der Er-
öffnung des Betriebes waren die Hauptfischplätze in den süd-
lichen Breiten und der Betrieb war vielfach ein anderer. Eine
Vorschule zur Heranbildung tüchtiger Fischerleute, wie sie
die Amerikaner in der ergiebigen Küstenfischerei hatten,
existirte an dem wegen seiner Seehandelsbedeutung vor
Allem in Betracht kommenden Theil der Deutschen Küste,
Allein
bald hatte sich der Deutsche Seemann in diesem Betriebe
an der Nordsee, nur in sehr unbeaeutendem Maasse.
heimisch gemacht und zeigte sich ausdauernd und tüchtig.
Eine längere Zeit hindurch waren die Bremer Südsee-
fischerei-Unternehmungen meist glücklich, so dass sogar aus
den Kreisen der Bremer Handwerker heraus eine Südsee-
Sie sandte am 3. Mai
1847 das Schiff „Bremen”, Kapitän Geerken, auf den Fisch-
fang in der Südsee und an der Küste von Kalifornien aus,
fischerei-Kompagnie sich bildete.
löste sich aber später wegen finanzieller Misserfolge auf.
Überhaupt erweist sich doch auf die Dauer dieser Betrieb als
zu unsicher in seinen Ergebnissen, zu weit hinaus angelegt,
zu schwierig von Europa aus zu betreiben. Die Mitbewerbung
der ersten Fischer der Welt, der Nord-Amerikaner, später
auch der Plätze in der Südsee (Süd-Australien, Tasmanien)
und Chile’s hat die grossen Vortheile besserer Gelegenheit
voraus.
der Betrieb der Fischerei direkt von Europa aus unter jedes-
maliger Rückkehr der Fahrzeuge nach der Heimath, ein-
gestellt.
Nach reichlich 20jähriger Dauer wird, wie gesagt,
Das Bremer Pionierschiff , Virginia”. — Das erste
Schiff, welches in Bremen für die Südseefischerei ausgerüstet
wurde, war die „Virginia”, 200 Last gross, Kapitän J. D.
Krudop; Rheder war das Handlungshaus Gloystein & Geve-
koht. An Bord waren in der Südseefischerei erfahrene Ameri-
kaner. Ende September 1836 traf man bei der Brasiliani-
schen Insel Trinidad die ersten Wale. Der Kurs wurde um
das Kap der Guten Hoffnung genommen und am 30. Dez.
im Indischen Meere die höchste Breite, 41° 23’ S. Br., bei
48° 23’ Ö.L. erreicht. Am 10. Febr. 1837 legte die „Vir-
ginia” nach einer ununterbrochenen Reise von 197 Tagen bei
der Robben-Insel vor dem Schwanenflusse, Swan River (West-
e 1) Das Haus C. A. Heineken & Co. in Baltimore und Bremen
rüstete seinen ersten Südseefahrer 1837 in Baltimore ans.
Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, in Atlantischen Ocean &e.
Australien) vor Anker. Ein Englischer Bericht vom Schwa-
nenflusse vom 21. Febr. 1837 lautet unter Anderem dahin:
„In diesen Gewässern befinden sich eine unermsssliche
Menge Walfische; das Schiff „Japan”, Kapıtän Hill, erst
18 Monate von London abwesend, hat schon 2200 Fass
eingenommen; wird indessen von England aus nicht thä-
tiger an diesem Fange Theil genommen, so werden wohl
die Nord-Amerikaner jetzt, da sie hier Erfrischungen haben
können, den meisten Nutzen davon ziehen; ein Schiff von
Bremen ist zu gleichem Zweck hier eingetroffen” &e.
In Freemantle entlief der erste Harpunier, ein Ameri-
kaner. Am 20. Febr. ging die „ Virginia” wieder unter
Segel und kreuzte nun längere Zeit Fische suchend bei
Neu-Seeland, namentlich in der Cloudy-Bai. Später ver-
weilte das Schiff mit anderen Walfischfängern in der Insel-
Bai, reparirte dort und nahm Erfrischungen (Wasser, Fleisch,
Gemüse &e.) ein.
Am 23. April 1838 wurde die Rückreise nach Bremen
um Kap Horn angetreten und am 15. August langte die
„Virginia” nach einer Abwesenheit von 25 Monaten mit
einem Segen von 2300 Tonnen Thran und 20.000 Pfd.
Barten wieder auf der Weser an. Neben diesem Segen
brachte die „Virginia” eine Merkwürdigkeit mit, die, wie die
ganze Unternehmung, damals grosses Aufsehen in Deutsch-
land erregte. Es waren zwei Neuseeländer, welche Har-
puniere gewesen und als besoldete Matrosen die Reise nach
Europa gemacht hatten ').
Seit dieser Pionierreise der „Virgimia” segelten im
Ganzen 43 Schiffe von Bremen in direkter Hin- und Rück-
reise auf den Südseefischfang. Während die ersten auf
zweijährigen Reisen nur im südlichen Grossen Ocean fisch-
ten, wurden später die Reisen auf die Gründe an der Kali-
fornischen Küste, bei Kamtschatka und jenseit der Bering-
Strasse ausgedehnt. Vierzig von diesen Unternehmungen
geschahen für Bremer Rechnung, drei wurden für Russische
Plätze hier ausgerüstet. Das letzte Schiff, welches von der
Weser auf Südseefischerei segelte, um mit dem gewonnenen
Segen wieder heimzukehren, war die „Republik” des Hauses
D.H. Wätjen & Co. Das Schiff war beinahe vier Jahre aus.
Auf die Expeditionen nach den arktischen Küsten Asiens
und West-Amerika’s zum Zweck des Tauschhandels will ich
nur hinweisen. Das Pionierschiff war die „Rhena” von
Emden, Kapitän Millers. Die Reise ist uns durch E. Mohr’s
anziehende Schilderung bekannt. Es folgten später mehrere
Deutsche Unternehmungen dieser Art. Ein Deutsches Haus
in Honolulu hatte während einiger Jahre eine Pelzhandel-
Niederlassung in Petropawlowsk.
!) Das „Ausland” brachte die eingehende Schilderung eines Be-
suches bei diesen Wilden, welche sich längere Zeit im Hause des Boots-
manns der „Virginia”, Meinke, in Iprump bei Delmenhorst aufhielten.
Die Fischerei-Unternehmungen in der
Über mehrere Reisen von Bremer Schiffen liegen mir
Journale und eingehendere Berichte vor und aus diesen
soll hier noch Einiges mitgetheilt werden.
Die Südseekreuze der „Averik Heineken”, Kapitän
Schneider, eines in New Bedford gekauften Schiffes, das
1838 bis 1839 seine erste Fischerfahrt von der Weser
unter Kapitän Sletsen mit Amerikanischem Volke gemacht
hatte und für Rechnung von C. A. Heineken fuhr. Am
10. April 1840 kam das Schiff in See, am 14. Dover pas-
sirt, am 27. Mai auf 22° 4’ W. L. die Linie passirt, am
6. Juni bei Trinidad, am 6. Juli auf 40° 9’ 8. Br. und
31° 54’ W.L. der erste Fisch gefangen. Vom 12. bis 19.
schwere Stürme, am 19. Mitt. auf 38° 2’ S. Br. und
76° 2’ Ö. L., Abends die Insel St. Paul erblickt. Am
20. August die Küste von Neu-Seeland erblickt (134 Tage in
See) und bei Kap Räkäou vor Anker gegangen. Bis Januar
1840 wird nun mit gutem Erfolg auf right whale und
Spermfisch gefischt und zwar von 32 bis 44° 8. Br. und
von 160 bis 171° W. L. Am 16. in der Akaroa-Bai vor
Anker gegangen, Kartoffeln eingenommen, Kapitän und Frau
und Leute wiederholt am Lande; bis dahin waren 20 Fische
gefangen. Am 27. Januar 1841 wird wieder in See ge-
gangen und 94 Tage, bis zum 30. April, auf 43 bis 45°
° 8. Br. und 175 bis 179° Ö. L. gefischt, 24 Fische ge-
fangen. Sodann folgt Baifischerei in der Port Kuba-Bai mit
Booten bis Anfang August (das Schiff folgt den Booten unter
Segel), 13 Fische gefangen. Den 24. August wieder in
See gestochen, Fischerei bis 23. Oktober unter 33 bis 35°
S. Br. und 178 bis 170° W. L. Am 23. wird der 68.
Fisch gefangen und damit ist das Schiff aufgefüllt. Auf
der Rückreise wird in Talcahuano noch 14 Tage gerastet
und von dort in 133 Tagen die Weser erreicht. Ankunft
in Bremerhaven den 6. Mai 1842. 5
Es wurden noch in den letzten Jahren mehrere Süd-
seefahrer auf einer Bremischen Werft (von Bosse in Burg
an der Lesum) erbaut. Die Amerikanische Fischereiliste
(New Bedford Whalemen’s shipping list vom 19. Januar
1869) führt unter Bremen noch die Schiffe „Eagle” (nach
dem Kodiakgrund) und „Count Bismarck” (nach dem arkti-
schen Meere), beide befehligt von Deutschen Kapitänen, mit
einem Segen von 170 und resp. 600 Barrels T'hran und 3000,
resp. 9500 Pfd. Barten auf. Für ein hiesiges Haus waren
in den letzten Jahren mehrere Schiffe, die unter Oldenburger
Flagge fuhren, von Honolulu aus mit der Südseefischerei be-
schäftigt, und zwar theils nördlich der Bering-Strasse, theils
auf dem Kodiakgrund (bei der Halbinsel Alaska). Das letzte
dieser Schiffe, der „Julian”, ist, nachdem es an der vorjähri-
gen Aretic-Kreuze noch Theil genommen und erst am 23. Okt.
1868 die Bering-Strasse passirt, nunmehr verkauft und es
ist ungewiss, ob der Betrieb von diesem Hause wieder auf-
Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 103
genommen wird. Von einem dieser Rheder wird mir mit-
getheilt, dass neun Jahre hindurch durchschnittlich drei
Schiffe für Rechnung dieses Hauses in der Südseefischerei
beschäftigt waren und dass der Brutto-Ertrag in dieser Zeit
sich in runder Summe auf mehr als 880.000 Thlr. belief.
Weshalb die Süd-Atlantische Spermfischerei, welche noch
im vorigen Jahre von Provincetown mit einigen 50 Schoo-
nern schwungvoll betrieben wurde, nicht auch von Nord-
deutschen Plätzen in Angriff genommen wurde, ist nicht
abzusehen. Dieser Betrieb erfordert ein weit geringeres
Kapital als die grosse Fahrt und die Deutschen Plätze lie-
gen dafür gleich günstig.
Mittheihungen Deutscher Walfischfänger über ihre Reisen
18564 bis 1867. — 1. Kapitän Mammen vom Oldenburgi-
schen Schiff „Oregon” auf Spermfischfang im Grossen Ocean
und nach dem Ochotsk-Meer.
Zuerst wird der Kurs Südwest genommen, nach der Linie,
auf Spermfischfang und bei den Salomon-Inseln vorgesprochen.
Von da nach den Ladronen, um Feuerung und Lebensmittel
einzunehmen (süsse Kartoffeln und Schweinefleisch, ein-
getauscht gegen Kattun und Tabak). Bei den Ladronen
Anfang März. Von da nach der Küste von Japan, wo im
Osten von der Insel Spermfischfang betrieben wird. Es
wird für ein paar Tage in Hakodade oder Yokuhama ein-
gelaufen. Ende April nach dem Norden, um wo möglich
gegen den 1. Mai in der Ochotsk-See zur Frühjahrsfischerei
(Eisfischerei) zu sein. Die Schiffe gehen dort zunächst
nach der Jonas-Insel, wo bow-heads zu treffen sind, eben so
in den Baien (die Grosse und Kleine Schantar-Bai), Die
Schiffe streifen an der Küste der Ochotsk-See hin und
durchsuchen diese Baien nach Fischen. Sie halten sich hier
bis Anfang Oktober auf, sodann Rückfahrt nach Honolulu,
wo sie Anfang oder Mitte November wieder eintreffen.
(Die Amerikanischen Whaler pflegen häufig, um Thran zu
verschiffen, nach San Franeisco zu gehen.)
Ein anderer Kurs namentlich der Amerikanischen Wal-
fischfänger ist folgender: Mitte Dezember gehen die Schiffe
nach der Küste von Kalifornien auf den Fang des Kalıforni-
schen Wals der „Grey-backs” und kehren Mitte März nach
Honolulu zurück, nehmen Lebensmittel em, löschen Thran
und gehen dann nach der Bering-Strasse, wo die gewöhn-
liche höchste Breite 72° 50’ ist, während die gewöhnlichen
Grenzen der Whalerstreifzüge in Ost und West Kap Jakan
und Kap Lisbourne sind; je nach den Verhältnissen des
Eises gehen sie zuweilen weiter westlich oder östlich.
Auf ein Barrel Thran rechnet man 14 Pfd. Barten.
Die durehschnittliche Thranergiebigkeit eines mittelgrossen
bow-heads ist 70 bis 110 Barrels (& 216 Pfd. netto).
2. Kapitän Lübber’s Mittheilungen vom Oldenburger Schiff
„Julian”. Zunächst von Honolulu im Januar nach Christmas
104
Islands, von da nach Pleasant Island. Hier gute Spermfisch-
gründe. Dann nach der Gilbert-Insel, die Linie passirend,
auf Spermfischerei. Bis dahin ist die Reisedauer von Hono-
lulu 14 Tage bis drei Wochen. Dann nach den Sperm-
Walsründen bei New Ireland, welche an der Nordseite
am ergiebigsten sind. Starke südliche Strömung. Wieder
über Pleasant nach Ualan; Tauschhandel mit den Wilden:
frisches Wasser, Holz, Schweine gegen Tabak und etwas
Geld. Sodann an der Nordseite der Karolinen nach Guam
zu, der südlichsten der Marianen. Hier wird eingelaufen
und es werden Fleisch und Kartoffeln eingenommen.
Bei Guam ist Fang von hump-back-Walen. (Diese Wale
müssen in seichtem Wasser gefangen werden und liefern
20 bis 40 Barrels.) Von Guam bei der Bonin-Insel vorbei,
Spermfische suchend, durch die Sangar-Strasse nach Hako-
dade. Einige Schiffe gehen hier auf right wale - Fischerei.
In Hakodade, Mitte oder Ende April, werden Kartoffeln und
Fleisch eingenommen (der „Julian” des Kapitän Lübber nahm
100 Barrels). Mitunter geben die Schiffer hier an andere
Amerikanische Schiffe Thran ab. Die ganze Flotte geht nur
bis zum Kap Navarin, hier theilt sich die Ochotsk-Flotte
von der die Bering-Strasse passirenden Arctic-Flotte ab.
Schiffe, welche an der Westküste Japan’s auf right whale
fischen, gehen durch die La Peyrouse-Strasse gleich in die
Bai von Ochotsk.
Die Arctie-Flotte geht westlich oder östlich von der
Bering-Insel. Auf etwa 58 bis 60 Grad Treibeis (loses Eis
und Eisberge). Bei Kap Navarin bow-head-Fischerei.
Die bow-heads gehen nicht weiter südlich als das Eis,
also in der Regel bis zum 58. Grad, sie gehen aber mit
dem Eis, wenn dasselbe weiter südlich treibt, weiter. Bei
Point Providence, gewöhnlich Plover-Bai, ist der bow-head
Mitte oder Ende Juni und Anfangs Juli. Anfangs Oktober
Rückkehr nach Honolulu durch den Amuchta-Pass (zwischen
den Aleuten-Inseln Seguam und Amuchta).
Die beiden Arctic-Kapitäne, welche ich zuletzt sprach,
schildern mir die erstaunliche Menge von Walrossen, welche
man nicht selten jenseits der Bering-Strasse trifft. Die
Mannschaft des ‚‚Julian’” tödtete in ihren Mussestunden, d. h.
wenn keine Gelegenheit zur Fischerei war, deren 60.
