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USSLAND IN ASIEN
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Band VI
Die
3eziehungen Russlands
zu
PBRSIBN
\'on
Krahmer
Ivouigl. Treussischer Generalmajor z. D,
^LEIPZIG
Verla^- von Zuckschwerdt & Co.
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
AT LOS ANGELES
Russland in Asien
RUSSLAND IN ASIEN
Band VI
Die
Beziehungen Russlands
zu
Von
Krahmer
Konigl. Preussischer Generalmajor z. D.
LEIPZIG
Verlag von Zuckschwerdt & Co.
1903
Alle Rechte aus dem Gesetze vom 19. Juni 1901
sowie das tjbersetzungsrecht sind vorbehalten.
Setzmaschincnsatz und Druck dcr Spanierschcn Buchdruckcrei in Leipzig.
V to
Vorwort.
^ Veranlapt durch eine Besprechung meiner friiheren Arbeiten
iiber „Rupland in Asien" in dem „Rigaer Tageblatt", iibergebe ich
diesen Band jener Serie „die Beziehungen Rupiands zu Persien",
der Offentlichkeit.
Von einer topographischen und etnographischen Beschrei-
bung Persiens habe ich Abstand genommen, da die Gestaltung
und die Bevolkerungsverhaltnisse geniigsam bekannt sind. Die
►A
'^ wirtschaftlichen und Handelsverhaltnisse Persiens glaubte ich aber
^ nicht iibergehen zu diirfen; eine Besprechung derselben diirfte
notwendig sein, um den wirtschaftlichen Kampf, der auf diesem
Gebiete entbrannt ist, zu erlautern.
-. Wenn auch Deutschland, Frankreich und andere Staaten in
\ wirtschaftlicher und Handelsbeziehung ihre Interessen in Persien
^ zu vertreten haben, so sind es doch hauptsachlich Rutland und
England, welche um die Vorherrschaft in Persien in Wettbewerb
getreten sind und noch treten. Bei der Besprechung der Beziehun-
gen Rupiands zu Persien konnen die Beziehungen Englands zu
Persien nicht auper acht gelassen werden. Sowohl in wirtschaft-
licher wie in politischer Hinsicht sind die Interessen beider Staaten
entgegengesetzte. Es war infolgedessen angezeigt, auch auf die
Bestrebungen Englands in Persien einzugehen.
Die Beigabe einer Karte diirfte nicht erforderlich sein. Zur
Orientierung reicht jeder gute Handatlas aus. Besonders zu
empfehlen ist ,,Andrees Allgemeiner Handatlas, 4. vollig neu
bearbeitete und vermehrte Auflage, herausgegeben von A. Scobel
1899; Blatt 129 und 130.
Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Werke sind:
1. P. A. Rittich: Politische statistische Ubersicht Persiens.
1896 (in russischer Sprache).
2. P. A. Rittich: Die Eisenbahn durch Persien. 1900 (in
russischer Sprache).
3. Lacoin de Vilmorin: La politique etrangere de Perse. 1894.
4. Curzon: Persia and the Persian question. 1892.
Auperdem sind die beziiglichen Aufsatze und Nachrichten
russischer und deut-scher Zeitungen benutzt.
Wernigerode,
im Februar 1903.
Krahmer,
Konigl. Preuss. Generalmajor z. D.
Die politischen Beziehungen Rupiands zu Persien begannen
sich im XV. Jahrhundert zu entwickeln. In den Jahren 1474
bis 1477 wurde die Gesandtschaft Mark Ruf s von Johann III. zura
Schah von Persien, Ussun-Hassan, entsendet. Wenn auch die
Instruktionen, die dieser Gesandtschaft erteilt wurden, wie iiber-
haupt ihre Bestimmung nicht genau bekannt sind, so kann man
doch nach den politischen Umstanden jener Zeit annehmen, dap
man dem Chan der goldenen Horde Achmat Furcht vor dem
drohenden Nachbar einfloPen wollte. Die auf diese Weise im
XV. Jahrhundert angekniipf ten Beziehungen horten aber von selbst
auf, da wesentliche Interessen zwischen Rutland und Persien
nicht bestanden. Nur nach der Eroberung von Astrachan, wo
viele persische Untertanen als Handelsleute ansassig waren, durch
Johann den Schrecklichen begannen Handelsbeziehungen, die iibri-
gens nichts mit der Politik zu tun hatten. Im Jahre 1561 wurde
von Johann IV. und der englischen Konigin Elisabeth der Eng-
lander Anton Djarkinson, ein reicher Kaufmann, der in Moskau
einen ausgedehnten Handel betrieb und mit England bestandige
Beziehungen unterhielt, nach Persien geschickt, da er durch seine
Handelstatigkeit bekannt geworden war. Er wurde von dem
Zar und der Konigin beauftragt, dem Schah zu eroffnen, daP sie
ihm wohlwollten, und ihn zu bitten, ihm zu gestatten, Persien
zu bereisen, um den Grund fiir Beziehungen zu legen, welche sich
nach und nach zum gegenseitigen Vorteil entwickeln konnten.
Djarkinson wurde in Persien sehr freundlich aufgenommen und ihm
die Bereisung erlaubt. Da er aber mit den Sitten und dem Wesen
des Volks vollkommen unbekannt war, konnte er seinen Auftrag
nicht erfiillen, so dap er nach Moskau zuriickkehrte, ohne einen
Handelsvorteil fiir Rupland und England zu erzielen,
Boris Godunow, ein Mann von weitem politischen Blick, war
besonders darauf bedacht, die unter Johann dem Schrecklichen
Die Beziehungen RuMands zu Persien. 1
— 2 —
angekniipften Beziehungen zum Schah aufrecht zu erhalten. Er
ernannte infolgedessen Gregor Borissowitsch Wassiltschikow, einen
sehr verstandigen und geachteten Mann, zum Gesandten, und
schickte ihn nach Persien. Der AnlaP zu dieser Gesandtschaft
war der Umstand, dap nicht lange vorher der Schah Chudabendjei
seinen Vertrauten Andi-bjei mit einem Schreiben geschickt hatte,
in welchem Feodor Johannowitsch vorgeschlagen wurde, „in
Freundschaft und Liebe zu verharren, wie ihr Vater und Gross-
vater, die groPen Herrscher, in Liebe und Zuneigung gelebt
hatten". Andi-bjei wurde gnadig aufgenommen, die Verlesung
des Schreibens angehort, und es erregte eine grope Freude, dap die
vom Schah genommenen Stadte Derbent und Baku Rupiand iiber-
geben werden sollten. Alles das veranlapte Boris Godunow, daraus
Nutzen zu Ziehen, und die Absendung der Gesandtschaft zu be-
schleunigen. Als letztere Astrachan erreicht hatte, wurde in Er-
fahrung gebracht, daP der Prinz Abbas seinen Vater vom Throne
gestoPen und sich selbst zum Schah gemacht habe. Das hinderte
aber Boris Gudonow nicht, Wassiltschikow zu beauftragen, die
Unerfahrenheit des jungen Monarchen zu beniitzen, ihn des gropten
Wohlwollens Feodors Johannowitsch zu versichern und zu be-
tonen, dap Rupiand bereit sei, die Perser gegen ihren schlimmsten
Feind, die Tiirken, zu unterstiitzen. Die mit vielen Geschenken
versehene Gesandtschaft erreichte nach einer sehr langen Reise
ihr Ziel; um nur das Kaspische Meer zu durchfahren, gebrauchte
sie infolge widriger Westwinde 7 Wochen.
Nach der Landung in Gilan wurde der Gesandte von der Be-
volkerung mit Ehrerbietung aufgenommen, was durch den schon
regen Handel mit Rupiand erklarlich ist. Der Schah Abbas war
um diese Zeit mit Buchara im Kriege begriffen, das Chorassan
eingenommen hatte. Nach seiner Riickkehr wurde ihm der rus-
sische Gesandte vorgestellt. Die Verhandlungen nahmen einen
giinstigen Verlauf und der Schah versprach, Rupiand zu unter-
stiitzen, sich in Derbent und Baku f estzusetzen, sof ern diese Stadte
der Tiirkei genommen waren. Die Verhandlungen fiihrten haupt-
sachlich dazu, daP das Versprechen gegeben wurde, bei einem
ZusammenstoP mit den tiirkisch-tatarischen Truppen „fest und
standhaft fiir ewige Zeiten fiir einander einzustehen".
Im Jahre 1590 entsandte Persien als Erwiderung eine Gesandt-
schaft an Feodor Johannowitsch, welcher damals sich zur Bekrie-
gung des ungehorsamen Jagan, des Swjeiskischen Konigs, an-
schickte. Infolgedessen wurde der persische Gesandte nichtgleich
von dem Zaren empfangen; er befahl jedoch, ihn in Nishni-
Nowgorod aufzuhalten und ihn dort mit alien Ehren zu behandeln.
Es sollte ihm alles Mogliche iiber die russische Kraft und Macht
erzahlt werden, urn ihn in Erstaunen, Angst und Schrecken zu
setzen. Spater erfolgte sein Empfang in dem Kreml zu Moskau,
wo die Perser mehrere Tage blieben. Godunow befragte sie iiber
die Lage ihres Staates, iiber das MiPgeschick, welches das Land
erlitten habe, und versprach ihnen, dap Rupland sie unterstiitzen
werde.
Die Reise eines franzosischen Gesandten nach Persien, die
Miperfolge, welche die Chiwesen, die Verbiindeten der Perser,
davongetragen hatten, als sie das von den Bucharen genommene
Chorassan wiedererobern wollten, und andere politische Mipstande
veranlapten Godunow im Jahre 1594, eine zweite, 63 Mann starke
Gesandtschaft nach Persien zu entsenden, an deren Spitze Andreas
Dmitri jewitsch Swenigorodski, ein energischer, erfahrener und
als unbeugsam bekannter Mann, stand. Die Gesandtschaft er-
reichte gliicklich Kaswin und wurde iiberall mit groPer Ehrfurcht
aufgenommen. Der Schah Abbas empfing Swenigorodski sehr
feierlich. Letzterer hatte verschiedene Unterredungen mit dem
Schah, in denen er die politischen Beziehungen Persiens zu den
Nachbarstaaten, die Macht Rupiands, die jenseits der Wolga woh-
nenden Nogairen und Sibirien, mit welchem sich Handelsbezieh-
ungen entwickelt hatten, die es Turkestan ermoglichten, wert-
volles Pelzwerk zu erhalten, beriihrte. Swenigorodski fiihrte
iiberhaupt die diplomatischen Verhandlungen sehr geschickt durch,
so dass er leicht seinen Zweck erreichte, die Perser immer mehr
von der Macht Rupiands zu iiberzeugen.
Nach drei Jahren, 1597, wurde eine dritte Gesandtschaft unter
dem arsamaskischen Wojewoden Fiirsten Tjufjakin mit einer Be-
gleitung von 75 Mann nach Persien ausgeriistet. Die Reise verlief
sehr ungllicklich: Bei der Ankunft war nur die Halfte der Mann-
schaft noch iibrig und der Fiirst selbst starb schon wahrend der
Fahrt auf dem Kaspischen Meere, so daP der Schriftfiihrer Jemel-
janow die Fiihrung der Gesandtschaft iibernahm. Aber auch er
starb in Gilan am Fieber. Der Dolmetscher Jessen Aljei Derby-
schew trat an seine Stelle, der bei dem feierlichen Einzug in
Kaswin so schwach war, daP er sich nicht auf dem Pferde halten
konnte und fast im bewuptlosen Zustande von einigen Bauern
1*
— 4 —
unterstiitzt werden mupte. Das sich auPernde Mitleiden, die gute
Pflege und hauptsachlich die Anderung des Klimas hatten einen
wohltatigen Einflup auf die Oberreste der Gesandtschaft. Nach-
dem die Gesandten sich etwas erholt hatten, befapten sie sich
mit ihren Geschaften und lernten die Verhaltnisse der politischen
Lage Persiens in alien Einzelheiten kennen.
Im Laufe der kurzen Regierung Boris Godunows (1598 — 1605)
wurde nur eine Gesandtschaft nach Persien ausgeriistet, deren
Fiihrer der Fiirst Alexander Feodorowitsch Shirow-Sassjekin
war. Es war ihm von Godunow eine sehr eingehende Weisung
gegeben, wie mit dem Schah Abbas und seiner Umgebung zu
reden sei, wie er sich zu verhalten habe, um die Wiirde des Zaren
zu wahren, ohne die Perser zu beleidigen. Der Zweck der Ge-
sandtschaft war, dem Schah zu versichern, daP trotz des Regie-
rungswechsels Boris Feodorowitsch von denselben Gefiihlen zum
Schah beseelt sei, und dap er mit ihm „in Liebe und Eintracht
leben und gegen alle Feinde gemeinschaftlich mit ihm auftreten
wolle".
Wenn dem Schah nahestehende Leute den tiii'kischen Sultan
den tatarischen Zaren als ihre Feinde bezeichnen und unverweilt
Hilfe verlangen soUten, so sei solche nicht abzulehnen, aber nur
unter der Bedingung, daP die briiderliche Liebe und Eintracht
der Herrscher durch Vertragsurkunde gesichert wiirden. Einge-
denk des Wortes „runion fait la force", wies Boris Godunow den
Gesandten an. Abbas den GroPen zu einem Biindnis mit Rudolf
Zessar zu bewegen, der damals mit groPem Erfolge gegen die
Tiirken focht und unlangst seine Gesandten nach Rupiand geschickt
hatte, um mit ihm gute Beziehungen aufrecht zu erhalten und
durch dessen Vermittelung Beziehungen zu Persien anzukniipfen.
Die Gesandtschaft schlug den gewohnlichen Weg iiber Nishni-
Nowgorod, Kasan, Astrachan ein. Mancherlei Ungliicksfalle zwan-
gen sie aber, in Saratow Halt zu machen. Man beabsichtigte
nun, erst im Friihjahr die Raise nach Astrachan anzutreten, um
dann iiber das Kaspische Meer nach Persien zu gelangen. In den
Urkunden iiber die diplomatischen und Handelsbeziehungen des
Moskauer Reichs mit Persien findet sich nichts iiber das weitere
Schicksal der Gesandtschaft, noch iiber die erzielten Erfolge.
Im Jahre 1603 erwiderte der Schah den Besuch der russischen
Gesandtschaft, indem er eine solche nach Rupiand sandte, die
keinen anderen Zweck hatte, als Liebenswiirdigkeiten auszu-
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tauschen und die guten Beziehungen zum Zaren aufrecht zu er-
halten. Als Beweis, wie sehr Boris Godunow vom Schah verehrt
wurde, iiberbrachte die Gesandtschaft ihm sehr wertvolle Ge-
schenke.
Diese Gesandtschaften zeigen, wie schon Boris Godunow die
Wichtigkeit der zukiinftigen Beziehungen Persiens zu Rupland
voraussah, zu einer Zeit, wo Grusien eine Barriere zwischen
den beiden Reichen bildete und so von einer unmittelbaren Nach-
barschaft noch keine Rede sein konnte.
Unter Wassili Iwanowitsch Schuiskoi (1606 — 1618) wurde die
Gesandtschaft des Fiirsten Iwan Petrowitsch Romodanowski nach
Persien entsendet, der augenscheinlich die Instruktion hatte, die
guten Beziehungen zu Persien zu wahren und „alle die guten
Angelegenheiten zu befestigen, welche den beiden Staaten zu
jeglichem Guten obliegen". Nach der Thronentsagung Schuiskois
horten die Beziehungen Rupiands zu Persien auf. Es entstand
eine unruhige Zeit, wahrend der man nicht daran denken konnte,
die bestebenden Beziehungen zu Persien aufrecht zu erhalten.
Rupiand selbst hatte schwere Zeiten durchzumachen und musste
fiir seine eigene Rettung besorgt sein.
Der Schah Abbas fuhr aber fort, seine Gesandten zu schicken,
und in den Urkunden der diplomatischen Beziehungen zu Persien
finden sich fiinf Schreiben desselben. In dem einen Schreiben
benachrichtigt der Schah den russischen Zaren, daP er die Tiirken
besiegt habe, und fordert ihn zu gemeinschaftlichen Operationen
gegen sie auf. In dem anderen Schreiben macht er denselben
Vorschlag. Die drei letzten Schreiben handeln hauptsachlich auch
von der Lage Persiens in dem Kriege mit der Tiirkei; in einem
derselben teilt der Schah dem Moskauer Zaren mit, daP Schemacha
mit den Vorstadten von ihm genommen sei; „und werdet Ihr,
schreibt der Schah, diese Stadte notig haben, so werden wir
nicht auf sie bestehen: alle sind Dein, weil wir Freunde von Euch
sind, und fiir die Freundschaft handelt man so."
Im Jahre 1613 erhielt Rupiand einen gesetzmapigen Herr-
scher, Michael Feodorowitsch (1613 — 1645), der das Land be-
friedete und es sowohl in wirtschaftlicher wie in politischer
Beziehung hob. Das Verhaltnis Rupiands zu Persien war sehr
wichtig. Abbas hatte in Transkaukasien und Grusien Siege er-
fochten und war ein Mann des Schreckens fiir seine Nachbarn
geworden. Die bestehenden Beziehungen dieses Herrschers zum
— 6 —
Zaren mupten ausgenutzt werden, um nicht nur wichtige Handels-
rechte fiii* Rupiand, sondern auch bei moglichen ZusammenstoPen
mit anderen Reichen Hilfe von Persien zu erlangen.
Zu diesem Zweck schickte der Kaiser Michael Feodorowitsch
im Jahre 1613 Michael Nikititsch Tichonow zu dem Schah, um
ihm gleichzeitig seine Thronbesteigung anzuzeigen. Als der Ge-
sandte wohlbehalten in Kaswin eingetroffen war, traf er dort den
Schah nicht an, der zu dieser Zeit mit Grusien im Kampfe stand.
Nachdem der Schah erfahren hatte, daP ein russischer Gesandter
angekommen sei, befahl er, dap derselbe ihm nach dem Dorfe
Kisyl-Agatsch auf der Gilanschen StraPe entgegenkommen sollte.
Der Schah empfing Tichonow sehr liebenswiirdig und horte mit
sichtbarer Genugtuung das Verlesen des iiberbrachten Schreibens
an. Er erwiderte darauf, daP er den Wunsch habe, mit dem
Kaiser Michael Feodorowitsch in briiderlicher Liebe und Freund-
schaft zu leben. Dessen Freunde seien auch seine Freunde.
Der Schah Abbas bat ferner dem „gropen Bruder" Michael Feo-
dorowitsch auszusprechen, „wenn, wo vordem im Kumyzkischen
Lande Stadte bestanden haben, mein Bruder auf diesen Stellen
wieder Stadte errichten wird, so werden unsere beiden Reiche
verbunden sein, damit bei uns und bis zur Krym keine Feinde mehr
vorhanden sind und wir gegen unsere Feinde gemeinsam auftreten
konnen". Die Gesandtschaft hielt aber wahrend ihres Aufent-
halts in Persien ihre Wiirde nicht gehorig aufrecht, so daP
die Umgebung des Schahs ihr einfaches Auftreten mipbrauchte
und bei jeder Gelegenheit die Bedeutung des russischen Ge-
sandten herabsetzte, der bei seiner geringen Energie es nicht
verstand, seine Rechte zu wahren. Der Schah selbst war Rupiand
sehr zugetan, er kannte dessen Macht, schatzte einen solchen
Nachbar und leistete ihm in der fiir Rupiand schweren Zeit be-
deutende Dienste.
Mit dem russischen Gesandten zusammen reiste auch der
persische Gesandte Bulat-Bek zu dem Kaiser Michael Feodoro-
witsch, und wurde in Moskau mit groPen Ehren aufgenommen.
In den offiziellen Verhandlungen kamen aufs neue die freundlichen
Beziehungen der beiden Reiche zum Ausdruck.
Der Feldzug Sigismunds, des Konigs von Polen, gegen Rup-
iand und gleichzeitig damit die Bitte Grusiens und Kachetiens
die von Persien erobert waren, sie gegen letzteres zu schiitzen,
veranlapten Michael Feodorowitsch, im Jahre 1618 eine grope
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Gesandtschaft nach Persien zu schicken, an deren Spitze der
Furst Michael Petrowitsch Barjatinski gestellt wurde. Es wurde
ihm genau der einzuschlagende Weg angegeben, sowie er auch
Vorschriften erhielt, wie er sich auf dem Wege und bei dem
Empfange am Hofe des Schah zu verhalten habe, um nicht das
eigene Reich den Persern gegeniiber herabzusetzen, sondern sie
zu veranlassen, es noch mehr zu achten.
Barjatinski war beauftragt, dem Schah Abbas Geschenke und
ein Schreiben zu iiberbringen, in welchem die briiderliche Freund-
schaft und Liebe, die Rupland zu Persien hege, versichert wurde.
Er sollte ferner die grope materielle Zerriittung, die Rupland in
der unruhigen Zeit erlitten habe, erwahnen und Abbas um Unter-
stiitzung gegen Sigismund durch Obersendung von Geld bitten.
Michael Feodorowitsch verpflichte sich, dem Schah mit Kost-
barkeiten aus dem Reich, die ihm genehm waren, Zahlung zu
leisten.
Wenn der Schah einwillige, Rupland mit Geld zur Hilfe zu
kommen, solle Barjatinski ihm eine Urkunde mit der Versicherung
aushandigen, dap die Gelder abgezahlt wiirden. Barjatinski wurde
auch das Recht bewilligt, auperstenfalls Astrachan Persien als
Pfand zu iiberlassen. Die Hohe der Summe, welche von Persien
erbeten wurde, war nicht genau bestimmt. Es wurde nur er-
wahnt, dap der Jahresunterhalt der gegen Sigismund aufgestellten
Truppen 400000 Rubel betrage. Ob der Gesandte Geld erhalten
hat, in welcher Hohe und unter welcher Sicherung, ist nicht
bekannt. Nur das weip man, daP die Gesandtschaft sehr freund-
schaftlich aufgenommen wurde und er den Russen erlaubte, Handel
zu treiben, und sogar den Wunsch auPerte, daP sein Reich un-
mittelbar an Rupiand grenzen mochte und keinerlei Lander zwi-
schen den beiden Staaten lagen.
Was Grusien und Kachetien betrifft, die, wie erwahnt, Rup-
land um Hilfe gegen die Perser gebeten hatten, so befapte sich
der Gesandte nicht mit dieser Angelegenheit, und beschrankte
sich nur darauf, Nachrichten iiber diese wie iiber die anderen,
Persien benachbarten Lander einzuziehen.
Der Vorschlag des Schahs Abbas, dap die Grenze Rupiands
und Persians eine gemeinsame werden mochte, hatte keine Folge,
weil das einen neuen Krieg veranlapt haben wiirde, der damals
fiir Rupland bei seinem geschwachten Zustande nicht wiinschens-
wert war.
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Zwei Jahre nach der Riickreise Barjatinskis entsendete der
Schah aufs neue eine auperordentliche Gesandtschaft nach RuP-
land, die grope Geschenke f iir Michael Feodorowitsch iiberbrachte
und auf der ganzen Reise iiber das Kaspische Meer und weiter
auf der Wolga festlich empfangen wurde.
Alle diese gegenseitigen Gesandtschaften befestigten die
freundschaftlichen Beziehungen Ruplands zu Persien. Nur zur
Zeit der Regierung Alexeis Michailowitsch (1645 — 1676) zerstorte
Stenka Rasin das gute Verhaltnis der beiden Reiche- zueinander.
Nachdem Rasin Astrachan genommen hatte, iiberfuhr er das Ka-
spische Meer und drang in Persien ein. Schnell bemachtigte er
sich eines bedeutenden Teils des Landes, gelangte bis zur Residenz
des Schahs, raubte dessen Tochter, fiihrte sie mit sich und er-
trankte sie auf der Riickkehr nach Moskau in der Wolga. Der
Schah stellte an die russische Regierung als Entgelt fiir die
Taten Rasins grope Forderungen, die auch bewilligt wurden.
Rasin wurde in Moskau hingerichtet und samtliche in Moskau
wohnenden Perser mupten dabei zugegen sein, um dem Schah
Genugtuung zu verschaffen.
Die guten Beziehungen zwischen den beiden Reichen wurden
aber durch die Entsendung weiterer Gesandtschaften wiederher-
gestellt, und schon 1664 erhielten die russischen Kaufleute die
Erlaubnis, in Persien Handel zu treiben, ohne daP sie Abgaben
zu zahlen hatten oder sonst beschrankt wurden.
Durch den Tod des Schahs Abbas im Jahre 1627 verlor
Persien einen Herrscher, der es verstanden hatte, bei der EJr-
weiterung der Grenzen seines Reichs fiir die Befriedung des-
selben und die Ordnung der inneren Angelegenheiten zu sorgen,
und deshalb nicht nur von den Nachbarn, sondern auch von den
eigenen Untertanen sehr gefiirchtet war. Die Nachfolger des
Schahs Abbas besaPen diese Eigenschaften nicht, und schon zu
Ende des XVII. Jahrhunderts traten Unruhen in Persien ein, die
zu einer inneren Zerriittung fiihrten. Die Unruhen wurden immer
gropei" und hatten sich endlich im Jahre 1712 zu einem offenen
Aufstande des Dagestaners Daud-Bek entwickelt, der Schemacha
beraubte und viel Volk, darunter auch russische Kaufleute, die
sich dort niedergelassen hatten, niedermachte.
Der Schah Hussein war iiber dieses Ereignis im hohen MaPe
in Schrecken gesetzt, besonders weil der Ruhm und die Erzah-
lungen iiber Peter den Gropen sich verbreitet hatten, Infolge-
— 9 —
dessen schickte der Schah eine Gesandtschaft nach Rupiand, die
das Vorkommnis entschuldigen, reiche Geschenke iiberbringen und
Vorschlage iiber die AbschliePung eines liandelsvertrags machen
sollte. Peter, der damals schon beschlossen hatte, das siidliche
Ufer des Kaspischen Meeres in seine Gewalt zu bringen, um da-
durch den Weg nach Indien seinem Reich zu erschliepen, nahm
die Vorschlage gern an, schloP aber noch keinen offiziellen Ver-
trag ab; er wollte zuvor den inneren Zustand Persiens kennen
lernen. Um dies zu erreichen, schickte er im Jahre 1715 Artemii
Wolynski, der damals ein junger Oberstleutnant war und auf den
man grope Hoffnungen setzte, nach Persien. Wolynski erhielt
eine weitgehende Vollmacht, um einen Handelsvertrag abzu-
schlie[3en, der auch vom Schah Hussein am 30. Juli 1717 (a. St.)
bestatigt wurde. Auf Grund dieses Vertrags wurden die Zolle,
die Handelsgegenstande festgestellt, und Rupiand erhielt das
Recht, einen standigen Konsul in Gilan zu haben, um etwaige
Streitigkeiten zwischen den Handlern zu schlichten. Von der
politischen Lage Persiens entwarf Wolynski ein trostloses Bild,
und sprach unter anderem die Befiirchtung aus, daP die Afghanen
das siidliche Kiistenland des Kaspischen Meeres besetzen wiirden.
Die Befiirchtung bestatigte sich: aber nicht nur Afghanen,
sondern auch Usbeken, Kurden und sogar Araber drangen in Per-
sien ein. Die Afghanen unter Mir Mahmud nahmen die Haupt-
stadt Isfahan, entsetzten den Schah Hussein des Thrones und
erklai'ten Mir Mahmud als Herrscher Persiens. In dieser ver-
zweifelten Lage wandte sich der Sohn Husseins, Tahmasp, an
Peter den GroPen mit der Bitte, ihm zu helfen, das Land vom
Feinde zu befreien und ein gesetzmapiges Reich herzustellen,
unter dem Versprechen, ihm die am Kaspischen Meere gelegenen
Gebiete abzutreten. Bald bereute aber Tahmasp die von ihm
gemachten Vorschlage, so dap er den Befehl an Ismail-Bek, der
als Gesandter entsendet war, schickte, zuriickzukehren. Dieser
hatte aber schon Astrachan erreicht, und ihn zuriickzurufen war
unmoglich. Peter der Grope hatte schon langst die Ereignisse
in Persien verfolgt und sich zu einer Expedition vorbereitet, welche
er im Jahre 1722 zur Ausfiihrung brachte. In kurzer Zeit hatte
Peter Derbent, und der Generalmajor Matuschkin Baku erobert.
Am 12. September 1723 (a. St.) kam ein Vertrag zwischen Rup-
land und Persien zustande, auf Grund dessen sich Rupiand ver-
pflichtete, ,,gute und bestandige Freundschaft und Hilfe gegen
— 10 —
alle Aufstandischen Persien zu erweisen. Zur Befriedung des
Landes und urn den Schah aui dem Thron zu erhalten, lapt der
Kaiser sobald als moglich die erforderliche Anzahl von Truppen,
Reiterei und Infanterie, in das persische Reich einriicken, um die
Aufstandischen niederzuwerfen und dem Schah die ruhige Herr-
schaft iiber das persische Reich zu sichern". Dafiir tritt der
Schah dem russischen Kaiser „die Stadte Derbent, Baku mit dem
ganzen zu ihnen gehorigen und am Kaspischen Meere gelegenen
Territorium und Orten, sowie die Provinzen Gilan, Masanderan
und Astrabad zu ewigem Besitz ab". Dann folgen Versicherungen
der „ewigen Freundschaft" und die Erlaubnis, „daP die beider-
seitigen Untertanen in beiden Reichen reisen, dort auch leben,
Handel treiben, je nach ihrem Ermessen das Land verlassen
konnen; niemand soil aufgehalten und gekrankt werden, und
wenn jemand es wagt, sie zu beleidigen, so soil er dafiir von
seinem Herrscher hart bestraft werden", Schliepiich ist in dem
Vertrage versprochen, ,,gegen die Feinde sich einander zu unter-
stiitzen". Der AbschluP dieses Vertrages war aber mit Umstanden
verbunden, welche die Erfiillung unmoglich machten. Die nach
dem Vertrage an Rupland abzutretenden Lander mupten mit Ge-
walt genommen werden, und die Bundesgenossen, die Truppen
Tahmasps, leisteten Widerstand.
Bald starb Mir Mahmud und der Sultan Eschref bestieg den
isfahanschen Thron, der den Kampf seines Vorgangers fortsetzte
und nicht zugab, daP die am Kaspischen Meere gelegenen Lander
an Rupland abgetreten wiirden. Als er sich dann gegen den
nordlichen Feind, Rupland, wandte, wurde er von diesem in Gilan
geschlagen und gezwungen, alle Forderungen Rupiands an-
zunehmen.
Nach dem Tode Peters des GroPen am 8. Februar 1726 kamen
seine Nachfolger zu anderen Ansichten und verwarfen die weit-
sichtigen Plane Peters. In dem Vertrage zu Rescht am 13. Februar
1729, der nach dem Siege in Gilan zum Abschlup kam, wurden die
am Meere gelegenen Provinzen Astrabad und Masanderan an
Persien zuriickgegeben, um die alte Freundschaft aufrecht zu
halten. Daran war aber die Bedingung gekniipft, daP diese Pro-
vinzen an eine andere Macht unter keinen Umstanden abgetreten
werden diirften; sie soUten wieder an Rupiand fallen und die
geschlossenen Vertrage fiir nichtig erklart werden, wenn diese
Bedingung nicht geachtet werden sollte.
— 11 —
Der Vertrag enthalt eine eingehende Beschreibung der Grenze
zwischen Persien und Rupiand: Derbent, der untere Lauf der Kura
bis zur Einmiindung des Aras, Talisch und Gilan bis zur Grenz-
scheide Tenikabunskoje fielen an Rupiand. Der 4. Artikel
des Reschter Vertrags handelte ,,von den internationalen Bezieh-
ungen mittels der Gesandten, Sendlinge und Grenzbeamten, welche
mit wiirdevoller Ehrfurcht, wohlgefallig und ohne Gefahrdung
geleitet, aufgenommen, gehalten und nach Erledigung ihrer Auf-
trage abgesandt werden sollten". Der 5. Artikel betrifft den
diplomatischen Briefwechsel, der 6. Artikel das Verhaltnis der
Grenzbewohner zueinander, der 7. Artikel die Auslieferung der
Oberlaufer; der 8. Artikel gibt den russischen Untertanen das
Recht, unter Zahlung der gewohnlichen Abgaben nach den friiheren
Festsetzungen in dem ganzen Reich und den Landschaf ten Persiens
mit jeglichen Waren Handel zu treiben, Hauser, Karawansereien,
Vorratshauser, Laden zu bauen und durch das persische Reich
nach Indien und anderen Staaten und Landern als Handler mit
Karawanen frei und gefahrlos zu reisen. Ebenso haben auch die
persischen Untertanen das Recht, sich zu Handelszwecken in
Rupiand aufzuhalten. Es wird auch noch die Frage iiber das
Gut der Reisenden, Gestorbenen entschieden. In diesem Falle
sollen die zuriickgelassenen Hauser, Karawansereien, Vorrats-
hauser, Laden, Waren und Lebensmittel den gesetzlichen Nach-
kommen oder den Magistraten ohne irgend eine Beschadigung und
in gutem Zustande iibergeben werden."
Nach der Beendigung des Krieges mit Rupiand mupte Eschref
sich gegen Tahmasp wenden, welch letzterer aber, von dem Turk-
menen Nadir unterstiitzt, so gliicklich operierte, daP die Armee
Eschrefs vernichtet wurde und er selbst 1729 den Thron Persiens
bestieg.
Urn diese Zeit war Anna Iwanowna (1730 — 1740) Kaiserin
von Rupiand geworden, deren politische Auffassung inbetreff des
Kaspischen Kiistenlandes nicht den Planen Peters des GroPen
entsprach. Die groPen materiellen Ausgaben und die groPe Sterb-
lichkeit der in Gilan stehenden Armee infolge des Sumpfklimas
trugen dazu bei, dap Biron nur eine giinstige Gelegenheit ab-
wartete, um die erworbenen Provinzen wieder aufzugeben. Tah-
masp wurde als Schah von Persien bestatigt und am 21. Januar
1732 ein Vertrag mit ihm abgeschlossen, worin es hieP: „Ihre
Kaiserliche Majestat tritt als ein unveranderliches Zeichen ihrer
— 12 —
gropen freundschaitlichen Gesinnung zu Sr. Majestat dem Schah
sowie ihrer Hochherzigkeit, ohne die vielen Millionen, die fiir
die Truppen ausgegeben sind und ohne den Verlust ihrer Truppen
seit dem Beginn des Einriickens in Persien in Anschlag zu bringen,
alle Landschaften der am Flusse Kura liegenden Provinzen ab,
aber sie geruht nicht, die iibrigen Landschaften von der Kura
ab hinzuzufiigen, verspricht jedoch, sie der Herrschaft des Schahs
zuriickzugeben, sobald es fiir gefahrlos erachtet wird, namlich
wenn der Schah seine Feinde vertreibt und seinem Reich die
Ruhe wiedergiebt."
Dabei blieb aber die russische Regierung nicht stehen; sie
stellte auch Grusien unter die Protektion des Schahs, trotzdem
dap die Bevolkerung so oft um Hilfe gegen die Perser gebeten
hatte. In dem Artikel 3 dieses Vertrages wurde der Handel in
alien Landschaften und Orten mit den aus Rupiand eingefiihrten
wie auch umgekehrt mit persischen Waren ohne Abgaben zu
zahlen gestattet.
Sehr wichtig ist auch der 6. Artikel, wonach die ersten
Konsuln und Agenten eingesetzt wurden, die erforderlichenfalls
fiir die Kaufleute sorgen, etwaige Streitigkeiten schlichten und
Mittel ausfindig machen konnten, um den Handel zu fordern.
Zu diesem Zweck wurden Konsulate in der Residenz beider Reiche
und in anderen Stadten nach dem Ermessen der Monarchen er-
richtet.
Dem Schah Tahmasp gelang es aber nicht, seinem Reiche die
Ruhe zu geben. Der Turkmene Nadir, welcher ihm geholfen hatte,
den Thron zu besteigen, war sehr machtig geworden, und er
zogerte nicht, seine Macht zu beniitzen, um Tahmasp wieder zu
entthronen. Der Versuch gelang, und Nadir wurde der Be-
herrscher Persiens. Er forderte von der Tiirkei die Riickgabe
der von ihnen eroberten persischen Landschaften, was aber ver-
weigert wurde. Sie erklarte Persien den Krieg; der Krymsche
Chan sollte von Norden durch Dagestan in Persien eindringen,
welch ersteres von Rupiand besetzt war. Dieser Umstand fiihrte
zu einem ZusammenstoP mit den Bewohnern der Krym und gleich-
zeitig zu einem Kriege mit der Tiirkei.
Nadir-Schah benutzte die politischen Verwickelungen, und
da er das Wohlwollen Ruplands Persien gegeniiber kannte, schickte
er gegen Ende des Jahres 1734 seinen Gesandten Hussein-Chan
nach Rupiand, um die Regierung der gropten freundschaftlichen
— 13 —
Zuneigung des Schahs und des Reichs zu der Kaiserin zu ver-
sichern, und um dann eine Abtretung von noch mehr Land zu
erlangen, AuPer dieser offiziellen Mission hatte Hussein noch
den geheimen Auftrag, der Tochter des gropen Kaisers, Elisabeth
Petrowna, den Vorschlag zu machen, sich mit dem Schah Nadir
zu vermahlen. Diese Vermahlung hatte eine nur politische Be-
deutung und zeigt, wie sehr Nadir iiber den Zustand des russischen
Reichs unterrichtet war, wenn er daran denken konnte, durch
eine Heirat mit Elisabeth Petrowna das russische Reich als Mit-
gift zu erhalten, indem Anna Iwanowna entthront werden und
Elisabeth an deren Stelle treten sollte.
Der Vorschlag wurde abgelehnt. Nadir hatte aber alien
Grund gehabt, auf das Wohlwollen der Kaiserin zu rechnen.
Schon am 10. Marz 1735 schloP Rupiand mit Persien in Gandj einen
neuen Vertrag, kraft dessen Rupiand in seinem unveranderlichen
Wohlwollen zum Iranschen Reich und in der Absicht, den besten
Weg vorzubereiten, „um es in seinen friiheren Zustand zu bringen
und alien, sowohl den Nahen wie auch den Fernen, zu zeigen,
dap von seiten Rupiands nicht beabsichtigt werde, etwas von
Persien zuriickzubehalten, und nur infolge der Hochherzigkeit
und der gropen Gnade der Monarchin gestatte, die Stadte Baku
und Derbent mit den zngehorigen Landschaften und Dorfern ab-
zutreten und zuriickzugeben und Dagestan und die iibrigen zu
Schamchala und Jemega gehorigen Orte sollten wie friiher Persien
zufallen". In dem 1. Artikel des Vertrages wird „die ewige
Bundesfreundschaft mit dem russischen Reich" und die gegen-
seitige Unterstiitzung und die Eroffnung von kriegerischen Tatig-
keiten gegen jeden, „der gegen diese beiden Hofe einen Krieg
beginne", aufgenommen. Die abgetretenen Stadte wie die Gebiete,
die in den friiheren Vertragen erwahnt waren, sollten in keiner
Weise und unter keinem Vorwande in die Hande anderer Machte,
besonders der gemeinsamen Feinde, kommen, sondern es miisse
angestrebt werden, dap sie der Macht des Iranschen Reiches
erhalten wiirden. Von dem Wohlwollen der Perser gegen Rupiand
war man nicht so iiberzeugt, dap man es hatte unterlassen konnen,
die Bedingung zu stellen, dap „das in Derbent vorhandene christ-
liche Kloster nicht zerstort wiirde; nicht bloP die Abhaltung des
Gottesdienstes, sondern auch die Diener sollten nicht gefahrdet
werden". Ferner wurde von dem russischen Bevollmachtigten
Golizyn die Bedingung von Persien gefordert, „dap es keinen
— 14 —
Frieden schliePe, bis die von der Tiirkei entrissenen und eroberten
Provinzen dem Iranschen Reich zuriickgegeben sein wiirden".
In den Friedensabschlup, der nach der Riickgabe aller Land-
schaften an Persien erfolge, solle Rutland eingeschlossen werden,
das sich Persien gegeniiber verpflichtete, daP ,,die Feinde des
letzteren auch seine Feinde sein sollten". Durch den 4. Artikel
dieses Vertrages wurden die friiher Rupiand zuerkannten Rechte
inbetreff des Handels bestatigt, und durch den Artikel 5 erhielt
die russische Kaufmannschaft das Recht, „mit ihren Schiffen
anzulegen und ihre Waren an den Ausladepunkten zu lagern, sie
nach anderen Orten zu schaffen und frei Handel zu treiben".
Nach diesem Artikel wurde in Rescht ein Konsul eingesetzt, „damit
die russischen Kaufleute in Zukunft mit Nutzen handeln konnten".
So hatte im Jahre 1735 Rupiand die von Peter dem GroPen
eroberten Gebiete verloren und eine schwere Verpflichtung iiber-
nommen, die es so bedriickte, dap alle moglichen Anlasse und
Vorwande gesucht wurden, um sich von ihr zu befreien. Alles,
was Peter der GroPe getan hatte, war vernichtet. Alle Siege,
die Rupiand so viel Blut gekostet hatten, waren umsonst gewesen.
Die russische Diplomatie fand das aber ganz angemessen, als ein
Zeichen „der unvergleichlichen Freundschaft zum Schah und des
unveranderlichen Wohlwollens zum Iranischen Reich", das alle
diplomatischen Erwagungen aufhob.
Der Vertrag zu Gandj hatte zur Folge, daP die russischen
Beziehungen zu Persien auf lange Zeit unterbrochen waren. Unter
der Regierung Katharinas der GroPen mupte Rupiand im Jahre
1781 tatsachlich „die schwere Verpflichtung" auf sich nehmen
und die politischen Beziehungen mit Persien erneuern, welche aber
reine Handelsbeziehungen waren und sich hauptsachlich in Astra-
chan, in beschranktem MaPe in Enseli, Baku und Derbent konzen-
trierten. Mit der Entwickelung des russischen Handels auf dem
Kaspischen Meere wurden bestandig Klagen iiber die Raubereien
der Turkmenen laut. Letztere schadigten die Schiffahrt und be-
sonders den Fischfang. Die russische Regierung sah sich infolge-
dessen im Jahre 1781 gezwungen, den Grafen Woinowitsch nach
Persien zu entsenden, um von der persischen Regierung die Er-
laubnis zur Errichtung einer Beobachtungsstation am Siidufer des
Kaspischen Meeres zu erlangen.
Am 30. Juni 1781 langte der Graf Woinowitsch mit vier
Schiffen in der Astrabadschen Bucht an. Es begannen Verhand-
— 15 —
lungen iiber die Anlage einer Station in Aschref. Aga- Mo-
hammed-Chan sah ein, daP eine Ablehnung der Bitte widersinnig
sei, da iiber eine Flotte nicht verfiigt werden konnte, Infolge-
dessen nahm er die Gaste sehr freundlich auf und erlaubte Woino-
witsch, die Station in der Grenzscheide Gorodowin, 80 km von
Astrabad, zu errichten. Woinowitsch baute dort eine Batterie,
um sich gegen die Turkmenen zu sichern, ein Hospital, einen
Bazar, einen Anlegeplatz und andere Gebaude und wartete dann
die Entscheidung iiber die AbschliePung eines Vertrages inbetreff
der neuen Ansiedelung ab.
Aga-Mohammed-Chan, der Begriinder der jetzt noch in Persien
herrschenden Dynastie, lud die russischen Offiziere zu sich ein,
lieP sie gefangen nehmen und die von den Russen angelegten
Befestigungen zerstoren. Woinowitsch wurde gefesselt nach der
Stadt Sari gebracht, wo schon tags vorher Aga-Mohammed-Chan
eingetroffen war. Er setzte sofort Woinowitsch in Freiheit, ent-
schuldigte die harten Ma^regeln, die durch unwahre Meldungen
seiner Untergebenen und durch die Mitteilung des Chans von
Buchara, als ob Rupiand nur in feindlicher Absicht nach der An-
legung einer Station in der Bucht von Astrabad trachtete, hervor-
gerufen waren. Die russische Regierung war durch diese Er-
klarung vollstandig befriedigt und befahl dem Grafen Woino-
witsch, sogleich zuriickzukehren.
Im Jahre 1782 wandte sich Grusien von neuem an Rupiand mit
der Bitte, es vor den Persern und Tiirken zu schiitzen. Katharina
dieGroPe, die vollstandig die Politik Peters des GroPen verfolgte
und augenscheinlich die Griindung eines armenisch-grusischen Zar-
tums plante, ging auf die Bitte der grusinischen Zarin, Iraklija,
ein und schlop mit ihr im Juli 1783 einen Vertrag, auf Grund
dessen letzterer die innere Verwaltung Grusiens iibertragen wurde,
wahrend Rupiand die Sorge fiir die auPeren Angelegenheiten des
Zartums iibernahm und sogar nicht nur fiir die Landschaften,
die um diese Zeit Iraklija gehorten, sondern auch fiir alles Land,
das in der Folge in den Besitz Grusiens kommen konnte, die
Garantie iibernahm.
