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I
€ngiii. Library
DIE
BINNENSCHIFFAHRT
EIN HANDBUCH FÜR ALLE BETEILIGTEN
VON
OSKAR TEUBERT
ERSTER BAND
MIT 538 ABBILDUNGEN UND 7 WAS5KRSTRASSENKARTEN
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1912
Copyright 191 2 by Wilhelm Engelmann, Leipzig.
1
DIE BINNEN-
SCHIFFAHRT
EIN HANDBUCH
FÜR ALLE BETEILIGTEN
OSKAR TEUBERT
ERSTER BAND
MIT 538 ABBILDUNGEN UND 7 WASSERSTKASSENKARTEN
L.
LEIPZIG 1912
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
VERLAÖ VON WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG
Handbuch der Ingenieurwissenschaften
Dritter Teil. Der Wasscrbau.
' :> Die vierte Auflage
herausgegeben von J. F. Bubendey, G. Franzius, A. Frühling (f), Th. Koehn,
Fn Krenter, Th. Rehbock, O. Smreker, Ed. Sonne und G. de Thierry.
L Band, 4, Auflage. Oewässerkmide>
40 Bösen Text, 348 Textfiguren, 10 Tafeln und dem Bildnis von L. Franzius. 1. Lief. 1905.
Geh. M. 5.—. 2. Lief. 1906. Geh. M. 14.— . 3. Lief. 1911. Geh. M. 4.— . In einem Bande geb.
M. 23.—. In Halbfranz geb. M. 26.—.
I. Kapitel. Regen , Grundwasser , Quellen und stehende Gewässer.
Bearbeitet von P. Gerhardt, Geh. Oberbaurat in Berlin.
A. Kreislauf des Wassers, Regefimenge, Verdunstung und Versickerang. Beschaffenheit desRe^en-
Wassers. — Regen- und Schneehöhe. — Regenmesser. — Regenmengen. — Verdunstung and Versickerung. — Vorrich-
tungen zum Messen derselben.
B. Grundwasser nnd Quellen. Entstehung und Bewegung des Grundwassers. — Höhe des Grundwasserstandes.
— Grandwasserbecken. — Grundwasserb&cho. — Quellen. — BMcnaffenheit des Grundwassers.
C. Stehende Gew&sser. Sfimpfe und Moore. — Teiche. — Binnenseen.
II. Kapitel. Fließende Gewässer.
Bearbeitet von R. Jasmiind} Regierungs- und Baurat in Lfineburg.
1. Abschnitt. Allgemeine Eigenschaften der Flnßlftufe.
Bildong der Flußtäler. — Entwickelung des Wasserlaufes. — Wasserstände. — Längen -Profil. — Quer-Profil. —
Wassermenge. — Geschwindigkeiten. — Goschiebeführung. — Hochwasserwellen. — Eisgang und Eisstand.
2. Abschnitt. Geodätische und hydrometrische Ermittelungen.
Stromkarten. : — Nivellements. — Peilongen. — Wasserstandsbeobachtungen. — Vorherbestimmung der Wasser-
stände. — Geschwindigkeitsmeesungen. — Ermittelung der Wassermenge.
III. Kapitel. Praktische Hydraulik.
Bearbeitet von J* F. Bubcndoy, Geh. Baurat, Wasserbaudirektor in Hamburg.
Einleitung: — Formeln der Hydrostatik. — Grundformeln der Hydraulik. — Unveränderliche (permanente) Bewegung.
— Ausfluß aus dünner Wand. — Vereinfachung der Eulerschen Gleichungen. — Gleichförmige Bewegung im aUgememen,
in Röhren von kreisförmigem Querschnitt und in offenen Wasserläufen von beliebigem Querschnitt. — ueschwindi^keits-
formeln. — Ungleichförmige Bewegung in offenen Gerinnen und Flüssen. — Staukurven in Flüssen von großer Breite, in
Flüssen von geringer Breite und in Gerinnen von rechtwinkligem Querschnitt. —• Senkungskurven. — Bewe^ng des
Wassers in Kanälen mit wagrechter Sohle. — Grenzen der §tau- und Senkungsrechnungen, kritische Geschwindigkeit,
Wassersprung. — AbfluOmengen bei Wehren mit scharfer Überfallkante. — Abflußgleichung von Boussinesq. — Ver-
suche von Bazin. — Abflußmengen bei breiten Wehren.
Ferner: (früher bearbeitet von Chr. Havestadt (t), Geh. Baurat in Wilmersdorf-Berlin)
Durchflußweiten von Brücken über erößere, dauernd fließende Wasserläufe und von kleineren Brücken für nur zeit-
weise fließende Wasserläufe. — Ermittelung der zum Abfluß gelangenden Regenmengen.
V. Band, 4. Auflage. Binnenschiffahrt, SchiflPahrtskanäle,
Flnßkanalisiernng>
19 Bogen Text, 145 Textfiguren und 10 Tafeln. 1906. Geh. M. 9.—. In Halbfranz geb. M. 12.—.
I. Kapitel. Wasserstraßen, Flößerei und Binnenschiffahrt.
Bearbeitet von Dt.'Sng. Ed. Sonne^ Geh. Baurat, Professor an der Technischen Hochschule in Darmstadt.
Entwickelung der natürlichen und der künstlichen Wasserstraßen. — Ausdehnung, Verkehr, Betrieb und Verwaltung.
— Flößerei un<iLF19ß«reiMiI<^(«°' — Fluß- und Kanalschiffe. Schiffahrtskosten. — Beziehungen zwischen Kähnen nnd
Bauwerken. — Altere Arten der Schiffahrt — Dampfschiffahrt. — Ketten- und Seilschiffart — Mechanisches Treideln.
Fähren. — Der SchifÜBwiderstand. — Theoretische Untersuchungen. — Modell-Versuche. — Versuche im großen. —
Widerstand der Schiffszüge.
Fortsetzung siehe 8. Umschlagseite.
>•
,*
^s
Vorwort.
Die Wirtschaftsfragen stehen in den Kulturländern heute im Mittelpunkt
der inneren und äußeren Politik. Alle Völker sind bestrebt, ihren Wohlstand
und damit ihre Macht zu vergrößern. Dazu dient die möglichst weitgehende
Ausnutzung der natürlichen Bodenschätze ihres Landes durch Land- und
Forstwirtschaft, Bergbau u. dgl, die Herstellung von handelsfähigen Gegen-
ständen und der vorteilhafte Verkauf der Erzeugnisse an andere Völker. In-
folge der Entwickelung der Verkehrswege und Verkehrsmittel erstreckt sich
der Wettbewerb heute über alle Erdteile und der Handel vermittelt den
Austausch aller Waren. Der Tauschwert, der Preis, setzt sich aus den
Kosten der Erzeugung und den Kosten der Beförderung zur Verbrauchstelle
zusammen. Bei vielen Waren ist überhaupt dir ihre Wettbewerbsfähigkeit
auf dem Weltmarkt die Höhe der Beförderungskosten entscheidend, und es
kommt darauf an, sie möglichst niedrig zu halten.
Zur Beförderung auf große Entfernungen dienen Seeschiffahrt, Binnen-
schiffahrt und Eisenbahnen. Auf dem Festlande glaubte man noch vor etwa
vierzig Jahren mit den Eisenbahnen allein auszukommen, und es wurde viel
darüber gestritten, ob nach ihrer Erfindung und Verbreitung die seit den
ältesten Zeiten zur Warenbeförderung benutzte Binnenschiffahrt daneben noch
eine Bedeutung behalten würde. Dieser Streit ist längst in günstigem Sinne
für die Binnenschiffahrt entschieden worden: Sie hat sich kräftig weiter ent-
wickelt und ist heute ein unentbehrliches Glied des modernen Verkehrswesens.
Die Grundbedingung für den Verkehr ist die Straße und das Fahrzeug:
das ist Sache der Technik. Der wirtschaftliche Betrieb, die Verfrachtung
und Beförderung der Waren, ist Sache des Verkehrsgewerbes. Der Kauf-
mann sucht den Ort für die billigste Beschaffung und den günstigsten Ver-
kauf unter Berücksichtigung der geringsten Beförderungskosten. Außer diesen
Berufen sind die Vertreter der Staats- und Gemeindebehörden an der Binnen-
schiffahrt beteiligt, soweit ihnen obliegt, den allgemeinen Wohlstand zu för-
dern und den Verkehr zu überwachen.
»Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.« Außer einem ein-
leitenden und geschichtlichen Teile sollen in dem vorliegenden Buche die
Fahrzeuge der Binnenschiffahrt, die Wasserstraßen mit ihren Betriebseinrich-
tungen, die Fortbewegung der Schiffe, der gewerbliche Betrieb der Schiffahrt
und das Verhältnis der Binnenschiffahrt zum Staate besprochen werden. Es
347781
IV Vorwort.
ist wahrscheinlich, daß weder die SchifTbauingenieure aus dem Abschnitte
über die Fahrzeuge, noch die Wasserbauingenieure aus dem Abschnitte über
die Wasserstraßen viel neues erfahren werden; ähnliches wird für die Be-
triebsingenieure, die Schiffahrtdirektoren, die Reeder und Kaufleute bei den fol-
genden beiden Teilen zutreffen, und die Verwaltungsbeamten werden aus dem
letzten Teile vielleicht wenig lernen können: Alle aber werden sich aus den
übrigen Teilen des Buches über die Zweige der Binnenschiffahrt unterrichten
können, in denen sie selbst keine Sachkenntnis und Erfahrung besitzen.
Das Bedürfnis nach einem solchen Handbuche habe ich selbst im Laufe
meiner amtlichen Tätigkeit empfunden und mich darum zu seiner Abfassung
entschlossen. Es soll in den Hauptsachen allgemein verständlich sein. Dies
scheint mir durchführbar, weil das Verständnis für die Bedeutung und das
Wesen der technischen Wissenschaften heute weit verbreitet ist, und man
bei den an der Binnenschiffahrt Beteiligten, auch wenn sie keine besondere
technische Vorbildung genossen haben, auf ein gewisses Maß von Vorkennt-
nissen dieser Art rechnen kann. Vor etwa zwanzig Jahren war das noch
nicht der Fall.
Die beiden ersten, in diesem Bande vereinigten Teile haben einen grö-
ßeren Umfang erhalten, als ursprünglich beabsichtigt war. Bei der Bearbei-
tung des Rückblicks auf die geschichtliche Entwickelung der Binnenschiffahrt
kam ich zu der Überzeugung, daß die Kenntnis dieser Vorgänge in Deutsch-
land, namentlich seit dem Ende des Mittelalters, für die Beurteilung der heu-
tigen Verhältnisse der Binnenschiffahrt großen Wert hat; man bemerkt auch
dabei, daß vieles »schon dagewesen« ist. Deshalb schien eine gewisse Aus-
führlichkeit geboten. Ferner mußten die politischen Ereignisse, die seit 1870
die Verbesserung und Vermehrung der deutschen Wasserstraßen begleitet
haben, wenigstens in gedrängfter Kürze mitgeteilt werden.
Im zweiten Teile (Fahrzeuge) sind die Lastschiffe ohne eigene Triebkraft
ausführlich behandelt worden, weil über dies wichtige Gebiet bisher gar keine
umfassenden Veröffentlichungen vorliegen. Vielleicht wird auch den Schiff-
bauingenieuren damit gedient. Die übrigen vier Teile hoffe ich in einem
zweiten Bande zu vereinigen.
Allen Behörden, Vereinen, Gesellschaften, Schiffbauanstalten, Maschinen-
fabriken und Freunden, die mich bei der Herstellung des Buches unterstützt
haben, sage ich herzlichen Dank. Die Leser bitte ich um wohlwollende
Beurteilung.
Potsdam, im Juni 1912.
Oskar Teubert,
Ober- und Geheimer Baurat, Strombaudirektor
der Märkischen Wasserstraßen a. D.
Inhalt.
Erster Teil: Einleitendes und Geschichtliches.
Seite
Abschnitt I. Binnenschiffahrt und Seeschiffahrt 3 — 10
Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick auf die Entwicklung der Binnenschiff-
fahrt bis zum Jahre 1870.
1. Die Binnenschiffahrt im Altertum 11— 14
2. Die Binnenschiffahrt im Mittelalter bis zur Erfindung der Kammer-
schleuse (1438) 15—31
Stapelrecht, Zunftwesen, Flußzölle, Mühlenstaue (20), SchilTdurchlässe,
Marktschiffe — Rheingebiet (25), Weser, Elbe, Oder, Weichsel bis Memel,
Stecknitzfahrt — Frankreich (29), England, Oberitalien.
3. Die Binnenschiffahrt von der Erfindung der Kammerschleuse bis zur
Erfindung des Dampfschiffs 31 — 78
Italien, Ostdeutschland: Mecklenburg, Mark Brandenburg, Friedrich-
Wilhelm-Kanal (37), Oder, Finowkanal (42), Flauer Kanal, Bromberger Kanal
(44], Klodnitzkanal, Ostpreußische Wasserstraßen, Elbe (47). — Schilfahrtbetrieb
(50). Westdeutschland: Weser (54), Rhein, Neckar (63), Main, Ruhr —
Donaugebiet (65), Frankreich^ Niederlande (71), England, Rußland (74),
Schweden, Spanien.
4. Die Binnenschiffahrt auf dem Wiener Kongreß von 181 5 und die
Schiffahrtsakten 78—87
5. Die Binnenschiffahrt von der Erfindung des Dampfschiffs bis zum
Jahre 1870 88—158
Die ersten Dampfschiffe — Rhein {94), Hl mit Kanälen (108), Neckar, Main,
Ludwigkanal (112), Lahn, Mosel, Ruhr, Lippe, Bodensee, Ems (114), Weser,
Elbe {118), Saale, Märkische Wasserstraßen (126), Oder (135), Warthe,
Weichsel, Oberländischer Kanal (139), Pregel-Memel-Wasserstraße — Donau
(141) — Frankreich (145), Belgien, Holland, England, Nordamerika {153).
Abschnitt III. Die Förderung der Binnenschiffahrt durch Vereine und Kon-
gresse 159 — 170
Abschnitt IV. Die Verbesserung und Vermehrung der Binnenschiffahrtstrafien
seit 1870.
1. Der Ausbau der großen deutschen Ströme 173—194
Rhein (176), Weser (182), Elbe (185}, Oder (188), Weichsel {192), Memel-
strom {193).
2. Der Ausbau und der Aufstau der kleineren deutschen Ströme . . . 195—209
Mosel und Saar, Main (196), Neckar, Fulda (199), Werra, Aller, Saale,
Havel und Spree f20i), Warthe, Netze (206), Brahe, Pregel.
VI Inhalt.
Seite
3. Die preußischen Kanalbauten 209—221
Dortmund -Ems -Kanal (211), Elbe -Trave- Kanal, Rhein -Hannover -Kanal
(217), Masurische Kanal, Teltowkanal {219'.
4. Vorgänge im Ausland 221—232
Österreich, Ungarn (224), Frankreich, Belgien, Holland, Vereinigte Staaten
(231).
Zweiter Teil: Die Fahrzeuge der Binnenschiffahrt.
Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe 235 — 262
Die verschiedenen Arten, die Hauptteile des Binnenschiffs und ihre Be-
nennung, das Schwimmen '239), die Schiffsform, die Festigkeit, die Eichung
(250:-
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft
1. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe 263—363
Lastschiffe auf den Wasserstraßen Ostdeutschlands : östliche Schiffe, Oder-
schiffe (272), Eibschiffe (284). — Lastschiffe auf den Wasserstraßen West-
deutschlands: Rheinschiffe (291], elsaß-lothringische Kanalschiffe (302), Neckar-
schiffe, Mainschiffe (307], Lahnschiffe, Moselschiffe, Saarschiffe (310), Maas-
schiffe, Tjalken, Pünten, Dortmund-Ems-Kanalschiffe (313!, Weserschiffe (317.,
Allerschiffe. — Lastschiffe im Ausland: Donauschiffe (324), französische Schiffe
(329), Wolgaschiffe {331). — Zur Beförderung besonderer Güter eingerichtete
Lastschiffe: Kastenschiffe (335}, Mörtelschiffe, Ziegelschiffe, Kühlschiffe, Kran-
schiffe (343). — Ergebnisse: Größe, Völligkeit (348), Bug- und Heckformen,
Linienrisse (352), Kimm, Lehnung (358), Sprung, Festigkeit (361), Tenne-
baum, Laderäume.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe 364—428
Bauvorschriften, Baustoffe (371), der Bau hölzerner Schiffe (373), Stahl-
und Eisenbau (388), Deck und Mastköcher (391), Steuerruder (400}, Aus-
stattung, Ausrüstung,' Anstrich (411].
3. Die Kosten der Lastschiffe 429—436
Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
1. Die Fortbewegungsmittel 437— 49©
Allgemeines, Schaufelräder (439)), Heckräder (450). — Schrauben (455),
Befestigung am Schiffe (467), Tunnelheck (475), Einwirkung auf die Sohle
(484). — Fortbewegung durch Wasserstoß (486), Turbinen.
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe 491 — 598
Heizstoffe und Verbrennung, feste und flüssige Brennstoffe (497), ölfeue-
rung. — Dampf (502), Indikator, Füllungsgrad, überhitzter Dampf (508),
Kohlenverbrauch. — Dampfkessel (511). Überhitzer (517), Rauchverminderung,
Wasserrohrkessel (521), Polizeivorschriften. — Dampfmaschinen {527), Ma-
schinen der Schraubendampfer (531), der Seitenraddampfer (535;, der Heck-
raddampfer (542), Gewicht der Maschinen (545). — Anordnung imd Ein-
richtung, der Dampfschiffe (547), Schraubendampfer (551), Seitenraddampfer
(562), Heckraddampfer (579), Ausrüstung (583). — Leistungen xmd Beschaffung
von Dampfschiffen (588-, Wirkungsgrade, Geschwindigkeiten, Ähnlichkeits-
gesetz (592), Schleppleistungen, Beschaffung (597).
3. Kraftschiffe mit Gasmaschinen 599—633
Allgemeines, Zweitakt, Viertakt [602). — Benzinmaschinen (606], Vergaser,
Entzündung, Leistungen, Kosten. — ölmaschinen (611), Diesel-Maschine,
Swiderski-M aschine (616), Bolinder-Maschine, Brons-Maschine. — Sauggas-
maschinen (620). — Umsteuerung der Gasmaschinen (623). — Gasmaschinen
in der Binnenschiffahrt [627).
Inhalt. VII
Seite
4. Kraftschiffe mit elektrischem Antrieb 634—638
Anhang.
1. Einiges über Schiff bauanstalten, Schiffaufzüge und Docks 639
2. Der Bestand der Binnenschiffe 647
Stichwörter 661
Verzeichnis der Wasserstraßenkarten.
1. Die Märkischen Wasserstraßen bei Seite 35
2. Die Deutschen Wasserstraßen » » 45
3. Die Belgischen und Nordfranzösischen Wasserstraßen auf » 69
4. Die Wasserstraßen Frankreichs bei » 70
5. Die Binnenwasserstraßen Englands auf > 73
6. Die Wasserstraßen in Nord-Amerika bei » 155
7. Oberitalienische Wasserstraßen bei Mailand auf > 31
8. Die Wasserstraßen des Mariensystems zwischen Newa und Wolga » » 75
9. Obersichtskarte des Rhein-Hannover-Kanals » > 218
Berichtigungen.
Seite 179, Zeile 16 von unten: »Senkung« statt Hebung. (Die früher von Honseil in den »Bei-
trägen zur Hydrographie des Großh. Baden, Heft 3« aus dem Vergleich der Wasser-
stände 1820 — 1831 mit 1832 — 1882 ermittelte Hebung gilt heute als unwahrscheinlich.)
Seite 239, Zeile 4 von oben: »Rudemagel« statt Steuernagel, vgl. S. 403.
Seite 317, Zeile 6 von unten: *S,6 m« statt 8 m.
Seite 358, Zeile 22 von unten: »sollte« statt wollte.
Seite 510, Zeile 8 von oben: >t« statt tj.
ERSTER TEIL
Einleitendes und Geschichtliches.
Teubert, Binnenschiffahrt.
Abschnitt L
Binnenschiffahrt und Seeschiffahrt,
Unter Schiffahrt verstehen wir die gewerbsmäßige Beförderung von
Menschen und Gütern auf schwimmenden Fahrzeugen von einem Ort zum
anderen. Die Flößerei rechnen wir nicht dazu, obwohl Flöße (besonders in
älteren Zeiten) zuweilen zum gleichen Zweck benutzt werden. Auch der Fähr-
betrieb soll ausgeschlossen bleiben, weil Fähren als Teile der Landstraßen oder
Eisenbahnen anzusehen sind und Brücken ersetzen. Der Verkehr von Lustfahr-
zeugen, Gondeln, Booten und Jachten gehört gleichfalls nicht zur Schiffahrt.
Dagegen gibt es eine Reihe von Nebenbetrieben, die durch die Schiff-
fahrt hervorgerufen und durch sie bedingt sind: das ist der Verkehr von Lotsen-,
Vermessungs-, Bau-, Zoll-, Polizei- und anderen Aufsichtschiffen, von Eis-
brechern, Schwimmkranen und dergleichen. Im weiteren Sinne könnte man
sogar die Kriegschiffe dahin rechnen, wenn man annimmt, daß sie lediglich
zum Schutz der Handelschiffahrt bestimmt sind.
Für die Fischerei ist umgekehrt die Schiffahrt gewissermaßen als Neben-
betrieb anzusehen; dieser Verkehr soll hier unberücksichtigt bleiben.
Die Unterschiede zwischen der Binnenschiffahrt und der Seeschiff-
fahrt entwickeln sich aus der Verschiedenheit der Straßen, auf denen sie
betrieben werden. Die Straße der Seeschiffahrt ist das offene Meer, das an
Länge, Breite und Tiefe die Binnenwasserstraßen weit übertrifft. Infolge der
großen Ausdehnung des Meeres werdeh durch die Winde starke Wellen-
bewegungen hervorgerufen und, um diesen zu widerstehen, müssen die See-
schiffe mit einem Deck versehen und fester gebaut werden als die Binnen-
schiffe. Die größere Festigkeit läßt sich bei den Seeschiffen wegen des
größeren Tiefgangs und der größeren Höhe leichter erreichen als bei den
Binnenschiffen, die auf den seichten Binnenwasserstraßen verkehren und so-
wohl hinsichtlich des Tiefgangs als auch hinsichtlich der Höhe über Wasser
(wegen der Brücken) meistens beschränkt sind. Da sie aber dem Angriff der
Wellen nicht ausgesetzt werden, können sie ungedeckt und mit geringerer
Festigkeit, also wohlfeiler gebaut werden. Weil das Seeschiff bei weiten
Fahrten tage- und wochenlang keine bewohnten Orte berührt, muß es reich-
licher mit Mannschaft, Lebensmitteln, Wasser imd anderen Gebrauchsgegen-
ständen au^erüstet werden, außerdem mit einem Kompaß und anderen ge-
eigneten Geräten, um seinen Weg finden zu können.
4 Abschnitt I. Binnenschiffahrt und Seeschiffahrt.
Die Verschiedenheit der Wasserstraßen beeinflußt auch das Be- und
Entladen der Schiffe: während das Binnenschiff zu diesem Zweck fast an
jeder Stelle der Wasserstraßen am Ufer anlegen kann, sind für das Seeschiff
besondere, vor Wind und Wellen geschützte, genügend tiefe Häfen erforder-
lich, die mit hohen, senkrechten Uferbefestigungen versehen werden müssen,
wenn das Schiff unmittelbar am Ufer anlegen soll.
Ferner ist die Art der Fortbewegung verschieden. Für das Seeschiff
kommt nur das Segeln und die eigene, an Bord befindliche Triebkraft, meistens
Dampf, in Frage ; die Binnenschiffe werden aber außerdem durch Treiben mit
der Strömung, durch Schieben, durch Ziehen vom Ufer (Treideln) und be-
sonders durch Schleppdampfer einzeln und in Zügen fortbewegt. Es können
zwar auch Schiffe über See geschleppt werden; aber dieser Betrieb ist nur
unter gewissen Umständen zweckmäßig und ungefährlich. Für die Binnen-
schiffahrt ist gerade der Betrieb in Schleppzügen von ganz besonderer Be-
deutung: Die in derselben Richtung zu befördernden Lastschiffe werden ge-
sammelt, zu einem Zuge vereinigt und von einem Schleppdampfer an ihr Ziel
gebracht, wo sie nach Bedarf schnell oder langsam entladen werden, während
der Schleppdampfer ohne Zeitverlust einen neuen Zug übernehmen kann.
Sowohl beim Löschen wie beim Beladen der Lastschiffe kommt es gewöhn-
lich nicht auf große Schnelligkeit unter Benutzung besonderer kostspieliger
Vorrichtungen an, weil die täglichen Schiffskosten, d. h. Verzinsung des An-
lagekapitals, Unterhaltungs- und Versicherungskosten des Schiffes, Löhne der
Mannschaft u. dgl. nicht sehr erheblich, die Verluste durch längere Lösch- und
Liegezeiten also verhältnismäßig erträglich sind. Anders beim modernen See-
schiff: Die Triebkraft kann von dem Lastschiffe nicht getrennt werden, son-
dern die kostbare Dampfmaschine muß mit dem Schiffe verbunden bleiben,
so daß die täglichen Schiffskosten (auch wegen der teuem Besatzung) ver-
hältnismäßig hoch und die Verluste bei langen Liegezeiten sehr empfindlich
sind. Bequeme Kaianlagen und mechanische, schnell arbeitende Lösch- und
Ladevorrichtungen sind deshalb für den wirtschaftlichen Betrieb der Seeschiff-
fahrt unentbehrlich.
Wegen der größeren Schwierigkeit und Gefährlichkeit der Seefahrten
müssen die Mannschaften und besonders die Schiffsoffiziere eine gründlichere
Fachbildung haben, zumal die Schiffsführer während der langen Abwesenheit
von dem Heimathafen vielfach selbständig die Handelsgeschäfte namens der
Schiffseigner abzuschließen haben. Der kaufmännische Betrieb der Schiffahrt
und die Bildung der Frachtsätze ist insofern verschieden, als bei der Seeschiff-
fahrt in der Regel nur der Wettbewerb anderer Seeschiffe zu berücksichtigen
und zu bekämpfen ist, während in der Binnenschiffahrt die Frachtsätze außer-
dem oft noch von dem Wettbewerb der Eisenbahnen und zuweilen selbst der
Landstraßen beeinflußt werden. Schließlich ist zu beachten, daß die See-
schiffahrt meistens außerhalb der Zollgrenzen der Staaten betrieben wird, weil
das Meer als neutrales Gebiet gilt.
Abschnitt L Binnenschiffahrt und Seeschiffahrt. 5
Die örtlichen Grenzen zwischen See- und Binnenwasserstraßen sind
schwankend. Die Seeschiffahrt bemüht sich, vom Meere aus so tief wie mög-
h'ch in das Festland einzudringen, um die von ihr beförderten Güter ohne
Umladung an die Verbrauchstellen zu bringen. Haffe, Lagunen und die
Mündungstrecken der großen Ströme sind daher auch zu Seewasserstraßen
geworden. Wie weit ein Seeschiff aufwärts in den Strom fahren kann, hängt
zunächst von der Wassertiefe auf der meistens vor der Mündung liegenden
Sandbarre und von der Tiefe im Strome selbst ab. Ferner kommt in Frage,
ob die über den Strom führenden Brücken mit ausreichenden beweglichen
Durchfahrtöffnungen versehen oder so hoch sind, daß das Seeschiff nach
teilweiser Beseitigung der Masten darunter durchfahren kann. Da die Masten
der Seeschiffe feststehen und nicht wie bei den Binnenschiffen umgelegt
werden können, so lassen sich gewöhnlich nur die oberen Stengen beseitigen.
In alter Zeit waren die Seeschiffe viel kleiner wie heute und hatten einen
geringeren Tiefgang. Sie konnten darum weit in die Ströme dringen, zumal
nur wenige feste Brücken vorhanden waren. An den damaligen Endpunkten
der Seeschiffahrt entstanden große Handels- und Hafenstädte, die in späterer
Zeit von Schiffen mit größerem Tiefgange nicht mehr mit voller Ladung er-
reicht werden konnten. Von den zu tief tauchenden Seeschiffen mußte man
einen Teil der Ladung vor der Einfahrt in den Strom oder das Haff löschen
und mit Leichterschiffen nach den Städten befördern. Unmittelbar am Meere
entstanden auf diese Weise neue Hafenplätze, die allmählich einen Teil des
Handels an sich zogen und die Bedeutung der alten Hafenstädte zu beein-
trächtigen drohten. Diesen Ubelstand suchte man durch Verbesserung der
Zugangstraßen zu beseitigen.
In Deutschland konnte das z. B. bei Lübeck (Travemünde) und Hamburg (Kuxhaven)
durch umfangreiche Baggerungen in der Trave und in der Unterelbe erreicht werden, in Bremen
(Bremerhaven) durch den Ausbau der Unterweser (1887 bis 1894), in Stettin (Swinemünde)
durch die Herstellung der Kaiserfahrt im Stettiner Haff (1875 bis 1880), und in Königsberg
(Pillau] durch den 6,5 m tiefen Seekanal (1889 bis 1901).
Petersburg befand sich in ähnlicher Lage und wurde durch einen Seekanal von 6,7 m
Tiefe mit Kronstadt verbunden.
Rotterdam litt unter der Versandung der neuen Maas, und um einen besseren Zugang zur
See zu gewinnen, wurde zuerst (1827 bis 1829) ^^^ Voomsche Kanal angelegt, der den Strom
südwestlich mit dem Goereeschen Gat (Helle voetsluis) verband. Dadurch wiirde der zulässige
Tiefgang der Schüfe von 3 m auf 5,1 m vergrößert. Dieser genügte aber auf die Dauer nicht
und der weite Umweg, der Schleusenaufenthalt, sowie häufige Versandungen in der Mündung
fährten 1863 zum Bau des >Neuen Wasserwegs«, der mittels eines großen Durchstichs bei Hoek
van Holland ohne Schleuse auf kürzestem Wege das Meer erreicht Er wurde allmählich immer
mehr verbessert (zuletzt in den Jahren 1908 bis 1910) so daß jetzt bei H. W. Schiffe von 9 m
Tiefgang bis Rotterdam gelangen.
Amsterdam konnte früher nur durch die Zuidersee von Seeschiffen erreicht werden. Da
deren Tiefe nicht mehr genügte, suchte man einen besseren Zugang zur Nordsee zu gewinnen.
Zuerst wurde (1819 bis 1825) der Nordholländische Kanal (mit 4 Schleusen) zum Hafen Nieuwediep
angelegt, und als auch dessen Tiefe (5,5 m) und Abmessungen nicht ausreichten, baute man (1865
bis 1876) den Kanal nach Ymuiden, der allmählich so erweitert worden ist, daß jetzt Schiffe von
220 m Länge, 24 m Breite und 9,2 m Tiefgang ihn durchfahren können. In neuester Zeit wird
eine weitere Vergrößerung beabsichtigt.
6 Abschnitt I. Binnenschiffahrt und Seeschiffahrt.
Brügge war am Anfang des 14. Jahrhunderts einer der bedeutendsten Handelshäfen der
Welt; aber der Zugang versandete und Jahrhunderte hindurch war die Stadt vom Meer abge-
schnitten. Neuerdings ist sie durch einen Seekanal von 8 m Tiefe mit dem neuen Hafen Zee-
brügge (Heyst) verbunden worden. Die Schleuse hat eine nutzbare Liüige von 158 m und eine
Breite von 20 m. Die im Jahre 1897 begonnenen Arbeiten sind jetzt ziemlich fertig gestellt.
Gent war schon seit dem 16. Jahrhundert durch einen Kanal mit der Westerschelde ver-
bunden, der aber erst in den Jahren 1825 bis 1827 ordentlich nach Temeuzen ausgebaut und
mit einer Tiefe von 4,2 m versehen wurde. Nach mancherlei Verbesserungen ist der Kanal in
neuester Zeit (I9cx:> bis 191 1) bedeutend erweitert worden, so daß jetzt Schiffe von 140 m Länge,
17 m Breite und 8 m Tiefgang verkehren können.
Ähnlich liegen die Verhältnisse am Rhein. In alter Zeit verkehrten dort
die Seeschiffe regelmäßig bis Köln. Als ihr Tiefgang zunahm und die nieder-
ländischen Häfen an Bedeutung gewannen, hörte die Seeschiffahrt auf dem
Rhein allmählich auf und ruhte jahrhundertelang, bis sie im Jahre 1885 zu
neuem Leben erweckt wurde. Das war besonders durch die Verbesserung
und Vertiefung der RheinwasserstraOe und durch die Entwicklung des Dampf-
schifftaues möglich geworden.
Der Rhein-See -Verkehr hat seitdem sehr schnell zugenommen, so daß im Jahre 1910
schon 56 Dampfer gezählt wurden, deren Tragfähigkeit auf dem Rhein zusammen etwa 50000 t
betrug, auf der Fahrt über See aber erheblich größer war. Der größte Dampfer >Bingen« war
71m lang und 10 m breit, hatte bei 600 Pferdestärken auf See einen Tiefgang von 4,3 m und
auf dem Rhein bei gutem Wasserstande eine Tragfähigkeit von 1770 t. Er war mithin ein nicht
unbedeutendes Seeschiff.
Daneben hat sich neuerdings auch wieder ein See -Segelschiff -Verkehr auf dem Rhein bis
Köln und zuweilen noch weiter hinauf entwickelt Es sind vorwiegend holländische Tjalken und
englische Schoner von meistens 100 bis 200 t Tragfähigkeit. Im Jahre 19 10 wurden 83 solche
Schiflfe gezählt, die einen Tiefgang von 2,1 bis 2,3 m hatten. Das größte SchiflF >Mosel€ hatte
1929 t Tragfähigkeit und verkehrte zwischen Köln und Hamburg.
Um die Seeschiffahrt möglichst tief in das Land zu fuhren, hat man
durch Seekanäle sogar neue Seehäfen im Binnenlande geschaffen.
Ein sehr bedeutendes Bauwerk ist der in der Zeit von 1887 ^^ ^^94 hergestellte Seekanal
von Manchester, der diese Stadt mit dem Hafen Liverpool verbindet. Zur Überwindung des
Höhenunterschieds von x8 m sind 4 Schleusen von je 180 m Länge und 24 m Breite angeordnet.
Die größte zulässige Tauchtiefe der Schifife beträgt 7,9 m. Die Unterkante der Über den Kanal
führenden Brücken liegt 22,8 m über dem Wasserspiegel, so daß nur die obersten Stengen der
Masten herabgelassen werden müssen.
Brüssel wird gleichfalls ein Seehafen werden, indem seit dem Jahre 1898 der alte Binnen-
schiffahrtkanal von Willebroeck zum Rüpel und zur Scheide als Seekanal umgebaut wird, so
daß Schiffe von etwa 114 m Länge, 15 m Breite und 6 m Tiefgang darauf verkehren sollen.
Diese Arbeiten sind ziemlich fertig.
Es sind auch Entwürfe aufgestellt worden, um Paris i) und Berlin, ja selbst Rom auf
solche Weise zu Seehäfen zu machen; man hat sich aber überzeugt, daß diese Unternehmungen
zurzeit nicht wirtschaftlich sind.
Alle Seekanäle (z.B. in Deutschland der von 1887 bis 1895 erbaute Kaiser-
Wilhelm-Kanal) werden gelegentlich auch von der Binnenschiffahrt benutzt
Die Küstenschiffahrt (durch Ewer, Kuffen, Lommen, Tjalken, Jachten,
Brigantinen, Schoner und Briggen betrieben) ist ein Teil der Seeschiffahrt
und folgt auf dem Meere, wie der Name sagt, im allgemeinen der Küste,
d. h. sie geht nicht über die großen Meere, weil weder die Schiffe noch die
1] Neuerdings wieder angeregt. Vgl. Zentralblatt der Bauverwaltung 191 1, S. 210.
Abschnitt I. Binnenschiffahrt und Seeschiffieihrt. 7
Bemannung für die sogenannte > große Fahrte geeignet sind. Die Küsten-
schiffe sind verhältnismäßig klein und haben geringen Tiefgang, so daß sie
auch Häfen mit kleiner Wassertiefe aufsuchen und in der Nähe der seichten
Küsten, z. B. in den Watten, verkehren können. Sie dringen durch die
Strommündungen noch weiter in die Binnenwasserstraßen ein als die großen
Seeschiffe, wenn sie durch die festen Masten nicht gehindert werden. Über
ihren Verkehr auf dem Rhein war schon oben gesprochen; man findet sie
aber auch in anderen Stromgebieten.
Die schwankenden Grenzen zwischen See- und Binnenwasserstraßen sind
durch den neuerdings kräftig entwickelten Verkehr mit Seeprähmen noch
mehr verwischt worden. Wir verstehen unter Seeprähmen Lastschiffe ohne
eigene Triebkraft in den Formen und Abmessungen der Binnenschiffe, aber
gedeckt und festgebaut, so daß sie ohne große Gefahr bei günstigem Wetter
über See nach anderen Strommündungen geschleppt werden können, von
wo sie auf die anschließenden Binnenwasserstraßen übergehen. Es kommt
dabei nur ein Verkehr innerhalb der mehr oder weniger abgeschlossenen
Meere, wie Ostsee, Nordsee, Mittelmeer in Betracht, wo man auf den Fahrten
längs der Küste bei eintretendem schlechtem Wetter leicht einen Schutzhafen
aufsuchen kann. Der große Vorteil dieses Verkehrs liegt darin, daß die
Umladung vom Seeschiffe auf das Binnenschiff und umgekehrt fortfallt. Da
für die Fahrt über See ein größerer Tiefgang zulässig und erforderlich ist,
als die meisten Binnenwasserstraßen erlauben, so muß allerdings beim Ein-
tritt in diese Binnenwasserstraßen eine Ableichterung der Seeprähme vor-
genommen werden'). Diese Art der Schiffahrt überträgt die wirtschaftlichen
Vorzüge des Schleppbetriebs, den wir oben als besondere Eigentümlichkeit
der Binnenschiffahrt erwähnten, auch auf die Seeschiffahrt.
Der älteste bekannte Verkehr mit Seeprähmen wurde im Jahre 1852 in
Süd-Frankreich zwischen Arles an der Rhone und MarseUle eingerichtet,
als dort noch keine Eisenbahnen bestanden und die Schiffahrt auf der Rhone
ziemlich bedeutend war.
Die von einer Gesellschaft in Lyon beschafften 20 Seeprähme hatten eine Länge von
45 bis 60 m, eine Breite von 6,5 bis 7,5 m, eine Höhe von 2,5 bis 3,5 m, tauchten leer 0,4
bis 0,6 m, bei größter Belastung 1,25 bis 2,25 m ein und besaßen eine TragflUiigkeit von 250
bis 400 t, im äußersten Falle von 500 t. Sie waren aus Eisen mit einem festen Deck gebaut,
das mit 4 Luken und ringsum laufendem hohem Schanzkleid versehen war.
Zur Fahrt von Arles bis oberhalb der damals noch ungeregelten Barre wurden je 2 See-
prähme seitlich an dem Schleppdampfer befestigt Wenn man dort die Nachricht erhielt, daß
die Rinne durch die Barre fahrbar und das Meer für die Überfahrt günstig war, so nahm der
Dampfer die Prähme gewöhnlich in doppeltes Schlepptau, so daß beide gleichlaufend neben-
einander fuhren. So ging der Schleppzug über die Barre und durch das offene Meer bis
Marseille. Die Entfernung in der Rhone von Arles bis zum Ende der Barre betrug 49 km,
die auf See von da bis Marseille 40 km. Die Seefahrt dauerte 3 Stunden, die Rhonefahrt zu
Tal etwas weniger. Der Betrieb war schwierig, die Schleppzüge fuhren nur bei Tage und bei
heftigen Winden oder Eis war die Schiffahrt oft wochenlang unterbrochen.
1) Berichte von Geck, Gu^rard und de Thierry zum internationalen SchiflEfthrtkon-
gresse in Düsseldorf, 1902.
8 Abschnitt L BinnenschifTahrt und Seeschiffahrt.
Später entstanden vorübergehend noch mehrere Gesellschaften, die in ähnlicher Weise
den Verkehr von der Rhone westlich bis Cette und östlich bis Spezia ausdehnten. Nach dem
Ausbau und der Verbesserung des Fahrwassers der Rhone hat die ersterwähnte Gesellschaft im
Jahre 1898 etwa 20 neue Seeprähme anderer Bauart eingeführt, die von Marseille über See
nach der Rhone und auf dieser und auf der Saone Über Lyon hinaus bis nach Chalons-sur-
Sa6ne verkehren, also auf mehr als 600 km ohne Umladung. Diese Schiffe (»barques mixtes«)
sind etwas leichter als die älteren: 57 m lang, 7,65 m breit, 2,8 m hoch; Tiefgang leer 0,52 m,
beladen 1,4 m und Tragfähigkeit bis 425 t.
Dieser Verkehr hat sich bewährt. Die Zahl der Unfälle auf der See ist sehr gering ge-
wesen: von 1852 bis 1871 sollen nur 4 Seeprähme verloren gegangen sein und von da an bis
zum Jahre 1901 keine mehr, obwohl die Gesellschaft den Betrieb bis Aigues-Mortes und bis
Cette ausgedehnt hat.
Im Gegensatz zu Frankreich hat sich der deutsche Verkehr mit See-
prähmen aus dem Leichterverkehr entwickelt. Wie schon erwähnt, mußten
die immer tiefer eintauchenden Seeschiffe bei der Einfahrt in die Strommün-
dungen einen Teil ihrer Ladung auf Leichterschiffe abgeben, die durch einen
Schleppdampfer in die Häfen gebracht wurden. Es lag nahe, diese Schiffe,
die wegen der oft stark bewegten See auf der Reede und in den Flußmün-
dungen eine gewisse Seetüchtigkeit besitzen mußten, auch in den Dienst der
Küstenschiffahrt zum Verkehr mit benachbarten Häfen zu verwenden. Im
Jahre 1863 eröffnete der Norddeutsche Lloyd mit 3 Leichterschiffen von je
300 t Tragfähigkeit und einem Schleppdampfer einen regelmäßigen Verkehr
zwischen Bremen und Hamburg. Später folgten andere Gesellschaften und
dehnten nach der Eröffnung des Kaiser- Wilhelm-Kanals ihre Schleppfahrten
östlich bis Stettin, Königsberg, Memel, Riga und zu den schwedischen Ost-
seehäfen aus. Westlich ging man damit zu den holländischen, belgischen,
englischen und französischen Häfen.
Diese Schiffahrt benutzte aber fast ausschließlich Seewasserstraßen und
erst in neuerer Zeit, besonders nach der Fertigstellnng des Dortmund-Ems-
Kanals (1899) drang man mit den Seeprähmen auch in die Binnenwasser-
straßen ein und trat damit in Wettbewerb mit der eigentlichen Binnenschiff-
fahrt. Die Seeprähme gelangen z. B. auf dem Rhein bis Köln und auf dem
Dortmund-Ems-Kanal bis Dortmund.
Für den Verkehr zwischen Hamburg und Köln hat die Hamburg- Amerika-Linie 8 See-
prähme in ständigem Betriebe. Außerdem beteiligt sich an diesem SchüTahrtbetriebe besonders
die Vereinigte Bugsier-Frachtschiffahrtgesellschaft in Hamburg.
Auf dem Dortmund-Ems-Kanal bot die Verwendimg von Seeprähmen besondere
Schwierigkeit, weil sie mit Rücksicht auf seine Abmessungen höchstens 67 m lang und 8,2 m
breit sein imd nur 2 m tief eintauchen durften ; andrerseits war die Höhe über Wasser durch
die Brücken beschränkt, deren Unterkante nur wenig mehr als 4 m über dem Wasserspiegel
liegt. Die volle zulässige Länge von 67 m auszunutzen, erwies sich als unvorteilhaft; denn so
lange Schiffe wurden bei der verhältnismäßig geringen Höhe zu schwer, um ftLr die Seefahrt die
genügende Festigkeit zu haben, und ihr nutzbarer Tiefgang für die Kanalfahrt infolgedessen zu
klein. Andrerseits ließen sich Schiffe von 40 bis 50 m Länge bei geringem Eigengewicht wohl
genügend fest herstellen, erwiesen sich aber bei nur etwa 350 t Tragfähigkeit im Kanal als
unwirtschaftlich im Wettbewerb mit den großen Binnenschiffen von 600 bis 800 t Tragfähig-
keit. Die günstigsten Ergebnisse hatte man mit einem Seeprahm von 58 m Länge, 8 m Breite
und 0,75 m Leertiefgang, der auf der Seefahrt 800 t und auf der Kanalfahrt 500 t aufnehmen
konnte. Das Verhältnis der Nutzladimg zum toten Gewicht beträgt dabei auf der See 83 zu 17
Abschnitt I. Bmnenschi£fahrt und Seeschiffahrt. 9
und auf dem Kanal j6 zu 24. Da diese Schiffe im Kanal nur 2 m, auf dem Meere aber min-
destens 3 m tief eintauchen, müssen sie eine so beträchtliche Bauhöhe erhalten, daß sie leer
nicht unter den Brficken des Kanals hindurchfahren können, sondern Ballast einnehmen müssen.
In Emden oder Papenburg pflegt auf dem Wege zur See die entsprechende Zuladung,
umgekehrt die nötige Ableichterung vorgenommen zu werden. Auch tritt an diesen Orten ein
Wechsel der Schleppdampfer ein, die sowohl im Kanal wie auf dem Meere meistens je 2 See-
prShme anhängen.
Dieser Verkehr hat sich auf dem Kanäle gut entwickelt: Westfälische Steinkohlen gingen
von den Kohlenhäfen Dortmund, Hardenberg, Herne und anderen nach Bremen, Hamburg und
Kiel. Auch wurden Koks nach Schweden gebracht. Schwefelkies-Erze aus dem westfälischen
Sauerland wurden im Dortmunder Hafen in Seeprähme nach Riga verladen. Eisenbahnschienen
gingen von Dortmund nach Bremen, Stettin und Königsberg. Umgekehrt kamen nach den
Kanalhäfen Dortmund und Münster Zucker, Getreide und Mehl aus Königsberg, Danzig und
Stettin, sogar schwedisches Schnittholz, wobei ein Teil davon bei der Seefahrt als Decklast
befordert wurde').
Die Vorzüge des Verkehrs mit Seeprähmen, also gewissermaßen der
Verbindung von Seeschiffahrt mit Binnenschiffahrt, dürfen jedoch nicht über-
schätzt werden. Abgesehen von der Gefährlichkeit der Seefahrt und der
Verwendung von (sowohl in bezug auf den Bau wie auf die Ausrüstung und
Bemannung) kostspieligen Schiffen in der Binnenschiffahrt, hat es sich her-
ausgestellt, daß sehr weite Seefahrten für diesen Betrieb unwirtschaftlich sind.
Die oben erwähnte französische Gesellschaft hält Schleppfahrten über See
auf mehr als 400 km Entfernung nicht mehr für gewinnbringend und in der
Nord- und Ostsee haben sich Fahrten von mehr als 800 km, besonders mit
geringwertigen Gütern, als unvorteilhaft erwiesen. Das ist zum Teil daraus
zu erklären, daß die Leistung eines Schleppdampfers kleiner ist als die eines
Güterdampfers, da bei gleicher Maschinenstärke und gleicher Nutzlast der
Schleppzug nur etwa die halbe Geschwindigkeit des Güterdampfers erreicht.
Die Selbstkosten des Schleppdampfers wachsen ferner bedeutend mit der
Dauer der Fahrt, so daß die Benutzimg eines schnell fahrenden Güter-
dampfers vorteilhafter ist. Daher werden z. B. schwedische Eisenerze aus
Luleä (jetzt von Närwik) mit Güterdampfern nach Emden befördert und
dort in Kanalschiffe umgeschlagen. Ebenso werden diese Erze, wenn sie
nach Duisburg- Ruhrort bestimmt sind, in Rotterdam umgeladen und nicht
mit Seeprähmen befördert, obwohl diese für die Wasserverhältnisse des Rheins
ziemlich groß gebaut werden könnten. Es ist zu vermuten, daß der jetzt
übliche Umschlagbetrieb der vorteilhaftere ist.
Aus den vorstehenden Mitteilungen ist ersichtlich, daß es sowohl Wasser-
straßen als auch Schiffe gibt, die im Wechselverkehr der Seeschiffahrt wie
der Binnenschiffahrt dienen.
Eine besondere Stellung nehmen die g^roßen Landseen ein, wenn sie
eine solche Ausdehnung haben, daß starke Wellenbewegungen entstehen
1} Neuerdings macht man auf dem Dortmund -Ems -Kanal Versuche mit Güterdampfem
von 300 t TragfUhigkeit , die wertvolle Güter von Dortmund nach den Ostseehäfen befördern,
also seetüchtig sind wie die Rhein-Seedampfer. Erfahrungen über die Wirtschaftlichkeit liegen
noch nicht vor.
10 Abschnitt L Binnenscliiifahrt und Seeschi£falirt.
können, und daß man von ihrer Mitte aus nicht mehr die Ufer erkennen
kann. Dahin gehören z. B. der Bodensee (539 km"), der Wenernsee (5975 km'),
der Ladogasee ( 1 8 1 29 km 'j , der Michigansee (6 1 906 km ') und das Kaspische Meer
(436452 km'). Von dem letztgenannten abgesehen, rechnet man den Verkehr
auf diesen Gewässern zur Binnenschiffahrt. Aber sowohl die Schiffe als auch
der Betrieb müssen je nach der Größe des Sees mehr oder minder seemäßig
ausgeführt werden. Dazu gehört auch die Anlage geschützter Häfen.
Der Verkehr auf Haffen und Lagunen, die einerseits mit den Binnen-
wasserstraßen und andrerseits mit dem Meere in Verbindung stehen, wird
gleichfalls meistens zur Binnenschiffahrt gerechnet, obwohl dort auch Küsten-
schiffe und große Seeschiffe zu fahren pflegen.
Binnenschiffahrt und Seeschiffahrt blühen am besten, wenn sie sich
gegenseitig unterstützen und befruchten^). In großartiger Weise haben sich
darum solche Seehäfen entwickelt, die gleichzeitig den Endpunkt großer,
leistungsfähiger Binnenwasserstraßen bilden, wie z. B. Hamburg, Rotterdam
und New- York.
i) Cords, Die Bedeutung der Binnenschiffahrt für die deutsche Seeschiffahrt. Stuttgart
und Berlin, 1906.
Abschnitt IL
Geschichtlicher Rückblick auf die Entwicklung
der Binnenschiffahrt bis zum Jahre 1870.
I. Die Binnenschiffahrt im Altertum.
Die Geschichte der Schiffahrt ist bis zur Erfindung der Eisenbahnen gewisser-
maßen auch die Geschichte des Handels. Der Anfang der Schiffahrt reicht
weit in die vorgeschichtlichen Zeiten zurück. Nachdem das Menschengeschlecht
sich so weit entwickelt hatte, daß sich ein Bedürfnis zur Beförderung von
Lasten auf größere Entfernungen einstellte, daß ein gewisser Verkehr und
damit zugleich der Handel entstand, war die Binnenschiffahrt wahrscheinlich
das erste Verkehrsmittel. Die Benutzung der natürlichen Wasserstraßen er-
forderte wenig Vorbereitungen: Flöße und ausgehöhlte Baumstämme, die mit
der Strömung trieben, waren sicherlich schnell erfunden. Selbst die Benutzung
von Tragtieren scheint weniger einfach, wenn sie auch überall dort, wo keine
natürlichen Wasserwege vorhanden waren, bis in das Mittelalter hinein einen
großen Teil des Handelsverkehrs vermittelt haben. Die Herstellung gebahnter
Landstraßen erfolgte viel später und war wahrscheinlich looo Jahre v. Chr.
noch unbekannt. Nach griechischen Quellen sollen erst die Perser unter
Kyros und Dareios im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. die ersten Straßen an-
gelegt und sich vierräderiger Wagen bedient haben.
In welchem Lande und von welchem Volke die Binnenschiffahrt zuerst
betrieben wurde, läßt sich nicht sagen. Die ersten Ansiedelungen fast aller
Völker fanden in den Flußtälem statt und es ist wahrscheinlich, daß sich die
Schiffahrt in vielen Stromgebieten unabhängig voneinander und gleichzeitig
entwickelt hat. Wir wissen, daß die ältesten uns bekannten Kulturvölker in
den Flußtälem des Euphrat und Tigris, des Nils und der chinesischen Flüsse
wohnten. Die Ägypter sollen schon 2300 Jahre v. Chr. auf dem Nil und
dem roten Meer Schiffahrt getrieben haben. Auch von den Babyloniern ist
mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermuten, daß sie schon um 2000 v. Chr.
auf dem Euphrat und Tigris gefahren sind, und es steht fest, daß um 2200
V. Chr. in China bereits eine lebhafte Binnenschiffahrt bestand').
Die Ägypter befuhren in ältester Zeit aus religiösen Gründen nicht das
Mittelmeer. Dort ist die Seeschiffahrt durch die Phöniker entwickelt worden,
i) Götz, W., Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels. Stuttgart, 1888.
12 Abschnitt n. Geschichtliclier Rückblick bis 1870.
die mit ihrem Handel nicht nur das Mittelmeer beherrschten, sondern ihn
schon 1000 Jahre v. Chr. bis Britannien und zur Nordsee ausdehnten. Nach
Götz ist in dem persischen Meerbusen wahrscheinlich schon um die Mitte
des 4. Jahrtausend v. Chr. Schiffahrt betrieben worden.
Von den Ägyptern sind uns die meisten Nachrichten über ihre alte
Flußschiffahrt überliefert und man erkennt daraus, daß sie schon gut aus-
gebildet und geregelt war.
Die ältesten Abbildungen
von Nilschiffen sind auf
ausgegrabenen Steinoma-
menten gefunden, die etwa
aus dem 17. Jahrhundert
V. Chr. stammen. Die
Abb. I und 2 stellen sie
dar").
Man erkennt deutlich
Abb. I. die großenteils noch heute
üblichen Hauptteile des
Segelschiffs: In Abb. 1 Steven, Mast, Rasegel, Riemen und Steuerruder (als
»Streichnider«); in Abb. 2 namentlich die Takelung. Diese zeigt an sogenann-
tem »stehendem Gut»: vom Mast zum Hintersteven das »Pardun», vom Mast
zum Vorsteven das »Vorstag« und vom Mast zu den Bordwänden die »Wanten».
Außerdem erkennt man auch die >Brassen< tum Stellen des Segels. ^'
Abb. >.
Sehr alt sind auch die Nachrichten über die Verbesserung der natürlichen
und die Herstellung von künstlichen Binnenwasserstraßen in den oben ge-
nannten drei Kulturländern. Aristoteles und auch Flinius teilen mit, daß in
Ägypten die Pharaonen schon im 14. Jahrhundert v, Chr. einen Schiffahrt-
i) Nacli Wilkiiisoa. Die Bilder sind ans RUhlminn, Allgem. Mischincntehre, Band V.
I. Die Binneotschiffalirt im Altertum. 13
kanal vom Orte Pibast (oder Bubastis), dem heutigen Zagazig am Nil nach
dem roten Meer zu bauen begonnen haben. Dieser Kanal ist im Laufe der
Zeiten wiederholt verfallen und wieder erneuert worden. Wir erfahren z. B.
von Herodot, daß Dareios Hystaspes ihn im Jahre 522 v. Chr. wieder hat
ausbauen lassen. Ähnliches wird von Ptolomäus Philadelphus berichtet, der
von 286 bis 247 v. Chr. in Ägypten regierte. Im Jahre 31 v. Chr. benutzte
Kleopatra diesen Kanal; um sich nach dem roten Meer zu flüchten, blieb
aber wegen zu geringer Wassertiefe mit ihren Schiffen darin sitzen. Der ver-
fallene Kanal wurde später von den Römern unter Kaiser Trajan wieder her-
gestellt; doch ließ ihn im Jahre 767 der Kalif Abu-Jafur-el-Mansur endgültig
zuschütten. Dieser Kanal war der Vorläufer des Suezkanals (erbaut durch
Lesseps 1859 bis 1869).
In China bestanden schon um iioo v. Chr. viele Kanäle, die neben
den natürlichen Binnenwasserstraßen mit ausgebauten Leinpfaden und Pferde-
treidelei das Hauptverkehrsmittel für Menschen und Güter bildeten und einer
besonderen, wichtigen Verwaltung unterstellt waren.
Wir wissen femer, daß von Nebukadnezar im 6. Jahrhundert v. Chr. im
Gebiet von Euphrat und Tigris außer den schon früher bestehenden Ent-
und Bewässerungskanälen auch besondere Schiffahrtkanäle erbaut und Strom-
verbesserungen ausgeführt worden sind.
Was die Römer betrifft, ist es wahrscheinlich, daß von den übrigen
Städten in Latium gerade Rom sich eine vorherrschende Stellung dadurch
errang, daß es am Tiberfluß lag und auf diesem im Binnenschiffahrtverkehr
einen gewissen Handel entwickeln konnte. Später haben sich die Römer
nicht als ein besonders Handel treibendes Volk gezeigt, aber mit wachsender
Machtstellung sich in großartiger Weise dem Bau von Heerstraßen gewidmet,
deren Netz sie über alle Provinzen des großen Reiches ausdehnten. Die Folge
hiervon war, daß der Landstraßenverkehr vor dem Binnenschiffahrtverkehr
bevorzugt wurde, indem der Handel dem Wege der Legionen nachfolgte.
Trotzdem entwickelte sich die Binnenschiffahrt weiter: Wir wissen, daß der
Tiber von Schiffen belebt war. Es wird behauptet, daß er im Altertum
wasserreicher als heute gewesen sei; doch ist das nicht erwiesen. Zur Zeit
des Augustus gelangten Lastschiffe mit 78 t Ladung nach Rom. Gewöhnlich
wurden die Seeschiffe aber in Ostia entladen und die Waren in von Ochsen
und Büffeln geschleppten Leichterschiffen zur Stadt gebracht. In den nörd-
lichen Provinzen, Gallien, Germanien und Dazien, bildeten sich zur römischen
Zeit namentlich die Rhone, der Rhein und die Donau zu Weltstraßen aus.
Durch die Rhone ging der Verkehr vom Mittelmeer durch die Saone
und nach kurzem Landweg durch die Mosel zum Rhein. Schon der alte
Geograph Strabo hebt in seiner Beschreibung Galliens etwa um Christi
Geburt die Leichtigkeit hervor, mit der auf der Rhone schwere Lasten auch
bis zur Loire und zur Seine befördert werden können. Lyon war damals
der Hauptstapelplatz für den Verkehr nach dem Norden. Der Verkehr soll
14 Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
(nach italienischen Quellen) damals auf Rhone, Loire, Seine und Mosel so
bedeutend gewesen sein, daß fiir die Schiffer bestimmte genossenschaftliche
Rechte und Pflichten festgesetzt waren'). Zur bequemeren Verbindung der
Rhone mit dem Meere soll schon Marius mit seinen Legionen einen Kanal
von Arles zum heutigen Golf von Fox hergestellt haben, dessen Spuren jedoch
verschwunden sind. Tacitus teilt mit, daß im Jahre 58 der römische Feld-
herr Lucius Vetus, um seine Legionen durch nützliche Arbeit vor Müßiggang
zu bewahren, den Plan faßte, durch sie einen Kanal von der Saone zur Mosel
graben zu lassen. Die Ausführung unterblieb, weil Vetus darauf hingewiesen
wurde, daß er durch ein so bedeutendes Werk die Eifersucht des Kaisers Nero
erwecken würde. Dieser 104 km lange Kanal ist erst in den Jahren 1874 bis
1882 als Teil des großen französischen Ostkanals gebaut worden.
Am Rhein wurde das von den Ubiern gegründete und im Jahre 50 zur
römischen Kolonie gewordene Köln der Mittelpunkt des Verkehrs. Schon im
Jahre 10 v. Chr. hat Drusus einen Kanal vom Rhein zur Yssel hergestellt,
den sein Sohn Germanicus später, wie Tacitus berichtet, unter Benutzung
mehrerer natürlicher Flußläufe bis zur Ems weitergeführt haben soll. Es ist
ferner bekannt, daß auf dem unteren Rhein sowie auf der Ems und der
Weser wiederholt Flottenkämpfe zwischen Römern und Germanen stattgefunden
haben, wobei die letzteren sich als sehr geschickte und erfahrene Schiffer
gezeigt haben. Tacitus erzählt z. B., daß in einem Kriege 1000 Schiffe der
Bataver auf dem Rhein die Verpflegung der römischen Truppen zu über-
nehmen hatten. Der Schiffahrtverkehr auf dem Rhein war also schon be-
trächtlich, wenn auch weniger zu Handels- als zu Kriegszwecken. Die Schiffe
der Germanen waren ziemlich ungeschickt gebaut und oft zum Teü aus Tier-
fellen hergestellt; erst die Römer brachten die bessere Kunst des Schiff-
baues dorthin.
Auf der unteren Donau (Ister) hat schon in der vorrömischen Zeit leb-
hafte Schiffahrt bestanden, die noch bedeutender wurde, als die Römer nach
der Eroberung Daziens (106 bis 112 n. Chr.) dort auf beiden Ufern Herren
waren. Berühmt ist die Straße, die sie an dem Donauufer durch die Strom-
enge von Kasan anlegten, und von der noch heute die am serbischen Ufer
erhaltene Trajanstafel Zeugnis ablegt. Zur Umgehung des eisernen Tores
sollen sie sogar auf dem rechten Ufer einen 3,2 km langen Kanal angelegt
haben (?).
An der oberen Donau war der Hauptverkehrsplatz Carnuntum, gegenüber
der Einmündung der March gelegen, von wo sich eine wichtige Handelstraße
die March entlang nach Norden und bis zur Ostsee und ihrer Bernsteinküste
abzweigte. Im übrigen hatte die obere Donau ihre größte Wichtigkeit als
Grenzfluß und es bestanden dort mehrere römische Flottenstationen.
i) Daß auf der Seine eüie lebhafte SchÜfalirt herrschte, wird durch einen römischen Altar
bewiesen, der unter Kaiser Tiberius von den Pariser Schiffern Jupiter geweiht war. Er wurde
1740 unter dem Chor der Kirche Notre-Dame geümden.
2. Die Binnenscliifiahrt im Mittelalter. 15
2. Die Binnenschiffahrt im Mittelalter bis zur Erfindung
der Kammerschleuse (1438).
In den Stürmen der Völkerwanderung gingen die Errungenschaften der
römischen Kultur verloren und auch die großen Heerstraßen verfielen mangels
genügender Unterhaltung fast vollständig. Es sind dann etwa 1000 Jahre
vergangen, bis man im deutschen Reiche wieder zum Bau von Landstraßen
schritt. Nachdem unter den Merowingem und namentlich unter Karl dem
Großen wieder eine gewisse Ordnung eingetreten war und Handel und Ver-
kehr sich wieder regten, erwiesen sich die natürlichen Wasserstraßen als die
besten und fast einzigen Verkehrswege besonders in Deutschland, Frankreich
und Oberitalien, wo weitverzweigte Gewässernetze vorhanden waren. Die
Binnenwasserstraßen wurden nicht nur allgemein zur Beförderung von Men-
schen und Waren benutzt, sondern auch besonders als Heerstraßen in Kriegs-
zeiten. Wir wissen z. B., daß Karl der Große im Kriege gegen die Sachsen
(etwa 782) die Weser und in seinen Kriegen mit den Avaren (791 bis 797)
im heutigen Ungarn die Donau als Heerstraße verwendet hat. Später, zur
Zeit der Kreuzzüge (1096 bis 1291), war es wieder die Donau, die als Ver-
kehrsweg viel benutzt wurde.
Abgesehen von diesen kriegerischen Unternehmungen wurde die kräftige
Entwicklung der Binnenschiffahrt im Mittelalter besonders durch das Auf-
blühen der Handelstädte hervorgerufen. Diese waren zwar infolge des
Aufschwungs des Seehandels zum großen Teile Seehäfen; aber es ist sicher
kein Zufall gewesen, daß sie meistens an solchen Stellen entstanden, wo sie
durch einen schiffbaren Strom mit dem Hinterlande verbunden waren. In
diesen Häfen wurde großer Wert darauf gelegt, daß sowohl See- wie Binnen-
schiffe unmittelbar bis an die Speicher der Kaufleute gelangen konnten. In
erster Linie sind Brügge, Antwerpen, Bremen, Hamburg, Lübeck, Stettin und
Danzig^) zu nennen, die zum TeU schon im 11. imd 12. Jahrhundert wichtige
Handelsplätze waren. Für die Binnenwasserstraßen waren am Rhein neben
dem unbestrittenen Mittelpunkt Köln noch Mainz, Worms und Straßburg von
Bedeutung, während an der Donau Regensburg den Handel bis Ofen und
Belgrad beherrschte. In Mitteldeutschland hoben sich zuerst Erfurt und Halle,
dann Leipzig und Magdeburg empor. Dieser letzte Ort war schon vor Kaiser
Ottos Zeit (936 bis 973) für den Elbeübergang wichtig"*). In Süddeutschland
waren Augsburg und Nürnberg die wichtigsten Handelsplätze.
i) Brügge und Antwerpen werden zuerst im 7. Jahrhundert erwähnt; Bremen wurde 787
Bbchofsitz; in Hamburg erbaute Karl der Große 811 Burg und Kirche; Lübeck wird zuerst etwa
im Jahre 1000 genannt; Stettin war eine alte wendische Ansiedlung, die nach der Zerstörung
von Jumme (Vineta?) im Jahre 830 etwa im 12. Jahrhundert ein wichtiger Handelsplatz wurde;
Danzig war im 10. Jahrhundert die Hauptstadt von Oberpommem; 997 predigte Bischof Adal-
bert dort.
2) Karl der Große richtete 805 die Grenzburgen ein, wo die nach dem Ausland handelnden
Kaufleute einen Ausgangszoll zu entrichten hatten. Eine solche war auch Magdeburg, also das
16 Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Das Aufblühen der großen Handelstädte wurde wesentlich durch das
ihnen vom Kaiser verliehene Stapelrecht (Niederlagsrecht) unterstützt. Dies
bestand im allgemeinen darin, daß die Waren, die auf dem Wege zu ihrem
Bestimmungsorte zu Lande oder zu Wasser die betreffende Stadt berührten,
dort ausgeladen und einige Tage lang zum öffentlichen Verkauf gestellt
werden mußten. Was davon nicht verkauft wurde, durfte dann weiterbefördert
werden. Auf solche Weise mußte sich in den mit diesem Rechte ausgestat-
teten Städten ein lebhafter Marktverkehr ausbilden, durch den der Reichtum
ihrer Einwohner vermehrt wurde. Der Ursprung des Stapelrechts wird in
den königlichen Pfalzen (Stapelplätzen) Karls des Großen zu suchen sein.
Alle großen Städte suchten dies Recht zu erwerben, viele maßten es sich
unberechtigterweise an und es war oft die Ursache von Eifersucht und Streit.
Zum Auslegen der Waren bauten die Städte zuweilen besondere mit Kranen
ausgerüstete Kauf- oder Stapelhäuser, z. B. Mainz im Jahre 131 7, Straßburg
im Jahre 1358. Das Stapelhaus von Köln ist noch heute bekannt.
Wichtige Stapelrechte für die Binnenschiffahrt besaßen im Mittelalter und
in späterer Zeit: am Rhein Dortrecht, Köln, Mainz, Speyer und Straßburg,
an der Mosel Trier, am Main Frankfurt, am Neckar Heilbronn, an der Donau
Wien, Passau, Regensburg, Ingolstadt, Ulm und Donauwörth (für Salz), an
der Weser Bremen, Minden (für Getreide) und Münden, an der Elbe Ham-
burg, Magdeburg, Dresden, Pirna (für Getreide) und außerdem Lüneburg'),
an der Oder Stettin, Frankfurt und Breslau, an der Weichsel Danzig und
Thorn, femer noch Berlin, Lübeck und Königsberg i. Pr. Im Binnenlande
hatte außerdem das Stapelrecht von Leipzig große Bedeutung. Diese Auf-
zählung macht auf vollständige Genauigkeit keinen Anspruch, zumal manche
Stapelrechte bestritten, zuweilen auch nur mit gewissen Beschränkungen ver-
liehen waren. In späteren Jahrhunderten, als die Handelsbeziehungen weiter
reichten und bestimmte kaufmännische Lieferungen auf g^roße Entfernungen
übernommen wurden, erwies sich das Stapelrecht als sehr hinderlich. Zwar
war es in einzelnen Fällen möglich, sich davon loszukaufen; aber immerhin
waren die damit verbundenen Unkosten lästig und drückend. Nur bei wenigen
Städten kam es zur Aufhebung dieses Rechts; sie hielten vielmehr meistens
zähe daran fest und erst 181 5 wurde von dem Wiener Kongreß die voll-
ständige Aufhebung beschlossen.
Im 12. Jahrhundert entwickelte sich in den Städten das Zunftwesen und
die Schifferzünfte (auch Schiffleut- oder Ankerzünfte, Brüderschaften, Gilden und
ähnlich benannt) waren besonders angesehen. Sie nahmen meistens für gewisse
Tor für den Handel mit den Wenden und nach dem Osten. (Später, etwa 11 66, nahm wohl
Brandenburg diese Stelle ein und dann Frankfurt a. O.) Kaiser Otto verlieh Magdeburg das
Marktrecht, schenkte 965 der Stadt verschiedene Zolleinkünfte und erhob es 968 zum Erzstift,
dem die neuen Bistümer Havelberg, Brandenburg und Meißen unterstellt wurden.
i) Die Waren mußten in Schnackenburg oder Bleckede ausgeladen und über Land nach
Lüneburg geschafft werden.
2. Die BinnenschifFahrt im Mittelalter. 17
bei der Stadt gelegene Stromstrecken das alleinige Recht der Befahrung in
Anspruch. Ihre in der Regel vom Kaiser bestätigten Satzungen waren in
bezug auf ihre Rechte und Pflichten verschieden, gingen aber fast immer darauf
hinaus, daß innerhalb der betreffenden Stromstrecke kein Fremder gegen
Entgeld irgend welche Waren befördern durfte. Die meisten natürlichen Wasser-
straßen wurden dadurch gewissermaßen unter die verschiedenen Schifferzünfte
verteilt. Dazu kam, daß einzelnen Städten zwar kein Stapelrecht aber doch
ein Umladerecht verliehen war, wodurch bestimmt wurde, daß bei ihnen
alle Schiffe ausgeladen und die Waren nur durch Schiffe und Schiffer von
ihrer Zunft weiter befördert werden durften. Auch dies Recht wurde in ver-
schiedenen Formen verliehen und bezog sich zuweilen nur auf gewisse Waren.
Man erkennt, daß von freier Schiffahrt demnach noch keine Rede war, zumal
auch die Frachtsätze meistens von den Behörden festgestellt und geregelt wurden.
Das Zunftwesen wirkte in der ersten Zeit segensreich fiir Handel und Schiffahrt.
Die Schifferzunft machte sich durch die Ausbildung der jungen Schiffer und
durch die Beaufsichtigung des ganzen Schiffahrtbetriebs im allgemeinen wohl
verdient Auch hatten sie in der Regel die Verpflichtung, das Fahrwasser inner-
halb ihrer Strecke in Ordnung zu halten und von Hindernissen möglichst zu
befreien. Wenngleich nach damaliger Rechtsanschauung das Hoheitsrecht an
allen schiffbaren Gewässern dem Kaiser zustand, so war doch der Gedanke, diese
Wasserstraßen etwa aus öffentlichen Mitteln zu unterhalten, noch unbekannt.
Ebenso wie das Stapelrecht gaben auch die Berechtigungen der Schifferzünfte
oft Veranlassung zum Streit zwischen den Städten^). Mit der weiteren Ent-
wicklung des Handels und der Schiffahrt in späteren Jahrhunderten wurde das
Zunftwesen als drückend und hinderlich empfunden. Aber erst am An-
fange des 19. Jahrhunderts wurde es in Deutschland allgemein aufgehoben.
i) Hier mögen einige Bestimmungen aus den Satzungen der Straßburger Zunft mitgeteilt
werden, die im Jahre 1350 neu bearbeitet waren:
Die Straßburger Kaufleute durften auf eigenen Schiffen ihre Waren befördern; die Schiffe
mußten aber durch Zunftgenossen bemannt werden. Die Schiffer durften nur Zunftgenossen als
Steuerleute nehmen.
An der Spitze der Zunft standen die 5 »Fertigere. Sie hatten die Pflicht, vor Einladung
der Waren das Schiff und Geschirr auf ihre Tauglichkeit zu prüfen und mußten bei der Beladung
anwesend sein. Sie stellten die Menge der eingeladenen Waren fest und die Stadtbehörde erhob
darauf ihre Gebühren. Die Fertiger wurden »als fromme, ehrbare Leute c aus den Zunftgenossen
gewählt und vom Rat vereidig^.
Vor Abgang jedes größeren Schiffes mußte das Fahrwasser untersucht und jeder gefährliche
Baumstamm durch einen Pfahl bezeichnet werden. Wenn bei der Fahrt ein Schiffer neue Hinder-
nisse fand, mußte er dies den Fertigem anzeigen.
Die von oberhalb (Basel oder Breisach) und von der 111 kommenden Schiffe mußten in
Straßburg die Waren der Straßburger Zunft zur Weiterbeförderung Überlassen. Wenn fremde
Schiffe innerhalb dreier Tage keine Rückfracht fanden, mußten sie leer zurück fahren. (Vgl.
Lop er, Die Rheinschiffahrt Straßburgs in früherer Zeit. Straßburg 1877.)
Die Schifferzunft soll nach anderen Quellen in Straßburg i. J. 1331, in Speyer 1327, in Mainz
um 1332 und in Basel 1354 entstanden sein.
Bei einzelnen Gilden z. B. an der Weser mußte jeder Schiffer vor dem Gildemeister und
einem Ratsherrn eine Prüfung ablegen. Es war dort den Genossen auch verboten, fremden Schiffern
ein Schiff abzukaufen.
Teubert, Binnenschiffahrt 2
18 Abschnitt IT. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Wenn das Aufblühen der großen Handelstädte mit Stapelrecht und Zunft-
wesen während des Mittelalters förderlich für die Binnenschiffahrt war, so ent-
standen andrerseits in dieser Zeit sehr störende Einrichtungen, namentlich die
Flußzölle und die Wassermühlen.
Der Ursprung der Flußzölle ist nicht bekannt'). Sie werden eingeführt
worden sein, als Handel und Binnenschiffahrt einträglich wurden, vielleicht im
8. oder 9. Jahrhundert. Stets galten sie als ein Hoheitsrecht des Kaisers und
wurden von ihm an Fürsten, Städte, Klöster usw. verliehen. Während des
Mittelalters und noch in späterer Zeit sind sie nicht als Gebühren, sondern
als willkührlich dem Verkehr auferlegte Steuern anzusehen, die in die Tasche
des Zollberechtigten flössen, ohne daß dieser zu irgend einer Gegenleistung
verpflichtet war. Als älteste Rheinzölle werden z. B. die bei Oberwesel im
Jahre 966^), bei Bingen 983, bei Bacharach 991, bei Remagen 1003 erwähnt;
doch steht fest, daß der Zoll von Caub noch älter war und der Zoll von
Worms soll schon von Ludwig dem Frommen (814 — 840) verliehen sein.
Eine Urkunde von diesem Kaiser aus d. J. 830 erwähnt bereits die Neckarzölle
von Wimpfen und Ladenburg. Vom Rhein verbreiteten sich die Flußzölle
schnell über das ganze Deutsche Reich. Schon im Jahre 983 verlieh Kaiser
Otto in dem Bischof in Meißen die Eibzölle von Meißen bis Beigern. Die
Zahl der Flußzölle nahm allmählich immer mehr zu. Es gab z. B. am Rhein
gegen Ende des 12. Jahrhunderts 19 Zollstellen, gegen Ende des 14. Jahr-
hunderts 62 Zollstellen und an der Elbe gegen Ende des 17. Jahrhunderts
48 Zollstellen. An den übrigen Flüßen war es ähnlich.
Wenn die Kaiser und Fürsten Geld brauchten und eine Anleihe machen
mußten, wurden zuweilen die Flußzölle verpfändet und die Schulden gewöhnlich
mit dem zehnfachen Betrage abgelöst. Die Bequemlichkeit, aus der Binnen-
schiffahrt große Einnahmen zu erzwingen, verlockte frühzeitig einzelne Städte,
kleine Fürsten und Ritter, ohne kaiserliche Erlaubnis auf eigene Hand Zoll-
stellen einzurichten. Im Jahre 1157 wurde z. B. festgestellt, daß auf dem Main
unerlaubte Zollerhebungen stattfanden^). Der Kaiser hob darauf alle Mainzölle
mit Ausnahme von Frankfurt, Aschaffenburg und Neustadt auf. An anderen
Stellen, z. B. am Rhein, wurden besonders im 12. und 13. Jahrhundert durch
Grafen und Ritter sogar Raubzölle mit Waffengewalt erhoben. Das war in
der Zeit, als auch die Landwege durch die Raubritter überall im Reiche un-
sicher gemacht wurden. Da die kaiserliche Gewalt nicht ausreichte, um diese
Ausschreitungen zu unterdrücken, schritten die gfroßen Städte zur Selbsthilfe.
So entstand 1254 der erste rheinische Städtebund auf Anregung von Worms
und Mainz. Mit ihrem Heer und einer Flotte, die aus 600 Schiffen bestanden
haben soll, griffen sie die Raubritter an und zerstörten am Rhein z. B. die
i) Schumacher, Zur Frage der Binnenschiffahrtabgaben. Berlin 1901.
2) Der Rheinzoll von Oberwesel wurde im Jahre 966 von Kaiser Otto I der Stadt Magde-
burg geschenkt. Vgl. Sommerlad^ Die Rheinzölle im Mittelalter. Halle 1894.
3) Quetsch, Geschichte des Verkehrswesens am Mittelrhein. Freiburg i./B. 1891.
2. Die Binnenschifiahrt im Mittelalter. 19
Burgen Reichenstein unterhalb Bingen, Ingelheim und auch Schloß Rheinfels,
von wo aus der Graf von Katzenellenbogen die Schiffahrt besonders geschädigt
hatte. Ein im Jahre 1278 gegründeter neuer Städtebund führte sogenannte
Landfriedenzölle ein, d. h. ein Geleitsgeld, das von den Schiffern für den
bewaffneten Schutz zu entrichten war.
Wenn die Kaiser immer neue Flußzölle einrichteten, kam es zuweilen auch
zum Widerstand der Städte. So wird berichtet, daß die Straßburger im Jahre
1349 gcg^n einen neuen Rheinzoll Einspruch erhoben und als dieser keinen
Erfolg hatte, den Rhein in ganzer Breite durch zwei Reihen eichener Pfähle
und zwischen gespannte Ketten vollständig versperrten, so daß die Schiffahrt
2 7a Jahre lang unterbrochen war und der Handel stockte.
Die Kaiser bestimmten auch die Zollbefreiungen und zwar zunächst
für einzelne Kirchen und Klöster, zuweilen auch für die am Fluße herrschen-
den Fürsten, so weit diese nur für den eigenen Bedarf Schiffahrt betrieben,
was an den Zollstätten durch einen besonderen Eid jedes Mal bekräftigt werden
mußte. Auch einzelne Städte erhielten ganze oder bedingte Zollfreiheit, nament-
lich für eigene Erzeugnisse, im Rheingebiet z. B. Köln, Straßburg und Frankfurt.
Wenngleich die Zollerhebung unzweifelhaft ein Hoheitsrecht des Kaisers
war, so erreichten die Kurfürsten am Rhein seit der Mitte des 13. Jahr-
hunderts allmählich doch ein Mitwirkungsrecht, das in der goldenen Bulle 1356
erwähnt und später vom Kaiser Wenzel (1379) und vom Kaiser Karl V.
(15 19) ausdrücklich anerkannt wurde. Seit 1557 wurden von den vier rheini-
schen KurRirsten besondere Zollkonvente abgehalten, wobei alle auf die Zölle
bezüglichen Angelegenheiten besprochen wurden.
Im Jahre 1453 verlieh Kaiser Friedrich III. seinem Stammhause Österreich
das Privilegium voller Zollunabhängigkeit und 1456 erhielt von ihm der Kur-
fürst Friedrich von Brandenburg die Erlaubnis, in seinem Lande nach Be-
lieben die bestehenden Zölle zu verlegen, zu vermehren oder zu vermindern.
Die Höhe der Zölle schwankte in verschiedenen Zeiten, an den verschie-
denen Flüßen und für die verschiedenen Waren. Um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts soll am Rhein der durchschnittliche Zoll für Wein etwa 6 v. H. des
Werts betragen haben').
Unter der Last der Flußzölle haben Handel und Binnenschiffahrt jahr-
himdertelang gelitten. Alle Versuche, sie abzuschaffen, scheiterten: die
darauf hinzielenden Beschlüsse des Westfälischen Friedens (1648) blieben er-
folglos. Allmählich kamen die Zölle in den Alleinbesitz der Uferstaaten und
wurden für sie eine gute, dauernde Einnahmequelle, die sie sich sträubten
ohne Ersatz aufzugeben. Auch die französische Revolution und selbst der
l) Vgl. Sommerlad. Die Erhebung erfolgte am Rhein nach »Tumosen«. Das Wort er-
klärt Sommerlad als »Münze von Tours« (Tumos), die im Mittelalter sehr verbreitet und beliebt
gewesen sein soll. Andere Schriftsteller verstehen darunter nur eine Verhältniszahl. Sommerlad
teilt mit, daß für ein Fuder Wein im Wert von 192 Tumosen ein Zoll von durchschnittlich
12 Tumosen zu erlegen war.
20
Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Wiener Kongreß von 181 5 konnten sie nicht dauernd und vollständig ab-
schaffen, sondern sie nur beschränken und mildem. Im 18. und im Anfang
des 19. Jahrhunderts übernahmen zwar dafür die Uferstaaten in vielen Fällen
die Unterhaltung der Ströme und die Zölle verwandelten sich dadurch in
Schiffahrtabgaben im heutigen Sinne; aber diese Unterhaltung stand zum
Teil nur auf dem Papier. Die Rheinzölle wurden endgültig erst 1867, der
letzte Elbzoll 1870 abgeschafft.
Auch das Strandrecht wurde im Mittelalter an den BinnenschifTahrt-
straOen fast überall in drückendster Weise ausgeübt Es ging in späterer
Zeit auf die Landesherren über und weltliche und kirchliche Fürsten sowie
die Reichstädte wurden davon befreit. Auch andere Handelstädte erreichten
vom Kaiser Erleichterungen und Befreiungen. Wir erfahren z. B., daß im
Jahre 1263 die Straßburger von dem Strandrecht bei der Talfahrt befreit
wurden. Auch Hameln erreichte im Jahre 1277 Befreiung davon.
Während Flußzölle und Strandrecht den gewerblichen Betrieb der Binnen-
schiffahrt schädigten, wurde der technische Betrieb besonders auf den klei-
neren Strömen durch die Mühlenstaue behindert.
Die Wassermühlen waren schon den Römern bekannt und Ausonius erwähnt im Jahre 379
eine Mühle in einem Seitenbach der Mosel. Im Jahre 718 soll in Böhmen die erste Mühle
gebaut sein und in einer Urkunde Karls des Großen vom Jahre 786 betreffend die Gründung des
Bistums Verden a. d. Aller kommt bereits ein »Muhlenbach« vor. Sehr irilh scheinen die Mtlhlen
an die Saale gekommen zu sein: die Stadtmühle von Aisleben soll im Jahre 941, die Mühle bei
Holleben 1089 erbaut sein und dem Kloster Neuwerk bei Trotha unterhalb Halle wurde 1121
vom Erzbischof das Mahlrecht verliehen'). Es scheint die Verleihung dieses Rechts also nicht
immer dem Kaiser allein vorbehalten gewesen zu sein. Die Mühle Gottesgnaden bei Kalbe wird
im Jahre 11 52 erwähnt und der Weserstau bei Hameln besteht schon seit dem 11. Jahrhundert.
Mit dem Vordringen der Deutschen nach der Mark Brandenburg und zur Oder kamen auch
die Mühlen dahin. Die dort angesessenen Wenden und Slaven haben schon in firüheren Zeiten
eine lebhafte Binnenschiffahrt betrieben; aber sie kannten keine Mühlen. Über die Entstehung der
Mühlenstaue in der Mark Brandenburg liegen ziemlich genaue Nachrichten vor: Die nachstehende
Zusammenstellung von Klehmet^) gibt an, wann die einzelnen Mühlen zuerst genannt werden:
Jahr
Fluß
Ort
Jahr
Fluß
Ort
1173
Klinke
Brandenburg
1289
Bake
Teltow
1190
Ernster
Lehnin
1294
Finow
Hegermühle
1232
Havel
Spandau
1298
Spree
Filrstenwalde
1248
—
Lychen
1309
Havel
Brandenburg
1251
Panke
Berlin
1349
Nuthe
Potsdam
1252
Stobberow
Buckow
1349
Havel
Oranienburg
1267
Finow
Niederfinow
1385
Spree
Beeskow
1281
Havel
Zehdenick
1478
Rhin
Alt-Ruppin
1285
Spree
Berlin
1478
Dahme
Königs-Wuster-
1288
Havel
Rathenow
hausen
i) Die Windmühlen werden zuerst 1105 in Frankreich, I143 in England erwähnt.
2) Klehmet, Beiträge zur Geschichte der Märkischen Wasserstraßen bis zum Jahre 1600,
Wochenschrift des Architektenvereins in Berlin, 1908, S. 177.
2. Die Binnenscliüfahrt im Mittelalter.
21
Der deutsche Ritterorden brachte 1228 die Mühlenbaukunst nach Preußen; denn wir er-
fahren, daß im Jahre 1274 bei Marienburg ein Mühlengraben hergestellt wurde. Um die An-
siedelungen und die Anlage neuer Städte in den eroberten slawischen Ländern zu begünstigen,
war die Verleihung der Mühlengerechtigkeit ein vortreffliches Mittel. Davon wurde auch in
Schlesien Gebrauch gemacht. Bekannt ist uns, daß z. B. die Mühle in Brieg im Jahre 1240
den Bürgern genehmigt wurde. Die Breslauer Mühlen sollen aus dem 14. Jahrhundert stammen.
Aber es waren sicher schon im 13. Jahrhundert viele Mühlen an der Oder vorhanden; denn
schon aus jener Zeit sind Klagen über die vielen Mühlenwehre überliefert, durch die der früher
lebhafte Schiffahrtverkehr auf der Oder geschädigt worden sein soll.
Es ist klar, daß durch ein quer durch den Fluß gebautes Stauwehr
die Schiffahrt unterbrochen wurde und zunächst nichts anderes übrig blieb,
Abb. 3.
als die Waren vor dem Wehr auszuladen und auf der anderen Seite in an-
deren Schiffen weiter zu befördern. Die Bauart der Stauanlagen war ver-
schieden, zumal auch die Wasserbaukunst damals noch auf niedriger Stufe
stand. Deshalb und auch der großen Kosten wegen sind wahrscheinlich in
den großen Strömen Rhein, Donau, Elbe (mit Ausnahme der böhmischen
Strecke) und Weichsel, keine Wehre durch den ganzen Wasserlauf gebaut
worden: man legte die Mühlen zuweilen in Nebenarme oder man errichtete
auch im Hauptstrom selbst, an geeigneter Stelle mit starkem Gefälle und
festem Untergrund, einen mit dem Ufer gleichlaufenden Damm und zweigte
22 Absclinitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
damit einen Stromteil ab, den man am unteren Ende abschloß, indem man
den Damm mit einem Ufer verband. Entsprechend der Länge des Tren-
nungsdammes (Mühlendammes) konnte man so eine gewisse Stauhöhe für den
Mühlenbetrieb gewinnen. Eine solche Anlage wurde z. B. in Magdeburg
etwa um das Jahr 1400 errichtet, indem man vor dem alten Brücktor auf
dem linken Ufer der Stromelbe einen Mühlendamm baute und dadurch die
sogenannte Pferdeelbe abzweigfte, an deren unterem Ende die Ratsmühle an-
geordnet wurde. Diese Bauten sind längst verschwunden (Abb. 3).
Die vollständige Sperrung der Wasserstraße durch Mühlenwehre war
einzelnen Städten, die im Besitz des Stapel- oder Umladerechts waren, an-
genehm, weil diese Rechte dadurch sicher geschützt waren. Das traf z. B.
für Hameln und Breslau zu. Aber es gelang doch bald, die durch die Stau-
anlagen für Schiffahrt und Flößerei geschaffenen Hindernisse zu überwinden.
Wenn die Wehre, wie z. B. in der Oder, nur als niedrige Dämme aus Holz
und Stein hergestellt waren, die bei hohen Wasserständen ganz überflutet
wurden, ordnete man an geeigneten Stellen »Wehrlücken« an, indem man
diesen Teü etwa in doppelter Schiffsbreite weniger hoch aufführte. Diese
Lücken dienten in erster Linie für den Durchgang der Flöße; aber bei
günstigen Wasserständen fuhren auch kleine festgebaute Schiffe ohne große
Gefahr talwärts hindurch, während für die Bergfahrt oft eine große Zugkraft
von Menschen, Pferden oder Ochsen nötig war. Zuweilen wurden zu diesem
Zweck oberhalb des Wehrs starke Winden aufgestellt. Dieser Schiffahrt-
betrieb war nur bei geringen Stauhöhen möglich. In Schlesien wurde im
Jahre 1337 für die Oder vorgeschrieben, daß die Lücken, Matätschen (Floß)-
Rinnen genannt, mindestens eine Länge von 9,3 m haben sollten, während
die Stauhöhe nicht größer als 0,4 m sein sollte. Doch mußten bei niedrigen
Wasserständen die Waren umgeladen werden, zumal dann die Lücken oft
geschlossen wurden, um den Mühlen nicht zu viel Wasser zu entziehen.
An der Lahn hatten die steinernen Wehre gleichfalls Lücken, die mit
hölzernen geneigten Ebenen zum Hinüberschaffen der Schiffe ausgerüstet
waren. An der Fulda wurden die Wehrlücken »Hohlen« genannt.
An Flüssen, die weniger Wasser führen und keine plötzlich eintretende,
große Hochfluten haben, wie z. B. Havel und Spree in der Mark, wurden
größere Stauhöhen und feste Stauwerke angeordnet, die in der Regel von
Hochwasser nicht überflutet wurden. Seit dem 13. Jahrhundert legte man
dort zur Umgehung des Staues gewöhnlich »Flutrinnen« an, indem man aus
dem Oberwasser seitlich einen Kanal abzweigte, der etwa halbkreisförmig
je nach der Örtlichkeit und mit möglichst großem Halbmesser um den
Stau herum in das Unterwasser führte, d. h. man legte einen neuen künst-
lichen Flußarm an. Je länger die Flutrinne, um so geringer war das Teil-
gefalle und um so leichter konnten die Schiffe es überwinden. Solche
Flutrinnen wurden z. B. im Jahre 1232 der Stadt Spandau genehmigt, 1282
von der Stadt Prenzlau in der Ucker angelegt, 1288 bei Rathenow, 1307 bei
2. Die Binnenschiffiihrt im Mittelalter. 23
Perleberg und vor 1321 bei Brandenburg gebaut. Die Winske bei Oppeln
ist gleichfalls als Flutrinne angelegt worden, weil das Gefalle in der Wehr-
lücke zu stark war (1781?). Auch an der Traun in Österreich, wo die Salz-
schiffahrt im Mittelalter von großer Bedeutung war, wurde im Jahre 1416 der
12m hohe Traunfall in ähnlicher Weise durch Anlage einer Flutrinne (Umflut)
unschädlich gemacht. Anfanglich waren die Flutrinnen wahrscheinlich offen
und man hat sie zum Teil erst später am oberen Ende mit einem hölzernen
Schützenwehr geschlossen, um den Mühlen namentlich in trockenen Jahres-
zeiten nicht zu viel Wasser zu entziehen. Ein solcher Schiffdurchlaß
hatte die Gestalt einer gewöhnlichen hölzernen Arche, die durch eine senk-
recht bewegliche Schütztafel von entsprechender Breite verschlossen war.
Wenn ein Schiff aus dem Ober- in das Unterwasser oder umgekehrt be-
fördert werden sollte, wurde das Schütz aufgezogen. Die im Mittelalter ver-
hältnismäßig kleinen Schiffe konnten in dem heftig abstürzenden Wasser meist
ohne Gefahr hinunter kommen, mußten aber umgekehrt mit Aufwendung von
entsprechend großer menschlicher oder tierischer Kraft gegen die Strömung
hinaufgezogen werden. Es ist klar, daß dieser Betrieb ziemlich roh und beim
Verkehr von größeren Schiffen mit wertvollen Ladungen nicht mehr zulässig
war. Die Flutrinnen wurden später nach Erfindung der Kammerschleusen
entweder als Schleusenkanal benutzt, wie z. B. in Rathenow, oder zur An-
legung neuer Mühlen, wie z. B. in Spandau. Zuweilen sind die Flutrinnen
gleichzeitig als Festungsgräben eingerichtet worden, wofür sich manche Bei-
spiele anfuhren lassen.
Wenn die Örtlichkeit für die Herstellung emer Flutrinne nicht geeignet
war, ordnete man den Schiffdurchlaß in dem Stauwehr selbst an, wie z. B.
die »Freifliutschleuse« von Hameln; solche Durchlässe konnten nur mit großer
Beschwerlichkeit von der Schiffahrt benutzt werden').
Außer den festen Wassermühlen bürgerten sich im Mittelalter auch die
Schiffmühlen ein, die von Belisar im Jahre 537 bei der Belagerung Roms
durch die Ostgoten zuerst auf dem Tiber angewandt sein sollen. In Deutsch-
land kamen sie namentlich auf die großen Ströme Rhein, Donau, Weser und
Elbe, wurden aber für den Schiffahrtbetrieb erst in späterer Zeit lästig.
Anders war es mit den Fischwehren, die gleichfalls im Mittelalter auf
vielen Flüssen erbaut wurden und den Schiffverkehr oft behinderten. Viele
Klagen darüber sind namentlich im 1 4. Jahrhundert von der Oder, der Weser
und der Ruhr (> Schlachten« genannt) bekannt geworden, weil an ihnen
meistens die Waren umgeladen werden mußten.
Trotz aller dieser Bedrückungen und Behinderungen kam die Binnen-
schiffahrt namentlich im 12. und 13. Jahrhundert zu großer Blüte. Die
Schiffe waren klein, hatten gewöhnlich nur eine Tragfähigkeit von 10 bis
i) Die Flutrinnen, SdiifTdurchlässe u. dgl. wurden auch als Freiarchen zum Ablassen
der schädlichen Hochfluten benutzt. Die in Spandau dazu besonders errichtete Freiarche wird
zuerst 1447 erwähnt.
24 Abschnitt n. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
20 ty sehr selten mehr als 50 t und wurden oft nur für eine Talfahrt gebaut.
Wenigstens ist dies von den oberen Strecken des Rheins, der Donau, der
Weser und der Elbe bekannt Bei der Bei^ahrt wurde der Menschenzug
schon frühzeitig durch Pferde- und Ochsentreidelei ersetzt, wo sich am Ufer
dazu Grelegenheit fand. Man scheute sich andernfalls nicht, auf einzelnen
Strecken mehr als 200 Menschen vor ein SchiflF zu spannen. Durchschnitt-
lich rechnete man am Rhein auf ein Pferd oder 7 bis 10 Menschen 10 bis
1 5 t Ladung. Trotz dieser selbst bei den damaligen niedrigen Arbeitslöhnen
hohen Unkosten und den sehr beträchtlichen Zöllen und Abgaben war die
Schiffahrt einträglich, weil man, abgesehen vom Personenverkehr, der damals
von großer Bedeutung war, vorwiegend wertvolle Waren beförderte. Die
Verschiffimg von Massengütern, Bau- und Brennstoffen war im Mittelalter
unbekannt, weil sie noch überall billig zu haben waren; selbst Getreide wurde
selten auf größere Entfernungen verfrachtet. Die Haupthandelsgegenstände
waren Metalle, Leder, Wolle, Garn, Seide, Tuche, Leinen, Waffen, Wein,
Heringe, Gewürze, Färberröte, Glaswaren und mancherlei Zierrat und Genuß-
mittel, die zum Teil aus dem Orient kamen, vor allem aber Salz, dessen Be-
förderung eine große Rolle spielte. Der Handelsweg vom Mittelmeer und
von Konstantinopel ging am Anfang des Mittelalters die Rhone und die
Donau aufwärts durch die Schweiz und Süddeutschland und dann die zur
Nord- imd Ostsee fließenden Ströme entlang. Als später Venedig die vor-
herrschende Macht im Mittelmeer und im Orient war und die Türken Kon-
stantinopel erobert hatten, ging der Donauverkehr zurück und der Handels-
weg führte von Venedig über die Alpen nach Süddeutschland, wo Salzburg,
Augsburg, Nürnberg, Ulm und Frankfurt a. M. die Hauptstapelplätze wurden.
Da die Waren wertvoll und die Schiffslasten klein waren, so hatte das da-
mals oft notwendige Umladen, das man heute nach Möglichkeit vermeidet,
keine große Bedeutung, zumal der Zeitverlust nicht so beachtet wurde und
billige Arbeitskräfte überall zur Verfügung standen.
Wie oben erwähnt, vollzog sich der Personenverkehr im Mittelalter aus
Mangel an fahrbaren Landstraßen überall, wo es irgend möglich war, auf
den Wasserstraßen: Kaiser und Könige, weltliche uud geistliche Fürsten und
Herren, Kaufleute und andere Bürgersleute machten ihre Reisen mit Vorliebe
zu Schiff. Zwischen einzelnen großen Handelstädten bestanden regelmäßige
Fahrten für jedermann, die Marktschiffahrten, die in Deutschland von
den Kurfürsten als Lehen vergeben oder von den Städten auf eigene Rech-
nung eingerichtet wurden. Die Marktschiffe zwischen Frankfurt und Mainz
werden schon im Jahre 1105 in der Frankfurter Chronik erwähnt. Im Jahre
14 13 wurde zwischen beiden Städten eine einheitliche Fahrordnung verabredet.
Für die Bergfahrt wurde der Fahrpreis auf 12 alte Heller, für die Talfahrt
auf I Schillingheller festgesetzt'). In Holland entsprachen dieser Einrichtung
i) Vgl. Quetsch.
2. Die Binnenschiffahrt im Mittelalter. 25
die »Treckschuitcn«. In allen Fällen wurden diese Personenschiffe berg- und
talwärts durch Pferde getreidelt. Abgesehen von diesen öffentlichen Schiffen
lag die Personenbeförderung meistens in der Hand der Schifferzünfte. Ent-
weder wurde mit diesen der Fahrpreis frei vereinbart oder der Rat der Stadt
setzte sie allgemein fest, wie uns z. B. im Jahre 1436 aus Basel berichtet wird.
Wenn wir uns den einzelnen Wasserstraßen zuwenden, so ist es be-
achtenswert, daß man im Mittelalter die Binnenschiffahrt auch auf kleinen
Flüssen hoch hinauf bis in das Quellgebiet betrieben hat, die heute gar nicht
mehr als schiffbar gelten. Im Rheingebiet wurden z. B. Aare, Reuß, Limmat,
Rezat (Nebenfluß der Regnitz) und Sieg befahren, im Wesergebiet die Oker
die obere Werra, die Hörsei (wie uns aus dem Jahre 947 berichtet wird) und
die obere Fulda. Im Donaugebiet wurde auf Hier, Altmühl, Inn und Salzach
Schiffahrt betrieben und wir erfahren, daß man beladene Schiffe den Inn auf-
wärts mit Ochsen bis nach Innsbruck schleppte. Aus dieser Befahrung der
kleinen Flüsse wird zuweilen der Schluß gezogen, daß sie damals wasser-
reicher waren oder daß die Höhenunterschiede zwischen Hochwasser und
Niedrigrwasser nicht so groß waren als heute. Dem kann nicht allgemein bei-
gepflichtet werden: Sehr trockene Jahre in Deutschland kennt schon Tacitus,
wenn er berichtet, daß im Jahre 70 n. Chr. wegen allgemeiner Trockenheit
kein Schiff mehr auf dem Niederrhein fahren konnte. Alte Klosterchroniken
melden ähnliches von dem Jahre 11 30. Die Schiffahrt auf den kleinen Flüssen
war vielmehr durch den Mangel an Landstraßen ') begründet und sie wird wahr-
scheinlich nur bei günstigen Wasserständen und mit sehr kleinen Fahrzeugen
ausgeübt worden sein.
Im Rheingebiet betrieben zuerst die Friesen seit dem 8. Jahrhundert
Handel und Schiffahrt bis Worms und Straßburg. Sie brachten Tuche und
Seeflsche und holten Wein. Ihr Hauptsitz war anfangs Duurstede an der
Abzweigung des Leck; sie ließen sich aber bald in den oberen Rheinstädten
nieder und werden in Worms im Jahre 808 erwähnt, 886 in Mainz, 893 in
Duisburg. Auch von kölnischen Schiffen wird schon im Jahre 830 berichtet.
Der vom Kaiser bestätigte Kölner Markt wurde seit 994 für andere Handel-
städte vorbildlich. Karl der Große nahm sich der Rhein- und Mainschiffahrt
ganz besonders an und machte im Jahre 793 sogar den Versuch, den Main
mit der Donau durch einen offenen Kanal von der Rezat zur Altmühl zu
verbinden.
Die Fahrstraße des Rheins war durch die Felsenstrecke von St. Goar
bis Bingen bei niedrigen Wasserständen ganz unterbrochen. Dann mußten
die Waren ausgeladen und auf diese Entfernung zu Lande weiter befördert
werden. Die ersten Leinpfade sollen zur Zeit der Merowingcr und Karo-
linger angelegft worden sein; bei Ingelheim wird im 12. Jahrhundert ein
Leinpfad erwähnt. Die Annahme, daß schon die Römer mit solchen Bauten
x) Deshalb gab es im Mittelalter auch nur wenige Brücken, die die Schiffahrt hätten be-
hindern können.
26 Abschnitt IL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
begonnen hätten, ist nicht erwiesen und scheint unwahrscheinlich. Von Speyer
aufwärts gab es weder einen künstlichen noch natürlichen Leinpfad mehr,
weil der wilde ungezügelte Strom dort zwischen Inseln und Kiesbänken oft
und schnell seinen Lauf veränderte. Auf dieser Strecke konnte deshalb nur
mit Menschen getreidelt werden, die nötigenfalls durch das Wasser wateten.
Auf der Mosel ist schon im 6. Jahrhundert ein lebhafter Verkehr mit Salz
zwischen Metz und Trier betrieben worden.
Im Wesergebiet soll Bremen schon im 11. Jahrhundert Handel mit
den Orten an der oberen Werra und Fulda getrieben haben. Wir erfahren,
daß diese Stadt 1226 mit den Friesen eine Vereinbarung zur gemeinsamen
Wahrung der Sicherheit der Schiffahrt traf. Die Fahrstraße der Weser war
seit dem 12. Jahrhundert durch den Stau von Hameln in ähnlicher Weise
unterbrochen, wie die des Rheins durch die Binger Felsenstrecke. Eine
weitere Sperre entstand in Münden, das 1246 weifisch wurde und seitdem in
seinem strengen Stapel- und Umladerecht gegen alle Anfeindungen aufs kräf-
tigste von den hannoverschen Fürsten geschützt wurde. Damit hörte der
durchgehende Verkehr zu der Werra und der Fulda für viele Jahrhunderte
auf. Das Fahrwasser war auf der Strecke zwischen Münden und Hameln
durch Baumstämme, Steine, Inseln, Felsen (Latferder Klippen) und auch durch
Fischwehre stark behindert, worüber schon im 8. und 9. Jahrhundert berichtet
wird. Auch auf Aller, Leine und Oker war im Mittelalter lebhafte Schiffahrt
und Braunschweig besonders im 13. Jahrhundert ein wichtiger Stapelplatz für
den Verkehr nach dem Osten. Die im 14. und 15. Jahrhundert gefahrlichen
Raubritter an der Weser wurden besonders von Bremen erfolgreich bekämpft.
Auf der Elbe muß schon im Jahre 806 Schiffahrt betrieben worden sein;
denn als Karl der Große zum Kriege gegen die Wenden zog, wurde sein
Heer durch eine groQe Zahl von Schiffen über den Strom befördert. Aus
einer Urkunde vom Jahre 1236 ersehen wir später, daß die Kaufleute aus
der Mark lebhaften Handel mit Hamburg getrieben haben, offenbar zu Wasser
auf Havel und Elbe. Von der Saale erfahren wir, daß im Jahre gSi die
Leiche des in Korbetha gestorbenen Erzbischofs Adalbert zu Schiff nach
Magdeburg gebracht wurde und daß im Jahre 1012 der kranke Bischof Tapinos
auf gleichem Wege von Merseburg nach Rothenburg befördert wurde. 1127
ließ Otto, Bischof von Bamberg und Apostel der Pommern die auf der Messe
in Halle gekauften Waren zu Wasser von dort auf Saale, Elbe imd Havel und
dann weiter über Land nach Pommern bringen. Wichtig war die Abfuhr von
Salz aus Halle und dem Kloster Neu werk (bei Trotha) wurde im Jahre 1152
das ausschließliche Recht dazu vom Erzbischof Wichmann zu Magdeburg ver-
liehen. Die Nachricht, daß im Jahre 1 366 die Schiffschleusen in der unteren
Saale durch Hochwasser und Eis so beschädigt wurden, daß die Schiffahrt
stockte, wird dahin zu berichtigen sein, daß es sich nicht um Kammer-
schleusen handelte sondern um Schiffdurchlässe bei den Mühlenstauen, wie
sie oben beschrieben worden sind.
2. Die Binnenschiffahrt im Mittelalter. 27
Vom Odergebiet sind die Klagen aus dem 13. Jahrhundert über die
vielen Mühlen- und Fischwehre in Schlesien schon erwähnt worden. In jenem
und im folgenden Jahrhundert bemühten sich die böhmischen Könige, die
Wehre zu beseitigen; aber die mehrfach erlassenen Anordnungen (z. B. im
Jahre 1337 bis 1349 und 1355) blieben erfolglos. Wichtig war auch auf der
Oder im Mittelalter die Beförderung von Salz. Wir erfahren, daß schon im
13. Jahrhundert die Leubuser SalzschifTer jährlich zweimal Salz aus den Nieder-
lagen in Guben und Lebus, wohin es über Land von Halle oder Lüneburg
kam, abholten und nach Breslau brachten. Die Schiffe sollen eine Tragfähig-
keit von etwa 10 t gehabt haben und auch zur Beförderung von Heringen*
aus Pommern benutzt worden sein.
Im Weichsel gebiet bestand zur Zeit des deutschen Ritterordens im
13. Jahrhimdert eine beträchtliche Schiffahrt sowohl auf dem Hauptstrome
wie auf Nogat und Drewenz. Namentlich nach der Gründung Thoms im
Jahre 1264 diente der Strom als große Handelstraße bis Danzig, nachdem
der Orden 1238 einen Vertrag über den Durchgangsverkehr mit Polen
geschlossen hatte. Es wird mitgeteilt, daß in Graudenz im Jahre 1327
mehrere Speicher am Strome errichtet waren, daß aber die Schiffahrt sehr
gefährdet war und durch Kriegschiffe beständig geschützt werden mußte.
Das Thomer Niederlagsrecht soll durch den Hochmeister im Jahre 1403
bestätigt worden sein; es wurde im Jahre 1537 durch den polnischen König
Sigismund wieder aufgehoben.
Die Drewenz ist zur Ordenszeit bis Osterode schiffbar gewesen und die
Anlage von Mühlen wurde deshalb in diesem Flusse 1436 verboten. Später
wurde unter der polnischen Herrschaft im Jahre 1527 die Erlaubnis zu einer
Mühle bei Leibitsch erteilt und damit der Schiffahrt ein Ende bereitet.
Auch aus dem Gebiet von Pregel und Memel liegen einige Nach-
richten aus dem Mittelalter vor. Wahrscheinlich ist im 14. Jahrhundert die
Deime (oder ein Teil von ihr) als künstliche Verbindung zwischen Pregel
und Kurischem Haffe angelegt worden und, um den Wasserverlust auszu-
gleichen, wurden bei Tapiau und Labiau Stauschleusen eingerichtet, die vom
15. Jahrhundert bis zum Jahre 1770 dort nachweislich bestanden haben. Da
die Fahrt vom Pregel durch die Deime über das stürmische Kurische Haff
zum Memelstrom gefährlich war, wie uns über einen dorthin im Jahre 1377
unternommenen Kreuzzug des Herzogs Albrecht berichtet wird'), so wurde
von den Ordensrittern in der Zeit von 141 4 bis 1422 der Versuch gemacht,
von Labiau aus einen Kanal nach der Gilge herzustellen. Aber dieser so-
genannte Ordensgraben wurde nur 6 km lang und endete im Sumpf.
Außer diesen beachtenswerten Arbeiten des Ritterordens und der oben
erwähnten Absicht Kaiser Karls des Großen ist über künstliche Wasser-
straßen in Deutschland bis zum Ende des Mittelalters wenig zu berichten.
l) Vgl. Gustav Freitag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit Bd. 2, 1.
28 Abschnitt II. Geschichtiicher Rückblick bis 1870.
Es sind zwar im 12. Jahrhundert im Mündungsgebiet des Rheins in den Nieder-
landen einzehie, ursprünglich für Ent- und Bewässerungszwecke angelegte
Kanäle zur Schiffahrt benutzt worden, und das mag auch an anderen Orten
geschehen sein; aber schleusenlose offene Kanäle zwischen verschiedenen
Flußgebieten lassen sich im allgemeinen nur dauernd erhalten, wenn die
damit verbundenen Wasserstraßen entweder einem sehr geringen Wasser-
standswechsel unterliegen oder ihre Wasserstandsänderungen ziemlich gleich-
zeitig erfahren, wie z. B. im Ebbe- und Flutgebiet. Andernfalls entstehen in
den Kanälen mehr oder weniger starke Strömungen, die die Sohle angreifen,
Austiefungen und Versandungen bewirken und sie allmählich zerstören. Das
werden auch die Ursachen gewesen sein, die den Verfall der Kanäle vom
Nil zum Roten Meer und von der Rhone zum Mittelmeer im Altertum herbei-
geführt haben. Von dem ägyptischen Kanal wird uns berichtet, daß er unter
Ptolemäus II Philadelphus mit Schleusen abgeschlossen worden sei und man
wird darunter vielleicht Abschlußbauten zu verstehen haben, die ähnlich wie
die oben beschriebenen Bauwerke in den Flutrinnen angeordnet gewesen sind.
Unter dem Namen Stauschleusen oder Fangschleusen sind solche Einrich-
tungen am Ende des Mittelalters wiederholt benutzt worden, um wasserarme
kleine Flüsse durch Aufstau schiffbar zu machen.
Die bedeutendste Anlage dieser Art ist die von Lübeck hergestellte
Stecknitzfahrt. Schon seit 1188 besaß die Stadt Hoheitsrechte über die
Trave und über die Stecknitz (Nebenfluß der Trave) bis hinauf nach dem
Möllner See, und wir erfahren, daß im Jahre 1335 in Lübeck besondere
Schiffe gebaut wurden, um von Mölln her das Lüneburger Salz auf der
Stecknitz nach dem Seehafen zu holen. Der Möllner See wurde durch eine
Stauschleuse (die »Oberschleuse«) abgeschlossen, die jedesmal, wenn sich
24 bis 30 mit Salz beladene Schiffe versammelt hatten, geöffnet wurde,
damit sie mit der so erzeugten Wasserwelle in dem sonst ziemlich seichten
Flusse bis Lübeck hinunter schwimmen konnten (Dienstvorschrift vom Jahre
1342). Da dieser Betrieb sich bewährte, beschlossen die Lübecker, den
Wasserweg bis zur Elbe bei Lauenburg zu verlängern, indem sie nach
Durchstechung des unbedeutenden Höhenrückens zwischen dem Möllner See
und der Delvenau (Nebenfluß der Elbe) auch diesen Fluß, der bereits durch
Mühlenwehre bei Buchen und Buchhorst aufgestaut war, durch Einbau
von Flutrinnen neben den Mühlen schiffbar machten. Diese Arbeiten wur-
den in der Zeit von 1391 bis 1398 ausgeführt. Zur Vergrößerung der
Fahrwassertiefe wurden außer den erwähnten 3 Staustufen noch 3 Stau-
schleusen in der Stecknitz und 5 in der Delvenau angelegt, die in späterer
Zeit, namentlich zum Abschluß der 8 km langen Scheitelhaltung noch ver-
mehrt werden mußten, so daß schließlich in der 94 km langen Wasserstraße
17 Staustufen vorhanden waren. Der Wasserspiegel der Scheitelhaltung lag
etwa 17 m über dem Spiegel der Trave und etwa 12 m über dem Mittel-
wasser der Elbe bei Lauenburg. Wenn die Abmessungen des hergestellten
2. Die BinnenschUTalirt im Mittelalter. 29
Grabens (7,5 m Breite und 0,85 m Wassertiefe) auch nur geringe waren,
müssen wir doch diesen ersten europäischen Scheitelkanal als ein
bedeutendes Kulturwerk anerkennen. Die Schiffe der allein zur Fahrt berech-
tigten Lübecker »Salzfiihrer- Vereinigung« hatten lo bis 12 m Länge, 3,5 m
Breite und bei 0,3 bis 0,4 m Tiefgang eine Tragfähigkeit von etwa 7,5 t.
Später wurden sie größer. Die Abmessungen wurden 1527 durch Verordnung
auf 19 m Länge, 3,24 m Bodenbreite, 0,86 m Bordhöhe und 0,41 bis 0,43 m
Tiefgang festgestellt, wobei sie eine Tragfähigkeit von etwa 12,5 t hatten.
Diese Verordnung blieb bis 1828 in Kraft.
Der Schiffahrtbetrieb war ähnlich wie auf der Stecknitz vor Erbauung
des Kanals. An jedem zweiten Tage (wöchentlich dreimal), dem sogenannten
Zapfeltage, wurde das angesammelte Stauwasser der Schleusen abgelassen
und auf dieser Welle, die das Flußbett etwa 0,80 m hoch anfüllte, fuhren die
Schiffe bis zur nächsten Schleuse. Die Talfahrt war nicht schwierig; aber
zur Bergfahrt waren 6 bis 8 »Leinenzieher« für jedes Schiff erforderlich. Die
Fahrt von Lübeck bis Lauenburg dauerte gewöhnlich 2 bis 3, zuweilen auch
5 Wochen. Trotz dieses mangelhaften Betriebs sollen in der Zeit der Blüte
der Kanalschiffahrt (etwa von 1500 bis 1550) jährlich im Durchschnitt allein
12400 1 Salz von Lauenburg nach Lübeck befördert worden sein. Auf der Elbe
durften die Lübecker nicht fahren; denn Lauenburg besaß das im Jahre 141 7
bestätigfte Umladerecht, das erst im Jahre 1844 aufgehoben worden ist.
Ähnliche Betriebseinrichtungen bestehen übrigens in mäßigem Umfange
noch heute auf der Traun und dienen gleichfalls der Salzschiffahrt.
In Frankreich hat sich die Binnenschiffahrt im Mittelalter ähnlich wie
in Deutschland entwickelt. Auch dort waren die Flußzölle das schlimmste
Hindernis. Obwohl die Einnahmen ursprünglich dem Könige zufallen sollten,
gelangten sie bald in die Hände der Grundherren, so daß es schließlich zur
rücksichtslosen Ausbeutung kam^). Die französischen Könige bemühten sich
vergeblich, diesen Mißbrauch abzuschaffen. Kaufleute und Schiffer griffen
später zur Selbsthilfe, indem sie auf den größeren natürlichen Wasserstraßen
Vereinigungen bildeten, um gemeinsamen Widerstand zu leisten. Gleichzeitig
ordneten sie auch den Verkehr und Handel einheitlich und dadurch entstanden
Zustände, die dem deutschen Zunftwesen sehr ähnlich waren. Solche Vereini-
gungen bestanden im 14. Jahrhundert für die Seine, Loire, Garonne, Rhone, Mosel
und Somme. Sie sorgten durch Forträumung von Hindernissen für die Ver-
besserung des Fahrwassers und erhielten dafür die Befugnis, zur Deckung der
Unkosten imter ihren Mitgliedern Abgaben zu erheben. Obwohl sie von der
Regierung unterstützt wurden »in dem gerechten Widerstand wider die An-
maßungen der Uferherren«, nahmen die Flußzölle dennoch in erschreckendem
Maße zu: auf der Loire bestanden im Jahre 1662 28 Zollstellen, so daß die
Waren von Paris nach Nantes zuweilen den Landweg vorzogen. In dieser
i) Schumacher, Die finanzielle Entwicklung der französischen Wasserstraßen. Archiv
für Ebenbahnwesen 1899.
30 Abschnitt H. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Zeit gelang es dem Minister Colbert, den größten Teil der Zölle sowie die
allmählich immer mehr den freien Handel beschränkenden Schiffergilden ab-
zuschaffen. Endgültig räumte erst die Revolution 1793 mit diesen Zu-
ständen auf.
Trotz der oben erwähnten kleinen Verbesserungen durch die Schiffer-
gilden befand sich das Fahrwasser der Ströme in sehr verwildertem Zustande.
Aber man fing gegen Ende des Mittelalters an, kleinere Flüsse durch Auf-
stau in ähnlicher Weise wie die Stecknitz schiffbar zu machen. So sind z. B.
in der Yonne (Nebenfluß der Seine) und im Lot (Nebenfluß der Garonne)
Stauschleusen erbaut worden. Der letztere Fluß besaß auf 272 km Länge
71 Wehre.
In England wurde zuerst im Jahre 1215 in der »Magna Charta« be-
stimmt, daß die Schiffahrt auf allen Flüssen frei von Zöllen sein sollte.
Besonders während der Zeit der Regierung der drei ersten Eduards, von
1283 bis 1377, blühten der Handel, die Städte und die Binnenschiffahrt auf.
Im 14. Jahrhundert erwiesen sich auch dort die Mühlen als sehr hinderlich
und im Jahre 1351 wurde darum ein Gesetz erlassen, daß sie ohne Ent-
schädigung aus allen Flüssen entfernt werden mußten. In dem Eifer, die
natürlichen Wasserstraßen für den Verkehr frei zu machen, wollte man auch
alle Brücken, selbst die erste im Jahre 11 76 in Stein erbaute Londoner
Themsebrücke, beseitigen; aber dazu kam es nicht. In den Jahren 1371 und
1423 wurden noch weitere Gesetze zum Schutz der Binnenschiffahrt erlassen
und man setzte zur Beaufsichtigung der Themse und anderer Gewässer
besondere Behörden ein*).
Von Oberitalien ist bekannt, daß der Po in alten Zeiten eine belebte
Schiffahrtstraße war und besonders der Personenbeförderung diente. Auch
seine Nebenflüsse sowie die Etsch und andere Küstenflüsse wurden befahren.
Nach der Völkerwanderung erwachte wie in Deutschland der Verkehr mit
dem Emporblühen der großen Städte, namentlich Mailands und die Verbin-
dung dieser Stadt einerseits mit dem Tessin und andrerseits mit dem Po
durch künstliche Wasserstraßen wurde frühzeitig ins Auge gefaßt. Der erste
Kanal, von dem wir dort hören (1177), war der sogenannte Ticinello (der
kleine Tessin), der bei Tornavento aus dem Tessin abzweigte und bei Abbiate-
grasso in das Flüßchen Olona, einen Nebenfluß des Po, mündete. Er hat
zuerst nur zu Bewässerungszwecken gedient. Die Mailänder machten ihn im
Jahre 1257 schiffljar und bauten von Abbiategrasso einen Kanal nach der
Stadt, der im Süden derselben bei dem noch heute dort bestehenden Hafen
(Darsena di Porta Ticinese) endigte. Sie erhielten so eine Wasserstraße durch
den Tessin nach dem Langen See (Lago maggiore), die den damaligen be-
scheidenen Ansprüchen genügte. Der in späterer Zeit verbesserte Kanal er-
hielt für die ganze Länge (etwa 50 km) von Tornavento am Tessin über
i) V. Weber, Studie über die Wasserstraßen Englands. Berlin, 1880.
3* Von der Kammerschleuse bb zum Dampfschiff.
31
Abbiategrasso bis Mailand den Namen »Naviglio grande« und war anfangs
offen, d. h. ohne Schleusen angelegt. Während des Mittelalters hat sich auf
ihm ein beträchtlicher Verkehr bewegt. (Vgl. die kleine Karte, Abb. 4)').
Im Jahre 1359 soll Gale- _._.
azzo Visconti einen Kanal von 1^
Mailand in südlicher Rich-
tung nach Pavia und dem Po
gebaut haben; es wird aber
berichtet, daß dieser wegen
zu starken Gefälles nicht be-
nutzbar gewesen ist. Wahr-
scheinlich ist er aus diesem
Grunde bald wieder ver-
fallen.
Im Gebiete des mittleren
und unteren Polaufs sollen
gleichfalls schon im 11. und
12. Jahrhundert einige Kanäle
entstanden sein, die auch zur
Bewässerung und zur Vorfiut
gedient haben. Erwähnens-
wert ist im Mittellauf der
kleine Kanal von Ostiglia, der
den Po mit dem Flusse Tar-
taro verbindet und schon im
1 1. Jahrhundert genannt wird. ^^^ ^ Oberitalienische Wasserstraßen bei Mailand.
3. Die Binnenschiffahrt von der Erfindung der Kammer-
schleuse bis zur Erfindung des Dampfschiffs.
Die Erfindung der Kammerschleuse fallt zeitlich nahe zusammen mit der
Entdeckung Amerikas (1492) und des Seewegs nach Ostindien (1498). Diese
beiden Ereignisse bewirkten in dem europäischen Handel einen gewaltigen
Umschwung: Venedig und der Mittelmeerhandel verloren allmählich ihre Be-
deutung, die Seeschiffahrt entwickelte sich schnell auf den großen Weltmeeren,
Portugal, Spanien und Holland traten in die Reihe der Seehandel treibenden
Völker ein und die niederländischen Seehäfen wurden fiir Mitteleuropa die
wichtigsten Handelsplätze. Für Deutschland bekamen Hamburg und Bremen
größere Bedeutung.
In diesem Zeitalter wuchs die Macht der einzelnen Landesherren und
namentlich in Deutschland entstanden kraftvolle Staaten, während die Selb-
i) H. Keller, Der zehnte interoat. Schiffl-Kongreß in Mailand. Zentralblatt der Bauver-
-waltnng 1905, S. 527.
32 Abschnitt H. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
ständigkeit und die Bedeutung der Städte allmählich zurückging. Hervor-
ragende Fürsten gelangten zur Überzeugung, daß der Wohlstand ihrer Länder
nur durch Hebung von Handel und Gewerbe vermehrt werden könnte, und
bemühten sich darum, die Binnenschiffahrt, die noch immer das vorzüglichste
Verkehrsmittel war, durch Herstellung neuer Wasserstraßen und durch Be-
seitigung der vielen Verkehrshindernisse zu fördern. In diesen Ländern ging
die Pflege der Binnenschiflahrt von den Städten immer mehr auf die Staats-
regierungen über.
Vor der Erfindung der Kammerschleusen konnte man keine Kanäle über
erhebliche Wasserscheiden fuhren, um die verschiedenen Stromgebiete mit-
einander zu verbinden. Wie man die Mühlenstaue in den Flüssen mittels
Schiffdurchlässen und Stauschleusen zu überwinden lernte, ist schon be-
schrieben.
In den alten chinesischen Kanälen beförderte man die Schiffe trocken auf geneigten
Ebenen und Rollbahnen mittels einer Winde über die Trennnngsmauem zwischen den Kuial-
haltungen. In Schweden zog man an geeigneten Stellen die Schiffe einfach über das Land,
um von einem See in einen anderen zu gelangen. Diesen Übergangstellen wurde schon im
Jahre 1370 eine gewisse Bedeutung beigemessen. In Flandern wird im 14. Jahrhundert über
hölzerne geneigte Ebenen »Overdracks« berichtet, die zwischen Bewässerungskanälen mit ver-
schiedenen Wasserständen angelegt wurden, um die Kähne hinüberzubringen, und ähnliche Ein-
richtungen bestehen für kleine Fischerboote noch heute in der norddeutschen Tiefebene^}.
Vittorio Zonca beschreibt in seinem 1656 erschienenen Buche >Theatro dl Macchinec ver-
schiedene Arten von solchen schiefen Ebenen, auf denen die Schiffe mittels Walzen, mittels
Rollen oder mittels Schlitten, die auf kleinen Rädern laufen, befördert wurden. Er erwähnt be-
sonders die Anlage von Lizzafusina in der Brentamündung nahe bei Venedig, wo die Aufzugs-
kraft entweder durch eine Wassermühle oder durch Pferde geliefert wurde, die an Göpelwerken
oder Flaschenzügen wirkten 2). Das waren aber mangelhafte, unbequeme und ungenügende Ein-
richtungen.
Es liegt kein Grund vor, den Italienern den Ruhm zu bestreiten, die
Kammerschleuse erfunden und dadurch der BinnenschifTahrt den Weg zu
weiterer, glänzender Entwicklung bereitet zu haben. Wir hatten schon oben
berichtet, daß der Naviglio grande im Süden der Stadt Mailand endigte. Dort
war er mit der älteren Fossa interna (Stadt- oder Festungsgraben) in Verbin-
dung, der gleichfalls zum Schiffverkehr innerhalb der Stadt diente, dessen
Wasserspiegel jedoch um etwa 2 m höher lag. Um das beschwerliche Um-
laden der Güter (namentlich auch der Bausteine fiir den 1386 begonnenen
Dombau) zu vermeiden, führte man einen Betrieb mit zwei Stauschleusen ein,
wie wir sie früher beschrieben haben. Das war umständlich und lästig, gab
aber die Veranlassung zur Erfindung der Kammerschleuse. Nach italienischen
Quellen sollen es Philipp degli Organi aus Modena und Fioravante aus
Bologna gewesen sein, die in den Jahren 1438 und 1439 an der Via Arena
die erste Kammerschleuse bauten, durch die der Naviglio grande mit dem
i) F. B. de Mas gibt in seinem Werke Canauz (Cours de navigation int6rieure, Paris
1904) alte Zeichnungen von Overdracks am Flusse Ypres bei Nleuport (S. 210).
2) Im Deutschen Museum in München befinden sich gute Abbildungen. Vgl. auch Th. Beck,
BeitrSge zur Geschichte des Maschinenbaues und die Arbeit von Klehmet.
3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 33
erweiterten etwa 5,3 km langen Stadtkanal (Fossa interna) in Verbindung ge-
setzt wurde.
Als dies Werk gelungen war, wurde der Stadtkanal sofort durch noch
weitere Schleusen von 22 m Länge und 5,2 m Breite aufgestaut. Im Jahre
1457 wurde darauf der Kanal von Abbiategrasso bis Bereguardo am Tessin
begonnen (Naviglio di Bereguardo), durch den im Anschluß an den Naviglio
grande die Stadt Mailand mit Pavia verbunden wurde. Er wurde mit 1 2 Kammer-
schleusen versehen und im Jahre 1470 fertig gestellt. (Vgl. die Karte auf S. 31.)
Um Mailand in nordöstlicher Richtung mit der Adda und dem Comersee
zu verbinden, wurde gleichzeitig im Jahre 1457 der Bau des Martesanakanals
angefangen, der im Norden der Stadt bei dem heutigen kleinen Kanalhafen
(Tombone di S. Marco) beginnt und nach Trezzo an der Adda fuhrt. Er ist
nur mit einer Kammerschleuse ausgerüstet und hat sonst natürliches Gefälle.
Im Jahre 1500 war er fertiggestellt. Es zeigte sich aber bald, daß der obere
Lauf der Adda wegen der Stromschnellen bei Paderno für die Schiffahrt un-
geeignet war und es wurde deshalb im Jahre 1538 der 3,5 km lange Paderno-
kanal mit 7 Kammerschleusen zur Umgehung dieser Schwierigkeiten in An-
griff genommen, aber wegen politischer Verhältnisse erst im Jahre 1787
fertig gestellt.
Bald nach dem Bau des Bereguardokanals soll auch der inzwischen ver-
fallene Kanal von Pavia wieder hergestellt und mit Kammerschleusen ver-
sehen worden sein; aber auch diese zweite Anlage ist im Laufe des 16. Jahr-
hunderts verfallen. Der heute bestehende Kanal ist erst von Napoleon im
Jahre 1805 angeregt und von der österreichischen Regierung im Jahre 18 19
vollendet worden. Er ist 33,1 km lang, i m tief und hat 14 Kammerschleusen
von 30 m Länge und 5 m Breite. Man erkennt aus diesen Mitteilungen, daß
infolge der Erfindung der Kammerschleuse in der Lombardei schon am Ende
des 15. Jahrhunderts ein für damalige Verhältnisse ausreichendes Netz von
Wasserstraßen geschaffen war. (Alle diese lombardischen Kanäle haben bis
jetzt im allgemeinen nur eine Wassertiefe von 0,8 bis 1,0 m sowie Schleusen-
abmessungen von 30 bis 37 m Länge und 5 bis 6,1 m Breite.)
Die erste ausfuhrliche Beschreibung der Kammerschleuse ist in dem
Buche »de re aedificatoria« von Leone Battiste Alberti enthalten, das etwa
um 1450 geschrieben worden ist.
Ostdeutschland.
Wann die Kammerschleusen in Deutschland bekannt geworden sind,
läßt sich mit Bestimmtheit nicht angeben. Gelegentlich einer Verbesserung
des Stecknitzkanals werden schon im Jahre 1480 in einem gewissen Ge-
gensatz zu den dort üblichen Stauschleusen drei »Kistenschleusen« erwähnt
und es kann in Frage kommen, ob diese etwa Kammerschleusen gewesen
sind. Unmöglich wäre es nicht; denn bei den ausgedehnten Handelsbe-
ziehungen der Hansestädte ist es nicht ausgeschlossen, daß die Lübecker
schon frühzeitig von der italienischen Erfindung Kenntnis bekommen haben.
Teubert, Binnenschiffahrt. ^2
34 Abschnitt H. GeschichÜicher Rückblick bb 1870.
Im Jahre 1530 sollen in der Bille bei Bergedorf an der unteren Elbe
Schleusen gebaut sein; aber es ist nicht erwiesen, ob dies Stauschleusen
oder Kammerschleusen gewesen sind. Sicher ist, daß man namentlich in
Ostdeutschland sich im Anfange des 16. Jahrhunderts vielfach mit Kanalent-
würfen beschäftigte. Es wird berichtet, daß der Graf von Holstein in den
Jahren 1525 bis 1531 in Gemeinschaft mit Hamburg und Lübeck einen Kanal
von Hamburg durch die Alster, Beste und Trave nach Lübeck führen wollte.
Aus diesem Plane ist nichts geworden. Bei anderen ausgeführten Unter-
nehmungen jener Zeit sind zuweilen noch Stauschleusen angewendet worden,
namentlich in Mecklenburg.
Im Wettbewerb mit dem Lübecker Stecknitzkanal wollte die Stadt Lüne-
burg die Sude (Nebenfluß der Elbe auf dem rechten Ufer) und die Schaale
bis zum Schaalsee schiffbar machen, von wo ein Kanal nach Wismar geführt
werden sollte, so daß das Lüneburger Salz auf dem Binnenwasserwege dort-
hin gelangen konnte. Die Genehmigung wurde im Jahre 1430 erteilt, der Bau
von der Elbe bis zum Schaalsee aber erst in den Jahren 1550 bis 1560 mit
15 Stauschleusen ausgeführt. Weil der Anschlußkanal nach Wismar nicht
hergestellt wurde, sind die Arbeiten zwecklos geblieben '). Von den mecklen-
burgischen Herzögen wird berichtet, daß sie seit dem Jahre 1480 mit dem
Kurfürsten von Brandenburg wegen der Schiffbarmachung der Eide ver-
handelt haben, deren Unterlauf in der Mark gelegen ist. Sie wollten durch
die Eide eine Wasserstraße zum Schweriner See schaffen und diesen durch
einen Kanal mit Wismar verbinden. Da der Kurfürst sich nicht geneigt
zeigte, gingen die Mecklenburger im Jahre 1560 allein ans Werk, gruben für
die Eide von Dömitz aufwärts ein neues Bett, »die neue Eide« (1572 voll-
endet), und bauten die Stauschleusen Dömitz, Neu-Kaliß, Findenwirunshier
und Eldena. Diese Arbeiten wurden 1582 fertig. Dann wurde der Kanal
nach Wismar in Angriff genommen und hier sind nachweislich Kammer-
schleusen gebaut, deren Entwürfe von dem Mathematiker Tilemann Stella
aus Siegen erhalten sind^). Der Kanal wurde wahrscheinlich niemals ganz
fertig; denn wir erfahren, daß er im Jahre 1597 aufgegeben wurde. Auch
die Eidewasserstraße hatte keinen großen Erfolg.
In der Mark Brandenburg wurden um die Mitte des 16. Jahrhunderts
an Stelle der Flutrinnen bei den Mühlenstauen fast überall Kammerschleusen
gebaut: Zuerst wohl die noch heute bestehende Brandenburger Stadtschleuse,
die von 1548 bis 1550 aus Holz hergestellt wurde, das der Kurfürst hergab.