Bau und Einrichtung Deutscher Südseefahrer. — Die an
der Weser für die Südseefischerei in den letzten Jahren
erbauten Fahrzeuge !) weichen in so fern von den Grönlands-
fahrern ab, als sie viel schärfer gebaut sind. Die von
Honolulu fahrenden Schiffe sind lediglich für den Fischfang
bestimmt. Den Transport des Thranes nach Europa ver-
mitteln Handelsschiffe und auf diese Weise wird das in den
Fischerfahrzeugen angelegte Kapital nicht durch die lange
Hin- und Herreise unnöthig brach gelegt. Es kommt nicht
so sehr darauf an, dass die Schiffe eine grosse Ladung ber-
gen können, weil sie doch selten in einer Season ,„voll”
werden, sondern darauf, dass sie schnell segeln, namentlich
beim Winde gut manöyriren, damit sie auf der Jagd ande-
ren Schiffen, die mit am Platze sind, voran kommen, damit
sie auch kühner .sich dem Eise und der Leeküste nähern
!) In Beziehung auf diese Bemerkungen bin ich dem Herrn Schiffs-
baumeister J. Bosse in Burg, auf dessen Werft mehrere Siüdseefahrer.
gebaut wurden, für freundliche Auskunft verbunden. Auch in Bremen
wurde noch vor zwei Jahren ein Südseefahrer, der „Graf Bismarck”,
auf der Knickman’schen Werft erbaut.
Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e.
können; die Buge werden nicht wie bei den Grönländern
mit eisernen Bändern und Platten geschützt, sondern sie
werden gekupfert, was bei den Grönlandsschiffen nicht ge-
schieht. (Eisen und Kupfer vertragen sich bekanntlich im
Seewasser nicht.) Dagegen werden die Steven vorn mit ge-
gossenen Metallplatten versehen, die Buge bis etwas wei-
ter als zum Fockmast mit eichener Doppelung belegt. Das
Schiff wird bis zur Wasserlinie (beladen) mit einer starken
Kupferhaut versehen.
(Der an der Lesum unweit Bremen vor einem Jahre
neu erbaute „Wilhelm 1.” [Barke von 237 Last] hat ausser
der Bugdoppelung noch eine Spikerhaut von 1 bis 14 Zoll
Stärke unter dem Kupfer, und zwar um das ganze Schiff,
damit, wenn das Eis Platten abreissen sollte, das Schiff
doch noch eine Zeit lang durch die Spikerhaut und den
darunter liegenden Filz gegen Wurmfrass geschützt sei.)
Während die Grönlandsfahrer den Speck zurückbringen,
welcher dann am Lande ausgekocht wird, kocht man be-
kanntlich auf den Südseefahrern den Speck an Bord aus.
Zu dem Zwecke befindet sich auf dem Deck hinter dem
Fockmast ein gemauerter Ofen, in welchem in kupfernen
Töpfen der Speck ausgeschmolzen wird. Das Mauerwerk ist
mit eisernen Knieen auf den: Balken verbolzt und es bleibt
einige Zoll Zwischenraum; beim Thranbrennen wird dieser
letztere beständig voll Wasser gehalten, um das Anbrennen
des Decks zu verhüten. Der Speck wird mittelst einer
Maschine (mince-Maschine) zerstückt. (Geheizt wird mit
dem ausgebratenen Speck, den Greven, mit Holz wird nur
angeheizt.) Die übrige Einrichtung weicht nicht viel von
derjenigen der Grönlandsfahrer ab. Ausser den Krähnen —
der „Wilhelm I.” hat zehn Krähne für fünf Boote, drei
am Backbord, zwei am Steuerbord — hat der Südsee-
fahrer zwischen Gross- und Besanmast einen sogenannten
Galgen, worauf die Reserve-Schaluppen gelegt werden. Hin-
ter dem Besanmast bis zum Heck ist ein Überbau für die
Kombüse, Kajüten-Eingänge und sonstige Räumlichkeiten;
wegen der Thrankocherei kann die Kombüse nicht in der
Mitte des Schiffes stehen. Sonst ist das Deck bis zum
Bratspill im Bug frei, um möglichst Platz für die Arbeit
und vorläufige Unterbringung eben gefüllter Fässer zu haben.
An die Reling ist eine Planke gebolzt, an welche die ge-
füllten Fässer vor dem Verstauen in den Raum gelascht
werden. Der Grossmast ist stärker als gewöhnlich, auch
mit einer Spanne Wanten extra versehen, denn an ihm
wird das Takel befestigt,. womit beim Abspecken des Fisches
letzterer gekentert wird, in der Weise, dass der Speck ähn-
lich wie ein Apfel abgeschält und in langen Streifen auf
Deck gewunden wird. Wenn stürmische See ist, so kommt
es dabei sehr auf den grossen Mast an. Das Schiff hat
ein festes Zwischendeck von 64 Fuss Höhe. Die Kajüte
und Kammer für den Kapitän befinden sich hinten, weiter
nach vorn ist eine zweite Kajüte und Schlafkammer, so-
dann am Steuerbord eine Kammer für 7 Harpuniere. Der
übrige Zwischenraum ist bis zum Bug frei und darin be-
findet sich das Volkslogis für 25 bis 30 Mann. Im Raum
ist nichts Besonderes als der Bug, der durch verschiedene so-
genannte eiserne Schlangen und Bänder gegen den Andrang;
des Eises verstärkt ist; die Stütze und der Balken sind mit
Rillen versehen, in welche starke Schotten geschoben wer-
den, um das Übergehen der Fässer zu verhindern. Die
Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &c.
Kosten der Herstellung eines Südseefahrers von der Grösse
der Bark „König Wilhelm I.”, auf der Werft so weit fertig
geliefert, als es bei Kauffahrern gebräuchlich ist, stellen
sich auf 125 bis 130 Thaler per Last, wozu noch die
Kupferung mit Spikerhaut (3500 Thaler) und die Kosten
der gesammten Ausrüstung für die Fischerei kommen, die
immerhin 8000 Thaler betragen mögen. Früher rechnete
man die Ausrüstung eines Schiffes von 300 Last für die
Südsee auf zwei Jahre, Alles in Allem, also auch einschliess-
lich des Proviants, auf 25.000 Thaler.
Art und Weise des Fischereibetriebes in der Südsee ').
Bemannung. Boote. Antheil. Wie die Schottischen Fischer-
dampfer für die Fahrt nach der Davis-Strasse auf den Shet-
land-Inseln ihre Mannschaft vervollständigen, so thun es
auch die Südseefahrer, und zwar an verschiedenen Stationen,
in noch weit grösserem Maassstabe. Kanaken und Neu-
seeländer, überhaupt Polynesier, Chilenen ®), Peruaner,
Bewohner ° der Kapverdischen Inseln,
den unterwegs angenommen und die Plätze der Sand-
wich-Inseln bilden ein stehendes An- und Abmusterungs-
Bureau für die Südseefischer. Leute, die sich auf ein an
Bord nothwendiges Handwerk verstehen, werden vorzugs-
weise gern genommen. Die Bemannung ist auf Antheil am
Bruttowerth des Fanges angewiesen. Es scheint diese Ver-
gütungsweise beim Walfschfang zu allen Zeiten und auf
allen Meeren bestanden zu haben. Dieser Antheil (lay
oder outlay) ‚variirt auf Deutschen Schiffen von 1 Tonne
Thran auf 15 bis herab auf 1 Tonne Thran von 140 Tonnen.
Die foremasthands, d.i. die Leute vor dem Mast, Matrosen,
Leichtmatrosen, Zimmermann, Koch und sonstige Hand-
werker, welche in dem kleinen dreieckigen Logis wohnen,
das den vordersten Theil des Zwischendecks einnimmt,
haben 40 von jeder Tonne Thran und auch einen ver-
hältnissmässigen Antheil an den Barten. Letzterer Antheil
ist auf den Grönlandsfahrern nicht gebräuchlich. Der Har-
punier (boatsteerer) bezieht so bis zu Yo, In einzelnen
Fällen bis zu "so, die Steuerleute Ys3;, der Ober-Steuer-
mann -Yıs bis /ıs. In Amerika berechnet man jetzt den
Gesammtbetrag des lay auf 38 Prozent vom Netto-Ertrag
des Fanges. Der Kapitän erhält eben so viel und ausser-
dem einen „Bonus”, eine Prämie, je nach dem Fange bis zu
1000 Dollars. Ein erfahrener, im Fange glücklicher Kapi-
tän macht freilich selbst seine Bedingungen, so z. B. er-
hielt ein bewährter Walfänger, Captain Ellen aus New Bed-
ford, Yıo vom Brutto-Ertrage. Handgeld wird in der Regel
nicht gegeben, es müsste denn grosser Mangel an Leuten sein.
Die von Honolulu aufden Walfischfang ausgehenden Deutschen
Schiffe rüsteten sich auf zehn Monate bis ein Jahr aus. In
der Regel waren sie mit 42 Mann besetzt. Sie hatten 4 bis
5 Boote, jedes bemannt mit 6 Mann: Boatsteerer, Harpu-
nier und ausserdem 4 Mann. Die Besatzung zerfällt in die
Steuerbords- und Backbords- Wache. Der Wachtdienst ist
in die Morgen-, Mittag-, Abend- und Mitternachts -Wache
eingetheilt. Der erste Steuermann kommandirt das Steuer-
bords-Boot, der zweite das Backbords-Boot, der dritte das
") Wir behalten diesen Ausdruck bei, weil er einmal gebräuchlich
geworden ist, obwohl er seine Bedeutung durch das spätere Vordringen
in die nördlicheren und arktischen Gewässer verloren hat.
2) Talcahuano betreibt auch selbstständig den Spermfischfang, und
zwar mit 10 bis 12 Schiffen.
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
Portugiesen wer-.
105
Weiss-Boot, der vierte das Bug-Boot. Jeder Boots- Kom-
mandeur wählt sich seine Mannschaft. Der Bootssteuerer
hat im Boote seinen Platz vorn und wirft das „Eisen” mit
in den Fisch, und zwar aus freier Hand. Ein tüchtiger
Harpunier hat noch auf 24 Fuss einen sichern Wurf. Wenn
der Wal fest ist, springt der Bootssteuerer nach hinten, um
das Boot zu steuern, und der Mann am Steuer nimmt den
Platz desselben ein, um im günstigen Falle den Fisch zu
lanzen. Die Boote sind 6 Englische Fuss breit und 30 Fuss
lang, aus Cedernholz und mit fünf Duften (Doffen), d. ı.
Ruderbänken, versehen.
Art und Weise des Betriebes von New Bedford. — Nach
der Mittheilung des Herrn Kapitän Seabury betrug in
früheren Jahren das in einem Walfischfahrzeug angelegte
Kapital bis zu 60.000 Doll., je nach der Grösse und Be-
schaffenheit des Schiffes und der Zeit, für welche es aus-
gerüstet wurde, und zwar: Schuner, Briggs und Barks für
den Atlantischen Ocean für ein Jahr ausgerüstet. Durch-
schnittspreis eines Schuners 6000 Doll., Ausrüstung 6000
Doll., zusammen 12.000 Doll. Durchschnittspreis einer
Brigg oder Bark 10.000 Doll., Ausrüstung 7000 Doll., zu-
sammen 17.000 Doll. Für den Süd-Atlantischen Ocean oder
für eine 2% bis 3 Jahre dauernde Reise: Barks von 1000
bis 2000 Bb. Tragfähigkeit. Durchschnittspreis des Schiffes
12.000 Doll., Ausrüstungskosten 12.000 Doll., zusammen
24.000 Doll. Für eine Reise von drei Jahren bis 42 Mo-
naten Schiffe von 1500 bis 3500 Bb. Tragfähigkeit. Durch-
schnittspreis eines Schiffes 14.000 Doll., Ausrüstungskosten
19.000 Doll., zusammen 33.000 Doll. Um den Anschlag
für die jetzigen Verhältnisse zu bekommen, ist ein Zuschlag
von 50 Prozent zu machen. Die durchschnittlichen Un-
kosten während der Reise waren in früherer Zeit etwa
12.000 Doll. und sind jetzt etwa 50 Prozent des Anlage-
kapitals bei Reisen auf nordische Walerei, 20 Prozent bei
den übrigen Reisen zu machen.
Die Amerikanischen Walfischfahrzeuge gehören meist
einzelnen Personen, zuweilen dem Kapitän, Offizieren und
Mannschaft gemeinschaftlich. Wenn’Mehrere ein Schiff be-
sitzen, so wählen diese eine Person aus ihrem Kreise,
welche die Ausrüstung des Schiffes besorgt und als Agent
fungirt; oder es ist auch umgekehrt der Fall, dass ein
Agent, welcher ein Schiff auszurüsten wünscht, zu seinen
Freunden geht, die Miteigenthümer an anderen Schiffen
sind, und sie veranlasst, zu erklären, dass sie emen oder
mehrere Antheile an dem auszurüstenden Schiffe nehmen.
Sind die Antheile alle untergebracht, so kauft der Agent,
dem es freigestellt bleibt sich als Miteigenthümer zu be-
theiligen, ein Schiff und rüstet es für die Fahrt aus, in-
dem er sich von den einzelnen Betheiligten den auf sie
muthmasslich fallenden Antheil der Ausrüstungskosten vor-
auszahlen lässt, und nachdem das Schiff in See gegangen
unter Empfang von 24 Prozent Commission Abrechnung
giebt. Die Bemannung stellt sich: auf 15 Mann bei einem
Schuner mit zwei Booten, auf 21 bis 23 Mann bei einem
Schuner oder Schiffe mit drei Booten, auf 30 Mann bei
einem Schiffe mit vier Booten.
Die Fischereigeräthe. — Die Harpune besteht aus einem
armdieken, 3 bis 4 Fuss langen hölzernen Pfahl oder Stiel
von Hickory- oder Eichenholz, auf welchem der kaum finger-
dieke, 2 Fuss lange eiserne Harpunenschaft befestigt ist.
14
106 Die Fischerei-Unternehmungen in der Südsee, im Atlantischen Ocean &e.
Die Spitze ist entweder ein doppelter Widerhaken oder ein
bewegliches Blatt, das zurückklappt und sich, wenn der
Fisch vorwärts schiesst und dadurch das Eisen angezogen
wird, quer vor die Wunde legt. Die Einrichtung des Auf-
rollens der Leinen im Boote ist ähnlich wie bei den Grön-
landsfahrern.. Jede Schaluppe hat 1500 bis 2400 Fuss
Leinen. Die Lanze besteht aus eben solchem Pfahl wie
die Harpune. Der Schaft vom besten Eisen ist 6 bis 7 Fuss
lang. Ein rautenförmiges, haarscharfes, hohl geschliffenes
Blatt bildet die Spitze. Zum Zurückziehen sitzt an der Lanze
eine dünne, 30 bis 40 Fuss lange Leine, der Lanzenwarp.
Anmerikanisches Fischrecht. — Noch haben wir ein paar
Worte über das in der „Südsee” (alles nach dem Gebrauch
darunter zu Begreifende mit einbegriffen) geltende Recht
zu sagen. Es weicht wesentlich von dem Grönländischen ab.
Fundamentalsatz ist nicht, wie dort, das Festmachen des
Fisches und die Fortdauer der Verbindung mit dem Schift,
sondern das erste Eisen (Harpune) entscheidet über den
Besitz des Wales. Die Verfolgung des Fisches, so lange er
nicht fest, ist völlig frei, wenn auch ein Boot dieselbe zu-
erst begann. Wenn die Leine des fest gewordenen Bootes
bricht, der Fisch entflieht, später aber dieser Fisch von
dem Boote eines anderen Schiffes getödtet wird, so muss
das zweite Schiff seine Beute aufgeben, wenn sich der erste
Eigenthümer rechtzeitig meldet und seinen Anspruch durch
die im Körper steckende Harpune, welche die Marke des
Schiffes trägt, nachweist. (Umgehungen durch Heraus-
schneiden des fremden Eisens finden natürlich häufig Statt.)