Aga-Mohammed-Chan, unzufrieden mit diesem Verhaltnis Rup-
lands zu Grusien, riickte im Jahre 1793 mit drei Kolonnen in
Grusien ein, verwiistete es schrecklich und zerstorte Tiflis, dessen
Bewohner auf grausame Weise niedergemacht und die Kinder
lebend in die Kura geworfen wurden. Die Kaiserin entsetzte sich
— 16 —
iiber die Nachricht von der barbarischen Bestrafung, die von dem
persischen Schah iiber das Volk und die Zarin verhangt war, deren
ganze Schuld darin bestand, dap sie zu Rupiand ihre Zuflucht
nahm und sich den ihr drohenden Gefahren in der Hoffnung auf
die ihr versprochene Hilfe aussetzte. Die Kaiserin lieP unverweilt
Gulowitsch mit 8000 Mann in Grusien einriicken. Da aber letzterer
keine entscheidenden Erfolge erreichte, wurden im Friihjahr 1796
noch weitere 35000 Mann unter dem Befehl Subows nachgeschickt.
Letzterer ging sehr energisch vor und nahm in kurzer Zeit die
Festungen Derbent, Baku und Ganj. Gegen Ende des Herbstes
war das ganze Kiistenland des Kaspischen Meeres von der Miin-
dung des Terek bis zur Kura in den Handen der Russen. Der Graf
Subow ging eilends iiber den Aras, um in dem niuganischen Tale
zu iiberwinlern. Er beabsichtigte, im Friihjahr das Gebiet Aser-
beidjan zu befrieden und auf Teheran vorzugehen.
Am 17. November 1796 starb die Kaiserin Katharina. Ihr
Nachfolger, der Kaiser Paul, verabschiedete sofort den Feld-
marschall Subow und lieP die Truppen in ihre Standorte zuriick-
kehren. Ein Vertrag mit Persien war nicht abgeschlossen; RuP-
land hatte seine Siege nicht ausgenutzt.
Nachdem im Jahre 1797 Aga-Mohammed ermordet war, wurde
sein Neffe Fath-Ali sein Nachfolger auf dem Throne Persiens.
Er verlegte seine Residenz von Isfahan nach Teheran, um bei
politischen Verwickelungen an der Nordgrenze sich rechtzeitig
dorthin begeben zu konnen.
Das Ende des XVIII. und der Anfang des XIX. Jahrhunderts
war fiir Persien sowohl infolge der Ereignisse wie auch infolge
seiner Stellung, welche es unter den europaischen Machten ein-
nahm, eine sehr wichtige Zeit.
Zu Anfang des XIX. Jahrhunderts war es England, das auf die
politischen Angelegenheiten Persiens einen groPen EinfluP ge-
wann. Bis dahin hatte es nur groPe Handelsinteressen in den
Hafen des Persischen Golfs, obgleich es einen beziiglichen Ver-
trag mit Persien nicht abgeschlossen hatte. Erst im Jahre 1800,
als es den EinfluP Frankreichs auf Persien beobachtete und um
sich gegen einen Einfall der Afghanen in Indien zu sichern, schickte
es den Kapitan Malkom nach Persien, um einen Vertrag zu ver-
einbaren.
Der Schah Fath-Ali liep sich durch die gropen Versprechungen
Malcoms bewegen, im Jahre 1801 einen Vertrag mit England ab-
^ 17 —
zuschliepen, zumal er wiinschte, gute Beziehungen zu diesem
Reiche herzustellen. In diesem Vertrage wurde hauptsachlich das
beriick&ichtigt, was Gropbritannien bei einem Einfalle der Af-
ghanen in Indien vorteilhaft sein konnte. Unter diesen Umstanden
verpflichtete sich Fath-Ali, „unverweilt die afghanische Grenze
zu verwiisten und das afghanische Volk zu befrieden". Dann
nahm Malcom einen Artikel in den Vertrag auf, in dem es heipt,
„dap, wenn der afghanische Herrscher oder die franzosische Nation
einen Krieg mit Persien beginnen wiirde, der Konig von England
so viel Kriegsvorrate Persien senden werde, wie es raoglich sei.
Wenn eine franzosische Armee versuchen sollte, sich auf einem
der Ufer des Persischen Golfs festzusetzen, wiirden die englischen
und persischen Truppen mit vereinten Kraften bestrebt sein, sie
zu vertreiben, und keinem bedeutenden Franzosen sollte gestattet
werden, seinen Aufenthalt auf den Kiisten und Inseln Persiens
zu nehmen."
Dieser Artikel erklart sich nur durch die Angst, welche die
„aufgeklarten Seefahrer" vor den Planen Napoleons, Indien zu
erobern, batten. Es liegt auf der Hand, dap dieser Vertrag nur
Englands Vorteile im Auge hatte. Der Schah Fath-Ali sah sehr
wohl ein, dap er ihn nicht gegen den machtigen Nachbar, Rupland,
sichere, der alle seine friiheren diplomatischen Fehler erkannt
und im Jahre 1801 Grusien sich untertanig gemacht hatte.
Aus diesen Griinden war es natiirlich, daP der Schah sogar
nach dem Abschlup des Vertrages mit England fortfuhr, einen
zuverlassigen Bundesgenossen zu suchen. DaP nach der Eroberung
von Grusien Rupland sich auch Imeretien, Mingrelien und Gurien
einverleibt und dann Persien den Krieg erklart hatte, bestatigte
die Befiirchtungen Fath-Alis, dap England ein sehr unzuverlassiger
Bundesgenosse ware. Letzteres versagte Persien die Hilfe nicht,
aber es stellte als Entgelt die unerhorten Forderungen, „das
ganze Kiistenland abzutreten, das Recht, Bender-Buschir zu befes-
tigen, enorme Kontributionen, die Abtretung der Inseln und das
Oberkommando iiber die persischen Truppen". Der dariiber auf-
gebrachte Schah verwarf alle diese Bedingungen Englands und
wandte sich im Jahre 1802 brieflich an Napoleon, dessen Person-
lichkfcit und Eroberungen in Italien und Agypten ihn hoffen liePen,
aus dieser gefahrlichen Lage zu kommen.
Napoleon war sehr erfreut, einen solchen Bundesgenossen
im Osten zu gewinnen, und sandte unverweilt Jaubert mit einer
Die Beziehungen Rufilands zu Persien. 2
— 18 —
offiziellen Mission an den Sultan Selim und mit einer geheimen an
den Schah von Persien. Fast gleichzeitig mit Jaubert wurde
Raumier entsendet, der unter dem Vorwande, eine auPerordent-
liche Mission nach China zu haben, durch Syrien, Suleimanien nach
Persien gelangte und dann sich schnell nach Teheran begab, in-
dem er Ranke von den Englandern befiirchtete, die aufmerksam
waren und den wahren Zweck der Gesandtschaft errieten. Fath-
Ali nahm den Gesandten sehr freundlich auf, weil dieser die
Instruktion hatte, den Schah zu benachrichtigen, daP Napoleon
mit dem Biindnis vorlaufig einverstanden sei und ein offizieller
Gesandter eintreffen wiirde. Vor allem kam es Napoleon darauf
an, den Zustand des Landes und seine Truppenmenge kennen zu
lernen. Einige Tage nach seiner Ankunft starb Raumier. In
der Hauptstadt ging das Geriicht, daP er ein Opfer politischer
Intriguen geworden sei. Der Schah Fath-Ali war iiber dessen
Tod sehr traurig, beerdigte ihn mit groPer Pracht und errichtete
ihm sogar ein Denkmal. Der Bevollmachtigte Napoleons, Jaubert,
war indessen sehr vorsichtig, und erst in Erzerum erklarte er sich
als Gesandter. Die Englander verfolgten seine Reise mit groPer
Aufmerksamkeit, und bei seiner Ankunft in Bajasid ergriffen sie
ihn und nahmen ihn gefangen. Nach kurzer Zeit wurde er aber
wieder in Freiheit gesetzt und traf in Teheran ein, wo man ihn
mit groper Ungeduld erwartet hatte. Er wurde auPerordentlich
freundlich empfangen. Infolge der langen Reise und der Gefangen-
schaf t sehr erschopf t, erkrankte Jaubert und reiste krank mit einem
Antwortschreiben des Schahs nach Paris zuriick. Fath-Ali war iiber
das Ungliick, das die Gesandten Napoleons betroff en hatte, sehr be-
kiimmert. Er gab Jaubert den besten Arzt mit, der mit seinem
Kopf fiir das Leben des Gesandten haften sollte. Gliicklicher-
weise erholte sich Jaubert auf der Reise, kehrte wohlbehalten
nach Paris zuriick und iiberreichte Napoleon das Schreiben des
Schahs. Bevor ersterer sich entschlop, ein Biindnis mit Per-
sien zu schliepen, entsandte er noch wiederholentlich Ge-
sandte dorthin, um sich iiber die Fahigkeit Persiens, ihn bei
seinen Eroberungsplanen inbezug auf Indien zu unterstiitzen,
klar zu werden.
Um diese Zeit begann Rupiand den Krieg mit Persien. Die
Siege des Fiirsten Zizianow iiber Abbas-Mirsa, die Einnahme der
Festung Ganj (Jelissawetpol) im Jahre 1804 und die im Jahre
1805 genommenen Chanate Karabagh, Scheka und Schirwan bis
— 19 —
dicht an den Aras brachten den Schah nicht zur Vernunft; auf
Anraten der Englander dachte er nicht an den Frieden, so daP
er Rutland zwang, auf seiner siegreichen Bahn weiter fortzu-
schreiten. Der Krieg Persiens mit Rupiand war den Englandern
notwendig, weil er Napoleon hinderte, seine Plane inbetreff Indians
zur Ausfiihrung zu bringen.
Die Einnahme Bakus durch den General Bulgakow und Der-
bents durch Glasenap im Jahre 1806 veranlapte Fath-Ali, seinen
Bevollmachtigten Mirsa-Risa-Chan nach Frankreich zu schicken,
um moglichst schnell einen Vertrag mit Napoleon abzuschliePen.
Der Vertrag wurde am 4. Mai 1807 in Finkenstein unterzeichnet,
kraft dessen sich Fath-Ali verpflichtete, nach der Ratifikation
des Vertrages alle politischen und Handelsbeziehungen mit Eng-
land abzubrechen und ihm sofort den Krieg zu erklaren, ohne
seinen Vorschlagen zuzustimmen (Art. 8). Wenn Ruf31and und
England ein Biindnis gegen Frankreich und Persien schlie^en
sollten, waren beide Nationen verpflichtet, gemeinsam gegen die
beiden obengenannten Machte zu operieren (Art. 9). Der Schah ver-
pflichtete sich ferner, seinen ganzen Einflup zu benutzen, um die
Afghanen und andere Volkerschaften Kandahars zu einem Kriege
gegen England zu bewegen und nach Vereinigung dieser Truppen
mit den eigenen tief in Indien einzudringen (Art. 10). In dem
Falle, dap Napoleon seine Armee auf dem Landwege nach Indien
vorgehen liepe, so lite der Schah sie durch sein Territorium riicken
lassen, sie auf dem Marsche mit Verpflegung unterstiitzen und
endlich seine Armee mit der franzosischen vereinigen (Art. 12),
Alle Hafen des Persischen Golfs sollten dem franzosischen Ge-
schwader geoffnet werden (Art. 11). Napoleon garantierte seiner-
seits Persien den vollen Besitzstand seines Reichs (Art. 2), erkannte
Grusien als zu Persien gehorig an (Art. 9). Er versprach, alles
aufzubieten, Rupiand zur Zuriickgabe Grusiens und der anderen
Gebiete zu bewegen (Art. 4). Ferner verpflichtete sich Napoleon,
einen Bevollmachtigten dem Teheranschen Hofe beizugeben und
Persien zu helfen, die Truppen und die Bewaffnung nach fran-
zosischem Muster zu reorganisieren, und war mit der Gestellung
von Instruktionsoffizieren einverstanden (Art. 7). Auch wollte
er so viel Waffen liefern, wie es der Schah fiir notig halte.
So versprach Napoleon allerdings, Persien in spaterer Zeit
zu helfen; nur Instruktoren und Waffen wollte er schicken. Persien
sollte dagegen gezwungen werden, trotz seiner Leistungsunfahig-
— 20 —
keit und dem mehrjahrigen Kriege mit Rutland sofort England
den Krieg zu erklaren und nach Indien vorzugehen.
Trotzdem dap der Vertrag auPerordentlich unvorteilhaft fiir
Persien war, wurde dennoch der standige Gesandte Frankreichs
von der Bevolkerung mit unbeschreiblichem Enthusiasmus aufge-
nommen. Der Schah unterzeichnete, ohne zu zogern, den Vertrag
und auch den Erganzungsvertrag, auf Grund dessen den fran-
zosischen Untertanen groPe Vorteile inbetreff des Handels und
den Konsuln eine weitgehende Machtbefugnis eingeraumt wurden.
Die franzosischen Instruktoren und die franzosischen Waffen
half en Persien nicht; die Russen gingen im Kaukasus weiter vor
und nahmen im Jahre 1808 Nachitschewan. Aus Furcht vor
solchen schnellen Erfolgen schlug Fath-Ali dem russischen Ober-
befehlshaber Gudowitsch vor, einen Waffenstillstand auf ein Jahr
abzuschliepen, welcher Vorschlag dem Kaiser von Rupiand unter-
breitet wurde. Gleichzeitig schickte Fath-Ali seinen Gesandten
Asker-Chan nach Paris mit der Vollmacht, unter Mitwirkung Na-
poleons mit dem Grafen Tolstoi, dem damaligen russischen Ge-
sandten an dem franzosischen Hofe, einen Friedensvertrag abzu-
schliepen. Asker-Chan war aber noch nicht nach Paris gelangt,
als der Kaiser von Rupiand an Gudowitsch den Befehl erlieP,
keinen Waffenstillstand zu gewahren und vorzugehen. Napoleon
hatte Asker-Chan nicht unterstiitzt; er wollte sich mit Rupiand
nach dem Tilsiter Frieden nicht entzweien, wies auf die zu weite
Entfernung Frankreichs von Persien hin, und lehnte das Gesuch ab.
Infolge dieser abschlagigen Antwort horte der EinfluP Frank-
reichs auf Persien auf. Der Plan Napoleons, sich Indiens mit
Hilfe Persiens zu bemachtigen, konnte nicht zur Ausfiihrung
kommen.
Die Englander hatten ihre voile Aufmerksamkeit auf die
Ereignisse in Persien gerichtet und zogerten nicht, aus den Um-
standen Nutzen zu ziehen, indem sie mit einem Geschwader in
den persischen Golf unter dem Vorwande einliefen, Verhandlungen
anzukniipfen. Der franzosische Gesandte verlangte von Fath-Ali,
sich jeglicher Verhandlungen mit den Englandern zu enthalten,
unter der Drohung, dap er andernfalls Persien verlassen wiirde.
Der Kommandierende des englischen Geschwaders machte den
Vorschlag, daP England den Schah mit Geld unterstiitzen werde,
um den Krieg mit Rupiand fortsetzen zu konnen. Wenn er dies
ablehnen sollte, wiirde England Persien den Krieg erklaren und
— 21 —
die jetzt herrschende Dynastie stiirzen und einen Nachkommen
des friiheren Herrscherhauses, welcher sich auf dem Geschwader
befinde, den Thron besteigen lassen.
Fath-Ali fand keinen anderen Ausweg aus dieser mipiichen
Lage, als mit England in Unterhandlungen zu treten, wodurch
allerdings der Vertrag mit Napoleon verletzt wurde. Am 12. Fe-
bruar 1809 verliep der franzosische Gesandte Teheran, und einige
Tage spater zog der englische Gesandte feierlich hier ein. In
demselben Jahre schloP Persien mit England einen neuen Vertrag;
es erhielt eine bedeutende Geldunterstiitzung und fiir seine Truppen
englische Instruktionsoffiziere, welche aber schon 1812 zuriick-
gerufen wurden.
Um diese Zeit traf Rupiand seine Vorbereitungen fiir den
Krieg mit Frankreich. An den General Kotljarewski erging der
Befehl, die Operationen gegen Persien zu beschleunigen. In den
Jahren 1812 — 1813 gewann letzterer die glanzende Schlacht bei
Aslandusa, nahm Lenkoran und bemachtigte sich 1813 des Ta-
lynischen Chanats. Der Riickzug Napoleons im Jahre 1812 aus
Rupiand und seine im Jahre 1813 erfolgten Niederlagen zerstorten
die Hoffnung des Schahs, dap er ihm zu Hilfe kommen wiirde.
Er sah sich infolgedessen genotigt, am 12. Oktober 1813 in
Gulistan mit Rupiand Frieden zu schliepen.
In den Friedensverhandlungen kam man iiberein, daP der
Frieden auf Grund des status quo ad prasentem abgeschlossen
werden sollte, also dap jeder Gegner in den Landschaften, Cha-
naten und Besitzungen bliebe, welche zur Zeit in seinen Handen
seien (Art, 2); infolgedessen wurden Rupiand die Chanate Kara-
bagh und Ganj, das jetzt zur Provinz Jelissawetpol geworden
ist, ferner auch die Chanate Scheka, Schirwan, Derbent, Kuba,
Baku und Talysch abgetreten. AuPerdem fielen an Rupiand das
ganze Dagestan, Grusien, die Schuragasche Provinz, Imeretien, Gu-
rien, Mingrelien und Abchasien, ebenso alle Besitzungen und Land-
schaften zwischen der festgesetzten Grenze und der kaukasischen
Linie mit den an letzterer und dem Kaspischen Meere anliegenden
Landschaften und Volkern (Art. 3). Auf Grund des Artikels 4
erhielt Alexander I. fiir sich und seine Nachfolger das Recht,
in Persien „die Selbstherrschaft und die herrschende Macht auf
den festen Grundlagen" zu erhalten und deshalb „verspricht er
dem Sohne des Schahs von Persien, welcher von diesem als Nach-
folger auf dem persischen Throne bestimmt sein wird, notigen-
— 22 —
falls Hilfe zu gewahren, damit keinerlei auPere Feinde sich in
die Angelegenheiten des persischen Reichs einmischen konnten
und damit durch die Hilfe des Allerhochsten Russischen Hofes
der Persische Hof befestigt ware. Wenn iibrigens unter den
Sohnen des Schahs Streitigkeiten iiber die Angelegenheiten des
persischen Reichs entstanden, so wiirde das russische Reich nicht
eingreifen, bis der herrschende Schah darum bitten wiirde". Nach
dem 5. Artikel sicherte sich Russland das ausschliepiiche Recht
der Herrschaft der „Kriegsflagge" auf dem Kaspischen Meere,
wahrend die persischen Handelsschiffe nach dem friiheren Ge-
brauch „das Recht behielten, das Kaspische Meer zu befahren
und an den russischen Ufern anzulegen", unter der Bedingung,
„daP sie bei Schiffbriichen freundschaftliche Hilfe leisteten". Die
Gesandten soUten „ihrem Range und der Wichtigkeit ihrer Auf-
trage entsprechend aufgenommen werden, wahrend die zum
Schutz des Handels bestimmten Agenten oder Konsuln, welche
von hochstens 10 Mann begleitet waren, die ihnen als Vertrauens-
personen gebiihrenden Ehren geniePen wiirden" (Art. 7). Im
8. Artikel wurden die Rechte zum freien Handel sowohl fiir die
russischen wie fiir die persischen Untertanen innerhalb des frem-
den Reichs bestatigt. Die Zolle fiir die Waren sollten 5 Prozent
betragen; hohere Abgaben diirften unter keinem Vorwande er-
hoben werden.
Die von Rupland in dem Gulistanschen Vertrage erlangten
Vorteile veranlapten England, eilends wieder einen Gesandten
nach Persien zu schicken, der so geschickt die Verhandlungen zu
leiten wupte, daP im Dezember 1814 ein neuer Vertrag zustande
kam, nach welchem alle Biindnisse mit Reichen, die GroP-
britannien feindlich gesinnt seien, fiir nichtig erklart wurden.
Der Schah wurde verpflichtet, einem Vorgehen irgend eines euro-
paischen Staates nach Indien durch Buchara oder Chiwa entgegen-
zutreten. Der Vertrag wurde nur als ein Verteidigungsvertrag
angesehen. Die Unterstiitzung mit Truppen oder eine Subvention
in der Hohe von 200000 Pfund Sterling sollte Persien jahrlich
von England gewahrt werden, wenn ein Eroberer in dasselbe
eindringen wiirde, aber nur dann, wenn Persien nicht dazu die
Veranlassung gegeben habe. Persien wurde das Recht zuge-
standen, europaische Offiziere zur Ausbildung seiner Truppen
zu verwenden, aber nur unter der Bedingung, daP diese nicht
einer England feindlichen Macht angehorten. Wenn irgend ein
— 23 —
europaischer Staat, der sich mit England im Frieden befande,
Persien den Krieg erklaren sollte, wiirde England mit Truppen oder
Subsidieu Persien unterstiitzen. Letztere wiirden moglichst recht-
zeitig abgesendet werden. Persien habe mit seiner Armee gegen
den Feind vorzugehen, die auf Kosten Englands unterhalten werden
wiirde. Wenn aber zwischen Persien und Afghanistan ein Krieg
ausbrechen sollte, wiirde England sich nicht einmischen, es sei
denn, dap es urn seine Vermittelung gebeten wiirde.
Dap dieser Vertrag gegen Rupiand abgeschlossen wurde,
liegt auf der Hand, zumal sich auch der Schah verpf lichten mupte,
seine Armee mit englischen Instruktoren und Waffen zu versehen
und eino GuPstahlfabrik in Tabris zu errichten. Die englischen
Offiziere blieben jedoch nur ein Jahr in Persien. Damals hatte
der Prinz Abbas-Mirsa das Kommando iiber die persische Armee.
Er war ein sehr verstandiger, talentvoller Mann mit europaischen
Anschauungen, so dap er sich iiber die politischen Intriguen klar
war. Infolgedessen war er den englischen Instruktoren nicht
freundlich gesinnt und beobachtete sie sehr aufmerksam. Als
diese die Anderung ihrer Stellung bemerkt hatten, zogerte er
nicht, offen gegen sie vorzugehen, so dap sie veranlapt wurden,
aus eigenem Antriebe Persien zu verlassen.
Nach AbschluP des Gulistanschen Vertrags schickte die per-
sische Regierung den Gesandten Mirsa-Abdul-Hasan nach Peters-
burg mit dem Auftrage, die Riickgabe mehrerer nach dem Ver-
trage an Rupiand abgetretenen Provinzen zu verlangen. Der
Kaiser Alexander I. befand sich damals auf dem Kriegsschauplatz
im Auslande. Nach seiner Riickkehr empfing er den Gesandten
sehi- gnadig. Anstatt aber dem Gesandten auf dessen Bitte zu
antworten ,teilte er ihm mit, daP er als Beweis der herzlichen
Freundschaft zum Schah den General Jermolow zum Gesandten
ernennen werde. Letzterer erhielt eine sehr weitgehende Vollmacht:
er solle zuerst in Grusien sich aufhalten und mehrere Grenzorte
bereisen, um sich zu iiberzeugen, ob es, ohne Rupiand zu scha-
digen, moglich sei, etwas den Persern abzutreten und eine Grenz-
anderung zuzulassen, ohne es zu schwachen.
In der von dem Kaiser erlassenen Instruktion wurde Jermolow
vorgeschrieben:
1. Sich zu iiberzeugen, ob es nicht moglich sei, in dem Taly-
schen und Karabaghschen Chanaten ein Mittel zu finden, um das
Ansuchen Persiens, ihm gewisse Landschaften, „die durch den
— 24 —
Gulistanschen Vertrag an Rupland gefallen waren, zuriickzugeben,
indem eine neue Grenzlinie gezogen und als Entgelt dafiir andere
Vorteile erlangt wiirden.
2. Handelskontore in Enseli, aber besonders in Astrabad zu
eroffnen.
3. In der Frage iiber die Anerkennung Abbas-Mirsas als Thron-
folger sich nach der Politik Englands zu richten, das ihm wohl
den Titel als Thronfolger gebe, aber keine Biirgschaft dafiir iiber-
nehme.
4. Mit Persien eine solche Abmachung zu treffen, in welcher
es seinerseits sich verpflichte, die strengste Neutralitat zu be-
obachten, wahrend Rupiand die Verpflichtung iibernehme, bei
alien Kriegen, die Persien mit den Grenz- und anderen Reichen
fiihre, unbeteiligt zu bleiben.
5. Den iiberwiegenden englischen Einflup iiber Persien zu
hemmen, ihn in unmerklicher Weise zu schwachen und endiich
ihn ganz unwirksam zu machen.
6. Persien in seinem eigenen Interesse zum Frieden mit Rup-
land zu bewegen.
7. Eingehende Nachrichten iiber die Regierung des Landes,
seine Mittel, seine Statistik, seine Topographie, den Zustand und
die Starke seiner Truppen einzuziehen.
8. Nach der Abreise von Teheran dort eine standige Mission
einzurichten.
Jermolow verweilte bei seiner Reise nach Persien eine ziem-
lich lange Zeit in Kaukasien, um die Lage des Landes kennen zu
lernen und Mittel zu finden, um das Ansuchen Persiens zu be-
friedigen. Nachdem er einen Monat in Transkaukasien zugebracht
hatte, reiste er mit einer Suite von etwa 200 Mann auf dem
Landwege iiber Eriwan und Tabris nach Teheran. Uberall wurde
er auf die schmeichelhafteste Weise, mit grower Aufmerksamkeit
und Wertschatzung aufgenommen. Aber nichtsdestoweniger
suchten die Perser, wenn sich die Gelegenheit bot, den russischen
Gesandten in den Augen des Volks herabzusetzen, indem sie auf
der genauen Befolgung der Gebrauche und Zeremonien, die bei
dem persischen Hofe iiblich waren, bestanden, Aber alle diese
Versuche scheiterten an der eisernen Festigkeit und dem Stolz
Jermolows, der sich darauf berief, „daP er nicht als ein Spion
Napoleons, noch als ein Ilandelsagent komme". Er hielt sich an
die russische Etikette und sprach offen seine Unzufriedenheit
— 25 —
iiber die Taktlosigkeit des persischen Hofes aus. Der Empfang
Jermolows fand in Sultanie statt und vollzog sich in glanzendster
Weise. Fath-Ali sprach bei seinen Unterredungen mit ihm aus:
„daP es sowohl fiir den russischen Monarchen wie auch fiir ihn
selber wiinschenswert sei, einen gegenseitigen Besuch zu ermog-
lichen, wie dies zwischen den europaischen Hofen der Fall sei".
Zum SchluP drohte Fath-Ali „mit dem himmlischen Zorn zur
Bestrafung dessen, der sich erkiihne, den Frieden und das Ein-
verstandnis, das zwischen den beiden Herrschern bestehe, zu
storen". Die Verhandlungen des Generals Jermolow mit den per-
sischen Beamten iiber die Zuriickgabe der Landschaften, die nach
dem Frieden zu Gulistan Rupiand zugefallen waren, zogen sich
ziemlich lange hin. Jermolow war zu der Uberzeugung gekommen,
dap es Rupiand unmoglich sei, die eroberten Landschaften zuriick-
zugeben, so dap alle Gesuche und Bitten der persischen Beamten
kategorisch abgelehnt wurden. Einer solchen Hartnackigkeit
gegeniiber drohte Mirsa-Abdul-Wahab, der Bevollmachtigte des
Schah, mit einem Kriege gegen Rupiand, indem er sagte, dap
„ohne die Zuriickgabe der Gebiete er an der Aufrechterhaltung
der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Rupiand und dem
Schah zweifle". Jermolow erwiderte darauf, dap ,,der Kaiser
es sehr bedauern wiirde, wenn ein Bruch erfolge, und obwohl
er auch sehr wiinsche, sich die Freundschaft des Schahs zu er-
halten, er die Wohlfahrt seiner Untertanen schiitzen miisse. Wenn
der Schah in seiner Freundschaft fiir Rupiand erkaltet und nicht
nachgiebt, setzte Jermolow hinzu, erklare ich selbst den Krieg
und fordere den Aras als Grenze, um die Wiirde Ruplands zu
wahren". Daraufhin gaben die Perser nach, welche die Freund-
schaft des Kaisers von Rupiand dem Nutzen vorzogen, den ihnen
der Gewinn der Landschaften bringen wiirde.
Im Laufe von sieben Jahren hatte Abbas-Mirsa seine Truppen
nach europaischem Muster reorganisiert und die Disziplin, den
Geist und iiberhaupt die Kriegstiichtigkeit so gehoben, daP er
es fiir moglich hielt, der Tiirkei den Krieg zu erklaren. Der Feld-
zug war fiir die Perser verhaltnismapig giinstig, was aber die
Tiirkei nicht hinderte, bei dem Friedensschlup in Erzerum im Jahre
1823 grope Vorteile auszubedingen. Persien mupte alle von ihm
eroberten tiirkischen Landschaften zuriickgeben und sich ver-
pflichten, sich weder direkt noch indirekt in die Angelegenheiten
Kurdistans und Bagdads einzumischen. Dafiii* sollte die Tiii-kei
— 26 —
die Pilger schiitzen, die aus Persien nach Mekka zogen. Die
Handelsabgaben wurden auf 4 Prozent des Wertes der Waren
festgesetzt
Trotz des sehr bedingten Sieges der Perser iiber die Tiirken
war doch der egoistische und hochmiitige Abbas-Mirsa von seiner
Starke iiberzeugt. Als Thronfolger und Verwalter des an Rupland
grenzenden Aserbeidjans fiihrte er die Bestimmungen des Ver-
trages von Gulistan sehr nachlassig aus und veranlapte dadurch
politische Miphelligkeiten, wodurch die Beziehungen der beiden
Reiche, Rupiand und Persien, sehr gespannte wurden,
Der Schah Fath-Ali, von Natur ein sehr friedliebender Mann,
hatte sich mit der Sachlage ausgesohnt; andererseits aber ver-
traute er auf die Starke seines Sohnes, vergotterte ihn und hin-
derte ihn nicht in seinem Verfahren, was die Gefahr nur noch
vergroperte. Die russische Regierung ergriff energischere MaP-
regeln und schickte sogar den Fiirsten Menschikow nach Teheran,
der es aber nicht verstand, die friiheren Beziehungen wieder
herzustellen.
Im Jahre 1825 starb der Kaiser Alexander I. Abbas-Mirsa,
der die Ereignisse in Rupiand sehr aufmerksam verfolgt hatte,
hielt den Augenblick fiir sehr giinstig, um in das russische Gebiet
einzubrechen. Am 2. September 1826 iiberschritt er schon die
russische Grenze, ohne dap eine Kriegserklarung erfolgt war, und
gelangte ungehindert bis Jelissawetpol. Die sechswochige Be-
lagerung der Festung Schuscha durch Abbas-Mirsa ermoglichte
es dem General Paskewitsch, seine Truppen zusammenzuziehen.
Am 13. September schlug er die Avantgarde der Armee Abbas-
Mirsas bei Jelissawetpol. Die Hauptkrafte der persischen Armee
erlitten am 5. Juli 1827 bei Djewan Bulak eine Niederlage und
wurden gezwungen, iiber den Aras zuriickzugehen.
Nach diesen Miperfolgen wandte sich Fath-Ali an England
und verlangte auf Grund des im Jahre 1814 abgeschlossenen Ver-
trages die versprochene Unterstiitzung durch Truppen und Sub-
sidien in der Hohe von 5 Millionen. Der Schah erhielt aber auf
seine Bitte gar nicht einmal eine Antwort. Mittlerweile hatte
Paskewitsch am 1. Oktober Eriwan, am 19. Oktober Tabris ge-
nommen und war bereit, auf Teheran vorzugehen. Der durch
diese Ereignisse in Furcht gesetzte Schah bat um Frieden, der
auch am 10. Februar 1828 in Turkmantschai geschlossen wurde.
— 27 —
nachdem Paskewitsch im Januar Maragh, Ardebil und Urmia
genommen hatte.
Nach dem Vertrage von Turkmantschai trat Persien das
Chanat Eriwan diesseits und jenseits des Aras und das Chanat
Nachitschewan an Rupland ab (Art. 3). Es verpflichtete sich,
fiir die Verluste und den Schaden, die die russischen Untertanen
erlitten batten, 20 Millionen Silberrubel zu zahlen (Art. 6). Im
7, Artikel verpflichtete sich der Kaiser von Rupland, den Prinzen
Abbas-Mirsa als Thronfolger anzuerkennen und, wenn er den
Thron bestiegen habe, ihn als gesetzlichen Herrscher Persiens
anzusehen. Durch den Artikel 8 wurde der 5. Artikel des Ver-
trages von Gulistan betreffs des Befahrens des Kaspischen Meeres
bestatigt. Die Artikel 9 und 10 betrafen die erweiterten Rechte
der Gesandten, Konsuln und Agenten.
Durch einen besonderen Vertrag, der unter demselben Datum
in Turkmantschai abgeschlossen wurde, wurden die gegenseitigen
Rechte liber den Handel bestatigt und erweitert. So wurde durch
den Artikel 2 bestimmt, dap die „von den beiderseitigen Unter-
tanen vollzogenen Kontrakte, Wechsel, Biirgschaften und andere
schriftliche Akte in Handelsangelegenheiten bei dem russischen
Konsul und dem Hakim (biirgerlichen Richter), und wo kein
Konsul vorhanden ware, nur bei dem Hakim allein unterschrieben
werden sollten. Wenn die eine der beiden Parteien nicht mit
solchen schriftlichen Dokumenten und Bescheinigungen versehen
sein sollte und sie die gerichtliche Forderung gegen die andere
einleitet, indem sie nur Zeugen beibringt, so soil eine solche For-
derung nicht zugelassen werden, es sei denn, daP der Verklagte
selbst sie als gesetzlich anerkennt. Die Akte, die auf Grund der
obigen Vorschriften abgeschlossen sind, sollen von den beider-
seitigen Untertanen als heilig angesehen werden, und wenn durch
eine Ablehnung, sie zu erfiillen, fiir irgend einen Verluste ent-
stehen, so werden sie in entsprechender Weise nicht nur innerhalb
Persiens, sondern auch auperhalb desselben vergiitet. Diese Fest-
setzungen erstrecken sich auch auf die persischen Untertanen,
die in Rupland Handel treiben."
Durch den 3. Artikel wird die Sprozentige Abgabe von dem
Werte der ein- und ausgefiihrten Waren bestatigt, „ohne sie
spater mit irgend einem Zolle zu belegen", mit dem Vorbehalt,
daP, „wenn es Rupiand fiir notwendig halt, irgend welche An-
ordnungen betreffs des Zolles zu treffen und Tarife festzusetzen,
— 28 —
es sich verpflichtet, den Zoll von 5 Prozent ohne irgend einen
Zuschlag aufrecht zu erhalten". In dem 5. Artikel wird es „den
russischen Untertanen in Persien erlaubt, dort Hauser fiir ihre
Wohnung, wie Platze und Niederlagen fiir ihre Waren nicht nur
zu mieten, sondern auch als Eigentum zu erwerben".
In dem Artikel 7 heipt es: „Alle Rechtsstreite und Streit-
sachen zwischen den russischen Untertanen werden durch die Ge-
sandtschaft und die Konsuln des russischen Reichs nach den
russischen Gesetzen entschieden; aber wenn Streitigkeiten und
Rechtsstreite zwischen russischen und persischen Untertanen ent-
stehen, gelangen sie an den Hakim oder Administrator und sind
nur im Beisein des Dragomans der Gesandtschaft oder des Kon-
sulats zu entscheiden. Wenn ein russischer Untertan mit Aus-
landern in Kriminalsachen verwickelt wird, kann er nicht ohne
den Beweis, daf3 er an dem Verbrechen teilgenommen hat, verfolgt
oder beunruhigt werden. 1st er aber daran beteiligt, soil er im
Beisein des Konsuls oder eines von der russischen Gesandtschaft
abgeordneten Beamten verurteilt werden". Nachdem dem Ange-
klagten das Urteil eroffnet ist, soil der Verbrecher dem Repra-
sentanten des russischen Kaisers iibergeben werden, um ihn nach
Rupiand zu schicken und ihn dort nach den bestehenden Gesetzen
zu bestrafen (Art. 8).
Einige Monate spater nach dem AbschluP des Vertrages zu
Turkmantschai wurde als bevollmachtigter Minister bei dem Hofe
des Schahs von Persien Alexander Sergijewitsch Gribojedow er-
nannt, der unlangst in Persien gewesen und der persischen Sprache
kundig war. Er wurde an der Grenze mit gro[3er Ehrfurcht era-
pfangen, blieb etwa einen Monat in Tabris und begab sich dann
nach Teheran, wo er dem Schah vorgestellt wurde. Gribojedow
war unterwegs am Fieber erkrankt und sehr nervos geworden.
Da er sich der am Hofe des Schahs bestehenden Etikette, die
Stiefel auszuziehen und sich mehreremal vor dem Schah zu ver-
beugen, nicht unterwarf, erregte er durch diese Mipachtung des
„Zaren aller Zaren" die anwesenden Wiirdentrager und zog sich
den Hap des Volkes zu. Der Schah selbst beachtete das Verhalten
des russischen Gesandten nicht und fuhr fort, mit ihm seiner
Wiirde gemaP zu verhandeln.
Indem Gribojedow auf der genauen AusfUhrung des Vertrages
bestand, verlangte er unter anderem auch die Zuriickgabe aller
in dem letzten Kriege oder friiher gemachten Gefangenen, ein-
— 29 —
schliepiich auch der, welche sich schon verheiratet, Kinder hatten,
Mohammedaner geworden waren und nicht wieder zum Christen-
tum iibergehen wollten. Von diesen letzteren befanden sich zwei
Grusinerinnen in dem Harem von Dawle-Allah-Jar-Oran-Chan-Kad-
shar, welche seine Lieblingsfrauen waren. Beide liep Gribojedow zu
sich rufen und schlug ihnen vor, wieder zur rechtglaubigen Kirche
zuriickzukehren. Sie hatten aber mehrere Kinder von dem Chan,
waren an das Leben im Harem gewohnt und weigerten sich, die
Forderung des russischen Gesandten zu erfiillen. Da noch mehrere
andere zuin Mohammedanismus iibergetretene ehemalige Christen
aufgefordert wurden, vor dem Gesandten zu erscheinen, so be-
klagten sich die in ihrem religiosen Gefiihl beleidigten Mohamme-
daner der Hauptstadt iiber ein solches Verfahren des „Giaurs"
und die Schwache der Regierung bei dem Muschtahid, dem Glau-
bensvertreter ganz Persiens. Letzterer sandte zwei Mollas zu
Gribojedow mit der Forderung, daP er nicht wagen soUe, die Rechte
der Christen, die zum Mohammedanismus iibergetreten waren, zu
schiitzen. Gribojedow gab diesem Verlangen nicht nach und
schickte die Mollas zuriick. Als der Muschtahid erfuhr, wie der
russische Gesandte mit seinen Boten verfahren habe, berief er
alle Obermollas und die Dejids nach der Moschee Djami zur Be-
ratung iiber die verwegenen Schritte des Kafiren. Nach langer
Beratung beschlossen diese Fanatiker iiber die russische Gesandt-
schaft herzufallen und alle ihre Mitglieder zu toten. Der BeschluP
der Geistlichkeit wurde so schnell ausgefiihrt, daP, als die drei
Kompagnien Sarbassen, die zur Beruhigung des Volks abgeschickt
waren, an dem Ort der Katastrophe ankamen, sie nichts mehr
als die Leichen und die Ruinen der Gebaude vorfanden.
Der durch dies barbarische Verfahren sehr erschreckte Schah
lieP alle daran beteiligten Leute hinrichten, beabsichtigte aber
auch den Prinzen Abbas-Mirsa nach Rupiand zu senden, um den
Kaiser von Rupiand zu iiberzeugen, daP die persische Regierung
die Ermordung der Mitglieder der Gesandtschaft nicht veran-
lapt habe.
Dem Prinzen Abbas-Mirsa war es sehr schwer, das Reich in
einer solchen schwierigen Zeit zu verlassen; es ware fiir ihn ein
Opfer gewesen, was auch von dem hochherzigen Kaiser Nikolaus
Pawlowitsch eingesehen wurde. Er schrieb an den Prinzen einen
eigenhandigen Brief, aus dem hervorgeht, daP das ungliickliche
Geschehnis den Kaiser im hochsten Grade gekrankt und ihn zu
— 30 —
dem EntschluP gebracht habe, alle Mittel anzuwenden, um das
unschuldig und gegen jedes Volkerrecht vergossene Blut zu
rachen.
Der Oberkommandierende in Grusien, Graf Paskewitsch Eri-
wanski, iiberzeugte aber den Kaiser, daP die persische Regierung
keinen Teil an der Freveltat habe und iiber das ungliickliche Er-
eignis sehr bekiimmert sei, so dap der Kaiser von seinem Ent-
schlusse Abstand nahm; er bedauerte nur, daP die Perser noch
einen solchen gropen Mangel an Bildung batten, dap dergleichen
Verbrechen vorkommen konnten. Um alien Schaden abzuwenden
und die persische Regierung bei alien Gelegenheiten zu unter-
stiitzen, liep Nikolaus I. seinen Brief durch den Generalmajor
Dolgoruki iiberbringen, der den Befehl erhielt, so lange in Persien
zu bleiben, wie er es fiir notwendig halte, nachdem er das
Schreiben dem Prinzen Abbas-Mirsa eingehandigt habe.
Der Kaiser sah den verderblichen Einflup der hinterlistigen
Absichten, welche die Ruhe Persiens ins Schwanken bringen konn-
ten, ein, und da er die Wohlfahrt der verbiindeten Macht stets im
Auge hatte, hielt er die Anwesenheit des Prinzen Abbas-Mirsa
in Tabris fiir notwendig, so dap er dessen Ankunft in Petersburg
ablehnte und sich dahin auperte, daP er es fiir eine geniigende
Vergeltung fiir die beleidigte Wiirde des russischen Reiches er-
achte, wenn der Schah nach der Hinrichtung der Verbrecher sich
durch einen seiner Sohne oder durch einen Sohn Abbas-Mirsas in
Begleitung eines bevoUmachtigten Wiirdentragers in Petersburg
entschuldigen liepe.
Im August 1829 erfolgte der feierliche Einzug von Chosrew-
Mirsa, dem Sohn Abbas-Mirsas, in Petersburg. Die Gesandtschaft
war mit reichen Geschenken versehen und iiberbrachte ein Ent-
schuldigungsschreiben des Schahs Fath-Ali, in welchem er ent-
schieden aussprach, dap er an jenem Geschehnis nicht beteiligt
gewesen ware und diese barbarische Tat der „Feindseligkeit des
Schicksals" zuschrieb. Chosrew-Mirsa verstand es, sich das Wohl-
wollen des Kaisers zu erwerben, indem er sich durch lobenswerte
Eigenschaften auszeichnete und trotz seiner Jugend sehr taktvoll
auftrat. Durch das groPe Verdienst des jungen Prinzen und die
herzlicheu Beziehungen zwischen der persischen Regierung und
Rupiand wurde nicht nur ein Einverstandnis zwischen den beiden
Herrschern erzielt, sondern auch auf die Bitte des Schahs ein Teil
— ai-
der KoDtribution (2 Millionen) erlassen und die Zahlung des an-
deren aul 5 Jahre aufgeschoben.
Dieses Verfahren findet nur darin eine Erklarung, daP der
russische Einflup in Persien merklich den EinfluP Englands ver-
minderte, dessen Politik allerdings nur dank der 3 Millionen Pfund
Sterling, welche seit der Gesandtschaft Malcoms verausgabt
waren, das Ubergewicht hatte. Gribojedow weist in seinem Brief e
vom 30. November 1828 an den Grafen Nesselrode darauf bin,
„dap die persische Politik sich Rupiand zuwende". „Irgend eine
Drohung oder der ErlaP einer Anordnung im Namen des Kaisers,
schreibt Gribojedow, werden schon nicht mehr bestandig mit der
Meinung der Englander in die Wagschale gelegt, die jetzt dem
Prinzen eindringlich raten, nicht ohne Vorsicht sich in die Arme
Rupiands zu werfen, sondern sich eigene Volkstruppen zu bilden zu
suchen, mit denen er zu geeigneter Zeit gegen die Briider vor-
gehen konnte, die ihm das Recht auf den Thron streitig machen
wiirden." Dieser politische Rat entsprach nicht vollstandig dem
Charakter des Thronfolgers, der bei seinem Verstande, seinem
Scharfsinn und seiner richtigen Beurteilung der Leute und Dinge
in dem gewohnlichen Leben sich bei starken moralischen Erschiit-
terungen ganz veranderte, indem er es vorzog, sich fremdem
Einflup hinzugeben und von auPen Hilf e zu erwarten, anstatt selbst
seine Geschicke zu lenken. Damals traumte er nur von der Unter-
stiitzung und dem Schutz des Kaisers bei seiner zukiinftigen
Thronbesteigung, so daP er sich bei diesem einschmeichelte und
den Russen innig ergeben war.
Nach der Beendigung des Krieges mit Rupiand konnte Abbas-
Mirsa seine ausschliepiiche Aufmerksamkeit seinen westlichen und
ostlichen Nachbarn zuwenden; seine Truppen waren denen jener
iiberlegen und versprachen neue Siege und Eroberungen.