Wahrscheinlich wurde gleichzeitig die Rathenower Stadtschleuse begonnen
und im Jahre 1559 fertig. Die Spandauer Schleuse wird zuerst im Jahre 1572
erwähnt und hier liegt kein Zweifel vor, daß es wirklich eine Kammerschleuse
war; denn sie wird sehr bezeichnend »Zwiepaßc genannt. Im Jahre 1578
wurde dann die Schleuse in Berlin und 1588 die in Fürsten walde gebaut.
i) Stuhr, Der Elbe-Ostseekanal zwischen Dömitz und Wismar. Schwerin 1899.
2) Vgl. Klehmet.
T^itrt, Bimuntchiffahrt
Die Märkischen
k/assersfraßen .
Veila^ von Wi&tdi
za S. 35
nLdptif
3- Von der Kammerschleuse bb zum Dampfschifif. 36
Daneben kamen noch zuweilen Stauschleusen zur Ausfuhrung: Zur Schiff-
barmachung der Rüdersdorfer Gewässer (wegen des Kalks) wurde z. B. im
Jahre 1550 bei Woltersdorf ein Stau errichtet, der, zunächst mit einer Stau-
schleuse ausgerüstet, erst 100 Jahre später eine Kammerschleuse bekam
(1640). Auch bei dem ersten Ausbau der Notte im Jahre 1568 sind viel-
leicht Stauschleusen angewendet worden.
Die in dieser Zeit an der Saale (S. 26) gebauten Schleusen sind wahr-
scheinlich schon Kammerschleusen gewesen; denn es wird uns berichtet, daß
im Jahre 1559 auf der Moritzburg in Halle zwischen dem Kurfürsten Sigis-
mund und dem Fürsten von Anhalt vereinbart wurde, daß die Schleusen
»ewig bleiben und erhalten werden sollen«. Im Jahre 1560 wurde die
Schleuse bei Bemburg, 1564 die bei Kalbe erbaut imd die Schleuse bei
Aisleben soll damals auch schon bestanden haben.
Für die Entwicklung der Binnenschiffahrt und des Handels in Ostdeutsch-
land waren in diesem Zeitraum die Verhältnisse an der Elbe und der Oder
und ihre Hafenplätze Hamburg und Stettin von Bedeutung, sowie das Auf-
blühen von zwei Staaten, die von zielbewußten Herrscherfamilien geleitet
wurden: im Süden Böhmen mit Schlesien imd der Lausitz (seit 1355 ver-
einigt} und im Norden die Mark Brandenburg. Für beide Staaten waren die
beiden Ströme die wichtigsten Handelstraßen.
Als 141 5 die Hohenzollern in die Mark kamen, waren Berlin, Bran-
denburg und Frankfurt schon ziemlich bedeutende, mächtige und selbständige
Handelstädte. Berlin") trieb Handel mit Hamburg, Stettin, Magdeburg und
Frankfurt. Nach Hamburg, wo schon seit 12 13 den märkischen Kaufleuten
vom Senat der Handel erlaubt war, hatte es die Wasserstraße der Havel und
Elbe; nach Stettin ging der Verkehr zunächst über Land bis Oderberg,
wo den Berliner und KöUner Kaufleuten im Jahre 13 17 besondere Ver-
kehrserleichterungen beim Übergang auf die Oder verliehen waren; nach
Magdeburg wurde die Wasserstraße die Havel abwärts bis Flaue und dann
der Landweg benutzt; nach Frankfurt gingen die Waren die Spree aufwärts
bis Fürstenwalde und dann über Land.
Durch die hohenzoUernschen Kurfürsten wurde die Macht imd die
Selbständigkeit der Städte beseitigt. Sie mußten aus dem Hansebund aus-
scheiden und verloren viele Rechte, vorübergehend selbst das Stapelrecht.
Für Berlin und Brandenburg war durch das Ausscheiden aus dem Bunde
der Hamburger Markt verschlossen und ihr Handel wandte sich mehr nach
Stettin, das damals einen lebhaften Verkehr mit Rußland imd den nordischen
Ländern hatte. Der Kurfürst Joachim II. (1535 bis 1571) begünstigte den
Handel nach der Oder und nach Stettin, zumal er mit den pommerschen
Fürsten in freundschaftlichen Beziehungen stand; und ließ im Jahre 1540
sogar einen Entwurf zu einem Kanal von der Havel bei Liebenwalde durch
i) Zuerst urkundlich nebst Kölln 1238 und 1244 er^vähnt, war damals schon Sitz eines
Probstes, also ein Ort von einem gewissen Umfang.
3*
36 Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
die Finow nach Oderberg aufstellen. Aus dem Entwürfe ist damals nichts
geworden, wenngleich dieser Kurfürst sonst viel für die märkischen Wasser-
straßen getan hat und besonders die Rüdersdorfer Gewässer (des Kalks wegen)
und die Notte (des Sperenberger Gipses wegen) schiffbar machte, wie oben
bereits erwähnt wurde.
Im Süden hatte schon Kaiser Karl IV. (1346 bis 1378) als König von Böhmen
und Herzog von Schlesien und der Lausitz sich mit großen Entwürfen zu
neuen Wasserstraßen beschäftigt, um den Wohlstand in seinen Ländern zu
heben. Er wollte die Donau mit der Moldau verbinden und Elbe und Oder
sollten die Haupthandelswege seines Staats zum Meere bilden. Aber damals
war die Zeit dazu noch nicht reif Erst im 16. Jahrhundert kam man zur
klaren Erkenntnis des wirtschaftlichen Werts der Wasserstraßen.
Kaiser Ferdinand I. (1556 bis 1564) nahm als König von Böhmen nach
200 Jahren diese Gedanken in gewissem Umfange wieder auf Unter seiner
Regierung wurde in den Jahren 1548 bis 1550 die Moldau von Budweis bis
Prag für kleine Schiffe zugänglich gemacht, indem man die Mühlenwehre mit
Schiffdurchlässen versah. Diese Straße war für die Beförderung von Salz
aus dem Salzkammergut nach Böhmen von besonderer Wichtigkeit.
Ferdinand erstrebte auch eine möglichst gute Verbindung der österreichi-
schen Erblande, Böhmen und Schlesien mit den gleichfalls habsburgischen
Niederlanden, deren Handelstädte seit Anfang des 16. Jahrhunderts den
europäischen Markt beherrschten. Die Handelstraße von den Niederlanden
und Westeuropa nach dem Osten Deutschlands, wo im Binnenlande Breslau
und Frankfurt a. O. die Hauptstapelplätze für den weiteren Verkehr mit Polen
und Rußland waren, ging damals über Frankfurt a. M. und besonders über
Leipzig. Breslau und Frankfurt a. O. hatten aber den Wunsch, sich von
Leipzig frei zu machen und namentlich, nachdem Hamburg zu einem wichti-
gen Hafen geworden war, diesen mit Umgehung Leipzigs zu erreichen. Der
Hafen von Stettin lag zwar näher; aber seit diese Stadt 1467 das Stapelrecht
erhalten hatte, wodurch jedem Fremden die Durchfahrt durch den Stettiner
Baum verboten wurde, ging die Schiffahrt zwischen Frankfurt und Stettin
zurück und die Frankfurter wie die Breslauer beförderten lieber ihre Waren
über Land. Die Schiffahrt auf der Oder war außerdem im 1 6, Jahrhundert
so sehr durch Wehre, Zölle u. dgl. behindert und erschwert, daß die etwas
verbesserten Landstraßen in einzelnen Fällen, namentlich um drückende Zölle
und Stapelrechte zu umgehen, vorgezogen wurden. Anfangs des 16. Jahr-
hunderts gingen so von Breslau fast alle nach Hamburg bestimmten Waren
zu Lande über Frankfurt nach Fürstenwalde und von dort auf der Spree zu
Wasser weiter. Umgekehrt wurden die aus den Niederlanden oder aus Eng-
land über Hamburg zu Wasser ankommenden Waren in Fürsten walde aus-
geladen und von dort zu Lande nach Frankfurt und Breslau geschafft. Ferdi-
nand versprach 1527 den Breslauem, die Oder wieder zu » öffnen c (wie man
damals sagte) und schloß auch 1529 und 1555 mit dem Kurfürsten Joachim 11.
3. Von der Kaminerschleuse bis zum Dampfschiff. 37
von Brandenburg entsprechende Verträge. Bis dahin war z. B. die Schiffahrt
zwischen Frankfurt und Krossen nur allein den Frankfurtern erlaubt. Nunmehr
wurde wenigstens die Beförderung von Boisalz von Stettin bis Breslau zuge-
lassen und damit ein Anfang fiir die Wiederbelebung der Schiffahrt gemacht.
Ferdinand sorgte später (1561) auch für die Öffnung der Wehre, von denen
damals allein zwischen Krossen und Breslau 14 vorhanden waren.
Die Anregung zu dem ersten deutschen Scheitelkanal mit Kammer-
schleusen, dem Friedrich -Wilhelm-Kanaly der die Oder mit der Spree
verband, ist von Ferdinand I. ausgegangen, um den schlesischen Handel nach
Hamburg zu leiten"). Er scheint diesen Plan zuerst im Jahre 1548 in Augs-
burg mit dem Kurfürsten Joachim IL besprochen zu haben. Nachdem ihre
Räte 1556 die Ortlichkeit bei Frankfurt untersucht und die Verbindung der
Schlaube mit dem Wergensee (Spree) als die passende Stelle befunden hatten,
kam es 1558 in Müllrose zum Abschluß des betreffenden Vertrags. Der Kaiser
übernahm die Ausführung des kostspieligeren Teils vom Wergensee bis Müll-
rose und der Kurfürst die Arbeiten im Schlaubetal bis zur Oder bei Brieskow.
Der Bau wurde sofort begonnen und von kaiserlicher Seite kräftig gefördert
(»Kaisergraben«). Die Arbeiten des Kurfürsten gingen aber langsam vor-
wärts, zum Teil aus Geldmangel, zum Teil wegen fehlenden Eifers. Nament-
lich nach dem Tode Ferdinands (1564) kamen im Jahre 1567 die Arbeiten
zum Stillstand.
Für Brandenburg waren die Vorteile dieses Kanals damals nicht groß
genug, zumal der Kurfürst eine andere Handelspolitik befolgte und, wie oben
erwähnt wurde, den Handel seines Landes mit Stettin begünstigte. Unter
seinem Nachfolger wurde der Handelsweg von Berlin nach Frankfurt dadurch
verbessert, daß oberhalb Fürstenwalde nach Erbauung der dortigen Schleuse
die Spree durch einen kurzen Kanal mit dem Kersdorfer See verbunden wurde.
An dem See legten die Frankfurter eine Niederlage an und der Landweg von
dort bis Frankfurt betrug nur noch etwa 23 km, während von Fürstenwalde
früher etwa 38 km zurückzulegen waren.
So ruhte der Kanalbau fast 100 Jahre lang, bis Friedrich Wilhelm,
der große Kurfürst, nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges wieder an
die Arbeit ging. Unterdessen hatten sich die Handels- und Verkehrsverhält-
nisse verändert und besonders die inzwischen entwickelte Elbeschiffahrt
drängte den Kurfürsten zur Herstellung des Kanals.
Seit 1540 hatten sich die Brandenburgischen Kurfürsten gemeinschaftlich
mit den Kaisern Ferdinand I. und Maximilian IL (wegen Böhmens) bemüht,
die Elbeschiffahrt von den lästigen Fesseln der übermäßigen Zölle, Stapel- und
Umladerechte zu befreien oder diese doch zu erleichtern. Aber Lüneburg "*)
leistete hartnäckigen Widerstand, und als die Hamburger eigenmächtig selbst
bis Magdeburg vordrangen, erhöhte Lüneburg seine ElbzöUe in Bleckede und
i) Toeche-Mittler, Der Friedrich -Wilhelm-Kanal. Leipzig 1891.
2) Vgl. die Fußnote auf S. 16.
38 Abschnitt ü. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Schnackenburg und ließ die Schiffe zuweilen gewaltsam anhalten, ausladen
und die Waren nach Lüneburg bringen. Schließlich griff die kaiserliche Gewalt
ein und die Schiffahrt wurde 1574 fiir frei erklärt. Abwärts von Magdeburg
war sie es hinfort auch in Wirklichkeit und die Bedeutui^ dieser Stadt nahm
dadurch namentlich für den Handelsverkehr nach dem Osten zu : schlesische
und polnische Waren gingen hinfort oft über Land nach Magdeburg, ohne die
Mark zu berühren.
Oberhalb Magdeburg war Dresden seit 1443 im Besitz des Stapelrechts.
Der Handelsverkehr zwischen Dresden und Hamburg nahm allmählich zu und
während des dreißigjährigen Krieges durchfuhren sächsische Schiffer sogar
Magdeburg, ohne dessen Stapelrecht zu achten. Im Jahre 1666 fiel diese
Stadt an den Kurfürsten von Brandenburg, der alle ihre Vorrechte und be-
sonders auch das Stapelrecht bestätigte. Trotzdem entwickelte sich der un-
mittelbare Schiffsverkehr zwischen Dresden und Hamburg mehr und mehr
und ein Teil des schlesischen und polnischen Handels bevorzugte darum
den Weg über Dresden, indem der alte Weg durch die Mark Brandenburg
aufgegeben wurde.
Der Kurfürst erkannte, daß nach Herstellung des Kanals zwischen Spree
und Oder dieser Handel voraussichtlich wieder vollständig durch sein Land
und über Berlin geleitet werden könnte, um so mehr als inzwischen auch
die Schiffahrtverhältnisse auf der Oder sich seit jenem ersten versuchten Kanal-
bau wesentlich verbessert hatten. Nach dem oben erwähnten Vertrage von
1555? der 1567 und 1585 erneuert war, hatte der Verkehr zwischen Breslau
und Frankfurt wenigstens zum Teil den unnatürlichen Landweg verlassen
und war auf den Strom übergegangen. Auch die Fahrten von Stettin nach
Breslau nahmen zu. Dazu kam, daß Ferdinand II. sich bei dem Branden-
burgischen Kurfürsten sehr um die Freigebung des Stromes für die Bres-
lauer Schiffer bemüht und trotz des Widerstandes der Stadt Frankfurt, die
sich in ihrem Stapelrecht bedroht sah, auch erreicht hatte, daß im Jahre
1628 die bedingte und im Jahre 1657 die unbedingte Freiheit des Stromes
auf je 10 Jahre bewilligt wurde. Infolgedessen war um die Mitte des
17. Jahrhunderts der Schiffahrtverkehr zwischen Frankfurt und Breslau schon
recht bedeutend und die im Jahre 1648 von der Stadt Breslau an den
Kurfürsten gerichtete Bitte um Herstellung des fraglichen Kanals wohl be-
gründet.
Schließlich veranlaßte die Erbitterung gegen die Schweden und die Ab-
neigung gegen die von jenen besetzte Stadt Stettin den Kurfürsten, mit dem
Bau vorzugehen. Im Jahre 1653 wurde der Entwurf aufgestellt und 1662
unter Leitung des italienischen Ingenieurs und Kammerjunkers Philippe de
Chiese mit den Erdarbeiten begonnen. Die Herstellung von 10 Schleusen
und 6 Brücken wurde an den holländischen Schiff- und Mühlenbaumeister
Michael Schmidts für 90000 Mark verdungen, der kurz vorher (1657) die neue
Schleuse in Berlin gebaut hatte.
3. Von der Kunmcrschleuse bis zum Dunpfichtff. 39
(Nachstehend ist in Abb. 5 diese Schleuse dargestellt Man erkennt dar-
auf auch die Formen der damaligen Schiffe").
Im Herbst 1668 war der Kanalbau nahezu beendet und der erste Berater
des Kurfürsten bei diesem Unternehmen, Michael Matthias, setzte sich mit
einigen Hamburger und Breslauer Kaufleuten wegen der Einführung der Schiff-
fahrt in Verbindung. Da an 8 bis 10 Stellen der Oder unterhalb Breslau
die Matätschenrinnen in den Wehren nur eine Weite von 2,5 bis 3,5 m hätten
und die breiten Hamburger Schiffe diese mithin nicht durchfahren könnten,
erklärten sie es für zweckmäßig, wenn sowohl die Breslauer wie die Ham-
burger SchifTe nur bis Berlin gingen und dort umgeladen würden, wozu am
Friedrichs -Werder besondere Räumlichkeiten angelegt werden sollten, was
1699 geschah (Packhof). Am 27. Februar 1669 fuhren die ersten 5 Oder-
kähne von Breslau ab und gelangten am 1 2. März nach Berlin.
Abb. 5. Die 1657 in Berlin gebaute Schleuse (nach einem alten Rüde.)
Der vom Wergensee (Spree) bis MiUlrose gegrabene Fried rieh- Wilhelm-Kanal folgte
von da aus im allgemeinen dem Schlau beflusse und mündete in den Brleakower See, eine etwa
3 km lange Seitenbucht der Oder. Die ganze Llnge betrug etwa 14 km. Ursprünglich iraren
13 Kammerschleusen und aul^erdem i Stauscbleusen aus Holz errichtet worden, mit denen die
6,S km lange Scheitelbaltung beiderseits abgeschlossen war. Auf die Sprcctreppe entüelen 2 und
«nf die Odertreppe 11 Kamme schleusen. Am Anfang des 18. Jahrhunderts, als man 5 Schleusen
in Stein umbaute, wurden in der Spreetreppe i Kammerschleuse [die Ruschscbleusc oder Feitzische
Schleuse}, Femer die beiden Stiuschleusen und in der Odertreppe 3 Kammerschleusen (bei Weißen-
berg, Wusterow und Hammer) beseitigt, wobei die Scheiteihaltung etwa 3 m liefer gelegt und
rund 10 km lang wurde. Sie begann dann bei Neuhaus am Wergetisee, wo der gewöhnliche
Wasserstand der Spree' nur 0,80 m unter dem Kanalspiegel (N,N. + 40,8 m) liegt, wlhrend der
gewähnliche Wasserstand der Oder bei Brieskow sich lS,6 m darunter beendet. Die Speisung
des Kanals erfolgte vorwiegend durch Grundwasser. Seine Wasaerspiegelbreite betrug iS,S m
und die Wassertiefe 1,9 m. Da im unteren Laufe der Schlaube sich mehrere Mühlen befanden,
gab es wegen der Wasserben ntzung viele, langjKhrlge Streitigkeiten,
In den Jahren 1817 bis 1868 wurde eine gründliche Verbesserung des Kanals vorgenom-
men, wobei alle Schleusen durch neue Bauwerke von Stein nach dem Muster des Finowkanals
1) Entnommen aus >BerIin und seine Bauten, 18961.
40 Abschnitt U. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
ersetzt wurden, die bei einer nutzbaren Kammerlänge von 40,4 m und einer Torweite von 5,3 m
je 2 Schiffe von Finowmaß (40,2 m lang, 4,6 m breit und 1,4 m tiefgehend) aufnehmen konnten.
Bei Weißenberg wurde ein Denkmal errichtet.
Als von 1887 bis 1891 die neue Spree- Oder -Wasserstraße hergestellt wurde, legte man
den Kanal Flutknig-Fürstenberg auf der Strecke von der ehemaligen Buschschleuse bis Schlaube-
hammer (11,8 km] in das Bett des alten Friedrich- Wilhelm-Kanals, dessen Wasserspiegelhöhe in
der Scheitelhaltung beibehalten wurde. Dabei wurde die Schleuse Müllrose beseitigt und die
Strecke von der Buschschleuse bis Neuhaus als Speisekanal benutzt. Von Schlaubehammer bis
Brieskow besteht der alte Kanal mit 7 Schleusen noch heute.
Es ist eine beachtenswerte und auch später nach dem Bau von anderen
künstlichen Wasserstraßen festgestellte Erscheinung, daß der Handel nur sehr
langsam sich entschließt, die alten gewohnten Wege aufzugeben und neue
einzuschlagen. Sowohl in Hamburg wie in Breslau herrschte anfangs in den
Kreisen der Kaufleute und Schiffer eine ausgesprochene Abneigung gegen
den neuen Kanal: Man scheute die drückenden Zölle von Fürstenberg a. O.,
Krossen und Glogau, glaubte, daß Frankfurt, gestützt auf sein Stapelrecht,
die Benutzung des neuen Kanals nicht ohne Entschädigimg zulassen würde,
und fürchtete, in Berlin oder Müllrose keine Frachten zu bekommen. Daß
die Frankfurter alles aufboten, um die Kaufleute in Hamburg und Breslau
von der Benutzung des neuen Wasserwegs zurückzuhalten, ist erklärlich.
Auch sollen im Jahre 1671 Dresdener Kaufleute sich in Breslau eingefunden
haben, um die dortigen Kaufleute zu bewegen, daß sie den bisherigen Handels-
weg beibehalten und den neuen Kanal meiden möchten.
Trotzdem hob sich der Verkehr schnell auf dem Kanal und der Um-
ladezwang in Berlin, der von einzelnen Beteiligten heftig bekämpft wurde,
hat die weitere Entwicklung der neuen Wasserstraße nicht gehemmt. Selbst
später, als die Vorrechte von Frankfurt und Stettin gefallen waren und Stettin
als preußischer Seehafen sehr begünstigt wurde, hat der schlesische Handel,
mit wenigen Unterbrechungen, vorzugsweise den Weg über Berlin nach Ham-
burg aufgesucht — wie es noch heute geschieht. Aber nicht nur der schle-
sische Handel allein wurde auf dem Kanal durch die Mark geleitet ; auch aus
Österreich und aus Böhmen wurden viele Waren, die früher zu Lande nach
Leipzig gebracht wurden, seitdem über Breslau befördert. Welche große
Bedeutung man in Österreich dem neuen Kanal und der Oder-Wasserstraße
beilegte, ergibt sich daraus, daß man im Jahre 1 702 in Wien den Plan einer
Kanalverbindung zwischen der Oder und der Donau (durch die March) in
Erwägung zog und der Oberbaumeister Lambert -Lambion (nach anderen
Quellen ein Ingenieur Vogemonte) einen ausführlichen Entwurf dazu aus-
gearbeitet haben soll.
Friedrich der Große (1742 — 1786) hat in großartiger Weise die
Binnenschiffahrt in Preußen gefördert; aber seine politischen Ziele waren
dabei andere als die seiner Vorfahren. Die Zeiten hatten sich geändert: Im
Jahre 1720 fiel Stettin endgültig an Preußen und nach der Erwerbung von
Schlesien (1742) war die ganze schiffbare Oder ein preußischer Strom. Das
Streben des Königs ging dahin, Stettin zu einem bedeutenden Seehafen zu
3. Von der Kammerschleuse bis zimi Dampfschiff. 41
machen und möglichst mit allen seinen in Ostdeutschland gelegenen Ländern
durch gute Wasserstraßen zu verbinden. Zu diesem Zweck war er bemüht,
alle Schiffahrthindemisse auf Oder, Warthe und Netze zu beseitigen, durch
den Finowkanal und den Flauer Kanal die Märkischen Wasserstraßen und das
Elbegebiet und durch den Bromberger Kanal das Weichselgebiet mit der
Oder zu verbinden.
Schon der große Kurfürst hatte sich bereit gezeigt, die drückenden Ver-
kehrsbelastungen auf der Oder zu beseitigen und es war ihm im Jahre 1678
geglückt, Stettin und Frankfurt zu wichtigen Zugeständnissen an Breslau zu
bestimmen. Bei dieser Gelegenheit war auch der berüchtigte Krossener Zoll
für die Breslauer Schiffer herabgemildert worden. Ein weiterer Schritt war
der Vertrag von 1723, in dem die Stapelgerechtigkeit von Frankfurt und
Stettin auf Eisen, Leinsamen und Thran, die wichtigsten Waren des Oder-
handels, zunächst auf die Dauer von vier Jahren erheblich eingeschränkt
wurde. Im Jahre 1 75 1 wurde dieses Stapelrecht endgültig nur noch auf Lein-
samen beschränkt, das allerdings dann bis 18 10 bestanden hat.
Nachdem Schlesien preußisch geworden war, wurden auf der ganzen
Oder das Umladerecht und alle ähnlichen Verkehrsbeschränkungen aufge-
hoben und der König verzichtete zum großen Teil auf seine Zolleinnahmen
an der Oder, Warthe und Netze. Das war für die Schiffjahrt eine große
Wohltat. Im Jahre 1763 wurde die Ufer-, Ward- und Hegungsordnung für
Schlesien erlassen, die sehr segensreich gewirkt hat, und in der die Herstellung
von Durchstichen zur Verbesserung des Stromes empfohlen wurde. Solche
Bauten waren schon in früherer Zeit mehrfach an der Oder ausgeführt worden
(z. B. 1494 und 1555 oberhalb Breslau, 16 10 unterhalb der Stobermündung
und andere) und wurden seitdem in großer Zahl, aber nicht immer in zweck-
mäßiger Weise, in Angriff* genommen. Der bedeutendste war der 21 km
lange Durchstich von Güstebiese bis Hohensaathen (1746 bis 1753), der zu-
nächst nur zur Verbesserung der Vorflut im Oderbruch dienen sollte, später
aber zum Hauptstrom wurde. Die alte Wriezener Oder versandete und
wurde durch Deiche abgeschlossen. Infolge der vielen Durchstiche wurde
der Stromlauf erheblich verkürzt, was an manchen Stellen üble Folgen hatte.
Es wurden auch andere Verbesserungen am Strome vorgenommen. Dazu
gehört besonders die im Jahre 1786 ausgeführte Verlegung der Warthemün-
dung, wodurch die Vorflut des Warthebruchs verbessert wurde. Zwischen
ZüUichau und Schwedt wurde sogar eine »Stromregulierungs- Kommission«
eingesetzt, die mit der Räumung des Fahrwassers von Hölzern und Steinen
sowie mit dem Bau von Uferschutzbauten begann.
Sehr wichtig war für die Schiffahrt die Beseitigung vieler Wehre, die
seit dem Mittelalter den Verkehr arg behindert hatten (S. 22 u. 27). Schon
vor den schlesischen Kriegen waren unterhalb Breslau die Mühlenwehre bei
Kottwitz, Leubus, Steinau, Radschütz, Oberbeltsch und Glogau eingegangen.
In der Zeit von 1770 bis 1785 wurden die Wehre bei Regnitz, Läskau,
42 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Bartsch und Wilkau beseitigt. Oberhalb Breslau wurden neben den Mühlen-
wehren von Ohlau und Brieg in den Jahren 1781 und 1782 Kammer-
schleusen gebaut, bei Oppeln wurde zur Umgehung des Wehrs die Winske
als Flutrinne für die Schiffahrt hergerichtet und bei Kosel gleichfalls eine
Kammerschleuse angelegt. Bei Breslau war damals noch der Strom gesperrt.
Ein schwacher Schiffverkehr ging wohl durch die >alte Oder«, die später,
nach Herstellung der beiden Kammerschleusen in der Stadt (am Sandwerder
und am Bürgerwerder), in den Jahren 1793 und 1794, durch das »Strauch
wehr« abgeschlossen wurde. Vor Ende des Jahrhunderts wurde im Mittel-
lauf der Oder noch das Wehr bei Krossen beseitigt und es blieben unter-
halb Breslau die Wehre bei Dyhernfurth, Lübchen und Beuthen, von denen
die beiden ersten in den Jahren 1839 bis 1846 und das Beuthener Wehr als
letztes endlich im Jahre 1856 abgebrochen wurden.
So wurde die Oder allmählich eine brauchbare Wasserstraße und damit
Stettin aus dem ihm zugefiihrten Verkehr entsprechenden Vorteil ziehen
konnte, sorgte der große König rechtzeitig durch die Vertiefung der Swine
und die Anlage des Hafens Swinemünde {1740 bis 1746) für eine gute Ver-
bindung der Stadt mit dem Meere.
Der Finowkanaly die Verbindung der Havel mit der Oder durch den
Finowfluß, war, wie erwähnt (S. 35), schon von dem Kurfürsten Joachim IL
im Jahre 1540 geplant worden. Erst 160 Jahre später wurde unter dem
Kurfürsten Joachim Friedrich im Jahre 1605 (nach anderen Angaben schon
1603) der Kanalbau begonnen und bis 1609 so weit gefordert, daß ein
beladenes Schiff von der Havel durch 5 Kammerschleusen bis Schöpfurt
fahren konnte. Dann ruhte der Bau aus Geldmangel bis 16 17. Bis Ebers-
walde wurde darauf der Finowfluß durch 6 weitere Kammerschleusen aufge-
staut und im Jahre 1620 die Arbeit zu Ende geführt. Es ist bemerkenswert,
daß dieser erste preußische Scheitelkanal zur Ausführung kam, während der
etwa 50 Jahre früher in Angriff genommene Bau des Müllroser Kanals ein-
gestellt und aufgegeben war.
Der Kanal war nicht von langer Dauer. Die wenig dauerhaft herge-
stellten Bauwerke verfielen während der Verheerungen des dreißigjährigen
Krieges vollständig. Die obere Havel strömte zeitweise durch den Kanal
und die Finow zur Oder, wodurch unterhalb Eberswalde solche Versandungen
entstanden, daß die Schiffahrtverbindung dieser Stadt mit dem Lieper See
(Oder) unterbrochen wurde. Man war genötigt, die Schleuse Eberswalde zu
verschütten und den Kanal bei Zerpenschleuse abzudämmen. Von dem da-
zwischen liegenden Teil der Schleusentreppe war am Anfang des 18. Jahr-
hunderts kaum noch eine Spur vorhanden und die Erinnerung an diese
Wasserstraße völlig erloschen.
Wir wissen, daß die Politik des großen Kurfürsten den Wasserweg von
der Oder oberhalb Frankfurt zur Elbe bevorzugte, und es ist erklärlich, daß
man zu seiner Zeit nicht zur Wiederherstellung des Finowkanals schritt.
3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 43
Friedrich der Große hielt dies Unternehmen aber mit Rücksicht auf Stettin
fiir außerordentlich wichtig und gab im Jahre 1743 den Befehl zum Beginn
der Arbeiten, die von 1744 bis 1746 ausgeführt wurden. Es wurde die alte
Linie von Zerpenschleuse bis Eberswalde wiederum mit 10 Kammerschleusen
hergestellt, wobei teilweise die Böden der alten Bauwerke aufgefunden und
wieder benutzt wurden.
Das erste mit 100 Tonnen Salz beladene Schiff ging 1746 durch den Kanal.
Bald zeigte es sich, daß nicht nur bei Liebenwalde, sondern zum Abstieg
nach der Havel auch bei Dusterlake eine Schleuse nötig war, und außerdem
mußte zwischen Schöpfurt und Heegermühle noch die Schleuse Steinfurt ein-
geschaltet werden. Diese 3 Schleusen wurden 1749 fertiggestellt. Unterhalb
Eberswalde genügte der Finowfluß nicht und wurde (1751) durch 3 weitere
Schleusen (Ragöse, Stecher und Niederfinow) aufgestaut. Schließlich wurde
(1767) der unterste sehr gekrümmte Lauf des Flusses durch einen gegrabenen
Kanal ersetzt und mit der Schleuse Liepe am unteren Ende abgeschlossen, die
den Rückstau der Oder verhindern sollte. Der Kanal hatte somit im ganzen
16 Schleusen und außerdem eine bei Dusterlake in der » faulen c Havel.
Der Finowkanal bildet heute einen Teil der 102,7 k°^ langen Havel-Oder-Wasser-
straße, die von der Einmündung der Spree in die Havel bei Spandau durch die Spandauer
Havel, den Oranienburger Kanal, die Friedrichstaler Havel, den Malzer Kanal, den Finow-
kanal und die Oderberger Gewässer in die Oder bei Hohensaathen führt. Im 19. Jahrhundert
sind viele Veränderungen und Verbesserungen an ihm vorgenommen, um den Forderungen des
sehr lebhaften Verkehrs zu genügen. Die 11,8 km lange Scheitelhaltung, deren Wasserspiegel
auf rund N. N. H- 39 m liegt, wurde anfangs (1780) durch einen Speisegraben, den Voßg^aben,
aus der oberen Havel gespeist. In den Jahren 1823 bis 1828 wurde zur Verbesserung der
Speisung ein gleichzeitig schiffbarer Kanal, Voßkanal, nach der Havel gefuhrt und durch die
Voßschleuse nebst Speisearche abgeschlossen. Die Schiffahrt konnte so aus der Scheitel-
haltung entweder durch die Schleuse Liebenwalde oder durch diese Voßschleuse zur Havel
gehen. Bei der Erneuerung einzelner Schleusen der Odertreppe wurden femer mehrere Hal-
tungen vereinigt, wodurch 2 Schleusen fortfielen, so daß der Abstieg zum Lieper See nur noch
13 Schleusen hat. Dieser See, der Oderberger See und die alte Oder, zusammen die »Oder-
berger Gewässer c, wurden bei der Eindeichung und Verbesserung des Niederoderbruchs in den
Jahren 1849 bis 1860 durch einen hochwasserfreien Damm von der Stromoder abgeschnitten
und es mußte für den Schiffahrtverkehr in diesem Damme bei Hohensaathen eine Kammer-
schleuse gebaut werden. Der Wasserspiegel der Oderberger Gewässer wird gewöhnlich auf
N. N. -|- 1,4 m gehalten und ist in der Regel niedriger als der Wasserstand in der Stromoder,
deren Mittelwasser dort etwa bei N. N. -|- 3,4 m liegt.
In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der ganze Finowkanal gründlich ver-
bessert und bei sämtlichen Schleusen je eine zweite Kammer gebaut. Die zweischiffigen
Kammern haben eine nutzbare Länge von 40,8 m und eine Torweite von 5,3 m, so daß gleich-
zeitig je 4 Schiffe von 40,2 m Länge und 4,6 m Breite (Finowmaß) geschleust werden können.
Der Kanal wurde femer möglichst gerade gelegt und fast durchweg dreischiffig ausgebaut, mit
einer nutzbaren Fahrwasserbreite von 16 m und einer nutzbaren Fahrwassertiefe von 1,6 m. Der
zulässige Tiefgang der Schiffe wurde seitdem auf 1,4 m festgesetzt.
Im Anschluß an den Finowkanal wurde als nördlicher Seitenkanal im Jahre 1766 der Wer-
beil inkanal gebaut, der bei li km Länge mit 2 Schleusen zu dem 9,5 km langen Werbellinsee
führt. Er ist gleichfalls für Schiffe von Finowmaß, aber mit geringerem Tiefgange, fahrbar.
Der Flauer Kanal, der die mittlere Elbe bei Parey mit der Havel
bei Flaue (Flauer See) verbindet, wurde in der Zeit von 1743 bis 1746, also
gleichzeitig mit dem Finowkanal gebaut Sein Zweck war, den Elbeverkehr
44 Abschnitt U. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
auf kurzem und bequemem Wege durch die Mark nach Berlin und Stettin
zu leiten, im besonderen den staatlichen Salzverkehr von Schönebeck a. E.
und umgekehrt die Beförderung von Holz und Torf aus der Mark nach den
dortigen Salinen zu erleichtem. Die ursprüngliche Kanallinie ging von einem
Seitenarm der Elbe, der » Baggerelbe c aus, deren Einmündung in den Haupt-
strom 5 km nördlich von Parey beim Derbenschen Berge lag. Der etwa
3 5 km lange Kanal wurde aus der Elbe gespeist und besaß außer den beiden
Endschleusen bei Parey und Plaue noch eine dritte Schleuse bei Kade. Er war
von vornherein mit großen Abmessungen versehen; denn das erste Salzschiff
soll 39,2 m lang und 6,6 m breit gewesen sein, bei einem Tiefgange von 1,3 m.
Diese Wasserstraße hat im Laufe der Zeit viele Veränderungen erfahren, die hier im
Zusammenhange mitgeteilt werden sollen. Die erste Schleuse, Parey, war in Stein, die beiden
anderen aus Holz hergestellt und wurden 1793 (Kade) und 182 1 (Plaue) durch neue steinerne
Bauten ersetzt. Die Schleuse Parey wurde 1841 erneuert. Die Abmündung des Kanals von der
Baggerelbe erwies sich als ungünstig, weil einerseits dieser Seitenarm des Stromes bei Hoch-
wasser gewöhnlich versandete, und andererseits der Elbespiegel am Derbenschen Berge so tief
lag, daß bei Niedrigwasser der Kanal nicht genügend gespeist werden konnte. Man entschloß
sich daher, dem Kanal eine neue Abmündung aus der Elbe zu geben, die etwa 30 km ober-
halb (also näher zu Magdeburg) bei Niegripp gewählt wurde. Von da aus wurde in der Zeit
von 1866 bis 187 1 der Ihlekanal abgezweigt, der mit 2 Schleusenstufen bei Ihleburg und
Bergzow zum alten Kanal hinabstieg und bei Seedorf (27,4 km oberhalb Plaue) sich mit ihm
vereinigte. Infolge der schnellen Entwicklung der Schiffahrt genügten die Kanalabmessungen bald
nicht mehr und es wurde daher in der Zeit von 1883 bis 1889 der Kanal vergrößert, so daß
er eine nutzbare Fahrwasserbreite von 16 m und eine nutzbare Wassertiefe von 1,7 m erhielt.
Femer wurden die Schleusen Ihleburg und Bergzow verlängert und bei den Schleusen Kade
und Plaue zweite Kammern erbaut. Diese letzteren waren für den Verkehr von 65 m langen
und 8 m breiten Schiffen ausreichend, während die verlängerten Schleusen des Ihlekanals nur
von höchstens 7,7 m breiten Schiffen durchfahren werden konnten. Es wurde darum in den
Jahren 1889 bis 1893, als bei Parey ein neuer Eibdeich angelegt wurde, in diesem eine neue
Kanalmündung und eine genügend große und tiefe Koppelschleuse erbaut, während der an-
schließende Teil des alten Plauer Kanals angemessen erweitert wurde.
Jetzt ist der Plauer Kanal wieder die Hauptverkehrstraße geworden. Er ist 34,6 km
lang. Der Normalwasserstand seiner oberen 26 km langen Haltung liegt bei N. N. -|- 32,2 m
und entspricht dem Niedrigwasser der Elbe vom Jahre 1893, während im Plauer See dieser
Niedrigwasserstand der Havel bei N. N. -f- 27,3 m und das Mittelwasser bei N. N. -f- 28,3 m
lieg^. Bei dem Ihlekanal liegt der Normalwasserstand der obersten Haltung bei N. N. -j- 37,4 m,
während das Niedrigwasser der Elbe im Jahre 1893 dort bei N. N. -H 36,9 m lag. Die Länge
dieses Kanals von Niegripp bis zum Plauer Kanal bei Seedorf beträgt 30 km.
Der dritte große und wichtige Kanal, den Friedrich der Große anlegte,
ist der Bromberger Kanal, der die Oder durch die Warthe, Netze und
Brahe mit der Weichsel bei Fordon verbindet. Als der Netzedistrikt im
Jahre 1772 an Preußen gefallen war, beschloß der König sofort den Bau
dieser Wasserstraße, um das Odergebiet mit der Weichsel zu verbinden,
zumal Danzig damals noch nicht in seinem Besitze war. Mit überraschender
Geschwindigkeit und unter Mitwirkung großer Mengen von Soldaten wurde
der erste Bau innerhalb 18 Monaten in den Jahren 1773 und 1774 fertig
gestellt. Der Kanal war zwischen Bromberg und Nakel etwa 25 km lang,
die Brahetreppe hatte 8 Schleusen und eine 9. Schleuse diente zum west-
lichen Abschluß der Scheitelhaltung und zum Abstieg zur Netze. Die 16,3 km
Teuiert, Binnenscfußahri
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3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 45
lange Scheitelhaltung muOte mit großer Mühe in torfigem Bruchlande her-
gestellt werden und war schwer zu erhalten. Auch die mit übermäßiger Eile
aus Holz gebauten Schleusen versagten bald und in den Jahren 1792 bis 1801
mußte der ganze Kanal erneuert werden.
Bei diesem Umbau wurde auf der Brahetreppe eine Schleuse (die 5.) aufgegeben, die
beiden obersten in Holz und die Übrigen in Stein erneuert, während im Netzegebiet die 9.
auch in Stein neu gebaut w^urde. In dem Jahre 1801 wurde der Kanal bis Nakel verlängert
und dort die 10. Schleuse aus Holz errichtet. Da der Netzefluß nicht die erforderte Tiefe
besaß, wurde er 3 km unterhalb Nakel bei Bielawy im Jahre 181 2 durch eine 11. Schleuse auf-
gestaut. II km unterhalb davon war schon 1782 die Gromadenschleuse (12.) zum gleichen
Zweck angelegt worden. Diese mußte 1824 und die 11. im Jahre 1844 erneuert werden, während
die 10. Schleuse erst 1889 durch einen Bau in Stein ersetzt wurde. In der Brahetreppe wurden
die beiden obersten Schleusen (7. und 8.) in den Jahren 1847 und 1852 in Stein neu gebaut.
In der Stadt Bromberg waren schon im Jahre 1773 ^*^ verfallenen Mühlen wieder her-
gestellt und zur Umgehung des Staues die Stadtschleuse in Holz erbaut worden. Nachdem die
vorerwähnte 5. Schleuse des Kanals fortgefallen war, wurde die Stadtschleuse als i. Schleuse
des Bromberger Kanals bezeichnet. Im Jahre 1884 wurde sie durch einen Steinbau ersetzt.
Die ganze Länge des Kanals von der Bromberger Stadtschleuse bis zur 10. Schleuse bei
Nakel beträgt jetzt 26,3 km. Die Scheitelhaltimg, die durch einen Zubringer (Speisegraben)
aus der oberen Netze gespeist wird, liegt etwa bei N. N. -f- 59 m und das Oberwasser der Stadt-
schleuse (die Oberbrahe) bei etwa N. N. + 35i8 m. Das Gefälle von 23,2 m wird mithin durch
7 Schleusen überwunden. Die Abmessungen der Schleusen sind verschieden; sie können aber
alle mit Schiffen von Finowmaß durchfahren werden. Die Fahrwassertiefe beträgt etwa 1,4 m,
sinkt zuweilen aber bis auf 1,25 m.
In der Mark selbst wurde außer den erwähnten großen Kanälen auch
für den Ausbau und die Vermehrung mehrerer kleiner Wasserstraßen gesorgt.
Im Gebiet der oberen Spree wurden die Storkower Gewässer durch 3 Floßschleusen
flößbar gemacht (1732 bis 1745) und es wurde je eine Kammerschleuse bei Königswusterhausen
in der Dahme (1739) und bei Kossenblatt in der oberen Spree {1752) erbaut.
Im Gebiet der oberen Havel wurden 1745 die Templiner Gewässer schiffbar gemacht, in
denen auch oberhalb Templin 2 Kammerschleusen angelegt wurden, die nur bis zum Jahre 181 2
bestanden haben. Femer wurde 1770 Hamburger Kaufleuten erlaubt, den Wentowsee mit der
Havel durch den Wentowkanal zu verbinden. Sie bauten bei Mariental zunächst eine Stau-
schleuse, die vom Staate im Jahre 1820 durch eine Kammerschleuse ersetzt wurde.
Im Rhingebiet wurde die Flußstrecke vom Bützsee bis Fehrbellin gerade gelegt (1772)
und diese Wasserstraße durch den Rup piner Kanal (1786 bis 1791) mit der mittleren Havel
bei Oranienburg verbunden, um die Beförderung des im Rhinluch gewonnenen Torfs nach Berlin
zu erleichtem. Dieser 15,4 km lange Kanal, dessen Fertigstellung der große König nicht mehr
erlebte, zweigte mit der Schleuse Friedental von der Havel ab und stieg mit 2 Staustufen zum
Kremmer See, der mit dem oben genannten Bützsee verbunden wurde. Von diesem See aus
wurde femer die obere Rhinwassers trabe durch den Ruppiner See bis Zippelsförde schiffbar
gemacht, wozu bei Alt-Friesack und Alt-Ruppin Kammerschleusen gebaut wurden.
Alle diese genannten märkischen Wasserstraßen können von Schiffen mit Finowmaß be-
fahren werden.
Von Friedrich dem Großen stammt ferner die Anregung zum Bau des
KlodnitzkanalSy auf dem die Erzeugnisse des oberschlesischen Kohlen-
und Erzgebiets von Gleiwitz bis zur oberen Oder bei Kosel befördert werden
sollten. Er wurde unter seinem Nachfolger in der Zeit von 1792 bis 181 2
hergestellt.
Der Kanal von 45,7 km Länge und einem Gefölle von 48,8 m liegt ganz in dem Tal des
Klodnitzflusses, aus dem er auch gespeist wird. Wenn er die auf ihn gesetzten Erwartungen
nicht voll erfüllte, lag es vor allem an den geringen Abmessungen, die nur einen Verkehr mit
46 Abschnitt H, Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Schififen von höchstens 50 t Tragfähigkeit erlaubten. Schiffe mit Finowmaß, die in der Mark
und auf der Oder schon damals verkehrten, konnten ihn nicht benutzen. Er hatte eine Sohlen-
breite von 5,65 m und die 18 Kammerschleusen waren nur 36,6 m lang und 4,08 m breit. Bis
zum Jahre 1850 war der Verkehr noch ziemlich lebhaft: im Jahre 1847 gmgen z. B. 1134 Schiffe
zu Tal, 514 zu Berg und beförderten 70350 t. Später verödete der Kanal. Der Verkehr war
im Jahre 1865 nur noch 4400 t. In der Zeit von 1888 bis 1893 wurde er verbessert und die
Schleusen erhielten eine Breite von 4,72 m, so daß jetzt Schiffe mit 1,2 m Tiefgang und 100 t
Tragfähigkeit verkehren können.
Auch für die ostpreußischen Wasserstraßen haben die branden-
burg-preußischen Fürsten in diesem Zeitraum Sorge getragen. Es war schon
früher (S. 27) mitgeteilt, daß die Ordensritter sich im Mittelalter bemüht
hatten, von der Deime zur Gilge und zum Memelstrom eine schifTbare Ver-
bindung herzustellen, um die gefahrliche Fahrt über das Kurische HafT zu
vermeiden. Der Große Kurfürst nahm diesen Gedanken gleich nach seinem
Regierungsantritt (1640) wieder auf und wollte dabei auch die Vorflut in der
Memelniederung verbessern. Doch erst im Jahre 1669 konnte er dem
Obersten von Chiese, der den Bau des MüUroser Kanals geleitet hatte, dies
neue Unternehmen übertragen. Als Entschädigung für die auf eigene Kosten
bewirkten Bauten zur Entwässerung erhielt dieser die zur Herrschaft Rauten-
burg gehörigen Güter und für die Anlage des Deime-Gilge-Kanals wurden ihm
dessen Zolleinnahmen zugesichert. Durch den Tod des Obersten wurden die
Arbeiten unterbrochen und seine Witwe führte im Jahre 1697 das Werk zum
Ende. Die beiden Kanäle wurden zu Ehren des ersten preußischen Königs
der Große und der Kleine Friedrichsgraben genannt und im Jahre 1712
an den Staat verkauft.
Der 19 km lange Große Friedrichsgraben führt von der Deime bei Labiau zum Nemonien-
Strome. Er sollte m^prünglich mit 19 m Breite mid 1,9 m Wassertiefe ausgeführt werden; doch
war es bei dem schlechten moorigen Untergrunde nicht gelungen, diese Abmessungen überall
zu erreichen. Später ist er wiederholt mit Aufwendung erheblicher Geldmittel vom Staate ver-
bessert worden (1882 bis 1885 und 1895 ^^^ ^9^$)- ^^ ^^^ j^^^^ ^"i^ Breite von etwa 40 m,
bei Mittelwasser eine Tiefe von 1,8 m imd keine Schleusen. Sein "Wasserstand schwankt daher
mit dem der anschließenden Flüsse. Die Strömung ist aber schwach.
Der Kleine Friedrichsgraben verband, im Anschluß an den Großen, den Nemonienstrom
mit der Gilge. Wegen zu großer Strömung und aus anderen Gründen bewährte er sich nicht.
Im Jahre 1835 wurde er durch den Seckenburger Kanal ersetzt und im Jahre 1890 endgültig
von der Gilge abgesperrt.
Während der Große Kurfürst sich um die Herstellung der vorbeschriebenen
Kanäle bemühte, hat sich Friedrich der Große durch den Ausbau der Masu-
rischen Wasserstraßen um Ostpreußen verdient gemacht. Bald nach dem
Hubertusburger Frieden (1763) ließ er die in Masuren liegenden großen Seen,
die zum Teil (Mauersee und Löwentinsee) dem Pregelgebiet, zum größeren
Teil aber (Jagodner See, Taltergewässer und Spirdingsee sowie Beldahnsee
und Niedersee) dem Pissek-(Weichsel-)gebiet angehören, durch Kanäle ver-
binden, so daß eine durchgehende Wasserstraße von Angerburg über Lötzen
und Nikolaiken bis zum Spirdingsee und später bis Johannisburg von 88 km
und außerdem einige Nebenstraßen von zusammen etwa 50 km Länge ent-
standen. In der Hauptlinie wurden bei dem in den Jahren 1764 bis 1766
3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 47
ausgeführten Bau 2 SchifTschleusen bei Lötzen und bei Talten errichtet und
femer in der Nebenlinie zum Niedersee eine dritte bei Guszianka. Es bestand
die Absicht, die Wasserstraße von Angerburg die Angerapp abwärts bis zum
Pregel bei Insterburg schiffbar oder wenigstens flößbar zu machen und es
wurden auch in der Angerapp neben einigen Mühlen Floßschleusen angelegt.
Aber dies Unternehmen bewährte sich nicht und wurde bald aufgegeben.
Auch die Hauptwasserstraßen erfüllten auf die Dauer nicht die gehegten Hoffnungen. Der
Schiffahrtverkehr war gering und die Flößerei konnte auf den großen Seen nur imter bestän-
digen Gefahren betrieben werden. Die Kanalbetten konnten nur schwer in genügender Tiefe
erhalten werden, verflachten und versandeten, besonders in den Seemündungen. 1789 wurden
die Schleusen bei Lötzen und Talten beseitigt, weil die Wasserspiegel der Seen sich verändert
hatten. Im 19. Jahrhundert wurde die Wasserstraße wiederholt verbessert. In der Zeit von
1845 bis 1848 wurde dabei der Jeglinner Kanal gebaut, wodurch die Wasserstraße bis Johannis-
burg verlängert wurde. 1851 bis 1856 sind die Verbindungskanäle wiederum verbreitert und
vertieft worden, so daß sich 1854 eine Dampfschiffahrt entwickeln konnte. Die Schleuse bei
Guszianka mußte schon 1775 außer Betrieb 'gesetzt werden und wurde erst 1878 in Holz und
im Jahre 1900 in Stein wieder hergestellt. Sie hat jetzt eine nutzbare Länge von 45 m und
eine Breite von 7,5 m. Die auf den Masurischen Wasserstrai^en verkehrenden Schiffe haben
höchstens eine Länge von 32 m, eine Breite von 6,3 m und bei 1,2 m Tiefgang eine Tragfähig-
keit von etwa 190 t.
Vom Weichselgebiet ist aus diesem Zeitraum wenig zu berichten,
weil es fast dauernd unter polnischer Herrschaft stand. Erwähnenswert ist
aber, daQ die Stadt Elbing, nachdem die früher bestandene Wasserverbindung
mit der Nogat wegen Überschwemmungsgefahr im Jahre 1483 durch einen
Damm abgesperrt werden mußte, sich 1 494 einen Kanal zwischen dem Elbing-
flusse und der Nogat erbaute, der den Namen Kraffohlkanal erhalten hat.
Er wurde mit Benutzung vorhandener Wasserläufe angelegt und im Laufe der Zeit wieder-
holt verbessert. Er hat jetzt eine Länge von rund 6 km, eine mittlere Breite von 18 m und eine
Wassertiefe von 1,8 m bei Mittelwasser und von 1,2 m bei Niedrigwasser. Ob die im Kanal
vorhandene Schleuse beim ersten Bau errichtet wurde, ist nicht bekannt; doch ist sie jedenfalls
schon in sehr alter Zeit angelegt worden. Sie wurde 1787 und 1898 gründlich umgebaut und
hat jetzt eine Länge von 91 m und eine Torweite von 10 m. Der Kanal steht noch heute im
Eigentum der Stadt Elbing.
Für die Verbesserung der Fahrstraße der Elbe ist während des 15. und
16. Jahrhunderts nichts geschehen. Im 17. wurden wichtige Bauten bei
Magdeburg ausgeführt und hier treffen wir wieder auf die Tätigkeit des
Großen Kurfürsten. Die Elbe hatte damals dort drei Arme, von denen der
westlichste, die Stromelbe, an der Stadt lag und allein für die Schiffahrt die
erforderliche Tiefe besaß (vgl. Abb. 3 auf S. 21). Während der Belagerung
der Stadt im dreißigjährigen Kriege (163 1 und 1636) wurde dieser Arm durch
Pfahlwerke versperrt und versandete. Im Jahre 1655 begann zuerst die
städtische Baubehörde mit Verbesserungsarbeiten, die nach dem Jahre 1680,
als das Herzog^m Sachsen an Brandenburg gefallen war, mit kurfürstlichen
Mitteln kräftig gefordert wurden. Bis zum Jahre 1686 wurde auf diese Weise
der Abschluß der beiden östlichen Eibarme durch einen von der Rotenhom-
Spitze bis zum Presterschen Deich reichenden Sperrdamm, die »Rostec,
bewirkt.
48 Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Die Erhaltung dieses Sperrdammes hat viel Mühe und Kosten verursacht, weil er beim
Hochwasser wiederholt durchbrochen wurde. Bei der Belagerung der Stadt im Jahre 1806
wurde er zum Teil gesprengt und infolgedessen verwilderte der Strom so sehr, daß bereits
Napoleon im Jahre 1812 mit Absperrungsbauten begann. Später wurde an Stelle dieses ver-
fallenen Werkes im Schutze eines Dammes (»Prestersche Richtewerk«) in der alten Elbe bei
Kr a kau ein festes Oberfall wehr mit Faschinen gebaut (1820}, das im Jahre 1868 durch einen
Steinbau ersetzt worden ist.
Auch im Jahre 1684, als unterhalb der Stadt beim Hochwasser eine
Stromschleife >am Treuel« durchbrach und infolge des verwilderten Stromes
die Schiffahrt völlig stockte, griff der Große Kurfürst helfend ein und beauf-
tragte den Kommandanten von Magdeburg mit der Wiederherstellung des
Fahrwassers. Im Jahre 1740 durchstachen die Bewohner von Lostau (9 km
unterhalb der Stadt) eine Stromschleife, um ihr Dorf zu retten und mit Hilfe
des Hochwassers entstand dort bald ein neuer fahrbarer Stromarm.
Die Magdeburger Stromstrecke galt damals überhaupt für eine der
schlechtesten und gefahrlichsten für die Schiffahrt. Die Stromelbe war nur
schmal und außerdem am linken Ufer durch den oben (S. 22) erwähnten
Mühlendamm, der die Pferdeelbe abtrennte, und am rechten Ufer durch die
Zitadelle eingeschränkt. Das Gefalle war stark und wurde infolge der unter-
halb ausgeführten Durchstiche noch bedeutender, indem der Wasserspiegel
sich senkte und das den Strom oberhalb durchquerende Felsenriff (auf dem
auch der Dom steht) ein gefahrliches und der Strömung nicht nachgebendes
Hindernis wurde. Dazu kam die etwa 1440 gebaute hölzerne Strombrücke
mit ihren verhältnismäßig engen Öffnungen und die vielen SchifTmühlen, die
der kräftigen Strömung wegen gerade in dieser Strecke in großer Zahl vor-
handen waren. Zur Ausübung des der Stadt zustehenden Stapel- und Um-
laderechts war dieser Zustand allerdings günstig, aber für den diesem Rechte
nicht unterworfenen Verkehr der staatlichen Salzschiffe zwischen Schönebeck
und Berlin auf die Dauer unerträglich. Friedrich der Große ließ deshalb
schon während des Baues des Flauer Kanals einen Entwurf aufstellen, um
die schwierige Stromstrecke mittels einer Kammerschleuse zu umgehen.
Das Bauwerk wurde in der Zeit von 1743 bis 1747 von der städtischen Bau-
behörde (»Fähramt«) auf Kosten des Staates ausgeführt.
In Abbildung 3 (S. 21) ist die Lage vom Jahre 1764 dargestellt. Die Schleuse hatte
die für die damalige Zeit großen Abmessungen von etwa 75 m Länge und 8 m Breite. Die von
oben kommende Schiffahrt ging durch den Schleusenkanal zur Zollelbe, deren oberer Lauf (Mittel-
elbe) damals schon verlandet und abgesperrt war, und gelangte durch diese unterhalb der Zitadelle
wieder in die Stromelbe, a ist die hölzerne Brücke mit 3 Mitteljochen und Eisbrechern, d die
Pferdeelbe, die durch den Mühlendamm vom Strome abgeschloßen war und zur unterhalb gelegenen
Ratsmühle [c] führte. Die Brücken über den Schleusenkanal und über die ZoUelbe waren mit
Aufzugsklappen versehen, die Strombrücke nicht. Bei Benutzung der neuen Wasserstraße konnten
die Schiffe also mit stehendem Mast verkehren.
Noch im Jahre 1870 wurde die Schleuse von 2887 Schiffen durchfahren; aber nach Einführung
der Kettenschiffahrt und den umfassenden Stromverbesseningen und -Verbreiterungen an der im Jahre
1862 neu gebauten Strombrücke konnte man die Schleuse entbehren. 1889 wurde sie zugeschüttet.
Diese Schleuse ist bemerkenswert. Gelegentlich des Streits um die Wieder-
einführung der Schiffahrtabgaben wurde in späterer Zeit behauptet, daß Schleu-
3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 49
sen an öffentlichen Strömen stets von allen Schiffen benutzt werden müßten').
Dies Beispiel zeiget, daß der Schiffer die Wahl hatte, entweder durch den offenen
Strom oder durch die Schleuse (unter Erlegung der vorgeschriebenen Abgabe)
zu fahren. (Ähnlich lagen in der Zeit von 1885 bis 1895 die Verhältnisse an der
Winske bei Oppeln.)
In den Jahren 1786 und 1787 wurde unterhalb der Stadt bei Rothen-
see durch die Königliche Kriegs- und Domänenkammer ein Durchstich
hergestellt. Im oberen Laufe, in der damals kursächsischen Elbe, sind unter-
halb Pretzsch die ersten Durchstiche (bei Kloeden, Döbem, Neubläsem) in
den Jahren 1773 und 1774 ausgeführt worden und im Jahre 1810 folgte
der Durchstich bei Loßwig. Aber alle diese Durchstiche wurden mehr zur
Abwendung von Hochwasser- und Überschwemmungsgefahren als zur Ver-
besserung des Fahrwassers angelegt. Ebenso war es mit den Uferbauten.
Die seit dem Jahre 1790 hin und wieder ausgeführten Buhnen galten lediglich
dem Uferschutz oder der Sicherung der Deiche, wenn diesen der Strom mit
seinen vielfach wechselnden Windungen in gefahrliche Nähe gerückt war. Daß
der Beseitig^g der hinderlichen und gefahrlichen Baumstämme aus dem Fahr-
wasser schon eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wird aus dem
Jahre 1727 berichtet. Damals wurde den Breslauer Kaufleuten von der preußi-
schen Regierung versprochen, daß sie für die Entfernung dieser Schiffahrt-
hindemisse zwischen Krossen an der Oder und Lenzen an der Elbe sorgen
würde. Man erfahrt nicht, was erfolgt ist. Dagegen ist bekannt, daß die
Berliner Schiffergilde der Regierung die Kosten für Baggerungen und andere
Verbesserungen, namentlich in der Havel, erstatten mußte.
Im Gebiet der Saale [S. 35) wurden in diesem Zeitraum die Schiffahrtanlagen an ver-
schiedenen Stellen verbessert. Es wurde z. B. 1694 der Bau der Schleuse Trotha begonnen
und es sind im Anschluß daran auch die Schleusen bei Gimritz, Wettin und Rothenburg herge-
stellt worden. Im Jahre 1790 gab der Kurfürst von Sachsen den Auftrag zu einem Kostenan-
schlage für die Schiff barmachung der Saale von Weißenfels aufwärts bis zur Unstrut und dieses
Flusses aufwärts bis Artem. 1791 begann der Bau, 1793 war die Schleuse bei Karsdorf und
1794 die bei Ritteburg fertig, so daß im Jahre 1795 die Schiffahrt zwischen Weißenfels und Artem
eröfihet werden konnte. Die geplante Fortsetzung von Weißenfels bis Halle wurde durch die
Kriegsereignisse unterbrochen.
An der Moldau bemühte man sich im Jahre 1641 die Strecke zwischen Melnik und Prag
durch Felssprengungen und Räumungen zu verbessern und es sollen auch 165 1 sächsische Schiffe
bis Prag gelangt sein. Bald darauf wurden die Arbeiten jedoch wieder eingestellt
Der damals für Prag sehr wichtige Salzverkehr aus dem Salzkammergut ging von der Donau
von Linz über Land bis Budweis und dann auf der oberen Moldau (S. 36). Diesem Teil des
Flußlaufs wurde im 17. und 18. Jahrhundert deshalb besondere Aufmerksamkeit zugewendet: Man
legte Treidelwege an und verbesserte das Fahrwasser durch Sprengungen u. dgl. Am Anfange
des 18. Jahrhunderts versuchte man sogar den Bau von Kammerschleusen, deren Reste noch heute
vorhanden sind. Zum Schutze des Salzverkehrs wurde die Beförderung dieser wichtigen Ware
auf der Elbe verboten. (Im Jahre 1829 wurde von Linz nach Budweis eine Pferdeeisenbahn
gebaut).
In den Jahren 1777 bis 1785 wurde der 32 km lange Eiderkanal, der die Ostsee bei
der Kieler Bucht mit der Eider bei Rendsburg und so mit der Nordsee bei Tönning verbindet,
gebaut und mit 5 Schleusen von mindestens 35 m Länge und 8 m Breite versehen. Dieser vor-
i) Peters, Schiffahrtsabgaben I, Leipzig 1906; z.B. S. 112, 115, 128.
Teubert, Binnenschiflahrt. 4.
50 Abschnitt n. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
wiegend der Küstenschiffahrt dienende, 3,2 m tiefe Kanal verschwand bei der Erbauung des Kaiser-
Wilhelm -Kanals (1887 bis 1895), der mit der Untereider bei Rendsburg durch eine besondere
Schleuse in Verbindung gebracht wurde.
Schiffahrtbetrieb. Über den gewerblichen Betrieb der Schiffahrt in
Ostdeutschland durch die Gilden und Zünfte liegen nur aus dem 17. und
18. Jahrhundert nähere Nachrichten von Berlin und Magdeburg vor.
Zwischen Hamburg und Berlin hatten bis zu Mitte des 17. Jahrhunderts
die Hamburger Schifi*er den Handel ziemlich allein beherrscht, da die Einfuhr
von Hamburg viel bedeutender war als die Ausfuhr dahin. Die Waren der
Berliner Kaufleute wurden daher gewöhnlich nur als Rückfracht genommen.
Nach Herstellung des Friedrich- Wilhelm-Kanals wurde das anders, weil der
beträchtliche schlesische Handel hinzukam. Seitdem beteiligten sich die kur-
fürstlichen Schiffer so lebhaft an diesem Verkehr, daß auf Antrag der Ham-
burger Schiffer die Kurmärkische Amtskammer im Jahre 1699 eine Schiffahrt-
ordnung erlassen mußte. Sie wurde nach Verhandlungen mit den Hamburgi-
schen Behörden im Jahre 1700 erweitert und von beiden Staaten bestätigt^).
Ihr wesentlicher Inhalt war die Einführung der Reihefahrt (auch »Bort«- oder
>Beurtfahrt€ und »Rangschiffahrt« genannt). Diese auch auf anderen Wasser-
straßen häufig eingeführte Einrichtung besteht darin, daß der freie Wettbewerb
der Schiff*er im Aufsuchen der Frachten aufhört und dafür jeder Schiffier, ohne
Ansehung der Person und des Schiffs, eine Ladung bekommt, sobald er an
der Reihe ist. Dies Verfahren soll zuerst in Hamburg im Jahre 1442 in dem
Verkehr mit Stade eingeführt worden sein. Der freie Wettbewerb gibt dem
Kaufmann den Vorteil, daß er seine Waren dem ihm als zuverlässig bekannten
und mit einem guten Fahrzeuge versehenen Schiffer anvertrauen kann, fuhrt
aber zu Mißbräuchen, wenn der Schiffer, um Ladung zu bekommen, sich
entweder selbst oder durch Vermittler an die Angestellten des Kaufmanns
wendet und diese besticht.
Ein anderer Nachteil bestand darin, daß die Schiffer erst abfuhren, wenn
sie ihre Ladung vervollständigt hatten, und die Kaufleute zuweilen wochen-
und monatelang warten mußten, bis ihre Waren abgingen. Bei der Reihe-
fahrt hingegen wird Schiff nach Schiff vollbeladen und kann sofort die Reise
antreten; aber der nachlässige, unzuverlässige Schiffer hat dieselben Vorteile
wie der tüchtige und umsichtige und das gut gebaute imd gut gehaltene
Schiff* wird nicht nach Verdienst gewürdigt. Die Reihefahrt hat außerdem
den großen Vorzug, daß das gegenseitige Herunterdrücken der Frachtsätze
fortfällt.
Diese schwankenden Vor- und Nachteile haben ebenso oft Veranlassung
gegeben, die Reihefahrt einzufuhren, als sie wieder aufzuheben.
Im vorliegenden Falle war die Beteiligung an der Reihefahrt an die Be-
dingung geknüpft, daß der Schiffer entweder in Berlin oder in einem anderen
i) Toe che- Mittler, Der Friedrich-Wilhelm-Kanal und die Berlin-Hamburger Flußschiff-
fahrt. Leipzig 1891.
3« Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 51
märkischen Orte oder in Hamburg ein eigenes Haus besitzen mußte. Um
die Schnelligkeit der Fahrten zu vermehren, war vorgeschrieben, daß jeder
Schiffer nur einen »Mast«, d. h. ein Segelschiff, und zwei »Anhänge« führen
durfte. Bei niedrigen Wasserständen war es ihm erlaubt, zum Zweck des
Ableichterns noch einen dritten leeren Anhang mitzufuhren.
Anfangs ging die Sache gut. Bald aber waren in Hamburg sowohl die
Kaufleute wie ihre Angestellten und die Vermittler, denen der Nebenverdienst
entging, unzufrieden, zumal trotz der erlassenen Vorschriften eine Reihe von
unzuverlässigen Schiffern es verstanden hatte, bei der Reihefahrt zugelassen
zu werden. Auch führten die Breslauer Kaufleute Beschwerde darüber, daß
ihre Waren in Berlin auf schlechte Schiffe umgeladen würden. Es ist be-
merkenswert, daß auf diese Klage hin später, im Jahre 1727 angeordnet
wurde, die reihefahrenden Schiffe alljährlich zweimal unter Aufsicht auf ihre
Brauchbarkeit zu untersuchen.
Um ungeeignete Schiffer von der Reihefahrt auszuschließen, wurde für
den Hamburger Verkehr im Jahre 1716 die »Kurmärkische Eibschiffer-
gilde« gegründet. Zunächst war die Zahl der Mitglieder nicht beschränkt.
Alle an der Spree, Havel oder Elbe in Preußen ansässigen Schiffer mußten
der Berliner Gilde beitreten, wenn sie an der Hamburger Reihefahrt teil-
nehmen woUten. Die Aufnahme war an mancherlei Bedingungen, u. a. auch
an die Einzahlung von 120 Mark geknüpft. Durch die Gilde waren deren
Mitglieder wohl gegen den unberechtigten Wettbewerb ihrer Landsleute ge-
schützt, aber nicht gegen die Hamburger, die unter wiederholten Verletzungen
der Bestimmungen der Schiffahrtordnung von 1700 die märkischen Schiffer
zu keinem einträglichen Geschäft kommen ließen. Die Klagen und Be-
schwerden hörten nicht auf. Um die Berliner Gilde vor dem Untergange zu
retten, griff nach wiederholten nutzlosen Verhandlungen mit Hamburg die
preußische Staatsregierung im Jahre 1748 kräftig ein und bestimmte, daß
hinfort unter Ausschließung der Hamburger Schiffer die Warenbeförderung
zwischen Berlin und Hamburg nur durch die Reihefahrt der Gilde bewirkt
werden solle, deren Mitgliederzahl zunächst auf 24 festgesetzt wurde. Jetzt
entwickelte sich die Gilde nach Wunsch, besonders nachdem sie von der Be-
drückung und Abhängigkeit von den Hamburger Unterhändlern durch Ein-
richtung einer besonderen »Inspektion für die märkischen Schiffe« in Hamburg
befreit war. Zur Beseitigung der vielen Streitigkeiten zwischen den Schiffern
und der Schiffbemannung wurden in den Jahren 1774 und 1790 besondere
Lohntarife amtlich festgesetzt.
Gegen Ende des Jahrhunderts wurde der Verkehr sehr gering, so daß
die 24 Gildeschiffer zuweilen nicht ausreichende Beschäftigung fanden. Es ist
übrigens für diese Zeit bemerkenswert, daß auf dem Berliner Packhof ein
einziger Kran genügte, weil die gesamte Warenbeförderung von Hamburg nach
Berlin auch in den besseren Jahren nicht mehr als etwa 1 2 000 t betrug. Die
Gilde wurde durch das Gewerbesteuer-Edikt von 18 10 endgültig aufgehoben.
4*
52 Abschnitt n. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Von Magdeburg war schon (S. 38) erwähnt worden, daß im Laufe
des dreißigjährigen Krieges sein Stapehecht sowohl von den Hamburgern
wie von den kursächsischen Schiffern häufig mißachtet wurde. Daran
waren zum Teil die unaufhörlichen Streitigkeiten zwischen der Kaufmanns-
Innung und der Schifferbrüderschaft schuld. Diese bestand seit dem
16. Jahrhundert, hatte im Jahre 1635 eine neue Satzung erhalten und wurde
von den brandenburgisch-preußischen Landesherren in ihren Rechten wieder-
holt bestätigt. Die kleine Zahl ihrer Mitglieder konnte den Anforderungen
des wachsenden Handels nicht genügen; die Brüderschaft sträubte sich aber,
andere Bürger und Steuerleute mit ihren Schiffen aufzunehmen. Von Fried-
rich dem Großen wurde das Stapelrecht der Stadt im Jahre 1747 in aller
Strenge wieder erneuert und allen fremden Schiffen die Durchfahrt durch die
Stadt verboten. Handel und Schiffahrt blühten auf; aber die inneren Streitig-
keiten nahmen wieder zu, weil die Brüderschaft die Waren nicht mit ge-
w^ünschter Pünktlichkeit von und nach Hamburg befördern konnte und es
ablehnte, andere »Kahnführer«, namentlich aus Tangermünde heranzuziehen.
Die Bezeichnung »Schiffer« (später »Großschiffer«) stand nämlich nur den
22 Mitgliedern der Brüderschaft zu, von denen jedes über eine größere An-
zahl von Fahrzeugen verfugte, die von seinen Steuerleuten geführt wurden.
Auch wegen der Höhe der Frachten entstand viel Streit und ein von der
Regierung eingeführter Tarif hatte keinen Erfolg. Um eine schnellere Be-
förderung der Kaufmannsgüter zu erreichen, vereinbarten die Schiffer unter
sich im Jahre 1748 eine Reihefahrt, die sich aber 1761 wieder auflöste. Im
Jahre 1763 versuchte die Regierung das Verhältnis zu bessern, indem sie
verordnete, daß alle Mitglieder der Brüderschaft in die Kaufmanns-Innung und
die Kaufleute in die Schifferbrüderschaft aufgenommen werden und dann selbst
die Schiffahrt betreiben sollten. Auch dies Mittel schlug fehl, weil beide Par-
teien dagegen waren. Die Streitigkeiten gingen weiter und wurden noch durch
den Streit zwischen den Schiffern und den Kahnführern vermehrt, weil diese
von den Kaufleuten zur Warenbeförderung mit herangezogen wurden.
Im Jahre 1775 wurde vom Staate eine Reihefahrt zwischen Hamburg
und Magdeburg angeordnet. Dabei wurde bestimmt, daß an beiden Orten
nur ein Schiffer mit einer Schute oder zwei Kähnen und außerdem drei Kahn-
führer mit je einem Kahn gleichzeitig in Ladung liegen sollten. Die Größe
der letzteren Kähne wurde jedoch auf 40 bis 50 t Tragfähigkeit begrenzt.
Hiermit war für längere Zeit Ruhe geschaffen worden. Im Anfang des
19. Jahrhunderts wurde auch diese Brüderschaft aufgehoben.
Die Schiffe auf den ostdeutschen Strömen, die am Ende des 18. Jahr-
hunderts fast alle durch die erwähnten Kanäle verbunden waren, hatten sehr
verschiedene Größe und Bauart. Man unterschied Schuten, Gellen, Jachten,
Elb-, Oder-, Havel- und Spreekähne. Die Oderschiffe hatten im 17. und
iS, Jahrhundert Tragfähigkeiten von höchstens 20 bis ausnahmsweise 25 t und
waren gewöhnlich mit einem Steuermann und zwei Schiffsknechten bemannt.
3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschifif. 53
Es wird berichtet, daß die Schleusen des Friedrich- Wihelm-Kanals je 6 Oder-
schifTe von lo bis 12 t Trag^fahigkeit auf einmal fassen konnten. Die Schiffe
der Beriiner Schiffergilde waren größer, da von ihr Schiffe von 20 bis 25 t
als besonders klein bezeichnet wurden. Das zuerst durch den Finowkanal
fahrende Schiff war etwa 28 m lang und 2,9 m breit. Die vorerwähnten Oder-
schiffe werden nur 15 bis 20 m lang und 2,3 bis 2,6 m breit gewesen sein.
Alle diese Schiffe waren offen.
Die Eibschiffe und namentlich die Hamburger Schiffe (meistens Schuten
genannt) waren dagegen oft mit Verdeck versehen und im allgemeinen mehr
als doppelt so groß wie die Oder- und Spreeschiffe. Um die Mitte des
17. Jahrhunderts wird wiederholt darüber geklagt, daß die Hamburger sogar
mit Schiffen von über 200 t Tragfähigkeit nach Berlin kamen. Auch noch
aus dem 18. Jahrhundert findet man viele Klagen der Kaufleute, namentlich
der Breslauer und Magdeburger, über die zu großen Schiffe, weil es meistens
lange Zeit dauerte, bis diese volle Fracht hatten und die Ablieferung der
zuerst geladenen Waren dadurch um so mehr verzögert wurde. Die von
der Magdeburger Schifferbrüderschaft zugelassenen Kahnfiihrer durften z. B.,
wie erwähnt, nur mit Schiffen von 40 bis 50 t Tragfähigkeit nach Ham-
burg fahren und wurden deshalb von den Kaufleuten ofl bevorzugt. Man
muß dabei berücksichtigen, daß es sich damals vor Einfuhrung der Eisen-
bahnen vorwiegend um wertvolle Waren handelte und die Beförderui^ wohl-
feiler Massengüter noch nicht üblich war. Dann allerdings drängte die Er-
sparnis an Beförderungskosten schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts auf
Vergrößerung der Schiffe.
Das traf z. B. auf die Beförderung von Salz aus den staatlichen Salinen
von Schönebeck a. E. nach Berlin und Stettin zu, die vom Staate selbst be-
trieben wurde. Von der Eröffnung des Flauer Kanals wird berichtet, daß
das erste durchfahrende Salzschiff eine Länge von 39,2 m, eine Breite von
von 6,6 m und einen Tiefgang von 1,3 m gehabt habe. Das würde einer
Tragfähigkeit von 260 bis 270 t entsprechen und solche Schiffe waren da-
mals wahrscheinlich sehr selten. Es wird wohl gewissermaßen nur ein Parade-
schiff gewesen sein; denn im Jahre 1749 wurde vom Staate der »Versuch«
gemacht, für den fraglichen Salzverkehr größere Schiffe, als bisher üblich,
zu erbauen und in Betrieb zu stellen, und diese Schiffe waren bis 35 m lang,
bis 5 m breit, 1,2 m hoch und hatten bei i m Tiefg^ang nur eine Trag-
fähigkeit von etwa 140 t. Sie haben sich bei der Fahrt durch die Kanäle
und Schleusen (besonders im Finowkanal) nicht bewährt und mußten bald
wieder unter den Kosten verkauft werden.
Die Fortbewegung der Schiffe geschah auf den Flüssen talwärts durch
Treiben mit der Strömung, zuweilen mit Unterstützung von Segeln; auf den
Kanälen wurde mit Hilfe der Schiffmannschaft getreidelt. Für die Berg-
fahrt auf den Strömen wurde gewöhnlich, namentlich von Hamburg aus,
eine gewisse Zahl (6 bis 10) von »Zugknechten« angeworben, die in der
54 Abschnitt TL. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Regel vom Ufer aus das Schiff zogen. Wenn dies in sehr verwilderten
Stromstrecken nicht gelang und auch kein zum Segeln hinreichender, günsti-
ger Wind wehte, wurde das Treidelseil mittels Handkahn eine Strecke strom-
auf befördert und an einem Anker oder einem anderen sicheren Punkte fest-
gemacht. Das andere Ende wurde zum Schiff zurückgebracht und die Zug-
knechte nebst der Mannschaft zogen (Schifferausdruck > melken«) daran das
Schiff vorwärts. Dieser Betrieb, den man »Warpschiffahrt« (»warpen« wohl
von werfen) nennt, findet sich in späterer Zeit auch zuweilen auf anderen
Strömen, z. B. der Donau, und war namentlich auf der Wolga sehr üblich.
An der oberen Elbe wurde auch mit Pferden getreidelt, namentlich zwischen
Dresden und Tetschen, wo eine Art von Leinpfad vorhanden war. Doch
war das sonst nur auf sehr kurzen Strecken der Elbe möglich.
Von großer Bedeutung für die Binnenschiffahrt in den östlichen preußi-
schen Provinzen wurde das 1794 erlassene Allgemeine Landrecht. Wichtig
sind besonders die Bestimmungen, daß alle von Natur schiffbaren Ströme als
öffentliche im gemeinen Eigentum des Staates stehen, der für die ihm zu-
stehenden Nutzungen verpflichtet ist, für die zur Sicherheit und Bequemlich-
keit der Schiffahrt nötigen Anstalten zu sorgen. Ferner ist darin bestimmt
ausgesprochen, daß (abgesehen von den früheren Vorrechten der Gilden) die
Schiffahrt auf öffentlichen Flüssen unter den vom Staat festgesetzten Be-
dingungen (Abgaben und Polizeivorschriften) einem jeden erlaubt ist. Auch
das Leinpfadrecht der Schiffer wurde dadurch festgelegt und alle eigenmäch-
tigen Bauten und Handlungen an und in den öffentlichen Flüssen verboten.
Westdeutschland.
In der Zeit zwischen der Erfindung der Kammerschleuse und der Er-
findung des Dampfschiffs hat sich die Binnenschiffahrt im westlichen Deutsch-
land nicht so entwickelt wie im östlichen. Zur Anlage von Kanälen waren
zum Teil die natürlichen Vorbedingungen nicht vorhanden ; besonders fehlten
aber dort größere Staaten sowie kraft- und einsichtsvolle, bedeutende Landes-
herren.
Im Wesergebiet blieben wie in früherer Zeit (S. 26) Münden und Hameln
die schwierigsten Stellen. Das Mündener Stapelrecht und die 1640 bestätigte
Schiffergilde verhinderten den durchgehenden Verkehr zur Werra und Fulda.
Trotzdem bestand im 15. und 16. Jahrhundert auf der Werra eine ziemlich
lebhafte Talschiffahrt von Wannfried, das 1608 das Stapelrecht erhielt, bis
Münden, wo die Schiffe gewöhnlich verkauft wurden. Es wird berichtet, daß
der Landgraf Moritz von Hessen im Jahre 1602 die Werra oberhalb Wann-
fried bis Meiningen schiffbar machen wollte, aber die Zustimmung der übrigen
Uferanlieger nicht gewinnen konnte. Der Herzog von Sachsen- Gotha ver-
anlaßte im Jahre 1659 einige Probefahrten auf dieser oberen Strecke von
Themar nach Salzungen und Wannfried, stieß aber auf ähnliche Schwierig-
keiten. Unterhalb Wannfried entwickelte sich die Schiffahrt besser: Die An-
fang des 17. Jahrhunderts an den Stauanlagen eingerichteten Schiffdurchlässe
3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 55
wurden im i8. Jahrhundert durch Kammerschleusen von ziemlich großen
Abmessimgen (34 bis 40 m lang, 4,15 bis 4,25 m breit) ersetzt. Die Schleuse
bei Allendorf wurde z. B. im Jahre 1739 gebaut.
(Im Jahre 1850 wollte man die Schiffahrtanls^en der Werra verbessern,
konnte aber die Zustimmung Hannovers nicht erlangen. 1877 ist dann end-
lich in Münden (an Stelle des 7,3 m weiten »Hohls« im Wehr) eine Schleuse
gebaut worden. Aber das kam zu spät: die Schiffahrt war verschwunden.)
Die Fulda soll der Landgraf Moritz etwa um 1600 von Kassel aufwärts bis Hersfeld
durch Anlage von 6 Schiffdurchlässen schiffbar gemacht haben. Im 18. Jahrhundert sind diese
durch Kammerschleusen (25 bis 35 m lang und 3,8 bk 4,6 m breit) ersetzt worden, von denen
die 5 unteren noch vorhanden sind. Der Landgraf Karl von Hessen hatte Anfangs des 18. Jahr-
hunderts große Wasserstraßen-Pläne: um das hinderliche Stapelrecht von Münden zu umgehen,
wollte er eine künstliche Wasserstraße von Karlshafen bis Kassel bauen (1717), die zunächst
von der Weser durch die noch vorhandene Schleuse zum Hafenbecken von Karlshafen anstieg,
von dort der aufgestauten Diemel bis zur Esse-Mündung folgen und dann als Kanal durch das
Esse- und Ahnetal nach Kassel geführt werden sollte. Von der niemals fertig gewordenen
Wasserstraße sind jetzt noch einige Reste vorhanden. Dieser Landgraf soll auch die Absicht
gehabt haben, von der Fulda einerseits einen Kanal durch die Schwalm zur Lahn und andrer-
seits einen solchen zur mittleren Werra anzulegen. Doch diese Pläne wurden nicht verwirklicht.
In Münden blühte Schiffahrt und Handel am Ende des 17. und im
18. Jahrhundert außerordentlich, namentlich am Ende des letzteren während
der Kontinentalsperre. Da ging der Rheinhandel zum großen Teil auf die
Weser über, indem Nürnberg, Augsburg und Frankfurt a. M. über Münden
verfrachteten. Bemerkenswert für den lebhaften Handel in Münden ist es, daß
selbst die Sackträger dort eine Gilde bildeten, die 1738 bestätigt wurde. Die
Mündener Schiffergilde hatte allein das Recht, die Fulda bis Kassel zu be-
fahren, während sie auf der Werra mit den hessischen Schiffern gleich be-
rechtigt war.
Das Stau von Hameln war ein großes Schiffahrthindernis, zumal dort
bis etwa 1634 nur eine Wehrlücke (»Fiehre«) bestand. Dann wurde das Wehr
neugebaut und an der Stadtseite ein Schiffdurchlaß (Freiflut- Schleuse) an-
gelegt. Trotz der für die Bergfahrt der Schiffe angebrachten Winde war die
Durchfahrt gefährlich und auch eine Vergrößerung der Weserschiffe war da-
durch unmöglich gemacht. Die Hamelner waren mit dem Zustande zufrieden,
weU sie beim Leichten und Umladen verdienten, und wollten keine Schleuse,
trotz des Drängens von Bremen und Münden. Zugunsten der letzteren Stadt
ließ die hannoversche Regierung in den Jahren 1732/33 eine Kammerschleuse
erbauen. Sie wurde 49,6 m lang und 5,85 m breit aus Stein hergestellt.
Im übrigen bestanden im Fahrwasser der Weser die alten Mängel:
Fisch wehre, Baumstämme und Klippen. Von wesentlichen Verbesserungen
während dieses Zeitraums ist außer zwei Durchstichen, von denen je einer von
Preußen und Hannover im 18. Jahrhundert ausgeführt wurde, nichts bekannt.
Die notdürftige Freihaltung des Fahrwassers war Sache der Schiffergilden in
Münden und Vlotho, die dafür zur Erhebung von »Mastengeld« befugt waren.
Die Vlothoer Güde besorgte den Verkehr von Hameln bis Bremen.
56 Abschnitt IL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Auf den Nebenflüssen, namentlich auf der Aller, entwickelte sich die Schiffahrt gut bis
Celle, wo sich die unterste Stauanlage befand. Im 18. Jahrhundert machte man den Versuch,
den Fluß weiter hinauf bis Gifhom schiffbar zu machen und baute 1747 bei Dieckhorst eine
Schleuse. Die Arbeiten wurden aber 1773 aufgegeben.
Auf der Leine unterhalb Hannover war die Schif&hrt unbedeutend. 1749 wurde neben
dem Mühlenwehr bei Neustadt a. R. eine Schleuse von 47,4 m Länge und 5,2 m Breite erbaut.
Der im Mittelalter ziemlich lebhafte Verhehr auf der Oker bis Braunschweig ging schon
im 15. Jahrhundert zurück und die Versuche, die Schiffahrt zu heben, schlugen fehl.
Die Größe der Schiffe im Wesergebiet war im Ober- und Unterlauf
verschieden, besonders vor Erbauung der Hamehier Schleuse. Auf der oberen
Fulda und der oberen Werra verkehrten nur Schiffe von 10 bis 12 t Trag-
fähigkeit (etwa 18 m lang und 1,7 m breit). Auf der unteren Werra und
Fulda sollen im 18. Jahrhundert die Schiffe (bis 27 m lang und 3,5 m breit)
bereits 30 bis 40 t Tragfähigkeit besessen haben. Auf der Weser unter-
schied man Böcke von 60 bis 80 t Tragfähigkeit (35 bis 36 m lang und
2,5 bis 2,8 m breit), Hinterhänge von 40 bis 50 t Tragfähigkeit (32 bis 33 m
lang und 1,8 bis 2,2 m breit) und Bullen von etwa 20 t Tragfähigkeit (18 bis
20 m lang und 1,2 bis 1,5 m breit). Ein Bock, ein Hinterhang und ein Bulle
bildeten zusammen einen »Mast« und wurden zusammen befördert, wobei die
beiden letztgenannten Schiffe oft nur leer als Leichterschiffe mitgefiihrt wur-
den. Nach dem Bau der Hamelner Schleuse wurden die Schiffe größer; doch
liegen genaue Mitteilungen darüber nicht vor. Im Jahre 1790 sollen auf der
Weser 76 Böcke, 84 Anhänge und etwa 20 Bullen im Gebrauch gewesen
sein; außerdem noch 64 Bullen als besondere Leichterschiffe.
Die Fortbewegung geschah zu Berg ausschließlich durch Treideln.
Ein Mast wurde von Bremen bis Hameln durch 40 bis 70 Menschen ge-
zogen, von Hameln bis Münden dagegen durch Pferde. Es wäre gut aus-
führbar gewesen, auch unterhalb Hameln mit Pferden zu treideln; aber die
hannoversche Regierung widersetzte sich diesem Unternehmen, um den Ufer-
anwohnern nicht ihre Einnahmen zu entziehen. Erst im Jahre 1814 gab sie
den Wünschen der Schiffer nach und erlaubte die Pferdetreidelei gegen Er-
legung eines »Triftgeldes«.
So litt die Schiffahrt an der Weser unter vielen Abgaben und Lasten.
Außer den 22 Zollstätten zwischen Bremen und Münden war z. B. noch das
Kommandantengeld und Geleitsgeld für die militärische Begleitung zu bezahlen.
Im Jahre 1724 wurde eine Reihe fahrt auf der Weser zwischen Münden
und Bremen vereinbart; sie wurde aber bald wieder aufgehoben, besonders
weil die verschiedenen Staaten sich nicht darüber einigen konnten.
Am Rhein wurde naturgemäß die Schiffahrt durch die Erfindung der
Kammerschleuse nicht berührt; aber der gleichzeitig eintretende Umschwung
des Welthandels (S. 31) gab Holland ein bedeutendes Übergewicht über die
anderen Rheinuferstaaten, da vom 16. Jahrhundert an die meisten wertvollen
Waren aus den überseeischen Ländern bergwärts befördert wurden. All-
mählich beherrschten die holländischen Häfen den ganzen Rheinhandel, zumal
3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 57
nachdem durch den westfälischen Frieden (1648) die Scheide für die Schiff-
fahrt gesperrt worden war. Zu den drückenden Rheinzöllen traten damals
noch die von Holland eingeführten Durchgangszölle, Köln, Mainz und Straß-
burg hielten an ihrem Stapelrecht fest, was immer wieder zu Streitigkeiten
Veranlassung gab. Ebenso war es mit den Schifferzünften. Am Ende des
dreißigjährigen Krieges lagen die Verhältnisse so, daß die Baseler abwärts
bis Straßburg und zuweilen noch weiter fuhren, während sie aufwärts nur mit
Erlaubnis der Straßburger Zunft Waren befördern durften. Die Straßburger
hingegen fuhren abwärts bis Mainz, Frankfurt und zuweilen bis Köln und
aufwärts bis Basel, während sie bei der Fahrt von Basel abwärts nur berech-
tigt waren, Wallfahrer (aus Kloster Einsiedeln in der Schweiz) nach Frankfurt
zu befördern. Die Mainzer Schiffer befuhren den Rhein bis Köln und den
Main bis Würzburg'). Doch diese Bestimmungen änderten sich zeitweilig.
Straßburg führte 1650 für den Güterverkehr mit Mainz bestimmte Fracht-
sätze und eine Rangschiffahrt (»Umgang«) ein, die im Jahre 1752 neu
geordnet wurde, aber nicht den Beifall der Kaufleute fand, weil sie nicht
mehr die Schiffe nach Belieben auswählen konnten. Im Jahre 1738 bemühte
man sich auch zwischen Mainz und Köln eine Rangschiffahrt einzurichten;
doch kam diese nicht zustande.
Bemerkenswert ist, daß im Jahre 1782 ein regelmäßiger Güterverkehr
zwischen Straßburg und Mainz in der Weise betrieben wurde, daß an jedem
zehnten Tage ein Güterschiff abgefertigt wurde.
Als im Jahre 1794 das ganze linke Rheinufer mit Köln an Frankreich
fiel, trat fiir die Schiffahrt ein großer, im allgemeinen günstiger, Umschwung
ein, indem neue fortschrittliche Gesetze zur Einführung kamen. So waren
z. B. durch das französische Gesetz von 1791 über die Gewerbefreiheit alle
Zünfte u. dgl. aufgehoben worden. Allerdings duldete die Regierung am
Rhein zunächst die bestehenden Schifferzünfte: es entstand ihnen aber all-
mählich eüi merklicher Wettbewerb durch viele neu auftretende Schiffer aus
anderen Rheinuferorten. Auch das Stapelrecht von Mainz und Köln blieb
zunächst unbehindert und wurde sogar 1798 von der Regierung bestätigt —
zum großen Kummer von Frankfurt und Düsseldorf, In demselben Jahre
wurden in Frankreich und auch in Köln, Straßburg, Krefeld und Aachen die
Handelskammern eingerichtet.
Sehr gestört wurde die Schiffahrt durch den Umstand, daß in diesem Jahre
die französische Grenze in den Talweg des Rheins gelegt wurde und der Ver-
kehr von Ufer zu Ufer stets über die Zollgrenze ging. Die strenge Bewachung
der Grenze, die peinliche Durchsuchung der Schiffe und die hohen Einfuhrzölle
vertrieben die Schiffahrt vom Strome und die Landstraßen am rechten Ufer
wurden um so belebter. Um die Verhältnisse zu bessern, bewilligte Napoleon
später (1804) den Städten Köln und Mainz die Einrichtung von Freihäfen.
i) Lop er, Die Rheinschiffahrt Straßburgs in früherer Zeit. StraT^burg 1877.
58 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Die französische Regierung war bestrebt, die Schiffahrtverhältnisse gründ-
lich zu verbessern und nach dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803
kam es im Jahre 1804 zu dem segensreichen Oktroivertrage zwischen
Frankreich und Deutschland. Zunächst handelte es sich dabei um die Rege-
lung der Flußzölle, worüber im nächsten Abschnitt^) gesprochen werden soll.
Außerdem wurde eine Reihe von Verwaltungs- und Polizeivorschriften für die
Rheinschiffahrt vereinbart, die fast alle für die spätere Zeit von großer Be-
deutung geblieben sind *).
Da der Rhein hinfort in Beziehung auf Handel und Schiffahrt ein zwischen Frankreich
und Deutschland gemeinschaftlicher Fluß sein sollte, so wurde die Verfügungsgewalt über die
Wasserstraße den Uferstaaten entzogen und einer neutralen Behörde übertragen, die in
Mainz ihren Sitz hatte und aus einem Direktor und vier Inspektoren bestand. Diese General-
verwaltung war zugleich Gerichtsbehörde zur raschen Erledigung aller vorkommenden Streitig-
keiten. Der Direktor und die Inspektoren leiteten die Abgabenerhebung, deren Beamte sämtlich
ihnen unterstellt waren, sorgten für guten Zustand des Fahrwassers und der Leinpfade und be-
aufsichtigten den gesamten Schififahrtbetrieb. Dadurch wurde der Einfluß der kleinen Ufer-
staaten ganz beseitigt.
Bei den Verhandlungen über das Stapelrecht wurde von dessen Verteidigern angeführt,
daß nicht alle Strecken des Stromes aus technischen Gründen von denselben Schiffen und den-
selben Schiffern befahren werden könnten, auch müßten viele Waren, die die lange Reise nicht
aushielten, zuweilen >nachgesehen, gelüftet oder umgepackt werden«; darum sei es g^ut, wenn
in Mainz und Köln die Fahrt unterbrochen würde. Trotz dieser unhaltbaren Gründe wurde
das Stapel- und Niederlagsrecht der beiden Städte nicht ganz aufgehoben, sondern in ein Um-
laderecht verändert, vielleicht, weil man dadurch eine zuverlässigere Erhebung der Fluß- und
Einfuhrzölle zu erreichen hoffte. Der Umladezwang, der Übrigens für Mainz mit Bezug auf
Frankfurt wesentlich eingeschränkt wurde, erstreckte sich lediglich auf die sogenannte große
Schiffahrt mit eigentlichen Handelsgütern. Der Ortsverkehr, die Marktschiffe und der Verkehr
mit losen, minderwertigen Massengütern wurde ausgeschlossen.
An Stelle der alten Zünfte wurden in den > Stationsstädten« Köln und Mainz, Schiffer-
gilden oder Schiffervereine eingeführt, die sich vor allem darin unterschieden, daß Schiffer
aus allen Rheinorten und von beiden Ufern aufgenommen wurden, und daß diese Gilden nur für
die große Schiffahrt, die >von einem Teile des Rheinstroms zum andern durch Vorbeifahren an
Mainz und Köln statt hat«, Vorrechte erhielten, während die Kleinschiffahrt dabei nicht be-
teiligt, sondern freigegeben wurde. Diese Schiffer brauchten nur einen Erlaubnisschein ihrer
Landesregierung. Beibehalten wurde für die Gilden die alte Ladeordnung nach der Rangreihe,
die, besonders hinsichtlich der Beladung und Abfahrt der einzelnen Schiffe von den Beamten
der Oktroiverwaltung beaufsichtigt wurde. Diese Beamten prüften auch die in die Gilde aufzu-
nehmenden Schiffmeister nach den vereinbarten Vorschriften. Die neuen Gilden mußten Unter-
stützungskassen für die Schiffer einrichten.
Die ersten Gildelisten wurden im Jahre 1808 aufgestellt. Dabei wurden die Schiffer
für direkte Fahrten zwischen den Stationsstädten und den Endpunkten der Schiffahrt am Ober-
rhein und in Holland, bei denen unterwegs nicht ein- oder ausgeladen werden durfte, und die
Schiffer für Zwischenfahrten unterschieden, die von diesen Orten nach Zwischenhäfen gingen.
Von den ersteren wurden in Mainz 104 und in Köln 114, von den letzteren 70 und 40 aufge-
nommen und eingetragen. Dazu kamen noch 51 Jachtenschiffer. (Darunter waren auch einige
Holländer.) Nach Abschluß der ersten Listen sollte die Zahl der Mitglieder ohne Genehmigung
des Generaldirektors nicht vermehrt werden. Die ausgebildeten Lehrlinge wurden zu »angehen-
den Schiffmei Stern« ernannt und mußten warten, bis eine Lücke eintrat. Tatsächlich wurde die
Mitgliedschaft später erblich und die Zahl der Mitglieder allmählich kleiner.
i) Die Binnenschiffahrt auf dem Wiener Kongreß von 181 5.
2) Eckardt, Rheinschiffahrt im 19. Jahrhundert, Leipzig 1900, und Gothein, Ge-
schichtliche Entwickelung der Rh ein Schiffahrt im 19. Jahrhundert, Leipzig 1903.
3« Von der Kammerschleuse bis zum DampfschifT. 59
Nach Ockhart^) fuhren im Jahre 1813 auf dem Rhein, einschließlich der nach Köln kom-
menden holländischen Schiffer, im ganzen 689 Schiffer. Abzüglich der 328 Gilden- und 51 Jacht-
schiffer blieben somit 310 Kleinschiffer übrig. Hierzu traten (1810 bis 18 13) von den Neben-
flüssen 629 Schiffer, die mit Ausnahme der Frankfurter auf dem Rhein zu fahren nicht berechtigt
waren. Dies führte zu vielen Klagen, so daß diesen Schiffern schließlich doch die Rheinschiff-
fahrt erlaubt wurde.
Die Festsetzung der Frachtsätze für die Stationstädte erfolgte von 6 zu 6 Monaten
durch die Oktroiverwaltung nach Anhörung der Handelskammern zu Köln, Mainz, Straßbnrg und
der Magistrate zu Düsseldorf, Frankfurt und Mannheim. Von der Notwendigkeit der behörd-
lichen Regelung war man damals allgemein überzeugt, damit die Schiffer im Wettbewerb nicht
verhungerten und die Kaufleute bei dem Behandeln der Frachten nicht ihre Zeit vertrödelten.
Bemerkenswert ist, daß die Haftpflicht des Schiffers für die Ladung ausdrücklich in die Ver-
ordnungen für die Gilden aufgenommen wurde.
Als im Jahre 18 10 Holland mit Frankreich vereinigt wurde, übertrug
man den Oktroivertrag auch auf die holländische Rheinstrecke. Das dauerte
aber nur bis 181 3.
Die Personenbeförderung hat sich in diesem Zeitalter im Rheingebiet
sehr entwickelt. Zwischen Mainz und Frankfurt verkehrten schon im Mittel-
alter (S. 24) regelmäßige Marktschiffe. Am Ende des 15. und im 16. Jahr-
hundert dehnte sich dieser Verkehr bis Basel und Köln, Trier und Würzburg
aus und erreichte im 18. Jahrhundert seinen Höhepunkt.
Die Fahrt von Basel bis Straßbnrg dauerte etwa einen langen Tag, von Straßburg bis
Mainz 3, von Mainz bis Köln 2 bis 3 Tage. Es wurde stets dabei getreidelt und zwar rhein-
aufwMrts bis Speyer mit Pferden, oberhalb Speyer mit Menschen. Die Dauer der Bergfahrten
war schwankend: von Köln nach Mainz 3 bis 4 Tage, von Mainz nach Straßburg 8 bis 10 Tage,
unter Umständen aber viel länger. Zwischen Mainz und Köln verkehrten die Marktschifife für
Personen- und Güterbeförderung (auch >Wasserdiligenzen< genannt) seit dem 17. Jahrhundert
täglich. Der für Berg- und Talfahrt gleiche Fahrpreis für eine Person betrug gegen Ende des
18. Jahrhunderts von Mainz bis Koblenz 4,5 bis 4,8 Mark, bis Köln 9 bis 9,6 Mark. Wenn
jemand eine besondere Jacht for sich allein haben wollte, mußte er für die Strecke von Mainz
bis Koblenz 115 oder 154 Mark, bis Köln 173 oder 230 Mark bezahlen, jenachdem die Jacht
mit einem oder mit zwei Pferden bespannt wurde. Zur französischen Zeit wurde namentlich
die Wasserpost Mainz-Köln gepflegt und von der Oktroiverwaltung streng geregelt und be-
aufsichtigt. Während der Freiheitskriege wurden die Jachten und Marktschiffe zur Beför-
derung von Soldaten sehr in Anspruch genommen. Selbst nach der Einführung der Dampf-
schiffahrt haben die Marktschiffe noch lange bestanden, etwa bis 1860.
Im Fahrwasser des Rheins war die gefahrlichste Stelle die Felsen-
strecke von Bingen bis St. Goar. Wenngleich schon zur Zeit Heinrichs IV.
1056 bis II 06) der Mainzer Bischof Siegfried einige Verbesserungen im
Binger Loch vorgenommen haben soll und am Anfang des 17. Jahrhunderts
das Frankfurter Handlungshaus Stockum größere Felsensprengungen veran-
laOte, so blieb es doch im allgemeinen bis zum Jahre 1830 bei niedrigen
Wasserständen nötig, die Waren dort aus den Schiffen auszuladen und auf
dieser Strecke über Land zu befördern. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts
gingen die oberrheinischen Schiffe in der Regel überhaupt nur bis Bingen.
Auch am übrigen Rhein ist bis zum 1 8. Jahrhundert über besondere Strom-
bauten nichts bekannt geworden. Für die notdürftigste Räumung des Fahr-
i) Der Rhein nach der Länge seines Laufs und der Beschaffenheit seines Strombetts mit
Beziehung auf dessen Schiffahrtsverhältnisse betrachtet. Mainz 1816.
60 Abschnitt n. Geschlcbtlicfaer Rückblick bis 187a.
Wassers sorgten die Schifferzünfte und einzelne große Städte legten am Ufer
zuweilen Schutzbauten an, wie es von Köln aus dem Jahre 1550 berichtet
wird. Man muQ daran erinnern, daß die damaligen kleinen Schiffe nur ge-
ringe Fahrwassertiefen brauchten. Am Niederrhein soll der groOe KurfUrst
von Brandenbui^ 1677 einen Durchstich au^efiihrt haben, um der großen
Verwilderung des Stromes zu begegnen.
Von besonderer Wichtigkeit war damals der Leinpfad (S. 25) und die
Klagen der Schiffer über dessen mangelhaften Zustand hörten niemals auf.
Im Jahre 1717 beschlossen die vier rheinischen Kurfürsten auf der Zollkon-
ferenz zu Bacharach, die Leinpfade künftig aus den Mitteln der ZoUeinkünfle
in Ordnung zu halten. Aber es scheint nicht viel gemacht zu sein; denn
Abb. 6. Niederrheimsches Schuf vaa 1531.
die Klagen hörten nicht auf und noch am Anfang des 19. Jahrhunderts waren
die Leinpfade am Oberrhein so mangelhaft, daß von Schröck (Leopoldshafen)
oder Neuburg aufwärts mit Menschen getreidelt werden mußte. Für Frank-
reich war schon 1669 eine aligemeine Verordnung über die Freihaltimg und
Duldui^ der Leinpfade erlassen, die im Jahre 1754 ausdrücklich auf das seit
1681 französisch gewordene Elsaß und Straßbui^ übertragen wurde.
Als Preußen am Niederrhein größeren Besitz erworben hatte, begann
es auch mit Stromverbesserungen. Friedrich der Große richtete 1764 dort
eine Wasserbauverwaltung ein und ließ bei Rees (1784) und bei Wesel (1788)
große Durchstiche herstellen. Außerdem wurden mehrere Sperrdämme, Ufer-
schutzbauten und im Jahre 1781 die ersten senkrechten Buhnen (Kribben)
gebaut, die früher mit dem Kopf stromabwärts gerichtet worden waren. Im
3. Von der Kammericlileuse bU zum Darapfschiß'. 31
Jahre 1 794 hörten diese Bauten mit der franzosischen Herrschaft auf und die
Werke verfielen mangels genügender Unterhaltung. Nach Einführung des
Oktroivertrages [1805) sollte ein Teil der Zolleinnahmen zur Verbesserung
des Fahrwassers und der Leinpfade verwendet werden; doch ist nicht be-
kannt, ob und welche Arbeiten ausgeführt worden sind.
Die Rheinschiffe haben sich während dieses Zeitraums am Ober- und
Niederrhein in verschiedener Weise entwickelt, weil die Binger Sperre, das
Stapelrecht und das Zunftwesen einen durchgehenden Verkehr im allgemeinen
nicht zuließen. Die mitgeteilten beiden Abbildungen (6 und 7) stammen aus
Köln aus dem Jahre 1531 und zeigen ein oberrheinisches und ein nieder-
rheinisches Schiff.
In den Jahren 1619 und 1645 ordnete der Rat von StraÜbui^ an, daß die
SchifTe 36 m lai^j, 3,3 m breit und 1,6 m hoch gebaut werden und nicht mehr
Abb. 7. ObeirheiDisches Schiff von 1531.
als 40 t laden sollten. Seit 1667 baute man aber in StraDburg schon gröflere
SchifTe, die um i m langer und 0,3 m breiter waren. Diese wurden Rheinberger
genannt, waren mehr nach holländischer Art aus Eichenholz gebaut und wurden
nicht mehr nach einer Talfahrt verkauft. Bemerkenswert ist, daß die fertigen
Schiffe vor der ersten Fahrt durch besonders angestellte Schiffbeschauer auf
ihre Tüchtigkeit untersucht, dann verzollt und gezeichnet wurden. Die wach-
sende Größe der Schiffe fand aber auch am Rhein [wie in Ostdeutschland} nicht
den Beifall der Kaufleute, weil sie zu lai^e in Ladung lagen. Bei der oben
erwähnten Zollkonferenz zu Bacharach wurde deshalb 17 17 beschlossen, daß
ein-, zwei- und vierspännige Schiffe
höchstens 24 28 • 33 m lang,
. 2 2,5 » 3,1 m breit sein
und • 25 50 > 100 1 Tragfähigkeit
haben sollten.
62 Abschnitt H. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Aber gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahm die Größe der Schiffe
dennoch zu, so daß oberhalb Mannheim ausnahmsweise Schiffe bis zu 120 t,
zwischen Mainz und Köln solche von 150 t und unterhalb Köln von 200 bis
250 t, ausnahmsweise bis 300 t Tragfähigkeit verkehrten. Diese Schiffe auf
dem Niederrhein hießen »Ackens« oder »Bönder« und waren ebenso kräftig
gebaut und ausgerüstet wie die schweren holländischen Schiffe, die »Samou-
reusen«, welche bei gutem Wasserstande selbst bis 500 t trugen und bis Köln
verkehrten. Die offenen Ruhrkohlennachen hatten etwa 150 t Tragfähigkeit.
Im Jahre 181 9 wurden bei 815 RheinschifTem zusammen 1043 Fahrzeuge gezählt, von
denen mehr als die Hälfte am Mittelrhein beheimatet waren. Dazu kamen auf den Nebenflüssen
802 Schiffer mit zusammen 1438 Fahrzeugen, so daß im Rheingebiet rund 2500 Schiffe vor-
handen waren, von denen die Mehrzahl jedoch nur eine Tragfähigkeit bis zu 15 t hatte. Die
Bemannung der großen Schiffe auf dem Mittel- und Niederrhein bestand durchschnittlich aus
5 Leuten ohne den Steuermann; die oberrheinischen Schiffe von mehr als 60 t Tragfähigkeit
wurden aber mit 3 Steuerleuten und 8 Knechten besetzt: i Steuermann am Hinterruder, 2 Steuer-
leute am Bugruder und die Knechte an den Riemen der Bordseiten (vgl. Abb. 7, wo noch eine
stärkere Bemannung erkennbar ist). Nach 1805 wurde der Zustand, die Ausrüstung und Be-
mannung der Schiffe von Beamten der Oktroiverwaltung untersucht.
Die Fortbewegung der Schiffe war dieselbe wie im Mittelalter: Tal-
wärts trieb man mit dem Strom und segelte. Aufwärts nahm man in der
Regel Pferde zum treideln, die man überall, oft zu bestimmten staatlichen
Tarifen, erhalten konnte. Ende des 18. Jahrhunderts kostete z. B. ein Zieh-
pferd von Köln bis Mainz 25 bis 30 Mark, bei hohen Preisen auch 35 bis
50 Mark, wobei aber der Schiffer Pferd und Pferdeknecht beköstigen mußte.
Die >Leinenreiter oder Halfterer« waren in Zünften vereinigt und lebten
oft in Streit mit den Schiffern, die sehr abhängig von ihnen waren. Am
Oberrhein, oberhalb Schröck oder Ottenheim, mußte nach wie vor mit Men-
schen getreidelt werden. Dort wurden die Schiffe bei der Bergfahrt auch in
der Regel geleichtert.
Die Bergfahrt eines Lastschiffes dauerte von Mainz bis Straßburg 20
bis 34 Tage, von Rotterdam bis Köln (oft mit 20 bis 30 Pferden) bei günsti-
gem Winde mindestens 14 Tage, oft aber 40 und mehr Tage. Nach Ein-
fuhrung der Oktroiverwaltung wurden für die regelmäßigen Rangladungen in
der Zeit von Mitte März bis Mitte November gestattet:
von Holland nach Köln zu Berg 14 Tage, zu Tal 10 Tage,
von Köln nach Mainz zu Berg 8 Tage, zu Tal 4 bis 5 Tage,
von Mainz bis Straßburg zu Berg 14 bis 20 Tage, zu Tal 6 bis 8 Tage.
Man fuhr damals aber meistens schneller und erreichte von Amsterdam in
10 bis 12 Tagen Köln und von da in 6 Tagen Mainz'). Im Winter und
bei schlechtem Wetter oder Fahrwasser dauerten die Reisen länger.
Der Verkehr auf dem Rhein ging mit den Stürmen der französischen
Revolution zurück und war in der Zeit von 1793 bis 1797 ganz gering. Nach
kurzem Wiedererwachen kam die Kontinentalsperre, die den Handel so ver-
i) Nach Eckert und Ockhart a. a. O.
3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 63
minderte, daß z. B. in Köln in den Jahren von 1807 bis 18 13 die Zufuhr
von unten von 49632 t auf 29073 t und die Abfuhr nach unten von 85 766 t
auf 38490 t zurückging. In Straßburg ging die Zufuhr von unten von 4306 t
auf 876 t zurück; dagegen nahm die Talschiffahrt auf dem Oberrhein infolge
des lebhaften Binnenhandels auf der Linie von Straßburg nach Frankfurt a. M.
während dieser Zeit erheblich zu'). Die Einnahmen aus den im Jahre 18 13
noch bestehenden 1 2 RheinzoUämtem betrugen nur ein Fünftel von den Ein-
nahmen im Jahre 1807.
Auch einige kleinere Kanalbauten sind im Rheingebiet zu erwähnen. Im Jahre 1626
machte man den Versuch, den Rhein mit der Maas bei Venlo durch einen Kanal zu verbinden.
Diese niemals fertig gestellte und bald verfallene Wasserstraße ging von Rheinberg aus, führte
bei Geldern und Walbeck vorbei und endete bei Arben, etwa 10 km unterhalb Venlo. Auch
wird von einer ähnlichen Verbindung berichtet, die von Grimlinghausen bei Neuß nach Venlo
fuhren sollte.
Unter der Regierung des Großen Kurfürsten wurde zur Verbindung der Stadt Kleve mit
dem Rhein der etwa 10 km lange Spoykanal unter Benutzung alter Flußarme hergestellt.
(Er geriet später in Verfall und wurde 1847 wieder ausgebaut und mit einer Schleuse für
kleine Schiffe fahrbar gemacht. Im Jahre 1909 ist der Kanal für große Rheinschiffe herge-
richtet und mit einer entsprechenden großen Schleuse versehen worden.)
Im Jahre 1778 wurde auf dem linken Ufer des Oberrheins der Frankenthaler Kanal
gebaut, der die betriebsreiche Stadt Frankenthal in der Pfalz mit dem Rhein verbindet. Dieser
4,5 km lange, 2 m tiefe Kanal ist nur fUr kleine Schiffe fahrbar und hat jetzt nur eine Schleuse
von 47 m Länge und 5,2 m Breite. (Im Jahre 1868 betrug der gesamte Kanalverkehr 9100 t.)
Auf dem Neckar muß schon im frühen Mittelalter eine einträgliche Schiffahrt betrieben
worden sein; denn im Jahre 830 werden bereits die Flußzölle bei Ladenburg und Wimpfen
und im Jahre iioo eine >Schiffslände< in Heilbronn erwähnt^]. Diese freie Reichsstadt besaß
seit 1333 das Stapelrecht und andere Rechte am Strome, den sie durch Mühlenwehre verbaut
hatte, und bildete vom Rhein her den Endpunkt der Schiffahrt. Die Grafen von Württemberg
strebten seit der Mitte des 15. Jahrhunderts dahin, den Strom oberhalb der Stadt, mindestens
bis Kannstadt und Berg (bei Stuttgart) schiffbar zu machen. Im Jahre 1553 erteilte Kaiser
Karl V. die Genehmigung dazu; aber der Widerstand der Heilbronner und die vielen Mühlen-
wehre und anderen Hindemisse, die sich in dieser Stoms trecke befanden, ließen den Plan
erst im Jahre 17 13 gelingen. Der anfange recht lebhafte Verkehr bis Kannstadt ließ jedoch
bald nach.
Der untere Lauf von Heilbronn bis Mannheim war gleichfalls für die Schiffahrt sehr un-
bequem; denn abgesehen von einzelnen Stellen mit sehr starkem Gefälle, behinderten Felsbänke,
starke Krümmungen u. dgl., sowie besonders die Mühle bei Wimpfen die Fahrt.
Der Schiffahrtbetrieb lag in den Händen der Neckartaler Schiffs bruderschaft. Dies
war ei^ie Vereinigung der Schifferzünfte aus allen Orten am Strome, deren Satzungen schon aus
dem Jahre 1605 bekannt sind 3). Die unter Aufsicht der Regierung der Kurpfalz stehende
Bruderschaft sorgte auch notdürftig für einen brauchbaren Zustand des Fahrwassers und des
Leinpfades. Sie setzte sich aus den > Schiffsleuten« oder »Rangschiffern« und den »Hümplem«
zusammen. Die ersten hatten mehr Rechte und größere Schiffe, die am Ende des 18. Jahr-
hunderts bis etwa 50 t Tragfähigkeit hatten, während die »Humpelnachen« nur 10 bis 15 t
tragen konnten und zu den g^roßen Fahrten bis Mainz und Frankfurt mit Kaufmannsgütem in
der Regel nicht zugelassen wurden. Der Schiffsmann durfte ein Hauptschiff, ein Leichtschiff
und einen Anker- oder Sprengnachen führen, der Hümpler zwei Humpel- und einen Anker-
nachen. Außerdem gab es »Nachenführer« mit kleinen ein- und zweibordigen Nachen, die
noch weniger Rechte hatten und mit der Bruderschaft oft im Streite lagen.
1) Vgl. Zeitschrift für Binnenschiffahrt 191 1, S. 155.
2) Pfaff, Geschichte der Neckarschiffahrt in Württemberg bis zum Anfange des 19. Jahr-
hunderts, Wtirttembergisches Jahrbuch von 1859, II. Heft.
3) Hei man, Die Neckarschiffer. Heidelberg 1907.
64 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Im Jahre 17 12 wurden von der pfälzischen Regierung Marktschiffe eingeführt, die
zunächst von Heilbronn bis Heidelberg und später über Mannheim und Mainz bis Frankfurt
verkehrten. Solche Marktschiffe wurden auch oberhalb Heilbronn bis Ludwigsburg (1714) und
bis Kannstadt (17 16) eingerichtet. Unterhalb Heilbronn führte das zu vielen Klagen und Be-
schwerden der Bruderschaft.
Die Fortbewegung der Schiffe erfolgte bergwärts von Mannheim in der Regel durch
Pferdetreidelei, durch die Schifisreiter oder Halfreiter. Die Rittlöhne wurden ebenso wie die
Frachtsätze von der Regierung festgesetzt. Damit femer die Beladung der Schilfe nicht zu
lange dauern sollte, wurde zum Vorteil der Kaufleute auch das Höchstgewicht der Ladung
vorgeschrieben, am Anfange des 18. Jahrhunderts zu 75 t, später zu 90 t, und Überschreitungen
wurden streng bestraft. (Im Jahre 1823 wurden am Neckar 231 Schiffer mit 255 Schiffen
gezählt.)
Der Verkehr mit dem Main und dem Niederrhein wurde durch das Stapelrecht von Mainz
sehr erschwert, bis im Jahre 1749 in Mainz ein Vergleich zustande kam, der den Neckarschiffem
das Recht zur Befahrung diesei Wasserstraßen gab, während sie auf dem Neckar allein berechtigt
blieben. Auf der Stromstrecke oberhalb Heilbronn blühte die Schiffahrt wieder auf, als die Pfalz
mit Baiem im Jahre 1778 unter dem Herzog Karl Theoder vereinigt wurde und dieser mit
Wtlrttemberg einen Vertrag schloß, um die Handelstraßen des Rheins und der Donau durch den
Neckar zu verbinden. Die Württembergische Regierung baute mit beträchtlichem Aufwände den
Strom von Heilbronn bis Kannstadt so aus, daß Schiffe von 20 t Tragfähigkeit fahren konnten,
und es entwickelte sich auf diese Webe ein recht lebhafter Handelsverkehr zwischen dem Rhein,
Frankfurt und Kannstadt. Es sollen bex|^ärts in Kannstadt im Jahre 1787 etwa 4950 t Güter
angekommen sein. Der Verkehr nahm aber bald wieder ab, weil der Handel, namentlich nach
Österreich, andere Wege durch die Weser, die Elbe und über Land wählte. Die Wasserstraße
des Neckars war filr einen bedeutenden Durchgangverkehr nicht genügend, zumal in Heilbronn
alle Waren umgeladen werden mußten. (Dort bestand nur für den Floßverkehr eine im Jahre 1476
erbaute Floßgasse.) Auch verursachte die Mainwasserstraße einen empfindlichen Wettbewerb.
Der Main war in seinem unteren Laufe als Zugangsweg fUr Frankfurt seit den ältesten
Zeiten von Schiffen belebt und schon im Mittelalter verkehrten zwischen dieser Stadt und Mainz
regelmäßig Marktschiffe (S. 24). Doch litt der Handel von Frankfurt sehr unter dem Stapelrecht von
Mainz, das nur während der Frankfurter Messe außer Übung war und im übrigen zu viel Streitigkeiten
Veranlassung gab. Der Mainstrom bildete die große Handelstraße von den niederländbchen
Häfen nach Baiem, Böhmen und Österreich. Die Schiffahrt war lebhaft, aber durch Zölle und
das schlechte Fahrwasser behindert. Schon oben (S. 18) war erwähnt, daß im Jahre 1157 die
meisten Zölle vom Kaiser aufgehoben wurden. Dennoch bestanden am Ende des 18. Jahrhunderts
allein auf der Strecke unterhalb Bamberg 31 Zollstätten. Für das Fahrwasser geschah nichts
und die Müller verbauten an vielen Stellen nach Belieben den Strom durch regellose Wehre,
in denen nur etwa 10 m weite, durch bewegliche Holztafeln geschlossene Lücken (Wehrlöcher)
gelassen wurden. Die Wehre hatten Gefälle bis zu i m und waren von der Schiffahrt schwer
zu überwinden. Bei Haßfurt z. B. mußte man zu diesem Zwecke einem von 7 Pferden gezogenen
Schiffe noch einen Vorspann von 13 Paar Ochsen und 60 bis 70 Menschen geben. Den Müllern
mußten für das Durchlassen hohe Abgaben bezahlt werden. Besondere Schiffdurchlässe, waren
nicht überall vorhanden ; nur bei Würzbuig bestand ein enger und sehr gekrümmter Umgehungs-
kanal, in dem (vielleicht im 17. Jahrhundert) eine Schleuse von 46,7 m Länge und 6,4 m
Breite erbaut wurde. Bei Kitzingen war ein 6,3 m weiter Schiffdurchlaß vorhanden. Außer
den festen Mühlen befanden sich auf dem Strome noch viele hinderliche Schiffmühlen, die zum
Teil ihren Standort wechselten. Abgesehen von den Mühlen war der Strom sehr verwildert und
an einzelnen Stellen (z. 6. bei der Mündung in den Rhein) oft so versandet, daß in trockenen
Jahren die Schiffe schon bei einem Tiefgange von 0,3 m sitzen blieben.
Der Schiffahrtbetrieb war in den Händen der Zünfte, von denen die zu Würzburg
und Bamberg besondere Bedeutung hatten. Es bestanden zwischen einzelnen Orten auch Markt-
schiff- und Reihefahrten. Die größte Tragfähigkeit der Lastschiffe (meist »Scheiche« genannt)
war im 15. Jahrhundert 30 t, am Ende des 18. Jahrhunderts 60 t. Ein Schiff der letzteren Art
(eine »Frankensau«) war etwa 37 m lang, 5,6 m breit und hatte einen größten Tiefgang von
etwa 1,1 m, leer einen solchen von 0,35 m. Die Schiffe waren in der Kimm stark abgemndet,
ähnlich wie noch heute, und gut gebaut. Die Schiffbauer am Main, namentlich von Lohr, hatten
einen guten Ruf sie wurden z. B. 1770 nach Wien und Prag bemfen, um Schiffe für die Donau
. 3> Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 65
imd die Moldau zu bauen. Über die Treidelkosten wird mitgeteilt, daß am Ende des i8. Jahr-
hunderts für ein Pferd von Mainz bis Würzburg 30 Mark und bis Bamberg 45 Mark gezahlt
wurden (ohne Futter und Beköstigung der Reiter) ^). (Im Jahre 1823 wurden am Main 285 Schiffer
mit zusammen 656 Schiffen gezählt.)
Im 18. Jahrhundert nahm der Durchgangsverkehr vom Rhein nach Baiem, Böhmen und
Österreich allmählich ab, weil die Weser und namentlich die Elbe mit dem Rhein in erfolg-
reichen Wettbewerb trat. Der Wettbewerb mit der Neckarwasserstraße war bereits erwähnt.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich während der Kontinentalsperre (1807 bis
18 13) auf dem Main vorübergehend wieder ein lebhafterer Verkehr (S. 55 u. 63).
Die Ruhr kam zum Teil frühzeitig in preußischen Besitz und die Schiffahrt wurde wegen
des (zuerst 13 17 in einer Essener Urkimde erwähnten) Kohlenbergbaues nach Kräften gefördert.
Infolge der Versperrung der Wasserstraße durch Fischwehre im Mittelalter (S. 23) hatte sich
nur auf der unteren Strecke von Mühlheim-Broich bis zum Rhein ein Kohlenverkehr in kleinen
Schiffen entwickeln können, von dem im Jahre 1599 berichtet wird. Der Große Kurfürst
Friedrich Wilhelm bemühte sich im Jahre 1660 um die Verbesserung der Wasserstraße und
ebenso wurde unter König Friedrich Wilhelm I. diese Angelegenheit verfolgt, auch wegen
der staatlichen Saline Unna; aber die übrigen Uferstaaten machten Schwierigkeiten. Dasselbe
wird aus dem Jahre 1737 berichtet, als man von Hattingen aus mit der Kohlenverschifiung
Versuche machte*). Unter Friedrich dem Großen wurden im Jahre 1764 die Verhandlungen
wieder aufgenommen und man beschloß, die Kohlen von der Ruhr über Land nach Dorsten zu
.schaffen und auf der Lippe zum Rhein zu befördern. Da der Bau der Landstraße zu teuer
wurde, mußte dieser Weg aufgegeben werden. Weitere Verhandlungen von 1770 bis 1772
führten schließlich dazu, daß die anderen Uferstaaten die Erlaubnis zur Schiffahrt erteilten;
diese war aber durch die vielen Wehre (Schlachten) sehr behindert, da die Kohlen an ihnen
10 bis 15 Male umgeladen werden mußten. Im Jahre 1774 wurde die Schiffahrt für frei erklärt
und der große König ordnete den Bau von Kammerschleusen an: 16 Schleusen, davon 7 aus
Stein gebaut, 38 bis 45 m lang und 5,65 m breit, waren bis zum Jahre 1780 fertig und sofort
begann von Witten abwärts eine lebhafte Schiffahrt. Die Baukosten wurden von der Königl.
Kohlenniederlagskasse getragen, die aus der im Jahre 1766 eingerichteten Königl. Märkischen
Bergkasse entstanden war. Nach Fertigstellung der Bauten wurde daraus die Ruhrschiffahrts-
kasse gegründet, der auch die Schleusengebühren zugingen und die ihren Sitz in Ruhrort 3] hatte.
(Im Jahre 1823 wurden an der Ruhr 87 Schiffer mit zusammen 225 Schiffen gezählt)
Donaugebiet.
Auf der deutschen Donau ging im 16, Jahrhundert die Schiffahrt zu-
rück, weil der Welthandel andere Wege gefunden hatte und die untere Donau
in den Händen der Türken war. Aber es blieb zwischen Ulm und Wien noch
immer eine zeitweise lebhafte Schiffahrt bestehen. Namentlich war der Ver-
kehr mit Salz aus dem Salzkammergut talwärts wie bergwärts bedeutend. Die
vielen Flußzölle waren auch auf der Donau hinderlich und drückend.
In den wichtigen Handelstädten am Strome gab es »Schiffmeister«, die
in Gilden vereinigt waren und die Schiffahrt betrieben. Besonders gut ent-
i) Köb erlin, Der Obermain als Handelsstraße im späten Mittelalter. Erlangen und
Leipzig 1899. Schanz, Die Mainschiffahrt im 19. Jahrhundert. Bamberg 1894.
2) Ottmann, Die Duisbui^-Ruhrorter Häfen. Zur Vollendung der Hafenerweiterungen. 1908.
3) Ruhr ort wird schon 1379 erwähnt und soll 1437 befestigt worden sein. Im Jahre
17 15 wurde die erste kleine Hafenbucht ausgebaut. Duisburg soll schon aus dem 3. Jahr-
hundert stammen und hieß früher Deusoburg. Es lag ursprünglich am Rhein und die Duis-
burger Schiffer waren schon im 12. Jahrhundert überall am Strome bekannt. Im Jahre 1270
veränderte der Rhein sein Bett und der Ort wurde vom Strome abgeschnitten. Doch litt sein
Handel nicht darunter. In den Jahren 1828 bis 1831 bauten die Duisburger (auf Aktien) einen
Schiffahrtkanal zum Rhein, 1840 bis 1844 einen solchen zur Ruhr. Diese Kanäle waren die
Anfänge des heutigen Hafens.
Teubert, Binnenschiffahrt. c
66 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
wickelte sich die Personenbeförderung. Wöchentlich verkehrten »Ordinari-
schiife« zwischen Wien, Linz, Passau, Regensburg bis Ulm. Die Fahrt ab-
wärts von Regensburg bis Wien dauerte etwa 6 Tage.
Für das Fahrwasser geschah bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wenig.
Zu erwähnen ist, daD bei Wien um 1614 größere Uferschutzbauten ausgeführt
und der Donaukanal im Jahre 1 700 bis Nußdorf vorgeschoben wurde. Unter
der ICaiserin Maria Theresia wurde im Jahre 1750 eine »Navigationsdirektion«
errichtet, die für die Hebung der Schiffahrt sorgen sollte. Es wurde ver-
sucht, die Stromenge des Strudens, die ebenso hinderlich war wie am
Rhein das Binger Loch, zu verbessern; doch hatten die 1778 bis 1791 aus-
geführten umfangreichen Felssprengungen keinen Erfolg.
In der baierischen Stromstrecke wurden seit 1790 einige Durchstiche
angelegt, von denen die 3 in den Jahren 1806 bis 1814 zwischen Lauingen
und Dillingen ausgeführten unter dem Namen »Karolinenkanal« besonders
bekannt geworden sind. Aber diese Arbeiten geschahen nicht zur Erleich-
terung der Schiffahrt, sondern zum Schutz der anliegenden Orte und Län-
dereien. Infolge der Verkürzung des Flußlaufs ist das Gefälle merklich ver-
stärkt worden.
Die Schiffe wurden als Schachteln, Plätten, Gamsen und Zillen be-
zeichnet und oft nach dem Ort ihrer Herkunft benannt, wie z. B. die Ulmer
Schachteln, die Kehlheimer Plätten und die Trauner Salzzillen. Vielfach
dienten sie nur zu einer Talfahrt; stärker gebaute Schiffe wurden aber auch
zur Bergfahrt (Gegenfahrt) benutzt. Alle wurden aus weichem Holz mit
flachem Boden gebaut und durch ein, zwei oder zuweilen auch 4 Steuer-
ruder (Stoper) gelenkt, die als lange Streichruder angeordnet waren.
Die Größe der Schiffe hat auch auf der Donau allmählich während dieses
Zeitraums zugenommen. Am Anfang des 19. Jahrhunderts waren oberhalb
Wiens die Hohenauer- oder Klobzillen die größten Donauschiffe. Bei einer
Länge bis zu 44 m und einer Breite bis zu 10 m konnten sie 140 bis 170 t
tragen. Die Ulmer Schachteln waren bis 30 m lang und 7 m breit, die Kehl-
heimer Plätten bis 28 m lang und 5,2 m breit. Die Gamsen waren klein und
trugen höchstens 50 t, die Salzzillen gewöhnlich nur 20 bis 30 t.
Die Fortbewegung wurde bei der Talfahrt oft durch Rudern unter-
stützt, während bei der Bergfahrt mit Pferden (am Struden mit Beihilfe von
Ochsen) getreidelt wurde.
In den Jahren 1797 bis 1804 'wurde von Wien aus in südlicher Richtung bis zur ungari-
schen Grenze der Wiener-Neustädter Schiffahrtkanal auf Staatskosten gebaut, den man
später bis Krain fortzuführen dachte. Der etwa 67 km lange und 1,26 m tiefe Kanal stieg 104 m
an, die durch 52 Kammerschleusen von 24 m Länge und 2,5 m Breite überwunden wurden. Die
Speisung erfolgte durch die Leitha und den Kehrbach. Im Jahre 1823 wurde der Kanal ver-
pachtet; doch nahm der Verkehr seit der Eröffnung der Eisenbahn (1841} ab und die in der
Stadt Wien gelegene Strecke wurde etwa im Jahre 1850 aufgegeben, um Platz für die Verbindungs-
bahn zu gewinnen. Im Jahre 1869 wurde der Kanal an die »erste österreichische Schiffalut-
kanal- Aktiengesellschaft« verkauft. Der Güterverkehr betrug 1871 zusammen 116 000 t, die durch
4525 Schiffe befördert wurden. Heute ist der Kanal ganz bedeutungslos.
3* Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 67
Auf der Ungarischen Donau entwickelte sich mit dem Verfall der Tür-
kenherrschaft wieder eine lebhafte Schiffahrt, besonders seit den Siegen des
Prinzen Eugen von Savoyen und dem darauf folgenden Friedenschluß von
Passarpwitz im Jahre 1718. Vorher hatten die zwischen Österreich und der
Türkei abgeschlossenen Verträge von 161 6 und 1699 (Frieden von Karlowitz)
zwar die Handelsfreiheit auf der Donau, Theiß und Maros ausgesprochen, aber
die Wirkung war nicht bedeutend und auch die im Jahre 1671 gegründete
>Levantinische Handelskompagnie« scheint keine großen Erfolge erreicht
zu haben. Später bildete sich Szegedin als wichtiger Handelsplatz heraus,
besonders für den Salzverkehr (aus Maramar und Siebenbürgen.) Die Freiheit
der Schiffahrt wurde im Frieden zu Belgrad 1738 und im Handels vertrage von
1784 wieder ausgesprochen. Die Schiffahrt litt aber unter den Zöllen und
den türkischen Belästigungen. Kaiser Josef U. nahm sich ihrer besonders an
und suchte durch Verleihung von Begünstigungen und Vorrechten einen Durch-
gangsverkehr zum Schwarzen Meer und zum Orient ins Leben zu rufen. Die
Schwierigkeiten der Schiffahrt, namentlich bei der Bergfahrt, und die Hinder-
nisse im Fahrwasser waren aber zu groß. Im Jahre 1794 wurde die > privile-
giert ungarische Schiffahrtsgesellschaft« gegründet, die einerseits den Ver-
kehr zum Schwarzen Meere und andererseits durch die Save und Kulpa sowie
auf einer von ihr gebauten Eunststraße von Karolyvaros nach Fiume den Ver-
kehr zum Adriatischen Meere pflegte. Ferner baute diese Gesellschaft in der
Zeit von 1795 bis 1801 den Franzenskanal, der die Theiß mit der Donau
verbindet und den Weg von Szegedin nach Budapest erheblich verkürzt').
Die Aktionäre hatten von 1802 bis 1825 gute Einnahmen, aber der Kanal
erfüllte seinen Zweck nicht, weil er von vornherein unzweckmäßig angelegt
war imd mangelhaft unterhalten wurde. Der Verkehr ging sehr zurück und
die Gesellschaft bot im Jahre 1827 den Kanal dem Staate ohne Entgeld an.