Meldet sich der Eigenthümer während des Einschneidens
des Fisches, so lautet die Regel: Alles, was schon binnen-
bords ist, gehört dem zweiten, Alles, was noch aussenbords
ist, dem ersten Schiff. Nach diesem Usance-Recht werden
alle Streitigkeiten unter den Fischern selbst entschieden und
nur selten erfolgt die Anrufung eines Gerichtshofes. Ein
solcher Fall trug sich aber doch in der Kreuze 1867 im
Ochotsk-Meere zu. Die Mannschaft des Oldenburger Schiffes
„Oregon” tödtete einen Walfisch, dabei war ihr aber auf
irgend eine Weise die Mannschaft des Amerikanischen
Schiffes „Richmond” behülflich. Der „Oregon” nahm den
Fisch ganz über, der „Richmond” erhob aber Anspruch dar-
auf. In Honolulu stellte der Kapitän des „Richmond” des-
halb Klage an und der Richter erkannte beiden Parteien
je Eine Hälfte des Fisches zu. Bei dieser Gelegenheit wurde
der Werth eines mittelgrossen Walfisches auf 150 Barrels
Thran und 2000 Pfund Fischbein geschätzt, was nach den
damaligen Preisen 7500 Dollars ergab. Die Einzelheiten
dieses Rechtsfalles habe ich, da Kapitän Mammen nun längst
wieder auf der Südsee schwimmt und ich erst nach seiner
Abreise von hier Kunde von diesem Fall erhielt, nicht in
Erfahrung bringen können.
Glänzende Walerkreuze im Ochotsk-Meere 1854. — Neben
der Kreuze im Sommer 1849 in der Bering-Strasse war
das Jahr 1854 in dem Ochotsk-Meer eine der glänzendsten
Whaler-Seasons. Es nahmen mehrere Deutsche Schiffe daran
Theil. Die Fischerei in diesem, zum grossen Theil von steilen
Felsenküsten umgebenen, buchtenreichen Meere ist, wie einst
die Fischerei bei Spitzbergen, Baienfischerei. Wir haben
das Eigenthümliche dieser Fischerei bereits kennen gelernt.
Auf Walgründen in offener See bleibt das Schiff unter
Segel, erst wenn Fische in Sicht, werden die Boote gestrichen.
So ist es in der Regel noch jetzt im Grönländischen Meere
und theilweise auch bei der Fischerei in der Davis-Strasse,
so auch im arktischen Meere jenseit der Bering-Strasse, auf
den Kodiak-, Bristolbai- und den Californischen Gründen und
besonders auch im Spermfischfang. Im? Ochotskischen Meere
liegen die Schiffe vor Anker. Beim Morgengrauen brechen
die Boote auf. Nach allen Richtungen durchkreuzen die
kleinen weissbeschwingten Segler die Bai, es bleiben von
der Mannschaft nur die Schiffshüter zurück. Die Wal-
gründe im südwestlichen Theil des genannten Meeres, in
der Grossen und Kleinen Schantarbai, sind ein Hauptsammel-
platz der Walfänger. Man rechnete z. B., dass während der
Hauptmonate, Juli und August, in dem am meisten von den
Walern frequentirten Theil der Schantarbai nicht weniger
als 6 bis 7 Wale täglich in jenem Jahre getödtet wurden.
Tausende von Walen belebten die Gewässer der Bai, welche
eine seltsame Scenerie zeigte: auf dem Meere zahlreiche
. Schiffe, unbeweglich an ihren Ankern, da und dort treibend
die weisslich-rothe Fleischmasse eines Karkass (eines ab-
gespeckten Fisches), dessen faulende Substanz weithin die
Luft verpestet, dazwischen die beweglichen Boote, hie und
da das aufregende Schauspiel des Kampfes eines dieser
Boote mit einem Wal vor einem Parterre vieler anderer
als aufmerksamer Zuschauer, am Lande hie und da luftige
Hütten in Kegelform, aus Baumstämmen und Tannenzwei-
gen zum Übernachten der durch Nebel an der Rückkehr
verhinderten Walfänger von ihnen selbst erbaut; bei Nacht
das Meer und die felsige Küste öfters grell beleuchtet durch
Waldbrände, welche die Walfischleute aus Muthwillen, um
sich an dem zauberhaften Anblick zu ergötzen, selbst an-
zündeten, oder aus dem Dunkel hervorleuchtend das Deck
eines kochenden Walfängers, die schwarzen Gestalten in
geschäftiger Thätigkeit um die weithin leuchtende Flamme
des brodelnden Thrankessels.
Jetzt ist die Ochotsk-See lange nicht mehr so ergiebig
und im vorigen Jahre besuchten sie nur noch acht Wal-
fänger. Sehr wesentlich zur Ausrottung der Wale trägt
der Umstand bei, dass, wo Gelegenheit dazu ist, das Wal-
kalb zuerst getödtet wird, um sich der Alten zu versichern,
welche nicht leicht ihr Junges verlässt. Auch im arktischen
Meere jenseit der Bering-Strasse hat die Fischerei gewaltig
abgenommen. Im Jahre 1849, ein Jahr nach Eröffnung
dieser Gründe, gingen 154 Schiffe dahin und brachten
200.000 Barrels Thran und 24 Millionen Pfund Barten
mit, im Jahre 1868 waren nur 41 Schiffe dort beschäftigt,
welche 35.000 Barrels Thran und 575.200 Pfund Barten
mitbrachten, unter ihnen das Deutsche Schiff ‚„Julian” mit
gutem Fange.
Erläuterungen zu den Anlagen. — Wir haben noch einige
Erläuterungen zu den Anlagen zu geben, so weit wir solche
nicht schon in unserer bisherigen Betrachtung eingeflochten
haben. Was zunächst die statistischen Tabellen betrifft
(Anlage A), so haben wir in der Übersicht 1 die Ergeb-
nisse der Hamburger Grönlands-Fischerei in drei verschie-
denen Jahren des 17. Jahrhunderts mitgetheilt.
Tabelle A. 2 zeigt den Gang der Grönlands - Fischerei
von Hamburg und Bremen in den Jahren 1700 bis 1789,
und zwar nach der Zahl der Schiffe, der Schiffsverluste,
der Zahl der gefangenen Fische und des Ertrages an Speck.
Es war nicht möglich, diese Tabelle weiter fortzuführen,
Die Fischerei-Unternehmungen in der
weil das Material dazu fehlte, und hier bemerke ich gleich,
dass die Vollständigkeit und Vielseitigkeit der Tabellen
durch den vielfach mir entgegentretenden Mangel an zu-
verlässigem statistischen Stoff leider sehr beschränkt wurde.
Die hier in Rede stehende Tabelle zeigt, dass in der ersten
Periode Bremen die Hälfte der Zahl der Hamburger Schiffe
hatte. Bremen’s Fischerei übersteigt die Zahl der Ham-
burger Schiffe in der Zeit von 1720 bis 1729, fällt dann
aber bedeutend herab. In ähnlichem Verhältniss steht
meist auch der Ertrag.
Tabelle A. 3 stellt die vorhandenen Daten über die nor-
dische Fischerei von Gross-Britannien, den Niederlanden und
den Norddeutschen Häfen nach der Zahl der Schiffe, der
Schiffsverluste ünd des Ertrages aus der Periode 1670 bis
1799 zusammen. Sie zeigt das Übergewicht Hollands in
diesem Betriebe und ergiebt ferner, dass in der ältesten
Periode die Norddeutschen Häfen eine halb so starke Grön-
landsflotte besassen als die Holländer.
Tabelle A. 4 giebt die Übersicht des Betriebes von der
Weser aus. Sie ist die relativ vollständigste, indem sie
die Zahl der Schiffe, im Ganzen 1554, die Schiffsverluste,
die Erträge und Schwankungen in den Preisen von Thran
und Barten bis auf die neueste Zeit, so weit.die Daten zu
erlangen waren, angiebt. Bemerkenswerth ist die kleine
Zahl der verlorenen Schiffe gegenüber der oft betonten Ge-
fahr der Eisschifffahrt.
Tabelle A. 5 enthält einige Daten über die Grönlands-
Fischerei von Altona und Glückstadt.
Die nächsten drei Tabellen zeigen die Einfuhr von
Thran und Barten von Hamburg und Bremen in den letz-
ten fünf Jahren. Sie sind bei Einsicht der in Anlage E.
gegebenen Mittheilungen über den Thranhandel von Bremen
und Hamburg und die Deutsche Fischbein-Fabrikation zu
vergleichen.
Endlich folgen noch einige Übersichten über die so-
genannte „Südsee-Fischerei”. _
Tabelle B. 1 giebt eine Übersicht der Brutto- Erträge
des Walfischfanges von den unter Nordamerikanischer Flagge
fahrenden Schiffen in den letzten zwanzig Jahren, von 1849
bis 1868, wobei die Gesammt-Brutto-Erträge nach den in
den Jahresberichten der New Yorker Handelskammer für
jedes Jahr angegebenen Durchschnittspreisen von mir be-
rechnet wurden.
Tabelle B. 2 giebt den Bestand der Amerikanischen
Walfischflotte am 1. Januar 1869 nach Zahl und Tonnen-
gehalt der Schiffe und der Betheiligung der einzelnen
Häfen.
In Tabelle B. 3 habe ich Übersichten über die Fran-
zösische Walfischerei gegeben, so weit ich das Material er-
halten konnte, und zwar von 1836 bis 1868.
Tabelle B. 4 giebt eine Übersicht über die von der
Weser aus betriebene Südsee-Fischerei aus den Jahren 1836
bis 1859. &
Daran reihen sich noch unter B. 5 Daten über die
Brutto-Erträge dreier Deutscher Südseefahrer aus den Jah-
ren 1861 bis 1868 an, welche von Honolulu aus fuhren.
Südsee, im Atlantischen Ocean &e. 107
Anlage C enthält die Musterrolle des Grönlandfahrer-
Dampfers „Albert” vom 17. Februar 1867.
Anlage D enthält eine Mittheilung über die vom Büchsen-
fabrikanten Cordes in Bremerhaven verbesserte Schiesshar-
pune und Bombenlanze.
Anlage E enthält Mittheilungen über Thranbereitung,
Thranhandel und Fischbein-Fabrikation in Deutschland.
Endlich Anlage F enthält die Mittheilung des Kapitän
Seabury über die früheren und jetzigen Walfischplätze der
Amerikanischen Walerei.
Die beigefügte Karte dient als Erläuterung zum vor-
stehenden Text.
Rückblick und Schlusswort. — Wir haben die Deutschen
Fischerei-Unternehmungen in ihren verschiedenen Entwicke-
lungsstadien durch drei Jahrhunderte bis auf die Gegenwart
verfolgt und gefunden, dass unsere Nation, obwohl ohne natio-
nalen Schutz und Zusammenhalt, in diesem recht eigentlich
oceanischen Betriebe hinter anderen Nationen nicht zurück-
gestanden hat. Der Rückgang der arktischen Fischerei ist
jetzt ein allgemeiner. Aber auch schon früher traten solche
Perioden ein und wir haben gesehen, dass in Folge des Vor-
dringens in unbekannte Regionen neue reiche Walgründe
entdeckt wurden und die Fischerei dann immer einen neuen
Aufschwung nahm. Erst 21 Jahre sind verflossen, seit-
dem einer der reichsten Walgründe, das Meer jenseit der
Bering -Strasse, zuerst ausgebeutet wurde. Man kann es
als wahrscheinlich hinstellen, dass die Entdeckung bis dahin
unbefahrener Theile des arktischen Meeres auch neue Fisch-
gründe eröffnen wird, die, wenn nur einigermaassen Zu-
gänglich, bald der Tummelplatz von Walfängern werden
würden.
Schon in der Einleitung habe ich bemerkt, es sei
nothwendig, dass unsere Nation ein volles Verständniss für
ihre nautischen Interessen gewinne. Küste und Binnenland
dürfen sich nieht mehr fremd gegenüber stehen, sie müssen
mehr und mehr sich als organisches Ganze erkennen. Viel-
leicht erweist sich meine Arbeit, die bei dem Mangel an
zusammenhängenden Berichten über die Deutsche Gross-
fischerei nichts weniger als mühelos war, dem in dieser
Beziehung bereits erwachten Streben förderlich. Die „Geo-
graphischen Mittheilungen” haben, unbeschadet ihres inter-
nationalen Charakters, für die Hebung der national-mari-
timen Interessen, wie Jedermann bekannt, stets wacker
gekämpft, sie sind daher der rechte Platz für eine solche
Arbeit.
Wenn diese letztere hie und da zu ausführlich erschei-
nen sollte, so bemerke ich, dass ich gesucht habe, ver-
schiedenen Ansprüchen möglichst gerecht zu werden. Ich
verflocht Verwandtes und Individuelles in den in sich
an eimer gewissen Einförmigkeit leidenden Stof, um ihn
schmackhafter zu machen. Dem verehrten Leser, welcher,
ohne viel zu überschlagen, bis hierher, zum Ende, gelangt,
sage ich meinen aufrichtigen Dank für seine Geduld.
Bremen, am 16. März 1869.
Moritz Lindeman.
14*
Anlagen.
A.1. Ergebnisse der Hamburger Grönlands-Fischerei in den Jahren 1669, 1678, 1689.
Anno 1669.
Directeurs. Schiffe. Kommandeurs. Angekommen. l Fische, rn
Sr. Carel de Vlieger & Hend. | de Mackereel | Peter Eysen 21. Aug. 6 330
Pender Abrah. offer Sand | Claas Hubens SH. „An, 8 | 450
de Paradys | Riewert Cornelissen 21. » 3 | 230
de Zeemann | Gerrit Pieterse 8. Juli 13 | 650
St. Pieter Abraham Harmans 10. » 10 660
de Hoop Carste Rickmers Io: en alas 600
de Liefde Simon Claase 21. » 4 190
Sr. Albert Meyer de Christina | Michel Janse 2. » | 550
St. Jan Evangelist | Jan Jacobs len BIS 154
de Hoop Rieke Nannings leer) | 320
de Liefde Jan Hamman 21.» JR 520
z Joh. Engelsmann 30. » 4 220
St. Jan Baptist Mattys Pieters 31. » 13 898
Sr. Paul J. Schomaker de Vergulde Valk | Pieter Dirks 21. Aug. | 9 438
Koning David | Cornel. Michels 2er t) 516
de Paradys | Franz Dirks 2. Okt. 34 158
Sr. H. G. Backer de Ouden St. Jan Baptist Jacob Ericks 25. Juli aa 570
de Liefde Jan Pieters 21. Aug. 5 260
Sr. H. G. Backer de Jongen de Abraham Roloff Volkers 19. Juli | 13 630
St. Jan Evangelist | Boy Carstens 4. Aug. 8 417
| St. Jacob | Jacob Floors 4.» 6 350
Sr. Vaase Geerkens | St. Jan Baptist Cornelis Pieters 13. Juli 11 620
| de Moscoviter Junge Mangels 13. Aug. 9 550
St. Jacob Roloff Adrianse Ditenm | 6 330
Sr. Lucas Koenen & Comp. de Maria Jan Hanse 12. Juli | 9 600
de Engel Gabriel Jan Pieters 21. Aug. 4 158
Sr. Hans Beck | de Kaiser Conradus | Puwel Moy 21. > | 8 450
| St. Jacob | Jan Mayen 31. » | 4 230
Sr. Hans von Hecken de Liefde | Peter Jaspers en | 3 175
de Hoop | Pieter 0. Kraft 21. 'n 7 426
Sr. Olaas Witte de Hoop | Pink 5. Sept A 220
Sr. Cornelis Noten de Liefde Cornelis Zeemann 31. Aug. 10 | 580
de Oude Tobias Jan Jurgens 21. .n 3 | 163
Sr. Simon Claase | de Neptunus Jacob Zeemann Ban | 180
Sr. Hendr. Janse Rüpke de Kronenborg Cornelis Nannings 21. » 7 | 420
| de Nachtigaal Pieter Pieters Se 1 | 50
Sr. Paul Gowers St. Jacob Lambert Claase 21. n | Biol 264
37 Schiffe gevangen tesamen | 262 | 14.527
Directeurs.
Comt door de Bank 7 Fisch und 393 Quardeel Speck.
Schiffe.
Anno 1678.
— tree III
Sr. Carel de Vlieger & Comp.
de Mackereel
de Paradys
de witte Baer
de Bloompott
de Liefde
de Kuff Johanna
Kommandeurs. | Fische, | ER
| Jan Mayen genommen.