Die dann folgende Expedition gegen Chorassan setzte die
Englander in Schrecken, die um die Zukunft Herats besorgt waren,
unter dessen Mauern bereits Mohammed-Mirsa stand. Die Be-
lagerung dieser Stadt hatte keinen entscheidenden Erfolg. Abbas-
Mirsa starb plotzlich im Jahre 1834 in Meschhed, was die Sach-
lage vollstandig anderte. Mit dem Verlust des beliebten Feldherrn
verloren die Perser auch die Initiative; sie verliepen die Haupt-
stadt Chorassans, ohne die vorhergehenden Siege zu benutzen.
In demselben Jahre starb auch der Schah Fath-Ali und Meh-
med-Schah, ein Sohn Abbas-Mirsas, bestieg den Thron dank der
— 32 —
Unterstiitzung seitens Englands, das von neuem maPgebend in
Persien geworden war. Urn ihren EinfluP hier aufrecht zu halten,
versahen sie Persien mit 2 Millionen Gewehren und sehr vieler
Munition. Aber bei einer so wesentlichen Unterstiitzung zogen
die Englander die Personlichkeit des Schahs gar nicht in Rech-
nung und erkannten nicht dessen Bestrebungen, Herat in Besitz
zu nehmen. Die Bevolkerung Herats hapte die Afghanen und war
ihren Stammesgenossen, den Persern, sehr geneigt. Unter diesen
Umstanden konnte eine Obereinstimmung der beiden Machte nicht
lange bestehen bleiben, bald entstanden Miphelligkeiten, die damit
endigten, daP die englischen Offiziere Persien verliePen.
Der Beherrscher Afghanistans schickte einen Bevollmach-
tigten an Mehmed-Schah, um mit ihm iiber die Auswechselung
der Gefangenen, die Beendigung der Feindseligkeiten und sogar
iiber den Abschlup eines Biindnisses gegen die Turkmenen, die
beide Reiche beunruhigten, zu verhandeln. Persien sollte Ka-
vallerie und Infanterie stellen, um zum Angriff vorzugehen, aber
nicht das Recht haben, sich in die inneren Angelegenheiten Af-
ghanistans einzumischen. Da der Schah Mehmed wupte, daP seine
Truppen den afghanischen iiberlegen waren, lehnte er diese Vor-
schlage nicht ab, stellte aber die Bedingung, dap Herat die Ober-
hoheit Persiens anerkenne und forderte, dap Geld mit dem Stempel
„Zar der Zaren" gepragt wiirde.
England war mit diesen Forderungen sehr unzufrieden, weil es
nicht wiinschte, dap Persien in seinen Beziehungen nach aupen
vollstandig selbstandig wiirde. Es zogerte nicht, sich einzu-
mischen und Mehmed-Schah und Kamran-Mirsa, den Beherrscher
von Herat, durch diplomatische Intriguen zu hintergehen, indem
sie letzterem Hilfe versprachen. Der Beherrscher Herats verliep
sich auf diese Versprechungen, beachtete die Forderungen Persiens
nicht und erlaubte sich sogar, in Chorassan einzufallen und Ge-
fangene fortzufiihren. Auf diese Nachricht hin zog Mehmed eine
grope Armee zusammen, um gegen Herat vorzugehen, indem er
sich aber vorher mit der Bitte an Rupiand wandte, ihn zu unter-
stiitzen. Letzteres war gar nicht abgeneigt, Mehmed zu helfen;
es bewog ihn sogar, unverweilt zum Angriff vorzugehen, indem
es ihm russische Offiziere als Fiihrer der Truppen und Soldaten
zusagte, Anfangs wandte sich der Schah gegen die turkmenischen
Stamme Goklan und Jomed, und schlug sie an dem Husse Gjurgen.
Nach dieserglanzenden Beendigung der Expedition kehrte er zuriick,
— 33 —
und schon im Jahre 1837 ging er auf Herat vor, trotz des un-
befriedigenden Zustandes der Armee und des Rates des russischen
Bevollmachtigten, zu warten, um seine Finanzlage zu bessern.
Da es der englischen Regierung nicht moglich war, die Ex-
pedition zu verhindern, rief sie ihre Offiziere aus der persischen
Armee zuriick. Nur der Oberstleutnant Stoddart blieb auf dem
Kriegsschauplatze unter einem Vorwande zuriick; er war dazu
bestimmt, die Interessen Persiens zu schadigen und den englischen
Bevollmachtigten bei dem Hofe in Teheran iiber die Lage der
Dinge zu benachrichtigen. Da er sehr wenig gehindert wurde,
schickte Stoddart nicht nur genaue Berichte ein, sondern er ver-
stand es auch, sich mit dem englischen Offizier Pottinger, der
die Belagerung von Herat leitete, in Verbindung zu setzen. Die
Perser wurden bald auf seine geheimen Beziehungen zu Herat
aufmerksam, schopften Verdacht und hielten den Boten auf, der
eine Meldung dem englischen Gesandten Mac-Neal iiberbringen
sollte. Obgleich der Bote wieder freigelassen und ihm die Mel-
dung unaufgebrochen zuriickgegeben wurde, forderte doch Mac-
Neal Genugtuung. Ohne diese abzuwarten, begab sich letzterer
nach Herat, wo er von dem Schah ziemlich kalt empfangen wurde.
Das hielt ihn aber nicht ab, den Schah um die Erlaubnis zu
bitten, sich nach der belagerten Stadt zu begeben und Kamran-
Mirsa aufzufordern, die Stadt zu iibergeben. Er erhielt dazu die
Erlaubnis; aber der listige Englander veranlapte den Beherrscher
Herats, gerade das Gegenteil zu tun, nachdem er ihm mehrere
tausend Goldstiicke eingehandigt hatte. Infolgedessen zog sich
die Belagerung hin, und nur dem Geschick des Grafen Simonitsch
und der russischen Offiziere gelang es, Herat in eine solche Lage
zu bringen, dap die Obergabe der Stadt jeden Tag erwartet werden
konnte. Da die Englander dies voraussahen, traf der Oberst-
leutnant Stoddart am 9. April 1838 ein, um im Namen Mac-Neals
zu eroffnen, daP die Expedition gegen Herat einer Demonstration
gegen die indischen Besitzungen Englands gleichkame, und for-
derte den Schah auf, die Belagerung der Stadt sofort aufzugeben
und nach seinem Reich abzuziehen; wenn er dies nicht tue, so
habe er das englische Geschwader, das schon auf der Insel Charak
gelandet sei, zu fiirchten. Diese Drohung wirkte, die Truppen
wurden zuriickgerufen, und schon im folgenden Jahre, 1839,
herrschte der englische Offizier Toll in Herat. Mac-Neal zogerte
nicht, diese giinstige Wendung zu benutzen, und schloP im Jahre
Die Beziehungen Rufilauds zu Persian. 3
— 34 —
1841 eineri neuen Handelsvertrag mit Persien ab, auf Grund dessen
die Einfuhr- und Ausfuhrzolle bei dem Handel der Englander in
Persien denen der meistbegiinstigten Nationen gleichgestellt wer-
den sollten; auper diesen Abgaben seien keine weiteren innerhalb
der beiden Reiche zu erheben.
In demselben Jahre wandte sich der Schah Mohammed durch
den russischen Bevollmachtigten in Teheran an die russische
Regierung mit der Bitte, Kriegsschiffe zu entsenden, um die turk-
menischen Piraten zu verfolgen, die an den Kiisten des Kaspischen
Meeres Raubereien ausfiihrten. Rupiand lehnte diese Bitte nicht
ab und machte dem Schah den Vorschlag, die Insel Aschur Ade
in dem Busen von Astrabad abzutreten und hier einen standigen
Militarposten zu errichten, der gegen die Piraten ein Schutz sein
und den russischen und persischen Handel unterstiitzen wiirde.
Der Vorschlag wurde angenommen und so die schon vor 60 Jahren
gefapte Absicht Katharinas II. verwirklicht.
Am 13. Oktober 1848 starb der Schah Mohammed; sein Nach-
folger wurde sein Sohn Nasr-Eddin, der sehr schwierige Verhalt-
nisse vorfand. Er mupte alles umgestalten, gro^e Harte zeigen,
in der steten Furcht vor Unruhen oder off enen Aufstanden seitens
der feindlichen Parteien. Nur die Unterstiitzung Ruplands und
Englands ermoglichten es Nasr-Eddin, diese schwierigen Verhalt-
nisse zu iiberwinden. England zogerte nicht, als Entgelt fiir
seine Hilfe im Jahre 1853 eine Konvention abzuschliePen, in der
sich die persische Regierung verpflichtete, nur dann Truppen
gegen Herat vorgehen zu lassen, wenn fremde Truppen in diese
Stadt eindrangen; aber auch im letzteren Falle diirfe die persische
Armee nicht in Herat einriicken. Die persische Regierung diirfe
sich nicht in die inneren Angelegenheiten Herats einmischen und
soUe Seid - Mohammed - Chan , den Regenten von Herat, davon
schriftlich in Kenntnis setzen. Persien diirfe fiir Herat keine
Miinzen pragen oder andere Zeichen anfertigen, die darauf hin-
wiesen, dap Herat Persien untertan sei. Es verpf lichte sich, keinen
standigen Agenten in Herat zu halten. Die persische Regierung
habe alle Heratschen Chane in Freiheit zu setzen, die sich jetzt
in Meschhed oder Teheran befanden. Diese Verpf lichtungen sollten
in Kraft bleiben, bis die britische Regierung dazwischentrete;
dann verloren sie ihre Bedeutung.
Die persische Regierung hielt sich aber nicht an diese Kon-
vention gebunden. Im Jahre 1856 ging Nasr-Eddin mit seiner
— 35 —
Armee gegen Herat vor, weil die Afghanen diese Stadt fiir sich
beanspruchten, deren Bewohner infolge der verschiedenen Re-
ligion, wie schon erwahnt, sie hapten und eine gropere Zuneigung
zu den Persern hatten. Nach der Eroffnung des Krieges zwischen
Persien und Herat beeilten sich die Englander, mit ihrem Ge-
schwader in den Persischen Golf einzulaufen, und landeten, ohne
Widerstand zu finden, auf der Kiiste, besetzten Bender-Buschir, die
Insel Charak und die Hafenstadte Mohammer und Awaz am Karun.
Ein weiteres Vorgehen fand nicht statt. Es erging aber an
Persien das Ultimatum, Herat sofort den Afghanen zu iibergeben,
wenn nicht, wiirden die Englander auf Teheran vorriicken. Mittler-
weile ward die Belagerung Herats unter der Leitung eines fran-
zosischen Offiziers weiter fortgesetzt, und nach 5 Monaten mupte
die Stadt sich ergeben. Die Erfolge der Englander beunruhigten
aber den Schah im hohen Mape, der ihnen nicht entgegentreten
konnte, da er in dem Persischen Golfe keine Flotte hatte. Da
ihm auch Rupland nicht helfen konnte, das sich nach dem Krym-
kriege kaum erholt hatte, so blieb dem Schah nichts anderes
ubrig, als entwiirdigende Bedingungen anzunehmen, die in Paris
am 16. Marz 1857 unterzeichnet wurden.
„Der Schah verpflichtet sich", so heipt es in dem Vertrage,
„den persischen Untertanen, die mit den englischen Truppen Be-
ziehungen unterhalten haben, voile Amnestie zu erteilen. Er
zieht die persischen Truppen von Herat und iiberhaupt von dem
afghanischen Territorium zuriick. Er verpflichtet sich, von jeg-
licher Bewerbung um die Herrschaft in Herat abzustehen, niemals
von den Heratschen Regenten oder den Landschaften, die zu
Afghanistan gehoren, irgend welche Zeichen des Gehorsams oder
der Abhangigkeit, wie Tribut oder Miinzen mit dem persischen
Wappen, zu verlangen. Der Schah darf sich nicht in die inneren
Angelegenheiten Herats einmengen und verspricht, dessen Un-
abhangigkeit anzuerkennen. Sollte ein Zwist zwischen Persien
und Afghanistan eintreten, so stimmt der Schah zu, seine Zuf lucht
zur freundschaftlichen Vermittelung Englands zu nehmen. In
dem Falle einer Verletzung der territorialen Rechte Persiens
durch einen der obengenannten St^^ten ist der Schah befugt,
seine Truppen einriicken zu lassen, wenn keine Genugtuung er-
folgt; er hat aber sofort seine Truppen zuriickzuziehen, sobald der
Zweck der Expedition erreicht ist. Die persische Regierung ist
verpflichtet, alle im Laufe des Krieges mit Afghanistan gemachten
3*
— 36 —
Gefangenen freizugeben. Die englischen Kaufleute werden in
dem Reiche des Schahs denen der meist begiinstigten Nationen
gleichgestellt werden. Nach der Ratifikation dieses Vertrages
wird die britische Gesandtschaft nach Teheran znriickkehren, wo
sie mit den Ehrenbezeugungen und den Zeremonien empfangen
werden wird, die in einer besonderen von den Bevollmachtigten
unterschriebenen Note angegeben sind. Nach Verlauf von drei
Monaten nach der Riickkehr der britischen Gesandtschaft hat die
persische Regierung einen Kommissar zu ernennen, der gemein-
schaftlich mit einem britischen Kommissar alle Klagen der briti-
schen Untertanen gegen die Regierung Persiens zu entscheiden
hat. Die englische Regierung verzichtet auf das Recht, irgend
einen persischen Untertanen, der sich jetzt nicht in dem Dienste
der britischen Regierung befindet, in Schutz zu nehmen, sofern
auch keine andere Macht dieses Recht benutzt. Die hohen Ver-
tragsschlieper erneuern die Bedingung des Jahres 1851*) inbezug
auf die Vernichtung des Handels durch Rauber in dem persischen
Golf, und kommen iiberein, daP sie noch auf 10 Jahre vom
August 1862 ab oder so lange von da ab, wie es beide Staaten
wiinschen, Kraft behalt."
Die Beziehungen Rupiands zu Persien waren in den Jahren
1853 — 1854 wahrend des Bruchs mit der Tiirkei sehr gespannt,
und nur durch das Geschick und das Verstandnis des russischen
Residenten N. A. Anitschkow gelang es Rupiand, der bedenklichen
Lage zu entgehen, die sehr unangenehme Folgen zu haben drohte.
Die Umstande, die diesen diplomatischen Sieg begleiteten, ver-
dienen ihres Interesses wegen eine eingehende Auseinander-
setzung.
Im Mai 1853 wurde der Fiirst Dolgoruki von dem Fiirsten
Mentschikow aus Konstantinopel benachrichtigt, dap die diplo-
matischen Beziehungen mit der Tiirkei abgebrochen waren. Dieser
Nachricht waren zwei Depeschen an das Ministerium des Aupern
vom 2. und 5. August 1853 mit der Meldung beigefiigt, „dap die
Vorschlage eines Biindnisses, die friiher indirekt seitens der per-
*) Persien veri>flichtete sich durch die Konventionen der Jahre 1848 und
1854, den Kleinhandel von Merw aus zu unterlassen und ihn auf gewisse Zeit
von der Landesgrenze aus zu betreiben. Durch die Konvention vom Jahre 1851
bestatigten die Englander die Versprechungen des Jahres 1848, indem sie sich
das Recht zusprachen, wahrend 11 .Jahren iiber die genaue Ausftihrung zu wachen^
indem sie die persischen Schiffe unvermutet untersuchten.
— 37 —
sischen Regierung gemacht waren, jetzt durch Sadi-A'asam direkt
und f est Wort f iir Wort eroffnet wiirden, indem der Schah, dessen
eingedenk, daP der Kaiser ihn einst als Kind auf seinen Knieen
habe sitzen lassen und in der folgenden Zeit, als er zur Regierung
gekommen sei, ihn seinen Bruder genannt habe und ihm imraer
zugetan gewesen sei, wiinsche unter den jetzigen Umstanden
dem Kaiser den Beweis seiner Erkenntlichkeit und Ergebenheit
zu geben und sich mit ihm zu verbinden."
Nach 2 Monaten iibermittelte Sadi-A'asam dem Fiirsten Dol-
goruki den Inhalt des vorgeschlagenen Biindnisses: „a) Rupiand
moge in Beriicksichtigung der Diirftigkeit der Staatskasse des
Schahs die Zahlung des Restes der ihm von Persien geschuldeten
Gelder erlassen; b) Rutland solle eine geringe Menge von Kriegs-
vorraten nach MaPgabe des Bedarfs an Persien ablassen; c) Persien
werde, mit Rupiand im Krieg und Frieden verbunden, fortfahren,
die Tiirkei zu bekriegen, solange Rupiand gegen sie Krieg fuhre;
beide Reiche sollten gemeinsam den Frieden abschliePen; d) alle
Landschaften, die von Persien besetzt werden konnten, sollten
nicht zuriickgegeben werden; sollte die Pforte darauf bestehen,
so sollten sie nur nach Bezahlung der Kriegskosten geraumt
werden," „Unter diesen Bedingungen verpflichtete sich die per-
sische Regierung, 60000 Mann Infanterie, Kavallerie und Artillerie
bis zum Schlup des iPriedens zu stellen; wenn aber Rupiand
wiinsche, zur groperen Sicherheit russische Offiziere als Fiihrer
der Truppen des Schahs zu stellen, so sei das anzunehmen."
Bei einer Audienz sprach der Schah dem Fiirsten Dolgoruki
aus, dap alles, was ihm Sadi-A'asam unterbreitet hatte, und be-
sonders der geheime Plan das Ergebnis seines Befehls sei, „denn,
fiigte er hinzu, ich habe lange eine Gelegenheit gesucht, dem
Kaiser irgend einen Beweis meiner Ergebenheit zu geben. Die
Gelegenheit bietet sich jetzt, und wenn auch der Kaiser meiner
Dienste nicht bedarf, so wiinsche ich doch, daP ein enges Biindnis
zwischen den beiden Reichen bestehen moge, und ich hoffe, dap
Sie mit alien Kraften dazu beitragen werden. Das ist der innigste
Wunsch meines Herzens."
Die russische Regierung nahm den Vorschlag des Schahs
mit groper Zuriickhaltung auf und beauftragte den Fiirsten Dol-
goruki, dem Schah im Namen des Kaisers fiir die freundschaft-
lichen Vorschlage zu danken, iibrigens jede bestimmte Erklarung
iiber die geauPerten Bedingungen zu vermeiden, damit seine Ant-
4 Q
86541
wort nicht als eine Versprechung, die Rupiand binde, und nicht
als eine beleidigende Ablehnung aufgefapt wiirde, die den Scliah
zu einem Gegner Rupiands machen konnte. Da aber bei dem Aus-
bruch des Krieges vorausgesetzt werden miipte, daP die Tiirkei
gegen die asiatische Grenze vorgehen werde und eine Unter-
stiitzung seitens Persiens vorteilhaft sei, wurde Dolgoruki auf
Befehl des Kaisers beauftragt, die Verhandlungen wieder aufzu-
nehmen, einen Vertrag vorzulegen, auf Grund dessen Rutland
fiir eine Diversion, welche Persien unternehmen wiirde, die ihm
zukommende Schuld erlassen werde, unter dem Versprechen, dap
bei dem FriedensschluP auch die Sicherung der Interessen Persiens
beriicksichtigt werden sollte; Persien miisse fiihlen, daP Rupiand
dessen Vorteile in der vorliegenden Angelegenheit einsehe, es
aber hoffen miisse, dap dieser Vorschlag angenommen wiirde und
es von Persien unterstiitzt werde, ohne sich durch einen Angriffs-
und Verteidigungsvertrag zu binden. Ferner sollte dem Schah
eroffnet werden, dap die fiir diesen Krieg bestimmten 60000
Mann bereit sein, aber nicht vorgehen sollten, bis die Operationen
zwischen den russischen und tiirkischen Truppen begonnen sein
wiirden.
Nassr-Eddin nahm alle Vorschlage des Fiirsten Dolgoruki
mit auPerordentlicher Freude auf, und letzterem blieb nur noch
iibrig, Sadi-A'asam zur Annahme zu bewegen, der sich diesen
Vorschlagen gegeniiber sehr miptrauisch verhielt und dui"ch Be-
sprechungen mit dem Schah, mochten sie nun auf Wahrheit oder
Unwahrheit beruhen, die Angelegenheit auf jede Weise hemmte.
Die dem Fiirsten Dolgoruki vom Schah gewahrten Audienzen
brachten anscheinend die Sache vorwarts, aber die geheimen
Ranke Englands und der Tiirkei liePen sie zum Stocken kommen.
In der Depesche vom 10. Dezember benachrichtigte Dolgoruki
den Grafen Woronzow, daP die persische Regierung den aserbeid-
janschen Behorden befohlen habe, darauf zu halten, daP weder
tiirkische noch russische Truppen einriickten, damit sie auf eine
gute Ordnung und Sicherheit an der Grenze bedacht sein konnten;
dap die persische Regierung sich plotzlich entschlossen habe, den
Verkehr mit dem englischen Bevollmachtigten zu andern und
ihm einige Zugestandnisse zu machen.
Im Dezember erhielt der Fiirst Dolgoruki vom Grafen Nessel-
rode eine offizielle Depesche, welche ihn anwies, der persischen
Regierung zu eroffnen, daP, wenn der Schah vorgeschlagen habe,
— 39 —
mit Rupiand ein Biindnis zu schliepen, ohne bei seiner Jugend und
Unerfahrenheit die Folgen dieses wichtigen Schrittes zu bedenken
und dem Rate seiner Minister folgen miisse, so ware es mit seiner
Wiirde mehr vereinbar, dies dem Kaiser zu gestehen, und letzterer
werde, wegen seiner herzlichen Freundschaft und Wohlgeneigtheit
zu ihm, ihn von dem gegebenen Worte entbinden; aber die Heu-
chelei, die das persische Kabinett in diesem Falle gezeigt habe,
habe den Kaiser sehr gekrankt und auf ihn einen solchen Eindruck
gemacht, dap man sich besser nicht daran erinnere ; Rutland konne
seine Hilfe auch entbehren und bediirfe keine fremde Unter-
stiitzung in seinen Angelegenheiten. In den Unterredungen mit
den persischen Ministern sollte Dolgoruki ihnen eroffnen: die
persische Regierung habe, wie jetzt die Dinge lagen, die voile
Freiheit, entweder strong neutral zu bleiben oder ihre Truppen mit
den russischen zu vereinigen; Persien habe der Tiirkei gegeniiber
alte und viele Forderungen und Klagen, welche es mit Ungeduld
beglichen zu sehen wiinsche; solange aber die Tiirkei in fried-
lichen Beziehungen zu den anderen Machten bleibe, konne sie
iiber alle ihre Truppen verfiigen, um den Angriff der Perser ab-
zuweisen, so dap es unvorteilhaft ware, einen solchen Krieg zu
veranlassen. Das sei der Grund, der den persischen Hof ver-
anlasse, seine kriegerischen Bestrebungen auf eine giinstige Zeit
zu verschieben. Diese Zeit sei aber, so ungeduldig erwartet, jetzt
endlich gekommen.
Die Tiirkei beschloP, den Krieg gegen Rupiand zu eroffnen
und verwandte alle seine Truppen dazu. Persien wollte diese
Gelegenheit benutzen und der Tiirkei den Krieg erklaren, in der
Oberzeugung, dap letztere ihm nicht einen ausreichenden Wider-
stand entgegensetzen konnte. Andererseits fiirchtete aber Per-
sien, dap die Tiirkei nach dem FriedensschluP mit Rupiand mit
starken Truppen seine Armee angreifen wiirde, was ihm teuer
zu stehen kommen konnte. Die persische Regierung beabsichtigte,
um sich dieser Gefahr zu entziehen, sich die russische Unter-
stiitzung bei dem FriedensschluP zu sichern und zu diesem Zweck
sich mit Rupiand zu verbinden. Obgleich Rupiand sich keinen
Augenblick iiber die wirklichen Absichten, welche die Politik
Persiens leitete, tauschte, so nahm sie doch die Mitwirkung der
persischen Armee an, die vorteilhaft sein konnte.
Die russische Regierung kam aber bald zu der Oberzeugung,
dap bei dem Abschlup eines Biindnisses, das den beiden Machten
— 40 —
Vorteile bringen sollte, Persien den Wunsch habe, nur seine
eigenen Interessen wahrzunehmen, indem es seine Truppen zur
Eroberung tiirkischer Gebiete vorgehen lieP, die ohne groPe Miihe
und Opfer erfolgen konnte, solange die Tiirkei noch mit Rupiand
Krieg fiihrte. Da die persische Regierung bei den Verhandlungen
mit der russischen Gesandtschaft erkannt hatte, daP die russische
Regierung iiber die Absichten Persiens klar war, so beschloP sie,
unter alien moglichen Yorwanden sich von ihren Verpflichtungen
freizumachen. Rupiand verlangte nicht ihre Erfiillung, nahm
die moralische Hilfe, die von Sadi-A'asam anstatt der militarischen
Unterstiitzung gewahrt wurde, nicht an, und zog die Neutralitat
Persiens einem zweifelhaften und unaufrichtigen Biindnisse vor.
Dolgoruki erhielt noch folgende geheime Instruktion: „er
solle dahin wirken, daP Persien streng neutral bleibe und die
Absichten und Versuche der Gegner, die diese Macht in feindselige
Handlungen verwickeln konnen, zu vereiteln suchen".
In Riicksicht auf den Krieg zwischen Rupiand und der Tiirkei
hielt es die persische Regierung fiir angezeigt, am 18. Januar
in dem offiziellen teheranschen Organ ihre Neutralitat zu er-
klaren. Aber kaum war ein Monat vergangen, als infolge der
schnellen russischen Erfolge in Asien es die persische Regierung
bereute, dap sie das Biindnis mit Rupiand abgelehnt hatte. Das
persische Ministerium suchte durch seinen Bevollmachtigten seine
Ergebenheit zu Rupiand aufs neue zu versichern, und indem es
verschiedene Entschuldigungen inbezug auf die erfolglosen Ver-
handlungen betreffs des Biindnisses vorbrachte, schlug es vor,
einen Bevollmachtigten nach Petersburg oder Tabris zu schicken,
um einen Vertrag abzuschliepen. Die russische Regierung erklarte
sich damit einverstanden, nicht well sie Vertrauen zu Persien
hatte, sondern well sie ihm nicht Gelegenheit geben wollte, sich
mit den Feinden Rupiands zu verbinden, wenn letzteres seinen
Vorschlag zuriickgewiesen hatte.
Das Verhaltnis des Fiirsten Dolgoruki zu dem ersten Minister
Persiens war immer gespannter geworden. In einem Schreiben
an den Grafen Nesselrode wies er auf seine schlechten Beziehungen
zu dem ersten Minister hin, die zu bestandigen Vorwiirfen und
einer offenbaren Geringschatzung fiihrten, welche von letzterem
bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zum Ausdruck
gebracht wiirde. Daraufhin wies das ]\Iinisterium des Aupern
den Fiirsten Dolgoruki an, „die Beziehungen zu Persien, wie vor-
— 41 —
dem, wieder herzustellen". Es wurde dies, soweit moglich, zur
Ausfiihrung gebracht, und die persische Regierung wurde nach-
giebiger, Dolgoruki bat iibrigens, infolge der Krankheit seiner
Frau, das Ministerium um seine Abberufung. Letzteres erfiillte
seine Bitte und war froh, den Gesandten Familienverhaltnisse
halber abberufen zu konnen, um nicht den Schein zu erwecken,
als ob die Regierung die Geschaftsfiihrung Dolgorukis nicht ge-
billigt habe. An die Stelle Dolgorukis trat nun Anitschkow, ein
erfahrener und energischer Mann, der als Generalkonsul in Tabris
bei dem persischen Volk sehr beliebt war. Die persische Regie-
rung hielt es aber in Riicksicht auf die Neutralitat Persiens fiir
unstatthaft, einen Bevollmachtigten nach Tiflis zu schicken, um
ein Biindnis mit Rupiand zu beraten. Infolgedessen hielt es die
russische Regierung fiir notig, an Anitschkow, der Geschaftstrager
in Teheran geworden war, eine allgemeine beziigliche Instruktion
zu erlassen, in welcher er angewiesen wurde, „sich aufmerksam
mit der Sachlage und dem ganzen Gauge der anfanglichen Ver-
handlungen iiber das Biindnis bekannt zn machen und sich iiber
die wirklichen Absichten der persischen Regierung inbezug auf
das Biindnis wie auf die Entsendung eines Bevollmachtigten
nach Tiflis Gewipheit zu verschaffen.
Im Juni erhielt Anitschkow eine neue offizielle Vollmacht
und eine geheime Instruktion, die ihn berechtigte, in den Vertrag
die Verpflichtung RuP lands aufzunehmen, keinen Frieden zu
schliePen, die Interessen Persiens nicht zu beschranken, wenn es
in den Krieg verwickelt wiirde. Ein unerfahrener Diplomat hatte
durch die Aufnahme dieser Verpflichtung die Hande Rupiands
gebunden, was aber Anitschkow nicht tat; er zeigte die Instruktion
auch niemandem, damit die Beamten nicht dariiber in Teheran
sprachen.
Das Ergebnis der Verhandlungen war, dap am 11. Oktober
1854 eine Konvention vom Schah unterzeichnet wurde. Diese
Konvention iiber die Neutralitat war nach vielen Schwierigkeiten
und unter sichtlichem Widerwillen der persischen Regierung „in-
bezug auf Rupiand durch irgend einen Akt sich zu verpflichten,
der Persien verhindern wiirde, sich in der Folge mit den Feinden
Rupiands zu verbinden", abgeschlossen. Die persische Regierung
bestand auf der Geheimhaltung der Konvention, und der Schah
fiigte hinzu, dap er sich nicht an die Ausfiihrung dieses Vertrages
gebunden erachte, wenn irgend jemand etwas davon erfahre.
— 42 —
Der Neutralitatsvertrag lautete:
„1. Persien verpflichtet sich, die Feinde Ru(31ands wahrend
des ganzen Krieges mit der Tiirkei und den Verbiindeten nicht
mit Truppen zu unterstiitzen und ihnen anf keinerlei Weise zu
helfen, die mit der Neutralitat unvereinbar ist, die Ausfuhr von
Lebensmitteln fiir die Truppen, die Rutland bekampfen, nicht zu
gestatten, diesen Truppen den Durchzug durch Persien nicht zu
erlauben, um gegen die Grenzen Rupiands vorzugehen, und nicht
zuzugeben, dap die ihm unterstehenden Kurdenstamme rauberische
Einfalle aui' die Grenzen Rupiands ausfiihren.
2. Persien verpflichtet sich, die Ausfuhr von Kriegsmaterial
fiir die gegen Rupiand kampfenden Machte nicht zu gestatten.
3. Rupiand verzichtet als Entgelt fiir die strenge Neutralitat
auf die Zahlung des Restes der Schuld Persiens, wenn die oben-
genannten Bedingungen wahrend des ganzen Krieges mit seinen
Feinden beobachtet werden und wenn nicht in Erfahrung gebracht
wird, dap diese Bedingungen verletzt sind.
4. Dieser Vertrag andert in keiner Weise die zwischen beiden
Reichen bestehenden Vertrage."
Bevor wir nun die Beziehungen Rupiands zu Persien, wie sie
sich seit dem Jahre 1856 bis auf die neueste Zeit gestaltet haben,
besprechen, diirfte es angezeigt sein, die wirtschaftliche Ent-
wickelung des jetzigen Persiens kurz zu beriihren.
Die Bevolkerung Persiens beschaftigt sich hauptsachlich mit
Ackerbau und Viehzucht. Ersterer umfapt etwa 40 Prozent, letz-
tere etwa 30 Prozent aller sonstigen Betriebe. Das zur Kultur
geeignete Land ist bei dem gropen Flachenraum Persiens von
29965 Quadratmeilen auPerst gering, nur i/r,Q des Territoriums ist
ertragsfahig. Trotz dieses kleinen kultivierbaren Territoriums,
dessen Bebauung durch den Mangel an Wasser und durch die
groPe Hitze sehr beeintrachtigt wird, werden doch die verschie-
denartigsten Produkte in groPer Menge gewonnen. Die guten
Ergebnisse der Landwirtschaft beruhen auf der kiinstlichen Be-
wasserung der Felder, welche sowohl von der Regierung, wie
von der Bevolkerung gefordert wird.
Das meiste zur Bebauung geeignete Land ist Eigentum der
Krone, das von Bauern beackert wird, die Leibeigenen gleichzu-
achten sind. Diese Landereien sind durch Eroberungen und haupt-
— 43 —
sachlich durch Konfiskationen gewonnen. Sie werden verdienten
Staatsmannern oder iiberhaupt den Lieblingen des Schahs und eine
nicht geringe Menge den Nomadenstammen als Lohn iibergeben,
welche letztere dafiir zur Gestellung eines gewissen Kontingents
an Reiterei verpflichtet sind. Auslander besitzen kein Land,
von den Landstiicken abgesehen, die von den europaischen Ge-
sandtschaften oder von Leuten, die zu verschiedenen Unterneh-
mungen Konzessionen erhalten haben, angekauft sind. Es bedarf
dies aber immer einer besonderen Erlaubnis. Auch die Geistlichkeit
hat sich auf mannigfache Weise einen gro(3en Landbesitz (Wakuf)
verschafft.
Da viele Perser es vorziehen, ohne Arbeit grope Einnahmen
zu erzielen, verpachten sie ihr Land. Sie treten ihr Recht, die
kiinstliche Bewasserung zu benutzen, die Aussaat, die Ackerbau-
gerate und das Vieli an den Pachter ab und erhalten dafiir
-/o — Vd seiner ganzen Einnahme, was fiir den letzteren sehr
ungiinstig ist, zumal das Verhaltnis des Pachters zu dem Eigen-
tiimer nicht gesetzlich geregelt ist. Eine Folge davon ist, dap
der Pachter sich oft veranlapt sieht, seine Wirtschaft aufzugeben,
um sich anderweitig einen Verdienst zu suchen.
Die fill' das Landeigentum stets zu zahlende x'^.bgabe betragt
1/5 des Ertrages, die schon an und fiir sich eine hohe ist. Tat-
sachlich sind die Abgaben noch grSPer: 1/5 des Ertrags fordert
der Staat, wahrend die Steuererheber und die hochgestellten
Beamten einen gleichen Betrag verlangen. Der Verlust durch Heu-
schrecken oder durch ungiinstige klimatische Verhaltnisse wird
bei der Einziehung der Abgaben nicht beriicksichtigt. Diesen
Abgaben ist es auch zuzuschreiben, daP in den Hungerjahren
1860—1861, 1869—1872, 1879, 1880 die Halfte der Bevolkerung
starb, da keine Vorrate an Lebensmitteln mehi* vorhanden waren.
Die Regierung sorgt nicht fiii" Getreidevorrate, und die Bauern
sparen ihren UberschuP nicht auf, da sie die Steuereintreiber und
die Soldaten fiirchten, die sich nicht scheuen, fremdes Gut zu
rauben.
Die Ackergeratschaften sind ganz veraltet. Der Pf lug besteht
aus einem Holzstiick mit einem eisernen Ende; die Egge wird
durch ein Biindel Stangen oder durch eine Reihe von Brettern,
die mit spitzen Steinen versehen sind, ersetzt. Der Spaten ist
fiir den Perser das wichtigste Gerat fiir den Garten- und Gemiise-
bau. Gedroschen wird in freiem Felde auf einem mit einer Holz-
— 44 —
pritsche geebneten Platze. Die Ahren werden handhoch darauf-
gelegt, dann fahren Schlitten, die mit Ochsen oder Eseln bespannt
sind, dariiber. Auf dem Vorderteil der Schlitten sitzen zwei
Leute, an den hinteren Schleifen sind zwei Pritschen angebracht,
in die eiserne Zylinder hineingesteckt werden. Durch die Hufe
der Ochsen oder Esel, durch die Schleifen der Schlitten werden
die Ahren ausgekornt und durch die Pritschen das Stroh zer-
kleinert. Die so gewonnenen Korner werden in tiefe Gruben ge-
worfen und als Schutz gegen die Feuchtigkeit mit Stroh bedeckt.
Getreide wird vorzugsweise in Aserbeidjan und Kurdistan ge-
baut, wo der Boden und das Klima dazu geeignet sind. Vorzugs-
weise wird Weizen und Gerste gesat, welch letztere zur Speise der
Leute wie zum Futter der Pferde und Maultiere dient. Der Ertrag
an Weizen und Gerste reicht vollstandig fiir den Bedarf des Landes,
und eine Ausfuhr ist eigentlich nicht notig. Da es aber an
Wegen fehlt und keine Nachrichten iiber den Ausfall der Ernte
im Innern des Landes vorhanden sind, so sind die Bewohner der
Grenzbezirke genotigt, Getreide auszufiihren, was die Veranlas-
sung zu Hungersnoten ist, die oft Aufstande hervorrufen.
Tomara beziffert in seinem Werk „Der wirtschaftliche Zu-
stand Persiens, 1895" die Ausfuhr von Getreide wie folgt:
Aus Buschir (von den anliegenden Gegenden) 1891 720000 Pud*)
Ti A M.U , Tz- A /1891 40000 „
aus Bender-Abbas (von Kirman) Meq9 mo 000
aus Aserbeidjan nach Rupland 1891 170000 „
Aus Buschir und Bender-Abbas wird Getreide nach dem
Kiistenlande des Persischen Golfs, sogar nach Indien ausgefiihrt:
rl891 250000 Pud
ausMohammer [^^^^ ^^6000 „
n891 46000 „
ausChorassan | ^g^^ 6000 „
Rittich macht in seinem Werke „Die Eisenbahn durch Persien,
1900" folgende Angaben iiber die Ausfuhr von Getreide nach
Rupland:
im Jahre 1894 im Werte von 230789 Rubel
„ „ 1895 „ „ „ 105718 „
„ „ 1896 „ „ „ 163329 „
.. „ 1897 „ „ „ 222504 „
n 1 Pud = 16,38 kg.
•— 45 —
Hafer, den man in Persien iiberhaupt nicht kennt, wird gar
nicht gebaut. Roggenbau findet in den hohen, Weizenbau in den
niedrigen Gebirgsgegenden statt. Da der Reis eine heipe Tem-
peratur und eine reichliche Bewasserung bedarf, wird er haupt-
sachlich in Gilan und Masanderan, die diesen Bedingungen ent-
sprechen, aber auch an anderen Stellen gebaut. Den besten Reis
findet man in Fars. Er wird in groper Menge im Innem ver-
braucht, bildet aber jetzt einen Hauptausfuhrartikel aus Gilan
und Masanderan nach Rupiand:
nach Tomara: 1891 2549000, 1892 2464000 Pud,
nach Rittich 1897 fiir 3288828 Rubel.
Die Aussaat erfolgt zu verschiedenen Zeiten, meistens im
Herbst, aber nicht spater als im Oktober. Die Ernte findet
nordlich von Teheran im Juni, siidlich davon schon im Mai statt.
Die abgeernteten Felder werden dann mit 10 — 12 Sorten vorziig-
licher Melonen oder mit Kartoffeln bestellt, welche noch unlangst
nach Persien eingefiihrt wurden, sich aber jetzt immer mehr, be-
sonders in Aserbeidjan, verbreiten. Von Gemiisen kommen in
Persien alle europaischen Arten fort, welche bei guter Bearbeitung
des Bodens sehr ertragreich und gut sind. Besonders sind Lauch
und Gurken verbreitet und wegen ihrer Giite beriihmt.
Persien ist auch an verschiedenen und sehr guten Friichten
reich. Die Arbusen (Wassermelonen) und Melonen sind vorziiglich.
Von ersteren sind die „Chinduane", die masaderansche Sorte,
die besten und beliebtesten; von den Melonen sind besonders her-
vorzuheben die Ananas- und turkestanischen Melonen und eine
besondere Sorte von Sommermelonen (germek), welche im Juni
reifen, eine wachsgelbe Farbe haben und sehr slip sind, ferner die
Sorte „Tohmesk - Schemsk", d. i. Samen der Sonne, welche
sich durch einen eigentiimlichen Geschmack und Geruch auszeich-
nen. Es gibt sehr viele Kiirbissorten, deren Rinde zu Wasser-
gefaPen benutzt wird. Die Weintrauben werden nicht nur zur
Herstellung von Wein benutzt, sondern man trocknet sie auch;
sie werden als Rosinen ohne Kerne auf den Weltmarkt und be-
sonders nach Rupiand versendet. Kirschen, Apfel, Birnen und
Pflaumen werden wohl geerntet, sind aber nicht so gut wie die
europaischen, well das Klima zu help ist; nur in einigen, vor-
zugsweise Gebirgsgegenden reifen sie langsam und geben eine
gute Ernte; aber fiir alle diese Friichte ist das Klima nicht ge-
— 46 —
eignet. Sehr gut sind hier die Apf elsinen, Zitronen, Quitten,
Niisse, Mandeln und auch Pfirsiche, welche sehr groP werden
und ihres Geschmackes wegen beriihmt sind.
Nach den Daten Tomaras betrug die Einfuhr nach Rupiand
iiber die kaukasisch-persische Grenze iiber Astrachan aus den
Bezirken Kaswin und Karadagh und nach Transkaspien aus Cho-
rassan im Jahi'e 1892:
von frischen Friichten, ausser Apf elsinen u. a. 14065 Pud
,, Apf elsinen, Zitronen und Pomeranzen 31945 „
„ getrockneten Friichten und Rosinen 402343 „
„ Niissen, und Pfirsich-, Aprikosenkernen 38502 „
„ Mandeln und Pist^azien 48325 „
Ober die russisch-persische Grenze aus Kurdistan und Aser-
beidjan im Jahre 1892:
von frischen Friichten jeglicher Art 10493 Pud
,, getrockneten Friichten und Rosinen 967134 ,
„ Niissen und Fruchtkernen 8785 „
,, Mandeln und Pistazien 50982 „
Ober die transkaspische Grenze und Chorassan:
von frischen Friichten jeglicher Art 1932 Pud
„ getrockneten Friichten und Rosinen etwa 170000 „
„ Niissen und Kernen 7860 „
„ Mandeln und Pistazien 8670 „
Rittich beziffert die Einfuhr von Gemiisen und Friichten nach
Rupiand im Jahre 1897 auf 2040653 Pud.
Sehr viele Industrie- und Handelspflanzen werden in Persien
gezogen. Unweit Rescht wii'd Tabak fiir Papyros, bei Schiras,
Isfahan, Kaschan, Tebbes, Kum, Nichawend, Weramin, Semnan
und Schahrud eine besondere Sorte fiir die Wasserpfeifen gebaut.
Im Jahre 1890 erteilte der Schah der Gesellschaft „Imperial
Tobacco Corporation of Persia" eine Konzession auf 50 Jahre
zu dem Monopol, alle Sorten Tabak anzukaufen, herzustellen und
zu verkaufen. Wenn auch die Gesellschaft ein Grundkapital von
650000 Pfund Sterling hatte, so war das Unternehmen doch so
miPgliickt, daP sie das ganze Volk gegen sich aufbrachte; an-
dererseits sorgte sie nicht dafiir, die Geistlichkeit fiir sich zu ge-
winnen, die einen groPen EinfluP auf das Volk hat, und es bewog,
die Tabakladen zu zerstoren und die Gesellschaft iiberhaupt sehr
^ 47 —
schadigte. Das Ergebnis war, daP der Schah die Gesellschaft
aufheben mupte, indem er allerdings die gehabten Verluste er-
setzte. Durch die Beseitigung des Tabaksmonopols wurde der
Handel mit Tabak schwankend. Die Ausfuhr war folgende:
r 1889 80000 Pud
I 1890 95000
aus Buschir
Bender-Abbas
1889
1890
Aserbeidjan nach Trapezunt { 1891
' 1892
1893
Aserbeidjan nach Transkaspien
den Hafen des Kaspischen Meeres
1889
1890
1891
1892
etwa
bis zu
1889
1890
1891
1892
1889
1890
1891
1892
10000
10000
6500
14000
80000
65000
70000
30000
8500
358
456
436
203
3003
4291
4126
1672
Jedenfalls betragt die Ausfuhr des Tabaks in das Ausland
nur 1/12 des Tabaks, der in Persien verbraucht wird. Nach den
Angaben von Curzon beziff ert sich der jahrliche Verbrauch durch-
schnittlich auf 1800000 und die Ausfuhr auf 1600000 Batman.*)
Neben dem Tabakbau vermehrt sich auch mit jedem Jahre
der Mohnbau zur Gewinnung von Opium, das ausgefiihrt wird
und einen der wichtigsten Artikel der Staatseinnahme bildet. So
betrug die Ausfuhr iiber den persischen Golf im Jahre 1871 870
Kasten im Werte von 1522000 Franken, und nach 10 Jahren,
im Jahre 1881, fast zehnmal mehr: 7700 Kasten im Werte von
21175000 Franken. Seit 1881 wachst die Ausfuhr von Opium
unausgesetzt, so dap in vielen Gegenden ausschlieplich Mohn
auf Kosten anderer Gewachse gebaut wird. So vermehrt sich
der Bau von Mohn in den Provinzen des siidlichen Persiens in
einem solchen Mape, dap man aufhort, Weizen und Reis zu kul-
*) Batman = 2,6 kg-.
— 48 —
tivieren; da Getreide nicht zugefiihrt wird, tritt haufig eine
Hungersnot ein. Das Opium wird nur in geringer Menge im Lande
verbraucht und hauptsachlich nach China versendet, wo es mit
vielem Erfolg in den Wettbewerb mit dem ostindischen tritt
und so diese Einnahmequelle Gropbritanniens zu zerstoren droht.