Nach vielen Verhandlungen übernahm dieser ihn im Jahre 1842.
Der jetzt 118 km lange Franzenskanal zweigte ursprünglich bei Földvar aus der Theiß
ab und mündete bei Monostorszeg in die Donau. In den Jahren 1850 bis 1854 wurde die Donau-
einmündung mittels der Franz-Josef-Schleuse nach Bezdan, gegenüber von Battina, verlegt. Im
Jahre 1 870 gründete General Türr eine Aktiengesellschaft, die mit Staatshilfe den Kanal um- und
ausbaute. Von Bezdan wurde auf dem linken Donauufer ein 44,4 km langer Speisekanal strom-
aufwärts bis Baja geführt imd außerdem wurde von Sztapar (etwa in der Mitte des alten Franzens-
kanals) ein neuer Kanal von 68,3 km Länge in südöstlicher Richtung zur Donau bei Neusatz
(Ujwidek) gebaut, der Franz-Josef- Kanal genannt wurde und Auch zur Bewässerung diente.
Im Jahre 1875 waren diese Arbeiten fertig. Später (1895 bis 1898] wurde auch die Theißein-
mündung des alten Kanals weiter stromauf nach O-Becze verlegt imd dort eine große Koppel-
schleuse mit Winterhafen ausgeführt. Im Haupt- und Speisekanal befinden sich 7 Schleusen von
mindestens 56 m Länge und 8,4 m Breite, im Franz- Josef-Kanal 4 Schleusen von mindestens
42,6 m Länge und 9,3 m Breite. Die Sohlenbreite der Kanäle soll 16 m, die Wassertiefe 2 m
betragen.
Der jetzt ganz unbedeutende, xi4km lange Begakanal, ist schon zu Zeiten des Königs
Karl ni., also lange vor dem Franzenskanal erbaut. Er führt von Temesvar zur Bega bei Kiek,
die von dort bis zur Mündung in die Theiß bei Titel schiffbar ist
x) V. Gonda, Die Ungarische Schiffahrt. Budapest 1899.
68 Abschnitt ü. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Die auf der ungarischen Donau, auf der Save und der Theiß verkehrenden
Schiffe hatten damals eine Länge bis 47 m, eine Breite bis 6,5 m und eine
Tragfähigkeit bis 350 t. Die besseren waren gedeckt und aus Eichenholz
gebaut.
Die Fortbewegung bergwärts geschah durch Segeln und Treideln. Die
Arbeit war mühsam und kostspielig. Zum Ziehen von zwei zusammenge-
koppelten mittelgroßen Schiffen sollen 9 Schiffer, 2 Fuhrleute (die voranritten
und den besten Weg für den Treidelzug suchten), 38 Treiber und 38 Pferde
nötig gewesen sein. Eine Fahrt von Budapest nach Wien dauerte 20 bis
25 Tage. Auch die Talfahrt war schwierig und wurde oft durch Ruderer
unterstützt. Zur Steuerung der großen Schiffe wurden hinten und vorn je
2 lange Streichruder benutzt.
Die Warpschiffahrt, wie sie oben bei der Elbe (S. 54) beschrieben worden
ist, scheint bei der Fahrt zu Berg damals noch nicht üblich gewesen zu sein.
Denn es wird berichtet, daß erst im Jahre 18 12 ein Schiffahrt-Unternehmer
in Budapest dies Verfahren als eine neue Erfindung anpries, ohne einen Erfolg
erreicht zu haben.
Frankreich.
Die Erfindung der Kammerschleuse soll im Jahre 151 5 durch Lionardo
da Vinci in Frankreich bekannt geworden sein. Es wurden darauf im Jahre 1528
Kammerschleusen im Ourcq (Nebenfluß der Marne), im Jahre 1538 in der Vilaine
(Bretagne) und bald darnach im Lot, zum Teil an Stelle der alten Stauschleusen
erbaut. Man ging später dazu über, die neue Erfindung zur Anlage von
Scheitelkanälen zu benutzen und durch diese künstlichen Wasserstraßen
wurde bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Verbindung der vier haupt-
sächlichsten Stromgebiete Frankreichs, der Seine, Loire, Rhone und Garonne,
miteinander erreicht, so daß man von Paris auf Binnenwasserstraßen nach Nantes,
Lyon und sogar nach Bordeaux gelangen konnte.
Die Anregung zu dem großen Kanalnetz ging von den Ministem Sully
und Colbert aus. Auch der General Vauban hat sich viel mit Kanalentwürfen
beschäftigt und besonders eine Verbindung der Mosel mit der Maas über Toul
empfohlen. Bahnbrechend war der Kanal von Briare, der die Seine durch
den Nebenfluß Loing mit der Loire in Verbindung brachte. Er wurde im
Jahre 1604 unter Heinrich IV. unter Aufwendung von 6000 Mann Soldaten
begonnen, (also etwa gleichzeitig mit dem ersten Finowkanal, der aber viel
früher fertig wurde [S. 42]), war 59 (jetzt 58J km lang und mit 43 (jetzt 39)
Schleusen von 33 m Länge, 5,2 m Breite und 1,3 m Wassertiefe versehen.
Der Bau wurde nach dem Tode des Königs unterbrochen und erst in den
Jahren 1638 bis 1642 unter Richelieu zu Ende geführt, nachdem zwei Pri-
vatleute mit ihm »belehnt« worden waren. In ähnlicher Weise, allerdings
mit großer Staatsunterstützung, ging man mit dem Bau des Südkanals
(canal du midi oder »von Languedoc« oder »der beiden Meere« genannt)
vor, der bereits von Franz I. beabsichtigt war und in den Jahren 1666 bis
3. Von der KammerscUeuse bis zum Dampfschifif.
69
1684 ausgeführt wurde. Er geht von dem Küstensee Thau bei Cette aus
und fuhrt zur Garonne bei Toulouse, ist 240 km lang und mit 99 (jetzt 65)
Schleusen von 29,25 m Länge und 5,5 m Breite versehen. Im Jahre 1679
wurde der 73,5 km lange Kanal von Orleans (beendet erst 1792) genehmigt,
der von der Loire zum Nebenfluß der Seine, Loing, an der Mündung des
Briarekanals fuhrt, und bald darauf noch einige kleinere Kanäle, so daß im
Jahre 1700 schon 678 km Kanäle in Frankreich bestanden.
Belgiödhe and JfordfrBnzööi3d)e
• Sdnffbare Flösse ^f^,
Canäle
o
Im i8. Jahrhundert wurde unter Ludwig XV. der 18 km lange Kanal von
Neufossd bei St. Omer (nahe der belgischen Grenze) fertig gestellt. 17 19
wurde neben kleineren Kanälen der 50 km lange Seitenkanal des Loing bis
zur Seine und 1732 der Kanal von St. Quentin bis Chauny genehmigt.
Dieser letztere (1738 eröffnet) ist der südliche Teil der wichtigen Wasserstraße
zum nördlichen Kohlengebiet, die die Seine durch Oise und Somme mit der
Scheide in Verbindung bringt. In ganzer Ausdehnung (von Chauny bis Cam-
brai 93 km lang mit 35 Schleusen) ist sie erst im Jahre 18 10 vollendet worden.
70 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Diese großen Bauten, die bedeutende technische Schwierigkeiten, Tunnel
u. dgl. boten, wurden durch das hervorragende Korps der Ingenieure ent-
worfen und geleitet, die auf der im Jahre 1747 nach dem Vorschlage von
Perronet gegründeten »Ecole des ponts et chausseesc vorgebildet waren.
Unter der Regierung Ludwigs XVI beschloß (im Jahre 1783) der Landtag
von Burgund den Bau von drei wichtigen Kanälen. Dies waren: der Mittel-
kanal (canal du centre), der die Loire mit der Saone verbindet, 121 km lang
ist und 82 (jetzt 69) Schleusen besitzt, der Kanal von Burgund, der die
Seine diu-ch die Yonne mit der Saone verbindet, 242 km lang ist und 191
(jetzt 189) Schleusen besitzt, und der Rhone-Rhein-Kanal, der 318 km
lang ist, 162 Schleusen besitzt und die Saone mit der 111 bei Straßburg ver-
bindet^). Der Grundstein für alle drei Kanäle wurde 1784 gelegt. Der erste
wurde 1792, der zweite 1832 und der dritte 1834 eröffnet. Die staatlichen
Umwälzungen und die Kriege verzögerten die Fertigstellung. Im Jahre 1784
wurde auch der Kanal von Nivernais vom Staate begonnen, der eine
zweite Verbindung der Seine durch die Yonne mit der Loire bildet, 1 74 km
lang ist und 115 Schleusen hat; er wurde 1793 vollendet Napoleon I. wandte
den Wasserstraßen große Aufmerksamkeit zu und suchte zunächst eine Reihe
von Seestädten mit ihrem Hinterlande in bessere Verbindung zu bringen. In
der Bretagfne wurde der Kanal von Blavet (60 km, 28 Schleusen) zum Hafen
Lorient und der lUe-Rance-Kanal (85 km, 48 Schleusen) zum Hafen St. Malo
begonnen. Der Kanal von Marans [22 km) wurde nach La Rochelle und
der Kanal von Arles (47 km, 4 Schleusen) von der unteren Rhone nach Bouc
geführt. An anderen Kanalbauten wurde begonnen: der 24 km lange Kanal
von Mons nach Conde an der Scheide (25 km, 7 Schleusen), der einen Teil
der wichtigen Verbindung mit Belgien bildet, und 1807 der Kanal von Berry
im Gebiet der Loire, 261 km lang mit 114 (jetzt 97) Schleusen. Außerdem
wurde von ihm der Stadt Paris im Jahre 1802 die Genehmigung zu den zu-
sammen 120 km langen Kanälen von Ourcq, St. Denis und St. Martin
erteilt, die teils zur Wasserversorgung, teils zur Abkürzung der Seinefahrt
innerhalb der Hauptstadt dienen. Sie stehen noch heute im Eigentum
der Stadt.
Während in Brandenburg und Preußen alle Kanäle vom Staate gebaut
und unterhalten wurden, sind die meisten französischen Kanäle vor der Re-
volution von privaten Unternehmern hergestellt worden, zum Teil auch von
i) Seit 1871 gehören von dem Rhone-Rhein-Kanal nur 186 km mit 75 Schleusen zu
Frankreich. Der seitdem zu Deutschland gehörende 132 km lange Teil des Kanals über-
schreitet die französische Grenze nahe bei Altmünsterol und erhebt sich mit 2 Schleusen zu
der 2,9 km langen Scheitelhaltung, die 347 m über dem Meere liegt. Mit 41 Schleusen steigt
er herab in das 111 tal und nach Mühlhausen, wo er den zur Speisung dienenden Kanal von
Hüningen auhiimmt. Auf der 95 km langen Strecke bis Straßburg folgen noch 44 Schleusen,
die eine Länge von 38,5 und eine Breite von 5,3 m haben. Die Schleusen oberhalb Mühl-
hausen und in Frankreich bis Deluz (unterhalb Besangen) sind nur 30 m lang. Die Wassertiefe
des Kanals beträgt jetzt unterhalb Mühlhausen 2 m und oberhalb 1,6 m.
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3. Von der Kammerschleuse bis zmn DampfschifiT. 71
den Provinzialständen mit Staatsunterstützung. Die wenigen vom Staate
gebauten Kanäle wurden nach Fertigstellung als Lehen an Mitglieder des
königlichen Hauses oder andere Personen vergeben, die ebenso wie alle
anderen Kanalbesitzer das Recht der Abgabenerhebung hatten. Die Revolu-
tion räumte mit diesen Zuständen im Jahre 1790 auf und erklärte alle den
Provinzialständen gehörigen und auch die meisten im Privatbesitz befindlichen
Kanäle, zusammen etwa 1000 km, für Staatseigentum. Nur 135 km Kanäle,
darunter der von Briare, blieben davon frei. Die Kanäle blieben aber nicht
lange im Staatsbesitz; Napoleon verkaufte vielmehr bald darauf eine Zahl
wichtiger Wasserstraßen an Unternehmer und verlieh, wie schon bemerkt,
auch der Stadt Paris neue Baugenehmigungen. Im Jahre 18 14 standen
640 km staatlichen Kanälen 573 km nichtstaatliche gegenüber.
Bei der Entwicklung der französischen Wasserstraßen in diesem Zeitalter
ist bemerkenswert, daß die bedeutenden Geldaufwendungen von Staat, Ge-
meinden, Genossenschaften und einzelnen Personen ausschließlich für den
Bau von Kanälen gemacht wurden und für die Verbesserung der natür-
lichen Wasserstraßen fast nichts geschah. Auch der künstliche Aufstau
und die Geradelegung (Kanalisierung) der kleinen wasserarmen Flüsse wurde,
abgesehen von den schon im Mittelalter unternommenen Bauten, nicht weiter
verfolgt. Es war zur Regel geworden, den nach Tiefe, Breite und Wasser-
mei^e für die beabsichtigte Schiffahrt nicht mehr genügenden Fluß zu ver-
lassen und die Wasserstraße in einem Seitenkanal fortzuführen, der oft in
einen Scheitelkanal überging. Die Flüsse dienten in ihrem oberen Laufe
also nur zur Speisung der Kanäle. Am Anfang des 18. Jahrhunderts hatte
man versucht, unter Heranziehung der Beteiligten (SchifTei^enossenschaften
und Uferstädte) einige Ströme, z. B. Loire, Eure, Ciain zu verbessern, aber
keinen Erfolg gehabt. So kam es, daß die französischen Flüsse sehr ver-
wilderten und immer wieder neue Seitenkanäle notwendig wurden.
Niederlande.
Daß die Kammerschleusen im heutigen Holland schon frühzeitig Ver-
wendung gefunden haben, ist bekannt; doch fehlen genaue Berichte darüber,
weil die größte Zahl der dort zur Binnenschiffahrt benutzten Kanäle ursprüng-
lich zur Entwässerung dienten und in diesem Zeitalter durchw^ von Ge-
meinden, Provinzen .und Wassergenossenschaften hergestellt wurden.. Einer
der ältesten Kanäle ist z. B. das Damster-Diep, das im Jahre 1598 gebaut
wiu-de, um Groningen mit dem Seehafen Delfzijl zu verbinden. (Später wurde
mit gleichen Endpunkten der nur 28 km lange Emskanal gebaut, auf den
der größte Teil des Verkehrs übergegangen ist.) Die Stadt Groningen be-
gann im Jahre 1635 ^^ch mit dem Bau der ersten Torfkanäle. Die Rhein-
wasserstraße wurde in den Jahren 1701 bis 1706 durch den Pannerden-
schen Kanal verbessert, der eine Geradelegung des Niederrheins bei der
Abzweigung der Waal darstellt. Aus späterer Zeit ist von Kanälen noch die
Dedemsvaart zwischen Hasselt am Zwart-Water und Gramsbergen an der
72 Abschnitt H. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Vechte zu erwähnen, die im Jahre 1809 gebaut wurde, und der Kanal von
ZwoUe nach Almelo.
Im heutigen Belgien ist der Willebroeckkanal von Brüssel zum
Rüpel die älteste künstliche BinnenschiffahrtstraOe. Ursprünglich wurde die
Senne zur Schiffahrt aufwärts bis Brüssel benutzt; dieser kleine Fluß genügte
aber im 15. Jahrhundert nicht mehr und es wurde deshalb vom Kaiser im
Jahre 1477 der Stadt Brüssel ein Zoll bewilligt, der die Mittel zur Herstellung
eines Seitenkanals geben sollte. Da das Unternehmen auf Schwierigkeiten
bei der Stadt Mecheln stieß, wurde ein anderer Entwurf aufgestellt, nach
dem der Kanal von Brüssel nach Willebroeck führte. Dieser Bau wurde
mit 4 Kammerschleusen in den Jahren 153 1 bis 1561 fertig gestellt. Der
Kanal war 8 bis 10 m breit und 1,9 bis 2,2 m tief. In der Zeit von 1829
bis 1835 wurde er erweitert und schließlich 1896 an eine Gesellschaft ab-
getreten, die ihn in großen Abmessungen zu einem Seekanal umgebaut hat
Der Stadt Gent wurde von Kaiser KarlV. im Jahre 1547 die Erlaubnis
erteilt, einen alten Mündungsarm der Lys zu erweitern imd eine Schleuse zur
Verbindung mit der westlichen Scheidemündung anzulegen. Das war der An-
fang zu dem heutigen Kanal von Gent nach Terneuzen. Nach dem west-
fälischen Frieden hörte aber die Schiffahrt auf der Scheide auf und erst im
Jahre 1823 ordnete Wilhelm I. von Oranien den Bau des jetzigen Kanals mit
großem Querschnitt an. Der südliche Teil gehört zu Belgien, der nördliche
zu Holland. In neuester Zeit ist er zu einem großen Seekanal umgebaut
worden.
England.
Künstliche Wasserstraßen und Kammerschleusen kamen in England ver-
hältnismäßig spät zur Ausführung. Es ist beachtenswert, daß diese Arbeiten
trotz der großen Begfünstigung der Binnenschiffahrt seitens der Regierung
(S. 30) niemals auf Staatskosten bewirkt wurden. Es wurde vielmehr den
Unternehmern (Herzöge, Grafen, Gemeinden oder Gesellschaften) jedesmal
durch ein Gesetz die Genehmigung unter Festsetzung der Tarife u. dgl.
erteilt. Das erste Unternehmen war die Schiffbarmachung des Medway-
flusses, die im Jahre 1664 vom Parlament genehmigt wurde. Im Jahre
1669 folgte die Genehmigung der Aire- und Cal der Schiffahrt und dann
noch anderer Flußbauten. Der erste Kanal wurde erst etwa 100 Jahre
später in den Jahren 1759 bis 1765 vom Herzog von Bridgewater zur
Verbindung seiner Kohlengruben in Worsley mit der Stadt Manchester
erbaut. (Die Verwendung der Steinkohlen zur Eisengewinnung hat etwa
um die Mitte des 17. Jahrhunderts begonnen.) Der Erfolg des ersten
Kanals war so bedeutend, daß die Kohlenpreise sofort um 40 v. H. fielen
und der Kanal schon im zweiten Jahre etwa 20 v. H. Zinsen einbrachte.
Im Jahre 1762 erhielt dieser Herzog die Genehmigung zu dem Kanal von
Manchester nach Liverpool. Während der erste Kanal nur eine einzige
Haltung hatte, verlief der zweite Kanal gleichfalls ohne Schleusen bis
3» Von der Kammerschleuse bb zum DampfschifT«
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74 Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Runcorn, wo er mit 10 Kammerschleusen etwa 25 m tief zum MerseyfluO
hinabstieg. Die großen Erfolge dieser beiden Kanäle ermunterten zu wei-
teren Unternehmungen und es wurden bis zum Jahre 1800 noch 75 an-
dere Wasserstraßen genehmigt, die sich fast über das ganze Land aus-
breiteten. Im Jahre 1790 war London mit Bristol, HuU und Liverpool durch
Wasserstraßen verbunden.
Auch in Irland wurde im Jahre 1770 eine große Kanalgesellschaft
genehmigt; doch hat die Regierung diese durch niedrig verzinsliche Darlehen
und Kapitalzuschüsse wiederholt unterstützt.
Die Abmessungen der damals gebauten Wasserstraßen waren sehr ver-
schieden und daher auch die Tragfähigkeit der Schiffe, die nur selten 50 t
überschritt.
Im Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich auf den englischen
Wasserstraßen ein lebhafter Personenverkehr. Leichte Boote von 10 bis
15 t Tragfähigkeit, mit etwa 80 Reisenden besetzt, erreichten auf den Ka-
nälen (z. B. von London nach Birmingham), von Pferden getreidelt, Geschwin-
digkeiten von 4 bis 6 km in der Stunde, zuweilen aber noch viel größere.
Es wird z. B. von dem Paisleykanal, auf dem im Jahre 1833 an einzelnen
Tagen bis zu 1000 Personen befördert sein sollen, berichtet, dass die Boote
Geschwindigkeiten von mehr als 15 km hatten. Aber sowohl die Pferde wie
namentlich die Kanalufer sollen dabei sehr gelitten haben.
Rußland.
Peter der Große (1682 bis 1725) hat sich zuerst um die Verbesserung
der Wasserstraßen und die Herstellung neuer künstlicher Verbindungen be-
müht. Zuerst ging sein Bestreben dahin, das Wolgagebiet mit dem Don
und mit dem Schwarzen Meer in Verbindung zu setzen. Er ließ die schon
im 16. Jahrhundert von dem türkischen Sultan Selim angefangenen Arbei-
ten zu einem Kanal zwischen der Uovla, einem Nebenfluß des Don, und
der Kamychenka, einem Nebenflüßchen der Wolga (nahe bei Kamychin),
zunächst fortführen. Das Unternehmen wurde jedoch durch den Krieg mit
Schweden im Jahre 1701 unterbrochen. Peter ließ bald darauf mit einer
neuen, günstiger liegenden Kanalverbindung zu gleichem Zweck beginnen,
und zwar mit dem Ivanovskykanal, der die Quelle des Don mit dem
Flusse Chat, einem Nebenflusse der Upa, und der Oka (nahe bei der Stadt
Tula, südlich von Moskau) verbinden sollte. Es wird berichtet, daß bis zum
Jahre 1707 schon mehr als 20 Schleusen in dieser Strecke fertig gewesen
sind, daß die Arbeiten aber eingestellt wurden, weil das Asowsche Meer im
Jahre 171 1 an die Türken abgetreten werden mußte. Nach der Gründung
von Petersburg erkannte der Kaiser es als wichtiger, die Wolga mit der Newa
zu verbinden und begann im Jahre 1704 mit der Verbindung der Flüsse
Twertza (Nebenfluß der Wolga nahe bei Twer, 745 km oberhalb Rybinsk)
und Tsna (Nebenfluß der Msta) sowie der Msta mit dem in den Ladogasee
mündenden Wolkhowflusse. Diese, etwa 50 km künstliche Kanäle enthaltende
3- VoD der Kammerschleiue bis lum Dampfschiff. 75
Wasserverbindung trägt heute den Namen Wischnij-Wolotschek-System.
Es wurde dadurch von Astrachan bis Petersbui^ eine 3932 km lange Binnen-
wasserstraDe eröffnet. Die Geldmittel zu diesem Bau waren zum größten Teil
von einem Privatmann beigegeben, dem dafür gewisse Vorrechte und die
Abgabenerbebung bewilligt wurden.
Da der neue Wasserweg durch die Stromschnellen in der Msta bei Boro-
witsch sehr behindert wurde, suchte Peter nach neuen, besseren Verbindungs-
linien. Das war zunächst die Verbindung des Ladogasees durch den Sias
und die Tikhwinka mit der Mologa, die oberhalb von Rybinsk in die Wolga
einmündet. Diese erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hergestellte
WasserstraÜe mit dem Namen Tikhwinskisystem ist von Petersbui^ bis
Abb. 8. WasaeTstraßeD des Mariensystems zniscbeo Newa und Wolga.
Rybinsk jetzt 927 km lang, wovon 44.2 km zum Flußgebiet der Newa, 477 km
zu dem der Wolga und 8 km zur Scheitclhaltung gehören. Es sind etwa
24 1 km davon künstlich mit 62 Schleusen angebaut. Die Abmessungen sind
klein, so dass nur SchifTe von 25 m Länge, 4,27 m Breite und 1,08 m Tief-
gang verkehren können.
Peter der Große ließ im Jahre 1711 auch den Entwurf zu einer dritten
Verbindung zwischen dem Ladogasee und der Wolga aufstellen, die noch
weiter nordöstlich gelegen, aber heute die bedeutendste und wichtigste ist.
Sie wurde im Jahre 1810 eröffnet und bekam nach der Gemahlin des Kai-
sers Paul I. den Namen Mariensystem. In ihrem heutigen Zustande ist
sie in Abb. 8 dargestellt').
I) Gerhardt, Zentralblatt der Banverwaltung 1908.
76 Abschnitt n. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
In dem Aufstieg von Petersburg folgen auf die Newa die Seitenkanäle des Ladogasees,
der Fluß Swir, der Seitenkanal des Onegasees und der Fluß Witegra, der im unteren Laufe offen,
im oberen aufgestaut ist. Die Seitenkanäle des Ladogasees sind erst später hergestellt worden,
und zwar doppelt. Der 574 km lange Aufstieg tiberwindet jetzt ohne Schleusen 35 m Gefölle
bis zur ersten Schleuse im aufgestauten Witegraflusse, von da bis zur Scheitelhaltung 85,8 m Ge-
fälle durch 29 Schleusen. Die Scheitelhaltung zur Durchbrechung der Byt-Gora am Kovjasee ist
ein künstlicher Kanal von 8,5 km Länge. Den im ganzen 551 km langen Abstieg zur Wolga
bilden der im oberen Laufe aufgestaute und im unteren Laufe offene Kovjafluß, der Kanal Bielo-
zersk um den Weißen See herum und der im oberen Laufe aufgestaute und im unteren Laufe
offene Cheksnafluß, der bei Rybinsk in die Wolga mündet. Von den 42,1 m Gefälle des Abstiegs
werden 21,7 m durch 7 Schleusen und der Rest durch freies Gefälle überwimden. Die Wasser-
spiegelbreite der Kanäle beträgt jetzt 25,6 m mit Ausnahme einiger Strecken der Scheitelhal-
tung mit 23,5 m und 21,3 m Breite. Die Wassertiefe ist 1,94 m, in den Kanälen und aufge-
stauten Flußstrecken 2,13 m. Die Schleusen haben eine nutzbare Länge von 82,03 m imd eine
Breite von 10,67 m bei 2,13 m Tiefe. In der aufgestauten Cheksna sind die Schleusen 339,24 m
lang und 12,8 m breit. Die auf der Wasserstraße verkehrenden Schiffe haben bei 74,67 m Länge,
9,6 m Breite und 1,7 m Tauchtiefe eine Tragfähigkeit von 810 t. Die Dauer einer Reise von
Rybinsk (wo oft aus den größeren Wolgaschiffen eine Umladung erfolgt) bis Petersburg dauert
jetzt mindestens 16, gewöhnlich 30 Tage, wobei auf dem Wolgaabstieg meistens mit Dampfern
geschleppt und auf dem Newaabstieg oft getreidelt wird. Es werden vorwiegend Getreide,
Erze, Eisen und Naphtha befördert
An der oberen Wolga hat sich besonders "Rybinsk im Anfang des
19. Jahrhunderts als bedeutender Handels- und Umschlagplatz ausgebildet.
Der Strom bildete die Hauptverkehrstraße Rußlands und war von vielen
großen Schiffen belebt, obwohl des langen Winters wegen die Schiffahrt
nur 6 bis 7 Monate lang betrieben werden kann. Die Fortbewegung
der Schiffe geschah wie in Deutschland durch Strömung, Segeln und Trei-
deln; außerdem war besonders die schon oben bei der Elbe (S. 54) beschrie-
bene Warpschiffahrt bei der Bergfahrt üblich. Das an einem Anker ober-
halb im Strom befestigte Zugseil wurde aber auf dem Schiffe gewöhnlich um
ein Göpelwerk gelegt, das durch Pferde angetrieben wurde. Selbst nach der
Einfuhrung der Dampfschiffahrt auf der Wolga (etwa im Jahre 1843) wurde
diese Einrichtung noch lange mit der Abänderung beibehalten, daß an die
Stelle des Pferdegöpels eine Dampfwinde trat.
Das Beresinasystem verbindet die Oulla, einen Nebenfluß der Dtlna mit der Beresina,
einem Nebenfluß des Dnjepr, also die Ostsee mit dem Schwarzen Meer. Die künstlich aus-
gebaute Wasserstraße von der Einmündung der Oulla in die Düna bis zur Beresina ist 162 km
lang. Im Abstieg zur Düna liegen 11, in dem zur Beresina 3 Schleusen, deren geringste Länge
42 m und deren Breite 9,2 m beträgt. Die Länge der künstlichen Kanäle ist etwa 20 km. Die
Scheitelhaltung liegt 164,3 "* über der Ostsee. Wegen Wassermangels und geringer Tiefe wird
der Kanal nur zur Flößerei benutzt.
Das Oginskisystcm verbindet gleichfalls durch den Dnjepr und den Memelstrom (Njemen)
das Schwarze Meer mit der Ostsee. Die Schüfahrtstraße geht vom Dnjepr durch dessen Neben-
flüsse Fripet, Pina und Jasiolda. Von der in 2 Stufen aufgestauten oberen Jasiolda führt der
55 km lange Oginskikanal zu der Szczara, einem Nebenflusse des Njemen (Memelstrom). Die
Szczara ist in ihrem Oberlauf durch 10 Stauschleusen (Nadelwehre) aufgestaut. Der Oginskikanal
hat 10 Schleusen von 42,7 m Länge und 5,3 m Breite. Die Scheitelhaltung im Wygonowskisee
liegt 154 m über der Ostsee. Die Wassertiefe im Kanal ist 0,9 m und in der kanalisierten
Szczara 0,6 m.
Der Kanal wurde im Jahre 1 768 von dem polnischen Wojwoden, General Og^inski begonnen
und von der russischen Regierung in der Zeit von 1799 bis 1804 fertig gestellt. Schon im
Jahre 1802 sollen flach gebaute Schifie vom Dnjepr nach Königsberg gekommen sein. Trotz
3. Von der Kammerschleuse bis zum Dampfschiff. 77
der 1846 ausgeführten Verbesserungen hat der Kanal für den Schiffahrtverkehr jetzt keine
Bedeutung. (In den Jahren 1889 bis 1894 sollen durchschnittlich jährlich von dem Kanal zimi
Dnjeprgebiet 131 Schiffe, nach dem Njemengebiet aber nur 18 Schiffe von 12 bis 13 m Länge,
3,6 m Breite, 0,6 m Tiefgang und etwa 5 t Tragfähigkeit gefahren sein.)
Der Bug-Dnjepr-Kanal verbindet den Dnjepr durch den Bug, einen Nebenfluß der Weich-
sei mit der Ostsee. Die Wasserstraße folgt vom Dnjepr ebenso wie die vorbeschriebene zunächst dem
Pripet und der Pina. Während die Straße zum Njemen nördlich durch die Jasiolda führt, verfolgt
diese Straße zur Weichsel in westlicher Richtung die Pina weiter aufwärts bis Pinsk, wo mittels
einer 47 m langen Schleuse der 79 km lange Königskanal erreicht wird. Er wurde im Jahre
1786 unter dem polnischen Könige Stanislaus August angelegt und in der Zeit von 1839 bis
1843 wesentlich verbessert. Er mündet in den Muchawjec, einen bei Brest- Litowsk in den
Bug einmündenden Nebenfluß. Bei hohen Wasserständen besteht außer der genannten Schleuse
in der ganzen Wasserstraße keine künstliche Staustufe. Bei niedrigen Wasserständen werden
aber Stauschleusen (als Nadelwehre gebaut) aufgerichtet, von denen sich auf dem Östlichen Abstieg
unterhalb Pinsk 7 und auf dem westlichen 14 befinden. Die Scheitelhaltung liegt X40 m über
der Ostsee. Der Kanal ist für Schiffe von 40 m Länge, 6 m Breite und 1,2 m Tiefgang einge-
richtet: die Sohlenbreite soll 10,6 m, die Wassertiefe 2 m betragen. Auf mehr als i m Tiefe
kann in der ganzen Wasserstraße aber nicht gerechnet werden. Es verkehren auch nur kleine
Schiffe in geringer Zahl. (In der Zeit von 1890 bis 1894 sollen durchschnittlich in der Richtung
zur Weichsel etwa 90 Schiffe, in der Richtung zum Dnjepr nur 1 5 Schiffe den Kanal durchfahren
haben.)
Der Augustowskikanal verbindet die Weichsel mit dem Memelstrom (Njemen). Die
Wasserstraße geht von der Weichsel durch die Nebenflüsse Bug, Narew und Bjebrza (Bobr) zu
dem 71,5 km langen Kanal, der in die Czarna-Hancza, einen Nebenfluß des Njemen einmündet.
Die 9,3 km lange Scheitelhaltung liegt 126 m über der Ostsee. Auf dem östlichen Abstieg zum
Njemen befinden sich ii Kammerschleusen, auf der westlichen zur Weichsel 2. Alle Schleusen
sind in Stein gebaut und haben 47,6 m Länge und 6,4 m Breite. Die Sohlenbreite des Kanals
beträgt 11,5 m, die Wassertiefe 1,43 m. Der Schiffverkehr ist sehr gering. Außer den wenigen
Berlinken (ähnlich den Oderschiffen) von 43 m Länge, 4,9 bis 5,2 m Breite und 1,2 m Tiefgang
verkehren meistens nur kleinere Schiffe von 40 bis 70 t Ladung. Der Kanal ist in den Jahren
von 1825 bis 1837 gebaut worden. (In der Zeit von 1890 bis 1894 haben den Kanal in jeder
Richtimg 26 Schiffe befahren.)
In Finnland bestand auf den vielen natürlichen Wasserstraßen seit alters-
her eine lebhafte Schiffahrt, die aber wegen der geringen Wassertiefen, bis
höchstens 0,9 m, gewöhnlich nur mit kleinen Schiffen von etwa 1 5 m Länge,
1,5 m Breite, 0,8 m Tauchtiefe und 4 t Tragfähigkeit ausgeübt werden konnte.
In dem südlichen, besonders entwickelten Teile des Landes hatte man früh-
zeitig das Bedürfnis nach leistungsfähigeren Wasserstraßen, namentlich um
die große Seenkette mit dem finnischen Meerbusen zu verbinden. Am
Ende des 1 6. Jahrhunderts soll ein schwedischer General Pontus de la Gardie
von dem südlichsten See, Saimasee, nach der Stadt Wiborg einen Kanal an-
gelegt haben, dessen Spuren als »Pontusgraben« noch heute vorhanden sind.
Doch erst im Jahre 1826 wurde ernstlich angefangen, daraus eine leistungs-
fähige Straße herzustellen, und der Sa'imakanal ist schließlich im Jahre 1856
eröffnet worden. Er ist 59,3 km lang und das Gefälle von 75,9 m wird durch
28 Schleusen von 35,6 m Länge, 7,42 m Breite und 2,67 m Wassertiefe über-
wunden. Die jetzt auf diesem Kanal verkehrenden Schiffe, die auch für die
Küstenschiffahrt geeignet sind, haben 31,2 m Länge, 7,1 m Breite und 2,5 m
Tauchtiefe. (Es wird vorwiegend Holz befördert. Im Jahre 1906 wurde der
Kanal von 6689 Schiffen durchfahren.)
78 Abschnitt IL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Schweden.
Die Bestrebungen, die vielen Gewässer des Landes mit einander zu
verbinden, reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück und der erste mit Kam-
merschleusen ausgerüstete Kanal soll in den Jahren 1596 bis 163g bei Tors-
hälla erbaut sein, um Eskilstuna und den Hjelmarsee mit dem Mälarsee
zu verbinden. Auch der Plan zur Verbindung des Wenern- und des Wettem-
sees einerseits mit Gothenburg und der Nordsee und andererseits mit Stock-
holm und der Ostsee soll schon aus dem Jahre 1516 stammen. Die TroU-
hättaschleusen wurden 1718 begonnen. Die berühmte Schleuse von Pol-
hem wurde später zerstört und die Fertigstellung der ganzen großen Wasser-
straße, von der 80 km auf den TroUhättakanal und 188 km auf den Göta-
kanal entfallen, erfolgte erst im Jahre 1844. Die 74 Kammerschleusen sind
35,64 m lang und 7,13 m breit und die Wasserstraße hat jetzt die bedeutende
Tiefe von etwa 3 m. Schon diese Abmessungen weisen darauf hin, daß die
Binnenschiffahrt nicht so betrieben wird wie in anderen Ländern: Schwachge-
baute, Nachgehende Schiffe können auf den großen Seen nicht verkehren; sie
müssen vielmehr kräftig gebaut, tiefgehend und seetüchtig sein. Die künst-
lichen Wasserstraßen Schwedens sind daher eigentlich als Seekanäle und die auf
ihnen verkehrenden Fahrzeuge richtiger als Küstenschiffe zu bezeichnen. Alle
schwedischen Kanäle sind von Gesellschaften mit Staatsbeihilfe gebaut worden.
Spanien.
Auch in diesem Lande entwickelte sich die Binnenschiffahrt besonders auf
dem Ebro und dem Guadalquivir so gut, daß man unter der Regierung Kaiser
Karl V. die Absicht hatte, Schiffahrtkanäle wie in anderen Ländern zu erbauen.
Erst im 18. Jahrhundert wurde das verwirklicht. Man begann 1753 den Kanal
von Kastilien, von AUar nach Serron, der im Jahre 1835 bis Valladolid fort-
gesetzt wurde. Im Jahre 1849 baute man von ihm aus eine Seitenstrecke nach
Rio Secco. Der ganze Kanal ist 209 km lang, hat 5,8 m Sohlenbreite, 1,9 m
Wassertiefe und 49 Schleusen. Die Schiffe haben eine Tragfähigkeit von 34,5 t.
Der Kanal von Arragonien ist in der Zeit von 1770 bis 1790 als Seiten-
kanal des Ebro von Tudela nach Saragossa ausgeführt worden. Er ist 102 km
lang .und 2 m tief. Die Schiffe haben etwa 100 t Tragfähigkeit.
Der erste Kanal wird von einer Gesellschaft betrieben und nebenbei zum
Mühlenantrieb benutzt, während der andere auf Staatskosten hergestellt ist
und außerdem zur Bewässerung dient.
4. Die Binnenschiffahrt auf dem Wiener Kongreß von 1815
und die Schiffahrtsakten.
Unter den vielen wichtigen Beschlüssen des Wiener Kongresses sind die
Bestimmungen über die staatsrechtlichen und öffentlich rechtlichen Verhältnisse
der sogenannten internationalen Ströme, die mehrere Staaten durchfließen und
vom Meere aus schiffbar sind, für die Binnenschiffahrt in Deutschland- und
4. Der Wiener Kongreß von 1815. 79
Mitteleuropa von besonderer Bedeutung. Man kann die Artikel 108 bis 117
der Kongreßakte mit Recht als die Verfassungsurkunde des internationalen
Flußschißahrtrechts bezeichnen*). Der Artikel 109 betrifft die Freiheit der
Schiffahrt: Die Schiffahrt auf dem ganzen Laufe der Flüsse, die mehrere Staaten
durchfließen oder zwischen ihnen die Grenze bilden, soll von dem Punkte,
wo der Fluß schiffbar wird, bis zur Mündung vollkommen frei sein und darf
»in bezug auf den Handel« Niemandem untersagt werden. Dieser Satz ist
dem Artikel 5 des ersten Pariser Friedens vom 30. Mai 1814 entnommen, der
sich nur auf den Rhein bezieht. Dort ist aber die Einschränkung »in bezug
auf den Handel« nicht gemacht und zwischen dem Recht der Ufer- und Nicht-
uferstaaten nicht unterschieden worden. In Wien sollte ein solcher Unterschied
gemacht werden, was durch die Erklärung der Schiffahrtkommission des Kon-
gresses ausdrücklich bestätigt wird. Über diese Frage ist seitdem viel ge-
stritten worden und die Ansichten der Staatsrechtslehrer gehen auseinander.
Auch ist von ihnen untersucht worden, ob nicht die nationalen Flüsse hin-
sichtlich der freien Schiffahrt den internationalen (und dem offenen Meere]
gleich zu stellen wären. Der Kongfreß hat hierüber keine Entscheidung ge-
troffen. Die später auf Grund der Kongreßbeschlüsse vereinbarten »Schiffahrts-
akten« für die einzelnen deutschen Ströme beschrankten im allgemeinen die
freie Schiffahrt auf die beteiligten Uferstaaten. Dagegen ist z. B. bei der
Scheide, beim Po und beim Pruth die vollständige Freiheit festgesetzt worden.
Artikel 114 bestimmt, daß alle Stapel- und Umschlagrechte aufgehoben
werden sollen, so weit sie nicht für die Schiffahrt nützlich und notwendig sind.
Artikel 115 beschäftigt sich mit den Schiffahrtabgaben (Flußzöllen). Dabei
wird auf die Zustände am Rhein Bezug genommen. Es wurde beschlossen,
daß diese Abgaben von dem sonstigen Zollwesen der Uferstaaten getrennt
zu behandeln seien, und daß sie künftig nicht höher sein dürften wie bisher,
vielmehr »zur Ermunterung der Schiffahrt« möglichst herabgesetzt werden
sollten. Eine Änderung der Tarife dürfe in Zukunft nur mit Übereinstimmung
der Uferstaaten erfolgen.
Durch Artikel 1 13 wird den Uferstaaten die Verpflichtung zur Unterhaltung
der Leinpfade und zur Ausführung aller anderen nötigen Arbeiten zur Frei-
haltung des Fahrwassers auferlegt.
Artikel 110 ordnet an, daß die schiffahrtpolizeilichen Vorschriften ein-
heitlich für den ganzen Strom erlassen werden sollen, auch in betreff der Ab-
gabenerhebung.
Artikel 108 verlangt, daß die Uferstaaten alle auf die Schiffahrt bezüg-
lichen Angelegenheiten gemeinschaftlich ordnen.
Diese neun Artikel der Kongreßakte beziehen sich auf alle Ströme, die
mehrere Länder durchfließen. Außerdem wurden fiir den Rhein besondere
Grundsätze aufgestellt und der Akte beigefügt.
i) Holtzcndorf, Rumäniens Uferrechte an der Donau. Leipzig 1883.
80 Abschnitt ü. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Abweichead von dem Oktroivertrage (S. 58) wurde an Stelle des General-
direktors als Vermittelungsbehörde zwischen den Uferstaaten und als oberstes
Gericht für alle Schiffahrtangclegenheiten die Zentralkommission einge-
setzt: Jeder Uferstaat entsendet dazu einen bevollmächtigten Vertreter, alle
Vertreter sind gleichberechtigt. Der Vorsitzende wird durch das Los be-
stimmt. Die einfache Mehrheit der Stimmen entscheidet. Die Beschlüsse sind
für den einzelnen Staat nur so weit bindend, als er seine Zustimmung dazu
erteilt. Die Kommission und die von ihr zu ernennenden Inspektoren (i Ober-
inspektor und 2 Unterinspektoren) üben nur Aufsichtsbefugnisse aus. Der
Vollzug wird ohne Einschränkung den Uferstaaten überlassen. Bei diesen
Bestimmungen lag die Absicht vor, einerseits alle Staaten ohne Unterschied
der Macht und der Uferlänge gleich zu behandeln und andrerseits die Hoheits-
rechte der einzelnen Uferstaaten möglichst zu schonen. Hätte man die Macht
und die Länge der Uferstrecken der Staaten berücksichtigt, so wäre die Kom-
mission vielleicht ein politisches Werkzeug der größeren Staaten geworden.
Indem man aber jeden Grund des Mißtrauens zwischen den Uferstaaten be-
seitigte, sicherte man der Kommission eine erfolgreiche Wirksamkeit.
Hinsichtlich der Rheinzölle wurden im allgemeinen die Bestimmungen
des Oktroi Vertrags von 1804 beibehalten. Schon bei den Vorverhandlungen zu
diesem in Rastatt (1798) hatte Frankreich die vollständige Abschaffung der Zölle
angeregt, aber bei den deutschen Staaten Widerspruch gefunden. Durch den
Deputationshauptschluß von 1803 wurden alle (32) bestehenden Zölle aufge-
hoben und an deren Stelle eine Oktroigebühr eingeführt. Die Einzelheiten
sind im folgenden Jahre durch den Oktroivertrag geregelt worden: Es wurden
12 Erhebungsämter eingerichtet, auf jedem Ufer 6. Nach dem für die einzelnen
Stromstrecken von Straßburg bis zur holländischen Grenze berechneten Tarif
sollten von den Waren je Zentner nicht mehr als ungefähr 2 Francs bergwärts
und 1,33 Francs talwärts (je Tonne also 38,4 Mark und 25,6 Mark) erhoben
werden, und zwar nach dem Gewicht der Ladung.
Dies waren gegen die früheren Zustände sehr bedeutende Erleiphterungen für die SchifT-
fahrt, besonders auch der feste Tarif, weil bis dahin die >Zollrollen< der einzelnen Zollstätten
geheimgehalten wurden und die Schiffer im allgemeinen am besten fortkamen, wenn sie sich mit
den Zollbeamten gütlich über die Höhe der Abgaben und die vielen Nebengebühren einigten.
Der volle Satz wurde aber nur von der ersten Güterklasse (besonders
Kolonialwaren und Fabrikerzeugnisse) erhoben; die zweite Klasse (besonders
Getreide, Salz, Gußeisen) zahlte nur ein Viertel und die dritte Klasse (besonders
Kohlen, Brennholz, Baustoffe) nur ein Zwanzigstel davon. Die geringwertigen
Waren (z. B. Erde, Steine, Dung und Milch, Eier, Gemüse) zahlten nur die
doppelte Schiffsgebühr (Rekognition). Diese Abgabe wurde neben dem Oktroi
von allen beladenen Fahrzeugen über 2,5 t Tragfähigkeit erhoben und betrug
0,10 Francs bis 15 Francs (0,08 bis 12 Mark). Der höchste Satz trat für Schiffe
von 125 t (später von 250 t) Tragfähigkeit ein. Um diese Abgabenerhebung
durchzufuhren, wurde die Eichung aller Schiffe angeordnet. Die einheit-
4. Der Wiener Kongreß von 1815. 81
liehen Vorschriften der Oktroiverwaltung von 1806 über die Eichung sind
später nach Beschluß der Zentralkommission von- 181 8 fortgeführt worden.
Von den Einnahmen der Rheinzölle sollte die Hälfte auf Verbesserungen
des Fahrwassers und der Leinpfade verwendet und der Rest an die beteiligten
Staaten verteilt werden.
Der Wiener Kongreß*) änderte diese Einrichtungen (im Sinne der
Kleinstaaterei) und übertrug den Uferstaaten die Erhebung der nach dem
gleichen Tarif zu erhebenden Zölle nach Maßgabe der Uferlängen. Alle an-
deren Vorschriften wurden aufrecht erhalten.
Bei den Beratungen über die Stapel- und Umladerechte kam es zu
harten Kämpfen, da sich Köln und Düsseldorf, Mainz und Frankfurt sowie Heil-
bronn und Mannheim feindlich gegenüber standen: Schließlich siegten doch
die freiheitlichen Anschauungen und man beschloß einmütig ihre Abschaffung.
Ebenso wurden alle Monopole und die Vorrechte der Gilden aufgehoben.
Über die Nebenflüsse des Rheins, Neckar, Main, Mosel, Maas und
Scheide wurden besondere Verhandlungen geführt. Auf diesen Strömen
sollte gleichfalls Verkehrsfreiheit herrschen, Stapelrecht, Umschlagzwang und
andere Vorrechte sollten aufgehoben und die neuen Zollsätze nach dem Muster
des Rheinoktrois festgesetzt werden, jedoch nicht höher als sie am Anfang
des Jahrhunderts gewesen waren.
Es lag in Wien die Absicht vor, für alle internationalen Ströme ähnliche
Grundsätze festzustellen, aus Mangel an Zeit wurde aber davon abgesehen.
Die Mächte gaben vielmehr nur die ausdrückliche und verbindliche Erklärung
ab, daß sie die für den Rhein allgemein festgesetzten Grundsätze bei den von
ihnen künftig abzuschließenden Staatsverträgen zugrunde legen würden.
Es wurde beschlossen, daß sechs Monate nach Schluß des Kongresses
für jeden Strom Bevollmächtigte der Uferstaaten zusammentreten sollten, um
die erforderlichen Verträge zu vereinbaren. Es hat aber lange Zeit gedauert,
bis namentlich für die großen deutschen Ströme die betreffenden Schiff-
fahrtsakten zum Abschluß kamen. Vor allem machten die Fragen über
die Höhe der Abgaben die Verständigung lange Zeit unmöglich.
Es wurden vereinbart: die Elbeakte 182 1, die Weserakte 1823, die Rheinakte 1831, die
Douroakte 1835, ^^^ Scheideakte 1839 und 1842, die Emsakte 1843, die Poakte 1849 und die
Pruthakte 1866. Dazu traten noch die Verträge zwischen Preußen, Österreich und Rußland
über die Schiffahrt auf den gemeinsamen Flüssen (Weichsel, Memel [Niemen], Warthe usw.) von
1815 und 1818.
Für den Rhein trat in Mainz die Zentralkommission bereits 181 5 zu-
sammen und übernahm 181 7 vorläufig die Leitung der bestehenden Oktroi-
verwaltung, soweit nicht bereits die Zollerhebung an die Behörden der ein-
zelnen Uferstaaten abgegeben war. Bis zum Abschluß einer Rheinschiifahrts-
akte wurde eine »provisorische Verwaltungskommission fiir die Rheinschiffahrt«
eingerichtet Die Durchführung der in Wien aufgestellten Grundsätze stieß
i) Vgl. Eckert und Gothein a. a. O.
Teubert, Binnenschiffahrt. 6
82 Absclinitt n. GeschicbÜicher Rückblick bis 1870.
namentlich hinsichtlich der Aufhebung des Umschlagzwanges in Mainz und
Köln und der damit verbundenen Gilden auf Schwierigkeiten. Holland
wollte die vorläufigen Einrichtungen auf Grund des alten Oktroivertrags
nicht anerkennen, bevor nicht eine endgültige Schiffahrtsakte vereinbart und
vollzogen wäre, sondern führte im Gegenteil sehr hohe Durchfuhrzölle (etwa
3 V. H. des Wertes der Güter) ein, erhöhte seine Wasserzölle und verbot die
Durchfuhr einiger wichtiger Waren (z. B. Gewürze, Thee und Salz) überhaupt
(18 16), so daß der deutsche Rheinhandel sehr gedrückt und geschädigt wurde.
Die allgemeine Entrüstung war ohne Wirkung, weü diese Zölle bei den Be-
schlüssen des Wiener Kongresses ausdrücklich unberücksichtigt geblieben
waren. Köln imd seine Handelskanuner erstrebten auf Grund der Kongreß-
akte freie Schiffahrt auf dem Rhein bis ins Meer und verlangten als Ent-
schädigung für ihr Umschlagrecht die Anerkennung der Stadt als Seehafen.
So blieben die Umschlagrechte und die Gilden in Köln imd Mainz vor-
läufig bestehen, mehr zum Schaden des deutschen als des holländischen Han-
dels, und die Verhandlungen zwischen Preußen und Holland sowie im Schöße
der Zentralkonmiission zogen sich jahrelang hin. Unterdessen entstanden neue
Handelswege mit Umgehung Hollands über Hamburg, Bremen und Havre und
schon 1 8 1 8 wurde eine Abnahme des Rheinverkehrs festgestellt. Schließlich
sah sich Holland veranlaßt, im Jahre 1822 sein Zollgesetz zu mildern und
1829 den Vorschlag der preußischen Regierung anzunehmen, die an Stelle der
Durchfuhrzölle eine feste Abgabe nach Gewicht in der Form eines Tonnen-
geldes, ähnlich dem Sundzoll, zubilligen wollte. Als die belgische Revolution
ausbrach, die den niederländischen Staat wieder in zwei Hälften zerlegte, wurde
der Vertrag zwischen Preußen und Holland unterzeichnet und im März 1831
von der Zentralkommission genehmigt, wodurch die erste Rheinschiff-
fahrtsakte endlich zum Abschluß gelangte.
Die in Wien aufgestellten Grundsätze kamen in vollem Umfang zur
Einfuhrung: die Freiheit des Stromes, einschließlich Waal und Leck, bis ins
Meer für alle Rheinschiffe, die Aufhebung aller Stapel-, Umschlag- und an-
derer Vorrechte der Gilden, Oktroi- nebst Schiffsgebühr und außerdem für
Holland an Stelle der hohen Durchfuhrzölle eine feste Abgabe (droit fixe) von
13 ^4 Centimes je Zentner (2,06 Mark je t) bergwärts und 9 Centimes je Zentner
(1,44 Mark je t) talwärts, die für viele Waren aber bedeutend ermäßigt wurden.
Auch andere Zollerleichterungen wurden von Holland zugestanden.
In einem besonderen Titel (V) wurde festgesetzt, daß hinfort die Fracht-
sätze lediglich auf der freiwUligen Übereinkunft des Schiffers und des Ver-
senders beruhen: Der letztere ist berechtigt, den Schiffer auszuwählen, der
erstere die angebotene Ladung abzulehnen. Rangfahrten dürfen einge-
richtet werden, bleiben aber für die nicht daran Beteiligten unverbindlich.
Zwei oder mehrere Handelstädte können mit einer beliebigen Anzahl Schiffer
Verträge schließen, die Frachtsätze, die Zeit der Abfahrt und der Ankunft
sowie andere Bedingungen vereinbaren, um den Kaufleuten billige Frachten
4. Der Wiener Kongreß von 1815. 83
und den Schilfern schnelle Rückfahrt zu sichern; doch steht es an diesen
Orten jedem Kaufmann und jedem Schiffer frei, ob er sich dabei beteiligen
will oder nicht. Femer wurde bestimmt, daß jedem Schiffer, der seine
Befähigung vor der Behörde seines Landes nachweist, die Befugnis zur Aus-
übung der Rheinschiffahrt durch ein Patent erteilt werden soll und daß die
Schiffe auf ihre Tauglichkeit untersucht werden müssen.
Die Uferstaaten verpflichteten sich, an ihren Ufern Freihäfen anzu-
legen, für die Instandhaltung der Leinpfade zu sorgen und die nötigen Maß-
regeln zu ergreifen, daß die Schiffahrt nicht durch Hindemisse im Fahr-
wasser gehemmt würde. In mangelhaften Stromstrecken mit veränderlichem
Fahrwasser soUte dieses durch Baaken bezeichnet werden.
Zur dauernden Aufsicht über die Schiffahrt wurden ein Oberaufseher und
vier Aufseher bestellt, die auch die laufenden Geschäfte der Zentralkommission
führten. Wichtig war die Einführung der Rheinschiffahrtgerichte und
die Einsetzung der Zentralkommission als Berufungstelle in Straf- und
Zivilsachen, indem es jedem freigestellt wurde, entweder bei ihr oder bei dem
Obergerichte des betreffenden Uferstaats die Berufung anzubringen.
Nach den Vorschriften des Wiener Kongresses und der Schiffahrtsakte
waren die Uferstaaten nur berechtigt, die Zölle in der festgesetzten Höhe
zu erheben, aber nicht dazu verpflichtet. Es kam bald dahin, daß einzelne
Staaten, namentlich Preußen mit 8 Erhebungsämtera, zur Begünstigung ihrer
Rheinstädte die Zollsätze teilweise erniedrigten oder gar nicht erhoben, so
daß schließlich ein Wettbewerb, gewissermaßen ein Zollkrieg, zwischen den
einzelnen Uferstaaten entstand. Auch die Einwirkung der Dampfschiffe und
der Eisenbahnen drängten auf Ermäßigung der Zölle. Die größeren Staaten
waren allgemein dazu geneigt; aber die kleineren, namentlich Nassau und
Hessen, leisteten Widerstand, weil sie die Einnahmen nicht entbehren zu
können glaubten. Holland, gedrängt durch den empfindlichen Wettbewerb
von Antwerpen und durch die Eisenbahn von Köln dorthin (1843 vollendet),
war der erste Staat, der im Jahre 1842 die vollständige Aufhebung der Zölle
beantragte, aber bei der preußischen Regierung damals kein Entgegenkommen
fand, weil diese weitere Handelsvorteile von Holland erwartete. Als nach den
Ereignissen von 1848 die Rheinzölle von der Zentralkommission erheblich
herabgesetzt worden waren, änderte Holland seine bisherige Handelspolitik
vollständig, hob 1850 alle Durchfuhr- und anderen Wasserzölle auf und
ermäßigte seine Einfuhrzölle erheblich. In dem mit Preußen für den Zoll-
verein geschlossenen Handekvertrag von 1851 wurden diese Bestimmungen
festgelegt. (Dieser Handelsvertrag besteht noch heute zu Recht.) Die deut-
schen Uferstaaten ermäßigten gleichfalls immer mehr die Zollsätze, mit Aus-
nahme von Nassau, bis der Krieg von 1866 und der darauffolgende Friedens-
schluß allen Rheinzöllen ein Ende machte'). (In den Jahren 1865 und 1866
i) Vgl. Eckert und Gothein a. a. O.
6*
84 Abschnitt H. Geschichtlicher Rückblick bis 1S70.
betrug der ganze Rheinzoll von der holländischen Grenze bis Mannheim nur
noch 2,27 Mark je Tonne.)
In der »Revidierten Rheinschiffahrtsakte« von 1868 sind die frei-
heitlichen Grundsätze der älteren Akte sämtlich beibehalten und zum Teil
erweitert worden. Es wird die völlige Freiheit der Schiffahrt auf dem
Rhein und seinen Mündungen von Basel bis ins offene Meer für Schiffe aller
Völker festgestellt, sofern sie den Vertrs^sbestimmungen und den Polizei-
vorschriften Genüge leisten. Waal und Leck werden als zum Rhein gehörig
betrachtet. Die zur »Rheinschiffahrt gehörigen Schiffe», die zur Führung der
Flagge eines der Rheinuferstaaten berechtigt sind, dürfen jeden beliebigen
Weg durch Holland nach dem Meere oder nach Belgien einschlagen.
»Abgaben, die sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründen,
dürfen auf dem Rhein, seinen Nebenflüssen und seinen Armen im niederlän-
dischen Delta weder von irgendwelchen Schiffen oder deren Ladungen, noch
von den Flößen erhoben werden. Die Erhebung von Gebühren ist künftig-
hin nur für Benutzung künstlicher Wasserstraßen oder Anlagen, wie Schleusen
u. dgl. gestattet.«
Außer den genaueren Bestimmungen über den Befähigungsnachweis
der Schiffer und deren Patente ist zu erwähnen, daß der früher eingesetzte
Oberaufseher fortfiel und dafür vereinbart wurde, daß von Zeit zu Zeit ge-
meinschaftliche Befahrungen des Stromes durch die Wasserbaubeamten
der Uferstaaten vorgenommen werden sollten, um die Beschaffenheit des
Stromes, die Wirkungen der zu dessen Verbesserung getroffenen Maßregeln
und die etwa eingetretenen neuen Hindernisse zu untersuchen und festzu-
stellen. Solche Bereisungen waren schon 1849 ^^^ ^86i ausgeführt worden.
Weder die Schiffahrtsakte von 1831, noch die von 1868 enthält eine ansdriickliche Ver-
pflichtung der Uferstaaten zum Ausbau des Stromes (für eine gewisse Fahrwasserbreite und
Tiefe) und besonders Holland weigerte sich 1868, eine solche zu Übernehmen. Dagegen be-
steht eine solche Verpflichtung nach dem oben erwähnten, zwischen Holland imd Preußen (zu-
gleich für den Zollverein) im Jahre 1851 abgeschlossenen Handels- und Schiffahrtvertrage. Im
Artikel 23 dieses Vertrags ist vereinbart: »Um sobald als möglich die Hindemisse zu entfernen,
welche der Zustand der Ströme, insbesondere zwischen Köln und Dordrecht und Rotterdam,
der Schiffahrt in den Weg legt, verpflichten sich beide Regierungen gegenseitig . . ., den Lauf
desselben berichtigen und das Fahrwasser vertiefen zu lassen, um, soweit es durch künstliche
Arbeiten geschehen kann, zu allen Jahreszeiten eine für beladene Fahrzeuge hinreichende Fahr-
tiefe zu sichern*).
Die Zentralkommission, mit dem Sitz in Mannheim, entA^'irft auch die
Schiffahrtpolizeiordnungen, die darauf von den einzelnen Uferstaaten
amtlich erlassen werden. Sie tritt alljährlich zusammen und besteht jetzt aus
je einem Vertreter von Baden, Elsaß-Lothringen, Baiern, Hessen, Preußen
und Holland.
Die Schweiz ist daran nicht beteiligt. Zwischen ihr und Baden sind besondere Ver-
träge in den Jahren 1867 und 1879 abgeschlossen worden. Dabei wurden auch die letzten
»Ausschlußrechte« der Schifferschaft zu Laufenburg und der Rheingenossen zwbchen Säckingen
und Grenzach aufgehoben.
i) Peters, Schiffahrtsabgaben. Leipzig 1906, S. 303.
1
4. Der Wiener Kongreß von 1815. 85
Die Emsschiffahrtsakte, die zuerst 1815, dann 1820 und endgültig
im Jahre 1 843 zwischen Preußen und Hannover abgeschlossen wurde, ist in-
folge der Ereignisse von 1866 als aufgehoben anzusehen.
Die Weserschiffahrtsakte wurde zuerst im Jahre 1823 vereinbart,
1857 durch eine Additionalakte ergänzt und besteht mit einigen im Jahre 1861
vorgenommenen Änderungen noch heute zu Recht. Bei dem ersten Ver-
trage wurden alle Stapel-, Umlade- und Gildenrechte, sowie alle Abgaben
aufgehoben, mit denen die Schiffahrt stark belastet war, mit Ausnahme der
Zölle. Die Zollstätten (früher 22) wurden ebenso wie die Höhe der Zölle
wesentlich vermindert. Ihre endgültige Aufhebung erfolgte durch Vertrj^e
zwischen den Uferstaaten im Jahre 1856.
Abweichend von der Rheinakte ist zwar die Schiffahrt auf der ganzen
Weser (vom Zusammenfluß der Werra und Fulda bis ins Meer) in bezug auf
den Handel frei; doch bleibt die Schiffahrt von einem Uferstaat zum anderen
(Kabotage) ausschließlich den Untertanen dieser Staaten vorbehalten. Der
Berähigungsnachweis der Schiffer und die SchifTuntersuchung ist ähnlich wie
auf dem Rhein vorgeschrieben. Zur Einrichtung von Reihefahrten ist die
Genehmigung der betrefTenden Staatsregierungen erforderlich. Die Staaten ver-
pflichten sich gegenseitig für einen guten Zustand der Leinpfade und für die
Beseitigung von Schiffahrthindernissen zu sorgen. Der Additionalakte von
1857 war eine Schiffahrtpolizeiordnung für den Weserstrom beigefügt.
Alle diese Vereinbarungen gelten nur für den Hauptstrom und nicht für
die Quell- und Nebenflüsse.
Um eine Elbschiffahrtsakte zu vereinbaren, traten 1819 in Dresden
10 Bevollmächtigte zusammen. Man konnte sich schwer über die Zölle
einigen, namentlich über den Brunshauser oder Stader Zoll, von dem Han-
nover behauptete, es wäre ein Seezoll und von den Wiener Beschlüssen nicht
betroffen. 1821 kam die Akte zustande. Die Zahl der Zollstätten wurde
von 35 auf 14 herabgesetzt. Nach dem Gewicht der Ladung wurde ein
ElbzoU in 6 Klassen und außerdem von dem Schiffe eine Schiffsgebühr
(Rekognition) in 4 Klassen erhoben, ähnlich wie am Rhein. Stapel-, Gilden-
berechtigungen u. dgl. wurden aufgehoben, die Freiheit der Schiffahrt jedoch
wie bei der Weser mit der »Kabotage« beschränkt und außerdem die Schiff-
fahrt innerhalb der Grenzen eines Uferstaats von den Vereinbarungen über-
haupt ausgenommen. Befähigungsnachweise der Schiffer und Untersuchung
der SchifTe wurden allgemein eingeführt und Reihefahrten wie an der Weser
von der Genehmigung abhängig gemacht. Außerdem wurden die üblichen
Vereinbarungen über Verbesserung der Leinpfade und die Beseitigung von
Hindernissen im Fahrwasser ausgesprochen. Zur späteren Fortsetzung der Be-
ratungen sollten von Zeit zu Zeit Revisionskommissionen zusammentreten.
Diese tagten 1824 und 1828 und beschäftigten sich vorwiegend mit den
2^11en, deren Höhe allgemein als sehr drückend empfunden wurde. Kleine
Milderungen genügten nicht. Erst im Jahre 1842 brachte die Kommission in
86 Abschnitt IL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Dresden eine wirkliche Verbesserung, indem sich Hannover, Dänemark (fiir
Lauenburg) und Mecklenburg mit Preußen zu einem gemeinschaftlichen Zoll-
amte in Wittenberge vereinigten und die Schifisgebühr ganz aufgehoben
wurde. (Der Normalzoll für den ganzen Strom wurde je Tonne auf 34 Mark
festgesetzt] In diesem Jahre fand auch die erste gemeinschaftliche Befahrung
des Stromes durch die Wasserbaubeamten der Uferstaaten statt, die einheit-
liche Grundsätze für die künftige technische Behandlung des Stromes auf-
stellten. Sie wurden in die Additionalakte von 1844 aufgenommen. Hinsicht-
lich der Freiheit der Schiffahrt enthält die neue Akte einige Verbesserungen:
»Die Beförderung von Personen und Gütern von der Nordsee nach jedem Elb-
uferplatze und von jedem Elbuferplatze nach der Nordsee steht den Schiffern
aller Nationen zu. J Zum Schiffahrtverkehr zwischen Eibuferplätzen verschie-
dener Staaten sind die Fahrzeuge sämtlicher Uferstaaten berechtigt.« »Die
Befugnis zur Beförderung von Personen und Gütern von einem Elbuferplatze
seines Gebiets nach einem anderen Elbuferplatze desselben Gebiets kann
jeder Staat seinen Untertanen vorbehalten; jedoch dürfen Schiffe eines Ufer-
staats, wenn sie bei Gelegenheit g^röOerer, vom eigenen Land aus oder dahin
zurückgehender Fahrten das Gebiet eines anderen Uferstaats ganz oder teil-
weise durchfahren, in der Richtung ihrer Fahrt auch zwischen den Uferplätzen
dieses letzteren Gebiets Personen und Güter befördern« — mit Ausnahme
auf der Unterelbe.
Es wurden femer ElbzoUgerichte eingeführt, die auch in Strafsachen
zuständig sind.
Dieser Schiffahrtsakte, die noch heute zu Recht besteht, wurde eine für
die ganze Elbe gültige Schiffahrtpolizeiordnung beigefugt.
Weitere Revisionskommissionen, die 1850 bis 1854 und 1858 tagten,
beschäftigten sich allein mit der Herabsetzung der drückenden Zölle, hatten
aber wenig Erfolg. Österreich, Preußen und Sachsen waren zu einer Herab-
minderung bereit; aber die anderen Staaten, namentlich Hannover sträubten
sich dagegen. Im Jahre 1863 erfolgte eine namhafte Herabsetzung des
Zolls auf 2,8 Mark je t, und dieser Zoll wurde hinfort nur in Wittenberge
erhoben. Von den Einkünften entfiel eine Hälfte auf Oesterreich, Sachsen,
Preußen, Anhalt imd Hamburg, während die andere unter Hannover, Mecklen-
burg und Dänemark verteilt wurde.
Im Jahre 1870 wurde durch den norddeutschen Reichstag nach Ab-
schließung eines Staatsvertrags mit Österreich endlich der Zoll vom i. Juli
an aufgehoben. Mecklenburg wurde durch 3000000 Mark und Anhalt durch
255000 Mark abgefunden.
Im Jahre 1880 wurde eine neue Schiffahrtsakte zwischen den Uferstaaten
vereinbart und dem Deutschen Reichstage vorgelegt; sie kam aber nicht zur
Verabschiedung.
Für die Donau kam es zu keiner allgemein als rechtsgültig anerkannten
Schiffahrtsakte. Im Jahre 1851 schlössen Österreich und Baiern einen Ver-
4. Der Wiener Kongreß von 1815. 87
trag, durch den die drückenden Flußzölle (in Österreich unter der Enns be-
standen z. B. 77 Zollstätten) fvir alle Güter, die aus ihren Staaten kamen, auf-
gehoben wurden und in dem auch die Verpflichtung enthalten war, den Strom
bis nach Ulm in stets fahrbarem Zustande zu erhalten. Auf Grund dieses
und eines zweiten 1855 geschlossenen Vertrags wollte Österreich, als nach
dem Krimkriege auf dem Pariser Kongreß von 1856 die SchifTahrtangelegen-
heiten der Donau im Sinne der Wiener Kongreßakte geregelt werden sollten,
die obere Donau von den Verhandlungen ausschalten. Aber die anderen
Großmächte waren damit nicht einverstanden und es wurden zwei Kommis-
sionen eingesetzt : Die eine, aus Vertretern der Großmächte zusammengesetzt,
sollte fiir die Ausführung der Verbesserungen in den Donaumündungen sorgen
und nur einige Jahre lang bestehen, während die andere, die Uferstaaten-
kommission, im Sinne der Wiener Kongreßakte alle Schiflahrtangelegenheiten
des ganzen Stroms einheitlich dauernd behandeln und später, nach Auflösung
der ersten Kommission, auch die Mündungen überwachen sollte'). Dabei
wurde für die Schiffahrt die Gleichberechtigung aller Völker festgestellt. Am
Ende des Jahres 1856 trat die Uferstaatenkommission zusammen, beschloß
die Freiheit des Verkehrs, hob alle Vorrechte und Durchgangzölle auf u. dgl.
Die Freiheit der Schiffahrt war aber keine vollständige, vielmehr wieder durch
die sogenannte Kabotage beschränkt, d. h. der Verkehr von Uferstaat zu Ufer-
staat war den Nichtuferstaaten verboten. Diese Vereinbarung von 1857
(»Donauschiffahrtsakte« genannt) wurde von den Großmächten bei den 1858
in Paris gepflogenen Verhandlungen nicht anerkannt, weil sie ihren Beschlüssen
von 1856 nicht genügte, während Osterreich den übrigen Großmächten das
Bestätigungsrecht dieser Akte bestritt. Die Donauuferstaaten gaben schließ-
lich in gewissem Grade nach und unterzeichneten 1859 ui Wien eine Ad-
ditionalakte, die infolge des bald beginnenden Krieges aber nicht von den
Mächten anerkannt worden ist').
Auch spätere Verhandlungen (z. B. 1866) fährten zu keiner endgültigen
Einigung. Die Uferstaatenkommission ist nicht mehr zusammengetreten und
auf dem Berliner Kongreß 1878 gamicht mehr erwähnt worden. Dagegen
sind die Befugnisse der europäischen Donaukommission fiir die Mündungen
immer wieder (zuletzt 1883 in London) von den Großmächten verlängert
worden, merkwürdigerweise ohne Hinzuziehung von Rumänien.
An dieser Stelle mag noch auf die großen Vorteile hingewiesen werden,
die der Binnenschiffahrt durch den preußisch-deutschen Zollverein erwuchsen,
der am i. Januar 1834 mit Beteiligung von zunächst 18 deutschen Staaten
ins Leben trat. Außer dem Fortfall der meisten Durchgangzölle wurden
1) George Radu, Die Don&uschiffahrt in ihrer völkerrechtlichen Entwicklung. Berlin 1909.
2) PeterSi SchifTahrtsabgaben, Leipzig 1906, vertritt auf S. 329 die Ansicht, daß die Schiflf-
fahrtsakte von 1857 als geltendes Recht anzusehen ist, da sie in Österreich und Baiem als Gesetz
veröffentlicht worden ist.
88 Abschnitt EL Geschiehllicher Rückblick bis 1870.
auch die Rhein- und Elbezölle dadurch insofern gemildert, als die am Zoll-
verein beteillgften Staaten sich gegenseitig die FJußzölle mehr oder minder
erließen oder wieder ersetzten.
5. Die Binnenschiffahrt von der Erfindung des Dampfschiffs
bis zum Jahre 1870.
Wie die Kammerschleuse die Herstellung künstlicher Wasserstraßen mög-
lich machte, so gab die Dampfmaschine zur Fortbewegung der Schiffe an
Stelle der unzuverlässigen Windkraft und der schwachen Muskelkraft der
Menschen und Tiere eine sichere, ausreichende Triebkraft. Man setzt ge-
wöhnlich die Einführung der Dampfschiffahrt in das Jahr 1807, in dem am
17. August Robert Fuiton mit dem Schiffe »Oaremont« (vom Volke »Narr-
heit» genannt) die erste erfolgreiche Fahrt auf dem Hudson von New-York
nach Albany machte. Aber die Erfindung des Dampfschiffs und der Dampf-
maschine hat eine mehr als hundert Jahre lange Voi^eschichte,
Abb. 9. Jonathan Hulls Patent auf ein Damp^chiff, 1736.
Nachdem von Torieelü die Schwere der Luft entdeckt and von Otto von Guericte im Jahre 1654
die Luftpnmpe erfunden war, bemilbte man sich schon am Ende des 17. Jahrhunderts, diese
Natnrkraft nutzbar zu machen. Professor Papin in Marburg versuchte um 1690, eben Kol-
ben in einem senkrecht stehenden Zylinder durch den äußeren Luftdruck nach unten zu bewegen,
indem er unter dem Kolben durch Abkühlung (Kondensation) von Wasserdampf eine Luft-
verddnnung fVakuum] erzeugte. Die Enähluag, daß er im Jahre 1707 bereits mit einem Dampf-
boot auf der Fulda gefahren sei, beruht nach den neuesten Forschungen auf einem Irrtom'].
Das Boot wurde vielmehr durch SchanfelrSder bewegt, die mittels Kurbeln von Menschen
gedreht wurden. Solche Versuche sollen schon im Jahre 1543 im Hafen von Barcelona von
BUsco de Gary gemacht worden sein. Fapin hatte die Absicht, die vorbeschriebene Luftdruck-
[atinosph arische) Maschine spiter inr Drehung der Schaufelräder zu benutzen; das ist ihm aber
nicht gelungen. Die Luftdruckmaschinen sind dann in England von Savery (169S) weiter aus-
gebildet und zuerst von Newcomens im Jahre 1713 mit Erfolg zur Vl^asserhaltung in Bergwerken
l) Dr. E. Gerland, Leibniti und Huygens Briefwechsel mit Papin, nebst Biographie
Fapins. Berlin iSSl.
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870. 89
ausgeführt worden. Im Jahre 1736 nahm der Engländer Jonathan Hulls ein Patent auf ein
Schiff, dessen Schaufelrad am Hintersteven durch Zugseile bewegt werden sollte, die von zwei
Luftdruckmaschinen angetrieben werden sollten. Mit diesem Kraftschiffe wollte er Segelschiffe
schleppen. Die mitgeteilte Abb. 9 stammt aus dem Britischen Museum '). Die Versuche miß-
glückten vollständig und es kam wohl nie zur Fertigstellung des Schiffs. In Amerika sollen in
der 2^it zwischen 1770 bis 1780 Oliver Evans imd im Jahre 1773 auch Christophe CoUes ähn-
liche Versuche ohne Erfolg gemacht haben.
Erst James Watt, der von 1736 bis 1819 lebte, ist es gelungen, an
Stelle des Luftdrucks den Dampfdruck als bewegende Kraft einzuftihren und
im Jahre 1774 seine erste brauchbare Dampfmaschine »Beelzebube zubauen.
Im Jahre 1778 führte er die Expansion ein und 1782 baute er die erste
Dampfmaschine mit Drehbewegung*).
In dieser Zeit wurden überall Versuche gemacht, ein brauchbares Dampf-
schiff zu bauen: in England, Schottland, Frankreich und Amerika. In Eng-
land war die Sache erschwert, weil die Patente von Watt erst 1800 abliefen
und man sich darum meistens auf die Verwendung von Luftdruckmaschinen
beschränkte. Auch in Frankreich mißglückten die von Auxiron 1774 und
von Perier 1775 angestellten Versuche.- Besseren Erfolg hatte der Marquis
de Jouffroy mit seinen Versuchen auf der Saone im Jahre 1783 unter Ver-
wendung einer Wattschen Maschine.
William Symington nahm 1787 auf ein mit einer Luftdruckmaschine
angetriebenes Schiff ein Patent und baute mit Patrick Miller ein kleines
Dampfschiff, das 1788 fertig wurde. Es schien so gut, daß sie im fol-
genden Jahre ein größeres ausführten und auf dem Forth- and Clyde-Kanal
in Betrieb setzten, der wegen seiner ziemlich großen Abmessungen von 17m
Wasserspiegelbreite und 2,1 m Wassertiefe dazu besonders geeignet schien.
Aber es bewährte sich nicht, weil die Schaufeln u. dgl. zerbrachen, so daß
die Versuche der hohen Kosten wegen wieder eingestellt wurden. Zu gleicher
Zeit hatten in Amerika John Fitch ziemlich gute Erfolge auf dem Shuylkill-
flusse und James Rumsey in Philadelphia ; aber beide Erfinder starben frühzeitig.
Auf dem Bridgewaterkanal (vgl. S. 72) bemühte man sich lange Zeit,
um ein kleines Dampfboot zu bauen, das die Kohlenschiffe schleppen sollte.
Im Jahre 1799 wurde das erste Boot »Bonaparte« in Betrieb gestellt, wovon
hier eine Abbildung (10) mitgeteilt wird^).
Ob der berühmte Fulton etwa beim Bau dieses Schiffes mitgewirkt hat,
ist zweifelhaft. Es hatte einen stehenden Dampfzylinder und die Übertragung
auf die Radwelle wurde durch Kegelräder bewirkt. Das Boot war imstande,
mehrere Kohlenschiffe nach Manchester zu schleppen. Aber die starke
Wellenbewegung beschädigte sehr die Kanalufei* und außerdem erzielte man.
nicht die gleiche Geschwindigkeit wie beim Treideln mit Pferden. Das Boot
wurde daher abgebrochen und die Dampfmaschine anderweit verwendet.
i) Bericht von Bailey zum 4. internationalen Binnenschiffahrt-Kongreß 1890 in Manchester.
2) Matschoß, Conrad, Die Entwicklung der Dampfmaschine. 1908.
3) Aus Bailey a. a. O.
90 Abschnitt n. Geschichtlicher RdckbUck bii 1S70.
Im Jahre 1800 bekam Symington den Auftrag, für den Forth- and Clyde-
Kanal einen Schleppdampfer zu bauen, der unter dem Namen > Charlotte
Dundas* im Jahre 1802 seine Probefahrt machte (Abb. 11). Die Dampf-
maschine mit liegendem Zylinder war neben dem Kessel angeordnet und die
Pleuelstange [Schubstange) verband unmittelbar die Kolbenstange mit der
Abb. 10. Dampfboot Booiparte, 1799.
Kurbel der Radwelle, die ein im Hinterschiff eingebautes Schaufelrad mit
8 Schaufeln trug. Diese Einrichtung zeigte einen wesentlichen Fortschritt.
Das Schiß* schleppte 2 Boote in 6 Stunden gegen heftigen Wind auf eine
Entfernung von 36,1 km: Das war also eine gute Leistung. Aber die heftigen
Wellen beschädigten die Kanalufer so sehr, daß man den Betrieb wieder
aufgab.
Abb. II. Dunpfboot Charlotte Dundas, 1800.
Der Herzog von Bridgewater soll trotzdem in Anbetracht der guten Er-
folge Symington den Auftrag für die Herstellung von 8 Dampfern für seinen
Kanal gegeben haben. Doch starb der Herzog 1803 und sein Erbe schloü
sich der Meinung der Aktionäre des Forth- and Clyde-Kanals an, die nichts
mehr von Dampferbetrieb wissen wollten.
$. Von d«t ErfiDdang des Damp^chilTs bb 1870. 91
Alle diese Versuche fuhrtea also nicht dazu, das Dampfschiff zu dauern-
dem Gebrauch einzufuhren. Das gelang erst Robert Fulton'). Dieser war
1765 in Amerika geboren, kam 1786 nach Bioland und ging von dort nach
Paris, wo er sich mit Robert Livingston verband und ein Dampfschiff baute.
Im Jahre 1803 machten sie auf der Seine eine erfolgreiche Fahrt von mehreren
Stunden, an der auch Camot, Parier und Mitglieder der französischen Aka-
demie teilnahmen. Aber die kriegerischen Zustände verhinderten die weitere
Entwicklung dieses Unternehmens. Fulton bestellte darauf in England bei
Boulton und Watt eine große Dampfmaschine von 609 mm Zylinderdurch-
messer und 1,22 m Hub, die er nach New-York verladen ließ. Er begab sich
1806 mit Livingston selbst dorthin und sie bauten das Schiff >Ctaremont<,
40,5 m lang, 5,48 m breit und 2,74 m hoch. Der Tiefgang des Schißes soll
Abb. 13. DunpfscbifT ClaremoDt, 1S07.
0,70 m, die Stärke der Maschine 20 »nominelle« Pferdestärken betragen haben.
Sie war mit stehendem Zylinder angeordnet. Vom Querhaupt gingen 2 Schub-
stangen zu 2 wagerecht liegenden Winkelhebeln, von denen wieder 2 Schub-
stangen zu den Kurbeln der Räderwelle führten. Von dieser Welle wurde
durch ein Zahnrad-Vorgelege ein Schwungrad zum Ausgleich betrieben und
auch die Luftpumpe. Der Kessel hatte Wasserröhren und war wie bei orts-
festen Maschinen eingemauert'). Die beiden Seilenräder von 4,57 m Durch-
messer, mit je 8 Schaufeln, tauchten 0,61 m ein und sollen in der Minute
20 Umdrehungen gemacht haben. Bei der ersten Fahrt im Jahre 1807 (am
l) Mstachol^, Hundert Jnhre Dunpfschiifahrt Zeitschrift des Vereins Deutscher In-
genienre 1907, S. lzS6.
1) Eingemaaeite Dampfkessel sollen auf einigen Mississippidampfem noch im Jahre 1876
im Betrieb gewesen sein. Anfangs baute ma.n sogar gemauerte Schornsteine (Matschoß).
92 Abschnitt II. GeschJchÜicher Rückblick bis 1870.
17. August] wurde die 240 km lange Entfernung von New-York bis Albany
stromauf in 32 Stunden zurückgelegt. Zur hundertjährigen Feier dieses Ereig-
nisses wurde im Jahre igo; in New-York ein groDes Fest veranstaltet. Dazu
war eine möglichst genaue Nachbildung des Claremont gebaut worden, die
aus der Abb. 1 2 deutlich sein wird. Nach dem günstigen Verlauf der Probe-
fahrt machte Claremont seit 1808 regelmäßige Fahrten und nach 5 Jahren
waren in Amerika schon etwa 50 Dampfschiffe dieser Art im Betrieb, Im
Jahre 1819 ging das erste Dampfschiff »Savannah« von New-Yoik nach Liver-
pool. Es war 25 Tage unterwegs; davon 18 Tage lang unter Dampf.
In Europa hatte zuerst im Jahre 1812 der Schotte Henry Bell mit
seinem Dampfschiff >Comet< dauernden Erfolg. Er besaß an der Mündung
des Clyde eine Badeanstalt, zu der er seine Gäste von Gla^ow beförderte.
Das von Wood & Robertson dort gebaute Boot war nur 12 m lang. Es
bewährte sich gut und seine Maschinenanordnung wurde auf lange Zeit [etwa
bis 1840) für Europa vorbildlich.
Ähnlich wie bei Fultons ClaremoDt giogea von dem Querhaupt des stehenden Zylinders
beiderseits Schabstangen za unten liegenden doppelannigen Hebeln (Balanciers), die die Kurbel-
welle — meistens mit Sehwungrad — antrieben. Die vier Schaufclrilder wurden von der Kurbel-
welle durch Zahnräder bewegt Die Ma-
schine stand neben dem Kessel [Abb, I3).
Diis boot faßte etwa ao FahrgKste nnd
hatte eine Geschwindigkeit von 8 km je
Stunde. Die Maschine befindet sich im
Londoner Museum').
Im Jahre 1815 sollen in Eng-
land und Schottland schon 20
Dampfschiffe verkehrt haben, 1823
mehr als 160 und im Jahre 1824
allein im Gebiet des Clyde 35.
Im Jahre 1816 erschienen
auf dem europäischen Festlande
~~"l^~i: ~~ die ersten wahrscheinlich in Eng-
Abb. 13. Bella Comet, 1813, land gebauten Dampfschiffe: in
Paris auf der Seine ein unbe-
kannt gebliebenes Schiff, in Köln auf dem Rhein wahrscheinlich die >D^
fiance< (mit etwa 34 Pferdestärken) und in Hambui^ auf der Elbe die
>Lady of the Lake«. Über das große Aufsehen, das durch das Erscheinen
des ersten Dampfschiffs auf dem Rhein entstand, berichtete die Köhiische
Zeitung ausführlich am 13. Juni 1816. Das Schiff hatte die Strecke von
Rotterdam bis Köln (etwa 310 km) in 4 Tagen zurückgelegt. Die von den
t) Nach dieser Anordnung, die übrigens auch von Watt in Soho angen-endet wurde, baute
noch im Jahre 1841 Cockerill in Sening eine Maschine für den Rheindampfer >Germ>niai. Sie
blieb bis :9o; im Gebrauch und kam dann in das Deutsche Museum in München. — Spftter
wurden an Stelle der doppelarmigen Hebel einarmige angewendet — Matschoß, Die Entwick-
lung der Dampfmaschine. Berlin 1908.
$. Von der Erfindnng des Dampfs chifTs bis iS7a 93
englischen Unternehmern beabsichtigte Wdterfahtt bis Frankfurt wurde aur-
gegeben. Es wird berichtet, dass diese von der preuDischen Regierung die
Verleihut^ eines Monopols fiir die RheindampfschifTahrt verlangt hätten; da
ihnen dies nicht gewährt wurde, kehrte das SchifT wieder zurück. Der in
Hamburg etwa zu gleicher Zeit eingetroffene Dampfer eröffnete am 19. Juni
einen regelmäßigen Verkehr zwischen Hamburg und Kuxhaven; da sich aber
weder genügend Personen noch Güter fanden, um dies Unternehmen ein-
träglich zu machen, wurde der Dampfer wieder nach dem Forth zurückgeführt.
In diesem Jahre wurden auch in Deutschland die beiden ersten Dampf-
schiffe gebaut: das eine »Weser* von einem Bremer Kaufmann Friedrich
Schröder auf der Werft von Johann Lange in Vegesack und das andere
»Prinzessin Charlotte« von einem Engländer Humphrey auf einer kleinen
Werft in Picheisdorf bei Spandau.
Abb. 14. Dunpfschiff Weser, 1816.
Schröder halte vom Bremer Senat ein Privilegium fUr die Dampfschiffahrt auf der Weser
für 15 Jahre erhalten. Das Schiff, welches in Abb. 14 dargestellt ist, war mit flachem Boden
gebaut, hatte eine Lange von 25,5 m, eine Breite von 4,1 m und eine Seitenhöhe von 3,4 m').
Die von Boullon, Watt & Co. in Soho bei Birmingham gebaute einzylindrige Niederdruckmas chine
mit Seitenbalaacier stand mit dem Kondensator auf der Backbordseite, hingegen der 4,2 m lange,
1,1 m breite und 1,9 m hohe Kofferkessel auf der Steuerbordseite. Die Mascbinenleistung be-
trog bei za Umdrehungen in der Minnte etwa 14 Pferdestärken, womit eine Fahrgeschwindig-
keit von etwa 10 km je Stunde erreicht wurde. Uer Koblenverbrauch soll je Stunde und
Pferdestärke etwa 8,4 kg betragen haben. Am 6. Mai 1817 machte das Schiff die erste Fahrt
von Vegesack nach Bremen und ist bis zum Jahre 1833 dauernd auf der Unterweser im Be-
trielic geblieben.
Die •Priniessin Charlotte« war etwa 40 m lang und 5,8 m breit. Sie verkehrte längere
Zeit inbchen Berlin, Charlottenbnrg und Potsdam. Humphrey, der in Preußen ein Patent auf
seine neuen Dunpfschiffeinrichtungen erhalten hatte, baute noch zwei andere Schiffe: den
»Courier«, der zwischen Berlin und Ilambui^, und den »Fürst Blücher", der zwischen Magde-
burg und Hamburg fuhr. Diese drei Dampfer standen im Dienst der königlichen Post, die bei
dem Betriebe aber nicht auf ihre Rechnung kam, so daß sie ihn bald einsleiite.
i) H. Raschen, Die Weser. Jahrbuch der SchifTbautechniachen GeiellBchaft, 1907.
94 Abschnitt 11. GeschichÜicher Rückblick bb 1870.
Im Jahre 181 7 kam das erste Dampfschiff auf der Donau in Betrieb
und in demselben Jahre das erste Dampfschiff nach Rußland auf den
Fluß Kama.
Am Rhein wurden mit der Dampfschiffahrt die ersten wirtschafUichen
Erfolge erreicht'). Seit 1822 bemühte sich die Handelskammer von Köln
darum, einen Dampferverkehr auf den Rhein zu bringen, und verhandelte
mit Rotterdam und Antwerpen. Das Unternehmen der letzteren Stadt, einen
Güterdampfer zum Verkehr mit Köln herzustellen, schlug fehl; dagegen ge-
lang es in Rotterdam dem Hause VoUenhoven, Dutilh & Co., mit einem
Dampfschiffe >der Seeländer« im Jahre 1823 eine regelmäßige Verbindung
zwischen Rotterdam und Antwerpen einzurichten. Aus diesem Unternehmen
entstand im folgenden Jahre die »Nederlandsche Stoomboot Maatschappy«
auf Aktien, an der sich die Kölnische Handelskammer mit 50 Aktien be-
teiligte. Die vom König von Holland erteilte Genehmigung (von 1825) ent-
hielt die Bedingung, daß die Schiffe auf holländischem Boden erbaut werden
sollten. Dort war in Seraing bei Lüttich von dem englischen Maschinen-
bauer Cockerill eine Schiffswerft begründet worden. Im Oktober 1824 wurde
mit dem Dampfschiff »der Seeländer« eine Versuchsfahrt rheinaufwärts bis
Bacharach unternommen, die den Beweis erbrachte, daß der Dampfer auch
starke Strömimgen überwinden konnte.
Das Schiff war etwa 34 m lang, 5 m breit und mit einer Maschine von 45 bis 50 Pferde-
stärken ausgerüstet. Der Verbrauch an Lütticher Kohle betrug stündlich 225 kg. AngesteUte
Versuche zeigten, daß die Saarkohle für den Dampfer unbrauchbar war und die Ruhrkohle an
Heizkraft hinter der Lütticher Kohle zunickblieb. Die Maschinenanlage des Schiffes kostete
etwa 77000 Mark, das ganze Schiff 105000 Mark; die später gebauten Schiffe wurden aber
viel teurer.
Vor Köln wurde auch ein erfolgreicher Schleppversuch mit einem Lastschiff mit 100 t
Ladung gemacht.
Im September 1825 wurde mit dem neu erbauten Dampfer > Rheine eine
neue Versuchsfahrt gemacht, an der zwischen Koblenz und Köln auch der
König Friedrich Wilhelm III. mit seinen Söhnen teilnahm. Das SchifT drang
ohne Schwierigkeiten bis Kehl vor. Es war 46 m lang, 5 m breit und hatte
60 bis 65 Pferdestärken. Die Fahrt von Köln bis Kehl hat bergwärts 74 und
talwärts 27 Stunden gedauert.
Als die von der holländischen Gesellschaft betriebenen wöchentlichen
Fahrten mit Personen- und Güterbeförderung zwischen Rotterdam und Köln
sich bewährten, empfand die Kölnische Kaufmannschaft (1825) das Bedürfnis,
eine besondere preußische Gesellschaft zu gründen. Diese Preußisch-
Rheinische Dampfschiffahrtgesellschaft wurde mit einem Kapital von
720000 Mark errichtet, das in 1200 Aktien von nur 600 Mark eingeteilt war,
um auch den Mitgliedern der Schiffergilde (S. 58) Gelegenheit zur Beteiligung
zu geben. Bei der königlichen Genehmigung (von 1826) wurde bestimmt,
1} Dresemann, aus der Jugendzeit der Rheindampfschiffahrt, Köln 1903. — Femer
Eckert und Gothein a. a. O.
^5* Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870. 95
daß die der Gilde vorbehaltenen 250 Aktien vorzugsweise preußischen Unter-
tanen überwiesen werden sollten. Außerdem wurde jede Übereinkunft mit
anderen Gesellschaften von der staatlichen Zustimmung abhängig gemacht
und die Benutzui^ der Schiffe für die königliche Post vorbehalten.
Die Niederländische Gesellschaft beteiligte sich gleichfalls an dem preußi-
schen Unternehmen und in Berücksichtigung der damals bestehenden Um-
schlagrechte von Köln und Mainz wurde vereinbart, daß diese Gesellschaft
den Verkehr unterhalb Köln behalten und die neue den Verkehr oberhalb bis
Koblenz und Mainz betreiben sollte. Am i. Mai 1827 begannen die regel-
mäßigen Fahrten nach Mainz.
Zu gleicher Zeit wie in Köln war am Oberrhein in Mannheim die
»Großh. badische Rheindampfschiffahrtgesellschaft c entstanden und ferner
waren Frankfurter, Mainzer und Straßburger Kaufleute zusammengetreten und
hatten die »Dampfschiffahrt -Gesellschaft vom Rhein und Main« gegründet.
Diese beiden Gesellschaften traten in ein enges Vertragsverhältnis zuein-
ander. (Die Dampfschiffahrtgesellschaft vom Rhein und Main hatte keine
wirtschaftlichen Erfolge; sie wurde beteits 1832 mit der preußisch-rheinischen
verschmolzen.)
Im Jahre 1829 wurde von der Gute-Hoffnungshütte in Oberhausen der
erste deutsche Rheindampfer > Stadt Mainz« erbaut. Er war 45 m lang, 5,7 m
breit und hatte 0,9 m Tauchtiefe.
Trotz der den freien Verkehr beschränkenden Zustände vor Einführung
der Schiffahrtsakte verkehrten im Jahre 1830 im Rheingebiet bereits zwölf
Dampfschiffe regelmäßig: davon eines zwischen Schröck (Leopoldshafen)
und Mainz, drei zwischen Mainz und Köln, vier zwischen Köln, Rotterdam
und Antwerpen, und eines zwischen Dortrecht und Rotterdam. In diesem
Jahre nahm auch der zur Mainzer Gesellschaft gehörige Dampfer »Stadt
Franidurt« die Fahrten zwischen Mainz und Frankfurt auf und ersetzte die
alten Marktschiffe.
Im Jahre 1832 wurde mit dem vorgenannten Dampfer eine dritte Ver-
suchsfahrt von Kehl aufwärts bis Basel mit gutem Erfolge durchgeführt')
und schon im folgenden Jahre dehnte die Kölnische Gesellschaft ihren Be-
trieb bis Straßburg aus.
Infolge der durch die Schiffahrtsakte erreichten Freiheit des Verkehrs
bildete sich 1836 in Düsseldorf die »Dampfschiffahrtgesellschaft für den
Mittel- und Niederrhein« und trat (1838) in empfindlichen Wettbewerb mit
der Niederländischen und besonders mit der Kölnischen Gesellschaft, die seit
dem Jahre 1835 zusammen 15 Dampfer in Dienst gestellt und damit fast
allein den Verkehr in Händen hatten.
l) AUe 3 Versuchsfahrten (bis Bacharach, bis Kehl und bis Basel) wurden von dem in
Neuwied geborenen Ingenieur Röntgen geleitet, der an der Spitze der Maschinenfabrik und
Werft in Rotterdam stand und mancherlei Verbesserungen im Bau der Dampfschiffe und Ma-
schinen eingeführt hat.
96 Abschnitt H. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Die neue Gesellschaft brachte das erste eiserne Dampfschiff auf den Rhein, die
>Viktoriac, die 1838 in London gebaut und über See gebracht wurde. Das Schiff war 56,4 m
lang, 7,05 m breit, 2,9 m hoch und hatte einen Tiefgang von etwa i m. Es war mit einer
Wattschen Balanciermaschine versehen und ist bis 1886 im Betrieb geblieben.
Bald entstand ein weiterer Wettbewerb durch einige kleinere holländische
Gesellschaften. Ferner bildete sich in Straßburg im Jahre 1838 die »Com-
pagnie Renouard de Boussi^re«, die mit zwei Schiffen von je etwa 60 t Trag-
fähigkeit und 30 Pferdestärken im Anschluß an die Kölnische Gesellschaft
nach Basel fuhr. Bei der Bergfahrt wurde das Dampfschiff in dem 1834
fertig gestellten Rhein-Rhone-Kanal mit Pferden bis Hüningen getreidelt.
Diese Fahrt dauerte etwa 30 Stunden. Die nur 7 Stunden dauernde Talfahrt
bis Straßburg ging auf dem Rhein. Wenn man morgens 5 Uhr von Basel
abfuhr, war man abends 8 Uhr in Mannheim. Am folgenden Tage wurde die
Fahrt von da um 6 Uhr fortgesetzt und endete um 8 Uhr abends in Köln.
Man brauchte also von Basel bis Köln 30 Fahrstunden. Der Verkehr soll leb-
haft, aber nicht einträglich gewesen sein ; denn das französische Unternehmen
erlosch bereits 1842. Nicht besser erging es einer zweiten, der sogenannten
»Adler «-Gesellschaft, die mit einem Schiffe dieses Namens, das in Paris ge-
baut worden war, von 1840 bis 1843 die Schiffahrt zwischen Straßburg und
Basel betrieb. Dann hat auf dieser Rheinstrecke die Dampfschiffahrt bis zum
Ende des Jahrhunderts geruht.
In den 15 Jahren von 1823 bis 1838 hat sich somit die Dampfschiffahrt
den ganzen, damals und jetzt schiffbaren Rhein bis Basel hinauf erobert und
einen lebhaften Güter- und Personenverkehr vermittelt.
Die Personentarife waren (1827) für die oberste der 4 vorhandenen Klassen — Pavillon,
große Kajüte, mittlere Kajüte und Matrosenkajüte für Bedürftige — 28 Mark und für die unterste
Klasse 7 Mark fiir die Fahrt zwischen Köln und Mainz (auf- oder abwärts], während man auf
dem Marktschiff von Mainz nach Köln 9 Mark zu bezahlen hatte.
Die Fracht für Güter betrug einschließlich aller Rheinzollgebühren in dieser Strecke für
je 100 kg abwärts etwa 2 Mark und aufwärts 3 Mark.
Aber geschleppt wurde zunächst noch nicht. Schon bei der
Gründung der Niederländischen Gesellschaft hatte die Kölnische Handels-
kammer die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Schleppbetriebs er-
wähnt. Doch wollten die Schiffer nicht einmal auf der holländischen Strom-
strecke sich darauf einlassen, wo bis Lobith aufwärts (nahe der preußischen
Grenze) kein Leinpfad vorhanden war. Schon 1825 wurde dort der Versuch
gemacht; aber damals war der Rheinverkehr so gedrückt, daß die Schiffer
den Zeitgewinn für wertlos erklärten, da sie bei der Rangfahrt doch nur je
eine Fahrt jährlich zwischen Köln und Rotterdam machten. Dennoch baute
die Niederländische Gesellschaft ein kräftiges, zum Schleppen geeignetes Schiff,
den > Herkules €, der 1829 in Dienst trat.
Der Dampfer war etwa 53 m lang und 7,3 m breit, über den Radkasten 14,6 m. Die
Räder hatten 7,3 m Durchmesser. Die beiden Maschinen von 80 und 100 Pferdestärken sollen
zusammen 240 1 gewogen haben, so daß auf dem Schiffe kaum noch Platz zur MitfÜhrung
einiger Frachtgüter war. Die Kosten betrugen etwa 312000 Mark.
5- Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870.
97
Später (nach 1839) schleppte er gewöhnlich von Rotterdam 4 bis 6 Lastschiffe mit zu-
sammen 250 bis 350 t bis Emmerich. Dort wurde der Zug geteilt und in zwei Hälften nach
Düsseldorf und Köln gebracht.
Die Schifferbevölkerung begrüßte die Einfuhrung der DampfschifTe
keineswegs mit Freuden. Bei der Gründung der preußisch-rheinischen Gesell-
schaft beschwerte sich sogar die kölnische Schiifergilde beim Könige (allerdings
vergeblich) über den von den Kaufleuten als Aktionären zu erwartenden Wett-
bewerb, worin sie eine Beeinträchtigung ihrer Rechte erblickte. Aber solange
noch die Gilden bestanden und der Schleppbetrieb noch nicht eingeführt war,
blieb die Einwirkung des Dampferverkehrs im allgemeinen unerheblich.
Viel gewaltiger waren die Veränderungen in dem gewerblichen Be-
triebe der SchifTahrt, die 1831 durch die Einfuhrung der Schiffahrtsakte
hervorgerufen wurden: die Abschaffung der Umschlag- und Gildenrechte,
die Gleichstellung der Gildeschiffer, Rangschiffer, Kleinschiffer und der Schiffer
von den Nebenflüssen, sowie die freie, ungebundene Vereinbarung der Frach-
ten. Zunächst litten darunter die alten Stapelorte, besonders Köln, wenn es
auch von der Regierung durch eine erhebliche Geldsumme entschädigt wurde:
Mit Kummer mußte man feststellen, daß im Jahre 1832 nur 6 Schiffe mit
zusammen 1150 t aus Amsterdam in den Kölner Hafen einkehrten, während
viele Schiffe mit zusammen etwa 4200 t aufwärts vorbeifuhren.
Alle Handelstädte am Rhein bestrebten sich zunächst im Sinne der
neuen Schiffahrtsakte durch Vereinbarung von freiwilligen Beurt- oder Rang-
fahrten (S. 50 u. 82) untereinander und mit den Städten an den Nebenflüssen,
sowie durch Ermäßigung ihrer Hafen-, Lagerhaus- und Krangebühren die
Schiffahrt an sich zu ziehen. Besonders tätig war in dieser Richtung Köln,
zumal dessen Hafen damals in sehr schlechtem Zustande war. Es schloß
sogar mit Kitzingen am Main und mit Heilbronn am Neckar entsprechende
Beurtverträge ab. Anfangs, etwa bis 1840, waren die Erfolge der Rangfahrten
gute; aber der allgemeine freie Wettbewerb besiegte sie allmählich, namentlich
nach Einführung der Dampfschleppschiffahrt. (Schon 1 844 hörten die nieder-
ländischen auf und die anderen verschwanden am Anfang der sechziger Jahre.)
Wie die Frachten von 1830 bis 1835, ^^so noch vor der Einführung
des Dampfschleppbetriebs und der größeren eisernen Schiffe, gefallen sind,
zeigt die nachstehende kleine Tafel.
Frachten je 100 kg in Mark.
Von Köln
nach
Mainz
Frankfurt . . .
Würzburg . . .
Mannheim. . .
Rotterdam. . .
T e u b e r t , Binnenschiffahrt.
1830
1833
1835
i»24
0,88
0,88
1,62
1,20
1,20
—
3,66
3,37
—
1,34
1,25
; 1,50
0,73
0,70
Nach Köln
von
1830
1835
Mainz . . .
Frankfurt .
Würzburg .
Mannheim.
Rotterdam .
0,98
2,45
0,51
0,51
0,80
0,80
2,27
2,10
0,69
0,69
«,35
0,96
7
98 Abschnitt IL GeschichÜicher Rückblick bis 1870.
Es sind dies die Durchschnittpreise der drei Güterklassen bei Rangfahrten
von Köhi. Die Ursache ist zweifellos in der Vermehrung der Schiffer zu
suchen, deren Zahl sich nach Gothein, dem die Tafel entnommen ist, wahr-
scheinlich in dieser Zeit verdoppelt hat.
Im Kampf mit der Dampfschiffahrt wurde allmählich die Treidelei be-
schleunigt. Während früher die Reisedauer von Rotterdam bis Mainz 4 bis
5 Wochen betrug (während die Dampfschiffe dazu 5 bis 6 Tage brauchten),
wurde diese auf 14 bis 16 Tage verkürzt. Die Holländer gingen noch weiter,
indem sie Pferdewechsel einführten und die Fahrzeit von Rotterdam bis Köln
von 14 Tagen auf 5 bis 6 Tage verkürzten. Die Reise von Köln nach Mainz
konnte man in gleicher Weise von 5 bis 6 Tagen auf 4 Tage verkürzen.
Dabei wurde gleichzeitig die Zahl der Vorspannpferde vermehrt. Man rech-
nete am Niederrhein auf je 25 t Ladung ein Pferd.
Der Dampfschleppbetrieb wurde zuerst auf der holländischen Strom-
strecke eingeführt. Holland hatte bei der Vereinbarung der SchifTahrtsakte
die Herstellung eines Leinpfads an der Waal bis Rotterdam versprochen und
es stellte sich bald heraus, daß dies kaum möglich war. Auf Drängen der
preußischen Regierung pachtete daher die holländische Regierung von der
niederländischen Gesellschaft: einige geeignete Dampfer und ließ 1833 die
Rangschiffe (die allerdings vorwiegend holländischen Schiffern gehörten) für
den Preis des Pferdezugs von Rotterdam nach Lobith und Emmerich schleppen.
Sie mußte dabei eine beträchtliche Summe zulegen. Die niederländische Ge-
sellschaft beschaffte außer dem genannten »Herkulesc bis 1838 noch zwei
andere kräftige Schlepper.
In Preußen war die Regierung anfangs (1839) ^^^ Meinung, daß man
den Schleppbetrieb nicht dem Privatunternehmen überlassen könne, wollte
aber nicht allein den dazu erforderlichen Zuschuß, auf den man bestimmt
rechnete, hergeben. Später stellte der Oberpräsident der Rheinprovinz den
bestimmten Antrag, eine staatliche Schleppfahrt einzurichten; aber man kam
in Berlin zu keinem Entschluß ']. Auf Anregung Camphausens wurde darauf
in Köln im Jahre 1841 eine Schleppschiifahrtgesellschaft gegründet, die nicht
nur das Schleppen der Segelschiffe, sondern auch die Beförderung von
Waren in eigenen Schiffen übernehmen sollte.
Unterdessen war die niederländische Gesellschaft in derselben Richtung
tätig gewesen und brachte in diesem Jahre das erste eiserne Lastschiff
auf den Rhein. Es war 54,9 m lang, 7,3 m breit, 3,3 m hoch und hatte bei
1,14 m Tauchtiefe eine Tragfähigkeit von 244 t. Es wurde in 38 Stunden
von Rotterdam nach Köln geschleppt. Das war ein bedeutender Fort-
schritt
Im Jahre 1842 nahmen beide Gesellschaften den regelmäßigen Betrieb
auf: Die holländische schleppte im ganzen 8008 t, die kölnische 7000 t. Im
i) Gothein a. a. O.
5. Von der Erfindung des Damp£schifis bis 1870. 99
nächsten Jahre überflügelte die letztere die erstere und schleppte 33 238 t,
während die holländische nur 7473 t beförderte.
In Mainz bildete sich 1842 eine gleiche Gesellschaft und eröffnete den
Betrieb nach StraOburg. Alle drei Gesellschaften verkehrten auf dem ganzen
Rhein, die niederländische namentlich von Rotterdam bis Mannheim. Dort
waren die Beurtleute so verständig, sich der neuen Zeit anzupassen, kauften
1843 einen Dampfer und verwandelten die »Rangschiffahrtgenossenschaft«
in die »Mannheimer Dampfschleppschiffahrtgesellschaft«. Die Zahl der Teil-
nehmer wurde auf 30 festgesetzt.
In den nächsten Jahren entstanden weitere Gesellschaften für Schlepp-
betrieb in Frankfurt (1845), Ruhrort und Düsseldorf (1846).
Dazu trat eine andere Neuerung: Die Kohlenbergwerkbesitzer Matthias
Stinnes in Mühlheim a. d. R. und Franz Haniel in Ruhrort fingen an, ihre
Kohlen in eigenen Schiffen mit eigenen Schleppdampfern zu befördern und
der erstere ließ sogar einen Schleppdampfer bauen, der 10 Schiffe mit 2000 t
bergwärts brachte. Die Ruhrkohlen wurden damals aus Holland durch die
belgischen Kohlen mehr und mehr verdrängt und der Hauptabsatz mußte
bei der Bergfahrt gesucht werden. Die alten Kohlenschiffer wurden durch
diesen Großbetrieb beiseite gedrängt.
Der lange gehegte Groll der Schiffer und besonders der Treidler
(Pferdehalfen) gegen den Dampfschleppbetrieb ging in dem unruhigen Jahre
1848 schließlich in offene Gewalttätigkeit über. Bei Mainz und bei Weißen-
thurm (nahe bei Neuwied) wurden die Schleppdampfer regelrecht beschossen.
An den letzteren Ort mußte zur Unterdrückung des Unfugs sogar eine Kom-
pagnie Soldaten gesandt werden. In Köln kam es namentlich bei einer großen
Versammlung der rheinischen Segelschiffer zu stürmischen Auftritten. Es
wurde eine Eingabe an die in Frankfurt tagende Nationalversammlung ge-
richtet und um Schutz gegen das Kapital und die Geldaristpkratie gebeten.
Der Fünfziger- Ausschuß beschloß, eine Kommission nach Köln zu senden,
um die gewaltsam gestörte Freiheit der Schiffahrt wieder herzustellen. Die
in Koblenz gepflogenen Verhandlungen zwischen den Vertretern der Schlepp-
gesellschaften und der Segelschiffer hatten wenig Erfolg. Die erstcren ver-
sprachen neben anderen weniger wichtigen Dingen nur, daß einstweilen die
Kohlenschlepper und Kohlenschiffe sich der Beförderung von Handelsgütern
enthalten sollten, und daß sie die Zahl ihrer Dampfer und Lastschiffe einst-
weilen nicht vermehren würden. Bei der eingetretenen Stockung von Handel
und Verkehr hatte das nichts zu bedeuten.
Die Gesellschaften besaßen damals 25 Schleppdampfer, 102 eiserne und 4cx> hölzerne Last-
schiffe, die mit 2804 Mann besetzt waren. Außerdem gab es nur 61 deutsche RheinsegelschifiTe mit
zusammen 15000 t Tragfähigkeit, wozu noch etwa 700 Schiffer von der Mosel, 166 von der Lahn,
100 vom Main usw. zu rechnen waren und schließlich noch etwa 500 holländische Schiffer.
Es ist bemerkenswert, daß auch die Zentralkommission für die
Rheinschiffahrt um die Mitte des Jahres 1848 es für nötig erklärte, der
7*
100 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
weiteren Vermehrung der Schleppdampfer entgegenzutreten. Aber schon in
ihrem nächsten Jahresbericht stellte sie fest, daß das Schleppen der Segel-
schiüer allgemeiner würde, da die Gesellschaften ihre Preise so ermäßigt
hätten, daß sie die Pferdekraft unterboten. Der Schlepplohn je t fiel etwa
von 1845 bis 1850 für die Strecke Rotterdam — Köln von 4,8 M. auf 3,6 M.
und für die Strecke Köln — Mannheim von 3,5 M. auf 2,9 M. Auf dem
Mittelrhein hörte die Pferdetreidelei schon um die Mitte der fünfziger Jahre
auf. Mit dieser Veränderung der Fortbewegung hob sich die Bedeutung und
der Wettbewerb der Einzelschiffer (PartikulierschifTer). Im Jahre 1856 wurde
festgestellt, daß die Segelschiifahrt sich gegen 1848 auf dem Rhein um 37,7 v. H.,
auf dem Neckar um 47,8 v. H., auf dem Main um 42,8 v. H., auf der Ruhr um
43,1 V. H. vermehrt hatte. Nur auf der Mosel war sie um 10,2 v. H. und im
Elsaß gar um 76 V. H. zurückgegangen').
Der Jahresbericht der Zentralkommission für 1857 gibt den Bestand
der Schiffe und Schiffer an, die auf dem Rhein berechtigt waren. Die
Angaben sind dem Werk von Eckert entnommen (s. nebenstehende Tafel).
In Preußen wurde durch eine ZIthlung im Jahre 1869 festgestellt, dnß sich im Verlauf der
letzten 20 Jahre die kleineren Segelschiffe unter 150 t um 23,3 v. H. vermindert und die größeren
um 78,5 V. H. vermehrt hatten. Die Zahl der Schleppdampfer hatte seit 1856 um 47,6 v. H.,
ihre Pferdestärken um 34,5 v. H. zugenommen. Am Oberrhein hatte sich dsunals aber eine
Abnahme der Schiffe ergeben: in Baden von 370 auf 221, aber mit ziemlich unveränderter Ge-
samttragfähigkeit, — in Hessen von 167 auf 74 — , in Baiem von 24 auf 20.
Die Schiffe wurden nicht nur größer (bis etwa 600 t), sondern bekamen
nach Einführung des Eisenbaues auch bessere Formen, selbst die hölzernen.
Die alten, unbeholfenen holländischen Schiffe verschwanden allmählich. Die
Masten und Segel wurden bei dem zunehmenden Dampfschleppbetrieb einfacher,
wenngleich sie noch immer gelegentlich bei gutem Winde benutzt wurden.
Seit den dreißiger Jahren wurden ') fast sämtliche Kohlenschiffe in Preußen
gebaut und die deutschen Werften am Rhein waren zahlreich ; je mehr sich mit
den sinkenden Eisenpreisen der Eisenbau einbürgerte, zog sich der Schiffbau
nach Holland. Die holländische Sitte, daß die Schiffer ihre Familien an Bord
nahmen, ging schon in den dreißiger Jahren auf die deutschen Schiffe über.
Die ersten Eisenbahnen im Rheingebiet waren vorwiegend Zufuhr-
straßen zum Strome (Mannheim — Heidelberg 1840, Düsseldorf — Elberfeld 1841,
Deutz — Minden 1845, Duisburg — Dortmund 1847 und Ludwigfshafen — Kaisers-
lautem 1853), zum TeU auch, wie die Linie Köln — Antwerpen und die Rhein-
Weserbahn, Verbindungen des Stromes mit Seehäfen zur Umgehung der
holländischen Stromzölle. An Eisenbahnen, gleichlaufend mit dem Mittel-
und Niederrhein, dachte man zunächst nicht, da man den Wettbewerb mit
der Schiffahrt für ausgeschlossen hielt. Die 1844 erbauten Linien Köln —
Krefeld und Köln — ^Bonn waren für den Ortsverkehr bestimmt und die Tau-
nusbahn (1840) schädigte nur die Marktschiffe.
i) Gothein a. a, O.
5. Von der EHiiidimg des Dampfschiffs bis 1870.
101
Bestand an Segel-Schiffern und -Schiffen (ohne Holland) i. J. 1857.
Wasserstraße
Schiffer
Schiffe
Tragfthig-
keit
zusammen
t
Darunter Schiffe mit Trag-
fähigkeit bis
50 t
175 t
300 t
Rhein !| 760
Main 160
Neckar j, 226
Lahn ' 274
Mosel 120
Ruhr 207
Lippe mit Erft- n. Spoy-Kanal 21
Zusammen j; 1768
2582 227 154 I170
932
466
über
300 t
888
90043
370
279
191
336
19945
184
144
8
410
18882
291
107
II
343
17x17
211
127
4
229
13894
108
118
3
338
63419
2
127
209
38-
3854
4
30
40
48
I
I
50
Die große Zahl der Lahnschiffe erklärt sich daraus, daß Niederlahnstein bei der Lahn und
nicht beim Rhein gezählt worden ist.
Bestand an Dampfschiffen und den Gesellschaften gehörigen
Lastschiffen (mit Holland) i. J. 1857.
Staaten
Zahl
Dampfschiffe
Pferde-
stärken
Lastschiffe
a) Für Personen und Güter
Preußen (2 Gesellschaften)
Baiem (Würzburg). . . .
Nassau
Frankfurt
Holland [2 Gesellschaften)
28
2745
3
HO
2
54
2
70
13
1070
Zusammen 1 48 4049
b) Für Güterbeförderung:
Preußen (6 Gesellschaften) . . . .
Baiem (Pfalz und Würzburg) . . .
Baden (Mannheim)
Hessen (Mainz)
Nassau
Frankfurt
Württemberg (Heilbronn)
Holland (Rotterdam u. Dortrecht) .
Zusanmien
50
9720
eiserne
höl-
zerne
—
—
25
6020
1
1357
55
19443
3
540
248
15
4247
5
720
238
22
7836
3
450
216
16
5410
I
100
160
7
500
4
550
223
34
9127
2
60
183
—
7
I 280
577
5
I 163
54
15
gemietet
16 I —
gemietet
27
3202 154 47726 116
8
Alle Dampfschiffe waren mit Seitenrädern gebaut.
102 Abschnitt IL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Anders war es am Oberrhein, als 1844 die Badische Bahn die Linie
von Mannheim nach Basel eröffnete. Der Güterverkehr auf dem Strome
hörte bis 1847 fast vollständig auf und auch die preußisch-rheinische Gesell-
schaft stellte 1855 den Verkehr mit Straßburg ein. Die Gesellschaft für den
Mittel- und Niederrhein in Düsseldorf trug den Verhältnissen Rechnung imd
schloß 1845 i^it der badischen Staatsbahn einen Vertrag über die gegen-
seitige Zuleitung des Verkehrs.
Mannheim wurde dadurch der obere Endpunkt der Rheinschiffahrt und
der Umschlagplatz für Süddeutschland und die Schweiz. Schon 1834 wurde
der Grundstein zu dem ersten Mannheimer Hafen gelegt, der 1 840 fertig wurde
und als der beste am Rhein galt In den Jahren 1866 bis 1871 wurden dort
weitere bedeutende Hafenanlagen ausgeführt. Gegenüber, auf dem baierischen
Ufer, entstand aus der alten »Rheinschanze« etwa seit 1840 Ludwigshafen als
zweiter Hafenort. Diese beiden Häfen entwickelten sich in erstaunlicher Weise.
Auf dem elsässischen Ufer waren es nicht allein die Eisenbahnen,
die der Rheinschiffahrt ein Ende bereiteten, sondern auch die von Zöllen
entlasteten französischen Kanäle: der Rhein-Rhone-Kanal (S. 70), der fran-
zösische Kohlen von St. Etienne über Lyon nach Mühlhausen brachte, wo
sich ein lebhafter Umschlagverkehr zur Eisenbahn entwickelte, und vor allem
der 1853 eröffnete Rhein-Marne-Kanal, der in Verbindung mit der Seine und
Havre eine vortreffliche Handelstraße vom Meere nach dem Elsaß bot. Der
Verkehr in Straßburg hob sich im Jahre 1867 noch durch den Saarkanal,
durch den die Saarkohle mit der von St. Etienne in Wettbewerb trat. Der
Oberrhein wurde damals für Frankreich wirklich nur ein »Grenzgraben«.
Auch auf dem Mittel- und Niederrhein machte sich seit der Mitte der
fünfziger Jahre der Wettbewerb der Eisenbahnen recht bemerklich: Der Per-
sonenverkehr und die Beförderung der wertvollen Stückgüter ging auf sie über.
Dagegen blieben die Massengüter, z. B. auch das Getreide, der Schiffahrt er-
halten und vor allem nahm infolge der entwickelten Industrie der Kohlenver-
sand stark zu. Hinzu traten noch die Eisenerze und seit 1867 das Petroleum.
Die Frachten fielen im allgemeinen seit Einführung der Dampfkraft, also
etwa 1835, um ungefähr 40V. H.; aber die Selbstkosten verminderten sich
gleichzeitig durch den Schleppbetrieb und durch die Verwendung g^ut ge-
bauter großer Schiffe, die eine beträchtliche Ersparnis an Bemannung brachten.
Ferner erlaubte das verbesserte Fahrwasser einen größeren Tiefgang. Schließ-
lich wurde die Zahl der jährlichen Reisen durch die erhöhte Schnelligkeit der
Fahrt und die Verbesserung der Ein- und Ausladevorrichtungen wesentlich
vergrößert. Auf diese Weise hat die Schiffahrt auf dem Rhein den Wett-
bewerb der Eisenbahnen im allgemeinen erfolgreich überstanden.
Der Güterverkehr läßt sich für die Zeit vor 1831 aus den Anschrei-
bungen der Zollämter ungefähr beurteilen. Für Köln, Mainz und Straßburg
sind nachstehend einige Zahlen zusammengestellt; sie umfassen den ganzen
jährlichen Hafenverkehr in Tonnen, berg- und talwärts, Zu- und Abfuhr.
5. Von der Erfindung des D^unpfechiffs bis 1870.
108
Jahr
Köln
Mainz
Straßburg
! t
t
t
1
1807
260999
136068
^^
1809
131 462
77232
—
1810
—
II 965
1818
125 503
1819
319048
—
1820
158630
2628
1823
315660
122 605
1825
319820
183442
1830
447621
1847
Die Angaben für Köln und Mainz sind dem Buche von Eckert entnommen, die für Straß-
burg dem Buche von Schwabe, Die Entwickelung der deutschen Binnenschiffahrt, Berlin 1899.
Der Rückgang im Hafenverkehr von Köln und Mainz im Jahre 1809 und der verhältnis-
mäßig große Verkehr in Straßburg im Jahre 1810 ist auf die Kontinentalsperre zurückzufUhren.
Im allgemeinen war der Verkehr auf dem Oberrhein schwach. Es sind z. B. im Jahre 1823
in Mainz vom Oberrhein talwärts angekonmien 24405 t und bergwärts abgegangen 35154 t;
aber sie verteilen sich auf den Main, den Nekar und den eigentlichen Oberrhein wie "folgt:
angekommen :
Mainz 9 589 t
Neckar 7 39^ t
Oberrhein 7520 t
zusammen wie oben .
abgegangen :
18052 t
7013 t
10089 ^
24 505 t und 35 154 t.
Der gesamte Verkehr von Köln von 1825 zerfällt in 128798 t Berg- und 19x022 t Tal-
verkehr. Von dem Bergverkehr entfielen 41 116 t auf Kolonialwaren und 69587 t auf Kohlen.
Der Kohlenverkehr war also schon damals die Hauptsache. Von dem Talverkehr entfielen
36517 t auf Getreide und andere Feld- und Baumfrüchte, 53762 t auf Kohlen und 54453 t auf
Bau- und Brennholz.
Für den Verkehr nach 1831 geben von 1836 an die Anschreibungen der
Zollämter und die Jahresberichte der Zentralkommission Auskunft. Die nach-
stehende Tafel ist aus dem Werk von Eckert zusammengestellt.
Jährlicher Durchgang von Gütern bei den Zollämtern, in Tausend
Tonnen (ohne Flöße):
1836
1840
1850
1860
x866
Zollamt
1
(
t
zu zu
zu
zu
zu
zu
zu
zu
zu
zu
1 Berg Tal
Berg
Tal
: Berg
Tal
1 Berg
Tal
Berg
Tal
Emmerich 87,8
Koblenz 81,4
Kaub I 76,3
Mainz 70,4
Mannheim 42,4
Neuburg 1 14,0
Straßburg 3,0
(große Brücke)
Altbreisach .... 1,0
241,5
72,9
69,0
54,0
68,1
7,3
2,9
4,6
128,0
1
253,8 i
173,7
399,5
300,5
745,0
163,2 128,3
332,4
262,9
614,7
449,0
160,8
"3^9
336,8
230,7
600,9
335,2
135.5 79,9
274,6
175,6
497,3 294,5
43,0
48,7
58,8
83,8
49,6 171,8
13,9
8,5
11,8 3,6
2,4 4,8
0,6
2,2
0,03 4,2
0
1
0,8
0
1
2,1
0
1,1
0
0,2
273,0
762,2
630,0
62,0
1,1
1307,3
670,6
272,4
143,0
. 7,7
^4
0,02
\
104
Abschnitt n. Geschichtlicher Rückblick bb 1870.
Man erkennt aus dieser Tafel, wie gering der Verkehr auf dem Ober-
rhein war und wie er allmählich aufhörte. Der Hauptverkehr war auf dem
Mittelrhein. Die Angaben der Zentralkommission sind [vgl. die unten er-
wähnte preußische Denkschrift] ^) nicht ganz zuverlässig. Nach Aufhebung der
Zölle bringt sie seit 1867 den Verkehr in den einzebien Rheinhäfen nach den
dort gemachten Anschreibungen. Für einige besonders wichtige Orte folgen
kleine Zusammenstellungen, die aus verschiedenen Quellen entnommen sind
und auf Genauigkeit nicht durchweg Anspruch machen können:
Gesamter Hafenverkehr i^ Tausend Tonnen (Zu- und Abfuhr,
berg- und talwärts, ohne Flöße):
Düsseldorf:
Köln:
Mainz:
Mannheim:
1831
71,1
1835
160,0
1840
195,4
1836
26,0
1840
64,8
1840
213,0
1850
218,8
1843
86,9
1851
86,5
1843
380,0
1860
205,6
1846
i39jO
1860
168,4
1850
223,4
1870
129,1
1850
142,6
1868
188,1
1856
366,7
Ludwigsh
lafen:
1856
252,0
1870
168,9
1860
266,5
1843
18,7
1860
241,9
1863
233,7
1850
23,0
1868
464,2
■
1868
227,8
1867
H7,9
1869
458,9
1870
216,5
1868
164,3
1870
415,1
1871
242,8
1870
1871
135,0
156,0
1871
401,8
Noch bedeutender war die Zunahme des Verkehrs in den Kohlenhäfen
Ruhrort und Duisburg. Dort betrug der gesamte Hafenverkehr abgerundet
in Millionen Tonnen:
Ruhrort Duisburg
1860:
0,9
0,7 Millionen t
1865:
1,36
0,95 .
1869:
1,55
0,8 » »
1870:
1,4
0,6 » »
Der Kohlenversand allein nahm in beiden Häfen zusammen nach Auf-
hebung der Rheinzölle von 1,7 Mill. t im Jahre 1864 ^uf etwa 2 Mill. t im
Jahre 1867 zu; 1870 betrug er nur 1,5 Mill. t.
Der Gesamtgüterverkehr in allen deutschen Rheinhäfen war 1870:
4,05 Mill. t, im Jahre 1871: 4,3 Mill. t, während er in allen Rheinhäfen über-
haupt, einschließlich Holland 1868: 6,09 Mill, 1869: 6,2 Mill., 1870: 5,7 Mill.
und 1871: 6,05 Mill. t betrug. Der Binnenschiffahrtverkehr in Rotterdam
war im Jahre 1870 etwa 0,4 Mill. t.
Der Verkehr über die niederländische Grenze war im Jahre 1868: berg-
wärts 0,342 Mill. t und talwärts 1,524 Mill. t nebst 43000 t Flößen.
i) Amtliche Denkschrift: Der Güter- und Schiffsverkehr auf dem Rheine, Berlin 1856. Sie
enthSlt über den Rheinhandel um die Mitte der fünfziger Jahre viele Mitteilungen.
5. Von der Erfindung des Dampfschiffe bis 1870. 105
Im Jahre 1817 wurde in Mainz die erste deutsche »Versicherungsanstalt für die
Warentransporte auf dem Rhein und Main« als Aktiengesellschaft von Kaufleuten aus
Mainz und Köln gegründet. Die Versicherung wurde für >das gänzlich Zugrundegehen, die Be-
schädigungen oder den Verlust, welche die Waren während der Schiffahrt durch Untergehen,
Schiffbruch, Scheiterung, Sturm oder durch Feuer, mit oder ohne Schuld des Schiffers erlitten«,
angenommen. Die Prämien waren fiir den Winter höher als für den Sommer bemessen und be-
trugen z. 6. fiir die Strecken:
im Sommer
im Winter
Köln— Koblenz:
0,15
0,2 0/0
des Werts
Koblenz— Mainz :
0,15
0,3 %
> >
Mainz — Mannheim :
0,05
0,1 0/0
> »
Mannheim —Straßburg :
0,4
0,65 0/0
» »
Franktfurt - Straßburg :
0,55
0,8 0/^
» »
Für den Oberrhein waren die Sätze recht hoch. Die Versicllerung der Schiffe war ausge-
schlossen. Da anfangs die Versicherten zugleich die Versichernden waren, galt diese Anstalt
(Assekuranz-Gesellschaft) zugleich als eine Handelsgesellschaft, die sich auch in anderer Weise,
z. 6. später bei der Einrichtung der Rangfahrten, an der Rheinschiffahrt beteiligte.
Das Fahrwasser des Rheins ist in dem Zeiträume von 1815 bis 1870
bedeutend verbessert worden. Nachdem Preußen in den Besitz der heutigen
Rheinprovinz gekommen war, wurden die 1794 unterbrochenen Strombauten
wieder aufgenommen und namentlich im Regierungsbezirk Düsseldorf eine
große Zahl von Uferschutzbauten und Buhnen ausgeführt. Im Regierungs-
bezirk Koblenz wurden in der etwa 27 km langen Felsenstrecke von St. Goar
bis Bingen umfangreiche Sprengungen vorgenommen, durch die es in den
Jahren 1830 bis 1832 gelang, die frühere Breite der Durchfahrt im Binger
Loch von 7 bis 9 m auf 23 bis 30 m zu verbreitern. In den Jahren 1839
bis 1841 wurden unterhalb Bingen bei Lorchhausen und Bacharach gleichfalls
eine Zahl von gefährlichen Felsbänken durch Sprengung beseitigt. Überall
wurden am preußischen Rhein die Leinpfade verbessert. Als infolge des
Schleppdampferbetriebs, vom Jahre 1841 an, die Treidelei langsam ver-
schwand, wurde der Ausbau des Stromes weniger durch die Rücksichten auf
den Leinpfad behindert und man konnte die erforderlichen Einschränkungs-
werke (Buhnen), Streichlinien und Normalbreiten leichter durchführen. Um
die nötige Einheitlichkeit bei der Ausfuhrung der Strombauten zu erreichen,
wurde im Jahre 1850 die Rheinstrom-Bauverwaltung eingerichtet*). Die Fels-
sprengungen wurden seit dem Jahre 1857 mit Hilfe von Taucherschächten mit
gutem Erfolg fortgesetzt, das »wilde Gefahr« oberhalb Caub ausgesprengt
und in den Jahren 1861 bis 1868 bei Bingen ein zweites Fahrwasser her-
gestellt. Große Verdienste erwarb sich um die preußische Stromstrecke der
Strombaudirektor Nobiling.
Auch die anderen Uferstaaten (mit Ausnahme von Holland) bemühten sich
seit 1831 um die Verbesserung des Fahrwassers und der Leinpfade. Für die
gemeinsame Ausfuhrung der Strombauten in der Strecke von Bingen bis Mainz
wurden in den Jahren 1856 bis 1862 Staatsverträge zwischen Hessen und
I) Es ist bezeichnend für die Schwerfälligkeit der preußischen Regierung, daß die ehemals
nassaubche Uferstrecke erst im Jahre 19 10 dieser Verwaltung unterstellt wurde.
106 Abschnitt 11. Geschichtliclier Rückblick bis 1870.
Nassau abgeschlossen, nach denen die Normalbreite des ungeteilten Stromes
450 m betragen sollte. Die Arbeiten kamen nur teilweise zur Ausführung, weil
von selten der Anwohner, namentlich des Weinbaus wegen, ernste Bedenken
gegen die Einschränkung erhoben wurden. In der Strecke zwischen Mainz und
der badischen Grenze wurde im Jahre 1828 ein großer Durchstich von 4 km
Länge »am Geyer« ausgeführt und die Normalbreite auf 300 m festgesetzt.
Am Oberrhein waren durch den verwilderten, vielfach gewundenen und
gespaltenen Stromlauf die Zustände am Anfang des 19. Jahrhunderts unerträglich
geworden. Die Sohle des Stromes hatte sich im Laufe der Zeiten gehoben und
meilenbreit war eine Versumpfung des Landes eingetreten. Fast alljährlich wur-
den die Niederungen durch Hochwasser und infolge von Eisstopfungen über-
schwemmt; die Bewohner litten unter Fieberkrankheiten; in den Krümmungen
riß der Strom fort und fort in die Ufer ein und verwüstete das Ackerland; im
Laufe der Jahre waren selbst mehrere Ortschaften weggerissen worden und
es herrschte dort auf beiden Ufern ein wirklicher Notstand. Die von den an-
grenzenden Staaten in früheren Zeiten ausgeführten Verteidigungswerke (auch
einige Durchstiche) hatten keinen dauernden Erfolg, weil sie nicht nach ein-
heitlichem Plane und mit genügenden Mitteln hergestellt waren.
Der badische Oberbaudirektor, Oberst TuUa, entwarf im Jahre 1812 einen
umfassenden Plan zur »Rektifikation« des Rheins (wie er es nannte). Er be-
stand im wesentlichen in einer fast vollständigen Geradlegung mittels einer
Reihe von Durchstichen, die zum Teil durch über das Sommerhochwasser
reichende Dähime begrenzt wurden. Durch die Verstärkung des Gefälles sollte
eine erhebliche Tieferlegung des Flußbetts erreicht werden. Im Jahre 1817
wurden die ersten Vereinbarungen mit Baiern getroffen und mit dem Bau
der ersten Durchstiche begonnen. Es folgte 1832 ein Staatsvertrag zwischen
Baden und Baiern und 1840 ein solcher zwischen Baden und Frankreich. Bis'
zum Jahre 1866 konnten zwischen der Schweizer und der hessischen Grenze
18 Durchstiche eröffnet werden. Die vorher 353,6 km lange Strecke wurde
dadurch um 80,8 km verkürzt. Die Normalbreite des neuen Stromlaufs nahm
von der Schweizer Grenze bis zur Neckarmündung von 200 auf 250 m zu.