Jacob Jacobs 11- | 550
| Jan Peters 2 100
| Jochim Boy verunglückt.
| Jan Cornelissen 137% 550
Cornelis Peters
3 2176
Anlagen. 109
Directeurs. Schiffe, Kommandeurs. Fische er
Sr. Jan Wreede | St. Jan Evangelist Matthies Peters 19 760
| de Pelican Jan Peters 16 603
| de Oranieboom Peter Peters 154 690
| de Liefde Jan Hamman 15 568
de Wienberg Jan Dittmers 144 551
de Rulandt Jan Jacobs 8 336
Sr. Herm. G. Backer | de Abraham = Jan Floris 1 72
St. Jan Lübbert Volkers 3 150
de Hoop | Arend Peters 7 306
de Heilige Landt | Erick Jacobs 17 710
Sr. Ammon Andressen de witte Swaen Vincent Janssen 1 72
de Stadt Hamborg | Jochim Dreyer 12 675
| de Prophet Daniel Jan Teyssen | 304
| de Salomon | Jurgen Mangels 5 .| 240
Sr. Paul J. Schomaker de Koning David | Cornelis Michelsen 15 556
de Valk Michel Fredericks 10 580
| de Charitas Peter Dirks 16 615
Sr. Jochim Jarchan | de Patriarch Abraham | Erick Rickmers 17 750
| de Patriarch Jacob Jacob Fredericks 10 336
| St. Nieolaus | Roloff Volkers 17 650
Sr. Geert H. Backer | Salomon’s Gericht | Tonnies H. Backer 6 300
| de Abraham Dirk Meyer 7 336
| St. Anthony Jasper Jacobs 8 306
Sr. Coordt Jastram | de Nordsteeren Jacob Wormes 12 500
| de Kaiserrinne Jochim Vydt 14 72
| de Wapen v. Bergen | Hinrich Vaess 21 750
Sr. Bartelt Jenkel | St. Michel | Litte Martens 7 220
de Perell | Berend Boys 13 380
Sr. Peter H. Backer St. Jan Baptist | Rör Janssen 3 105
| de Liefde | Jacob Ericks 2 86
Sr. Franz Schleyer | de Wienberg | Peter Loorens 18 700
| St. Jan Baptist Jan Schinkel 13 350
Sr. Conrad Koenen & Comp. | de goude Leu Jürgen Roloffs 10 440
| de Sara Hinrich Schuldt 9 400
Sr. Lucas Koenen & Comp. St. Maria | Jan Dirks 6 240
de jonge Zeemann Jacob Zeemann 9 370
Sr. Hinrich de Jager de Paradys | Carsten Rickmers 16 600
Sr. Jan Hans Rüpke de Nachtigaal Roloff Rieckmers s 326
Sr. Hans Gowers | St. Jacob Jan Peters 4 150
Sr. Hans Beck | de Hector Hilke Schram verunglückt.
Sr. Jan Jasp. de Rüscher de 3 Helden David’s Peter Loorens 11 500
Sr. Bastian Cöcler | de Salomon Boy Schwen 9 384
Sr. Franz Sabell de Fortuyn Hinr. Lübbers 1 46
Sr. Hinrich Schuldt de Franeiscus Jan Sontte 8 328
Sr. Jannes Waldvagel de Fortuyn Peter Carstens 6 260
Sr. Hans Gowers St. Peter Matthies Kock 6 640
Sr. Cornelis A. Zeemann de Kayser Cunradus Corn. A. Zeemann 10 450
Sr. Peter Burmeester St. Elisabeth Jan Steffens 9 300
Sr. Isaac Rausch St. Peter Jan Claassen 17 594
55 Schiffe gevangen tesamen 5044 19.657
Comt door de Bank 94 Fische und 357% Quardeel Speck.
Anno 1689.
Directeurs. Schiffe. Kommandeurs. Angekommen. Fische. | r
Sr. Carel de Vlieger St. Peter Peter Carstens | 13. Aug. 1 64
de witte Baer | Carsten Andressen 1013 4» —_ —
de witte Peerdt Jacob Jacobs 2. n Ba. 150
110 Anlagen.
Directeurs. Schiffe. Kommandeurs. Angekommen, Fische, Sr
Sr. Carel de Vlieger de Paradys Jochim Boy 9. Sept. — —_
de Fortuyn Jan Christens 22. _ —
de Justitia Peter Loorens 4. n» —_ _
Sr. Jan Wreede St. Jan Baptist Frederick Dirks 4. 2 102
de Pelican Riewert Jacobs 1. n 2 76
de Liefde Marten Hanssen verunglückt.
de Wienberg I Jan Dittmers 28. Aug, —_ —_
Sr. Ammon Andressen de Koning Salomon Otte Plump 24.» 1 60
de Prophet Daniel Jan Teyssen verunglückt.
de Prophet Jonas Rör Riekmers 11. Sept | DR] 140
Sr. Herm. G. Backer de Abraham Arend Peters en _ | _
; St. Jau Baptist Casper Olderoy las £n 1 40
de Galliot de Isaac Jacob Koch 19. Aug —_
Sr. Herm. Gowers & Comp. de Hoop Adrian Dirks 7. Sept —_ —
de geeronde Liefde Jan Peters 8. Aug | 4 200
de Haen Michel Feddersen 24. n 4 27
Sr. Jaques de Rüscher de 3 Helden David’s Cornelis Loorens geborgen.
de groene Papagey Hans Janke 8. Aug — _
de Fortuyn Haus Hanssen 12. — —
Sr. Jan Elias Munster de Paradys Carsten Rickmers gefunden. | 40
de groene boom Jan Lange 16. » 2 90
de Boers Peter Andressen 7. Sept — —
Sr. Geert H. Backer Salomon’s Gericht Jan Heere 10.» 1 50
St. Anthony Jasper Jacobs 1. — —_
Sr. Jochim Fock de Hoop Peter Loorens 12. Aug. j 1 16
de Wapen v. Ostfriesland Jan Schinkel 17. Sept <=
Sr. Herm. Gowers de Jager Jan Jacobs 12, m — _
St. Jacob | Jacob Hoffmann 12. Aug 1 40
Sr. Jeron de Drusina St. Elisabeth Nanning Cornelissen 1. Sept 1 45
de Sonn Matthies Claassen 12... — —
Sr. Geert Geertsen de Wapen v. Hamburg Claas Roodtspraack En | 5 170
de Neptunus Jan Cornelissen 9.» J
Sr. Peter Gowers de Vreede Hans Carstens 28. Aug. — —
f de Carsboom Roloff Dirks 21. Sept. —_ _
Sr. Conr. Koenen & Comp. de Vreede Jürgen Cornelissen 13. Aug. 2 85
de Gideon , Daniel Worms 8» 1 58
Sr. Paul J. Schomaker de Koning David Nanning Nanningsen 22. Sept. 3 150
Sr. Paul Paulssen de Wapen v. Bergen Cort Tamsen 12. Aug. 2 90
Sr. Herm. Harbart de Koning David Peter Peters 21. Sept. 2 75
Sr. Salomon de Vlieger de Walvisch Jan Hinrich 11. Aug. 1 49
43 Schiffe gevangen tesamen 384 1817
Comt door de Bank 4#5 Fisch und 431 Quardeel Speck.
A. 2. Übersicht über die Zahl der Schiffe und den Ertrag der Fischerei von Hamburg und Bremen in der
Zeit von 1700 bis 1789.
Fahre Zahl der Schiffe, Geblieben oder genommen. Gefangene Fische. Ertrag an Quardeel Speck.
z Hamburg. Bremen. Hamburg. Bremen. Hamburg, Bremen, Hamburg. | Bremen.
1700 bis 1709 365 | 179 39 5 1710 6334 52.540 23.624
1710 » 1719 373 | 200 ! 11 4 7724 6583 29.266 22.9084
1720 » 41729 200 | 227 15 2 72645 3518 23.658 16.061
1730 » 1739 .253 | 148 4 6 3342 209% 15.911 9.881
1740 » 1749 171 | 51 2 1 4443 1184 19.700 4.898
1750 n 1759 174 | ar 5 3 407 454 15.0894 - 1.483
1760 » 1769 208 | 23 2 —— 5174 28 21.0774 784
IUWO» 17,09 377 40 9 _ 661 118% 40.757 2.827
1780 » 1789 300 | 53 ° | 6 — 10284 2174 42.553 4.252
Anlagen.
111
A. 3. Nordische Fischerei von Gross-Britannien, Holland und den Norddeutschen Häfen in Bezug auf die
Zahl der Schiffe, Schiffsverluste und Erträge in den Jahren 1670 bis 1799,
a TE
Tao Zahl der Schiffe. en adey Gefangene Fische. Ertrag an Quardeel Speck. dr
Grossbrit. | Holland. „|Norda. H. "| Grossbrit. Holland. |Nordd. H. Grossbrit. | Holland. | Nordd. H, | Grossbrit.| Holland. | Nordd. H,. | Holland. | Nordd. H.
1670 bis 1679| — 993 561 — 83 19 _ 6.414 | 3.7474 En 283.396 | 186.084 | 84%, | 4 % 1
1680 ,„ 1689 — 1932 553 —_ 113 26 — 10.019 | 2.3763 —_ 395.771,101.295 | 6 „ DE
1690 ,„ 1699 — 955 492 —_ 82 Sb 4.864 | 1.1294 — 189.132 | 13.234 | 84 „ Sn
170087, 21709 —_ 1652 BEA 62 44 —. | 8.537 | 2.3432 — 301.250 81.164 | 4 „ SE
rel) _ 1351 573 — 51 15 — | 48645 | 1.431 —_ 170.488 | 52.1744 4 „ 21 „
TOT —_ 2252 El ln > BOT — 3.439 | 1.077414 —_ 131.607 | 44.719 | 3 „| 4A „
1730 ,„ 1739 —_ 1839 401 —_ 27 10 —_ 4.690 | 5A _ 86.939 | 25.792) 12, 24
1740 „ 1749 —_ 1724 222 — 41 3 _ 4.127 | 5634 = 192.859 | 24.598 | 24 „ | 13 „
1750, 1759 556 1649 215 _ 36 | ae Er — ee E3bo0le .5054 —. 1135.725| 16.5724) 27 501 AU,
1760 „ 1769 | 459 1620 273 —_ 29 3 _ 3.283 | 5893 gs 21.8614] 2 „ al
ao, 1729 Tal 1337 502 — 39 10 —281175:826; | 38392 — 89.378 | 43.584 | 3 „ as
1780 ,„ 1789| 1284 — 376 — = 6 — — age an EZ Ro tee
1790 „ 1799| 755 — — = - ey Zn Fee = 0 = _ =
!) Es sind diess Hamburg, Bremen, Altona und Glückstadt.
A. 4. Übersicht über den von der Weser aus betriebenen Fischfang im Grönländischen Meere und in der
Davis-Strasse von 1695 bis 1868.
Über die von der Weser aus nach Grönland und der Dayis- Strasse unternommenen Ausrüstungen , ursprünglich allein auf den Walfischfang,
späterhin einzeln, in neuester Zeit vorzugsweise auf den Robbenschlag, liegt uns eine seit dem Jahre 1695 geführte Liste vor, aus welcher wir in
zehnjährigen Perioden nachstehenden Auszug mittheilen.
| Total der | |
Perioden. a rn segenen | ee SBeck| Thranpreise per Bonkei| EP Tonnen Thran. | Robben.
1695 bis 1700 s1 2 370 17.6068 | 64 bis 16 HM 18 bis 85 M — | _
hl ride) 182 3 671 D690 = SEy Bone, Er — | —
17610 %,01730 205 3 687 24580: |, O0 lan Mac ton _ | _
role 1730 226 3 321 16.461 SUR _ _
Taler 70 138 Be no 10.655 9%, ul 79, Tao _ | _
1741 ,„. 1750 45 _ 113 4.685 110? 2 5 190 59 se — | _
1751 ,„ 1760 15 1 3 1.633 Tao, 58 HL E= e=
a a) 26 _ 55 _ Ts DIE 50 bis, 52° ‚, 7.000 _
Te 780 40 — 112 _ u OS aa en 9.087 | _
1781 ,„ 1790 59 _ 213 | — 16% ,.n27 2.20) ae 14.997 | —_
1791 „ 1800 sı _ 267 — 16. 2, var 51128, oe 23.555 —
1501 ,„ 1810 50 _ 205 —_ TOR 2 Th = — —
1811 ,„ 1820 51 —_ 71 E RAR Le _ _ _
1821 , 1830 51 2 143 _ a DI ESTER — —
1831 , 1840 24 _ Do — 14, 5, 21.9, (O1 sonen == 45.700
1841 ,„ 1850 126 _ 115 _ —_ | —_ _ 298.878
1851 , 1860 114 _ 65 - _ o | _ 185.137
1861 , 1868 WW 27 _ _ - _ 60.323
1554 3749
A. 5. Grönlands-Fischerei von Altona und Glück- A. 6. Total-Einfuhr von Thran, Robbenfellen und
stadt in den Jahren 1750/1789 bis 1815/1854. Walfischbarten in Hamburg in den Jahren 1864
bis 1868.
Altona. Glückstadt.
| geblie- Gefan- |
Jahre. ae en Jahre. Fate Thran. Robbenfelle. Walfischbarten.
| ze | | JS Quantum Werth | Quantum Werth Quantum| Werth
1750 "bis 1759 24 1 503 || 1815 bis 1824 | 116 | Stexkan a | SC? |
1760 “ 1769 | 19 1 | 444 1825 s 1834 | 43 36 at Mark Bco. | Stück. | Mark Bco. | Centner. | Mark Bco.
1770 „ 1779 | 42 1 | 694 || 1835 „ 1844 | 32 1864 | 289.478 |3.814.280 | 57.900) 258.250 | 1.668 | 501.680
1730 „ iss | 23 | — | 61 | 185 „ 1854 | 30% 1865 | 282.787 |2.852.980| 26.685 63.820 | 825 | 278.130
1866 | 226.909 2.003.810, 18.987) 53.100 | 2.211 | 780.500
x > er EEE Ir 1867 | 309.658 | 2.802.540) 34.681) 117.820 | 2.206 | 696.590
ne ee ll 1868 | 343.180 |2.712.770 |(cr)4.349| 219.810 | 2.413 | 543.380
112 Anlagen.
A.7. Einfuhr von Thran in Bremen 1864/68 nach Quantum in Tonnen und Werth in L.-Thlrn.
| 1864. 1865. | 1866. 1867. 1868.
Quantum, | Werth. Quantum. | Werth. | Quantum. Werth. | Quantum. Werth. | Quantum. | Werth.
Gesammteinfuhr . » . 2... | 16.0814 | 425.305 | 14.2354 | 363.544 | 12.8734 | 321.864 | 17.2553 | 405.083 7.7323 | 172.039
Darunter von Norwegn. . - » . . |, 1.212 33.769 | 2.1844 | 52.827 | 2.835 64.072 | 3.644 | 81.386 1.8645 | 39.637
= ASCTONTandN Se are: | 1.112 33.697 | 1.1274 | 28.540 | 2.186 62.437 | 1.770 42.290 | 2.0744 | 49.557
" „ New Bedford . A | | | 3.255 75.935 | |
en „ New York. . 2.2... | 543 | 14.290 | | 3.5174 | 74.500 |
EA „ den Sandwich-Insen . . | 9.244 | 227.828 | 7.966 | 205.110 |, 6.560 | 170.920 | 2.793 72.969 | 2.380 49.285
A.S. Einfuhr von Walfischbarten in Bremen 1864/68 nach Pfund Netto-Gewicht und Werth in L.-Thirn.
| 1864. 1865. 1866. | 1867. | 1868.
ie Quantum. | Werth. Quantum. | ° Werth. Quantum. | Werth, | Quantum. | Werth. Quantum. | Werth.