Opium wurde ausgefiihrt:
aus Buschir
1889
3386 Kasten*)
1890
4817 „
1891
4795 „
1892
5417 „
1889
1800 „
1890
1383V2 „
1891
1388 „
1892
746 „
aus Bender-Abbas
AuPerdem iiber Bagdad im Jahre 1893 675 Pud.
Die Herstellung von Zucker nimmt mit jedem Jahre mehr
ab; er reicht sogar fiir den Bedarf der Bevolkerung nicht aus,
so dap solcher eingefiihrt werden mup. Rupiand (Astrachan) und
Frankreich (Marseille) liefern Runkelriibenzucker; friiher fiihrten
Indien, Java und die Insel St. Maurice aus Zuckerrohr hergestellten
Zucker ein.
Rupiand bezieht eine geringe Menge masanderanschen Zucker
aus Persien, im Jahre 1892 948 Pud, im Jahre 1897 nach Rittich
fiir 22726 Rubel. Die giinstigen Boden- und klimatischen Ver-
haltnisse fiir die Kultur von Zuckerrohr ermoglichten es jedoch,
dap schon im 7. Jahrhundert solche musterhaft war; man verstand
es sogar, raffinierten Zucker herzustellen. Dap dies jetzt anders
geworden ist, erklart sich dadurch, daP die Bereitung des Zuckers
sehr nachlassig betrieben wird und auf demselben Standpunkte
geblieben ist wie in alter Zeit.
Die Kultur von Maulbeerbaumen ist sehr entwickelt, damit
Seidenraupen geziichtet werden konnen. Es bestehen in Teheran,
Kaschan und Jesd Seidenfabriken, wo aus den Kokons Seide her-
gestellt wird. Da in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts
eine Krankheit unter den Seidenraupen herrschte und 2/3 starben,
so wurde dieser Industriezweig, der schon sehr lange in Persien
bliihte, auf viele Jahre geschadigt. Erst seit dem Jahre 1891 hat
die Seidenfabrikation wieder merklich zugenommen, aus der dem
*) 1 Kasten wiegt 4V2 T*ud.
— 49 —
Staate eine auPerordentliche Einnahme erwachst. DaP sich diese
so entwickelt hat, verdankt Persien der griechischen Gesellschaft
Paschalidi, die im Jahre 1889 ihren Vertreter Besanow nach
Rescht schickte. Letzterer brachte Pasteursche Grains mit, ver-
teilte sie an die einheimischen Seidenraupenziichter und verpflich-
tete diese, 1/3 aller erhaltenen Kokons abzugeben. Die Ergebnisse
waren anfangs nicht glanzend, aber schon 1893 erhielt er iiber
3 kg Seide oder 1 Batman Seide von 8 Batman Kokons; eine
Erkrankung wurde nicht bemerkt. Durch diesen Erfolg wurde
Besanow unter der Bevolkerung beriihmt, die jetzt pasteursche
Grains verlangt.
Nach Rupland wurden ausgefiihrt:
1891 786 Pud
1892 1018 „
Flockseide, Florettseide und Kokons I
^ , . , r 1891 251
Rohseide { ^g^^ 136
Nach Europa als Transitware iiber Rutland:
t:.! 1 -J ^ T^ , i 1891 12686 Pud
Flockseide und Kokons
Rohseide
Nach Europa iiber Trapezunt:
Kokons
!
892 6990
1891 263
1892 87
1891 480 Pud
1892 75 „
1893 700 „
Aus Schiras und Isfahan iiber Buschir:
1891 920 Pud
. 1892 550 „
Aus Jesd iiber Bender- Abbas:
1891 40 „
Rohseide |
Rohseide ^ ^gg^ ^^ _^
In Gilan und Masanderan sammelt man die Seide Ende Mai
und verkauft sie im August und September, wahrend in Chorassan
und den anderen nordlichen Provinzen man sie im Juli sammelt.
Oberhaupt ist es mit der Seidenproduktion gut bestellt, und allein
nach Rupiand wurden im Jahre 1893 281 Pud Rohseide und 15 Pud
Zwirnseide ausgefiihrt; nach Rittich fiir 13290 Rubel. Da die
Moskauer Seidenindustrie Mangel an Rohseide hat, wird die rus-
sische Seidenindustrie von sachverstandiger Seite neuerdings auf
Die Beziehungen Rufilands zu Persien. 4
50 —
die Entwickelung des Seidenbaues am persischen Siidufer des
Kaspischen Meeres aufmerksam gemacht, um ihren Bedarf von
dort zu decken. Man verspricht sich grope Vorteile fiir die
russische Seidenindustrie aus der Zunahme des Seidenbaues in
Persien.
Baumwolle (grossypium herbaceum) wird in dem ganzen west-
lichen Persien, Masanderan und Chorassan gebaut, die ihrer Be-
schaffenheit nach allerdings besser als die tiirkische ist, aber
mit der amerikanischen den Wettbewerb nicht aushalt. An ein-
zelnen Stellen sind mit der Kultur amerikanischer Baumwolle
Versuche angestellt, die ausgezeichnete Ergebnisse gehabt haben.
Es ist anzunehmen, dap sie in Persien eingefiihrt wird und sie
mit der Verbesserung der Kultur ein wiclitiger Zweig des inter-
nationalen Handels werden wird. Wenn russische Unternehmer
die Perser mit dem Samen der amerikanischen Baumwolle ver-
sehen, ihnen die Ernte abkaufen und sie auf ihren Maschinen
verarbeiten wiirden, so wiirde diese Baumwolle mit der amerika-
nischen und agyptischen, die jetzt in Rupland eingefiihrt wird,
in Wettbewerb treten konnen. Der Preis fiir die Baumwolle ist
nicht hoch: im Jahre 1893 kostete das Pud in Masanderan 3 Rubel
50 Kopeken bis 4 Rubel 50 Kopeken.
Baumwolle wird in Masanderan, Chorassan, Simnan, Kum,
Kaschan, Isfahan und in der Umgegend von Choi und Urmia
kultiviert.
Die Ausfuhr nach Rupland betrug:
Aus Chorassan iiber Transkaspien 1890
,, Masanderan, Astrabad und den Be-
zirken von Kaswin und Hamadan
„ Aserbeidjan iiber den Kaukasus
„ Chorassan u. s. w. 1891
„ Masanderan u. s. w.
„ Aserbeidjan u. s. w.
„ Chorassan u. s. w. 1892
„ Masanderan u. s. w.
„ Aserbeidjan u. s. w.
155609 Pud
334335 „
41642 „
561586 Pud
166515 Pud
313057 „
17901 „
497473 Pud
258151 Pud
401253 „
90786 „
680190 Pud.
— 51 —
Von dem Olbaum wird das Leuchtol gewonnen, das in Persien
allgemein verwendet wird. In der Provinz Gilan, unweit Mendjil,
sind auJ; einer gro^en Strecke Olivenbaume gepflanzt, aus deren
Friichten 01 gewonnen wird, das zur Bereitung verschiedener
Arzneimittel, aber hauptsachlich zu technischen Zwecken (Seife)
verwendet wird. Der Olbaum wachst unter dem Namen „01eander"
wild, wird dann aber nicht hoher als 4 m. Wenn der Baum aus
Pf lanzreisern oder Samen in gut bearbeitetem Boden gezogen wird,
erreicht er eine Hohe von iiber 18 m. Der Samen hat eine
schmutzig-graue, das Blatt und die Bliite eine weip-gelbe Farbe.
Mit der Zucht dieser Baume beschaftigen sich 43 Dorfer, denen
100000 Baume gehoren. Von jedem Baum werden jahrlich 2 bis
4 kg 01 gewonnen; die Abgabe an den Staat betragt fiir jeden
Baum 5 Schai (25 Centimes).
Die Ausfuhr von Olivenol erreichte im Jahre 1892 nicht
400 Pud.
Heilkrauter und zum Farben dienende Gewachse sind reich-
lich vorhanden; Iran kann als ihr Vaterland betrachtet werden.
Von den Farbemitteln ist „Chenna" hervorzuheben, das aus den
Blattern der Lavsonia inermis, welche Pflanze in der Umgegend
von Kirman und Jesd kultiviert wird, hergestellt wird. Es ist
ein sehi- wichtiger Ausfuhrartikel nach alien mohammedanischen
Landern und dient zum Farben der Nagel, sowie auch der Mahnen
und Schwanze der Pferde.
Indigo kommt in Laristan und am Karun (Schuster und
Disful) vor, aber in einer solchen geringen Menge, dap er den
inneren Bedarf nicht deckt.
Von den iibrigen Gewachsen sind noch Siipholz, das iiberall
angetroffen wird, Gallapfel in Kurdistan und verschiedene Arten
von Gummi zu erwahnen. Das Gummi-Dragant wird aus dem
Strauch Astragalis gewonnen und wird in dem westlichen Persien
angetroffen; das Gummi arabicum gewinnt man aus der Rinde
vom Acaciabaum bei Schiras und in Kurdistan.
Die nordlichen Hange des Elbrus sind mit dichtem jungfrau-
lichen Wald bedeckt, der aus alien moglichen Baumarten besteht,
von welchen die Eichen, Nupbaume und Buchen zur Verwendung
kommen. Letztere werden meistens im Lande verbraucht und
nur verhaltnismapig wenig ausgefiihrt. Nach NuPbaumen ist
eine groPe Nachfrage; oft finden sich hier vorzugsweise franzo-
sische Agenten ein, die die entsprechende Ware ausfindig zu
— 52 —
machen und Vertrage abzuschliepen haben. Wenn auch der Preis
fiir einen Nupbaum nicht hoch ist, so ist doch sein Transport
infolge der schlechten Wege sehr teuer. Der Enselihafen am
Kaspischen Meere ist der Hauptpunkt, wo Holzvertrage abge-
schlossen werden. Seit dem Jahre 1870 hat auch eine grope
Nachfrage nach Palmenbaumen (Buxus sempervirens) begonnen,
die auPerordentlich wertvoll sind und in Masanderan und Gilan
im UberfluP wachsen. Die Pachter haben aber so viele schlagen
lassen, dap sie im Laufe von 7 Jahren (1886 — 1893) fast end-
giiltig ausgerottet sind. Die von den Konzessionaren daraus
gewonnenen Summen sind sehr erheblich: ein einziger Transit
fiir 7 Jahre betragt 312002 Rubel bei einer durchschnittlichen
Pacht von 10000 Tuman fiir ein Jahr.
Die Ausfuhr von einfachen Baumen aus Persien nach RuP-
land erreichte im Jahre 1891 die Summe von 22000, 1892 von
13000 Rubeln; an wertvollen Baumen, einschlieplich der Pahnen
und Nupbaume, im Jahre 1891 die Summe von 91000 und im
Jahre 1892 die Summe von 30000 Rubel. Von Holzkohlen wurden
im Jahre 1890 etwa 280000, im Jahre 1891 etwa 330000 und
im Jahre 1892 285000 Pud ausgefiihrt.
Die Viehzucht befindet sich in einem besseren Zustande als
der Ackerbau. Die nomadisierende Bevolkerung lapt es sich
angelegen sein, dap die Rasse der Pferde, Kamele, Schafe, Ziegen
und sonstige Zweige der Viehzucht erhalten und verbessert wer-
den. Es gibt Vollblutpferde, die nach ihrer Schonheit und Aus-
dauer mit alien in der Welt bekannten Rassen in Wettbewerb
treten konnen; es sind die arabische, turkmenische, karabaghische
und schirassche Rasse hervorzuheben. Durch ihre Ausdauer
zeichnen sich die turkmenischen Pferde aus, fiir deren Verbesse-
rung die persischen Monarchen sehr viel getan haben. Die GroPe
und der Knochenbau des turkmenischen Pferdes riihrt von den
einheimischen, das Blut und die Form aber von den arabischen
Pferden her, von welchen die besten verschrieben wurden. Aus
der Kreuzung ging ein sehr knochiges Pferd hervor, das der Hohe
(oft hoher als 17 Hande) gegeniiber aber unproportioniert ist;
der Kopf ist dick und grop, die Ohren und der Hals lang, die
Brust schmal, der Leib abgemagert; die langen Beine sind an-
scheinend ungeniigend muskulos. Das turkmenische Pferd ist
iiberhaupt nicht schon, aber bei der Arbeit unersetzlich. Das
— 53 —
karabaghsche Pferd, ein Grauschimmel mit schwarzen Apfeln,
ist dem englischen Jagdpferde sehr ahnlich, wird aber wenig in
Persieu gebraucht und meistens nach Indien ausgefiihrt. Von
den iibrigen Rassen ist das in der Wiiste geziichtete Pferd zu
erwahnen, das klein ist, kurze Peine hat und auperordentlich
stark ist.
Die Kamele sind fiir den gropten Teil der dortigen Bevolke-
rung, besonders fiir die Nomaden, wichtiger als die Pferde. Es
gibt4Arten: das zweihockrige (bughur), das einhockrige (schutur)
und 2 Arten, die aus der Kreuzung der beiden ersteren entstanden
sind. Die einhockrigen Kamele sind sehr stark, aber nicht so
beweglich und schnell wie die zweihockrigen. Von den ersteren
werden die Kamele Chorassans und Schirans besonders geschatzt,
da sie die starksten sind: sie konnen 250 kg tragen, ohne dap
sie dadurch geschadigt werden. Von den Mischlingen sind die
Rassen „Ner und Lojeks" hervorzuheben. Letztere ist sehr ge-
lehrig, geduldig, stark und kann 450 kg tragen. Da sie aber
teuer ist, benutzt man die Rasse Ner, die allerdings nicht so
stark und ausdauernd ist, aber das Stiick nur 55 Rubel kostet.
Das persische Rindvieh ist fast dasselbe, wie es in Rupiand
vorkommt. Ochsen, Kiihe und Hammel sind reichlich vorhanden.
Bei den Ackerarbeitern kommen auch Biiffel zur Verwendung.
Schaf e mit dickem Fettschwanz sind weit verbreitet. Ihre Wolle
dient zur Herstellung von grobem Gewebe; aus ihrem Schwanz
wird Fett, ca. 1,2 — 1,6 kg, gewonnen. In Kirman gibt es eine
Art Ziegen, aus deren Wollhaar Schale verfertigt werden. Esel
werden als Reit- und Packtiere gebraucht. Zu ersterem Zweck
werden groPe, zu letzterem kleinere aber ausdauernde Esel ver-
wendet. Auch die Isfahanschen Maulesel sind erwahnenswert,
die eine Kreuzung von Eseln und Isfahanschen Stuten sind. Diese
Maultiere haben einen gropen Kopf, eine gemusterte Mahne, einen
entsprechenden Korperbau und ein entsprechendes Gewicht. Sie
wurden in die englische Armee wahrend des afghanischen und
abessynischen Krieges in groper Menge eingestellt und leisteten
gute Dienste.
Die Nomaden besitzen grope Herden von Schafen, nach wel-
chen in dem Lande selbst grope Nachfrage ist. Rindvieh ist wenig
vorhanden und wird mehr zum Arbeiten als zum Schlachten ge-
braucht. Die Perser lieben kein Fleisch und konnen es leicht
■— 54 —
entbehren. Aus den Kamelhaaren werden Woilachs in groPer
Menge angefertigt; im Friihjahr wahrend des Haarens wird das
Kamelhaar in Biischeln gesammelt.
Lebendes Vieh wird nach Rutland, Indien und den arabischen
Hafen ausgefiihrt. Im Jahre 1892 betrug die Ausfuhr:
nach Rupland 666332 Pud,
nach Indien 15000 Stiick Vieh, 737 Pferde.
Die Ausfuhr aus Persien von Produkten der Viehzucht im
Jahre 1892:
nach Rupiand aus Aserbeidjan und Kurdistan;
Kase, Butter und Talg
ungegerbte Haute und Felle
gegerbte
wilde Tiere
Wolle und wolliges Ziegenhaar
nach Rupland aus Karadagh, Hamadan, Schiras
und den am Kaspischen Meere gelegenen Provinzen:
ungegerbte Haute und Felle
gegerbte
wilde Tiere
Wolle und wolliges Ziegenhaar
nach Rupiand aus Chorassan und Jesd:
Kase und Butter
ungegerbte Haute und Felle
Wolle und wolliges Ziegenhaar
gegerbte Haute und Felle
Jahrlich werden an Wolle 328125 Pud gewonnen.
Die Frauen der Nomaden beschaftigen sich auPer mit den
Wirtschaftsarbeiten mit dem Weben von Matten, Lagerdecken
und Teppichen. Obwohl die Arbeiten grob sind, haben sie dennoch
einen guten Absatz in den Stadten.
Eine wichtige Einnahmequelle ist die Perlenfischerei im per-
sischen Golf, die jahrlich 21 — 24 Millionen Rubel einbringt. Sie
findet in den Sommermonaten an der Kiiste der Bahreininseln,
die sich im Besitz der Englander befinden, bis zur Insel Ras-el-Kuh
statt. Viele persische Kiistenbewohner beschaftigen sich mit
5500 Pud
11000
>>
15500
}>
2080
>>
6500
>>
zen:
8000 Pud
5500
>j
8200
>>
1200
>>
2500 Pud
30000
>>
12000
>»
7500
»»
— 55 —
diesem Erwerbszweige; sie arbeiten vom Aufgange bis zum Unter-
gange der Sonne und tauchen oft bis zu einer Tiefe von 30 m.
Sie bleiben durchschnittlich 3, manche auch 5 Minuten unter
Wasser, indem sie die Ohren verkleben und in die Nase eine
Rohre aus Horn stecken. Haben sie einige Jahre so gearbeitet,
verlieren sie das Gehor, kommen von Kraften und der Korper
bedeckt sich mit Geschwiiren. Die Perlenfischer werden oft
durch Seerauber gefahrdet, die sich nicht nur damit begniigen,
ihnen die Perlen abzunehmen, sondern auch sie haufig ermorden.
Um den Raubereien ein Ende zu machen, schickt der Scheich
der Bahreininseln zum Schutze der Perlenfischer armierte Schiffe
ab, und als Entgelt erhalt er von jedem Fang 1 — 10 Perlen-
muscheln. Gro^e Perlen werden selten gefunden, und nur an
den tiefsten Stellen. Die Perlen werden, bevor sie auf den Markt
kommen, nach ihrer GroPe, Form und Farbe sortiert und auf-
gereiht. Die Europaer ziehen die weipen den gelben Perlen vor,
wahrend die Inder die letzteren mehr schatzen, so dap diese fast
allein nach Indien gehen. Die persischen Perlen gelten als besser
als die bei Ceylon gefundenen, die nicht sehr fest sind, sich
schalen und ihre Farbe schnell verlieren.
An Mineralien ist Persien sehr reich: es kommen hier aus-
gedehnte Kupfer-, Steinkohlen-, Blei- und Eisenlager vor. Stein-
kohlen sind erst spat gefunden; man fangt aber schon an, sie
auszubeuten. Die Arbeiten stehen unter der Leitung des Finanz-
ministeriums, das aber sie wenig gefordert hat. Sie wurden in
ganz primitiver Weise, ohne jede neuere technische Vervoll-
kommnung ausgefiihrt. Die Schachte und alle Vorrichtungen zur
Ausbeute waren so schlecht angelegt, daP bestandig Brande und
Einstiirze vorkamen, so daP die. Arbeiter, welche iiberhaupt zu
dieser Arbeit geringe Neigung haben, sie aufgaben. Diese Um-
stande veranlapten den Schah, Anderungen eintreten zu lassen
und im Jahre 1889 den Bergbau der Kaiserlichen Bank zu unter-
stellen. Letztere war in demselben Jahre vom Baron Reuter
errichtet, welcher nunmehr das Monopol erhielt, die Mineral-
reichtiimer, deren Bearbeitung bis dahin nicht in Angriff ge-
nommen war, wo also noch keine Gruben bestanden, auszubeuten.
Nach einem Jahre wurde aber von der Kaiserlichen Bank der
Gesellschaft „Bank Mining Rights Corporation Society" die be-
ziigliche Konzession iiberlassen.
— 56 —
Die Gesellschait hatte grope Plane: sie begann die Arbeiten
gleichzeitig an verschiedenen Stellen, ohne ihre vorhandenen
Mittel, die weniger als eine Million Pfund Sterling betrugen,
in Rechnung zu ziehen und ohne die Verhaltnisse des Landes genau
zu kennen. Schon im Jahre 1893 war die Gesellschaft dem Bank-
rott nahe und hielt es fiir das beste, die angefangenen Arbeiten
in Teilen zu verkaufen. Trotz dieses Miperfolgs waren die von
der Gesellschaft erzielten Ergebnisse sehr wichtig, da dadurch
der Beweis geliefert war, daP auPerordentliche Mineralreichtiimer
in Persien vorhanden sind.
Kupferlager werden iiberall angetroffen, besonders im Nord-
osten Persiens. In Aserbeidjan sind die Bezirke Karadagh, wo
jetzt die Russen Gruben angelegt haben, und Hamse die reichsten.
In Chorassan: die Grube Hurkan, jetzt nicht im Betriebe; die
Gruppe der Kupfergruben siidlich von Sebsewar (bei den Dorfern
Gand, Homai, Nehru); die Gruppe der Gruben bei Baschau und
Dahane-Siah ist die kupferreichste; die Gruben bei Turschin (Sul-
tanabad), bei Turbete-isa-Chan; Pagale nordlich von Sebsewar; im
Bezirk Biardjumande (zwischen Schahrud und Turschis). Im Siid-
osten Persiens sind andere Lager von Kupfer gefunden: in Kale-
Siri und Teng-i-Mu-i-Asan ; auPerdem im Gebirge Kohrud und
zwischen Isfahan und Jesd.
Eisenlager befinden sich: im Bezirk Karadagh des Gebiets
Masanderan (bei Naidj (unweit Amul desselben Gebiets). Das Erz
enthalt 50 — 60 Prozent Eisen; unweit der Stadt Damgan in der
Provinz Astrabad; am See Niris in Farsistan; in der Provinz
Kirman; in Hunsar zwischen Teheran und Isfahan, wo das Erz
60 Prozent Eisen enthalt; in dem Bezirk Feridan mit Erzen mit
69 Prozent Eisen. Sumpfeisen ist in groper Menge siidwestlich von
der Enselibucht gefunden.
Blei kommt vor: in dem Chalchalschen Bezirk, 100 km von
Tabris; im Chamcheher Bezirk und in Masanderan. In Cho-
rassan liegen 7 Bleigruben, welche bis jetzt betrieben werden.
Wenn auch in der Provinz Kirman viel Blei vorkommt, so wird
doch wegen des teuren Transports wenig gefordert. Die be-
kanntesten Erzlager befinden sich in Kuhbenan, Djewarun, Magun,
Teng-i-Mu-i-Aspan und Kale-Siri.
Von den iibrigen Metallen findet man Quecksilber in dem
Bezirk Hamse, bei Ak-Dere, Gis-Kaman, sowie in dem Gebirge
— 57 —
Sardi-Kuh. Nickel und Kobalt sind 1891 in dem Nasuschen Bezirk,
Zink auch in dem Riicken Schah-Kuh und unweit Jesd entdeckt.
Manganerz ist 130 km von Kirman bei dem Dorfe Herusen
sowie in dem Naimschen Bezirk gefunden. Letzterer ist auch
an Schwefel und Asbest reich. Asbest kommt auch 140 km nord-
lich von Kirman, Graphit 10 km nordlich von Mendjil an dem
Wege nach Rustem-abada vor.
Inbezug auf die Kohlen und das Naphtha kann Persien in
einen nordlichen Kohlen- und einen siidlichen Naphthabezirk ge-
teilt werden. Auper in dem Viereck zwischen Kaswin-Talisch-
rucken und Schahrud-Astrabad, das ein zusammenhangendes Stein-
kohlenrayon sein soil, wird auch dieses Mineral in Chorassan
bei Firuse und Abokasch gefunden und ausgebeutet. In den be-
kanntesten Gruben Persiens wurden, wie Curzon in seinem Werke
„Persia and the Persian question 1892" angibt, im Jahre 1888
15000 Tonnen Steinkohlen gefordert, davon in der Umgegend von
Teheran 11000 und in den nordostlichen Gruben 4000 Tonnen.
In letzter Zeit hat sich die Menge der geforderten Kohlen nicht
vermehrt, was sich durch die primitivste und nicht zweckent-
sprechende Bearbeitung erklart, dazu kommt noch der Mangel
an Wegen, wodurch der Transport verteuert wird.
Naphthaquellen sind auf dem ganzen Kiistenlande des Per-
sischen Golfs vorhanden. Von Daliki ab ziehen sie sich nach
Nordwesten nach Ram-Hermus bis zum Karun hin. Die zwei bei
Daliki gefundenen Naphthaquellen veranlapten die Gesellschaften
„Goz & Sohn" und in der Folge „Minig-Rights", weitere Unter-
suchungen anzustellen, was aber keine wesentlichen Ergebnisse
hatte. Bei Ram-Hermus befinden sich 12 Quellen, von denen 3
22 Gallonen dunkles und 1 Gallone helles Naphtha taglich geben.
Siidostlich von Schuster gibt es 6 Quellen, von denen eine ein
tagliches Ergebnis von 34 Gallonen 01 hat. Nordlich von Schuster,
in einer Entfernung von 113 km, geben die Quellen bei Goft-Scheid
t-aglich 30 Gallonen Naphtha.
Nach einer Nachricht des „Journal des Debats" traf im April
1902 in Teheran ein englischer Kapitalist ein, um eine Konzession
zur Ausbeutung der reichen Naphthafundorte, die in dem west-
lichen Persien, in der Provinz Ardilan, nicht weit von der tiir-
kischen Grenze, vorhanden sind, zu erhalten. Er zahlte der Re-
gierung des Schahs eine halbe Million Franken, wofiir ihm die
— 58 —
Konzession erteilt wurde. Er bildete eine Aktiengesellschaft,
um die Naphthaquellen in Ardilan nutzbar zu raachen. Die Ge-
sellschaft beabsichtigt, ein System von Kanalen zu bauen, in
welchen das Naphtha zur Miindung des Karun geschafft werden
soil, von wo aus man es dann auf Schiffen nach den Markten
des persischen Golfs transportieren will. Wenn die Unternehmung
von den Englandern verwirklicht wird, werden sie, wie die Zeitung
meint, daraus einen groPen Gewinn erzielen und ihren EinfluP
an den Ufern des persischen Golfs verstarken. Ein Hindernis fiir
die Ausfiihrung des Unternehmens sieht das Blatt in der Feind-
schaft der kriegerischen Stamme, welche zwischen Ardilan und
dem persischen Golf wohnen, gegen die Europaer, so dap ein
Erfolg zu bezweifeln sei.
Die Gewerbe haben sich in Persien noch wenig entwickelt.
Es bestehen nur Kleinbetriebe, deren Arbeiter lediglich Familien-
mitglieder sind. Selten sind es ganze Korporationen von Hand-
werkern, welche die Arbeiten ausfiihren. Ein groPer Teil der
Bevolkerung beschaftigt sich mit der Anfertigung von seidenen
und baumwollenen Gegenstanden, mit dem Gerben von Hauten,
mit dem Weben von Teppichen und der Bearbeitung von Gold-
und Silbersachen. Trotz der primitiven Werkzeuge und auch
der nicht einfachen Arbeit sind die Seiden- und Baumwollgegen-
stande wegen ihrer Starke und Giite weltbekannt. Die von den
Persern hergestellten Gewebe sind meistens mit sehr hellen und
schonen Farben vortrefflich gefarbt, und in dieser Beziehung ist
das Verstandnis, die verschiedenartigen Farben herzustellen und
zu mischen, ihnen als besonderes Verdienst anzurechnen, wenn
man bedenkt, dap chemische Mittel ihnen nicht zu Gebote stehen.
Dazu kommt, daP die meisten Gegenstande sehr billig sind und
infolgedessen in groper Menge in Iran selbst und auch jenseits
seiner Grenze verbreitet sind. So wurden nach Rupiand liber den
Kaukasus im Jahre 1892 14500 Pud von Baumwollgeweben aus-
gefiihrt.
Noch hoher steht die Anfertigung von Teppichen, die be-
sonders ihrer Farben wegen sehr wertvoll sind, zumal diese selbst
bei heipem Sonnenschein nicht ausbleichen. Die Teppiche werden
in den Bezirken hergestellt, in denen die Viehzucht vorherrscht.
Die Stickerei wird hauptsachlich von den Frauen ausgefiihrt.
Am bekanntesten sind die Teppiche, die in Isfahan, Kirman und
Jesd angefertigt werden.
— 59 —
Nach Rupiand wurden Teppiche ausgefiihrt: im Jahre
1891 im Werte von 400000 Rubel
1892 „ „ „ 250000 „
1893 „ „ „ 232000 „
1894 „ „ „ 271000 „
Auf die Teppiche entfallen annahernd 25 Prozent der ganzen
Ausfuhr aus Persien. Bei der kunstvollen Arbeit, der Sorgfalt
und Akkuratesse der Stickerei ist auch in Zukunft fiir die Teppiche
kein Wettbewerb zu befiirchten.
Die Lage der Weber ist aber nicht beneidenswert: sie miissen
in Schuppen, Kellern und iiberhaupt in den schlechtesten Raumen
arbeiten, wo sie sich vor der Sonne schiitzen und ein Wasser-
bassin anlegen konnen, damit das Material biegsam und elastisch
bleibt. Diese ungiinstigen Verhaltnisse schadigen die Gesundheit
von hunderten von Arbeitern, und dennoch ist der Arbeitslohn nur
gering. Fiir das Weben eines Schals im Werte von 1000 Franken
betragt die reine Einnahme nicht iiber 400 Franken. Drei Weber
arbeiten zusammen ein Jahr daran und erhalten dafiir hochstens
35 Centimes fiir den Tag.
Sehr viele Leute sind auch Schuhmacher und haben als
solche eine auPerordentliche Fertigkeit erlangt. Ihre Arbeiten,
besonders die Pantoffeln, sind mit Stickereien versehen. Das zu
der Anfertigung der Fupbekleidung verwendete Leder ist besser
als das tiirkische. Fiir die Pantoffeln und leichten Schuhe nimmt
man Chagrinleder. Die daraus angefertigten Arbeiten sind
billig und werden gern von den Stadtbewohnern gekauft.
Die Herstellung von Papier aus Baumwolle ist seit lange
bekannt. Der Hauptbestandteil des Papiers ist Baumwolle, der
man, je nachdem das Papier mehr oder weniger grob sein soil,
Reisstroh, Hanfsamen, Nesseln zusetzt; bei besonders gutem Papier
besteht die obere Lage aus Seidenkokons. Der letztere Umstand
hat dazu gefiihrt, dap die Europaer annehmen, dap das persische
und auch das chinesische Papier aus Seide gemacht wiirde. Das
persische Papier ist weip und auPerordentlichglatt; damit die Tinte
nicht durchdringt, wird es mit einer dicken Lage von Beize versehen.
Besonders hervorzuheben ist auch die Kunst der Perser,
Sabelklingen, Metall- und andere Arbeiten mit Gold oder Silber
auszulegen, Besonders beriihmt sind in dieser Beziehung die
chorassanschen Klingen, welche, wenn auch nicht ihrer Giite,
— 60 —
so doch dem Preise nach hoher stehen als die in Damaskus her-
gestellten.
In letzter Zeit haben die Europaer die Perser auch in der
Anfertigung von Feuerwaffen unterwiesen, mit deren Fabrizierung
nach und nach in den einheimischen Arsenalen der Anfang ge-
macht wird.
Die Gold- und Silberarbeiter fassen Edelsteine in sehr kunst-
voller Weise. Die Bewohner von Isfahan und Schiras verstehen
es besonders, die Nargilehs mit getriebenem Gold und Silber,
das mit Edelsteinen ausgelegt ist, zu verzieren.
Tischlereien und Glasarbeiten sind wohl vorhanden, aber die
Perser leisten in dieser Beziehung nichts Hervorragendes, was zu
beachten sein diirfte.
In der Herstellung von wohlriechenden Essenzen iibertreffen
die Perser alle Asiaten. Sie wenden alle moglichen Mischungen
an, um deren Eigenschaften zu vervielfaltigen, so daP es auper-
ordentlich viel Sorten gibt. Am meisten wird Rosenwasser ge-
macht, das fiir das beste in der Welt gilt. Es wird in groper
Menge verkauft und steht hoch im Preise, so dap grope Einnahmen
erzielt werden. Ganze Felder sind mit Rosen bepflanzt. Das
Rosenol wird destilliert, indem eine gewisse Menge Rosen-
blatter mit li/gmal mehr Wasser begossen wird. In diese Masse
giept man dann noch destilliertes Wasser, schiittet es in flache
GefaPe und setzt diese der Luft aus. Nach einiger Zeit bildet
sich auf der Oberflache Rosenol, das dann sehr vorsichtig abge-
schopft wird.
Trotz all dieser verschiedenartigen Zweige der Erwerbs-
tatigkeit ist sie im allgemeinen im Niedergange begriffen und
ist nicht imstande, mit den europaischen Fabrikaten in Wett-
bewerb zu treten. In den letzten Jahren wurden Versuche ge-
macht, die persische Industrie zu heben; es wurden Fabriken in
derUmgegend von Teheran und in anderenStadtenangelegt; ihre
schlechte Organisation aber, die Tragheit der Bevolkerung, die
Teuerung des Brennmaterials und endlich die hohen Abgaben und
die driickende Einwirkung der Verwaltung fiihrten dazu, daP
die Fabrikate teuer und schlecht wurden, was die Nachfrage ver-
minderte, so daP das Unternehmen miPgliickte. Unter solchen Um-
standen iiberfluteten auslandische Fabrikate Persien, und trotz
ihrer bisweilen schlechten Beschaffenheit wurden sie in alien
Stadten gekauft.
— 61 —
Wir gehen nun zur Besprechung der Handelsverhaltnisse
Persiens iiber, die von besonderer Wichtigkeit fur die Beziehungen
Ruplands zu Persien sind. Es ist England, das in erster Linie in
Wettbewerb mit Rupland tritt, wenn auch Deutschland, Frank-
reich und andere Staaten hier Interessen zu vertreten haben.
Dap der Handel Persiens nach aupen schon sehr entwickelt ist,
diirfte kaum zu behaupten sein. Dieser sowohl wie der Handel
im Innern werden hauptsachlich durch die schlechten Kommuni-
kationen gehemmt. Nur Karawanen vermitteln vorerst den Aus-
tausch der Waren. Diese bestehen oft aus mehreren Hunderten
von mit Waren beladenen Kamelen oder Maultieren. Erstere
werden in den ebenen Gegenden, besonders bei Durchschreitung
von Wiisten, letztere in den gebirgigen Gegenden im Westen Per-
siens benutzt, wo keine breiten Wege, sondern nur Saumpfade
vorhanden sind. Die Marsche werden oft in der Nacht ausgefiihrt,
um die niederdriickende Hitze am Tage zu vermeiden. Die Kara-
wanen legen in einem Marsch durchschnittlich 27 — 35 km zuriick,
um gegen Morgen zu den Brunnen zu gelangen, wo gerastet wird,
Es bestehen 16 Strapen, die „schahsche" genannt werden, besser
gebaut sind und an welchen in gewissen Entfernungen Stationen
fiir den Postdienst sich befinden. Bei diesen Stationen sind Kara-
wansereien gebaut, in welchen Leute und Tiere Unterkunft und
Ruhe finden. Sie sind durch den Schah Abbas angelegt, waren
bequem eingerichtet, sahen hiibsch aus und waren geraumig.
Im Laufe der Zeit sind sie aber niemals ausgebessert und sind zu
vollstandigen Ruinen geworden. So hatte z. B. die friiher be-
riihmte Karawanserei in Sebsewar, in der Provinz Chorassan,
700 Zimmer und konnte mehrere Tausend Leute und Tiere unter-
bringen, jetzt ist sie vollstandig verfallen. In demselben Zu-
stande befinden sich auch die von Abbas gebauten Briicken, die
so gefahrlich sind, daP man sich scheut, nicht nur hiniiber zu
fahren, sondern auch sie zu FuP zu iiberschreiten.
Die HaupthandelsstraPen Persiens, die dem internationalen
Handel dienen, lassen sich in 3 Gruppen teilen:
In der 1., nordwestlichen Gruppe haben die Wege Tiflis-
Djulfa-Tabris und Trapezunt-Erzerum-Choi-Tabris eine wichtige
Bedeutung. Die erstere StraPe kann als eine russische bezeichnet
werden, da sie nur fiir Rupiand von Wichtigkeit ist; letztere ist
eine englische, da sie hauptsachlich den Handel Englands ver-
mittelt. Die Entfernung von der an der persischen Grenze ge-
— 62 —
legenen Stadt Djulfa bis Tabris betragt etwa 150 km. Auf einer
Strecke von 35 km ist der Weg sehr beschwerlich; er steigt zwischen
zwei hohen Bergen in dem Bette eines Gebirgsf lusses, der zeitweise
fast ausgetrocknet ist, aufwarts. Nach dem Austritt aus dieser
Schlucht folgt man einer vorziiglichen Fahrstra^e iiber das Ort-
chen Tschirtschir nach Marand; die Karawanen und Reiter nehmen
aber den Weg, der iiber Arsandebil nach Marand fiihrt. Bei
letzterem Orte verzweigt sich der Weg: der Fahrweg fiihrt iiber
das Dorf Jasch nach Sofian, wahrend die KarawanenstraPe auf
einem abschiissigen schmalen Karnis durch die Schlucht Schardere
nach Sofian sich hinzieht. Zwischen Sofian und Tabris liegt eine
vorziigliche Ebene, die vollstandig fiir Wagen geeignet ist. Die
Waren werden auf Kamelen und Pferden transportiert; erstere
legen die Strecke in 6 — 10, letztere in 2 — 3 Tagen zuriick.
Curzon gibt den Warenumschlag der Stadt Tabris im Werte
von 1200350 Rubel als Einfuhr nach Rupiand, und von 222200
Rubel als Ausfuhr an.
Die andere Strape besteht schon seit langer Zeit. Die ganze
Strecke betragt 960 km, davon auf persischem Territorium 360 km.
Bis Erzerum ist der Weg in gutem Zustande; die Waren konnen
sogar in Wagen transportiert werden. Von Erzerum bis Tabris
miissen sie auf Tragtieren, hauptsachlich auf Kamelen, fortge-
schafft werden. Ihre Last darf nicht 200 — 250 kg iibersteigen.
Die Zeit fiir den Marsch von Trabezunt nach Tabris wird ver-
schieden angegeben: Curzon berechnet sie mit 172 Stunden, wah-
rend Tomara 60 — 70 Tage im Sommer und 35 — 40 Tage im Winter
angibt. Curzons Angabe kann aber nicht als Norm gelten, da es
besonders auf dem persischen Territorium an Kamelen fehlt und
ein so schneller Transport sehr teuer ist. Die Kosten fiir einen
Packen von 230 kg schwanken zwischen 5 Tuman (10 Rubel) und
25 Tuman (50 Rubel).
Die Handelsumschlage auf diesem Wage betrugen nach Curzon
im Jahre 1889:
in Tabris: Einfuhr im Werte von 8538910 Rubel
Ausfuhr „ „ „ 3894560 „
12433470 Rubel
in Trapezunt: Einfuhr aus England i. W. von 5740400 Rubel
Ausfuhr nach „ „ „ „ 361000 „
6101400 Rubel
r- 63
Folglich fallen 68 Prozent der Einfuhr und fast 10 Prozent
der Ausfuhi- England zu.
Von den weniger bedeutenden HandelsstraPen dieser Gruppe
ist der Weg von der Schatinskischen Haltestelle (bei dem Einflu(3
der Aktschai in den Aras) nach Choi und Urmia hervorzuheben.
Die Waren miissen mit Kamelen transportiert werden, die die
StraPe bis Choi in 4 — 7, bis Urmia in 10 — 13 Tagen zuriicklegen.
Die Kosten fiir den Transport eines Packens betragen bis Choi 3,
bis Urmia 4 Rubel.
Der Weg von Astara (am Kaspischen Meere) iiber Ardebil
nach Tabris ist der wichtigste von alien Strecken des nordlichen
Rayons, und ware er in einem etwas besseren Zustande, wiirde er
wahrscheinlich zum Transport aller Waren, die iiber die kauk-
kasische Grenze gehen, dienen.
Der aupere Handel Astaras bezifferte sich in den Jahren
1886—1891 auf folgenden Wert:
1886 Ausfuhr 371452, Einfuhr aus Rupiand 1309809 Rubel
1887
437536,
1281159 „
1888
469519,
1599318 „
1889
524041,
1987162 „
1890
649262,
1682717 „
1891
791324,
1095117 „
3243094
8955282 Rubel.
Die Einfuhr iiberstieg die Ausfuhr in diesen 6 Jahren um
5712188 Rubel.*)
Der Seehandel Astaras in demselben Zeitraum stellt sich in
folgenden Werten dar:
1886 Ausfuhr 132426, Einfuhr — Rubel
1887 „ 58614,
1888
96210,
1889
37258,
1890
18764,
1891
32327,
3643 „
Vergleicht man diese Tabellen, so ergibt sich, daP der See-
handel Astaras sich um 100000 Rubel vermindert hat und im
Vergleich zu dem gesamten auperen Handel dieser Gegend un-
*) Im Jahre 1892 stieg die Ausfuhr auf 124 268 Rubel, wahrend die Ein-
fuhr 1092 388 Rubel betrug; 1893 erreichte die Ausfuhr 380 716 Rubel, wahrend
die Einfuhr auf 1 958 091 Rubel wuchs.
-. 64 —
wichtig ist. Es ist das durch die Unbequemlichkeit des Hafens
und durch die hohen Frachten begriindet, so daP die Kaufleute
den Landweg vorziehen. Der Transport der Waren von Astara
bis Nun-Keran erfolgt nur auf Pferden, von Nun-Keran bis
Ardebil auf Kamelen. Infolgedessen werden der Transport der
Waren und die Karawanen durch das Umladen aufgehalten, so
dap die 60 km lange Strecke bisweilen in einem Monat zuriick-
gelegt werden kann. Der Transport auf der 200 km langen Strecke
von Ardebil bis Tabris dauert 7 — 10 Tage. Die Transportkosten
fiir einen Packen betragen bis zu 15 Kran (15 Franken).
Die grope Wichtigkeit der Strecke Astara-Tabris fiir den
Handel Ruplands mit dem westlichen Persien Hep oft den Ge-
danken entstehen, dap es wiinschenswert sei, hier einen Fahrweg
Oder wenigstens einen gefahrlosen Karawanenweg anzulegen. Im
Jahre 1888 gab der Schah dem Prinzen Nasred-el-Doule eine Kon-
zession auf 5 Jahre, um diesen anzulegen und in Betrieb zu setzen.
An dem Unternehmen sollten sich die Kaufleute beteiligen und
zwar sogar die Halfte der Ausgaben tragen; letztere aber fiirch-
teten die Bedriickungen der Behorden, so dap bis znm Jahre 1893
noch nicht dazu geschritten war, den Weg anzulegen. Die Kon-
zession ist verlangert worden, aber mit dem Vorbehalt, dap nur
„persische Untertanen sich an dem Bau beteiligen diirfen".
In der 2. oder nordlichen und nordostlichen Gruppe, die als
russische Gruppe bezeichnet werden kann, sind die wichtigsten
Wege 1. Enseli-Kaswin-Teheran und 2. Meschhed-Teheran.
Von Enseli aus, einem Hafen an einer schmalen Landzunge,
die das Kaspische Meer von der seichten Bucht Murdab trennt,
werden die Waren auf einer Dampfbarkasse befordert. Der Fahr-
weg beginnt erst bei dem Dorfe Nir-i-Basar an der Miindung des
Schah-Rudbar und fiihrt nach Rescht und Sefid-Ketle. Von hier
ab bis Kaswin ist der Weg sehr beschwerlich und nur auf der
Strecke Mendjil - Paitschinar ertraglich. Bei der Charsanschen
Hohe ist der Aufstieg schwierig und im Winter gefahrlich; dann
aber ist der Weg bis Teheran eben und schon jetzt fiir Wagen
benutzbar.
Das beschwerliche Fortkommen auf dieser fiir Rupiand so
wichtigen Handelsstrape veranlapte L. S. Poljakow, den Schah
um die Konzession zu bitten, eine Chaussee zwischen Kaswin und
Enseli bauen zu diirfen. Von Regierungsingenieuren und dem
Stabskapitan Glinojezki wurden beziigliche Untersuchungen an-
— 65 —
gestellt: die Chaussee soil fast an alien Punkten des genannten
Wege.g vorbeifiihren.
Die Transportkosten fiir einen Warenballen betragen von Per-
basas bis Rescht einen Kran (einen Franken), fiir eine Tonne
Zucker 6 Kran; von Rescht bis Teheran 1 Kran 3 Schahstiicke
(1 Franken 15 Cent.) bis 3 Kran fiir 6 kg.
Die Strecke von Rescht bis Teheran wird im Herbst in 8 — 9,
im Winter in 15 — 20, im Friihjahr in 11 — 12, im Sommer in 9
bis 10 Tagen znriickgelegt.
Eiu Kamel tragt 12 — 14, ein Maultier oder Pferd 10, ein Esel
5—6 Pud.
Zu Pferde kann man in 3 — 4 Tagen von Rescht nach Teheran
gelangen.