Die Erfolge waren in bezug auf die gefahrlose Abführung des Eises und des
Hochwassers, auf die Vorflut, auf die Gewinnung und Verbesserung des Acker-
landes, auf die Gesundheit und den Schutz der Bewohner und auf die Ge-
schiebefuhrung des Stromes ausgezeichnet, brachten aber der Schiffahrt keinen
Vorteil. Es ist später, namentlich von badischer Seite, zuweilen bestritten
worden, daß man damals eine Verbesserung der Schiffbarkeit des Oberrheins
beabsichtigt hatte. Nach den Mitteilungen von Willgerodt ^) kann das aber
nicht bezweifelt werden. Er weist nach, daß sowohl TuUa als auch besonders
die beteiligten französischen Ingenieure auf einen erheblichen günstigen Ein-
i) Wilgerodt, Die Schiffahrtverhältnisse des Rheins zwischen Straßburg und Lauterburg.
Straßburg 1888 (ftir den HI. Internat. Binnenschiflf.- Kongreß in Frankfurt a. M.). Vgl. auch
Becker, Der Wasserbau. Stuttgart 1861. S. 127.
5. Von der Erfindimg des Dampfschifis bis 1870. 107
fluß der Arbeiten auf das Fahrwasser gerechnet hatten. Neben der Verkür-
zung des Weges und der leichteren Herstellung von Leinpfaden hofften sie
auf eine Vergrößerung der Fahrwassertiefe bei Niedrigwasser. Aber diese
Hoffnung ging nicht in Erfüllung: Während vor dem Ausbau des Stromes die
geringsten Wassertiefen (nach TuUa, 1825) oberhalb Breisach 0,75 m betrugen
und dann weiter nach unten zwischen Germersheim und Mannheim bis auf
1,8 m und 2,4 m zunahmen '], sind sie später, am Anfang der siebziger Jahre,
oberhalb Straß bürg zu 0,4 m, zwischen Straßbui^ und Lauterburg zu 0,5 m
und zwischen Lauterburg und Germersheim zu 0,75 m festgestellt worden
(1874). In dieser Stromstrecke konnte mithin nur noch bei höheren Wasser-
ständen eine nutzbringende Schiffahrt ausgeübt werden, die aber durch das
verstärkte Gefalle mehr wie früher erschwert wurde.
Über die in Zukunft auf dem ganzen schiffbaren Rhein anzustrebenden
Fahrwassertiefen wurde bei der Befahrung des Stromes durch die Wasser-
baubeamten der Uferstaaten im Jahre 1861 (S. 84) eine Verständigung dahin
erzielt, daß bei dem sogenannten gemittelten kleinsten Wasserstande, der bei
1,50 m über Null des Kölner Pegels angenommen wurde, folgende geringsten
Fahrwassertiefen vorhanden sein sollten:
Von Straßburg bis Mannheim ^»5 ni
> Mannheim > Koblenz 2,0 >
» Koblenz > Köln 2>5 *
» Köln » Rotterdam durch die Waal 3,0 >
Diese Tiefen waren jedoch bis 1870 noch nicht erreicht.
Hierzu sei bemerkt, daß bei der ersten Befahrung im Jahre 1849 die bei dem genannten
Wasserstande vorhandenen Mindesttiefen zu 1,66 m zwischen Koblenz und Köln, zu 1,46 m
zwischen Köln und der Grenze und zu 1,35 m in Holland festgestellt waren. Das anscheinend
sehr mutige Vorgehen der Wasserbaubeamten ist dadurch erklärt, daß in der Zeit von 1849 bb
1861 die von Preußen ausgeführten Verbesserungarbeiten schon za einem sehr bemerkenswerten
Erfolge hinsichtlich der Vertiefung gefUhrt hatten.
Im Jahre 1861 wurde auch zwischen den Uferstaaten vereinbart, daß die
Höhe der künftig über den Rhein zu erbauenden Brücken mindestens 8,84 m
über dem höchsten schiffbaren Wasserstande betragen sollte. Bei der Fest-
setzung des sehr hohen Maßes ging man von der Höhe der damals auf dem
Rhein verkehrenden Schiffe aus, die gegen die auf anderen Strömen üblichen
Fahrzeuge mit sehr hohen Aufbauten versehen waren. Die geringste Weite
für die Schiffahrtöffnungen wurde zu 90 m festgelegt. Damals bestand nnter-
halb Basel nur die Ende der fünfziger Jahre erbaute Brücke bei Kehl. Die
Herstellung einer festen Brücke bei Köln war in Vorbereitung und alle Schiffe
auf dem Rhein mußten mit umlegbaren Masten eingerichtet werden, woiiir
eine Entschädigung geleistet wurde.
Es möge hier noch über die deutschen Kanalpläne im Rheingebiet berichtet werden,
die besonders infolge der Kontinentalsperre und infolge der hohen holländischen Durchgangzölle
i) Defontaine, Annales des Fonts et Chauss6eS| 1883, I^* 8. ii, gibt die Tiefe zwischen
Lauterbtirg und Germersheim zu 2 m an.
108 Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
(S. 83) während der Zeit von 1815 bis 1 818 auftauchten'). Sie sind wohl durch die großen Pläne
Napoleons angeregt worden, der nicht nur in Frankreich viele neue Kanäle anlegen, sondern auch in
Deutschland eine große Binnenwasserstraße von der Scheide über Venlo nach Neuß (S. 63) und
vom Rhein durch die Lippe und die Ems über Oldenburg und Hamburg nach Lübeck schaffen
wollte. Es wurde unter anderem vorgeschlagen, die Donau mit dem Rhein und die Elbe mit
dem Main zu verbinden. Femer wurde ein Kanal von Magdeburg durch die Aller nach Celle
vermessen, den man von der Weser durch die Hunte mit der Ems verbinden wollte. Besonders
die Verbindung der Ems mit der Lippe wurde sowohl von Hannover wie von Preußen eine Zeit«
lang ernstlich untersucht, um den holländischen Zöllen zu entgehen. Von allen diesen Entwürfen
kam nur der Rhein-Donau-Kanal später zur Ausführung.
Nebenflüsse.
Die 111 nimmt bei Straßburg von Süden den schon (S. 70) erwähnten Rhone-Rhein-
Kanal auf, der mit dem Rhein durch den 1824 bis 1834 erbauten Kanal von Hüningen zwischen
Mühlhausen und Basel (28,2 km lang mit 3 Schleusen von mindestens 31 m Länge und 5,25 m
Breite bei 2 m Wassertiefe) und durch den 1867 bis 1877 gebauten Kanal von Breisach (6,3 km
lang mit einer Schleuse von 36,3 m Länge und 7 m Breite bei 1,6 m Wassertiefe) verbunden ist.
Nahe bei dem letzteren mündet von Westen der 1860 bis 1864 erbaute Kanal von Kolmar ein,
der 13,3 km lang ist und bei 2 m Wassertiefe eine Schleuse von 38,5 m Länge und 5,3 m Breite hat.
Von Westen nimmt die 111 bei Straßburg femer den Breuschkanal auf, der 1681 von
Vauban bei der Befestigung der Stadt angelegt sein soll. Er ist durch Aufstau der Breusch
mittelst XX Schleusen von 47 m Länge und 4,5 m Breite entstanden und X9,8 km lang. Die Wasser-
tiefe ist 1,3 m. Von Norden her mündet der Rhein-Mame-Kanal ein, der 1838 bis X853 erbaut
wurde. Das Straßburger Kanalnetz besteht aus der kanalisierten 111, dem Ill-Rhein-Kanal und
dem Stadtgrabenkanal, die in den Jahren 1835 bis 1842 hergestellt wurden; der letztere wurde
1868 wieder umgebaut. (1880 bis X882 wurde noch der »Umleitungskanal«. 5 km lang mit einer
Schleuse von 38,5 m Länge und 5,3 m Breite angelegt, der den Rhone-Rhein-Kanal im Süden
der Stadt mit dem Ill-Rhein-Kanal verbindet und als Hafen dient.)
Der in Elsaß-Lothruigen gelegene 104,5 ^^ lange Teil des Rhein-Marne-Kanals erhebt
sich von der französischen Grenze mit 13 Schleusen zu der 30 km langen Scheitelhaltung (266,4 m
über dem Meere), an deren Beginn bei Gondrexange der Saarkohlenkanal nach Norden abzweigt.
Am Ende der Scheitelhaltung folgt ein 2,3 km langer Tunnel , der die Wasserscheide zwischen
Mosel und Rhein durchbricht. Dann fallt der Kanal mit 16 Schleusen in das Tal der Zorn, wo
er in die Rheinebene tritt, und mit weiteren 36 Schleusen in die 111 bei Straßburg. Die Schleusen
sind 38,5 m lang und 5,2 m breit. Die Wassertiefe ist 2 m.
Dieser Kanal vermittelt besonders den Kohlenverkehr zwischen dem Saargebiet und Straß-
burg-Mühlhausen. Nach dem Kriege von 1870 konnten die fraglichen Kanäle meistens nur mit
einer Tauchtiefe von 1,4 m befahren werden. Doch betrug im Jahre 1872 der Verkehr auf dem
Rhein-Mame-Kanal 1122000 t, auf dem Rhone-Rhein-Kanal mit seinen Zweigkanälen 605000 t
und auf dem Breuschkanal 65 000 1. Die größten Schiffe (vorwiegend aus Holz gebaute Penischen)
konnten eine Ladung von 200 t nehmen und zwischen Straßburg und Saarbrücken (mit Pferdetrei-
delei) im Jahre etwa 8 Doppelreisen ausführen. Die Kohlenfracht je Tonne betrug 1869 zwischen
diesen beiden Orten bei 166 km Entfernung 2,77 Mark (je tkm 1,66 Pfennig), zwischen Mühl-
hausen und Saarbrücken bei 275 km Entfemung 4,42 Mark (je t km 1,61 Pfennig). Die Kanalab-
graben waren damals aufgehoben. Dampfschiffe verkehrten im allgemeinen nicht auf diesen Wasser-
straßen ; über das Schleppen der Dampfer von Straßburg nach Basel wurde oben (S. 96) berichtet.
Hinsichtlich des Neckars waren schon bei den Verhandlungen des Wiener Kongresses
(S. 81) Schwierigkeiten zwischen Württemberg, dem inzwischen Heilbronn zugefallen war, und
Baden entstanden, weil dieser Staat im Jahre x8o8 in Mannheim einen Umschlagzwang für alle
Neckargüter eingeführt hatte >). Wenn auch nach den Kongreßbeschlüssen auf dem Neckar ähn-
liche Freiheiten wie auf dem Rhein eingeführt werden sollten, so kam es doch zunächst nicht
zum Vertragsabschluß zwischen den Uferstaaten, weil Baden für die Aufhebung des Umschlags
in Mannheim die Bedingung stellte, daß auch der Umschlag in Heilbronn aufhören und der durch
die Mühlen dort verbaute Strom für die durchgehende Schiffahrt geöf&et würde. Dies letztere
lag durchaus im Vorteil Württembergs. In den Jahren 1818 bis 1819 wurde deshalb der untere
und der obere Neckar in Heilbronn durch den Wilhelmkanal verbunden und 1821 der Hafen
ij Gothein a. a. O. 2] Heimann, die Neckarschiffer. Heidelberg 1907.
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870.
109
daselbst eröffnet Gleichzeitig wurden die Floßgassen in der oberen Strecke zwischen Heilbronn
und Kannstadt mit Schleusen versehen. (Zurzeit bestehen bei Heilbronn eine Doppelschleuse
und oberhalb noch 6 Schleusen sowie 4 SchüTsgassen.) Im Jahre 1827 hob darauf Baden den
Mannheimer Umschlag auf. Die Verhandlungen zwischen den Uferstaaten Baden, Hessen und
Württemberg führten nach deren Eintritt in den Zollverein endlich zum Vertrage von 1835, worin
die badischen Neckarzölle erheblich herabgesetzt wurden, während die anderen Staaten auch ferner-
hin von ihrem Zollrecht keinen Gebrauch machten. 1842 kam die Schiffahrtordnung für den
Neckar zustande, in der sich die Uferstaaten zur Instandhaltung des Strombetts verpflichteten.
Die Unterhaltung des Fahrwassers, die früher von der Schiffsbruderschaft (S. 63) besorgt
wurde, ging damit auf die Landesregierungen über, wie es der Wiener Kongreß bestimmt hatte.
Im Unterlaufe waren an der Mündung bei Mannheim schon 1784 zwei große Durchstiche aus-
geführt worden und vom Jahre 1820 ab machte Baden weitere Strombauten, namentlich seit
1863, als nach einer gemeinsamen Strombereisung die Uferstaaten die Erzielung einer geringsten
Fahrwassertiefe von 0,6 m vereinbart hatten. Es wurden Felssprengungen ausgeführt, Fischwehre
angekauft und beseitigt, femer oberhalb Mannheim bis Seckenheim »Zeilenbauten < (Parallel werke)
hergestellt und bis 1873 auch die Neckarmündung verbessert. Das Fahrwasser blieb aber mangel-
haft, namentlich in den oberen Strecken.
Im Jahre 1839 bildete sich in Heilbronn eine Dampf Schiffahrt- Aktiengesellschaft. Es
wurde in Nantes ein Dampf boot von 35 cm Tiefgang bestellt, das 1841 auf dem Neckar eintraf.
In den beiden folgenden Jahren wurden von dort noch zwei andere Schiffe von 20 und 30 Pferde-
stärken beschafft. Die Dampfboote fuhren täglich morgens von Heilbronn bis Mannheim und
an demselben Tage bis Heidelberg zurück, so daß sie am zweiten Tage abends nach Heilbronn
zurück kamen. Die Talfahrt dauerte etwa 7,5 Stunden ohne und 9 Stunden mit Aufenthalt,
während die Bergfahrt etwa 12 und 13 Stunden in Anspruch nahm. Der Verkehr war anfangs
ziemlich gut, so daß die Gesellschaft 1847 ein viertes Dampfboot beschaffte. 1854 ließ sie auch
einen Güterdampfer bauen, der 100 t Tragfähigkeit hatte und auf dem Rhein verkehren sollte.
Aber der Wettbewerb der Eisenbahnen bereitete dem Unternehmen bald ein Ende; da
es sich nicht halten konnte, übernahm es im Jahre 1858 der Württembergische Staat und führte
es bis 1870 weiter, ohne einen Gewinn zu erreichen. Geschleppt wurde mit Dampfschiffen nicht.
Der Güterverkehr hat sich nach den oben erwähnten Zollerleichterungen, der Beseitigung
des Umschlagzwangs und der Herstellung des Wilhelmkanals zunächst gehoben, besonders durch
die Einführung von Rangfahrten nach Köln (S. 97} und Rotterdam (1840). Im Jahre 1841 kamen
z. B. bis nach Kannstadt: 172 Schiffe von Mannheim, 70 von Ludwigshafen, 27 von Mainz und
22 von Köln; bis nach Heilbronn 63 Schiffe von Rotterdam und 12 von Amsterdam. Die größte
damals nach Heilbronn gelangte Schiffladung war i xo t. Obwohl die letztere Stadt allmählich
ihren Umschlaghandel verlor, stieg der Güterverkehr doch infolge vermehrten Eigenhandels.
In der folgenden Tafel sind einige Zahlen für den Güterverkehr zusammengestellt. Bei der
Abfuhr aus Heilbronn ist das von den Salinen (Wimpfen, Rappenau, Jaxtfeld-Friedrichshall und
Offenau) versendete Salz einbegriffen.
Güterverkehr in Heilbronn und Kannstadt (berg- und talwärts) und der Durchgang-
verkehr beim Neckarzollamt Mannheim in Tausend Tonnen. (Ohne Flöße.)
i
r
Mannheim (ohne Holz)
1
Heilbronn
Kannstadt
Jahr
1
1
1
zu Berg
zu Tal
Zufuhr
Abfuhr 1
Zufuhr
Abfuhr
1821
!
Durchgang -Verkehr 1
1
0,65
1824
—
3,8z.Berg
1,2
1829
8,8
—
2,2
—
1837
13,5
",5
6,6
7,0
1840
31,6
21,7
15,4
",4
9,7
9,0
1843
1 39,7
123,0
17,9
8,6
16,2
14,4
1847
60,2
"3,8
19,8
9,7
28,0
16,0
1850
52,4
85,8
22,8
21,7
13,0
10,7
1852
98,0 127,8
62,7
21,6
14,2
12,5
1854
75»2
127,6
40,3
39,6 ;
7,5
9,2
110 Abschnitt n. Geschichtlicher Rackblick bis 1870.
In späterer 2>it wurden an dem Zollamt (bis 1866) und in dem Neckarhafen von Mann-
heim noch folgende • Anschreibungen gemacht:
Es gingen durch:
zu Berg
zu Tal (ohne Flöße)
im Jahre 1860
96,8
137,0 Tausend Tonnen
» » 1864
77,6
129,4 »
• > 1868
12,5
26,7 » »
> > 1870
6,8
24,6 >
> » 1872
4,8
26,5
Man erkennt den starken Rückgang der Schiffahrt infolge des Wettbewerbs der Eisenbahnen.
Für den Bergverkehr kamen in erster Reihe Steinkohlen, Kolonialwaren und Eisen, für den
Talverkehr Holz, Steine und Salz in Frage, während der Getreideverkehr schwankte.
Die Zahl der Neckar- Schiffe, die Rhein und Neckar befiihren, wurde im Jahre 1857 zu
410 festgestellt, die eine Gesamt-Tragfähigkeit von 18882 t hatten. Die Mehrzahl, etwa 300
besaßen nur eine TragOlhigkeit unter 50 t, während eines mehr als 300 t tragen konnte. Die
Zahl der dazu gehörigen Schiffer betrug 226. Die Berg^fahrt wurde wie früher (S. 64) durch
Fferdetreidelei bewirkt. Die Fahrt von Mannheim bis Kannstadt dauerte etwa 10 Tage.
Am Main sollte nach den Beschlüssen des Wiener Kongresses (S. 81) eine ähnliche Ord-
nung wie am Rhein eingeführt werden; aber die Uferstaaten traten zunächst nicht zusammen.
Baiem ging darum selbständig vor und milderte zunächst die Zölle, indem die Zahl der Zoll-
stätten von 24 auf 10 herabgesetzt und die Nebengebühren aufgehoben wurden. Dann ver-
handelten die Uferstaaten von 1829 bis 1846, um die Verträge über die Zolleinrichtungen abzu-
schließen, die, nach Art der Rheinzölle geordnet, eine erhebliche Verbesserung brachten. 1861
wurden die Zölle weiter ermäßigt und im Sommer 1867 hörte der letzte Mainzoll von Wertheim
auf. Auch die Wehrgebühren u. dgl. wurden 1869 endgültig beseitigt.
Um das Fahrwasser zu verbessern, wurden in der Zeit von 1 810 bis 1830 große Auf-
wendungen von Baiem gemacht, indem man einzelne Mühlen ankaufte, um die Wehre zu ent-
fernen, mehrere Durchstiche anlegte, den Leinpfad ausbesserte und Felssprengungen vornahm.
Im Anschluß daran wurden von 1836 bis 1842 beim Wehr zu Eltmann ein Umgehungskanal und
bei dem zu Schweinfurt eine Kammerschleuse von 6 m Weite erbaut (1837). 1843 wurde die
Mühle in Knetzgau und 1849 die in Kitzingen erworben, um die Wehre zu beseitigen.
1846 kam mit den Uferstaaten (ohne Kurhessen und Baden) eine Übereinkunft über die
künftige einheitliche technische Behandlung des Stromes zustande. Als geringste Fahrwasser-
tiefe bei Niedrigwasser (Null am Pegel Frankfurt) wurde vereinbart: 0,6 m oberhalb Würzburg;
0,6 bis 0,9 m bis zur Einmüdung der Saale und 0,9 m bis zur Mündung in den Rhein. Bei diesem
Wasserstande sollte die Fahrwasserbreite betragen: 22 m oberhalb Würzburg, 22 bis 26 m bis
zur Saale und von Kostheim bis zur Mündung 26 bis 37,5 m. Dabei war für die Einschränkung-
werke eine von Bamberg bis zur Mündung von 44 m bis auf 140 m wachsende Normalbreite
angenonmien. In den Jahren 1846 bis 1855 wurden namentlich in der unteren Stromstrecke viele
Buhnen u. dgl. gebaut, aber ohne den gewünschten Erfolg zu erreichen. Auch die späteren
Arbeiten, die auf Grund einer Vereinbarung zwischen Nassau und Hessen-Darmstadt (1861]
zwbchen Frankfurt und dem Rhein bis zum Jahre 1870 ausgeführt wurden, haben die nötige
Fahrwassertiefe nicht hervorgerufen. Besonders die Mündungstrecke war oft durch große Sand-
ablagerungen versperrt.
Die 1830 eingerichtete Dampfschiffahrt zwischen Frankfurt und Mainz wurde wegen
des schlechten Fahrwassers bald aufgegeben und der Verkehr ging auf die im Jahre 1840 er-
öff'nete Eisenbahn über. Nach Aschaffenburg kam das erste Dampfschiff" 1841 und in demselben
Jahre wurde in Würzburg die Maindampfschiffiahrt-Gesellschaft auf Aktien gegründet. Das mit
allgemeiner Begeisterung und Beteiligung angefangene Unternehmen hatte keinen wirtschaftlichen
Erfolg'). Der Gnmd lag vor allem in dem schlechten Fahrwasser, weil die Fahrten der 7 Per-
sonendampfer, die meistens in Frankreich imd Belgien gebaut waren, oft unterbrochen und ein-
gestellt werden mußten. Auch der Versuch, die Dampfer auf dem Rhein nutzbringend zu ver-
wenden, hatte keinen dauernden Erfolg. In der Furcht vor der Eisenbahn, die 1846 für die
Linie Bamberg - Würzburg - Aschaffienburg genehmigt wurde, beschloß die Gesellschaft, einen
Dampfschleppbetrieb einzurichten, der den Verkehr zum Rhein und bis Köln vermitteln sollte.
Bemerkenswert ist, daß zu diesem Zweck ein Schleppdampfer mit 4 eisernen Lastschiffen von
i) Schanz, Die Mainschiffahrt im 19. Jahrhundert. Bamberg 1894.
5. Von der Erfiiidiuig des Dampfschiffs bis 1870.
111
der Loire erworben wurde, wo nach Erbauung der Ebenbahn Nantes-Orleans dieser Schlepp-
betrieb zur Verhütung des Wettbewerbs von der Eisenbahngesellschaft aufgekauft und still gelegt
worden war. Aber auch das Schleppuntemehmen glückte nicht und nach Fertigstellung der
Eisenbahn (1854] mußte sich die Gesellschaft im Jahre 1858 vollständig auflösen.
Auf dem unteren Main hat die im Jahre 1845 eingerichtete Frankfurter Schleppschiffahrt-
gesellschaft bessere Erfolge gehabt, sowohl beim Schleppen auf dem Rhein bis nach Holland,
als auch im Verkehr mit Bingen und Ludwigshafen.
Den Güterverkehr (ohne Floßholz und Steine) am Anfang der dreißiger Jahre schätzt
Schanz auf Grund der Zolleinnahmen auf etwa 25000 t Talverkehr und 12500 t Bergverkehr,
die bei Hanau vorbeigegangen sind. Nach Einrichtung der Rangfahrten (S. 97), besonders
zwischen Würzburg, Marktbreit, Kitzingen, Schweinfiirt, Bamberg einerseits und Köln, Mainz,
Frankfurt andererseits (1833, 1837, 1842) entwickelte sich die Schiffahrt gut. Der wechselseitige
Verkehr zwischen diesen genannten Orten am Main und am Rhein war:
Talverkehr Bergverkehr
un Jahre 1837
5,28
9,13
Tausend Tonnen
» > 1840
5»46
14,03
» > 1843
5,02
18,42
> > 1847
6,65
23,92
> » 1850
6,99
21,11
> • 1853
8,52
37,12
Den Hauptverkehr hatte dabei anfangs Würzburg, später, nach Erbauung des Ludwig-
kanals, Bamberg. Am meisten verlor Kitzingen, wo früher die Waren für Österreich-Ungam
umgeladen wurden. Später gingen die meisten Waren nach Nürnberg.
Der gesamte Mainverkehr während dieser und der späteren Zeit läßt sich aus den An-
Schreibungen der Zollämter in Höchst und Wertheim übersehen:
Durchgangverkehr bei Höchst und Wertheim
in Tausend Tonnen (ohne Holz).
t
Höchst
Wertheim
Jahr
1
1
1 zu Tal
zu Berg
zu Tal
zu Berg
1840
zusammen ss 127,6
^^^^
1843
= 124,5
38,6
23,4
1847
72,5
93.3
63,6
33,1
1850
107,1
92,4
"3,7
33,1
1853
84,1
"4,3
73,9
47,3
1856
137,0
131,7
102,3
29,1
1860
126,7
115,6
91,6
20,3
1864
82,6
"1,3
58,9
27,2
1866
68,5
90,4
64,4
18,5
Von 1857 an geht der Verkehr zurück. Für Frankfurt, das zwischen Höchst und Wert-
heim liegt, sind keine Anschreibungen bekannt Man kann den Verkehr daher nur aus diesen
Zahlen schätzen. Im Jahre 1864 soll dort der gesamte Güterverkehr 152,8 Tausend Tonnen be-
tragen haben, die durch 6535 Schiffe befördert worden sind.
Nach der Reichstacistik sind im Jahre 1874 '^^ Frankfurt
angekommen: 5357 Schiffe zu Tal mit 156,7 Tausend Tonnen
und
zusammen
abgegangen :
und
zusammen
463 > zu Berg
5820 »
30 >
165 >
zu Tal
zu Berg
»95
'7,3
174,0
2,19
',37
3,56
Der Durchgangverkehr ist nicht angeschrieben worden.
112 Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
In Würzburg sind im Jahre 1872
angekommen: 193 Schiffe zu Tal mit 1,23 Tausend Tonnen
und 1522
zu Berg
22,64
zusammen 17 15
23,87
abgegangen: 671
zu Tal
3.04
und X xo
zu Borg
0,06
zusammen 781
3,10
durchgegangen: 67 x
zu Tal
19,67
und 477
zu Berg
11,13
zusammen 1148 > > 30,80 > »
(Im Jahre x886 betrug der gesamte Verkehr an der Mainmündung: etwa 30000 t bergwärts
und 206000 t talwärts.)
Die Schiffer und die Schiffe sind am Main im Jahre X857 gezählt worden. Es waren
321 Schiffer mit 914 Schiffen von zusammen 38725 t Tragfähigkeit vorhanden, von denen 189
unter 50 t trugen und nur eines mehr als 175 t. Im Jahre 1872 waren nur 659 Schiffe mit
zusammen 38319 t Tragfähigkeit vorhanden; sie waren also im Durchschnitt erheblich größer
geworden.
Der Ludwigkanal verbindet den Main durch die Regnitz und die Altmühl mit der
Donau. Dies schon vor tausend Jahren (vgl. S. 25) geplante Werk wurde am Anfang des
19. Jahrhunderts von König Ludwig von Baiem aufgenommen. Es ging aber leider viel Zeit
verloren, bis man endlich (i Jahr nach Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahn von Nürnberg
nach Fürth} den Bau beginnen konnte, der von 1836 bis 1845 dauerte.
Die Wasserstraße verläßt bei Bischberg den Main und folgt zunächst der Regrnitz bis Bam-
berg. In dieser 5,2 km langen Strecke liegen 2 Kammerschleusen von 56 m und 52 m Länge und
8,5 m und 7 m Breite. Dann steigt der Kanal mit 68 Schleusen von 34 m Länge und 4,67 m
Breite x85,7 m hoch zur 24,4 km langen Scheitelstrecke (418 m über dem Meere), berührt Er-
langen, Fürth und Nürnberg und fallt mit 32 Schleusen von gleichen Abmessungen 79,2 m tief
zur Donau bei Kehlheim hinab. Der unterste Teil dieser Treppe von 32,9 km Länge mit 13 Schleusen
liegt in der aufgestauten Altmühl. Die ganze Länge der Wasserstraße von Bamberg bis Kehl-
heim beträgt 172,4 km. Die Wassertiefe soll 1,46 m betragen. Die Schiffe haben bei einer Ein-
tauchung von 1,29 m eine Tragfähigkeit von 127 t, bei einer solchen von 1,10 m etwa I30 t.
In den ersten 3 Jahren des Bestehens ist der Kanal einträglich gewesen, da durchschnittlich etwa
250000 t Güter befördert wurden. Im Wettbewerb mit den bald gebauten Eisenbahnen ging
der Verkehr schnell zurück: im Jahre 1860 sind 165665 t und im Jahre 1870 nur noch 108927 t
durch den Kanal (82 347 t zum Main und 26 580 t zur Donau) gegangen. In den anschließenden
Flüssen, namentlich in der Regnitz und in dem oberen Main, war die Fahrwassertiefe meistens
ganz ungenügend, so daß ein durchgehender Verkehr sich nicht entwickeln konnte.
Die Schiffahrt auf der Lahn hob sich durch den aufblühenden Bergbau und es entstand
das Bedürfois, an den Wehren Kammerschleusen zu bauen. Im Jahre 1841 kam ein Staats-
vertrag zwischen Preußen, Hessen und Nassau zustande, der dahin zielte, den Fluß für Schiffe
von 75 t Tragrfähigkeit (31,39 m lang, 5,02 m breit und 0,63 m Tauchtiefe) bis Gießen schiffbar
zu machen. Dazu wurde eine Wassertiefe von 0,94 m als erforderlich angesehen. Man baute
20 Kammerschleusen von 32,64 m Länge und 5,34 m Breite, befreite das Rußbett von den
ärgsten Unregelmäßigkeiten, machte einige Durchstiche und legte einen 3 m breiten Leinpfad
an. Die Arbeiten waren 1859 beendet und bis zum Jahre 1862 herrschte auf der Lahn ein
lebhafter Schiffahrtverkehr, wenngleich die Schleusen in einzelnen Strecken viel zu weit von-
einander angeordnet waren, so daß die nicht aufgestauten Stellen häufig nur eine sehr geringe
Tiefe zeigten. Nach der Eröffnung der Eisenbahn hörte die Schiffahrt im oberen Laufe des
Flusses (oberhalb Wetzlar) fast ganz auf, in der untersten Strecke (bei Ems) blieb sie bis zum
Jahre 1870 noch recht rege. Der größte Verkehr im Jahre 1860 betrug bei Niederlahnstein
33800 t zu Berg und 148 041 t zu Tal.
Dampfschiffahrt hat sich auf der Lahn nicht entwickelt; die Schiffe wurden in der Regel
durch Pferde getreidelt.
(Im Jahre 1886 — als noch eine Zwischenstaustufe mit Schleuse erbaut war — wurden
den Gruben an der Lahn und Dill Notstandtarife auf der Eisenbahn bewilligt, die dann fast
alle Güter an sich zog. Der gesamte Wasserverkehr betrug 1 886 nur 48 480 t, während in diesem
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870. HS
Jahre in den Gruben des Lahngebiets zusammen 806924 t Erze, Phosphorit, Marmor und Schiefer
gefordert wm-den.)
Auf der Mosel hat von Alters her eine lebhafte Schiffahrt bestanden (S. 26), die aber
immer unter schlechten FahrwasserzustSnden litt, wenngleich von der Verbauung des Stromes
durch Mühlenwehre nichts bekannt geworden bt Am Ende des 17. Jahrhunderts bestand z. B.
zwischen Nancy und Metz eine regelmäßige Wasserverbindung durch Marktschiffe.
Im Jahre 1836 begann die französische Regierung mit der Verbesserung des Fahrwassers
von Fronard, bei der Einmündung der Meurthe, abwSrts bis zur preußischen Grenze. Diese
Arbeiten hatten indessen keinen Erfolg und im Jahre 1867 schritt man zum Aufstau des Flusses
bis Metz mit gleichzeitiger Anwendung von SeitenkanSlen , die zusammen 48 km lang sind,
während die ganze Länge der Wasserstraße 58,5 km beträgt. Den letzten Teil der Arbeiten
von Amaville bis Metz hat nach dem Kriege die deutsche Regierung von 1872 bis 1876 fertig-
gestellt. Die Schleusen in dieser Strecke sind 38,5 m lang und 6 m breit, die Wassertiefe be-
trägt 2 m, so daß dort Schiffe von 300 t Tragfähigkeit verkehren können.
Von Metz bis zur luxemburgisch-preußischen Grenze bei Perl ist die Mosel auf 60 km Länge
im alten Zustande geblieben und hat bei niedrigem Wasserstande kaum eine Tiefe von 0,5 nu
Die anschließende 35 km lange preußisch-luxemburgische Strecke von Perl bis Wasserbillig, ober-
halb der Einmündung der Saar, ist in den Jahren 1853 bis 1870 von beiden Staaten verbessert
worden, so daß bei Niedrigwasser eine Tiefe von etwa 0,7 m vorbanden ist.
Die untere ganz preußische Stromstrecke ist seit dem Jahre 1839 von Preußen verbessert und
mit Buhnen ausgebaut worden, so daß bei Niedrigwasser eine Tiefe von etwa 0,7 m oberhalb und
0,9 m unterhalb Traben erreicht wurde. Bei den von 1853 bis 1870 ausgeführten Strombauten
wurde oberhalb Trier eine Normalbreite von 56 bis 75 m und unterhalb von 75 bis 95 m zugrunde
gelegt. Auf diesem Fluß teil hat sich in den vierziger Jahren eine lebhafte Dampfschiffahrt
entwickelt; die Schleppschiffahrt hat aber keine Bedeutung erlangt
Der Güterverkehr in Tausend Tonnen betrug»):
zu Berg zusammen
4,7 11,9 Tausend Tonnen
6,0 12,6 » >
106,2 147)4 * *
33,1 104,9
8,5 i5»3
8,4 14,8
Später ist er noch weiter herabgegangen.
Von den Nebenflüssen der Mosel hat nur die Saar einen erheblichen Schiffahrtverkehr,
und zwar in ihrem oberen Laufe innerhalb des Kohlengebiets. In den Jahren 1862 bis
1866 baute die französische Regierung, um der elsäßischen Industrie billige Kohlen zu ver-
schaffen, den 66 km langen Saarkohlenkanal von Gondrexange (am Rhein- Marne -Kanal]
nach Saargemünd, der etwa 2 km oberhalb dieser Stadt im Laufe der Saar liegt. Die Wasser-
straße hat 28 Schleusen von 38,5 m Länge und 5,2 m Breite und eine Wassertiefe von 2 m.
Anschließend daran wurde gleichzeitig von der preußischen Regierung die Saar von Saargemünd
bis Luisental (unterhalb Saarbrücken) auf 25 km Länge in 5 Stufen mit Nadelwehren aufgestaut,
wobei die 3 Schleusen oberhalb Saarbrücken dieselben Abmessungen erhielten, die beiden
unterhalb liegenden aber 40,8 m lang und 6,6 m breit gemacht wurden. Im Jahre 1875 wurde
unterhalb Luisental noch eine 16,5 km lange Flußstrecke bis Ensdorf durch 3 Stauwerke von
gleicher Bauart aufgestaut und auf 2 m Wassertiefe gebracht. Der unterste, 77 km lange Lauf
der Saar bis zur Mündung in die Mosel ist in den Jahren 1840 bis 1850 durch den Einbau von
Buhnen ohne großen Erfolg verbessert worden. Er hat bei Niedrigwasser nur etwa 0,5 m
Wassertiefe und kann dann nur mit leeren Schiffen befahren werden.
Der Saarkanal (vgl. S. xo8) hat im Jahre 1872 einen Verkehr von rund 900000 t gehabt.
Dampfschiffahrt wurde dort nicht betrieben, sondern es wurde mit Pferden getreidelt.
Der Erftkanal (4,3 km lang) ist nur ein alter als Hafen benutzter Rheinarm bei Neuß,
in den die Erft mündete. Da er allmählich versandete, wurde er 1833 bis 1837 von der Stadt
mit Unterstützung des Staates als Hafen ausgebaut. (1905 bis 1908 wurde daraus ein großer
modemer Rheinhafen hergestellt.)
l) Schwabe, Die Entwicklung der deutschen Binnenschiffahrt. Berlin 1899.
Teubert, Binnenschiffahrt. g
zu Tal
im Jahre 1834
7,2
» > 1840
6,6
• 1850
41,3
» 1860
71,8
> 1864
6,8
* 1870
6,4
> » IÖ42 » » 15,9, » » 39,o »
» > i86j. > > II.2. > » IQ.7 >
114 Abschnitt IL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Bie Schiffahrt auf der Ruhr entwickelte sich kräftig weiter, wie schon am Ende des
18. Jahrhunderts (S. 65), und gelangte im Jahre 1860 zu ihrer höchsten Blüte. Es wurden da-
mals etwa 900000 t auf diesem Flusse verfrachtet, wovon allein 867740 t Kohlen. Die Dampf-
schifiiEÜirt kam nicht dorthin; es blieb bei der früher üblichen Pferdetreidelei. Mit dem Bau der
Eisenbahnen (1862) ging der Verkehr schnell zurück, zumal die Schiffe nur von bescheidenen
Abmessungen und die Fahrwassertiefen oft sehr gering waren. Im Jahre 1840 wurde ein Ent-
wurf zu einem besseren Ausbau des Flusses aufgestellt und in den Jahren 1855 bis 1865 auch
eine gründliche Verbesserung des Fahrwassers namentlich in der Mündungstrecke ausgeführt.
Doch half dies nichts zur Hebtmg des Verkehrs und ebenso wenig die Aufhebung der Schleusen-
abgaben im Jahre 1868. (Im Jahre 1886 betrug der gesamte Verkehr nur etwa loooo t und
erlosch 1890 voUtsändig.)
Die Lippe hat schon in alten Zeiten Verkehr gehabt ; aber das Fahrwasser wurde durch
Mühlenwehre so behindert, daß die Schiffahrt zurückging. König Friedrich Wilhelm I. soll
einen Entwurf zur Schiffl>armachung haben aufstellen lassen; aber erst auf Anregung des
Ministers von Stein kam der Bau in den Jahren 1820 bb 1833 zur Ausführung. Es wurden
neben den Wehren 12 Kammerschleusen (auf der unteren Strecke 6 von 38,3 m Länge und
6,43 m Breite und oberhalb Hamm 6 von 27,86 m Länge und 4,71 m Breite) angelegt, mehrere
Mühlen beseitigt und das Fahrwasser einigermaßen durch Buhnen verbessert, so daß der Fluß-
lauf auf 190 km von Wesel bis nach Lippstadt hinauf als schiffbar mit etwa l m Tauchtiefe
angesehen werden konnte. Aber viele stark gekrümmte und seichte Stellen behinderten den
Verkehr außerordentlich und besonders die Einmündung in den Rhein versandete oft. Es sollen
dort etwa 100 Schiffe von 70 bis 100 t Tragfllhigkeit verkehrt haben.
Der Güterverkehr betrug bei Wesel:
im Jahre 1840 zu Berg 11,9, zu Tal 70,2 Tausend Tonnen
1842 » > 15,9, » » 39,0
1864 > > 11,2, > » 19,7
Diese Zahlen enthalten anscheinend auch das Floßholz. Talwärts wurde viel Salz befördert.
Nach Erbauung der Eisenbahn im Jahre 1847 ging der Verkehr stark zurück.
Auf dem Bodensee entwickelte sich die Dampfschiffahrt im Jahre 1824; doch
waren zunächst die Vorrechte der Schiffergilden hinderlich, die an allen Uferorten des Sees
von ortsfremden Schiffern >AbfuhrgeIder< dafür erhoben, daß sie ihnen die Aufnahme und
Befördenmg von Personen und Gütern erlaubten. König Wilhelm I. von Württemberg war ein
besonderer Freund der Dampfschiffahrt und beseitigte fUr sein Land diese Schwierigkeiten,
indem er die Ansprüche der Schiffer mit einer lebenslänglichen Rente ablöste. Dann bestellte
er ein Dampfschiff und rief die >Dampfschiffahrtgesellschaft in Friedrichshafen c ins Leben.
Im Dezember 1824 begann der erste Dampfer »Wilhelme auf dem See seine Fahrten. Gleich-
zeitig betrieb der bekannte Buchhändler Cotta in Stuttgart mit dem Amerikaner Church (der
bereits auf dem Genfer See eine Dampfschiffahrt eingerichtet hatte) ein ähnliches Unternehmen,
zu dem ihm die baierische Regierung ein Privilegium erteilt hatte »unbeschadet der Rechte
Dritter, besonders der Lindauer Schiffergesellschaft«. Ihr Dampfer »Max Josef« erschien gleich-
falls im Dezember 1824 auf dem Bodensee; aber das Privilegium war wertlos, das Schiff fand
keine Beschäftigung, wurde bald stillgelegt und auf Abbrach verkauft. Später entstanden die
»Dampfschiffahrtgesellschaft für den Bodensee und Rhein« in Konstanz (1830) und die Dampf-
bootaktiengesellschaft in Lindau (1835). Die letztere eröffnete mit dem ersten eisernen, in
England gebauten Dampfschiff »Ludwig« ihren Betrieb im Jahre 1837.
Zur Hebung des Verkehrs auf der an den Bodensee angrenzenden Rheinstrecke von Kon-
stanz bis Schaff hausen wurde im Jahre 1852 zwischen Baden und der Schweiz ein Vertrag ge-
schlossen, durch den die Freiheit der Schiffahrt gewährleistet wurde.
Die Ems war am Anfang des 19. Jahrhunderts fiir die Binnenschiffahrt
nur bis Meppen hinauf einigermaßen brauchbar, während der obere Flußlauf
bis Greven (zwischen Rheine und Münster) zwar für schiffbar galt, aber wegen
des schlechten, seichten und gekrümmten Fahrwassers wenig benutzt werden
konnte. Zwischen Preußen und Hannover wurden darum in den Jahren 181 5
und 1820 Verträge über den gemeinschaftlichen Ausbau des Stromes abge-
5* Von der Erfindung des DampfschijSs bis 1870. 115
schlössen, die durch die Emsschiffahrtsakte vom Jahre 1843 bestätigt wurden.
Von Meppen aus wurde durch die dort einmündende Hase ein 26 km langer
Seitenkanal (Hanekenkanal) aufwärts bis Hanekenfahr angelegt, um den schlech-
testen Teil deis Stromes auszuschalten. Es wurden 3 einfache, eine Koppel- und
eine Abschlußschleuse (bei Hanekenfahr] erbaut, die eine Länge von mindestens
26,4 m und eine Breite von 5,95 m hatten. Die Wassertiefe betrug 1,26 m.
Außer einem Wehr unterhalb Hanekenfahr wurden im oberen Emslalife
noch die Wehre bei Listrup und Bentlage errichtet, neben denen Kammer-
schleusen von 28,9 m und 31,3 m Länge und 5,95 m Breite angeordnet
wurden. Oberhalb Bentlage war bei Rheine bereits ein altes Wehr aus dem
Jahre 1580 vorhanden, das mit einem i km langen Seitenkanal und einer
alten Schleuse umgangen werden konnte. Diese Anlagen wurden verbessert
und mit einer zweiten Schleuse (31,3 m lang, 5,95 m breit) ausgerüstet. Im
Flußbette selbst wurden mehrere Durchstiche, Einschränkungswerke und Ufer-
schutzbauten, sowie umfangreiche Felssprengungen ausgeführt, so daß im all-
gemeinen durchweg eine Tiefe von i m bei N.W. erreicht wurde. (Auf der
unteren Strecke zwischen Meppen und Papenburg wurde das Fahrwasser gleich-
falls durch Buhnen und andere Bauten verbessert.)
Die Arbeiten sind in der Zeit von 1825 bis 1845 fertiggestellt worden.
Der Erfolg war ziemlich gut, die Schiffahrt nahm zu und der Verkehr er-
reichte bei Rheine im Jahre 1861 den höchsten Stand von 32500 t. Doch
ging die Schiffahrt nach der Eröffnung der Eisenbahn Rheine — Emden im
Jahre 1854 langsam zurück. Bei Meppen verkehrten 1872 noch 1222 Schiffe
mit 35 200 t und im Jahre 1879 nur 459 Schiffe mit 11 290 t.
Die die Ems befahrenden Schiffe sind die Pünten, die bei etwa 25 m
Länge und 5 m Breite eine Tragfähigkeit von etwa 85 t haben.
Ein bemerkenswerter Dampferbetrieb hat sich oberhalb Papenburg nicht
entwickelt.
Aus älterer 2^it ist zu erwähnen, daß im Jahre 1723 der Fürstbischof Clemens August zu
Münster die Absicht hatte, die Ems mit der Vechte durch einen Kanal zu verbinden. Unterhalb
Münster wurde dazu eine 30 km lange Kanalstrecke nebst einer Schleuse hergestellt. Dann ruhten
die Arbeiten, bis sie unter dem Fürstbischof Max August 1767 um etwa 5 km weiter geiiihrt
wurden. Aber es fehlte an Speisungswasser und man ließ den Kanal unvollendet, der übrigens
1844 durch einen Wassereinbruch zum Teil zerstört wurde. Es wird auch berichtet, daß Friedrich
der Große die Fortführung dieses Kanals bis Emden in Erwägung gezogen hat.
Im Jahre 1869 wurde mit dem Bau der Moorkanäle auf dem linken Flußufer (Ems-
Vechte-Kanal, Süd-Nord-Kanal usw.) begonnen, die mit den holländischen Torfkanälen (S. 71)
in Verbindung stehen. Auf dem rechten Ufer ist das Gebiet der Leda durch den im Jahre
1855 '^^^ ^^^ oldenburgischen Regierung begonnenen Hunte-Ems-Kanal an die Hunte bei
Oldenburg angeschlossen. Der 44,2 km lange Kanal zweigt von der Sagter Ems ab, hat
9 Schleusen von 29 m Länge und 5,2 m Breite und eine Wassertiefe von 1,25 bis 1,5 m. Die
dort verkehrenden Schiffe sind meistens nur 15 bis 16 m lang und 3 bis 3,5 m breit. Der
Verkehr ist ebenso unbedeutend wie auf den übrigen Fehnkanälen bei Papenburg, wo die so-
genannten Muttschiffe von ähnlichen Abmessungen und höchstens 30 t Tragfähigkeit zu Hause sind.
Auf die Weser kam, wie oben (S. 93) erwähnt, im Jahre 1817 das
erste Dampfschiff, aber es verkehrte nur unterhalb Bremen. Es dauerte
8*
116 Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
etwa 20 Jahre, bis ein DampfschifT nach Minden gelangte. Dies soll von
Harkort (in Harkorten bei Wetter a. d. Ruhr) im Jahre 1835 erbaut und von
ihm selbst im Jahre darauf zu Wasser durch Holland, die Zuidersee und das
Wattenmeer zur Weser geführt sein. 1842 wurde in Hameln die > Vereinigte
Weserdampfschiffahrt« gegründet, die mit dem aus Paris bezogenen Dampfer
»Hermann« im folgenden Jahre die erste Fahrt von Hameln nach Münden
unternahm. In demselben Jahre fuhr auch das von Henschel in Kassel ge-
baute Dampfschiff »Eduard« von Münden bis Bremen. Die Hamelner Ge-
sellschaft stellte noch weitere 6 Dampfer in Dienst, die zum Teil aus Paris
kamen, zum Teil in der Rheinprovinz gebaut und mit englischen Maschinen
ausgerüstet waren. Es wurde ein regelmäßiger Betrieb zwischen Münden und
Bremen unterhalten und dabei namentlich eine große Zahl von Auswanderern
befördert. Die Schwierigkeiten, die das schlechte Fahrwasser und die un-
bequemen Brücken diesem Unternehmen bereiteten, waren außerordentlich.
1857 übernahm der Norddeutsche Lloyd in Bremen den Betrieb und hat ihn
bis 1873 geführt. Er war dann wegen des Wettbewerbs der Eisenbahn und
in Anbetracht der großen durch das mangelhafte Fahrwasser hervorgerufenen
Störungen nicht mehr einträglich und die Schiffe wurden verkauft.
Anfangs der ftinfziger Jahre machte der Norddeutsche Lloyd Versuche
mit dem Schleppbetrieb zwischen Bremen und Hameln und 1854 fuhr der
Dampfer »Blücher« zum ersten Male mit einem Schiffe im Anhang von
Hameln bis Münden. Aber das Unternehmen war nicht erfolgreich; denn
das Fahrwasser war so schlecht, daß in den trockenen Jahren 1857 ^'^ i^59
die Fahrten auf lange Zeit unterbrochen werden mußten. Außerdem erwies sich
die Pferdetreidelei als billiger. Im Jahre 1860 wurde der Schleppbetrieb ein-
gestellt. Einige Jahre später bildete sich die »Mindener Schleppschiffahrt-
gesellschaft«, die mit 2 Dampfern unterhalb Hameln tätig war. Auch sie
mußte sich gegen Ende der siebziger Jahre auflösen.
Die Beschlüsse des Wiener Kongresses hatten auf die Weserverhält-
nisse zunächst keinen Einfluß, weil die Uferstaaten nicht zusammen traten.
Schon im Jahre 1815 wollte Preußen mit den anderen Staaten über ein ge-
meinsames Vorgehen zur Verbesserung des Stromes Vereinbarungen ab-
schließen; diese Absicht scheiterte aber an dem Widerstand Hannovers,
das mehr auf die Hebung des Verkehrs auf Aller und Leine bedacht war.
Auch nach dem Zustandekommen der Schiffahrtsakte von 1823, über die
oben (S. 85) berichtet wurde, war es wieder Hannover, das nicht geneigt war,
sich an einer gemeinsamen Befahrung des Stromes durch die Wasserbau-
beamten der Uferstaaten zu beteiligen, um über die erforderlichen Arbeiten
zu beraten. Erst 1838 fand die erste Strombefahrung von Münden bis Bremer-
haven statt und wurde später etwa alle 4 Jahre wiederholt. Nach Gründung
der Hamelner Dampfschiffahrtgesellschaft (1842) war Hannover bereit, für
die Verbesserung der Wasserstraße erhebliche Arbeiten auszufuhren. Bei
diesen Beratungen wurde auf Wunsch der 1842 zusammengetretenen Rcvi-
5- Von der Erfindung des Dampfschifik bis 1870. 117
sionkommission der Weserschiffahrtsakte die zu erstrebende mindeste Fahr-
wassertiefe beim kleinsten Wasserstande auf 0,67 m vereinbart, von der
Feststellung der Normalbreiten aber mit Rücksicht auf das sehr wechselnde
Gefalle abgesehen.
Für die Verbesserung des Fahrwassers geschah seit 1823 mancherlei:
Bis zum Jahre 1838 wurden die früher so hinderlichen Fisch wehre im oberen
Laufe beseitigt, es wurden viele Steine und Felsen gesprengt, alte Arme
verbaut und Buhnen angelegt. Die Uferschutzbauten wurden vielfach da-
durch erschwert, daß nach dem bestehenden Recht die Uferanlieger dazu
verpflichtet waren, ihrerseits aber wieder über den durch die Wellen der
Dampfer hervorgerufenen Schaden klagten. Namentlich auf preußischem Ge-
biet wurden seit 1852 einige größere Verbesserungsbauten ausgeführt.
Besondere Sorgfalt wurde auf den Leinpfad verwandt, zumal seit 18 18
in allen Staaten die Pferdetreidelei erlaubt war. In den zwanziger Jahren
soll er zwischen Bremen und Münden noch 2 4 mal das Ufer gewechselt haben.
Man hoffte, nach Durchfuhrung der Verbesserungen in etwa 18 Tagen diesen
Weg zurücklegen zu können, während man vorher 30 Tage gebrauchte. Aus
dem Jahre 1831 wird berichtet, daß zur Beförderung von 6 Schiffen mit
400 t Ladung von Bremen nach Münden 40 Pferde und vorübergehend noch
200 Arbeiter zum Treideln nötig waren. (Die letzteren erhielten allein für
3 Tage 558 Mark Lohn.)
Bis zum Ende der dreißiger Jahre waren die Schiffe, namentlich die
Weserböcke, plump, schwer und mit sehr dickem Boden gebaut, so daß sie
leer etwa 0,42 m tief eintauchten. Dann kam eine bessere Bauart auf mit
spitzerer Form, schwächeren Hölzern und besseren Verbindungen der ein-
zelnen Teile. Diese Schiffe waren 37,8 bis 38,3 m lang, 5,35 bis 5,55 m
breit und hatten leer eine Tauchtiefe von nur 0,24 m. Bei voller Ladung
von 150 bis 168 t hatten sie einen Tiefgang von 1,1 m bis 1,2 m. Am Ende
der sechziger Jahre verkehrten unterhalb Minden schon Böcke von 48 m
Länge, 7,6 m Breite und 300 t Tragfähigkeit bei 1,4 m Tauchtiefe.
Sehr störend für den Verkehr (namentlich der Dampfschiffe) war die ge-
ringe Breite der Schleuse bei Hameln (S. 55) von nur 5,85 m. Unter der
preußischen Herrschaft wurde sie in den Jahren 1868 bis 1871 durch eine
neue von 56,7 m Länge und ii,i m Torweite ersetzt.
Aber diese Bauten konnten nach der Einfuhrung der Eisenbahnen
den Niedergang der Schiffahrt nicht aufhalten, zumal die fes^esetzte Min-
desttiefe von 0,67 m bis zum Jahre 1870 noch nicht erreicht und das
Fahrwasser noch immer sehr mangelhaft war. Auch der mit Beteiligung der
Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft in den Jahren 1856 bis 1859 angelegte
Umschlaghafen in Minden hob den Verkehr nicht merklich.
Viele genaue Abschreibungen darüber sind nicht vorhanden: Im Jahre
1823 hat der Durchgang^erkehr bei Minden etwa loooot betragen. Nach
der Bremer Statistik des Oberweserverkehrs war die Zu- und Abfuhr im
118 Abschnitt n. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Jahre 1860 in Bremen 220000 t und fiel dann bis 1878 auf den tiefsten Stand
von 93000 t. Im Jahre 1864 sind von Bremen aufwärts 414 S^el- imd
62 Dampfschiffe mit zusammen 24025 t abgegangen.
Auf der Aller war die Schiffahrt bis etwa zum Jahre 1850 ziemlich
rege. Der Endpunkt der Schiffahrt war Celle, wo seit alter Zeit ein bedeu-
tender Umschlag stattfand. Mit dem Bau der Eisenbahnen g^ing-der Ver-
kehr zurück und erlosch bis 1870 vollständig.
Auf der Elbe hatte die Dampfschiffahrt bessere Erfolge als auf der Weser,
wenn auch die ersten oben (S. 93) erwähnten Versuche mißglückt waren. In
Dresden baute sich ein Zuckersiedereibesitzer Calbera im Jahre 1834 ^i^
Dampfschiff mit einer in Hamburg gekauften englischen Maschine von etwa
24 Pferdestärken. E^ war ein Heckraddampfer und sollte 50 t tragen. Trotz
der durch die Elbeakte geschaffenen Freiheit erhoben die Dresdener Handels-
und Schifferinnimgen gegen dieses Unternehmen lebhaften Einspruch, so daß
Calbera weder eine Staatsunterstützung noch ein Privileg, schließlich aber mit
Mühe wenigstens die Erlaubnis erhielt. Das Schiff führte vom Jahre 1835 ^^
mehrfache Fahrten nach Hamburg aus, um Rohstoffe fiir die Zuckersiederei
herbeizuschaffen.
Im Jahre 1836 bildete sich in Dresden die »königl. privUegierte säch-
sische Dampfschiffahrtgesellschafl«, die im folgenden Sommer den »eisernen«
Raddampfer »Königin Maria« in Dienst stellte. Das Schiff war 36 m lang,
3,9 m breit (über den Radkasten 7,85 m) und 2,5 m hoch. Es soll leer einen
Tiefgang von 0,48 m und eine Maschine von 40 Pferdestärken gehabt haben.
Das königl. Privileg wurde zunächst auf 5 Jahre verliehen mit den aus der
Elbschiffahrtsakte sich ergebenden Beschränkungen. Die Gesellschaft betrieb
die Personen- und Güterbeforderung in Sachsen imd Böhmen. Bis 1846 stellte
sie noch 2 Schiffe ein und der Betrieb wurde so geregelt, das zwei Dampfer
tägliche Verbindungen zwischen Dresden und Tetschen unterhielten, während
das dritte Schiff täglich zweimal von Dresden nach Pillnitz und zurück fuhr.
Von den 3 Dampfern waren 2 aus Eisen auf einem Platze bei Dresden ge-
baut und in Übigau mit den zuerst von Egells in Berlin gelieferten Maschinen
versehen. Diese bewährten sich nicht, da sie zu schwerfallig waren und nicht
rückwärts bewegt werden konnten, und es wurden neue Maschinen bei John
Penn in Greenwich bestellt, die schwingende (oszQlierende) Zylinder besaßen
und sich schon auf dem Magdeburger Dampfer »Courier« bewährt hatten.
Solche Maschinen von Penn fanden damals überall Beifall und sind von der
sächsischen Gesellschaft viele Jahre lang bevorzugt worden.
Im Jahre 1841 entstand ihr ein gefahrlicher Wettbewerb durch den Eng-
länder Josef Ruston, der mit einem sehr flachgehenden Dampfer in Dresden
eintraf und ein PrivUeg für Böhmen hatte. Dabei machten sich die ein-
schränkenden Bestimmungen der Elbeakte (Kabotage) recht fühlbar. Ruston
beschaffte noch mehrere Schiffe und fuhr aufwärts bis nahe nach Melnik, von
wo eine gute Stellwagenverbindung bis Prag entstand. Um den lästigen
5* Von der Erfindung des Dampfechiffs bis 1870. 119
Wettbewerb zu beseitigen, kaufte die sächsische Gesellschaft 1851 das Ru-
stonsche Unternehmen und nannte sich dann «Sächsisch-böhmische Dampf-
schiffahrtgesellschaft«.
Gleichzeitig mit der Dresdener Gesellschaft entstand in Magdeburg
die > Magdeburger Dampfschiffahrtgesellschaft« für den Verkehr zwischen
dieser Stadt und Hamburg und bald noch eine zweite, die > Hamburg-
Magdeburger Dampfschiffahrt -Kompagnie« zum gleichen Zweck'). Diese
beiden Gesellschaften vereinigten sich 1840 zu der »Vereinigten Hamburg-
Magdeburger Dampfschiffahrt-Kompagnie«. Einer ihrer ersten Dampfer war
der vorerwähnte > Courier«. Im Laufe der folgenden 10 Jahre besaß die Ge-
sellschaft zeitweise 8 bis 10 Dampfschiffe, von denen aber keines mehr als
70 indizierte Pferdestärken hatte. Sie begründete in Buckau bei Magdebui^
eine eigene Schiffswerft imd Maschinenbauanstalt. Der Betrieb war so ein-
gerichtet, daß wöchentlich von Magdeburg zwei Schiffe nach Hamburg und
eines nach Dresden abgingen. Schon von 1841 an betrieb die Gesellschaft
den Schleppdienst
In Prag hatte sich gleich nach dem Abschluß der Elbeakte im Jahre
1822 die »Prager Schiffahrtgesellschaft« gebildet, die, zunächst ohne eigene
Lastschiffe und Dampfschiffe, eine regelmäßige Güterbeförderung zwischen
Böhmen und Hamburg einrichtete. Im Jahre 1857 beschaffte sie sich 5 Rad-
dampfer und betrieb mit eigenen und fremden Lastschiffen unter dem neuen
Namen »Prager Dampf- und Segelschiffahrtgesellschaft« einen lebhaften
Schleppverkehr auf der ganzen Elbe. In diesem Jahre entstand in Hamburg
die »Norddeutsche Fluß-Dampfschiffahrtgesellschaft«, die mit 6 Dampfern und
40 Lastschiffen einen regelmäßigen Verkehr zwischen dieser Stadt und Berlin
betrieb. 1863 geriet sie in Schwierigkeiten und wurde dann neu gegründet.
Im Jahre 1869 waren etwa 20 Schleppdampfer auf der Elbe.
Die Schiffer betrachteten die Entwicklung der Dampfschiffahrt mit
mißgünstigen Blicken, weil sie darin eine Schädigung ihres Erwerbs sahen.
Auch klagten sie viel über die große Geschwindigkeit der Dampfer und die
starken Wellen. Von dem Schleppbetriebe machten sie zunächst keinen Ge-
brauch, zumal die wenigen Dampfer meistens mit dem Schleppen der eigenen
Lastschiffe beschäftigt waren.
Trotz der Elbeakte (S. 85) litt die Schiffahrt an vielen Übelständen.
Zunächst waren die Zölle so hoch, daß viele über See eingeführte Waren
billiger über Stettin als über Hamburg zu Wasser nach Magdeburg befördert
wurden^). Das erklärt sich daraus, daß auf der Oder keine Zölle bestanden
und im Jahre 1841 der früher sehr drückende Sundzoll bedeutend ermäßigt
worden war. Die Eibzölle waren im Jahre 1847 erheblich höher als auf
anderen Strömen. Der Normalzoll betrug für je 100 kg auf dem Rhein
2,215 Mark stromauf und 1,49 Mark stromab, auf der Weser 0,67 Mark und
i) Sieg rot h, Aufsatz im Elbe-Schiffahrts-Kalender 1910.
2) Kurt Fischer, Studie über die Eibschiffahrt in den letzten 100 Jahren. Jena 1907.
120 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
auf der Elbe 3,40 Mark. Auf i tkm berechnet, ergibt das für den Rhein
2,644 Pf. und 1,784 Pf., für die Weser 1,744 Pf und für die Elbe 5,664 Pf.
Mit der Erhebung der Zölle verloren die Schiffer ferner viel Zeit: Es wird
berichtet, daß sie an den Zollstellen oft wochenlang warten mußten.
Die Leinpfade waren in sehr schlechtem Zustande, so daß nur auf
wenigen Strecken Pferde benutzt werden konnten. Wenn an schwierigen
Stellen die eigene Mannschaft und die mitgenommenen Zugknechte (S. 53)
nicht ausreichten, mußten besondere Schiffzieher angenommen werden, die
unter dem Namen »Pomätscherc (von dem böhmischen Pomohacz = Helfer)
wegen ihrer unverschämten Forderungen besonders an der oberen Elbe be-
rüchtigt waren. Die Durchfahrung der Brücken wurde dadurch besonders
erschwert und verteuert. Als deren Zahl bei der Erbauung der Eisenbahnen
sich stark vermehrte, fühlten die Schiffer sich geschädigt und verlangten nicht
nur mit Erfolg Drehbrücken oder Mastenkrane, sondern wünschten auch, dass
die Eisenbahngesellschaften für das Durchziehen der Schiffe durch die Brücken
die nötigen Mannschaften und Geräte stellten. Ein besonderes Hindernis
war die Augustusbrücke in Dresden. Der im Jahre 1846 dort gegründete
»Konzessionierte sächsische Schifferverein«, der sich durch die Förderung der
Schiffahrt an dem ganzen Strome ein großes Ansehen erwarb und auch bei den
Behörden die Wünsche der Schiffer nachdrücklich vertrat, bestellte zuerst selbst
im Jahre 1854 die zur Durchfahrung dieser Brücke erforderlichen Lotsen, die
nach mehreren Jahren der staatlichen Aufsicht untergeordnet wurden. Auch
für die Magdeburger Strombrücke sind später in ähnlicher Weise von den Be-
teiligten solche Lotsen bestellt worden. Im Jahre 1859 hatte ein Schiffer an
der Augustusbrücke eine Winde erbaut, mit der er gegen Entgelt die Schiffe
bergwärts zog. Sie bestand bis zur Einführung der Kettenschiffahrt.
Durch die beweglichen Sandfelder änderte sich das Fahrwasser an den
Brücken sehr häufig imd war ohne ortskundige Führung leicht zu verfehlen.
Ein lebhafter Wunsch der Schiffer ging dahin, daß die Strombehörden nicht
nur an diesen, sondern an allen schlechten Stellen das Fahrwasser im Strome
bezeichnen {> vermalen«) möchten. Aber bis in die siebziger Jahre hinein waren
die Schiffer auf Selbsthilfe angewiesen. Das geschah, indem jedem beladenen
Schiffe ein mit dem Strome vertrauter »Haupter« in einem Handkahne vor-
ausfuhr, die Tiefen untersuchte und durch eingeschlagene Pfahle (»Maler«) die
Fahrrichtung bezeichnete. Hinter dem Schiffe fuhr in einem anderen Hand-
kahne der »Malheber«, um die Pfähle wieder auszuziehen.
Die Zahl und die Größe der Schiffe nahm trotz dieser Schwierigkeiten
und des Wettbewerbs der Eisenbahnen infolge der zum Schleppen benutzten
Dampfkraft stetig zu.
Über die im Königreich Sachsen vorhandenen Schiffe liegen nähere Angaben vor: im
Jahre 1832 waren 250 hölzerne Lastschiffe vorhanden mit einer durchschnittlichen Tragfähigkeit
von 46,1 t, im Jahre 1866 schon 404 Schiffe von durchschnittlich 60,4 t und im Jahre 1873 nur
397 Schiffe (darunter 4 eiserne), aber mit einer durchschnittlichen Tragfähigkeit von 178,7 t
Das größte im Jahre 1832 vorhandene Schiff von 106 t Tragfähigkeit hatte 30,3 m Länge,
5. Von der Erfindung des Dampfschiff bis 1870.
121
4,89 m Breite und 0,98 m Tauchtiefe. Auf der mittleren Elbe bei Magdeburg betrug im
Jahre 1842 die durchschnitüiche Tragfähigkeit etwa 60 t und die größten Schiffe von 150 t
hatten etwa 44 m Länge, 4,7 bis 5 m Breite und 1,17 m Tauchtiefe. Im Jahre 1871 gab es
dort schon Schiffe von 350 t, die eine Libige von 58 m, eine Breite von 7,4 m und eine Tauch-
tiefe von 1,24 m hatten. Dabei ist zu beachten, daß diese Tragfähigkeiten nach der damaligen
amtiichen Vermessung angegeben sind, die von der wirklichen Tragfähigkeit meistens erheblich
ttbertroffen wurde. Die Besatzung der größeren Schiffe bestand aus 6 bis 7 Mann.
Die ersten Eisenbahnen im Elbegebiet wurden eröffnet: Dresden-Leipzig
1839, Magdeburg-Leipzig 1840, Berlin-Köthen 1840, Berlin-Hamburg 1846,
Berlin-Magdeburg 1846, Magdeburg-Halberstadt und Magdeburg- Wittenberge
1849. Diese letzte war die erste am Strom entlang führende Eisenbahn,
während die anderen, ähnlich wie am Rhein, zunächst als Zubringer für die
Schiffahrt dienten. Es ist bemerkenswert, daß diese Bahn zunächst keinen
wirtschaftlichen Erfolg hatte, vielmehr erst nach 1863, nachdem sie mit der
Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn vereinigt worden war.
Im allgemeinen machte sich aber der Wettbewerb der Eisenbahnen fiir
die Schiffahrt sehr bald fühlbar. Alle wertvollen Güter gingen auf die Eisen-
bahn über, nicht allein wegen der Schnelligkeit und Pünktlichkeit der Lie-
ferung, sondern auch wegen der Billigkeit; denn hochwertige Waren konnten
den NormalelbzoU nicht mehr tragen. Im Jahre 1847 kostete die Beförderung
von I t solcher Güter von Hamburg nach Magdeburg, einschließlich derZöUe,
Gebühren, Versicherung, Ein- und Ausladen, in einem Segelschiff (bei 10 Mark
Fracht) zusammen 29 Mark, in einem Dampfschiff (bei 12,5 Mark Fracht)
30,5 Mark, während es die Eisenbahn (einschließlich des Durchgangzolls durch
Lauenburg) für 25 Mark besorgte. Es blieben also für den Wasserverkehr nur
die wohlfeUen Waren übrig, die nur 740 des Normalzolls zu bezahlen hatten.
Um an Schnelligkeit, Sicherheit und Pünktlichkeit den Schiffahrtbetrieb
zu verbessern, wurden von leistungsfähigen Unternehmern zwischen den Haupt-
handelplätzen Reihe fahrten eingerichtet. Zwischen Hamburg und Dresden
bestanden solche seit 1822, zwischen Magdeburg und Dresden seit 1844.
Die Unternehmer besorgten die Verfrachtung der Güter nach bestimmten
Tarifen und in der Regel auch innerhalb gewisser Lieferfristen.
Einige Mitteilungen über zwei solche Betriebe liegen uns vor. Es wurden befördert:
Hamburg — Dresden
1 Magdeburg — ^Dresden
im
bergwärts
talwärts
bergwärts
talwärts
Ladung
zu-
Jahre
Ladung in t
Schiffe
Ladung in t
Schiffe
Ladung in t
sammen
Schiffe
zusam-
•
je
zusam-
je
zusam-
je
' men ! Schiff
' men
Schiff
men
Schiff
t
t
,1
1844 ■ 98
6600
67,4
34
1857
54,7
. 88
6236
70,9
1304
15997
1845
106
7 737
73,0
29
1809
62,4
127
7265
57,2
1474
18285
1846
154
10405
68,2
37
1834
49,0
160
7706
48,2
»953
21 898
1847
166
II 872
72,1
39
173"
44,4
123
7912
64,3
2117
23632
1848
"5
6953
60,5
35
1107
31,2
"3
54S5
48,3
1252
14767
122 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Die durchschnittliche Dauer der Fahrt (ohne erhebliche Sch\rankungen zwischen den ein-
zelnen Jahren) war von Hamburg nach Dresden 29 bis 30 Tage, von Magdeburg nach Dresden
15 bis 16 Tage und bei der Talfahrt von Dresden nach Hamburg 10 bis 15 Tage, wobei der Auf-
enthalt an den Zollstellen mitgerechnet ist Der Talverkehr war erheblich kleiner als der Berg-
verkehr. Dabei ist zu beachten, daß Massengüter bei diesen Reihefahrten selten befördert
wurden, vielmehr in der Regel nur Stückgüter.
Diese Unternehmungen, die z. B. von dem >£lbschifrahrt-Komitee des Dresdener Handel-
standes« warm empfohlen wurden, hatten etwa im Jahre 1850 einen Tarif aufgestellt, aus dem
einiges mitgeteilt werden soll:
1. Zwischen Magdeburg und Dresden (oder Riesa, Meißen) wurden bei der Bergfahrt
für I t einschließlich aller Nebenkosten bei einem Wasserstande bis zu 0,29 m unter Null am
Dresdener Pegel für Güter der ersten Klasse 12,5 Mark, der zweiten 10 Mark und der dritten
7,5 Mark berechnet. Bei niedrigeren Wasserständen traten hierzu folgende Zuschläge:
Bei Wasserständen von 0,3 1 bis 0,45 m imter Null : 2,5 Mark
> » > 0,47 » 0,60 m » > 4,5 »
» » » 0,78 > 0,92 m > » 10,0 >
» » » 0,94 » 1,07 m » » 12,5 >
> > > 1,10 m und mehr > > 15,0 >
Güter, die von Stettin kamen, hatten von Magdeburg ab nur 10 Mark in der ersten und
7,5 Mark in den beiden anderen Klassen zu zahlen.
Für die Talfahrt von Dresden nach Magdeburg wurden die Sätze um je 4,5 Mark fiir
die Tonne ermäßigt. Femer bestand noch ein fester Satz für die Linie Dresden-Halle von
20 Mark.
2. Zwischen Hamburg und Dresden (oder Riesa, Meißen) war für die Bergfahrt der
Normalsatz 20 Mark ; doch wurde er für wenig wertvolle Güter um 2 Mark, ausnahmswebe um
4 Mark ermäßigt. Für die Talfahrt war der Normalsatz 18 Mark, der unter Umständen bis auf
12 Mark herabgesetzt wurde.
3. Oberhalb Dresden wurden bei der Bergfahrt bis Tetschen ohne Zölle 8 Mark
und nach Prag einschließlich der österreichischen Elbe- und Moldauzölle etwa 32 Mark be-
rechnet.
4. Von Dresden nach den östlichen Wasserstraßen wurden bei der Tal fahrt bis
Berlin 17 Mark, bis Goyatz (am Schwielochsee im Spreegebiet, für Kottbus) 29,5 Mark, bis Frank-
furt a. O. 25 Mark, bis Stettin 25 Mark, bis Posen 35 Mark, bis Breslau 37 Mark, bb Danzig
48 Mark, bis Königsberg i. Pr. 48 Mark und bis Warschau 60 Mark berechnet.
5. Von Stettin bis Magdeburg betrug die Fracht 10 Mark mit Ausnahme von Kreide,
für die nur 8,4 Mark berechnet wurden.
Für Steinkohlen u. dgl. galt dieser Tarif nicht.
Einen großen Aufschwung nahm die Eibschiffahrt durch die Einführung
der Kettenschiffahrt. Der Ursprung dieser Erfindung ist in der Warp-
schifTahrt zu suchen, die auf der Elbe (S. 54) und anderen Strömen zeitweilig
ausgeübt wurde. Zum Einholen des Zugseils vom Schiffe aus benutzte man
später Dampfwinden, z. B. 1822 auf der Rhone zwischen Lyon und Givors,
sowie in Rußland (S. 76) an Stelle der bis dahin verwendeten Pferde. Von
durchschlagender Bedeutung war die Erfindung von E. de Rigny, der 1825
auf einer Strecke der Seine zwischen Paris und Ronen zuerst eine durch-
laufende, auf dem Flußboden liegende Kette einführte. Im Jahre 1854 wurde
auf der oberen Seine die erste Kettenschiffahrt in Betrieb gesetzt.
Da diese Einrichtung sich bewährte, beschloß die Vereinigte Hamburg-
Magdeburger Dampfschiffahrt-Kompagnie im Jahre 1863, einen Versuch damit
in der Stromelbe bei Magdeburg zu machen, wo an der im Jahre 1862 neu
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870. X23
erbauten Strombrücke (S. 48) ein' starkes und fiir die Schiflfahrt hinderliches
Gefalle vorhanden war*). Das erste Kettenschiff wurde 1866 auf der 5 km
langen Strecke von Buckau bis Magdeburg-Neustadt in Betrieb gesetzt und
der Erfolg war so gut, daß man sofort daran ging, auf der unterhalb an^
schließenden Stromstrecke eine Kette zu verlegen. Im Jahre 1868 reichte
sie bis Ferchland, 1872 bis Wittenberge und 1874 bis Hamburg. Gleichzeitig
wurde auf Betreiben von Bellingrath im Jahre 1869 in Dresden die »Ketten-
Schleppschiffahrt-Gesellschaft der Oberelbe« gegründet, die in demselben
Jahre den Kettenbetrieb auf der 44 km langen Strecke von Dresden bis
Merschwitz und im Jahre 1870 auf der 56 km langen Strecke von Dresden
bis zur böhmischen Grenze und von Merschwitz bis zur preußischen Grenze
einführte. Im folgenden Jahre wurde das fehlende Verbindungstück von
Buckau bis zur preußisch-sächsischen Grenze in einer Länge von 205 km
verlegt. In Böhmen richtete die Prager Dampf- und Segelschiffahrtgesellschaft
im Jahre 1872 den Kettenbetrieb von der deutschen Grenze bis Aussig ein.
(Im Jahre 1886 wurde die Kette weiter hinauf bis Melnik verlegt.)
Nach der Einfuhrung der Kettenschiffahrt mit etwa 30 Kettenschiffen änderte
sich der Schiffahrtbetrieb vollständig, weil jetzt jedem Schiffer die Möglichkeit
gegeben war, sich nach einem, von den staatlichen Behörden geprüften und
genehmigften Tarif schleppen zu lassen. Vorher reichten, wie oben erwähnt,
die wenigen auf der Elbe vorhandenen Dampfschiffe mit den verhältnismäßig
schwachen Maschinen dazu bei weitem nicht aus. Eine weitere Folge war
die schnelle Vergrößerung der Schiffe (weil die durch die frühere Treidelei
gesteckte Grenze geschwunden war) und, damit zusammenhängend, eine Ver-
minderung der Selbstkosten des Betriebs, wodurch man wieder im Wett-
bewerb mit den Eisenbahnen gestärkt wurde. Auch an den Kosten der
Mannschaft konnte trotz der größer gewordenen Schiffe gespart werden:
Da die Segel nur noch selten benutzt wurden, wurde die Besatzung von 7
bis 8 Mann auf 3 herabgesetzt. Durch die Beschleunigung der Fahrt wurde
die Zahl der jährlichen Reisen vermehrt: Während der Schiffer früher nur
2 bis 3 große Reisen machte, wurden jetzt deren 6 bis 8 ausgeführt.
Die Frachtsätze fielen merklich: Während für i t wertvoller Waren
von Hamburg nach Dresden im Jahre 1850 etwa 20 Mark gezahlt wurden,
war die Fracht 187 1 im Durchschnitt auf 14,75 Mark gesunken und nach
Legung der Kette bis Hamburg fiel sie 1875 auf 11,40 Mark. Außerdem
konnte sich unter diesen Umständen ein großer Verkehr von wohlfeilen
Massengütern entwickeln.
Über den Güterverkehr auf dem Strome liegen vom Eibzollamt in
Wittenberge nähere Nachrichten vor. Es gingen dort durch, an Schiffen
und Gütern in Tausend Tonnen:
i] Bellingrath und Di eckhoff, Die Fortbewegung der Schiffe im Gebiet der Elbe
und Oder. Bericht zum 5. internationalen Binnenschiffahrt-Kongreß in Paris 1892. — Schanz,
Die Kettenschleppschiffahrt auf dem Main. Bamberg 1893.
124
Abschnitt IL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Bergverkelir
Talverkehr
Zasammen
Jahr
Güter
Schiffe
Güter
Tausend t
Schiffe
Güter
Tausend t
Tausend t
1818
^— .
«^.
^_
125,0
1821
1604
—
1764
—
—
1838
2533
62,0
2857
146,1
208,1
1841
—
148,9
—
232,8
381,7
1844
3232
165,4
3541
202,7
368,1
1847
—
256,8
151*5
408,3
1854
2788
264,0
2935
228,0
492,0
1858
4526
412,4
4497
150,9
563,3
1861
3667
338,2
3650
293,0
631,2
1864
4200
346,3
—
338,8
—
1867
4094
350,3
4086
338,8
689,1
1869
5036
418,1
4976
—
806,9
Ob diese Zahlen zuverlässig sind, sei dahingestellt. Nach anderer Quelle sind z. B. im
Jahre 1864 dort bergwärts 270,9 und talwärts 237,6, zusammen 508,5 Tausend t Güter abgefertigt
worden. Dabei war der Schifiverkehr: bergwärts 3406 beladene, 56 leere Lastschiffe und 10 be-
ladene, 212 leere Dampfer; talwärts 2960 beladene, 553 leere Lastschiffe und 7 beladene, 211 leere
Dampfer. (Auf jedes beladene Lastschiff würden etwa 80 t entfallen.) Bei den Zahlen in der
Tafel ist anscheinend das Holz mitberücksichtigt worden.
Über die österreichische Grenze gingen im ganzen (berg- und tal-
wärts) im Jahre 1845: 143,8, i. J. 1850; 176,7, i. J. 1855: 301,0, i. J. 1860:
437>2, i. J. 1865: 401,1 und 1. J. 1870: 566,6 Tausend t. Dabei ist das Floß-
holz mitberechnet Die Zahl der über die Grenze verkehrenden Schiffe war
1855: 6383, i. J. 1860: 8187, i. J. 1865: 5218 und i. J. 1870: 5001. Die Zahl
der Schiffe nahm dort mit wachsendem Güterverkehr ab, weil sie größer
wurden. (Die Zahl der Flöße nahm unerheblich zu: etwa von 1100 auf 1300.)
An der Hamburger Grenze ist folgender Verkehr angeschrieben
worden :
Es betrug: die Zufuhr die Abfuhr zusammen
(talwärts) (bergwärts)
ImDurchschnitt der Jahre 1851 — 1860 270,6 212,9 A^3i5 Tausend t
» » » 1861 — 1870 337,9 322,1 660,0 Tausend t
Mit dem Ausbau des Fahrwassers ging man nach dem Abschluß der
Schiffahrtsakte von 1821 anfangs langsam vor. In Sachsen üng man 1822
mit größeren Bauten (Parallelwerken) bei Niedermuschütz unterhalb Meißen
an und in Preußen wurden seit 1824 zusammenhängende Gruppen von Buhnen
in der Strecke oberhalb der Havelmündung und seit 1835 auch unterhalb
ausgeführt Außerdem wurde ein Teil der alten Stromarme (auch unterhalb
der Havel) abgeschlossen. In der hannoverschen Strecke blieb nach wie vor
der Uferschutz durch Buhnen und Deckwerke den Anliegern überlassen.
5. Von der Erfindnng des Dampfschiffs bis 1870. 125
Bei der ersten gemeinschaftlichen Befahrung des Stromes durch die
Wasserbaubeamten der Uferstaaten im Jahre 1842 wurden allgemeine Grund-
sätze für den Ausbau der Elbe aufgestellt, die bei späteren Zusammenkünften
angemessen ergänzt und erweitert wurden.
Über die anzustrebende geringste Fahrwassertiefe einigste man sich,
als bei der Befahrung im Jahre 1842 ein außergewöhnlich niedriger Wasser-
stand eingetreten war, dahin, daß bei einem um 0,16 m höheren Wasserstande
künftig überall eine Wassertiefe von 0,94 m vorhanden sein sollte. Im Jahre
1869 gab man diesen Grundsatz auf und verlangte bei dem jeweilig ein-
tretenden niedrigsten Wasserstande überall eine geringste Fahrwassertiefe von
0,94 m. Ferner wurden für den Ausbau und die Einschränkung des Stromes
auch Normalbreiten bei gewöhnlichem Wasserstande festgesetzt: In der
sächsischen Strecke 113 m, von der sächsischen Grenze bis zur Schwarzen
Elster 131 m, bis zur anhaltischen Grenze 151 m, bis zur Havel 188 m, bis
Wittenberge 245 m, bis zum Aland 264 m, bis zur Eide 282 m und bis zur
Jeetzel 335 m. Später sind diese Maße zum Teil verringert worden.
Die Bauten wurden seit 1842 von allen Uferstaaten aufgenommen, am
kräftigsten in Sachsen und Preußen. In Sachsen waren bis zum Jahre 1860
bereits mehr als 13 km Einschränkungsdämme (Parallelwerke) ausgeführt
worden. 1846 wurde der erste Dampfbagger') beschafft, dem bis zum
Jahre 1861 noch 3 andere folgten. Von diesem Jahre an wurde an der
Durchführung des vollständigen Regulierungsplans gearbeitet, der vom
Wasserbaudirektor Lohse aufgestellt war, und es wurden bis 1872 etwa 58 km
Parallelwerke gebaut. Dadurch erreichte man an vielen Stellen des Stromes
eine merkliche (wenn auch zum Teil nur vorübergehende) Vertiefung der
Fahrrinne.
In Preußen wurde der Bau von kräftigen, widerstandfähigen Buhnen
am ganzen Strome fortgesetzt. Ferner wurden große Durchstiche bei Elsnig
(1850), bei Mühlberg (1854) und bei Gallin (1868) ausgeführt. (Hierzu kam
später, 1873, noch der Döbeltitzer Durchstich; durch diese 4 Anlagen wurde
der Stromlauf um 41,7 km verkürzt.)
Um für Preußen eine einheitliche Behandlung des Stromes zu erreichen,
wurde im Jahre 1866 in Magdeburg die Elbstrom-Bauverwaltung errichtet.
Diese Einrichtung hat sich vortrefflich bewährt, namentlich nachdem die han-
noversche und lauenburgische (früher dänische) Uferstrecke zu Preußen ge-
kommen waren. Der erste Strombaudirektor war Kozlowski, der sich um die
Verbesserung des Eibstroms sehr verdient gemacht hat. (Die dankbare SchifT-
fahrt hat ihm im Jahre 1900 in Magdeburg am Ufer des Stromes ein Denkmal
errichtet.) Der von ihm aufgestellte Regulierungsentwurf ist fiir lange Zeit
maßgebend geblieben und hat sich im allgemeinen bewährt.
i) Der erste Dampf bagger überhaupt wurde 1802 in Hull gebaut. In Deutschland soll
Schichau in Elblng 1841 den ersten Dampf bagger hergestellt haben.
126 Abschnitt H. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
In diesen beiden Staaten wurde viel zur Beseitigung der vielen Steine
und Baumstämme im IFahrwasser getan und außerdem eine g^oße Zahl
von Schiffmühlen, die den Verkehr sehr behinderten, meistens durch An-
kauf entfernt.
Seit 1843 hatte man auch in der hannoverschen Strecke mit dem Bau
von Buhnen und Sperrdämmen auf Staatskosten begonnen; aber erst unter
preußischer Herrschaft wurden die Arbeiten kräftig gefördert.
In Böhmen wurden bereits 1776 und 1777 einige Verbcssenmgen an
der Elbe vorgenommen, aber keine dauernden Erfolge erreicht Nach Ab-
schluß der Additionalakte begann man ernstlich mit den Arbeiten, indem
1850 der Bau eines Leinpfads (Treppelw^, Hufschlag) angefangen wurde.
Die noch vorhandenen Wehre bei Berkowitz, Raudnitz und Leitmeritz wurden
in der Zeit von 1855 ^^^ i^^^ ^^ ^^^^ beseitigt, daß sie ftir die Schiffahrt
kein erhebliches Hindernis mehr waren. Auch wurde der Anfang mit Hafen-
bauten gemacht: 1856 bei Rosawitz und Lobositz, 1864 bei Außig.
An der Saale wurde in den Jahren 18x6 bis 1822 die bis dahin noch nicht schiffbar^
Strecke zwischen Halle und Weißenfels durch den Bau der Schleusen bei Halle, BöUbei^,
Plauena, Menschau, Merseburg, Düirenberg und Weißenfels fahrbar gemacht, so daß man voü
der Elbe bis nach Artem an der Unstrut gelangen konnte (S. 49). Am wichtigsten war die
Strecke unterhalb Halle bis zur Elbe bei Barby (105 km). Die dort vorhandenen 7 Schleusen
waren neben älteren Mühlen erbaut, deren Stau keineswegs genügte, um überall eine ausreichende
Wassertiefe zu sichern. Zwischen den Schleusen lagen Gef&llstrecken, die bei niedrigen Wasser-
ständen viele seichte und außerdem stark gekrümmte und gefährliche Stellen hatten. Um die
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden sie mittels Durchstichen, Buhnen und Baggerungen etwas ver-
bessert, und es entwickelte sich in den fünfziger Jahren ein ziemlich reger Verkehr.
Die Fahrwassertiefe war bei mittlerem Sommerwasserstande etwa 0,78 m. Die durchschnitt-
liche Tragfähigkeit der Schiffe betrug etwa 125 t; doch verkehrten auch Schiffe von 250 t In
den sechziger Jahren ging der Verkehr stark zurück, weil der Wettbewerb der Eisenbahn nicht
überwunden werden konnte. (Die Schleuse Kalbe wnrde im Jahre 1864 von 2408 beladenen
und 687 leeren Schiffen durchfahren.)
Auf den Märkischen Wasserstraßen zwischen Elbe und Oder, mit
dem Mittelpunkt Berlin, hat sich die Binnenschiffahrt seit dem Anfang des
19. Jahrhunderts gut fortentwickelt. Nach den Freiheitskriegen hob sich der
Handel schnell, besonders infolge der weisen Zollgesetzgebung. Nach-
dem der König schon im Jahre 1805 die Aufhebung der Binnenzölle und
die Ermäßigung der Abgaben auf den märkischen Kanälen angeordnet
hatte, brachte das Zollgesetz von 1818 große allgemeine Verbesserungen,
indem an Stelle der Binnenzölle eine klare und bestimmte Grenzzolleinrich-
tung trat*).
Alle kommunalen und Privatzölle an Havel, Spree, Oder, Warthe und Netze sowie 28 staat-
liche Wasserzölle bei Zehdenick, Liebenwalde, Oranienburg, Spandau, Potsdam, Brandenburgf,
Plane, Rathenow, Havelberg — ^Beeskow, Fürstenwalde, Köpenick, Berlin — Krossen, Aurith, Frank«*
fürt, Küstrin, Hohensaathen, Schwedt, Graz, Stettin — Driesen, Landsberg sowie Uckermünde,
Parey und Neuruppin wurden aufgehoben.
i) Schumacher, H., Zur Frage der Binnenschiffahrtabgaben. Berlin 1901.
5« Von der Erfindung des DampfschifTs bis 1870. 127
Die Schleusen- und Kanalabgaben wurden nicht aufgehoben, sondern in
ein «SchifTgefäOgeld« verwandelt, das von dem Schiffe und nicht von der
Ladvmg erhoben wurde. Der Ertrag aus diesen Abgaben sollte nach der
Vorschrift von 1810 zur Unterhaltung der Bauwerke verwendet werden.
Die Schiffahrt auf der unteren HavelwasserstraOe im Berlin — Ham-
burger Verkehr ist für Berlin von der größten Bedeutung. Mit der oben
(S. 51) erwähnten Aufhebung der Schiffergilde war die Kaufmannschaft an-
fangs nicht zufrieden und glaubte auf einen Schifferverband nicht verzichten
zu können. Sie gründete im Jahre 1822 mit etwa 80 SchifTem einen Verein
»Die Berliner Elbschiffahrt- und Assekuranz-Gesellschaft c, der gleichzeitig die
Versicherung der Güter übernahm und unter der Leitung eines Ausschusses
der Kaufmannschaft in Berlin und eines Bevollmächtigten in Hamburg stand.
Jeder Schiffer wurde vor der Aufnahme auf seine Fähigkeit, Zuverlässigkeit
und sein Vermögen geprüft und mußte eine Bürgschaft von 2850 Mark hinter-
legen. Diese Einrichtung bewährte sich und Ende der dreißiger Jahre wurden
jährlich damit 34000 bis 36000 t Güter zu Wasser nach Hamburg und etwa
ebensoviele zurück befördert. Der Verkehr wäre noch größer gewesen, wenn
nicht der drückende Elbzoll und der durch dessen Erhebung in Wittenberge
verursachte lange Aufenthalt hemmend gewirkt hätten. So kam es, daß nach
dem Jahre 1838, als die neue Kunststraße von Berlin nach Hamburg fertig
war, viele Waren auf diesen Weg übergingen. Es wurden dreimal in der
Woche EUfuhren eingerichtet '). Durch die Einfuhrung der Schleppschiffahrt
auf der Elbe stieg der Wasserverkehr aber dauernd weiter bis zur Eröffnung
der Berlin — Hamburger Eisenbahn im Dezember 1846. Die Wirkung war
eine gewaltige: Während der Schiffahrtverkehr mit Stückgütern in der Zeit
vom I.Januar bis 30. September 1846 noch 53000 t betragen hatte, fiel er
in demselben Zeitraum des Jahres 1847 ^uf 20300 t, ging also um mehr als
die Hälfte zurück. Die Schiffergesellschafl (die > Assekuranzschiffer c) suchte
anfänglich den Wettbewerb durch Herabsetzung der Frachten aufzunehmen.
Im Jahre 1846 betrug die Wasserfracht für eine Tonne wertvoller Güter
(Wolle, Baumwolle, Leinwand, Kaffee, Reis, Zucker, Farbhölzer u. dgl.) von
Hamburg nach Berlin 28,5 bis 39 Mark im Segelschiffe und 30,5 bis 39 Mark
im geschleppten Schiffe, einschließlich der Zölle, Schleusen- und Krangebühren.
Da die Eisenbahnfracht fiir diese Strecke nur 28 Mark betrug, mußten die
Schiffe ihre Forderung um 4 bis 7 Mark herabsetzen, sodaß sie kaum be-
stehen konnten. Trotzdem ließ sich nicht verhindern, daß die wertvollen
Güter auf das neue Verkehrsmittel übergingen. Am Anfang der fünfziger
Jahre konnte sich der Schifferverband nicht mehr halten. Dann entstand in
Hamburg die oben (S. 119) erwähnte Norddeutsche Flußdampfschiffahrtgesell-
schaft, die den Verkehr zwischen Berlin und Hamburg besorgte. Zu er-
i) Beiträge zur Geschichte des Berliner Handels und Gewerbefleißes aus der ältesten Zeit
bis auf unsere Tage. Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens der Berliner Kaufinann-
schaft am 2. März 1870.
128
Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bb 1870.
wähnen bleibt, daß vor Erbauung der Hamburger Eisenbahn im Jahre 1842
die Preußische Seehandlung eine Dampfschiifahrtverbindung zwischen beiden
Städten einrichtete, die vorwiegend dem Personenverkehr diente imd viel
benutzt wurde. Die Fahrt dauerte zu Berg 3 Tage, zu Tal 2 Tage. Im
Jahre 1846 sollen 6000 Personen talwärts und 3500 bergwärts befördert
worden sein. Mit Eröffnimg der Eisenbahn hörte der Betrieb auf.
Das Fahrwasser der unteren Havel befand sich damals noch im
natürlichen, sehr verwilderten Zustande: Der Strom ging in vielen Armen,
war stark gekrümmt und an einzelnen Stellen so versandet, daß bei niedrigen
Wasserständen nur eine Tiefe von 0,78 m vorhanden war. Für die Vor-
flut wurden einige Anlagen gemacht, die zugleich der Schiffahrt förder-
lich waren, wie die Beseitigung von 106 Fischwehren (1837 bis 1842) und
die Verlegung der Havelmündung (1832 bis 1836). Auch wurde die Stadt-
schleuse in Rathenow in Stein neu gebaut und 71,5 m lang, 8,6 m breit ge-
macht. Hin und wieder wurden Baggerungen ausgeführt und einige Buhnen
angelegt.
In den Jahren 1866 bis 1872 wnrden auf dem linken Havelufer oberhalb Brandenburg
die Emster-Gewässer auf 15 km Länge bis Lehnin (ohne Schleusen) von einer AktiengeseU-
Schaft (Ziegeleibesitzer) schiffbar gemacht, die das Recht auf Abgabenerhebung erhielt
Über den Verkehr geben die Anschreibungen des Zollamts Witten-
berge Auskunft, wo die von und nach der Havel bestimmten Schiffe und
Güter besonders vermerkt wurden.
Havelverkehr bei Havelberg.
Bergverkehr
Talverkehr
Zusammen
Jahr
Schiffe
Güter
Tausend t
Schiffe
Güter
Tausend t
Güter
Tausend t
i
1
1824
30,0
~^.
46,2
76,2
1838
1124
55»o
1248
50,9
105,9
1844 1
1417
60,2
1595
98,9
159,1
1846 i
1504
67,9
1867
56,2
124,1
1854
1054
86,3
1x98
154,8
241,1
1858
13x8
100,4
1409
92,4
192,8
1861 ,
1371
i35»9
1152
123,5
259,4
1864 i
1953
164,0
—
—
—
1867 1
1674
139,5
—
145,4
284,9
1869 ;
1
2040
161,5
2018
»49,7
3",2
Über den Schiffsverkehr an den Schleusen gibt die nachstehende Tafel
Aufschluß. Dabei ist zu bemerken, daß die Zahlen von 1847 l^is 1860 zu
klein sind, weil die Schiffe, welche die Abgaben vorher (für mehrere Schleusen
zusammen) entrichtet hatten, nicht mitgezählt sind.
5« Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870.
129
Zahl der geschleusten Schiffe.
Jahr =
Schleuse Rathenow
Schleuse Brandenburg
1800
1
1905 1
4217
1805
1266
5 344
1815
1364
44"
1837
3908
7 934
1844
4705
II 163
1850
3265
8061
X855
3908
9 599
x86o
4361
1
13087
bergwärts
talwärts
bergwärts
talwärts
1865
2824
2873
8375
7954
1869
3063
3043
7493
7294
1870
2397
2377
6532
6247
1871
2597
2577
6803
6323
Man erkennt aus den Zahlen ftir Rathenow den Rückgang des Verkehrs mit Hamburg
1805 und 1815 infolge der Kriege, den Aufschwung der Schiffahrt bis 1844, den Rückgang in-
folge der Eisenbahn, den erfolgreichen Wettbewerb seit Ende der fUnfziger Jahre und schließ-
lich 1870/71 wieder einen Rückgang infolge des Krieges. Die Zunahme des Verkehrs seit etwa
1860 ist noch größer, als die Zahl der Schiffe es angibt, weil deren Größe damals erheblich
wuchs. Von den talwärts gehenden Schiffen waren in Rathenow etwa 0,35 und in Brandenburg
etwa 0,5 unbeladen, weil der Güterverkehr sich vorwiegend bergwärts bewegte.
Bei dem Bergverkehr von Hamburg nach Havelberg ist die Beförderung englischer Stein-
kohlen bemerkenswert, die von 6x6 t im Jahre 18x8 sich stetig bis auf 155426 t im Jahre 1869
vermehrt hat'].
Die große Zahl der durch Brandenburg gegangenen Schiffe ist durch den lebhaften Ver-
kehr des unterhalb einmündenden Flauer Kanals (Magdeburger Verkehr) hervorgerufen und
außerdem durch den Verkehr mit Ziegelsteinen aus den Ziegeleien zwischen Rathenow und
Brandenburg.
Die obere HavelwasserstraOe wurde in diesem Zeitraum im An-
schluß an die mecklenburgischen Wasserstraßen erheblich verbessert.
Dort hatte sich im Jahre 1831 eine Aktiengesellschaft gebildet, die den großen
Müritzsee mit dem nördlichsten Endpunkt der preußischen oberen Havel-
wasserstraße bei Fürstenberg i. M. in Verbindung brachte.
Die 51 km lange Wasserstraße verläßt den Müritzsee am östlichen Ufer bei der Bolter-
mühle und fällt in drei Haltungen (Bolterschleuse, Diemitzschleuse, Kanowschleuse und Strasen-
schleuse), die durch Seen- und kurze Verbindungskanäle gebildet werden, bei Priepert in die
obere Havel (»Siggelhavel«), deren Mühlenstaue bei Steinhavel und Fürstenberg durch zwei
weitere Kammerschleusen überwunden werden, die alle ungefähr in den Abmessungen der Finow-
kanal-Schleusen erbaut wurden. Die Arbeiten wurden im Jahre X836 fertig gestellt. In den
Jahren X840 bis X843 wurde im Anschluß an diese Wasserstraße der bei Priepert nördlich ein-
i) Li man, Die Entwicklung des Verkehrs auf den schiffbaren Gewässern des Regierungs-
bezirks Potsdam einschl. Berlin. 1873.
Teubert, Binnenschiffahrt. g
130 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
mündende 24 km lange Kammerkanal hergestellt, der zum Teil gleichfalls in den oberen Havel-
seen liegt und mit 2 Schleusen nach Neu-Strelitz ansteigt. (In den Jahren 1889 bis 1894
wurden diese Wasserstraßen verbessert.) Vom westlichen Ufer des Müritzsees stellte die Ge-
sellschaft im gleichen Zeitraum eine schiffbare Verbindung mit dem Flauer See her. Von
da baute sie den Fahrenhorstkanal (2 Schleusen], machte die Eide schiffbar bb Eidenschleuse
(5 Schleusen), stellte den Friedrich-Franz-Kanal (2 Schleusen) her, machte wieder die Eide
schiffbar bis Grabow (4 Schleusen] und erreichte durch den Kanal von Alt-Fresenbrügge nach
Güritz (2 Schleusen) schließlich Eldena, von wo schon im 16. Jahrhundert der Fluß bb zur
Elbe bei Dömitz notdürftig schiffbar gemacht war (S. 34). In dieser unteren Strecke baute
die Aktiengesellschaft die nötigen Kammerschleusen unter Einfügung einer neuen Haltung
(Malliß) und verbesserte das Fahrwasser. Alle diese Arbeiten waren in der Hauptsache bb
1869, die letzten Verbesserungen bis 1873 fertig. Die ganze Eidewasserstraße von der
Elbe bis zum Flauer See bt 134 km lang und hat 19 Kammerschleusen. (Die Strecke von
Dömitz bis Farchim bt später, im Jahre 1884, verbessert und für den Verkehr von Finow-
schiffen hergerichtet worden.) Der von Eldenschleuse nördlich zum Schweriner See führende
20 km lange Störkanal (2 Schleusen) ist etwa im Jahre 1830 angelegt worden.
Diese beschriebenen Wasserstaßen, die 1858 von den mecklenburgbchen Regierungen über-
nommen wurden, haben niemals einen bedeutenden Verkehr gehabt. Vor der Entwicklung der
Eisenbahnen befanden sie sich in einem ziemlich dürftigen Zustande und auch nach den Ver-
besserungen am Ende des 19. Jahrhunderts waren ihre Abmessungen nicht genügend, um im
Durchgangverkehr mit den Ebenbahnen in einen erfolgreichen Wettbewerb zu treten. Für den
Ortsverkehr werden sie aber immer einen Wert behalten.
Im Anschluß an die mecklenburgische obere HavelwasserstraOe wurde
die preußische Strecke der oberen Havel von Fürstenberg i. M. abwärts in
den Jahren 1866 bis 1868 durch Aufstau verbessert, indem die Regowschleuse,
die Zaarenschleuse und eine Zahl von Durchstichen angelegt wurden, die zu-
sammen mit den vorhandenen Schleusen Bredereiche und Zehdenick (seit
181 9) ein ziemlich ausreichendes Fahrwasser bis Liebenwalde schafften. Von
hier, wo auf dem linken Ufer der Finowkanal (S. 42) einmündet, wurden bis
Spandau zur Erleichterung des sehr lebhaften Verkehrs nach Stettin eine
Reihe größerer Bauten ausgeführt, indem der Staat zur Umgehung der stark
gekrümmten seichten Havel zwei Seitenkanäle anlegte: Der Malzer Kanal
wurde 1828 von Liebenwalde zunächst bis Malz geführt und 1836 bis Frie-
drichstal verlängert. Er ist 13,5 km lang und hat eine Schleuse bis Malz.
In den Jahren 1832 bis 1837 wurde der 10,1 km lange Oranienburger
Kanal gebaut, der mit der Schleuse Sachsenhausen (Oranienburg) aus der
Havel abzweigt und unterhalb der Schleuse Pinnow sie wieder erreicht.
Anschreibungen über den Güterverkehr auf der oberen Havelwasserstraße und dem Finow-
kanal liegen nicht vor; aber über den Schiffsverkehr an den Schleusen sind Aufzeichnungen
vorhanden, die aber (wie schon bemerkt) zum Teil zu niedrige Zahlen enthalten.
Man erkennt bei Zehdenick, wie in den vierziger Jahren infolge der Eisenbahnen (und
auch der Kunststraßen) der Verkehr abt;inunt und wegen des mangelhaften Zustandes der Wasser-
straße auch in späterer Zeit nur sehr langsam zunimmt. Dagegen lehren die Zahlen von Ebers -
walde, daß der Finowkanal wegen des guten Fahrwassers in dem Wettbewerb mit den Eisen-
bahnen nicht unterlegen ist; denn sein Verkehr ist stetig gewachsen.
Die starke Abnahme in dem Schiffsverkehr bei Spandau vom Jahre 1846 zum Jahre 1854
ist nicht nur auf die Eisenbahnen, sondern vorzüglich auf den Bau des Spandauer Kanals zu-
rückzuführen, der die Wasserstraße der oberen Havel und die Havel-Oder-Wasserstraße unmittel-
bar mit Berlin verbindet (Schleuse Plötzensee). Der Verkehr auf dieser neuen Linie läßt sich
aus der nachstehenden Tafel übersehen.
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870.
131
Zahl der geschleusten Schiffe.
Jahr
Zehdenick
Eberswalde
Spandau
1800
1804
1805
18x5
1820
1837
184X
1846
1854
1860
1865
1869
1870
1872
"39
1726
2877
3562
4435
3379
1463
1502
«3x4
1776
1746
5217
5938
9297
12 044
15 891
"6599
17 051
17639
16475
19008
XO686
II 844
"4 547
20526
24751
29606
19294
II 469
12033
II 192
9915
Zahl der gc
:schleu
sten S
►chiffe
•
1
1
Schleuse Plötzensee
Schleuse Pinnow
Jahr
bergwÄrts
talwärts I)
zu-
bergwärts
talwärts
1
zu-
beladen leer
1 beladen
1
leer
sammen
beladen
leer
beladen
leer
sammen
1
1860 j
138
4391
"493
26
7
16048
__
.^
__
_^
__
1866
864
3263
II 032
43
15 202
2881
1Ö394
14 143
103
27521
1869
1292
4346
10956
51
16645
271 1
II 414
14864
53
29042
1870
884
3798
10485
35
15 202
2048
10805
13474
43
26370
1871
1025
43 »9
II 920
28
17292
2108
10 016
12 190
33
24347
Auf der Spree-Oder-Wasserstraße von Berlin durch den Friedrich-
Wilhelm-Kanal (S. 39) hat sich in diesem Zeitraum die Schiffahrt nicht so
gut entwickelt wie auf der Havel-Oder-Wasserstraße und dem Finowkanal.
Der Wettbewerb mit den Eisenbahnen war nicht erfolgreich, weil namentlich
das Fahrwasser in der Spree und in der Oder zu schlecht war und die Trag-
fähigkeit der Schiffe nicht ausgenutzt werden konnte. Die im Jahre 1835
von Berliner Kaufleuten für den Verkehr mit Breslau gegründete »OderschifT-
fahrt- und Assekuranzgesellschafl« mit 80 Schiffen ist nach der Eröffnung der
Eisenbahn (1846) wieder eingegangen.
Die an der Spree an vielen Stellen bis hinauf nach Goyatz (am süd-
lichen Ende des Schwielochsees) und bis Leibsch ausgeführten Arbeiten zur
Verbesserung des Fahrwassers blieben ohne Erfolg.
Über den Schiffsverkehr an den Schleusen Fürstenwalde und Brieskow liegen einige
Anschreibnngen vor: In Brieskow sind im Durchschnitt von 1791 bis 1822 jährlich 6232
Schi£fe geschleust worden. Deren Zahl betrug für 1837: 8337, für 1841: 7639, für 1844: 7381
i) d h. nach Berlin.
132
Abschnitt IL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
und für 1846: 6980. Also schon vor Eröffiiung der Eisenbahn ging der Verkehr zurück. Die
Schiffahrt von Schlesien (besonders auch mit Kohlen) zog den besseren Weg durch den Finow-
kanal vor. Für Fürstenwalde sind nachstehend einige Angaben seit 1855 zusammengestellt.
Auch da zeigt sich seit 1865 ein Rückgang des Verkehrs.
Zahl der geschleusten Schiffe.
Jahr
bergwärts
beladen leer ,
talwärts
beladen leer
1855
2638
1084
1
2818
375
1860
241 1
1699
2957
851
1865
2392
1656
3104
885
1868
2012
1057
2471
621
1869
1899
1029
2638
648
1870
H79
IIOO
2310
613
1871
1439
1206
2184
401
zusammen
6897
7918
8037
6161
6214
5502
5230
In Goyatz sind im Jahre 1864 noch 260 beladene Schiffe eingetroffen. Von dort wurden
die Güter durch eine Pferdeeisenbahn nach Kottbus geschafft.
Die Storkower Gewässer im Gebiet der Spree wurden in der Zeit von 1825 bis 1828
und von 1862 bis 1865 ausgebaut und mit 3 Kammerschleusen versehen. Die 33 km lange
Wasserstraße reicht von der Dahme bis zum großen Scharmützelsee. Ein anderer Nebenfluß
der Dahme, die Notte (vgl. S. 35), war im Jahre 1818 mit 3 neuen Schleusen versehen worden
und wurde später (1856 bis 1864) von einer Meliorationsgenossenschaft gerade gelegt, wobei die
Schleusen wieder erneuert werden mußten. Sie erhielten 43^1 m Länge und 5,3 m Breite. Auch
einige neue Entwässerungsgräben wurden dabei schiffl>ar gemacht. Im Rhingebiet wurde von
einem Torfgräbereibesitzer der Fehrbelliner Kanal mit der Schleuse Hakenberg angeleg^t (1866).
Die Berliner Wasserstraßen hatten in dieser Zeit einen stetig wachsen-
den Verkehr, der auch nach der Eröffnung der Eisenbahnen nach Frankfurt
(1842) und nach Stettin (1843} sich nicht merklich verminderte. Da dieser
auf dem Wege durch die Stadt von der einzigen dort befindlichen Schleuse
(vgl. Abb. 5, S. 39) nicht bewältigt werden konnte, wurde in der Zeit von
1845 ^^ 1B50 der 10,6 km lange Land wehr k anal an Stelle eines bestehen-
den Vorflutgrabens gebaut und mit 2 Schleusen (jetzt 50,2 m lang und 7,5 m
breit) versehen. 1852 wurde der 2,2 km lange Luisenstädtische Kanal als
Seitenkanal dazu mit gleichfalls 2 Schleusen (nur 5,65 m breit) angelegt
Der lebhafte Verkehr von Berlin zum Finowkanal gab femer Veran-
lassung, in den Jahren 1848 bis 1850 den Spandauer Kanal herzustellen,
der von der Spree mit Umgehung der Stadt Spandau durch den Tegeler
See zur oberen Havel führt. Er war 12,1 km lang und hatte bei Plötzensee
eine Schleuse von 47,5 m Länge und 6 m Breite. (Später wurde dort noch
eine zweite Kammer von 43,5 m Länge und 7,5 m Breite gebaut und [1872]
der Kanal durch den sogenannten »VerbindungskanaU von 3 km Länge auf
näherem Wege mit dem unteren Ende des Landwehrkanals verbunden, um
die Spree zu entlasten.) Im Jahre 1861 wurde die Berliner Stadtschleuse
neu in Stein erbaut (50,2 m lang, 7,5 m breit).
5- Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870.
133
Über den Wasserverkehr von Berlin sind seit dem Jahre 1840 genaue
Nachrichten vorhanden. Im Jahre 1839 ordnete der Generaldirektor der Kgl.
Steuern eine Anschreibung des Verkehrs ^ den beiden Wassertoren der Stadt,
am Oberbaum und am Unterbaum im. Zu dem ersteren trat seit 1850
noch der Verkehr an der oberen, zu dem letzteren der an der unteren Schleuse
des Land wehrkanals. Seit 1859 ist zu dem letzteren Verkehr noch der durch
die Schleuse Plötzensee des Spandauer Kanals hinzugefügt worden. (In den
Tafeln nicht unterschieden.)
Schiffsverkehr am Oberbaum.
Jiüir
angekommen
abgegangen
durchgefahren
Gesamter Schiffsverkehr
(Durchschnitt)
[beladen
leer
beladen
leer
beladen
leer
beladen
leer
zusammen
1840 — 1849
7758
263
1
I 212
6830
2 140
1
195
II HO
7287
18397
1850— 1859
7367
352
X028
7860
2320
271
; 10 715
8483
19 198
1860—1869
8978
371
720
9963
2788
258
12486
10 592
23078
1870
6 888
316
710
8014
2420
227
10018
8557
X8575
1871
7845
3"9
667
8944
! 2568
290
II 080
9 553
20633
1872
II 164
410
819
13088
i 3400
263
15389
13 761
29 150
Schiffsverk
ehr am Unterbaum.
1
Jahr ;
1
angekommen
abgegangen
durchgefahren
Gesamter Schiffsverkehr
^Durchschnitt)
beladen
leer
1
t beladen leer
beladen ! leer
beladen
leer
zusammen
1840 — 1849
13949
1
398
1
I III
12904
934
765
15994
14068
30062
1850— 1859
15387
502
1315
12 541
1289
826
17 991
13868
31 861
1860— 1869
19733
524
1810
15007
»539
1008
23082
»6539;
39621
1870
17 541
347
1934
13 741
867
873
20342
14 961
35303
1871
18 591
334
1895
14 021
1028
928
1 21 514
15283
36797
1872
22819
5«5
2569
17426
I 219
I 426
26607
19367
45 974
Die durchschnittliche Ladung der beladenen Schiffe betrug:
im Mittel der Jahre 1840 bis 1849 = 47 t
> > » > 1850 » 1859 = 36,5 t
» » » > 1860 » 1869 = 70 t
» » > > 1870 » 1872 = 84 t
Der gesamte Güterverkehr zu Wasser (Einfuhr, Ausfuhr und Durch-
fuhr) betrug in Berlin:
im Jahre 1840 = i 178 990 t
1840 bis 1849 *^ Mittel = i 274 940 t
1850 > 1859 > » = I 620 565 t
1860 » 1869 » » = 2 493 495 t
im Jahre 1870 = 2 325 825 t
> > 1871 = 2 855 980 t
» » 1872 = 3 567 000 t
134 Abschnitt H. Geschichtiicher Rückblick bis 1870.
Der Güterverkehr von Berlin war mithin im Jahre 1870 größer als der von Ruhrort und
Duisburg zusammen.
Von besonderer Wichtigkeit ist der Verkehr von Kohlen. Im Durchschnitt der Jahre von
1866 bis 1872 sind jährlich zu Wasser im ganzen 141 556 t Steinkohlen und 39 811 t Brannkohlen
nach Berlin gebracht worden. Von den Steinkohlen kamen aus Schlesien auf der Oberspree
6570 t und aus Sachsen auf der Unterspree 625 t, während von englischen Kohlen 93553 t über
Stettin durch den Finowkanal und 40808 t über Hamburg auf der unteren Havel eingeführt
wurden. Von deutschen Braunkohlen sind (meistens auf der Oberspree) im Durchschnitt 30932 t
und von böhmischen Braunkohlen (auf der Unterspree) 8879 t nach Berlin gebracht worden.
Die Zahl der im Regierungsbezirk Potsdam einschl. Berlin heimatsberech-
tigten Schiffe und ihre Tragfähigkeit ergab sich:
Zahl der Schüfe Gesamte Tragfähigkeit
im Jahre 1816 1283 50300 t
> > 1846 2881 151552t
> » 1858 2964 172760 t
Für die Abmessungen der Schleusen und damit auch für die zu-
lässige Größe der Schiffe im Gebiet der Märkischen Wasserstraßen wurde
eine Entscheidung des zuständigen Ministers vom Jahre 1820 bedeutimgsvolL
Es wurde bestimmt, daß hinfort die Schleusen zwischen Elbe und Oder nur
fiir Schiffe von 38,9 m (124 Fuß) Länge und 4,25 m (13 7a FnQ) Breite ein-
gerichtet werden sollten, »indem sich bei sorgfaltiger Ermittelung aller Um-
stände ergeben habe, daß dies die größte Art von Schiffgefäßen sei, welche
mit Nutzen auf der Havel und Spree gebraucht werden könne und es drin-
gend nötig ist, der fortschreitenden Vergrößerung ein Ziel zu setzen <. Die
nutzbare Länge der Schleusenkammern sollte darum höchstens 40,8 m
(130 Fuß) und die lichte Torweite wegen der mit Heu oder Stroh beladenen
Schiffe 5,34 m (17 Fuß) betragen. Für zweischiffige Schleusen sollten die
Kammern gleichfalls mit Rücksicht auf die mit Heu oder Stroh beladenen
Schiffe eine nutzbare Breite von 9,42 m (30 Fuß) erhalten. Die Anordnung
der »versetzten« Häupter, wobei die Schleusentore nicht in der Mittellinie der
Schleuse, sondern seitlich angebracht waren, wurde im Jahre 18 17 eingeführt.
Die vorher in der Mark gebauten Schleusen hatten sehr verschiedene Größen
und waren oft für die gleichzeitige Aufnahme von mehreren Schiffen bestimmt.
Auf dem Friedrich- Wilhelm-Kanäle verkehrten damals z. B. einige Oderschiffe
von etwa 44 m Länge einschl. des Steuers sowie Schuten von 5,6 m bis 6 m
Breite. Das sollte hinfort nicht mehr zugelassen werden.
Es ist bemerkenswert, daß in früheren Zeiten, wie oben erwähnt wurde,
gewöhnlich die Kaufmannschaft die zunehmende Größe der Schiffe bekämpfte
und jetzt zum ersten Male der Staat der weiteren Vergrößerung einen Riegel
vorschob. Die neuen Bestimmungen wurden seitdem bei den Schleusen der
Havel- Oder- Wasserstraße (Finowkanal und Zubehör) und der Spree-Oder-
Wasserstraße (Friedrich -Wilhelm -Kanal, Fürstenwalde) und den Nebenwasser-
straßen fast ausnahmslos genau befolg^. Dagegen hat man bald darauf bei
dem Landwehrkanal, dem Spandauer Kanal, dem Flauer Kanal und in Rathe-
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870. 135
now mit Rücksicht auf die schnell wachsenden Eibschiffe größere Abmessun-
gen der Schleusenkammern ausgeführt. Im Odergebiet und auf den weiter
östlich gelegenen Wasserstraßen sind im allgemeinen die vorerwähnten Be-
stimmungen angewendet worden, besonders beim Bromberger Kanal, der
früher mit etwas größeren Schleusen versehen war.
Die Größe der Schiffe auf den Märkischen Wasserstraßen wuchs aber
schnell, so weit es die Schleusenabmessungen zuließen, und um Verkehr-
störungen zu vermeiden (z. B. durch Festklemmen der Schiffe in den Toren)
mußte die Regierung zu Potsdam im Jahre 1845 vorschreiben, daß die Schiffe
vom I. Januar 1853 nicht größer sein dürften, als 40,2 m (128 Fuß) lang und
4,6 m (14 7a Fuß) breit. Dies ist das sogenannte Finowmaß.
Auf der Oder hat sich in ihrem unteren Laufe die Dampfschiffahrt
ziemlich früh entwickelt, bis Breslau ist der erste Dampfer aber erst im Jahre
1856 vorgedrungen, nachdem in diesem Jahre das letzte Wehr unterhalb
dieser Stadt, bei Beuthen (S. 42), beseitigt war. Vor dieser Zeit hat die
Erfindung des Dampfschiffs fiir den Breslauer Verkehr keinen Aufschwung
herbeigeführt. Aber dank der Freiheit von allen Zöllen und Abgaben sowie
von jedem Zunftzwange hat sich die Schiffahrt doch bis etwa zum Jahre 1850
ziemlich gut entwickelt. Dann ging der Verkehr infolge des Wettbewerbs
der Eisenbahn schnell zurück, z.B. in Breslau von 92500t im Jahre 1851
auf 28250 t im Jahre 1858.
Im Jahre 1864 gingen durch die Breslauer Unterschleuse talwärts 804 mit 22201 t be-
ladene und 141 leere Schiffe ; bergwärts gingen 428 mit 1263 t beladene und 453 leere Schüfe.
Auf der oberen Oder durch^hren im Jahre 1863 die Schleuse Brieg zusammen IZ26 mit
29327 t beladene Schiffe und die Schleuse Ohlau 1287 mit 35914 t beladene Schiffe.
Über die Größe der Schiffe wird aus dem Jahre 18 19 berichtet, daß
solche von 20 bis 25 t Tragfähigkeit für groß galten. Man unterschied
> Oberländer« (oberhalb Breslau) von höchstens 35 m Länge und 3,7 m Breite
und »Niederländer« von höchstens 39 m Länge und 4,4 m Breite. Im Jahre
1839 soll es Schiffe von 75 t Tragfähigkeit gegeben haben, allerdings bei
einem Tiefgange von 1,26 m, der nur selten ausgenutzt wurde. Man konnte
in der Regel nvir mit einer zulässigen Tauchtiefe von 0,6 m rechnen.
Im Jahre 1870 gab es Oderschiffe von 125 t Tragfähigkeit, die eine
größte Länge von 38,5 m, eine Breite von 4,25 m und eine Seitenhöhe von
1,60 m hatten. Die Fortbewegung geschah durch Segeln oder durch Schie-
ben mit Stangen, da brauchbare Leinpfade meistens nicht vorhanden waren.
Geschleppt wurde oberhalb Frankfurt sehr selten.
Das Fahrwasser befand sich in traurigem Zustande. Als Beispiel sei
erwähnt, daß eine Kohlenladung, die im November 1834 von Gleiwitz ab-
ging, erst im Herbst 1836 in Breslau angekommen ist']. Das lag daran, daß
das Schiff während des ganzen Jahres 1835 wegen des niedrigen Wasser-
i) Festschrift zur Jubelfeier der Oberschlesischen Eisenbahn, 1867. (Aus Schwabe,
Die Entwicklung der deutschen Binnenschiffahrt, Berlin 1899.)
136 Abschnitt n. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Standes seine Fahrt nicht fortsetzen konnte (sondern »versommern« mußte).
Die Kohlen wurden am Ufer ausgeladen und da Frühling und Sommer des
Jahres 1836 wieder keine guten Wasserstände brachten, wurden die Kohlen
schließlich im Herbst auf mehreren kleinen Schiffen nach Breslau gebracht.
Ahnliche Ereignisse sind damals wohl oft voi^ekommen, zumal sie in be-
sonders trockenen Jahren noch heute (z. B. 1904 und 191 1) zuweilen eintreten.
Früher wurde in solchen Zeiten die Oder, selbst in ihrem mittleren Laufe, so
seicht, daß man mit Wagen an bestimmten > Furten c sie durchfahren konnte,
was aus dem Jahre 181 9 bestimmt berichtet wird.
Mit dem Ausbau des Stromes wurde nach den Freiheitskriegen von
der Staatsreg^erung fortgefahren, so weit es die geringen verfugbaren Geld-
mittel erlaubten- Die dabei zu beobachtenden Grundsätze wurden 18 19 fest-
gel^t. Von der weiteren Herstellung von Durchstichen sah man ab, weil
diese sich wohl für die Vorflut, aber nicht für die Schiffahrt als vorteilhaft
erwiesen hatten. Dagegen wurde das zu breite Flußbett überall durch strom-
auf gerichtete Buhnen auf die Normalbreiten eingeschränkt. Diese sollten
anfangs (bei Mittelwasser) bei Oderberg 57 m betragen und bis 83 m an der
Neißemündung zunehmen. Von da bis zur Weistritzmündung (unterhalb
Breslau) war eine von 90 bis 98 m wachsende Breite vorgesehen. Doch wurde
das Maß bis Breslau etwa im Jahre 1850 schon auf 83 m vermindert, um
bessere Fahrwassertiefen zu erreichen. Auch weiter unterhalb wurden die
zuerst angenommenen Breiten später teilweise beschränkt und endgültig auf
87 m oberhalb der Katzbach, auf 94 m an der schlesisch -brandenburgischen
Grenze, auf 120 m oberhalb des Bobers, auf 150 m zwischen der Lausitzer
Neiße und der Warthe und auf 188 m unterhalb der Warthe festgesetzt
Oberhalb Glogau wurde in den Jahren 1844 bis 1848 eine 19 km lange
Versuchstrecke mittels Buhnen bei 94 m Normalbreite ausgebaut. Da die
Erfolge zufriedenstellend waren, blieb diese Bauweise vorbildlich für die wei-
teren Arbeiten. Als Ziel der Verbesserungsarbeiten wurde im Jahre 1859
die Herstellung einer Fahrwassertiefe von 0,94 m unterhalb und von
0,63 m oberhalb Breslau aufgestellt, bei Wasserständen von etwa 19 und 10 cm
über dem gemittelten Niedrigwasser, so daß sich für diesen letzteren Wasser-
stand die Ziele zu 0,75 m und 0,53 m ergaben.
Auf Drängen der an dem oberschlesischen Bergbau Beteiligten wurde im
Jahre 1867 dem Landtage eine Denkschrift vorgelegt und für die vollständige
Regulierung des Stromes eine Summe von 11 Millionen verlangt, weil die
bis dahin bewilligten Mittel nicht ausreichend waren. Wenn auch bis dahin
schon eine große Zahl von Buhnen aus Faschinen nicht nur vom Staate, son-
dern auch von den Uferbesitzern angelegt war, so waren die Erfolge doch
nicht von Dauer, weil die Werke ohne widerstandsfähige Steinköpfe in kurzer
Frist verfielen und verschwanden.
Von der Warthe kam der größere Teil erst im Jahre 1793 anter preußische Herrschaft
und war damals in sehr verwildertem Zustande. Schon im Jahre darauf wurden Verbesse-
5- Von der Erfmdong des Dampfschiffs bis 1870. 137
nmgsarbeiten begonnen, aber erst seit 1819 nachdrücklich betrieben. Auch hier hatte man es
zunächst mit Durchstichen versucht, die jedoch während der polnischen Herrschaft von 1807 ^^^
1815 zu neuen Verwilderungen gefuhrt hatten, und man ging deshalb zu Buhnenbauten über.
Die schlechteste Strecke war oberhalb der Stadt Posen; aber überall im Strome war das Fahr-
wasser durch Steine, Baumstämme und alte Wehrreste behindert. Bis zum Jahre 1830 wurden
die noch vorhandenen Wehre {2 oberhalb und i unterhalb Posen) beseitigt und in der Zeit von
1839 bis 1847 besonders bei Schwerin große Verbesserungen (Geradelegungen und Beseitigung
der Fischwehre) ausgeführt.
Die besonders aus Rußland kommende Schiffahrt soll trotz dieser Hindemisse nicht uner-
heblich gewesen sein, wurde aber in der Regel nur bei höheren Wasserständen betrieben. In-
folge der Verbesserungen konnten 1865 bei mittlerem Sommerwasser Schiffe von 0,68 m Tief-
gang mit 50 t Ladung aufwärts bis Posen gelangen. Der Verkehr im Jahre 1868 wird dort
auf 2500 Schiffe angegeben. Der untere in der Mark Brandenburg gelegene Teil des Stromes
war in besserem Zustande und die Einmündung in die Oder war schon 1786 verbessert worden
(S. 41). Im Jahre 1869 wurde dem Landtage eine Denkschrift überreicht und um Bewilligung
von etwa 2,5 Millionen Mark zum Ausbau des Stromes gebeten. Mit der Eröffnung der Eisen-
bahn von Frankfurt nach Posen (1870) ging die Schiffahrt zurück.
Die gleichfalls sehr verwilderte Netze bekam durch den Bromberger Kanal (S. 44) seit
1774 einen lebhaften Schiffahrtverkehr, der aber durch die unaufhörlichen Krümmungen und viele
andere Hindemisse im Fahrwasser arg zu leiden hatte. Sehr störend waren besonders die Mühlen-
wehre bei Ciszkowo, Pianowko und Guhren, die einen Stau von je etwa 0,5 m und nur eine
Wehrlücke von 15 m Breite hatten, so daß die Schiffe mittels einer Winde gegen die Strö-
mung hinaufgezogen werden mußten. In den Jahren 1841 und 1842 wurden diese Wehre be-
seitigt. Mit den zur Verfügfung stehenden geringen Geldmitteln konnte der Strom nicht unter-
halten, sondern mußte sich selbst überlassen werden, so daß er namentlich in der Nähe von
Nakel immer neue störende Krümmungen bildete, während die wenigen Buhnen und anderen
Werke verfielen.
Mit dem Bau der Eisenbahnen ging der Schiffsverkehr sowohl auf der Netze wie
auf der ganzen Oder -Weichsel -Wasserstraße zurück, während dagegen der Flößereibetrieb mit
rassischem Holz einen mächtigen Aufschwung nahm. Dieser bewirkte wieder eine um so
schnellere Zerstörang der Ufer und der schwach gebauten Schutzwerke. Die Dampfschi ff -
fahrt konnte sich auf der Netze und dem Bromberger Kanal nicht entwickeln; aber auf der
unteren, 12 km langen Brahe bildete sich 1869 eine Ketten Schiffahrtgesellschaft, um die
Holzflöße von der Mündung in die Weichsel stromaufwärts nach Bromberg und bis zum Anfang
des Kanals zu schleppen. Der Betrieb wurde 1870 eröffnet und hat sich als zweckmäßig und
vorteilhaft erwiesen.
Die Weichsel war in Preußen im Anfang des 19. Jahrhunderts noch viel
mehr verwildert als alle anderen Ströme: sie floß, in viele Arme geteilt,
zwischen Inseln und wandernden Sandbänken und wirkte bei jedem Hoch-
wasser verheerend auf die angrenzenden Ländereien. Im Jahre 1830 wurde
der erste Entwurf zur Bändigung und Regelung des Stromes aufgestellt. Dabei
wurde eine Normalbreite von 377 m (100 Ruten) für die ungeteilte Weichsel
angenommen, wovon bei der Teilung ein Drittel auf die Nogat und zwei
Drittel auf die geteilte Weichsel fallen sollten. Die Arbeiten begannen im
Jahre 1834, mußten aber auf die Absperrung der vielen Seitenarme und die
Herstellung der dringendsten Uferbefestigungen beschränkt werden.
Bei einer Eisverstopfung im Jahre 1 840 bildete sich der Strom eine neue
Mündung in die Ostsee bei Neufähr, wodurch der Danziger Arm, der bis
dahin bei Neufahrwasser ausmündete, sein Gefälle verlor (»Tote« Weichsel)
und an der Abzweigung vom Hauptstrome durch die Schleuse Plehnendorf
abgeschlossen wurde.
138 Abschnitt TL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Infolge dieses Darchbruchs und des veränderten GeflÜles waren in dem nach Osten ab-
zweigenden Weichselarme, der Elbinger Weichsel, so starke Versandungen eingetreten, daß die
Schiffahrt nach Elbing und zum Frischen Haff ganz unterbrochen wurde. Es wurde deshalb in
den Jahren 1846 bis 1850 der Weichsel- Haff- Kanal gebaut, der von Rothebude an der
Weichsel nach Plathenhof am Tiegeflusse und von da nach Stobbendorf am Frischen Haff fuhrt.
Er ist 20 km lang und hat 2 Schleusen von 40,3 m Länge und 6,28 m Breite. Der Verkehr
durch diesen Kanal, der Danzig mit Elbing und Königsberg verbindet, hat sich gut entwickelt.
Namentlich fuhren dort viele Haffschiffe, sogenannte kurische Reisekähne, Jachten und Lommen.
Auch Dampfschiffe verkehrten schon frühzeitig auf dieser Linie. In den Jahren 1873 bis 1875
sind durchschnittlich jährlich 3914 Segelschiffe und 471 Dampfschiffe durch die Schleuse Rothe-
bude gefahren. Die Segelschiffe hatten eine Tragfähigkeit bis zu 125 t.
Da die geteilte Weichsel immer mehr versandete (zumal sie ziemlich
enge eingedeicht war) und die Nogat sich allmählich zum Hauptstrom auszu-
bilden schien, wurde die Teilung von der Montaner Spitze (durch den
Weichsel-Nogat-Kanal) im Jahre 1853 um 4 km abwärts nach Pieckel verlegt,
um der Nogat weniger Wasser zuzuführen. Dadurch wurde auch der starke,
gefahrliche Eisgang mehr in den Hauptstrom gezogen. Im Jahre 1856
wurde in beiden Mündungsarmen mit dem Bau vieler Buhnen begonnen.
Der Schiffahrtverkehr konnte sich wegen des schlechten Fahrwassers
nicht entwickeln und der Handel suchte wenigstens innerhalb Preußens die
allmählich ausgebauten Land- und Kunststraßen auf. Lebhaft war aber der
Verkehr mit russischem Getreide, das allerdings nur bei günstigen Wasser-
ständen vorteilhaft befördert werden konnte. Dazu wurden oft russische
Schiffe, > Wittinnen €, benutzt, die leicht gebaut und nur für eine Talfahrt be-
stimmt waren, nach deren Beendigung sie in Danzig verkauft oder zerschlagen
wurden. Sie hatten bis zu 150 t Tragfähigkeit bei einer Länge von etwa
50 m, einer Breite von 5,6 m und einem Tiefgange von 1,4 bis 1,5 m. Die
preußischen Weichselschiffe waren kleiner und hatten nur eine Tragfähigkeit
von IOC bis 125 t. Sie pflegten in der Regel im Monat August von Danzig
leer hinauf nach Rußland zu fahren, dienten dort den Winter über als Speicher
und kehrten mit Getreide tief beladen im Frühjahr bei hohem Wasserstande
nach Danzig zurück. Es wurde gewöhnlich nur eine Reise jährlich unter-
nommen. Bei niedrigen Wasserständen war die Fahrt beladener Schiffe kaum
möglich. Aus dem Jahre 1828 wird berichtet, daß diese bei solchen Wasser-
ständen von Thorn bis Danzig zwei bis drei Monate gebrauchten.
Die Fortbewegung geschah vorwiegend durch Segeln, da es an brauch-
baren Leinpfaden mangelte. Der Dampfschiffverkehr war gering, geschleppt
wurde gar nicht. Nach den Anschreibungen sind berg- und talwärts über
die russische Grenze gegangen:
im Jahre 1846: bergwärts 428, talwärts 805, zusammen 1233 Segelschiffe
> > 1856: * — » — > 1976 »
und 39 Dampfer,
» » 1875: > 1032, > 1605, » 2637 Segelschiffe
und 27 Dampfer.
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870. 139
Von diesen Schiffen hat aber ein Teil seinen Weg durch den Bromberger
Kanal nach Westen genommen.
Der Elbing-Oberländische Kanal wurde in den Jahren 1844 bis 1860 erbaut'),
um Elbing mit den vier oberländischen Städten Liebemühl, Osterode, Deutsch-Eylau und Saal-
feld zu verbinden. Das Unternehmen war schon im Jahre 1825 angeregt worden, hatte aber
große technische Schwierigkeiten, weil eine Höhe von rund 100 m zu ersteigen war. Es wurde
darum die Ausführung geneigter Ebenen von je etwa 20 m Höhe beschlossen, auf denen die
Kanalschiffe trocken mittels eines Wagens von einer Haltung in die andere befördert wurden.
Solcher Ebenen wurden 4 erbaut und außerdem noch 5 Kammerschleusen, an deren Stelle
später eine fünfte geneigte Ebene trat. Die ganze Wasserstraße hatte vom Drausensee bis Liebe-
mühl eine Länge von 52 km, von da bis Saalfeld 34, bis Osterode und Baarwiese 30 km,
zusammen also 116 km, von denen etwa 44 km auf Kanäle und der Rest zum größten Teil auf
Seestrecken fielen. Die Schiffe waren 24,5 m lang und 3 m breit. Wegen der Schiffswagen
durften sie nur mit 50 t beladen werden. Das Fahrwasser war mindestens 1,26 m tief. Die
Fortbewegung geschah in den Kanälen durch Pferdetreidelei, während das Segeln nur in den
Seestrecken erlaubt war.