Gesammteintuir>; .. 2. ". "ui. 233.056 | 290.894 | 169.212 | 238.448 | 252.722 | 377.136 | 181.105 | 229.627 | 278.340 | 236.670
Darunter von New York. . . . . . | 154.420 | 190.059 29.634 | 45.259 | 123.702 | 185.577 89.984 | 116.862 | 215,500 | 222.353
= „ den Sandwich-Insen . . | 76.229 | 90.714 | 118.725 | 157.723 | 113.141 168.347 | 85.137 | 104.745 | 49.115 | 49,683
5 „ Gross-Britannien | 16.367 | 28.285 | 1.552 | 2.310 | 5.984 | 8.020 | 4.549 | A.us8
> me Gronland". 27 ne 1.087 1.576 | 4.138 6.869 14.327 20.902, | — —_ 1.200 1.200
B.1. Übersicht über die Brutto-Erträge des Wal- | 1862 Spermöl . . . . 2.453.769 Doll. Summa
fischfanges von Schiffen der Vereinigten Staaten ee ee aelano > 4.963.603 Doll
in den 20. Jahren 1849 bis 1868. i N Hr OL. == ;
i \ı 1863 Dieses ur De ER SOLLEN En
1849 | Spermöl . . . . 3.497.710 Doll. | Summa | Walthran .o... '.. 1.884.497 „
Walthran. : .. . 3.131.000 ,„ Barton. nn anne 5.896.395 „
0
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1850 Spermol 2 u 222.2 .22:936-11L877,, Wilthrany 22.2222.202:322 790 25
Walthran . . „ . 3.159.576 „ Barten.s. 2... 0.0162 68:510,2,5 7.961.493
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1853 | Spermöl . . . . 4.058.658 „ | | Walthran.. ... . 2109453 , |
| Walthran. ®. . 4.916.155. $,, | 1 Baxten= „12080 ..211W201. 6768 „laB.38 9A
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1855 Smile. 4.198.409. 5 | | B. 2. Schiffe unter Amerikanischer Flagge, die am
I waltıran a Se: Koss, „ee ' 1. Januar 1869 im Walfischfang beschäftigt waren.
| Barton. Jerse rare 1.218.300 9.399:105 ,, Schiffe u. Barks. Briggs Schuner Gehalt.
IE: * & e |TeNSyaBedtorde a. 2 ln 1 4 50.623 Tons
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Walthran.. . . . 4.986.828 „ BunE | Dartmpouiheesr rer 2 — 1 4955
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1858 | Spermöl . . . . 3.097.370 „| Nantuckot W271 e 2 I en
Walthranfee.. .. 03.157.014 00, | ee ZI = A 50 Ba 2
Barten. . . . . 1.386.540 7.640.924 NO REN Dana, a 3a ES De SUN CEAER
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1361 | Spermel m. 0 noisboiiesn | In Nayxock 7 re. 4 1 = 1.293 „
| Walihran. .'!-. 1.895.439, San Franeisco RAR: 3 2 1 1.414 „
Barten m Mae 726.915 ',, 5.445.119 „, 19 Häfen 223 25 85 74.519 Tons
Anlagen.
B.3. Schiffe und Segen der Französ. Walfischerei.
Von Hayre segelten auf den Spermfischfang im Atlantischen und
Stillen Meer, so wie auf den Walfischfang im Ochotsk-Meer und im arkti-
schen Meer jenseits der Bering-Strasse:
Ausgesegelt Eingesegelt
1836 13 Schiffe 13 Schiffe
18370 .860-,, 358%
1838 19
1839
1840 14 „ OR
Isa Bor I,
1842
1843
1844
1845
1846
1847
1848
1849
1850
1851
1852
1853
1854
1855
1856
1857
1858
1859
1860
1861
1862
1863
1864
1865
1866
1867
Erträge
Quantum des Segens in
Kilogramm.
„ Thran
622.500
310.700
130.200
575.500 13.000
215.800 7.800
186.500 _
91.500 2.860
234.200 10.619
= 2.045
1868 si % 107.000 3.808
Jetzt besteht folgendes verwickelte Prämiensystem in Frankreich:
1. Bei dem Ausgang 70 Fres. par tonneau, wenn die gesammte Be-
mannung aus Franzosen besteht, und 48 Fres., wenn höchstens ein
Drittel der Bemannung aus Fremden besteht, diess Alles bis zur Schiffs-
grösse von 600 tonneaux. Auch müssen jedenfalls mindestens die Hälfte
der Offiziere und Harpuniere Franzosen sein.
2. Bei der Rückkehr 50 Fres. par tonneau für die erstgenannte
Kategorie und 24 Fres. für die Schiffe mit gemischter Mannschaft. Das
betreffende Schiff muss aber nachweisen, dass es im Stillen Meer Kap
Horn umfahrend südlich bis mindestens auf dem 62. Breitengrad oder
östlich vom Kap der Guten Hoffnung auf 48°—50° S. Br. und 45° Ö.L.
v. P. gewesen ist, dabei muss das Schiff durch seinen Fang mindestens halb
voll oder 16 Monate auf der Reise gewesen sein. Ausserdem wird noch
eine Supplementarprämie von 15 Fres. für jedes metrische Quintal des
gewonnenen Thranes bezahlt: einmal den Französischen Spermfisch-Fahr-
zeugen im Paeific und dann allen anderen Französischen Walfischfahrern,
die mindestens 30 Monate in See waren und dabei den 28° N. Br. über-
schritten.
B. 4. Resultate der in der Periode 1836 bis 1859
von der Weser nach dem Grossen Ocean &c. aus-
gerüsteten Schiffe.
Die in der Periode 1836 bis 1859 von der Weser nach dem
Grossen Ocean &e. ausgerüsteten Schiffe lieferten folgende Resultate:
Ertrag.
Barten
24.700
15.900
2.100
| | | Irorror eo Frese Rene eolen| Isaasan
Zahl der Schiffe Dauer der Reise Tonnen Thran Barten
1336 1 — Monat 2.800 2) 20.000 Pfd.
1837: 1 21 Monate 4.500 45.000 ,,
1838 1 18° a 4.000 40.000 „
1839 2 DA DISL28,- 5, 6.700 65.000 ,„
1840 2 22 bis 28 „ 7.000 70.000 „,
1841 1 Aue 4.000 37.000 ,„
1342 6 27 DB8T 20.050 181.000 ,„,
1843 1 el Km 4.000 31.000 „
1844 4 29.bis, 40 11.900 90.200 „
1845 )) 20 bis 48 „ 17.800 161.000 ,„
ı) Bin Schiff, „Mozart”, auf Christmas Islands verloren. ER i
2) Hierbei ist zu bemerken, dass in der Südsee vielfach die Schiffe einen
Lindeman, die arktische Fischerei der Deutschen Seestädte.
113
Zahl der Schiffe Dauer der Reise Tonnen Thran Barten
>
en 2 44 bis 48 Monate 7.900 93.000 Pid,
1547 — SE ” = Er ”
1848 1 rer 4.000 27.000 „
Bruttowerth des eingebrachten Segens
1849 2 3labis 337%; 240.829 Thlr.
1850 2 45 bis 54 „, 188.562 „
1851 3 40 bis 46% „, 73313 5
1852 2 44 bis 45 „ 123.781 ,„
1853 —_ — ,„ — .
1354 — — ,„ 153.337 „
1355 1 43 ,„ 260.842 „,
18356 1 39 15 207.538 - „ »
1857 3 Unbekannt, weil die Schiffe nicht nach der Weser zurückkehrten,
1858 1 44} Monate 52.290 Thlr.
1359 _ —i 57.740 „
B. 5. Brutto-Erträge dreier Deutscher Südseefahrer
in den Jahren 1861 bis 1868.
Werth von
1861 bis 1868 Schiff „Komet’” (im Paeifie und Arctic, Thran u. Barten
von Honolulu ausgehend) . s . 226.612 L.-Thlr.
1864 bis 1867 Schiff „Oregon” (im Pacifie und Ochotsk-
Meer, von Honolulu ausgehend). lt. 3000
1865 bis 1868 Schiff „Julian’” (im Pacific und Arctic,
von Honolulu ausgehend) . . 207.454
608.423 L.-Thlr.
C. Musterrolle.
Wir, die Endesunterschriebenen, Schiffsoffiziere und Schiffsvolk, be-
kennen hiermit, dass wir uns auf nachstehende Bedingungen verheuert
haben.
ne
Wir verpflichten uns, mit dem Dampfschiffe genannt „Albert”,
worauf als Kommandeur fährt H. Hashagen von Leuchtenburg oder wer
wegen Sterbefalles sonst an dessen Stelle kommen möchte, zu fahren
von der Weser nach Grönland auf den Walfisch-, Walross- und Robben-
fang und von da nach der Weser zurück oder wo sonst unser Lösch-
platz sein wird.
ge 2.
Wir bekennen, yon unseren bedungenen Monatsgeldern Jeder für
einen Monat erhalten zu haben, und werden die Monatsgelder ihren An-
fang nehmen von dem Tage an, da wir in See kommen, und sich endigen,
wenn wir von dem Kommandeur oder dessen Rheder den Abschied er-
halten. Wir Partfahrer aber bekennen, unser bedungenes Handgeld
empfangen zu haben, womit wir zufrieden sind, und wollen wir übrigens
abwarten, ob und welcher Segen uns wird ertheilt werden.
WE
Wir versprechen sämmtlich, uns nicht anderswo, und wenn auch ein
Mehreres und Besseres zu bedingen wäre, anzubieten oder gar zu ver-
miethen, es geschehe denn mit ausdrücklicher vorgängiger Erlaubniss
der Rheder, und wenn Jemand diesem zuwider handeln würde oder sich
schon vorher anderswo vermiethet haben möchte, so soll derselbe aus
der Liste der hiesigen Seefahrenden gestrichen und obrigkeitlich bestraft
werden.
Wir wollen uns, wenn nicht eine erweisliche Krankheit oder sonstige
Unmöglichkeit eintritt, wovon jedoch so bald als nur immer thunlich die
Anzeige geschehen muss, zu der uns gesetzten Zeit bei den uns an-
gewiesenen Kähnen mit unseren Sachen einfinden und an Bord des
Schiffes begeben; wer aber erst nach der gesetzten Zeit an Bord sich
einfinden möchte, soll sich nach der Zurückkunft von der Reise ein den
Umständen Angemessenes von seinem Verdienst abziehen lassen.
Neaye
Sobald das Schiffsvolk an Bord sein wird, soll Niemand, weder
Offizier noch Matrose, bei 5 Thlr. Strafe von Bord gehen, es wäre denn
im Dienste des Schiffes, wie denn auch der Kommandeur nicht anders
als zu diesem die Erlaubniss dazu ertheilen darf; bei gleicher Strafe soll
Niemand, wo auch immer das Schiff sich befinden mag, ohne Zustim-
mung des Kommandeurs oder Steuermanns weder vermittelst der Scha-
Theil ihres Segens auf der Reise an irgend einem Platz abladen, so dass diese
Zahlen nicht den gesammten Brutto-Ertrag der Bremischen Südseefischerei dar-
stellen.
15
114 Anlagen.
luppe dieses Schiffes noch auf andere Weise von Bord oder auf ein
anderes Schiff sich begeben oder Kähne, Leicherschiffe oder sonstige
Fahrzeuge an Bord bringen oder kommen lassen.
$. 6.
Wir wollen uns während der ganzen Reise ordentlich und fried-
fertig betragen, dem Kommandeur und ein Jeder dem ihm vorgesetzten
Offizier den gebührenden Gehorsam leisten und auf der Reise im Schiffs-
werke wie auch in der Fischerei die ihm obliegenden oder besonders
anempfohlenen Arbeiten willig und mit dem besten Fleisse verrichten.
Und wie ein Jeder vermöge seines Dienstes und des bei jedem
Schiffe befindlichen Artikelbriefes verbunden ist, auf der ganzen Reise
nach Vermögen für des Schiffes Erhaltung und Wohlfahrt zu sorgen,
so soll besonders, wenn dem Schiffe auf der Weser oder an der Mün-
dung derselben einiger Unfall an Masten, Bugspriet oder sonst begegnen
sollte oder dasselbe leck werden sollte, ein jeder Schiffs- oder Zimmer-
mann seine Arbeit zu schleunigster Reparirung unweigerlich leisten,
auch durchaus nicht ohne des Kommandeurs Willen, unter welchem
Vorwande es auch sei, von Bord gehen oder gar desertiren, oder für
seine Arbeit und Hülfe, ehe er Hand an das Werk legt, besondere Be-
lohnung oder Bezahlung fordern, oder zu dergleichen Unternehmen auf-
wiegeln. Alles bei Vermeidung der schwersten Strafen.
$. 7.
Der Kommandeur verpflichtet sich, der Mannschaft die gewöhnliche
Ration, für Jeden wöchentlich 4 Pfd. gesalzenes Fleisch, 1 Pfd. ge-
räucherten oder 14 Pfd. gesalzenen Speck, 1 Pfd, Butter und 6 Pfd.
Brod, zu verabreichen.
Die Mannschaft verspricht, mit obigen Rationen zufrieden zu sein.
Sollte jedoch der Kommandeur in etwaigen dringenden Nothfällen die
Rationen zu vermindern genöthigt sein, so muss auch ein Jeder von der
Besatzung bei Verlust der zu Gute habenden Gage zum Vortheil der
Rhederei und vorbehältlich gesetzlicher Bestrafung nach Befinden mit
der verminderten Beköstigung sich begnügen.
$. 8.
Wer sich nicht zum Gottesdienste einfindet, soll mit 24 Groten
bestraft werden,
SER
Wir wollen unter keinerlei Vorwand unsere Güter oder Kleider,
oder was es sonst sei, in Säcken, Kisten oder auf andere Art aus dem
Schiffe ans Land bringen oder in andere Fahrzeuge abgeben, wenn nicht
der Kommandeur persönlich gegenwärtig und die Säcke &e. vorher, ehe
sie von Bord gebracht werden, hat öffnen und visitiren lassen. Wer Etwas
von den mitgebrachten Sachen oder vom Tauwerk, Viktualien, oder was
es sonst sei, entwendet oder von dem Schiffe unerlaubter Weise ent-
fernt oder wegschafft, soll auf das Schärfste bestraft werden, Anzeige
und Überführung des Thäters aber gut belohnt werden.
$. 10.
Falls Jemand vom Schiffsvolk sich unmässig im Trinken von Brannt-
wein oder anderer geistiger Getränke benimmt, so soll es dem Kom-
mandeur freistehen, dem unmässigen Trinker das von demselben mit-
gebrachte Getränk abzunehmen und darüber nach Belieben zu verfügen.
Auch wird ein solcher Trinker bei der Zurückkunft mit der gesetz-
lichen Strafe belegt werden.
$. 11.
Nach beendigter Reise hat ein Jeder das ihm zukommende Monats-
oder Partgeld in dem Hause des Directeurs des Schiffes zu empfangen.
N 62 E
Endlich versprechen wir, und zwar bei Verlust unserer guthaben-
den Monats- oder Partgelder und Austilgung aus der Liste der hiesigen
Seefahrenden, dass wir in allen unseren Dienst und die dahin gehören-
den Verpflichtungen betreffenden Fällen auf Verlangen vor dem Königl,
Amtsgerichte Blumenthal ohne alle Einreden, wir mögen Untergehörige
sein oder nicht, uns stellen und daselbst rechtliches Erkenntniss ge-
wärtigen, auch nach dieser Musterrolle als dem von uns eingegangenen
Kontrakte uns richten, und falls wir dieselbe übertreten möchten, uns
darnach bestrafen lassen wollen. Es versteht sich von selbst, dass die
Partgelder erst nach ausgebranntem Thran ausbezahlt werden.
In der Regel werden 20 Quardeel Robbenspeck oder 60 Tonnen
ausgebrannter Thran für einen Walfisch gerechnet.
Diejenige Schaluppe, aus welcher ein Fisch geschossen und ge-
fangen wird, erhält eine Prämie von 10 Thlr., wovon der Harpunier
4 Thlr., der Schaluppensteuerer 2 Thlr. und den Rest die übrige Mann-
schaft erhält. "
Ist der angebrachte Segen 400 Tonnen und darüber, so erhalten
die Offiziere und Partfahrer einen Anker Thran, die Schaluppensteuerer
3/, Anker und die übrigen Halbpartfahrer '/, Anker Thran. Diejenigen,
die keine Vollmatrosen sind, erhalten keinen Thran.