Der Warenuraschlag auf diesem Wege betrug im Jahre 1883:
Einfiihr im Werte von 3764430 Rubel
Ausfuhr im Werte von 2592500 „
6356930 Rubel.
Von Meschhed nach Teheran (958 km) fiihrt ein guter Post-
trakt, der fiir Wagen vollstandig geeignet ist. Die 24 Stationen
liegen je 25 — 45 km voneinander entfernt. Die Karawanen brau-
chen 24 — 36 Tage, um von Meschhed nach Teheran zu gelangen.
Der Warenumschlag auf diesem Wege hatte einen Wert von:
1797460 Rubel fiir die Einfuhr,
1357100 „ fiir die Ausfuhr
3154560 Rubel.
Von den anderen wichtigen Wegen dieses Rayons sind die
Wege von Teheran nach Meschedisser (am Kaspischen Meere)
zu beachten. Der eine derselben, der bequemste, fiihrt an De-
mawend vorbei nach Amol, Barferusch und Meschedisser (269 km).
Die Karawanen legen diesen Weg in 5 — 9 Tagen zuriick. Die
Transportkosten betragen je nach der Jahreszeit 12 — 20 Rubel
fiir I81/0 Pud.
Bevor der Verkehr auf der Transkaspischen Eisenbahn er-
offnet war, diente Gjaur- (bei Kisil-Arwat) -Schahrud-Bastam als
wichtige HandelsstraPe, deren Warenumschlag sich auf einen
Wert von 3 739 200 Rubel belief, wahrend er im Jahre 1889 den
Wert von 719000 Rubel (519000 fiir die Einfuhr und 200000
fiir die Ausfuhr) erreichte.
Die Beziehungen RuMands zu Persien. 5
— 66 —
Die Warenumschlage auf dem Wege Aschabad-Meschhed
haben sich dagegen bedeutend vermehrt; die Einfuhr aus Rupland
hatte 1889 einen Wert von 1 104000 und aus England einen solchen
von 843000 Rubel (234290 Rubel aus Trapezunt und 608710 Rubel
aus Bender-Abbas).
Die 3. Gruppe der siidlichen oder siidwestlichen Handels-
strapen befindet sich in der Sphare des Einflusses Englands.
Als Ausgangspunkte am Persischen Golf dienen die Hafen Buschir,
Bender-Abbas, Mohammer und Bassora. Der Weg von Buschir
fiihrt iiber Schiras, Isfahan nach Teheran. Der Weg Buschir-
Schiras verzweigt sich: ein Zweig fiihrt nach Kaserun, der andere
nach Firusabad. Wenn auch der letztere abschiissiger ist, so ist
er doch dem ersteren vorzuziehen, indem er fast 60 km kiirzer
ist. Auf dem Wege Buschir-Schiras liegen 10 Stationen, die
durchschnittlich 20 — 46 km voneinander entfernt sind. Zur Be-
forderung der Waren dienen Maultiere und Esel; Kamele werden
wegen der Aufstiege nicht verwendet. Fiir die Zuriicklegung
der 320 — 314 km langen StraPe gebrauchen die Karawanen 10
bis 14, im Friihjahr 20 Tage. Die Transportkosten schwanken je
nach der Jahreszeit, der Art der Waren, dem Gewicht der Ballen
und je nach der Richtung von Buschir nach Schiras oder umge-
kehrt. Die auPersten Grenzen der Transportkosten sind 1 Rubel
60 Kopeken bis 2 und 10 Rubel.
Die Englander wollen von Buschir nach Schiras einen Fahr-
weg oder sogar eine Eisenbahn bauen. Aber Tomara bezweif elt sehr
die Moglichkeit: der Weg ist seiner Meinung nach einer der
schwierigsten in Persien.
Von Schiras nach Isfahan transportieren Kamele die Waren.
Auf der Strecke von Schiras bis Sirgan, auf der 117 km langen
Strecke von Kumabadom bis Chan-i-Chore ist der Weg beschwer-
lich; auf den anderen 383 km ist er gangbar und zur Anlage eines
Fahrwegs geeignet. Der Weg von Isfahan nach Teheran (473 km)
ist vorziiglich und nur iiber das Kohrudgebirge verhaltnismapig
schwierig.
Von Kum bis Teheran sind 3 Wege vorhanden: die alte Ka-
rawanenstrape, der Fahrweg, der in den Jahren 1883 — 1884 fiir
die Reise der wohlhabenden Pilger gebaut ist, und die Chaussee,
welche von einer englischen Gesellschaft in Riicksicht auf die
Karunfrage angelegt ist. Die Dauer des Transports der Waren
betragt 16 — 30 Tage; die Kosten stellen sich auf 6 — 16 Rubel.
— 67 —
Von Bender- Abbas nach Jesd gibt es 2 Wege: Kirman-Jesd
und Seidabad-Jesd, von wo die StraPen nach Meschhed, Isfahan,
Kaschan-Teheran ausgehen. Sie sind verhaltnismapig nicht be-
schwerlich: bis Kirman und Seidabad ist ein Gebirge, weiter eine
Wiiste vorhanden. Die 907 km lange Strecke zwischen Bender-
Abbas und Jesd durchschreiten die Karawanen in 30 Tagen; die
Transportkosten fiir 226 kg stellen sich auf 30 — 40 Rubel, Dieser
Weg ist als Verbindung zwischen Chorassan und den Hafen des
persischen Golfs wichtig, hat aber fur Zentralpersien wegen seiner
Lange und der Gefahrdung durch die Stamme Balutschistans eine
geringe Bedeutung.
Der Handelsweg von Mohammer beschaftigte im Jahre 1858
die Englander in hohem Mape, da er als ein Weg dienen soUte,
um den russischen Handel vollstandig zu vernichten. Die kaiser-
lich persische Bank baute aber nur die StraPe von Teheran bis
Sultanabad (160 km), hielt einen Weiterbau fiir unvorteilhaft
und benutzt nur die Strecke Teheran-Kum.
Die Warenumschlage des Hafens Mohammer bezifferten sich
im Jahre 1893 auf folgende Werte:
Einfuhr 1120980 Rubel
Ausfuhr 874720 „
1995700 Rubel.
Es gibt noch den Weg von Bassora nach Zentralpersien. Die
Waren werden zuerst auf englischen Dampfschiff en oder von einer
einheimischen Gesellschaft (Oman Ottoman Co.) auf dem Tigris
bis Bagdad geschafft, von wo nur Karawanen den Transport nach
der Grenzstadt Hanikin und weiter nach Kermanschah, Hamadan
und Teheran iibernehmen. Der Weg ist 875 km lang und mit
Ausnahme der 213 km langen Strecke von Hanikin bis Kerman-
schah bequem, groptenteils eben und gut. Die Kosten fiir den
Transport eines Ballens betragen 8 — 10 Tuman (80 — 100 Franken).
Die Raubereien der Nomaden, die zweifachen Zollabgaben und
die Handelsucht der tiirkischen Behorden hindern aber die Ent-
wickelung des Handels in hohem MaPe.
Der Wert der Handelsumschlage auf diesem Wege betragt
jahrlich:
Einfuhr nach Persien 2700000 Rubel
Ausfuhr 952000 „
3652000 Rubel.
5*
— 68 —
Noch vor fiinfzig Jahren war fast der ganze Handel Persiens
in den Handen Englands, das bis zur letzten Zeit keinen ihm
gleichen Wettbewerber hier hatte. Die Ausfuhr Rupiands nach
Persien betrug etwas iiber 1 Million Kreditrubel, wahrend die
Einfuhr sich auf etwa S^/o Millionen bezifferte, so da(3 der Export
fast dreimal geringer war als der Import. U-nter diesen Umstanden
wandte die russische Regiernng dieser anormalen Lage des rus-
sischen Handels mit Persien eine ernste Aufmerksamkeit zu und
erreichte durch fortwahrende MaPnahmen, daP der Wert der Ein-
fuhr jenem der Ausfuhr gleichkam. Zu diesen MaPnahmen gehorte
die Gewahrung einer Pramie auf Baumwolle und hauptsachlich
die Abstellung eines zollfreien Imports uber die kaukasische Grenze,
was im Jahre 1883 erfolgte. Von dieser Zeit ab stieg der Handel
schnell und wurde allmahlig zu einem russischen Monopol in dem
ganzen Norden und Osten Persiens. So stieg in den Jahren 1887
bis 1897 die Ausfuhr nach Persien von 8 Millionen auf 16 Millionen
und die Einfuhr nach Rupiand von 9 Millionen auf I81/9 Millionen
an. Somit vermehrten sich in diesen 10 Jahren die Einfuhr und
die Ausfuhr um das Doppelte und es wurde ein ziemlich leidliches
Verhaltnis zwischen der einen und der anderen hergestellt, so
dap der Import den Export im ganzen um 2V2 Millionen iiber-
steigt.
Trotz eines so schnellen Wachsens der russischen Warenum-
schlage Persien gegeniiber hat England dessenungeachtet vorerst
noch den Vorrang, das Waren im Werte von iiber 24 Millionen
nach Persien einfiihrt. Folglich sind die Erfolge Ruplands noch
nicht geniigend, erst durch den Bau einer Eisenbahn (s. u.) ist zu
erreichen, dap der russische Handel Persien beherrscht, „wozu",
wie Rittich sagt, „RuPland als nachster Nachbar berechtigt ist".
Die Gesamtsumme des Aupenhandels Persiens betrug im Jahre
1898 60768850 Rubel, wovon 39789840 Rubel auf die Einfuhr
und 21009010 Rubel auf die Ausfuhr entf alien. Diese ganze
Summe verteilt sich nach den Berichten der englischen Konsuln in
Buschir, Rescht, Bagdad, Trapezunt und Meschhed folgendermapen:
A. von Siiden:
1. aus Buschir bis Schiras, Isfahan und Teheran:
Einfuhr 1897 11453290 Rubel
Ausfuhr 1897 3925320 „
— 69 —
2. Aus Bender-Abbas bis Kirman und iiber Jesd bis Meschhed
und Zentralasien:
Einfuhr 1897 3815620 Rubel
Ausfuhr 1897 2307810 „
3. Lingeh (am persischen Golf); die Einfuhr verteilt sich
hauptsachlich auf die Umgegend oder die Waren werden von hier
in entgegengesetzter Richtung ausgefiihrt:
Einfuhr 1897 4424720 Rubel
Ausfuhr 1897 3847140 „
4. Aus Mohammer nach Schuster, Disful und weiter:
Einfulir 1897 1214070 Rubel
Ausfuhr 1897 874730 „
5. Aus Bagdad nach Hanikin, Kirmanschah, Hamadan und
Teheran. 1/3 — 1/4 der Einfuhr geht als Transitware nach Persien:
Einfuhr aus Indien und Europa 1897 11826450 Rubel
Ausfuhr nach Europa und Amerika 5229600 „
B. von Norden:
Was die russischen Warenumschlage mit Persien betrifft, so
sind sie in den Berichten der englischen Konsuln zu niedrig an-
gegeben, so dap sie auf Grund der offiziellen Akten des Zoll-
departements sich wie folgt beziffern:
1. der russisch-persische Abschnitt der kaukasischen Grenze:
Einfuhr nach Persien 1897 1781507 Rubel
Ausfuhr nach Rupland 1897 4944086 „
2. Der kaukasisch-kaspische Abschnitt:
Einfuhr nach Persien 1897 9691123 Rubel
Ausfuhr nach Rutland 1897 6525077 „
3. In dem transkaspischen Zollbezirk:
a) zur See:
Einfuhr nach Persien 1897 1145467 Rubel
Ausfuhr nach Rupland 1897 251394 „
b) auf der Landgrenze:
Einfuhr nach Persien 1897 2552023 Rubel
Ausfuhr nach Rupiand 1897 3694063 „
^ 70 —
4. Nach Meschhed:
a) Einfuhr aus Afghanistan 1897—98 121780 Rubel
Ausfuhr nach Afghanistan 1897—98 158570 „
b) iiber Trapezunt, Tabris und Teheran:
Einfuhr 1897—98 266730 Rubel
c) aus Indien iiber Bender- Abbas:
Einfuhr 1897—98 1302820 Rubel
Ausfuhr 1897—98 400830 „
Aus dieser Obersicht ist ersichtlich, daP der Wert der Einfuhr
von Siiden 31 Millionen Rubel, von Norden aber nur 16 Millionen
betragt. Die Ausfuhi* von Siiden beziffert sich auf 16 Millionen
Rubel, von Norden dagegen auf 18 Millionen Rubel. Folglich
bef inden sich alle europaischen Staaten in den vorteilhaf testen Ver-
haltnissen, denn ihre Ausfuhr ist zweimal so grop wie ihre Einfuhr,
wahrend Rupiand 2 Millionen Rubel und mehr Persien jahrlich
auszuzahlen hat. Besonders ungiinstig ist dieser Umstand inbezug
auf den Warenaustausch an der kaukasischen Grenze, wo die Aus-
fuhr nach Rupiand dreimal so groP ist wie die Einfuhr nach Persien.
Nur der Bau einer Eisenbahn nach Tabris (s. u.) kann hier Wandel
schaffen; dann wird die Nachfrage und das Angebot regelrechter
werden, so dap diese unliebsame Erscheinung nicht nur verschwin-
det, sondern auch iiberhaupt ein Umschwung bewirkt wird.
Vergleicht man jetzt den russischen Handel mit Persien in-
bezug auf den Welthandel Ruplands, so ergibt sich nach den Daten
der Obersicht des Aupenhandels fiir das Jahr 1896, dap dieses
Land ausschliepiich Reis einfiihrt; 98 Prozent der ganzen Einfuhr
aus dem Auslande entfallen auf Persien.
Apfelsinen, Zitronen und Pomeranzen aus Persien bilden 2 Pro-
zent der ganzen Einfuhr;
gegerbte Haute 20, ungegerbte 3, weiches Pelzwerk 17 Proz.;
auf rohe Baurawolle entfallen 7 Proz. der gesamten Einfuhr;
mehr als Persien liefern die Vereinigten Staaten (50 Proz.) und
Agypten (20 Proz.).
Inbezug auf die Einfuhr von Wolle steht Persien nach Deutsch-
land (50 Proz.) an zweiter Stelle (14 Proz.), fast gleich mit China;
Rohseide 2 Proz.,
Baumwollgewebe 11 Proz.,
Woll- und Halbwollgegenstande 13 Proz.,
^ 71 —
Seiden- und Halbseidengegenstiinde 19 Proz.; Persien nimmt
nach China (51 Proz.) die zweite Stelle ein.
Strick- und Posamentierarbeiten 14 Proz.
Von den Staaten, die vorzugsweise Waren nach Rupland ein-
fiihren, nimmt Persien die dritte Stelle ein und steht nur den
Vereinigten Staaten und China nach.
Nach dieser Obersicht iiber die wirtschaftlichen und Handels-
verhaltnisse Persiens gehen wir nun zu den Beziehungen Rupiands
zu Persien iiber, wie sie sich seit dem Jahre 1856 bis auf die
neueste Zeit gestaltet haben.
Das Verhaltnis Rupiands zu Persien war von dem Jahre 1856
ab ein friedliches. So unterstiitzte der Schah Nasr-Eddin die
wissenschaftliche Expedition, die in den Jahren 1857 — 1859 von
der russischen Regierung zur Erforschung Chorassans entsendet
wurde. Im Jahre 1861 fand die Grenzregulierung zwischen Per-
sien und der Tiirkei statt. Wahrend der Englander Williams in
jeder Weise die Interessen Persiens der Tiirkei gegeniiber zu scha-
digen suchte, war es der russische Offizier Tschirow, der Persien
vertrat und dem es gelang, eine regelrechte Abgrenzung herbei-
zufiihren.
Rupiands Politik war Persien gegeniiber so uneigenniitzig,
dap es dessen Gebiet erweiterte, indem es den Flup Atrek als
russisch-persische Grenze annahm. Als dann die russische Re-
gierung beabsichtigte, Krassnowodsk an der Kiiste des Kaspischen
Meeres anzulegen, wurde dem russischen Gesandten am Hofe des
Schahs aufgegeben, der persischen Regierung zu eroffnen, daP
die Griindung dieses Kiistenpunktes den ausschliepiichen Zweck
habe, die Turkmenen zu befrieden, die beiden Reichen gefahrlich
waren.
England verfolgte vom Jahre 1857 ab nur wirtschaftliche
Interessen in Persien und lehnte alles ab, was ihm nicht zum eigenen
Nutzen diente. Als sich der Schah Nasr-Eddin im Jahre 1860 mit der
Bitte an England wandte, ihm fiir seine Armee Instruktoren zu
senden, wurde ihm nicht einmal eine Antwort zu teil. England,
eingedenk der in friiheren Jahren gemachten Erfahrung, war in
dem vorliegenden Falle der Ansicht, dap die Gewahrung der Bitte
des Schahs ihm keinen Vorteil bringen wiirde. Dafiir suchte
es aber Persien in jeder Weise wirtschaftlich auszubeuten. Der
Baron Renter beabsichtigte ein ausgedehntes Eisenbahnnetz (s. u.)
— 72 —
in Persien anzulegen, dessen Ausfiihrung das Land mit englischen
Fabrikaten iiberschwemmt und alle Erzeugnisse anderer Lander
ausgeschlossen haben wiirde. Die Gefahr wurde aber von der
russischen Regierung rechtzeitig erkannt und trotz aller An-
strengungen des englischen Bevollmachtigten die Ausfiihrung
vereitelt.
Die Anlegung von Telegraphenleitungen verlief giinstiger.
Nach der Konvention vom 18. Februar 1863 wurde eine Tele-
graphenleitung von Bagdad nach Hanikin (an der persischen
Grenze), Teheran, Isfahan, Schiras und Buschir eingerichtet. Die
Materialien fiir den Bau waren ausschliepiich englische und fiir
deren Ankauf verausgabte die persische Regierung eine gewisse
Summe. Die Englander konnen den Telegraphen benutzen, wofiir
sie eine jahrliche Zahlung leisten. Zur Beaufsichtigung der Linie
wurden englische Ingenieure angestellt, die das Gehalt von der
persischen Regierung erhalten. Auf Grund der Konvention 1865
wurde eine neue Leitung angelegt, die den Zweck hat, inter-
nationale Depeschen zu vermitteln; von Hanikin bis Buschir kosten
20 Worte 14 Schilling. Die Einnahmen der persischen Regierung
von der Telegraphenleitung wurden auf hochstens 30000 Toman*)
festgesetzt; der Oberschup sollte den englischen Beamten zu-
kommen. In der Praxis befriedigte aber die Depeschenbeforderung
nicht, was die Firma Siemens 1872 veranlapte, eine beziigliche
Konzession bei England, Deutschland, Rupiand und Persien nach-
zusuchen. Die dreifache Leitung mit eisernen Stangen fiihrt von
London iiber Emden, Thorn, Warschau, Odessa, Kertsch, Tiflis,
Djulfa nach Tabris und weiter nach Teheran, wo sie sich mit dem
indischen Telegraphennetz vereinigt.
Die Verpflichtungen, welche die persische Regierung nach
den Konventionen der Jahre 1863 und 1865 iibernommen hatte,
verursachten eine seiche grope Schuld, dap sie sich erst unlangst
davon befreien konnte, wie weiter unten gezeigt werden wird.
Das Telegraphennetz bringt iibrigens der persischen Bevol-
kerung keinen Nutzen, da persische Telegramme, welche dem
inneren Verkehr dienen, nach den Vorschriften nicht aufgenommen
werden diirfen; nur die europaischen Missionen und Kaufleute,
die sich in Persien befinden, konnen daraus Nutzen ziehen.
Von den 70er Jahren ab begann nun England sich immer
groperen EinfluP iiber Persien zu verschaffen. ,,Es verkiindet
*) 1 Toman ^10 Franken.
^ 73 —
immer", sagt Vilmorin*), „das Gegenteil von dem, was es wiinscht;
es schmeichelt ,scharwenzelt, indem es mit fieberhafter Ungeduld
den Augenblick erwartet, wo es ihm moglich wird, seine Krallen
zu zeigen, und macht die Volker botmapig, welche es durch eine
scheinbare Ruhe einschlafert. Dieses System ist vollstandig der
offenen, redlichen Politik des russischen Reichs entgegengesetzt,
und unter dem Schein der Politik „Sainte nitouche" verbirgt Eng-
land seine boshaftesten Versuche, die nicht nur die Unterwerfung
Persiens, sondern auch eine grope Schadigung der Interessen
Rupiands bezwecken."
So schickte England bei Gelegenheit der Tekefrage mehrere
Agenten nach Chorassan, um die Turkmenen gegen Rupiand auf-
sassig zu machen und wenn moglich sie zu veranlassen, wenn auch
nur nominell die Abhangigkeit von Persien anzuerkennen. Ein
solches Verfahren blieb nicht ohne Folgen, und im Jahre 1875
unternahm der Schah allerdings nicht die Unterwerfung Merws,
aber es gelang dem Kapitan Napier im Jahre 1876, 40 Tekinzen
nach Teheran zu schicken, um im Namen ihres Volkes sich dem
Schah zu unterwerfen, was freilich keine weiteren Folgen hatte.
Die Politik Napiers, Indien mit Hilfe der Turkmenenstamme, die
gut bewaffnet waren und von englischen Offizieren gefiihrt wur-
den, zu verteidigen, zwang aber die russische Regierung, die Unter-
werfung der Teke zu beschleunigen; im Jahre 1881 waren sie bot-
mapig gemacht.
Die in den 70er Jahren friedlichen Beziehungen Rupiands zu
Persien wurden durch die Reisen des Schahs in den Jahren 1873
und 1878 nach Europa, bei welcher Gelegenheit auch dem Kaiser
Alexander 11. ein Besuch abgestattet wurde, noch mehr bef estigt,
und wahrend des letzten russisch-tiirkischen Krieges 1877 — 78
wurden sogar seitens Persiens 2 Truppendetachements an der
tiirkischen Grenze aufgestellt, die zu Operationen bereit waren.
Nach diesem Kriege verstarkte sich der russische Einflup in
Persien so, dap der Schah sich an den Kaiser von Rupiand mit der
Bitte wandte, die Ordnung in der Kara-Kumwiiste wieder herzu-
stellen und die Turkmenen niederzuwerfen, die nicht nur die
benachbarten Gebiete verodeten, sondern auch alle, welche ihnen
in die Hande fielen, zu Sklaven machten.
Die ersten Miperfolge der russischen Expedition gaben dem
britischen Gesandten am persischen Hofe Anlap, dem Schah Nasr-
*) Vilmorin, „La politique etrangere en Perse." 1894.
— 74 —
Eddin einen Vertrag mit England vorzuschlagen, auf Grund dessen
das Gebiet von Herat an Persien abgetreten und ihm eine einmalige
groPe Geldsumme gezahlt werden sollte; als Entgelt dafiir ver-
langte England das Recht, eine Eisenbahn von Kandahar nach
Herat und Fahrwege von Buschir nach Herat, Mohammer und
Zentralpersien zu bauen. Dieser Vorschlag wax sehr verlockend,
und der Schah hatte ihn aller Wahrscheinlichkeit nach ange-
nommen, vi^enn ihn die Vorstellungen Rupiands nicht abgehalten
hatten, einen so verhangnisvollen Schritt zu tun.
Die Einnahme der Achal-Teke-Oase seitens Rupiands fiihrte
zu dem Vertrage, welcher am 21. Dezember 1881 zwischen RuP-
land und Persien in Teheran abgeschlossen vi^urde. Rupiands Be-
vollmachtigter war der Gesandte am persischen Hofe, Sinojew,
wahrend der Minister Mirsa-Seid-Chan Persien vertrat.
Der 1. Punkt des Vertrages setzt die Grenze ostlich des Kaspi-
schen Meeres fest; der 2. Punkt enthalt die Gesamtangabe der
Spezialkommissare, die zur Abgrenzung bestimmt waren; der 3.
Punkt betrifft die Raumung des Forts Germab und Kulkulab;
in dem 4. Punkte verpflichtet sich Persien, das Wasser aus dem
Flusse Firjuse und anderen kleinen Fliissen, die auf dem persischen
Territorium entspringen, nicht abzuleiten und keine neuen An-
siedelungen an den obengenannten Fliissen anzulegen; der 5. Punkt
betrifft die Durchfiihrung neuer Fahrwege; der 7. Punkt setzt
Grenzagenten ein, welche die Aufgabe haben, die Tatigkeit der
Turkmenen zu beobachten und auf die Ordnung und Ruhe in den
Landern, die den beiden Reichen benachbart sind, zu achten,
sowie notigenfalls als Vermittler aufzutreten, um die Interessen
Rupiands und Persiens zu schiitzen.
Der Bau der transkaspischen Eisenbahn bewirkte, dap die
Beziehungen Rupiands zu Persien sich noch mehr entwickelten;
diese Bahn ermoglichte es, den Handel Englands aus Chorassan
zu verdrangen und das Prestige Rupiands in diesem Gebiete zu
erhohen, das fiir die Befreiung von den Teke-Turkmenen, die
jahrhundertelang Chorassan bedrohten, Rupiand sehr dank-
bar war.
England dagegen fahrt fort, Rupiand entgegenzuarbeiten, und
strebt in heimlicher und egoistischer Weise danach, den ganzen
Siiden Persiens unter seinen alleinigen Einflup zu bringen. Die
Beamten der indisch-europaischen Telegraphenleitung und die Mis-
sionare sind die besten Vertreter der Politik des britischen Ka-
— 75 —
binetts; sie beschranken sich nicht auf ihre direkten Obliegen-
heiten, sondern dienen rein politischen Zwecken und erreichen in
dieser Beziehung sehr wichtige Erfolge.
In seinem Werke „Persia and the Persian question" trat
Curzon fiir eine Eisenbahn von der Station Chaman (britisch Ba-
lutschistan), iiber Kandahar, das Tal des Hilmend, Seistan und
weiter iiber Kirman, Jesd, Jsfahan, Burudjird, Hamadan und Kir-
manschah ein, Dieser Gedanke ist nicht neu, und Sir Curzon
bringt hier nur die geheimen Wiinsche des britischen Kabinetts
zum Ausdruck. Letzteres macht alle moglichen Anstrengungen,
um die Frage betreffs Seistans, das England gegen ein Vorgehen
Rupiands nach Indien schiitzt, zum AbschluP zu bringen. Nimmt
England von Seistan Besitz, so werden die strategischen Schliissel-
punkte Tarah und Sebsawar in seinen Handen sein und Rutland
wird eine neue Barriere bei einem russisch-englisch-indischen Zu-
sammenstoP finden. ,,Man kann", sagt Curzon, „die wirtschaftliche
Wichtigkeit der geplanten Seistanschen Bahn, welche die Be-
ziehungen zwischen Indien und Chorassan vermittelt, nicht in
Abrede stellen. Die strategischen Vorteile dieser Linie sind nicht
weniger wichtig. Sie gestattet England eine Flankenstellung
zur Verteidigung Afghanistans zu nehmen, das es unter seinen
Schutz genommen hat, und zu verhindern, daP Rupiand sich eines
unermepiichen Territoriums bemachtigt, was eine ernste Gefahr
fiir die guten Beziehungen zwischen den beiden Reichen sein
wiirde."
Curzon fiihrt weiter aus, dap diese Flankenstellung auch
benutzt werden konnte, wenn eine indische Armee vorgehen sollte.
Abgesehen von der Einnahme Seistans seitens Englands, die
jetzt nur geplant, aber durch den Bau einer Eisenbahn nach
Nuschki (s. u.) nicht unwahrscheinlich ist, sind auch die eng-
lischen Erfolge auf dem Flusse Karun sehr zu beachten. Schon
im Jahre 1857 strebte England danach, sich in den Besitz des
Karun, des schiffbarsten Flusses Persiens, zu setzen, in der Hoff-
nung, daraus wichtige Handels- und politische Vorteile ziehen
zu konnen, Der Versuch, im Jahre 1875 den Hafen Mohammer,
der auf der Landzunge zwischen dem Karun und dem Schatt-el-
Arab, einem Arme des Euphrat, liegt, zu kaufen, gelang infolge
des Widerstandes Rupiands nicht. Dieser Hafen ist fiir Persien
sehr wichtig, da er den Zugang zu dem Flusse versperrt; andererseits
ist der Kanal Chalfar, der ihn mit dem Schatt-el-Arab verbindet,
— 76 —
so tief, dap bei der Ebbe Schiffe mit einem Tiefgang bis zu 3m
ihn befahren konnen.
Trotz dieser Vorziige hat Mohammer inbezug auf den Handel
eine geringe Bedeutung, und sein Wirkungskreis beschrankte
sich nur auf den kleinen anliegenden Rayon, well dieser Hafen,
der unvergleichlich besser als die Hafen Buschir, Bender-Abbas
und Bassora ist, gar keine guten Verbindungswege hat.
Die Vorziige des Hafens Mohammer und des Flusses Karun
veranlapten England, in sehr entschiedener Weise beim Schah die
Erlaubnis nachzusuchen, den Karun mit Schiffen befahren zu
diirfen. Die damit verbundene Gefahr wurde aber von Rupland
erkannt, so dap es den Schah zu bewegen suchte, in seinem eigenen
Interesse die von England verlangte Erlaubnis nicht zu erteilen.
Nichtsdestoweniger taten das Gold und die Politik des britischen
Gesandten Wolf das ihrige: im Oktober 1888 wurde der Karun fiir
die internationale Schiffahrt freigegeben. Dieser Erfolg der eng-
lischen Diplomatie beunruhigte damals Rupland in hohem MaPe,
da es fiirchtete, daP der Handel aller iibrigen Lander, besonders
aber Rupiands, vernichtet werden wiirde. Bald eroffnete eine
englische Gesellschaft die Dampfschiffahrt auf dem Karun von
Mohammer bis Ahwaz (300 km). Da sich bei letzterem Orte
Stromschnellen befinden, die eine Schiffahrt verhindern, so wurde,
um diese zu umgehen, eine Pferdeeisenbahn angelegt. Von Ahwaz
bis Schuster besteht wieder eine Dampf schif f verbindung. Es wurde
von Schuster ab der Bau einer Chaussee nach Disful, Burudjird,
Sultanabad, Kum, Teheran mit einem Zweige von Burudjird nach
Isfahan geplant. Die kaiserliche Bank erhielt dazu vom Schah
eine Konzession; sie baute aber, wie erwahnt, von der Strape Te-
heran- Sultanabad nur eine Strecke von 260 km. Weiter wollte sie
nicht bau en, da dies eine zu grope Ausgabe verlangt, die sich nicht
bezahlL machen wiirde, wie die in Betrieb gesetzte Strecke Te^
heran-Kum (160 km) dies gezeigt habe. Einen gleichen Miperfolg
hatte auch die Dampf schif fahrtsgesellschaft auf dem Karun; ihre
Einnahmen befriedigten nicht und auPerdem litt sie unter dem
Druck der persischen Beamten, so daP sie liquidieren mupte.
Somit fiihrte der Sieg der englischen Diplomatie in der Praxis
nur zu groPen Verlusten.
England versteht es aber, den Boden fiir weitere Unter-
nehmungen vorzubereiten und benutzt dazu seine Telegraphen-
beamten. So wird der russischen Zeitung „Sakaspiiskoje Obos-
— 77 —
rienije" aus Siidpersien geschrieben: „An jedem Orte von einiger
Bedeutung in Siidpersien, wo sich eine englische Telegraphen-
station befindet, gibt es auch einen starken Stab von Beamten.
Diese englischen Telegraphisten ziehen in „ihrem Bezirk" umher
und reichen ihren Vorgesetzten in bestimmten Fristen Berichte
iiber die Zustande ein. Unter der Begriindung, die Stationen
sichern zu miissen, halten sie an einigen Punkten des inneren Per-
siens und in fast alien Stadten am Persischen Golf Abteilungen
bengalischer Lanzenreiter, die so ein Netz von Militarposten in
einem fremden Lande bilden. In dem Stadtchen Tschahbar, einem
Ort von 2 — 3000 meist ackerbautreibenden Einwohnern, die keine
Beziehungen zu Handels- und Industrieorten besitzen, glanzt in-
mitten des halbverfallenen Gemauers der Eingeborenen das Ge-
baude des englischen Telegraphen mit geraumigen Kasernen, Vor-
ratshausern u. s. w. Der fremde Reisende staunt iiber diese recht
stattlichen Bauwerke in dem elenden Stadtchen. Tschahbar mit
seiner sehr geeigneten Bucht desselben Namens gefallt den Eng-
landern seit langem. Im allgemeinen fallt es auf, dap die Eng-
lander sich in Siidpersien wie bei sich zu Hause einrichten. Aus
verschiedenen ratselhaften Griinden konnen die ortlichen persi-
schen Behorden den Inglis-Sahibs keine Hindernisse bereiten. Der
tatkraftigste der englischen Agenten, Mr. Syles, der im Laufe
langer Jahre die Gegenden vorziiglich kennen gelernt hat, wohnt
in Kirman. Bei ihm befindet sich eine starke Abteilung indischer
Truppen. Die Anwesenheit dieser starken Schutztruppe wird durch
den Hinweis erklart, das Konsulat und die Telegraphenstation
sichern zu miissen."
Die englische Regierung legt diesen Agenten eine gro^e
Wichtigkeit bei, beachtet ihre Berichte aufs sorgfaltigste, bezahlt
ihre Dienste sehr reichlich und sucht, sehr gebildete, ihrem Vater-
lande ergebene und politisch geschulte Leute in diese Stellen
einzusetzen.
„Die Telegraphenagenten", sagt Curzon, „befrieden die Einge-
borenen, pflegen die Kranken und erlangen auf diese Weise eine
grope Sympathie. Man miipte diese Agenten noch mehr benutzen,
die sehr haufig die Stelle von Raten der Prinzen und Gouverneure
einnehmen und deshalb sie dem gropbritannischen Gesandten in
Teheran unterstellen."
AuPer den Telegraphenbeamten befinden sich auch sehr viele
englische Missionare in Persien, die sich in den siidlichen und nord-
— 78 —
lichen Stadten (Urmia) niedergelassen haben. Sie werden von
ihrer Regierung durch Geld unterstiitzt; sie errichten Schulen,
worin sie Hunderte von Eingeborenen erziehen; die iibrigbleibenden
Gelder verwenden sie zu wohltatigen Zwecken und zur Propa-
ganda, so dap sie auf diese Weise sich treue und zuverlassige
Anhanger erwerben.
Die den Englandern inbezng auf die Schiffahrt auf dem Karun
zugebilligten Vorrechte erregten in Rupiand eine gro^e Unzu-
friedenheit, so daP die russische Regierung an die persische Re-
gierung eine Note richtete, in der gleichvi^iegende Rechte ver-
langt wurden. Die iiberreichte Note wurde gebilligt und fiihrte
durch die Vermittelung Frankreichs zu einem Vertrage, in dem
folgendes festgesetzt wurde:
1. Freie Schiffahrt auf der Bucht von Enseli und auf alien
in das Kaspische Meer sich ergiePenden Fliissen.
2. Die Erlaubnis, Anlegeplatze und Vorratshauser zu bauen.
3. Die Erlaubnis, einen Fahrweg von Piribasar nach Teheran
zu bauen.
4. Die Erlaubnis zur Anlage eines Weges von Aschabad nach
Kotschan.
5. Im Laufe von 15 Jahren sollte ohne die Erlaubnis Rupiands
keine Konzession zum Bau von Eisenbahnen und Fahrwegen in
Persien erteilt werden.
Die beiden letzten Punkte sind besonders zu beachten und
fiir Rupland auPerordentlich wichtig.
Der 4. Punkt ist jetzt erledigt, indem die StraPe von Aschabad
nach Kotschan fertig ist. Was den 5. Punkt betrifft, so soil er
nur verhindern, daP England sich nicht des Eisenbahnbaus be-
machtigt, und beriihrt Persien nicht, dessen Vorteile von diesem
Vertrage in keiner Weise geschadigt werden. Als Beweis dafiir
kann die Anlage der 10 km langen Eisenbahn von Teheran zum
Dorf e Schah-Abdul-Asim und des Eisenbahnzweiges nach den Stein-
briichen unweit der Ruinen der alten Stadt Rai angefiihrt werden.
Im Jahre 1889 wurde von England versucht, einen Fahrweg
von Trapezunt nach Erzerum, Tabris und Teheran durchzufiihren,
um gleichzeitig im Westen, Siiden und Osten einen EinfluP auf
Persien zu gewinnen, um dadurch Rupiand entgegenzutreten,
dessen Machtsphare sich schon immer mehr liber das Reich des
Schahs erstreckte. Viele englische und franzosische Ingenieure
trafen in Tabris ein, um den Weg zu erforschen, und warteten nur
— 79 —
auf die Riickkehr des Schahs von seiner Reise nach Europa, um
dann die Arbeiten beginnen zu konnen. Ihre Erwartungen wurden
aber nichl erfiillt: der Schah lehnte auf das entschiedenste alle
ihre Vorschlage ab, indem er den eigentlichen Zweck der ge-
planten StraPe begriff und den mit Rutland geschlossenen Vertrag
aufrechterhielt. —
Wenden wir uns nun zu der neuesten Zeit, so tritt der Jahr-
hunderte andauernde Kampf zwischen Rutland und England um
die Beeinflussung Persiens in politischer und kommerzieller Be-
ziehung noch scharfer hervor.
Nachdem Rupiand die Turkmenen niedergeworfen und das
turkestanische Gebiet vom Kaspischen Meere bis zur afghanischen
Grenze in Besitz genommen hat, ist es ein unmittelbarer Grenz-
nachbar des persischen Reichs geworden, so dap sein EinfluP
iiber Nordpersien gesichert ist. Auch England gibt dies zu, be-
ansprucht dafiir aber, dap Siidpersien seiner alleinigen Macht-
sphare angehore. Mit dieser Teilung ist aber Rupiand nicht ein-
verstanden; es strebt vielmehr danach, iiber ganz Persien einen
Einflup zu gewinnen, um so ein „warmes Meer" zu erreichen.
So erwidert das russische Blatt „Nowoje Wremja" in einem
Artikel vom 9. April 1902 der „Times", die ausfiihrt, dap Rup-
lands Einflup nur auf Chorassan (ohne Seistan), die am Kaspischen
Meere gelegenen Provinzen (Astrabad, Masanderan, Gilan und
Aserbeidjan) sich erstrecken solle, das ganze iibrige Persien aber
England zuf alien miisse, folgendes:
„ . . . Wir konnen die ausschlieplichen Rechte Englands auf
Siidpersien nicht anerkennen; wir bediirfen aber einer Sicherung
unseres Einflusses auf Nordpersien nicht, da er auch ohnedem
fest begriindet ist. Die Bedeutung, die Mesopotamien durch den
Bau der Bagdadeisenbahn erlangt, zwingt uns, besonders aufmerk-
sam auf die Ereignisse im Siidwesten Persiens zu sein. Uns
von diesen Gebieten fernzuhalten, haben wir kein Recht. Wozu
niitzt uns Nordpersien, wenn es nur unsere kaukasischen und
mittelasiatischen Besitzungen in etwas erweitert, ohne daP wir
eine auch nur entfernte Moglichkeit haben, an den Ozean zu ge-
langen und wir nicht imstande sind, an dem Leben in Siidpersien
teilzunehmen?
Wir bediirfen einer solchen Teilung nicht. Kann aber
England vorerst, wenn auch nur im Prinzip, dies Recht RuP-
lands, sich in die Angelegenheiten Siidpersiens und des Per-
— 80 —
sischen Golfs einzumischen, nicht anerkennen, so muP in der Folge
der Gedanke an eine gemeinsame Ubereinstimmung inbezug auf
eine Begrenzung der EinfluPsphare innerhalb des Reichs des Schahs
verworfen werden."
In diesen Satzen kommt die ganze Politik Ruplands, die es
jetzt verfolgt, zum Ausdruck.
Will aber Rupland seinen Einflup auf ganz Persien ausdehnen,
um die verba Itnismapig wertvollen Erzeugnisse des Landes aus-
fiihren, andererseits sich einen Markt fiir die eigenen Waren
schaffen, um schlieplich einen Zugang zum Persischen Golf er-
langen zu konnen, so ist der Bau von Kommunikationen, deren Zahl
so gering und deren Zustand so mangelhaft ist, wie wir gesehen
haben, unerlapiich. Es miissen, abgesehen von der Durchfiihrung
von guten Fahrstrapen, Eisenbahnen gebaut werden.
Schon friiher wurden verschiedene Versuche gemacht, Per-
sien mil; Eisenbahnen zu versehen. So erhielt der Baron Renter
im August 1872 eine Konzession zum Bau einer Eisenbahn vom
Kaspischen Meere bis zum Persischen Golf. In der Konzession
wurde festgesetzt:
a) das Vorrecht, wahrend 70 Jahren alle Minerallager in Persien
(auPer den Lagern von Edelmetallen und -steinen), sowohl auf den
Staats- wie Privatlandereien auszubeuten, wenn die Besitzer der
letzteren die ihnen gehorigen Lager im Laufe von 5 Jahren
vor der Erteilung der Eisenbahnkonzession nicht bearbeitet hatten.
Dabei wurde der Gesellschaft das Recht verliehen, von den aus-
zubeutenden Lagern Wege zu der Eisenbahn und den Fahrstrapen
unter Expropriierung der dazu erforderlichen Staatslandereien
anzulegen. Bei der Ausbeutung der Minerallager wurde die Ge-
sellschaft von der Zahlung von Zoll- und anderen Abgaben befreit;
die persische Regierung erhielt von dem Reingewinn nur 15 Proz.
b) Das ausschliepiiche Recht, alle Staatswalder in Persien
im Laufe von 70 Jahren auszubeuten unter Zahlung von 15 Proz.
des Reingewinns an die persische Regierung.
c) Das ausschliepiiche Recht zur Ausfiihrung aller neuen
Bewasserungsanlagen in Persien, zum Verkauf des Wassers nach
einer von der persischen Regierung festgesetzten Taxe, zur un-
entgeltlichen Benutzung des der Gesellschaft abgetretenen Od-
landes. Die Regierung erhiilt von dem Reingewinn 15 Proz.
d) Das Vorrecht zur Eroffnung von Banken, zur Anlage einer
Gasbeleuchtung, Wegen, Telegraphen, Miihlen, Manufaktur-,
— 81 —
Eisenbahnfabriken u. s. w., sowie zu Arbeiten zur Verbesserung
und Erweiterung der Residenz und zur Errichtung von Postan-
stalten.
Im Jahre 1874 nahm die russische Regierung einen groPen
Anteil an dem Projekte einer Konzession des Generalmajors
Folkenhagen. Es gelang ihm, die persische Regierung zur Er-
teilung einer Konzession zum Bau einer Eisenbahn von Djulfa
(Zollstelle am Flusse Aras) nach Tabris zu bewegen. Nach der
Instruktion, die ihm von der russischen Regierung im Jahre 1874
vor der Nachsuchung dieser Konzession gegeben war, wurde
Folkenhagen beauftragt, bei der persischen Regierung fiir die
zukiinftige Eisenbahngesellschaft das Recht auszuwirken, die
Steinkohlenlager auszubeuten, wenn solche in der Folge bei der
Eisenbahn in einer Entfernung von hochstens 50 englischen Meilen
entdeckt wiirden. Nach dem in Persien beifallig aufgenommenen
Projekt der Konzession zu schliepen, gelang es Folkenhagen, die
persische Regierung zu bewegen, der Gesellschaft das erwahnte
Recht zu erteilen, aber unter der Bedingung, daP die Rechte der
Privatbesitzer an den Feldern nicht geschadigt wiirden. Sollten
letztere der Ausbeutung der Lager Hindernisse entgegensetzen,
verpflichtete sich die persische Regierung, die Gesellschaft, ebenso
wie bei der Expropriierung des Landes zum Bau der Eisenbahn,
zu unterstiitzen, d. i. die Regierung verpflichtete sich, irgend
welche ZwangsmaPregeln nach ihrem Ermessen zu ergreifen, um
die Landereien den Besitzern gegen eine mapige Vergiitung zu
entziehen. Dieses Projekt Folkenhagens wurde im Einverstandnis
der russischen Regierung entworfen und ist deshalb sehr zu
beachten.
Im Jahre 1878 wurde dem Bankhause Alleon eine Konzession
zum Bau einer Eisenbahn Rescht-Teheran bewilligt. Sie enthielt
aber keine besonderen Vorrechte fiir den Unternehmer, die nicht
lediglich mit dem Bau zusammenhingen. Nur wurde da>s Recht
gewahrt, iiberall in Persien den Staatslandereien Baumaterialien
und Steinkohlen zu entnehmen, sowie unentgeltlich die Staats-
walder so auszuniitzen, wie es fiir den Bau und den Betrieb der
Eisenbahn erforderlich sein wiirde.
Anstatt dieser Konzession wurde im Januar 1882 eine neue an
Buatal fiir den Bau und den Betrieb einer Eisenbahn zwischen
Rescht und Teheran mit einem Zweige von Jenschimam bis Fe-
schend, wo sich Steinkohlenlager befinden, verliehen.