Der Gesamtverkehr auf der Wasserstraße hat im Jahre 1878 (berg- und talwärts) 44210 t
betragen, soll aber vor dem Bau der Thom — Insterburger Eisenbahn größer gewesen sein. Es
wurde vorwiegend Getreide talwärts befördert.
Auf der Pregel-Memel-Wasserstraße von Königsberg durch Pregel
und Deime nach Labiau und von dort entweder über das Kurische Haff oder
durch den Friedrichsgraben (S. 46), den Seckenburger Kanal und die Gilge
nach dem Memelstrom, nach Tilsit und zur russischen Grenze bei Schmalle-
ningken hat sich die Schiffahrt in diesem Zeitraum im allgemeinen günstig
entwickelt. Sehr lebhaft war der Ortsverkehr, nicht nur in der Nähe
von Königsberg, dessen Seehandel damals in Blüte stand, sondern auch
bei den kleineren Orten, namentlich im Memeldelta, weil brauchbare Land-
straßen dort nur sehr langsam entstanden. Zum Teil hatten die Wasser-
straßen, z. B. die Haffe, auch eine genügende Tiefe, so daß neben den eigent-
lichen Flußschiffen besonders die Haffschiffe {kurische Reisekähne) mit größerem
Tiefgang ungehindert verkehren konnten. Dies war auch der Grund, daß die
Dampfschiffahrt sich verhältnismäßig früh entwickelt hat. Schon im Jahr 1840
verkehrten dort Dampfschiffe und 1850 bestanden regelmäßige Dampferlinien
für Personen- und Güterbeförderung zwischen Königsberg, Tapiau und Tilsit,
die recht einträglich waren. Auch zwischen Tilsit, Schmalleningken und
Kowno in Rußland, sowie zwischen Tilsit, Ruß und Memel wurden solche
Verbindungen eingerichtet.
Auf dem unteren Pregel sollen gegen Ende der sechziger Jahre zwischen
Königsberg und Tapiau jährlich etwa 6000 Schiffe verkehrt haben. Selbst auf
dem oberen Pregel zwischen Tapiau und Insterburg, wo die Fahrt allerdings
durch sehr schlechtes Fahrwasser und die ungenügende Schleuse bei Bubainen,
die nur Schiffe von 27 m Länge imd 6,1 m Breite durchfahren konnten, stark
behindert wurde, war der Verkehr ziemlich lebhaft. Von Insterburg sollen im
Jahre 1857 talwärts 17000 t, im Jahre 1861 20000 t, im Jahre 1863 12000 t
und im Jahre 1871 9000 t Güter abgegangen sein. Der starke Rückgang,
I) Zeitschrift für Bauwesen 1861.
140 Abschnitt 11. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
der später noch bedeutender wurde, ist auf die Eröffnung der Eisenbahn zu-
rückzufuhren.
Die Arbeiten zur Verbesserung des Fahrwassers haben am unteren Pregel
schon 1817 begonnen. Es wurden Buhnenbauten, Durchstiche und Bagge-
rungen ausgeführt, durch die eine Fahrwassertiefe von 1,5 m bei mittlerem
Niedrigwasser erreicht werden sollte. Am oberen Pregel führte man von
1848 bis 1850 ähnliche Bauten aus und wollte eine Fahrwassertiefe von
1,1 m erzielen, was jedoch nur zum Teil gelungen ist. Der Unterdrempel
der Bubainer Schleuse lag nur 0,44 m unter N.W., bildete also ein schlimmes
Hindernis.
Am Memelstrom» und zwar an seinem linken, südlichen Mündungsarm,
der Gilge, die für den Verkehr mit dem Westen, namentlich mit Königs-
berg, besondere Bedeutung hat, wurden die ersten Verbesserungen der sehr
gekrümmten Fahrstraße in der Zeit von 161 3 bis 161 7 auf Betreiben der
Königsberger Kaufleute vorgenommen. Damals wurde in diesem Strom ein
13 km langer Durchstich von Sköpen nach Lappienen ausgeführt. Später
wurden auch mehrere Seitenarme abgeschlossen (16 18 bis 1620 die Schalteik,
1752 die Alge und Kauke). Die Schwierigkeiten an der Teilungspitze bei
Schanzenkrug waren ähnlich wie bei der Weichsel. Um dem rechten Mün-
dungsarm, dem Rußstrom, den größeren Teil des Eisganges zuzuführen,
dem Gilgestrom aber im Sommer eine genügende Wassertiefe zu sichern,
wurde die Teilungstelle im Laufe des 18. Jahrhunderts mehrfach durch er-
hebliche Bauausführungen verändert. Schließlich wurde die Teilung um etwa
4 km stromaufwärts von Schanzenkrug nach Kallwen verlegt (1847 bis 1853),
wo sie sich noch heute befindet. Ähnliche Schwierigkeiten ergaben sich beim
Orte Ruß, wo der Rußstrom sich wieder in zwei Arme, Skirwith und At-
math teilt. Dort waren mancherlei Anlagen erforderlich, um den nördlichen
Arm, die Atmath, als Hauptstrom auszubilden. Durch diesen geht die Fahr-
straße nach dem Kurischen HafTe und nach Memel.
Im ungeteilten Memelstrom waren bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts
noch gar keine Arbeiten zur Verbesserung seiner Schiflfbarkeit ausgeführt
worden. Es wurde wohl 1801 ein allgemeiner Bauplan aufgestellt, aber die
bis 1840 ausgeführten wenigen Uferschutzwerke waren ohne Bedeutung. Von
dieser Zeit an wurde bis zum Jahre 1870 eine große Zahl von Buhnen
und anderen Strombauten ausgeführt. Dabei wurde für die Strecke von
der russischen Grenze bei Schmalleningken bis zur Einmündung der Szes-
zuppe eine Normalbreite von 226 m (60 Ruten) und für die untere Strecke
bis Kallwen eine solche von 241 m (64 Ruten) zugrunde gelegt. Besondere
Erfolge wurden durch diese Arbeiten nicht erzielt ; ebensowenig am Rußstrom
und noch weniger an der Gilge, wo man in ähnlicher Weise im Jahre 1853
mit Buhnenarbeiten begann.
Schon früher ist über den Friedrichsgraben berichtet (S. 46), der die Gilge
mit Umgehung des Kurischen Haffs mit der Deime und dem Pregel verbindet.
5. Von der Erfindung des DampfschiSis bis 1870. 141
In den Jahren 1833 bis 1835 wurde der nördliche Teil, der »kleine« Friedrichs-
grraben, durch den etwa 5 km langen Seckenburger Kanal ersetzt. Dieser
schleusenlose Kanal wurde zunächst nur 18,8 m breit hergestellt und durch
die Strömung allmählich bis auf 52,7 m verbreitert. Dann befestigte man im
Jahre 1857 seine Ufer.
Der Verkehr auf dem Memelstrom war ähnlich wie auf der Weichsel.
Aus Rußland kamen die Wittinnen mit Getreide beladen und gingen meistens
bis Königsberg. Aber auch nach Memel war ein ziemlich reger Verkehr.
Von preußischen Schiffen verkehrten die haiftüchtigen kurischen Reisekähne
und die schwach gebauten, offenen Boidacks. Sehr bedeutend war die Holz-
flößerei. Verkehrsanschreibungen sind aus älterer Zeit nicht bekannt geworden.
Im Jahre 1864 haben 4733 Schiffe und 1209 Flöße die Tilsiter Schiffbrücke
durchfahren; 1875 sollen in Tilsit 42853 t angekommen und 363250 t abge-
gangen sein. Im Jahre 1876 sind durch die Tilsiter Schiffbrücke 59642 t zu
Berg und 1 19922 t zu Tal (ohne die Flöße) gegangen. Über die russische
Grenze sind in demselben Jahre 169850t Güter und 472000 t Holzflöße ge-
gangen. Ein Dampfschleppbetrieb bestand bis 1870 auf dem Strom nicht.
Die Eisenbahnen haben in dieser Zeit den Verkehr nur wenig beeinflußt.
Kurz vor der Einmiindimg in das Kurische Haff nimmt der Atmathstrom von rechts den
Nebenfluß Minge auf, die in den Jahren 1863 bis 1873 durch den 25 km langen König-
Wilhelm-Kanal mit dem Memeler Hafen verbunden wurde, um mit Umgehung des Kurischen
Hai& die Memelwasserstraße mit der Sadt Memel, besonders für die russischen Flöße, zu ver-
binden. Nahe bei der Abzweigung des Kanals aus der Minge ist der Kanal bei Lankuppen durch
eine 157 m lange und um breite Schleuse abgeschlossen.
Auf der Donau wurden die ersten Versuche mit einem Dampf-
schiffe im Jahre 18 17 gemacht Zuerst baute der aus Esseg gebürtige
Anton Bernhard nach eigenen Plänen in Wien ein Dampfschiff »Carolina«,
das im März 181 7 die erste Versuchsfahrt machte. Es wird berichtet, daß
Bernhard im Juli 181 8 mit einer Ladung von 20 t bergwärts mit einer Ge-
schwindigkeit von 3,5 km, talwärts mit einer solchen von 15 km je Stunde
gefahren ist. Ebenso schnell soll er ein mit 45 t beladenes Anhängeschiff
bergwärts geschleppt haben. Die Fahrt von Wien nach PreOburg (61 km)
legte das Schiff in 3 Stunden zurück, eine Fahrt von Budapest aufwärts nach
Komorn (120 km) mit einem Anhängeschiff von 30 t Ladung in 71 Stunden.
Bernhard bekam ein Privilegium für die Donau und ihre Nebenflüsse; die
von ihm beabsichtigte Gründung einer Aktiengesellschaft scheint aber nicht
gelungen zu sein').
Gleichzeitig wurde in Wien von einem Franzosen Leon ein Dampfschiff
>Duna« gebaut und im Jahre 18 18 in Betrieb gesetzt. Es soll eine Wasser-
verdrängung von 50 t gehabt haben und war größer als das Schiff von Bern-
hard. Im Herbst 1818 fuhr es von Budapest aufwärts bis Komorn, wozu es
I) y. Gonda, Die ungarische SchüTahrt Budapest 1899.
142 Abschnitt IL Geschichtiicher Rückblick bis 1870.
5 Tage brauchte. Auch dieser Unternehmer erhielt eine Genehmigung zur
Schiffahrt, hat aber keinen dauernden Erfolg erreichen können.
Das gelang erst den beiden Engländern Andrews und Prichard, die im
Jahre 1828 ein neues ausschließliches Privilegium zur Befahrung der Donau
und ihrer Nebenflüsse in Österreich- Ungarn bis zum Ende des Jahres 1880
erhielten. Sie gründeten im Jahre 1829 die »Erste k. k. privilegierte Donau-
Dampfschiffahrt-Gesellschaft«, die noch heute besteht. Der Kaiser, sowie die
Mitglieder der kaiserlichen Familie, Fürst Metternich und andere Staatsmänner
und Vertreter der Handelswelt erwarben die ersten Aktien. Der Staat über-
nahm eine Zinsgarantie, zunächst bis 1880, und leistete später erhebliche
Zuschüsse von verschiedener Höhe.
Im Jahre 1830 machte das Dampfschiff »Franz I.« (mit in England von
Bulton und Watt gebauter Maschine] die erste Fahrt von Wien nach Buda-
pest (291 km). Die Talfahrt dauerte 14 Stunden 15 Minuten, die Bergfahrt
nach Wien zurück 48 Stunden 20 Minuten. Durch diese Gesellschaft wurde
die Donauschiffahrt wesentlich gefordert.
Auf Veranlassung des baierischen Königs Ludwig I. bildete sich im
Jahre 1837 in Regensburg die »Baierisch- Württembergische Donau -Dampf-
schiffahrtgesellschaft«, die von beiden Staaten mit Privilegien ausgestattet
wurde. Es war die Befahrung der Donau von Ulm bis Linz beabsichtigt;
allein der mangelhafte Zustand des Fahrwassers führte sehr schnell dazu,
den Verkehr auf die Strecke Regensburg-Linz zu beschränken. Infolgedessen
entstand 1844 eine besondere »Ulmer Aktiengesellschaft für Dampf- und
Ruderschiffahrt«. Aber beide Unternehmungen hatten keinen wirtschaftlichen
Erfolg.
Als der Ludwigkanal (S. 112) fertig gestellt war, entschloß sich 1846 der
baierische Staat, das baierische Unternehmen, bestehend aus 4 Dampfern
und einer Schiffwerft, zu erwerben und zu erweitern. Im Jahre 1858 bestand
es aus II Personenschiffen, 4 Schleppdampfern und 19 Lastschiffen. Mit
besonders flach gebauten Schiffen wurde auch der Verkehr zwischen Regens-
burg und Donauwörth unterhalten. Mit der österreichischen Gesellschaft
einigte man sich fiir die Strecke von Passau bis Linz dahin, daß diese den
Schleppdienst, die baierische aber den Personendienst besorgte. Nachdem
durch den Staatsvertrag von 1857 (S. 87) die Freiheit der Donauschiffahrt
entschieden war, hörte diese Vereinbarung auf und die baierische Gesell-
schaft litt sehr unter dem Wettbewerb der österreichischen. Dazu kam, daß
im Jahre 1860 die Eisenbahn Passau -Regensburg eröffnet wurde und der
baierischen Schiffahrtgesellschaft noch mehr Einnahmen entzog. Auch der
i86i imternommene Versuch, den Schleppbetrieb bis Budapest auszudehnen,
brachte keinen wirtschaftlichen Erfolg. Der baierische Staat hatte überhaupt
aus dem Unternehmen bis dahin keine Überschüsse erzielt und entschloß sich
darum 1862, es an die österreichische Gesellschaft zu verkaufen. Diese ver-
pflichtete sich, den Betrieb bis Donauwörth wenigstens so lange aufrecht zu
i862
1874
'35
203
17890
529
S7i,7
729
1188,8
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870. 143
erhalten, bis die Eisenbahn von Regensburg dahin fertig gestellt sein würde.
Als dies im Jahre 1874 eintrat, stellte die Gesellschaft den Betrieb auf der
Strecke Regensburg-Donauwörth ein').
Die erste Donau-Dampfschiffahrtgesellschaft hat sich schnell entwickelt und
ihren Betrieb bis zum Schwarzen Meere ausgedehnt. Nachstehende Angaben zeigen ihr Wachstum:
in den Jahren: 1851
Zahl der Flußdampfer. ... 51
Summe der Pferdestärken . . 5561
Zahl der Lastschiffe .... 200
Beförderte Güter in Tausend t 216,5
Unter den 203 Dampfern im Jahre 1874 befanden sich viele unbrauchbare, die beim An-
kauf anderer Gesellschaften übernommen, später aber wieder verkauft wurden. In späterer Zeit,
1880 bis 1900, betrug die Zahl der Dampfer gewöhnlich 180 bis 190 mit 16000 bis 17000
Pferdestärken. Im Jahre 1909 besaß die Gesellschaft 136 Dampfer mit 5836$ Indizierten Pferde-
stärken, 827 Lastschiffe und 24 Leichterschiffe, zusammen 851 Lastschiffe mit einer gesamten
Tragfähigkeit von 442249 t.
Der Personenverkehr erreichte ohne den Ortsverkehr 'z.B. in Budapest) die größte
Zahl von rund 1,8 Millionen jährlich beförderter Personen im Jahre 1887; dann nahm er ab
und betrug 1898 nur noch 0,5 Millionen.
Die im Jahre 1869 zwischen Wien und Preßburg versuchte Ketten Schiffahrt bewährte
sich nicht.
An der baierischen Donau wurde, abgesehen von den älteren früher
(S. 66) erwähnten Arbeiten, im Jahre 1837 mit der Verbesserung des
Stromes begonnen und man setzte für das Mittelwasserbett Normalbreiten
fest, die von Ulm mit 75,9 m bis zum Inn auf 175,1 m wachsen und unter-
halb der Innmündung 233,5 m betragen sollten. Als der Ludwigkanal fertig
war, wurden zwischen seiner Einmündung bei Kehlheim und Regensburg im
Jahre 1845 einige Durchstiche ausgeführt; aber diese Arbeiten reichten nicht
aus, um bis zu dieser Stadt ein genügendes Fahrwasser für die KanalschifTe
zu schaffen. Bei Regensburg selbst bietet die alte steinerne Brücke mit
ihren kleinen Öffnungen und dicken Pfeilern das größte Hindernis für eine
durchgehende Schiffahrt. In der Strecke bis Passau befand sich femer eine
sehr gefahrliche Felsenstrecke zwischen Hofkirchen und Vilshofen, die nur
bei höheren Wasserständen mit beladenen Schiffen durchfahren werden konnte.
Trotz des schlechten Fahrwassers hat auf der baierischen Stromstrecke
am Anfang des 19. Jahrhunderts eine nicht ganz unbedeutende Schiffahrt
bestanden; denn im Jahre 1830 wurden in Ulm noch 57 Schiffmeister gezählt
Ebenso viele sollen in Regensburg und deren 1 2 in Stadtamhof gewesen sein.
In der oberösterreichischen Strecke wurden nach der Einführung der
Dampfschiffahrt die Felssprengungen am Struden (S. 66) in den Jahren 1846
bis 1867 fortgesetzt. Ein großer Erfolg wurde aber nicht erreicht und diese
Stelle konnte nur unter Beobachtung vieler Sicherheitsvorschriften und mit
Hilfe eines starken Vorspanns von Ochsen und Pferden überwunden werden.
Selbst die Dampfschiffe mußten zuweilen durch 25 bis 30 Paar Ochsen und
i) Schanz, Einiges über den Verkehr auf der baierischen Donau. Zeitschrift für Binnen-
schiffahrt, 1895.
144 Abschnitt ü. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Pferde hinaufgezogen werden, wobei z. B. die Kosten für einen Schlepp-
dampfer mit 4 Anhängen 260 Kronen betragen haben sollen. Nachdem in
der Zeit von 1854 bis 1866 ein zweites im sogenannten Waldwasser herge-
stelltes Fahrwasser sich gleichfalls bei niedrigen Wasserständen als ungeeignet
erwiesen hatte, wurden von verschiedenen hervorragenden Ingenieuren Ver-
besserungsvorschläge aufgestellt, über die man viele Jahre lang beraten hat,
ohne zu einem Entschluß zu kommen. Unter anderem wurde auch die An-
lage einer Kammerschleuse vorgeschlagen.
Außer diesen Arbeiten wurden besonders in der Nähe von Linz eine
Reihe anderer Strombauten und ferner ein 5,7 m breiter Leinpfad (»Treppel-
weg«) ausgeführt. Im Jahre 1861 wurde eine Normalbreite von 342 m (180
Klafter) festgesetzt.
In Niederösterreich war der Strom noch mehr verwildert und bildete
in seinem Laufe viele sich stets verändernde Arme und Inseln. Besonders
im Wiener Becken oberhalb der Hauptstadt waren die Hochfluten eine dauernde
Gefahr für die Ufergemeinden und verursachten oft erhebliche Schäden. Nach
mancherlei vergeblichen Versuchen durch örtliche Schutzbauten die Verhält-
nisse zu bessern, wurde schließlich nach dem gefährlichen Hochwasser von
1862 die Donau-Regulierungskommission eingesetzt, die im Jahre 1866 einen
großen Entwurf aufstellte. Dieser bestand darin, daß die Donau auf der
13,27 km langen Strecke von Nußdorf bis Fischamend in einem großen
Doppeldurchstich zusammengefaßt werden sollte, der beiderseits durch hoch-
wasserfreie Dämme abgeschlossen wurde. Der Abstand der Dämme wurde
zu 760 m bestimmt, von denen 285 m auf das Mittel Wasserbett fielen. Das
rechte an der Stadt Wien gelegene Ufer wurde bis zur Höhe des Dammes
vollständig von der oberen bis zur unteren Mündung des Donaukanals auf-
gehöht. Dieser selbst wurde bei Nußdorf durch ein Sperrschiflf gegen Eisgang
und Hochwasser abgeschlossen. Am unteren Ende des Durchstichs wurde
gleichzeitig ein Schutzhafen angelegt. Die Arbeiten wurden von 1869 bis
1875 ausgeführt und haben im allgemeinen den erhof!len Erfolg gehabt.
An der ungarischen Donau waren die bedeutendsten Schiffahrthinder-
nisse die vollständig verwilderte etwa 90 km lange Stromstrecke zwischen
Preßburg und Gönyö, wo bei niedrigen Wasserständen zuweilen der Ver-
kehr vollständig unterbrochen war, und die etwa 136 km lange Felsen-
strecke von Bazias durch den Kazanpaß und das eiserne Tor bis Turn-
Severin. Dort war die Schiffahrt fast alljährlich bei niedrigen Wasserständen
für beladene Schiffe unterbrochen und die Waren mußten über Land be-
fördert werden, ähnlich wie früher am Rhein zwischen Bingen und St. Goar.
Während einer durchschnittlichen jährlichen Schiffahrtdauer von 275 Tagen
konnten Schiffe mit 1,5 m Tiefgang dort nur an 158 Tagen fahren. Schon
seit dem Jahre 1823 wurde von der Regierung die Verbesserung dieser so-
genannten Katarakten -Strecke in Erwägung gezogen und im Jahre 1834
durch den Ingenieur Vasarhelyi eine Reihe von Felssprengungen ausgeführt.
5- Von der Erfindung des Dampfschiffe bis 1870. 145
Dieser hatte die Absicht, einzelne Stromschnellen und auch das eiserne Tor
durch Schleusenkanäle zu überwinden. Dazu kam es nicht; aber es wurde
von ihm von 1834 bis 1837 auf dem linken Stromufer die Szechenyi-Straße
gebaut, so daß wenigstens eine brauchbare Landverbindung hergestellt war.
In den Jahren 1855 und 1856 wurden wiederum bedeutende Sprengungen
am eisernen Tor ausgeführt, ohne daß eine erhebliche Verbesserung der
Fahrstraße erreicht wurde. Die ersten Dampfschiffe fuhren 1846 hindurch.
Trotz dieser großen Hindemisse hat sich auf der unteren Donau besonders
von Budapest ab in diesem Zeiträume ein bedeutender Schiffahrtverkehr
nach den unteren Donauländem und zum Schwarzen Meere entwickelt, zumal
dort vor dem Jahre 1870 die Eisenbahnen noch nicht in Wettbewerb traten.
Ober den Umfang des Verkebrs auf der Donau kann nur wenig mitgeteilt werden:
In Regensburg sind angekommen und abgegangen:
im Jahre 1847 etwa 17,5 Tausend t Güter
» » 1850 > 19,9 > t »
» > 1872 > 69,4 » t >
Über die baierisch-österreichische Grenze unterhalb Pas sau (bei Engelhartszell) sind ge-
gangen:
talwärts
berg^ans
zusammen
im Jahre 1850
—
—
246,1 Tausend Tonnen
> * 1860
—
299,6 »
1866
109,7
32,7
142,4 » »
» » 1870
230,5
48,4
278,9
Der Talverkehr bestand vorwiegend aus Holz, der Bergverkehr vorwiegend aus Getreide.
Der Schiffsverkehr über die Grenze war:
1866 1870
■•>^B
bergwärts
talwärts
bergwärts
127
»95
194
206
239
240
286
399
412
1846
—
talwärts
Personendampfer 124
Güterdampfer 205
Geschleppte Schiffe 273
Ruderschiffe 1521
In Wien soll der Güterverkehr auf der Donau im Jahre 1874: 1048,6 Tausend t betragen
haben (?).
Frankreich« Nach den ersten Versuchen mit Dampfschiffen auf der
Seine in den Jahren 1803 und 1816 (S. 91 u. 92) entstanden 1823 auf diesem
Strome drei Gesellschaften, die mit zusammen 12 Heckraddampfem von je 34 m
Länge und etwa 100 t Tragfähigkeit einen regelmäßigen Betrieb einrichteten.
Doch blieben diese Unternehmungen zunächst ohne wirtschaftlichen Erfolg.
Etwa 10 Jahre später entwickelte sich die Dampfschiffahrt auf vielen FlüOen, so
weit das mangelhafte Fahrwasser es irgend erlaubte, besonders für die Personen-
beförderung. Das Reisebedürfnis war am Anfange des 19. Jahrhunderts sehr
groß und konnte besonders hinsichtlich der gewünschten Schnelligkeit weder
durch die Posten noch durch die Marktschiffe befriediget werden. In den
dreißiger Jahren legten die Eilposten gewöhnlich nur 9 km, höchstens 1 5 km
je Stimde zurück, während die mit Pferden getreidelten Postboote, z. B. auf
dem Südkanal (Toulouse — Cette) ohne Anrechnung des Schleusenaufenthalts
Teubert, Binnenschiffahrt. lO
146 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
stündlich 11 km, mit diesem Aufenthalt im Durchschnitt 8,5 km zurück-
legften. Über den Personenverkehr auf dem Ourcqkanal (bei Paris) wird aus
späterer Zeit (1840 bis 1850) berichtet, daß die für etwa 70 Personen Platz
bietenden, vornehm ausgestatteten Kajütenboote von je 3 Pferden im Galopp
gezogen wurden, die man alle 3 bis 5 km wechselte. Man erreichte dabei
eine stündliche Geschwindigkeit von über 15 km und mit Berücksichtigung
des Schleusenaufenthalts 13,4 km ^«
Seit Mitte der dreißiger Jahre befuhren Personendampfer die Seine von
Havre bis Paris hinauf, die Loire (seit 1837) von der Mündung bis Orleans,
die Garonne bis hinauf nach Langon (nahe bei Castets, 50 km oberhalb
Bordeaux), die Rhone bis Lyon, die Saone von dort aufwärts bis Qialons
und die Mosel (seit 1839) zwischen Nancy und Metz. Einige Jahre hindurch
bestand sogar (nach 1852) ein Dampferverkehr auf dem Rhein-Rhone-Kanal
zwischen StraOburg und Lyon. Aber nur in den Mündungstrecken der
großen Ströme, wo genügende Tiefen waren, konnten größere Dampfschiffe
verkehren und eine Geschwindigkeit von etwa 25 km je Stunde erreichen;
auf den anderen Strom teilen fuhren kleinere Schiffe mit etwa 30 cm Tiefgang,
die 60 bis 80 Menschen aufnehmen konnten und stromauf 8 bis 10 km,
stromab 15 bis 25 km je Stunde . zurücklegten. Stärkere und größere Güter-
dampfer auf der Rhone mußten mit ganz besonderen Vorrichtungen (die
»Grappins«) versehen werden, um die starken Gefalle überwinden zu können.
Anfangs der fünfziger Jahre wurde auch der Schleppbetrieb mit eisernen
Lastschiffen eingeführt. In Lyon entstanden Gesellschaften (vgl. S. 7), die be-
sonders vor dem Bau der Eisenbahnen einen lebhaften Verkehr nicht nur bis
zum Meere, sondern auch weiter bis Marseille und zu anderen Küstenstädten
unterhalten haben. Ein solches Unternehmen in Nantes, das mit mehreren
Schleppdampfern und 22 eisernen Lastschiffen von je etwa 150 t Tragfähig-
keit die Schiffahrt auf der Loire betrieb, wurde etwa 1852 von der Eisen-
bahngesellschafl Nantes-Lyon gekauft, um den unbequemen Wettbewerb zu
beseitigen. Der Schleppbetrieb wurde eingestellt und der Schiffspark verkauft.
(Ein Teil davon kam nach Würzburg, vgl. S. iii.)
Die Personendampfschiffahrt verlor mit dem weiteren Bau von Eisen-
bahnen überall ihre Bedeutung. Auf der Rhone hat die Güterschiffahrt da-
gegen, wenn auch mit großer Mühe, den Wettbewerb der Eisenbahn aus-
gehalten.
Von großer Wichtigkeit wurde für die Seine die Kettenschiffahrt (vgl.
S. 122). Es wurden genehmigt: im Jahre 1854 die Kette in der Seine und
Oise (83 km), 1856 in der oberen Seine bis Montereau (104 km), 1860 in der
unteren Seine von Conflans bis Rouen (172 km) und 1869 eine kurze Strecke
von 2 km in der Loire. (Später, 1873, noch 90 km in der Yonne.) Außer-
dem wurden vom Staate in den Scheitelhaltungen mit Tunneln der Kanäle von
i) V. Nördling, Die Selbstkosten der Eisenbahntransporte und die Wasserstraßenfrage.
Wien 1885.
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870. 147
St. Quentin und von Burgund in den Jahren 1865 und 1866 Ketten von 20 und
6 km Länge verlegt. Diese Betriebe haben sich im allgemeinen gut bewährt.
Auf den wichtigsten Teil der französischen Binnenschiffahrt, die Kanal-
schiffahrt, hat die Erfindung der Dampfschiffe sonst keinen Einfluß aus^
geübt. Dort blieb es bei dem seither üblichen Treidelbetrieb mit Pferden
oder Eseln, seltener mit Menschen. Der Hauptverkehr mit Massengütern legte
auf besondere Schnelligkeit damals keinen Wert. Aus dem Jahre 1830 wird
z. B. berichtet, daß die mit Kohlen beladenen Schiffe von Mons nach Paris
(jetzt 376 km; 69 Schleusen) viele Monate lang unterwegs waren. Auf anderen
Kanälen war aber für wertvolle Güter ein besserer Betrieb eingerichtet, z. B.
auf dem Südkanal von Toulouse nach Cette. Diese 250 km lange Strecke
(jetzt mit 65 Schleusen) wurde mit Pferdetreidelei im Jahre 1836 in etwa 6
Tagen zurückgelegft, also je Tag etwa 42 km oder mit allen Aufenthalten
etwa je Stunde 3 km. Außerdem gab es dort noch besondere Eilboote, die
diese Strecke in der halben Zeit zurücklegten, was eine mittlere Geschwindigkeit
von etwa 6 km je Stunde ergibt. Es ist erstaunlich zu erfahren, daß bei
beschleunigtem Betriebe, besonders bei Personenbooten, der Aufenthalt an
jeder Schleuse nicht mehr als 5 Minuten betragen haben soll.
Mit dem Bau von Kanälen wurde in der Zeit der Restauration fort-
gefahren. Wie früher mi^eteilt wurde (S. 71), waren im Jahre 18 14 bereits
12 13 km Kanäle vorhanden. Ein im Jahre 1820 veröffentlichter Regierungs-
entwurf erklärte es fiir wünschenswert, noch 10800 km neue Kanäle anzulegen;
doch man begnügte sich vorläufig mit kleineren, aber ziemlich bedeutenden
Unternehmungen: Es wurden der 196 km lange Loire-Seitenkanal von Digoin
bis Briare mit 37 Schleusen (ohne Zweigkanäle) und der Ardennenkanal
beschlossen, der 88 km lang mit 44 Schleusen die Aisne bei Vieux-l^s-Asfeld
mit der Maas bei Pont-ä-Bar (zwischen Sedan und Mezi^res) verbindet. Femer
wurde der Deulekanal, 51 km lang mit 7 Schleusen, der von Lille nach
Douai fuhrt, und der anschließende Roubaixkanal genehmigt, der 20 km lang
mit 1 2 Schleusen die Wasserscheide zwischen der Lys und der Scheide über-
schreitet. Beide Kanäle verbinden das französische Industriegebiet mit dem
belgischen Wasserstraßennetz. Um hierfür und zur Fertigstellung der vorher
begonnenen Kanäle die erforderlichen Geldmittel aufzubringen, wurden durch
die Gesetze von 1821 und 1822 Anleihen im Betrage von etwa 126 Millionen
gemacht. Dabei wurde beschlossen, daß die Geldgeber neben der Verzinsung
auch auf eine Reihe von Jahren Anteil am Reingewinne haben und bei der
Festsetzung der Tarife mitwirken sollten. Dies erwies sich später als ver-
hängnisvoll, weil man zur Ablösung dieser Berechtigungen in den Jahren 1845
bis 1870 große Geldsummen aufwenden mußte.
Unter Louis Philipp wurde eine Reihe von früher begonnenen Bauten
fertiggestellt und eine Zahl neuer bedeutender Kanäle beschlossen: 1837 der
Mame-Seitenkanal, 67 km lang mit 13 Schleusen, von Vitry-le-frangois nach
Epemay (Dizy); 1838 der Garonne-Seitenkanal, 193 km lang mit 60 Schleusen,
lO*
148 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bb 1870.
von Toulouse bis Castets oberhalb Bordeaux; vor allem der damals 320 km
lange Mame-Rhein-Kanal mit 180 Schleusen, der von Vitry-le-fran^ois an
der Marne nach StraOburg am Rhein fuhrt und mit Maas, Mosel und Saar
in Verbindung steht. (Von diesem Kanal entfiel im Jahre 1871 eine 104,5 km
lange Strecke, die auf S. 108 beschrieben worden ist, auf Deutschland.)
Am Ende des Jahres 1847 waren 4170 km Kanäle im Betriebe und etwa
600 km im Bau. Zu dieser Zeit betrug die Länge der genehmigten Eisen-
bahnlinien bereits 4042 km, war also fast so groß wie die Länge der fertig-
gestellten Kanäle. Damals begann der Kampf zwischen Lokomotiven und
Schiffen, in dem die Franzosen rasch für die ersteren Partei nahmen. Schon
im Jahre 1844 hatten sich Stimmen erhoben, die verlangten^ man solle die
überlebten Kanalbauten einstellen und auf die Unterbauten des Garonne- und
des Marne-Rhein-Kanals lieber Schienen legen. Aber die Kanäle wurden
vollendet und wie Malezieux') mitteilt, »inmitten allgemeiner Teilnahmlosig-
keit« in den Jahren 1855 und 1853 eröffnet
Unter Napoleon III wurden die angefangenen Bauten fertiggestellt, neue
Wasserstraßen anfangs aber nur in sehr geringem Umfange beschlossen, da
die öffentliche Meinung ganz mit der Entwicklung der Eisenbahnen beschäftigt
war. Das änderte sich beim Abschluß des freihändlerischen Handelsvertrags
mit England im Jahre 1860, durch den die Eingangszölle bedeutend herab-
gesetzt wurden. Zur Unterstützung der klagenden Eisenindustrie sollten auch
die Eisenbahntarife ermäßigt werden und, als die Bahngesellschaften sich
weigerten, erinnerte sich die Regierung der Binnenschiffahrt. Es wurden die
Kanalabgaben herabgesetzt, eine große Zahl von Privatkanälen verstaatlicht
und wieder eine Reihe neuer Wasserstraßenlinien genehmigt. Unter diesen
ist die Fortführung des Mame-Seitenkanals von Vitry nach Donjeux (jetzt
67 km mit 15 Schleusen), des Seine-Seitenkanals von Marcilly nach Troyes
(44 km mit 15 Schleusen) und der Saarkohlenkanal (66 km mit 28 Schleusen),
der im Jahre 1871 an Deutschland fiel (S. 113), besonders zu erwähnen. Man
erblickte gegenüber der Macht der Eisenbahngesellschaflen in der Binnen-
schiffahrt einen »mod^rateur n^essaire«.
Der künstliche Aufstau (Kanalisierung) der Flüsse war seit dem
Beginn der Kanalbauten in Frankreich nicht mehr beliebt, weil man mit den
festen Wehren schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Das änderte sich mit
der Erfindung der Nadelwehre durch Poir^e im Jahre 1834, als das erste
in der oberen Yonne bei Basseville gebaut war. Es wurde dann eine Reihe
von Flüssen aufgestaut, z. B. die obere und die untere Seine, die Marne,
Oise, Yonne, Aisne, Sambre, Saone usw., namentlich unter Napoleon HI.
Die Schleusen in diesen Strömen erhielten meistens größere Abmessungen
als in den Kanälen, etwa 40 bis 50 m Länge und 6 bis 8 m Breite; die
Schleusen in der Seine waren noch größer.
1} Cours de navigation int^rieure.
5* Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870.
149
Dem Ausbau der natürlichen Wasserstraßen (der offenen Ströme)
wurde wenig Sorgfalt zugewendet. Während der Restauration wurde die Seine
innerhalb der Stadt Paris verbessert und unter Louis Philipp wurden einige
Geldmittel für Seine, Marne und Lot verausgabt. Die in den Jahren 1860
bis 1870 unter Napoleon HL ausgeführten Verbesserungen an der Rhone
dienten, abgesehen von Leinpfadbauten, vorwiegend zum Uferschutz und
landwirtschaftlichen Zwecken.
Es bleibt hervorzuheben, daß vom Jahre 1837 an alle Wasserstraßen auf
Staatskosten gebaut und unterhalten worden sind.
Vor dem Ausbruch des Krieges von 1870 sind die Langen und die
Baukosten der französischen Wasserstraßen die folgenden gewesen'):
Wasserstraßen
im ganzen
Mill. Francs
Baukosten
je km
Francs
ivan&ie .....*.■•
Kanalisierte Flüsse ....
Andere schiffbare Flüsse. .
zusammen 11088
1184
165 000
133000
49000
Nach anderen Mitteilungen (von Nördling) betrug im Jahre 1870 die
Länge der Kanäle 4560 km und die der Flüsse 6700 km, zusammen 1 1 260 km.
Die Angaben schwanken auch in französischen Quellen, zumal die künstlich
aufgestauten Flüsse zuweilen zu den Kanälen gerechnet wurden. Nach der
vom französischen Ministerium der öffentl. Arbeiten veröffentlichten Statistik
(1898) betrug die Länge der Kanäle im Jahre 1870: 4888 km.
Über den tonnenkilometrischen Güterverkehr auf dem französischen
Wasserstraßennetz liegen Mitteilungen seit 1847 vor. Damals betrug er bei
zusammen 10450 km Wasserstraßen 1813 Millionen tkm und im Jahre 1868
bei zusammen 11250 km Wasserstraßen 2172 Millionen tkm.
Der Frachtsatz je tkm soll auf den Kanälen im Jahre 1835 im Durchschnitt 1,2 Pf.
(1,5 Cts.) betragen haben, wozu noch die Kanalabgaben traten, die damals im Durchschnitt
je tkm zu 1,5 Pf. (1,8 Cts.) angegeben wurden; zusammen also 2,7 Pf. Im Jahre 1872 betrug
der durchschnittliche Frachtsatz nach amtlicher Feststellung 1,26 Pf. (1,47 Cts.) auf den Kanülen
und 1,6 Pf. (2 Cts.) auf den Flüssen.
Die Höhe der Kanalabgaben schwankte zu verschiedenen Zeiten und auf den verschie-
denen Kanälen erheblich. Für die mit der oben erwähnten Anleihe von 1822 gebauten Kanäle
wurden zugunsten der Gläubiger z. B. Abgaben festgesetzt, die etwa 10 mal so hoch waren wie
die genannten Durchschnittsabgaben von 1835. Sie wurden im Jahre 1845 aber bedeutend
ermäßigt. Die wirklich erhobenen Abgaben waren im Durchschnitt:
in den Jahren 1847 1859 1861
Pfennige je tkm . o,$4 0,38 0,21
Centimes je tkm 0,67 0,48 0,26
i) Lucas, Etudes sur les voies de communlcation de la France, für die Wiener Welt-
ausstellung 1873 ^™ Namen der französichen Regierung.
150 Abschnitt H. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Der im Jahre 1867 eingeführte Tarif bestimmte die Abgabe
für Güter I. Klasse ü. Klasse
auf Kanälen zu 0,40 Pf. (0,5 Cts.) 0,16 Pf. (0,2 Cts.)
auf Flüssen zu 0,16 Pf. (0,2 Cts.) 0,08 Pf. (0,1 Cts.)
Der durchschnittliche Frachtsatz würde sich also für das Jahr 1870 imd für Güter II. Klasse
ergeben: 1,26 + 0,16 = 1,42 Pf. auf Kanälen und 1,60 -{- 0,08 = 1,68 Pf. auf Flüssen.
Die Frachten waren nach anderen Mitteilungen höher: Die Kohlenfracht war z. B.
auf der Linie vom Pas -de -Calais nach Paris und von Paris nach Lyon im allgemeinen
1,6 Pf. (2 Cts.), während sie auf dem Rhein-Mame-Kanal 1,28 Pf. (1,6 Cts.] betrug — ohne
Kanalabgaben. Es ist beachtenswert, daß die Frachten auf den Strömen, selbst bei der Tal-
fahrt, nicht niedriger waren als auf den Kanälen. Cbrigens soll, nach amtlicher Angabe, die
Schiffsfracht auf der Linie Paris — Lyon vor Eröffnung der Eisenbahn 4,8 Pf. (6 Cts.) je tkm be-
tragen haben. In dem oben (in der Fußnote) genannten Werke von Lucas ist gesagt, daß die
Gesamtfracht auf den französischen Wasserstraßen zwischen 1,6 Pf. (2 Cts.) und 4 Pf. (5 Cts.)
schwankte, im Durchschnitt aber 2,4 Pf. (3 Cts.) betragen hat.
Der staatlich festgesetzte Tarif der Kettenschleppschiffahrt betrug für die untere
Seine (1860) je tkm 0,8 Pf. (i Cts.) bei der Bergfahrt und 0,32 Pf. {0,4 Cts.) bei der Talfahrt.
Leere Schiffe zahlten je nach ihrer Tragrfähigkeit 16 bis 40 Pf.
Die Größe der Schiffe hat bis 1870 insofern zugenommen, als sie völliger gebaut wurden.
Die größten Kanalschiffe waren 35 m lang, 5 m breit und hatten bei 1,5 m Tauchtiefe eine
Tragfähigkeit von 230 t. Die Penischen von 38 m Länge und 280 t Tragfähigkeit sollen damals
noch selten gewesen sein.
Die Wasserstraßen von Belgien (Mitteilauf der Maas mit der Sambre
und die Scheide mit ihren schiflfbaren Nebenflüssen Rüpel, Dendre, Lys mit
Deule und Scarpe) stehen mit den nordfranzösischen Wasserstraßen in viel-
facher Verbindung. Bei der Entstehung des belgischen Staats (1830) waren
1619 km Wasserstraßen vorhanden, von denen 156 dem Staat, 1034 den Pro-
vinzen, III den Gemeinden und 318 Gesellschaften gehörten. Durch Neubau
und Erwerb wurde die Länge der staatlichen Straßen schnell vermehrt: Sie
betrug 1840 schon 808 km und 1870 etwa 1630 km. In diesem Jahre war die
gesamte Länge der belgischen Wasserstraßen etwa 2000 km. Da Antwerpen
fiir ganz Belgien der Haupthafenpiatz ist, so konnte die Binnenschiffahrt erst
aufblühen, nachdem diese Stadt durch die Vertrage mit den Niederlanden
(von 1795, 1835 ^"d 1842) wieder freien Zugang zum Meere erhalten hatte.
Über einige der ältesten künstlichen Wasserstraßen ist schon früher
(S. 72) berichtet worden. Durch den Kanal von Willebroeck war Brüssel in
nördlicher Richtung mit dem Rüpel und der Scheide verbunden und in den
Jahren 1827 bis 1832 wurde auch die lange erstrebte Verbindung nach Süden
mit der Sambre und dem Maasgebiet durch den Kanal von Brüssel nach
Charleroi hergestellt. Nachdem 1836 auch die Zweiglinie nach dem Kohlen-
gebiet bis Roeuls fertig war, wurde der ganze Kanal 1839 vom Staate er-
worben. Diese für Brüssel sehr wichtige 74 km lange Wasserstraße war nur
für Schiffe von kleinen Abmessungen erbaut; denn die 55 Schleusen hatten
nur eine nutzbare Länge von 19 m und eine Breite von 2,7 m. (Seit 1854
ist man mit der Erweiterung des Kanals beschäftiget.)
Die Sambre bUdet eine wichtige Abfuhrstraße fiir die Kohlen von
Charleroi, sowohl abwärts nach Lüttich wie aufwärts nach Frankreich. Schon
5. Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 187a 151
im 17. Jahrhundert versuchte man das Fahrwasser zu verbessern und die
Mühlenstaue zu überwinden. Im Jahre 1825 wurde mit umfangreichen Arbeiten
zum künstlichen Aufstau des Flusses sowohl in Belgien wie in Frankreich
begonnen: 1835 hatte man in Belgien i m Tiefe erreicht und erzielte durch
die weiteren Arbeiten von 1860 bis 1864 eine durchgehende Mindesttiefe
von 2,1 m. In Frankreich schloß man an die künstlich aufgestaute Fluß-
strecke bei Landrecies den 67 km langen Kanal zur Oise bei La Fere nahe
bei Chauny, der 1828 fertig wurde.
Im Gebit der oberen Scheide ist der Nebenfluß Lys von besonderer
Wichtigkeit, die ihre Quelle im französischen Kohlengebiet des Pas-de-Calais
hat und bei Gent in die Scheide mündet. Ihr Oberlauf war in Frankreich
schon in früheren Zeiten durch den Kanal von Neufoss^ (S. 69) mit der Aa
bei Omer in Verbindung gebracht worden. Die Schiffbarmachung der Lys
hat 1723 mit dem Bau mehrerer Schleusen begonnen, 1750 wurde sie not-
dürftig schiffbar bis zu dem erwähnten Kanal bei Aire und in der Zeit von
1863 bis 1869 wurde der künstliche Aufstau durch Schleusen von 41,5 m
Länge und 5,4 m Breite zum Abschluß gebracht.
Die Maas hatte innerhalb Belgiens und der Niederlande von jeher ein
seichtes und stark gekrümmtes schlechtes Fahrwasser bis zur Einmündung
der Dieze, nahe bei Herzogenbusch. Es wurde deshalb durch die hollän-
dische Regierung von diesem Orte aufwärts bis Maastricht in den Jahren
1823 bis 1826 ein 129 km langer Kanal hergestellt, der auch > Süd-Wilhelms-
fahrt c genannt wird. Die 22 Schleusen dieses für die Verbindung mit dem
Rhein wichtigen Kanals sind 50 m lang und 7 m breit; die Tiefe beträgt
jetzt 2,3 m.
Oberhalb Maastricht versuchte man in der belgischen Strecke seit 1840
den Fluß durch Längsdämme einzuschränken und zu vertiefen. Da dies nicht
gelang, wurde, im Einvernehmen mit Holland, im Jahre 1850 ein Seitenkanal
von Lütt ich bis Maastricht hergestellt. 1856 erbaute man darauf bei Lüttich
die ersten Wehre und hat in den Jahren 1862 bis 1867 den Strom aufwärts
bis Namur künstlich aufgestaut.
Der Kanal von Maastricht nach Herzogenbusch liegt zum Teil in Belgien,
zum Teil in Holland. Auf belgischem Gebiet wurde bei Bocholt, nahe der
Grenze, im Jahre 1858 ein neuer Kanal in westlicher Richtung nach Ant-
werpen abgezweigt, der »Verbindungskanal zwischen Maas und Scheide« oder
auch »Kempenkanal« genannt wird und 86 km lang ist. An diesen Kanal
wurden mehrere Seitenkanäle (Beverloo, Hasselt) angeschlossen, von denen
der von Turnhout später (1866 bis 1874) bis Antwerpen fortgesetzt wurde.
Der Schiffahrtbetrieb war in dieser Zeit auf den belgischen Wasserstraßen
ebenso wie auf den französischen, soweit nicht der Verkehr mit dem Rhein
n Betracht kam.
In Holland wurde außer dem vorbesprochenen Kanal von Herzogen-
busch zwischen 18 19 und 1870 noch eine Reihe anderer künstlicher Wasser-
152 Abschnitt H. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Straßen angelegt, z. B. der 48 km lange Overysselkanal nach Koevorden (185 1
bis 1855), der 28 km lange Nord-Wilhelm-Kanal nach Gronii^en (1856 bis
1862] und anschließend der schon (S. 71J erwähnte Emskanal. Besonders be-
merkenswert sind die beiden Kanäle durch die beiden Inseln Süd-Bevdand
und Walcheren, die zwischen der Westerschelde und der Osterschelde liegen.
Als anfangs der sechziger Jahre die Eisenbahn nach Vlissingen gebaut wurde,
schien es billiger und zweckmäßiger, die beiden stark versandeten Stromarme
mittels Dämmen zu überschreiten und an ihrer Stelle Kanäle durch die Inseln
herzustellen'). Der Kanal durch Süd-Beveland, auch Kanal von Hansweert
genannt, ist besonders für den Verkehr von Antwerpen zum Rhein von Be-
deutung. Beide Wasserstraßen sind 6 bis 7,5 m tief und dienen zugleich der
Seeschiffahrt; sie wurden in den Jahren 1867 und 1871 eröffnet.
Der Binnenschiffahrtbetrieb auf dem Rhein und seinen Seitenarmen hat
sich während dieser Zeit wie in Deutschland entwickelt und ist dort besprochen
worden.
England. Durch Beils »Comet« (S. 92) war die Dampfschiffahrt auf
dem Clyde eingeführt und hat sich schnell auf den Strömen Englands entwickelt.
Aber der Verkehr auf dem größten Teil der Binnenschiffahrtstraßen, auf den
Kanälen und aufgestauten Flüssen, blieb davon unbeeinflußt, seit die ersten
Versuche zum Schleppen der Kanalschiffe gescheitert waren. Man blieb dort
bei der Treidelei mit Pferden.
Mit dem Bau von Kanälen wurde fortgefahren. In der Zeit von 1800
bis 1830 wurden noch 30 neue Unternehmungen genehmigt"). Dann hörte
der Kanalbau auf und es begann die Herrschaft der Eisenbahnen. Die ersten,
etwa in der Zeit von 18 15 bis 1820 gebauten Eisenbahnen waren von ge-
ringer Länge und lediglich Zubringer für die Wasserstraßen. Das änderte
sich, nachdem im Jahre 1825 die erste Verkehrslinie von Stockton nach Dar-
lington eröffnet war und die Lokomotiven größere Geschwindigkeiten er-
reichten^). Die schnell gebildeten Eisenbahngesellschaften erleichterten sich
den Wettbewerb mit den Wasserstraßen, indem sie wichtige Teile davon käuf-
lich in ihre Hände brachten und sie durch entsprechende Tarifgestaltung lahm
legten. Das war um so leichter durchfuhrbar, als die großen durchgehenden
Wasserstraßen meistens im Besitz verschiedener Kanalgesellschaften waren,
die keine Gemeinschaft miteinander hatten. Als diese zur Gegenwehr sich
im Jahre 1844 vereinigten, war es zu spät. Der früher sehr hohe Wert des
Kanaleigentums ging schnell zurück imd soll bis zum Jahre 1871 nur noch
ein Drittel betragen haben. Die Eisenbahngesellschaften erwarben immer
mehr Kanäle, stellten den Betrieb auf ihnen sogar zum Teil vollständig ein
und bauten sie zu Eisenbahnen um, bis dies durch ein Gesetz von 1873 ver-
boten wurde. Nur wenigen Wasserstraßen gelang es, den Wettbewerb aus-
1) Müller, Friedrich, Das Wasserwesen der niederländischen Provinz Zeeland. Berlin 1898.
2) Eger, Die Binnenschiffahrt in Europa und Nordamerika. Berlin 1899.
3) Die Lokomotive »Rocket« lief im Jahre 1829 schon 56 km je Stunde.
5. Von der Erfindung des Dampfschifis bis 1870.
153
zuhalten (z. B. der Aire- und CalderschifTahrt), besonders durch Einführung
der Dampfkraft. Die Versuche zum Bau geeigneter Schleppdampfer wurden
fortgesetzt. Schon im Jahre 1831 hatte Fairbairn einen Kanalschlepper mit
einem innen liegenden Schaufelrade hergestellt nnd im Jahre 1835 wurden
am Kanal von Leeds nach Liverpool weitere Versuche mit anderen SchifTen
gemacht. Vor 1860 kam es aber nicht zu wirklichen Erfolgen. Erst mit
einem Schraubendampfer gelang es 1879 ^^^ cl^™ Kanal 6 Schiffe mit je
40 t Ladung zu schleppen. Bei den geringen Breiten der Kanäle von 10 bis
15 m im Wasserspiegel und den Tiefen von 1,2 bis 1,5 m war es außer-
ordentlich schwer, geeignete Schleppdampfer zu bauen.
Um die Binnenschiffahrt zu unterstützen, griff wiederholt die Gesetz-
gebung ein, indem den Kanalgesellschaften erlaubt wurde, ihre gesetzlich
festgelegten Tarife beliebig zu ändern und auf ihren Kanälen mit eigenen
Schiffen und eigenen Pferden das Frachtgeschäft zu betreiben, was bis dahin
verboten war. Im Jahre 1858 wurde auch der weitere Erwerb von Kanälen
durch Eisenbahngesellschaften und im Jahre 1863 der Abschluß von Betriebs-
verträgen, durch die sie Einfluß auf die Wasserstraßen erhielten, von der Ge-
nehmigung des Parlaments abhängig gemacht.
Nach dem amtlichen Nachweis des Handelsamts waren im Jahre 1888
folgende Wasserstraßen vorhanden:
Unabhängige
km
In der Hand
von
Eisenbahnen
km
Zusammen
km
In England u. Wales
> Schottland
> Island
3260
"3
826
1648
136
155
4908
249
981
zusammen
Es wurden LJ. 1888 befördert:
Millionen deutsche Tonnen . .
4199
28,7
1939
8,15
6138
36,85
(Aus dem Jahre 1870 standen keine Angaben zur Verfügung.)
»
Nordamerika. Es scheint wichtig, auch einen Blick auf Nordamerika
zu werfen, wo die Binnenschiffahrt in der Zeit vom Anfang des 19. Jahr-
hunderts bis zum Jahre 1870 einen bedeutenden Aufschwung genommen hat.
Wie bei der Erschließung aller neuen Erdteile bildeten zunächst, in Ermange-
lung von Landstraßen, die Ströme die wichtigsten Verkehrstraßen. Dazu
kamen nach dem glänzenden Erfolge Fultons im Jahre 1807 (S. 91) die Dampf-
schifie, die in Amerika schnell auf allen Wasserstraßen heimisch wurden. Im
Jahre 1812 sollen in Amerika schon 50 Dampfschiffe vorhanden gewesen und
auch das erste auf den Mississippi gekommen sein. Dieser Strom mit seinen
Nebenflüssen wurde 1822 von 70 und 1840 von etwa 1000 Dampfern be-
fahren. Neben Fulton haben sich besonders die beiden Ingenieure John und
154 Abschnitt II. Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Robert Stevens um die Entwicklung der amerikanischen Seitenraddampf-
schiffe verdient gemacht. Von ihnen wurde 1822 die Maschine mit oben
liegendem zweiarmigem Balancier eingeführt, die sich dort ziemlich unver-
ändert bis in die neueste Zeit erhalten hat. Es wurden damals mit diesen
Schiffen Geschwindigkeiten von 25 bis 30 km je Stunde erreicht*). Außer
diesen Seitenraddampfem wurden besonders für die kleineren Flüsse mit
schlechtem seichtem Fahrwasser auch Heckraddampfer gebaut, bei denen das
Heckrad durch lange hölzerne, außenbords liegende Schubstangen angetrieben
wurde. Diese Bauweise wurde auf dem Ohio allgemein üblich.
Auch der Schleppbetrieb wurde in Nordamerika sehr bald eingeführt,
da dort im Schiffahrtbetriebe weder alte Gewohnheiten und Überlieferungen,
noch besondere Vorrechte zu überwinden waren, wie in Europa. Sowohl im
Flußgebiet des Mississippi wie auf dem Hudson und anderen Strömen, die
in das Atlantische Meer münden, wurde dieser Betrieb schnell allgemein
üblich. Bei der Verwendung von Heckraddampfern wurden die, gewisser-
maßen zu einem großen Floß verbundenen^ verhältnismäßig kleinen Last-
schiffe durch den am hinteren Ende befestigten Dampfer geschoben.
Künstliche Wasserstraßen sind seit 1816 in großer Zahl in Nord-
amerika hergestellt worden. Die ersten wurden zunächst für kleine Schiffe
(bis 50 t) eingerichtet und bei wachsendem Verkehr und zunehmender Be-
völkerung des Landes erweitert oder umgebaut. Die später (etwa 1840) her-
gestellten Kanäle waren schon für Schiffe von 100 bis 150 t und darüber be-
stifnmt. Sie wurden zum Teil von den Einzelstaaten, zum Teil von Gesell-
schaften gebaut, die zuweilen durch Staat oder Gemeinde unterstützt wurden.
Auch trat häufiger Besitzwechsel ein.
Es sind in den Vereinigten Staaten drei größere Gruppen von Wasser-
straßen zu unterscheiden: die im Staate New- York, die von der atlantischen
Küste in das Kohlengebiet von Pennsylvanien führenden Straßen und die
Wasserstraßen im Ohio- und Mississippigebiet. Bei der ersten Gruppe handelt
es sich um die Verbindung von New- York durch den Hudson mit dem Erie-
und Ontariosee, um namentlich das Getreide aus dem Westen nach dem
Hafen von New-York zu bringen; die zweite Gruppe dient zur Beförderung
von Kohlen, Anthrazit u. dgl. nach den Häfen an der atlantischen Küste und
die dritte Gruppe verbindet das Kohlengebiet auf der Westseite des Alleghany-
gebirges mit den großen Seen und dem Mississippibecken.
Von den Kanälen im Staate New-York ist der Eriekanal am wichtigsten,
der den Hudson bei Albany mit dem Eriesee bei Buffalo verbindet. Im
Jahre 1796 begann eine unter Geoi^ Washingtons Leitung stehende Gesell-
schaft das Werk mit dem Aufstau und Ausbau der beiden Flüsse Mohawk
und Oneida für Schiffe von nur 16 t Tragfähigkeit. Der Staat übernahm 1816
i) Matschoß, Hundert Jahre Dampfschiffahrt. Zeitschr. d. V. D. I. 1907, S. 1286, wo
auch andere Quellen angeführt sind. Femer: Die Entwicklung der Dampfmaschine. Von dem-
selben Verfasser. Berlin 1908.
Teuieri, BinntHSchiffakri
Verlag -vca
zu S. 155
■m in Leipzig
5* Von der Erfindung des Dampfschiffs bis 1870. 155
das Unternehmen und vollendete bis zum Jahre 1825 die SchiffahrtstraDe, die
bei einer Länge von 583 km und 1,05 m Wassertiefe für Schiffe von 70 t einge-
richtet wurde. Später wurde sie wiederholt verbessert und bis 1862 so erweitert,
daß bei 2,1 m Wassertiefe Schiffe von 225 t verkehren konnten. Die Zahl
der Schleusen von 33,5 m Länge und 5,5 m Breite war 72, die Sohlenbreite
des Kanals 1 7 m. Die Fortbewegung der Schiffe erfolgte durch Pferde- oder
Maultiertreidelei in ähnlicher Weise wie in Frankreich. Der Weg von Buffalo
bis Albany wurde im Durchschnitt in 243 Stunden zurückgelegt. (Bei Tag- und
Nachtfahrt in etwa 1 1 Tagen ; Eilboote sollen nur 7 Tage gebraucht haben.)
An den Schleusen war nur ein Aufenthalt von etwa 10 Minuten, weil die
Durchschleusung selbst in 4 bis 8 Minuten bewirkt werden konnte. Von Al-
bany bis New-York wurden die Schiffe auf dem Hudson meistens in großen
Zügen (50 bis 80 Stück) durch starke Dampfer stromab geschleppt. Jedes
Schiff soll jährlich etwa 6 Reisen gemacht haben. Auf der 45 km langen
Scheitelstrecke wurde etwa um das Jahr 1870 Drahtseiltauerei eingeführt, die
sich aber nicht bewährt hat; ebensowenig der Betrieb mit Schleppdampfern.
An den Hauptkanal wurden noch 7 Zweigkanäle angeschlossen, von denen die
bedeutendsten der Oswegokanal und der Champlainkanal sind. Der erstere
verbindet mit 61 km Länge und 18 Schleusen den Hauptkanal bei Syrakuse
mit dem Ontariosee bei Oswego, während der zweite nahe bei der Einmündung
des Hauktkanals in den Hudson nach Norden abzweigt und mit 130 km Länge
und 32 Schleusen zum langgestreckten Champlainsee fuhrt. (Dieser See, der
wegen seiner geringen Wassertiefe (1,2 m) nur von kleineren Schiffen befahren
werden konnte, ist von der kanadischen Grenze aus durch den Chamblyka-
nal und den Richelieufluß mit dem Lorenzstrom bei Montreal verbunden.)
Der Erfolg des Eriekanals, der dem Hafen von New-York ein gewaltiges
Hinterland erschloß, war bedeutend: Die Beförderungskosten flir eine Tonne
Getreide von den großen Seen sanken von etwa 400 Mark auf 40 Mark. Damit
gewann dieser Hafen vor allen anderen an der atlantischen Küste einen großen
Vorsprung.
Der Güterverkehr auf dem Hauptkanal und den beiden erwähnten Zwelgkanälen war
schwankend.
Er betmg im Jahre
Hauptkanal . . Millionen Tonnen:
Oswegokanal . . » •
Champlainkanal . » »
Diese Angaben sind in englischen Tonnen (je 1016 kg) gemacht
Nachdem zwischen New-York und Buffalo zwei Eisenbahnlinien erbaut waren, ging
der größte Teil des gesamten Güterverkehrs allmählich auf diese über — trotz aller Verbesse-
rungen des Kanals und der Betriebsmittel und trotz der Herabsetzung der Kanalabgaben. Von
dem ganzen Güterverkehr zwischen diesen beiden Städten wurden in den Jahren 1856 bis 1860
im Durchschnitt 51,2 v. H. zu Wasser und 48,8 v. H. mit der Bahn befördert; dagegen war das
Verhältnis in der Zeit von 1868 bis 1872 schon 28,8 v. H. zu 71,2 v. H.'). Von 1880 ab ging
1837
1847
1857
1867
1871
1880
0,67
1,66
1,57
2,92
3,58
4,15
0,16
0,44
0,60
0,94
0,94
0,43
0,26
0,31
0,55
1,05
X,IO
1,20
i) Mosler, Die Wasserstraßen in den Vereinigten Staaten. Berlin 1877. Eger, Die
Binnenschiffahrt in Europa und Nordamerika. Berlin 1899.
156 Abschnitt U, Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
auch die Verkehrsmenge auf dem Kanal überhaupt zurück. Die Fracht kostete im Jahre 1872
mit der Eisenbahn je tkm etwa 4,1 Pfennig und zu Wasser 2,6 Pfennig; dabei bt aber der
Wasserweg (rund 800 km) um etwa 1 10 km länger, sodaß der ganze Frachtunterschied nicht er-
heblich war. (Die niedrigsten Frachtsätze waren infolge des zunehmenden Wettbewerbs im
Jahre 1895: 1,03 Pfennig auf der Eisenbahn und 0,42 Pfennig auf dem Wasserwege.)
Die von BufFalo beförderten Güter waren Getreide, Holz, Leder, Felle und Salz. Als Rück-
fracht waren nur Kohlen von Bedeutung. Infolge des Wettbewerbs der Eisenbahnen und der
Dampfschiffe aiif den großen Seen sind aber z. B. im Jahre 1871 nur 103820 t Kohlen
auf dem Kanal nach Buffalo befördert worden, während auf die beiden daneben laufenden Eisen-
bahnen etwa die vierfache Menge entfiel.
Das Kanalnetz in Pennsylvanien ist in den Jahren von 1816 bis 1840
entstanden. Zum Teil besteht es aus Seitenkanälen, zum Teil verbindet es
die Ströme Hudson, Delaware und Susquehanna mit einander. Der letztere
mündet nebst dem Potomak und dem Jamesflusse in die Chesapeakebucht
und durch diese sowie durch die Kanäle ist im Binnenlande eine wertvolle
Verbindung zwischen Richmond, Washington, Baltimore, Philadelphia und
New- York entstanden. Die pennsylvanischen Kanäle (etwa 680 km) sind sämt-
lich von den Bergwerkgesellschaften gebaut worden. Ihre Abmessungen
waren verschieden; doch hatten sie meistens Wassertiefen von 1,4 m bis
1,9 m und wurden mit Schiffen von 140 t bis 190 t, ausnahmsweise von 280 t
Tragfähigkeit befahren. Technisch bemerkenswert ist der 1825 bis 1833 er-
baute Morriskanal, bei dem an Stelle der Schleusen > geneigte Ebenen«
angewendet wurden. Der Güterverkehr auf den Kanälen war zum Teil be-
deutend und erreichte bei einzelnen 1,5 Millionen t. Als im Jahre 1841 die
erste Eisenbahn in das Kohlengebiet kam, ging der Wasserverkehr allmäh-
lich zurück. Die meisten Kanäle wurden von den Eisenbahngesellschaften
angekauft und in eigenen Betrieb (mit eigenen Schiffen und Pferden) genommen.
Die Hauptlinien von 560 km Länge, die 1857 von der Pennsylvania-Eisen-
bahngesellschaft gekauft worden waren, wurden im Jahre 1867 eine selbständige
Pennsylvania-Kanal-Gesellschaft.
Die Kanäle zwischen der Chesapeakebucht und New- York (z. B. der
Chesapeake-Delaware-Kanal und der Delaware-Raritan-Kanal) haben den Wett-
bewerb mit der Eisenbahn ausgehalten, weil sie größere Breiten, Wassertiefen
von 2 bis 2,7 m und wenige Schleusen hatten, so daß größere Schiffe mit
durchschnittlich 1 70 t Ladung verkehren konnten. Dort hat sich auch der
Dampfschleppbetrieb schnell und erfolgreich eingebürgert. Im Jahre 1872
entfielen z. B. von dem gesamten Güterverkehr zwischen New- York und Phila-
delphia 85 V. H. auf die Wassersraße.
Im Ohiogebiet, dessen Mittelpunkt Cincinnati war, entstand in den
Jahren 1825 bis 1835 eine Reihe von Kanälen zur Verbindung mit den großen
Seen, um namentlich Getreide auf diesem Wege nach den östlichen Seehäfen
zu befördern. Besonders zu erwähnen sind der Ohiokanal (507 km lang), der
von Portsmouth am Ohio nach Cleveland am Eriesee, der Miamikanal
(438 km), der von Cincinnati nach Toledo am Erisee, und der Wabash-Erie-
Kanal (300 km), der von dem Wabashflusse (Nebenfluß des Ohio) durch den
5. Von der Erfindung des DampfschifTs bis 1870. 157
Staat Indiana zu dem vorgenannten Kanäle bei Deiiance und somit gleich-
falls nach Toledo führte. Die beiden .ersten standen im Eigentum des Staats,
der letzte gehörte einer vom Staat unterstützten Gesellschaft. Alle diese
Kanäle haben seit der Erbauung der Eisenbahnen ihre Bedeutung vollkommen
verloren, zumal sie bei kaum 1,2 m Wassertiefe nur Schiffe von 65 t tragen
konnten. Einzelne Seitenkanäle wurden sogar zugeschüttet und zum Bau neuer
Eisenbahnlinien benutzt.
Erwähnenswert ist noch der von Chicago nach Lasalle am Illinois
führende Illinois-Michigan-Kanal (163 km), der in den Jahren 1836 bis
1848 in größeren Abmessungen (12,8 m Sohlenbreite, 1,8 m Tiefe und
16 Schleusen) erbaut ist und eine Verbindung von Chicago mit dem oberen
Mississippi und St. Louis herstellte. Es verkehrten dort Schiffe bis zu
1 70 t und man hat auch den Verkehr mit Dampfbooten versucht. Der Staat
Illinois übernahm den Kanal im Jahre 1871.
Auf den natürlichen Wasserstraßen hat die Binnenschiffahrt in
Nordamerika besonders im Mississippibecken bis 1870 den Wettbewerb mit
den Eisenbahnen gut überstanden. Der Kohlenversand von dem westlichen
Abhänge des AUeghanygebirges, von Pittsburg und dem Monongahelagebiet
durch den Ohio zum Mississippi und auf diesem abwärts bis New-Orleans
(etwa 3360 km) hatte schon bis 1870 einen ganz bedeutenden Umfang er-
reicht. (Diese Stadt hat im Jahre 1875 von dort etwa 2,5 Millionen t Kohlen
erhalten und auf dem Ohio sollen 1873 im ganzen 1,875 Millionen t Kohlen
verschifft sein.)
Der für die Schiffahrt wichtigste Nebenfluß des Ohio ist der bei Pitts-
burg einmündende, künstlich aufgestaute Mono ngahela. Im Jahre 1836 be-
gann eine Gesellschaft mit den Arbeiten zur Schiffbarmachung. Später hat die
Bundesregierung das Unternehmen zu Ende gefuhrt. Es ist eine Flußstrecke
von 163 km in 9 Stufen aufgestaut und eine Wassertiefe von 1,8 m erreicht
worden. Die Schleusen haben 76 m Länge und 17 m Breite und die Last-
schiffe (bis zu 600 t Tragfähigkeit) wurden durch Schleppdampfer fortbewegt.
Der Verkehr hat sich gut entwickelt. Es wurden befördert in den Jahren:
1845 1855 1865 1870
Millionen t Kohlen: 0,19 0,90 1,60 2,34
Der Wettbewerb der Eisenbahn hat diesen Verkehr mithin nicht geschädigt.
An Schiffahrtabgaben wurden im Jahre 1870 etwa 430000 Mark vereinnahmt.
Im übrigen bestehen auf den offenen natürlichen Wasserstraßen in
Amerika keinerlei Abgaben und die Schiffahrt wird auch nicht, wie in
Europa, durch Mühlenstaue behindert. Die Schiffe auf dem Ohio und auf dem
Mississippi waren meistens etwa 40 m lang, 7,3 m breit, 2,25 m hoch und
hatten eine Tragfähigkeit von 400 bis 500 t. Die größeren Lastschiffe, bis zu
55 m Länge und 8,5 m Breite mit Tragfähigkeiten von 800 bis 1000 t, wurden
in der Regel nur für eine einmalige Talfahrt bis New-Orleans aus leichtem
Fichtenholz gebaut und am Ende der Reise verkauft oder zerschlagen.
158 Abschnitt IL Geschichtlicher Rückblick bis 1870.
Die Fracht von Pittsburg bis New-Orleans (etwa 3200 km) betrug um die
Mitte der siebziger Jahre im Durchschnitt 4 Mark je t, also o, 1 25 Pfennig je tkm.
Bis zum Jahre 1880 sind in den Vereinigten Staaten, einschließlich 768 km aufgestauter Flusse,-
im ganzen 8301 km künstliche Wasserstraßen hergestellt worden. Davon wurden 3125 km wieder
voUstSndig aufgegeben und zum Teil zugeschüttet, sodaß nur 5176 km im Betrieb geblieben sind.
In Kanada wird die Hauptwasserstraße von dem Lorenzstrom gebildet
und von den mit ihm zusammenhängenden großen Seen, die bis Duluth
im äußersten Westen 3820 km lang ist. Die unterste Strecke von Quebec
bis Montreal ist seit 1844 allmählich bis auf 8,3 m vertieft und eine See-
wasserstraße geworden. Von Montreal aufwärts bis zum Ontariosee sind die
Stromschnellen durch 7 Seitenkanäle von 70 km Länge mit 27 Schleusen von
82 m Länge und 13,6 m Breite, und der Niagarafall zwischen dem Ontario-
und dem Eriesee ist durch den 43,5 km langen Wellandkanal mit 26 Schleusen
von gleichen Abmessungen umgangen worden. Diese Wasserstraße wurde
in den Jahren 1824 bis 1833 von einer Gesellschaft hergestellt und 1841 von
der Regierung übernommen. Ursprünglich waren die Kanäle mit einer Wasser-
tiefe von 2,4 bis 2,7 m angelegft; sie sind allmählich weiter vertieft, bis zu
4,27 m im Jahre 1888, sodaß jetzt Schiffe von 1500 t Tragfähigkeit darauf
verkehren können.
Auch in den großen Seen wurde das Fahrwasser ursprünglich sowohl in
Kanada wie in den Vereinigten Staaten nur mit einer Tiefe von 2,8 m her-
gestellt und unterhalten; seit 1857 ist es allmählich bis auf 6 m vertieft worden.
Der Schiffahrtbetrieb hat jetzt fast alle Eigenschaften der Seeschiffahrt.
Die Verbindung zwischen dem Oberen See und dem Huronsee bei Sault
St. Marie hatte bei 1,2 km Länge ein Gefalle von 5,3 m und war daher ein
bedeutendes Schiffahrthindernis. Zur Umgehung wurde von der Regierung
der Vereinigten Staaten 1855 ^^^ 2,4 km langer Kanal mit einer Koppel-
schleuse von 106,4 ni Länge, 22,9 m Breite und 3,5 m Tiefe angelegt.
Bei dem bedeutenden Verkehr und der wachsenden Größe der SchifTe genügte diese Schleuse
bald nicht mehr und wurde 1881 durch eine neue von 157 m Länge, 24,4 m Breite und 4,9 m
Tiefe ersetzt. Im Jahre 1895 wurde eine dritte Schleuse von 244 m Länge, 30,5 m Breite und
6,4 m Wassertiefe erbaut Zu gleicher Zeit wurde auch auf dem kanadischen Ufer ein 1,2 km
langer Kanal mit einer Schleuse von 275 m Länge, 18,3 m Breite und 6,1 m Wassertiefe gebaut,
sodaß zurzeit außer der ersten beseitigten Schleuse noch deren 3 vorhanden sind. Der Verkehr
ist dort ganz bedeutend: Im Jahre 1909 fuhren durch beide Kanäle 13570 Schiffe mit etwa
60000 Fahrgästen und 59 MilUonen t Güter. Von den letzteren entfielen 30,6 Millionen auf die
Vereinigten Staaten und 28,4 Millionen auf Kanada. Im Jahre 1889 war der gesamte Güterver-
kehr nur 7,5 Millionen t. Die Wasserstraße ist jährlich 4 bis 5 Monate lang durch Eis gesperrt.
Abgaben werden nicht erhoben.
Die anderen Kanäle in Kanada am Ontariosee und am Lorenzstrom sind meistens nach
1870 erbaut und für Schiffe bis su 690 t Tragfähigkeit eingerichtet, die entweder mit eigener
Dampf kraft fahren oder geschleppt werden. Sie haben Wassertiefen von 1,5 bis 2,7 m. Außer
dem schon erwähnten (S. 155) Chamblykanal sind der 202 km lange Rideaukanal, die Ottawa-
kanäle und die Trentkanäle zu nennen. Alle kanadischen Wasserstraßen gehören dem Staate.
Durch den Wellandkanal wurden an Gütern befördert:
im Jahre
1867
1872
1882
1892
1896
Millionen t:
0,93
1,33
0,79
0,95
1,28
Abschnitt IIL
Die Förderung der Binnenschiffahrt durch Vereine
und Kongresse.
Etwa im Jahre 1870 waren die wichtigsten Eisenbahnlinien in Mittel-
europa gebaut. Wenn man untersucht, welchen Einfluß die Einführung der
Dampfschiffahrt und der Eisenbahnen bis zu diesem Zeitpunkt auf die Binnen-
schiflahrt ausgeübt haben, bemerkt man leicht, daD dieser Einfluß auf den
natürlichen Wasserstraßen ein anderer war, als auf den Kanälen. Die Dampf-
schiffahrt hat auf allen natürlichen Wasserstraßen, so weit sie ihr zu-
gänglich waren, einen kräftigen Aufschwung der Schiffahrt herbeigeführt. Mit
der Eröffnung der Eisenbahnen ging der Verkehr zunächst überall insoweit
zurück, als die Beförderung von Personen und von besonders wertvollen
Gütern aufhörte, weil die Wasserstraße in bezug auf Schnelligkeit, Sicherheit
imd Pünktlichkeit hinter den gesteigerten Ansprüchen zurückblieb. Im übrigen
hat die Binnenschiffahrt nur dort den Wettbewerb mit den Eisenbahnen er-
folgreich ausgehalten, wo Massengüter zur Beförderung vorhanden waren und
wo sie bei genügend tiefem oder mindestens genügend breitem Fahrwasser
durch Einstellung g^rößerer Schiffe und Einrichtung eines zweckmäßigen
Schleppbetriebs ihre Selbstkosten vermindern und mithin die Frachten her-
absetzen konnte. Auf diesen Wasserstraßen verdankt die Schiffahrt ihren
Aufschwung und die Fortschritte in ihrem Betriebe gewissermaßen den Eisen-
bahnen. Das trifft in Deutschland unbedingt auf den Rhein (mit Ausnahme
des Oberrheins) und die Elbe zu, vielleicht in gewissem Sinne auch auf die
Havel, die untere Oder und den unteren Pregel, also auf den Nahverkehr
bei den großen Städten Berlin, Stettin, Königsberg. Auf den anderen Strömen
hörte die Schiffahrt entweder ganz auf, wie auf dem oberen Rhein und der
oberen Donau, oder sie wurde sehr unbedeutend, wie auf Neckar, Main,
Mosel, Weser, Warthe und Netze.
Anders war es bei den Kanälen. Dort hat die Erfindung des Dampf-
schiffs keine Veränderung des Betriebs und des Erfolgs herbeiführen können,
höchstens durch Heranschleppen der Kanalschiffe aus den benachbarten offe-
nen Strömen. Die in England und in Amerika oft angestellten Versuche,
auf den verhältnismäßig schmalen Kanälen mit Dampfbooten zu schleppen,
führten im allgemeinen zu keinen wirtschaftlichen Erfolgen. Die Beschädi-
gungen der Kanalufer und der Kanalsohle waren außerdem so bedeutend.
130 Abschnitt III. Die Förderung der Binnenschiffahrt
daß die Versuche bald eingestellt wurden. Bei der Einfuhrung der Eisen-
bahnen zeigte es sich bald, daß im allgemeinen die Kanalschiffahrt mit Fahr-
zeugen von weniger als etwa loo t Tragfähigkeit nicht mehr wirtschafdich
war. Die mit so kleinen Abmessungen gebauten Kanäle in England und
Amerika wären auch ohne den gewaltsamen Eingriff der Eisenbahngesell-
schaften wettbewerbsunfähig geworden. In Deutschland zeigte sich das z. B.
beim Klodnitzkanal und beim Stecknitzkanal, während der Rückgang auf dem
Ludwigkanal mehr auf das mangelhafte Fahrwasser in den anschließenden
Stromstrecken zurückzuführen ist. Andere Kanäle hingegen, deren Bauwerke
und Abmessungen eine Vergrößerung der Schiffe bis zu Tragfähigkeiten von
150 t und mehr zuließen, haben zwar durch die Eisenbahnen einen Teil ihrer
wertvollen Güter verloren und zeitweilig eine gewisse Verkehrsabnahme ge-
zeigt, später aber mit Erfolg den Wettbewerb ausgehalten. Das zeigt sich
z. B. bei den meisten preußischen Kanälen in der Mark und bei den fran-
zösischen Kanälen.
Bei den durch Wehre aufgestauten und nur durch Schleusen zugäng-
lichen Strecken der natürlichen Wasserstraßen konnte eine Vergfrößerung der
Schiffe meistens nicht eintreten und auch die Tauchtiefe konnte nicht ver-
mehrt werden, weil zwischen den Stauwerken gewöhnlich noch Gefallstrecken
von ungenügender Wassertiefe lagen. Aus diesem Grunde hörte z. B. der
große Verkehr auf der Ruhr fast vollständig auf und ähnlich lagen die Ver-
hältnisse bei der Lahn, der Lippe und der Ems. Die Schleusen in der
Havel und Spree hatten dagegen verhältnismäßig große Abmessungen und
waren für die Vergrößerung der Schiffe damals kein Hindernis.
Es muß darauf hingewiesen werden, daß diese genannten Flüsse im allgemeinen nicht zum
Zweck der Schiffahrt künstlich aufgestaut (kanalisiert] waren. Die Schleusen waren vielmehr
nur zur Überwindung der Mühlenstaue angelegt. Ebenso lagen die Verhältnisse an der Saale
und der oberen Oder. Der künstliche Aufstau der Flüsse zum Zweck der Schiffbarmachung,
also der Einbau von Wehren und Schleusen in bestimmten Abständen, hat im allgemeinen in
Deutschland erst nach dem Jahre 1870 begonnen (Brahe, obere Netze, unterer Main, obere
Oder, Fulda usw.). Einzelne Zwischenstufen wurden allerdings schon früher, z. B. an der Saar,
der Ems, der oberen Havel, der Netze und den mecklenburgischen Wasserstraßen ausgeführt.
Bemerkenswert ist femer, daß kurze Wasserstraßen oder kurze Zweige (Nebenflüsse) von
großen Wasserstraßen, wo beim Übergange zur Hauptwasserstraße ein Umladen der Güter auf
andere Schiffe nötig war, den Wettbewerb der Eisenbahn nicht aushalten konnten. In früheren
Jahrhunderten ^S. 24) war das Umladen von geringer Bedeutung; in der Zeit der Eisenbahnen
wurden aber bei den höheren Arbeitslöhnen die Kosten des Umladens oft für die Feststellung
der Frachten ausschlaggebend und bei kurzem Wasserwege war die Beförderung durch die
Eisenbahn oft billiger.
Die Einwirkung der Eisenbahnen auf die Binnenschiffahrt war gewaltig.
Die öfTentliche Meinung, namentlich der Handelswelt, verfolgte die Entwicke-
lung des Eisenbahnnetzes mit größter Aufmerksamkeit und hielt im all-
gemeinen die volkswirtschaftliche Bedeutung der Binnenschiffahrt, die seit
Jahrhunderten den Güterverkehr vermittelt und auch durch den Bau der
KunststraOen ihre Bedeutung nicht verloren hatte, jetzt für erloschen. Auch
die Staatsregierungen und Landesvertretungen schlössen sich mehr oder
durch Vereine und Kongresse. 161
minder dieser Ansicht an. Auf der anderen Seite gab es aber namentlich
in Deutschland eine große Zahl von weiterschauenden Männern, besonders
von Vertretern der Industrie, der Volkswirtschaft und des Ingenieurwesens,
die in Anbetracht des damals beginnenden großen wirtschaftlichen Auf-
schwui^s überzeugt waren, daß die Eisenbahnen den Anforderungen von
Handel und Verkehr in bezug auf Billigkeit der Güterbeförderung auf die
Dauer nicht genügen würden. Sie waren der Meinung, daß die Binnen-
schiffahrt auch in Zukunft im Verkehrsleben ein wichtiges Glied bleiben
würde.
Am i8. Juni 1869 erließen 32 solche Männer, an deren Spitze Friedrich
Harkort stand, einen Aufruf zur Bildung des >Zentralvereins für Hebung^
der deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt«. Dieses Vorgehen hatte
Erfolg. Bei der ersten im Oktober d. J. abgehaltenen Hauptversammlung in
Berlin waren schon 825 Mitglieder, darunter 51 Magistrate, Handelskammern
und andere Körperschaften dem Verein beigetreten. Die nächstliegende Auf-
gabe war die Umstimmung und Aufklärung der öffentlichen Meinung über
den wirtschaftlichen Wert und die Bedeutung der Binnenschiffahrt. Das wurde
erstrebt durch Vorträge und Verhandlungen in dem monatlich in Berlin zu-
sammentretenden Großen Ausschuß und in Wanderversammlungen, femer
durch die Tagespresse und durch besondere Druckschriften. Außerdem
wurden Zweigvereine gegründet, die sich über ganz Norddeutschland aus-
dehnten und überall die Beteiligten zu gemeinschaftlichem Vorgehen in gleichem
Sinne vereinten. Aus der Erkenntnis des Werts der Binnenschiffahrt folgte
das Bestreben zur Verbesserung und Vermehrung der natürlichen und künst-
lichen Wasserstraßen, zur weiteren Ausbildung der Betriebs- und Fortbewegungs-
einrichtungen, zur Verbesserung der Fahrzeuge, zur Hebung des Schiffer-
standes usw. Viele Mitglieder, die den Landesvertretungen angehörten,
sorgten auch in diesen bei passenden Gelegenheiten für die Verbreitung ihrer
Überzeugung. Diese Bestrebungen hatten guten Erfolg: Auch Bismarck stimmte
ihnen zu und der Generalfeldmarschall Graf von Moltke nahm z. B. selbst an
einer Ausschußsitzung teil, als über die Frage des Nord-Ostsee-Kanals ver-
handelt wurde. Der Verein gewann bald ein großes Ansehen in Deutsch-
land. Die Landesregierungen ersuchten ihn öfters um Gutachten in Sachen
der Binnenschiffahrt und zogen ihn bei Beratungen über solche Fragen hinzu.
Die gedruckten Niederschriften über die Verhandlungen in den Sitzungen
wurden seit 1882 durch andere wertvolle Aufsätze erweitert und als »Mit-
teilungen des Zentral vereinst an alle Mitglieder versandt. Im Jahre 1894
wurden die Drucksachen in die Form einer monatlich zweimal erscheinenden
»Zeitschrift für Binnenschiffahrt« umgewandelt, die im Buchhandel erscheint
und auf diese Weise auch fernerstehende Kreise über alle wichtigen Vor-
gänge auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt unterrichtet. Gelegentlich einer
Änderung der Satzung wurde der Namen des Vereins im Jahre 1908 in
»Zentral verein für deutsche Binnenschiffahrt« umgeändert. Im Jahre 19 10
Teubert, BinnenschifTahrt. II
162 Abschnit IIL Die Förderung der Binnenschiffahrt
gehörten zu ihm: 13 Zweigvereine, etwa 230 körperschaftliche Mitglieder
(darunter 80 Stadtverwaltungen und 68 Handelskammern) und etwa 800 Ein-
zelmitglieder.
Außer den Zweigvereinen entstanden in Deutschland noch eine Reihe
selbständiger Vereine mit gleichen Zielen. Hervorzuheben ist der im Jahre
1892 gegründete »Verein fiir Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt in Baiernc
mit dem Sitze in Nürnberg, der sich des besonderen Wohlwollens des Prinzen
Ludwig von Baiern erfreut. In Osterreich entstanden schon früher der Elbe-
verein in Aussig und der Donauverein in Wien. Der letztere nahm später
den Namen »Zentralverein für Fluß- und KanalschifTahrt in Osterreichc an.
Daß auch die Fresse zur Unterstützung der Bestrebungen des Zentral-
vereins herangezogen wurde, ist schon erwähnt worden. Besonders ist hier
die Wochenschrift »Das Schiff« zu nennen, die im Jahre 1880 von Dr. von
Studnitz in Dresden begründet wurde, seit mehreren Jahren aber in Berlin
erscheint. Das von den meisten an der Binnenschiffahrt in Deutschland be-
teiligten Behörden, Gesellschaften und Einzelpersonen gelesene Blatt hat zur
Verbreitung aller bemerkenswerten Vorgänge und Ereignisse auf diesem Ge-
biete und damit zur Förderung der Binnenschiffahrt in anerkennenswerter
Weise mitgewirkt.
Andererseits haben die geschUderten, erfolgreichen Bestrebungen auch
einen gewissen Gegendruck hervorgerufen. Sie wurden namentlich aus den
der Eisenbahn nahestehenden Kreisen in Wort und Schrift bekämpft, indem
behauptet wurde, daß die Eisenbahnen ebenso wohlfeil befördern könnten,
wie die Wasserstraßen und daß der Bau neuer Kanäle unwirtschaftlich wäre,
weil sie die Kosten nicht einbringen").
Auch diese Gegenschriften, wenn man sie so nennen darf, dienten zur
Klärung der Wasserstraßenfrage, indem sie sie von einem anderen Stand-
punkte aus untersuchten und zur Widerlegung der angeführten Beweisgründe
Veranlassung gaben.
Von gfroßer Bedeutung für die Entwicklung der Binnenschiffahrt wurden
die internationalen Schiffahrtkongresse. Sie verdanken ihre Ent-
stehung einer im Jahre 1884 abgehaltenen Wanderversammlung des West-
deutschen Fluß- und Kanalvereins, wo in einer Sitzung in der Börse von
Bremen der belgische Ingenieur Gobert auf die Zweckmäßigkeit des inter-
nationalen Gedankenaustausches hinwies. Da sein Vorschlag den Beifall der
anwesenden deutschen, belgischen und holländischen Teilnehmer fand, be-
mühten sich Gobert und die in Brüssel, in Brügge, in Löwen und in Mecheln
bestehenden Vereinigungen zur Hebung der Binnenschiffahrt und zur Her-
stellung von Seekanälen die belgische Regierung dafür zu erwärmen. Sie er-
reichten das gewünschte Ziel: Der Minister für Landwirtschaft, Gewerbe und
öffentliche Arbeiten, v. Moreau, unterbreitete dem König Leopold 11. einen
i) Wir erwähnen: v. Nördling, Die Selbstkosten der Eisenbahn -Transporte und die
Wasserstraßen-Frage, Wien 1885 und Ulrich, Staffeltarife und W^asserstraßen, Berlin 1894.
durch Vereine nnd Kongresse. 163
entsprechenden Antrag und dieser erklärte sich mit der Einladung zu einem
internationalen Binnenschiffahrtkongresse nach Brüssel einverstanden.
So trat der erste Kongreß im Mai 1885 in dieser Stadt zusammen. Der
zweite Kongreß wurde im Jahre 1886 in Wien abgehalten, der dritte 1888
in Frankfurt a. M., der vierte 1890 in Manchester, der fünfte 1892 in Paris,
der sechste 1894 im Haag, der siebente 1898 wieder in Brüssel, der achte
1900 gelegentlich der Weltausstellung wieder in Paris, der neunte 1902 in
Düsseldorf, der zehnte 1905 in Mailand und der elfte 1908 in St. Petersburg.
Der zwölfte wird 19 12 in Philadelphia, in Nordamerika, zusammentreten. Die
ersten 6 Kongresse haben sich nur mit der Binnenschiffahrt beschäftigt').
Im Haag wurde im Jahre 1894 jedoch beschlossen, auch die Seeschiffahrt
aufzunehmen. Die daran zunächst beteiligten Kreise hatten bereits in den
Jahren 1889 in Paris und 1893 in London internationale Kongresse veran-
staltet, hegten aber den Wunsch, sich mit der Binnenschiffahrt zu gemein-
samer Tätigkeit zu verbinden. Der siebente Kongreß in Brüssel vereinigte
daher zum ersten Male beide Arten von Schiffahrt und führte ebenso wie
die folgenden den Namen »internationaler Schiffahrtkongreß«. Die Ein-
ladungen an die einzelnen Staaten und alle an der Schiffahrt beteiligten
Kreise und Personen wurden in der Regel durch Vermittelung einer soge-
nannten Organisationskommission von den betreffenden Staaten, Handelskam-
mern oder Städten erlassen, in Manchester au^ahmsweise von der Direktion
des Manchester-Seekanals. Diese trugen auch im allgemeinen die Kosten
des Kongresses, soweit sie nicht durch die Beiträge der Teilnehmer gedeckt
wurden. Die Beteiligung war von vornherein eine große und stieg immer
mehr: Die Zahl der Teilnehmer am ersten Kongresse war 376, sie stieg beim
fünften Kongresse schon auf nahe 1000 und überschritt diese Grenze weiter-
hin noch um mehrere Hunderte*). Fast alle an der Schiffahrt beteiligten
Kulturstaaten der Welt, einschließlich China und Japan, haben allmählich
durch Absendung von Vertretern ihre Teilnahme an den Bestrebungen der
Kongresse bewiesen.
Die große Teilnehmerzahl war später in gewisser Weise nachteilig, weil die
Veranstaltungen zur Aufnahme des Kongresses mühevoller und kostspieliger
wurden und die persönliche Bekanntschaft und der mündliche Gedankenaustausch
zwischen den Teilnehmern aus den verschiedenen Ländern erschwert wurde.
In dem Verlauf der einzelnen Kongresse entwickelte sich schnell eine gewisse Regelmäßig-
keit Die Dauer war gewöhnlich eine Woche. Zur Eröffnung und zum Schlüsse wurden Voll-
versammlungen und dazwischen Abteilungssitzungen abgehalten, in denen über die einzelnen
Fragen beraten wurde. Die Beschlüsse der Abteilungen wurden in der Schlußsitzung vorgetragen
und dort endgültig verabschiedet. Mit diesen Verhandlungen waren bei einer Reihe von Kon-
i) Weber von Ebenhof berichtet über die ersten 6 Kongresse ausführlich in dem
Buche »Bau, Betrieb und Verwaltung der natitrlichen und künstlichen Wasserstraßen auf den
internationalen Binnenschißahrtkongressen«. Wien 1895.
2) Von den auswärtigen Gästen entfiel die Mehrzahl gewöhnlich auf Deutschland und
Frankreich.
II*
164 Abschnitt m. Die Förderung der Binnenschiffahrt
gressen lehrreiche Ausstellungen aus dem Gebiet der Schiffahrt verbunden and außerdem wurden
Ausflüge veranstaltet, bei denen die auswärtigen Teilnehmer Gelegenheit fanden, die Wasser-
straßen des Landes und den Schiffahrtbetrieb kennen zu lernen.
Den wichtigsten Teil des Kongresses bildeten die Beratungen in den Abteilungen, von
denen anfangs vier bis fünf, sp&ter jedoch nur zwei (für Binnenschiffahrt und für Seeschiffahrt)
eingerichtet wurden. Auch die Zahl der zu behandelnden Fragen wurde allmählich vermindert
(von i8 auf 6), wodurch die Beratungen eingehender und die Ergebnisse wertvoller wurden.
Die Aufstellung dieser Fragen lag in der Regel in den Händen der Organisationskommission,
die dabei die von den früheren Kongressen ausgesprochenen Wünsche berücksichtigte. Dann
wurden in den besonders an den Kongressen beteiligten Ländern geeignete Sachverständige ge-
beten, Berichte <] zu verfassen und der Kommission einzusenden, die für die Übersetzung in die
Kongreßsprachen (deutsch, französisch und englisch), für die Drucklegung und für die Verteilung
an die angemeldeten Teilnehmer schon einige Wochen vor dem Beginn der Versammlung soj^te.
Auf diese Weise kam man vorbereitet in die Abteilungsitzungen und es genügte vor dem Ein-
tritt in die Beratungen, wenn die Berichterstatter aus ihren Arbeiten kurze Auszüge mitteilten.
Seit dem Düsseldorfer Kongresse (1902) wurde eine Verbesserung dieses Verfahrens eingeführt,
indem für jede Frage vor Beginn des Kongresses von der Organisationskommission ein General -
berichterstatter berufen wurde. Dieser stellte das Ergebnis der aus den verschiedenen Ländern
eingelaufenen Berichte in sachlicher Weise zu einem kurzen Generalbericht zusammen, der wie-
derum in die drei Kongreßsprachen übersetzt, gedruckt und vor dem Kongreß den Teilnehmern
zugestellt wurde. Indem allein der Generalberichterstatter in der Abteilungsitzung seinen Bericht
vortrug und Vorschläge für die zu fassenden Beschlüsse machte, wurde das Verfahren wesentlich
und ohne Schaden für die Sache vereinfacht. In Düsseldorf wurden auch zuerst neben den
wenigen Fragen, deren Beantwortung die Hauptaufgabe des Kongresses bildete, die sogenannten
»Mitteilungen« eingeführt Das waren in gleicher Weise angefertigte Berichte über Gegenstände
von augenblicklich geringerer Wichtigkeit oder über Beobachtungen, die von Einzelnen auf
Sondergebieten gemacht waren. Über diese Mitteilungen wurden später in gleicher Weise Ge-
neralberichte zusammengestellt und im Kongresse zur Beratung gestellt, soweit die Zeit dazu aus-
reichte. Es wurden darüber jedoch keine Beschlüsse gefaßt.
Die Veranstaltung der Kongresse durch stets neu einzusetzende Organi-
sationkommissionen hatte sich als umständlich und unzweckmäßig herausge-
stellt und es wurde auf dem zweiten Brüsseler Kongreß 1898 ein Ausschuß
eingesetzt, der untersuchen sollte, ob sich nicht eine dauernde Kommission
einrichten ließe. Auf dessen Vorschlag wurde von dem zweiten Pariser Kon-
gresse im Jahre 1900 beschlossen, eine »ständige Kommission der Schiffahrt-
kongresse € mit dem Sitz in Brüssel und gleichzeitig einen »internationalen
ständigen Verband der Schiffahrtkongresse« (Association internationale per-
manente des congr^s de navigation) zu schaffen. Dieser Verband setzt sich
nach den im Jahre 1902 in Düsseldorf festgestellten Satzungen aus den Ver-
tretern der Staaten imd Körperschaften, die einen jährlichen Beitrag zahlen,
und den persönlich beigetretenen Mitgliedern zusammen, die an Stelle des
Kongreßbeitrags von 25 Francs nunmehr einen fortlaufenden jährlichen Bei-
trag von 10 Francs zahlen und dafür alle Drucksachen des Verbandes er-
halten. Die Leitung des Verbandes liegt in der Hand der erwähnten stän-
digen Kommission, die aus etwa 50 Vertretern der meistbeteiligten Staaten
besteht und für die Einberufung und die obere Leitung der Kongresse sowie für
die Aufstellung der Fragen sorgt. Die Beschlüsse dieser mindestens alljährlich
zusammentretenden Kommission werden durch ein ständiges Bureau und einen
i) Es wurde auch nötig, die Zahl der Berichte zu vermindern, die allmählich beinahe
hundert erreicht hat.
durch Vereine und Kongresse.
165
GeschäftsausschuO in Brüsser) ausgeführt, die auch die laufenden Verbands-
geschäfte besorgen. Für die Dauer eines jeden Kongresses wird außerdem
eine örtliche KongreOIeitung mit den erforderlichen Ausschüssen bestellt
Lfde.
Nr.
I
2
3
4
5
6
7
8
9
lo
II
12
»3
14
»5
i6
17
i8
»9
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
3«
32
33
34
3S
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
Beteiligte Staaten
Betrag der jährlichen
Beihilfe der Regierung
Geldsorte
des Landes
Francs
Deutschland
Belgien
Frankreich
Vereinigte Staaten. . . .
Rußland
Japan
Italien
Niederlande
Österreich .......
Spanien
Portugal
Großbritannien
Argentinien
Brasilien
Ungarn
Schweden
Rumänien
Dänemaric
Norwegen
Kanada .
Chile
Mexiko
China
Belgisch Kongo
Peru
Schweiz
Uruguay
Bulgarien
Algerien
EuTop. Donau Kom. . . .
Ekuador
Griechenland
Int. Suez-Kanal-Gesellsch.
Türkei
Serbien
Monako
Franz. West-Afrika . . .
Indochina
Persien
Slam
Tunis
Brit. Indien
Nied. Indien
Neuseeland
Kapkolonie
Ägypten .
Marokko
4000 Mark
locx) Dollar
2000 Yen
2500 Lire
1200 Gulden
2000 Kronen
2000 Kronen
750 Kronen
5000
80CX)
5000
5 000
7000
5090
2500
2 500
2080
3000
3 000
2500
2000
2000
2080
I 250
I 500
I 000
I 070
I 000
I 000
I 000
I 000
I 000
I 000
250
500
500
500
500
500
500
500
250
250
250
250
250
250
250
250
Beiträge
der
Körper-
schaften
Francs
73320
5285
1300
4520
500
350
20
1 080
420
590
150
30
50
20
HO
310
200
10
270
100
10
10
15325
Beiträge
der
Mitglieder
Francs
2 790
2 190
1870
2 760
550
130
1 320
870
920
270
100
450
640
190
90
320
90
340
30
30
30
20
160
20
20
40
20
20
70
10
20
10
10
10
16 400
Gesamt-
betrag
nach
Ländern
Francs
13075
II 490
II 390
8260
7900
5240
4900
3780
3590
3420
3130
3000
2660
2300
2 170
1870
1590
1540
1 100
1030
1030
I 020
I 010
I 000
I 000
680
620
520
500
500
500
500
500
290
270
270
250
250
250
250
250
80
20
20
10
10
10
105 045
I) Der Generalsekretär dieses Ausschusses war viele Jahre lang, bis 1910, der Ingenieur
en chef, Directeur des ponts et chauss^es, A. Dufourny.
166 Abschnitt XII. Die Fördenmg der Binaenschifiahrt
Nach diesen neuen Einrichtungen sind bereits die Kongresse in Mai-
land und St. Petersburg abgehalten worden. Der Verband hat sich sehr gut
entwickelt. Die Zahl der persönlichen Mitglieder betrug im Jahre 1911 schon
1640. Im übrigen gibt die vorstehende Zusammenstellung einen Überblick
über die Beteiligung in diesem Jahre.
Man sieht aus dieser Zusammenstellung, wie fast alle Staaten der Welt
jetzt an diesen Kongressen beteiligt sind. Daß von den wichtigsten Kultur-
staaten vorwiegend dabei die Binnenschiffahrt gefördert werden soll, ergibt
sich daraus, daß auf allen Kongressen die bei weitem größere Zahl der Teil-
nehmer dieser ersten Abteilung angehörten^).
Der Erfolg der Kongresse ist nicht gerade in den Beschlüssen, sondern
vielmehr in den vorgelegten Berichten und den darüber gepflogenen Bera-
tungen zu finden. Es ist selbstverständlich, daß die Beschlüsse meistens nur
ganz allgemein gehalten werden konnten. Wenn z. B. die Frage der Zweck-
mäßigkeit von Abgaben auf Kanälen behandelt wird, so hat es keinen Sinn^
wenn der Kongreß einfach mit ja oder nein entscheidet; denn in jedem Lande
sind die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse andere. Der Wert der
Verhandlungen liegt vielmehr darin, daß in den Berichten die Einrichtungen
und die gemachten Erfahrungen in den verschiedenen Ländern mitgeteilt und
ihre Vorzüge und Nachteile bei der Beratung miteinander verglichen werden,
so daß jeder für sein Vaterland daraus die entsprechenden Folgerungen ziehen
kann. Der größte Teil der in den Kongressen vorgelegten Berichte ist darum
für die Entwicklung der Binnenschiffahrt von erheblichem Wert und sie werden
in den folgenden Teilen dieses Buches an entsprechender Stelle berücksichtigt
werden. Doch scheint es zweckmäßig, die wichtigsten Fragen und Berichte
hier kurz aufzuführen, soweit sie allein die Binnenschiffahrt betreffen*).
Der erste Kongreß in Brüssel war gewissermaßen vorbereitend. Von den vielen auf-
gestellten Fragen kamen nur wenige zur Verhandlimg und noch weniger zu einer Entscheidung.
Das lag an der Neuheit der Sache. Es fanden aber beachtenswerte Beratungen über das Ver-
hältnis von Schleusen zu Hebewerken statt und es wurde femer der Wunsch ausgesprochen, daß
durch Versuche die zweckmäßigsten Betriebsarten für den Schiffzug auf Kanälen erforscht werden
möchten.
Der zweite Kongreß in Wien war in einigen Beziehungen grundlegend. Das zeigen die
Fragen: Welches ist der wirtschaftliche Wert der Wasserstraßen ? (Bericht vonSympher), Fest-
stellung der Normalprofile fUr Kanäle und Dimensionierung (Abmessung) der Bauwerke auf Bin-
nenwasserstraßen (Schlichting) und Organisierung (Einrichtung) des Binnenschiffahrtbetriebs
(Schromm).
Vom dritten Kongreß in Frankfurt a. M. sind folgende Fragen zu erwähnen: Vervoll-
kommnung der Statistik des Binnenschiffahrtverkehrs (Dr. von Studnitz); Verbesserung der
Schiffbarkeit der Flüsse oberhalb der Flutgrenze des Meeres (Schlichting); Welches sind die
geeignetsten Fahrzeuge und deren Fortbewegungsmittel auf den dem großen Verkehr dienenden
Binnenwasserstraßen (Dill)?
Im vierten Kongreß zu Manchester wurden wichtige Berichte über »Zustand, Betrieb
und Betriebskosten der Wasserstraßen« in den einzelnen Ländern vorgelegt, namentlich von
Frankreich (Hol tz), England (Sauer, Bartholomew, Märten, Wells), Rußland [Sytenko,
i) Vgl. F. B. de Mas, Souvenirs de neuf congres de navigation. Brüssel 1907.
2} Diese Berichte und andere Drucksachen des Verbandes sind im Buchhandel nicht erschienen.
durch Vereine und Kongresse. 167
Timonoffy Hoerschelmann), Belgien (Dufourny), Niederlande (van der Sleyden),
Italien (Bompiani und Luigi), Schweden (Lindgren), Spanien (Llaurado); femer »Ober
die Fortbewegungsmittel auf Kanälen und Flüssen« (Wanderseil) von Dr. Moritz Levy. Außer-
dem erklärte sich der Kongreß mit dem Bericht über die Verbesserung der Statistik einver-
standen, der von dem in Frankfurt eingesetzten Ausschuß vorgelegt wurde.
Der fünfte Kongreß in Paris beschäftigte sich zunächst mit dem Bau und der Unterhaltung
der Kanäle. Dazu gehörte namentlich die Befestigung der Ufer (Peslin- Frankreich, van der
Sley den -Holland, Schlichting-Deutschland], die Anlage von Wasserbehältern zur Speisung
(besonders in Frankreich) und die Sperrung der Kanäle zum Zweck der Ausbesserungen (Frank-
reich, Belgien, Deutschland). Hinsichtlich der Fortbewegung der Schiffe lagen Berichte vor über
den Schleppbetrieb auf dem Rhein (Mütze), der Elbe (Bellingrath), der Oder (Dieckhoff),
den Märkischen Wasserstraßen (Thiem), den französischen Wasserstraßen (Cam6r4, Der6me,
LasmoUes, Molinos, de Bovet) und auf dem Eriekanal (Bogart). Ober die Schiffahrtabgaben lagen
Berichte vor aus Deutschland (Sympher), Frankreich (Baurin-Gressier und Couvreur),
England (Clements), Holland (Deking-Dura) und Rußland (Sytenko). Ober Binnenschififahrt-
häfen sind nachstehende Arbeiten beachtenswert: im Gebiete der Elbe und Oder (v. Dömming),
im Rheingebiet Qmroth) und in Frankreich (Delaunay-Belleville). Außerdem lagen noch
über die gegenseitigen Beziehungen der Wasserstraßen und Eisenbahnen Berichte vor aus Deutsch-
land, Österreich, Ungarn und Nordamerika.
Auf dem sechsten Kongresse im Haag wurden zunächst die in Paris besprochenen Fragen
über Bau und Unterhaltung der Kanäle, Ausrüstung der Binnenhäfen, Fortbewegung der Schifte
und Schiffahrtabgaben weiter behandelt. Über Kanalbau waren wichtige Berichte betreffend die
Widerstände und die Uferbefestigungen vorhanden aus Deutschland (Gröhe), Frankreich (Der6me)
und Holland (Wortmann]. Die Ausrüstung der französischen Kanalhäfen, namentlich mit Kohlen-
verladevorrichtungen wurde von Monet und Dardenne beschrieben.
Ober die Fortbewegung der Schiffe lagen aus Frankreich beachtenswerte weitere Mitteilungen
von Hirsch und de Bovet (Tauerei) vor, außerdem von de Mas ein Bericht über seine Wider-
standsversuche mit Kanalschiffen. Nähere wichtige Angaben über die bestehenden Schiffahrt-
abgaben wurden aus Frankreich (Ren au d), Belgien (Dufournay), Holland (Deking-Dura) und
Deutschland (Hatschek) gemacht
Neu war die Frage über die Sperrung der Kanäle durch Frost und Über Eisbrecherarbeiten.
Dazu lagen Berichte aus Frankreich (Cam6r^, Rigaux, Dibos) und Holland (Schuurman,
Burgdorfer, Bekaar, Nelemans, Gramer) vor.
Der Pariser Kongreß hatte auf Antrag von Fargue beschlossen, die Aufmerksamkeit der
Ingenieure bei dem Ausbau der Ströme auf die Untersuchung des Verhältnisses zwischen der Grund-
form der Krümmungen und der Wassertiefe zu richten. Zu dieser für den Kongreß im Haag
gestellten Frage waren bemerkenswerte Arbeiten aus Deutschland (J asm und), Frankreich
(Mengin-Lecreulx, Guiard) und Holland (Doyer, Tutein-Nolthenius) eingegangen. Die
weitere neu gestellte Frage über die Regulierung der Ströme wurde besonders durch einen hervor-
ragenden Bericht von Girardon über den Ausbau der Rhone beantwortet.
Der siebente Kongreß in Brüssel hat sich neben verschiedenen wasserbaulichen Fragen
wieder besonders mit dem Schiffswiderstand und dem mechanischen Schiffzug beschäftigt. Zum
Schifiswiderstand lagen wichtige Berichte aus Frankreich (de Mas), Österreich (Suppan) und
Deutschland (Flamm) vor. Ober die verschiedenen Arten des mechanischen Schiffzuges waren
Mitteilungen vorgelegt aus Belgien (Chenu, de Schrijver, Zone), aus Frankreich (La Riviere,
Bourguin, de Bovet) und aus Deutschland (Gröhe). Neu war die Frage über die einheitliche
Eichung der Binnenschiffe. Hierzu waren aus Österreich (Schromm) und aus Frankreich (Deröme)
Berichte erstattet.
Der achte Kongreß in Paris hat sich wiederum mit dem Schiffswiderstand und dem
mechanischen Schiffzug beschäftigt. Zum ersten Punkt lagen Berichte aus Deutschland (Engels,
Thiele), Ungarn (Hotzpotzky) und Italien (Rota), zum zweiten solche aus Frankreich (La
Riviere, Bourguin), Belgien (G6rard) und Deutschland (Köttgen, Rudolph) vor. Außer-
dem sind Mitteilungen über den mechanischen Schiffzug auf der Rhone (Lombard-G6rin)
und am eisernen Tor der Donau (Egan) gemacht worden.
Femer wurde über den Ausbau großer Ströme für Schiffahrtzwecke und die Wirkung solcher
Arbeiten auf den Abflußvorgang verhandelt. Dazu waren Berichte über viele große Ströme vor-
gelegt worden. Auch die Baggerungen wurden besprochen.
16g Abschnitt IQ. Die Förderung der Binnenschiffahrt
Außerdem war eine Frage über den Schiffahrtbetrieb auf Wasserstraßen von geringer Tiefe
gestellt worden, wozu aus Frankreich (Wahl), Holland (van Bosse) und Österreich (Suppan)
Berichte vorlagen, die namentlich die Anwendung von Schrauben in Tunnelhecks, Schraubenräder
und Turbinenschrauben behandelten.
Neu war eine Frage über Fürsorge, Schutz und Fachunterricht der Schiffer, zu der Beiträge
aus Österreich (Schromm), Frankreich (Captier) und Deutschland (Just) geliefert waren.
Auf dem neunten Kongreß in Düsseldorf wurde zunächst die Frage der Überwindung
großer Höhen durch Schleusen oder Hebewerke behandelt. Dazu lagen aus 8 Ländern 13 Berichte
vor, deren Inhalt in einem Generalbericht von Bubendey zusammengefaßt war. Die zweite
Frage betraf die Schiffahrtabgaben, über die aus 5 Ländern in 8 Berichten Mitteilungen gemacht
waren. Den Generalbericht erstattete Freiherr von Biegeleben. Die dritte Frage behandelte
die Wertminderung von Kohle und Koks bei der Schiffsbeförderung. Hierzu lagen aus Deutsch-
land (Rischowski, Stelkens) und Frankreich (Grüner) Berichte vor. Femer waren eine
Reihe wichtiger Mitteilungen gemacht worden: Über Schiffswiderstand aus Deutschland (Haack,
Engels, Thiele], aus Italien (R o t a) und aus Österreich (Schromm); über mechanischen Seh iff-
zug aus Frankreich (G^rard, Mollard) und Deutschland (Volkmann, Köttgen, Abshoff,
BÜSS er); über Flußschiffe von geringem Tiefgang aus Deutschland (Jskolski, Jahnel, Weiß)
und Rußland (Merczyng). Aus der Abteilung fiir Seeschiffahrt ist noch die Frage Über
den Verkehr mit Seeprähmen zu erwähnen, wozu der Generalbericht von Hermann erstattet
wurde und die Mitteilungen über Schiffswiderstand in freiem Wasser aus Deutschland (Flamm,
Schütte).
Der zehnte Kongreß in Mailand führte die Verhandlungen betreffend die Überwindung
großer Höhenunterschiede zwischen den Kanalhaltungen weiter. Es lagen dazu ii Berichte vor,
die von Crugnola in einen Generalbericht zusammengefaßt waren. Dann war die Frage der
Binnenschiffahrt mit Schiffen von geringem Tiefgange auf die Tagesordnung gesetzt, wozu be-
achtenswerte Berichte aus P'rankreich (Wahl) und Deutschland (Blümcke) vorlagen. Neu war
die Frage über den Wert und die Einrichtung gemischter Transporte, d. h. mittels Eisenbahnen
und Wasserstraßen. Es waren 4 Berichte dazu vorgelegt, von denen die französischen von Cap tier
und Tavernier hervorzuheben sind. Von den Mitteilungen sind die über den mechanischen
Schif&ug (7 Arbeiten), über die hypothekarische Beleihung der Binnenschiffe (3 Arbeiten) und
über die Wirkung von Baggerungen auf die Stromsohle (6 Arbeiten) zu erwähnen.
Aus der Abteilung Seeschiffahrt hatten die Verhandlungen über den Fortschritt in den
Mitteln zur Fortbewegung der Schiffe auch für die Binnenschiffahrt eine gewisse Bedeutung, weil
dabei die Versuche mit Schiffschrauben, sowie die Erfahrungen über Tunnelheck, Gasmaschine,
ölfeuerung nnd Dampfhirbine erörtert wurden. Über die 6 vorgelegten Berichte wurde durch
Soliani der Generalbericht erstattet Über die Verwendung fiüßiger Brennstoffe lag eine be-
merkenswerte Mitteilung von Melville (Vereinigte Staaten) vor, die zu längerer Besprechung
Veranlassung gab.
Auf dem elften Kongreß in St. Petersburg wurde zunächst die Anlage von Stauwehren
erörtert, wozu 7 Berichte vorlagen. Es folgten die Verhandlungen über den mechanischen Schiff-
zug und das Schleppmonopol, wozu Berichte aus Frankreich (Marlio an Stelle des verstorbenen
La Rivi^re), England (Sauer), Rußland (Tsionglinsky und Roundo) und Deutschland
(Bredow undTeubert) eingegangen waren, während Merczyng den Generalbericht erstattete.
Auch war ein Bericht über die Verhandlungen eines Sonderausschusses des Deutsch-Österreichisch-
Ungarischen Verbandes für Binnenschiffahrt vorgelegt worden, der die gleichen Fragen untersucht
hatte. Die dritte Frage bezog sich auf die Ausrüstung der Binnenhäfen, wozu nur 3 Berichte
(aus Rußland, Ungarn und Nordamerika) vorlagen. Femer wurde noch über Kanäle für gemischten
Betrieb verhandelt, die gleichzeitig der Schiffahrt und der Landwirtschaft dienen können. Dazu
waren 5 Berichte eingelaufen. Von den Mitteilungen sind zu erwähnen : Mitwirkung der Regierung
und der Interessenten bei Maßnahmen zur Entwickelung der Binnenschiffahrt, gegebenenfalls
einschließlich der der Regierung zu gewährenden Möglichkeit, einen Teil des längs der neuen
Wasserstraße zu verwertenden Geländes zu erwerben (3 Arbeiten) und die Mitteilungen über
Gewässerkunde und Hochwassermeldedienst (4 Arbeiten) .•
Aus der Abteilung für Seeschiffahrt ist die Mitteilung von Boklevsky über die besten
Arten von Seeschiffen zur Güterbeförderung auch für die Binnenschiffe von gewisser Bedeutung
in Rücksicht auf die Besprechung der Dieselmotoren.
durch Vereine und Kongresse. 169
Die vorstehende Zusammenstellung läßt erkennen, daß auf den ii bis-
her abgehaltenen Kongressen fast über alle wichtigen, die Binnenschiffahrt
betreffenden Fragen ein internationaler Gedankenaustausch stattgefunden hat.
Außer den vorgelegten Berichten sind noch in den gedruckten Niederschriften
über die Beratungen selbst viele schätzenswerte Mitteilungen enthalten. Ferner
sind einzelne bei der Eröffnung der Kongresse von den Vertretern der ver-
schiedenen Staaten^ gehaltene Reden von Bedeutung. Durch diese wurde
man zuweilen über die politische Lage der Wasserstraßenfrage in den ein-
zelnen Staaten gut unterrichtet. Es mag hier darauf hingewiesen werden,
daß in manchen Ländern nicht die Überzeugung der Regierung von dem wirt-
schaftlichen Wert der Wasserstraßen für deren Verbesserung und Vermehrung
entscheidend ist, sondern die Macht und der Wille der Mehrheit in der Landes-
vertretung, die sich leider oft durch andere Rücksichten beeinflussen läßt,
wie z. B. in Preußen und Österreich.
Die großen Erfolge, die die ersten internationalen Kongresse für die
Auiklärung der öffentlichen Meinung hinsichtlich der Bedeutung imd des
Wertes der Binnenschiffahrt hatten, regten zu einem weiteren Unternehmen
an. Der Geschäflsfiihrer des Vereins für Hebung der Fluß- luid Kanalschiff-
fahrt in Baiem, Dr. Zöpfl, warf in einem Vortrage im großen Ausschusse
des deutschen Zentralvereins in Berlin im April 1895 ^^^ Frage auf, ob nicht
eine engere Verbindung der Binnenschiffahrtfreunde aus Deutschland, Öster-
reich und Ungarn zweckmäßig wäre. Die seit langer Zeit geplanten Kanal-
verbindungen zwischen dem Rhein und den großen norddeutschen Strömen
einerseits und der Donau andererseits hätten für diese drei Länder und auch
für die Staaten am unteren Laufe der Donau eine so große gemeinsame
wirtschaftliche Bedeutung, daß es vorteilhaft wäre, diese Ziele auch gemein-
schaftlich zu verfolgen'). Aus dieser Anregung entstand im folgenden Jahre
der Deutsch-Österreichisch-Ungarische Verband für Binnenschiff-
fahrt. In den Satzungen wird der Zweck in folgender Form festgestellt:
»Der Verband hat den Zweck, die Herstellung leistungsfähiger Wasserstraßen
»zwischen Deutschland und Österreich -Ungarn, insbesondere die Kanalpro-
»jekte, welche Verbindungen der Donau mit der Oder, der Moldau, der
>Elbe und dem Main bzw. Rhein erstreben, zu fördern und durch Hebung
»des Wasserstraßenverkehrs zwischen beiden Reichen auf die weitere gedeih-
»liche Ausgestaltung ihrer wirtschaftlichen Beziehungen hinzuwirken. Diesen
»Zweck sucht der Verband zu erreichen durch gemeinsames Wirken der in
»der gleichen Richtung tätigen Vereine und gegenseitige Unterstützung ihrer
»bezüglichen Bestrebungen, durch Abhaltung von Verbandstagen mit öffent-
1) Es ist bezeichnend für die deutschen Verhältnisse, daß an der Spitze der Vertretung
der deutschen Staaten niemals ein Ingenieur stand, wie es sonst bei fast allen Ländern üblich
war, sondern ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter.
2) Es wurde auch die Befürchtung ausgesprochen, daß die internationalen Kongresse durch
Aufnahme der Seeschiffahrt vielleicht die Fragen der Binnenschiffahrt etwas zurückstellen würden.
170 Abschnitt in. Die Förderung der Binnenschiffahrt durch Vereine und Kongresse.
»liehen Sitzungen, durch Wort und Schrift behufs Einwirkung auf die öffent-
> liehe Meinung, sowie auf die Regierungen und Volksvertretungen«.
Mitglieder des Verbandes waren im Jahre 1910 zusammen 17 Binnen-
schiffahrtvereine sowie eine große Zahl von Körperschaften und Einzelper-
sonen aus den drei Verbandsländem. Der erste Verbandstag wurde im Jahre
1896 in Dresden abgehalten. Es folgten dann die Versammlungen in Wien
(1897), Nürnberg (1898J, Budapest (1899], Breslau (1901), Mannheim (1903),
Stettin (1906), Linz (1909) und Berlin (191 1). Die auf diesen Verbandstagen
in erster Linie behandelten Fragen betrafen den Stand der fraglichen Kanal-
entwürfe und die Aussichten auf ihre Durchführung. Außerdem sind andere
Angelegenheiten der Binnenschiffahrt mit besonderer Beziehung auf die Ver-
bandsländer besprochen und beraten worden. Die gedruckten Vorträge und
andere geeignete Ausarbeitungen über Binnenschiffahrtfragen sind als »Ver-
bandschriften« durch den Buchhandel den weitesten Kreisen zugänglich
gemacht. Auf dem Verbandstage in Berlin wurde die Schweiz in den
Verband aufgenommen, der jetzt den Namen trägt: Deutsch-Osterreichisch-
Ungarisch-Schweizerischer Verband für Binnenschiffahrt.
»Nationale« Schiffahrtkongresse sind auch in anderen Ländern
eingeführt. In Rußland wurde im Jahre 191 1 schon der dreizehnte abge-
halten. In Frankreich besteht die »Association fran^se pour la defense
de la navigation int^rieure« seit 1907. Die dritte Versammlung wurde 191 1
in Lyon abgehalten und es ist bemerkenswert, daß man sich dabei beson-
ders mit der Verbesserung des Rhein -Rhonekanals (S. 70) beschäftigte und
es für erforderlich erklärte, daß dieser in ganzer Länge, entsprechend den
französischen Normalabmessungen, für 300 t-Schiffe eingerichtet würde. In
Italien wurde 191 1 ein »nationaler Verband für Schiffahrtkongresse« begründet,
der unter dem Ehrenpräsidium des Königs steht und sich zuerst in Turin
versammelt hat.
Abschnitt IV.
Die Verbesserung und Vermehrung der Binnen-
schiffahrtstraßen seit 1870.
Vorgänge in Deutschland«
Die Wirkungen der Erfindung des Dampfschiffs und der Eisenbahnen
auf die Binnenschiffahrt in den verschiedenen Ländern bis zum Jahre 1870
haben wir geschildert und das Ergebnis am Anfang des vorstehenden Ab-
schnitts (S. 159) kurz zusammengefaßt. Seitdem traten neue bedeutende wirt-
schaftliche Ereignisse ein: Infolge des in Europa und in Amerika ausgebauten
Eisenbahnnetzes und der sehr entwickelten Seeschiffahrt, deren Frachtsätze
durch die technischen Verbesserungen an Schiffen und Maschinen und den
dadurch verminderten Kohlenverbrauch im freien Wettbewerb schnell herunter-
gingen, trat der inländische Handel allmählich hinter dem Welthandel zurück.
Einzelne europäische Staaten, und darunter auch Deutschland, sahen sich
deshalb am Ende der siebziger Jahre veranlaßt, ihre einheimische Landwirt-
schaft und Industrie gegen den Wettbewerb der vom Auslande zu billigeren
Preisen eingeführten Erzeugnisse durch Eingangszölle zu schützen. Dazu
trat die Verstaatlichung der Eisenbahnen. Bismarck erklärte 1878,
es könne auf die Dauer den verschiedenen staatlichen und privaten Eisen-
bahnverwaltungen nicht die Berechtigung verbleiben, »der wirtschaftlichen
Gesetzgebung des Reiches nach eignem Ermessen Konkurrenz zu machen,
die Handelspolitik der verbündeten Regierungen und des Reichstags nach
Willkür zu neutralisieren und das wirtschaftliche Leben der Nation den
Schwankungen auszusetzen, welche im Gefolge hoher und wechselnder Ein-
fuhrprämien fiir einzelne Gegenstände notwendig eintreten.« Als die von
ihm erstrebte Reichstarifreform der Eisenbahnen scheiterte, wurden die preußi-
schen Privatbahnen vom Staate erworben und ihre Tarife in Einklang mit
den Zielen der Schutzzollgesetzgebung gebracht.
Das Verhältnis der Binnenschiffahrt zu den Eisenbahnen ist hierdurch
wesentlich verändert worden. Während früher der Wettbewerb der Schiff-
fahrt mit einer der betreffenden Wasserstraße gleichlaufenden Privatbahn
durch gegenseitiges Drücken der Frachtsätze bis zu einer gewissen Grenze
möglich war, ist dieser dem großen Staatsbahnnetze gegenüber im allgemeinen
ausgeschlossen; denn die Staatsbahn kann eintretenden Falls die Frachtsätze
172 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
auf dieser Strecke in beliebiger Weise bis unter die Selbstkosten herab-
setzen und den Verlust auf anderen Strecken wieder einbringen. Andrerseits
ist nicht zu leugnen, daß unter Umständen die Binnenschiffahrt, namentlich
auf den sogenannten internationalen Strömen, an die Stelle der Privatbahnen
treten und in gewissem Sinne die ZoUmaOregeln, wie Bismarck sagte, »neu-
tralisieren« kann.
Zunächst ist die preußische Staatsregierung den Grundsätzen des großen
Kurfürsten und des großen Königs treu geblieben und hat sich, ohne Rück-
sicht auf den etwa möglichen Wettbewerb, bemüht, durch Verbesserung und
Vermehrung der Binnenwasserstraßen den Verkehr im allgemeinen und da-
durch den Wohlstand und die Steuerkraft des Landes zu heben. Es besteht
kein Zweifel, daß die oben geschilderten Bestrebungen des Zentralvereins für
deutsche Binnenschiffahrt auch auf die maßgebenden Kreise der Regierung
und der Volksvertretung einen gewissen Einfluß ausgeübt haben.
Im Jahre 1877 l^g^^ d^^ preußische Regierung dem Landtage eine Denk-
schrift »betreffend die im preußischen Staate vorhandenen Wasserstraßen,
deren Verbesserung und Vermehrung« vor, in der der Zustand der vorhan-
denen Wasserstraßen und ihre Schiffbarkeit beschrieben wurde. Gleichzeitig
wurden darin die verschiedenen, zur Herstellung eines großen preußischen
Kanalnetzes aufgestellten Entwürfe besprochen, zu denen entweder auf Staats-
kosten oder durch Gemeinden und Vereine technische Vorarbeiten gemacht
waren.
Es waren dies folgende künstliche Wasserstraßen: i. Der schon in früheren Zeiten (S. 63)
erstrebte und versuchte Rhein-Maas-Kanal, der von Uerdingen am Rhein (14 km oberhalb
Ruhrort} über Krefeld zur Maas bis Venlo führen und hier eine Verbindung mit dem Kanal
von Maastricht nach Herzogenbusch (S. 151} bekommen sollte. Auch Napoleon I. hatte diesen
Kanal ausfuhren lassen wollen (S. 108). Im Jahre 1874 wurden die Vorarbeiten durch ein in
Krefeld und Venlo gebildetes Komitee gemacht. Der nur 47 km lange Kanal sollte 1 1 Schleusen
erhalten und auf dem linken Ufer der Maas um 32 km weiter zu dem genannten, schon be-
stehenden Kanal verlängert werden. Der Hauptzweck war die Beförderung von Ruhrkohlen
nach Antwerpen und nach Vlissingen. 2. Der Rhein- Weser-Elbe-Kanal. Hierzu hatte der
Staat in den Jahren 1863 bis 1866 Vorarbeiten machen und die günstigsten Linien feststellen
lassen. Im Jahre 1874 bildete sich das Emscher-Kanal-Komitee und stellte fUr diese Linie einen
neuen Entwurf fiir Schiffe von 600 t Tragfähigkeit auf, wobei auch der Anschluß des Kanals
an die Emshäfen vorgesehen war. 3. Der Ems-Jade-Kanal sollte Emden über Aurich mit
Wilhelmshaven verbinden und neben den Vorteilen für die kaiserliche Marine auch zur Hebung
der Landwirtschaft in Ostfriesland dienen. Der 73 km lange und 2 m tiefe Kanal war mit
3 Schleusen von mindestens 33 m Länge und 6,5 m Breite entworfen und der Bau sollte schon
1874 beginnen. (Er verzögerte sich und ist erst in den Jahren 1880 bis 1887 ausgeführt wor-
den.] Der Kanal hat für den Handel keine große Bedeutung. 4. Der Leipzig-Elbe -Kanal
sollte nach den von der Leipziger Handelskammer in den Jahren 1874 und 1875 veranstalteten
Vorarbeiten über Bitterfeld und Dessau nach der Elbe bei Wallwitzhafen führen. Dagegen bil-
dete sich 1874 ein Verein für den Elster -Saale -Kanal, der Leipzig durch die Elster mit der
Saale bei Merseburg verbinden wollte. 5. Für den Elbe-Spree-Kanal, der die Elbe bei
Grödel (oberhalb Riesa) in der Richtung des bestehenden Elsterwerdaer Floßkanals über Teupitz
mit der Dahme bei Königs- Wusterhausen oberhalb Berlin verbinden sollte, hatte sich im Jahre
1871 ein Komitee in Berlin gebildet und die Vorarbeiten ausführen lassen. Die Kanalstrecke
von Grödel bis Königs-Wusterhausen betrug 135 km und der Höhenunterschied von 64 m sollte
durch 21 Schleusen oder durch 2 geneigte Ebenen überwunden werden. Der Kanal sollte eine
I. Der Ausbau der großen deutschen Ströme. 173
Wassertiefe von 2 m erhalten und für Schiffe von 300 t (70 m lang, 7,75 m breit und 1,6 m
Tauchtiefe) eingerichtet werden. 6. Die Zweckmäßigkeit eines Oder-Spree-Kanals, d.h.
einer dritten Verbindung (außer dem Finowkanal [S. 42] und dem Friedrich-Wilhelm-Kanal [S. 39])
von Berlin mit der Oder an der Warthemündung war schon im Jahre 1S48 von der Staats-
regierung untersucht worden. 1875 bildete sich ein Oder-Spree-Kanal- Verein, der den Entwurf
zu einem 77 km langen Kanal aufstellen ließ, der von Köpenick durch den Dämmeritzsee und
den Stienitzsee, durch das rote Luch und über Wulkow nach der Oder bei Kienitz ( 1 7 km unter-
halb Kttstrin) führen sollte. Ein anderes in demselben Jahre gebildetes Komitee ließ eine Linie
untersuchen, die bei Treptow die Spree verließ imd gleichfalls durch das rote Luch über Wul-
kow nach der Oder unterhalb Küstrin, gegenüber der Warthemündung führte. Bei der Be-
sprechung dieser Entwürfe wurde in der Denkschrift darauf hingewiesen, daß es zweckmäßiger
wäre, wegen der mangelhaften Tiefe der Oder diesen Kanal von Kienitz ab als Seitenkanal auf
dem linken Stromufer durch das Oderbruch bis Schwedt zu führen, um so gleichzeitig eine gute
Verbindung mit Stettin zu erhalten. (Dieser Plan tauchte 1898 wieder als »Ostlinie« auf, als
es galt, einen neuen Großschiffahrtweg Berlin-Stettin herzustellen.) 7. Zu einem Rostock-
Berliner-Kanal hat in den Jahren 1871 und 1872 der Mecklenburgische Kanalverein Vor-
arbeiten anfertigen lassen. Der Kanal sollte von Rostock durch die Wamow zu den Mecklen-
burgischen Seen und über Rheinsberg zu dem Ruppiner Kanal (S. 45) führen, der ebenso wie
die weitere Wasserstraße nach Berlin in größeren Abmessungen für Schiffe von 350 t Trag-
flUiigkeit umgebaut werden sollte. Eine Kanallänge von etwa 100 km wäre neu herzustellen
gewesen. Dieser Kanal würde für Berlin Anschluß an einen neuen Seehafen (außer Hamburg
und Stettin) und sicherlich erhebliche Vorteile für Rostock, aber Nachteile für Stettin gebracht
haben, wenn der letztere Hafen nicht durch eine Wasserstraße von gleicher Leistungsfähigkeit
mit Berlin verbunden worden wäre.
Bei der Beurteilung dieser und anderer Kanalentwürfe in der Denkschrift wird vor allem
eine von Westen nach Osten durch den ganzen preußischen Staat hindurchgehende leistungsfähige
Wasserstraße befürwortet. Für die Bauwürdigkeit anderer Kanäle wird die Sicherstellung eines
jährlichen Güterverkehres von mindestens 0,5 Millionen t verlangt.
Man erkennt aus diesen Mitteilungen, daß in den siebziger Jahren sowohl
die Staatsregierung wie die Kanalvereine und andere beteiligten Kreise des
Handels, der Industrie und der Landwirtschaft mit einer gewissen Begeisterung
die Herstellung neuer künstlicher Wasserstraßen verfolgten und schon für die
Vorarbeiten beträchtliche Mittel aufwendeten; es waren aber noch manche
Kämpfe erforderlich, um wenigstens einzelne der begehrten Kanäle zur Aus-
führung zu bringen. Wir wenden uns zunächst zur Verbesserung der natür-
lichen Wasserstraßen.
I. Der Ausbau der grofien deutschen Ströme ist ein Kulturwerk
ersten Ranges, auf das Deutschland und besonders Preußen mit gerechtem
Stolz blicken kann. In keinem anderen Lande hatte man es vorher unter-
nommen, die verwilderten großen Ströme zu zähmen, die Abführung von Eis
und Hochwasser für die Anwohner gefahrlos, die durchströmten Täler zur
gesicherten und ertragreichen landwirtschaftlichen Benutzung brauchbar und
die festgelegten, einheitlich gestalteten Flußbetten zur Ausübung der Schiff-
fahrt geeignet zu machen. Wenn in jüngster Zeit im Auslande an einigen
Strömen, z. B. an der Rhone und an der Donau (besonders in Ungarn) zum
Teil glänzende Erfolge erreicht sind, muß man berücksichtigen, daß die dabei
beteiligten Ingenieure gewissermaßen auf deutschen Schultern standen. Denn
die deutschen Wasserbaumeister, z. B. Eytelwein und Gotthilf Hagen sind es
gewesen, die durch langjährige Bemühungen und Versuche diese Wissenschaft
174 Abschnitt IV. Die Vermehrung der BinnenschifTahrtstraßen seit 1870.
begründet haben. Österreichische, ungarische, französische und amerika-
nische Ingenieure sahen sich deshalb oft veranlaßt, die deutschen ausge-
bauten Ströme zu besichtigen und die dort angewandte Bauweise zu studieren.