Der Steuermann erhält für einen selbstgeschossenen Fisch mit
Maassbarten 15 Thlr., Untermaass die Hälfte.
Der Speckschneider erhält für einen jeden Fisch mit Maassbarten
6 Thlr. Schneidegeld, Untermaass die Hälfte.
Der zweite Speckschneider erhält für einen Fisch mit Maassbarten
3 Thlr., Untermaass die Hälfte.
Der Bootsmann gleichfalls.
Sollte das Schiff wegen Kriegsgefahr einen fremden Hafen anlaufen,
so hat der Kommandeur das Recht, die Mannschaft oder einen Theil
derselben zu entlassen, mit Reisegeld, welches der Konsul an Ort und
Stelle bestimmt.
So lange das Schiff im fremden Hafen liegt und die Mannschaft
nicht entlassen ist, wird die Monatsgage nur zur Hälfte bezahlt. Die
Partfahrer erhalten in diesem Falle selbstverständlich keine Monatsgage.
| | BFIF
| = |a|#|,
No.| Qualität. Namen. Wohnort. ale as
| s |a|32
| "s58
| | L.-Thlr. 2 #
Kommandeur H. Hashagen | Leuchtenburg 100 |
1.| Steuermann Joh. Hagens , Mittelsbüren 60 | 121]
2. Speckschneider Herm. Högemeyer Altenesch 1473 /19)
3.) Speckschneider-Maat H. Wurthmann | Mittelsbüren | 45 | 19
4. Bootsmann H. Weihusen ‚ Altenesch a)
5. Oberzimmermann Carl Köper ‚ Leuchtenburg | 45 19
6.) Harpunier Joh. Jachens b 36 17
7.| A Joh. Gleistein Eggestedt | 36 17
8.) n W. Meyer Schönmoor | 36 , [17
9.| Oberküper H. Windeler Huntebrück 36 17
10. Schümann Joh. Strodthofft Schönmoor 36 ı 17
11. Koch Andr. Gödeke Schönbeek | 384 17
12.| Doktor (Barbier) Franz Kink Seilingen | 25 | 5) 6
13.| Bootsmanns-Maat Joh. Meyer ‚ Mittelsbüren | 26 | 16
14.| Segelmacher .H. Hillmann Stenum | 22 | 810
15.| Unterzimmermann |Ber. Marschall |Borchshöhe | 20 | 7) 9
16.| Unterküper |H. D. C. Bolte | Blexen 10|5|15
17. Vollmatrose H. Schröder Gruppenbüren) 20 | 6) 9
18.| r | Fr. Stuhr | Altenhuntorf | 18 | 6| 8
19. ) \D. Schröder ' Heikenkamp | 20 | 7/8
20. 5 \ A. Schröder | Ganderkesee | 20 | 7) 8
21.| ar ‚D. Butt Schönbeck 20 | 7| 8
22.) „ \ F. Hoggemeyer | Altenesch 20 | 7| 8
23.| 5 Chr. Vogt Nordenholt 20178
24. Er A. Wiechmann |Rahde 20 | 7.8
25» \D. Witte Altenesch 20 | 718
26.| „ J. D. Sehulte Schönmoor 2015 4
27.| Leichtmatrose Joh. de Vries Nesse 8/44
28. 29 V. v. Halem Elmloh 8 67
29. o Friedr. Palm Schönmoor 12 | 6| 8
30.| Vollmatrose Joh. Wiese Nütteln ‚18/55
31. Leichtmatrose | F. Dreeling Gruppenbüren 10 | 79
32. Vollmatrose B. Perisius Horrel | 20 | 5) 5|
33.| Leichtmatrose ,C. L. Beer Osnabrück 10/5 4
34. E \ Wilh. Schwuchow| Schlawe 110,54
35.| % \ Franz Freye Seeburg IFzsaıgsımn
36. Unbefahrener ‚ Hinr. Korte | Bockhorn 5/5 1
37.| B F. Lürssen Braudorf 551
38. A ıH. Tope Bockholt 5|51
39.) jr ‚Aug. Dickens Herzberg | 5151
40. Er 'H. Reimer Eggestedt | 5| 5 1
41. 55 D. Köther „= I
42.| " B. Strodthoff Vielstedt | 5)5/1
43. es ,H. Niebank Braudorf | 5| 1
A4, es 'D. Hoesloope ss Bst
45.) is 'M. Ohlenbusch | Schönmoor 5|5 1
46. „ \B. Dannemann r 5|51
47.| R ,D. Meyer Geestendorf 815 4
48. 5 Chr. Knacke | Minnigerode 5|5| 2
49. Ps | Herm. Schröder | Braudorf 5/51
50. En G. Schröder | er 515 1
Anlagen. 115
=IE
No. Qualität. Namen. Wohnort. = 5 5 3
| Fu ae wen 2... |@ A
51. Unbefahrener \ A. Schröder Braudorf Sat
52. ” 'H. Buse Hinnebeck Bes T
53.| ” 'C. Schwiekmann |Gelligehauen 5 5 1
54. Maschinist L. Fahrig Geestemünde 60 30 8
55. „ zweiter Georg Vogt Bremerhafen 20 12 8
56. Heizer Wilh. Stiel Mühlheim 12 12! 6
57.) Schmied und Heizer H. Röptig Grohn 10 110] 2
58. Junge Chr. Köper Leuchtenburg 10 —— 2
PERS Joh. Gröhn & s-1
60. Heizer H. Althoff , Geestemünde 12 12 6
61.| Sy L. Hackelbusch Fürstenau 12 12] 6
62., Leichtmatrose H. Römer Kulenhamm 12|6,6
(Folgen die Unterschriften der Vorigen.)
Register 1316. Dass die in vorstehender Musterrolle unter Nummer 1
bis 8, 10, 11, 13, 15, 17 bis 32, 37 bis 53, 57 bis 59 aufgeführten
Personen, so viel sie mir nicht von Person bekannt waren, sich durch
ihre Legitimationspapiere ausweisend diese Musterrolle nach geschehener
Vorlesung vor mir eigenhändig unterzeichnet haben, wird damit beglaubigt.
Aumund, den 11. Febr. 1867.
Johann Peter Brunkhorst,
(L. S.) Königl. Preuss., vormals Hannöy. Notar.
Geschehen Amt Lehe, zu Geestemünde, den 13. Febr. 1867.
Vor dem unterzeichneten Beamten sind heute erschienen:
1. Der Kapitän Hashagen, wohnhaft zu Leuchtenburg, führend das
zu Geestemünde heimathliche Dampfschiff Albert”, Flaggennummer
Nr. 2362, Kommerzlasten trächtig; 328 Last.
2. Dessen für folgende Monatsheuer und Part- und Handgeld ge-
dungene Schiffsmannschaft, nämlich:
a. H. D. C. Bolte, 21 Jahre alt, aus Blexen, als Unterküper, für
10 Thlr. Gold Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 5 Stüber pr. Fass Partgeld.
b. Carl Louis Beer, 28 Jahre alt, aus Osnabrück, als Leiehtmatrose,
für 10 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 5 Stüber Partgeld.
e. Hinrich Korte, 39 Jahre alt, aus Bockhorn, als Leichtmatrose,
für 5 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 1 Stüber Partgeld.
d. Wilh. Schwuchow, 27 Jahre alt, aus Schlawe, als Leichtmatrose,
für 10 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 4 Stüber Partgeld.
e. Franz Freye aus Seeburg, 37 Jahre alt, als Leichtmatrose, für
8 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 4 Stüber Partgeld.
f. Dietrich Meyer, 18 Jahre alt, aus Geestendorf, als Leichtmatrose,
für 8 Thlr. Handgeld, 5 Thlr. Heuer und 4 Stüber Partgeld.
Es sind denselben die vom Kapitän überreichten Musterungs-
bedingungen vorgelesen, und verpflichteten sich beide Theile, die Be-
dingungen pünktlich zu erfüllen.
Vorgelesen, genehmigt. W. Hashagen,
H. D. Bolte,
H. Korte,
Louis Beer,
W. Schwuchow,
Franz Freye,
Dietrich Meyer
Beglaubigt:
8.) Ebert, Amtsassessor.
unterschrieben.
D. Schreiben des Büchsenfabrikanten Cordes in
Bremerhaven in Betreff der verbesserten Schiess-
harpune und Bombenlanze.
Das Rohr ist mit Schildzapfen (früher nicht vorhanden) versehen,
welche in einer Gabel ruhen, hat eine Länge von 24 Zoll, ein Kaliber
von 24%; Zoll und ein Gewicht von eirca 100 Pfd. Als Geschosse sind
hierzu konstruirt eine Harpune und eine sogenannte Bombenlanze, beide
von Eisen. Die Harpune hat eine Länge von 36 Zoll und ist 9 Pfd.
schwer. Sie hat vorn die Pfeilspitze, die 5 Zoll lang und deren Wider-
haken 5 Zoll auseinander stehen; hieran schliesst sich der Schaft, den
das Rohr aufnimmt und der den doppelten Zweck hat, einestheils die
Führung im Rohr zu bewirken, anderntheils den Vorgänger (ein 23zÖl-
liges, 20 Faden — 120 Fuss langes Ende, an welchem die Harpune
befestigt ist) aufzunehmen. Die Bombenlanze ist 16 Zoll lang, 2% Zoll
im Durchmesser und 6 Pfd. schwer, hat eine 6 Zoll lange dreikantige
Spitze und einen 10 Zoll langen cylindrischen Theil; dieser ist zur
Aufnahme einer Sprengladung von °, Pfd. Pulver bestimmt, welche
durch einen sehr künstlich konstruirten Zünder entzündet wird. Die
Geschützladung für Bombenlanze und Harpune ist resp. Y/s, und "/,o Pfd.
Ein Schiessversuch ergab nachstehende Resultate: Das Ziel für die
Harpune, eine Fläche von 1 Quadratfuss, war Anfangs 80 Fuss vom
Geschütz entfernt; jeder Schuss, der von Cordes selbst gerichtet war,
ging durch das Ziel. Nach und nach wurde die Entfernung vergrössert
bis auf 112 Fuss, wo noch jeder Schuss das Ziel traf. Die Treft-
ergebnisse mit der Bombenlanze waren ganz dieselben. Sehr beachtens-
werth war die Präcision des Zünders, denn bei den verfeuerten drei
Schüssen variirte die Brennzeit der Zünder nur zwischen 13 und 14
Sekunden. Die Flugzeit für beide Projektile betrug 2 bis 24 Sekunden.
Diese neuere Einrichtung führt uns gegen die frühere ein kürzeres
Geschützrohr und eine kürzere Harpune vor, und in dem letzteren Um-
stande ist ein Hauptmoment begründet. Die Vortheile liegen für jeden
Sachkenner klar auf der Hand. Wie schon oben gesagt, ist das Rohr
mit Schildzapfen versehen, deren Achse durch die Seelenachse geht. Bei
den früheren Exemplaren dieses Geschützes ist die Befestigung des
Rohres im Boot derartig gewesen, dass ein Querbolzen unter dem Rohr
dasselbe mit gwei Blättern verband, die auf einem Poller angebracht
waren. Hierdurch war der Lagerpunkt bedeutend versenkt, und zwar
um die halbe Rohrstärke plus der halben Stärke des Bolzens. Der
hierdurch entstehende Nachtheil war ein sehr starkes Bucken, welches,
da der Schaft des Rohres mit der Hand gehalten werden muss, dasselbe
häufig aus der Richtung brachte und sehr oft Veranlassung zu Fehl-
schüssen gab. Durch die vorliegende Konstruktion des Rohres mit ver-
gliehenem Lagerpunkt wird das Bucken in hohem Grade vermindert
und somit auch der Nachtheil des Fehlschiessens bedeutend verringert.
Ferner die kürzere, also auch leichtere Harpune senkt sich beim Schiessen
nicht so bald als die längere und also auch schwerere; man braucht
deshalb auch nicht so viel Elevation und kann aus diesem Grunde auch
sicherer riehten als sonst; der Fisch wird also in flacherem Bogen,
mithin direkter getroffen als früher, was auch die Eindringungstiefe der
Harpune vergrössert. Durch die Bombenlanze soll die umständlichere
Harpune wo möglich entbehrlich gemacht werden; der wohlgetroftene
Fisch soll durch die in seinem Leibe durch %, Pfd. Sprengladung kre-
pirende Bombenlanze sofort getödtet werden.
Noch eine neue Einrichtung verdient hier Erwähnung: eine Doppel-
kanone mit denselben Abmessungen wie die oben erwähnte einfache,
nur dass das Gewicht um etwa 20 Pfd. grösser ist. Sie ersetzt voll-
ständig zwei einfache Kanonen, für die, wollte man sie wirklich an-
bringen, man doch keinen Platz haben würde. Der Zweck ist, aus dem
einen Lauf, und zwar zuerst, die Harpune, aus dem anderen die Bomben-
lanze zu schiessen. Auch diese Doppelkanone hat bei den Proben die-
selben guten Resultate geliefert wie die einfache.
Aus einem späteren Briefe des Herrn Cordes vom 12. Dez. 18368:
Die zuletzt angefertigten Doppelkanonen für den Walfischfang unter-
scheiden sich von denen, worüber Sie bereits Kenntniss erhalten, da-
durch, dass daran der rechte Lauf mit drei Zügen, welche auf eine
Länge von je 25 Fuss eine ganze Drehung der Bombenlanze bezwecken,
versehen ist.
Die Harpunen unterscheiden sich dadurch von den Englischen, dass
die meinigen derartig eingerichtet sind, dass die Leine mit in das Rohr
geschoben wird, wohingegen die Englischen mit einem Drahtbügel
(Scheckel) versehen sind, welcher zwischen dem getheilten Ende (zwi-
schen den Seitenstangen, welche in das Rohr gehen) hängt, und an
welchem die Leine befestigt ist. Hierdurch wird die Harpune, wenn
solche abgeschossen wird, stets etwas aus der ihr durch das Rohr ge-
gebenen Richtung gebracht und auch die Perkussionskraft bedeutend
geschwächt. Mit den vom mir gelieferten Walfischkanonen hat Herr
S. Foyn in Tönsberg laut Mittheilung der Weserzeitung bis zum 15. Mai
zehn Finnfische erlegt. Private Mittheilungen sind mir darüber nicht
ertheilt worden, nur dass Herr Foyn bei seinem Besuch. im September
1866 mir sagte, er hätte im Laufe des Sommers zwölf Finnfische da-
mit geschossen, was ihn damals veranlasst hatte, acht Stück Kanonen
nachzubestellen.
Die Doppelkanone nebst Harpunen und Bombenlanzen, mit welcher
Herr P. Reehten jetzt nach Amerika gereist ist, ist dieselbe, welche ich
in der Pariser Industrie-Ausstellung hatte, und ist seitdem weiter keine
Verbesserung daran gemacht, bis auf eine unerhebliehe Veränderung an
der Harpune.
10%
116 Anlagen.
E. Mittheilung über Thranbereitung und Thran-
handel, so wie über den Handel und die Fabrikation
von Walfischbarten.
In Bremen sind folgende Thransorten gangbar: 1. Archangler,
verbraucht zum Brennen, in Seifensiedereien und Weissgerbereien ;
2. Berger und Tromsöer blanker oder Norweger blanker, wird zum
Brennen und zu Schmiere verbraucht. Unter diesem blanken Thran
kommt auch Waare vor, welche Importeure als 3. Medizinalthran zu
verkaufen suchen. Dieser, wenn echt, stammt nur vom Dorsch, jener
aber aus der Leber verschiedener Fische. 4. Berger und Tromsöer
Leberthran, sogenannter „Gerberthran”, für Lohgerbereien. 5. Grön-
ländischer Thran, wird hauptsächlich in Weissgerbereien und auch zum
Brennen verbraucht. 6. New Founrdland-Thran, wird unter Anderem
zur Fabrikation lithographischer Tinte verbraucht, welche hauptsächlich
in Hannover und Westphalen zum Export nach Frankreich fabrieirt
wird. 7. Südsee-Thran. Verbrauch: vorzugsweise zu Schmiere und
ordinären Seifen; Hauptausfuhr nach Frankreich. Grönlands- und Süd-
see-Thran werden vielfach zur Erleuchtung in Bergwerken verwandt.