Die Beziehungen Rufilands zu Persien. 6
— 82 —
Diese Konzession, die ohne Garantie der Einnahmen seitens
der Regierung erlassen wurde, wurde so gefapt, dap die der Krone
gehorigen Steinkohlenlager bei Feschend an Buatal abgetreten
und auf eine Frist von 60 Jahren an ihn verpachtet wurden, um
sie ausznbeuten; der Ban und der Betrieb der Eisenbahn wurde
ihm iiberlassen unter dem Vorwande, daP es notwendig sei, die
geforderten Steinkohlen nach Teheran zu schaff en. Die Konzession
enthalt keinerlei Rechte und Privilegien, abgesehen von dem
Vorrechte, iiberall in Persien unentgeltlich von den Staatslande-
reien Materialien zu entnehmen und die Staatswalder auszunutzen,
aber nur fiir die Erfordernisse des Baus und des Betriebs der
Eisenbahn.
Alle diese Konzessionen wurden nicht verwirklicht und ver-
loren ihre Kraft.
Die letzten russischen Konzessionare waren Chomjadow, Tret-
janow, Korf und der Ingenieur Palaschkowski. Diese suchten
mit Allerhochstem Einverstandnis eine Konzession fiir den Bau
einer Eisenbahn von Rescht nach der Bucht Tschahbar am In-
dischen Ozean nach. Sie hielten sich von jeder materiellen Be-
teiligung an dem Unternehmen fern und verpflichteten sich, nach
ihrer Organisation es der Regierung zu iiberlassen, sobald diese
es verlangen wiirde. Nach einem Vertrag iibernahm die „Banque
d'Escompte", die damals ein Grundkapital von 65 Millionen Fran-
ken hatte, die Realisation von Obligationen fiir 300 Millionen
Franken. So war die Sache in finanzieller Beziehung vollstandig
gesichert. Die persische Regierung kam mit Bereitwilligkeit Rup-
land entgegen. Es hatten schon Unterhandlungen mit dem Schah
Nasr-Eddin stattgefunden, die zu einem vollstandigen Einverstand-
nis gefiihrt hatten. Bei seiner Reise nach Petersburg im Jahre
1889 hielt man die Sache fiir vollstandig zum Abschlup gekommen
und schritt zu der Erforschung der Trace. Aber da trat un-
erwartet eine Verzogerung von seiten des Ministers Girs und Si-
nowjew ein. Sie nahmen indessen dem Schah das kategorische
Versprechen ab, dap er keine Konzession ohne die vorherige Er-
laubnis der russischen Regierung erteile.
Der zwischen Rupiand und Persien abgeschlossene, bereite
obenerwahnte Vertrag setzt fest, dap im Laufe von 15 Jahren
keine Konzession zur Anlegung von Eisenbahnen und FahrstraPen
in Persien anderen Machten erteilt werden darf. Dieser Vertrag
ist somit jetzt abgelaufen, ohne dap die russische Regierung das.
— 83 —
ihr zugestandene Monopol, Eisenbahnen zu bauen, benutzt hat. Der
Vertrag ist aber bis 1915 verlangert, und nachdem von russischen
Ingenieuren die beziiglichen Untersuchungen beendet sind, be-
ginnt die russische Regierung den Bau von Eisenbahnen nach
Persien. Die Hauptaufgabe ist, die projektierten persischen
Bahnen an das russische Eisenbahnnetz anzuschliePen.
Es kommen in dieser Beziehung die Linien Poti bezw. Batum-
Tiflis-Baku mit der Zweigbahn Tiflis-Kars in Transkaukasien und
die Transkaspische Bahn, die jetzige „Mittelasiatische Bahn", in
Betracht. Letztere erstreckt sich von Krassnowodsk am Kaspi-
schen Meere iiber Aschabad nach Duschan langs der persischen
Grenze, fiihrt dann in nordostlicher Richtung nach Merw, verzweigt
sich hier nach der russischen Festung Kuschk an der afghanischen
Grenze und nach Buchara, Samarkand, Chodjent, Kokan, wo sie
einen Zweig nach Margelan bezw. Andidshan sendet. Von Chod-
jent aus fiihrt eine Bahn nach Taschkent, das durch die im Bau
begriffene Taschkent-Orenburg-Bahn an das Eisenbahnnetz des
europaischen Ruplands angeschlossen wird. Die mittelasiatische
Eisenbahn, urspriinglich auf der ersten Strecke bis Kysyl-Arwat
als reine Militarbahn zum Transport des Armeematerials der
Expedition des Generals Skobelew gegen die Achal-Teke gebaut,
hat schon an und fiir sich die Handelsbeziehungen Rupiands zu
Persien sehr begiinstigt und auperordentlich den EinfluP des
ersteren iiber letzteres verstarkt.
Nach dem Voranschlag des russischen Kommunikations-Mi-
nisteriums fiir das Jahr 1903 soil eine Bahn von Alexandropol,
einer Station der Bahn Tiflis-Kars, bis zur russischen Grenze als
Fortsetzung der bereits fertig gestellten Bahn nach Eriwan
gebaut werden. Damit ist der erste Schritt, Rupiand mit Persien
mittels einer Eisenbahn zu verbinden, getan.
Es wird diese Bahn von Eriwan oder genauer von Ulukanda bei
Eriwan aus, Kiwrach in der Nahe des Schacht^tyschen Postens
an der persischen Grenze erreichen. Man beabsichtigt dann, wie
die „Nowoje Wremja" im Juni 1902 berichtet, die Strecke von
Schachtaty iiber Choi, Urmia nach Tabris, anstatt iiber Djulfa,
wie urspriinglich beabsichtigt war, weiterzufiihren.
Tabris ist eins der gropen Zentren Persiens, die erste Stadt
des Reichs nach Teheran, mit einer Einwohnerzahl von etwa
180000 Seelen. Die europaischen Waren, welche jetzt iiber Tra-
pezunt nach Persien kommen, werden auf dieser Bahn transportiert
6*
— 84 —
und nicht mehr in Trapezunt, sondem in Poti und in Batum aus-
geladen werden. Tabris wird somit mit den Hafen des Schwarzen
Meeres verbunden sein.
Ein weiteres Projekt ist, Teheran und Baku durch eine Balm
von der Enselibucht, am Kaspischen Meere, iiber Rescht und
Kaswin zu verbinden. Die Waren werden dann von Baku nach der
Enselibucht zu Wasser geschafft werden und von hier aus die
Bahn benutzen.
Von ganz auperordentlicher Wichtigkeit sowohl in politischer
wie in kommerzieller Beziehung ist der von Rittich in seiner
Broschiire „Die Eisenbahn durch Persien" vorgeschlagene Plan,
eine Bahn von Kuschk, dem Endpunkte der mittelasiatischen
Eisenbahn an der afghanischen Grenze, iiber Meschhed, Teheran
nach Tabris zu bauen, so dap dann nach dem obenerwahnten
Projekt Kuschk mit Alexandropol verbunden wird. Diese Linie
Kuschk -Meschhed -Teheran- Tabris -Djulf a- Eriwan -Alexandropol -
Tiflis wird in keiner Weise England Nutzen bringen konnen; sie
wird im Gegenteil nur dem russischen Handel dienen und infolge
des billigen Transports den englischen Handel unterbinden.
Wie schon oben erwahnt, ist der Bau der Bahn Alexandropol-
Tabris fest beschlossen und die Linie Kuschk-Meschhed wird in
„naher Zukunft" fertiggestellt sein. Um einen Zugang zu einem
„warmen Meere" zu schaffen, mup, wie Rittich vorschlagt, die
Bahn Teheran-Bender-Abbas gebaut werden.
Die politischen Vorteile, die diese Bahnprojekte haben, kenn-
zeichnet Rittich folgendermaPen:
„RuPland verbindet sich fester mit den Teilen Persiens, die
nach dem Traktate vom Jahre 1723 ihm gehoren. Durch die
folgenden Vertrage gibt Rupland diese Gebiete nicht endgiltig
auf, sondern nur zeitweise aus Freundschaft und Liebe zu Persien.
Die Eisenbahn wird das Prestige Ruplands noch mehr heben
konnen. Seine Macht wird alien klar werden, und es wird keine
Frage sein, wer wichtiger ist, Rupiand oder England. Diese Frage
ist endgiiltig zu gunsten Ruplands entschieden.
Mit diesem Wege bereitet Rupiand unmerklich die Vereini-
gung beider Reiche zu einem Ganzen vor. Die gegenseitigen In-
teressen werden vollstandig gemeinsame werden. Die Perser
werden sich daran gewohnen, Rupiand als ihren Wohltater zu
betrachten. Die Eisenbahn wird unbedingt das Land heben; aus
einem armen Lande wird es zu einem reichen werden. Auf den
— 85 —
bis jetzt oden Stellen werden bliihende Ansiedelungen entstehen.
Mit einem Worte: Rupland hat eine wohltatige Kultur- oder
richtiger zivilisatorische Aufgabe vor sich."
Schon aus der oben gegebenen Handelsiibersicht geht die hohe
kommerzielle Wichtigkeit dieser Eisenbahn hervor. Es diirfte
aber noch etwas naher darauf einzugehen sein.
Die geplante Eisenbahn Djulfa-Tabris wird die reichste Pro-
vinz Persiens, Aserbeidjan, durchschneiden. Die Wichtigkeit dieser
Provinz fiii- Rupland ergibt sich schon aus ihrer geographischen
Lage, indem sie an die siidlichen kaukasischen Gouvernements
grenzt. Bis zu den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts spielte
diese Provinz nicht eine solche Rolle wie jetzt. Tabris ist der
Hauptmarkt, von wo sich die Waren auf das ganze Gebiet ver-
breiten. Es waren dies hauptsachlich europaische Waren, die
iiber Trapezunt-Erzerum dorthin kamen. Seitdem hat nun die
russische Industrie den wirtschaftlichen Kampf begonnen; die
westeuropaischen Waren sollten ihr den Vorrang abtreten; mit
der Durchfiihrung der Eisenbahn wird der Aserbeidjansche Markt
Rupland verbleiben und der Handel mit dem Westen in hohem
Mape verringert werden. Die russischen Waren schlagen zwei
Wege ein: iiber die Landgrenze und auf dem Kaspischen Meer
iiber die russische und persische Stadt Astara. Den Wasserweg
benutzen zwei-, bisweilen di'ei- und sogar viermal mehr Waren,
als den Landweg. So wurden im Jahre 1896 Waren im Werte von
1204269 Rubel 78 Kopeken iiber die Landgrenze geschafft. Der
russische Ausfuhrhandel iiber das russische Ast^ara stellte einen
Wert von 633762 Rubel 50 Kopeken, iiber das persische Astara
einen solchen von 1971062 Rubel dar.
Eine zweite wichtigeHandelsstadt in Aserbeidjan istArdebil, wo-
hin fast die ganze Astarasche Einfuhr gelangt; sie verteilt sich auf die
Stadte Sontschbulak, Serab, Semgab, Hamadan u. a. Die Wege befin-
den sich in einem elenden Zustande, so dap die Bedeutung von Astara
bis zur Durchfiihrung der Eisenbahn iiber Tabris nur eine bedingte
ist. Ist die Bahn Djulfa-Tabris gebaut, so ist darauf zu rechnen,
dap sie 80 Prozent der zu Wasser transportierten Waren auf-
nehraen wird, denn die Frachten der Waren iiber das Kaspische Meer
sind hoch, die Fahrten sind selten und dauern lange, der Hafen
ist unbequem und die Umladung kostet viel. Endlich ist die
Entfernung von Tabris bis Maraghe, Serab, Semgab und Hamadan
kiirzer als von Ardebil aus.
'— 86 —
Von den nach Aserbeidjan eingefiihrten russischen Waren
nimmt der Zucker die erste Stelle ein. Es wnrde eingefuhrt:
im Jahre 1892 fiir 862700 Rubel
„ „ 1893 „ 1558565 „
„ „ 1894 „ 1524261 „
„ „ 1895 „ 1701516 „
„ „ 1896 „ 1445465 „
Wenn diese Ziff ern mit der Einfuhr des Zuckers aus Marseille
nach Aserbeidjan (im Jahre 1892 37956, 1896 10456 Kasten)
verglichen werden, so ist ersichtlich, inwieweit die Einfuhr des
letzteren zu gunsten des russischen sich verringert hat. Es ist
anzunehmen, daP die Einfuhr des Zuckers aus Marseille voll-
standig verdrangt werden und die Einfuhr des russischen Zuckers
den ganzen Wert von 10000 Kasten des auslandischen Zuckers er-
reichen wird. Die mangelhafte Verpackung hemmt jetzt die Ver-
treibung des russischen Zuckers; das fallt aber mit dem Transport
der Waren auf der Eisenbahn fort.
Von den russischen Manufakturwaren wurden nach Aser-
beidjan eingefiihrt:
im Jahre 1892 fiir 870278 Rubel
„ „ 1893 „ 1558565 „
„ „ 1894 „ 1524261 „
„ „ 1895 „ 1141044 „
„ „ 1896 „ 1131836 „
Da im Jahre 1889 der Wert der Einfuhr nur 212684 Rubel
betrug, so hat sich dieselbe bedeutend gesteigert. Man kann
iiberzeugt sein, dap, wenn Persien den russischen Kaufleuten mehr
zuganglich sein wird, so werden sie dem Geschmack und den
Wiinschen der Perser mehr entsprechen, was jetzt das einzige
Hindernis ist, und die Billigkeit des Tarifs wird den Preis be-
deutend verringern konnen; alles das wird dazu beitragen, dap
der Markt mit russischen Waren gefiillt wird, wie die Englander
das Monopol vorerst noch im Siiden haben.
Verschiedene Geschirre und Glas wurden eingefuhrt:
im Jahre 1892 fiir 176936 Rubel
„ „ 1893 „ 156996 „
„ „ 1894 „ 134370 „
„ „ 1895 „ 214488 „
„ „ 1896 „ 167547 „
— 87 —
In diesem Artikel tritt Rupland mit Osterreich, Deutschland
und Belgien in Wettbewerb, aber die Zerbrechlichkeit der Gegen-
stande wird leicht das Monopol in die Hande Ruplands bringen.
Naphtha und Kerosen wurden eingefiihrt:
im Jahre 1892 fiir 121280 Rubel
„ „ 1893 „ 134435 „
„ „ 1894 „ 164537 „
„ „ 1895 „ 152433 „
„ „ 1896 „ 124164 „
Dieses Produkt hat sich fast die Markte von ganz Persien
erobert. Wird es billiger, so wird es zweifelsohne zu einer
groperen Verwendung kommen.
Verschiedene Metalle und Metallarbeiten wurden eingefiihrt:
im Jahre 1892 fiir 304123 Rubel
„ „ 1893 „ 291578 „
„ „ 1894 „ 187494 „
„ „ 1895 „ 330804 „
„ „ 1896 „ 278824 „
Mit der Ausbeutung der ortlichen Reichtiimer wird dieser
Einfuhrartikel sich verringern, aber dafiir wird die Bahn den
Austausch der Waren mit den umliegenden Gebieten vermitteln.
Schon jetzt werden Kupfererze in Karadagh durch Russen aus-
gebeutet.
Tee wurde eingefiihrt:
im Jahre 1892 fiir 2120 Rubel
„ „ 1893 „ 7887 „
„ „ 1894 „ 14522 „
„ „ 1895 „ 37794 „
„ „ 1896 „ 36393 „
Die bedeutende Steigerung der Einfuhr in den Jahren 1895
und 1896 ist eine Folge der von dem russischen Finanzminister
getroffenen Mapnahmen, wonach den Exporteuren der Zoll zuriick-
erstattet ward. Die erfolgreiche Kultivierung des Tees in Batum
wird die Teeausfuhr nach Persien noch steigern, was die englischen
Konsuln zu befiirchten anfangen.
Die Gesamtsumme der Ausfuhr von persischen Erzeugnissen
aus Aserbeidjan nach Rupland erreichte:
im Jahre 1895 3802686 Rubel
„ „ 1896 4523048 „
— 88 —
Da von gingen im Jahre 1895 Waren im Werte von 2454770
Rubel iiber die Landgrenze und solche im Werte von 1247918
Rubel iiber die Astarasche Zollstelle; im Jahre 1896 fiir 2272645
bezw. 2121384 Rubel. Das persische Astara hat nur geringe
Umschlage inbezug auf die Einfuhr nach Rupiand: 1895 im ganzen
99990 Rubel, 1896 129018 Rubel. Betrachtet man die Ausfuhr
aus Aserbeidjan, so ergibt sich, daP die Ausfuhrgegenstande der
Kultur des Landes entsprechen und vorzugsweise aus Erzeugnissen
des Ackerbaues und der Viehzucht bestehen.
Folgende Tabelle gibt den Wert der Einfuhr aus Rupiand
und der Ausfuhr aus Aserbeidjan an:
Einfuhr aus Russland Ausfuhr aus Aserbeidjan
1892 2692444 Rubel 2635019 Rubel
1893 3783822 „ 5389565 „
1894 3318884 „ 4373701 „
1895 4118233 „ 3802680 „
1896 3809094 „ 4523048 „
Die Gesamtsumme der Einfuhr von Waren nach Rupiand
aus Persien iiber die russisch-persische kaukasische Grenze betrug
im Durchschnitt pro Jahr in dem Zeitraum der Jahre 1894 — 1897
etwa 2900000 Pud.
Die Haupteinfuhrgegenstande sind Getreide, getrocknete
Friichte, Fruchtsaft und Rohbaumwolle. Alle diese Artikel kom-
men aus den Bezirken Choi, Schahu, Urmia und Sontschbulak.
Die Eisenbahn wird nicht weniger als 300000 Pud Waren auf-
nehmen, denn ^/^ der Giiter werden auf einem naheren Wege,
billiger und schneller nach Tabris gelangen, als auf den schlechten
und teueren StraPen direkt nach dem schururskischen Zoll. Diese
300000 Pud werden eine Strecke von 385 Werst bis Alexandropol
zuriicklegen. Wird ein durchschnittlicher Tarif von 1/50 Kopeken
fiir das Pud und die Werst angenommen, so ergibt sich im ganzen
eine Einnahme von 23000 Rubeln. Die folgende grope Zollstelle
ist Djulfa, iiber welche die Waren aus Tabris und ausschliepiich
nach Tabris gehen. Die Gesamtsumme der nach Rupiand einge-
fiihrten Waren betragt 229000 Pud jahrlich; sie haben bis Ale-
xandiopol 450 Werst zuriickzulegen, mit einem Zuschlag von
nur 65 Werst fiir die Waren, welche von Sendjan und Miane nach
Tabris transportiert werden, denn diese Stadt dient als Markt,
von wo aus die Waren verteilt und wo die Erzeugnisse der ganzen
Umgegend gesammelt werden, deren Grenze nicht auf 70 Werst,
'— 89 —
sondern bedeutend weiter, mindestens auf 200 Werst, sich hin-
zieht. Werden zu den 229000 Pud noch 44500 Pud der Kara-
tschugschen Zollstelle hinzugefiigt, deren Waren unzweifelhaft
von der Eisenbahn aufgenommen werden, so ergeben sich 273500
Pud Waren, welche eine Gesamteinnahme von 25000 Rubeln
geben.
Die Ordubadsche Zollstelle, 25 Werst ostlich von Djulfa,
wird alle ihre Giiter der neuen Bahn iibergeben, Im Durchschnitt
sind es 73250 Pud, die iiber sie geschafft werden. Die meisten
Waren kommen aus der Umgegend von Ordubad; folglich durch-
lauf en sie auf dem persischen Territorium nicht iiber 80 Werst und
260 Werst vonDjulfa bisAlexandropol, im ganzen also 340 Werst. Es
ist anzunehmen, daP von diesen Waren hochstens 13000 Pud in den
Grenzbezirken verausgabt werden; folglich kann auf 60000 Pud
Giiter gerechnet werden, welche mit einer Entfernung von 340
Werst nach einem Tarif von 1/5Q Kopeke von dem Pud und der
Werst etwa 4100 Rubel bringen. Die Einfuhr der Waren iiber
den Bagram-Tapinskischen Obergangspunkt, Djebrailskischen Zoll,
Beljasuwerskischen Zoll und die Schaturlinskische Ubergangsstelle
ergibt eine Summe von etwa einer Million Pud. Verbleiben etwa
420000 Pud in den Grenzbezirken, so wird die Bahn weit mehr
als 6000 Pud aufnehmen, denn bei der Betrachtung der Einfuhr
inbezug auf die Artikel ist ersichtlich, dap die Gegenstande weiter
verbreitet werden, als an Ort und Stelle, und nimmt man folglich
die zu durchlaufende Strecke auf 260 Werst an, so wird man bei
dem bereits erwahnten Tarif eine Gesamteinnahme von 31200
Rubel erzielen. Endlich gehen 869750 Pud iiber die Astarasche
Zollstelle nach Rupiand. Das sind aber Waren, die von Ardebil
und seinem Markte kommen, von dem schon oben die Rede war.
Deshalb ist darauf zu rechnen, dap 700000 Pud der Astaraschen
Waren auf der projektierten Bahn transportiert werden. Die zu
durchlaufende Entfernung wird 385 Werst betragen und die Ge-
samteinnahme wird bei einem Tarif von 1/30 Kopeke von dem
Pud, da fast die ganze Einfuhr iiber Astara aus Friichten und
Beerensaft besteht, 89000 Rubel sein. Die ganze Einfuhr nach
Rupiand auf der Eisenbahn betragt 1933500 Pud und wird min-
destens eine Gesamteinnahme von 172300 Rubel ergeben.
Die Ausfuhr aus Rupiand nach Persien iiber alle Grenzen
ist nur um 2 Millionen Rubel geringer als die Einfuhr in umge-
kehrter Richtung, aber die Ausfuhr aus Rupiand iiber den russisch-
— 90 —
persischen Abschnitt der kaukasischen Grenze ist mindestens zwei-
und auch dreimal geringer als die Einfuhr. Die durchschnitt-
liche Summe der ausgefiihrten Waren betragt im ganzen 450200
Pud im Werte von 1761000 Rubel. Geht man von denselben
Erwagungen aus wie bei der Einfuhr, so ergibt sich, dap iiber die
Schaturlinskische Zollstelle 25000 Pud, iiber die Karatschagsche
3000 Pud, iiber die Djulfasche 49000 Pud Waren gehen, zusammen
also 77000 Pud, welche nicht weniger als 500 Werst zu durch-
laufen haben, indem sie weiter siidlich nach Miane und Send-
jan gehen; die Gesamteinnahme der Bahn wird 7700 Rubel
betragen. Uber die Ordubadsche Zollstelle gehen 700 Pud; die
Djebrailskische 2500 Pud; die Bagram-Tapinskische 100000 Pud
und iiber die Schaturlinskische 20000 Pud; alles das betragt eine
Summe von 129000 Pud, die bei einem 400 Werst langen Trans-
port und einem Tarif von 1/50 Kopeken pro Pud eine Gesamt-
einnahme von 10400 Rubel ergeben werden. Endlich von den
326250 Pud der Astaraschen Zollstelle en tf alien auf die Eisenbahn
250000 Pud Waren, die nicht weniger als 500 Werst zu durch-
laufen haben und nach jenem Tarif eine Gesamteinnahme von
25000 Rubel geben. Somit betragen alle Waren, die aus Rupland
nach Persien gehen, 456000 Pud mit einer Gesamtsumme von
43100 Rubel.
Zu alien diesen Berechnungen ist noch die Einfuhr und Aus-
fuhr der Waren des Hafens des persischen Astara zuzufiigen.
Nach den Berichten des russischen Konsuls hatten die russischen
in diesen Hafen eingefiihrten Waren im Jahre 1896 einen Wert
von 1971062 Rubel, die ausgefiihrten einen solchen von 129018
Rubel. Da die Puds, die jenen Wert reprasentieren, nicht ange-
geben sind, muP man auf die Gesamtsumme der aus dem kauka-
sisch-kaspischen Abschnitt eingefiihrten und ausgefiihrten Waren
zuriickgreifen. Hier wurden im Jahre 1896 fur 8899472 Rubel
3384000 Pud nach Persien aus Rupland ausgefiihrt, wahrend die
Einfuhr nach Rupland aus Persien auf demselben Abschnitt
4576000 Pud im Werte von 5148571 Rubel betrug. Stellt man
diese Zahlen mit den Daten der Einfuhr und Ausfuhr des Hafens
des persischen Astara zusammen, so ergeben sich im Verhaltnis
752000 Pud fiir die Einfuhr und 114400 Pud fur die Ausfuhr.
Bedenktman, dap die Frachten fiir die Waren 1., 2., 3. Klasse von
Baku bis Astara 15, 12 und 9 Kopeken betragen, aber auf der Eisen-
bahn von Baku bis Tabris 33 — 20 Kopeken nach dem Tarif zu 1/30
— 91 —
und 1/50 Kopeken, so ist anzunehmen, daP mindestens die Halfte
der Waren auf der Eisenbahn transportiert werden wird. Von
Astara gehen mehr als die Halfte der Waren nach Tabris und die
iibrigen von Ardebil in die Bezirke, die mit ihnen versehen werden.
Gibt man zu, daP Ardebil sich mit den iiber See transportierten
Giitern versieht, obgleich auch das noch sehr willkiirlich ist, da
die doppelte Umladung in Baku und Astara und auch die Lange
des See- und Landtransports von Astara bis Ardebil und endlich
die hohen Transportkosten auf der Ardebilschen Strape die Arde-
bilschen Waren abziehen und veranlassen konnen, daP sie den
Umweg, aber viel billigeren Weg nehmen. So nimmt die Bahn
von den 752000 Pud 400000 Pud der Seegiiter auf und wird bei
der zu durchlaufenden Strecke von 385 Werst von Alexandropol
bis Tabris und dem Tarif von 1/50 Kopeken fiir das Pud eine Ge-
samteinnahme von 30800 Rubel geben. So stellt sich die Ge-
samteinnahme auf der Bahn Tabris-Alexandropol wie folgt:
fur die Einfuhr nach Rupland 172300 Rubel
„ „ Ausfuhr nach Persien 43100 „
„ „ Astaraschen Seegiiter 30800 „
zusammen 346200 Rubel.
Von den Aserbeidjanschen gehen wir zu den Teheranschen
Waren iiber. Bis jetzt erhielt der Teherankische Markt die
russischen Waren ausschliepiich auf dem Seewege, und die rus-
sische Regierung trug auf jede Weise zur Verbilligung dieser
Waren bei. Sie zahlte der Dampfschiffgesellschaft „Kawkas und
Merkurii" Subsidien, welche sehr bedeutend waren, aber einen
geringen Nutzen brachten. Die Gesellschaft unterhielt nur die
pflichtmapigen Fahrten, und die Frachten waren so hohe, daP
die Eisenbahn ohne Zweifel alle Waren und auch einen Teil der
Erzeugnisse Gilans und Astrabads aufnehmen wird. Zum Beispiel
betragen die Frachten von Baku bis Enseli fiir die Waren 1., 2.
und 3. Klasse 20, 15 und 11 Kopeken fiir das Pud; Zuckerraffinade
und Baumwolle auch 15 Kopeken fiir das Pud. Zu diesen Fracht-
kosten sind auch fiir die Teheranschen Waren die Kosten fiir
das Aufladen in Baku und das Abladen in Enseli zu rechnen. Dazu
kommt noch, daP die Waren auf Barkassen iiber die Enselische
Bucht geschafft werden miissen. Fiir die russischen Waren be-
tragen die Ausgaben fiir den Transport von Enseli nach Piribasar,
der Anfangsstation der Chausse, 2 Kopeken fiir das Pud Zucker
— 92 —
und annahernd ebenso viel fiir alle Waren. Auperdem stellt sich die
Kommissionsgebiihr in Enseli auf 1 Kopeke fiir das Pud, zusammen
3 Kopeken. In Baku werden fiir das Aufladen mindestens 2 Ko-
peken fiir das Pud erhoben. Fiir den Transport von Piribasar
nach Kaswin kostet das Lasttier 80 Kopeken, Wenn man an-
nimmt, daP ein Pferd durchschnittlich 8 Pud fortschafft, so
kommt der Transport eines Puds auf 10 Kopeken zu stehen. Der
Transport eines Puds von Baku bis Kaswin kostet im ganzen
35, 30 und 26 Kopeken fiir die Waren 1., 2. und 3. Klasse.
Dagegen betragt der Transport eines Puds mit der Eisenbahn von
Baku bis Kaswin (1375 Werst) nur 22V2 Kopeken bei einem
Tarif von 1/5^ Kopeken fiir das Pud.
AuPerdem ist bei den Kosten fiir die Seegiiter noch nicht
die Bezahlung des Transports der Waren nach Baku gerechnet.
Baku liefert nur Naphtha und dessen Produkte, wahrend alle
iibrigen Waren, die aus Transkaukasien kommen, noch auf der
Transkaspischen Bahn transportiert werden miissen; somit sind
durchschnittlich noch mehrere Kopeken auf das Pud zuzuschlagen,
wahrend andererseits von den Giitern, die die Eisenbahn nach
Teheran benutzen werden, diese Kopeken abzuziehen sind. Alles
das spricht dafiir, daP die Eisenbahn die voile Moglichkeit haben
wird, inbezug auf Billigkeit den Wettbewerb mit den Seegiitern
auizunehmen, um so mehr, als sie einen bedeutenden Zeitgewinn
herbeifiihren wird. So legt ein Dampfschiff die Strecke von Baku
nach Enseli in 2 und mehr Tagen zuriick. AuPerdem brauchen die
Waren, um von Rescht bis Kaswin zu gelangen, mindestens eine
Woche; somit betragt die Zeit, die bei der Benutzung des Meeres
fiir den Transport nach Teheran erfcrderlich ist, etwa 2 Wochen.
Die Eisenbahn wird dieselben Waren von Baku nach Teheran in
etwa 5 — G Tagen schaffen. Endlich ist das letzte und wichtigste,
dap die Anzahl der Fahrten nach den persischen Hafen zu gering
ist; auf eine Vermehrung der Dampfschiffe ist nicht zu rechnen.
Im Gegenteil, ihre Zahl wird sich wahrscheinlich verringern, da
bei deni Wettbewerb mit der Eisenbahn die Frachtkosten herab-
gesetzt werden miissen, was ihnen unvorteilhaft ist. Sie halten
nur die Fahrten aufrecht, damit die Regierung sie mit Subsidien
unterstiitzt. Fallen diese fort, so wird die Bahn keine Wettbe-
werber mehr haben.
Die auf den kaukasisch-kaspischen Abschnitt entfallenden
Giiter beziffern sich in dem Zeitraum 1894 — 1897 im Durchschnitt
— 93 —
jahrlich auf 3145250 Pud im Werte von 9209769 Rubel. Davon
entf alien auf die Ausfuhr aus Baku 3047750 Pud, so dap nur
100000 Pud den ubrigen Hafen des Kaukasus verbleiben. Astra-
chan fiihrt all jahrlich 500000 Pud nach Persien aus. Mit diesen
Werten zusammen, die zur See aus dem Transkaspischen Zollbezirk
kommen, stellt sich die Ausfuhr aus Rupland nach Persien auf
dem Seewege auf etwa 3860000 Pud, wo von etwa 3 Millionen Pud
nach den siidlichen kaspischen Hafen Persiens gehen. Die iibrigen
werden hauptsachlich nach dem Hafen Persisch-Astara trans-
portiert, nach welchem nach der obigen Berechnung etwa 800000
Pud kommen. Aus den Berichten der russischen Konsuln in Gilan
und Astrabad ist ersichtlich, dap im Jahre 1893 aus Rupland
nach Persien iiber die Hafen Enseli und Lengerud 1542525 Pud
ausgefiihrt wurden. Im Jahre 1890 wurden aus Rupland nach
Persien iiber die Reeden von Gjas und Meschedisser 384402 Pud
im Werte von 2272829 Rubel geschafft. Die Daten der beiden
Konsuln beziehen sich auf die Jahre 1890 — 1893 und beziffern
sich auf 2 Millionen. In den letzten Jahren ist die Einfuhr in
die siidlichen persischen Hafen am Kaspischen Meere gewachsen.
Die 3 Millionen Pud, die jetzt nach diesen Hafen kommen, teilen
sich folgendermapen: 2^/2 Millionen Pud gehen nach Enseli und
Lengerud und nur 500000 Pud nach Gjas und Meschedisser. Die
letzten 500000 Pud werden nicht bei den Giitern dieses Abschnitts
gerechnet, weil fast die Halfte zur See aus den Hafen des Trans-
kaspischen ZoUbezirks kommt und die andere den Seeschiffen
verbleibt. Von den 2^/2 Millionen Pud, die nach Enseli gehen, kann
die geplante Eisenbahn vollstandig auf 2 Millionen Pud rechnen,
um so mehr, da die Enselischen Giiter nicht nur nach Teheran,
sondern auch nach Kaswin und Sendjan gehen, was sie bei dem
Transport auf der Eisenbahn noch mehr verbilligt. Durchlaufen
diese 2 Millionen Pud die 902 Werst lange Strecke von Alexan-
dropol nach Teheran, so ergibt das bei einem Tarif von V50 Ko-
peken fiir das Pud und die Werst eine Gesamteinnahme von
300800 Rubel. Was den Transport aus Persien nach Rupland
betrifft, so werden auf dem Kaukasisch-Kaspischen Abschnitt
im Durchschnitt fiir den Zeitraum 1894 — 1897 5 Millionen Pud
jahrlich eingefiihrt, davon entf alien 4840000 Pud auf die Ein-
fuhr nach Baku. Nach Astrachan werden aus Persien jahrlich
1185000 Pud ausgefiihrt. Kommen dazu noch 60000 Pud, die
iiber das Meer in den Transkaspischen Abschnitt eingefiihrt wer-
— 94 —
den, so ergibt das eine jahrliche See-Einfuhr von 6245000 Pud
persischer Waren. Bleiben die Astrachanschen und Transkaspi-
schen Waren auper Rechnung, so bleiben nur 5 Millionen Pud
iibrig, die hauptsachlich nach Baku gehen, von welchen min-
destens 4 Millionen auf die Eisenbahn iibergehen werden, die bei
einem Transport von 902 Werst und jenem Tarif eine Gesamt-
einnahme von 721600 Rubel bringen werden.
Im ganzen beziffert sich die Einnahme fiir die Ausfuhr aus
Rutland nach Persien auf den Teheranschen Abschnitt der geplan-
ten Bahn auf 360800 Rubel, fiir die Einfuhr aus Persien nach
Rupland 721600 Rubel, zusammen 1082400 Rubel.
Dem ist noch die Halfte aller Waren zuzufiigen, die nach
Schahrud und zuriick gehen, d. i. 21/0 Millionen Pud auf einer
Entf ernung von 390 Werst, was bei einem durchschnittlichen Tarif
von 1/.-0 Kopeken fiir das Pud und die Werst eine Gesamteinnahme
von 200000 Rubeln geben wird. Mit den friiheren 1082400 Ru-
beln zusammen erzielt die Bahn unter Aufnahme der zur See
beforderten Waren eine Gesamteinnahme von 1282400 Rubeln.
Was den Abschnitt Teheran-Meschhed-Kuschk betrifft, so
kann der Bericht des russischen Generalkonsuls in Meschhed fiir
das Jahr 1895 vorzugsweise zugrunde gelegt werden. Am 13.
Januar 1895 erfolgte die regelma^ige Zollkontrolle auf der Trans-
kaspischen Grenze. Danach betrug die Handelsbilanz Chorassans
inbezug auf die Einfuhr, die Ausfuhr und den Transit 8236000
Kreditrubel: auf die Einfuhr entfieien 3328000, auf die Ausfuhr
2073000 Rubel, wahrend die iibrigen 2835000 Rubel auf den
Transit der indisch-britischen Waren, die durch Chorassan nach
dem transkaspischen Gebiet geschafft wurden, und auf den Trans-
port der russischen Waren nach Afghanistan kamen. Von der
Gesamtsumme der Einfuhr der auslandischen Waren nach Cho-
rassan entf alien auf Rupland 1950000, auf Indien und Europa
1175000 und auf Afghanistan 203000 Rubel.
Von den nach Chorassan eingefiihrten russischen Waren
bleiben die meisten in diesem Gebiet; nach Afghanistan werden
Waren im Werte von 163000 Rubeln geschafft. Die Hauptartikel
der russischen Ausfuhr sind raffinierter und Rohzucker; ersterer
im Jahre 1895 in einer Menge von 100000 Pud, im Jahre 1897
von 176000 Pud; letzterer 1895 32000, 1897 66000 Pud. Der
zweite Hauptausfuhrgegenstand sind Baumwollgewebe unci iind<?re
— 95 —
Baumwollarbeiten, deren Gesamtmenge im Jahre 1895 einen Wert
von 737000 Rubeln erreichte.
Die indischen Waren kommen uber Bombay, Bender-Abbas
iind Kirman, die europaischen iiber Trapezunt nach Tabris und
Teheran.
Die Ausfuhr von persischen Waren aus Chorassan nach Rup-
land betrug 1895 511000 Pud im Werte von 2073000 Rubel.
Die indisch-britischen Waren, die nach Rutland iiber Meschhed
kamen. hatten einen Wert von 2327000 Rubel. Die Gesamtsumme
der Einfuhr aus Persien auf der Transkaspischen Landstrecke
betrug im Jahre 1895 4400000 Rubel. Nach der Ubersicht iiber
den Aupenhandel betrug diese Einfuhr im Jahre 1895 4567641
Rubel Oder 1845000 Pud. Die indisch-europaischen Transitwaren
betrugen 1300000 Pud. Endlich sind noch die Transitwaren zu
berechnen, die von Trapezunt nach Tabris-Teheran und Meschhed
gehen. Sie werden von Trapezunt nach Tabris geschafft, wo
persische Kaufleute schon Waren kaufen und sie nach Meschhed
schicken. Nach dem Bericht des englischen Konsuls fiir das
Handelsjahr 1895 — 1896 wurden auf diesem Wege Waren im
Werte von 241660 Rubel oder 25000 Pud geschafft. Es ergibt
sich also eine Gesamteinnahme: von der Einfuhr der Waren aus
Chorassan nach Rupiand nach dem Durchschnitt fiir die Jahre
1895—1897 1021000 Pud, einschliepiich der Transitwaren aus
Indien und Europa und der ortlichen persischen. Auf diese ganze
Menge Waren kann der Abschnitt von Meschhed nach Kuschk
rechnen, weil bis jetzt die Halfte dieser Waren nach Aschabad
ging, wo sie auf der Transkaspischen Eisenbahn weitertranspor-
tiert wurden. Wenn man bedenkt, dap es sogar fiir die Waren,
welche nach Aschabad gehen, vorteilhafter sein wird, den Um-
weg nach Kuschk und Merw einzuschlagen, als direkt nach Ku-
tschan und Aschabad transportiert zu werden, so ist es klar,
dap alle iibrigen Waren um so mehr auf der Eisenbahn fortge-
schafft werden, indem man die Billigkeit und Schnelligkeit, mit
welcher die groPen Entfernungen zuriickgelegt werden, den gros-
seren Kosten mit der kiirzesten Entfernung vorzieht. Folglich
erhalt die Bahn von der Million Pud bei der 300 Werst langen
Strecke von Meschhed nach Kuschk und bei dem Tarif von ^/gg
Kopeken pro Pud und Werst eine Gesamteinnahme von 60000
Rubel. In umgekehrter Richtung von Kuschk nach Meschhed
und weiter nach Westen nimmt die Bahn im ganzen 40 000. Pud
— 96 —
auf, wenn auch tatsachlich schon im Jahre 1897 458000 Pud nach
Chorassan ausgefiihrt wurden; wenn jetzt schon ^/^ der Waren
direkt nach Meschhed gehen und dort unter den Bezirken verteilt
werden, so werden um so mehr Waren nach Meschhed auf der
Eisenbahn transportiert werden. Die von diesen Waren zuriick-
zulegende Strecke betragt mindestens 600 Werst, da auch jetzt
ein bedeutender Teil von ihnen in der Richtung auf Schahrud
geht. Die Gesamteinnahme wird bei jenem Tarif 48000 Rubel
betragen. Auper dieser Gesamteinnahme konnen auch die Transit-
giiter, die iiber Trapezunt nach Tabris und Meschhed geschafft
werden, in Rechnung gestellt werden. Nach der obigen Be-
rechnung betragt die Menge der europaischen Giiter, die diesen
Weg einschlagen, jetzt 25000 Pud. Diese 25000 Pud miissen
519 Werst von Tabris bis Teheran und 840 Werst von Teheran
bis Meschhed zuriicklegen. Somit werden die europaischen Transit-
giiter 6800 Rubel einbringen, indem sie 1360 Werst zu durch-
laufen haben. Auch der Handel Chorassans mit Afghanistan kann
berechnet werden. So wurden im Jahre 1892 aus Herat nach
Chorassan 12000 Pud im Werte von 938556 Kran eingefiihrt.
In den letzten Jahren hat sich die Einfuhr auPer nach der einen
auch nach der anderen Seite verandert. Wird diese Menge mit
in Rechnung gestellt, so wii'd die Gesamteinnahme bei der 300
Werst langen Strecke von Kuschk nach Meschhed 1920 Rubel
betragen. Aus Chorassan nach Afghanistan wurden im Jahre
1893 63000 Pud ausgefiihrt; davon sind aber 25000 Pud russischer
Waren auszuscheiden, die aus Rupiand iiber Chorassan nach Af-
ghanistan transportiert werden. Ein solcher Transport ist anormal;
mit der Herstellung regelmapiger Handelsbeziehungen mit Af-
ghanistan wird sich das aber andern, denn die Waren werden direkt
von Merv^ nach Kuschk und Herat gehen. Nach Abzug von
25000 Pud russischer Waren von jenen 63000 Pud bleiben
18000 Pud, welche unzweifelhaft mit in Rechnung gestellt wer-
den konnen und bei einer zu durchlaufenden Strecke von 300
Werst und jenem Tarif eine Gesamteinnahme von 2280 Rubel
geben werden.
Summiert man die ganze Gesamteinnahme der geplanten Bahn
von den transportierten Giitern aus Chorassan nach Rupiand und
umgekehrt einschlieplich der afghanischen und der indisch-euro-
paischen Transitgiiter, sowie von den aus Trapezunt kommenden,
so betragt sie 120000 Rubel.
— 97 —
Die Gesamteinnahme der ganzen Linie wird betragen:
auf den 1. Abschnitt, dem Tabrisschen 250000 Rubel
,. „ 2. „ „ Teheranschen 1282400 .,
„ ., 3. „ „ Meschhedschen 120000 .,
zusammen 1652400 Rubel.
Wir wenden uns nun von den Giitern, die ausgetauscht wer-
den, zu den Transitgiitern. Es werden dabei die Daten aus der
Statistik der Transporte auf der Transkaspischen Eisenbahn be-
nutzt, welche ein vollstandig sicheres Material geben. Diese
Daten sind aber als ein Minimum anzusehen, da in dem Bericht
fiir das Jahr 1898, der hier als Grundlage angenommen wird,
keine Angaben fiir die Andishansche, Murgabsche und Tasch-
kenter Bahn vorhanden sind. AuPerdem ist die Transkaspische
Eisenbahn nicht die einzige Verbindung zwischen Mittelasien und
dem Zentralrupiand. Bis jetzt transportieren die Karawanen noch
Hunderttausende von Lasten.
Es warden auf der Transkaspischen Eisenbahn Giiter trans-
portiert:
1. Inbezug auf die Absendung von den Stationen der Bahn:
im Jahre 1894 10344046 Pud
., 1895 12834162 .,
„ 1896 12600297 „
2. Inbezug auf die Ankunft auf den Stationen der Bahn:
im Jahre 1894 11502760 Pud
„ 1895 8502147 „
„ 1896 10390557 „
Beriicksichtigt man die Transitsendungen der Stadtstationen
Buchara, Taschkent, Samarkand u. a. nach Rupland und umge-
kehrt aus Rupland nach diesen Stationen und auch die Transporte
von Station zu Station, so ergeben sich, nach den Daten des
Jahres 1896, 14216000 Pud Giiter, die den festgesetzten Tarif
zu zahlen haben. Im dreijahrigen Durchschnitt betragen sie
13900000 Pud.
Bei der Berechnung der Transitgiiter, welche die Eisenbahn
aufnimmt, ist auch die wahrscheinliche Bewegung der Giiter auf
der Taschkent-Orenburgbahn zu beriicksichtigen, welche noch im
Bau l)egriffen ist.
Die Beziehungen Ru&lauds zu Persieu. 7
— 98 —
Aus der statistischen Tabelle der Einfuhr, der Ausfuhr und
des Transits der Giiter, die im Jahre 1896 auf der Bahn trans-
portiert wurden, ist ersichtlich, daP auf der Transkaspischen
Eisenbahu aus Eupiand und Kaukasien nach den Stationen Buchara
und Taschkent 2793000 Pud versandt wurden, da von:
Weizenmehl und Weizen 43000 Pud
Manufakturwaren 742000 „
Raffinierter Zucker 178000 „
Rohzucker 191000 „
Bauholz 216000 „
Kerosen 276000 „
Eisen und Eisenarbeiten 211000 „
Tee 108000 „
Die gesamte Einfuhr aus Rutland und Kaukasien betrug
im Jahre 1896 41/2 Millionen Pud Giiter; davon werden aber nur
die Transitgiiter nach Buchara und Turkestan zu beriicksichtigen
sein, fiir welche es vorteilhafter sein wird, die geplante Eisenbahn
zu benutzen; auch auf die kaukasischen und siidlichen Giiter ist
zu rechnen, die schneller und billiger durch Persien als nach
Orenburg und Taschkent transportiert werden.