Die Erfolge sind aber mühsam erkämpft worden: Es muß anerkannt werden,
daß weder die preußische Regierung noch ihre Wasserbaubeamten sich durch
die vielen Fehlschläge imd Mißerfolge, die anfangs nicht zu vermeiden waren,
haben abschrecken lassen, den Kampf mit den wilden Strömen immer wieder
von neuem, unter Aufwendung von vieler Mühe und erheblichen Kosten,
aufzunehmen.
Rücksichtlich der Schiffbarkeit lagen für den Rhein, die Weser und die
Elbe völkerrechtliche, zwingende Verpflichtungen (die Schiffahrtsakten) vor; für
die Oder, die Weichsel und den Memelstrom folgte die Verpflichtung aus den
Vorschriften des Allgemeinen Landrechts (S. 54). Wie früher erwähnt wurde,
haben schon der große Kurfürst und der große König mit Strombauten am
Rhein, an der Elbe, an der Oder und selbst im Memeldelta begonnen, und
diese Arbeiten wurden von 181 5 bis 1870 an allen preußischen Strömen, so
weit die verfügbaren Mittel es erlaubten, fortgesetzt. Aber erst seit 1870
wurde der Ausbau in großem Umfange und mit Aufwendung erheblicher Geld-
summen kräftig und erfolgreich gefordert. Seit dieser Zeit wurde auch eine
ordnungsmäßige Unterhaltung der Strombauwerke sichergestellt, die gerade
bei diesen von der größten Wichtigkeit, aber mit verhältnismäßig größerem
Kostenaufwand auszuführen ist als bei anderen Bauten; denn schlecht unter-
haltene Strombauwerke werden beim Eintritt eines besonders schweren Eis-
gangs oder eines ungewöhnlichen Hochwassers oft vollständig vernichtet. Die
von der preußischen Staatsregierung bei dem Landtag auf Grund ausführlicher
Denkschriften beantragten Geldmittel wurden in den siebziger und achtziger
Jahren ohne Widerspruch gerne bewilligt. Es war dabei als Hauptzweck die
Verbesserung der Schiflfbarkeit hervorgehoben, weil man die große Bedeutung
der Arbeiten für die Landeskultur damals noch nicht ganz übersah oder nicht
genügend zu schätzen wußte.
Im allgemeinen ist bei allen großen Strömen in gleicher Weise vorge-
gangen worden: Zunächst handelte es sich um die Festlegung der Strom-
betten beim gewöhnlichen Wasserstande, denen man unter Beseitigung
zu starker Krümmungen einen angemessen geschlängelten einheitlichen Lauf
gab, indem die Stromspaltungen und Inseln möglichst abgesperrt und die
übermäßigen Breiten durch widerstandsfähige Einschränkungswerke (meistens
Buhnen, seltener Längsbauten) vermindert wurden. Die abbrüchigen Ufer
mußten durch besondere Bauten geschützt werden, so weit dies nicht den Ufer-
besitzem überlassen wurde. Das vom Strome mitgeführte Geschiebe (Sand
und Kies) wurde zur Verlandung der Einschränkungswerke hingeleitet und ver-
hindert, im Strome selbst neue Inseln oder hohe Bänke zu bilden. Daneben
bestand für alle Ströme die gleiche Aufgabe, das Fahrwasser von gefahrlichen
Felsklippen, Wehrüberresten, Steinen und Baumstämmen zu befreien.
I. Der Ausbau der großen deutschen Ströme. 175
Nach diesen grundlegenden Arbeiten in dem gewöhnlichen Bett mußte
für die Schiffahrt auch bei niedrigen Wasserständen für eine Wassertiefe ge-
sorgt werden, die noch eine einträgliche Beladung der Schiffe erlaubte. Zu
diesem Zweck wurden innerhalb der für den gewöhnlichen Wasserstand aus-
gebauten Normalbreiten die Niedrigwasserbetten durch Grundschwellen vor
den Buhnen und ähnliche Anlagen eingeschränkt und die vorhandene Niedrig-
wassermenge auf diese Weise in einem Querschnitt von geringerer Breite
aber größerer Tiefe zusammengehalten. Wichtig war hierbei, daß man die
Kraft des Stromes selbst zur beabsichtigten Bewegung der Geschiebemassen
imd zur Vertiefung der Sohle benutzte und nur in seltenen Fällen durch Bag-
gerungen nachhalf. Dies Vorgehen hat sich im allgemeinen überall bewährt.
Bei der Festsetzung der Normalbreiten und der bei niedrigem Wasserstande
zu erstrebenden Mindesttiefen fehlten aber anfangs die nötigen wissenschaft-
lichen Unterlagen: Man kaimte in den meisten Fällen weder die Abfluß-
mengen noch die Gefällverhältnisse genau; oft waren auch die Schwankungen
der Wasserstände noch unbekannt, zumal die ersten amtlichen Pegel in Preußen
erst 1810 eingeführt worden waren. Man war deshalb genötigt, die ersten
Strombreiten auf Grund mehr oder weniger ungewisser Schätzungen anzu-
nehmen und später auf Grund besserer Unterlagen zu verbessern. Ähnlich
war es mit der Feststellung der erstrebten geringsten Fahrwassertiefen : Auch
sie sind meistens nach einer Befahrung des Stromes bei kleinem Wasser-
stande nach Gutdünken, mehr den Wünschen der Schiffahrt als der Natur des
Stromes entsprechend, vereinbart worden, und man kann sich deshalb nicht
wundem, wenn die gesteckten Ziele nicht immer erreicht wurden. Wie will-
kürlich diese Tiefen zuweilen gewählt sind, zeigt sich z. B. daraus, daß sie
für die kleine Warthe zu i m und für die große Elbe selbst im unteren
Laufe nahe oberhalb Hamburg nur zu 0,94 m festgesetzt wurden.
Der Ausbau der Hochwasserquerschnitte der Ströme ist nicht nur für
die gefahrlose Abführung von Eis und Hochwasser erforderlich, sondern auch
zur Erhaltung und Sicherung der in den Mittel- und Niederwasserbetten aus-
geführten Strombauwerke von größter Bedeutung. Die dazu nötigen Arbeiten er-
strecken sich zvmächst auf die Beseitigung von Abflußhindernissen (z. B. enger
Brücken und Straßendämme), auf die Zurücklegung von Deichen, auf die Ab-
böschung und Bepflanzung abbrüchiger Hochufer und auf die Abgrabung
der zu hoch aufgelandeten Talflächen im Überflutungsgebiet. Sie erfordern
einen großen Kostenaufwand und sind leider erst zum Teil in Angriff ge-
nommen (z. B. an der unteren Weichsel).
Für alle Wasserbauten war es von Wichtigkeit, daß behufs sorgfältiger Ermittelung des
Gefälles und zur Sicherung der Höhenlage der Pegel an den Ufern der Ströme eine große Zahl
von zuverlässigen Höhenfestpunkten eingerichtet wurde, die durch Feinnivellements an das
Höhennetz der preußischen Landesaufnahme angeschlossen worden sind. Um die einheitliche
Durchführung dieser Arbeiten und die fortlaufende Überwachung der Pegel und Wasserstands-
beobachtungen hat der Professor Dr. Seibt im Ministerium der öffentlichen Arbeiten sich be-
sonders verdient gemacht.
176 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
Die für die Verbesserung der Schiifbarkeit an den einzelnen Strömen
bisher erreichten Erfolge sollen nachstehend besprochen werden.
Der Rhein. Die Mündungsarme liegen in Holland; die für die Rhein-
schiffahrt, die in der Regel bis Rotterdam geht, wichtigen und in die Be-
stimmungen der Rheinschiffahrtsakte eingeschlossenen beiden Arme sind die
Waal und der Leck, die sich kurz oberhalb dieser Stadt wieder vereinigen.
Der Hauptstrom teilt sich wenige Kilometer unterhalb der preußischen Grenze
bei Pannerden, sodaO nach den im Jahre 1 745 getroffenen Festsetzungen die
Waal, der südliche Arm, zwei Drittel, und der Leck, der nördliche Arm, ein
Drittel der Wassermenge abfuhren soll. Der Ausbau beider Wasserstraßen
begann 1850 und namentlich in dem Hauptstrom, der Waal, wurden bis
1857 einige Verbesserungen erreicht, indem die Inseln an die Ufer ange-
schlossen und die Stromspaltungen beseitigt wurden. Aber die vielen Krüm-
mungen und Versandungen behinderten bei niedrigen Wasserständen die Schiff-
fahrt. Obwohl im Jahre 1861 von der technischen Befahrungskommission für
die Waal eine Mindesttiefe von 3 m (S. 107) vereinbart worden war, konnte
diese mit den bis 1889 angewandten Mitteln nicht erreicht werden. Als
Normalbreiten waren bis dahin für den ungeteilten Strom oberhalb Pannerden
400 m, für die Waal von da bis Zalt-Bommel 360 m und unterhalb dieses
Orts 400 m angenommen. Man entschloß sich 1 889, die Breite von 360 m
an den seichtesten Stellen des Fahrwassers, also auf den Übergängen des
Talwegs, bis auf 310 m einzuschränken. Durch diese Bauten und durch
Baggerungen ist es gelungen, eine Mindesttiefe von etwa 2,7 m bei gemittel-
tem Niedrigwasser zu schaffen. Die Übergänge waren aber in der oberen
Strecke noch recht scharf und lagen zum Teil an falscher Stelle. Im unteren
Laufe (im Noord) fehlte außerdem (1908) noch die erforderliche Fahrwasser-
breite. Um eine weitere Verbesserung zu erreichen, wurde von den General-
staaten im Jahre 1909 ein Entwurf genehmigt, nach dem die Waal von
Pannerden bis St. Andries, oberhalb Zalt-Bommel (wo die Waal nur durch
einen mit einer Kammerschleuse versehenen Damm von der Maas getrennt
ist] bis auf 260 m eingeschränkt und die Breite unterhalb allmählich bis auf
350 m vergrößert werden sollte. Der Ausbau wird durch stromaufgerichtete
Buhnen im Abstand von 200 m erfolgen, wobei das Fahrwasser überall unter
Vermeidung von geraden Strecken eine Schlangenlinie erhält.
Der Leck trägt bei der Abzweigung aus dem Hauptstrome zunächst bis
zu der nach Norden abzweigenden Yssel den Namen >Pannerdenscher Kanal«
(S. 71) und von da bis Duurstede den Namen Niederrhein; er ist nach einer
Normalbreite von 130 (bis 150) m ausgebaut und bis zu 2,4 m bei gemitteltem
Niedrigwasser vertieft worden. Die Länge der Wasserstraße von Rotterdam
bis zur Reichsgrenze beträgt durch die Waal 128 km, durch den Leck 132,4 km.
In Preußen ist der im Flachland vielfach gekrümmte und früher stark
verwilderte Strom von der Grenze bis Köln (177 km) vollständig ausgebaut
worden, wodurch in einer Fahrwasserbreite von mindestens 150 m überall
I. Der Ausbau der großen deutschen Ströme. 177
•
die erstrebte Mindesttiefe von 3 m erreicht worden ist. Die Normalbreite von
300 m ist vorwiegend durch den Einbau von Buhnen hergestellt; daneben sind
an vielen Stellen auch Längsbauten, Uferdeckwerke und Grundschwellen aus-
geführt worden. Inseln und Stromspaltungen sind nicht mehr vorhanden.
Ähnlich sind die Verhältnisse in der anstoßenden Strecke von Köln nach
Koblenz (97 km), wo der Rhein unterhalb der Sieg-Mündung bei Bonn noch
ganz im Flachlande liegt und die Normalbreite von 300 m in gleicher Weise
mittels Buhnen ausgebaut worden ist. Oberhalb Bonn mußten mit Rücksicht
auf die an den Ufern liegenden Ortschaften einige Inseln (z. B. bei Honnef,
Neuwied, Vallendar) im Strome erhalten bleiben; diese Stromspaltungen sind
aber so geregelt worden, daß auf beiden Seiten ein brauchbares Fahrwasser
entstand. In dem einheitlichen Stromlauf, dem eine Normalbreite von 280 m
gegeben wurde, waren außer an den schwierigen Mündungstellen der Neben-
flüsse Sieg, Aar und Mosel besondere Verbesserungsarbeiten nicht erforderlich.
Die erstrebte Tiefe von 2,5 m ist überall in einer Fahrwasserbreite von 150 m
erreicht worden.
Die Regierung ließ in den Jahren 1895 bis 1898 umfangreiche Untersuchungen darüber vor-
nehmen, ob es technisch möglich sein wird, die Rheinstrecke von der holländischen Grenze bis
Koblenz bei einer Fahrwasserbreite von 150 m bis zu 3,5 m zu vertiefen'). iJas Ergebnis war
ein sehr günstiges, aber an die Ausfuhrung des Entwurfs ist man nicht gegangen. Das scheint
auch zwecklos, so lange in Holland die Waal nicht einmal auf 3 m Tiefe gebracht worden ist.
Andernfalls würde eine solche Vertiefung von grof^em Werte sein, besonders für die Rhein-See-
schiffahrt, zu deren Förderung allerdings Holland keine Veranlassung hat.
Oberhalb Koblenz liegt der Strom im Gebirge. Auf der Strecke bis
St. Goar (35 km) hat es im allgemeinen an der nötigen Wassertiefe nicht
gefehlt; doch war das Fahrwasser an einzelnen Stellen enge, stark gekrümmt
und durch Fels- und Kiesbänke behindert. Es ist überall eine nutzbare Breite
von 150 m mit 2,5 m Mindesttiefe erreicht worden.
Am schwierigsten und mühevollsten war es, in der etwa 27 km langen
Gebirgstrecke von St. Goar (Lorelei-Hafen) bis Bingen, die durch Felsen und
Stromschnellen die Schiffahrt außerordentlich behinderte und gefährdete, ein
sicheres Fahrwasser von 2 m Tiefe herzustellen. Außer den vor 1870 aus-
geführten Arbeiten (S. 105) am »wilden Gefahr« und im »Binger Loch« mußten
noch viele weitere Sprengarbeiten unter Verwendung von besonderen Maschinen
(Taucherschächte und Felsenbrecher) ausgeführt werden, bis im Jahre 1900
auf der ganzen Strecke die verlangte Tiefe in einer Fahrwasserbreite von
120 m erreicht wurde, die nur an wenigen Stellen z.B. oberhalb der Lorelei
auf 90 m eingeschränkt worden ist. Außer den Felssprengungen waren viele
Längs- und Querbauten zum seitlichen Abschluß des Fahrwassers erforderlich,
namentlich bei Caub und Niederheimbach, wo die Anlage von zwei getrennten
Fahrwassern nötig wurde.
1) Diese von Jasmund ausgeführten Untersuchungen, deren Ergebnisse in einer Denkschrift
von 1898 zusammengestellt wurden, sind mustergültig.
Teubert, BinnenschiflTahrt. 12
178 Abschnitt IV. Die Vermehrung der BinnenschifTahrtstraßen seit 1870.
Im Binger Loch ist das Fahrwasser nur 30 m breit gemacht worden,
weil man befürchtete, durch eine größere Breite den Wasserspiegel der ober-
halb liegenden Rheingaustrecke zu senken. Aus demselben Grunde hat man
dem daneben Hegenden, etwa 80 m breiten »zweiten Fahrwasser« nur eine
Mindesttiefe von 1,5 m gegeben. Dieses wird daher bei niedrigen Wasser-
ständen gewöhnlich nur von leeren Schiffen, namentlich für die Talfahrt be-
nutzt. Auch bei höheren Wasserständen wird bei der Bergfahrt das Binger
Loch bevorzugt. Das Gefälle in diesem ist zwar erheblich stärker, aber auf
einer nur etwa 1 10 m langen Strecke vereinigt, so daß es von einem Schlepp-
zuge mit sehr langen Schlepptrossen leichter überwunden werden kann, indem
sich gleichzeitig nur ein Schiff in dieser Gefallstrecke befindet.
Für den Ausbau der von Bingen bis Mainz (30 km) reichenden, soge-
nannten Rheingaustrecke war schon früher (S. 105) zwischen den Uferstaaten
(Hessen und Nassau) eine Vereinbarung erreicht worden; doch konnten die
beschlossenen Arbeiten wegen des Einspruchs der Uferanwohner nicht fertig
gestellt werden. Im Jahre 1884 wurde durch den Reichskanzler eine genaue
Untersuchung der Verhältnisse unter Oberleitung eines Reichskommissars an-
geordnet und es kam dann zum Abschluß eines neuen Vertrags zwischen
Preußen und Hessen. Der Ausbau dieser Stromstrecke mit beweglicher san-
diger Sohle und sehr geringem Gefälle erfolgte in den Jahren 1886 bis 1891
in der Weise, daß die vielen Inseln und Stromspaltungen beibehalten und die er-
forderlichen Einbauten (meistens Leitwerke und Grundschwellen) so niedrig
gehalten wurden, daß wenig Verlandungen entstanden und die vorhandenen
Wasserflächen erhalten blieben. Um die verlangte Mindesttiefe von 2 m zu
schaffen und zu erhalten, waren bei diesem Vorgehen umfangreiche Bagge-
rungen unvermeidlich. Um diese zu vermindern, wurden nachträglich (1894,
1900 und 1904) noch eine Anzahl einschränkender Werke, namentlich als
Grundschwellen, ausgeführt.
Im Jahre 1908 wurde ein im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten aufgesteUter
Entwurf veröffentlicht, der bezweckte, die Rheinstreckc von St. Goar bis zur Mainmündung von
2 m auf durchweg 2,5 m zu vertiefen und so für die Schiffahrt von Köln bis Mainz und Frankfurt
ein Fahrwasser von gleicher Tiefe zu schaffen. Grundsätzliche technische Bedenken liegen nicht
vor, zumal die vorhandene Niedrigwassermenge im Verhältnis zu den bestehenden Gefällen selbst
in der Gebirgstrecke dazu ausreicht. Auch die Schwierigkeiten und die Kosten würden für die
Rheingaustrecke nicht erheblich sein; dagegen sind für die Überwindung des Binger Lochs be-
sondere Einrichtungen erforderlich. Die Verbreiterung des vorhandenen alten Fahrwassers zu
einem etiva iiom breiten und 2,5 m tiefen Kanal wird von dem Verfasser des Entwurfs nicht
empfohlen, weil der Erfolg des erstrebten Gef^leausgleichs in einem solchen Kanal unsicher
ist, ferner eine Senkung des Wasserspiegels in der oberen Rheingaustrecke nicht mit Bestimmtheit
vermieden werden kann und außerdem eine Hebung des Wasserspiegels am unteren Ende des
Kanals (etwa bei Aßmannshausen) durch eingebaute Grundschwellen schwierig und vielleicht nicht
erfolgreich sein dürfte. Diesen Gründen muß man beitreten. Es ist deshalb die Überwindung
eines Gefälles von 1,5 m durch einen auf dem linken Ufer neben dem zweiten Fahrwasser ent-
worfenen etwa I km langen Kanal mit einer Kammerschleuse von 400 m Länge und 26 m
Breite vorgeschlagen worden, die bei Hochwasser geöffnet und durchströmt werden soll. Das
alte Binger Loch und das zweite Fahrwasser sollen in unveränderter Weise dem Verkehr erhalten
bleiben. Die Vertiefung der unteren Stromstrecke bis St. Goar ist zwar mit umfangreichen und
I. Der Ausbau der großen deutschen Ströme. 179
kostspieligen Felssprengungen verbunden, bietet aber sonst keine besonderen technischen Schwierig»
keiten. Der großzügige Entwurf würde die Rheinschiffahrt außerordentlich fördern. Auch die
Aufwendung der auf etwa 31 Millionen Mark berechneten Kosten würde sich wirtschaftlich viel-
leicht rechtfertigen lassen; es kommt aber darauf an, wie sie aufgebracht werden sollen.
Die in erster Linie an der RheinschifTahrt Beteiligten haben sich im allgemeinen bisher
ablehnend gegen den Entwurf verhalten. Sie befürchten, daß durch die Vertiefung der an der
Rheingaustrecke liegenden Häfen und Ladestellen große Kosten entstehen würden, weil die Ufer-
mauern u. dgl. nur für 2 m Wassertiefe bei N. W. berechnet sind. Femer würde die Leistungs-
f^igkeit eines Teils der vorhandenen Lastschiffe und dadurch der schon jetzt bestehende Über-
fluß an Schiffsraum vermehrt werden, während die Besitzer des anderen Teils der Lastschiffe,
die nicht so hoch gebaut wären und die gröbere Wassertiefe nicht ausnutzen könnten, in Zukunft
nicht mehr wettbewerbsfllhig sein würden. Schließlich haben sie die Durchfahrt durch die Schleuse
für sehr schwierig und gefährlich erklärt.
Diesen Gründen kann nicht beigetreten werden: Der erste ist unwesentlich, der zweite er-
innert fast an den früher beschriebenen Widerstand der Rheinschiffer gegen die Einführung der
Dampfschiffahrt und der dritte ist allein auf die Furcht der Rheinschiffer vor dem ihnen bisher
unbekannten Durchfahren von Schleusen zurückzuführen. Es ist keine Frage, daß die Schiffs-
fiihrer es bald lernen würden: Die in der ersten Zeit vielleicht eintretenden Unf^le würden später
sicherlich bei der nötigen Vorsicht vermieden werden.
Die Vertiefung der Strecke von St. Goar bis Mannheim auf 2,5 m ist in das dem Reichs-
tage vorgelegte Schiffahrtabgabengesetz von 191 1 aufgenommen worden.
Zwischen Mainz und Mannheim (71 km] hat der Rhein ein sehr
schwaches Gefälle. Die vielen Krümmungen waren für die Schiffahrt nicht
besonders störend; daher ist außer dem bereits früher ausgeführten Durch-
stiche am Geyer (S. 106) und dem noch zur Geradelegung des Oberrheins ge-
hörenden Friesenheimer Durchstich (gebaut 1828 bis 1862) an der Neckar-
mündung in dieser Strecke nur noch ein Durchstich oberhalb Worms »am
oberen Busch« im Jahre 1878 hergestellt worden. Die Normalbreite von
300 m ist durch Längsdämme, Querbauten und Buhnen ausgebaut und es
hat sich nicht nur die vereinbarte Mindesttiefe von 2 m, sondern sogar eine
Tiefe von etwa 2,5 m mit leichter Mühe herstellen lassen. Man hat in dieser
Strecke eine Hebung der Flußsohle bemerkt, die auf die Geradelegung des
Oberrheins zurückzufuhren sein wird. (Die Spiegelsenkung ist im Jahre 1908
bei Mainz zu 0,25 m und bei Worms zu 0,49 m festgestellt worden.)
Die Schiffbarmachung des Rheins oberhalb Mannheim hat eine
bemerkenswerte Geschichte. Bis etwa zum Jahre 1890 blieben Mannheim
und Ludwigshafen die oberen Endpunkte der RheinschifTahrt; die beiden Häfen
entwickelten sich mit staunenswerter Schnelligkeit und die anschließenden
Eisenbahnen hatten aus dem Güterumschlag, namentlich auf badischer Seite,
glänzende Einnahmen; denn sie verteilten die auf dem Rhein angekommenen
Güter nach Süddeutschland und der Schweiz. Aber allmählich strebten die
anderen Städte am Oberrhein und besonders Straßburg dahin, einen Teil
dieses Verkehrs an sich zu ziehen. Da der erste Ausbau des Stromes (S. 106)
hinsichtlich der Verbesserung des Fahrwassers erfolglos geblieben war, glaubte
man allgemein, daß nur durch einen Seitenkanal das erstrebte Ziel zu er-
reichen wäre, und die Handelskammer von Straßburg erbat schon 1871 vom
Fürsten Bismarck die Herstellung eines Kanals bis Ludwigshafen aufReichs-
12*
IgO Abschnitt IV. Die Vermelirung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
kosten. Die Verwirklichung des 1887 fertig gestellten Entwurfs wurde aber
vom Reiche mit Rücksicht auf den Widerspruch von Baiern und Baden ab-
gelehnt. Da auch der LandesausschuO von Elsaß-Lothringen 1894 erklärte,
auf alleinige Kosten den Kanal nicht ausführen zu wollen, so blieb nur seine
Herstellung als Privatuntemehmen möglich.
Inzwischen hatte sich auf dem Oberrhein ein Schiffsverkehr in kleinem
Umfange entwickelt. Oberhalb Mannheim hatte der Strom bis Speyer und
selbst bis Germersheim (43 km) infolge der fortgesetzten Bauten eine ge-
nügende Tiefe, und weiter oberhalb konnte während einer längeren oder kür-
zeren Zeit des Jahres bis Maxau und Lauterburg eine nutzbringende Schiff-
fahrt betrieben werden, die bei günstigen Wasserständen zuweilen bis StraO-
burg ausgedehnt wurde. Diese Stadt hatte unterdessen einen zweckmäßigen
Hafen am Metzgertor angelegt, der 1892 eröffnet wurde, und sie bemühte
sich auf jede Weise und nicht ohne Erfolg, die Schiffahrt dorthin zu ziehen.
In Baden war es vor allem der Oberbaudirektor Dr. ing. Honseil (der
spätere Finanzminister), der die Herstellung eines elsässischen Seitenkanals
bekämpfte und dem Druck der Verhältnisse nachgebend, für die Schiffbar-
machung des Oberrheins eintrat, zumal auch die in Baden in der Nähe des
Rheins gelegenen Städte, wie Karlsruhe und Kehl, davon erhebliche Vorteile
erhofften. Nach vielen fruchtlosen Verhandlungen zwischen den beiden Ufer-
staaten kam es im Jahre 1896 dazu, daß Honsell einen Entwurf zum Aus-
bau der 87 km langen Strecke von Sondernheim (4 km oberhalb Germers-
heim) bis Straßburg aufstellte. Innerhalb des vorhandenen 240 m breiten,
durch gleichlaufende Dämme begrenzten Sommerhochwasserbetts sollte zwi-
schen den Kiesbänken ein 160 bis 180 m breites, geschlängeltes Niederwasser-
bett durch Buhnen, Grundschwellen und Leitwerke festgelegt werden, wo-
durch er eine Mindesttiefe von 2 m bei dem gemittelten Niedrigwasserstande
(= 1,5 m am Kölner Pegel) zu erreichen hoffte. Erst im Januar 1907 kam
es zum Beginn der von beiden Staaten gemeinschaftlich bewirkten Bauaus-
führung, die nach den vorliegenden Nachrichten ') vom Erfolge gekrönt werden
wird. In Erwartung dieses sind große Hafenanlagen in Straßburg (Rhein-
hafen, 1900) und auf badischem Ufer bei Karlsruhe (1901) und Kehl (1900)
entstanden, die schon jetzt einen beträchtlichen Verkehr aufweisen. Straß-
burg und Kehl (134 km oberhalb Mannheim) bilden somit zurzeit die oberen
Endpunkte der Rheinschiffahrt.
Seit kurzem bemüht sich auch Basel in den Wettbewerb einzutreten,
wodurch die Länge der Wasserstraße um 127 km vergrößert und von Rotter-
dam ab zusammen 826 km betragen würde. Nach einem Zeitraum von etwa
50 Jahren (S. 96) fuhr im Sommer 1903 auf Anregung des schweizerischen
Ingenieurs Gelpke zum ersten Male wieder ein Güterdampfer bis Basel. Wenn
i) V. Moro, Ergebnisse der Rheinregulierung auf der badisch-baierischen Strecke Son-
demheim-Karlsruhc und wirtschaftliche Folgeerscheinungen für die Schiffahrt, in der Zeitschrift
für Binnenschiff'ahrt 19 10, S. 504.
I. Der Ausbau der großen deutschen Ströme. 181
auch die Schwierigkeiten und Hindernisse, die neben dem stark geschlängelten
Fahrwasser in der niedrigen Höhenlage einiger festen Brücken (Kehl) und
den ungenügenden Durchlaßeinrichtungen der Schiffbrücken bestanden, nicht
unbedeutend waren, so schienen sie doch nicht unüberwindlich, und diese
Fahrten sind seitdem mit Schleppzügen bei günstigen Wasserständen oft wie-
derholt worden. Es kann keinem Zweifel unterligen, daß die Stadt Basel
sich zu einem wichtigen Rheinhafen ausbilden würde, wenn der jetzt nur bis
Straßburg beschlossene neue Ausbau des Stromes bis zur schweizerischen
Grenze fortgesetzt wird. Der genannte Ingenieur Gelpke') hat noch weitere
wichtige Unternehmungen angeregt, die voraussichtlich in absehbarer Zeit
zur Verwirklichung kommen werden. Das sind die Weiterführung der Schiff-
fahrtstraße bis zum Bodensee und der Aufstau des letzteren, um zu Zeiten
niedriger Wasserstände den Rhein behufs Gewinnung ausreichender Fahr-
wassertiefen zu speisen.
Im Jahre 1908 bildeten sich in der Schweiz mehrere Schiffahrtvereine, um diese Unter-
nehmungen weiter zu betreiben, und es wurde auch ein > internationaler Rheinschiffahrtverband«
in Konstanz gegründet, an dem sich außer diesen Vereinen auch die am Bodensee, in Baden,
Württemberg, Baiem und Österreich gelegenen Orte beteiligten. Die betreffenden Staatsregie«
rungen und besonders die badische standen den Bestrebungen wohlwollend gegenüber. Diese
waren bis zum Jahre 191 1 soweit gefördert, daß auf Kosten der Verbände die nötigen Unter-
suchungen über die Abflußverhältnisse des Bodensees eingeleitet waren, und es wurde beschlossen,
zur Erlangung tauglicher Entwürfe für den Ausbau der Wasserstraße einen internationalen Wett-
bewerb auszuschreiben. Die badische und die schweizerische Regierung sind zurzeit damit be-
schäftigt, die Unterlagen für diese Ausschreibung auf ihre Kosten zu beschaffen.
Die Rheinstrecke von Basel bis Konstanz ist etwa 167 km lang, wovon rund 45 km
zwischen Schaffhausen und Konstanz schon heute schiffbar sind und regelmäßig von kleinen
Dampfschiffen befahren werden. Zwischen Basel und Schaffhausen müssen die vorhandenen
Stromschnellen und der große Rheinfall bei Neuhausen durch kurze Kanäle umgangen werden,
die zum Teil als Tunnel herzustellen sein werden. Gleichzeitig mit dem Ausbau der Schiffahrt-
straße muß die Gewinnung der bedeutenden Wasserkräfte bearbeitet und untersucht werden.
Oberhalb Basel sind solche Kraftwerke bei Angst-Wyhlen und bei Rheinfelden bereits vor-
handen, bei Laufenburg genehmigt und werden noch an anderen Stellen errichtet werden können.
Mit Rücksicht hierauf werden 11 bis 16 Wehranlagen mit Schleusen erforderlich sein. Wichtig
ist, daß diesen von vornherein solche Abmessungen gegeben werden, daß künftig Rheinschiffe
von 1800 bis 2000 t Tragfähigkeit verkehren können.
Als Vorbild wird im allgemeinen die große Wasserkraftanlage dienen können, die in neuerer
Zeit etwa 10 km unterhalb der schweizerischen Grenze bei Kembs im Elsaß für Mühlhausen ent-
worfen und genehmigt ist. Dort werden etwa 45 600 Pferdestärken gewonnen werden. Der rund
7 km lange, gleichlaufend mit dem durch ein Wehr aufgestauten Rhein angeordnete Werkkanal mit
86 m Sohlenbreite wird gleichzeitig als Schiffahrtkanal dienen und am unteren Ende unmittelbar
neben dem Kraftwerke eine Kammerschleuse erhalten, die nach der Vorschrift der Zentralkom-
mission für die Rheinschiffahrt 90 m Länge und 25 m Breite hat, so daß sie einen großen Seiten-
raddampfer oder zwei große Rheinschiffe aufnehmen kann. Wenn man annimmt, daß diese
großen Schleppdampfer künftig nur bis Basel verkehren werden, dürfte es für die Strecke ober-
halb dieser Stadt genügen, wenn die Schleusen nur ein großes Rheinschiff aufnehmen, also bei
90 m Länge nur 12 m breit gemacht werden. Das entspricht auch den Wünschen der schwei-
zerischen Schiffahrtvereine.
Die Stromstrecke von Straßburg bis Konstanz ist bei dem Schiffahrtabgabengesetze von
191 1 bereits in den sogenannten Rheinverband aufgenommen worden.
i) Zur Kritik der oberrheinischen Binnenschiffahrtprojekte. Basel 1904.
182
Abschnitt IV. Die Vermehrung der BinnenschifTahrtstraßen seit 1870.
Die vereinbarten und erstrebten Mindesttiefen (S. 107) von 3 — 2, 5 — 2
und 1,5 m sollten ursprünglich bei einem gemittelten Niedrig>\'asserstande
erreicht werden, der dem Pegelstande von 1,5 m in Köln entsprach. Man
hatte dabei angenommen, daß dieser Wasserstand jährlich im Durchschnitt
nur an 10 eisfreien Tagen unterschritten werden würde. Infolge des Ausbaues
des Stromes veränderten sich die Wasserstände an den einzelnen Pegeln häufig
in ihrer Lage zueinander und am Kölner Pegel wurde eine erhebliche Senkung
der niedrigen Wasserstände bemerkt, so daß z. B. in dem Zeitraum von 1895
bis 1904 der Stand von 1,5 m durchschnittlich an 72 Tagen jährlich unter-
schritten wurde. Die im Jahre 1908 angestellten Untersuchungen ergaben,
daß dem gemittelten Niedrigwasserstande zurzeit nicht mehr der Pegelstand
von 1,5 m, sondern der Pegelstand von 1,22 m in Köln entsprach. Man be-
schloß jedoch, das alte Maß von 1,5 m am Kölner Pegel für die weitere
Beurteilung und Prüfung der Fahrwassertiefen beizubehalten, wenn dieser
Stand auch nicht mehr als ein niedriger anzusehen war. Es wurden daher
für die anderen 14 Hauptpegel des Stromes die zurzeit dem Stande von
1,5 m in Köln entsprechenden Wasserstände ermittelt und man bezeichnete
diesen Wasserstand als den »gleichwertigen von 1908« (Gl. W. 1908). Er
soll künftig alle 10 Jahre von neuem ermittelt werden. Von diesem Wasser-
stande woirde angenommen, daß er künftig im Durchschnitt jährlich an 47
Tagen unterschritten werden wird.
Geringste Fahrwassertiefen in den Jahren 1907 bis 1911.
Nr.
Stromstreckc
I
Soll-
Tiefe
cm
\\
I '
2
I
4
5:
6
7
8
9
10 i
11 I
1 ''
13 \
Straßburg — I^auterburg . . 150
Lauterburg — Gemicrsheiui . 150
Gcnnersheim — Speyer . . . ' 150
Speyer — Mannheim .... 150
Mannh. — Hessische Grenze. I 200
Hessische Stromstrecke . . i' 200
Hessisch-Preußische Strecke 200
Bingen — St. Goar 200
St. Goar — Koblenz .... 250
Koblenz — Köln 250
Köln — Duisburg-Ruhrort . . 300
Duisburg — Holland. Grenze 300
Waal 300
Es fehlten bei X. W. an
der vereinbarten Tiefe
cm
1907 1908 1909 I 1910 I 1911 |l 1907 ' 1908 I 1909 I 1910 191 1
Geringste Fahrwassertiefen
in cm
50
90
140
220
250
160
HO
210
200
190
260
270
195
50
90
100
170
190
170
120
170
220
180
230
190
188
50
80
210
330
380
120
»35
160
280
210
480
330
iSS
100
120
200
230
300
220
195
300
260
240
320
330
240
HO 50
— 3»
r
56
22
34
56
140 ! 37 i 36
200
"^^
II
250
—
300
170
—
202
28
17
12
6
82 I 54
48 ! -
— 3
18 I 47
'%'*
-j
20
Nach den Beobachtungen der letzten 4 Jahre hat sich herausgestellt, dab an den 15 Haupt-
pcgcln von Straßburg bis Zait-Bommel (an der Waal zwischen St. Andries und der Einmündung
der Maas bei Woudrichem) der (U. W. von 1908 im Durchschnitt im Jahre 1908 an 100 Tagen,
I . Der Ausbau .der großen deutschen Ströme. 183
1909 an 70 Tagen und 19 10 an 6 Tagen unterschritten wurde. Wenn man nur die Hauptpegel
von Mannheim bis zur holländischen Grenze in Betracht zieht, wurde an diesen der Wasserstand
durchschnittlich im Jahre 1908 an iio Tagen, 1909 an 77 Tagen, 1910 an 7 Tagen und 191 1
an 130 Tagen unterschritten. Das Jahr 191 1 war besonders trocken und auf vielen deutschen
Strömen mußte die SchifTahrt zeitweilig eingestellt werden. Am Rhein hatten die niedrigen
Wasserstände namentlich im unteren Laufe eine recht lange Dauer: In Köln wurde der Gl. W.
von 1908 an 143 Tagen und in Duisburg-Ruhrort an 159 Tagen unterschritten. Aber unge-
wöhnlich niedrige Wasserstände traten nicht ein; denn die niedrigsten vom Jahre 191 1 waren
immer noch höher als in den Jahren 1908 und 1909.
Auch die durch Pellung bei niedrigen Wasserständen gefundenen geringsten Fahr-
wassertiefen waren im Jahre 1911 nicht kleiner, als in den vorhergehenden Jahren. In vor-
stehender Tafel sind die Ergebnisse dieser Peilungen aus den letzten 5 Jahren, soweit sie bekannt
waren, zusammengestellt worden. In Spalte 3 ist die vereinbarte angestrebte Solltiefe beim Gl. W.
von 1908 angegeben, nach der in Spalte 5 die fehlende Tiefe nach dem Ergebnis der Peilung
berechnet wurde. Bei niedrigen Wasserständen vertiefen sich die seichten Übergänge des Tal-
wegs : Das an der Tiefe fehlende Maß wird also kleiner, wenn es aus den Peilungen bei N. W.
berechnet wird.
Aus der Tafel erkennt man, wie weit hinsichtlich der Mindesttiefen das
erstrebte Ziel bisher erreicht worden ist. Dabei ist zu beachten, daß infolge
des veränderten gemittelten Niedrigwasserstandes das MaO der erstrebten
Tiefen um 0,28 m heruntergesetzt worden ist.
Die Weser. Die Mündungstrecke bis zur Kaiserbrücke in Bremen
hinauf (112 km), die »Unteru^eser«, ist eine Seeschiffahrtstraße und in der Zeit
von 1887 bis 1894 durch den Oberbaudirektor Franzius') mit gutem Erfolge
ausgebaut Das Fahrwasser des Stromes oberhalb Bremen (S. 117) war in
den siebziger Jahren so mangelhaft, daß die Schiffer sich beschwerdeführend
an den Reichskanzler wandten. Von der preußischen Regierung wurde darauf
im Jahre 1877 erklärt, daß man durch kräftige Förderung der Bauten sowie
durch Baggerungen in der Strecke von Bremen bis Minden (164 km) eine
geringste Fahrwassertiefe von 1,25 m, von Minden bis Karlshafen (159 km)
eine solche von 1,0 m und von da bis Münden (45 km) eine solche von 0,7
bis 0,8 m bei den niedrigsten Wasserständen zu erreichen hoffte. Diese An-
gaben gingen im allgemeinen auch in den im Jahre 1879 dem preußischen
Landtage vorgelegten Entwurf über; nur für die oberste Strecke wurde eine
Mindesttiefe von 0,8 m angenommen. Die Normalbreite bei mittlerem
Sommerwasserstande sollte von Bremen bis zur Allermündung (41 km) von
112 m auf 103 m, von da bis Karlshafen von 70 m auf 50 m und bis Münden
auf 42 m abnehmen und im allgemeinen durch Buhnen festgelegt werden.
Für die oberste Strecke von Karlshafen bis Münden mit sehr starkem
und wechselndem Gefälle wurde ein einheitlicher genauer Entwurf aufgestellt
und in den Jahren 1878 bis 1888 ausgeführt. Durch ausgedehnte Anwendung
von Grundschwellen ist ein ziemlich befriedigender Ausgleich des unregel-
mäßigen Gefälles erreicht worden. In den übrigen Stromstrecken sind die
mangelhaften Stellen einzeln nach besonderen Entwürfen allmählich verbessert
worden. Die nutzbare Fahrwasserbreite wurde auf mindestens 25 m bemessen;
i) Im Jahre 1908 wurde ihm in Bremen ein Denkmal errichtet.
184 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
doch hat sich dies Maß nach der Einführung der Schleppschiffahrt (1879) ^s
zu klein erwiesen. >Im Jahre 1896 wurde in Hannover die Weserstrom-Bau-
verwaltung errichtet, der auch die unteren Strecken der Fulda und der Aller
unterstellt sind.«
Die erstrebten Mindesttiefen wurden im allgemeinen, namentlich oberhalb
von Minden, erreicht, wenn nicht sehr trockene Sommer eintraten. Im Jahre
1893 waren die Wasserstände an den Pegeln z. B. etwa 0,5 m unter die im
Jahre 1877 angenommenen »niedrigsten« Wasserstände gesunken und es er-
gaben sich geringste Fahrwassertiefen von nur 0,48 m. Die Erfolge der fort-
gesetzten Arbeiten zeigten sich in dem ziemlich ebenso trockenen Jahre 1904:
Obwohl die Wasserstände in den unteren Strecken etwa 0,4 m und in den
oberen 0,5 m unter die im Jahre 1877 angenommenen Wasserstände gefallen
waren, ergaben sich die geringsten Fahrwassertiefen unterhalb der Aller zu
0,9 m und zwischen der Aller und Münden zu 0,65 m. Im trockenen Sommer
191 1 fielen die Wasserstände unterhalb der Allermündung um 0,25 bis 0,3 m
und oberhalb um etwa 0,2 m unter den Stand von 1904. Die geringsten
Fahrwassertiefen betrugen dabei unterhalb der Aller etwa 0,7 m, zwischen
der Aller und Hameln etwa 0,6 m und weiter oberhalb etwa 0,47 m. Bei
Veckershas^en wurde sogar eine geringste Fahrwassertiefe von nur 0,3 m fest-
gestellt. Die Schiffahrt mußte fast auf dem ganzen Strome eingestellt werden.
Durch den Bau des Rhein-Weser-Kanals, der bei Minden über die Weser geführt und
durch eine Schachtschleuse von etwa 12,5 m Gefölle mit ihr in Verbindung gebracht werden
soll, werden die Wasserstandsverhältnisse des Stromes wesentlich verändert. Die im Quellgebiet
der Eder und Diemel zu erbauenden Staubecken sollen zusammen sekundlich 18 m^ Wasser an
den Strom abgeben, von denen bei Minden (durch ein Pumpwerk) 7 m^ zur Speisung des Kanals
und bei Hoya 6 m^ zur Bewässerung der Sykc-Bruchhausener Meliorationsländereien entnommen
werden. Das Zuschußwasser aus den Staubecken soll so geregelt werden, daß bei Minden (nach
Entnahme der vorerwähnten 7 m^) der Strom nicht weniger als 60 m^ je Sekunde abführt.
Auf Grund dieser Bestimmungen sind im Jahre 1907 für den Strom Normalquerschnitte
berechnet worden, wobei ein »mittlerer Kleinwasserstand < zugrunde gelegt wurde, der im
trockenen Sommer 1904 der mittleren kleinsten Abfiußmenge während des Zeitraums von 189 1
bis 1900 entsprach. (Dieser Wasserstand liegt im Durchschnitt etwa 0,15 m über dem N.W.
von 1904.) Durch den Wasserzuschuß aus den Staubecken wird der Wasserstand von Münden
bis Minden um 0,33 bis 0,26 m erhöht werden, von da bis Hoya um 0,15 m, bis zur Allermün-
dung um 0,10 m und unterhalb um 0,05 m. Bei Mittelkleinwasser sollen demnach künftig die
Mindesttiefen betragen: von Bremen bis zur Aller und bis Hoya 1,65 m, bis Minden x,S m,
bis Hameln 1,26 m, bis Karlshafen 1,24 m und bis Münden 1,08 m. (In dem Schiffahrtabgaben-
gesetz sind die Tiefen zu 1,75 m, 1,25 m und i,i m angegeben.)
Die Normalbreiten sollen betragen: unterhalb der Aller 1x5 m, oberhalb bis Minden
66 m, bis Hameln 74 m und oberhalb Hameln bis Karlshafcn von 63,5 bis 56 m abnehmend.
Die Sohlenbreiten (nutzbaren Fahrwasserbreiten) sollen in ähnlicher Weise folgende Min-
destmaße erhalten: unterhalb der Aller 50 m, oberhalb bis Minden 31,6 m, bis Hameln 29 m,
oberhalb Hameln etwa bis Höxter 28,5 m und weiter oberhalb bis Münden 25 m.
Der Bau der großen Talsperre bei Hemfurt (in Waldeck) im Ederge-
biet ist seit einigen Jahren begonnen worden.
In neuester Zeit sind im unteren Laufe des Stromes zwei Wehr- und
Schleusenanlagen entstanden. Die untere auf Bremer Gebiet ist beiHe-
melingen vom Bremischen Staat erbaut worden, um die Schädigungen aus-
I. Der Ausbau der großen deutschen Ströme. 135
zugleichen, die infolge der Vertiefung der Unterweser für die oberhalb wohnen-
den preußischen Anlieger entstanden sind oder noch entstehen würden. Die
Schleusenanlage besteht aus einer Schleppzugschleuse von 350 m nutzbarer
Länge und einer kürzeren Schleusenkammer von 70 m nutzbarer Länge.
Beide haben 12,5m Weite und eine Tiefe von 2,8 m unter N.W. Die
Schleuse wurde 1910 eröffnet.
Oberhalb der Aller und 53 km oberhalb der vorerwähnten Wehranlage
ist eine zweite bei Dörverden erbaut, die den Zweck hat, durch Aufstau
des Stromes die Ländereien des Syke-Bruchhausener Meliorationsverbandes
zu bewässern. Nebenbei soll auch elektrische Kraft gewonnen werden. Durch
diesen Bau wird eine Stromkrümmung von 3,7 km Länge abgeschnitten. Ab-
weichend von der Hemelinger Anlage ist nur eine 350 m lange Schleppzug-
schleuse angeordnet worden, in der durch ein Zwischenhaupt eine Kammer
von 85 m Länge abgeteilt werden kann. Die Weite beträgt 12,5 m, die Tiefe
2,5 m unter M.Kl.W. Die Anlage ist im Jahre 191 1 eröffnet worden.
Die Elbe« Die rund 140 km lange Mündungstrecke bis Hamburg
die »Unterelbe«, ist eine SeeschiffahrtstraOe. Etwa 10 km oberhalb Hamburg
teilt sich an der Bunthäuser Spitze der Strom in die Norder- und Süderelbe,
die sich etwa 5 km unterhalb Hamburg (Köhlbrand) wieder vereinigen. Ebbe
und Flut reichen gewöhnlich bis Geesthacht (37 km oberhalb Hamburg)
hinauf. Die zu Preußen und Mecklenburg gehörende Strecke von Geesthacht
bis zur Havelmündung (152 km) hat sehr schwaches Gefalle und der
Talweg schlängelt sich in unregelmäßiger, wechselnder Gestalt zwischen be-
weglichen Sandfeldem. Die Strecke von der Havel- bis zur Saalemündung
(141 km) zeigt bei Magdeburg (294 km oberhalb Hamburg) einen starken
Gefallbruch infolge des felsigen Untergrundes (vgl. S. 48). Der Talweg hat
innerhalb dieser Stromlänge eine mehr gestreckte Gestalt und verändert seine
Lage nur selten. Ähnlich verhält sich der Strom zwischen der Saalemündung
und der Mündung der schwarzen Elster (92 km). Er gehört hier zum großen
Teil zum Herzogtum Anhalt und hat viele starke Krümmungen. Die Strecke
oberhalb bis zur sächsischen Grenze (78 km) ist gleichfalls stark gekrümmt,
aber durch die früher erwähnten Durchstiche (S. 125) erheblich verkürzt und
gerade gelegt. Sie hat ein ziemlich starkes Gefälle, führt grobes Geschiebe,
aber keine beweglichen Sandbänke, sodaß der Talweg im allgemeinen eine
unveränderte Lage behält. Die sächsische Elbe bis zur österreichischen
Grenze (120 km) hat zum Teil den Charakter eines Gebirgsflusses mit stark
wechselnden Gefällen. Die böhmische, ganz ähnliche Stromstrecke bis zur Ein-
mündung der Moldau bei Melnik ist 108 km lang und die ganze Binnenschiff-
fahrtstraße von Hamburg ab zusammen 727 km. Die Entfernung Hamburg
— Dresden beträgt 567 km, Hamburg — Außig 656 km.
Durch die bis 1870 am Strome ausgeführten Arbeiten war eine gewisse
Verbesserung in einzelnen Strecken herbeigeführt worden; der Zustand ge-
nügte aber nicht den Wünschen der aufblühenden Schiffahrt. Die Vertreter
186 Abschnitt IV. Die Vennebrung der BinnenschifFabrtstraßen seit 1870.
der beteiligten Kreise wandten sich darum an den Reichskanzler und baten
um weitere Verbesserung des Fahrwassers. Dieser veranlaOte im Jahre 1873
die deutschen Uferstaaten zu einer technischen Befahrung und Untersuchung
des Stromes von Riesa bis Hamburg und ernannte den Wasserbaudirektor
Grebenau in StraOburg zum Vorsitzenden der Kommission. Die Befahrung
fand namentlich auf der oberen Strecke bei einem sehr niedrigen Wasserstande
statt. Die Kommission stellte fest, daß oberhalb der Saaleeinmündung bei
Barby die Schiffe mit einer Tauchtiefe von 0,58 m fahren konnten, daß aber
unterhalb Barby und namentlich auf der Strecke zwischen Magdeburg und Ham-
burg die Segelschiffe mit einer Tauchtiefe von 0,81 bis 0,82 m und die Schlepp-
züge mit einer solchen von 0,73 m verkehrten. Das Ziel der Vereinbarung von
1869, daß bei dem jeweiligen niedrigsten Wasserstande überall Schiffe mit einer
Tauchtiefe von 0,84 m fahren können, daß also überall eine geringste Fahrwasser-
tiefe von 0,94 m vorhanden sein sollte, war mithin noch nicht erreicht. Es
wurde vorgeschlagen, die Normalbreiten des Stromes durch Buhnen und andere
Werke weiter einzuschränken, damit die scharfen Krümmungen des Talwegs
und die schlechten Übergänge vermindert würden, sowie das Fahrwasser von
den vielen Hindernissen, Steinen, Baumstämmen, Schiffmühlen u. dgl. zu be-
freien. Auch wurde die Beschaffung und Verwendung von Dampfbaggern
empfohlen. Zur weiteren Förderung der Schiffahrt wurde eine dauernde gute
Bezeichnung des Fahrwassers und die Anstellung von einer ausreichenden
Zahl von Schiffahrtpolizeibeamten für nötig gehalten. Bemerkenswert ist, daß
dabei auch die Notwendigkeit hervorgehoben wurde, durch sorgfaltige, wissen-
schaftliche hydrologische Untersuchungen und Messungen die Gefälle und die
Abflußmengen festzustellen, um mit diesen sicheren Unterlagen dann die wirk-
lich erforderliche weitere Einschränkung des Stromes zu ermitteln.
Seit 1874 sind die Arbeiten zur Verbesserung des Stromes kräftig von allen
Uferstaaten gefördert worden. Da die Beschaffung der wissenschaftlichen Unter-
lagen zunächst nicht möglich war, w^urden die Normalbreiten auf Grund
der bisherigen Erfahrungen vermindert und zwischen der sächsischen Grenze
und Hamburg folgende Maße in Preußen festgesetzt: bis zur schwarzen Elster
100 m, bis zur oberen anhaltischen Grenze iiom, bis zur Mulde 130 m, bis
zur Saale 150 m, bis Tangermünde 170 m, bis zur Havel 188 m, bis zum
Aland 226 m, bis zur Eide 245 m, bis zur Jeetzel 256 m, bis zur Sude 271 m,
bis Geesthacht 289,5 ^ und bis zur Seeve (4,7 km oberhalb der Stromteilung)
313 m. In diesen Breiten wurde dem Strom allmählich durch Buhnen ein
festes Bett bei gewöhnlichem Wasserstande gegeben, das besonders für die
möglichst gefahrlose Abführung von Eis und Hochwasser von großem Werte
war. Auch die Schiffahrt fand genügendes Fahrwasser, so lange keine be-
sonders trockenen Jahre (wie 1842 und 1874) wieder eintraten. Als dies 1892
und 1893 geschah, zeigte es sich, daß die erstrebte geringste Fahrwasser-
tiefe noch nicht erreicht war. Es wurden deshalb im Jahre 1893 fiir die
preußische Elbe ein neuer Verbesserungsentwurf, namentlich für die Strecken
I. Der Ausbau der großen deutschen Ströme. 187
von der sächsischen Grenze bis Magdeburg und von der Havelmündung ab-
wärts, aufgestellt, der die weitere Ausbildung eines geeigneten Niedrigwasser-
bettes durch Ausbau der einbuchtenden Ufer mittels hinterfüllter Deckwerke
und durch Anlage von sanft ansteigenden Grundschwellen vor den Buhnen-
köpfen bezweckte. Die ausgeführten Arbeiten haben zwar eine gute Wirkung
auf die Ausbildung besserer Querschnittsformen ausgeübt; aber das Fahr-
wasser zeigte besonders unterhalb der Havelmündung noch immer wandernde
Sandbänke, veränderliche und zum Teil falsche Übergänge, sowie bei niedrigen
Wasserständen unzureichende Wassertiefen. Trotz der etwa im Jahre 1890
zusammengestellten Ergebnisse der hydrologischen Messungen und Unter-
suchungen ist eine weitere Einschränkung der zum Teil viel zu großen Nor-
malbreiten nicht ausgeführt worden. In dem sehr trockenen Sommer des
Jahres 1904 gingen die geringsten Fahrwassertiefen im oberen und mittleren
Laufe des Stromes bis auf 0,55 m (an einzelnen Stellen bis 0,45 m) und unter-
halb der Havelmündung bis auf 0,70 m hinunter, sodaß der Schiffahrtverkehr
vollständig stockte. In der sächsischen Elbestrecke sind dieselben betrübenden
Erfahrungen gemacht worden, obwohl man sich auch dort besonders seit 1899
sehr bemüht hat, durch sorgfaltigen Ausbau des Niedrigwasserbettes das
Wasser zur Erzielung größerer Tiefen zusammen zu halten.
In dem ebenso trockenen Sommer des Jahres 191 1 betrugen die gering-
sten Fahrwassertiefen von der böhmischen Grenze bis zur Einmündung des
Ihlekanals unterhalb Magdeburg 0,6 bis 0,7 m, von dort bis zur Einmündung
der Eide bei Dömitz 0,75 bis 0,8 m und weiter unterhalb 0,85 bis 0,9 m. .
Die Schiffahrt mußte bis zum Herbst eingestellt werden.
Deshalb scheint es auffällig, dafs bei der bedeutenden Entwickelung der Elbeschiffahrt die
beteiligten Kreise mit diesen oft ungenügenden Wassertiefen zufrieden sind und nicht auf eine
gründlichere Verbesserung der \Vasserstrabe drängen, zumal es keinem Zweifel unterliegt, daß
unterhalb der Saale- und namentlich unterhalb der Havelmündung durch kräftiger betriebene
Arbeiten und weiter gehende Einschränkung des Xiedrigwasserbettes größere Tiefen erreicht
werden können. Der Grund dieser Erscheinung ist ähnlich wie beim Rhein (S. 179) in einem
gewissen Brotneid zu suchen: Die vorhandene grobe Zahl von Eibschiffen würde bei größeren
Wassertiefen und tieferer Beladung wohl im einzelnen besser ausgenutzt, aber bei der beschränkten
vorhandenen Frachtenmenge nicht sämtlich beschäftigt werden können, und die Frachtsätze
würden daher bei dem groben Angebot von Schiffsraum sinken. Es ist eine bekannte Tatsache,
daß bei niedrigen Wasserständen und geringer Ausnutzung der Tragftlhigkeit der Schiffe die
Frachtsätze steigen und der Gesamtertrag der Schiffahrt in trockenen Jahren im allgemeinen
größer ist als in wasserreichen Jahren. Das sind allerdings ungesunde Zustände.
Im Jahre 191 1 wurde der Schiffahrtabgabenkommission des deutschen Reichtags eine
Denkschrift über den weiteren Ausbau der deutschen Elbe vorgelegt, nach der dem Strome
selbst bei so niedrigen Wasserständen wie im Jahre 1904 (in Dresden 2,32 m unter Pegelnull),
bei einer Fahrwasserbreite von 40 m, oberhalb der Saalemündung eine geringste Wassertiefe von
1,1 m und unterhalb eine solche von 1,25 m gegeben werden soll. Es wird darin mitgeteilt,
daß auf Grund der Berechnungen und Versuchsbauten an der technischen Möglichkeit, dies Ziel
zu erreichen, nicht gezweifelt werden kann. Dabei soll auch das schwierige und enge Fahr-
wasser bei Magdeburg durch die Anlage eines schon seit längerer Zeit erwogenen zweiten Schiff-
fahrtweges erheblich verbessert werden, sodaß eine Trennung des Durchgangverkehrs vom Orts-
verkehr vorgenommen werden könne. Die an der Schiffahrt beteiligten Kreise, namentlich die
Handelskammer Magdeburg, haben sich im allgemeinen gegen dies Unternehmen ausgesprochen,
188 Abschnitt TV. Die Vermehrung der BinnenschifTahrtstraßen seit 1870.
indem sie die Möglichkeit und die Zweckmäßigkeit der Vertiefung bestritten. Der Hauptgrund
dürfte aber in dem vorerwähnten Überfluß an Lastschiffen zu suchen sein.
In Österreich bemühte man sich, den besonders nach Verlegung der
Kette (S. 122) aufblühenden Elbeverkehr durch die Moldau bis nach Prag
zu bringen. Bei den vorgenommenen Verbesserungsarbeiten, Einschränkung
der Strombreite und Baggerungen, erkannte man jedoch, daß auf diese Weise
höchstens auf der Strecke von der deutschen Grenze bis Außig die erstrebte
Mindesttiefe erreicht werden könnte; denn in dem trockenen Jahre 1893 sank
die Fahrwassertiefe in der Elbe bis 0,63 m und in der Moldau bis auf 0,2 m.
Man beschloß daher im Jahre 1896 die schon seit 1883 vielfach erwogene Ab-
sicht zur Ausführung zu bringen und die Elbe oberhalb Außig bis Melnik, sowie
die Moldau von da bis Prag durch 12 Stufen künstlich aufzustauen. Diese
Kanalisierung der Moldau und Elbe ist in Österreich die erste, aber glänzende
Leistung auf dem Gebiet des Baues von Schiffahrtstraßen. Es sollte in
jeder Jahreszeit eine Fahrwassertiefe von mindestens 2,1 m geschaffen werden,
damit Schiffe von 800 t Tragfähigkeit ungehindert verkehren könnten. Die
Schleusen haben an jeder Staustufe zwei Kammern, von denen die eine fiir
Schleppzüge 147 m lang und 20 m breit, die andere 78 m lang ist. Die Tor-
weite beträgt 11 m, ist aber bei den kleineren Kammern der drei untersten
Staustufen (von Außig bis Lobositz) mit Rücksicht auf den Verkehr der säch-
sisch-böhmischen Personendampfer auf 13 m vergrößert worden. Die beiden
Kammern sind zum Teil hintereinander (sodaß eine nutzbare Länge von 225 m
entsteht) und zum Teil (namentlich bei den untersten Staustufen) nebeneinander
angeordnet worden. Im Jahre 1897 wurde mit dem Bau begonnen und nach
9 Jahren die 5 1 km lange Strecke der Moldau von Melnik bis Prag mit 5 Stau-
stufen fertiggestellt und dem Verkehr übergeben. Die Arbeiten in der Elbe-
strecke werden voraussichtlich im Jahre 1913 beendet werden.
Im Anschluß an diese Bauten ist in Prag ein großer Hafen angelegt
worden und es wird jetzt die Moldau auch innerhalb der Stadt schiffbar ge-
macht, indem die dort vorhandenen 4 Mühlenstaue durch 2 Wehre mit Kammer-
schleusen ersetzt werden. Auf diese Weise wird eine Verbindung mit der
oberen Moldau hergestellt, auf deren unterster, 28 km langer Strecke bis
Stechowitz seit dem Jahre 1865 ein regelmäßiger Personendampferverkehr
besteht. (Auf dem weiter oberhalb gelegenen Teil der Moldau bis Budweis
besteht seit alter Zeit ein Verkehr mit »Budweiser« oder »nacktent Zillen,
die etwa 40 bis 50 t Tragfähigkeit haben und die dort vorhandenen Wehre
mittels Schiffdurchlässen (S. 49) überwinden.) Prag bildet jetzt den oberen
Endpunkt der von Hamburg ab 778 km langen Eibwasserstraße.
Die Oden Die etwa 30 km lange Mündungstrecke vom Stettiner Haff
bis Stettin ist eine Seeschiffahrtstraße. Die Binnenschiffahrt endigt im all-
gemeinen in Stettin, obwohl sie auch noch unterhalb der Stadt, auf dem
Haffe und auf den in dieses einmündenden Wasserstraßen (Ücker, Peene und
Dievenow) in kleinem Umfange betrieben wird. Die Stromstrecke von Stettin
I. Der Ausbau der großen .deutschen Ströme. 189
bis Schwedt (53 km) und weiter aufwärts bis Hohensaathen (81 km), wo
auf dem linken Ufer die Havel-Oder-WasserstraOe (Finowkanal, S. 43) ein-
mündet, liegt in einer flachen Niederung und zeigt unterhalb Schwedt bei
gewöhnlichem Wasserstande fast kein Gefalle mehr. Der Strom ist auf größeren
Strecken in mehrere Arme gespalten und vielfach gekrümmt, bietet aber für
die Schiffahrt beinahe überall ein genügend tiefes und breites Fahrwasser.
Einzelne Krümmungen sind in neuerer Zeit durchstochen worden. Die Mittel-
wasserbreiten wechseln zwischen 100 und 250 m, die Tiefen zwischen 3.5 und
8 m. Im allgemeinen waren für die Schiffahrt nur wenig Verbesserungen aus-
zuführen.
Die Strecke von Hohensaathen bis zur VVarthemündung bei Küstrin
(47 km lang) führt im unteren Teil durch den von Friedrich dem Großen
angelegten großen Durchstich (S. 41) und zeigt ein schwaches Gefälle. Sie
i§t durchweg (von 1874 bis 1894) mit Buhnen ausgebaut, ebenso wie die
mittlere und obere Oder. Die für das Mittelwasser zugrunde gelegten Normal-
breiten sind schon (S. 136) mitgeteilt worden. Zur Ausbildung eines engeren
Niederwasserbettes haben die Buhnenköpfe Vorlagen (Grundschwellen) mit
schwachen Neigungen erhalten. Dabei hat man sich mit Erfolg bemüht, die
oft sehr kleinen Krümmungshalbmesser bis auf 300 m zu vergrößern.
Seit 1879 wurde als Ziel für die Vertiefung des Fahrwassers das Maß
von I m unter dem gemittelten niedrigsten Wasserstande erstrebt. Neuer-
dings ist der für den Ausbau des Stromes maßgebende Regulierungswasser-
stand als Mittel aus den niedrigsten Jahreswasserständen der 6 wasserärmsten
Jahre des Zeitraums von 1889 bis 1899 festgelegt worden. In der Strecke
unterhalb der Warthe ist diese Mindesttiefe im allgemeinen erreicht worden;
nur in den sehr trockenen Sommern der Jahre 1904 und 191 1 ist sie bis auf
0,9 m und bis auf 0,7 m hinuntergegangen. Sonst kann man bei gemitteltem
Niedrigwasser auf eine Tiefe von 1,3 m rechnen.
Von der Warthemündung bis Breslau (363 km) ist das Gefälle stärker,
aber ziemlich gleichmäßig. Bei den vielen starken Krümmungen des Stromes
und dem zwischen den leicht beweglichen Sandfeldern sich unregelmäßig
schlängelnden Talwege war der Ausbau dieser Strecke mit vielen Schwierig-
keiten verbunden, so daß die erstrebte Mindesttiefe trotz der weiteren Ein-
schränkung des Niedrigwasserbettes in trockenen Jahren noch nicht erreicht
werden konnte. Es betrugen die geringsten Fahrwassertiefen im Sommer 1903:
0,9 m, im Sommer 1904 in dem unteren Teile 0,65 m und in dem oberen
Teile sogar nur 0,5 m und im Sommer 191 1: 0,65 m. Die Schiffahrt mußte
1904 und 191 1 vollständig eingestellt werden.
(In dieser Strecke der mittleren Oder liegt das Mittelwasser ziemlich genau
I m über dem Regulierungswasserstande.)
Zwischen Breslau und der Neißemündung (74 km) ist das Gefälle
etwas stärker, aber durch die Mühlenstaue von Breslau, Ohlau und Brieg be-
einflußt. In den nicht im Stau gelegenen Stromstrecken konnte durch den
190 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
Ausbau mittels Buhnen und Grundschwellen die erstrebte Mindesttiefe bisher
nicht erreicht werden, obwohl man die Breite des Niederwasserbettes durch die
Vorlagen auf 53 m und an einzelnen Stellen selbst auf 45 m eingeschränkt
hat. Im allgemeinen erreichte man auf den Übergängen des ziemlich fest
liegenden Talwegs nur eine Tiefe von 0,5 bis 0,6 m bei Niedrigwasser, und
selbst diese Maße wurden in dem trockenen Sommer 1904 oberhalb Brieg
noch unterschritten, wo eine geringste Fahrwassertiefe von 0,3 m festgestellt
wurde. Im Sommer 191 1 betrug die geringste Tiefe 0,5 m.
Oberhalb der Neißemündung gelang es trotz der vermehrten Ein-
schränkung des Flußbettes (an einzelnen Stellen bis auf 35 m) nicht, die ver-
langte Fahrwassertiefe herzustellen, weil die vorhandene Niedrigwassermenge
im Verhältnis zu dem wachsenden Gefälle nicht mehr ausreichte. Es wurde
daher beschlossen, in der (jetzt 70 km langen) Strecke von der NeiOemün-
dung bis zur Einmündung des Klodnitzkanals und bis Kosel durch künst-
lichen Aufstau mittels Nadelwehren eine dauernde Mindestwassertiefe von
1,5 m herzustellen. Durch Gesetz vom Jahre 1888 wurden die erforder-
lichen Geldmittel bereit gestellt. Es wurden 12 Staustufen gebaut, die mit
Schleusen von 55 m Länge und 9,6 m Breite versehen wurden, so daß ent-
weder 2 Schiffe von Finowmaß (etwa 170 t) sie gleichzeitig durchfahren
konnten oder ein größeres Schiff von etwa 400 t Tragfähigkeit. Damit
solche größere Schiffe von 55 m Länge und 8 m Breite von der unteren
und mittleren Oder dahin gelangen konnten, war es nicht nur nötig, bei Brieg
und Ohlau neue Schleusen von entsprechenden Abmessungen zu bauen, sondern
auch bei Breslau eine angemessene Durchfahrt herzustellen; denn die dort
vorhandenen Schleusen genügten nur für Schiffe von Finowmaß (S. 42). Es
wurde darum unter Benutzung eines alten Stromarms eine neue 7,5 km lange
Schiffahrtstraße auf dem rechten Oderufer um die Stadt Breslau herum-
geführt und am oberen und unteren Ende durch je eine Schleuse von gleichen
Abmessungen wie in der oberen Stromstrecke abgeschlossen. Am obersten
Ende der von Stettin ab 625 km langen Oderwasserstraße wurde bei Kosel
(unterhalb der Stadt und der Mündung des Klodnitzkanals) ein großer Um-
schlaghafen, vorzugsweise für die Verladung oberschlesischer Steinkohlen,
angelegt. Mit diesen Arbeiten wurde im Jahre 1891 begonnen; 1895 wurde
die künstlich aufgestaute Strecke und 1897 die neue Schiffahrtstraße um Breslau
herum dem Verkehr übergeben.
Oberhalb des Klodnitzkanals ist die Oder bis Ratibor (48 km) nur bei
günstigen Wasserständen schifTbar; bei mittlerem Niedrigwasser ist nur eine
Mindesttiefe von etwa 0,5 m vorhanden.
Die vorbeschriebenen Bauten, die unter der Leitung der 1874 in Breslau
eingerichteten Oderstrom -Bauverwaltung ausgeführt wurden, haben einen
großen Aufschwung der Oderschiffahrt herbeigeführt. Aber es zeigte sich
bald, daß die durch die künstlich aufgestaute Strecke gewonnenen Vor-
teile nicht genügend ausgenutzt werden konnten, so lange die Strecke unter-
I. Der Ausbau der großen deutschen Ströme. 191
halb der Neiße und unterhalb Breslau bis Fürstenberg, wo die inzwischen neu
hergestellte Spree-Oder- Wasserstraße einmündete, in trockenen Jahren noch
so ungenügende Wassertiefen zeigte. Mit der dort mangelnden Fahrwasser-
tiefe hing es zusammen, daß die in der künstlich aufgestauten Strecke erbauten
Schleusen sich sehr bald als nicht genügend leistungsfähig erwiesen. Denn
um mit einer einträglichen Ladung (also mit angemessener Tauchtiefe der
Schiffe) die unteren Strecken durchfahren zu können, müssen die Schiffer von
Kosel aus eine Anschwellung der Oder, eine Hochwasserwelle, abwarten und
die dann gleichzeitig abfahrende große Zahl von Schiffen konnte durch die vor-
handenen Schleusen nicht schnell genug befördert werden. Um diesem Übel-
stande abzuhelfen, wurden in den Jahren 1905 bis 191 1 neben den bestehen-
den Schleusenkammern noch 1 2 Schleppzugschleusen von 1 80 m nutzbarer
Länge und 9,6 m Breite hergestellt.
In dem Kanalgesetz von 1905, (worüber später gesprochen werden
wird) ist der weitere künstliche Aufstau des Stromes von der Neißemündung
bis Breslau angeordnet, um auch in dieser Strecke bei allen Jahreszeiten eine
Wassertiefe von 1,5 m zu sichern. Zu diesem Zweck ist oberhalb Breslau
der Bau von mehreren Wehren und Schleusenkanälen nebst 7 Schleppzug-
schleusen (einschL der neu zu bauenden Schleusen bei Brieg und Ohlau) im
Gange. Außerdem sollen entweder innerhalb der Stadt Breslau oder in einem
neuen Umgehungskanale noch 2 Schleppzugschleusen und unterhalb der Stadt
bei Ransern eine dritte hergestellt werden. (Es steht noch nicht fest, ob man
den drei letzgenannten Zugschleusen etwas größere Abmessungen geben wird.)
In der Stromstrecke zwischen Ransern und Fürstenberg ist von weiterem
künstlichem Aufstau abgesehen. Die Vertiefung auf mindestens i m bei N. W.
hofft man bei einem weiteren Ausbau durch Einschränkungswerke zu erreichen,
und durch Wasserzuschuß aus Staubecken, die im Gebiet der Malapane und
der Neiße errichtet werden sollen, glaubt man selbst eine Wassertiefe von
1,4 m gewinnen zu können.
Im Jahre 1904 wurde ein Gesetz betreffend die Verbesserung der Vor-
flut in der unteren Oder erlassen, um das Tal zwischen Hohensaathen
und Stettin vor Sommer-Überschwemmungen zu bewahren. Der Strom be-
kommt in dieser Strecke zwei getrennte Läufe: die » Ostoder c und die » West-
oder c. Die erstere wird künftig das aus dem Oberlauf kommende Hoch-
wasser, Eis und Geschiebe abfuhren und den Schiffahrtverkehr zwischen Stettin
und Breslau aufnehmen. Die Westoder am linken Höhenrande bildet die
Vorflut für das Oderbruch und die anderen dort gelegenen Flächen und ist
von Hohensaathen abwärts bis Friedrichstal, unterhalb Schwedt, durch einen
hochwasserfreien Damm von der Ostoder getrennt. Diese Strecke der West-
oder, die in ihrem oberen Teile von Hohensaathen abwärts (bis Kriewen) im
Zi^e eines schon bestehenden Vorflutgrabens liegt, wird als Schiffahrtkanal
ausgebaut und mit der Havel-Oder- Wasserstraße (den Oderberger Gewässern)
durch eine Schleppzugschleuse von 215 m nutzbarer Kammerlänge, 10 m Tor-
192 Abschnitt IV. Die Vermehning der BinnenschifTahrtstraßen seit 1870.
weite und 19 m Kammerbreite in Verbindung gebracht. Durch die Westoder
wird später der Schiffahrtverkehr zwischen Berlin und Stettin gehen. Bei
Schwedt und bei Greifenhagen werden schiffbare Verbindungen zwischen den
beiden Oderläufen (West- und Ostoder) durch kurze Kanäle mit Schleusen her-
gestellt. Alle diese Arbeiten sind seit dem Jahre 1906 im Gange und werden
voraussichtlich bald beendet werden.
Die Weichsel. Die Mündung des geteilten Stromes in die Ostsee wurde
in den Jahren 1895 bis 1899 künstlich nochmals verlegt, um eine gefahrlose
Abführung von Eis- und Hochwasser zu erreichen. Die früher vom Strome
(1840) selbst geschaffene Mündung bei Neufahr (S. 137) wurde aufgegeben und
15 km oberhalb davon ein neuer 7 km langer Durchstich zum Meere bei
Schiewenhorst angelegt Oberhalb dieser neuen Mündung wurden die Hoch-
wasserquerschnitte durch Deichverlegungen u. dgl. geregelt. Zur Verbindung
des neuen Stromlaufs mit der abgeschnittenen Danziger Weichsel wurde
bei Einlage eine Schleuse von 61 m Länge und 12,3 m Breite gebaut. Von
da bis Danzig ist die 2,5 m tiefe Wasserstraße jetzt 20 km, bis Neufahrwasser
28 km lang. Bis zu der 17 km oberhalb Thorn gelegenen russischen Grenze
(239 km von Danzig) ist der ganze Strom mit Buhnen ausgebaut und dadurch
überall bei gewöhnlichem Wasserstande ein estes Bett geschaffen worden.
Die früher festgestellten Normalbreiten von 375 m für den ungeteilten
Strom, 250 m für die geteilte. Weichsel und 125 m für die Nogat sind vor-
läufig beibehalten; nur die oberste 10 km lange Strecke von der Drewenz-
mündung bis zur Grenze ist mit 300 m ausgebaut worden. Man ist sich
darüber klar, daß eine weitere Einschränkung des Stromes künftig nötig sein
wird, wenn der Ausbau des Niedrigwasserbettes vorgenommen werden soll.
Dieser wird durch die großen von Rußland bei jedem Hochwasser einge-
führten Sandmassen außerordentlich erschwert, die sich im Strome in Bänken
ablagern und zwischen denen sich der Talweg erst bei fallendem Wasser all-
mählich ausbildet und vertieft.
In der Denkschrift von 1879 war die anzustrebende Mindesttiefe zu
1,67 m bei einem Wasserstande von 0,5 am Pegel Kurzebrack angegeben.
Dieser Wasserstand entsprach etwa dem gemittelten niedrigsten Wasserstande.
Aber diese Tiefe ist noch nicht erreicht; man kann vielmehr zurzeit bei dem
gemittelten niedrigsten Wasserstande nur auf eine Fahrwassertiefe von etwa
I m in der ungeteilten und von etwa 1,2 m in der geteilten Weichsel rechnen.
Im trockenen Sommer 19 11 betrug die geringste Fahrwassertiefe der Weichsel
0,8 m.
Durch die im Jahre 1884 in Danzig errichtete Weichselstrombauverwaltung
ist die einheitliche technische Behandlung des Stromes wesentlich unterstützt
worden. Dieser Behörde ist auch die 60 km lange Nogat unterstellt, über
deren künftige Behandlung seit dem Jahre 1883 die Ansichten auseinander
gingen. Man konnte sich an den maßgebenden Stellen viele Jahre hindurch
nicht darüber einigen, ob man sie gegen Hochwasser und Eisgang der Weichsel
I. Der Ausbau der großen deutschen Ströme. 193
vollständig abschließen sollte oder nicht. Im Jahre 1 910 ist durch Gesetz der
Abschluß der Nogat und eine entsprechende Erweiterung der Weichsel be-
schlossen worden. In der Nogat werden außer dem Abschlußwerke 3 Stau-
stufen hergestellt und mit Kammerschleusen von 57 m Länge und 9,6 m Breite
versehen werden, so daß der Strom von Schiffen mit 400 t Tragfähigkeit be-
fahren werden kann; die Mindesttiefe wird 1,5 m sein. Die Arbeiten sollen
im Jahre 1915 fertig sein.
Der Meinelstrom. Für den ungeteilten, 62,5 km langen Strom von
der russischen Grenze bis Kallwen waren die früher angenommenen Normal-
breiten (S. 140) zu gfroß und wurden auf Grund sorgfältiger Untersuchungen
und Messungen (durch Wasserbauinspektor Schlichting, dem späteren Pro-
fessor an der technischen Hochschule von Berlin) im Jahre 1874 auf 170 m
von der Grenze bis zur Einmündung der Nebenflüsse Szeszuppe und Jura
und auf 185 m von da bis Kallwen festgesetzt. Dem Entwürfe zum Ausbau
des Stromes (vorwiegend durch Buhnen) wurde eine geringste Fahrwassertiefe
von 1,4 m beim kleinsten Wasserstande von 0,76 m am Tilsiter Pegel zu-
grunde gelegt. Obwohl die Verhältnisse hinsichtlich der bei jedem Hoch-
wasser aus Rußland eingeführten großen Sandmassen ebenso ungünstig lagen
wie bei der Weichsel und der Strom am Anfang der siebziger Jahre nament-
lich in seinem oberen Teil sich in noch vollständig verwildertem Naturzu-
stande befand, haben die zielbewußt durchgeführten Arbeiten doch einen
glänzenden Erfolg gehabt. Bis zum Jahre 1892 war es gelungen, in der
ganzen Strecke dem Talwege in dem festbegrenzten Mittel- und Niedrig-
wasserbette eine sichere, fast unveränderliche Lage zu geben und das Fahr-
wasser so zu vertiefen, daß in diesem trockenen Jahre bei 0,76 m am Tilsiter
Pegel fast auf allen Übergängen die erstrebte Tiefe von 1,4 m vorhanden
war. Seitdem haben sich die Niedrigwasserstände gesenkt und in dem sehr
trockenen Jahre 191 1 fiel der Wasserstand am Pegel zu Tilsit bis auf 0,43 m.
Trotzdem wurde in dem ungeteilten Memelstrom eine geringste Fahrwasser-
tiefe von 1,43 m festgestellt, während zu derselben Zeit auf Elbe und Oder
wegen unzureichender Tiefe die Schiffahrt eingestellt war.
In dem Rußstrome, der von Kallwen bis Ruß 36 km lang ist, wurden
die früher angenommenen Normalbreiten von 210 bis 300 m in der oberen
Strecke während der Jahre 1881 bis 1888 auf 180 m und weiter unterhalb
auf 185 m mit gutem Erfolge eingeschränkt. Die erstrebte Mindesttiefe von
1,4 m beim kleinsten Wasserstande ist aber noch nicht überall erreicht worden.
Im Sommer 191 1 betrug sie nur 1,2 m.
Für die Mündungstrecke, den von Ruß zum Kurischen Haffe führenden,
13 km langen Atmathstrom, war mit Rücksicht auf den Verkehr von Küsten-
schiffen eine Mindesttiefe von 1,7 m als Ziel gesetzt worden. Die Bemühungen,
diesem bei Mittelwasser fast gar kein Gefalle zeigenden Stromarme durch Ver-
bauung des linken Skirwietharmes mehr Wasser zuzuführen» mißglückten
ebenso wie die in den Jahren 1856 bis 1868 durchgeführte Einschränkung
Teubert, Binnenschiffahrt. I3
194 Abschnitt IV. Die Vermehrung der BinnenschifTahrtstra&en seit 1870.
des Mittelwasserbettes auf 200 m und man war genötigt, alljährlich durch
umfangreiche Baggerungen das Fahrwasser offen zu halten. In den Jahren
1890 bis 1895 versuchte man von neuem, durch Einschränkung der Normal-
breite bis auf 1 40 m, durch Unterwasserbuhnen und Leitwerke den Strom zu
verbessern und diese Arbeiten hatten so guten Erfolg, daß in den Jahren
1897 u^d 1898 die erstrebte Tiefe fast überall erreicht war und seitdem nur
selten kleine Baggerungen nötig gewesen sind. Bei der Einmündung in das
Haff können sie bisher allerdings nicht immer entbehrt werden.
In der Gilge, die von der Teilung bei Kallwen bis zur Abzweigung
des Seckenburger Kanals bei Marienbruch (38 km) einen Teil der wichtigen
Wasserstraße von Tilsit nach Königsberg bildet, waren die bisher ausgeführten
Arbeiten nicht von gleichem Erfolge gekrönt. Man erstrebte eine Mindest-
tiefe von 1,25 m unter dem kleinsten Wasserstande von 0,88 m am Pegel
Schanzenkrug und versuchte dies auf der oberen 1 5 km langen Strecke durch
eine Einschränkung des Bettes bei gewöhnlichem Wasserstande zuerst auf
56 m und später auf 45 m zu erreichen. Das ist aber nicht gelungen, weil
die Wassermenge im Verhältnis zu dem Gefalle zu klein ist. Man kann
beim kleinsten Wasserstande jetzt nur auf etwa 1,1 m Tiefe rechnen. Der
in schwächerem Gefalle liegende Flußlauf unterhalb Sköpen hat von jeher
die gewünschte Tiefe ohne Einschränkung gehabt.
Es war schon oben (S. 174) darauf hingewiesen, dal> der preul>ische Landtag in den siebziger
und achtziger Jahren die zum Ausbau der groben Ströme geforderten Geldmittel anstandslos
bewiUigte. Am Anfang der neunziger Jahre wurden aus landwirtschaltlichen Kreisen aber im
Hinblick auf die verderblichen Hochfluten der Jahre 1888 und 1889 Klagen darüber erhoben,
daß durch den Ausbau der Ströme Nachteile für die angrenzenden Ländereien hervorgerufen
seien. Der König sah sich dadurch veranla£^t, im Jahre 1892 einen »Ausschule zur Unter-
suchung der Wasserverhältnisse in den der Überschwemmungsgefahr besonders ausge-
setzten Flußgebietenc zu berufen. Es wurden ihm die beiden Fragen vorgelegt: x. »Welches
sind die Ursachen der in neuerer Zeit vorgekommenen Überschwemmungen, hat namentlich da^
System, welches bei der Regulierung und Kanalisierung der preuMschen Flüsse bisher befolgt
ist, zur Steigerung der Hochwassergefahr und der in neuerer Zeit beträchtlich gesteigerten Über-
schwemmungschäden beigetragen, und welche Änderungen dieses Systems sind bejahenden Falls
zu empfehlenVc — 2. »Welche anderweite Mabregeln können angewendet werden, um für die
Zukunft der Hochwassergefahr und den Überschwemmungschäden soweit wie möglich vorzu-
beugen ?€
Der Ausschuß hat alle preußischen Stromgebiete eingehend untersucht und kam zu dem
Ergebnis, daß der Ausbau der Ströme an den genannten Unglücksfällen unschuldig wäre. Die
weiter ihm gestellten Aufgaben: »Ermittelung der Unterlagen, welche zur Gewinnung eines über-
sichtlichen Bildes der physikalischen und Wasserhaushalts-Verhältnisse der verschiedenen Flu£>-
gebiete bereits vorhanden sind, und Anleitung zur Herbeischaffung der noch fehlenden Unterlagen«,
sowie »Bearbeitung einer übersichtlichen hydrographischen, wasserwirtschaftlichen Darstellung
der einzelnen Ströme und ihrer Nebenflüsse unter besonderer Berücksichtigung der in den letzten
Jahren hervorgetretenen Hochwasser-Erscheinungen und der dabei in Betracht kommenden be-
sonderen Umstände« haben unter hervorragender Beteiligung des Geheimen Oberbaurats Hermann
Keller zur Herausgabe der umfangreichen, vortrefflichen, unten genannten Werke') geführt,
die bei der vorliegenden Arbeit vielfach benutzt worden sind.
I) Der Oder Strom, sein Stromgebiet und seine wichtigsten Nebenflüsse, herausgegeben
vom Bureau des Ausschusses 1896. Berlin (D. Reimer).
Der El b Strom, desgl. im Auftrage der deutschen Elbufcrstaaten und unter Beteiligimg
2. Der Ausbau und der Aufstau der kleineren deutschen Strome. 195
Noch bevor der Ausschuß seine Tätigkeit beendigt hatte, suchten die im Landtage zur
Herrschaft gelangten konservativen Agrarier die Binnenschiffahrt auf den groben Strömen, »den
Einfalltoren für ausländische Getreidec, dadurch zu beschränken, daß sie die Einfuhrung von
Schiffahrtabgaben verlangten (1894). Dieser Wunsch wurde damit begründet, daß die vielen
zum Ausbau der Ströme verwendeten Millionen sich doch verzinsen müßten; an die großen
Vorteile für die Landwirtschaft wurde dabei nicht gedacht. Die von der konser\'ativen Mehrheit
im Abgeordnetenhause beeinflußte Staatsregierung hat sich seit jener Zeit allmählich mit diesem
Gedanken befreundet, so daß sie im Jahre 1905 keinen Widerstand leistete, als bei der Wasser-
straßenfrage die Einführung von Schiffahrtabgaben auf den natürlichen Wasserstraben zur Bedingung
fiir die Annahme des Gesetzes gemacht wurde.
2. Der Ausbau und der Aufstau der kleineren deutschen
Ströme. Auch bei der Verbesserung der kleineren Ströme war der Haupt-
zweck ursprünglich die Förderung der Schiffahrt; aber die Rücksichten auf
die Landwirtschaft, auf die Verbesserung, Ent- und Bewässerung der an-
grenzenden Ländereien, traten in Deutschland und besonders in Preußen
im Laufe der Zeit allmählich überall in den Vordergrund. In einigen Fällen
gelang es durch einen ähnlichen Ausbau wie bei den großen Strömen die
erforderliche Fahrwassertiefe zu schaffen; oft versagte dies Mittel jedoch und
man mußte zum künstlichen Aufstau übergehen.
Die wichtigeren, seit 1870 für die Schiffahrt erreichten Erfolge sollen
in der Richtung von Westen nach Osten aufgeführt werden. (Die noch nicht
zur Ausführung genehmigten Entwürfe sind in kleinerem Druck mitgeteilt.)
Mosel und Saar* Die durch den Ausbau der preuLsischen Mosel (S. 113) erreichten
Wassertiefen genügten nicht fiir einen einträglichen Schiffahrtbetrieb. Als am Anfang der acht-
ziger Jahre die rheinisch-westfälischen Eisenwerke grobe Mengen lothringischer Erze (Minette)
verbrauchten, entstand der Wunsch nach billigerer Beförderung auf dem Wasserwege, zumal der
vom Rhein in großen Mengen nach Lothringen gelieferte Koks eine gute Rückfracht zu sein
schien. Es bildete sich ein Verein zur Kanalisierung der Mosel und im Jahre 1885 wurde auf
dessen Kosten von dem Bezirksingenieur Friedel zum künstlichen Aufstau des Stromes bis Metz ein
erster Entwurf aufgestellt, der in den Jahren 1889 bis 1893 ^^^ch den Baurat Schönbrod für die
preußische und luxemburgische Strecke umgearbeitet wurde. In der Zeit von 1901 bis 1903 lieb
die preußische Regierung unter Benutzung der vorhandenen Vorarbeiten einen neuen Entwurf für
die Strecke von Koblenz bis zur lothringischen Grenze bei Perl aufstellen, während die elsah-
lothringisehe Regierung die anschließende Strecke bis Metz bearbeitete.
Die preußische Regierung verband mit diesem Entwürfe gleichzeitig den zum künstlichen
Aufstau der Saar von ihrer Mündung in die Mosel bei Conz aufwärts bis zum Anschluß an
die bereits aufgestaute obere Strecke bei Ensdorf und zur Verbesserung und Erweiterung der
letzteren über Saarbrücken bis zur elsaß-lothringischen Grenze bei Brebach. Hierdurch sollten
auch die im Saargebiet ansässigen Eisenwerke eine leistungsfähige Wasserstraße erhalten, wenn-
gleich deren Vertreter (v. Stumm) früher ein Gegner der Wasserstraßen gewesen war. Im Jahre
1907 waren die Verhandlungen zwischen den beiden Staatsregierungen über die Durchführung
der Mosel- und Saarkanalisierung zum Abschluß gebracht.
des Wasserausschusses herausgegeben von der Kgl. Elbstrombauverwaltung in Magdeburg 1898.
Berlin.
Memel- Pregel- und Weichselstrom, desgl. im Auftrage des Wasserausschusses
herausgegeben von H. Keller 1899. Berlin.
Weser und Ems, desgl. wie vor herausgegeben von H. Keller 1901. Berlin.
Gleichzeitig mag an dieser Stelle das entsprechende, ältere, viel benutzte Werk angeführt
werden, das unter Leitung von Honseil bearbeitet ist und gewissermaßen als Muster gedient hat:
Der Rheinstrom und seine wichtigsten Nebenflüsse, im Auftrage der Reichskommission
zur Untersuchung der Rheinstromverhältnisse herausgegeben von dem Zentralbureau für Meteoro-
logie und Hydrographie im Großherzogtum Baden, 1889. Berlin (Ernst u. Korn).
1-.*
196 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
Trotz vieler Anträge aus dem Kreise der Beteiligten legte die preußische Regierung jedoch
dem Landtage keinen bezüglichen Gesetzentwurf vor. Die zunächst vorgeschobenen Schwierig-
keiten mit Luxemburg waren 1904 beseitigt; der Hauptgrund war aber die Furcht vor großen
Einnahmeausfällen der Staatsbahnen. Dazu kam, daß die frühere, sehr wasserstraßenfreund-
liche Gesinnung der rheinisch-westfälischen Eisenleute aus Furcht vor dem zu erwartenden
Wettbewerb der südwestdeutschen Eisenwerke an der Saar und an der oberen Mosel in das
Gegenteil umgeschlagen war, nachdem durch die billige Beschaffung ausländischer Erze aus
Schweden und Spanien der Bezug lothringischer Minette entbehrlich geworden war. Bei allen
Verhandlungen im Abgeordnetenhause hat sich deshalb die Regierung gesträubt, die Entwürfe
zur Ausfuhrung zu bringen, obwohl deren Einträglichkeit von niemand bezweifelt wird. Beide
Flüsse sind 191 x in den sogenannten Rheinverband des Reichsgesetzes über die Schiffahrtabgaben
aufgenommen worden; doch ist die Ausfuhrung der Bauten dabei nicht beschlossen worden.
Nach den Entn'ürfen soll die Mosel in 40 Stufen aufgestaut werden, von denen 8 in
Lothringen liegen. Von der ganzen, 300 km langen, Wasserstraße liegen 241 km unterhalb der
elsaß-Iothringischen Grenze; von dem ganzen Gefälle von 102 m entfallen 8x m auf die preußische
Strecke. An jeder Staustufe soll eine Schleppzugschleuse von 240 m Länge, 10,6 m Breite und
3 m Tiefe unter N. W. errichtet und in den Haltungen eine Mindesttiefe von 2,5 m hergestellt
werden, so daß 65 m lange und 8 m breite Schiff'e von 600 t Tragfähigkeit zu jeder Zeit unbe-
hindert mit einer Tauchtiefe von 1,75 m verkehren können. Die Krümmungen des mindestens
40 m breiten Fahrwassers sollen mindestens einen Halbmesser von 300 m bekonmien. Für den
Betrieb sind Schleppzüge von einem Dampfer mit 3 Lastschiffen in Aussicht genommen.
Für die Saar ist nur ein 25 m breites und 2 m tiefes Fahrwasser in Aussicht genommen.
Von der Mündung bei Conz bis Ensdorf (77 km) sollen 16 neue Schleußen und oberhalb Ensdorf
bis Saarbrücken (23 km) an den bestehenden Staustufen 4 neue Schleusen von je 85 m I.,änge,
10,6 m Breite und 2,5 m Tiefe erbaut werden, die gleichzeitig einen Schleppdampfer mit nur
einem Lastschiff* aufnehmen können. Bis zur Grenze würden noch 2 weitere Schleusen erforder-
lich werden.
Lahn. Die Verhältnisse liegen ähnlich wie bei der Mosel. Es bildete sich zunächst ein
Verein, der 1894 bis 1897 auf seine Kosten einen Entwurf zum vollständigen künstlichen Aufstau
für 600 t -Schiff'e ausarbeiten ließ. Die Staatsregierung hat auf Grund dieser Vorarbeiten 1905
neue Anschläge für kleinere Schiffe aufstellen lassen, ein betreffendes Gesetz dem Landtage aber
bisher nicht vorgelegt']. Das Schicksal dieser (142 km langen] Wasserstraße ist enge mit der
Mosel verbunden. Auch die Lahn ist in den Rheinverband aufgenommen, ohne daß ihr Ausbau
vorläufig beschlossen wurde (vgl. S. 112).
Main. Die Bemühungen, den unteren Main durch Einschränkung mittels
Buhnen auf die gewünschte Tiefe zu bringen, hatten, wie oben (S. 110) mit-
geteilt, keinen Erfolg und die Handelskammer von Frankfurt versuchte
darum seit dem Jahre 1867 auf andere Weise eine gute Wasserverbindung mit
dem Rhein herzustellen. In den Jahren 1869 bis 1873 ließ sie den Entwurf
zu einem Seitenkanal auf dem linken Mainufer ausarbeiten, den sie mit
Beihilfe des preußischen Staats auf eigene Kosten ausfuhren wollte. Da die
Beschaffung der Geldmittel auf Schwierigkeiten stieß, nahm die Regierung
die Sache in die Hand und ließ in den Jahren 1875 und 1876 einen neuen
Entwurf zum künstlichen Aufstau des Stromes von der Mündung bis
Frankfurt aufstellen. Nach Abschluß des Staatsvertrags mit Hessen im Jahre
1883 wurde der Bau begonnen und im Jahre 1886 beendigt.
Die 33 km lange Strecke hat 10,4 m Gefälle, die auf 5 Staustufen ver-
teilt sind. Die Schleusen wurden zunächst 80 m lang, 10,5 m breit und bei
Niedrigwasser 2,5 m tief gemacht, aber im Jahre 1891 durch Verlängerung um
255 m, unter Beibehaltung der Unterkanäle von 20 m Sohlbreite, zu Schlepp-
i] Vgl. Zeitschrift für Binnenschiffahrt, 1908, S. 288 und Jahrgang 1912, S. 113.
2. Der Ausbau und der Aufstau der kleineren deutschen Ströme. 197
zugschleusen umgebaut. Die neuen Untertore sind 12 m weit. Zwischen
den Schleusen hat das Fahrwasser eine Mindesttiefe von 2,5 m. (Die Mün-
dungschleuse bei Kostheim hat jetzt bei Niedrigwasser infolge der Senkung
des Rheinspiegels (S. 179) nur 2,1 m Wassertiefe auf dem Unterdrempel ; es
ist darum der Bau einer neuen Schleuse beabsichtigt.)
Nach dem großen Erfolg dieses Unternehmens erstrebte bald auch
Offenbach und die hessische Regierung die Fortsetzung der leistungsfähigen
Wasserstraße, was im Staatsvertrage von 1883 bereits vorgesehen war. In
den Jahren 1897 bis 1902 wurde zu diesem Zweck 5,5 km oberhalb des
Frankfurter Hafens die Staustufe Offenbach (Oberrad) von Hessen gebaut und
das Fahrwasser bis dahin durch Felssprengungen auf 2,5 m vertieft. Die
neue Schleusenanlage unterscheidet sich von den älteren dadurch, daß alle
Tore eine Weite von 12 m erhalten haben.
Auch in Baiern wünschte man an den Vorteilen der neuen Wasserstraße teilzunehmen.
Schon X89X entwickelte Prinz Ludwig in der Kammer der Reichsräte den Plan einer leistungs-
fähigen Wasserstraße durch ganz Baiem vom Main durch den umzubauenden Ludwigkanal und
durch die Donau bis zur Keichsgrenze ; aber nach Gründung des baierischen Kanalvereins im
Jahre 1892 (S. 162) dauerte es noch 10 Jahre, bis die baierische Regierung einen Entwurf zum
künstlichen Aufstau des Stromes von Hanau bis Asch äffen bürg (32 km) aufstellen ließ. Es
wurde dabei angenommen, dal> die Fortsetzung der Wasserstraße von Offenbach bis Hanau (17 km)
von Preußen gebaut werden würde.
Die Verhandlungen z wichen Baiem und Preußen zogen sich von 1901 bis 1906 hin, weil
der letztere Staat aus dem baierischen Unternehmen Verluste in seinen Eisenbahneinnahmen
befürchtete. Zuerst hatte Preußen im Jahre 1901 verlangt, Baiem solle sich verpflichten,
>Tarifmaßnahmen im Aschaifenburger Umschlagverkehr mit Baiem und darüber hinaus, die ge-
eignet seien, landwirtschaftliche oder gewerbliche Interessen im Bereich der preußisch-hessischen
Staatsbahnen durch Verschiebung der Wettbewerbs Verhältnisse zu benachteiligen, nicht ohne Ver-
ständigung mit den preußisch-hessischen Staatsbahnen auszufuhren«. Auf diese Bedingung konnte
Baiem nicht eingehen und erst nach der Annahme der großen Wasserstraßenvorlage im preui>i-
schen Landtage (1905), bei der die Einführung von Schiffahrt abgaben auf den natürlichen
Wasserstraßen beschlossen war, kam es zu einer Einigung zwischen beiden Staaten: Es \nirde
vereinbart, daß der Beginn der Bauarbeiten zum künstlichen Aufstau des Mains bis Aschaffenburg
aufgeschoben werden sollte, bis die Schiffahrtabgaben gesetzlich eingeführt wären. Hierdurch
war Baiem für diese Sache im Bundesrat gewonnen, zumal die Kosten für den Bau der Strecke
von Offenbach bis Aschaffenburg aus den fraglichen Abgaben bestritten werden sollten. Nach
dem zwischen beiden Staaten und mit Hessen vereinbarten Entwürfe soll die 48 km lange Strom-
strecke von Offenbach bis Aschaffenburg in 6 Stufen aufgestaut werden, sodaß durchweg ein
mindestens 36 m breites und 2,5 m tiefes Fahrwasser entsteht. Die 12 m weiten Schleusen sollen
als Zugschleusen entweder (nach preußischem Vorschlage] 255 m lang mit 2 Häuptern oder (nach
baierischem Vorschlage) 300 m lang mit 3 Häuptern angeordnet werden. Im letzteren Falle soll
durch das Mittelhaupt eine obere 100 m lange Kammer abgeteilt werden. 3 Staustufen liegen
in Preußen und 3 in Baiem.
Um die Schiffahrtstral^e von Aschaffenburg aufwärts bis Bamberg fortzusetzen, ist auf
Kosten des baierischen Kanal Vereins ein Entwurf durch Faber aufgestellt worden (1903). Da
zum gleichartigen Aufstau des Stromes in der rund 306 km langen Strecke etwa 55 Staustufen
nötig wären, deren Durchfahrung eine zu lange Zeit erfordern würde, hat Faber 204 km Seiten-
kanftle (zum Teil mit Tunneln) vorgeschlagen, wodurch der Weg im ganzen nur etwa 285 km
lang und die Zahl der Schleusen auf 23 ermäßigt werden könnte. Die Abmessungen sind für
Schiffe von 1000 t Tragfähigkeit berechnet worden. Für die Kanäle ist eine Tiefe von 3,5 m,
für die aufgestauten Stromstrecken eine Mindesttiefe von 3 m vorgesehen. (Die beiden in neuerer
2>it gebauten Schleusen bei Würeburg und Schweinfurt haben eine Weite von je 10,5 m erhalten.
Die Kammer in Schweinfurt ist 130 m lang, in Würzburg aber nur 55 m.)
198 Abschnitt IV. Die Vennehrung der Binncnschiffahrts trafen seit 1870.
Bei der Abneigung des baierischen Landtags gegen den Bau von WasserstralNen ist auf die
Ausführung dieses Entwurfs in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, wenngleich die Mainstrecke
bis Bamberg in den Rheinverband des Reichs-Schiffahrtabgabengesetzes aufgenommen worden
ist. Man hat inzwischen die Arbeiten zum Ausbau und zur Verbesserung des Fahrwassers fort-
gesetzt. Obwohl dabei endlich die letzten Mühlwehre beseitigt wurden, hat sich hinsichtlich
der Wassertiefe herausgestellt, dah man bei Niedrigwasser keine grüf^ere Tiefe als 0,7 m durch
den Ausbau erreichen kann.
Zum Umbau des Ludwigkanals (S. 112) sind gleichfalls auf Veranlassung des Vereins durch
Faber verschiedene Entwürfe aufgestellt worden, um bei 2,5 m Wassertiefe und bei Abmessungen,
die denen des Dortmund-Ems-Kanals entsprechen, Schiffe von 600 t Tragfähigkeit befördern zu
können. Faber gab der Scheitelhaltung eine doppelte Länge (48 km) und entwarf, unter An-
wendung von 6 Hebewerken, für den Donauabstieg (79,2 m) 4 und für den Mainabstieg (186,8 ra)
14 Stufen. Ohne Hebewerke würden 33 Schleusen von je etwa 10 m Gefälle erforderlich werden.
Es sind übrigens verschiedene Abkürzungslinien (auch vom Main aus) vorgeschlagen, die aber
von zweifelhaftem Wert zu sein scheinen'). In neuester Zeit ist auch ein Kanal von München
nach Wertheim am Main angeregt, der aus der Isar imd dem Lech gespeist werden, die Donau
kreuzen und durch Zweigkanäle mit Augsburg und Nürnberg verbunden werden soll.
Im Anschlüsse mögen die Verhältnisse der baierischen Donau besprochen werden.
35 km unterhalb der Kanalmündung bei Kehlheim bildet die aus dem 12. Jahrhundert stammende
Regensburger Brücke das größte Hindernis für die Schiffahrt. Unterhalb Regensburg bis Passau
sind die fortgesetzten Arbeiten zur Verbesserung des Fahrwassers von Erfolg gewesen. Bei ge-
mitteltem Niedrigwasser ist fast überall eine Mindesttiefe von 1,3 m erreicht worden. In der
schwierigen Felsenstrecke (Hofkirchener Kachlet) hat man eine 42 m breite Rinne ausgesprengt,
die selbst beim niedrigsten Wasserstande eine Tiefe von 1,1 m bis 1,2 m hat. In Überein-
stimmung mit den in Österreich neuerdings verfolgten Zielen mül'^te auch in Baiem eine Mindest-
tiefe von 2 m erstrebt werden.
Auf Veranlassung und auf Kosten der Handelskammer von Ulm hat der baierische Kanal-
verein durch Faber auch die Durchführung einer Großschiffahrtstraße von Keblheim aufwärts bis
zu dieser Stadt untersuchen lassen. Dabei hat sich ergeben (1905), dal> von dem künstlichen
Aufstau dieser Donaustrecke abzusehen und besser ein Seitenkanal herzustellen wäre. (Die Länge
dieser Wasserstraße beträgt 170 km und das gesamte Gefalle 127 m, das auf 13 Stufen zu ver-
teilen wäre.) In Anbetracht der hohen Kosten eines solchen Unternehmens hat man in neuester
Zeit Versuche zum Ausbau der schlechtesten Stellen dieser Stromstrecke durch Buhnen u. dgl.
gemacht. Es scheint, daß man vielleicht eine Wassertiefe von i m auf diese Weise er-
reichen wird.
Neckar. Nach der Vereinbarung von 1863 (S. 109) haben die Uferstaaten Baden, Hessen
und Württemberg sich bemüht, das Fahrwasser des Stromes möglichst zu verbessern und durch
die Einfühnmg der Kettenschiffahrt (1878 bis Heilbronn, 1890 bis Lauffen) hat sich auch ein
nicht unbedeutender Verkehr entwickelt. Eine leistungsfähige Wasserstral^e für Rheinschiffe kann
aber nur durch künstlichen Aufstau geschaffen werden. Württemberg fand in diesem W^unsche
lange Zeit kein Entgegenkommen bei Baden, weil dieser Staat den einträglichen Umschlag
in Mannheim behalten wollte. Im Jahre 1904 kam es zu einer Vereinbarung mit Hessen und
Baden, sowie zur gemeinschaftlichen Aufstellung eines Entwurfs zum künstlichen Aufstau des
Stromes von Mannheim bis Heilbronn (117,5 ^™) durch 17 Staustufen, die zusammen ein Gefälle
von 67 m überwinden. Das Fahrwasser soll mindestens 30 m breit und 2,2 m tief werden, so-
daß Schiffe von etwa 1000 t Tragfähigkeit (80 m lang, 10,2 m breit) verkehren können. Die
Schleusen sind 10,5 m weit, 2,5 m tief und 100 m lang entworfen, damit ein Schleppzug, be-
stehend aus einem groi'^en oder zwei kleinen Schiffen und einem Schleppdampfer, darin Platz
findet. Durchstiche sind nicht beabsichtigt; doch sollen an 3 Stellen (oberhalb Mannheim, ober-
halb Heidelberg und bei Heilbronn) kurze Seitenkanäle ausgeführt werden, wodurch die Wasser-
straße um X km verkürzt wird.
Nach dem Schiffahrtabgabengesetz soll dieser Entwurf aus dem Ertrage der Abgaben her-
gestellt werden; auch ist die weitere Strecke bis Eßlingen in den Rheinverband aufgenommen
worden.
i) Vgl. das eingehende Werk von Stell er: Der wirtschaftliche Wert einer baierischen
Großschiffahrtstrai^e. 1908. Verlag des Vereins für Hebung der Flul^- und Kanalschiffahrt in Baiem.
2. Der Ausbau und der Aufstau der kleineren deutschen Strome. 199
In Stuttgart hat sich femer im Jahre 1904 ein Neckar-Donau-Kanalkomitee gebildet,
das Vorarbeiten für eine Schiffahrtstraße zwischen dem Neckar bei Neckarrems und der Donau
bei Lauingen gemacht hat. Der 113 km lange Kanal für 600 t- Schiffe würde vom Neckar 293 m
emporsteigen und 52 m zur Donau fallen, sodaß die Scheitelhaltung 496 m über dem Meere
liegt. £s sind 1 5 Schleusen und 3 Hebewerke vorgesehen. Auch ist die Verbindung der Donau
bei Ulm mit dem Bodensee untersucht worden. Der etwa 103 km lange Kanal würde eine
Scheitelhöhe von 595 m über dem Meere haben und im Tal der Schüssen in den Bodensee
Östlich von Friedrichshafen münden ^).
Um die Ruhr für große Rheinschiife bis Mülheim (12 km) zugänglich zu machen, ist der
künstliche Aufstau und die Erbauung großer Schleusen von beteiligten Bergwerksbesitzem ins
Auge gefaßt worden.
Die Lippe wird im Zusammenhange mit dem Rhein-Weser-Kanal ausgebaut und aufge-
staut werden, worüber unten berichtet werden wird.
Fulda. Die Schiflfahrt auf diesem Strome war um die.Mitte des 19. Jahr-
hunderts fast ganz verschwunden. In den Jahren 1893 bis 1897 wurde die
Fulda in 7 Stufen von Münden bis Kassel (27 km) künstlich aufgestaut, wobei
die alten bestehenden Wehre (S. 55) zum Teil benutzt wurden. Die Fahr-
wassertiefe beträgt mindestens 1,5 m. Die Kammerschleusen sind 60 m lang
und 8,6 m breit ^). Die ganze Wasserstraße von Bremen bis Kassel ist
394 km lang.
Werra. Es war früher (S. 55) berichtet worden, daß die Schiffahrt auf diesem Strome
durch den Bau der Schleuse bei Münden im Jahre 1877 nicht mehr lebensfähig gemacht werden
konnte. Sie hörte allmählich ganz auf und der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten
entschied 1886, daP» »die Frage der Regulierung der Werra einstweilen auf sich beruhen bleibe«.
Im Jahre 1905 wurde die Verbesserung der Schiffahrtstral'^e wieder angeregt und 1907 in Han-
nover ein Verein für Schiffbamiachung der Werra gegründet, der durch Havestadt und Contag
einen Entwurf zum künstlichen Aufstau von Münden bis Wemshausen und zu einem Stichkanal
von Hörschel bis Eisenach ausarbeiten ließ. Die Flußlänge bis Wemshausen soll von 195 km
auf 181 km abgekürzt werden; das gesamte zu überwindende Gefälle beträgt 132,5 m. Die
48 Schleusen sollen die Abmessungen des Rhein- Weser-Kanals erhalten, 67 m Länge und 10 m
Breite, sodaß Schiffe von 600 t Tragfähigkeit verkehren können. Die Fahrwassertiefe soll vor-
läufig 2 m betragen und eine Vergrößerung auf 2,5 m ist vorgesehen. Der 6 km lange Zweig-
kanal nach Eisenach mit 4 Schleusen soll einschiffig hergestellt werden. Besondere technische
Schwierigkeiten liegen nicht vor, zumal die vorhandene Wassermenge auch ohne Anlage von
Staubecken (die aber vorgesehen sind) genügen dürfte.
Der Verein reichte 1909 den Entwurf dem preußischen Ministerium ein, erhielt aber im
März 191 X die Antwort, daß die Minister es ablehnen, dem Gedanken eines Baues auf Staats-
kosten näherzutreten^). Es ist aber die Werrastrecke von Münden aufwärts bis zur weimarischen
Grenze bei Falken bei dem Schiffahrtabgabengesetz wenigstens in den Weserverband aufge-
nommen worden.
Baurat Contag hat im Jahre 1910 die Fortführung der Wasserstraße von Wemshausen über
Meiningen, Römhild und Heldburg zum Main bei Bamberg untersucht. Der 117 km lange Kanal
würde von Wemshausen 136 m hoch mit 12 Schleusen und 3 Hebewerken zur Scheite] haltung
steigen, die 385 m über dem Meere liegt, und mit 5 Hebewerken und 12 Schleusen 154 m zum
Main fallen 4). Diese Wasserstraße würde für den Verkehr zwischen Baiem und Bremen große
Bedeutung haben.
Aller. Seit der Erbauung der Eisenbahnen hatte der Verkehr auf dem
Strome vollständig aufgehört (S. 118). In den neunziger Jahren wurde durch
i) Die württembergischen Grof^schiffahrtpläne von Gugenhau und Eberhardt. Stuttgart 1908.
2) Zeitschrift für Bauwesen 1899.
3) Tourneau, Die Schiffbarmachung der Werra. Zeitschrift für Binnenschiffahrt 191 1.
4) Zeitschrift für Binnenschiffahrt 1910, S. 543.
200 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
die Kaufmannschaft von Celle wieder ein regelmäßiger Schiifahrtverkehr mit
Bremen eingerichtet. Das Fahrwasser, obwohl durch Buhnen und andere
Bauten verbessert, genügte aber selbst bescheidenen Ansprüchen nicht und
wegen mangelnder Wassertiefe mußte der Betrieb oft eingestellt werden. Im
Jahre 1908 entschloß sich die Staatsregierung, die schlechteste, 52 km lange
Strecke zwischen Celle und der Leinemündung in 4 Stufen künstlich aufzu-
stauen. Die Schleusen, für Schleppzüge eingerichtet, haben eine Länge von
165 m und eine Torweite von 10 m. Es soll bei gemitteltem Niederwasser
eine geringste Fahrwassertiefe von 1,5 m geschaffen werden'). Die Stadt
Celle hat dem Staate gegenüber eine Gewährleistung übernommen, falls die zu
erhebenden SchifTahrtabgaben nicht zur Deckung der Betriebskosten, sowie
zur Verzinsung und Tilgung der Baukosten ausreichen. Die Stadt hat sich
dabei die Unterstützung durch Bremen und Braunschweig gesichert. Im
Jahre 191 1 war die oberste Staustufe fertig. Die Vertiefung der Strecke
unterhalb der Leinemündung auf 1,5 m Tiefe ist in das Schiflfahrtabgaben-
gesetz aufgenommen.
Saale. Bei den in den achtziger Jahren ausgeführten Verbesserungen
wurde eine Mindesttiefe bei Niederwasser von 0,93 m in der Strecke von der
Elbe bis zur Elstermündung und von 0,7 m in der oberen Strecke der
Saale und der Unstrut bis Artem erstrebt (S. 126). In der Unstrut wurden
10 Schleusen imd zwischen Naumburg und Weißenfels noch 3 Schleusen
gebaut, sodaß jetzt im ganzen 17 Schleusen in der Saale und 12 in der
Unstrut vorhanden sind. 1885 wurde die Schleuse Alsleben und später
(1888 bis 1890) die Schleusen Kalbe und Bernburg umgebaut. Diese neuen
Bauwerke bekamen eine Länge von 56,5 m und eine Breite von 6,5 m,
während die älteren 4 Schleusen bis Halle nur 6,12 m breit sind. Die ge-
ringsten Abmessungen der Schleusen zwischen Halle und Artem sind 47 m
Länge und 5,65 m Breite. Die Länge der Wasserstraße von der Elbe beträgt
bis Halle 105 km, bis zur Unstrut 172 km und bis Bretleben oberhalb Artern
243 km. Die Gefallstrecken zwischen den Stauwerken sind durch den Bau
von Buhnen und Deckwerken, sowie durch Baggerungen möglichst ver-
bessert worden; die Tiefen sind aber besonders in den unteren Strecken noch
ungenügend. Bei mittlerem Niedrigwasser kann man zwischen der Elbe und
Halle auf eine Mindesttiefe von höchstens 1,1 m, oberhalb Halle bis zur Un-
strut auf 1,2 m und in der Unstrut selbst auf 1,4 m rechnen; das erstrebte
Ziel von 0,93 m beim niedrigsten Wasserstande ist in der unteren Strecke
bisher nicht erreicht worden.
In dem Schiffahrtabgabengesetz ist vorgesehen >der Ausbau der Saale von der Einmün-
dung des geplanten Verbindungskanals mit Leipzig in der Nähe von Kreypau bis Halle für
Schiffe von mindestens 400 t Tragfähigkeit, sowie die Verbesserung des Fahrwassers von Halle
bis zur Elbe«. In der von der preußischen Regierung dem Reichstage vorgelegten Denkschrift
ist darauf hingewiesen, daß die Elbe künftig oberhalb der Saale eine Mindesttiefe von i,x m
i) Zeitschrift für Binnenschiffahrt 1908, S. 398.
2. Der Ausbau und der Aufstau der kleineren deutschen Ströme. 201
und unterhalb von 1.25 m erhalten solle. Für die Saale wäre die Tiefe von 1,25 m daher auch
erstrebenswert; aber man sei bisher in gewissen Strecken nur für die Vertiefung auf 1,1 m zu be-
stimmten Ergebnissen gelangt. Von Kreypau bis Halle müßten außer einem Umgehungskanal
bei Merseburg und anderen Erweiterungsbauten 5 neue Schleusen von größeren Abmessungen
gebaut werden, und es werde sich dort eine Mindesttiefe von 0,93 m beim niedrigsten Wasser-
stande von 1904 erreichen lassen. Auch unterhalb Halle werde sich bis zur Elbe durch weiteren
Ausbau, Felssprengungen und Veränderungen an einigen Schleusen die Tiefe von 0,93 m ergeben.
Schwierig sei aber in der anhaltischen Strecke die Erreichung einer Tiefe von i,i m, und um
eine solche von 1,25 m zu gewinnen, würde man wahrscheinlich 2 neue Staustufen dort einlegen
müssen. In der untersten preußischen Strecke bis zur Elbe würde zur Erreichung einer Tiefe
von 1,1 m gleichfalls eine neue Staustufe bei Gr. Rosenburg (unterhalb Kalbe) nötig werden.
Die jetzigen großen, auf etwa 400 t geeichten Saaleschiffe können bei einer Wassertiefe
von 0,93 m nur etwa 95 t laden, bei einer Tiefe von 1,1 m etwa 150 t und bei einer Tiefe von
1,25 m etwa 190 t. Um sie voll auszunutzen, wäre eine Wassertiefe von mindestens 2 m er-
forderlich.
Über die früheren Kanalentwürfe, um Leipzig mit der Elbe zu verbinden, war früher
(S. 172) berichtet. Die Linie zur Saale bei Merseburg hat sich schließlich als zweckmäßigste
herausgestellt und ist auch bei dem beabsichtigten Ausbau der Saale berücksichtigt Von Have-
stadt und Contag ist im Jahre 19 10 im Auftrage der Leipziger Kanalgesellschaft und der preußi-
schen Elster-Saale-Kanalgesellschaft in Merseburg ein neuer Entwurf für diesen Elster-Saale-
Kanal aufgestellt worden. Er ist von Kreypau bei Merseburg bis zum Kanalhafen Plagwitz-
Lindenau bei Leipzig 21,5 km lang und in seinen Abmessungen für 600 t- Schiffe (65 m lang,
8 m breit) eingerichtet. Dabei ist angenommen, daß zunächst zwar (wie bisher unterhalb Halle)
nur Saaleschiffe von 51,5 m Länge, 6 m Breite und 400 t Tragfähigkeit dort verkehren können,
daß aber die unteren Saaleschleusen, falls sich infolge des erwarteten starken Verkehrs eine Ver-
mehrung der Kammern oder Neubauten als erforderlich herausstellen, voraussichtlich gleichfalls
für 600 t-Schiffe eingerichtet werden würden.
Der Querschnitt des Kanals hat bei einer nutzbaren Fahrwasserbreite von 20 m eine Mindest-
tiefe von 2 m. Der kleinste Krümmungshalbmesser beträgt 600 m. Außer der Einlaßschleuse im
rechten Saaledeich bei Kreypau sind noch 4 Kammerschleusen von je 5,33 m Gefalle vorgesehen,
sodaß der Kanal vom Niederwasser der Saale bis Leipzig eine Höhe von 21 m zu ersteigen hat.
Die Einlaßschleuse soll als Zugschleuse 165 m lang und 9 m breit werden, während die anderen
Schleusen 67 m lang, 9 m breit und 3 m tief entworfen sind.
Havel und Spree. In der unteren Havelwasserstraße, die von
der Elbe bis zur Spreemündung bei Spandau reicht und jetzt etwa 170 km
lang ist, wurden seit Mitte der siebziger Jahre mancherlei Verbesserungen
für die Schiffahrt gemacht. Zur Umgehung der Seenstrecke bei Potsdam
(Potsdamer Havel) und zur Abkürzung des Wegs (um 13,5 km) wurde in den
Jahren 1874 bis 1878 die Sakrow-Paretzer Wasserstraße (17 km lang)
erbaut, die im Jungfernsee oberhalb von Potsdam beginnt und im Göttinsee
bei Ketzin endigt.
Der als Kanal hergestellte, etwa 7 km lange Teil ist 10 Jahre später in der Sohle auf 18 m
verbreitert und vertieft worden. Bei Nedlitz wurde 1902 ein neuer, abkürzender Durchstich mit
einer nutzbaren Fahrwasserbreite von 20 ni und einer nutzbaren Tiefe von 2 m bei Niederwasser
gebaut. Die ältere Kanalstrecke hat jetzt ungenügende Tiefen und Breiten; im Jahre 19 12 werden
entsprechende Erweiterungsbauten ausgeführt werden.
Die untere Havel (S. 128) wurde seit 1885 von der Elbe aufwärts unter
Anwendung von Buhnen, Deckwerken, Durchstichen und Baggerungen aus-
gebaut, und das Ziel von 1,25 m Mindesttiefe ist im allgemeinen erreicht
worden. Diese Tiefe genügt aber für den zunehmenden Verkehr zwischen
Hamburg und Berlin nicht, zumal die Niederwasserzeiten auf der unteren
202 Abschnitt IV. Die Vermehrung der BinncnschifTahrtstraiien seit 1870.
Elbe und der unteren Havel nicht immer zusammenfallen. Im Jahre 1889
wurde in Brandenburg die Vorstadtschleuse mit 67 m Länge, 16,6 m Kam-
merbreite und 8,6 m Torweite und im Jahre 1901 bei Rathenow in einem
Haveldurchstich die Hauptschleuse von 220 m Länge und 9,6 m Weite dem
Verkehr übergeben.
Durch die Ausfuhrung des Gesetzes über die Verbesserung der Vorflut-
und Schiffahrtverhältnisse in der unteren Havel vom Jahre 1904 wurde auch
für die Schiffahrt eine bedeutende Verbesserung der Strecke von Branden-
burg bis zur Elbe herbeigeführt. Bei Brandenburg wurde zur Umgehung
der Stadt ein neuer Schiffahrtweg, der 5,5 km lange schleusenlose Silokanal,
gebaut und unterhalb des Flauer Sees wurden 3 neue Staustufen im Strome
angeordnet, eine oberhalb und zwei unterhalb Rathenow. Zwischen den Stau-
stufen und unterhalb der letzten, die bei Garz, etwa 30 km oberhalb der Mün-
dung in die Elbe liegft, ist der Strom verbreitert, vertieft und zum Teil mittels
Durchstichen gerade gelegt worden. Durch die Stauanlagen kann künftig
oberhalb Garz jederzeit die Wassertiefe von 2 m gehalten werden. Neben
den 3 neuen Wehren und neben der bestehenden Vorstadtschleuse Branden-
burg sind 4 neue Schleppzugschleusen von 220 m Länge, 17,5 bis 19 m
Kammerbreite und 10 m Torweite erbaut worden. Die Arbeiten sind im
Jahre 191 1 beendet worden. Dadurch ist die ganze untere Havelwasserstraße
von Garz bis Spandau aufgestaut. Unterhalb Garz ist der Strom durch Bagge-
rung so vertieft, daß er bei fast wagerecht liegendem Spiegel der untersten
Strecke und beim niedrigsten Wasserstande dieselbe Tiefe hat wie die Elbe
an seiner Einmündung.
Über die Veränderungen am Flauer Kanal war schon oben (S. 43) be-
richtet worden.
Die Havel- Oder-Wasserstraße von Spandau durch den Oranien-
burger-, Malzer- (S. 130) und Finowkanal (S. 43) nach Hohensaathen (103 km)
ist seit den siebziger Jahren durch Anlage doppelter Schleusenkammern an
allen 19 Staustufen und durch Vertiefung auf 1,6 m bei 16 m nutzbarer Fahr-
wasserbreite bedeutend verbessert worden. Der Verkehr zwischen Berlin und
Stettin ist immer recht lebhaft geblieben. Aber der letzteren Stadt war
durch den Bau des Kaiser- Wilhelm-Kanals und des Elbe-Trave-Kanals der
Wettbewerb mit den Seehäfen Hamburg und Lübeck sehr erschwert worden,
zumal auch der schlesische Handel nach dem (später zu besprechenden) Ausbau
der Spree -Oder -Wasserstraße immer mehr den Weg über Berlin und durch
die untere Havel nach Hamburg bevorzugte. Um diesen bedeutendsten preußi-
schen Seehafen zu unterstützen und zu heben, ließ die Staatsregierung am
Ende der neunziger Jahre den Entwurf zu einem neuen Kanal von Berlin
nach Hohensaathen in Abmessungen für den Verkehr von 600 t-Schiffen
aufstellen, der im allgemeinen in der Linie der bestehenden Wasserstraße
lag: Von Berlin-Flötzensee führt der neue, rund 100 km lange Kanal durch
den verbesserten, verkürzten und verbreiterten Spandauer Kanal (S. 132)
2. Der Ausbau und der Aufstau der kleineren deutschen Ströme. 203
nach dem Tegeler See und folgt der Havel aufwärts bis in die Nähe von
Pinnow. Dort verläßt er den Fluß, führt durch den Lehnitzsee und steigt
mit einer Schleuse von 6 m Gefalle zur 50 km langen Scheitelhaltung, die,
zum Teil im verbreiterten Malzer Kanal liegend, später den Finowkanal an
der Einmündung der Werbelliner Gewässer (S. 43) kreuzt und auf der Nord-
seite des Kanals bis in die Nähe von Liepe führt. Hier fallt der Kanal
mittels 4 Schleusen von je 9 m Gefalle zu den Oderberger Gewässern
hinab. Bei Hohensaathen ist die neue Wasserstraße durch je i neue Schleuse
mit der Westoder (dem alten Vorflutkanal) und mit der Ostoder (dem bis-
herigen Hauptstrom) in Verbindung gebracht (S. 191). Gegen diesen Entwurf
wurde von anderer Seite eine Kanallinie in Vorschlag gebracht, die von Berlin
nach Osten durch die Spree und den Dämeritzsee nach dem Oderbruch
fuhren sollte, ähnlich wie schon im Jahre 1875 ein Kanal von der Spree zur
Oder geplant und oben (S.'i73) erwähnt wurde. Der Streit zwischen dieser
sogenannten Ostlinie und der vorher beschriebenen Westlinie wurde zug^unsten
der letzteren entschieden und der neue Großschiffahrtweg Berlin —
Stettin im Jahre 1905 mit dem großen Wasserstraßengesetz vom Landtage
genehmigt. Seit dem Jahre 1906 ist mit dem Bau begonnen worden. Der
Querschnitt des Kanals bekommt wie der Rhein-Wescr-Kanal bei einer nutz-
baren Fahrwasserbreite von 20 m eine geringste Tiefe von 2,3 m (in der Mitte
3 m), sodaß Schiffe von 65 m Länge, 8 m Breite und 1,75 m Tiefgang mit
600 t Tragfähigkeit verkehren können. Die Schleusen bei Plötzensee, bei
Spandau und im Abstieg zu den Oderberger Gewässern bei Liepe (Nieder-
finow) haben 67 m Länge und 10 m Breite. Die Schleuse bei Lehnitz hat bei
gleicher Breite 85 m Länge und die beiden Schleppzugschleusen bei Hohen-
saathen bei gleicher Torweite eine nutzbare Kammerlänge von 215 m und
eine Kammerbreite von 19 m. Im Frühjahr 1913 wird die neue Wasserstraße
voraussichtlich eröffnet werden.
In der 61 km langen oberen Havel Wasserstraße, die vom Finow-
kanal bei Liebenwalde nach Norden abzweigt und bei Fürstenberg an die
mecklenburgischen Wasserstraßen (S. 129) anschließt, wurde am Anfang der
achtziger Jahre der von Liebenwalde zur Havel führende Voßkanal (S. 43)
in einen 15 km langen Seitenkanal umgeändert, der neben der »schnellen«
Havel bis Zehdenick fuhrt und mit 2 Schleusen bei Bischofswerder und Krc-
welin versehen ist. Die frühere Voßschleuse wurde beseitigt. Die Schleuse
Zehdenick wurde 1907 durch ein neues größeres Bauwerk ersetzt. Auch
oberhalb Zehdenick wurde die Wasserstraße verbessert, obwohl ein gründ-
licher Ausbau bisher nicht durchgeführt werden konnte, weil Mecklenburg
sich daran nicht beteiligen wollte. Aber die preußischen Seitenwasserstraßen,
die Wentow-, Templiner- und Lychener Gewässer sind durch neue Schleusen
und andere Anlagen in guten Zustand gebracht worden.
Oberhalb Fürstenberg sind im Anschluß an die mecklenburgische Havel-
wasserstraße in den Jahren 1876 bis 1879 die Rheinsberger Gewässer
204 Abschnitt IV. Die Vermehrung der BinnenschifFahrtstraßen seit 1870.
schiffbar gemacht worden. Sie sind zusammen etwa 24 km lang und be-
stehen aus einer Kette von Seen und Verbindungskanälen, die durch die
Schleuse Wolfsbruch mit der HavelwasserstraOe verbunden ist.
Von den Oderberger Gewässern zweigen südlich die Wasserstraßen der
alten Wriezener Oder (25 km) und des Freienwalder Landgrabens
(7,8 km) ab, die seit einigen Jahren in guten fahrbaren Zustand gebracht
worden sind.
Alle mit der Havel-Oder-Wasserstraße oberhalb von Pinnow in Verbin-
dung stehenden Schiffahrtstraßen sind bisher für Schiffe von Finowmaß ein-
gerichtet.
Die Spree-Oder-Wasserstraße führte im Jahre 1870 von Spandau
durch die untere Spree, durch Berlin (entweder durch den Landwehrkanal
oder durch den Kupfergraben), durch die Treptower, die Müggel-, die Fürsten-
walder und die Drahendorfer Spree nach dem Wergensee, von wo die Schiff-
fahrt durch den Friedrich- Wilhelm-Kanal (von Neuhaus bis Brieskow) zur Oder
gelangte. Die großen Mängel der Straße fS. 131) und die Pläne zur Verbes-
serung (S. 173) sind schon erwähnt worden.
Seitdem ist die Wasserstraße in der Zeit von 1883 bis 1891 durch die
»Kanalisierung der unteren Spree« und durch den > Oder-Spree-Kanal« wesent-
lich verbessert worden. Die untere Spree ist von Spandau bis Berlin mittels
Durchstichen und anderer Bauten gerade gelegt, vertieft und bei Char-
lottenburg (1885) durch ein Wehr aufgestaut worden. Die Schleuse hat
2 Kammern von 74,5 und 57,5 m Länge und 9,6 m Breite (und Torweite).
Innerhalb Berlins ist nach Umgestaltung der Stauanlagen am Mühlendamm
die Schiffahrtstraße in den Spreelauf selbst gelegt und eine Schleuse von
HO m Länge und 9,6 m Breite gebaut worden.
Der Ausbau der Spree-Oder- Wasserstraße oberhalb Berlins wurde durch
Gesetz vom Jahre 1886 im Landtage genehmigt und bis 1891 zur Ausführung
gebracht. Die neue Straße verläßt bei Köpenick die Treptower Spree und
geht durch die Wendische Spree (Dahme) nach dem Seddinsee, von wo der
23,9 km lange Kanal Seddinsee-Gr. Tränke nach der Fürstenwalder
Spree führt. Diese Stromstrecke ist gerade gelegt und vertieft worden; sie
wird auf 19,8 km Länge benutzt bis Fluthkrug, von wo der 43,8 km lange
Kanal Fluthkrug — Fürstenberg zur Oder führt. Die Möggel- und die
Drahendorfer Spree wurden hierbei für den durchgehenden Verkehr ausge-
geschaltet. Die neue Wasserstraße von der Oder bis Berlin (Mühlendamm)
ist 115 km, bis zur Havel bei Spandau 132,6 km lang. Der letztgenannte
Kanal von Fluthkrug bis Fürstenberg liegt zum Teil im Zuge des alten
Friedrich -Wilhelm- Kanals (S. 40) und wird durch einen anderen TeU von
diesem, den Speisekanal von Neuhaus, aus der Spree gespeist. Der Haupt-
kanal fallt mit 3 Schleusen von je etwa 4,5 m Gefalle bei Fürstenberg zur
Oder und auf der Westseite mit i Schleuse von etwa 3 m Gefalle bei Kers-
dorf zur Spree. In der Fürstenwalder Spree wurde bei Fürstenwalde neben
2. Der Ausbau und der Aufstau der kleineren deutschen Ströme. 205
der dort bestehenden Schleuse (S. 37) eine zweite Kammer gebaut. Der Kanal
Seddinsee-Gr. Tränke ist gegen die Fürstenwalder Spree durch eine Schleuse
bei Gr. Tränke abgeschlossen, die jedoch meistens offen steht, weil durch
das dort in der Müggelspree errichtete Wehr der gewünschte Wasserstand
(mit Ausnahme bei Hochwasser) gehalten werden kann. An dem Westende
des Kanals liegt die Schleuse Wernsdorf, die mit etwa 4,5 m Gefalle auf
den Wasserstand des Seddinsees hinabfuhrt, der dem Spiegel des Berliner
Staues am Mühlendamm entspricht. Die neue Wasserstraße sollte mit einer
Mindesttiefe von 2 m fiir Schiffe von 1,75 m Tauchtiefe hergestellt werden;
aber schon wenige Jahre nach der Eröffnung mußte die zulässige Tauchtiefe
auf 1,6 m und später selbst auf 1,5 m herabgesetzt werden.
Die Schleusen haben (mit Ausnahme der bei Fürstenwalde, die eine nutz-
bare Kammerlänge von 67 m erhalten hat) eine nutzbare Länge von 60,9 m
und eine Torweite von 8,6 m, sodaß sie entweder ein großes Schiff von 55 m
Länge und 8 m Breite oder zwei Schiffe von Finowmaß aufnehmen können.
Die Kammerbreite beträgt daher 10,12 m.