Hamburg empfängt unter Anderem fast die ganze I'hran-Ausbeute vom
Weissen und Kaspischen Meere, so wie von Norwegen. Es findet dort
noch eine weitere Behandlung des Thranes Statt, um den verschiedenen
Bedürfnissen und Gewohnheiten der verschiedenen Länder zu entsprechen.
Die Einfuhren von Thran in Hamburg und Bremen während der letz-
ten fünf Jahre sind in Tabelle A. 6 bis 8 mitgetheilt. Auf Grund von
Auskunftsertheilungen, welche mir von zwei Deutschen Fabrikanten in
sehr dankenswerther Weise gegeben wurden, lasse ich hier Angaben
über Handel &e. mit Walfischbarten folgen. Bis in die dreissiger Jahre
dieses Jahrhunderts war die Verarbeitung der Walfischbarten eine sehr
einfache Sache, indem sich dieselbe beinahe ausschliesslich auf das so-
genannte „‚Reissen”, das heisst Spalten der Walfischbarten in Stangen,
beschränkte. Diese Stangen wurden sodann der Länge nach abgeschnit-
ten, abgekippt und in Bündel verpackt dem Verbrauche übergeben.
Dieser Betrieb war also ein sehr einfacher und es waren auch bei
grösserer Ausdehnung des Geschäfts nur wenige Arbeitskräfte erforder-
lich, auch schon deswegen, weil bis zum Anfang jener Epoche ausschliess-
lieh Grönlands- und Davis-Strasse-Barten verarbeitet wurden, die schon
gereinigt, ja mitunter sogar sortirt von den Stapelplätzen bezogen wur-
den. Hieraus wurden Stäbe zu Regen- und Sonnenschirmen oder schmä-
lere und breitere für Mieder gefertigt, die dann bei der Verwendung
durch den Regenschirmmacher, den Schneider oder die Nähterin noch
die weiter nöthige Zurichtung erhielten.
Bald kamen nun sogenannte Südsee-Barten in den Handel und die
Französische und Amerikanische Fischerei im nördlichen Stillen Ocean
machte sich immer mehr auch für Fischbein geltend. Walfischbarten
mussten jetzt in grösseren Partien, weil von entfernten Märkten, bezo-
gen werden, und nieht nur unsortirt, sondern auch immer ungereinigt.
Es kamen nun die verschiedenen Sorten: Arctie-, Ochotsk-, Nordwest-
Barten, nach und nach zur Verwendung. Hierdurch so wie durch den
Einfluss mancher Mode und wohl auch hauptsächlich durch den Drang,
welcher allgemein durch die Industrie ging, dem Verbrauche besser und
handsamer hergestelltes Material zu liefern, verlor die Fabrikation des
Fischbeins ihre Einfachheit, und während in früherer Epoche 10 bis
12 Arbeiter genügten, sind jetzt 50 bis 60 erforderlich, das gleiche
Quantum Fabrikat zu liefern, und dazu noch manche mechanische Vor-
richtung. In Folge der hohen Preise, welche schon seit einer Reihe
von Jahren für rohe Barten bezahlt werden, hat der Verbrauch von
verarbeitetem Fischbein bedeutend abgenommen, indem eine Anzahl
Surrogate sich billiger herstellen lassen und in manchen Fällen dieselben
Dienste thun, wie z. B. der ausserordentlich billige Stahl der Krino-
linenreifen. Die zur Verarbeitung kommenden Barten sind folgende:
1. Grönländer, auch Arctic- oder Polar-Barten; diese Sorte er-
reicht die grösste Länge, denn es kommen, wenn auch ausnahmsweise,
Barten von 14 bis 15 Fuss Leipziger Maass unter ihnen vor.
2. Ochotsk-Barten, stammen angeblich aus der Bai dieses Namens,
doch scheinen auch kleinere Grönländer Barten so benannt zu werden.
3. Nordwest-Barten, von Mittelgrösse, wie Nr. 2, und verhältniss-
mässig stärkeren Blättern als die anderen Sorten. (Vielleicht von
Fischen, die bei der Kodiak-Insel und in der Bristol-Bai getödtet wurden?)
4. Südsee-Barten, ist die kleinste Sorte und kam früher auch von
Spanien aus unter dem Namen Galieia-Barten in den Handel.
‚Die von allem Schmutz und von den Haaren befreiten Barten wer-
den in kochendem Wasser erweicht und dann vermittelst des Hobels der
Länge nach in Streifen von geeigneter Breite geschnitten. Das Fisch-
bein kommt zum Theil in diesem Zustande zum Verkauf, um von
Schneidern, Peitschenmachern und Schirmfabrikanten verarbeitet zu
werden, theils wird es in der Fabrik noch weiter fertig gemacht und
polirt, wo es dann von Korsetfabriken, Putzmacherinnen und Mützen-
fabrikanten verwendet wird. Es werden auch polirte Peitschenstöcke,
Spazierstöcke und Stricknadeln von Fischbein angefertigt. Die Fisch-
bein-Abfälle werden theils in chemischen Fabriken wie Horn - Abfälle
verwendet, theils zur Düngung benutzt. Die feineren Späne werden
zum Polstern verwendet, eben so die an den Barten befindlichen Haare.
Die Fabrik in Neudietendorf bei Gotha besteht seit 1785. Über den
Umsatz lässt sich Nichts sagen, da derselbe ganz von den Preisen ab-
hängig war, künftig aber selbst bei billigen Preisen wohl gering bleiben
wird.
Die Häuser J. M. Dellefant in Augsburg (besteht seit 1790), H.
C. Meyer jun. in Hamburg und J. G. R. Lilliendahl in Neudietendorf
sind die ältesten Fabriken in Deutschland.
Ausserdem ist noch Folgendes mitzutheilen:
1. Die wirklichen Grönländer Barten sind die spaltbarsten, sie
haben den feinsten Wuchs und lassen sich zu aller Waare, welche nicht
gepresst wird, verwenden.
2. Polar-, Aretic- und Ochotsk-Barten stehen den Grönländer
etwas nach, sind ihnen übrigens sehr ähnlich.
3. Nordwest-Barten sind den Grönländer am unähnlichsten, indem
sie sich am besten pressen lassen, was wohl von einem Fett- oder
Gallertgehalt herrührt, welcher den Grönländer Barten abgeht.
4. Südsee-Barten haben am meisten die Eigenschaft der Nordwest-
Barten, sind aber kleiner und gewöhnlich am billigsten.
Nr. 1 und 2 sind also am meisten zum Spalten, nicht zum Ge-
presstwerden geeignet, Nr. 3 und 4 am meisten zum Gepresstwerden
und lassen sich weniger gut spalten.
Die äusseren Flächen der Barten werden Schalen genannt, sie
sind wenig oder gar nicht porös und besitzen wie beim Stuhlrohr die
eigentliche Elastizität, weshalb auch alle Waare mit Schale gesuchter
ist als blosse Kernwaare. Das ganz hellgelbe, sogenannte weisse Fisch-
bein kommt selten vor, am meisten noch Barten mit gelbem Längsrand
oder Streifen; yanz weisse Barten sind meist klein und kommen nur
unter Südsee-Barten vor, öfters in einer Länge von höchstens 1% bis
2% Fuss, weit seltener von 5 bis 6 Fuss Leipziger Maass. Der Um-
stand, dass ganz weisse Barten nur in der Südsee vorkommen, wider-
legt wohl die Vermuthung, dass dieselben vom Zwergfinnfisch her-
rühren könnten, dem Herr Martins („Von Spitzbergen zur Sahara”,
Bd. I, S. 125) nur weisses Fischbein zutheilt. Auch wäre ‚wohl eine
Barte von 5 bis 6 Fuss für die Balaena rostrata zu lang. Überhaupt
kauft man selten Finnfischbein, da Alles, was unter diesem Namen in
den Handel kommt, stets säbelförmig gebogen und wellig gewachsen ist.
Der Hauptstapelplatz für Barten ist New Bedford, in letzter Zeit
scheint auch San Francisco seine Walfischflotte zu vergrössern (siehe die
Daten über die Amerikanische Fischerei von 1868). Fabrikanten beziehen
ihren Bedarf theils von New York, theils von Bremen, Hamburg, Hayre
oder London, je nachdem der eine oder andere Platz zufällige Vortheile
bietet. Die 23 Arbeiter einer der Fabriken könnten per Jahr ganz
bequem 120.000 Pfd. Barten in den verschiedenen Sorten des Bedarfs
verarbeiten.
Es kommt manchmal vor, dass ein Theil der Barten mit einge-
schnittenen oder eingebrannten Marken versehen ist, was für den Fa-
brikanten sehr nachtheilig ist, weil die Waare, welche aus solchen
Stellen geschnitten wird, nicht gebraucht werden kann. Es sei hier
nur noch bemerkt, dass unter ‚„weissem’” Fischbein hier immer hell-
gelbes zu verstehen ist. Schneeweisses kommt gar nicht vor.
In Berlin bestehen, wie mir von dorther mitgetheilt wird, zwei
Fischbeinfabriken, von welchen jedoch nur eine das ganze Jahr hin-
durch Arbeiter in der Fischbeinfabrikation beschäftigt, und zwar 20 bis
22, während noch eben so viele bei Arbeiten in Rohr beschäftigt werden.
Der Verbrauch dieser einen Fabrik wird mir auf 60- bis 70.000 Stück
Barten ä 14 bis 2 Pfund jährlich angegeben. Diese Fabrik ist die
grösste in Preussen und besteht bereits über hundert Jahre.
Anlagen.
F. Gebiete des Walfischfanges im Atlantischen,
Grossen und Indischen Ocean, so wie in dem
arktischen Meere '),
I. Der right-whale und bow-head (Polarwal, Balaena
mysticetus).
In den arktischen Meeren, Fischerei auf bow-head: Hudson - Bai
(hauptsächlich bei Southampton -Insel und Kap Fullerton) und Davis-
Strasse. — Grösse und Thranergiebigkeit der Fische: früher 120 Bar-
rels durchschnittlich (Männehen 100 B., Weibchen 140 B.).
Ochotsk-Meer. Hier kommt zu dem bereits Mitgetheilten noch hinzu:
Kreuze: Juni bis Oktober; die Fische lieferten früher durchschnittlich
120 Barrels Thran und bis 1500 Pfund Barten auf 100 Barrels Thran,
jetzt durchschnittlich 100 Barrels.
Arktisches Meer jenseit der Bering-Strasse: Ebenfalls mitgetheilt.
Gewöhnliche Grenzen der Fischerkreuzen: Point Barrow, Icy Cape und
Herald-Insel, so weit das Eis es zulässt. Einzeln überwinterten Fischer-
fahrzeuge im Ochotsk-Meer so wie in der Plover- und St. Lorenz-Bai.
Im Arctie wurden in 1848 Fische gefangen, die 300 Barrels Thran lie-
ferten, 1300 Pfund Barten auf jede 100 Barrels Thran. Später kleiner.
Im Atlantischen Ocean, Fischerei auf right-whale: Früher an
1. der Küste von Brasilien die Brasil oder False Banks zwischen
36 und 55° S. Br. und von der Ostküste von Süd-Amerika bis 30°
W. L., besonders auf 38 bis 35° S. Br. und 38 bis 45° W.L.
2. Die Tristan Grounds von 28 bis 42° S. Br. und vom Meridian
bis 20° W. L., ferner 34 bis 43° S. Br. und 24 bis 28° W. L., so
wie früher besonders der Westküste Afrika’s entlang von 22 bis 32°
S. Br. und südlich vom Kap.
Ausgewachsene Wale dieser Gründe lieferten: der männliche Fisch
40 bis 60 Barrels Thran bei 300 Pfund Barten auf 100 Barrels Thran,
der weibliche Fisch 60 bis 80 Barrels Thran bei 400 bis 600 Pfund
Barten auf 100 Barrels Thran. Kreuze (season): von September bis
Mai, Hauptmonate: September bis Februar.
Im Indischen Ocean: Weiteste Grenzen der Kreuze: Kap der
Guten Hoffnung (18° Ö.L.) bis zu 80° Ö.L. und zwischen 20 und 50°
S. Br. Dieses Gebiet ist bereits sehr ausgefischt; die ergiebigsten
Striche waren und sind theilweise noch:
1. Delagoa-Bai (26° S. Br., 32° W. L.).
2. Östlich vom Kap der Guten Hoffnung von 35 bis 38° $. Br.
und 30 bis 35° Ö.L. 9
3. Um Crozet Islands (45 bis 47° S. Br., 49 bis 52° 0. L.).
4. Um St. Paul’s-Insel (32 bis 38° S. Br., 70 bis 80° 0. L.).
5. An der Süd- und Westküste von Neuholland und Van Diemens-
land, bei Kap Leeuwin, im King Georges-Sund, Geographen-Bai.
Die Fische im Indischen Ocean sind durchschnittlich etwas kleiner
als im Atlantischen, nämlich Männchen 40 Barrels Thran und 240 Pfund
Barten, Weibchen 60-Barrels Thran und 360 Pfund Barten. Kreuze:
September bis Mai. In den Wintermonaten in den Baien der Küsten,
wo die Weibehen Junge bekommen, sonst „off shore”, d. i. vor der Küste.
Vielfach ist die Fischerei an Inseln und Felsen, besonders wenn Kelp,
eine Seegras-Art, am Grunde wächst.
Im Süd-Pacifie: An und vor der Küste von Neuseeland, bei den
Auckland-Inseln. R
a) Vor der Küste auf 38 bis 48° S. Br. und 154 bis 162° Ö.L.,
von Oktober bis März, im Norden beginnend und südwärts kreuzend.
b) Von 36 bis 45° W. L., 160° 6. L. zu 160° W. L. und bei
den Stewart-Inseln vom Lande bis auf 100 Miles von der Küste.
2. An der Küste von Chile früher in 42 bis 47° N. Br. und 75
bis 80° W. L. vom 1. September bis 1. Januar, nach diesem Zeit-
punkt Kreuze nördlich an der Küste hin und die Baien durchstreifend
bis 35° S. Br. und wieder auf 40° S. Br. bis Mai, zuweilen in den
Baien (Concepeion- und St.-Vincent-Bai). Einige Schiffe überwintern in
») Die Übersichten über die Gebiete des right-whale- und Spermwalfanges sind
nach den Mittheilungen des Herrn Captain Seabury in New Bedford vom 1. Fe-
bruar 1869 entworfen. Sie sollen natürlich nur die wichtigsten Fischerplätze und
Stationen bezeichnen, über die Verbreitung der Wale überhaupt und verschie-
dene andere auf den Walfischfang bezügliche naturwissenschaftliche Fragen giebt
ja Maury in seinen vier Whale-charts eine auf den Daten von mehreren hundert
Logbüchern beruhende Auskunft. Diese Whale -charts hatten bekanntlich auch
den Zweck, dem Whaler die Mittel in die Hand zu geben, den Fischfang mög-
lichst erfolgreich zu betreiben, sie sind aber jetzt in mancher Beziehung antiquirt.
Captain Seabury, welcher bei den mir in dankenswerther Weise gemachten An-
gaben auch andere Walfischfänger zu Rathe zog, hat leider in den wenigsten
Fällen angegeben und auch wohl angeben können, welche Gründe noch jetzt so
fischreich sind, wie sie es früher waren.
le
diesen Baien. Jetzt kreuzen die Schiffe auf diesen Gründen in mixed
voyages, nämlich im Winter nordwärts auf Spermfischerei.
Grösse der Fische nicht sehr von den vorhin angegebenen ver-
schieden.
Im Nord-Paeifie: 1. Nordwestküste (Kodiakgrund) zwischen 50
und 60° N. Br. und 130 bis 160° W. L., vorzugsweise zwischen 55
und 58° N. Br. uud 140 bis 152° W. L. Die Zeit der Kreuze ist
von April bis Oktober. Die Wale liefern durchschnittlich 125 Barrels,
nämlich die männlichen 60 bis 100 Barrels, die weiblichen 100 bis
200 Barrels, Barten, etwa 1000 Pfund auf 100 Barrels; sie sind
viel länger als die Südsee - Barten, die Zahl der Blätter ist gegen
200 und von 1 bis 11 Fuss lang. Manche Wale auf diesen Gründen
erweisen sich als „dryskins”, d. h. bei ihnen liefert der Speck wenig
Thran.