Die Einfuhrwaren aus Rupiand und Kaukasien wurden wie
folgt transportiert:
1. Getreide (98 Proz.) geht aus dem nordlichen Kaukasien
iiber Petrowsk. Die Menge des Transitgetreides ist unbedeutend
(43000 Pud), und auPerdem wird die Bahn dieses Gut wahr-
scheinlich nicht aufnehmen, weil trotz der hohen Fracht von
Petrowsk nach Krassnowodsk von 10 — 12—14 Kopeken pro Pud,
der Seetransport bedeutend kiirzer ist, so daP der Transport von
Getreide auf diesem Wege billiger sein wird.
2. Die Manufakturwaren kommen hauptsachlich aus dem Mos-
kauer Rayon; aus dem Weichselgebiet nicht iiber 25 Proz.; folg-
lich kann von den oben angegebenen 742000 Pud auf 200000 Pud
gerechnet werden, die nach Odessa-Batum geschafft werden und
als Transitgiiter iiber Persien nach den Markten Buchara und
Turkestan gehen.
3. Zucker liefern fast ausschliepiich der Kiewer und Charkower
Rayon; Moskau nur 15000 — 6000 Pud. Bis jetzt wurde der Zucker
iiber Zarizyn-Astrachan transportiert und nur 20 Proz. ging als
Transitgut durch Kaukasien. Mit der Durchfiihrung der neuen
— 99 —
Bahn wird es fiir den ganzen Bucharaschen und teilweise fiii- den
Turkestanschen Zucker, besonders i'iir den aus dem Kiewschen
Rayon kommenden vorteilhafter sein, nach Odessa-Batum und
durch Persien geschafft zu werden; man kann auf 70 Proz,
Zucker, also auf 300000 Pud rechnen.
4. Bauholz geht von der Wolga iiber Astrachan. Die geplante
Bahn kann auf seinen Transport nicht rechnen. Am wahrschein-
lichsten ist es, daP Nordpersien Turkestan reichlich mit Holz
versorgen wird; jedenfalls wird das die ortliche Ausfuhr erhohen.
5. Kerosen und Naphthaprodukte kommen aus Baku und
konnen von der neuen Bahn aufgenommen werden. Es besteht
fiir den Transport ein besonderer Tarif, und bei solchen weiten
Entfernungen (iiber 2000 Werst) werden 30 Proz. abgezogen wer-
den; werden die Transportkosten noch verringert, wird der Trans-
port dieser Produkte nicht teurer werden, als jetzt auf dem
Kaspischen Meere und der Transkaspischen Bahn. 300000 Pud
werden der Bahn zufallen.
6. Eisen und Eisenarbeiten liefern der Ural, die siidlichen
und Weichselgouvernements. Vom Ural kommen 42 Proz., wah-
rend die iibrigen 58 Proz. auf den Siiden und das Weichselgebiet
entfallen. Verbleiben 42 Proz. der Orenburg-Taschkentbahn, kann
auf 58 Proz., auf 120000 Pud dieser Giiter, gewip gerechnet
werden.
Somit sind allein von den HauptgUtern bei einer strengen
Bewertung etwa eine Million Pud Transiteinfuhrgiiter berechnet.
Von den iibrigen Artikeln kann man noch auf 5 Millionen Pud,
also im Ganzen auf 1500000 Pud oder nur auf die Halfte aller
der Giiter rechnen, welche jetzt aus Rupiand und Kaukasien
nach der Station Buchara und Turkestan transportiert werden.
Diese Zahl ist weit niedriger, als die tatsachliche Transit-
Einfuhr sein wird. Der Bedarf Turkestans an russischen Waren
ist bedeutend groper, als das bis jetzt der Fall war. Auperdem
wird durch Persien der ganze afghanische Transit gehen. Der
russische Handel mit diesem Lande befindet sich in anormalen
Verhaltnissen. Tatsachlich mup Rupiand es ganz mit seinen Waren
versorgen, und ein solcher Umschwung wiirde sehr bald erfolgen.
Die Ausfuhr aus Buchara und Turkestan nach Persien und
Kaukasien erreichte im Jahre 1896 nach dem Bericht der Trans-
kaspischen Eisenbahn 4470000 Pud. Da von:
— 100 —
Baumwolle 3449000 Pud
Wolle 382000 „
Rosinen u. getrockn. Friichte 210000 .,
Ungegerbte Schaffelle 119000 „
Haute und ungegerbte Felle 84000 ,,
Alle diese Giiter gehen in folgender Weise nach Rupiand:
1. Die Baumwolle wird iiber Astrachan und Nishnij-Nowgorod
in den Moskauer Manufakturbezirk transportiert; iiber Baku und
Batum nach Odessa und nach den Fabriken des Weichselgebiets
Oder auch nach Moskau. Es ist unzweifelhaft, daP die ganze
Baumwolle des Weichselgebiets als Transitgut durch Persien gehen
wird, so daP mindestens 2 Millionen Pud der neuen Bahn zufallen
werden.
2. Die Wolle geht auf demselben Wege wie die Baumwolle,
so dap man auf 15000 Pud rechnen kann.
3. Die Haute, Felle, Schaffelle gehen bald iiber Astrachan
nach den Zentralgouvernements (55 Proz.), bald iiber Kaukasien,
also iiber Baku-Batum-Odessa (45 Proz.). Folglich sind aut
100000 Pud dieser Giiter zu rechnen.
4. Die Bewegung der Rosinen und getrockneten Friichte ist
genau schwer zu verfolgen. Sie werden auf alien Wegen trans-
portiert. Jedenfalls aber wird die Bahn mindestens 100000 Pud
dieser Waren aufnehmen.
Im ganzen sind das 2350000 Pud ausgefiihrte Giiter. Werden
noch 650000 Pud der iibrigen Giiter hinzugefiigt, so konnen
3 Millionen Pud der Ausfuhr angenommen werden. Im ganzen
betragen die Transitgiiter:
als Einfuhr 1500000 Pud
als Ausfuhr 3000000 „
4500000 Pud.
Werden noch mindestens 500000 Pud hinzugefiigt, welche
der Handel mit Afghanistan geben wird, so ergeben sich rund
5 Millionen Pud Transitgiiter, die bei der 2042 Werst langen zu-
riickzulegenden Strecke von Kuschk nach Alexandropol und bei
dem Tarif von 1/50 Kopeke pro Pud und Werst 2042000 Rubel als
Gesamteinnahme geben werden.
Die Gesamteinnahme der ganzen geplanten Linie wird be-
tragen:
- lUl ~
Von dem Handelsaustausch zwischen Rupland und Persien
1652000 Rubel, von den 5 Millionen Pud Transitgiitern 2042000
Rubel, zusammen 3694000 Rubel oder rund 3700000 Rubel.
Aus dem Vorstehenden wird zur Geniige die hohe Bedeutung
der geplanten Bahn Alexandropol-Eriwan-Tabris-Teheran-Mesch-
hed-Kuschk in wirtschaftlicher und Handelsbeziehung sowie ihre
Rentabilitat bewiesen sein. Allerdings wird der Bau dieser iiber
2000 Werst langen Bahn auf 116500000 Rubel veranschlagt, eine
Summe, die denen des Baus der Gropen Sibirischen Bahn gegen-
iiber als gering zu erachten ist, indem letztere bei einer Lange
von 4865 Werst 3553771911 Rubel gekostet hat. —
Von nicht geringerer Bedeutung in politischer und Handels-
beziehung ist der Plan, eine Eisenbahn von dem Norden Persiens
bis zum Persischen Golf zu bauen, um so vor allem ein ,,warmes"
Meer zu erreichen, was ja fiir Rutland bei seinen sonstigen
Hafenverhaltnissen von ganz auperordentlicher Wichtigkeit ist.
Es sind auch fiir diese Bahn verschiedene Projekte in Frage ge-
kommen. Rittich tritt in seiner Broschiii-e „Die Eisenbahn durch
Persien'* fiir die Linie Teheran-Kum-Kaschan-Isfahan-Kumische-
Schiras langs des Laufes des Flusses Karaagatsch nach Lar und
Bender-Abbas ein. Sie wird eine Lange von 890 und in Verbindung
mit der geplanten Bahn Alexandropol-Teheran eine solche von
2110 Werst haben. Diese Linie ist die kiirzeste, in technischer
Beziehung die bequemste, beansprucht die geringsten Kosten und
umfasst die wichtigsten Gebiete Persiens. Der Seehandel Eng-
lands wird durch diese Bahn gro^e Nachteile haben, denn die
Dauer des Transports der Giiter auf derselben wird wenigstens
um das Doppelte kiirzer sein. So braucht ein Dampfschiff, um
die Strecke von Liverpool nach Bender-Abbas zuriickzulegen, 23
Tage, wJihrend die Transitgiiter von Calais in 8 Tagen Tiflis,
nach weiteren 2 Tagen Teheran und nach noch einmal 2 Tagen
Bender-Abbas, also zusammen in 12 Tagen, erreichen wiirden, was
fast die Halfte der Zeitdauer der Fahrt von Liverpool nach Bender-
Abbas betragt. Passagierziige konnen schon in 6 Tagen in Bender-
Abbas ankommen. Im Innern des Landes werden die Giiter un-
bedingt die Eisenbahn benutzen, denn durch die Umladung fallt
der Vorteil der Seefracht fort.
Rittich weist darauf hin, dap es fiir Rupland unbedingt not-
wendig sei, nicht nur in Bender-Abbas sich festzusetzen, spndern
— 102 —
auch die Inseln Kischm, Hormus, Larak und Hendjam zu erwerben.
Durch einen mit der persischen Regierung auf 25 Jahre abge-
schlossenen Pachtvertrag sei dies ebenso zu erreichen, wie es
im fernen Osten mit Port-Arthur und Taliwan (Dalnyi) der Fail
sei. Von seiten der persischen Regierung seien keine Schwierig-
keiten zu erwarten, da sie immer Geld notig habe. Die einmalige
Zahlung einer groPen Summe und jahrliche Subsidien wiirden wohl
den Erfolg sicherstellen.
In der englischen Presse ist auch unlangst von einem zAvi-
schen Rupiand und Persien abgeschlossenen geheimen beziiglichen
Vertrage die Rede gewesen. Russischerseits ist das allerdings
abgeleugnet, wenn auch in sehr zweideutiger Weise. Es liegt
auf der Hand, daP die Erwerbung jener Inseln auPerordentlich
wichtig fill" Rupiand ware, da dann seine Macht im Persischen
Golf England gegeniiber gesichert sein wiirde.
Die Insel Kischm ist die gropte im Persischen Golf, hat eine
Lange von 113, eine Breite von 36 km. Sie ist steinig, ode und
von Hiigeln durchzogen. Ihre 12000 Bewohner verteilen sich
auf 70 Dorfer. Die Englander hatten auf der Insel den Hafen
Basiluh besetzt, welcher den Eingang in die StraPe, welche die
Insel von dem Festlande trennt, beherrscht; sie haben ihn aber
bald wieder verlassen, weil sie die Besetzung von Maskat fiir vor-
teilhafter hielten.
Die Insel Hendjam liegt 2 km siidlich von der Insel Kischm
und wurde einst von den Englandern als Ankerplatz fiir ihre Flotte
ausersehen. Aber jetzt ist dieser Plan wegen Mangel an Wasser
und infolge der hier herrschenden Hitze aufgegeben. Das hindert
iibrigens die Englander nicht, dort eine Telegraphenstation fiir
das Kabel der indischen Telegraphenleitung anzulegen. Die Ober-
reste der zahlreichen Ruinen, Zisternen und Acker auf der Insel
weisen darauf hin, dap sie einst sehr bevolkert war, so dap man
daran denken konnte, sie von neuem zur Bliite zu bringen. Jetzt
ist sie nur von 450 Arabern bewohnt.
Die wichtigsten Inseln im Persischen Golf sind Hormus, G km
lang und breit, und Larak mit einer Breite von 6, einer Lange von
10 km. Erstere liegt 20 km ostlich, letztere 30 km siidlich von
Bender- Abbas; sie sind 20 km voneinander entfemt. Die Insel Hor-
mus gehorte im 16. Jahrhundert den Portugiesen, und noch jetzt
ist an dem nord lichen Ende des Kaps ein von ihnen erbautes Fort
sichtbar, das 13 m iiber dem Meere liegt. Am besten haben sich
— 103 —
das ostliche Fort unci die siidostliche Bastion erhalten, die einen
astronomischen Punkt der englischen Karten bildet (56" 27' 20"
der Lange von Greenwich und 27" 5' 51" der n. Breite). Siidlich
von diesem Fort bestehen noch Ansiedelungen zu 100 Hofen.
Der Ankerplatz bei Hormus gilt fiir besser als der bei Bender-
Abbas; er ist gegen alle Winde geschiitzt. Eine halbe Meile
westlich vom Fort betragt die Meerestiefe 7 — 9 m, so daP grope
Schiffe hier ankern konnen.
Wenn diese Inseln besetzt und befestigt werden, bilden sie
ein gropes Hindernis, um in den Persischen Golf einzufahren.
Bender-Abbas selbst war einst der beriihmteste und wichtigste
Hafen, in dem sich der ganze Aupenhandel Persiens mit Europa,
Arabien und Mittelasien konzentrierte. Da aber das Land nicht
kultiviert ist und andere ortliche Verhaltnisse den Hafen be-
einflupt haben, so hat er jetzt nicht mehr die friihere Bedeutung.
Die Stadt liegt auf der sandigen Meereskiiste. Die Schiffe ankern
1^/2 englische Meilen siidostlich von der Kiiste. Die Reede gilt
fiir sehr giinstig, sowohl inbezug auf den Ankergrund, wie auch
inbezug auf den Schutz gegen die Winde, den Siidostwind aus-
genommen. Die Waren werden in groPe einheimische Kahne um-
geladen; um diese mit Tauen befestigen zu konnen, ist ein massiver
Kai angelegt.
Die Englander haben das Geriicht verbreitet, daP das Klima
von Bender-Abbas so unertraglich ware, daP die Russen bei seiner
Besetzung Gefahr liefen, zu verbrennen. Es ist leicht einzusehen,
zu welchem Zweck die Englander solche Undinge geauPert haben.
Viele Russen sind dort gewesen und haben eine ganz andere An-
sicht. Ein Korrespondent der ,,Petersburgski Wiedomosti", der
in Bender-Abbas war, schreibt, dap letzteres in keiner Weise
schlechter ware als Aden und jede andere Stadt, die unter der-
selben Breite und Lange liegt. Man konne auf dem Berge in
Minab wohnen, wo das Klima sehr angenehm und gesund sei.
Die Einwohnerzahl von Abbas zu bestimmen ist sehr schwer.
Curzon setzt sie auf 5000 Menschen im Winter fest; im Sommer
vermindert sich die Bevolkerung.
Der Gesamtumschlag des Hafens erreichte im Jahre 1893
633031 Pfund Sterling.
Bis jetzt war kein englischer politischer Agent in Bender-
Abbas und Lingah, und mit den Angelegenheiten der englischen
Untertanen befapten sich Agenten von persischer Herkunft. In
— 104 —
der Folge sollen aber die einheimischen diirch spezielle Agenten
ersetzt werden. AuPerdem verlangt auch die englische Presse,
dap der Lord Curzon sich in den Besitz der Inseln Kischm und
Hormus setzen raiisse, da dadurch Bender-Abbas seine Bedeutung
verlieren wiirde.
Die Interessen Rupiands und Englands sind also auch hier
direkt entgegengesetzte. Wenn aber die von Rupiand geplante
Bahn ganz Persien durchschnitten und Bender-Abbas und somit
den Persischen Golf erreicht haben wird, was ja allerdings nocli
eine Frage der Zukunft ist, so wird es nicht England, sondern Rup-
iand sein, das ganz Persien und den Persischen Golf unter seinen
Einflup bringt, Wie Rupiand durch die chinesische Ostbahn die
Mandschurei tatsachlich, wenn auch nicht nominell, sich untertan
gemacht hat, so wird ein gleiches auch inbezug auf Persien durch
die geplanten Bahnen bewirkt werden, und zwar auf eine wirk-
samere Weise, als dies in der Mandschurei der Fall ist, Eine
Teilung Persiens in eine nordliche russische und eine siidliche
englische Sphare wird dann ausgeschlossen sein. —
Es eriibrigt noch, diese geplanten Bahnen in strategischer
Beziehung zu bewerten. Die Bahn Alexandropol-Eriwan-Djulfa
und weiter nach Tabris zu bauen, ist notwendig, da dadurch die
groPen Zentren unmittelbar miteinander verbunden werden und
Rupiand infolgedessen erforderlichenfalls die zweite Hauptstadt
des Reiches, Tabris, in kiirzester Zeit mit Truppen besetzen kann.
Ein Widerstand von persischer Seite ist nicht zu erwarten oder
wenigstens leicht zu iiberwinden. Auper der kurdischen und
sonstigen Reiterei konnen die persischen Truppen den russischen
keinen Widerstand leisten. Die letzten Kriege Rupiands mit
Persien haben dafiir den Beweis geliefert, und seitdem sind die
Truppen des letzteren noch schlechter geworden. Infolgedessen
spielen die „Stadte als Stiitzpunkte" eine weit wichtigere Rolle
als die Truppen. Sind die Stadte genommen, so ist auch der Feld-
zug gewonnen. Deshalb ist vor allem notig, Tabris, die zweite
Hauptstadt Persiens, mit dem kaukasischen Eisenbahnnetz zu
verbinden, um russische Truppen dorthin transportieren zu konnen.
Diese Linie entspricht auch den politischen und wirtschaftlichen
Forderungen, wie schon oben naher ausgefuhrt ist. Gefahr droht
diesem Bahnabschnitt nur langs der Grenze des Chanats Maku.
Im Kriege ist der Chan oder Emir von Maku verpflichtet, 25000
— 105 —
Mann Reiterei, welche ausschlieplich aus Kurden besteht, zu
stellen. Im Frieden sind die Kurden nur nominell Untertanen des
Schahs und fast vollstandig unabhangig. Dieses kriegerische
Volk erkennt nur das Recht des Starkeren an, so daf3 dieser Ab-
schnitt mehr geschiitzt werden mufi als die anderen. Die weitere
Strecke bis Tabris ist nicht gefahrdet, da sie durch Gegenden
fiihrt, die von der friedlichen tiirkisch-tatarischen Bevolkerung
Aserbeidjans bewohnt werden.
Will man die Balin westlicher nach Choi und Urmia bauen,
so setzt man sich groperen Oberfiillen und bedeutenden Schwie-
rigkeiten aus, welche eine zu grope und teuere Sicherung er-
fordern. Nach Curzon erreicht hier die kurdische Bevolkerung
250000 Kopfe. Infolgedessen ist die von Rittich vorgeschlagene
Linie vorteilhafter als die westlichere.
Die ganze Strecke bis Tabris wird auch eine vorziigliche
Basis fiir die russischen Operationen gegen die Tiirkei sein. Dank
dieser Linie kann Rupland sie im Riicken fassen, indem die Truppen
von Tabris auf Choi und Wan vorgehen.
Die Bahn geht dann weiter in der Richtung auf Teheran iiber
Miane, das^ein Knotenpunkt der Wege nach Maragh, Tabris, Ai--
debil, Teheran ist. Auf der ganzen Strecke bis Teheran ist die
Gegend bevolkert und gut kultiviert. Die Bevolkerung ist fried-
lich und ruhig, so dap besondere Gefahren fiir die Bahn nicht
vorhanden sind. Die erforderliche Sicherung ist unbedeutend.
Die folgenden wichtigen Punkte sind Sendjau und Kaswin. Von
ersterem gehen keine gropen Wege nach Siiden, sondern nur
Karawanenwege nach Hamadan und Sihna. Kaswin ist auPer-
ordentlich wichtig; von hier geht die russische Chaussee nach
dem Hafen Enseli, von wo eine grope FahrstraPe nach Teheran
fiihrt. Nach Siiden, nach Hamadan, gibt es ein ganzes Netz
von Saumpfaden.
Teheran ist das Zentrum des ganzen Reichs; von hier gehen
AVege nach alien Richtungen. Es gibt 7 grope Karawanenstrapen
und auperdem mehrere Saumpfade.
Von Teheran nach Meschhed sind solche Knotenpunkte wie
Semnan. Damgan und Schahrud zu iiberschreiten; letztere Stadt
ist sehr wichtig; von ihr gehen grope Trakte nach Astrabad,
Aschabad, Meschhed und Turschis aus. In militarischer Beziehung
ist Schahrud das nachste Ziel der bei Astrabad gelandeten Truppen.
Die Strecke Schahrud-Meschhed umfapt auch viele Knotenpunkte:
— 106 —
Sebsewar, Nischapur. Diese Strecke ist um so mehr wichtig,
a Is hier viele Saumpfade aus Seistan miinden, so daP zu erwarten
ist, da(3 die Englander versuchen werden, die Eisenbahn auf
dieser Strecke zu zerstoren.
Endlich konzentrieren sich in Meschhed 5 grope Trakte.
Diese Stadt ist das Hauptobjekt der russischen und englischen
Operationen. Die strategische Bedeutung von Meschhed ist um
so wichtiger, v/enn man bedenkt, daP sie fiir die Perser eine
heilige Stadt und in dieser Beziehung eine groPere Bedeutung
a Is Teheran hat. Alle Mohammedaner sind Fanatiker, und die Ein-
nahme dieser Stadt durch russische Truppen wird Rupiand noch
ein groperes Ansehen beilegen.
Was nun die Verbindung Meschheds mit der Transkaspischen
Eisenbahn betrifft, so kann eine solche in Aschabad, Duschak,
Tschemen-i-Bel und Kuschk erfolgen. In technischer Beziehung
wird die Richtung nach Aschabad eine sehr schwierige sein, da
die Bahn durch die Schluchten des Elbrusriicken gefiihrt werden
muP, was grope Ausgaben verursachen wird, um so mehr, als
die Gesamtlange 250 Werst betragt, d. i. etwas geringer als
in der Richtung nach Kuschk. Ebensolche Schwierigkeiten und
kaum geringere Ausgaben entstehen, wenn Meschhed mit Du-
schak verbunden werden soli. Folglich rauP man sich fiir Tsche-
men-i-Bel Oder Kuschk entscheiden. In technischer Beziehung ist
die erstere Richtung vorteilhafter, in strategischer Beziehung
ist aber die auf Kuschk vorzuziehen, wie auch von den End-
punkten Aschabad und Duschak keine Rede sein kann. Das
geht schon daraus hervor, daP die ganze geplante Linie eine Ver-
wickelung mit England oder richtiger mit seinem vorliegenden
Pufferstaat, Afghanistan, im Auge hat. Deshalb ist es not-
wendig, die Eisenbahn moglichst tief in das Innere zu fiihren,
damit die Truppen nach dem auPersten Endpunkt transportiert
werden konnen, und eine solche Station ist nur Kuschk. In dieser
Beziehung ist sie sogar der Station Tschemen-i-Bel vorzuziehen.
Vergleicht man die geplante Bahn mit der im Bau begriffenen
Bahn Orenburg-Taschkent, so ist ersichtlich, daP beide Bahnen
eine hervorragende strategische Bedeutung haben, indem sie beide
in den Dienst der russischen Truppen gestellt werden konnen.
Wahrend die letztere die Marschstrape fiir die Truppen des zen-
tralen und ostlichen europaischen Rupiands bildet, wird erstere
ausschliepiich den Truppen des Kaukasischen und wenn notig des
— 107 —
Odessaer Bezirkes dienen. Die Orenburg-Taschkenter Bahn ist
nicht gefahrdet, da sie nur russisches Territorium durchschneidet.
Jedenfalls ist die Gefahrdung der geplanten Linie auf frem-
dem Territorium zehnmal geringer als bei der Mandschurischen
Bahn. Wenn RiifMand sich entschlossen hatte, die Mandschurische
Bahn zu baiien, so ist um so mehr Grund vorhanden, den Bau
der Persischen Eisenbahn auszufiihren, wenn man bedenkt, da(3
die politischen und wirtschaftlichen Interessen hier wichtiger
sind als bei der Mandschurischen Bahn.
Die geplante Bahn nach Bender-Abbas entspricht den mili-
tarischen Forderungen nicht vollstandig. In strategischer Be-
ziehung ware es wichtiger, die Bahn von Kuschk oder Meschhed
nach Siiden an die Grenze Seistans und Balutschistans zu
fiihren. Bei einer solchen Richtung wiirden die Russen in den
Riicken der Englander kommen konnen und waren unmittelbar am
Ziele der Operationen.
Aber im vorliegenden Falle miissen die strategischen den
kommerziellen Forderungen den Vorrang lassen, um so mehr, als
es in der Folge gelingen kann, einen Eisenbahnzweig von Bender-
Abbas langs der Landschaft Mekran zur Verbindung mit dem
indischen Eisenbahnnetz zu bauen.
Was die Durchfiihrung der Eisenbahn nach der Bucht bei
Tschahbar am Indischen Ozean betrifft, so ist diese Bucht in stra-
tegischer Beziehung giinstiger, da sie der Grenze Balutschistans
bedeutend naher liegt. Der Ingenieur Palaschkowski bezeichnete
sie als den Endpunkt in seinem Projekt vom Jahre 1889. Aber er
sah, dap diese Bucht unbefriedigend sei, denn er erwahnte, dap
die endgiiltige Wahl des Endpunktes nur nach sorgfaltigen Unter-
suchungen derselben erfolgen konnte. Eine eigentliche Unter-
suchung und Ausmessung dieser Bucht land nicht statt. Man
nahm die englischen Karten als Grundlage fiir die Schlupfolge-
rungen. Auch die Englander iibergehen diese Bucht mit Still-
schweigen, und ihre Nachrichten sind sehr mangelhaft.
Jedenfalls ist die Umgegend der Bucht Tschahbar so wenig
bevolkert und ode, daP sie mit dem Hafen Bender-Abbas nicht ver-
glichen werden kann, welcher friiher der erste Hafen an dem ganzen
Indischen Ozean war. Wahrend die Bahn von Isfahan nach der
Bucht Tschahbar eine Wiiste durchschneidet, fiihrt die geplante
Linie die ganze Zeit iiber die reichsten Stadte und durch eine ver-
haltnismapig fruchtbare Gegend.
— 108 —
Bevor nun Rutland die Nord-Siidbahn fertiggestellt hat, wird
England im Persischen Golf noch das Obergewicht behalten. DaP
aber auch jetzt schon Rupiand bestrebt ist, diesen Golf England
nicht allein zu iiberlassen, geht daraus hervor, dap es die russische
Kriegsflagge hier gezeigt hat, indem neuerdings das Kanonenboot
„Giljak" Bender-Buschir angelaufen hat, ein Beweis, dap Rupiand
auch in dem Persischen Golf seine Anspriiche England gegeniiber
zur Geltung zu bringen versucht. In diesem Sinne hat auch das
russische Marineministerium verfiigt, daP der Kreuzer ,,Asskold"
auf seiner Fahrt nach dem fernen Osten den persischen Golf
und dort mehrere Hafen besuchen soil. Diese MaPregel ist ganz
im Sinne der „Nowoje Wremja", die schreibt: „Wenn der Besuch
der Hafen des Persischen Golfs in den Fahrplan unserer Schiffe
aufgenommen wird, wenn die Kiistenbevolkerung sieht, daP Rup-
iand nicht nur iiber verhaltnismapig kleine Kanonenboote, sondern
auch iiber groPe Kreuzer und Geschwaderpanzerschiffe verfiigt,
und wenn endlich ein russischer Stationar im Persischen Golf
dauernd bleibt, so wird sehr bald die englische Flagge ihre Herr-
schaft hier verlieren. Gleichzeitig mit der Entsendung unserer
Schiffe in den Persischen Golf ist anzuordnen, daP politische
Agenten an den wichtigsten Punkten des Golfs ernannt werden.
Wenn wir einen Generalkonsul in Buschir, einen Konsul in Bender-
Abbas, Vizekonsuln in Lingah und Djask sowie an der siidlichen
Kiiste haben werden, so wird ein Kampf mit dem englischen Einf lup
nicht besonders schwierig werden. Rupiand hat in dem Osten
ein solches Prestige, dap keine zu groPe Miihe erforderlich ist,
um es auch, soweit notig, aufrecht zu erhalten. England hat
unbedingt keine ausschlieplichen Rechte auf den persischen Golf,
der ebenso neutral ist wie jedes andere offene Meer."
Auch Handelsbeziehungen sind seitens Ruplands in dem per-
sischen Golf in die Wege geleitet. Die russische „Dampfschiff-
und Handels-Gesellschaft" beteiligt sich an dem direkten russisch-
persischen Verkehr, der vorerst so eingerichtet ist, daP die Waren
von den Stationen der russischen Eisenbahnen nach den Hafen
des Persischen Golfs abgesendet werden. So ist am 25. August
1902 das Dampfschiff ,,Trupor" dieser Gesellschaft mit Waren
nach den Hafen Maikat, Djask, Bender-Abbas, Buschir und Bassra
dirigiert; es soUte Konstantinopel, Smyrna, Jaffa, Port-Said, Suez,
Djesda, Djibuti und Aden anlaufen, sowie in Bassra fiir die weitere
Fahrt aul dem Tigris nach Bagdad umladen. Damit ist der erste
— 109 —
Schritt Ruplands, seinen Handel auch im Siiden Persiens auszu-
dehnen, getan.
Was nun England betrifft, so hat es seine Herrschaft weit
nach Westen vorgeschoben und sucht seine indischen Besitzungen
mit dem Persischen Golf zu verbinden. Es geht langsam, aber
sicher aui" dieses Ziel los. Nachdem es sich zu Ende der siebziger
Jahre wahrend des zweiten afghanischen Krieges in Quetta fest-
gesetzt hat, begann es von hier aus seinen EinfluP auf Balu-
tschistan auszudehnen, und hatte dabei einen solchen Erfolg, dap
jetzt der Kelatskische Chan schon ein gehorsamer Vasall In-
diens ist.
Ein solches Vasallenverhaltnis erschien aber den Englandern
fiir nicht ausreichend , sie begannen MaPregeln zu ergreifen,
um ihrem EinfluP auf Balutschistan einen tatsachlichen Aus-
druck zu geben. Zu diesem Zwecke legten sie im Nor-
den des Landes eine KarawanenstraPe an, die das britische
Balutschistan rait dem persischen Seistan und die Wege,
die nach Meschhed, Teheran und zur Kiiste des Persischen Golfs
fiihren, miteinander verbinden sollte, Diese StraPe ist wie eine
MilitarstraPe in einem feindlichen Land gebaut; es sind Etappen-
punkte, die mit kleinen Truppenabteilungen besetzt und mit Ver-
pflegung versehen sind, angelegt; hier und da befinden sich Be-
festigungen; ein Kommandeur des Weges ist ernannt, der den
offiziellen Rang eines ,,politischen Agenten" hat, obgleich auf
einer Strecke von mehreren Hundert Kilometern von Nuschki bis
Seistan die Gegend nur eine zusammenhangende Wiiste ist.
Die Anlage dieser KarawanenstraPe ist durch den Umstand
veranlapt, daP Rupiand sowohl von Kaukasien wie namentlich
von der Transkaspischen Bahn aus einen offenen Zutritt nach
Nordpersien gewonnen hat und seine Waren dort ohne Umladung
absetzen kann. Infolgedessen haben die Vorkampfer der eng-
lischen Herrschaft iiber Persien auf wirtschaftlichem Gebiet, Mac-
gregor, Mark Bell,LordCurzonu.a., daraufgedrangt, einegesicherte
KarawanenstraPe unabhangig von dem afghanischen Gebiet durch
Balutschistan nach Persien zu fiihren und fiir den englischen
Handel nutzbar zu machen. Das Ergebnis war der Bau der oben-
erwahnten StraPe, welche von Quetta iiber Nuschki-Dalbandin
nach Hurnuk fiihrt. Der Weg lauft durch kahle Hochsteppen langs
des Nordrandes des Hochlandes von Balutschistan. Von Hurnuk
wendet sich die StraPe nordwarts und erreicht, immer auf per-
— 110 —
sischen Gebiet, hart langs der afghanischen Grenze bleibend iiber
die Hauptstadt Seistans, Nasratabad, Birdjand, eine Stadt von
30000 Einwohnern, die den Knot-enpunkt der Wege bildet, die vom
Persischen Golf (Bender- Abbas) iiber Seidabad-Kirman-Naibend
nach Nordostpersien fiihren.
Englischerseits hat man nun alles aufgeboten, damit die
Karawanen diesen neuen Weg benutzen. Ein englischer Bevoll-
machtigter begab sich zu dem Ende nach Kirman, dessen Kauflente
auch dem Plane zustimmten, urn so mehr, als Hindus, die eng-
lische Untertanen sind, sich unter ihnen befanden. Der Konsul
versprach ihnen, daP alle Verluste der Karawanen, die etwa von
rauberischen Balutschen diesen zugefiigt werden konnten, von
der englischen Regierung ersetzt werden wiii'den. Jeder Karawane
wurde eine starke Begleitmannschaft englischer Lanzenreiter zu-
gesichert. Um die voile Gefahrlosigkeit des neuen Weges zu
beweisen, riistete er selbst die erste Karawane auf seine eigenen
Kosten aus und schickte mehrere Ballen Teppiche nach Schikapur.
Den Kaufleuten, die diesen Weg einschlagen wiirden, sollte vor-
zugsweise ein Kredit von der neuen in Kirman zu errichtenden
Filiale der englischen Bank gewahrt werden. Tatsachlich ver-
weilte auch der Verwalter der englischen Bank, die sich in
Jesd befindet, einige Zeit in Kirman, um an Ort und Stelle dieses
Unternehmen mit den Kaufleuten zu beraten, die den Wunsch
hatten, diesen neuen Weg zu benutzen, da die Strapen iiber Jesd
und von Bender-Abbas sehr gefahrdet sind und stets Nachrichten
von Beraubung der Karawanen einlaufen.
Um in Balutschistan festen FuP zu fassen, suchen die Eng-
lander jetzt eine Telegraphenleitung hier anzulegen, deren Beamte
Agenten der britischen Regierung in gleicher Weise sind, wie
dies an der indischen Telegraphenleitung der Fall ist. Von seiten
der persischen Regierung sind diesem Unternehmen gegeniiber kaum
Schwierigkeiten zu erwarten, da eine solche telegraphische Ver-
bindung auch ihren eigenen Interessen dient. Jetzt ist diese
Provinz nur dem Namen nach Persien untertan, was hauptsachlich
an den schlechten Kommunikationen liegt, Wenn auch offiziell
jahrlich 120000 Toman von den Einwohnern gezahlt werden sollen,
so sind sie doch nur mit groper Miihe zu erheben. Die meisten,
wenigstens 2/3 der Balutschen, haben seit ihrer Unterwerfung
durch die Kadscharen niemals ihre Abgaben gezahlt, indem sie
die Unzuganglichkeit ihres Landes sich zu nutze machen. Ge-
— Ill —
wohnlich riickt der Gouverneur von Kirman alljahrlich mit Truppen
aus, um die Abgaben einzutreiben, aber nicht immer mit Erfolg.
Es kommen Falle vor, wo die Truppen niedergemaoht werden,
ohne daP die Regierung Nachrichten iiber den Ausgang der Ex-
pedition erhalt. 1st eine Telegraphenleitung vorhanden, so wird
dies nicht mehr moglich sein.
England hat es dabei nicht bewenden lassen, sondern be-
schlossen, hier eine Eisenbahn zu bauen, deren eine Strecke zwi-
schen Quetta und Nuschki schon fertig ist. Durch diese MaP-
regel ist das persische Balutschistan mit dem britischen in eine
enge Verbindung gebracht und die Grenzen des indischen Reichs
sind in dieser Richtung bis zum persischen Seistan vorgeschoben.
In Seistan treffen die Grenzen Persiens, Afghanistans und
Balutschistas zusammen, und als Knotenpunkt der Wege, die
zum Persischen Golf, nach Indien und zur russischen Grenze
fiihren, ist diese Provinz zu wichtig, als daP die Englander sie
unbeachtet lassen sollten, und hier beginnt der hartnackige Kampf,
welcher in den letzten Jahren zwischen Rupiand und England
gefiihrt wird.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daP das persische Seistan
den Englandern als neue Etappe auf ihrem Wege zum Persischen
Golf dient. Wenn man das unlangst stattgefundene Verfahren
Englands an der Omanschen Kiiste in dem Sultanat Maskat, seine
im Jahre 1901 erfolgte Einmischung in die Kueitfrage und seine
im vorigen Jahre stattgefundene Besetzung der Insel Kischm
in der StraPe von Hormus beachtet, so liegt es auf der Hand,
dap England sich des Persischen Golfs bemachtigen und ihn in
einen von den Golfs des Indischen Ozeans verwandeln will.
Somit wird von zwei Seiten gearbeitet, um Siidpersien unter
englischen Einflup zu bringen und Rupiand von dem „warmen
Gewasser" des indischen Ozeans abzuschneiden. Seistan hat als
Land an und fiir sich wegen seines Wiistencharakters wie auch
der Armut seiner Bevolkerung keine ernstliche Bedeutung fiir
die beiden Reiche, ist aber in militarischer politischer Beziehung
sehr wichtig.
Haben sich die Englander in Seistan festgesetzt, so sind sie
ihrem Ziele, Rupiand den Ausgang zu dem warmen Ozean zu ver-
legen, nahergekommen und nehmen eine giinstige Stellung auf
der Flanke der russischen Bewegung nach der Kiiste Siidpersiens
ein. Das Gravitieren RuP lands zu einem warmen Meere ist die
— 112 —
Folge sehr efnster Staatserwagungen, und die Verwirklichung
seines ewigen Traumes, zum Ozean zu gelangen, fiihrt so wichtige
Folgen fiir seine Lage in Asien herbei, dap es die Versuche Eng-
lands, es an der Erreichung seines Zieles zu verhindern, nicht
unbeachtet lassen kann und darf.
Fiihren wir noch an, was die „Nowoje Wremja" iiber die
Folgen der Eisenbahn Quetta-Nuschki sagt. Sie ist auch der
Ansicht, daP es England bei der Eisenbahn nach Seistan nicht
bewenden lassen werde, sondern welter nach Westen vordringen
wolle, um iiber Kirman in Persien eine Verbindung mit der
Bagdadbahn zu gewinnen. Wenn schon die wirtschaftliche Be-
deutung in die Augen springe, seien die politischen Vorteile noch
erheblicher, denn eine in deutschen und englischen Handen be-
findliche Eisenbahn von Indien nach Balutschistan und Siidpersien
nach Mesopotamien wiirde Rupiand jeden Ausweg nach dem in-
dischen Ozean versperren und seine Bestrebungen, nach Zentral-
asien in siidlicher Richtung vorzugehen, zwecklos machen. Des-
halb fordert das Blatt mit allem Nachdruck, daP die Eisenbahn-
plane Rupiands in Persien nun mehr gefordert werden miipten als
dies bis dahin der Fall sei. Persien sei das einzige Land, das
Rupland auf seinem Wege zum Indischen Ozean friedlich seiner
Machtsphare einverleiben konne, und wenn es sich dort „vor" seinen
Mitbewerbern festsetze, wiirde es in der Lage sein, die Deutschen
in Mesopotamien und die Briten in Balutschistan zu bedrohen. —
Welche Wichtigkeit England dem Besitz von Seistan beilegt,
diirfte auch daraus hervorgehen, dap Curzon in seinem erwahnten
Werke ein ganzes Kapitel der Seistanschen Frage widmet. Er
nennt Seistan den Vorposten Chorassans, dieses Mittellandes, das
auf dem Wege Rupiands liege, wenn letzteres von Meschhed nach
Siiden vorgehen sollte, um an den Indischen Ozean zu gelangen,
aber auch auf dem Wege Englands sich befinde, wenn letzteres
nach Norden, den Russen entgegen, vorriicken wolle. Finer der
wichtigsten Wege fiir das Vorgehen der Russen nach Indien,
das Curzon immer im Auge hat, sei die StraPe Herat-Kandahar.
Aber infolge der ortlichen Verhaltnisse konne die direkte Linie
von Herat: nach Kandahar nicht benutzt werden, man miisse viel-
mehr den Weg iiber Sabsawar nach Farah einschlagen, also einen
nach Persien gewandten Bogen machen. Seistan liege dann in
der Flanke, das fiir ein erfolgreiches Vorgehen nach Indien ge-
nommen werden miisse. Wenn Rupiand sich in Seistan festsetze,
— 113 —
wiirde es in hohem Mape England schadigen. Rupland werde sich
dann auf 300 Meilen Indien nahern, nehme eine drohende Haltung
gegen Afghanistan an, und der Bau der Eisenbahn von Quetta
nach Nuschki und Seistan ware auperdem unmoglich. Diese Bahn
habe aber, abgesehen von ihrer strategischen Bedeutung, eine
groPe Wichtigkeit in dem wirtschaftlichen Kampfe zwischen Rup-
land und England in den ostlichen Provinzen Persiens.
Wie wir gesehen haben, haben die Erwagungen Curzons zum
Bau der Eisenbahn und der Anlegung einer Karawanenstrape ge-
fiihrt. Es wird noch eine kurze Zeit vergehen und England hat
auch in Seistan festen Fup gefapt, wenn Rupland keine Gegen-
mapregeln trifft. Im Jahre 1902 hatten die Englander schon im
siidlichen Seistan zwei Punkte besetzt, die unzweifelhaft auf per-
sischem Territorium liegen. Die Proteste Rupiands gegen die
Verletzung der Rechte Persiens veranlapte allerdings England,
sie wieder aufzugeben und sich zuriickzuziehen.
Dap die Interessen Rupiands und Englands sich im Siiden
Persiens entgegenstehen, geht aus einer Nachricht der „Nowoje
Wrenaja'' vom 4. Januar 1903 hervor. Danach hat die indisch-
britische Regierung eine aus einer Eskadron, einer gropen Ab-
teilung Infanterie, einem Maximgeschiitz, 6 Offizieren, einem To-
pographen und mehreren Beamten bestehende fliegende Kolonne
unter dem Befehl des Majors Mac-Mahon nach dem Hilmend ge-
schickt, um den zwischen Afghanistan und Persien ausgebrochenen
Grenzstreit zu schlichten, der durch die Veranderung des Bettes
dieses Flusses entstanden ist.
England begriindet sein Einmischungsrecht mit dem Pariser
Vertrag vom Jahre 1857 (s. S. 35), worin ihm das Recht zuge-
standen wird, im Falle von Grenzstreitigkeiten zwischen Afgha-
nistan und Persien den Parteien seine guten Dienste zur Beilegung
solcher Streitigkeiten anzubieten. Als im Sommer 1902 unter
der persisch-afghanischen Bevolkerung ernste Unruhen wegen
des Hilmend und der Benutzung seiner Wassermassen ausbrachen,
bot England, das jede Gelegenheit benutzt, seinen EinfluP in Per-
sien zu befestigen, dem Schah an, die Entscheidung der Frage ihm
als Schiedsrichter iibertragen zu wollen. Infolge der im Vertrage
vom Jahre 1857 iibernommenen Verpflichtungen hielt die per-
sische Regierung sich nicht fiir berechtigt, den englischen Vor-
schlag abzulehnen, worauf der Major Mac-Mahon mit der Durch-
fiihrung des Schiedsspruchs an Ort und Stelle beauftragt wurde.
Die Beziehungen Rufilands zu Persien. 8
— 114 —
Die „Nowoje Wremja" beleuchtet sodann die Griinde, die den
ehrgeizigen Curzon veranlapten, zu genanntem Zweck ganz un-
notigerweise so groPartige Militarexpeditionen an den Hilmend
zu entsenden. Ein Berufungsfall wiirde dadurch ebensowenig wie
durch den Zug Goldsmiths nach Seistan 1870 geschaffen. In der
Hauptstadt Seistans befanden sich ein russischer und ein englischer
Konsul; eine Begleitung von zehn Mann sei zur Losung der Aufgabe
fiir Mac-Mahon vollkommen geniigend. Zum Ungliick fiir die
Englander sei inzwischen der Vorwand fiir Streitigkeiten zwischen
der afghanisch-persischen Grenzbevolkerung beseitigt, eine eng-
lische Expedition werde nun wohl nicht mehr nach Seistan ge-
schickt. Das Blatt bemerkt schliepiich wortlich: „Es ist zweifel-
los, dap nunmehr von russischer Seite Schritte folgen werden,
die eine Anderung in den Ansichten der Regierung des Schahs
iiber den Pariser Vertrag vom Jahre 1857 herbeizufiihren geeignet
sind. Seit der Unterzeichnung dieses Vertrags ist ein halbes
Jahrhundert verflossen, in welchem Zeitpunkt die politische Lage
Vorderasiens sich derartig verschoben hat, dap von einer ernst-
lichen Anwendung des Pariser Vertrags keine Rede mehr sein kann.
Rupiand hat den Vertrag vom Jahre 1873, betreffend die Regelung
der beiderseitigen Interessengebiete im westlichen Asien, den es
mit England abgeschlossen hatte, gekiindigt, und dies hat die
Regierung des Schahs nunmehr fiir geniigend zu erachten, ihrer-
seits England den Vertrag vom Jahre 1857 zu kiindigen; jedenfalls
mup England wissen, daP die Bedeutung Seistans fiir Rupiand es
Rupiand nicht erlaubt, sich irgendwelchen angreifenden Schrit-
ten Englands gegeniiber kaltbliitig zu verhalten, und daP auf jeden
von der englischen Regierung mit Beziehung auf Seistan unter-
nommenen Schritt Rupiand mit einem ahnlichen Schritt antworten
wird."