Der trapezförmige Kanalquerschnitt hatte anfänglich nur eine Sohlen-
breite von 16 m, weil man keinen großen Verkehr mit 8 m breiten Schiffen
erwartete. Als dieser aber sehr bald eintrat, wurde zu einer Verbreiterung
der ganzen Wasserstraße geschritten, die von 1896 bis 1900 durchgeführt
wurde, wobei eine Sohlenbreite von 19 m erreicht werden konnte. Die weitere
starke Zunahme des Verkehrs machte eine Verdoppelung der Schleusen-
kammern an allen Stufen erforderlich. Die zweiten Kammern wurden 57 m
lang, 9,6 m breit und mit gleich weiten Toren versehen. Die Arbeiten sind
1901 begonnen und 191 1 fertig geworden. Bei Fürstenwalde waren von
vornherein bereits zwei Schleusenkammern; da die ältere aber nur von Schiffen
mit Finowmaß benutzt werden kann, ist die Herstellung einer dritten Kammer
beschlossen worden.
Durch das Gesetz von 1904 zur Verbesserung der Vorflut wurden auch
die Wasserstraßen im Spreegebiet betroffen. Der Kanal Seddinsee-Gr. Tränke
sollte künftig einen Teil des Spreehochwassers abfuhren und mußte zu diesem
Zweck vertieft und verbreitert werden. Die in den Jahren 1906 bis 191 1
ausgeführten Arbeiten haben gleichzeitig eine wesentliche Verbesserung des
Fahrwassers für die Schiffahrt herbeigeführt. Um aber die so geschaffene
größere Tiefe für den Durchgangverkehr ausnützen zu können, war es nötig,
auch die Fürstenwalder Spree und den Kanal Fluthkrug— Fürstenberg in ent-
sprechender Weise zu verbreitern, zu vertiefen und mit festen Ufern zu ver-
sehen. Diese Arbeiten sind seit dem Jahre 19 10 im Gange.
Von noch größerer Bedeutung wurde das Vorflutgesetz für die obere
Spreewasserstraße, die von Neuhaus am Wergensee bis Leibsch zwar
dem Namen nach schiffbar, aber wegen ihrer vielen Krümmungen und seichten
Stellen von der Schiffahrt seit langer Zeit verlassen war (S. 131). Zur bes-
seren Abführung des Hochwassers ist diese 67 km lange Flußstrecke durch
206 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnen>»chifrahrtätraC>en seit 1870.
Durchstiche um etwa 14 km abgekürzt, ferner angemessen verbreitert und ver-
tieft worden. Zur sicheren Haltung des für die angrenzenden Ländereien und
für die Schiffahrt nötigen Wasserstandes sind (ähnlich wie bei der unteren
Havel) 3 neue Staustufen errichtet worden, die zusammen mit dem bereits
vorhandenen Stau bei Kossenblatt (S. 45) und einem Wehr in der Drahendorfer
Spree genügen, um jederzeit für die Schiffahrt eine Mindesttiefe von 1,5 m zu
gewährleisten. Die 3 neuen Schleusen von 43,7 m Länge und 5,35 m Breite
sind für Schiffe von Finowmaß eingerichtet und im Jahre 191 1 fertiggestellt
worden. Es ist auf diese Weise gleichzeitig eine gute Wasserstraße durch den
Schwielochsee bis Goyatz geschaffen worden.
Von den Nebenwasserstraßen sind seit 1870 auch die Rüdersdorfer
(S. 35) und die Storkower Gewässer (S. 132) durch neue Schleusen und andere Ein-
richtungen verbessert worden. Die Dahme-Wasserstraße mit den Staustufen
Neuemühle und Prieros ist infolge des Vorflutgesetzes von 1 904 erweitert, vertieft
und aufwärts durch Errichtung einer neuen Staustufe mit Schleuse bei Herms-
dorf bis Wendisch-Buchholz verlängert worden. Alle Nebenwasserstraßen
sind für Schiffe von Finowmaß eingerichtet, mit Ausnahme der Rüdersdorfer
Gewässer, die für Schiffe von 65 m Länge und 8 m Breite zugänglich sind.
Um für das große Netz der Schiffahrtstraßen im Gebiet von Havel und
Spree eine einheitliche technische Behandlung und Verwaltung zu sichern,
wurde im Jahre 1903 in Potsdam eine besondere Behörde »Verwaltung der
Märkischen Wasserstraßen« errichtet, der alle Wasserstraßen zwischen
Elbe und Oder mit Ausnahme der Berliner Gewässer unterstellt worden sind^).
Warthe. Nach Bewilligung der nötigen Geldmittel ist unter Anwen-
dung von Buhnen der Strom überall eingeschränkt worden, um beim niedrig-
sten Wasserstande wenigstens bis Posen und Schrimm eine Mindesttiefe von
I m zu erreichen (S. 136). Unterhalb der Einmündung der Netze (bei Zantoch)
ist dies im Laufe der Zeit im allgemeinen gelungen; in der oberen Strecke
der Warthe hat jedoch auch die Einschränkung bis auf 60 m bei Mittelwasser
und die Hilfe von Baggerungen bisher nur eine Mindesttiefe von etwa 0,8 m
bei gemitteltem niedrigstem Wasserstande hervorgebracht.
Nach dem Wasserstraßengesetz von 1905 soll der Strom von Zantoch
bis Posen durch weiteren Ausbau für Schiffe von 400 t Tragfähigkeit zugäng-
lich gemacht und bei gemitteltem Niedrigwasser eine Mindesttiefe von i m
erreicht worden. Die Arbeiten sind im Gange. Im trockenen Sommer 191 1
war die geringste Fahrwassertiefe in der Warthe unterhalb der Netzemündung
0,8 m und oberhalb 0,65 m.
Netze. In den Jahren 1878 bis 1882 wurde der Oberlauf des Flusses
vom Goplosee (russische Grenze) an schiffbar gemacht und durch den ver-
breiterten und vertieften Speisegraben mit der Scheitelhaltung des Bromberger
i) Leider konnte man sich nicht entschliel^en, die Wirksamkeit dieser Behörde auf Berlin
auszudehnen und dem Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg (an Stelle des Regierungspräsi-
denten) zu unterstellen.
2. Der Ausbau und der Aufstau der kleineren deutschen Ströme. 207
Kanals verbunden (S. 45). Die neue Wasserstraße, die kanalisierte obere
Netze hat eine Länge von 105 km und ist aus See-, Fluß- und Kanalstrecken
zusammengesetzt, die durch 8 Stufen mit 8 Schleusen aufgestaut sind. Die Fahr-
wassertiefe beträgt 1,5 m, in wasserarmen Zeiten aber nur etwa 1,25 m. Alle
Abmessungen der Schleusen und Brücken sind für Schiffe von Finowmaß be-
rechnet
Der mittlere und untere Stromlauf bildet einen Teil der großen, etwa
296 km langen Oder-Weichsel-Wasserstraße, die von der Oder durch
die Wärthe bis Zantoch (68 km), durch die freie Netze bis zur Dragemündung
(49 km), durch die lebhafte Netze bis zur Küddowmündung (72 km), durch
die stille Netze bis zum Bromberger Kanal (68 km), durch diesen bis Bromberg
(27 km) und durch die Unterbrahe bis zur Weichsel (12 km) führt. Über den
schlechten Zustand der Netze-Wasserstraße unterhalb der Einmündung des
Bromberger Kanals bei Nakel vor 1870 war schon (S. 137) berichtet. Besonders
zeigte die wegen des verhältnismäßig starken Gefälles als lebhafte Netze
bezeichnete Strecke viele störende Krümmungen und mangelhafte Tiefe. 1873
und 1881 wurden Entwürfe zum Ausbau aufgestellt, aber wegen der Ein-
sprüche der angrenzenden Landwirte nicht zur Ausführung gebracht. In der
Zeit von 1891 bis 1897 wurde schließlich ein anderer Entwurf ausgeführt,
wobei 4 Stauanlagen errichtet wurden, die jedoch nicht den Zweck hatten,
der Schiffahrt die nötige Wassertiefe zu sichern, sondern vielmehr im Winter zur
Überflutung der Wiesen dienen sollten. Der Flußlauf wurde vertieft und gerade
gelegft und bei gemitteltem Niedrigwasser ist eine Mindesttiefe von etwa i m
erreicht worden. In dem trockenen Sommer 191 1 war noch eine geringste
Fahrwassertiefe von 0,85 m vorhanden. Die von den Schiffen nur ausnahms-
weise bei aufgerichtetem Stau benutzten Schleusen erhielten eine nutzbare
Kammerlänge von 57,4 m und eine Breite von 9,6 m; nur eine wurde nach
der Art der älteren Schleusen im sogenannten Oder-Spree-Kanal mit 59 m
Kammerlänge und einer Torweite von 8,6 m erbaut. Alle Schleusen können
entweder ein großes Schiff von 55 m Länge und 8 m Breite oder 2 Schiffe
von Finowmaß aufnehmen.
Die untere Netzestrecke bis Zantoch ist durch weiteren Ausbau auf eine
Tiefe von etwa 1,2 m bei gemitteltem Niederwasser gebracht worden, während
in der oberhalb gelegenen, etwas tieferen stillen Netze seit 1888 eine Reihe
von Durchstichen zur Ausführung kam. Die Strecke vom Bromberger Kanal
bis zur Dragemündung wurde infolge der Durchstiche um rund 30 km ver-
kürzt, wodurch die Schiffahrt viel gewönnen hat.
In das Wasserstraßengesetz von 1905 ist auch die Verbesserung der Oder-
Weichsel- Wasserstraße aufgenommen worden, die durchweg für den Verkehr
von 400 t-Schiffen (55 m lang und 8 m breit) ausgebaut werden soll. Der
Ausbau der unteren »freien« Netze soll in bisher geübter Weise fortgeführt
werden, während die »lebhafte« Netze durch Einschiebung von etwa 4 neuen
Staustufen fiir die Schiffahrt vollständig aufgestaut werden wird. In der
208 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
> stillen« Netze sollen neben anderen Verbesserungen die beiden bestehenden
Staustufen bei Bielawy und Gromaden (S. 45) für die größeren Schiffsab-
messungen umgebaut und außerdem unterhalb Gromaden eine neue Staustufe
errichtet werden.
Der Bromberger Kanal erfahrt jetzt einen vollständigen Umbau.
Er wird durchweg eine Mindesttiefe von 2 m erhalten und eine Breite, die für
den Verkehr mit 8 m breiten Schiffen ausreicht. Die Scheitelhaltung soll ge-
senkt und eine Erneuerung aller 9 Schleusen für die größeren Schiffsabmes-
sungen vorgenommen werden. Bei der Aufstellung des endgültigen Entwurfs
für den Umbau der Brahetreppe in Bromberg hat es sich als zweckmäßiger
herausgestellt, den alten Kanal, abwärts von der Schleuse VI an, ganz zu ver-
lassen und auf der Nordseite in einer neu zu bauenden Linie mit nur 2 Schleusen
von je 7,6 m Gefalle nach der Oberbrahe hinabzusteigen, die durch eine neu zu
erbauende Stadtschleuse (S. 45) mit der Unterbrahe in Verbindung gesetzt wird.
(Der Aufstau der Oberbrahe erfolgt wie bisher durch die Bromberger Mühlen.)
Diese neue Straße wird zwar um 400 m länger als die alte, für den Schiff-
fahrtverkehr aber wegen der Verminderung um 3 Schleusen günstiger werden.
Alle neuen Schleusen werden 57 m lang und g,6 m breit gemacht
Die Brahe. Nur die Unterbrahe von der Weichsel bis Bromberg hat
für die Schiffahrt Bedeutung (S. 137). Um eine Fahrwassertiefe von 1,4 m zu
erzielen, hatte man den Strom mit Buhnen auf 26,5 m Breite eingeschränkt;
aber in trockenen Sommermonaten war die Mindesttiefe oft nur 0,8 m. Um
eine Verbesserung des Fahrwassers und gleichzeitig einen Schutz für das von
der Weichsel in die Brahemündung eingebrachte Floßholz zu erreichen, wurde
1874 ein Entwurf zum künstlichen Aufstau des Flusses mit 2 Nadelwehren
bei Brahnau und Karlsdorf und zur Anlage eines großen Holzhafens bei
Brahemünde aufgestellt. Zum Bau des letzteren und der damit verbundenen
Hafenschleuse (von 60 m Kammerlänge und 9 m Torweite) bildete sich eine
Aktiengesellschaft. (Nachdem diese durch die erhobenen Abgaben ihre Bau-
kosten getilgt hatte [1898J, gingen Hafen und Schleuse in das Eigentum des
Staats über.)
Alle Arbeiten wurden in der Zeit von 1877 bis 1879 fertig gestellt. Bei
einer Fahrwasserbreite von 30 m wurde eine Mindesttiefe von 1,8 m erreicht.
Die Schleuse Karlsdorf erhielt eine Länge von 56 m und eine Breite von
6,1 m.
Als sich am Anfang dieses Jahrhunderts das Bedürfnis zu einer Erwei-
terung des Holzhafens und der geschützten Holzlagerplätze herausstellte, wurde
in den Jahren 1903 bis 1905 der Stau von Brahnau so weit erhöht, daß der
Spiegel der unteren Haltung den der oberen Haltung erreichte und der Stau
von Karlsdorf überflüssig wurde. Das Wehr und die Schleuse daselbst wurden
daher beseitigt (1910).
Pregel. Die Einschränkungswerke sind in der unteren Strecke zwischen
Königsberg und der Deimemündung bei Tapiau (45 km) fortgesetzt worden,
3- Die preußischen Kanalbauten. 209
sodaß die Normalbreite bis Zimmau 56,5 m, von da bis zur Deime 47 m
beträgt und bei gemitteltem Niedrigwasser eine Mindesttiefe von 1,5 m er-
reicht worden ist (S. 140J. In der Deime sind seit 1882 mehrere Durchstiche aus-
geführt worden, sodaO ihre Länge bis zum Kurischen Haffe 37 km bei 1,3 m
Tiefe bei gemitteltem Niedrigwasser beträgt. Zwischen Tapiau und der Alle-
mündung bei Wehlau (25 km) ist durch weitere Einschränkung in den achtziger
Jahren bei diesem Wasserstande eine Tiefe von etwa i m erreicht worden.
Im Oberpregel, zwischen Wehlau und Insterburg (50 km), ist bei
Bubainen der dort seit 1721 bestehende Mühlenstau im Jahre 1887 nebst
der Schleuse beseitigt worden. Aber die bisher ausgeführten Verbesse-
rungsbauten haben bei niedrigen Wasserständen in dieser Stromstreke nur
eine Wassertiefe von 0,6 m schaffen können. Seit 1890 sind mehrere Ent-
würfe zum künstlichen Aufstau aufgestellt, aber nicht ausgeführt worden.
Im Jahre 191 1 hat die Staatsregierung von neuem die Frage untersuchen
lassen.
3. Die preußischen Kanalbauten. Von allen Kanalentwürfen in
Preußen ist die Verbindung des Rheins mit der Elbe von jeher als wichtigste
Linie anerkannt worden. Trotz der Verstaatlichung der Eisenbahnen wurde
die Ausführung dieses »Mittellandkanals« von der preußischen Staatsregierung
unter Bismarcks Führung mit ganzem Ernst erstrebt, als im Jahre 1882 dem
Landtage eine Denkschrift über »die geschäftliche Lage der preußischen
Kanalprojekte (S. 172)« und gleichzeitig ein Gesetzentwurf »betreffend den
Bau eines SchifTahrtkanals von Dortmund über Henrichenburg, Münster, Be-
wergern, Dörpen nach der unteren Ems« vorgelegt wurde.
Diese Kanallinie lag von Henrichenburg bis Bewergern im Zuge des
Mittellandkanals und sollte nach der amtlichen Begründung »zwischen den
rheinisch -westfälischen Kohlengebieten und den Nordseehäfen sich dem ur-
sprünglichen Entwurf anfügen, andrerseits mit diesem zusammen ein unent-
behrliches Glied des jetzigen und künftigen Netzes der preußischen und deut-
schen Wasserstraßen bilden.«
Dank der Tätigkeit der Kanalvereine herrschte damals in ganz Deutsch-
land und besonders in Preußen eine dem Bau des Mittellandkanals gün-
stige Stimmung. Wenn trotzdem die preußische Regierung im Landtage
keine Vorlage fiir diesen, sondern nur für einen Teil davon mit der Richtung
zu den Nordseehäfen einbrachte, so lag der Grund besonders darin, daß sie
den aus den Kreisen der konservativen Partei befürchteten Widerstand gegen
den Mittellandkanal mit diesem Kanäle zuerst und am leichtesten zu über-
winden hoffte. Ob dies Vorgehen zweckmäßig war oder ob die Vorlage des
ganzen Mittellandkanals damals erfolgreich gewesen wäre, läßt sich heute
schwer beurteilen: Wir begnügen uns mit der Mitteilung der Tatsachen.
Der erwähnte Widerstand hatte seine Ursache in der am Anfang der
achtziger Jahre nicht nur in Preußen und Deutschland, sondern gleichzeitig
fast in allen europäischen Kulturstaaten entstandenen »Agrarkrisis«, wenn wir
Teubert, Binnenschiffahrt. I^.
210 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
mit diesem Wort die berechtigten und unberechtigten Bestrebungen zur
Hebung des landwirtschaftlichen Gewerbes zusammenfassen. Der Ertrag der
Landwirtschaft in diesen Staaten und besonders im östlichen Deutschland
(wegen der mangelhaften, veralteten Bewirtschaftungsart der großen Land-
güter) ging infolge des Wettbewerbs der überseeischen Länder, der durch
die großartige Entwicklung der Seeschiffahrt bedeutend erleichtert war, zweifel-
los zurück. Die davon Betroffenen wollten aber nicht einsehen, daß die
Ursache in den veränderten Verhältnissen des Weltmarkts lag, glaubten viel-
mehr, den Wirkungen durch die Bekämpfung der modernen Verkehrsmittel,
so weit sie dem freien Wettbewerb offen standen, entgegenarbeiten zu können:
durch Umwälzungen in der Geldwährung, durch Erschwerung des Börsen-
handels und vor allen Dingen durch Verhinderung von neuen billigen Ver-
kehrswegen im eigenen Lande, also von Kanälen. Man kam dabei allmählich
zu einer gewissen Verbitterung gegen den aufblühenden Handel und das
Großgewerbe. Diese Stimmung übertrug sich auf die ganze damals schon im
Abgeordnetenhause vorherrschende konservative Partei und zum Teil auch auf
das Zentrum, soweit dessen Nebenabsichten es vorteilhaft erscheinen ließen*).
Es ist bezeichnend dafür, daß die Kanalvorlage vom 24. März 1882
während der Frühjahrstagung des Landtags gar nicht auf die Tagesordnung
gesetzt wurde. Im Dezember legte die Regierung den Entwurf wieder vor
und erklärte dabei ausdrücklich, daß dieser Kanal nur als ein vorläufiger Teil
des großen Mittellandkanals anzusehen wäre. Es kam im Februar 1883 zur
ersten Beratung. Die Konservativen scheuten sich, der von Bismarck ge-
leiteten Regierung offen gegenüber zu treten und überließen den Angriff auf
die Vorlage ihren Gesinnungsgenossen vom Zentrum (v. Schorlemer-Alst).
Die gegen den Kanal angeführten Gründe waren zum Teil ehrlich gemeint,
nämlich, daß man nicht auf Kosten der Allgemeinheit die westfälische In-
dustrie unterstützen wollte, die allein von diesem Kanal Vorteil haben würde,
und daß dieser durch die erleichterte Einfuhr von ausländischem Getreide und
Holz für die preußische Landwirtschaft nachteilig wäre. Andrerseits wurden
Scheingründe vorgebracht und besonders immer wieder betont, daß man eine
Schädigung der Staatseisenbahnen befürchtete. Daß dies nur ein Scheingrund
war, ergibt sich daraus, daß dieselben Agrarier ohne Bedenken stets für den
Bau von sehr wenig einträglichen Nebeneisenbahnen in den östlichen Pro-
vinzen gestimmt haben, wenn sie für die Landwirtschaft vorteilhaft waren.
Die zur Prüfung des Gesetzentwurfs gewählte Kommission beschloß, den
Kanal abzulehnen und verlangte auf den Antrag v. Schorlemers, daß die Re-
gierung einen neuen Entwurf für den ganzen Mittellandkanal mit einer Ab-
zweigung nach Emden vorlegen sollte'). Das Abgeordnetenhaus folgte seiner
1) V. Eynern, 20 Jahre Kanalkämpfe. Berlin 1901.
2) Diesen Antrag v. Schorlemers nannte dessen Parteifreund Windhorst, der aus Rücksicht
auf seinen Wahlkreis Meppen für den Kanal war, in recht bezeichnender Weise »eine einge-
wickelte Dynamitpatrone<.
3- Die preußischen Kanalbauten. 211
Kommission nicht, sondern nahm das Gesetz mit 228 gegen iii Stimmen
an. Dagegen stimmten die Konservativen, ein Teil des Zentrums und die
Fortschrittspartei mit Ausnahme von Richter.
Zur allgemeinen Verwunderung und wohl nur infolge eines Zufalls wurde
das Gesetz im Herrenhause mit 70 gegen 45 Stimmen abgelehnt. Die Mehr-
heit schloß sich der Ansicht v. Stumms an, der sich grundsätzlich gegen den
Bau von Kanälen erklärte. Merkwürdigerweise nahm das Haus aber einen
Antrag an, daß die Regierung einen Entwurf für einen großen durchgehen-
den Kanal vom Osten bis zum Westen des Staats vorlegen sollte.
Die Angelegenheit ruhte bis zum Mai 1886. Da legte die Regierung
(v. Maybach) das Gesetz von neuem vor und außerdem, um gleichzeitig etwas
für Schlesien zu tun, den Entwurf zum Ausbau der Spree-Oder-Wasser-
straße (des sogenannten Oder-Spree-Kanals, S. 204). Sie erklärte ferner, in
nächster Zeit auch ein Gesetz, betreffend die Kanalisierung der oberen Oder,
vorlegen zu wollen. Aus den Verhandlungen war namentlich die Erklärung
des Führers der konservativen Partei, v. Rauchhaupt, bemerkenswert, daß
seine Partei einmütig für den Oder-Spree-Kanal stimmen werde, über den
Dortmund-Ems-Kanal geteilter Meinung wäre, aber unter allen Umständen
gegen den Mittellandkanal stimmen würde, weil dieser die Staatseisenbahnen
schädigen könnte.
Das Gesetz für den Bau der beiden ersten Wasserstraßen wurde darauf
vom Landtage angenommen. Gleichzeitig wurde die Regierung ersucht, den
Entwurf fiir den ganzen Mittellandkanal und für die Kanalisierung der oberen
Oder vorzulegen.
Zur Erschwerung des Dortmund-Ems-Kanals war schon im Jahre 1883
der Zentrumsantrag angenommen worden, daß mit dem Bau erst begonnen
werden dürfte, wenn von den Beteiligten der erforderliche Grund und
Boden mit allen Nebenkosten dem Staate zur Verfugung gestellt sein würde.
Diese Forderung wurde zum ersten Male gestellt und ist später allge-
mein üblich geworden, wenngleich sie von verschiedenen Seiten, besonders
von der nationalliberalen Partei, als unberechtigt bekämpft worden ist. Im
vorliegenden Falle wurde die Forderung zunächst von den Beteiligten, be-
sonders von den Provinzialverbänden Westfalen und Hannover abgelehnt,
weU sie den Umfang der Kosten nicht übersehen könnten. Die Regierung
brachte daher im Jahre 1888 gleichzeitig mit der Vorlage zur Kanalisie-
rung der oberen Oder (S. 190) ein Gesetz ein über die Bewilligung eines
Zuschusses zu den Grunderwerbskosten des Dortmund-Ems-Kanals. Beide
Gesetze wurden, trotz der von einzelnen Konservativen gemachten Schwierig-
keiten, zusammen verabschiedet und im Jahre 1890 konnte mit dem Bau des
Dortmund-Ems-Kanals begonnen werden. Die Bauarbeiten dauerten
bis 1899.
Vom Hafen Dortmund erreicht der Kanal nach 1 5 km das Schiff hebewerk bei Hen-
richenburg und fällt hier 14 m hinunter. Nach Vereinigung mit dem von Herne kommenden
14*
212 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
II km langen Zweigkanal reicht diese Kanalhaltung bis zur Schleuse Münster (56 km), womit
einem Fall von 6,2 m die zweite lange Haltung von 37 km folgt. An ihrem Ende beginnt der
Abstieg zur Ems, die durch 7 Schleusenstufen mit einem Gesamtgefälle von 28,7 m in einer
Entfernung von rund 30 km' bei Glesen erreicht wird. Unter Benutzung des alten Hanekenkanals
[S. 115) ist der neue Kanal als Seitenkanal bis Meppen geführt. In dieser 27 km langen Strecke
(von Glesen) fallt der Kanal in 3 Stufen um zusammen 10,7 m. Von Meppen aus folgt die
Wasserstraße der Ems, die bis Herbrum (49 km) in 5 Stufen künstlich aufgestaut ist. Hier ist
die Grenze von Ebbe und Flut. In dem durch Ausbau verbesserten Emsbette geht die Wasser-
straße bis Oldersum (45 km), von wo binnendeichs eine 1 1 km lange, an beiden Enden mit
Schleusen abgeschlossene Kanalstrecke zum Binnenhafen von Emden führt. Die Entfernung
von Dortmund bis Emden beträgt rund 270 km.
Die Wasserstraße ist für den Verkehr von 600 t- Schiffen (65 m lang und 8 m breit)
mit einem Tiefgang" von 1,75 m eingerichtet worden. Der trapezförmige Kanalquerschnitt hat
18 m Sohlenbreite und 2,5 m Wassertiefe. Die Krümmungen haben im allgemeinen einen Halb-
messer von mindestens 500 ni, ausnahmsweise 350 m und sogar 200 m. Die oberen 8 Schleusen
bis zur Ems sind einschiffig, 67 m lang und 8,6 m breit, während die folgenden 9, die aus der
Ems gespeist werden, als Schleppzugschleusen mit 165 m langen und 10 m breiten Kammern
angeordnet sind, so daß sie einen Schleppzug von einem Schleppdampfer mit 2 Lastschiffen
aufnehmen können. Die beiden Schleusen im Kanal von Oldersum sind 100 m lang und 10 m
breit, während der Trog im Schiffhebewerk Henrichenburg 70 m lang und 8,8 m breit ist. Die
Speisung der oberen Haltungen des Kanals erfolgt durch Dampfpumpw^erke aus der Lippe.
Der grundsätzliche Widerstand der konservativen Partei gegen neue
Wasserstraßen (wenn sie sich nicht gerade in den östlichen Provinzen be-
fanden) kam auch im Jahre 1894 bei der Vorlage des Elbe-Trave-Kanals
im Landtage zur Erscheinung. Die freie Hansestadt Lübeck hatte seit langer
Zeit sich von der Notwendigkeit überzeugt, den alten Stecknitzkanal (S. 28)
zu einer zeitgemäßen Wasserstraße mit großen Abmessungen umzubauen,
wenn ihr Handel und der Verkehr in ihrem Seehafen nicht ganz durch Ham-
burg unterdrückt werden sollte, zumal dieser Hafen durch den seit 1887 '"i
Bau begriffenen Kaiser- Wilhelm-Kanal voraussichtlich auch den Ostseehandel
immer mehr an sich ziehen würde. Seit dem Jahre 1878 waren verschiedene
Entwürfe aufgestellt worden, die von Lauenburg an der Elbe im Tal der
Delwenau eine Linie durch den Ratzeburger See und die Wackenitz in Aus-
sicht genommen hatten. Diese Kanallinie war aber wegen der Weigerung
der mecklenburgischen Regierung, die Speisung der Scheitelstrecke aus dem
Schalsee zu gestatten, unausführbar geworden und der Wasserbaudirektor
Rehder machte daher (1892) einen neuen Entwurf, der die Richtung der
alten Stecknitzfahrt beibehielt. Von der gesamten Länge des neuen Kanals
von 67 km sollten etwa 52 km in Preußen liegen und nach dem zwischen
beiden Staaten vereinbarten Vertrage von 1893 wollte Lübeck die ganze Bau-
ausführung übernehmen, wenn Preußen einen einmaligen Beitrag von 7,5 Mil-
lionen Mark (etwa ein Drittel der Baukosten) leisten würde.
Die Agrarier in Preußen waren damals wegen des vom Reichskanzler
V. Caprivi im Jahre 1892 mit Rußland abgeschlossenen Handelsvertrags in
besonders schlechter Stimmung und zeigten das bei dieser Gelegenheit wie-
der im Abgeordnetenhause, indem sie diese Vorlage bekämpften, sich wieder
gegen Kanäle überhaupt erklärten und besonders die neue Forderung auf-
3. Die preußischen Kanalbauten. ' 213
Stellten, daß neue Kanäle künftig auch das Anlagekapital verzinsen müßten.
Das Gesetz wurde aber schließlich in beiden Häusern angenommen.
Der Bau des Kanals wurde 1896 begonnen und 1900 beendet.
Der Kanal steigt von der Trave in Lübeck dem Laufe der Stecknitz folgend (26,4 km)
mit 5 Schleusen von zusammen etwa 12 m Gefälle zur rund 30 km langen Scheitelhaltung, die
/um Teil im Bette der Delwenau liegt und aus den Möllner Seen gespeist wird. Der II km
lange Abstieg zur Elbe bei Lauenburg erfolgt durch 2 Schleusen von zusammen etwa 7 m
Gefälle bei gewöhnlichem Wasserstande. Die Länge des Kanals zwischen den beiden End-
schleusen beträgt 56,6 km. Der Kanalquerschnitt ist vorläufig mit 22 m Sohlbreite und
2 m Mindesttiefe ausgeführt; jedoch hat die Scheitelhaltung schon eine Tiefe von 2,5 m er-
halten. Der kleinste Krümmungshalbmesser des Kanals beträgt 600 m. Die Schleusen haben
eine Nutzlänge von 80 m, eine Kammerweite (auf 59 m Länge) von 17 m und eine Torweite
von 12 m; sie können entweder einen Schleppzug von einem Schleppdampfer mit 2 Kanal-
schi'ffen von je 65 m Länge und 8 m Breite oder ein großes Eibschiff von 79,5 m Länge und
II ,6 m Breite aufnehmen.
In demselben Jahre 1894 legte die Regierung einen Gesetzentwurf, be-
treffend die Fortführung des Dortmund-Ems-Kanals von Dortmund bis
zum Rhein und die Herstellung eines Zweig- und Seitenkanals an der Lippe,
von Datteln bis Hamm, dem Landtage vor. Dieser Kanal sollte eine zweite
Abteilung des großen Mittellandkanals darstellen und dem Rhein gewisser-
maßen eine neue deutsche Mündung durch die Ems bei Emden geben. Bei
dem grundsätzlichen Widerstand der Agrarier war es nicht zu verwundern,
daß die Vorlage abgelehnt wurde. Die Konservativen erklärten sich offen
dagegen unter Wiederanfuhrung der bekannten Gründe und anderer halt-
loser, selbst technischer Einwendungen. Außer ihnen stimmte auch die Hälfte
des Zentrums und die freisinnige Partei dagegen, die letztere, weil sie endlich
die Vorlegung des ganzen Mittellandkanals wünschte. Es wurden 152 Stimmen
dagegen, 116 dafür abgegeben. Aus den Verhandlungen ist bemerkenswert,
daß der Finanzminister Miquel besonders die Befürchtungen hinsichtlich der
Schädigung der Staatseisenbahnen zu zerstreuen suchte, und daß die kon-
servative Partei zur weiteren Bedrückung der aufblühenden Binnenschiffahrt
damals wohl zum ersten Male die Erhebung von Abgaben auf den natür-
lichen Wasserstraßen verlangte (S. 195).
Der Widerspruch und der Widerstand der Agrarier gegen die Kanal-
vorlage wuchs seitdem immer mehr. Mit welcher Rücksichtslosigkeit sie
damals vorgingen, beweist z. B. eine von dem Führer des 1893 gegründeten
Bundes der Landwirte in Leipzig im Juli 1898 öffentlich abgegebene Erklä-
rung, daß die Ablehnung der Kanalvorlage von 1894 die erste Quittung für
die Annahme des russischen Handelsvertrags sei.
Im März 1899 entschloß sich die Regierung endlich, ein Gesetz über die
Herstellung des ganzen Mittellandkanals vom Rhein bis zur Elbe dem
Landtage vorzulegen. Obwohl Kaiser Wilhelm IL großen Wert auf die Durch-
bringung des Gesetzes legte und die Vertreter der Regierung, der Reichs-
kanzler Fürst Hohenlohe, die Minister v. Thielen und v. Miquel und der Oberst
Budde vom großen Generalstabe sich alle Mühe gaben, wurde die Vorlage
214 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
nach langen Kämpfen im Abgeordnetenhause mit 275 gegen 134 Stimmen
abgelehnt.
Diese Ablehnung war, wie Richter sagte, eine Kraftprobe der Agrarier
oder nach dem Ausspruch v. Eynerns eine Machtprobe der Konservativen
gegenüber dem Königtum, um zu beweisen, daß man in Preußen ohne die
Konservativen nicht regieren könnte.
Sachlich wurden neue Gründe von Bedeutung nicht dagegen angeführt;
aber man verlangte Entschädigungen für andere Landesteile, besonders eine
Verbesserung der Oderwasserstraße für Schlesien, den Ausbau der unteren
Lippe, einen Küsten kanal nach der unteren Elbe, Verbesserungen an der
Weichsel, an der Mosel usw., sogar eine Entschädigung fiir die sächsischen
Braunkohlengruben. Das alles war aber nicht ernst gemeint, ebensowenig wie
eine Studienreise der Kommission nach den Baustellen des Dortmund-Ems-
Kanals; denn man wollte die Vorlage ablehnen und lehnte sie im August
1899 ab. Die Maßregelung von 20 Abgeordneten, die höhere politische Ämter
bekleideten, erwies sich als ein Schlag ins Wasser.
In der Thronrede von 1900 erklärte der König, daß die Regierung an dem
Mittellandkanäle festhalte und den Entwurf im Verein mit Vorschlägen zu
anderen Schiffahrtverbindungen und zur Verbesserung der Vorflut an den
natürlichen Wasserstraßen von neuem vorlegen werde.
Bei den Verhandlungen im Abgeordnetenhause gelegentlich einer An-
frage an die Regierung wegen einer neuen Wasserstraße von Berlin nach
Stettin zeigte sich mit erschreckender Klarheit, wie die agrarische Mehrheit
nur auf den eigenen Vorteil und den ihrer Wahlkreise, namentlich im Osten,
bedacht war. Einen solchen Kanal hielten die pommerschen Konservativen
nicht für ein »Einfalltor für ausländisches Getreide«, sondern befürworteten
ihn. Ebenso wünschten sie die Verbesserung der Oder und der Wasser-
straßen zur Weichsel sowie den masurischen Kanal: Für diese Wasserstraßen
im Osten erwärmten sie sich und scheuten sich nicht, dabei ausdrücklich zu
erklären, daß der Mittellandkanal aufgeschoben werden könnte.
Am 4. Februar 1901 brachte der Reichskanzler v. Bülow die angekündigte
große wasserwirtschaftliche Vorlage, die außer dem Mittellandkanal
einen neuen Großschiffahrtweg Berlin-Stettin, die Verbesserung der Wasser-
straße von der oberen Oder nach Berlin, die Verbesserung der Oder-Weichsel-
Wasserstraße und außerdem die Verbesserung der Vorflut an der unteren
Oder, an der unteren Havel und an der oberen Spree enthielt. Man sieht:
Das Land östlich der Elbe sollte reich bedacht und beglückt werden, um die
Zustimmui^ der Konservativen zum Mittellandkanal zu erhalten. Aber auch
das war vergebens; denn diese erklärten von vornherein, daß die Fragen der
Vorflut und der Schiffahrt besonders behandelt werden müßten, und daß sie
gegen den Mittellandkanal die früheren Bedenken hinsichtlich der Schädigung
der Staatseisenbahnen hätten. Es klang fast lächerlich, daß gegenüber den
beruhigenden Erklärungen des Finanzministers v. Miquel diese Bedenken von
3. Die preußischen Kanalbauten. 215
dem Abgeordneten v. Zedlitz aufrecht erhalten wurden. Die Kommission
tagte bis zum Mai in zwanzig Sitzungen; aber es kam zu keiner Einigung.
Die Ostelbier wollten nur die für sie vorteilhaften Stücke ans der Vorlage
herausnehmen. Im übrigen machten die Konservativen wieder Vorschläge
für einen Küstenkanal und für einen Kanal von Ruhrort (oder Wesel) nach
der unteren Ems, um dem Rhein eine neue deutsche Mündung zu geben.
Das Zentrum verlangte die Kanalisierung von Mosel und Saar. Beide Par-
teien waren aber in betreff der Ablehnung des Mittellandkanals einig. Unter
diesen Umständen schloß die Regierung die Sitzung des Landtags, bevor es
in der Kommission zur Abstimmung kam: v. Bülow erklärte, daß die Vorlage
ein Ganzes bildete, aus dem wesentliche Bestandteile ohne Beeinträchtigung
allgemeiner wirtschaftlicher Interessen nicht ausgeschaltet werden könnten;
nach dem Gange der Verhandlungen wäre eine Verständigung ausgeschlossen,
mithin auch die Fortsetzung der Beratungen zwecklos.
Angesichts dieser beiden Niederlagen der Regierung fragt man sich,
warum damals nicht zu dem Mittel der Landtagauflösung und zur Anordnung
neuer Wahlen geschritten wurde, die nach der Stimmung im Volke voraus-
sichtlich zu einer anderen Mehrheit im Abgeordnetenhause gefuhrt haben
würden. Die Antwort ist: Gegen die konservative Partei regiert man nicht
in Preußen. Es ist erstaunlich, wie man nicht nur in den Kreisen der
Agrarier, sondern auch in denen der Regierung sich über die innere tiefere
Bedeutung dieser Kanalkämpfe mit der Redewendung hinwegzutäuschen suchte,
der Widerstand der Konservativen beträfe nur wirtschaftliche, aber nicht
politische Fragen').
Im Jahre 1902 wurden im deutschen Reichstage die für die Landwirtschaft
vorteilhaften neuen Zollgesetze beschlossen, und im April 1904 legte die
preußische Regierung (Minister Budde) dem Landtage fünf neue, gesonderte,
wasserwirtschaftliche Gesetzentwürfe vor. Der erste betraf die Herstellung
von Wasserstraßen, während die vier anderen sich auf die Verbesserung
der Vorflut an der Oder, Havel und Spree u. dgl. bezogen. Die letzteren
wurden zum größeren Teile bereits im Sommer 1904 ohne Bedenken von
konservativer Seite angenommen, da sie in der Hauptsache ostelbische Wünsche
der Agrarier befriedigten. Glücklicherweise fielen gleichzeitig auch einige
Brocken für die Binnenschiffahrt ab. Besonders das mangelhafte Fahrwasser
der unteren Havel (S. 202) wurde bei dieser Gelegenheit gründlich verbessert.
i) Die Verbitterung gegen den Mittellandkanal war in den konservativen Kreisen so groß,
daß man mangels durchschlagender Gründe für die Ablehnung zu ganz törichten Entschuldigimgen
griff. Ein bekannter Redner dieser Partei erklärte z. B. dem Verfasser: Der König sei nur
darum ftir den Kanal, um die Binnenschiffahrt zu heben und aus dieser die nötigen Mannschaften
für die Kriegsmarine zu gewinnen. Bekanntlich wurde damals von dieser Partei auch die
Schaffung der Flotte mit ungünstigen Blicken angesehen.
Eine Schilderung der politischen Vorgänge bei der Vermehrung der preußischen Wasser-
straßen in neuester Zeit ist notwendig, um den Unterschied gegen die Politik des großen Königs
und des großen Kurfürsten festzustellen.
216 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
Über die Einwirkung der betreflfenden Gesetze auf die Wasserstraße der
unteren Oder (S. 191) und der oberen Spree (S. 205) wurde bereits oben
berichtet.
Die Wasserstraßenvorlage unterschied sich von dem Gesetzentwurf
des Jahres 1901 besonders dadurch, daß die Kanalisierung der Oder von der
Neißemündung bis Breslau (S. 191) hinzugefügt und aus dem Mittelland-
kanal die Strecke von Hannover bis zur Elbe fortgelassen war.
Der Grundgedanke des Rhein -Weser-Elbe-Kanals war aufgegeben; dafür
wurde der Bau einer neuen Wasserstraße vom Rhein bis zum Dortmund-Ems-
Kanal bei Herne und einer Wasserstraße vom Dortmund-Ems-Kanal bei Bever-
gern bis nach Hannover beantragt. Ferner waren Ergänzungsbauten am
Dortmund-Ems-Kanal, ein Lippe-Seitenkanal (zugleich als Speisekanal) von
Hamm nach Datteln, Zweigkanäle nach Osnabrück, Minden und Linden sowie
die Kanalisierung der Weser von Minden bis Hameln oder die Herstellung
von Staubecken im oberen Wesergebiet vorgesehen.
Trotz der für die Landwirtschaft vorteilhaften Vorflutgesetze, trotz der
neuen Wasserstraßen östlich der Elbe und trotz der Verstümmelung des
Mittellandkanals fand diese Vorlage noch nicht die Zustimmung der konservativ-
klerikalen Landtagsmehrheit. Es wurde vielmehr eine Reihe erschwerender
Bedingungen aufgestellt, die sämtlich von der Regierung angenommen werden
mußten. Zunächst wurde erstrebt, bei dem Bau des sogenannten Rhein-
Weser-Kanals möglichst viele Vorteile für die Landwirtschaft zu erreichen
und es wurde verlangt, »daß bei der Aufstellung, Ausarbeitung und Aus-
führung der Pläne die Organe der landwirtschaftlichen Verwaltung mitzu-
wirken haben.« Ferner wurde die Schiffbarmachung der Lippe unterhalb
des Dortmund-Ems-Kanals von Datteln bis Wesel und oberhalb von Hamm
aufwärts bis Lippstadt durch künstlichen Aufstau oder durch Seitenkanäle
dem Gesetzentwurf hinzugefugt.
Von besonderer Bedeutung ist der § 18 des Gesetzes: »Auf dem Kanäle
vom Rhein zur Weser, auf dem Anschluß nach Hannover, auf dem Lippekanal
und auf den Zweigkanälen dieser Schiffahrtstraßen ist einheitlicher, staat-
licher Schleppbetrieb einzurichten. Privaten ist auf diesen Schiffahrtstraßen
die mechanische Schlepperei untersagt. Zum Befahren dieser Schiffahrtstraßen
durch Schiffe mit eigener Kraft bedarf es besonderer Genehmigung.« Bei
der Einführung dieses »Schleppmonopols« lag nicht allein die Absicht vor,
den technischen Betrieb des Kanals zu verbessern; die Landtagsmehrheit sah
vielmehr in dieser Einrichtung ein Mittel für den Staat, »seine Eisenbahntarif-
politik auf den Kanal auszudehnen; er kann wirtschaftlichen Verschiebungen
durch ausgleichende Tarifgestaltung vorbeugen; er kann bewirken, daß die
Vorteile der Transportverbilligung der Allgemeinheit zugute kommen«. Nach
der Ansicht dieser Landtagsmehrheit waren die »wirtschaftlichen«, d. h. die
agrarischen Zwecke des Schleppmonopols am wichtigsten.
Während diese Bedingungen für die Annahme der Gesetzvorlage wenig-
3- Die preußischen Kanalbauten. 217
stens mit dem Bau der fraglichen Wasserstraßen zusammenhingen, wurde
die letzte und schwerste ganz gewaltsam damit verbunden. Sie ist in dem
§ 19 ausgesprochen: »Auf den im Interesse der Schiffahrt regulierten Flüssen
sind Schiffahrtabgaben zu erheben« (S. 213). Obwohl diese Bestimmung
gegen Artikel 54 der Reichsverfassung verstieß, wurde sie doch von beiden
Häusern des Landtags und von der Regierung angenommen.
In ähnlicher Weise wie bei dem Dortmund-Ems-Kanal (S. 211), aber in
größerem Umfange, sind bei den Kosten für die Ausführung des Wasser-
straßengesetzes die Beteiligten herangezogen worden. Damit ist endgültig
der Grundsatz aufgegeben, daß öffentliche Wasserstraßen allein auf Staats-
kosten gebaut und unterhalten werden. Der Baubeginn ist davon abhängig
gemacht worden, daß die betreffenden Provinzen oder andere öffentliche Ver-
bände sich verpflichteten, den durch die Kanalabgaben nicht gedeckten Fehl-
betrag der jährlichen Betriebs- und Unterhaltungskosten dem Staate zu er-
statten und außerdem einen Baukostenanteil (von '/g oder 7« der Anschlag-
summen) mit 3 V. H. zu verzinsen und mit 7^ v. H. zu tilgen, falls und
soweit die Einnahmen aus den Kanalabgaben nach Deckung der Betriebs- und
Unterhaltungskosten dazu nicht ausreichen. Die Vertreter dieser »Garantie-
verbände« werden als Finanzbeiräte an der Durchführung des Gesetzes be-
teiligt. Außerdem sind noch besondere »Wasserstraßenbeiräte« eingesetzt
worden.
Mit diesen Zusätzen und Abänderungen wurde nach langen Verhand-
lungen das Wasserstraßengesetz im Frühjahr 1905 verabschiedet.
Der Kanal vom Rhein nach Hannover oder, wie er im Gesetz genannt wird, »der
Rhein- Weser-Kanal mit Anschlußkanal nach Hannover« besteht aus drei Teilen: der Rhein-Herne-
Kanal (38 km), der obere Teil des Dortmund-Ems-Kanals von Herne bis Bevergern (loi km) und
-der Kanal von Bevergern (oder von der Ems) nach Hannover (173 km). Die ganze Wasserstraße
wird 312 km lang werden und ist wie der bestehende Dortmund-Ems-Kanal für den Verkehr von
600 t-SchUTen (65 m lang und 8 m breit) eingerichtet. Der Rh ein -Herne- Kanal steigt mit
7 Stufen vom Rhein bei Ruhrort bis Herne und hat ein Gesamtgefälle von 36 m. Der kleinste
Krümmungshalbmesser beträgt 700 m. Der Querschnitt ist mit Rücksicht auf Bodensenkungen
im Bergwerksgebiete in der Mitte 3,5 m tief, also um i m tiefer als bei dem Dortmund-Ems-
Kanal; die nutzbare Fahrwasserbreite beträgt bei 2,5 m Tiefe 22,5 m, bei 2 m Tiefe 25,5 m.
Es werden Zugschleusen von 165 m Länge und 10 m Breite ausgeführt, deren Tiefe mit Rücksicht
auf Bodensenkungen 4 bis 5,5 m beträgt.
In der anschließenden Strecke des bestehenden Dortmund-Ems-Kanals ist bei Münster
neben der vorhandenen Schleuse eine zweite Kammer mit denselben Abmessungen (165 m und
10 m) im Herbst 1911 fertig gestellt worden.
Der Kanal von Bevergern bis Hannover hat keine Schleuse, sondern die ganze Länge
von Münster bis Hannover ist eine einzige, 209 km lange Haltung. Die Abmessungen des
Querschnitts sind etwa die gleichen wie beim Dortmund-Ems-Kanal und bei dem Rhein-Hernc-
Kanal (3 m Tiefe in der Mitte des muldenförmigen Querschnitts). Der Kanal wird bei Minden
über die Weser geführt und dort durch einen nördlich abzweigenden kurzen Seitenkanal und eine
Schleuse mit diesem Strome verbunden (S. 184). Auch erfolgt dort die Speisung aus der Weser
durch ein Pumpwerk.
In dem Seitenkanal nach Dortmund wird neben dem vorhandenen Schifthebewerk
bei Henrichenburg eine zweite Verbindung zwischen den beiden Haltungen durch einen etwa
I km langen Kanal und eine Schachtschleuse von 14,5 m Gefälle hergestellt, die eine Länge von
95 m und eine Breite von 10 m erhält. Der Bau soll im Jahre 191 2 fertig werden.
218
Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
In dem alten Kanal von Bevergern nach den Emshäfen wird die bbher nur mit ein-
schiffigen Schleusen ausgerüstete Emstreppe (S. 212) jetzt gleichfalls mit Zugschleusen von 165 m
Länge und 10 m Breite versehen, deren Kammern neben den bestehenden angelegt -werden. Von
Bergeshövede bis Glesen sind jetzt 7 Stufen vorhanden; indem die beiden obersten zusammen-
gezogen werden, hat man künftig nur 6 Stufen, und es werden auch nur 6 neue Zugschleusen
gebaut, die Ende 191 3 fertig gestellt sein sollen. (Die Kosten f^r diesen Erweiterungsbau sind
nicht in dem Wasserstraßengesetze enthalten.)
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Übersichtskarte des Rhein-Hannover-Kanals.
Einen neuen Seitenkanal stellt die Lippe-Wasserstraße dar. Es ist oben (S. 114} mit-
geteilt worden, daß der Verkehr auf diesem Fluße in den siebziger Jahren wegen des mangel-
haften Fahrwassers fast ganz aufgehört hatte. In neuerer Zeit hat sich aber im Lippegebiet der
Kohlenbergbau stark entwickelt, so daß eine leistungsfähige Wasserstraße im Abgeordnetenhause
als dringendes Bedürfnis erklärt wurde. Die große Wasserstraße vom Rhein nach Hannover
wird bei Datteln (vgl. die Karte) mit der Lippe in Verbindung gebracht werden. Der Lippe-
kanal von Datteln nach Wesel wird etwa 66 km lang werden und bei 40,5 m Gesamtgefölle
10 Staustufen erhalten, die mit Schleppzugschleusen von 165 m Länge und 10 m Breite über-
wunden werden. Die Wassertiefe wird 2,5 m und der kleinste Krümmungshalbmesser 600 m
betragen. Der zur Speisung des Hauptkanals dienende Lippekanal von Datteln bis Hamm
von 39,2 km Länge wird bei gleicher Tiefe, aber etwas größerem Querschnitt keine Schleuse er-
halten. Der von Hamm aufwärts bis Lipp Stadt führende, 38 km lange Lippe-Seitenkanal hat
ein Gesamtgefälle von 15 ^i ^^^ '^^ 4 Stufen mit Schleusen von 85 m Länge und 10 m Breite
überwunden wird. Diese Wasserstraße wird einschiffig gebaut und bekommt bei 2 m Wasser-
tiefe eine nutzbare Fahrwasserbreite von 12 m, während die größte Tiefe in der Mitte 2,75 m
betragen wird.
3. Die preußischen Kanalbauten. 219
Auch der Zweigkanal nach Osnabrück, der von der Hauptwasserstraße zwischen Bever-
gem und der Weser bei Bramsche südlich abzweigt, wird nur einschiffig angelegt Er ist etwa
15 km lang.
Der Masurische Kanal, die Verbindung der im 18. Jahrhundert (S. 46)
ausgebauten Wasserstraßen zwischen den großen Seen im südöstlichen Teile
der Provinz Ostpreußen mit dem Pregel und der Stadt Königsberg war schon
im Jahre 1874 von dem preußischen Landtage beschlossen worden. Er kam
damals aber nicht zur Ausführung*). In den neunziger Jahren wurde dies Unter-
nehmen von agrarischer Seite wieder in Anregung gebracht und 1897 von
der Staatsregierung ein Entwurf aufgestellt. Da das Gefalle vom Mauersee
bis zum Pregel etwa 116 m beträgt, wollte man dabei große Wasserkräfte
gewinnen und für Landwirtschaft und Großgewerbe nutzbar machen. Es war
aber schwer, zwischen den Beteiligten, besonders den Landwirten im Pregel-
und Deimetal eine Einigung herbeizuführen und der Kanal konnte darum nicht
in die große wasserwirtschaftliche Vorlage von 1901 aufgenommen werden.
In den Jahren 1906 und 1907 wurde ein neuer Entwurf, in dem von der Nutz-
barmachung der Wasserkräfte abgesehen wurde, aufgestellt und dem Landtage
vorgelegt. Er wurde im Jahre 1908 von der agrarischen Mehrheit ohne Be-
denken angenommen, zumal die Beteiligten nur in geringem Umfange zu den
Kosten herangezogen werden sollten. Da auf eine Verzinsung der Baukosten
nicht gerechnet werden konnte, wurde von dem Provinzialverband, von der
Stadt und der Kaufmannschaft Königsbergs nur die lastenfreie Hergabe des
zum Bau erforderlichen Grund und Bodens verlangt. (Das ist etwa der fünf-
zehnte Teil der gesamten Kosten.)
Die Wasserstraße benutzt vom Pregel bei Wehlau zunächst auf 22,5 km die dort mün-
dende Alle. Dieser Nebenfluß ist nahe bei seiner Mündung zum Betrieb der Pinnauer Mühle
aufgestaut, und zur Überwindung dieses Staues von etwa 3,6 m ist im Jahre 19 10 eine neue Schleuse
von 55 m Länge und 9,6 m Breite erbaut worden. Die Alle hat bei gemitteltem Niedrigwasser
etwa 1,5 m Mindesttiefe.
Bei Dettmittcn unterhalb Allenburg verläßt der 50.4 km lange masurische Kanal die Alle
und steigt durch 10 Schleusen von 45 m Länge, 7,5 m Breite und 2,5 m Tiefe 112 m hinauf bis
zum Mauersee. Das GeÜUle der einzelnen Staustufen schwankt zwischen 6,5 m und 17,2 m.
Der Kanal hat einen kleinsten Krümmungshalbmesser von 400 m und bei l,$ m Wassertiefe eine
nutzbare Fahrwasserbreite von 12,4 m, während die größte Wassertiefe in der Mitte 2 m beträgt.
Im Anschluß an die Ausführung dieses Kanals werden die bestehenden Wasserstraßen
zwischen den masurischen Seen verbessert und zur Regelung ihrer Wasserstände einige Staubecken
hergestellt werden. Die Arbeiten sind seit 19 10 im Gange.
Der Teltowkanal, der im Süden von Berlin die Havel bei Potsdam
mit der Wendischen Spree bei Grünau (gegenüber von Köpenick) verbindet,
ist im Gegensatz zu den vorher besprochenen Kanälen nicht vom preußischen
Staate, sondern auf alleinige Kosten des Kreises Teltow in den Jahren 1901
bis 1906 gebaut worden. Ein Südkanal um Berlin war bereits in den sieb-
ziger Jahren als Ergänzung für den nicht genügend leistungsfähigen Land-
wehrkanal (S. 132) und den mangelhaften Wasserweg durch Berlin mittels des
I) Fritz Simon, Der Masurische SchüTahrtkanal. Zeitschrift für Binnenschiffahrt 1908, S. 24S.
220 Abschnitt IV. Die Vermehning der Binnenschififahrtstraßeii seit 1870.
Kupfergrabens wiederholt geplant und untersucht worden; er kam jedoch
nicht zur Ausführung, weil er nach Durchfuhrung der Spreewasserstraße
durch Berlin (bei der sogenannten Kanalisierung der unteren Spree, S. 204)
entbehrlich schien. In den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts nahm
der tatkräftige Landrat v. Stubenrauch den Plan wieder auf. Den im Kreise
gelegenen aufblühenden Vororten von Berlin (besonders Lichterfelde, Steglitz,
Tempelhof) fehlte die erforderliche Vorflut für ihre Entwässerung, da das
Flüßchen Beke hierzu nicht genügte. Die aufgestellten Entwürfe ergaben,
daß ein Vorflutkanal von der Havel in den nötigen Abmessungen nicht er-
heblich billiger wäre, als wenn man den Kanal für die Schiffahrt geeignet
machen und bis zur Spree führen würde. Außerdem sollte durch einen
SchifTahrtkanal die Bebauung dieses Teils des Kreises namentlich durch ge-
werbliche Anlagen gefördert werden.
Der 37 km lange Kanal hat nur 2 Haltungen, die Havel- und die Spreehaltung, die bei
KI. Machnow durch eine Schleuse von etwa 2,7 m Gefalle verbunden sind. Die Schleuse hat
2 Kammern von 67 m Länge und lo m Breite. Der Kanal ist für den Verkehr von 600 t-Schüfen
(65 m lang und 8 m breit) mit 1,75 m Tauchtiefe eingerichtet. Er hat bei einer nutzbaren Fahr-
wasserbreite von 20 m eine Mindesttiefe von 2 m bei N.W. Die Krümmungshalbmesser sind im
allgemeinen mindestens 1000 m groß, ausnahmsweise 500 m. Vom Hafen Britz führt in nord-
östlicher Richtung ein 3,5 km langer Zweigkanal in gleichen Abmessungen nach der Treptower
Spree. In der Havelhaltung ist zwischen dem im Zuge des Kanals gelegenen Griebnitzsee und
dem Wannsee eine schleusenlose Verbindung, der Prinz-Friedrich-Leopold-Kanal [3,8 km
lang] zu gleicher Zeit hergestellt worden.
Von dem vorerwähnten Hafen Britz in der Spreehaltung wird demnächst eine nördliche
Kanalabzweigung über Rixdorf nach dem Landwehrkanal ausgeführt werden, die durch eine
Schleuse abgeschlossen werden soll. Dieser Bau ist von der Stadt Rixdorf unternommen worden ;
ein Teil davon ist bereits fertig.
Der Teltowkanal verkürzt den Weg von der unteren Havelwasserstraße zur Spree-Oder-
Wasserstraße um 16 km; er wird daher in Zukunft für den Durchgangverkehr von Hamburg nach
Schlesien von Bedeutung sein.
Die Einführung der durch das preußische Gesetz von 1905 vorgeschriebenen
Schiffahrtabgaben auf den natürlichen Wasserstraßen stieß auf Schwierig-
keiten. Man kam zu der Überzeugung, daß dazu eine Abänderung der Ver-
fassung des Deutschen Reichs erforderlich war. Um den dabei sowohl im
Bundesrate wie im Reichstage erwarteten Widerstand zu beseitigen, beschloß
die Reichsregierung, die durch die Abgaben innerhalb der einzelnen Strom-
gebiete aufgebrachten Geldsummen zum Ausbau, zur Verbesserung und zur
Unterhaltung der natürlichen Wasserstraßen in diesen Gebieten zu verwenden.
Nach langen und schwierigen Verhandlungen wurde das Gesetz betreffend
den Ausbau der deutschen Wasserstraßen und die Erhebung von
Schiffahrtabgaben angenommen und unter dem 24. Dezember 191 1 erlassen.
Aus den an den Stromgebieten des Rheins, der Weser und der Elbe beteiligten
Bundesstaaten werden Strombauverbände gebildet, die durch Verwaltungs-
ausschüsse (aus den Vertretern der Staaten) und durch Strombeiräte (aus den
Vertretern von Handel, Gewerbe, Landwirtschaft und Schiffahrt) die Erhebung
und Verwendung der Abgaben zu besorgen haben.
4. Vorgänge im Ausland. 221
Die Geldmittel sollen zunächst für folgende Arbeiten verwendet werden:
Im Rheinverbande zur Herstellung einer Schiffahrtstraße von Konstanz bis Straßburg
(S. i8o\ zur Vertiefung des Rheins von Straßburg bis Sondemheim und von Mannheim bis
St. Goar (S. 178}, zum Aufstau des Neckars von Heilbronn bis zum Rhein und zum Aufstau
des Mains zwischen Aschaffenburg und Offenbach (S. 197).
Im Weserverbande zur Vertiefung der Weser und der unteren Aller.
Im Eibverb an de zur Vertiefung der Elbe und zum Ausbau der Saale von Kreypau bis
zur Elbe.
Für die Erhebung von Abgaben auf dem Rhein und auf der Elbe ist die Zustimmung von
Holland und Österreich erforderlich; beide Staaten haben sich bisher ablehnend verhalten.
4. Vorgänge im Ausland.
Osterreich. Seit 1870 ist die Verbesserung und der Ausbau der
350 km langen Donau Wasserstraße von Passau bis Theben sehr gefördert
worden'). (Die Verbesserung der baierischen Donau ist auf S. 198 erwähnt.)
In der oberösterreichischen Strecke war der Struden (S. 143) das be-
deutendste Schiffahrthindernis, das nach vielen Versuchen und Bemühungen
durch die seit 1889 tatkräftig betriebenen Felssprengungen und anderen Arbeiten
so weit beseitigt worden ist, daß man diese Stelle jetzt ohne Vorspann selbst
beim niedrigsten Wasserstande mit 1,2 m tief gehenden Schiffen durchfahren
kann. Die dort geschaffene Fahrrinne ist 80 m breit. Im übrigen wurde
der Strom zunächst für Mittelwasser mit verhältnismäßig hohen Längs-
dämmen ausgebaut, die gleichzeitig zum Teil als Leinpfad dienen. Es wurde
dabei die Strombreite an einzelnen Strecken (z. B. bei Linz) auf 250 m ein-
geschränkt. Etwa im Jahre 1890 erkannte man, daß diese Art des Ausbaues
für die Schiffahrt nicht die nötige Tiefe bei N.W. hervorbrachte, weil sich
der Strom in dem zu breiten Bette schlängelte und den Talweg oft verän-
derte. Man begann damals mit der »Regulierung für Niederwasser«, indem
man (seit 1898) als Ziel eine Mindesttiefe von 2,1 m bei N.W. erstrebte, um
mit Schiffen von 1,8 m Tauchtiefe verkehren zu können. Diese Arbeiten,
die auf die Herstellung eines etwa 200 m breiten Niedrigwasserbettes an den
schlechten Stellen ausgehen, haben eine beträchtliche Vertiefung des Stromes
herbeigeführt und sind noch im Gange. Die früher und noch heute sehr
seichte Stromstrecke im Aschacher und Brandstätter Kachlet ist durch Ein-
schränkung bis auf 150 m in den Jahren 1900 bis 1910 mit gutem Erfolg
verbessert worden.
In Niederösterreich erkannte man bald nach der Ausführung des
großen Durchstichs bei Wien (S. 144), daß die dadurch gewonnenen Vorteile
nur erhalten und von der Schiffahrt ausgenutzt werden könnten, wenn der
i) Die Donau in Oberösterreich, vom k. k. technischen Departement der oberöster.
Statthalterei in Linz (Oberbaurat Ritter von Mathes}. Verbandschrift 1909. Groß-Lichterfelde,
A. Troschel.
Die Regulierung der Donau in Niederösterreich. Monographie, verfaßt von
der Strombaudirektion der n.-ö. Donauregulierungskommission zum VIII. Verbandstage in Linz,
1909.
222 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
Strom auch ober- und unterhalb der Stadt ausgebaut würde. Von der »Nie-
derösterreichischen Donauregulierungs-Kommissionc wurde 1882 ein Entwurf
iiir die Verbesserung der ganzen Stromstrecke aufgestellt, der in 20 Jahren auf
gemeinsame Kosten des Staats, des Kronlands und der Stadt Wien ausgeführt
werden sollte. Ähnlich wie in Oberösterreich sollte der Strom fiir Mittel-
wasser durch Einschränkung auf 300 m oberhalb und auf 380 m unterhalb Wien
ausgebaut werden. Dazu wurden gleichfalls Längsdämme ausgeführt, deren
Kronen etwa 2,5 m über Mittelwasser lagen. Wenn auch durch diese Bauten
eine Vertiefung einiger seichten Stellen von etwa i m auf 1,3 m bei N.W.
erreicht wurde, so erkannte man doch im Jahre 1898, daß man eine Niedrig-
wasserregulierung nach anderen Grundsätzen durchführen müOte. Zunächst
trat dies Bedürfnis für den Wiener Durchstich ein. Dort lagerten sich
wegen zu großer Breite an beiden Ufern Kiesbänke ab, der Talweg schlän-
gelte sich von einem zum anderen Ufer, die Wassertiefe auf den Übergängen
wurde ungenügend und das rechte Stromufer vor Wien konnte nicht als
Lösch- und Ladestelle benutzt werden. (Diese Ereignisse hatte schon 1867
Gotthilf Hagen vorhergesagt.)
Nach dem Entwurf des Strombaudirektors von Weber wurde der Durch-
stich mittels niedriger Buhnen mit gutem Erfolge in den Jahren 1898 und
1899 ausgebaut und diese Bauweise auch in den anschließenden Stromstrecken
angewendet. Im Jahre 1901 stellte der Oberingenieur Girardon aus Lyon
fiir den weiteren Ausbau ein Gutachten auf, nach dem 1903 ein neues Bau-
programm ausgearbeitet wurde. Die seitdem bei dem Ausbau der einzelnen
schlechten Stellen damit erreichten Erfolge sind gut gewesen und lassen bei
der Fortführung der Arbeiten eine dauernde Verbesserung und Vertiefung
des Stromes erwarten. Die ganze österreichische Stromstrecke hat zurzeit
bei gemitteltem Niedrigwasser eine Mindesttiefe von etwa 1,4 m.
Durch das Gesetz von 1892, betreffend die Wiener Verkehrsanlagen,
wurde auch der Wiener Donaukanal berührt. Er sollte einen noch
besseren Schutz gegen Hochwasser erhalten, zu einer stets benutzbaren
Schiffahrtstraße und gleichzeitig zu einem Handels- und Schutzhafen ausge-
baut werden. Seit dem Jahre 1904 sind die Arbeiten im Gange. Bei Nuß-
dorf wurde 100 m unterhalb des älteren Sperrschiffs (S. 144) ein neues Wehr
errichtet und daneben in einem neuen Verbindungskanale eine Kammer-
schleuse von 85 m Länge und 15 m Weite angelegt (1898 beendet). Im
unteren Laufe soll der Kanal in 3 Stufen aufgestaut werden. Die oberste
(Kaiserbadstufe) wurde im Jahre 1908 fertig, während die beiden unteren noch
im Bau begriffen sind. Die Schleusen erhalten die gleichen Abmessungen
wie bei Nußdorf
Die zweite große Schiffahrtstraße Österreichs ist die Elbe, über deren
Verbesserung einschließlich der Moldau bis hinauf nach Prag schon früher
{S. 188) berichtet worden ist.
Die Bestrebungen, die Donau mit der Elbe und mit der Oder durch
4* Vorgänge im Ausland. 223
Kanäle zu verbinden, sind sehr alt (S. 36 und S. 40). Sie wurden besonders
seit dem zweiten internationalen BinnenschiffahrtkongreO in Wien {1886)
durch Vereine und Parlamentarier kräftig gefördert und führten bei einer
glücklichen Wendung der hin und herschwankenden Parteikämpfe im Reichs-
rat im Juni 1901 zu der unverhofften Annahme eines umfangreichen Wasser-
straOengesetzes^). Vielleicht war sie nur ein Ausgleich für die Bewilligung
der Eisenbahnen durch die Tauern und durch die Karawanken, um den See-
hafen Triest zu heben: Aber die Eisenbahnen sind längst im Betriebe und
mit dem Bau der großen Kanäle ist noch immer nicht ernstlich begonnen
worden. In dem Gesetze waren die folgenden Wasserstraßen vorgesehen,
die etwa die daneben angegebene Länge haben würden:
1. Donau- Oder-Kanal von Wien über Prerau nach Oderberg mit 16 Schleusen
Im Aufstieg von der Donau (i6om über dem Meer) zu der 275 m über dem Meere
liegenden Scheitelhaltung und 13 Schleusen im Abstieg zur Oder (203,3 ^ über dem
Meer) 268 km.
2. Oder-Weich sei -Kanal in Oderberg anschließend bis Krakau mit 8 Schleu-
sen im Aufstieg zur Scheitelhaltung (267,7 ^) ^^^ '^ Schleusen im Abstieg zur Weichsel
(199,4 m) 132 km.
3. Weichsel-Dniester- Kanal von der Weichsel unterhalb Krakau über Mielec
-durch Galizien bis zum Dniester etwa bei Zalesic, ohne den Anschlußkanal für Lem-
berg ungefähr 350 km.
4. Donau-Moldau-Kanal von Wien (Korneuburg) nach Budweis (384 m
Meereshöhe). Nach den bisher aufgestellten Entwürfen würde der Aufstieg von der
Donau zur Scheitelhaltung (etwa 530 m Meereshöhe) 38 Schleusen und der Abstieg
15 Schleusen erfordern. Die Länge ist ungefähr 205 km.
6. Kanalisierung der Moldau von Budweis bis Prag. Das Gefälle von
200 m würde durch 34 Staustufen überwunden werden 179 km.
7. Kanalisierung der Mittelelbe von Melnik aufwärts bis Josefstadt und
•Jaromer. Dies Werk ist besonders zu Landeskulturzwecken erforderlich. Das 96 m
betragende Gefälle soll mit 29 Staustufen überwunden werden. Der Flußlauf wird
verkürzt von 223 km auf 180 km.
8. Oder-Elbe-Kanal, als Verbindung zwischen den unter i. und 7. aufge-
führten Wasserstraßen, zwischen Prerau und Pardubitz an der Mittelelbe. Es wird
ein Höhenunterschied von etwa 200 m zu überwinden sein. Die Länge des Kanals
würde betragen 196 km.
Zusammen 1 5 10 km.
Zu diesen Wasserstraßen sind die Entwürfe zum Teil (für i., 2. und 7.) fertig gestellt. Die
Abmessungen sind für den Verkehr von 600 t-Schiffen eingerichtet, zumal die auf der Donau
als besonders wirtschaftlich geltenden Lastschiffe von 67 m Länge (einschließlich des Steuer-
ruders) und 8,2 m Breite bei 1,8 m Tauchtiefe etwa eine solche Tragfähigkeit haben. Für die
Kanäle ist eine Wassertiefe von 3 m und ein kleinster Krümmungshalbmesser von 500 m vor-
gesehen, während die Schleusen 67 m lang, 9,6 m breit und 3 m tief entworfen sind. Bei der
künstlich aufgestauten Mittelelbe ist eine Mindesttiefe von 2,1 m vorgeschrieben und an jedem
Stau wird zunächst eine Kammerschleuse von 73 m Länge und um Breite erbaut; doch ist
•die spätere Anlage von daneben liegenden Zugschleusen mit 146 m Länge und 22 m Breite
vorgesehen.
l) Monographie über die nach dem Gesetze von 1901 projektierten und teilweise in Aus-
führung begriffenen österreichischen Wasserstraßen. Wien 19 10. Von der k. k. Direktion für
den Bau der Wasserstraßen.
Suppan, Wasserstraßen und Binnenschiffahrt. Berlin- Grunewald 1902, A. Troschel.
224 Abschnitt IV. Die Vennehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
Für den Bau des Donau-Oder-Kanals und des Oder-Weichsel-Kanals
einschließlich des künstlichen Aufstaus der Weichsel bei Krakau sind alle
Vorbereitungen fertig. Ende Dezember 191 1 wurde zu einer 74 km langen
Strecke des letzteren Kanals, von der schlesischen Grenze bis Krakau, der
erste Spatenstich getan. Sie soll bis 1920 fertiggestellt sein und wird das
westgalizische Kohlengebiet mit Krakau verbinden.
Inzwischen ist seit 1907 auch mit der Kanalisierung der Mittelelbe be-
gonnen worden, wo außer anderen Arbeiten der Bau der beiden untersten
Staustufen bei Melnik im Gange ist. Mit den Arbeiten zur Kanalisie-
rung der oberen Moldau bis Budweis ist insofern der Anfang gemacht
worden, als innerhalb der Stadt Prag der Strom schiffbar gemacht (S. 188)
und für die oberhalb anschließende 28 km lange Strecke bis Stechowitz in
den Jahren 1907 und 1908 ein endgültiger Entwurf aufgestellt worden ist.
Außer dem vorhandenen festen (Schitkauer) Wehr in Prag sollen noch 3 Stau-
stufen eingerichtet und mit Schleusen von gleichen Abmessungen versehen
werden, wie sie unterhalb Prags erbaut sind. Die Mindesttiefe des Fahr-
wassers soll ebenfalls 2,1 m betragen.
Ungarn. Im Jahre 1882 begann die ungarische Regierung zum Aus-
bau der rund 970 km langen Donauwasserstraße Entwürfe aufzustellen
und auszuführen. Namentlich die stark verwilderte Strecke von Preßburg
bis Gönyö (S. 144) ist mit sehr gutem Erfolge verbessert worden, wobei eine
große Zahl von Durchstichen ausgeführt wurde. Die Normalbreite nimmt
von 300 m (an der oberen Grenze bei Theben [Deveny]) bis auf 420 m bei
Gönyö zu. Auch auf den unteren Strecken, besonders bei Budapest, sind
große Verbesserungen gemacht worden, sodaß sich jetzt fast überall selbst
bei Niedrigwasser eine Wassertiefe von etwa 2 m findet.
Die bedeutendste Leistung war die in den Jahren 1890 bis 1898 voll-
endete Schiffbarmachung des eisernen Tors und der oberhalb gelegenen
Stromschnellen. Diese Arbeit war in dem Berliner Friedenskongreß von 1878
an Österreich-Ungarn übertragen und 1880 wurde zwischen Osterreich und
Ungarn vereinbart, daß der letztere Staat die Ausführung übernehmen und
dafür später Schiffahrtabgaben erheben sollte. Die sogenannten Katarakte
liegen im allgemeinen in der Stromstrecke zwischen Alt-Moldova und der
Grenzstadt Orsova; das eiserne Tor selbst liegt 10 km unterhalb der unga-
rischen Grenze in der rumänisch-serbischen Stromstrecke. Der oberste Katarakt
ist bei Stenka, 20 km unterhalb Alt-Moldova. Es folgen die Katarakte Kozla-
Dojke, Jzlas-Tachtalia, Greben und Jucz (60 km unterhalb Alt-Moldova und
35 km oberhalb Orsova). Zwischen Jucz und Orsova liegt die Stromenge
von Kazan, wo die Donau auf 180 m Breite und 50 m Tiefe eingeengt ist.
Die Beseitigung der Schiffahrthindernisse in den Katarakten geschah durch
Ausspreng^mg von Rinnen und durch Herstellung von anschließenden Leit-
dämmen in verschiedener Höhenlage. Am eisernen Tor wurde das auf dem
linken Ufer sich durch die Felsen windende alte Fahrwasser unberührt ge-
4. Vorgänge im Ausland. 225
lassen und auf dem rechten Ufer ein 1720m langer, 73 m in der Sohle breiter
Kanal angelegt, der mit hochwasserfreien Dämmen eingefaßt ist. Ober- und
unterhalb wurden im Flußbette Zuiiihrungskanäle und Leitwerke hergestellt.
Der Erfolg der Arbeiten war gut: Nach Eröffnung des Eisernen -Tor-
Kanals am 10. Oktober 1898 fuhren bei Wasserständen, die in früherer Zeit
die Einstellung der Schiffahrt verlangten, viele Schleppdampfer mit je einem
beladenen Lastschiffe von 1,6 bis 1,8 m Tauchtiefe unbehindert durch. Für
die Kataraktstrecke war eine Mindesttiefe von 2 m beim niedrigsten Wasser-
stande verlangt und ausgeführt worden, während dem Kanal am Eisernen Tor
eine Tiefe von 3 m gegeben wurde. Aber diese Tiefen haben sich nicht in
der ganzen Stromstrecke erhalten: Nach Suppan *) kann man bei Niedrig-
wasser oberhalb Orsova nur mit Schiffen von 0,6 m Tauchtiefe und unter-
halb mit I m Tauchtiefe verkehren; aber dieser niedrigste Wasserstand soll
während der Schiffahrtzeit selten eintreten, vielmehr dann in der Regel um
0,5 m höher sein. Unterhalb Tum-Severin ist die Mindesttiefe 2,5 m.
Auch die Theiß ist für die Schiffahrt verbessert worden, und ihre Neben-
flüsse Bega und Koros werden zurzeit in ihrem unteren Laufe künstlich auf-
gestaut.
Neue Kanäle sind in Ungarn seit langer 2^it geplant, aber nicht ausgeführt. In erster
Linie handelt es sich um einen Donau-Theiß-Kanalf durch den Budapest zum Mittelpunkt
der ungarischen Wasserstraßen gemacht werden soll. (Der alte Franzenskanal [S. 6j\ entspricht
den Ansprüchen nicht.) Der etwa 180 km lange Kanal mit nur 3 bis 4 Haltungen zwischen
Budapest und Szegedin würde eine bedeutende Abkürzung des Wasserwegs hervorrufen. Von
diesem Kanal ist eine 30 km lange Abzweigung nach Czongrad geplant, welche Stadt oberhalb
von Szegedin an der Theiß liegt.
Andere Entwürfe gehen darauf aus, die Donau bei Vukovar mit der Save bei Samacz und
außerdem Szegedin mit Temesvar durch Kanäle zu verbinden. Durch den ersteren Kanal würde
der Weg nach Fiume um etwa 400 km abgekürzt werden.
Frankreich. Infolge des Frankfurter Friedens (187 1) fielen 401 km
Kanäle an Deutschland; die neue Grenzlinie durchschnitt den Rhone-Rhein-
Kanal, den Marne-Rhein-Kanal und die Mosel und brachte den Saarkohlen-
kanal ganz in deutschen Besitz. Es schien der französischen Regierung des-
halb nötig, die an der neuen Ostgrenze hochentwickelte Industrie von der
deutschen Saarkohle unabhängig zu machen und sie einerseits mit den bel-
gischen Kohlenlagern, andererseits mit den französischen im Norden und
Süden in Verbindung zu bringen. Zu diesem Zweck sollte die Maas von der
belgischen Grenze an kanalisiert und mit dem Marne-Rhein-Kanal, der Mosel
und der Saone verbunden werden. Das Gesetz betreffend diesen Ostkanal
wurde 1874 erlassen. Die ganze Länge beträgt 432 km. Der nördliche,
272 km lange Teil von der belgischen Grenze bis zum Marne-Rhein-Kanal
bei Troussey hat 59 Schleusen, die unterhalb Verdun 5,7 m und oberhalb 5,2 m
weit sind. Von Troussey bis Toul wird auf 18 km der Marne-Rhein-Kanal be-
nutzt, von Toul bis Pont-St. Vincent auf 24 km die kanalisierte Mosel. Der
ganze südliche Teil des Ostkanals von Toul bis Corre mit 99 Schleusen ist
i] Wasserstraßen und Binnenschiffahrt.
Teubert, Binnenschlflahrt. I^
226 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
147 km lang; die letzte Strecke liegt in der kanalisierten Saone. 2 Zweig-
kanäle von zusammen 13 km Länge verbinden den Hauptkanal mit Nancy
und mit Epinal. Seit dem Jahre 1892 ist der Kanal im Betrieb.
Für die weiteren Wasserstraßenbauten ist das Freycinetsche Pro-
gramm maßgebend gewesen, das im Jahre 1879 Gesetz wurde. Es hat
drei Ziele: i. Einheitliche Abmessungen für die Hauptwasserstraßen, 2. die
Verstaatlichung der noch nicht im Staatsbesitz stehenden Hauptwasser-
straßen und 3. die Herstellung neuer Wasserstraßen. Zum ersten Punkte
sei bemerkt, daß infolge ihrer allmählichen Entwicklung die Kanäle sehr
verschiedene Abmessungen, namentlich in den Schleusen, hatten und ein
durchgehender Verkehr auf große Entfernungen wie bei den Eisenbahnen
nicht möglich war. Das Gesetz unterschied zwischen Haupt- und Nebenwasser-
straßen, von denen die ersteren auf solche Mindestabmessungen gebracht
werden sollten, daß die flämische Penische, das Normalschiff von 300 t
Tragfähigkeit mit einer Länge von 38 m, einer Breite von 5 m und einer Tauch-
tiefe von 1,8 m überall unbehindert verkehren könnte. Die Wasserstraßen
sollten mindestens eine Wassertiefe von 2 m, die Schleusen eine Länge von
38,5 m, eine Breite von 5,2 m und die Brücken eine lichte Höhe von 3,7 m
über dem Wasserspiegel haben. Die diesen Maßen nicht entsprechenden
Wasserstraßen waren also umzuändern. Außer 996 km Flußläufen entsprachen
im Jahre 1879 nur 235 km Kanäle diesen Anforderungen. Bis zum Jahre 1896
waren die Arbeiten so weit vorgeschritten, daß bereits 1991 km natürliche
und 2213 km künstliche Wasserstraßen die Normalabmessungen und im ganzen
5092 km Wasserstraßen eine Mindesttiefe von 2 m hatten. Dementsprechend
hatten in diesem Jahre 62 v. H. aller Binnenschiffe eine Trag^fahigkeit von
300 t und die Penische konnte Fahrten bis zu 600 km unternehmen (früher
nur im Mittel 1 10 km) und fast in alle Teile Frankreichs gelangen.
Das zweite Ziel, die Verstaatlichung der Hauptkanäle ist gleichfalls
beinahe erreicht Während im Jahre 1879 nur 3675 km künstlicher Haupt-
wasserstraßen {von 4780 km Gesamtlänge) dem Staate gehörten, waren am
Ende des 19. Jahrhunderts noch 312 km in Privatbesitz. Von diesen haben
191 km größere Bedeutung, nämlich die 120 km langen Pariser Kanäle, die
eine ewige Genehmigung erhalten haben^ und der 7 1 km lange Sambre-Oise-
Kanal, dessen Genehmigung im Jahre 1937 abläuft.
Anders steht es mit seinem dritten Teile, dem beschlossenen Neubau
von zehn Wasserstraßen mit einer Gesamtlänge von etwa 2400 km. Wenn
schon bei der Erreichung der beiden ersten Ziele ein allmähliches Nach-
lassen des im Jahre 1879 gezeigten Eifers der Regierung und der Abgeord-
netenkammer zu bemerken war, so trat dies noch mehr bei der Ausfuhrung
der Neubauten zutage. Tatsächlich sind von den geplanten Wasserstraßen
bisher nur wenige gebaut worden: Zuerst der Kanal vonTancarville,
der 25 km lang und mit 3,6 m Tiefe den Binnenschiffen auf der Seine einen
bequemeren Zugang zum Hafen von Havre verschafft und im Jahre 1887
4- Vorgänge im Ausland. 227
eröffnet wurde. Ferner der Oise- Aisne-Kanal, der 48 km lang mit
13 Schleusen den Verkehr zwischen den Kohlenlagern im Norden und dem
Industriebezirk im Osten verbessert. Außerdem wurde der Marne-Saone-
Kanal von Vitry-le-Frangois an der Marne über Chaumont nach der Saone
bei Heuilley erbaut. Dieser 224 km lange Kanal mit 113 Schleusen verbindet
das östliche Industriegebiet mit den Kohlenfeldern von St. Etienne, wohin man
früher nur auf dem großen Umweg über Paris gelangen konnte. Die Wasser-
straße ist 1907 fertig geworden.
Für den Bau der übrigen Wasserstraßen des Freycinetschen Programms
ist die Lust geschwunden, namentlich weil die günstigen Verhältnisse im
französischen Haushalte am Ende der siebziger Jahre sich bald änderten.
Man strebte darum nach einer Entlastung des Staats und nach einer Heran-
ziehung der Beteiligten, Handelskammern, Stadtgemeinden u. dgl.^ zu den
Kosten. Dies geschah in großem Umfange bei den Seehäfen und Seewasser-
straßen, sowie zum Teil bei größeren Stromverbesserungen.
Der von Freycinet geplante und auch später immer wieder angeregte
Nordkanal, der etwa in der Richtung von Compi^gne nach Douai eine zweite
Verbindung zwischen Paris und den Kohlenfeldern von Valenciennes und Mons
herstellen sollte, kam bisher nicht zur Ausführung, weil es nicht gelang, die Be-
teiligten zu den Kosten heranzuziehen. Unterdessen bemühte sich die Regie-
rung, die Leistungsfähigkeit der alten Wasserstraße (Kanal von St. Quentin usw.)
durch Verdoppelung der Schleusenkammern und durch andere Verbesserungen
zu erhöhen. Diese Arbeiten kamen etwa im Jahre 1907 zum Abschluß.
Im Jahre 1903 wurde ein vom Minister Baudin vorgelegtes Gesetz an-
genommen, nach dem zu neuen Kanälen von den Beteiligten mindestens die
Hälfte der Kosten aufgebracht werden sollte, wofür ihnen der Staat auf eine
gewisse Zeit die Erhebung von Abgaben und das Schleppmonopol zuge-
stehen könnte. Dabei war zunächst der Nordkanal, ein Kanal von Marseille
zur Rhone und die Verbesserung des bestehenden Kanals von Cette zur Rhone
in Aussicht genommen. Für die beiden letzten Kanäle sind die Vorbedingungen
erfüllt und der Bau des Kanals nach Marseille ist seit 1908 im Gange, Er
tritt zum Teil an die Stelle des alten Kanals von Arles nach Bouc und wird
für den Verkehr der größten Güterdampfer der Rhone eingerichtet. (Der
einschiffige Tunnel bekommt z. B. eine Weite von 22,5 m.)
Für die Bauten, deren Kosten zum Teil von den Beteiligten getragen
wurden, hat man (1902) Wasserstraßenbeiräte (comitds consultatifs de la navi-
gation) wie in Preußen eingesetzt.
Die Verbesserung der natürlichen Wasserstraßen hatte schon vor
1870 begonnen (S. 148), indem namentlich der künstliche Aufstau mehrerer
Ströme ausgeführt worden war. Bei der unteren Seine war man mit dem
Erfolg der von 1837 ^*s 1868 ausgeführten Arbeiten nicht zufrieden, und durch
Gesetz von 1878 wurde ein neuer Aufstau angeordnet, der eine Mindesttiefe
von 3,2 m bis Paris ergeben sollte.
15*
228 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
Unterhalb der Brücke de la Toumelle in Paris sind 9 Staustufen angeordnet und bei jeder
z\^-ei Schleusenkammern erbaut, von denen die eine 151,7 m lang, 17 m breit und in den Toren
ii,S m weit und die andere 53,7 m lang und 8 m breit ist. Bei Bougival ist die große Schleusen-
kammer sogar 230,7 m lang. Dazu treten die älteren Schleusenkammern von je 112,6 m Länge
und ii,6m Breite, so daß an jeder Staustufe 3 Kammern vorhanden sind. Die Bauten waren
im Jahre 1886 fertig. Das gesamte Gefälle bis Ronen beträgt rund 26 m.
Im Jahre 1879 wurde mit dem künstlichen Aufstau der Saone von Lyon aufwärts bb
Corre begonnen. Die Strecke ist 374 km lang und hat 30 Staustufen. Die Schleusen sind in
der obersten Strecke 38,5 m lang und $,2 m breit, in der Strecke von Gray bis Cfaalons 39,5 m
lang und 8 m breit und unterhalb 150,4 m lang und 16 m breit. Die Mindesttiefe ist 2 m. Die
Bauten waren am Ende der achtziger Jahre beendigt.
Die früheren Arbeiten zum Ausbau der Rhone hatten keinen Erfolg
gebracht und es wurde 1878 ein neuer Entwurf beschlossen, der seitdem zur
Ausführung gekommen ist und eine bedeutende Verbesserung des Fahrwassers
herbeigeführt hat*). Im Jahre 1893 war bereits eine Mindesttiefe von 1,6 m
an 342 Tagen und eine Tiefe von 2 m an 282 Tagen erreicht.
In den letzten Jahren ist auch mit dem Ausbau der Loire der Anfang
gemacht worden. Freycinet hatte einen Seitenkanal von Orleans nach Nantes
vorgeschlagen; die seit 1896 von der Regierung angeordneten Untersuchungen
iiihrten aber zu dem Entschluß, die nötige Tiefe allein durch Ausbau zu er-
reichen. Zu den Kosten der Arbeiten sind die beteiligten Handelskammern
herangezogen worden. Zunächst soll in der unteren, 84 km langen Strom-
strecke von Nantes bis Angers eine Mindesttiefe von 1,2 m bei Niedrigwasser
erreicht werden.
Belgien* Das WasserstraOennetz wurde seit 1870 erheblich verbessert
und erweitert. Die untere Scheide zwischen Antwerpen und Gent ist seit
1880 mit Erfolg ausgebaut und mittels 13 Durchstichen um 12 km verkürzt
worden. Die geringste Wassertiefe bei N. W. beträgt etwa 2 m. Auch die
obere Scheide zwischen Gent und der französischen Grenze ist seit 1880
mittels Durchstichen um etwa 25 km (von 113 auf 88 km) verkürzt und in 8
Stufen aufgestaut worden. Die Schleusen sind 46,5 m lang und 6,5 m breit.
Die zulässige Tauchtiefe beträgt im Sommer 1,9 m, im Winter 2,1 m.
Der Aufstau der Maas wurde von Namur aufwärts bis zur französischen
Grenze bei Givet fortgesetzt (S. 151) und 1880 fertiggestellt. Die 113 km lange
Strecke von der Grenze bis Lüttich hat 2 1 Haltungen und eine Mindesttiefe von
2,1 m. Die älteren Schleusen sind 56,75 m lang und 9 m breit; die neueren
oberhalb Namur 100 m lang und 12 m breit. Bei Lüttich (1879) hat die Schleuse
zwei Kammern von 12 m Breite, von denen die eine (mit Zwischenhaupt) 168 m
und die andere (für Personendampfer) 55 m lang ist. In der Sambre, dem
Nebenflusse der Maas, wurden seit 1879 (in Übereinstimmung mit den franzö-
sischen Umänderungen nach Freycinet) 9 Schleusen unterhalb der Grenze bis
Landelies auf 40,8 m verlängert. Dies Maß für die Länge und 5,2 m fiir die
Breite ist allgemein für die neuen belgischen Kanäle eingeführt worden,
i] Girardon, Flußregulierung bei niedrigem Wasserstande. Bericht zum 6. internationalen
BinnenschifT.-Kongreß im Haag, 1894.
4. Vorgänge im Ausland. 229
die außerdem 10,5 m Sohlenbreite, 2,4 m Wassertiefe, 5 m Leinpfadbreite und
an den Brücken mindestens 6 m lichte Weite und 4 m lichte Höhe erhalten.
Außer den (S. 6) erwähnten Seekanälen (von Brüssel, Gent und Brügge)
ist das bedeutendste neuere Kanalunternehmen der Canal du centre, der
den Kanal von Cond^ nach Mons (S. 70) mit dem Kanal von Charleroi nach
Brüssel verbindet und für die Ausbeutung der belgischen Kohlenfelder von
großem Werte ist. Die Schwierigkeit des nur 2 1 km langen Kanals von Mons
bis Houdeng liegt in der großen zu überwindenden Höhe von rund 90 m.
Die untere 13 km lange Strecke steigt von Mons mittels 6 Schleusen 23,3 m
hinauf und ist seit längerer Zeit fertiggestellt. Die übrigen 66,7 m sollen durch
4 Hebewerke überwunden werden. Das eine davon bei La Louviä-e ist seit
dem Jahre 1888 im Betriebe und überwindet eine Höhe von 15,4 m. Die
Arbeiten dauern noch fort, ebenso die zur Erweiterung des Kanals von
Charleroi nach Brüssel. Am Rüpel und an der Lys (bei Courtrai) sind
Verbesserungen im Gange, auch an den Kanälen zwischen Gent und Brügge
(seit 1904) sowie zwischen Lüttich und Antwerpen (über Maastricht, seit 1908),
die fiir große RheinschifTe von 100 m Länge, 12 m Breite und 2,5 m Tief-
gang zugänglich gemacht werden sollen. Abgesehen von diesen beiden
Linien strebt man darnach, die Wasserstraßen im unteren Belgien für Schiffe
von 600 t und im oberen Belgien für solche von 350 bis 400 1 fahrbar zu machen.
Holland. Von den vielen dort ausgeführten Arbeiten zur Verbesserung
der Binnenwasserstraßen ist besonders der Merwedekanal zu nennen, der
Amsterdam mit der Waal bei Gorinchem verbindet. Vor dem Jahre 1825
ging die Fahrt von Amsterdam über die Zuidersee durch die Vechte und
durch den Vaartschen Rhin über Utrecht zum Leck (Keulsche Vaart = Kölnische
Fahrt); dann verlängerte man die Wasserstraße (Zederikkanal) bis zur Waal,
so daß Schiffe von 7,5 m Breite und 2,1 m Tiefgang dort verkehren konnten.
Diese Abmessungen genügten gegenüber der schnell zunehmenden Größe der
RheinschifTe im Laufe der Jahre nicht mehr und außerdem war das Fahrwasser
sehr gekrümmt und enge. Im Wettbewerb mit Rotterdam und Antwerpen
um den Rheinverkehr war deshalb eine neue bequeme Wasserstraße von
großen Abmessungen dringend für Amsterdam erforderlich.
Der Kanal wurde 1881 begonnen, 1892 bis zum Leck und 1893 bis zur Waal eröffnet.
Er bt rund 70 km lang und hat je zwei Haltungen nördlich und südlich vom Leck, zusammen
6 Schleusen. Die Sohlenbreite beträgt 20 m, die Wassertiefe 3,1 m. Der kleinste Krümmungs-
halbmesser ist 500 m, ausnahmsweise 350 m. Die Schleusenkammern sin4 120 m lang, 25 m
breit und in den Toren 12 m weit. In Amsterdam sind doppelte Kammern von je 14 m Tor-
weite angeordnet.
Über die Arbeiten an der Waal und am Leck war schon beim Rhein
gesprochen worden (S. 176). Die Wasserstraße der Maas ist innerhalb Hollands
durch die in den Jahren 1883 bis 1910 ausgeführte »Trennung der Maas von
der Waal« verändert worden. Beide Ströme vereinigten sich früher bei
Woudrichem (3 km oberhalb Gorinchem), von wo an die vereinigte Wasser-
straße gewöhnlich Merwede genannt wird. Schon etwa 30 km oberhalb dieser
230 Abschnitt IV. Die Vermehrung der Binnenschiffahrtstraßen seit 1870.
Vereinigung liegen beide Ströme bei St Andries sehr nahe beieinander und
sind für den Schiffahrtverkehr 1856 durch einen kurzen Kanal mit Schleuse
verbunden worden, so daß die Maas von da bis zur Einmündung des Kanals
von Maastricht nach Herzogenbusch (S. 151) und weiterhin bis Woudrichem
von der Schiffahrt benutzt wird. Durch die vorerwähnten Arbeiten wurde
der Maas durch Grabung eines neuen Laufes ein besonderer Abfluß zum Meer
(durch den Amer und das Holländische Diep) gegeben, während sie 4 km ober-
halb Woudrichem durch das Wehr bei Andel abgeschlossen wurde, so daß sie
nicht mehr in die Waal mündet Zur Aufrechterhaltung der Schiffahrt wurde
neben dem Wehr eine Schleuse von 120 m Länge und 13m Breite erbaut '
Von den übrigen europäischen Ländern sind in Rußland umfangreiche
Arbeiten zur Verbesserung des Wasserstraßennetzes ausgeführt worden, nach-
dem in der Zeit von 1875 bis 1884 ein besonderer staatlicher Ausschuß
mit der Untersuchung aller Wasserstraßen beauftragt worden war. Vor
allem ist das Fahrwasser der Wolga durch Ausbau unter starker Ver-
wendung von Baggern vertieft und verbessert worden. Das Kanalnetz war
schon früher (S. 75) beschrieben worden. Es sind viele Entwürfe zu neuen
Verbindungen zwischen dem Weißen Meer und der Ostsee, zwischen dem
Kaspischen Meer und dem Asowschen Meer sowie zwischen der Wolga und
deren Nebenfluß Kama mit dem Ob und den anderen sibirischen Strömen
aufgestellt worden. Besonders ist die Frage einer großen Wasserstraße
zwischen Riga an der Ostsee durch die Düna und den Dniepr nach Cherson
am Schwarzen Meer häufig untersucht worden; für die Schiffbarmachung des
Dniepr ist 191 1 ein Entwurf fertig geworden. Aber die Ausführung dieser
Wasserstraßen ist wohl nicht bald zu erwarten und auch an dem Weichsel-
und Memelstrom merkt man in der Nähe der deutschen Grenze noch immer
nichts von gründlicher Verbesserung.
In Norwegen kann sich die Binnenschiffahrt wegen der vielen Gebirge
und des starken Gefälles der Flüsse schwer entwickeln. Eine große Be-
deutung hat die Wasserstraße von Skien nach dem Bandaksee in Telemarken.
Skien liegt südwestlich von Christiania am Skienselo, einem Fluße, der von seiner Mün-
dung in den Langesundsfjord an auf 8 km Länge bis zu dieser Stadt schiffbar ist. Von Skien
aufwärts ist der Fluß in 6 Stufen bis zum Nordsjoesee künstlich aufgestaut. In diesen See
mündet bei Ulefos der 17 km lange Abfluß des 57 m höher gelegenen, 58 km langen Bandak-
sees, der durch 15 Stufen erstiegen wird. Die ganze Wasserstraße vom westlichen Ende des
Sees bei Dalen bis zum Langesundsfjord ist etwa 150 km lang und das ganze Gefälle beträgt
72 m. Die Schleusen sind 37,65 m lang, 6,9 m breit und 2,6 m unter N.W. tief. Die Wasser-
straße wurde 1892 eröffnet.
Bei Fredrikshald befindet sich ein älterer kleiner Kanal von 76 km Länge, der zu dem
Skulemudrandsee führt und mit 8 Stufen eine Höhe von 25,9 m überwindet. Die Schleusen
sind 34,5 m lang, 6,3 m breit und 1,9 m tief.
In Schweden ist man seit 1909 mit dem Umbau des TroUhättakanals
(S. 78) und der Ausnutzung der großen Wasserkräfte beschäftigt.
In Italien hat man seit Anfang dieses Jahrhunderts der Binnenschiffahrt
4. Vorgänge im Ausland. 231
wieder (S. 33) Aufmerksamkeit geschenkt und von Seiten des Staats Aus-
schüsse eingesetzt, die umfangreiche Entwürfe zu neuen Wasserstraßen auf-
gestellt haben. Vor allem handelt es sich um eine gute Wasserverbindung
fiir 600 t- Schiffe zwischen Venedig und Mailand. Die Linie soll von Venedig
durch die Lagune nach Chioggia, dann unter Benutzung vorhandener Kanäle
über Brendolo zum unteren Laufe des Po fuhren. Dieser wird aufwärts bis
zur Einmündung der Adda verfolgt, in der die Straße hinauf bis Pizzighettone
geht, von wo über Lodi ein neuer Kanal bis Mailand hergestellt werden soll.
Auch einige andere bemerkenswerte Arbeiten sind ausgeführt: z. B. der Tiber
ist bis hinauf nach Rom auf 2 m Tiefe gebracht worden, so daß sich in der
Stadt bereits ein lebhafter Wasserverkehr entwickelt hat. Ferner sind bei
der Gewinnung von Wasserkräften einige Stromstrecken verbessert und kanali-
siert worden: So ist z. B. in den Jahren 1899 bis 1901 bei Vizzola ein Seiten-
kanal des Tessin entstanden.
Auch in England hat man in jüngster Zeit von Staats wegen die Frage
untersucht, ob und in welcher Weise die Binnenschiffahrt wieder gehoben
werden könnte. Im Jahre 1906 wurde durch Gesetz ein Ausschuß »Royal-
Commission on Canals and Waterways« eingesetzt. Dieser sollte den Zustand
und die finanzielle Lage der Binnenschiffahrt untersuchen, sowie die Möglich-
keit ihrer Verbesserung und der Herstellung eines Netzes von Wasserstraßen
zwischen den wichtigsten Handelsplätzen. Außerdem sollte er die Frage
prüfen, ob und auf welche Weise neue Kanäle durch öffentliche Verwaltun-
gen erbaut werden sollten.
Vereinigte Staaten von Nordamerika. Von den natürlichen
Wasserstraßen ist der Mississippi am wichtigsten. Nach dem Entwurf von
1872 sollte er von der Mündung bis Kairo eine Mindesttiefe von 3m, von
da bis St. Louis eine solche von 2,44 m, bis zum Illinois 1,83 m und bis
St. Paul 1,38 m erhalten. Aber diese Tiefen sind bisher auch nicht ange-
nähert erreicht worden. Seit 1905 hörte man mit dem Ausbau auf und
führte große Baggerungen aus. Die Nebenflüße wurden zum Teil auf-
gestaut. Außer dem schon (S. 157) erwähnten Monongahela wurden solche
Arbeiten am Ohio, am Illinois, am Fox sowie an kleineren Flüssen in den
Staaten Kentucky und West- Virginia ausgeführt. Neue Kanäle mit Schleusen
sind nach dem Jahre 1870 nur wenige gebaut worden. Außer einigen
kleineren im Staate Tenessee, die in einer Länge von 25 km, 1,8 m Tiefe
und mit 11 Schleusen in der Zeit von 1872 bis 1889 hergestellt wurden,
ist besonders der Mississippi-Illinois-Kanal zu erwähnen, der den Illi-
nois bei Hennepin mit Rock-Island am Mississippi verbindet'}. Der in den
Jahren 1892 bis 1906 gebaute Kanal ist 120 km lang, 25 m breit, 2,1 m
tief und mit 31 Schleusen zum Verkehr von 600 t-Schiffen eingerichtet.
An Stelle des anschließenden älteren Illinois-Michigan-Kanals (S. 157),
i) In der Wasserstraßenkarte [S. 154) noch punktiert dargestellt.
I
232 Abschnitt IV. Die Vermehrung der BinnenschifTahrtstraßen seit 1870.
der Lasalle am Illinois mit Chikago verbindet, beabsichtigt man eine neue
große Wasserstraße von vorläufig 4,25 m Tiefe von Chikago zum Mississippi
herzustellen und dazu als Anfang den großen Entwässerungskanal von
Chikago zu benutzen, der 50 km lang mit einer geringsten Sohlenbreite
von 50 m und einer Wassertiefe von 7 m in den Jahren 1892 bis igoo er-
baut und vorläufig bei Lockport durch ein Wehr abgeschlossen worden ist
Von den älteren Kanälen sind die Schicksale des Eriekanals am wich-
tigsten. Der früher (S. 155) geschilderte Wettbewerb der Eisenbahnen (der
häufig durch gewagtes Börsenspiel noch verstärkt wurde) veranlaßte die Re-
gierung des Staates New- York zu fortgesetzten Verbesserungen des Kanals:
1883 wurden 44 Schleusen so verlängert, daß sie 2 KanalschifTe hinterein-
ander aufnehmen konnten; 1895 begann man den Kanal auf 2,74 m zu ver-
tiefen und die Schleusen für je 2 Schiffe von 370 t Tragfähigkeit umzubauen.
Unterdessen war die Frage aufgetaucht, ob es nicht vorteilhafter wäre, von
New-York einen Seekanal von 8,5 m Tiefe bis Buffalo zu bauen, so daß die Ge-
treideschiffe von Chikago bis Liverpool ohne Umladung gehen könnten. Auf
diese Weise würde man auch den kanadischen Wasserweg übertroffen haben,
der seit dem Jahre 1888 fiir Schiffe von 1500 t Tragfähigkeit fahrbar war.
Die in den Jahren 1895 bis 1897 von der Regierung angeordneten
Untersuchungen führten zunächst zu keinem Entschluß und erst im Jahre
1903 wurde ein Gesetz über den Umbau des Kanals erlassen. Im Jahre
1905 begann der Bau. Die Hauptlinie des alten Kanals zwischen Albany
am Hudson und dem Niagarafluß bei Buffalo ist im allgemeinen beibehalten.
Doch liegt sie zwischen dem Hudson und Utica im Laufe des Mohawk-
flusses, verläßt am Ende der Scheitelhaltung bei Rome die alte (über Syra-
cuse führende) Linie und geht durch den Oneidasee, um sich hinter der
Abzweigung des Oswegokanals bei Clyde wieder mit dieser zu vereinigen.
Die Länge dieser Hauptlinie beträgt 550 km. Die Mindestabmessungen des
Querschnitts sind 22,8 m Sohlenbreite und 3,65 m Tiefe. Die lichte Höhe
unter den Brücken beträgt 4,56 m. Die 53 Schleusen, deren größtes Gefalle
13,85 m (an Stelle von 4 alten) beträgt, haben eine nutzbare Länge von 94 m
und eine Breite von 13,7 m. Der Kanal ist fiir den Verkehr von 1000 t-Schiffen
eingerichtet; doch will man die Schleusen so vertiefen, daß künftig auch
Schiffe von 2000 t zugelassen werden können. Leinpfade werden nicht an-
gelegt, da der Betrieb künftig durch Schleppdampfer besorgt werden soll.
Im Anschluß an die Hauptlinie wird der Oswegokanal entsprechend
umgebaut und der Hudson oberhalb Albany bis Fort Edward am Cham-
plainsee künstlich aufgestaut, um die Verbindung mit dem kanadischen
Chamblykanal und dem Lorenzstrom (S. 155) zu verbessern. Auch wird Syra-
cuse durch einen Zweigkanal mit der neuen Hauptlinie verbunden. Die Bau-
zeit ist auf 7 Jahre bemessen').
i) Zentralblatt der Bauverwaltung 1907, S. 7 u. 508; 19 10, S. 242. Zeitschrift für Blnnen-
schififahrt 1905, S. 7; 19 10, S. 407.
ZWEITER TEIL
Die Fahrzeuge der Binnenschiffahrt.
Abschnitt L
Allgemeines über
Die verschiedenen Arten. Mit Rücksicht auf die Fortbewegung
unterscheidet man Binnenschiffe mit und ohne eigene Triebkraft. Die an
Bord befindliche Triebkraft kann von Menschen (seltener von Tieren) oder
von Maschinen geleistet werden. Es bleibt zu beachten, ob die Triebkraft
das Schiff befähigt, sich auf der Wasserfläche unabhängig von Ufer und Sohle
der Wasserstraße zu bewegen oder nicht. Der letztere Fall tritt ein beim
Schieben des Schiffes durch Stangen, bei der Warpschiffahrt (S. 54) und bei
der Ketten- und Seilschiffahrt. Die Verwendung von Menschenkraft zur Hand-
habung der Riemen (Remen, Ruder) war vor der Erfindung des Dampfschiffs
allgemein üblich; jetzt hat aber die Ruderschiffahrt keine wirtschaftliche
Bedeutung mehr. Unter Schiffen mit eigener Triebkraft oder Kraftschiffen
verstehen wir daher nur solche, die durch Dampfmaschinen oder Gasmaschinen,
oder durch aufgespeicherte Elektrizität fortbewegt werden.
Schiffe ohne eigene Triebkraft bedürfen zu ihrer Fortbewegung fremder,
von außen wirkender Kräfte: das Segelschiff der Kraft des Windes, ein ge-
schlepptes oder getreideltes Schiff der im Schlepptau oder in dem Treidel-
seil wirkenden Zugkraft.
Für die gewöhnlich geschleppten Schiffe hat sich in neuerer Zeit die schlechte Bezeich-
nung »Schleppkahn« eingebürgert, zuweilen auch »Schleppschiff«. Diese Wortbildungen sind
unrichtig; denn sie bezeichnen nicht Schiffe, die geschleppt werden, sondern Schiffe, die
schleppen. In diesem richtigen Sinne wird das Wort »Schleppschiff« in dem Reichsgesetz vom
Jahre 1895, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, ausschließlich
gebraucht.
Die an der Donau übliche Bezeichnung »Schlepp« für ein Lastschiff, das geschleppt wird,
ist gleichfalls nicht zu empfehlen. Da heute die meisten Lastschiffe geschleppt werden, dürfte
das Wort »Lastschiff« in der Regel ohne jeden weiteren Zusatz verständlich sein.
Mit Rücksicht auf den Zweck unterscheidet man Personenschiffe
und Lastschiffe, die beide entweder eigene Triebkraft haben können oder
nicht. Im ersteren Falle spricht man von »Personenkraftschiffen« (Personen-
dampfer, Personenkraftboote) und von »Güterkraftschiffenc (Güterdampfer,
Ladungsdampfer). Personenschiffe ohne eigene Triebkraft finden heute selten
Verwendung; vor der Einfiihrung der Dampfschiffe waren sie überall ein
beliebtes Verkehrsmittel (Marktschiffe, Postschiffe, Jachten, Treckschuiten
u. dgl.). Schiffe mit eigener Triebkraft, die keine Ladung einnehmen, son-
236 Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe.
dem zum Schleppen anderer Schiffe bestimmt sind, heißen »Schleppschiffe«
(Schleppdampfer, Schlepper). Ketten- und Seildampfer sind besondere Arten
von Schleppschiffen.
Hiermit ist die Zahl der an der Binnenschiffahrt unmittelbar beteiligten
Fahrzeuge abgeschlossen. Es bleiben aber mehrere Arten von Schiffen zu
erwähnen, die für die Nebenbetriebe der Binnenschiffahrt erforderlich sind.
Dazu gehören zunächst die Bauschiffe (einschließlich der Vermessungschiffe,
Peilschiffe, Wohnschiffe für Beamte und Arbeiter, Taucherschächte, Felsen-
stampfer, Bohrschiffe, Bagger, Baggerprähme, Spülschiffe, Werkstattschiffe
u. dgl), ferner die Aufsichtschiffe (Bereisungschiffe, Polizeiboote), Eisbrech-
schiffe, Schwimmkrane und ähnliche zum Löschen und Laden der Güter be-
stimmte schwimmende Vorrichtungen. In größeren Binnenhäfen findet man
auch besondere Schiffe mit Feuerlöscheinrichtungen und selbst für gottes-
dienstliche Zwecke. Solche »schwimmende Kirchen« sind neuerdings in
Deutschland, Österreich und Rußland für die Schiffer eingerichtet worden.
Auf den Binnenwasserstraßen befinden sich noch mancherlei Fahrzeuge,
die mit der Binnenschiffahrt nicht zusammenhängen, vielmehr ihr zuweilen
hinderlich sind. Das sind die Schiffmühlen, Fähren, Fischerboote und die ver-
schiedenen Fahrzeuge des Wassersports. Ferner sind noch die Flöße zu er-
wähnen, die entweder allein schwimmen oder geschleppt werden.
Mit Rücksicht auf die Wasserstraßen, auf denen sie zu verkehren
pflegen, unterscheidet man Haffschiffe, Flußschiffe und Kanalschiffe.
Die Einrichtungen und die Abmessungen der Wasserstraßen (Breite und Tiefe
des Fahrwassers, Krümmungen, Brücken und Schleusen) bestimmen mehr
oder minder auch die Größe und Form der Schiffe. Das Kanalschiff baut
man gewöhnlich so, daß es die Abmessungen der Schleusen und die unver-
änderliche Wassertiefe des Kanals möglichst ausnutzen kann. Das Flußschiff
wird mehr für wechselnde Fahrwassertiefen eingerichtet und bekommt eine
verhältnismäßig größere Länge und Breite, um auch bei niedrigen Wasser-
ständen noch gewinnbringende Ladung einnehmen zu können.
Die Art der Wasserstraße bedingt femer eine verschiedene Bauart und
Ausrüstung der Schiffe, je nach den Angriffen, denen sie ausgesetzt sind.
Diese sind im allgemeinen: Wind, Wellen, Strömung, Aufstoßen auf den
Grund, Anprall an Brücken u. dgl. bei der Durchfahrt, an Ufern und Ufer-
mauern beim Anlegen, sowie Zusammenstoß miteinander. Haffschiffe und
Flußschiffe, die in breiten Strommündungen verkehren, werden mit festem,
dichtem Deck gegen überschlagende Wellen versehen und beide Arten von
Schiffen werden fester gebaut und besser ausgerüstet (z. B. mit Ankern
u. dgl.) als Kanalschiffe.
Die Hauptteile des Binnenschiffs und ihre Benennung. In
der Richtung der Fahrt heißt das vordere Ende des Schiffes der Bug, das
hintere das Heck. Die rechte Seite nennt man Steuerbord, die linke
Backbord.
Benennungen. 237
Diese beiden Bezeichnungen werden so erklärt, daß in alter Zeit die Schiffe durch ein
Streichruder gelenkt wurden, das an der rechten Schiffseite hinten durch ein Tau befestigt war,
■wie es z. B. heute noch bei den rußischen Wittinnen üblich ist. Der Steuermann faßte den
Ruderstiel mit beiden Händen und kehrte dabei den Rücken (englisch: back) der linken Schiff-
seite zu.
Der Schiffskörper setzt sich aus dem Boden, dem Gerippe, den Bord-
wänden und dem Deck zusammen. Der Boden ist meistens flach, zuweilen
aber im Vorschiff und auch im Hinterschiff etwas steigend angeordnet: Man
nennt das den Sprung des Bodens. Senkrecht zur Mittellinie wird der Boden
durch Bpdenwrangen (bei Holzschiffen auch Bodenschwellen, Bänke, Blätter
oder Bladen, bei Eisenschiffen auch Bodenstücke oder Sohlstücke genannt),
in der Richtung der Mittellinie durch Kielschweine versteift. Die Rippen
werden durch die Spanten (bei Holzschiffen auch Kniee oder Krümmlinge
genannt) gebildet, die mit den Bodenwrangen verbunden sind. Besonders
verstärkte Spanten heißen Rahmenspanten. Auf den Spanten liegt die
Außenhaut (bei Holzschiffen die Beplankung), die vorne an dem Vorsteven
und hinten an dem Hintersteven befestigt wird. Das geschieht bei Holz-
schiffen durch Einlassen der Planken in eine am Steven ausgearbeitete Nute,
die man Sponung nennt. Die Bauchkante oder der Winkel, den die Bord-
wände mit dem Boden bilden, heißt die Kimm (Kimmung). Sie ist meistens
bei Holzschiffen scharf, bei Eisenschiffen abgerundet. Die Bordwände stehen
wenigstens im Mittelschiff in der Regel senkrecht, namentlich bei Kanalschiffen ;
zuweilen haben sie eine geringe Neigung nach außen, die man Lehnung
nennt. Meistens, und besonders bei Kanalschiffen, sind die Bordwände im
Mittelschiff gleichlaufend (parallel) zu einander angeordnet; zuweilen verjüngt
sich die Schiffsbreite, namentlich nach hinten, mehr oder weniger beträchtlich,
was man Ablauf nennt. Die Steven sind entweder senkrecht oder nach
außen geneigt oder gekrümmt. Bei Eisenschiffen wird der Vorsteven zuweilen
überhängend (ausladend) gemacht und der Hintersteven, der das Steuerruder
trägt, oft von dem Heck überbaut (übergebautes Heck), so daß der obere
Teil des Ruderschaftes durch den Überbau hindurchgeht. Ältere Holzschiffe
haben zuweilen keine Steven, sondern sowohl der Bug wie das Heck sind als
Kaffen ausgebildet. Die oberste wagerechte Abdeckung der hölzernen Bord-
wände heißt das Schandeck (der Schandeckel) ; eiserne Bordwände werden
oben durch den Stringerwinkel und den Stringer (Deckstringer) abge-
schlossen, der binnenbords den Bordgang oder Wassergang (auch Gangbord
oder Potdechsel genannt) bildet, während außenbords sich gewöhnlich eine
Scheuerleiste (Bergholz, Bei^platte, Wallschiene) um das Schiff herumzieht').
i) Die Benennung einzelner Schiffsteile, sowie die Kunstausdrücke im Binnenschiffahrtbetriebe
überhaupt, sind in Deutschland und Österreich sehr verschieden, schwankend, zuweilen sich wider-
sprechend und oft falsch gebildet. Der Verfasser hat überall, soweit es ihm möglich war, eine
sorgfältige Prüfung vorgenommen. Bordgang ist z. B. zweifellos verständlicher und richtiger als
Gangbord.
Vgl. auch Dunkelberg, Rheinschiffahrt -Lexikon, Erklärung der Fachausdrücke. Duis-
burg 19 10.
238 Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe.
Zur Abteilung der Räume und zur Versteifung des Schiffskörpers querschiffs
dienen die Schotten (Schottwände), die bei Eisenschiffen meistens wasser-
dicht gemacht werden, und die Duchten (Raumbalken), die von Holz oder
Eisen oben von Bordwand zu Bordwand gespannt und zuweilen mit Rahmen-
spanten verbunden werden.
Das Vorschiff und das Hinterschiff sind gewöhnlich bei den Binnenschiffen
auf größere oder geringere Länge mit einem festen Deck versehen, während
bei den Lastschiffen die mittleren Laderäume zuweilen offen bleiben; andern-
falls werden sie entweder durch ein festes oder durch ein bewegliches Deck
geschlossen. Das feste Deck ruht auf Deckbalken, die an Stelle der Duchten
von Bordwand zu Bordwand reichen und mit den Spanten fest verbunden sind.
Gewöhnlich wird das feste Deck querschiffs gekrümmt, damit das Wasser nach
den Wassergängen an den Bordwänden abfließen kann. Diese Krümmung
heißt Balkenbucht oder Deckbucht. Zuweilen gibt man dem Deck auch
längsschiffs eine Krümmung, indem man es nach vorne und nach hinten an-
steigen läßt. Diese Krümmung nennt man den Sprung des Decks. Beim
festen Deck wird der Zugang zu den Kajüten durch Niedergänge mit Trep-
pen und zu den Laderäumen durch Ladeluken bewirkt, die mit Luksüllen
umrahmt und mit Lukendeckeln geschlossen werden. Luksülle, die die
Laderäume seitlich auf der ganzen Schiffslänge abschließen, nennt man am
Rhein Tennebaum.
Das bewegliche Verdeck ist entweder ein Bretterdeck oder ein Platten-
deck. Das Bretterdeck besteht aus schmalen losen Brettern, die längsschiffs
gleichlaufend vermittelst Decksparren dachförmig über den Laderaum gelegt
werden. Beim Platten- oder Tafel deck werden die einzelnen Platten oder
Tafeln (Lukendeckel) querschiffs über den Laderaum gelegt und an ihren
Stößen von Rinnsparren (Merklingen) unterstützt.
Den vordersten und den hintersten Teil des Schiffsraums bei den Steven
nennt man Piek.
Der in den Kajüten und Laderäumen über den Bodenwrangen angeord-
nete Fußboden heißt Wegerung oder Bühne (auch Flur, Streck, Streu,
Strau genannt). Die innere Bretterbekleidung der Bordwände heißt gleichfalls
Wegerung oder »Hängebühne«, zuweilen »Seitenausschlag«.
Die Außenhaut wird oft, besonders bei Dampfschiffen, über Deck hinauf-
geführt, entweder rings um das ganze Schiff oder nur um das Vor- und Hinter-
schiff, um bei starkem Wellengange das Übernehmen von Wasser zu ver-
hindern. Diese Schutzwand nennt man das Schanzkleid (Verschanzung);
es endigt oben mit der Reling (wohl aus »Riegelung« entstanden), womit
auch zuweilen ein offenes, um das Schiff laufendes Schutzgeländer im ganzen
bezeichnet wird.
Zur Lenkung des Schiffes während der Fortbewegung dient das Steuer-
ruder oder Ruder, das aus dem Ruderblatt, dem Ruderschaft und der Ruder-
pinne (Helmstock) zusammengesetzt ist. Das feste Ruder ist durch am
Das Schwimmen. 239
Schaft befindliche Fingerlinge oder Zapfen drehbar mit dem Hintersteven ver-
bunden. Wenn ein Teil des Ruderblatts vor dem Schaft, der Drehachse,
angeordnet ist, nennt man dies ein Schweberuder [Balanceruder). Wird ein
solches Ruder nur mittels eines senkrechten Steuernagels mit dem oberen
Ende des Hinterstevens verbunden, so spricht man von einem Wippruder,
das an den östlichen deutschen Wasserstraßen üblich ist und aus Holz her-
gestellt wird. Dort nennt man das Ruderblatt t Steuerdiele«, den Schaft
tKrümmling« und die Pinne t Helmholz« (Steuerholm).
Das Schwimmen. Ein Archimedischer Grundsatz lautet : Ein in eine
Flüssigkeit eingetauchter Körper verliert so viel an seinem Gewicht, als das
Gewicht der von ihm verdrängten Flüssigkeit beträgt. Das Verhältnis des
Gewichts eines Körpers zu dem Gewicht einer Wassermenge von gleichem
Rauminhalt nennt man sein spezifisches Gewicht.
Dabei ist reines (destilliertes) Wasser von größter Dichtigkeit, also bei 4 Grad C. zugrunde
gelegt, von dem ein Kubikmeter 1000 kg wiegt DasSeewasser ist schwerer: Sein spezifbcbes
Gewicht wird für die Ostsee s= 1,015, im Übrigen meistens ^ 1,025 angenommen.
Die von einem im Wasser schwimmenden Schiffe verdrängte Wasser-
menge ist ebenso schwer wie das ganze Schiff. Diese Wassermenge heißt
die Verdrängung (Deplacement). Es besteht also Gleichgewicht zwischen
dem Schiffsgewicht, das, in seinem Schwerpunkt angreifend gedacht, senk-
recht nach unten wirkt, und dem Auftrieb des Wassers, der die Mittelkraft
aller auf die Oberflächenteile des Schiffes wirkenden Wasserdrücke darstellt
und, im Schwerpunkt der Verdrängung angreifend gedacht, senkrecht von
unten nach oben wirkt. Man hat zwischen dem Gewichtschwerpunkt
(auch Systemschwerpunkt genannt) und dem Verdrängungschwerpunkt
(oder Formschwerpunkt) zu unterscheiden. Wird das Gewicht des Schiffes
durch Belastung bis zum völligen Eintauchen vermehrt, so nennt man das
Gewicht dieser Zuladung seine Schwimmfähigkeit (oder Reserveschwimm-
fahigkeit). Diese ist der Überschuß an Auftrieb, den das ganz eingetauchte
Schiff erfahren würde, über sein Gewicht und hängt von der Form und dem
spezifischen Gewicht des Schiffes ab. Die Schwimmfähigkeit ist eine »un-
bedingte«, wenn das spezifische Gewicht kleiner oder gleich dem des Wassers
ist, wie z. B. bei hölzernen Schiffen, oder eine »bedingte«, wenn zwar das
spezifische Gewicht größer, das Schiff aber mit einem so großen, wasserdicht
abgeschlossenen Raum versehen ist, daß noch ein Überschuß an Auftrieb
über das Gesamtgewicht (also Schiff und eingedrungenes Wasser zusammen)
bestehen bleibt. Unterseebote haben z. B. keine Schwimmfähigkeit, wenn
sie nicht durch Entfernen von Ballast ihr Gewicht vermindern und durch
den so vergrößerten Auftrieb an die Oberfläche kommen*).
Die Schwimmebene, bis zu welcher das Schiff eintaucht, heißt die
Wasserlinie und man unterscheidet die »leichte« Wasserlinie, d. i. die Ein-
i) Johow, Hilfsbuch für den Schiffbau. Berlin 1902 und 1910 (dritte Auflage von Krieger).
Hern er, Die Theorie des Schiffes. Hannover 1908.
240 Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe.
tauchung in betriebsfertigem Zustande ohne nützliche Ladung, und die »be-
ladene« Wasserlinie (Tiefladelinie) oder »oberste« Wasserlinie bei volle
Ladung. Weil für diese Linie das Schiff berechnet wird, nennt man sie
auch die Entwurfswasserlinie (Konstruktionswasserlinie). Das Gewicht
der Zuladung, die erforderlich wird, um das Schiff von der leichten Wasser-
linie auf die beladene zu bringen^ ist die Tragfähigkeit (Ladefähigkeit) des
Schiffes. Das Gewicht des fertigen, leeren Schiffes ohne Besatzung, Aus-
rüstung und Zubehör und ohne Maschinen, Kessel, Wasser und Kohlen heißt
das Schiffseigengewicht und mit der Besatzung und den übrigen vor-
genannten Stücken das tote Gewicht, d. h. ohne nützliche Ladung.
Die Tiefe der Eintauchung von der Wasserlinie bis zum untersten Punkte
des Schifisbodens ist die Tauchtiefe oder der Tiefgang. Leertiefgang
ist die Eintauchung von der leichten Wasserlinie bis zum untersten Punkt
des Schiffsbodens, und die diesem Tiefgange entsprechende Verdrängung nennt
man die »leichte Verdrängung« zum Unterschied von der »beladenen Ver-
drängung«. Die leichte Verdrängung entspricht also dem toten Gewicht
des Schiffes. Der Tiefgang wird an den »Tiefgangsanzeigern« (Ahmings)
gemessen, die an den beiden Steven oder an den Bordwänden angebracht
werden. Man unterscheidet den hinteren und den vorderen Tiefgang und
legt den Berechnungen den gemittelten Tiefgang zugrunde. Der Unter-
schied zwischen dem hinteren und dem vorderen Tiefgang heißt der Trimm
(englisch: trim = Lage, Ordnung). Steuerlastig ist ein Schiff, wenn der
hintere Tiefgang größer ist als der vordere; im umgekehrten Falle ist es
kopflastig, bei gleichem Tiefgange gleichlastig. Das Schiff hat eine
Krängung (oder Schlagseite), wenn es nach Steuerbord oder Backbord ge-
neigt lieget.
Den Widerstand, den das aufrecht schwimmende Schiff einer Neigung
entgegensetzt, und die Fähigkeit, wenn es in eine geneigte Lage gebracht
ist, sich wieder aufzurichten, nennt man seine Steifheit (Stabilität). Sie
hängt von der Form und von der GewichtsverteUung im Schiffe ab. Man
unterscheidet Neigungen querschiffs, d. h. um eine wagerechte Längsachse,
und längsschiffs, d. h. um eine wagerechte Querachse.
Bei der Neigung bleibt der Gewichtschwerpunkt [G) in seiner Lage
zum Schiffe unverändert; aber der Verdrängungschwerpunkt {F) verschiebt
sich, weil die Verdrängung eine andere Form annimmt. In Abb. 1 5 herrscht
Gleichgewicht: Schwerkraft und Auftrieb sind gleich groß, entgegengerichtet
und wirken in derselben Senkrechten, der Schwimmachse. In Abb. 16 wirkt
das Kräftepaar an dem Hebelsarm a aufrichtend, in Abb. 1 7 dagegen umstür-
zend, d. h. das Schiff kentert. Den Schnittpunkt {Afj der neuen Auflriebs-
richtung mit der Schwimmachse nennt man Metazentrum. Bei einem steifen
(stabilen) Schiffe liegt das Metazentrum stets über dem Gewichtschwerpunkt
(Abb. 16); andernfalls (Abb. 17) ist das Schiff nicht steif, sondern kentert, falls
es auch nur um einen kleinen Winkel aus der wagerechten Schwimmlage
Das Schwimmen.
241
kommt. Zwischen den Abb. i6 und 17 gibt es einen Grenzfall, wenn die Rieh*
tungen von G und F in dieselbe Senkrechte fallen und der Hebelsarm a zu
Null wird. In diesem Falle ist auch die Steifheit gleich Null und das Schiff
befindet sich in unsicherem (indifferentem) Gleichgewicht. Die Größe
der Steifheit wird durch die metazentrische Höhe, d. 1. den Abstand MG^
gemessen.
Für die Neigung querschiffs ist, wie vorstehend, das Breitenmetazentrum
und für die Neigung längsschiffs das Längenmetazentrum maßgebend. Die
Steifheit eines Schiffes wird um so größer, je tiefer der Gewichtschwerpunkt
liegt Rückt er bis imter den Verdrängungschwerpunkt, so kann das Schiff
überhaupt nicht kentern, wie z. B. bei den Wulstkieljachten, die tief unter
h6
V
Abb, 15.
Abb. 16.
Abb. 17.
dem Boden ein schweres Bleigewicht tragen. Für ein Seeschiff ist es an sich
nicht zweckmäßig, den Gewichtschwerpunkt sehr tief zu legen; denn je
größer die Steifheit, um so heftiger und schneller rollt das Schiff im See-
gange.
Man unterscheidet statische und dynamische Steif heit. Während die statische Steifheit
durch das statische Moment des aufrichtenden Kräftepaars dargestellt wird, versteht man unter
der dynamischen Steifheit die Arbeit, die beim Übemeigen (oder Krängen) eines Schiffes
verrichtet wird, um den Gewichtschwerpunkt zu heben und den Verdrängungschwerpunkt nieder-
zudrücken. Sie ist also die Summe der mechanischen Arbeiten von Auftrieb und Schwerkraft
und gibt Aufschluß über die voraussichtliche Sicherheit gegen Winddruck und Wellen. Für
Binnenschüfe ist die Anstellung dieser Untersuchungen nur in Ausnahmefällen erforderlich.
Die Bewegung eines Schiffes um seine Längsachse heißt Rollen oder
Schlingern, um seine Querachse Stampfen oder Setzen (das erstere Wort
vom Bug, das letztere vom Heck gebraucht) und um seine senkrechte Achse
Gieren. Wenn ein Schiff leicht in Rollbewegungen kommt, nennt man es
rank. Die Herbeiführung eines bestimmten vorderen oder hinteren Tief-
gangs, also die Drehung des Schiffes um eine wagerechte Querachse, geschieht
durch Trimmen, indem entweder ein Teil des Gewichts von vorne nach
hinten oder umgekehrt verschoben oder ein neues Gewicht vorne oder hinten
hinzugefügt oder ein Teil des Gewichts aus dem Schiffe entfernt wird. Wenn
man ein Gewicht von hinten nach vorne verschiebt, so verschiebt sich auch
der Gewichtschwerpunkt von hinten nach vorne, und es entsteht zwischen
Auftrieb und Schwerkraft ein wagerechter Abstand (Hebelsarm) und ein Kräfte-
paar, das bestrebt ist, das Schiff so lange um eine wagerechte Achse zu
T e u b e r t , Binnenschi fiahrt.
16
242 Abschnitt I. Allgemeines über Binnenscbiffe.
drehen, bis die Gleichgewichtslage wieder erreicht ist. Das Schiff wird vorne
tiefer eintauchen und sich hinten aus dem Wasser heben : Die Verdrängung
bekommt eine andere Form, ohne ihren Rauminhalt zu ändern, und ihr
Schwerpunkt rückt gleichfalls so weit nach vom, bis die Richtung des Auf-
triebs wieder mit der Richtung der Schwerkraft zusammenfallt.
Beim Be- und Entladen von Lastschiffen treten stets mehr oder
minder erhebliche Trimmänderungen ein, die man durch geschickte Vertei-
lung der Last auf die einzelnen Laderäume möglichst zu vermindern sucht.
Bei Dampfschiffen werden zuweilen hinten oder vorne besondere Wasser-
ballasträume angeordnet, die man durch Pumpen bedient: Auf diese Weise
kann der gewünschte Trimm leicht erreicht werden.
Unbeabsichtigte Verdrängungen der Schwimmlage treten ein, wenn ein
mit wasserdichten Schotten ausgerüstetes Schiff ein Leck bekommt. Wenn
Wasser in das Schiff tritt, wird das Gewicht des Schiffes und daher sein
Tiefgang vergrößert. Gleichzeitig tritt durch die Gewichtsverschiebung eine
Änderung des Trimms ein und außerdem wird durch die flüssige Ladung
die Steifheit des Schiffes vermindert. Wird eine durch Schottwände abge-
schlossene leere Abteilung des Schiffes bis zur Schwimmebene mit Wasser
gefüllt, so geht ein dieser eingedrungenen Wassermenge gleicher Teil der
Verdrängung verloren, und da das Schiffsgewicht unverändert bleibt, muß
das Schiff tiefer eintauchen, um die erforderliche Verdrängung wieder zu er-
langen. Dabei wird in den meisten Fällen eine Trimmänderung oder auch
eine Krängung (Schlagseite) eintreten, bis Gewichts- und Verdrängungschwer-
punkt wieder in derselben Senkrechten liegen. Ist die fragliche Abteilung
nicht leer, sondern mit Ladung gefüllt, so wird letztere an ihrem Gewicht so
viel verlieren, als sie Wasser verdrängt, und das ganze Schiffsgewicht wird
entsprechend vermindert Besteht die Ladung aus Holz, leeren Fässern oder
anderen Gegenständen, deren spezifisches Gewicht kleiner als i ist, so kommt
es zuweilen vor, daß ein leckes Schiff »auf seiner Ladung schwimmt«, wenn
das Deck hinreichend stark und fest genug ist.
Die Schififeform. Die Hauptabmessungen eines Schiffes sind Länge,
Breite, Tiefgang und Seitenhöhe. Die Länge wird in der Höhe der obersten
Wasserlinie oder Tiefladelinie zwischen den beiden Loten gemessen, die bei
Holzschiffen durch die Sponungen der Steven, bei Eisenschiffen durch die Hin-
terkante des Vorstevens und durch die Vorderkante des Hinterstevens (Ruder-
stevens) gelegt werden (Abb. i8). Die größte Länge, Länge über alles,
reicht von der äußersten Spitze des Vorstevens bis zum äußersten Punkte des
Hecks und wird gleichlaufend zur obersten Wasserlinie gemessen. Als Breite
gilt die Breite im Hauptspant, die bei Holzschiffen auf der Beplankung, bei
Eisenschiffen auf der Außenkante der Spanten unter Vernachlässigung der
Dicke der Blechhaut gemessen wird. Die »größte Breite« wird über den
Scheuerleisten gemessen. Die Seitenhöhe wird in der Mitte zwischen den
Loten von der Unterkante des Bodens bis zur Unterkante des Stringers oder
Die SchU&form.
244 Abschnitt I. Allgemeines über BinnenschifTe.
bis zur Oberkante der Deckbalken an der Bordwand gemessen. Die Höhe
des Decks über der obersten Wasserlinie ist der Freibord; die Seitenhöhe
vermindert um den Freibord ist der mittlere Tiefgang oder die »Berechnungs-
tiefe«. In den Abbildungen i8 und 19 sind die Linienrisse oder »die
Linien« eines Schiffes (eines kleinen Schraubendampfers) mitgeteilt. Zur Dar-
stellung der Schiffsform benutzt man gewöhnlich drei Gruppen von zueinander
gleichlaufenden Ebenen, die rechtwinklig zueinander durch den Längsriß,
durch den Spantenriß und durch den Wasser linienriß gelegt werden. Es
sind das die Ebenen der Spanten (von o bis 12), der Wasserlinien (von O bis III)
und der »Schnitte« (von a bis c)\ Die ersten erscheinen im Spantenriß, die
zweiten im Wasserlinienriß und die dritten im Längsriß als gekrümmte Linien.