2. Bristol-Bai, Fox Islands, bei Kamtschatka und der Anadyrsea.
Auf diesen Gründen kreuzen die Schiffe noch jetzt mit vielem Erfolg,
namentlich auch vor der Fahrt nach dem arktischen Meer.
3. Bei den Inseln am Eingang zum Ochotsk-Meer, im Japanischen
und Gelben Meere. Hier sind die Fische kleiner als auf dem Kodiak-
grund, nämlich ein ausgewachsenes Männchen liefert 70 Barrels, ein
solches Weibchen 110 Barrels Thran.
»
II. Der Spermwai.
Allgemeine Verbreitung: zwischen 60° S. Br. und 60° N. Br.
Die genaueren Grenzlinien siehe in Maury’s Physischer Geographie,
auch in Berghaus’ Physikalischem Atlas, VI, Abth. 3.
Im Karaibischen Meere: Vor Chagres oder Vanquilla und verschie-
denen anderen Plätzen jenes Meeres; im Golf von Mexiko und zwi-
schen 28 und 29° N. Br., 89 zu 90° W. L., um die Bahama-Inseln
(28 bis 29° N. Br. und 79° W. L.), Charleston Ground (29 bis 32°
N. Br. und 74 bis 77° W. L.). Auf diesen Gründen kreuzen im Früh-
jahr kleine Schiffe, im Winter kreuzen diese nach Süden zu, gegen den
Sommer mehr östlich (nach Osten zu kleinere Fische).
Im Nord- Atlantischen Meere: Von 36° N. Br. zu 74° W. L.,
von 32° N. Br. zu 68° W. L., von 28 bis 32° N. Br. zu 48 bis 57°
W.L., von 33 bis 45° N. Br. zu 50° W. L. bis östlich von den
Azoren, besonders aber auf 40° N. Br. und 40° W. L., so wie auf
dem 36° N. Br. und 36° W.L. (the 2 and 40 grounds und the 2 and
36 grounds). Kreuze im Sommer, mitunter bis Dezember. Neuerdings
Fischerei von 43 bis 46° N. Br. und 25 bis 32° W. L., von 48 bis
50° N.Br. und 21 bis 24° W.L. Auf dem Western Ground (westlich
von den Azoren) Fische häufig nahe bei den Inseln.
Steen Ground: von 31 bis 36° N. Br. und von 21 bis 24° W.L.
Beste Zeit für die Kreuzen: August bis November. Früher vom Kap
St.-Vincent nach der Strasse von Gibraltar, der Küste von Portugal und
Spanien entlang und an der Südseite von Teneriffa nahe dem Lande.
In den Wintermonaten nördlich und westlich der Capverdischen Inseln.
Ferner von 10 bis 14° N. Br. und 35 bis 40° W. L. im ‚März bis
Mai, von 5 bis 7° N. Br. und von 18 bis 20° W.L. im Winter. Bei
der Insel Fernando Po.
Im Süd-Atlantischen Meere: Früher bei den Alealas Banks grosse
männliche Wale, auf 17 bis 19° S. Br. und von der Küste zu 35°
W. L., vor Kap Frio auf 23° S. Br. und von 39 zu 42° W.L. klei-
nere Wale. Die hier kreuzenden Schiffe gehören meist zu den kleineren.
Früher bedeutende, jetzt geringere Spermfischerei an den Küsten von
Brasilien und Uruguay von 30 bis 40° S. Br. und von 30 Miles bis
4 Grad vor der Küste. Hier auf dem sogenannten River La Plata-
Grunde ist die Zeit der Kreuze vom September bis Mai. Von 45 bis
47° S. Br. und von 55 bis 60° W.L.
Ostseite des Atlantischen Meeres: Fischerei längs der Küste von
Afrika, bei den Inseln Ascension und St. Helena und südwärts bis zu
den Tristan-Inseln. Die wichtigsten Fischplätze sind: von 4 bis 23°
S. Br. und 9 bis 10° W.L., auf 34° S. Br. und von 2 bis 3° O.L. bis
7° W. L. Kreuze auf diesen Gründen von September bis Mai, nach
Norden zu das ganze Jahr. Wale meistens gross, öfter werden solche
vor Kap Horn getroffen.
Süd -Pacifischer Ocean: Dieses Fischereigebiet beginnt an der
Westküste von Süd-Amerika auf 46° S. Br. und reicht herab bis auf
35°, und zwar von der Küste bis auf 200 miles ab. Früher Fischerei
bei der Insel Chiloe, bei den Inseln Huafo und Ascora auf 44° S. Br.,
vor der Insel Mocha, vor dem Hafen Talcahuano, um die Inseln Juan
Fernandez und Massafuero, von diesen Inseln zu 90° W. L. Kreuze
hier und weiter sidwärts vom September bis Mai. Meist grössere Fische.
Archer Ground: von 17 bis 20° S. Br. und von 84 bis 90° W.L.
Ferner die Küste hinab von der Breite der Panama-Bai (8° N. Br.)
118 Anlagen.
und von der Küste zu 90° W. L. Früher Fischerei auf dem Callao-
Grunde bei der Küste von 12 bis 18° S. Br., auch von 10 bis 14°
S. Br. und 86 bis 90° W. L. Jetzt fischt hier noch eine kleine Zahl
von Schiffen. Fische von allen Grössen, durchschnittlich männliche 40
bis 60 Barrels Thran.
Im Anfang der Spermfischerei im Paeific war eine der besuchtesten
Stellen von 5° S. Br. bis 2° N. Br. und von der Küste von Peru bis
93° W. L., einschliesslich der Galapagos-Inseln, wo Schiffe das ganze
Jahr hindurch fischen und die grösste Zahl der Fische aus weiblichen
mit ihren Jungen besteht, männliche einzeln. Ferner früher vor der
Küste, besonders von 4 bis 5° S. Br. und 104 bis 110 W. L. Kreuze
das ganze Jahr. Fische von allen Grössen , die Mehrheit junge männ-
liche von 40 bis 60 Barrels. (Fische gehen in Schulen, je grösser der
Wal, desto kleiner die Schulen.)
Auf dem Aquator von 2° N. Br. bis 2° S. Br., von der West-
küste von Süd-Amerika-quer nach dem Pacific hinüber, besonders von
110 bis 130° W. L., bei Jarvis Island und der King’s Mill-Gruppe.
Die beim Äquator gefangenen Fische sind meist sehr klein, gelegentlich
ein grosser männlicher Fisch zwischen ihnen. Bei den Marquesas-, den
Niedrigen, den Gesellschafts- und Schiffer-Inseln, den Hervey- und den
Viti-Inseln einige Fischerei.
Bei Neuholland, bei Neuseeland,- besonders bei French Rock, von
Südost zu Südwest, 20 bis 30 Miles Distanz (31° 30'S. Br. und 179°
Ww.L.).
Varques-Grund (25° S. Br. und 170 bis 176° W. L.).
Bei den Sunday-Inseln (29° S. Br., 179° W.L.); ferner auf 36°
S. Br. und 165° W.L. 3
Bei den Three Kings (32° S. Br. und 170 bis 175° OÖ. L.).
Beim Lande ostnordöstlich von Monganui zu Ostsüdost von Kap
But auf 40 bis 80 Miles vom Lande.
Ferner bei der Stewart-Insel und bei den Snares- und Chatham-
Inseln, auf 36 bis 38° $. Br. und 164 bis 166° Ö. L.
Die Fische, welche bei Neuseeland gefangen werden, sind gross,
viele geben 100 Barrels. Die Kreuze im äussersten Süden ist während
der Sommermonate und von September bis April auf dem nördlicheren
der eben angegebenen Gründe, so dass die Schiffe das ganze Jahr hin-
durch hier fischen, und zwar noch jetzt mit gutem Erfolg. Bei den
Schiffer-Inseln und French Rock werden die Schiffe häufig von Orkanen
heimgesucht und es werden nach diesen Gründen die besten Schiffe ge-
sendet. Von Neuseeland quer hinüber nach Neuholland, bei Van Die-
mensland, die Küste von Neuholland entlang, Wreck Reef und um New
Island und Bouker-Bai. Ferner bei Salomon Island, New Guinea, New
Georgia und der King’s Mill-Gruppe. Auf den letzteren Gründen mehr
kleine Fische.
Nord-Pacifischer Ocean: Früher kreuzten viele Schiffe bei Kap
St. Lucas und dem Golf von Kalifornien (auf 23° N.Br., 110° W.L.),
und zwar war die Fischerei hauptsächlich auf 10 bis 15 Meilen von
der Küste ab; meist grosse Fische. Kreuze: während der Wintermonate.
Nach der Sommerfischerei auf den Japan-Gründen kommen die Schiffe
hierher, jedoch wäre auch in der übrigen Zeit Gelegenheit zur Fischerei.
Bei Maria Islands und bei San Blas, an der Mexikanischen Küste,
ferner in der Bai von Panama, von der Küste bis auf 90° W. L., von
4 zu 8° N. Br. und von 100 bis 110° W. L. und bei den Sandwich-
Inseln während der Wintermonate. Vor Oahu war der beste Platz.
Die Japan-Gründe und der Platz bei den Bonin-Inseln lange Zeit hin-
durch fischreich, und zwar von Mai bis November. Die Kreuze ging
von 28 bis 38° N. Br. und von 165° W. L. zu 165° OÖ. L. und bei
den eben genannten Inseln von 10 bis 150 Miles vor der Küste. In der
späteren Jahreszeit richteten die Orkane (Teifuns) arge Verheerungen
unter den Whalerschiffen an. Die Fische waren meist gross, besonders
die männlichen, und viele, wie an den Zähnen bemerklich, sehr alt.
Bei den Ladronen- und den westlich gelegenen Inseln.
In der Soloo- und Mindosa-See und bei den East India-Inseln.
Hier sind die Fische vorzugsweis kleinere. (Viel ruhiges Wetter und
starke Strömungen.)
Indischer Ocean: Vor Point Dauphin und bei Madagaskar, im
Mozambique-Kanal und bei den Inseln Mauritius und Bourbon, bei den
Inseln Rodriguez und der Amarant-Gruppe, bei den Sechellen, bei der
Comara-Insel, vor Zanzibar und an der Ostküste von Afrika bis nach dem
Rothen Meere hin. Ferner vor der Insel Scotia und an der Arabischen
Küste hin, so wie bei den Laccadiven, ferner bei der Insel Ceylon.
Die Schiffe kreuzen das ganze Jahr auf diesen Gründen so wie an der
Süd- und Westküste von Neuholland. Die besten Plätze sind bei Kap
Leeuwin und längs der Küste südwärts bis Termination-Insel, ferner
vor Sharke-Bai westlich und um Van Diemens-Land. Von März bis
Juli kreuzen die Schiffe mehrere Grade vor der Küste nach dem Westen
von Australien, vom Oktober an nahe dem Lande. Hier sind grössere
Fische.
1II. Der Hump-back (Buckelwal).
Kleiner als der Spermwal, weniger speckergiebig, sehr wild, in
allen Meeren in seichtem Wasser nahe der Küste. Hauptfangplätze der
Buckelwale: bei der Insel Trinidad und dem Golf von Para (10 bis 11°
N. Br. und 61 bis 63° W. L.); ferner bei den Capverdischen Inseln
und an der Küste von Afrika (23° N. Br., 7° S. Br.) Kreuze an den
Capverdischen Inseln in den Wintermonaten und an der Afrikanischen
Küste von Juni bis Oktober. Der ausgewachsene männliche Buckelwal
(an der Afrikanischen Küste) liefert etwa 40 Barrels und der weibliche
70 Barrels Thran.
Im Paeifie: Im Golf von Guayaquil (3° S. Br.) und von hier
der Küste entlang nach Norden; vor der Küste von Eeuador bis Es-
meralda und 3° N. Br. Die Kreuze weiter nördlich von Februar bis
Juni, südlich von Juni bis August; Durchschnitts-Ertrag an Thran:
ein ausgewachsener männlicher Fisch 20 Barrels, ein ausgewachsener
weiblicher Fisch 55 Barrels.
Ferner an der Westküste von Neuholland, besonders um Rosemary-
Insel an der Nordwestküste. Kreuze: von Juni bis Oktober, in der
Zeit, wo die Fische in den Baien jungen. Weiter südlich ist die Kreuze
später. Durchschnitts-Ertrag eines Fisches 40 Barrels Thran.
Um Brampton Shoals im Pacifie (19° 8. Br. und 158° Ö. L.).
Durchschnitts - Ertrag eines Fisches 30 Barrels. Kreuze: Juni bis
November.
IV. Der Greyback (Kalifornischer Wal, Rupsack, Stinker,
Teufelsfisch).
In den Golfen und Baien von Kalifornien in seichtem Wasser, be-
sonders in. Magdalena-Bai (25° N. Br.), Scammons Lagoon (30° N. Br.)
und in dem Ochotsk-Meer. Beste Zeit der Kreuze vom November bis
Mai. Gewöhnlich werden diese Wale mit der Bombenlanze getödtet.
Der Greyback liefert durchschnittlich 20 Barrels. Der Thran hat eine
röthliche Farbe und ist ungefähr eben so viel werth als right-whale-Thran.
Erfrischungs- und resp. Abladehäfen Amerikanischer Whaler.
Atlantischer Ocean: Barbadoes, Bermuda, Fayal (Azoren), Port
Praya (Cape de Verde Islands).
Süd-Atlantischer Ocean: Pernambuco, Rio de Janeiro, St. Catha-
rines, Montevideo an der Ostküste von Süd-Amerika. An der Afrikani-
schen Küste: St. Helena, Ambroyet und Kapstadt.- Die wichtigsten Ab-
ladehäfen im Atlantischen Ocean sind: Barbadoes, Fayal und St. Helena.
Indischer Ocean: Insel Mauritius (Haupt-Ablade- und Reparatur-
hafen), Zanzibar, die Sechellen, Singapore und einige Punkte der
Östindischen Inseln (Kema). Im Westen von Neuholland: Sharke-Bai,
Geographen-Bai und King Georges-Sund, Hobarttown auf Van Diemens-
Land und Sydney.
Süd-Paeifischer Ocean: Monganui- und Insel-Bai im Osten von
Neuseeland, die Viti- und Schiffer-Inseln, Papepa auf der Insel Ota-
heiti, Nukahiva (Marquesas-Inseln). Westküste ven Süd- Amerika:
San Carlos, Talcahuano, Valparaiso, Callao, Paita, Tombez. Ablade-
häfen sind hauptsächlieh Talcahuano und die Inselbai. Die Galapagos-
Inseln, welche einige gute Häfen haben, werden gelegentlich der Land-
schildkröten (Terapins) wegen besueht. Auf der Südseite der Chatham-
Inseln kann gutes Trinkwasser von November bis Mai eingenommen
werden. -
Nord-Paeifischer Ocean: Jacannes in Ecuador, etwa 50 Miles
nördlich vom Aquator und Panama, letzteres einer der wichtigsten Ab-
ladehäfen für Thran. Ausserdem sind noch San Franeisco, Hilo, Hono-
lulu und Lahaina wichtige Erfrischungs- und Verschiffungshäfen. Aca-
pulco, Yokohama, Hakodade, Japan-Inseln, Guam, Ascension (King’s
Mill-Gruppe). Früher Hong-Kong und Manila. In verschiedenen klei-
neren Plätzen werden Mannschaften angenommen.
Druck der Engelhard-Reyher’schen Hofbuchdruckerei in Gotha.
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Petermanns Geographische Mittheilungen. Ergänzungsheft N° 26, Tafel.
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Curs der alten Holländischen Fischer. Jan Mayen und Robbenwanderungen
nach diesem. Gebiete
Maassstab 1: 40.000.000 S——#° 230 see MI 560 Yerıctüsehe M. (RQ0=18)
GOTHA: JUSTUS PERTERS Lit Anıt CHeltsrthin Gotha
1869
nm. (uns der heutigen Englischen Walfischfahrer.
„ Schiffbrüche und See-Untalle