Sollte es wirklich zu kriegerischen Verwickelungen zwischen
Rupiand und England kommen, was indessen nach der ganzen bis-
herigen Haltung Englands Rupiand gegeniiber in Mittelasien
nicht wahrscheinlich ist, so hangt von Afghanistan mehr oder
weniger der Ausgang des Krieges ab. Gelingt es Rupiand, den
Emir von Afghanistan zu einem Biindnis zu bewegen, so diirfte
es kaum zweifelhaft sein, dap England unterliegen wiirde. RuP-
land hat seit langem alles aufgeboten, sich einen zwingenden
Einflup auf Afghanistan zu verschaffen, ohne jedoch vorerst einen
tatsachlichen Erfolg zu erzielen. Tritt Afghanistan auf die Seite
— 115 —
Englands, so wird der Kampf fiir Rupiand ein schwieriger sein.
Was Persien betrifft, so ist seine Kriegsmacht nur gering und fallt
wenig ins Gewicht. DaP es aber Rutland unterstiitzen wiirde,
ist wohl zu erwarten, da es diesem machtigen Reich mehr
zu Dank verpflichtet ist, als dies England gegeniiber der
Fall ist.
Das fiihrt uns zu den neuerdings stattgefundenen Finanz-
Operationen zwischen Rupiand und Persien.
Es waren bis vor kurzem eine englische und zwei russische
Banken in Persien vorhanden, welch letztere ihre Existenz L. S.
Poljakow verdankte. Die erstere Bank, die „kaiserlich persische
Bank", mit einem Grundkapital von 4 Millionen Pfund Sterling,
eroffnete ihre Tatigkeit im Jahre 1889. Die beziigliche Kon-
zession wurde dem Baron Julius Reuter auf 60 Jahre erteilt.
Er erhielt das Recht, „sich mit jeglicher Art von Operationen,
die zu den gewohnlichen Bankgeschaften gehoren, sowie mit jeg-
lichen Erw^erbszweigen, Finanz- und Handelsunternehmungen, zu
befassen, mit Ausnahme der Erteilung von Vorschiissen auf ver-
pfandetes Land, des Ankaufs von unbeweglichen Giitern und der
Diskontierung der Regierungsobligationen, wenn solche nicht auf
den Namen der Bank eingetragen sind". Die Bank hat das Monopol
zur Herausgabe von Banknoten, deren Wert auf 800000 Pfund
Sterling beschrankt ist und die durch ^/g der Metallreserve sicher-
gestellt sind. Die Bank hat das Monopol zur Ausbeutung der
Mineralreichtiimer Persiens, aber nicht personlich, sondern durch
Verkauf oder Abtretung an andere Gesellschaften unter der Be-
dingung, dap sie von der persischen Regierung bestatigt sind.
Die Bank iibernimmt die Garantie fiir die genaue Berechnung und
die Bezahlung der der Regierung zukommenden Summe (16 Proz.)
von der Gesellschaft, welche den Betrieb der Bergwerke iiber-
nimmt. Zur Kontrollierung der Tatigkeit der Bank sind Regie-
rungskommissare ernannt. Die Bank ist verpflichtet, dem Schah
6 Prozent der reinen Einnahme, aber nicht weniger als 4000 Pfund
Sterling jahrlich, zu zahlen.
Das mangelnde Vertrauen der Bevolkerung zu der Bank, die
Miperfolge der „Mining Rights Corporation" bei der Ausbeutung
der Mineralreichtiimer und bei dem Bau von Chausseen, das enorme
Sinken des Silbers und eine Reihe von anderen Griinden vermin-
derten das Grundkapital fast um die Halfte und veranlapten eine
— 116 —
solche Panik unter den Aktionaren, dap Geriichte uber die Liip,i-
dation der Bank verlauten.
Einc von den Bedingungen fiir die Grundung der Bank war
-,,die Unterstiitzung der Regierung in ihren finanziellen Maf3naJi-
men". Daraufnin erhob die persische Regierung bei der Erteilmig
der beziiglichen Konzession einen VorschuP von 40000 Pfrnid
Sterling zu 6 Prozent, der in 6 Jahren getilgt werden sollte.
Die giinstigen Resultate der Anleihe veranlapten den. Schah, im
Jahre 1892 eine zweite Gprozentige Anleihe zu 500000 Pfmid
Sterling aufzunehmen, die in jahr lichen Raten in 40 Jahren znriick-
gezahlt werden sollte. Ein Hauptartikel der Tatigkeit der Kaiser-
lichen Bank ist „der Verkauf und der Ankauf sowohl von inmeren
wie auslandischen Rimessen". Die Diskonto- und Vorschupope-
ration hat nur einen geringen Umfang, da die Zahler nicht sicher
sind. Es ist auch der Umstand zu beachten, dap die Kaiserliche
Bank, die auf englischem Geld beruht, ausschliepiich Perser und
Russen zu Klienten hat und danach strebt, so viel wie moglich
Beziehungen mit Rupiand, den russischen Handelshausern und
Fabriken anzukniipfen, sowie die Entwickelung des Wohlstandes
Nordpersiens, das nach Rupiand gravitiert, zu unterstiitzen.
Die beiden russischen Banken wurden in Teheran eroffnet.
Die eine, eine Abteilung der Moskauer internationalen Handels-
bank, hatte den Zweck, den Bankgeschaften der „persischen Un-
ternehmungen L. S. Poljakows (Handels- und Industriegesellschaft,
Versicherungs- und Transportgesellschaft)" zu dienen.
Fiir die Errichtung der anderen Bank erhielt L. S. Poljakow
im Jahre 1890 die Konzession vom Schah. Sie gab auf Prozent-
papiere, Wechsel, Waren und andere Wertsachen sowie auf Gegen-
stande zur Einrichtung von Warenmagazinen unter Ausstellung von
Quittungen Vorschiisse, Nach einigen Jahren iiberlieP Poljakow
die Rechte der Konzession, die 1895 ablief, der russischen Regie-
rung. Anfangs war die Tatigkeit der Bank sehr beschrankt und
befapte sich wie bisher nur mit Zahlungen von Vorschiissen.
Da aber die Unterbringung von Kapitalien und Prozentpapieren
unter den Persern fast keinen Erfolg hat, so mupte man aus-
schliepiich Vorschiisse auf Wertgegenstande geben, so daP die
Bank zu einer einfachen Lombardbank wurde. Da sie vorerst
keine Filialen in anderen Stadten hatte, so konnte sie sich nicht
mit Diskontogeschaften befassen. Das Vertreiben russischer Wa-
ren in Persien war schon einige Jahre vorher angeregt, so daP
— 117 —
in den Gescliaftsbereich der Bank die Verschreibung solcher nach
den hier befindlichen Mustern aufgenommen wurde, was aber in
der ersten Zeit nur einen geringen Erfolg hatte.
Jetzt ist die Tatigkeit der Bank, die neuerdings den Namen
„Diskonto-Vorschussbank Persiens" erhalten hat, bedeutend er-
weitert, und sie ist tatsachlich ein Organ des russischen Finanz-
ministeriums geworden. Der Schutz des russischen Handels in
Persien ist offiziell als ihre Hauptaufgabe hingestellt. Auper der
in Teheran bestehenden Hauptbank sind Filialen in Tabris und
Rescht errichtet, und eine solche ist auch fiir Meschhed in Aus-
sicht genommen. Inbezug auf die Befestigung des russischen
Einflusses in wirtschaftlicher Beziehung iiber Nordpersien ist
durch die Errichtung dieser Banken ein wesentlicher Schritt nach
vorwarts gemacht, wodurch natiirlich auch der politische EinfluP
sich steigern wird.
Die „Nowoje Wremja" aupert sich iiber die bisherigen Ver-
haltnisse folgendermaPen: ,,Wenn man die russische Politik in
Persien in den letzten zehn Jahren betrachtet, so ist ersichtlich,
dap Rupland nicht aktiv verfuhr und nur danach strebte, Persien
soweit wie moglich vor dem Einflup einer anderen fremden Macht
zu bewahren. Als unmittelbarer Grenznachbar Persiens in Trans-
kaukasien und Mittelasien baute Rupiand zur Entwickelung seiner
Beziehungen zu dem Nachbarreiche nur zwei Chausseen, die eine
von Aschabad nach Meschhed, die andere von Rescht in der Rich-
tung auf Teheran bis Kaswin. Mit diesem Bau hatte aber der
Transport organisiert werden miissen. Leider befand sich aber
die Konzession zur Versicherung und zum Transport der Waren
in Persien in den Handen Poljakows, welcher in all den Jahren
nichts tat, Nach Meschhed konnte, trotz der bequemen Verbin-
dung mit Aschabad, nichts aus Rupland verschrieben werden. Die
Waren wurden bei Gelegenheit abgesandt und blieben bisweilen
infolge von Zollmipverstandnissen und anderen Ursachen ganze
Monate liegen. Zwischen Aschabad und Meschhed war bei dem
Bau der FahrstraPe sogar keine Postverbindung eingerichtet und
keine Telegraphenleitung angelegt. Das Handelsiibergewicht Rup-
lands in Persien war bis dahin nur die Folge der unmittelbaren
Nachbarschaft. Von der Entwickelung des Netzes von Filialen
der „Diskonto-Vorschupbank Persiens" und der Erweiterung ihrer
Geschaf te ist zu erwarten, daP auch der russische Handel in Persien
immer mehr zunimmt."
— 118 —
Von auPerordentlicher Wichtigkeit fiir das Wachsen des rus-
sischen Einflusses ist der Umstand, daP Rupland gestattet hat,
dem Schah eine Anleihe zu gewahren.
Unter dem 21. Januar 1902 wurde in dem „Prawitelswennyi
Wiestnik", dem offiziellen Regierungsblatte, veroffentlicht, daP
die russische Regierung der Diskonto-Vorschupbank gestattet habe,
der persischen Regierung ein Darlehen von 22i/o Millionen Rubel
unter dem Namen „Persische Sprozentige Anleihe 1900" zu zahlen.
Das russische Blatt gibt weiter die Bedingungen an, auf Grund
deren die Bank den Vertrag mit Persien abgeschlossen hat. Die
Anleihe ist zu verzinsen und nach 75 Jahren zu tilgen. Die Ab-
zahlung wird durch alle persischen Zolleinnahmen, mit AusschluP
der Zolle von Fars und der Hafen des Persischen Golfs, sicher-
gestellt. Die Einnahmen der Zollamter an der Landgrenze und am
Kaspischen Meere werden, so heipt es in dem „Regierungsboten", die
Hohe der Zahlungen bedeutend iibersteigen. Im Falle einer Ver-
zogerung der Zahlungen kann die Bank iiber die Zollamter, deren
Einnahmen die Anleihe garantieren, eine Kontrolle ausiiben.
Die Bereitwilligkeit der russischen Regierung, Persien diese
Anleihe zu gewahren, darf nicht als reines Finanzgeschaft auf-
gefapt werden, Sie hat vielmehr eine auPerordentliche politische
Bedeutung und zeigt aufs neue, mit welchem diplomatischen
Geschick Rupiand es versteht, ruhig sein Ziel zu verfolgen, um
den indischen Ozean zu erreichen.
Das jetzige Darlehn hat eine langere Geschichte: Zunachst
hoffte die persische Regierung, das Geld, dessen sie dringend
bedurfte, von England zu erlangen. Die englischen Kapitalisten
hatten aber mehr ihre Geldinteressen, als die politischen Jnter-
essen ihres Landes im Auge. Sie verlangten so hohe Biirgschaf-
ten und Sicherheiten, dap die persische Regierung nicht im stande
war, sie zu bewilligen und beschloP, die Verhandlungen abzu-
brechen. Sie wandte sich nun nach Paris und Briissel, Aber be-
vor hier die Verhandlungen das Stadium der Vorbereitung iiber-
schritten hatten, wurden sie durch einen deutlichen Wink aus
Petersburg im Keime erstickt. Dann kam es zu neuen Verhand-
lungen mit Rupiand und England gemeinsam, und wahrend man
in England darauf vertraute, bei der Anleihe beteiligt zu sein,
hatte Rupiand in aller Stille die Dinge soweit gefordert, daP es
fiir sich allein den Darlehnsvertrag mit Persien zum Abschlup
brachte, und mit der vollzogenen Tatsache die englischen be-
— iiy —
teiligten Kreise vollstandig iiberraschte. Dazu kam noch, daP
sehr bald die geheime Klausel bekannt wurde, zu deren Bewil-
ligung die persische Regierung sich hatte entschliePen miissen.
Letztere hat sich namlich Rutland gegeniiber verpflichtet, wahrend
der nachsten 75 Jahre keine weitere Anleihe aufzunehmen und
iiberhaupt mit keinem anderen Staate in Anleiheverhandlungen
zu treten. Da sich nun auch Persien verpflichtet hat, keinerlei
Konzessionen fiir Eisenbahnbauten zu vergeben, so liegt auf
der Hand, daP die ganze weitere wirtschaftliche Erschliepung
Persiens und damit auch der ausschliepiiche politische EinfluP
iiber Persien fortan Rupiand zufallt. Die russische Diplomatie hat
sich aber gehiitet, den Bogen zu iiberspannen. Sie lapt zur Zeit
keine wesentlichen Veranderungen eintreten; sie gibt also nie-
mandem AnlaP zu tatsachlichen Klagen. Aber sie hat es ver-
standen, den Weg zu bahnen und vorzubereiten, damit sie bei
jeder giinstigen Gelegenheit einen weiteren Schritt nach dem
persischen Golf und dem Indischen Ozean machen kann, ohne
befiirchten zu miissen, auf einen ernsten Widerstand zu stoPen.
Wie oben erwahnt, sind nach dem Anleihevertrage die Zoll-
einkiinfte von Ears und der Stadte am Persischen Golf nicht als
Garantie fiir die Abzahlung der Anleihe in Aussicht genommen.
Es ist aber sofort dafiir gesorgt, dap die Verpfandung dieser Zoll-
einnahmen an England durch voile Riickzahlung der alteren An-
leihe, die Persien in England aufgenommen hat, aufgehoben wurde.
Schon unter dem 22. Februar 1903 lief aus Petersburg die Nach-
richt ein, daP, dem Wunsche der persischen Regierung ent^
sprechend, Rupiand 6 Millionen Rubel nach London abgesandt
habe, um damit die alte Gprozentige Goldanleihe von 1892 fiir
Persien zuriickzuzahlen. Dadurch wurden die reichste persische
Provinz Ears und die bisher an England verpfandeten Zollein-
nahmen der Hafen des Persischen Golfes wieder frei. Es ist wohl
nicht zu bezweifeln, daP der EinfluP Englands iiber Persien, fiir
den in den friiheren Jahrzehnten so viele weitblickende Manner
ihre besten Krafte eingesetzt haben, in hohem MaPe geschadigt ist.
Die Ausfiihrungen des russischen Blattes „Birshewij Wiedo-
dowosti (Borsenzeitung)" iiber die Folgen der persischen Anleihe
diirften nicht ohne Interesse sein. Das Blatt sagt: „Die An-
naherung zwischen Rupiand und Persien, die in den beiden An-
leihen zum Ausdruck gekommen ist, welche das wirtschaftliche
Leben West-Irans von der englischen Vormundschaft befreit
— 120 —
haben, ist von unseren Diplomaten durch allmahliche und be-
harrliche Arbeit erzielt worden, die sehr viel Zeit gekostet hat.
In einem Lande, wo nicht erst seit gestern zwischen Rupiand
und England ein Kampf nm die Vorherrschaft vor sich geht,
ist der Boden fiir den russischen Unternehmungsgeist in Handel,
Industrie und Eisenbahnwesen bereitet worden. Die Anleihe von
100 Millionen, welche China bald nach dem Vertrage von Schi-
monoseki bei uns aufnahm, war der Vorbote der Griindung der
Russischen Ostasiatischen Eisenbahngesellschaft, deren Tatigkeit
die Pachtung von Port Arthur und Dalnyi am Stillen Ozean zur
natiirlichen Folge hatte. Die beiden Anleihen, welche Persien
binnen sehi* kurzer Zeit auf dem russischen Markte untergebracht
hat, miissen die Griindung einer russischen Gesellschaft der per-
sischen Eisenbahnen zur Folge haben; eine solche Gesellschaft
wiirde bei uns mit dem Gefiihle lebhafter Freude begriipt werden.
Bei den Beziehungen, die seit dem Besuche des Schahs in Peters-
burg zwischen Rupiand und Persien zu stande gekommen sind,
und bei dem. Vertrauen, das die Bevolkerung allem Russischen
entgegenbringt, lapt sich nicht bezweifeln, daP uns der russische
Eisenbahnbau in Persien einen freien Ausgang zum Indischen
Ozean geben wird, ebenso wie der Eisenbahnbau in China uns
die Moglichkeit gegeben hat, am Stillen Ozean festen FuP zu
fassen. Dap die Magistrallinie vom Kaspischen Meere durch Per-
sien bis Teheran und weiter bis Bender-Abbas unseren Handel mit
Asien beleben wird, ist jedem klar, der es verfolgt hat, wie sich
seit den 90 er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Dinge in diesem
Erdteile entwickelt haben. Auf unsere Industrie, die bereits eine
kurze Zeit des Stillstandes durchgemacht hat, wiirde die Belebung
des Eisenbahnbaues in Persien gerade im jetzigen Augenblick eine
auperordentlich wohltatige Wirkung ausiiben. Es ist notwendig,
dap die russischen Bahnen in Persien noch friiher dem Verkehr
iibergeben werden, als die Bagdadbahn aus ihrem ersten Ent-
wickelungsstadium gelangt. Nur in diesem Falle verliert sie fiir
uns ihren gefahrlichen Charakter. Ebenso gibt es auch gegen
die Versuche, Persien in eine nordliche und siidliche EinfluP-
sphare zu teilen, nur ein sicheres Mittel, die moglichst schleunige
Herstellung einer Eisenbahnverbindung zwischen unseren trans-
kaspischen und transkaukasischen Bahnen und den Haupthafen
Persiens. Im westlichen Iran wird der englische EinfluP in dem
Mape dem russischen Platz machen, in dem sich die russischen
— 121 —
Kapitalien, das russische Wissen und die russische Arbeit dort
einen weiten Spielraum verschaffen. Die auswartigen politischen
Verhaltnisse haben sich in dieser Beziehung auPerst giinstig fiir
uns gestaltet. Hier wie im ostlichen Teile des iranischen Hoch-
plateaus, in Afghanistan, ist das britische Ansehen durch den
ungliicklichen Krieg Englands im schwarzen Erdteil stark er-
schiittert worden. Wichtig ist es, daP aus dieser Sache nicht
andere Nutzen ziehen, dap jene Unternehmer, die auf dem Um-
wege iiber Syrien und Kleinasien zum Persischen Golf streben,
nicht friiher dorthin gelangen, als der russische Unternehmungs-
geist sich aufrafft. Wir haben schon mehrfach darauf hin-
gewiesen, daP in dem Kampfe um die Vorherrschaft in Asien,
der schon seit einem Jahrhundert zwischen Rupiand und England
gefiihrt wird, dem westlichen und ostlichen Iran eine Haupt-
rolle bestimmt ist. Die Erkenntnis dieser geschichtlichen Wahr-
heit kann man aus der ganzen asiatischen Politik Rupiands
schopfen, wenn man die Mitte der 80 er Jahre des vorigen Jahr-
hunderts zum Ausgangspunkt nimmt. Die neue persische An-
leihe in Rupiand ist eine der natiirlichen Auperungen dieser
Politik, welche die russischen Kapitalien zu schopferischer und
energischer Arbeit im Lande des Schahs aufruft ..." —
Von ganz auperordentlicher Wichtigkeit ist in dieser Be-
ziehung das russisch-persische Zollabkommen vom 8. November
1901, das, wie die „russische Telegraphen-Agentur" aus sicherer
Quelle erfahrt, jetzt unterzeichnet wurde. Die Grundsatze sind
folgende:
1. Waren, die von russischen Untertanen nach Persien ein-
gefiihrt und aus Persien ausgefiihrt werden, sowie persische Er-
zeugnisse, die von Persien iiber das Kaspische Meer oder die
Landesgrenze beider Staaten nach Rupiand eingefiihrt werden,
ferner russische Waren, die von Persien auf demselben Wege
aus Rupiand ausgefiihrt werden, unterliegen fortan einer Zoll-
gebiihr gemap dem beigefiigten Tarif.
2. Aus Rupiand ausgefiihrte Waren unterliegen der Zollgebiihr
ein fill' allemal bei der Einfuhr in Persien und unterliegen weiter-
hin keiner anderen Zollgebiihr oder anderen Steuern mit Aus-
nahme der besonders bezeichneten. Persische Erzeugnisse unter-
liegen bei der Einfuhr in Rupiand den Zollgebiihren und keinen
anderen Ausfuhrgebiihren oder Steuern bei ihrer Ausfuhr aus
— 122 —
Persien mit Ausnahme der im Abkommen der Deklaration be-
zeichneten. Alle in dem Tarif nicht genannten persischen Waren
und Erzeugnisse unterliegen in Rutland einem Einfuhrzoll nach den
Tarifen, die bei Herkiinften aus meistbegiinstigten Landern an-
gewandt werden. Eine Ausnahme hiervon bilden die bereits fest-
gesetzten oder noch festzusetzenden Tarife fiir die Ausfuhr aus
China und anderen asiatischen Nachbarlandern.
3. Der bisher in Persien erhobene Ausfuhrzoll von 5 Prozent
wird vollig abgeschafft, mit Ausnahme der im Tarif aufgefiihr-
ten Ausfuhrzolle. Russische und persische Waren konnen nun-
mehr frei aus einem in den anderen Staat ausgefiihrt werden
mit Beobachtung natiirlich der Einschrankungen, die bereits fest-
gesetzt oder noch festzusetzen sind.
4. Die persische Regierung iibernimmt die Verpflichtung,
alle Wegesteuern aufzuheben und nicht andere Wege- und Schlag-
baumsteuern zuzulassen, mit Ausnahme der Steuern auf kiinst-
lich hergestellten FahrstraPen, fiir welche eine Konzession be-
reits gegeben ist oder gegeben wird. Die Steuern sollen aber
nicht hoher sein als die fiir die Strapen von Rescht nach Teheran
erhobenen Steuern. Die Verpachtung der Zollerhebung in Per-
sien wird abgeschafft und durch die Errichtung von Regierungs-
zoUamtern an den Grenzen ersetzt. Die persische Regierung er-
greift MaPregeln zur Sicherheit der in den Zollamtern lagernden
Waren und iibernimmt die Biirgschaft fiir sie. Die Regierung
verpflichtet sich ferner, bei gewissen Zollamtern geniigende
Warenhauser zu bauen. Die Einzelheiten werden vor Inkraft-
treten dieses Abkommens in einem allgemeinen Reglement nieder-
gelegt, das von den Zollamtern mit russischen Vertretern in
Teheran ausgearbeitet wird. Persische Untertanen unterstehen
bei der Einfuhr von Waren in Rupiand oder bei der Ausfuhr aus
Rupland den jetzigen und kiinftigen russischen Gesetzen, wobei
sie den Vorzug der meistbegiinstigten Lander geniepen."
Dap dies Zollabkommen in allererster Linie gegen England
gerichtet ist, liegt auf der Hand. Sein Handel, der nach einer An-
gabe des „Comite de Tasie francaise. Bulletin mensuel, Novembre
1901" nur 24 Prozent des Gesamthandels in Persien gegen 56 Pro-
zent des russischen Handels ausmacht, wird durch dieses Ab-
kommen sehr geschadigt. Da ferner die Zinsen der seitens RuP-
lands Persien gewahrten Anleihen durch die Einnahme aus den
Zollen sicher gestellt werden, so mupte ersteres darauf bedacht
— 123 —
sein, dap eine gesetzliche Regelung derselben erfolgte, damit
sie auch wirklich den notigen Ertrag brachten. Dazu tragt
noch wesentlich das Verbot der Verpachtung der Zollamter bei.
Wichtig sind die Aufhebung der Binnenzolle und der Strapen-
gebiihren, welch letztere nur fiir kiinstlich angelegte Wege zu
erheben sind, wodurch sich Rupiand fiir die seinerseits aus-
gefiihrten und auszufiihrenden Bauten schadlos halt. Von der
Selbstandigkeit Persiens ist wieder ein groper Teil verloren ge-
gangen, wahrend die Machtsphare Ruplands gewachsen ist.
Auch die russischen Unternehmer, Kaufleute, Kapitalisten
rasten nicht, um sich den Markt Persiens mehr zu erschliepen.
So haben mehrere grope Fabrikanten von Manufakturwaren und
grope Handelshauser eine gemeinsame Agentur in Teheran er-
offnet, um russische Waren zu verkaufen und persische zu kaufen.
Veranlapt wurde diese Agentur durch den Umstand, dap alle
moglichen Kommissionare und Handelsreisende die Vermittelung
zwischen den russischen und persischen Kaufleuten nur wenig
gewissenhaft betrieben, was besonders den persischen Kaufleuten
nachteilig war, so daP die Gefahr drohte, dap den russischen
Kaufleuten der Markt verloren ging.
Zur Erleichterung des Warenaustausches zwischen den russi-
schen Markten und den persischen Hafen Lenkoran und Enseli
ist eine direkte Verbindung von den Stationen des russischen
Eisenbahnnetzes mittels der Schiffe der Schwarzemeer-Dampf-
schiffgesellschaft hergestellt, welche die Giiter von oder nach
Odessa, Nikolajew, Sewastopol, von oder nach Noworossiisk, Poti
oder Batum schaffen, um sie dann weiter nach der Wladikawkas-
oder Transkaspischen Eisenbahn bis Petrowsk und Baku oder zu-
riick zu transportieren. Auf dem Kaspischen Meere wird die
Verbindung mit Lenkoran und Enseli durch die ,,Ost-Warentrans-
port-Gesellschaft" aufrecht erhalten.
Die „Gesellschaft der Kunde des Ostens" in Petersburg, die
Zweiggesellschaften in Astrachan, Aschabad, Buchara, Reni,
Taschkent, Tiflis und Eriwan hat, hat im Jahre 1901 eine Handels-
schule in Teheran errichtet, die unter anderem bezweckt, die
russische Sprache in Persien zu verbreiten. DaP die russische
Sprache immer mehr in Persien an Boden gewinnt, geht femer
daraus hervor, dap in den beiden in Tabris bestehenden moham-
— 124 —
medanischen Schulen gleichzeitig mit der persischen auch die
russische Sprache gelehrt wird. Es ist allerdings kein von dem
Ministerium festgesetztes Programm fiir den russischen Sprach-
unterricht vorhanden, well in Persien kein Knltusministerium be-
steht. Die Griinder dieser Schulen haben aber eingesehen, da[3
die russische Sprache fiir den Verkehr notig ist und haben ihn
infolgedessen in den Lehrplan aufgenommen. Dasselbe gilt auch
von den armenischen Schulen nicht nur in Tabris, sondern auch
in Choi, Sulmasan und Astrabad, wo auch russisch getrieben
wird. Ebenso ist in den Schulen der amerikanischen protestan-
tischen Missionen und der katholischen Schule in Tabris die
russische Sprache ein Lehrgegenstand.
Es liegt auf der Hand, dap die Verbreitung der russischen
Sprache in Persien seine Beziehungen zu Rutland immer mehr
befestigen wird. Noch mehr tragt aber dazu die Annahme
des orthodoxen Glaubens bei.
So berichtet das russische Blatt ,,Kawkas" iiber die erfreu-
liche Sachlage in der Provinz Urmia, wo die russische Trans-
portgesellschaften ,,Nadeshda" eine Agentur errichtet hat. In
kurzer Zeit wird hier auch ein russisches Vizekonsulat eingesetzt
werden, was nicht nur allein durch wirtschaftliche Interessen
veranlapt ist.
Vor einigen Jahren sprachen namlich viele Einwohner von
Urmia den Wunsch aus, zur orthodoxen Kirche iiberzutreten,
zu welchem Zwecke sie ihre Delegierten nach Petersburg sandten.
Die russische Regierung genehmigte ihre Bitte und schickte nach
Urmia einen Geistlichen, um sie in die orthodoxe Kirche aufzu-
nehmen In kurzer Zeit bildete sich eine grope Gemeinde von
orthodoxen Christen, die jetzt zu 1500 Seelen angewachsen ist,
so dap es die russische Regierung fiir notig hielt, eine standige
geistliche Mission in Urmia zu errichten, an deren Spitze jetzt
der Archimandrit Kirill getreten ist. Diese Mission traf aber oft
auf Schwierigkeiten, um ihre Aufgabe mit Erfolg zu losen, und
mupte deshalb zur Unterstiitzung des Konsuls in Tabris ihre Zu-
flucht nehmen. Die Errichtung eines Vizekonsulates in Urmia
wird die Aufgabe der Mission erleichtern. —
Dap der Schah Musaffer-Eddin personlich Rupiand sehr ge-
neigt ist, beweist der Umstand, daP er unlangst den Gouverneur
von Teheran, Prinzen Ein ed Daulen, der vollstandig unter eng-
— 125 —
lichem Einflup steht, und eine Staatsumwalzung unter seiner
Fiihrung und anderen englischfreundlichen Mannern zu befiirchten
war, seines Postens entsetzt hat und gleichzeitig ihn zum Statt-
halter einer Provinz ernannte. Der Prinz erbat sich die Ver-
waltung der persischen Provinz Arabistan, die zu dem von Eng-
land beanspruchten EinfluPgebiet gehort. Obgleich der bisherige
Generalgouverneur von Arabistan, Prinz Tath Salar ed Dauleh.
mit dem Schah nahe verwandt ist und dieser sich auf seine
Treue verlassen kann, ist es der englischen Diplomatie dennoch
gelungen, seine Abberufung zu erwirken und ihn durch den Prin-
zen Ein ersetzen zu lassen. Auch sollen jetzt in Teheran Un-
ruhen entstanden sein, die zur Verhaftung von vielen Geistlichen
gefiihrt haben. Ferner sollen andere einer starken Hinneigung
zu England verdachtige Beamten laut eines Erlasses des Schahs
aus Teheran entfernt und in die Provinzen versetzt werden.
Die einzige brauchbare Truppe des Schahs, die Kasaken-
Brigade, ist von russischen Offizieren gebildet und geschult wor-
den und untersteht dem russischen General Kosakowski, der nicht
vom persischen Kriegsminister abhangt, wie die friiheren aus-
landischen Instruktoren, sondern seine Weisungen aus Peters-
burg erhalt. Da der Schah sich nur auf diese Regimenter stiitzen
kann, wenn er innere Unruhen bekampfen muP, so ist die Be-
deutung, vi^elche General Kosakowski in Teheran hat, leicht zu
verstehen.
Bemerkt mag noch werden, daP zur weiteren Starkung des
russischen Einflusses in Nordpersien als Beilage zur „Sakas-
piiskoje Obosrienije" mit Beginn des Jahres 1903 in Aschabad
eine Zeitschrift in persischer Sprache erscheinen soil. Ihre Auf-
gabe ist, die Entwickelung der Handelsbeziehungen zwischen RuP-
land und Persien und die Annaherung beider Lander als Grenz-
nachbarn gegen den Einflup Englands zu sichem.
Die groPen und wichtigen Erfolge, die Rupiand in seinen
Beziehungen zu Persien in den letzten Jahren erreicht hat, ver-
dankt es dem weiten Blick seiner zielbewupten Politik, die ja
in alien asiatischen Fragen, sowohl im f ernen Osten wie in Mittel-
asien, so auch in Persien klar zu Tage tritt. Trotz des Wider-
standes Englands wird es sein Ziel erreichen, nicht nur iiber
Nordpersien, sondern auch iiber Siidpersien seine Machtsphare
— 126 —
auszudehnen, besonders wenn die Eisenbahnplane erst verwirk-
licht sind. Vorerst wird allerdings der Persische Golf noch unter
dem Einflup Englands bleiben. Wenn aber Rnpland das Hinterland
in politischer und wirtschaftlicher Beziehung unter seinen zwingen-
den Einflup gebracht hat, so wird es sich auch den Ausgang
zum „Warmen Meere", zum Indischen Ozean, erschliePen. RuP-
lands lang gehegter Wunsch, das Endziel seiner unentwegten
Bestrebungen, wird erreicht sein. Wie England das Vorgehen
Rupiands in Mittelasien bis zur afghanischen Grenze nicht hat hin-
dern konnen, so wird es auch in Persien dem machtigen Reiche
der Zaren kaum Widerstand leisten konnen.
Auhang'.
1 Toman = 10 Frank.
1 Kran = 1 Frank.
5 Schahstiicke = 25 Centimes.
1 Pud = 16,38 Kgr.
1 Werst = 1,067 Km.
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Russland in Asien
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bearbeitet von
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Staatsrat in St. Petersburg, ehemals Chefarzt der Skobelew-Achal-Teke- Expedition.
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Inhalt:
Literatur. Vorwort. I. Topographie von Transkaspien. 11. Voi-geschichte des trans-
kaspischen Eisenbahnbaues: a) Militarische Vorgescliichte. 6) Diplomatische Vorgesctiichte.
c) Das Eisenbahnwesen in Russland. III. Stimmen der Presse tiber die kaspische Eisenbahn.
rv. Stimmen des Auslandes iiber den Bahnbau ; Der Bau der strategischen Bahn in Transkaspien.
V. Die Geschichte des Bahnbaues. VI. Die Griindung des Hafens in Usun-Ada. VII. Der
Weiterbau der Balin: A) Allgemeine Besprechung der Bahn. B) Die Organisation des Dienstes.
C) Die AibeitseinteUung. D) Ueberwindung aussergewohnlicher Hindernisse: a) Der Flugsand.
6) Die Wasserversorgung. c) Die Versorgung mit Heiz- und Leuchtmaterial. E) Die Ausrtistung
der Eisenbahn. F) Das roUende Material. G) Wohlfeilheit der Bahn. R) Das Klima und die
Gesundheitsverhaltnisse. Biographie des Erbauers der Kaspibahn.
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Sibiriens in topogiajjliischer, geologisdur und klimatischer Beziehung, sowie in Bezug auf
die Flora und Fauna. III. Die Bevolkerung und die Besiedelung Sibiriens. IV. Die haupt-
sttchlichsten Erwerbszweige der Bevolkerung: Ackerbau, Viehzucht, Jagd, Fischfang, Aus-
nutzung des Waldes. V. Die MineralreiclitUmer und ihre Verwertung. VI. Industrie, Handel
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I. Goschichtlicher Ueberblick. 11. Geographische Uebersicht der Mandschurel. III. Die
Bevolkerung und die wichtigsten bewohnten Oi-te der Mandschurei. IV. Ackerbau, Viehzucht,
Waldreichtum , Jagd, Mineralreichthum der Mandschurei. V. Industrie und Handel der
Mandschurei. VI. Die Machtstellung Russlands in Ost-Asien uach seiner Festsetzung in der
Mandschurei.
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(der Ochotskische, GisMginskisclie, PetropaMrlowskische
und Anadyr-Bezirk)
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Inhalt:
VoiTvort. I. Geschichtliche Uebersicht. 11. Geographische Uebersicht: A) Von dem
Flusse Uda bis zur Penshina. B) Die Halbinsel Kamtschatka. C) Der Anadyr-Bezirk. D) Das
Klima. lU. Die Bevolkerung. IV. Verwaltung, Wegeverhaltnisse und Transportmittel. V. Fisch-
t'ang, Jagd, Viehzucht, Ackerbau, Hausgewerbe. vl. Der Handel. Schlussbemerkungen.
Ueber obige bis Ende des Jahres 1901 erschienenen Bande I — V liegen
seitens der Presse die giinstigsten Besprechungen vor. Wir erlauben uns, in
Nachstehendem einen Teil eines Aufsatzes des „Eigaer Tageblattes" zu
veroffentlichen, welches unterm 19./20. April (2./3. Mai) 1902 folgendermassen
schreibt:
„. . . Mit grosser Spannung und Aufmerksamkeit verfolgt Europa die Schritte Russ-
lands im fernen Osten und im Sliden des asiatischen Festlandes, nach China wie nach Persian
bin, und vor alien anderen ist es Deutschland, der getreue Freund und gate Nachbar, der
mit besonderem Interesse auf Russlands Unternehmungen und Erfolge blickt, sind diese doch
zugleich auch ftir ihn Erfolge." . . . Unter der deutschen Literatur, die dieses Thema behandelt,
sind in erster Linie als das Beste in ihrer Art die von der Verlagsbuchhandlung von Zuck-
schwerdt & Co. in Leipzig unter dem Titel: ,,Rassland in Asien" herausgegebenen
Schriften zu nennen, von denen bis jetzt fiinf Bande vorliegen. Den ersten Band der
Serie bildet die Schrift Heyfelders: „Transkaspien und seine Eisenbahn", nach den Akten
des Erbauers Generalleutnants M. Annenkow. In diesem Werke erhalten wir zum ersten
Male von einem griindlichen Kenner des Gebietes, der alle Ereignisse miterlebt hat, auf Grund
offiziellen Materials authentische Mitteilungen tiber Transkaspien und die Transkaspische
Eisenbahn. Letztere bildet den Schwerpunkt der Schrift, denn Heyfelder hat die Entstehung
der Bahn vom ersten Anfange an zu beobachten Gelegenheit gehabt, wie den gewaltigen Um-
schwung, den sie in den dortigen Verhaltnissen hervorgebracht hat. Durch Heyfelder wird
uns die Bedeutung des Unternehmens erst klar, dessen vollen Wert erst die kommenden Ge-
schlechter ganz erkennen und preisen werden.
Einen mehr akademischen Standpunkt als die Schrift Heyfelders nimmt die Arbeit
des konigl. preuss. Geueralmajors z. D. Krahmer ein: „Russland in Mittelasien". Mit 9 Auto-
typien, den zweiten Band der ganzen Reihe: „Russland in Asien" bildend. Krahmer
berichtet nicht aus eigener Anschauung, seine Darstellung beruht vorzugsweise auf russischen
Quellen. Ein griindlicher Kenner der russischen Literatur iiber Asien, ist sein Blick ein
weiterer und umfassenderer als der Heyfelders. Er hat das russische Asien schou seit einer
langen Reihe von Jahren zum Vorwurfe seiner Spezialstudien gemacht, so dass er als Autoritat
auf diesem Gebiete angesehen werden kann. Sein Urteil, auf reichen Kenntnissen eines zu-
/-/- /^
vftrlassigen Materials beruhend, ist durchaus objektiv, wozu nur die grosste Vertrautheit mit
dem Stoffe und dessen unumschrarikte Bebierrschung befahigen.
Von einer weiteren Schinft des konigl. preuss. Generalmajors z. D. Krahmer: „Sibirien und
die grosse Siblrische Eisenbahn", das den drltten Band des Werkes nRusslandinAsien" bildet,
ist bereits eine zweite verbesserte und vollstandig umgearbeitete Auflage erschienen. Wie noch zu
keiner Zeit ist dasInteresseEuropasund zunachstDeutschlands heute auf Sibirien gelenktworden.
Veranlassung dazt hat das grossartige Unternehmen, die Transsibirische Eisenbahn, gegeben.
Sie ist aber nur das ausserliche Motiv , ein schwerwiegender Kern erhebt sie zu einem Er-
eignis von emrnenter Bedeutung, das in kultureller, industrieller, kommerzieller und strate-
gischer Beziehung fur Russland obenan steht und zwei Erdteile in seinen Wirkungskreis zieht.
Krahmer ist es zu danken, in Deuischland zuerst die Aufmerksamkeit auf das Riesenwerk gelenkt, die
grosse Kulturarbeit Russiands In Sibirien beleuchtet und sie nach ilirem Werte fiir das Wirlschafts-
leben wie der Ziviiisation gewiirdigt zu haben. Die russische Sprache beherrschend, hat er aus den
ersten und besten Quellen schopfen konnen, deren umfassendes Material er in deutscher
Beurteilung wiedergiebt, die zu beachten auch fiir Russland nicht belanglos ist. Wenn
der Titel des Buches von einer zweiten Auflage spricht, so ist das Werk doch ein ganz
neues geworden, nachdem die Bahn, mit Ausnahnie der kurzen Unterbrechung durch den
BaLkalsee, fertig gestellt worden ist und nun bereits wichtige Erfahrungen und ein reiches
Material an Tatsachen vorliegen, die von Krahmer fleissig benutzt worden sind. Da die Bahn
nur Mittel zum Zweck ist, so ist fiir Krahmer auch das Ziel, das mit ihr verfolgt wird, die Hauptsache, so
dass er sich mit einer blossen Schilderung des Schienenstranges nicht begniigen kann und seine Betrach-
tungen, wie sie in die Vergangenheit Sibiriens zuruckgehen, so auch iiber das ganze Land schweifen
lasst. . . . Krahmers Buch ersetzt eine ganze Bibliothek iiber den Gegenstand und vermittelt
dem deutschen Leser dessen Verstandnis. . . . Die Bedeutung dieser Bahn fasst Krahmer in
die Worte zusammen: „Sie wird durch die Verbindung des Westens mit dem Osten die Kultur,
die Industrie, den Handel Sibiriens heben, zum wirtschaftUchen Emporbliihen Russiands durch
die SchafEung neuer Markte in den asiatischen Reichtn beitragen, Russiands Macht im fernen
Osten starken und befestigen und den Handel der westeuropaischen Staaten mehr oder
weniger in neue Bahnen leiten", wobei Deutschland vor alien anderen interessiert ist und mit
Russland Hand in Hand gehen soUte. . . . Zur Erlangung der Fiihrerschaft tlber die mongo-
loiden Volker ist die sibirische Bahn ein wertvolles politisches Werkzeug von grosser mili-
tarisch-stiategischer Bedeutung, durch das Russland das Uebergewicht iiber alle anderen im
Osten interessierten Machte erhalt. Aber die Linie Tscheljabinsk-Wladiwostok geniigt noch
nicht, um die Stellung Russiands vor alien Zwischenfailen zu sichern; es bedarf dazu noch,
dass die chinesische Ost-Eisenbahn einen integrierenden Teil der Gi'ossen Sibirischen Eisen-
bahn bildet und dass Russland festen Fuss in der Mandschurei fasst. Dieses Thema behandelt
nun Krahmer in einem weiteren Bande, dem vlerten Bande der Serie „ Russland in Asien"
„Russland in Ost-Asien mit besonderer Berijcksichtigung der Mandschurei". Durch seine zielbewusste,
Schritt fiir Schritt vorgehende, meisterhafte Politik hat es Russland verstanden, die Verhalt-
nisse auszunutzen und eine Machtstellung im fernen Osten zu erringen, die auch in wirt-
schaftlicher Beziehung nicht nur dem Mutterlande, sondern auch den neugewonnenen Gebieten
die reich an Naturprodukten und entwickelungsfahig sind, zu gute kommen wird. Was in
dieser Beziehung die Mandschurei Russland bieten kann, an Naturprodukten, wie durch Industrie
und Handel, wild von Krahmer gleichfalls erortert. . . . Seine wertvollen Arbeiten uber „ Russ-
land in Asien" beschliesst Krahmer mit einem jiingst erschienenen fUnften Bande:
„Das nordbstliche Kijstengeblet. Der Ochotskische, Gishiginskische, Petropawlowskische und Anadyr-Bezirk".
Wenn auch diese Arbeit mehr einen wissenschaftlichen Wert, denn eine praktische Bedeutung
hat, so ist sie doch sehr verdienstvoU und willkommen, da dadurch die Kenntnis dieses Ge-
bietes, und namentlich die neuesten Forschungen Uber dieses dem deutschen Leser vermittelt
werden. . . . Der interessante Stoff des Buches ist wie in den fitlher erwahnten Banden ge-
gliedert. Nach einer geschichtlichen Uebersicht erhalten wir eine Schilderung der geo-
graphischen Verhaltnisae, worauf die hier in Betracht kommenden Volkerschaften, Tungusen,
Korjaken, Kamtschadalen, Jakuten und Tschuktschen, behandelt werden.
Von militilrischen Zeitschriften schreibt das Militar-Wochenblatt No. 12
vom Jahrgang 1900 iiber die zweite vollstandig umgearbeitete und verbesserte
Auflage des dritten Bandes:
Krahmers Arbeit ist ein Quellenwerk, das mit seinem reichen Material fiir die mili-
tarische Beurteilung der russischcn Machtstellung in Asien und im Besonderen der gegen-
wartigen Vorgange in China ebenso unentbehrlich, wie fiir den Politiker, den in Sibirien und
Ostasien interessierten Kaufmann und den Gcographen.
Uber Band IV berichtet dieselbe Zeitschrift in No. 9 vom Jahrg. 1900:
Krahmers Arbeit ist nicht nur besonders zeitgcmass und auch fiir die weitesten
Kreise intercssant, sondern mit Rlichsicht auf das reiche und tibersichtlich zusammengestellte
Material von bleibcndem Werte.
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.'). Heft: Anieitung fUr den Felddienst. Preis 2 Mark 50 Pfennig,
fi. Heft: Schiessvorschrift worn Jahre 1899. Teil I. Preis 3 M.
7. Heft: Dasselbe. 'I'.il Jl. IMvis I Mark 50 Pfennig.
SpaiiiiTsclic i!iicli(lri\ilv'iii ill I,i'i|>/.it.