Für die Tragfähigkeit, die Steuerfähigkeit und den Widerstand des Schiffes
kommt nur allein der unter der obersten Wasserlinie liegende Schiffsteil, das
sogenannte »lebende Werk« in Betracht, während die Formen des darüber
Uzenden Teils nach anderen Zweckmäßigkeits- und Schönheitsrücksichten
entworfen werden. In den Abbildungen erkennt man über der obersten
Wasserlinie, die mit O undK.W.L. bezeichnet ist, noch eine weitere punk-
tierte Hilfswasserlinie sowie die Decklinie und die Relinglinie. Die Abstände
der gleichlaufenden Ebenen wählt man nach Belieben und nach der ge-
wünschten Genauigkeit der Formen. Bei den Spanten hat man dabei zwischen
den nur für die Berechnung eingezeichneten Entwurfspanten und den meistens
viel zahlreicheren Bauspanten zu unterscheiden, die wirklich zur Ausführung
kommen.
Die Form eines Schiffes (und zwar des lebenden Werks unter der obersten
Wasserlinie) wird bestimmt:
1. durch das Verhältnis der 3 Hauptabmessungen, Länge, Breite und
Tiefgang, zueinander,
2. durch die Formen der Hauptschnittflächen, Längenschnitt, Hauptspant
und oberste Wasserlinie, sowie durch deren VöUigkeitsgrade,
3. durch den VöUigkeitsgrad der Verdrängung.
Wenn man vom Tiefgange ausgeht, wählt man die Breite gewöhnlich
2 bis 3 mal so groß; man findet aber Flußschiffe, bei denen die Breite viel
größer ist und zuweilen selbst das Zehnfache des Tiefgangs erreicht. Die
Länge ist gleich der sechs- bis zwölffachen, oft gleich der achtfachen Breite;
doch haben einzelne französische Flußschiffe das Verhältnis 1:16 bis i : 20.
(Die Länge der Seeschiffe schwankt zwischen der vier- bis achtfachen Breite.)
Für die Form des Längenschnitts (unter Wasser) sind die Anordnung der
Steven und der Bodenlinie (Sprung) bestimmend, für das Hauptspant die
Stellung der Bordwände und die Kimm, für die oberste Wasserlinie die Art
der Zuschärfung im Vorschiff und im Hinterschiff sowie der Ablauf.
Unter dem VöUigkeitsgrad der obersten Wasserlinie (a) und des
Hauptspants (/?) versteht man das Verhältnis ihrer Flächen zu der Fläche der
umschriebenen Rechtecke {L,B. und 2".Ä).
Die Schiffsform. 245
a schwankt bei Seeschiffen zwischen 0,7 und 0,8, wird aber bei Binnen*
schiffen oft größer, bis 0,9 und darüber.
ß schwankt bei Seeschiffen zwischen 0,7 und 0,9, ist aber bei Binnen-
schiffen größer und wird bei manchen Fluß- und Kanalschiffen zu i. (Bei
Segeljachten ist ß häufig nur 0,5.)
Der Völligkeitsgrad der Verdrängung {d) ist das Verhältnis zwischen
dem Rauminhalt der Verdrängung zu dem umschriebenen rechteckigen
Prisma aus Länge, Breite und Tiefgang. Der Völligkeitsgrad, der im all-
gemeinen ein Maßstab für die Schärfe des Schiffes ist, schwankt in weiten.
Grenzen, bei Seeschiffen von der Jacht bis zu den großen Güterschiffen von
0,30 bis 0,75, bei schnellen Flußdampfem von 0,60 bis 0,65, bei Radschlepp-
dampfem von 0,75 bis 0,85, bei Schraubenschleppdampfern von 0,45 bis 0,65,
bei Binnenlastschiffen ohne eigene Triebkraft gewöhnlich von 0,80 bis 0,90 und
bei einzelnen Kanalschiffen bis zu 0,99. Der Schwerpunkt der Verdrängung
ist für die Lage und Steifheit (Stabilität) des Schiffes von großer Bedeutung
und wird deshalb meistens genau oder wenigstens nach Näherungsformeln
berechnet. Er muß bei Dampfschiffen so gelegt werden, daß nach Ver-
brauch der Kohlen keine kopflastige Lage des Schiffes eintritt, die sowohl
die Geschwindigkeit wie die Steuerfahigkeit vermindert und besonders für
Raddampfer nachteilig ist. Die VöUigkeitsgrade (er, ß^ d) müssen zueinander
in einem gewissen Verhältnis stehen. Man setzt gewöhnlich:
worin x etwa zwischen 0,83 und 0,85 für schnell fahrende und zwischen 0,9
bis 0,95 für langsam fahrende Schiffe schwankt.
Beim Entwerfen eines Schiffes werden nach Feststellung von Z, jB^ T und von «
und ^ der Lttngenschnitt, der Hauptspant und die oberste Wasserlinie (o) aufgezeichnet. Es folgt
die Einteilung der Spanten (o bis 12), der Wasserlinien (I bis III) und Schnitte [a bis c). Die
Übertragung der Wasserlinien in den Wasserlinienriß und der Schnitte in den Längsriß kann erst
erfolgen, wenn die Formen der einzelnen Spanten bestimmt sind.
Damit die Flächen der einzelnen Spanten von dem Hauptspant (in der Mitte) aus sowohl
nach vorne wie auch nach hinten in gewünschter, gleichmäßiger Weise abnehmen, benutzt man
gewöhnlich eine Spantenskala (Deplacementskurve), wie sie in Abb. 19 unter dem halben
Wasserlinienriß dargestellt ist. Die Höhe der Ordinaten (von i bis 11) entsprechen dem Flächen-
inhalt (in m^) der betreffenden Spantenflächen (in beliebigem Maßstabe aufgetragen). Wenn die
Linie 6-m die Hauptspantfläche darstellt, sind die Flächen der übrigen Spanten durch die Ver-
zeichnung der gekrümmten Linie o, f//, 12, d. h. der Spantenskala bestimmt. Zuweilen wählt
man als gekrümmte Linie eine Parabel, die nach dem Geschmack des Ingenieurs abgeändert
wird. Da der Schwerpunkt der Fläche o, 6, X2, w, o zugleich die Lage des Verdrängung-
schwerpunktes angibt (in Abb. 19 punktiert links von 6-m angedeutet), kann man durch die ge-
wählte Form der Krümmung den Schwerpunkt beliebig nach vorne oder nach hinten verschieben.
Es handelt sich femer darum, die ermittelten Flächeninhalte der Spanten in die richtigen
Formen zu bringen, was durch Versuche gelingt Dazu kennt man für jede Spantenfläche die
Höhe in der Mitte aus dem Längsriß und die obere Breite in der Ebene der obersten Wasser-
linie aus dem Wasserlinienriß. Wenn die Spanten vorläufig entworfen sind, werden die ent-
sprechenden Wasserlinien verzeichnet. 2^igt es sich, daß diese nicht hinreichend gestreckt und
schlank verlaufen, so müssen die Spantenlinien geändert werden. Schließlich überträgt man aus
dem Wasserlinienriß die Schnitte in den Längsriß und siehe zu, ob sie nach Wunsch verlaufen ;
andernfalls müssen die Spanten und Wasserlinien verändert werden. Dies Verfahren muß sorg-
246
Abschnitt L Allgemeines über Binnenschiffe.
fUtig wiederholt werden, damit das nach diesen Kissen gebaute Schiff in seiner äußeren Form
keine Buckel oder Beulen zeigt.
Will man sehr große Vorsicht anwenden, so legt man zwbchen die bereits angeordneten
Gruppen von gleichlaufenden Ebenen noch weitere hinein, oder man legt andere schräg geneigte
Flächen durch den Schiffskörper, die man Senten nennt. Solche Senten sind in dem Spanten-
risse (Abb. i8), wo sie sich als gerade Linien darstellen, durch die Linien SS angedeutet. Der
Vorgang der Übertragung in die Risse ist der gleiche.
Alle Schiffslinien sind im allgemeinen rein willkürliche und verlaufen nicht
nach bestimmten mathematischen oder mechanischen Gesetzen. Die Theorie
des Schiffskörpers ist noch wenig entwickelt, infolge der Schwierigkeit, die
Größe und Richtung der angreifenden Kräfte richtig zu erkennen und zu be-
messen. Das trifft besonders für das See-
schiff zu, während bei dem Binnenschiff
die Verhältnisse einfacher liegen, weil es
nicht dem Anprall der Wellen zu wider-
stehen hat. Auch ist deshalb die Form
der Binnenschiffe, namentlich der großen
Lastschiffe ohne eigene Triebkraft, ein-
facher zu bestimmen, da ein großer Teil
des Mittelschiffs bei ihnen meistens eine
nahezu prismatische Gestalt bekommt.
Wichtig und notwendig ist eine sorgfaltige Berechnung der Ver-
drängung. Man kann dabei entweder von den Spantenflächen oder von
den Wasserlinienflächen ausgehen; um Irrtümer zu vermeiden, führt man
oft beide Rechnungen durch. Zur Ermittelung der einzelnen Flächeninhalte
benutzt man entweder Annäherungsformeln (meistens die Simpsonsche Regel)
Abb. 20. Wasserlinienskala.
EE
3
100
too
300
«400
Soo
eoo foocJtiM
Abb. 21. Lastenmaßstab.
oder ein zeichnerisches Verfahren mit Planimeter oder ähnlichen Vorrich-
tungen. Während man von den Spantenflächen ausgehend die oben erwähnte
Spantenskala verwendet, bildet man für die Wasserlinienflächen eine ent-
sprechende Wasserlinienskala (Abb. 20). Man wählt dabei den Tiefgang
als Abszissenachse, während die Ordinaten (I bis IV) die Flächeninhalte der
Wasserlinien an den betreffenden Stellen angeben. Die durch die Endpunkte
Die Festigkeit.
247
gelegte gekrümmte Linie umschließt eine Fläche, deren Inhalt gleich der
Verdrängung ist. Der Schwerpunkt dieser Fläche gibt die Höhenlage des
Verdrängungschwerpunktes an.
Wenn man die Verdrängungen eines Schiffes bei verschiedenen Tauch-
tiefen berechnet, die Ergebnisse in einem ähnlichen Liniensystem wie vorher
als Ordinaten aufträgt und die Endpunkte durch eingekrümmte Linien ver-
bindet, so erhält man den Lastenmaßstab dieses Schiffes (Abb. 21). Er
gibt für jede Tauchtiefe die entsprechende Verdrängung (in m^ oder t) an,
mithin auch das Gewicht der Ladung, wenn das tote Gewicht des Schiffes
von der Verdrängung abgezogen wird. (Das tote Gewicht entspricht dem
Leertiefgang.)
Die Festigkeit. Das Schiff ist als hohler Balken zu betrachten,
der auf Biegung beansprucht wird. In erster Linie kommt die Längsfestig-
keit in Betracht, weil die Beanspruchung der Querverbände bei Schiffen mit
festem Deck verhältnismäßig gering und bei offenen Schiffen leicht zu er-
mitteln ist. In ruhigem Wasser wird die Längsfestigkeit durch den Unter-
schied zwischen Gewicht und Auftrieb an den einzelnen Stellen des Schiffes
beansprucht*).
Abb. 22.
Abb. 23.
Denkt man sich das Schiff durch senkrechte Schnitte, z. B. i bis 9
(Abb. 22)j in eine Anzahl von Teilen zerlegt, so daß sich jeder Teil selb-
ständig in senkrechtem Sinne bewegen kann, so würden sie, je nach ihrem
Gewichte, verschieden tief eintauchen und zwar die am Vor- und Hinterschiff
gelegenen Stücke wegen ihrer unteren schlankeren Formen tiefer als die mitt-
leren mit völligeren Querschnitten. Wenn es sich um ein Dampfschiff handelt,
dessen mittlere Abteile Maschinen, Kessel und Kohlen enthalten, oder um ein
Lastschiff, dessen mittlerer Laderaum vielleicht allein gefüllt ist, so würden
diese betreffenden Teile wieder entsprechend tiefer einsinken als die benach-
i) Rüblmann, Allgemeine Maschinenlehre, Band V, bearbeitet von Flamm. Berlin 1902.
248 Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe.
harten. Man erkennt leicht, daß in diesen Schnittflächen selbst bei dem still
liegenden Schiffe infolge der Gewichtsverteilung beträchtliche Kräfte auftreten,
die die Längsfestigkeit in Anspruch nehmen und auf eine Verbiegung des
Schiffskörpers nach oben oder unten hinwirken.
Um diese Kräfte und die entsprechenden Momente zu berechnen, muß
für jeden Schiflsabschnitt das Gewicht ermittelt werden, und zwar sowohl das
Eigengewicht des entsprechenden Schiffsteils selbst als auch das Gewicht der
darauf lastenden Teile von Maschinen, Kesseln, Kohlen, der Ladung usw. Ist
dies geschehen, so trägt man (Abb. 23) die Gewichte aller Abschnitte an be-
treffender Stelle der geraden Linie AB in einem beliebigen Maßstabe senk-
recht auf, verbindet die Endpunkte und erhält so die Gewichtslinie. Wenn
man das Schiff als Balken betrachtet, dann zeigt diese Linie die Belastung des
Balkens an. In ähnlicher Weise berechnet man fiir jeden Abschnitt das ent-
sprechende Gewicht der Verdrängung, trägt es ebenso auf der geraden Linie
AB in gleichem Maßstabe auf, verbindet die Endpunkte und erhält eine zweite
gekrümmte Linie, die Auftriebslinie, die übrigens mit der früher erwähnten
Spantenskala übereinstimmt.
Der Flächeninhalt der AuftriebsUnie ist gleich dem Gewicht der Ver-
drängung und muß daher mit dem Flächeninhalt der Gewichtslinie genau
übereinstimmen. Auch die Schwerpunkte beider Flächen müssen senkrecht
übereinander liegen. Es zeigt sich (wie in Abb. 23), daß diese Linien sich
niemals decken, sondern sich mehrmals schneiden. Ermittelt man zeichnerisch
für jede Stelle der Schiffsachse (AB) die Unterschiede zwischen Gewicht und
Auftrieb, so erhält man die Differenzlinie, die je nach ihrer Lage ober-
oder unterhalb von AB die wirkliche Größe der aufwärts oder abwärts auf
die Schiffsverbände wirkenden Kräfte darstellt. In den Punkten C und D
werden diese Kräfte zu Null. Hier liegen gewissermaßen die Stützpunkte des
als Balken gedachten Schiffskörpers.
Wenn man die Differenzlinie integriert, d. h. eine neue gekrümmte
Linie so bUdet, daß ihre Ordinaten, von links anfangend, stets die Fläche
der bis zu der betreffenden Ordinate enthaltenen Flächen der integrierten
Linie darstellen, so ist diese neugebildete gekrümmte Linie die Scher-
kraftlinie, die bei C und D ihren höchsten und niedrigsten Punkt hat.
Die ober- und unterhalb der Geraden AB liegenden Flächen der Scher-
kraftlinie sind einander gleich. Die Ordinaten dieser Linie geben für jeden
Querschnitt des Schiffes die Kraft an, die dort auf Abscheren wirkt.
Wird diese gekrümmte Linie der Scherkräfte nochmals in gleicher Weise
integriert, so bekommt man die Momentenlinie, die für jeden Querschnitt
des Schiffes das dort wirksame Biegungsmoment angibt. Das größte Moment
liegt dort, wo die Scherkraftlinie die Achse schneidet.
Die weitere Berechnung der Beanspruchungen wird ebenso wie beim Balken vorgenommen.
J
Es ist dessen Widerstandsmoment ff^ss-, wenn J das Trägheitsmoment des Querschnitts
Die Festigkeit. 249
an der beanspruchten Steile und e die Entfernung der äußersten gezogenen oder gedruckten
Faser von der Nullinie (neutralen Achse) ist. Da das Biegemoment iT/ = ^. /:=«-■ >t ,
so ergibt sich die Spannung in der äußersten Faser
M M
Da M aus den vorstehenden Rechnungen bekannt ist, so fehlt noch die Ermittelung des Träg-
heitsmoments des Schiffsquerschnitts, bezogen auf seine Schwerpunktsachse, d. i. die Nullinie
(neutrale Faser). Bei der Ermittelung des nutzbaren (widerstehenden) Querschnitts des Schiffes
sind nur die Querschnitte aller längsschiffs durchlaufenden Verbände zu berücksichtigen, also
Bodenbleche, Kielschweine, Außenhautplatten, Stringer, Stringerwinkel und zutreffendenfalls die
Bleche des festen Decks. (Der Querschnitt eines Holzdecks kann mit 4 v. H. mit in die Rech-
nung aufgenommen werden.) Auf der Seite der gezogenen Fasern sind dabei etwa 12,5 v. H.
für Nietlöcher abzuziehen und femer die etwa vorhandenen Öffnungen im Deck. Man verein-
facht die Rechnung, wenn man für jeden Schiffsquerschnitt durch Zusammenschieben der ein-
zelnen in Betracht kommenden Verbandsteile einen gleichwertigen Träger entwirft, der aus
wagerechten und senkrechten Rechtecken besteht, deren eigene Schwerpunkte ohne weiteres
bekannt sind. Man berechnet dann die Summe der Produkte aus diesen einzelnen Querschnitts-
teilen imd ihren Schwerpunktsabständen von einer beliebigen wagerechten Achse (z. B. Boden-
nnterkante) und teilt sie durch die Gesamtfläche des nutzbaren Querschnitts: So erhält man den
Abstand des Schwerpunkts der Gesamtfläche, also des nutzbaren Schiffsquerschnitts, d. i. die
Lage der wagerechten Nullinie (neutralen Faser) von dieser HUfsachse. Wenn man ftir eine
Reihe von Schifisquerschnitten diese Rechnung durchführt, kann man die Lage der Nullinie des
ganzen Schiffes in den Längsriß (Abb. 22) eintragen.
Darauf wird das Trägheitsmoment des Querschnitts bestimmt: Das Trägheitsmoment einer
Teilfläche auf eine beliebige Achse bezogen (/i) ist gleich seinem Trägheitsmoment ftir die
eigene Schwerpunktsachse (/), vermehrt um das Produkt aus dem Quadrat des Abstandes seines
Schwerpunkts von jener Achse [b] und dem Inhalt der Teilfläche (/): Ji =s J-\~ b^-f. Die
Summe sämtlicher /i . . . gibt das Trägheitsmoment des fraglichen Schiffsquerschnitts und man
M
erhält die größte Spannung in der obersten Faser: ko = -y- oo und in der untersten Faser:
M
ku sss -~.au. Diese Spannungen müssen innerhalb der durch den gewählten Baustoff (Stahl
(/
oder Eisen) gegebenen Grenzen bleiben. Meistens begnügt man sich mit der Durchführung der
Rechnung fUr das Hauptspant. Das größte Biegungsmoment im ruhigen Wasser schwankt
zwischen 0,0125 •/'•Z und 0,0067 •/'•Z, wenn Z die Schiffslänge und P das Schiffsgewicht
bedeuten.
Bei der Untersuchung der wagerecht wirkenden Scherkräfte findet man, daß diese ihre
größten Werte etwa bei 1/3 ^^^ V3 ^^^ Schiffslänge und in der Höhe der Nullinie erreichen.
An diesen Stellen des Schiffskörpers stellen sich häufig Brüche in der Außenhaut ein.
Schwieriger werden die Festigkeitsuntersuchungen für das Schiff im be-
wegten Wasser, weil sich die Form der Verdrängung und damit auch die
Beanspruchung des Schiffskörpers in jedem Augenblick ändert. Man legt
gewöhnlich den ungünstigsten Fall zugrunde, daß sich das Schiff mit seiner
Mitte über dem Scheitel einer Welle von gleicher Länge und einer Höhe von
etwa 7ao ■ ^ befindet. Die Biegungsmomente und Scherkräfte werden unter
diesen Umständen erheblich größer als bei dem Schiffe in ruhendem Wasser.
Da die Binnenschiffe aber nicht für solche Beanspruchung gebaut werden,
kann die Mitteilung der Berechnungsart hier unterbleiben.
Die Festigkeit der leicht gebauten Binnenschiffe, besonders der Last-
schiffe ohne eigene Triebkraft, wird ferner beansprucht bei den ganz unver-
meidlichen Stößen gegeneinander, gegen Ufer- und Schleusenmauem, gegen
250 Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe.
Brückenpfeiler u. dgl; außerdem beim Schleppen gegen starke Strömung,
bei Grundberührungen und bei Fahrten im Eise. Schiffe mit eigener Trieb-
kraft werden durch die Kraftmaschinen in Schwingungen versetzt, die wie-
derum starke Beanspruchungen des Schiffskörpers hervorrufen. Sie können
durch zweckmäßige Anordnung und Aufstellung der Maschinen vermindert
werden.
Die Eichung. Die Tragfähigkeit eines Schiffes ist, wie oben erwähnt,
das Gewicht der Zuladung, die erforderlich wird, um das Schiff von der leich-
ten Wasserlinie (Leergäng, Leerlinie, Leerebene) auf die beladene Wasserlinie,
d. i. die Ebene der größten zulässigen Tauchtiefe (Tiefladelinie) zu bringen.
Die Größe dieses Gewichts stellt fiir alle Lastschiffe ihren Nutzwert dar
und die einwandfreie Ermittelung und Feststellung der Tragfähigkeit ist so-
wohl für den Schiffseigner und den Verfrachter, wie fiir den Schleppunter-
nehmer, der hiernach den Schlepplohn berechnet, ferner fiir die Abgaben-
erhebung auf Kanälen und in Häfen, sowie fiir die Schiffsversicherung u. dgl.
von großer Bedeutung*). Die Tragfähigkeit eines Schiffes hängt von der
Feststellung der Tiefladelinie, also von dem Freibord (S. 244) ab. Für die
Größe des Freibords bestehen meistens schiffahrtpolizeiliche Vorschriften, die
nachstehend erwähnt werden; außerdem werden zuweilen von den Gesell-
schaften, die die Versicherung der mit den Schiffen beförderten Waren über-
nehmen, besondere Bestimmungen und Bedingungen fiir dieses Maß vorge-
schrieben.
Die Vermessung oder Eichung der Binnenschiffe wurde zuerst durch den
Oktroivertrag der Rheinuferstaaten vom Jahre 1 804 eingefiihrt, als die Rhein-
zölle nach dem Gewicht der Ladung erhoben werden sollten (S. 80). Später
wurde die Vermessung zum gleichen Zweck auch für die Schiffe im Elbe-
gebiet vorgeschrieben. Nach Aufhebung der Flußzölle blieb der Eichzwang
in einigen Ländern, z. B. in Frankreich und Belgien, bestehen, in anderen,
namentlich in Preußen und Elsaß-Lothringen, wurde er fiir die Erhebung der
Kanal- und Schleusenabgaben usw. erforderlich.
Die älteren von den einzelnen Staatsregierungen erlassenen Vorschriften
waren verschieden und mehr oder weniger ungenau, so daß auf den soge-
nannten internationalen Strömen für dasselbe Schiff in dem einen Staate eine
größere und in dem anderen Staate eine kleinere Tragfähigkeit berechnet
wurde. Die Unterschiede waren zuweilen sehr erheblich, bis zu 30 v. H. Die
Schiffer erblickten meistens ihren Vorteil in dem kleineren Ergebnis wegen
der Abgaben und Schlepplöhne, zuweilen auch in dem größeren, wenn sie
ihre Schiffe vermieteten.
Im Rheingebiet war nach Abschaffung der Zölle der Eichzwang durch
die neue Schiffahrtsakte von 1868 aufgehoben und jedem Schiffseigner frei-
gestellt worden, ob er sein Fahrzeug eichen lassen wollte oder nicht Da
i) Berichte von Schromm und Derome zum 7. internat. Schiff. -Kongreß in Brüssel 1898.
Die Eichung. 251
einzelne der beteiligten Staaten an der verlangten Eichung festhielten, führte
der Wunsch nach einheitlichen Vorschriften auf Anregung der belgischen Re-
gierung im Jahre 1896 zu internationalen Beratungen in Brüssel, an denen
sich außerdem Deutschland, Frankreich und Holland beteiligten.
Man einigte sich darüber, daß die Eichung nach der Wasserver-
drängung des Schiffes vorzunehmen sei. Da das gesamte Schiffsge wicht
gleich dem Gewicht des von ihm verdrängten Wassers (in m^ = Gewichts-
tonnen von je 1000 kg) ist, so erhält man das Gewicht der Ladung, wenn
man das Gewicht des von dem leeren Schiffe verdrängten Wassers davon ab-
zieht. Die Tragfähigkeit ergibt sich aus der auf der Außenhaut des Schiffes
vorzunehmenden Berechnung des Raumes zwischen der größten, durch die
schiffahrtpolizeilichen Vorschriften zulässigen- Tauchung und der Tauchung des
leeren Schiffes. Im Jahre 1898 wurde ein internationaler Vertrag dahin ge-
schlossen, daß alle bestehenden Eichscheine dieser Länder im Jahre 1 904 ihre
Gültigkeit verlieren, daß die betreffenden Staaten unterdessen nach den ver-
einbarten Grundsätzen neue, möglichst übereinstimmende Vorschriften erlassen
und daß die hiernach aufgestellten Eichscheine (certificats de jaugeage) von
den anderen beteiligten Staaten anerkannt werden sollten.
Die gleichzeitig an der Elbe zwischen den deutschen Uferstaaten und
Österreich gepflegten Verhandlungen führten zu einer übereinstimmenden
Eichordnung, die für die deutschen Eibuferstaaten nach Zustimmung des
Bundesrats im Jahre 1899 erlassen wurder Das Verfahren besteht darin, daß
die Schiffskörper außen von der leichten bis zur beladenen Wasserlinie mit
mehreren Eichpegeln versehen und für jede Tiefertauchung um ein Zenti-
meter oder um ein Doppelzentimeter die entsprechende Mehrverdrängung in
m^ Wasser oder in Gewichtstonnen berechnet wird. Das Ergebnis der Be-
rechnungen wird in einem Eichschein niedergelegt Es sind daher folgende
Arbeiten auszuführen:
1. Die Festsetzung der Leerlinie (Leerebene),
2. die Anbringung der Eichpegel (Tiefgangsanzeiger),
3. die Festsetzung der Freibordhöhe und der oberen Eichebene,
4. die Berechnung des Eichraums zwischen beiden Ebenen,
5. die Berechnung der Eichschichten von je 2 cm Höhe.
Zur Festsetzung der Le erlin ie muß das Schiff mit allen erforderlichen
Ausrüstungstücken sowie der erforderlichen Mannschaft und deren Vorräten
beladen sein. Bei Dampfschiffen müssen die Kessel bis zur vorgeschriebenen
Höhe mit Wasser gefüllt und die Kohlenbunker entleert sein. Nach Nieder-
legung der Masten und Schornsteine wird das Schiff in ruhiges Wasser und
in eine genau senkrechte Schwimmlage gebracht. Sehr steuerlastige Schiffe
sind durch Verschieben der an Bord befindlichen Gewichte möglichst gleich-
lastig zu machen. Die Höhe des Bodenwassers im Schiffsraum soll an der
tiefsten Stelle bei hölzernen Schiffen nicht mehr als 5 cm, bei hölzernen
Schiffen mit eisernen Spanten und bei eisernen Schiffen mit hölzernem Boden
262 Abschnitt I. Allgemeines Über Binnenschiffe.
nicht mehr als 3 cm betragen. Eiserne Schiffe müssen möglichst frei von jedem
Bodenwasser gemacht werden. Die Leerlinie wird dann an jeder Seite des
Schiffes, vorne, in der Mitte und hinten durch Leermarken bezeichnet.
Dazu dienen bei hölzernen Borden verzinkte eiserne Klammem (8 cm lang,
2 cm hoch und 2 bis 3 mm stark], die so eingeschlagen werden, daß die
Unterkanten in die Leerlinie fallen. Bei eisernen Borden dienen je 5 Kömer-
schläge in je 3 cm Entfernung dazu, deren Mittelpunkte in der Leerlinie liegen.
Über jeder Leermarke wird ein Eichpegel angebracht — also sechs
Stück — , deren Nullpunkte alle in einer wagerechten Ebene liegen sollen,
die durch den tiefsten Punkt des Schiffsbodens gelegt wird. Die beiden mitt-
schiffs angebrachten Eichpegel reichen bis zur oberen Eichebene, die anderen
20 cm höher hinauf Die Teilung wird nach Metermaß genau senkrecht über-
tragen, wobei zur Markierung jedes zehnten Zentimeters an hölzernen Schiffen
eiserne Eichnägel (2 cm lang mit kegelförmigem Kopf von 1,2 cm Durch-
messer), bei eisernen Schiffen dagegen wieder Kömerschläge angewendet
werden. Die Eichpegel werden später mit Ölfarbe wie andere Pegel schwarz
auf weißem Grunde mit Einteilung von Doppelzentimetem gemalt. Die vor-
dersten und hintersten Eichpegel sollen etwa um '/e der Schiffslänge vom
Vor- und Hintersteven entfernt sein.
Die Freibordhöhe soll bei Schiffen bis zu 15 Tonnen Tragfähigkeit
15 cm, bei allen größeren Schiffen 25 cm betragen*). Wenn die Tragfähig-
keit eines Schiffes bei 25 cm Freibord nur 15 t oder weniger beträgt, bei
15 cm Freibord aber mehr als 15 t, so soll eine Freibordhöhe von 15 cm als
genügend angesehen werden. Die obere Eichebene, also die Ebene der
größten zulässigen Eintauchung, ist mithin in die Freibordhöhe zu legen.
Wichtig ist die Frage, von welchem Punkte des Schiffes das Maß von 15
oder 25 cm abzusetzen ist. Im allgemeinen ist dies der tiefste Punkt der
Bordoberkante, des Schandecks, des Stringers oder des etwa noch fest auf-
gesetzten durchlaufenden Winkels. Bei Schiffen mit festem Deck wird ein
wasserdicht aufgesetztes Luksüll oder ein Tennebaum in die Bordhöhe ein-
gerechnet; jedoch darf die obere Eichebene niemals höher liegen als der
Stringer oder das Schandeck. Ein »festes Deck« ist bei Luksüllen nur anzu-
nehmen, wenn der Laderaum mehr als zur Hälfle mit einem festen Deck ver-
sehen ist. Bei Dampfschiffen ist die Freibordhöhe vom tiefsten Punkte der
am tiefsten liegenden Fensteröffnung abwärts zu messen.
Als Eichraum gilt der Raum, der von der Leerebene, der oberen Eich-
ebene und den dazwischen liegenden Außenseiten der Bordwände begrenzt
wird. Zur Feststellung seiner Größe wird in halber Höhe zwischen den vor-
genannten Ebenen noch eine dritte wagerechte Ebene, die »mittlere Einsen-
kungsebene«, geleg^. Zur Berechnung werden durch die Enden der Leer-
i) Der Verband der Vereinigten Transportversicherungsgesellschaften für die östlichen
deutschen Wasserstraßen, über den unten Näheres mitgeteilt werden wird, verlangt eine Freibord-
höhe von 39 cm.
Die Eichung. 258
ebene vorne und hinten zwei senkrechte Querschnitte, rechtwinklig zur Längs-
achse des Schiffes gelegt. Es werden dann zuerst die Flächeninhalte der
Einsenkungsebenen des so gebildeten mittleren Eichraums ermittelt. Dazu
wird seine Länge zwischen den vorbezeichneten Querschnitten gemessen und in
eine gerade Anzahl gleicher Teile (m) zer-
legt, die bei einer ganzen Länge bis zu 20 m
nicht größer als 3 m, bei einer größeren -^ .j\- — ^r^Äisi^Jin^^ ^^
.1
Länge nicht größer als 5 m sein sollen. : XjfmJ^eEidi^ene
In allen diesen Teilpunkten sowie an den ; \ "^^
Enden werden die Breiten der drei Ebenen ->-L_\ l^Jy^^m,
senkrecht zur Mittellinie gemessen, indem , " —
man außen die Längen ;r, /, z auf einer
Schiffseite mißt und ihre doppelte Länge von der Gesamtbreite B (Abb. 24)
abzieht. Der Flächeninhalt jeder Ebene in m"* ist dann nach der Gleichung:
F = — [a -f-4-^-f-2-^ + 4-rf-f- 2 -^4- ... -f 2-/ 4- 4? + ^)
3
zu berechnen, wobei a bis r die gemessenen Breiten und m den Abstand je
zweier Breiten bezeichnen. Es bleibt noch der Flächeninhalt der im Vorder-
und Hinterteil gelegenen Abschnitte der oberen und der mittleren Einsenkungs-
ebene zu berechnen. Die entsprechenden Maße x und y werden von dem
Vor- und Hintersteven in der Mittellinie des Schiffes gemessen, gleichzeitig
auch die Breiten der Steven, falls das Schiff nicht scharf gebaut ist. Wenn
diese Flächen Dreiecke oder Trapeze sind, wird ihr Inhalt nach bekannten
Regeln ermittelt. Sind die Seitenwände gekrümmt, so wird noch je eine
mittlere Breite gemessen und dann der Flächeninhalt wie oben nach der Glei-
ffi
chung /^= — [a -^^ ä^b '\- c) berechnet. Wenn auf diese Weise der gesamte
Flächeninhalt der oberen Eichebene ( ö), der mittleren Einsenkungsebene [M)
und der Leerebene [L] ermittelt ist, ergibt sich der kubische Inhalt des ganzen
Eichraums [E] in m^ aus der Gleichung: ^= (Ö+ \M -\- L) = Trag-
fähigkeit*).
Der zwischen der oberen Eichebene und der mittleren Einsenkungs-
ebene gelegene Teil des ganzen Eichraums oder die obere Eichschicht
ist=— (ö-f J/) und die untere Eichschicht = £ — — (0 + M) .
4 4
Für jedes geeichte Schiff ist ein Eichschein auszufertigen, der für jede
zur Leerebene gleichlaufende Eintauchung um je 2 cm, von der Leerebene bis
zur oberen Eichebene, das Ladungsgewicht in Tonnen angibt. Zur Ermittelung
dieses Gewichts wird sowohl der Rauminhalt der oberen wie der unteren Eich-
schicht durch die halbe Anzahl der Zentimeter ihrer Höhe geteilt. In der
i) Diese einfache Formel war schon 1888 von dem Zentralverein für deutsche Binnen-
schiffahrt vorgeschlagen worden.
254 Abschnitt I. Allgemeines über BinnenschilTe.
Regel ist also das Gewicht einer 2 cm hohen Eichschicht in der oberen oder
in der unteren Eichschicht von einander verschieden. Wenn die Eintauchung
nicht mit einer Marke des Eichpegels zusammenfallt, sondern zwischen zwei
Marken liegt, so ist sie bis auf 2 cm festzustellen, wobei Maße unter i cm
unberücksichtigt bleiben, größere aber als 2 volle Zentimeter angenommen
werden.
Ist die Eintauchung nicht an sämtlichen sechs Eichpegeln gleich groß, so
wird die Summe der Angaben von allen 6 Pegeln durch 6 geteilt und gilt
die gefundene Zahl als Eintauchung des Schiffes.
Um das geeichte Schiff" unzweifelhaft wiederzuerkennen, werden be-
sondere Erkennungsmaße aufgenommen und in den Eichschein eingetragen.
Dies sind die senkrechten Abstände der oberen Bordkante, von den obersten
Marken der sechs Eichpegel. Ferner wird neben jeder Leermarke und neben
dem höchsten Punkte jedes Eichpegels das Eichzeichen angebracht. Dies
geschieht durch einen Stempel, der bei hölzernen Schiffen eingebrannt und
bei eisernen eingeschlagen wird. Er ist kreisrund, enthält oben ein E als
Abkürzung fiir den Strom (Elbe), darunter links ein P oder S oder H usw.
als Abkürzung für den Staat (Preußen, Sachsen oder Hamburg usw.) und rechts
den durch den ersten und den letzten Buchstaben abgekürzten Ort der Eich-
behörde (Dn fiir Dresden, Mg für Magdeburg usw.). Die Buchstaben in latei-
nischer Schrift sollen i cm hoch sein. Außerdem ist außen am Schiffe eine
Inschrift anzubringen — in der Regel an beiden Seiten des Bugs — , die
in deutlich lesbarer Schrift von mindestens 1 5 cm Höhe außer den Angaben
des Eichzeichens die Tragfähigkeit (auf ganze Tonnen ab-
gerundet) und darunter die Nummer angibt, unter der das
Schiff in dem Verzeichnis der Eichbehörde eingetragen ist,
in nebenstehender Form.
Diese Inschrift ist schwarz auf weißem Grunde oder weiß auf schwarzem
Grunde aufzumalen. Um die Richtigkeit der Angaben des Eichscheins wieder
festzustellen, sind Eichprüfungen vorgesehen, die bei hölzernen Schiffen
alle fünf Jahre, bei eisernen Schiffen (mit eisernen oder hölzernen Böden) alle
zehn Jahre vorgenommen werden sollen. Ferner soll eine Eichprüfung späte-
stens drei Monate nach Vollendung jedes Umbaus, nach jeder größeren Aus-
besserung und nach jeder Beschädigung oder Beseitigung der Leermarken
oder Eichzeichen ausgeführt werden.
Die Gebühren fiir die Eichung und die Ausstellung des Eichscheins betragen:
1. Bei der ersten und jeder wiederholten vollständigen Eichung fiir jede Tonne Tragfähigkeit
5 Pfennig, mindestens aber 2 Mark. Eichklammem und Nägel liefert die Eichbehörde
umsonst und bringt auch die Inschrift an, während die Kosten fUr die Anbringung der
Eichpegel vom Schiffseigner zu tragen sind.
2. Bei einer nur zur Erneuerung der Eichklammem oder des Eichscheins führenden Eich-
prüfung ist die Hälfte der Gebühr zu zahlen.
3. Für eine weder zur Neueichung noch zur Emeuemng der Eichklammem oder des Eich-
scheins führenden Eichprüfung ist nichts zu zahlen.
Die Eichung. 255
4. Wenn die Eichang oder Eichprüfung auf Antrag nicht am Sitz der Eichbehörde vorge-
nommen wird, hat der Schiffseigner einen geeigneten Platz zur Verfügung zu stellen und
außer den Gebühren die der Eichbehörde erwachsenden baren Auslagen zu zahlen.
5. Bis die Gebühren und Kosten gezahlt sind, kann die Aushändigung des Eichscheins ver-
weigert werden.
Als Eichbehörden sind meistens staatliche Wasserbaubehörden, als
oberste Prüfungsbehörde für die deutschen Eichbehörden ist das Kaiserliche
SchifTsvermessungsamt in Berlin bestellt. Dieses ist befugt, den Eichbehörden
hinsichtlich der Handhabung der Eichordnung technische Anweisungen zu
geben, die Aufzeichnungen und Berechnungen einzusehen und die Abstellung
der gefundenen Mängel herbeizufuhren. Sie liefert auch die zur Eichung
erforderlichen Meßwerkzeuge.
Der Eichschein enthält:
1. Hauptangaben: die Tragfähigkeit in Tonnen, die Zeitdauer der Gültigkeit der Eichung,
die Nummer in dem Verzeichnis der Eichbehörde und die Zeitdauer der Gültigkeit der
Eichprüfung.
2. Schiffsbeschreibung: Bauart, HauptbaustofT, Art der Eindeckung, die größte Länge
des Schiffes (ohne Steuer) über alles gemessen und die größte Breite einschließlich der
Scheuerleisten.
3. Erkennungsmaße: die senkrechten Abstände der Bordoberkanten von den obersten
Marken der 6 Eichpegel.
4. Grundmaße der Eichung: die Höhe der oberen Eichebene über dem Nullpunkt der
Eichpegel (Ladetiefe), die Höhe der Leerebene über diesem Nullpunkt (Leertiefe) und die
Höhe des Eichraums.
5. Ergebnisse der Eichprüfung: den Abstand des tiefsten Punktes des Schiffsbodens
unter dem Nullpunkt eines der Eichpegel, den durchschnittlichen senkrechten Abstand der
Leermarken von der wirklichen Leerebene.
6. Aufgemessene Längen und Breiten der mittleren Abteilung des Eich raums und der
vorderen und hinteren Teile der mittleren Einsenkungsebene und der oberen Eichebene.
7. Völligkeitsgrad des Eichraums.
8. Nachweis der Tragfähigkeit filr je 2 cm Mehrtauchung fortschreitend von der Leer-
ebene bb zur oberen Eichebene in Tonnen.
Diese Eichordnung ist keine Polizeivorschrift, es wird kein
Zwang zur Eichung ausgeübt. Es ist aber darin die Bestimmung enthalten,
daß die älteren Meßbriefe und Eichscheine zwei Jahre nach der Einführung
der neuen Ordnung ungültig werden und den öffentlichen Glauben verlieren.
Außerdem ist vorgesehen, daß, wenn die regelmäßige oder von der Polizei-
behörde beantragte Eichprüfung unterbleibt, die bewirkte Eichung ungültig und
der Eichschein eingezogen wird. Wird er nicht abgeliefert, so ist die Ungültig-
keit bekannt zu machen. Es ist also jedem Schiffseigner überlassen, bei einer
beliebigen Eichbehörde den Antrag auf Eichung oder Eichprüfung zu stellen
oder nicht. Andererseits bestehen aber für den Verkehr auf Wasserstraßen,
wo Schiffahrtabgaben erhoben werden, gewisse Vorschriften, nach denen die
Eichung für den Schiffer notwendig oder doch vorteilhaft ist, weil die Abgaben
meistens nach der Ladung oder nach der Tragfähigkeit berechnet werden.
Die vorstehend mitgeteilte Eichordnung fiir die Elbe ist gleichlautend
im Jahre 1900 auch fiir die Weser und alle östlichen preußischen
Wasserstraßen eingeführt worden.
256 Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe.
Im Rheingebiet wurde im Anschluß an den Brüsseler Vertrag von
1898 (S. 251) von den Staaten Baden, Baiern, Elsaß-Lothringen, Hessen
und Preußen im Jahre 1900 eine gleichlautende »Eichordnung fiir die Rhein-
schiffe« erlassen, die 1902 auch von Württemberg angenommen wurde.
Die wesentlichen Unterschiede von der Eichordnung für die Elbe sind folgende:
Die Freibordhöhe wird von der »Schiffsuntersuchungskommission« für
jedes Schiff unter Berücksichtigung der schiffahrtpolizeilichen Vorschriften fest-
gesetzt, die im allgemeinen für Schiffe ohne festes Deck oder ohne festen
Tennebaum 30 cm Freibord verlangen. Die so bestimmte oberste Eichebene
wird durch Einsenkungsklammern bezeichnet, während die Leermarken
-ocm ► fortfallen. Die Klammern, »Eichplatten«, haben die
g nebengezeichnete Form und werden über jedem
-* Eichpegel so angebracht, daß ihre Unterkanten in
Mz 117 D
der obersten Eichebene liegen. Auf den beiden hintersten Eichplatten werden
mittels Buchstaben und Zahlen von 2 bis 2,5 cm Höhe eingeschlagen:
1. Die Erkennungsbuchstaben des Eichamts (Mm = Mannheim, Sr = Speyer,
A = Aschaffenburg, W = Würzburg, St.R = Straßburg, Mz = Mainz,
RS.Cz = Koblenz, RS.C = Köln, RS.D = Duisburg, RS.R = Ruhrort
und Hn = Heilbronn).
2. Die Ordnungsnummer der Eintragung in die Liste des Eichamts.
3. Der Erkennungsbuchstabe des Landes (D = Deutschland).
Diese Angaben sind auch in die Bordwand des Vorschiffs auf der Steuer-
bordseite, etwa in Höhe der Eichplatte, einzuhauen und außerdem auf dem
Hinterteil steuerbordseits in mindestens 1 5 cm hohen lateinischen Buchstaben
und arabischen Ziffern deutlich erkennbar aufzumalen.
Die Eichpegel (Eichskalen) werden ähnlich wie bei der Elbe an der
Schiffswand bezeichnet; aber ihr Nullpunkt liegt nicht in der durch den tief-
sten Punkt des Bodens gelegten wagerechten Ebene, sondern in der Leer-
ebene. Da die großen eisernen Rheinschiffe meistens im leeren Zustande
steuerlastig sind und durch Verschieben der an Bord befindlichen Ge-
wichte nicht in eine angenähert wagerechte Lage gebracht werden können,
so wird von der Schiffsuntersuchungskommission die zulässige größte Ein-
tauchung dadurch bestimmt, daß an jedem Eicbpegel die zulässige »Lade-
höhe« festgesetzt und durch die Eichplatte bezeichnet wird. Diese Lade-
höben sind bei steuerlastigen Schiffen an den vorderen Eichpegeln meistens
größer als bei den hinteren und die oberste Eichebene (»tiefste Einsenkungs-
ebene«) ist nicht gleichlaufend (parallel) mit der Leerebene. Schiffe von
weniger als 40 m Länge erhalten nur 4 Eichpegel, die etwa in den End-
punkten des ersten und zweiten Drittels der Schiffslänge angebracht werden.
Für die Berechnung des Eichraums gibt die Brüsseler Übereinkunft
etwas andere Vorschriften. Der Eichraum wird (von der Leerebene begin-
nend) durch wagerechte Ebenen in Eichschichten von einem Dezimeter
Höhe geteilt. Wenn es jedoch die Formen des Schiffes gestatten, können
Die Eichung. 257
mehrere Schichten für die Berechnung vereinigt werden. Der Rauminhalt
jeder Eichschicht ergibt sich durch Multiplikation ihrer Höhe mit der halben
Summe der Flächeninhalte der sie begrenzenden oberen und unteren Ein-
senkungsebenen. Teilt man den Inhalt einer Eichschicht durch die ihre Höhe
bezeichnende Zahl von Zentimetern, so erhält man die Wasserverdrängung
des Schiffes für jedes Zentimeter der Eintauchung dieser Eichschicht. Ent-
sprechend diesen Anordnungen wird die Tragfähigkeit im Eichschein nur für
jedes Dezimeter Mehrtauchung von der Leerebene bis zur obersten Eichebene
angegeben und die Tragfähigkeit für die einzelnen Zentimeter ist durch einfache
Berechnung hinzuzusetzen.
Der Eich schein enthält eine ausfuhrliche Zusammenstellung des Ge-
wichts der bei der Eichung auf dem leeren Schiff befindlichen Gegenstände
(Ausrüstung, Einrichtungsgegenstände, Vorräte) und der Bemannung. Ferner
sind für das Vor-, Mittel- und Hinterschiff die an den Eichpegeln festgestellten
Maße für die » Bodentiefe c (Tauchtiefe oder Einsenkungstiefe des leeren Schiffes),
für die Ladehöhe und für den Freibord aufgeführt. Auch ist eine Handskizze
beigegeben, aus der die Form des Schiffes und die Lage der Querschnitte
mit den wichtigsten Abmessungen ersichtlich ist.
Eich Prüfungen in bestimmten Zeiträumen sind nicht vorgeschrieben.
Sie finden aber auf Antrag des Schiffseigners statt. Ein neuer Eichschein
wird nur ausgestellt, wenn das Ergebnis über i v. H. von der ersten Eichung
abweicht. Der Eichschein verliert seine Gültigkeit, wenn ein Umbau oder
eine wesentliche Änderung des Schiffes oder eine Veränderung in der Höhe
der Leerebene stattgefunden hat.
Auch die Gebühren sind anders festgesetzt. Es sind zu zahlen:
für Schiffe .
•
. . bis i
zu 50 t
Tragfähigkeit
6 Mark
von
50,1 bis
100 >
15 '
IOO,X >
200 >
25 1
200,1 >
300 »
30 1
300,1 »
400 >
35 '
400,1 >
500 »
40 1
500,1 •
750 »
50 '
750,1 *
1000 »
60 >
1000,1 >
1500 *
70 .
• *
. , über
1500 >
80 :
Dampfschiffe haben einen
Zuschlag von 10 Mark
zu zahlen
. Wenn bei der Eichprüfung
ein neuer Eichschein nötig ist,
ist die volle Gebühr, i
anderenfalls nur die
halbe zu entrichten.
In Holland ist im Juli 1899 eine entsprechende Verordnung erlassen.
Ein Unterschied besteht gegen die deutsche hinsichtlich der Festsetzung der
obersten Eichebene und der Freibordhöhe. Während bei den gedeckten
Lastschiffen ohne eigene Triebkraft die Bestimmungen der Rheinschiffahrt-
polizeiordnung maßgebend sind, wird bei Dampfschiffen die oberste Eichebene
durch die Unterseite der Fensterlöcher in der Bordwand und bei offenen
Schiffen durch den niedrigsten Punkt der festen Bordwand gelegt. Dadurch
ergibt sich im letzteren Falle eine verhältnismäßig größere Tragfähigkeit.
Teubert, Btnnenschiffahrt. |m
258 Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe.
Auch die Gebührenordnung ist etwas anders gestaffelt, aber nicht wesent-
lich verschieden.
Die an den niederländischen Rheinwasserstraßen gelegenen Eichämter sind
Rotterdam (R), Amsterdam (Am), Utrecht (U), Dortrecht (D) und Amhem (Ah).
Für die Kanalschiffe in Elsaß-Lothringen ist im Jahre 1900
eine Eichordnung erlassen, die der Brüsseler Übereinkunft entspricht. Ab-
weichend von den Vorschriften am deutschen Rhein und in Holland gilt als
Eichraum »der zwischen den Außenflächen der Schiffswandungen liegende
Raum, der oben von der Ebene der tiefsten zulässigen Eintauchung und unten
von der wagerechten Ebene begrenzt wird, die durch den tiefsten Punkt
der äußeren Fläche des Schiffsbodens geht«. Der Inhalt dieses Eich-
raums ist mithin nicht die Tragfähigkeit, sondern die ganze Verdrängung,
von der man das tote Gewicht (Eigengewicht, Ausrüstung, Bemannung und
deren Vorräte, Leckwasser usw.) oder die Verdrängung beim Leergang ab-
ziehen muß, um die Tragfähigkeit zu erhalten. Um die Eichschichten in be-
quemer Weise auch im untersten Teil zu messen, werden alle schweren Aus-
rüstungstücke u. dgl. vom Schiffe genommen, damit es möglichst flach
schwimmt. Die Messungen werden dann wie am Rhein vorgenommen, indem
man zwei senkrechte Ebenen rechtwinklig zur Längsachse durch das Schiff
legt und so jede wagerechte Schnittebene in Dezimeterabstand in drei Teile:
Vor-, Mittel- und Hinterschiff zerlegt, deren Flächeninhalte einzeln ermittelt
werden. Der Inhalt der Eichschichten wird für jedes Dezimeter Eintauchung
berechnet, sowie auch von Zentimeter zu Zentimeter für einige Zentimeter
oberhalb und für einige Zentimeter unterhalb der »normalen Leerebene«. Die
letztere wird dazu ebenso wie am Rhein ermittelt, nachdem das ganze tote
Gewicht wieder hergestellt ist. Man ist auf diese Weise in der Lage, auch
bei verändertem Leergang die Tragfähigkeit genau berechnen zu können.
Die Freibordhöhe muß bei den elsaß-lothringischen Kanälen 0,1 m
betragen. In dieser Höhe sind die Eichplatten beiderseits mittschiffs anzu-
bringen. Sie entsprechen genau denen am Rhein und tragen als Abkürzung
des Eichamtes die Buchstaben St.K (Straßburg, Kanalschiff). Es werden
4 Eichpegel angebracht, deren Nullpunkte in der Ebene des tiefsten Punktes
des äußeren Schiffsbodens liegen. Bei Holzschiffen bestehen die Pegel aus
5 cm breiten, von der Verwaltung gelieferten Metallstreifen, in die die Teilung
eingearbeitet ist. Diese Pegelbänder werden um einige Millimeter in das Holz
eingelassen und mit kupfernen oder verzinkten eisernen Nägeln befestigt. Bei
eisernen Schiffen wird die Teilung durch Körnerschläge in 20 cm Höhenab-
stand bezeichnet und dann in Ölfarbe gemalt.
Die Erkennungszeichen (Eintragungsmarken) werden mit Ölfarbe auf
dem Schiffshinterteil aufgemalt, sowie binnenbords an besonders geeigneten
Stellen des Stevens eingebrannt oder eingeschlagen.
Die Eichscheine und die Eintragungen entsprechen den Vorschriften
am Rhein. Im Eichschein ist der lotrechte Abstand zwischen dem tiefsten
Die Eichung. 259
Punkt des SchifTsbodens und der Leerebene angegeben, sowie die Zunahme
der Wasserverdrängung von Dezimeter zu Dezimeter oder von Zentimeter zu
Zentimeter über der Leerebene und einige Zentimeter unter ihr.
Durch die Polizeiordnung ist vorgeschrieben, daO alle Schiffe von
mindestens 50 t Ladefähigkeit geeicht werden müssen.
Die in Frankreich im Jahre 1899 entsprechend der Brüsseler Überein-
kunft eingeführten Vorschriften über die Eichung (jaugeage) und Eintragung
(immatriculation) aller SchifTe weicht von den Bestimmungen in Elsaß-Loth-
ringen nur wenig ab. Für die Freibordhöhe besteht kein einheitliches
Maß: Es schwankt auf den einzelnen Wasserstraßen. Die Bestimmung der
Leerebene und die Berechnung der Eichschichten ist die gleiche; unter der
Leerebene wird die Berechnung noch auf i Dezimeter Höhe durchgeführt und
in dem Eichschein für jedes Zentimeter angegeben. Die Eichpegel für Holz-
schiffe bestehen aus Kupferstreifen. Bei Schiffen über 40 m Länge sind deren
sechs vorgeschrieben, die in 2— 5 und 10 cm eingeteilt sind. Alle Schiffe sind
zur Eichung und Eintragung verpflichtet; es werden aber von französischen
Schiffen keine Gebühren erhoben. Wenn ausländische Schiffe neu geeicht
werden, so werden die Gebühren nicht höher berechnet, als in der Heimat des
betreffenden Schiffseigners. Dorthin wird auch die Eichverhandlung übersandt.
Das amtliche Verfahren ist anders als in Deutschland. Die 84 in Frank-
reich bestehenden Eichungstellen sind 12 Oberingenieuren (Ingenieur en chef)
unterstellt, bei denen die Schiffsregister gefuhrt werden. Der Amtsitz dieser
Oberingenieure wird durch bestimmte Buchstaben nebst der Eintragungs-
nummer auf den Eichplatten vermerkt. Der Antrag auf Eichung geht an den
Oberingenieur und dieser bestimmt die für das Schiff nächstgelegene Eichung-
stelle. Wenn nach größeren Ausbesserungen eine neue Eichung nötig ist,
kann sie von jeder beliebigen Eichungstelle ausgeführt werden; der neue
Eichschein wird auf Grund des übermittelten Eichprotokolls jedoch wieder von
dem Oberingenieur ausgestellt, bei dem das Schiff ursprünglich eingetragen
war. Es bleibt mithin stets in seinem Register. Dies Verfahren scheint
zweckmäßiger als das deutsche zu sein.
In Belgien bestehen annähernd die gleichen Vorschriften für die Eichung
wie in Frankreich.
Für eine unbeschränkte Freizügigkeit der Schiffe und gegenseitige
Anerkennung der Eichung ist nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch
im Verkehr mit den benachbarten Staaten: Holland, Belgien und Frankreich
ausreichend gesorgt. Die betreffenden Zentralbehörden und die Eichbehörden
stehen miteinander stets in Verbindung behufs Berichtigung ihrer Eichregister
und der Überwachung der Eichungen und Eichprüfungen.
Für den Dortmund-Ems-Kanal ist im Jahre 1901 eine Eichordnung
erlassen, die in vielen Funkten mit den deutschen Vorschriften für den Rhein
übereinstimmt, in mancher Beziehung aber den Anordnungen der Eichordnung
für die östlichen Wasserstraßen entspricht. Wie am Rhein liegen die
17*
260 Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe.
Nullpunkte der Eichpegel (Eichskalen) in der Leerebene und die Berechnung
des Eichraums erfolgt zunächst in Schichten von je einem Dezimeter Höhe.
Aber die Lage der oberen Begrenzung des Eichraums durch die oberste
Eichebene (»Ebene der zulässigen größten Einsenkung«) wird durch die poli-
zeilich vorgeschriebene Freibordhöhe wie auf den östlichen Wasserstraßen
bestimmt. Sie beträgt für offene Schiffe 20 cm und für gedeckte 15 cm.
Mittschiffs wird diese tiefste zulässige Einsenkung auf beiden Seiten durch je
eine Eichplatte bezeichnet, die wie am Rhein eingerichtet ist. Die Erken-
nungsbuchstaben der Eichbehörden sind D.E.K., mit darunter gesetztem D
(Dortmund), M (Meppen) oder E (Emden). Femer ist auf den Eichplatten
außer den Ordnungsnummern und dem Buchstaben D dir Deutschland noch
die ermittelte Tragfähigkeit (wie auf den östlichen Wasserstraßen) vermerkt.
Die Leerebene wird am Schiffe durch Leermarken (Eichklammem oder
Kömerschläge) wie bei der Elbe bezeichnet.
Der Eichschein entspricht vollkommen den Vorschriften für den Rhein;
die Tragfähigkeit wird jedoch wie bei der Elbe für die um je 2 Zentimeter zu-
nehmende Eintauchung berechnet. Die Eichprüfungen und Gebühren sind
wie am Rhein geregelt.
Während bei allen nach der Brüsseler Übereinkunft erlassenen Eichord-
nungen einschließlich der für den Dortmund-Ems-Kanal eine sehr sorgfaltige
Berechnung des Eichraums durch Zerlegung in Schichten von je o, i m Höhe
erfolgt, hat man sich, wie wir gesehen haben, bei der Weser und allen öst-
lichen preußischen Wasserstraßen mit der Berechnung von nur 2 Schichten
(obere und untere Eichschicht) begnügt. Man ist dabei von der Ansicht aus-
gegangen, daß für diese verhältnismäßig niedrigen und leicht gebauten Schiffe
die große im Rheingebiet angewendete Sorgfalt besonders in Rücksicht auf
ihre starke Durchbiegung in beladenem Zustande entbehrlich ist.
Bei der für die österreichische Donau im Jahre 1898 erlassenen Eich-
ordnung ist man in der Vereinfachung der Berechnung noch weiter gegangen.
Ähnlich wie bei der Eichordnung für die Elbe wird die Leerlinie (»untere Tau-
chungsebene«) durch eiserne Klammern und die Freibordhöhe (»obere Tau-
chungsebene«) im Abstände von 24 cm vom niedrigsten Punkte der Bordwand
durch die 10 cm lange Unterkante eines rechteckigen Eichstempels bezeichnet,
der abgekürzt die Eichbehörde, die Nummer des Eichscheins und das Jahr
der Eichung trägt.
Die Berechnung des Inhalts des Eichraums zwischen den beiden oben ge-
nannten Tauchebenen geschieht mittels einer mittleren Schwimmebene, die in
halber Höhe wagerecht gelegt wird. Die Länge dieser Ebene wird gemessen
und in 6 gleiche Teile zerlegt. In den Teilpunkten werden die Breiten in ähn-
licher Weise wie bei der Elbe (vgl. die Maße y auf Abb. 24) gemessen und
dann der Inhalt des Eichraums oder die Tragfähigkeit (7^ nach der Gleichung
r= v././^[^^+^, + 4(^^ + ^3 + ^j + 2(^, + ^j]
Die Eichung. 261
berechnet, worin / den sechsten Teil der Länge der mittleren Ebene, H den
Abstand der oberen von der unteren Tauchebene und b^ bis b^ die gemes-
senen Breiten bedeuten. Eichpegel werden nicht angebracht. Auch Eich-
prüfungen werden nur nach Umbauten und Ausbesserungen, auf behördliche
Anordnung oder auf Antrag des Schiffseigners vorgenommen. Die Gebühren
betragen bei einer Tragfähigkeit von 50 Tonnen 4 Kronen und steigen auf
14 Kronen bei 300 Tonnen. Schiffe von mehr als 300 Tonnen haben 20 Kronen
zu zahlen.
Der Eichschein enthält die oben erwähnten Messungszahlen und die er-
mittelte Tragfähigkeit in Tonnen, außerdem Namen und Wohnort des Eigen-
tümers und Erbauers, Zeit und Ort der Eichung, sowie die Ausrüstung und
Bemannung während der Eichung.
Diese sehr einfache Art der Vermessung wurde früher im Königreich
Sachsen angewendet und scheint für leichte, offene, hölzerne Schiffe von
geringer Größe ausreichend genau zu sein. Die österreichische Eichordnung
gilt auch nur für hölzerne Donauschiffe. Für die eisernen Lastschiffe, die
ausschließlich den großen Dampfschiffahrtgesellschaften gehören, hat man von
einer polizeilich vorgeschriebenen Eichung abgesehen und begnügt sich mit
den beim Bau der Schiffe aufgestellten Lasten maßstäben, wie sie oben
(S. 246) beschrieben wurden.
Das Gewicht der jeweiligen Ladung des Schiffes soll aus der Ablesung
der Eichpegel festgestellt werden. Wenn man selbst annimmt, daß die Leer-
ebene, also das tote Gewicht, seit der Eichung unverändert geblieben ist, so
wird das Schiff doch in der Regel nicht in einer wagerechten Wasserlinie
schwimmen, d. h. die Ablesungen an den Eichpegeln werden verschieden sein.
Dazu kommt die bei allen beladenen Schiffen mehr oder weniger beträchtliche
Durchbiegung nach unten. Wenn man nach deutscher Vorschrift aus den
Ablesungen an den 6 Pegeln das arithmetische Mittel bildet, so wird nach
dem Eichschein sich die Ladung in der Regel zu klein ergeben.
Es kommt ferner auf die Genauigkeit der Ablesung an, die selbst bei
ruhigem Wasserspiegel an den nach Doppelzentimetern eingeteilten Eichpegeln
kleinere TeUe als ein Zentimeter in der Regel nicht mit Sicherheit schätzen
kann. Der einer solchen Schicht von i cm Höhe entsprechende Ladungsteil
ergibt sich aus der nachstehenden Tafel, wobei für den Völligkeitsgrad der
obersten Wasserlinie (a) ein durchschnittlicher Wert eingesetzt worden ist.
Das Gewicht der Ladung kann also durch Ablesen der Eichpegel nur
angenähert festgestellt werden und die etwa für die Erhebung von Abgaben
und Gebühren hierauf gegründeten Tarife müßten innerhalb dieser Genauig-
keitsgrenzen abgestuft werden.
Auch bei der Verwendung der Gewichtsangaben der Eichscheine zu an-
deren Zwecken wird es sich empfehlen, stets das Ergebnis angemessen abzu-
runden, damit man sich und andere nicht hinsichtlich der Genauigkeit täuscht.
262
Abschnitt I. Allgemeines über Binnenschiffe.
Art des Schiffes
Flämische Penische. . . .
Flnowschiff
OderschifT
Dortmund-Ems-Kanalschiff .
Großes Eibschiff
Großes Rheinschiff ....
Gewicht einer
I cm hohen
Schicht
t
38,5
S,o
0,99
40,0
4,6
0,9a
55,0
8,0
0,90 .
67,0
8,2
0,92
75,0
10,6
0,91
87,0
11,0
0,90
1,90
1,69
4,06
5,05
7,23
8,61
Schließlich kommt man mit Seh ro mm') rückwärts zu der Überzeugung, daß
das überaus sorgialtige aber umständliche Eichungsverfahren, wie es im Rhein-
gebiet und in Frankreich üblich ist, ohne Nachteil vereinfacht werden könnte.
Die Eichung von Schlepp- und Personendampfern scheint überflüssig.
Es muß noch auf den Unterschied von Flußwasser und Seewasser
hingewiesen werden. Da das letztere schwerer ist, so ist bei gleichem Schiffs-
gewicht der Rauminhalt der Verdrängung kleiner als im Flußwasser. Schiffe
mit derselben Ladung werden also im Seewasser weniger tief eintauchen als
im Flußwasser. Unter Umständen ist der Unterschied beträchtlich. Ein mit
i8iot beladenes Rheinschiff mit 2,27 m Tauchtiefe bei Köln wird in Ant-
werpen nur einen Tiefgang von etwa 2,24 m haben, was nach der Eichung
einen Gewichtsunterschied von etwa 28 t ergeben würde. Auf der Rückfahrt tritt
das Umgekehrte ein: Das Schiff wird auf dem Rhein etwa 3 cm tiefer eintauchen.
Die bisher beschriebene Vermessung der Schiffe nach der Wasserver-
drängung ist heute bei der Binnenschiffahrt fast allgemein üblich, während die
Vermessung nach dem Raumgehalt bei allen Seeschiffen die Regel bildet
Sie war früher in Holland und ist wohl heute noch in Nordamerika und in
einigen anderen Ländern auch bei der Binnenschiffahrt im Gebrauch. Bei dieser
Vermessung wird der zur Verfügung stehende Schiffsraum von innen, unter
Deck und in den festen Aufbauten über Deck ermittelt. Das Ergebnis in
Körpermaß heißt der Brutto-Raumgehalt. Von diesem werden die Räume
für die Schiffsmannschaft, für die Lenkung des Schiffes, für die Maschinen
und Kessel in Abzug gebracht und man erhält dann den Netto-Raumgehalt.
Über diese Abzüge bestehen in den verschiedenen Ländern abweichende Vor-
schriften, die häufig zu Streitigkeiten führen. Vorteilhaft ist diese Vermessung,
weil sie auf die Freibordhöhe keine Rücksicht zu nehmen hat. Die Berechnung
erfolgt nach Kubikmetern, die dann auf Registertonnen umgerechnet werden:
I m^ = 0,353 Reg.-Ton.; i Reg. -Ton. = 2,832 m^ (Für Raumgehalt sagt man
auch Tonnengehalt oder Tonnage.)
i] a. a. O. S. 2$o.
Abschnitt IL
Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
Im allgemeinen waren in alter Zeit die Lastschiffe auf den Binnengewässern
mehr oder minder roh aus Holz in ungeschickten Formen zusammengebaut,
wenn auch die Darstellungen von Nilbooten (Abb. i und 2), die in Ägypten
auf Steinbildwerken gefunden worden sind, bereits eine gewisse ausgebildete
Schiifsform mit erhöhtem Bug und Heck zeigen. Nachdem sich bei der
Seeschiffahrt die gerundeten Formen mit Kiel und stark erhöhtem Vorder-
und Hinterteil im Kampf mit Wind und Wellen bewährt hatten, sind Schiffe
von solcher Bauart auch auf den großen Strömen verwendet worden, wie man
aus alten Bildern ersehen kann. Auf kleineren, seichten Flüßen wird man
aber frühzeitig die Vorteile eines flachen Bodens erkannt haben, der sich dann
auch auf den großen Strömen eingebürgert hat. Bestimmte Nachrichten
darüber sind uns nicht bekannt geworden. Der Segelbetrieb war damals von
großer Bedeutung und die Masten waren fest, weil bis zum Anfang des
vorigen Jahrhunderts über die großen Ströme noch keine festen Brücken
führten und bei den kleinen Strömen die wenigen vorhandenen Brücken mit
beweglichen Durchlaßöffnungen versehen waren. Mit der Entwickelung der
Eisenbahnen kamen aber feste Brücken: Die Masten mußten beweglich gemacht
werden, die Takelung wurde einfacher, die Schiffe wurden vorne und hinten
niedriger und bekamen allmählich die Form eines prismatischen, an den Enden
zugespitzten Balkens, wie wir sie heute vor uns sehen.
Die Größe der Lastschiffe hat im Laufe der Zeit immer mehr zugenommen,
worauf wir bei dem geschichtlichen Rückblick im ersten Teile wiederholt hin-
gewiesen haben. In früheren Zeiten genügten kleine Schiffe für die Beförderung
der meistens kostbaren, aber wenig umfangreichen Waren und brachten auch
guten Verdienst. Kleine Schiffe konnten ferner mit menschlicher und tierischer
Kraft leicht stromaufwärts gezogen werden. Erst die Erfindung der Schlepp-
dampfer machte die Schiffahrt in dieser Beziehung unabhängig, so daß man
größere Schiffe baute und auch die Beförderung von Massengütern mit Vorteil
übernehmen konnte. Die Größe der Schiffe mußte sich aber den Verhält-
nissen der vorhandenen natürlichen Wasserstraßen anpassen, indem der Tief-
gang von den Fahrwassertiefen, die Breite durch die nutzbaren Wasserbreiten
264 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
und die Brückenweiten und die Länge durch die Krümmungen des Talwegs
und die Möglichkeit des Wendens begrenzt waren. Das zeigte sich besonders
nach dem Bau von Kanälen und es entstand das Bestreben, durch recht völlige
SchifTsformen namentlich die Schleusenabmessungen möglichst gut auszunutzen.
Innerhalb der voneinander abgeschlossenen Stromgebiete hat sich die
Form und Einrichtung der Lastschiffe im Laufe der Zeit meistens selb-
ständig fortentwickelt, weil bis zum 19. Jahrhundert infolge des Zunftwesens
und der mangelhaften Verkehrsmittel die Schiffer ebensowenig wie die Schiffe
aus ihrem Stromgebiet oder gar aus ihrem Stromabschnitt herauskamen. Das
Handwerk vererbte sich damals allgemein in den Familien, also auch bei den
Schiffern und Schiffbauern. Soweit die Stromgebiete nicht durch Kanäle
miteinander in Verbindung gebracht sind, bestehen daher heute, besonders in
Deutschland, hinsichtlich der Form sowie der Bau- und Betriebsweise der
Lastschiffe auf den einzelnen Wasserstraßen große Verschiedenheiten, die die
Beteiligten gerne aus der verschiedenen Natur der Ströme zu erklären ver-
suchen. Das trifft jedoch nicht immer zu: Es sind vielmehr zum Teil nicht
ganz berechtigte Eigentümlichkeiten, die lediglich auf Überlieferung zurück-
zufuhren sind. Es wird sich später wiederholt Gelegenheit finden, auf diesen
Umstand zurückzukommen. Es ist aber beachtenswert, daß, wenn auch die
Verschiedenheit der Seewege viel geringer ist als die der natürlichen Binnen-
wasserstraßen, das Seeschiff bei allen Kulturvölkern zu gleichen Zeiten ziem-
lich das gleiche gewesen ist. Und auch die Dampfschiffe der Binnenschiff-
fahrt zeigen in den verschiedenen Stromgebieten im wesentlichen die gleichen
Formen und Einrichtungen, weil sie zuerst über See zu uns kamen und ihre
Entwickelung nicht auf Überlieferung sondern auf dem Fortschritt der Wissen-
schaft beruht.
Wo, wie in Frankreich, alle Stromgebiete seit Jahrhunderten durch Kanäle
verbunden sind, ist die Verschiedenheit der Lastschiffe weniger auffallig und
das gleiche gilt für die östlichen deutschen Wasserstraßen.
Die Anforderungen, die man an ein Lastschiff von bestimmter Trag-
fähigkeit oder von vorgeschriebenen Abmessungen für Länge, Breite und
Tiefgang stellen muß, lassen sich «twa in folgenden Sätzen zusammenfassen:
1. Der Leertiefgang soll möglichst gering, das tote Gewicht also mög-
lichst klein sein. Da das tote Gewicht in bestimmtem Verhältnis zum Schiffs-
eigengewicht und dies wiederum in bestimmtem Verhältnis zu den Herstellungs-
kosten steht, so ist bei gleichen Baustoffen das Schiff mit dem kleinsten
Leertiefgang auch das billigste. Es ist ferner das wirtschaftlichste, weil die
vorhandene Fahrwassertiefe am besten ausgenutzt werden kann.
2. Die Form des Schiffes soll möglichst völlig sein, aber doch bei der
Fortbewegung eine gute Steuerfahigkeit und einen möglichst geringen Wider-
stand zeigen. Zur guten Steuerfahigkeit gehört neben einer ausreichenden
Ruderfläche und einer leicht beweglichen, empfindlichen Steuervorrichtung vor
allem eine schlanke Form des Hinterschiffs, die dem Wasser einen gleichmäßigen,
I. Grolle, Fonn und Einrichtxing der Lastschiffe. 265
ruhigen Zutritt zum Ruderblatt gewährt. Diese Form vermindert gleichzeitig
den SchifTswiderstand, der an anderer Stelle dieses Buchs behandelt werden
soll. Schon hier sei aber erwähnt, daß er durch g^roße VölHgkeit und durch
die Rauhigkeit der vom Wasser berührten Schiifswände besonders bei hölzer-
nem Boden vergrößert wird.
3. Das Schiff soll steif und fest sein. Im allgemeinen haben die üblichen
Lastschiffe der Binnenschiffahrt stets die nötige Steifheit (Stabilität); bei Ver-
wendung von besonderen Formen muß das aber untersucht werden (S. 240).
Die Festigkeit kann ohne Verschwendung von Baustoff nicht so groß gemacht
werden, um den Angriffen bei allen möglichen Unfällen zu widerstehen (S. 236).
Sie soll aber in dem ganzen Schiffskörper eine möglichst gleichmäßige sein,
d. h. wo die größten Angriffsmomente auftreten, sollen die größten Widerstands-
momente vorhanden sein.
4. Die Ladung soll in dem Schiffsraum gut und sicher untergebracht
werden können. Güter, die durch Wind, Staub, Regen oder Schnee leiden,
müssen in gedeckten Schiffen befördert werden, deren Laderäume außerdem
bei zollpflichtigen Waren verschließbar herzustellen sind. Andererseits muß
der Schiffskörper dicht sein, damit sowohl das Eintreten von Wasser wie das
Austreten von Stoffen verhindert wird, die das Wasser in gemeinschädlicher
Weise verunreinigen könnten, wie z. B. Fabrikrückstände, Abfallstoffe u. dgl.
Unter Umständen dürfen auch die Bordwände nicht zu hoch sein, damit ge-
wisse Waren, z. B. Steine, möglichst leicht aus- und eingekarrt werden können.
Von den zurzeit auf den deutschen Binnenwasserstraßen verkehrenden
Lastschiffen soll nachstehend eine Reihe von Beispielen*) mitgeteilt werden,
aus denen man erkennen wird, wie sie diesen Anforderungen entsprechen.
Lastschiffe auf den Wasserstraßen Ostdeutschlands, einschließ-
lich des Elbegebiets.
I. Der Kurische Reisekahn (Abb. 25 bis 28) ist ein hölzernes Haffschiff,
-das auf dem Memelstrom, Kurischen Haff, Deime, Pregel, Frischen Haff, bis
Elbing, auf der unteren Weichsel und bis Danzig verkehrt. Die auf diesen
Wasserstraßen vorhandenen Brücken sind mit Durchlaßöffnungen für die
festen Masten dieser Schiffe versehen. Sie tragen deren einen oder zwei (wie
in der Abbildung), zuweilen noch einen kleineren Treibermast am Heck. Sie
sind gedeckt und zum Segeln mit reichlicher, fester Takelung ausgerüstet.
Neuerdings werden nur größere Reisekähne von 100 t bis 250 t Tragfähig-
keit gebaut. Sie sind über alles 25 m bis 35 m (selten bis 40 m) lang, 5 m
bis 6,4 m breit und an der Seite mittschiffs 1,8 m bis 1,9 m hoch. Der
Leertiefgang beträgt etwa 0,4 m, der größte Tiefgang 1,6 bis 1,8 m. Die
i) Die Beschafiiing der nötigen Zeichnungen war mit Schwierigkeiten verknüpft. Der
Verfasser spricht an dieser Stelle allen Behörden, Vereinen, Schiffahrtgesellschaften, Schiff bau -
Anstalten und Freunden, die ihm dabei geholfen haben, seinen Dank aus.
KnriscbcT Reisekihn, Abb. 35 Us 18.
Abb. 15. Ansicht 1 : 300.
Abb. 26. Grundriß I : 300.
Abb. z8. Querschnitt ■ : 100.
I. Gnjße, Fonn imd Einrichtung der Lastschiffe. 267
SchiiTe sind sehr kräftig gebaut und darum schwer. Die Lebensdauer kann
30 Jahre betragen.
Der mittschiffs befindliche Laderaum hat im festen Deck auf ganzer Länge eine Luke, deren
Luksülle nach Art eines Tennebaums angeordnet und »Rieswftndec genannt werden. Der vordere
Teil ist 0,4 m hoch, der hintere ist höher und dient im hintersten Stück als Küche und Kajüten-
eingan^ (Abb. 25). Ringsherum läuft ein Bordgang von etwa i m Breite. Die Luke wird durch
gekrümmte Lukendeckel geschlossen, die auf Rinnsparren (>Rinnbogenc) ruhen. Zum Löschen
und Laden wird die Gaffel und eine einfache, am vorderen Mast angebrachte Winde benutzt,
die auch zum Verholen dient. Am Bug ist eine hölzerne Ankerwinde zwischen den Bordwänden
eingebaut, die mit hölzernen Handspeichen bewegt wird. Für den Boden wird in der Regel
Fichtenholz, im übrigen Eichen- oder Kiefernholz verwendet. Das kurze, hohe Ruder ist durch
Fingerlinge am Hintersteven befestigt.
Die Form ist aus den Linienrissen (Abb. 27) ersichtlich. Das Schiff hat viel Lehnung und
Ablauf, ist am Vorsteven scharf und nach dem Hintersteven stark eingezogen, sodaß es gut
steuert.
2. Der Boidack (Abb. 29 bis 31) ist ein offenes, hölzernes Flußschiff*, das
auf den meisten Wasserstraßen Ost- und Westpreußens verkehrt, aber im ali-
gemeinen nicht hafflüchtig ist. Es hat einen oder zwei feste Masten und
Sprietsegeltakelung einfacher Art. Neuerdings werden nur größere Boidacks
von 150 t bis 350 t Tragfähigkeit gebaut, die über alles 35 m bis 50 m lang,
5,5 m bis 7,5 m breit und an der Seite 1,3 m bis 2 m hoch sind. Der Leer-
tiefgang beträgt etwa 0,3 m, der größte Tiefgang i m bis 1,7 m. Die Schiffe
sind leicht gebaut und haben nur eine Lebensdauer von etwa 10 Jahren.
Im Hinterschiff ist eine Kajüte eingebaut, an die sich ein kurzes Hinterdeck anschließt.
Auf dem kurzen Vordeck ist gewönlich eine kleine eiserne Ankerwinde aufgestellt und darunter
befindet sich ein Schlaf- oder Geräteraum. Bei den Masten sind gleichfalls kleine Brilckendecks
angeordnet, die zur Versteifung dienen. Außerdem ist der Laderaum in Abständen von etwa 3 m
durch Duchten versteift. Zur Längsversteifung dient ein kräftiges hölzernes Kielschwein (Abb. 31)
ia der Mitte des Bodens, das >Kolsum< (wohl das englische Keelson = Kielschwein) genannt
wird, und zwei hölzerne innere Seitenstringer (»Weger«). Es wird zum Bau der Boidacks in der
Regel nur Kiefern- und Fichtenholz in schwachen Abmessungen verwendet. Das Steuerruder
ist als Schwebe- und Wippruder angeordnet und recht wirksam. Die vorne und hinten stark zu-
geschärfte Form ohne Ablauf ist ziemlich zweckmäßig, abgesehen von der starken Lehnung. In
neuester Zeit baut man in Ostpreußen boidackartige Schiffe auch aus Eisen oder Stahl bis zu
400 t Tragfähigkeit.
3. Die Wittinne (Abb. 32) ist ein roh aus Fichtenholz gezimmertes Schiff,
das aus Rußland stammt und ursprünglich nur zu einer einmaligen Fahrt auf
dem Memelstrom und dem Pregel abwärts bis Königsberg oder auf der
Weichsel abwärts bis Danzig bestimmt war. Die Tragfähigkeit geht bis zu
300 t Die Abmessungen schwanken von 20 m bis 65 m Länge und von
5 m bis 7 m Breite. Die Seitenhöhe ist 1,5 m bis 1,8 m und der Tiefgang
höchstens 1,2 m.
Der das Mittelschiff einnehmende Laderaum hat ein dachartiges Verdeck aus losen Brettern,
die auf leichten Sparren und Ständern ruhen. In der Mitte ist es hoch gehoben, damit das dort
am Boden in der »Gate« reichlich angesammelte Leckwasser durch Wurfschaufeln über Bord
geschafft werden kann. Der vorne und hinten scharf zugeschärfte Schiffskörper ist nur aus
leichten, dünnen Brettern gebaut, deren Fugen gewöhnlich mit Moos gedichtet werden. Das
lange Streichruder ruht in einem Ausschnitt der Bordwand neben dem Hintersteven, an dem es
durch Seile locker befestigt ist. Früher wurden die Wittinnen am Ende der Reise in Königsberg
Abschnitt E. Lutschlfie ohne eigene Triebkraft.
Boidack, Abb. ag bis 31.
und Diniig verkauft und meistens lersehlagen; mweilen wurden sie aber noch llDgere Zeit im
Ortsverkehr tat Beförderung von Baustoffen u. dgl. benutit In neuerer Zeit kommen nur sehr
wenig SchifTe dieser Art nach Deutsciilnnd.
4. Der Oberländer Kahn (Abb. 33 bis 35) ist das Hauptverkehrsmittei
auf der Wasserstraße, die von Elbing südlich durch den Drausensee mittels
der berühmten geneigten Ebenen zur Seenkette von Liebemühl, Deutsch-Eylau,
Saalfeld und Osterode führt und den allgemeinen Namen > Oberländischer
Kanal • (S. 13g) trägt. Wegen der Abmessungen der Schleusen und der Wagen,
die die Schiffe im Trocknen über die geneigten Ebenen fahren, dürfen die
Fahrzeuge nur eine Länge von 24,5 m, eine untere Breite von 2,5 m, eine
obere von 3 m, eine Tauchtiefe von i ,s m, eine Ladungshöhe über Wasser
. Grolle, Form nod EinrichtuDg der Listschiffe.
Oberllnder Ktlin, Abb. 33 bb 3S-
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Abb. 34. Qaersebnitt
Abb. 33. Aniichl i : too.
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Abb. 35. Linienrisse t : loo.
von 2,8 m und eine gröOte Ladung von 50 t haben. Es werden aber meistens
SchifTe von 60 t bis zu 70 t gebaut, weil gewöhnlich eine dazu ausreichende
Wassertiefe vorbanden ist. Die Schiffe bekommen in ihrem Boden einen Sprung
von etwa 15 cm in der Mitte (nach unten), damit sie auf dem i : 12 geneigten
SchifTswagen bei der Anfahrt festen Halt finden. Die Schiffe tragen meistens
einen groOen Mast mit Gaffelsegeltakelui^ und noch einen kloneren hinteren
Mast, die beide in Köchern zum Umlegen eingerichtet sind. Die Mehrzahl
der Schiffe ist von Holz; neuerdings werden aber- auch solche mit stählernen
Wänden gebaut, von denen hier ein Beispiel mitgeteilt ist,
Die RsamTcrteitimg ist ihnlich wie bei den Kurischen reisekahnen: eine grolle Lulte auf
dem festen Deck, nach Art eines Tennebaums angeordnet und mit Lulcendfckeln auf eisernen,
gekrflmmtcn Rinnsparren gescblossen. Der Boden besteht aus 75 mm starkem Fichtenholz, die
Wrangen sind aus 100 • 4 mm starken Blechen, die Spanten aus Jo - 50 ' ; mm starken Winkeln
270 Abschnitt II. Laatiehiffe ohne eigeae Tliebkraft.
hergestellt, die den Bordgang bildenden Stringerbleche 450 • 4 mm mit zwei 45 • 45 • 5 mm starken
Winkeln gesäumt. Die Bordwände sind 4 mm stark und durch Kimmwinkel mit dem Boden Tcr^
bunden. Die Form ergibt sich aus den Linienrissen (Abb. 35). Das Schiff hat die vorgeschriebene
Lehnung, aber keinen Ablauf und ist recht völlig.
5. Die Zille (Abb. 36 bis 42) ist ein offenes, leicht gebautes, hölzernes
Fluß- und Kanalschiff, das im Gebiet der Weichsel, Oder und Elbe verkehrt
und meistens in solchen Abmessungen gebaut ist, daß es auch durch den
Finowkanal (S. 135) fahren kann. Es hat deshalb in der Regel eine Länge
bis zu 40,2 m und eine größte Breite von 4,6 m. Es gibt aber auch Zillen
mit größeren Abmessungen bis zu 50 m Länge und 6 m Breite. Die kleinste
Seitenhöhe schwankt zwischen 1,6 m und 2 m. Die Zillen nach Finowmaß
haben eine Tragfähigkeit von 150 bis 220 t, die größten bis zu 300 t. Sie
stammen aus Böhmen. An der oberen Moldau werden sie aus 6 bis 7 cm
starken, oft waldkantigen Brettern aus Fichten- oder Tannenholz roh mit etwa
I m hohen Bordwänden zusammengebaut und mit Moos gedichtet (S. 1 88). Ihre
erste Fahrt machen sie, mit einem langen Streichruder, wie bei den Wittinnen,
versehen, nach Prag und von dort bis Außig, Tetschen oder Bodenbach, wo
die sogenannten »nackten« Zillen zu »Marktzillen« umgebaut werden. Man
nimmt sie dort aufs Land, gibt ihnen vorne und hinten durch Aufbiegen
des Bodens bessere »Kaffenformen«, vernagelt und verspundet die schlechten
Stellen, versieht sie mit meistens 1,6 m hohen Bordwänden und mit einem
Wippruder, baut eine Kajüte ein und teert sie. Mit dürftigster Ausrüstung
versehen, werden sie mit Braunkohlen, Basaltschotter oder Obst beladen und
machen eine Reise nach Magdeburg, Hamburg oder Berlin. Dort wurden sie
früher zerschlagen und als gebrauchtes Holz billig verkauft, da durch die
verdiente Frachtsumme die geringen Anschaffungskosten des Schiffes gedeckt
waren. Die sogenannte »Zillenschlächterei« bildete in diesen Orten einen
besonderen Gewerbebetrieb, da jährlich etwa 400 solcher Zillen nach Deutsch-
lang kamen. Seit vielen Jahren hat sich der Betrieb so geändert, daß diese
billigen, leichtgebauten Schiffe von deutschen Kleinschiffern gern gekauft und
noch 3 bis 4 Jahre lang zur Beförderung von Baustoffen und anderen wenig
wertvollen Waren benutzt werden. Zu diesem Zweck werden sie meistens
mit einer besseren Ausrüstung versehen, die gleichfalls nicht als neu, sondern
als schon gebraucht erworben zu werden pflegt. Die kurze Lebensdauer dieser
böhmischen Zillen erklärt sich aus dem schlechten, bald faulenden Bau-
stoffe und aus dem mangelhaften Verbände. An den Biegestellen des Bodens
zu den Kaffen bleiben kaum 4 cm Holz und die Kaffen (»Scharstücke« ge-
nannt) werden im Schleppzuge leicht von den Steuerrudern der benachbarten
Schiffe eingedrückt. Es kommt oft vor, daß, wenn man eine quer im Strome
liegende Zille durch einen Schleppdampfer aufrichten will, die ganze Seiten-
wand abbricht und das Schiff in den Grund geht. Diese Zillen waren vor
20 Jahren noch sehr billig: Man kaufte sie in Berlin für etwa 1500 Mark bei
120 t Tragfähigkeit. In neuerer Zeit werden die böhmischen Zillen besser
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
271
Kaffenzille, Abb. 36 bis 39. i : 300.
Abb. 36. Ansicht.
Abb. 37. Grundriß.
Bugansicht.
Abb. 38.
ohne Lehnung. t
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Abb. 39.
mit Lehnung.
Stevenzille j Abb. 40 bis 42.
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Abb. 40. Ansicht und Längsschnitt i : 300.
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Abb. 41. Grundriß i : 300.
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Abb. 42. Querschnitt i : 100.
gebaut, sodaO ihre Lebensdauer länger wird: Man unterscheidet drei Klassen,
von denen die erste mit eisernen Spanten hergestellt wird, die zweite je zur
Hälfte mit eisernen und hölzernen und die dritte nur mit hölzernen Spanten.
Außer den böhmischen gibt es noch sogenannte Berliner Zillen,
die in der Mark gebaut werden. Sie unterscheiden sich durch bessere Arbeit,
272 Abschnitt -n. Lastschiflfe ohne eigene Triebkraft.
besseren Verband und durch die Verwendung von Kiefernholz zu den Bord-
wänden und zum inneren Ausbau. Infolgedessen ist ihre Lebensdauer 2 bis
4 Jahre länger. Beide Arten von Zillen werden zur Erreichung größerer Trag-
fähigkeit (bis 225 t) zuweilen mit einem geraden, geneigten oder gekrümmten
Vorsteven hergestellt, während am Heck die Kaifenform beibehalten wird.
Man nennt sie dann Stevenzillen zum Unterschied von den gewöhnlichen
Kaffenzillen.
Abb. 36 bis 39 stellen eine gewöhnliche böhmische K äffen zille nach Fino'wmaß dar.
Der 8 cm starke Boden ist vorne bis auf 3 m und hinten bis auf 2,8 m Breite verjüngt und hebt
sich dann zu den Kaffen empor. Die 12 zu 15 cm starken Bodenwrangen liegen in Abständen
von je 0,9 m. An ihnen und am Boden sind die hölzernen Kniee von etwa gleicher Stärke be-
festigt. Die Bordwände stehen meist senkrecht (Abb. 38) und sind 6 cm stark; zuweilen gibt
man ihnen aber auch etwas Lehnung (Abb. 39). Sie sind vom und hinten mit dem dreieckigen
»Scharstück« durch die »Kaffenklötze« verbunden. Im Vorschüf, das mit einem kurzen Deck
(von den Schiffern »Pflicht« genannt) versehen ist^ befindet sich ein kleiner Schlafraum für den
Bootsmann (im Schiffermunde »Butze«), im Hinterschiff die Kajüte (von den Schiffern »Bude«
genannt) und dahinter ebenfalls ein kurzes, festes Deck (der »Stand«). Der Steuermann hat hier
aber nicht seinen Stand, sondern auf dem Verdeck der Kajüte, von wo er das Wipprader bedient.
Die Abb. 40 bis 42 zeigen eine böhmische Stevenzille von Finowmaß, die eine größere
VöUigkeit (etwa 0,9) und Tragfähigkeit (etwa 225 t) besitzt. Sie ist vorne mit einem gekrümmten
Steven, hinten mit einer Kaffe versehen. Der Boden zeigt vorne einen ziemlich beträchtlichen
Sprung, ist um 25 cm, wie der Schiffer sagt, »angehoben«. Die Spanten bestehen abwechselnd
aus Winkeleisen imd aus Holz; die hölzernen sind aber nicht gewachsene Kniee, sondern aus
je zwei Teilen zusammengesetzt (Abb. 42). Im Anschluß an das Vordeck sind beiderseits bis
zur Mastbank Bordgänge von 0,4 m Breite angeordnet, auf denen sich die Schiffer beim Vor-
wärtsschieben der Zille bewegen. An den mit a bezeichneten Stellen (Abb. 37 u. 41) sind
Duchten mit leichten eisernen Zugankem zur Querversteifung des Schiffes angebracht Wenn die
Zillen zur Beförderung von böhmischem Obst benutzt werden, erhalten sie ein leichtes Bretter-
dach, das durch Sparren und Stiele unterstützt wird. Alle Zillen führen einen kleinen, umleg-
baren Mast mit einfachem Sprietsegel. Der Leertiefgang neuer böhmischer Zillen beträgt nur
20 bis 25 cm; aber das leichte Holz, aus dem sie bestehen, nimmt viel Wasser auf, sodaß die
Schiffe bald 6 bis 8 cm tiefer eintauchen.
6. Das hölzerne Oderschiff mit Kaffen (Abb. 43 bis 49) war bisher
unter dem Namen »Oderkahn« auf allen östlichen Wasserstraßen von der Saale
bis zum Memelstrom verbreitet. Seine Abmessungen überschreiten in der
Regel nicht das FinowmaO. Die Seitenhöhe betragt 1,6 m bis 1,9 m und die
Tragfähigkeit 100 t bis 150 t. Der Oderkahn unterscheidet sich von der Zille
in der Form besonders durch die feinere, schnabelähnliche Ausbildung der
Kaffen, die in der Regel aus sorgfaltig gebogenen eichenen Hölzern herge-
stellt werden.
Die Bauart ist im ganzen eine viel bessere und kräftigere. Zu den ge-
wachsenen Knieen (Spanten], zu der untersten Bordplanke, der »Bruhne«, sowie
zu den obersten, »Riesbord« und »Latte«, wird in der Regel Eichenholz ver-
wendet. Die übrigen Teile mit Ausnahme des fichtenen Bodens sind aus gutem
Kiefernholz hergestellt.
Der vordere, hoch aufragende Kaffenklotz ist oft zum Umklappen eingerichtet, wodurch die
Länge und unter Umständen auch die Höhe des Schiffes bei der Durchfahrt durch Schleusen
u. dgL verringert werden kann. Die meisten Oderkähne sind mit gutem losem Bretterdeek (Spitz-
deck), Zollverschluß-Einrichtung und innerer Wandverkleidung versehen, weil sie in der Regel
zur Beförderung wertvoller Waren benutzt werden. Die Raumeinteilung und die Anordnung der
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastjcbifle.
Höliemes Oderschiff mit Kaflen, Abb. 43 bis 46.
Abb. 45. Qucncbnitt
Abb, 46, Bugonsicht t :
Bordglnge sowi« des Wipp-
niders ist dieselbe wie bei den
^len. Die OderkUwe wer-
den mit I,ehnuDg und stuicem
Sprung im Boden gebaut. Sie
sind zum Segeln bestimmt und
fuhren einen großen Mast
mit Sprietsegeltakelung, der
durch Mastenkrsne oder an-
dere SehiRe mit stehendem
Msst gehoben und eingesetzt
{im Schiffermunde >gestochen<) »erden kann. Für die
Fahrt auf den Kanilen haben sie außerdem einen zweiten,
leichteren Matt, der tCa ein kleineres Segel beitimml ist
und obne Mastenkran mittels Scheneug von der SchiRs-
mannscbafl allein bewegt werden kann. Infolge der vielen
Abb. 49. in neuerer Zeit erbauten festen Brücken Über die Wasser-
straßen und wegen der Schwierigkeit, den grauen Mast zu
heben, ist dieser altmtblicb ganz außer Gebraucb gekommen, zumal auch die Oderklhne jetzt
meistens durch Dampfscbifte auf den Flüssen geschleppt werden. Der Leertiefgang eines gedeckten,
festgebauten Schiffes betrigt etwa 35 cm, die Lebensdauer ao Jahre. Die Stenerflhigkeit ist liern-
lieb gut, aber beim Schleppen rufen die Kaffen einen betrSehtlichen \Viderstand hervor. In den
Tcubcrt, BinHnicfaiir>hR. l3
274 Abschnitt IL Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Abb. 47 bis 49 sind das Vorschiff nnd der Querschnitt eines etwas anders gebauten Kaffenkahns
dargestellt. Beachtenswert ist, daß die Bruhne mit dem oberen anschließenden Plankengang
nicht bündig sondern »klinker« gebaut ist. Dadurch wird auch die Form der Kaffe eine andere.
Da das Bestreben der Schiffer in neuerer Zeit dahin geht, die Schleusenabmessungen durch
völlig gebaute Schiffe möglichst auszunutzen, werden jetzt keine Oderschiffe mehr mit Kaffen
gebaut: Diese Schiffsform wird also bald verschwunden sein.
7. Das hölzerne Oderschiff mit Steven (Abb. 50 bis 52) verkehrt
auf denselben Wasserstraßen wie der vorbeschriebene Oderkahn. Seit etwa
50 Jahren ist man bemüht^ den Bug der Oderschiffe völliger zu gestalten, in-
dem man einen Vorsteven anordnet, der meistens gerade und senkrecht, zu-
weilen auch etwas gekrümmt oder nach vorne geneigt gestellt wird. Auch
am Heck ist die Kaffe allmählich fortgefallen und dafür ein Hintersteven
angebracht, der ebenso wie die frühere Kaffe stark nach außen geneigt ist,
damit das Wippruder mit seinem vorderen Teile darunter Platz findet. Durch
die Zuspitzung des Bodens im Hinterschiff erreicht man einen gleichmäßigeren
Zutritt' des Wassers zum Ruderblatt und damit eine Verbesserung der Steuer-
fähigkeit. Die hölzernen Oderschiffe mit Steven (»Stevenkahn«) werden in
der Regel entweder nach Finowmaß, 40,2 m lang und 4,6 m breit, oder nach
Berliner Maß, 46,6 m lang und 6,6 m breit, gebaut. Das letztere fiir den Ver-
kehr in den Berliner Schleusen passende Maß verschwindet jetzt aber, da es
nach der Erbauung der Mühlendammschleuse keine Bedeutung mehr hat.
Abb. 50 zeigt ein offenes Oderschiff mit Steven nach Berliner Maß mit 2 m Seitenhöhe.
Auf den ersten Blick scheint es der in Abb. 40 dargestellten böhmischen Stevenzille sehr ähnlich ;
es unterscheidet sich aber durch den Hintersteven, weil die Zille hinten eine Kaffe hat, und be-
sonders durch die festere Bauart. Wie man sieht, liegen die Wrangen und Spanten viel dichter
und außerdem sind mit Ausnahme des Bodens alle Bauteile aus starkem Kiefernholz hergestellt.
Die Duchten sind in Abständen von 3 bis 4 m angeordnet. Hölzerne Spanten werden nicht mehr
ausgeführt, weil gewachsene Kniee selten zu billigen Preisen zu haben und die zusammengesetzten,
wie bei den Zillen üblich, nicht genügend fest sind. Man verwendet daher Spanten aus Winkel-
eisen oder Winkelstahl. Diese Schiffe bekommen meistens keine Lehnung, dagegen einen Sprung
im Boden. Der Bug wird oft noch völliger gemacht, so daß er bei senkrechtem Steven einem
halben Zilinder ähnlich wird. Zuweilen gibt man der unteren Hälfte des Vorstevens eine starke
Krümmung und erhält dann unten eine löffelformige Gestalt des Bugs, auf die wir noch zurück-
kommen werden. Die Formen des Vorschiffs sind also ziemlich mannigfaltig. Im übrigen unter-
scheidet sich die Raumeinteilung , Steuerruder, Mast und Segel nicht von der vorbeschriebenen
Schiffsform. Viele Schiffe werden mit Bretterdeck versehen. Die nach Finowmaß herge-
stellten Fahrzeuge haben meist eine Tragfähigkeit >) von 210 bis 235 t bei einer Tauchtiefe von
1,6 m bis 1,8 m. Zuweilen baut man sie neuerdings höher bis zu 2,17 m, wodurch sie eine Trag-
fähigkeit bis zu 250 t bekommen. Die Lebensdauer ist 15 bis 20 Jahre.
8. Das Stählerne Oderschiff nach Finowmaß (Abb. 53 bis 55) ver-
kehrt gleichfalls auf allen östlichen Wasserstraßen. Seit etwa 20 Jahren stellt
man nicht nur die Spanten sondern auch die Bordwände und oft auch
Bodenwrangen, Steven, Duchten, Vor- und Hinterdeck sowie die Kajüten aus
i) Hierfür gilt stets das Ergebnis der amtlichen Eichung (S. 250), wenn diese Trag-
fähigkeit auch auf den Kanilen meistens nicht ausgenutzt werden kann. Auf dem Finowkanal
ist z. B. nur eine Tauchtiefe von 1,4 m zulässig, wobei diese Schiffe in der Regel nur 170 t
tragen. Die Ausnutzung der bei der amtlichen Eichung zugrunde gelegten größten Tauchtiefe
wird femer meistens durch die Vorschrift der Versicherungsgesellschaften verhindert, die nicht
25 sondern 39 cm Freibord verlangen.
1. Gräl^e. Form uad EinrichtuDg der LastschifTe.
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276 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
FluOeisen her, während der Boden selbst in der Regel aus Holz gefertigt
wird. Solche Schiffe werden gewöhnlich als »eiserne« bezeichnet. Unsere
Abbildungen zeigen ein Beispiel, bei dem nur der Boden, die Wegerung, die
Scheuerleisten, das Ruder und das bewegliche Verdeck aus Holz beigestellt
sind. Abgesehen von dem gekrümmten Hintersteven und dem neuerdings
üblichen eisernen Mastköcher ist nichts Besonderes gegen den Holzbau zu
bemerken. Die Bodenwrangen und die Duchten sind C förmig, die Stringer
l.förmig, die Spanten und Deckbalken bestehen aus Winkeln. 4 stählerne,
wasserdichte Schotten teilen 3 Laderäume von 9,5 m bis 10,8 m Länge ab.
Rings um das ganze Schiff läuft eine starke hölzerne Scheuerleiste. Das dar-
gestellte Fahrzeug wird bei 1,7 m Seitenhöhe nur eine Tragfähigkeit von
170 bis 175 t haben; doch baut man sie neuerdings oft höher bis zu Trag-
fähigkeiten von 230 bis 240 t.
9. Das Oderschiff nach Breslauer Maß (Abb. 56 bis 67) ist durch
den von 1887 bis 1891 erfolgten Ausbau der Spree-Oder-Wasserstraße (S. 204)
hervorgerufen, deren Schleusen von Schiffen mit höchstens 55 m Länge über
alles (etwa 53 m in der Wasserlinie) und 8 m Breite durchfahren werden
dürfen. Gleichzeitig wurde auch die obere Oder für Schiffe von ähnlichen
Abmessungen künstlich aufgestaut und der Minister der öffentlichen Arbeiten
erließ im Jahre 1889 ein Preisausschreiben zur Erlangung geeigneter Schiffs-
entwürfe für den Verkehr zwischen Oberschlesien und Berlin').
Es war dabei verlangt worden: >Bei geringster Masse an Baustoff die größte Verdrängung,
unbeladen aber die geringste Eintauchung, in jeder Beziehung die größte Festigkeit, so daß das
Schiff unbeschadet der Völligkeit niit angemessener Geschwindigkeit und SteuerfÜhigkeit fort-
bewegt werden kann«. Bei den Entwürfen war zu berücksichtigen, daß die Oder bei Niedrigwasser
nur I m Tiefe, die Brücken über die KanSle nur eine lichte Höhe von 3,2 m und die Schleusen-
kammern eine nutzbare Länge von 55 m und eine nutzbare Breite von 8,6 m hätten. Es liefen
13 Entwürfe ein. Die in Breslau zusammengetretenen Preisrichter erklärten keinen für vollständig
gelungen, verteilten aber drei Preise. Über die Entwürfe selbst muß auf die unten bezeichnete
Veröffentlichung verwiesen werden. Bemerkenswert sind aber die von den Preisrichtern bei dem
Vorbeschlusse ausgesprochenen Grundsätze, nach denen die Prüfung erfolgte : i . Ablauf von 0,3 m,
2. Senkrechte Bordwände, 3. Löffelform am Bug, 4. Holzboden von 105 mm Stärke und Bord-
wände aus Eisen, unten 7 mm, oben 6 mm stark, 5. Spantentfemung 500 mm, Spantstärke
75.50.9 mm, 6. Steife Schotte von 3 mm Stärke in Abständen von höchstens 10 m.
Dem Gutachten waren femer noch mancherlei Bauregeln beigegeben, aus denen z.B.
zu erwähnen ist, daß der Ablauf in Engpässen, Brücken, Schleusen u. dgl. fUr sehr nützlich er-
klärt wurde. Der eiserne Boden wurde besonders deshalb verworfen, weil er zu teuer wäre.
Femer sollte sich der gerade, scharfe Steven auf Elbe und Oder als ungeeignet gegenüber der
Löffelform erwiesen haben. Als zweckmäßiger VöUigkeitsgrad der Verdrängung wurde 0,84
empfohlen. Die Bleche der Außenhaut sollten überlappt werden. Zur Längsversteifung sollten
die aus Riffelblech im Vorschiff anzuordnenden Laufbänke dienen, an die sich ein 25 bis 30 cm
breites Stringerblech anschließt, das von Konsolen getiftgen wird. Außerdem wurden Stringer-
winkel für nötig, Kielschweine aber für entbehrlich erachtet. Die preisgekrönten Entwürfe (von
Blümcke, Klepsch und Nüske) enthielten viele recht beachtenswerte Anordnungen, so daß der
Wettbewerb nicht als erfolglos bezeichnet werden darf. \
i) Zeitschrift für Bauwesen, Jahrgang 1893. Handbuch der Ingenieur-Wisäenschaften, Wasser-
bau, 5. Band: Sonne, Binnenschiffahrt. Leipzig 1906.
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277
Seit jener Zeit haben sich
Form und Bauweise dieser so-
genannten 400 t- Schiffe weiter
entwickelt. Man baut sie jetzt
in der Regel aus Stahl, jedoch
meistens mit Holzboden, weil
die großen Vorteile des Stahl-
bodens leider noch immer
nicht genügend gewürdigt
werden. Wenn die Schiffe
aus Holz gebaut sind, unter-
scheidet sich ihre Anordnung
nicht von dem oben beschrie-
benen hölzernen Oderschiff
mit Steven (Abb. 50).
Die Abbildungen 56 bis 58 stel-
len ein offenes stählernes Schiff
mit Holzboden dar, dms eine kleinste
Seitenhöhe von 1,95 m und bei 1,7 m
Eintauchung eine TragfUhigkeit von
500 t besitzt. Außer dem vorderen
Sicherheitschott {^ in der Zeichnung)
sind noch 4 wasserdichte Schotte [a]
angeordnet, durch die 3 Laderäume
von 13,5 und 14,5 m Länge abgeteilt
werden. Diese werden noch durch
je zwei hölzerne bewegliche Duch-
ten fr) versteift. Die 75.50.7,5 mm
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278 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
starken Spanten haben einen Abstand von je 500 mm. Der 300 mm breite, 8 mm starke Stringer
ist binnenschiffs mit einem Winkel in der Stärke der Spanten gesäumt und durch einen 60.60. 7 mm
starken Stringerwinkel mit der Bordwand verbunden, die in den beiden oberen Gängen je 7 mm
und in dem unteren Kimmgang 8 nmi stark ist. Die schwache Scheuerleiste von 220 . 45 mm
Eichenholz wird von zwei Halbrundstahlen (70.30 mm) eingefaßt. Die Bodenwrangen sind
C formig von 180.70.8 mm Stärke. Die Kimm ist scharf und wird durch Kimmwinkel von
60.60.7 mm Stärke gebildet, die zur weiteren kräftigen Verbindung mit dem 125 mm starken
Boden aus Fichtenholz noch an zwei durchlaufende Blechplatten von 350 und 200 mm Breite
und 5 mm Dicke angeschlossen sind. Das Schiff hat weder Lehnung noch Ablauf im Mittelschiff,
aber einen Sprung im Boden. Man baut diese Schiffe meistens etwa 2,0 m hoch, zuweilen aber
auch höher, bis zu 2,20 m und erreicht dann eine Tragfthigkeit von etwa 600 t.
Abb. 59 bis 63 zeigen ein g^t und fest gebautes offenes Schiff mit Stahlboden in
größerem Maßstabe. Bei einer Seitenhöhe von 2 m hat es bei 1,5 m Tauchtiefe etwa 440 t,
bei 1,6 m etwa 480 t und bei 1,75 m etwa 540 t Tragfähigkeit. Die Form des Hecks ist löffel-
fönnig gerundet. Der Vorsteven ist oben senkrecht, unten stark gerundet, so daß der untere
Teil des Bugs Löffelform bekommt. Das Mittelschiff hat scharfe Kimm, aber weder Lehnung
noch Ablauf noch Bodensprung. Die 78.52.7.5 mm starken Spanten sind in Abständen von je
500 mm zweiteilig angeordnet und in der Mitte des Schiffes gestoßen. Im Vorschiff sind auf 8 m
Länge noch Zwischenspanten in gleicher Stärke angebracht. Die an jedem Spant vorhandenen
Bodenwrangen sind 210 mm hoch, 5,5 mm stark und oben mit einem Winkel von 50.50.6 mm
gesäumt. Der Kimmwinkel ist 100. 100.10 nmi stark. Der Boden wird durch 3 Kielschweine
verstärkt, von denen 2 unvollständige, je aus einem X~ Stahl von 100.50.7 mm Stärke bestehend,
in den Laderäumen über die Bodenwrangen laufen, während in der Schiffsmitte ein vollständiges
Kielschwein angeordnet ist, das aus einem senkrechten 260 . 5 mm starken Bleche mit zwei oberen
und einem unteren Winkel von je 50.50.6 mm Stärke besteht. Die Außenhaut ist im Boden
durchweg 7 mm stark, während die Bordwände mittschiffs gleichfalls 7 mm, an den Enden aber
nur 6 mm stark sind. Die Platten am Vorsteven sind jedoch als Eisverstärkung 7,5 und 8 mm
stark. Die Vorderkajüte liegt unter dem festen, stählernen Deck, während die Hinterkajüte das
feste Hinterdeck überragt. Beide Kajüten sind aus Stahlblech gebaut. Der 550 mm breite 6 mm
starke Stringer aus Riffelblech läuft beiderseits vom Vordeck zum Hinterdeck und in gleicher
Höhe mit ihnen. Er ist durch einen 60.60.7 mm starken Stringerwinkel mit der Außenhaut
verbunden und nach den Laderäumen zu mit einem 100. 50. 6 mm starken Winkel gesäumt, der
auch auf dem Vordeck an der Seite des Laderaums herumgeführt wird. An diesem Randwinkel
ist ein leichtes losnehmbares Handgeländer mit Drahtseildurchzug aufgestellt Mit jedem zweiten
Spant ist der Stringer durch kurze Balkenstücke von 50.50.6 mm Stärke und 300.300.6 mm
starke Eckbleche verbunden. Vor- und Hinterdeck bestehen aus 6 mm staxkem Riffelblech,
das auf Deckbalken von 75 . 50 . 6 mm Stärke befestigt ist. Außer dem vorderen Sicher-
heitschott f^) sind noch 4 wasserdichte Schottwände (0) aus 3 bis 4 mm starkem Blech und
mit guter Versteifung durch Winkel angeordnet, wodurch 3 große Laderäume von 14 bis
15 m Länge entstehen, die durch je 2 bewegliche Duchten [c] ausgesteift werden. Diese Duchten
und die obere Säumung der Schotte bestehen aus C- Stahl von 180.70.8 mm Stärke. Die
beweglichen Duchten sind oben noch durch Winkel von 75 . 75 • 8 mm verstärkt und an den
Enden mit senkrechten 6 mm starken Blechen versehen, durch die sie mit den Rahmenspanten
und mit dem Stringer losnehmbar verbunden sind. In der Mitte werden sie durch einen C-Stahl
von 120.55.9.7 mm Stärke gegen den Boden abgestützt. Rings um das Schiff läuft eine eichene
Scheuerleiste von 150.40 mm Querschnitt, die von 2 Halbrundstahlen von 63.32.12 mm Stärke
begleitet wird. Im Vorschiff ist außerdem noch eine eichene Schutzleiste von 200.75 mm Quer-
schnitt zwischen 2 Winkeln von 50 . 50 . 6 mm auf der Außenhaut angebracht. Der Schiffskörper
wiegt 103 t, der Leertiefgang beträgt 31 bis 32 cm.
Abb. 64 bis 66 stellen ein Schiff mit Holzboden und losem Bretterdeck (Spitzdeck) dar,
das 1,95 mm hoch ist und bei 1,6 m Tauchtiefe eine Tragfähigkeit von 450 t hat. Die Schiffs-
formen entsprechen dem oben beschriebenen offenen Schiffe mit Holzboden (Abb. 59), ebenso im
allgemeinen die Stahlstärken. Außer dem Sicherheitschott [/f) sind aber noch 7 Schottwände [a]
und zwei bewegliche Duchten {c) angeordnet, durch die der Laderaum in 7 Abteile von 5 bis
6 m Länge und in den Raum für den Köcher zerlegt wird. Die 3 Schotte in den Laderäumen
reichen bis zur Stringerhöhe, dagegen die 4 an den Enden und am Köcher bis unter das Verdeck
hinauf. Zu den Duchten und zur Versteifung der Schotte sind C- Stahle von 160.65.10,5.7,5 mm
• 279
verwendet. Die scharfe Kimm ist
etwas anders gebaut, indem die
Randhölzer (Bruhnen) des sonst
117 mm starken fichtenen Bodens
aus stärkerem Eichenholz herge^
stellt und die C förmigen Boden-
wrangen an den Enden aufgebogen
sind. Der Boden ist vorne um 15 cm,
hinten um 12,5 cm angehoben. Das
Verdeck ist in üblicher Weise aus
Holz gefertigt, die Rinnsparren über
den Schotten und Duchten aber aus
C- Stahl. Die Sparren werden in
der Mitte durch doppelte Firstfetten
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I. GrötNe, Form und Einrichtung der I.astschifTe. 281
(Streichbäume] unterstützt, so daß der niedergelegte Mast unter dem Verdeck gelagert werden kann.
Der Schiffskörper wiegt 132 t, der Leertiefgang beträgt 37 bis 38 cm.
Zum Vergleich ist in Abb. 67 der Querschnitt eines ebenso großen und ebenso angeordneten
Schiffes mit stählernem Boden und runder Kimm mitgeteilt. Diese ist nach einem Halbmesser
von 200 mm gekrümmt und besteht aus 7 mm starkem Blech, während der Boden 6 und 7 mm
stark, im übrigen aber genau wie bei dem früher beschriebenen offenen Schiff mit Stahlboden ge-
baut ist. Das Gewicht dieses Schiffskörpers beträgt nur 116 t, also 16 1 weniger als mit Holzboden.
Daher hat dies Schiff nur einen Leertiefgang von 33 bb 34 cm, also 4 cm weniger. Das be-
deutet für den Schiffer einen beträchtlichen wirtschaftlichen Gewinn, da er bei jeder Reise 16 t
mehr laden kann. Die Mehrkosten dieses Stahlbodens belaufen sich auf etwa 1000 Mark.
Nach den amtlichen Eichungen im Gebiet der Oder und der Mär-
kischen Wasserstraßen wurde eine Zahl der in den letzten Jahren neuerbauten
Oderschiffe miteinander verglichen und es ergaben sich nachstehende Grenz-
und Durchschnittwerte:
Schiffe naeh Flnowmaß, rund 40 m lang und 4,6 m breit:
i. Offene, hölzerne*): es wurden 30 Schiffe verglichen :
Kleinste Seitenhöhe 1,96 bis 2,1 m, im Mittel 2,01 m
Leertiefgang 0,31 » 0,39 » » » 0,34
Tiefgang beladen 1,71 •» 1,85 > » > 1,77
Tragfähigkeit 221 > 244 1 » > 231 t
Völligkeitsgrad des Eichraums . . 0,883 » 0,901 « > 0,894
2. Offene, stählerne mit Holzboden: es wurden xo Schiffe verglichen:
Kleinste Seitenhöhe 1,99 bis 2,13 m, im Mittel 2,07 m
Lecrtiefgang 0,33 » 0,43 » » > 0,38
Tiefgang beladen 1,74 » 1,88 » > » 1,83
TragfUiigkeit 224 » 249 t > » 237 t
Völligkeitsgrad des Eichraums . . 0,907 » 0.92 > > 0,914
3. Gedeckte, stählerne mit Holzboden: es wurden 15 Schiffe verglichen:
Kleinste Seitenhöhe 2,11 bis 2,18 m, im Mittel 2,14 m
I^eertiefgang 0,38 > 0,46 » » » 0,42 »
Tiefgang beladen 1,86 » 1,93 » » » 1,89 »
Tragfthigkeit 236 » 249 1 » » 242 t
Völligkeitsgrad des Eichraums . . 0,904 » 0.922 > » 0,915
Schiffe nach Breslauer Mafi, rund 55 m lang und 8 m breit:
1. Offene, hölzerne«): es wurden 6 Schiffe verglichen:
Kleinste Seitenhöhe 1,96 bis 2,07 m, im Mittel 2,00 m
Leertiefgang 0,30 > 0,32 > » > 0,31
Tiefgang beladen 1,71 > 1,82 » » » 1,75
Tragfähigkeit 5*5 » 554 1 » » 536 t
Völligkeitsgrad des Eichraums . . 0,862 > 0,885 * " 0,876
Diese Schiffe werden selten gebaut.
2. Offene, stählerne mit Holzboden: es wurv^en 12 Schiffe verglichen:
Kleinste Seitenhöhe 2,01 bis 2,1 m, im Mittel 2,05 m
Leertiefgang 0,34 » 0,4 » » > 0,36
Tiefgang beladen 1.76 » 1,84 » » * 1,79
Tragfähigkeit 532 > 570 t > » 547 1
Völligkeitsgrad des Eichraums . . 0,883 * ^«9^5 * * 0,896
3. Offene, stählerne mit Stahlboden: es wurden 12 Schiffe verglichen:
Kleinste Seitenhöhe 1,91 bis 2.02 m, im Mittel 1,95 m
Leertiefgang 0,32 > 0,33 » » » 0,32 >
Tiefgang beladen 1.66 » 1,77 » » » 1,70 >
Tragfähigkeit 518 > 564 t » » 533 t
Völligkeitsgrad des Eichraums . . 0,898 » 0,907 » » o,go^
i; Aber mit Spanten aus Eisen oder Stahl.
»
»
»
»
282 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
4. Gedeckte stählerne Schiffe: a) 10 niedrigere Schiffe:
Kleinste Seitenhöhe 1,97 bis 2,05 m, im Mittel
Leertiefgang 0,36 > 0,48 > » »
Tiefgang beladen 1,72 > 1,78 > « >
Tragfähigkeit 502 > 543 t » >
VöUigkeitsgrad des Eichraums . . 0,883 * ^i9^S ^
b) 5 höhere Schiffe:
Kleinste Seitenhöhe 2,21 bis 2,23 m, im Mittel
Leertiefgang 0,35 » 0,43 » - »
Tiefgang beladen 1,96 > 1,98 * * »
Tragfähigkeit 592 » 615 t »
Völligkeitsgrad des Eichraums . . 0,889 > 0,915 • »
Die Mehrzahl der gedeckten Schiffe hat Holzboden.
Klodnitz-Kanalschiff, Abb. 68 bis 70.
Abb. 68. Längsschnitt i : 300.
2,02 m
0,41 »
1,76 »
0,896
2,22 m
0,40 '
L97 >
605 t
0,903
JD..VJ
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Abb. 70. Querschnitt i : 100.
Abb. 69. (Jrundrit i : 300.
10. Das Klodnitz-Kanalschiff (Abb.
68 bis 70) wird in seinen Abmessungen durch
die Größe der Schleusen dieser Wasserstraße
(S. 45) bestimmt, von denen die kleinste
eine nutzbare Länge von 35,33 m und eine
nutzbare Breite von 4,08 m hat'). Das dar-
gestellte, ganz aus Stahl gebaute Schiff ist
dementsprechend 34,28 m über alles lang
und 3,95 m über den Scheuerleisten breit.
Die kleinste Seitenhöhe ist 1,86 m und die Tragfähigkeit bei 1,4 m Tauch-
tiefe 136 t, bei 1,6 m Tauchtiefe 162 t.
Die Form ist ziemlich völlig: der Vorsteven oben senkrecht, unten stark gekrümmt, so daL>
der Bug im unteren Teile löfTelförmig wird ; der Hintersteven ist senkrecht, das Heck hat ange-
nähert die Form eines halben Zilinders. Die Kimm ist nach einem Halbmesser von 200 mm
abgerundet. Das Ruder ist fest mit dem Hintersteven verbunden und wird durch eine Steuer-
pinne (Helmholz) bewegt. Das Ruderblatt wird in der Schleuse zusammengeklappt; auch die Pinne
kann durch Abnahme des bewegliehen Handgriffs verkürzt werden. Die 65 • 50 • 6 mm starken Spanten
stehen in 500 mm Abstand und sind am Boden durch 78 • 72 - 5 mm starke Winkel zu Boden-
wrangen verstärkt. Der Boden wird im I^aderaum durch ein unvoUständiges Kielschwein in
X-Form von 70 • 35 • 6 mm Stärke ausgesteift. I>ie Außenhaut ist im Boden und Kimmgang
i] Die Angaben auf S. 45 sind nicht ganz genau.
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5 mm, im Seiten- oder Schergang 4 mm
stark. Der 400 mm breite Stringer aus
Riflfelblech ist durch einen 50 • 50 • 6 mm
starken Stringerwinkel mit der Außen-
haut verbunden und an der Seite des
Laderaums dtu'ch einen 65 • 50 • 5 mm
starken Winkel gesäumt, der die Deck-
stützen trägt. Der Laderaum wird durch
3 Schotte [a] aus versteiftem Blech
von 3 und 2,5 mm Stärke in 2 Teile
zerlegt« die durch je 4 Duchten [c] aus
100 • 100 • 8 mm starken Winkeln ver-
steift werden. Das Gewicht des rohen
Schiffskörpers beträgt 33 t, der Aus-
rüstung (einschließlich der Ankerwin-
den u. dgl.) und Mannschaft 4,2 t, das
tote Gewicht mithin 37 t Die Ver-
drängung bei If6 m Tauchung ergibt
sich zu 37 4- 162 ^ 199 t. Der VöUig-
keitsgrad der Verdrängung ist 0,934.
Der Leertiefgang ist 0,3 m und der
Völligkeitsgrad des Eichraums ^ 0,937.
Es verkehren auf dem Kanal auch
hölzerne Schiffe mit ähnlichen Ab-
messungen.
II. Das Weichselschiff
(Abb. 71 bis 73). In neuerer
Zeit werden auf der Weichsel
Lastschiffe in größeren Abmes-
sungen hergestellt, die nach
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284 Abschnitt IL Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
dem in der AusRihrung begriffenen Ausbau der Oder- Weichsel -Wasserstraße
(S. 207) und namentlich nach der Erweiterung des Bromberger Kanals auch
bis zur Oder und nach Berlin werden gelangen können. Das abgebildete
Schiff hat eine Länge über alles von 55 m, eine größte Breite von 8 m und
mithin die Größe der Oderschiffe nach Breslauer Maß. Ziemlich völlig ge-
baut und 2 m hoch wird es bei einer Tauchtiefe von 1,75 m etwa 500 t
tragen.
Es hat hölzernen Boden und stählerne Wrangen, Spanten, Stringer u. dgl. Außer dem
vorderen Sicherheitschott {d) sind noch 4 Schotte [a] eingebaut, die den I^aderaum in drei
Teile zerlegen. Jeder Teil wird femer durch 2 hölzerne Duchten (bei c) versteift. Über den
beiden mittleren Schotti^'änden sind in 2,5 m Breite feste stählerne Decks angeordnet, die seitlich
auf tennebaumartigen, 450 mm hohen Rieswänden aus Blech ruhen. Über den übrig bleibenden
Teilen der Laderäume befinden sich hölzerne Verdecke aus losen Brettern (Spitzdecks}. Der
400 mm breite, 7 mm starke Stringer reicht beiderseits von der hinteren Kajüte bis zur vorderen
und ist im Vorschiff als Bordgang (Lauf bank} verbreitert. Der vordere größere Mast steht, wie
im Osten üblich, auf dem Boden, während der kleinere, hintere auf dem eisernen Mitteldeck in
eisernem Köcher, wie auf den Rheinschiffen, beweglich ist. Es ist Sprietsegeltakelung vorgesehen.
Die Kimm ist scharf und durch Kimmwinkel verstärkt. Lehnung ist nicht vorhanden, aber ein
Sprung im Boden.
Außer den schon beschriebenen Wittinnen (3) verkehren auf der Weichsel auch G all er,
die den Wittinnen ähnlich, aber mehr prahmartig nur fUr eine Talfahrt gebaut sind und höch-
stens eine Tragfähigkeit von 75 t haben. Andere dort vorkommende Schiffe von etwa 40 m
Länge und 4,5 m Breite werden Gabaren genannt.
12. Das Eibschiff nach Flauer Maß (Abb. 74 bis 76). Für die von
der Elbe durch den Flauer Kanal (S. 43) und durch die Havel nach Berlin
führenden Wasserstraßen sind als größte zulässige Abmessungen 65 m Länge
über alles und 8 m Breite über den Scheuerleisten festgesetzt. Daraus hat
sich diese Schiffsform entwickelt. Sie unterscheidet sich hinsichtlich der Völ-
ligkeit nicht von den Oderschiffen nach Breslauer Maß, übertrifft sie nur in
der Länge um 10 m. Die Schiffe werden ebenso wie die vorbeschriebenen
sowohl aus Holz, wie aus Holz und Stahl, als auch ganz aus Stahl erbaut,
offen oder gedeckt. Das dargestellte Schiff ist beachtenswert, weil es ganz
aus Stahl erbaut, mit Plattendeck, zwei Masten, übergebautem Heck und
festem Steuerruder mit wagerechtem Handrad versehen ist, mithin Ähnlich-
keit mit den Rheinschiffen hat. Diese Neuerungen im Bau der Eib-
schiffe, die sonst ebenso gebaut wurden wie die Oderschiffe, sind nicht
sehr verbreitet: Sie finden zwar in neuerer Zeit bis auf das Steuerruder
allmählich Eingang; gegen dieses haben aber die Eibschiffer eine große Ab-
neigung.
Das Schiflf hat eine Länge von 65 m über alles und 63,5 m zwischen den I^oten, eine Breite
von 8 m Über den Scheuerleisten und 7,88 m auf den Spanten und eine kleinste Seitenhöhe von
2,2 m. Bei 1,8 m Tiefgang ist seine Tragfähigkeit etwa 660 1, bei 2 m etwa 750 1. Die 78. 55 .8 mm
starken Spanten stehen in 500 mm Abstand. Die Bodenwrangen bestehen im Laderaum ans
C- Stahl von 180.70. 11.8 mm Stärke, im Vor- und Hinterschiff sind sie aus Blechen nnd Winkeln
gebildet. 2 unvollständige Kielschweine in j.-Form von 90.45. 10 mm laufen Über den Boden-
wrangen durch den ganzen Laderaum. Die Außenhaut ist im Boden 7 mm stark, in der Kimm
nnd in den Seitengängen nimmt die Stärke von 8 auf 7 und von 7 auf 6 mm ab, während am
1 und Ein rieh tUDg der
■tschiffe
285
am Riffelblech hr joo mm breit, 8 mm iUtV
.9 mm starken Wiakel faU LukäüUl gesXuml.
Es sind im ganzen 13 ScholtwSnde ange-
ordnet, vun denen je ein SicherheJtücboIt [i,
sowohl im Vorachiff wie im Hinlerschitf vor-
handen ist. s Schone (<i) an den KajUlen und
bei den Masten reichen bis unter das Ver-
deck, die anderen 6 (c) nur bis zum Slringer
und zerlegen den Laderaum iu 9 Abteile von
5,5 m und 6 m Länge. An den Enden des
Laderaums und an den Masten sind tenne-
baumartige Rieswäode aus 5 mm starkem
Blech aafgcscCEl und mit dem Luksüll ver-
bunden, die I bis 3 m lang sind. Die da-
zwischen liegenden Teile des Verdecks sind
durch hölzerne Seite nverschlBge abgeschlos-
sen. Die die Lukendecke! tragenden Sparren
nben in der Scbiffsmittc auf 2 hölzernen
Balken und an den Seiten auf kurzen höl-
zernen Pfosten (.Beislecksel.), die ähnlich
wie bei dem Bretterdeck von eisernen am
LuksUII angebrachten Schuhen gehalten wer-
den. Für die beiden Mäste sind Köcher ans
Blech beigestellt. Der SehiflskoTper wiegt
etwa 150 L
Die meisten Schiffe naeh Flauer Mab
werden noch mit Holzboden und Wippruder,
lum Teil mit Platlendeck, zum Teil mit losem
BreRerdeck gebaut. Aus 5 Denen SchiffeD dieser
Art ergaben sich nach den Eichungeil folgende -
Grenz- und Durch seh nitCwerte:
Kleinste Seitenhöhe . . . 1,01 bis 2,19 m,
im Mittel 3,30 m,
LeertJcfgasg 0,34 bis 0,43 m,
im Mitlei 0,37 m,
Tiefgang beladen .... 1,73 bis j,2i m,
im Mittel 1,89 m,
Tragflhigkeil 635 bis 754 t,
im Mittel 692 C,
Välligkeit^rad des Eicfaraums o,SSl bis 0.910,
im Mittel 0,894.
13. Das Eibschiff mit Holz-
boden und Bretterdeck (Abb. 77
bis 79) ist jetzt das gebräuchlichste
Fahrzeug auf der Elbe selbst. Es
wird in verschiedenen, immer wach-
senden Größen gebaut, selten unter
I. Grobe, Form und Kinrichtung der Lastschiffe. 287
600 t Tragfähigkeit. Das in den Bildern dargestellte ist 76 m über alles lang
und hat eine größte Breite über den Spanten von 10,5 m. Die kleinste
Seitenhöhe bis zum Stringer ist 2 m. Bei einem Tiefgange von i ,8 m beträgt
die Tragfähigkeit 940 t. Das SchifT hat Lehnung von 250 mm, einen Ablauf
im MittelschifT von 0,6 m und scharfe Kimm.
Die 75 * 65 • 8 mm starken Spanten stehen in Entfernungen von je 4$o mm. Die C förmigen
Bodenwrangen sind 200 ■ 75 * 1 1}$ * S,5 mm stark und an den Enden aufgebogen. Der 270 • 10 mm
starke Stringer läuft vom stählernen Hinterdeck bis zum vorderen, etwa 900 mm breiten Bord-
gang, ist mit der Bordwand durch einen 80 • 80 • 10 mm starken Stringerwinkel verbunden und
nach dem Laderaum zu mit einem 80 • 65 • 8 mm starken Winkel gesäumt. Außer dem vorderen
Sicherheitschott [d) sind noch 13 Schotte angeordnet, von denen 5 [a) bis unter das Verdeck
und die übrigen [c) nur bis zum Stringer reichen. Alle Schotte sind in Stringerhöhe durch
C förmige Duchten von gleicher Stärke wie die Bodenwrangen und durch Winkel versteift.
Durch die beiden Schotte am Mastköcher werden zwischen diesem und den Bordwänden
2 sogenannte Freiräume abgetrennt^ die durch Blech abgeschlossen und von oben durch je eine
Luke zugänglich sind. Im übrigen werden durch die Schotte 3 große oder 11 kleinere Lade-
räume (von je 5,4 m I^änge) abgeteilt. Der Leertiefgang des Schiffes wird zu 39 cm angegeben.
Es ist im allgemeinen nicht sehr fest gebaut. Zuweilen wird neuerdings der Holzboden durch
vollständige oder unvollständige Kielschweine verstiLrkt, wie bei Schiffen mit Stahlboden.
14. Das Eibschiff mit Stahlboden und Plattendeck (Abb. 80 bis
83) zeigt gegen das vorbeschriebene wesentliche Unterschiede und scheint in
neuester Zeit sich auf der Elbe einzubürgern. Es ist gleichfalls 76 m über alles
lang und 10,5 m über den Spanten breit, dagegen 2,2 m hoch, ohne Lehnung
und mit runder Kimm gebaut. Das Mittelschiff zeigt einen Ablauf von 0,4 m.
Bei einem Tiefgang von 1,9 m ist die Tragfähigkeit etwa 1 000 t. Da für
das Schiff ein größter Tiefgang von 2,2 m (bis zum Bordgang) zulässig ist,
würde bei diesem Tiefgange eine Tragfähigkeit von i 200 t vorhanden sein.
Der Bug sowie das Heck haben angenäherte Löffelformen, wenigfstens in den
unteren Teilen.
Die 75 • 6$ • 8 mm starken Spanten haben einen Abstand von je 500 mm. Die 300 • 7 mm
starken Bodenwrangen sind an jedem zweiten Spant angeordnet Dort haben die Spanten am
Boden nur die Stärke von 60 • 60 • 7 mm und ebenso stark sind die Gegenspanten, die die Boden-
wrangen oben säumen. Die den Fußboden tragenden Flurwinkel an den Spanten ohne Boden-
wrangen sind 50 • 50 • 5 mm stark und durch ebenso starke senkrechte Winkelstücke gegen die
Bodenspanten abgestützt. Der Boden wird durch 3 vollständige Kielschweine aus 360 mm hohen,
7 mm starken Blechen versteift, die oben durch je 2, unten durch je einen Winkel von 60 • 60 • 7 mm
Stärke gesäumt sind. Die Außenhaut ist im Boden 8, im Kimmgang 9, im Schergang 8, im Seiten-
gang vorne gleichfalls 8, mittschiffs und hinten aber nur 7 mm stark. Der 500 mm breite Stringer
ist mittschiffs 8 nmi, vorne und hinten nur 7 mm stark. Er ist mit der Bordwand durch einen
80 • 80 • 10 mm starken Stringerwinkel verbunden und trägt oben an der Wasserseite einen
60 • 30 • 10 mm starken Fußschutzwinkel und an der Seite des Laderaums einen 70« 70 • 7,$ mm
starken Winkel, an dem der durchlaufende l m hohe, 6 mm starke Tennebanm befestigt ist. Die
den Stringer an jedem Spant stützenden 60 • 60 • 7 mm starken Deckbalken sind aufgebogen und
versteifen den Tennebaum bis nahe an dessen Oberkante. Diese ist durch einen ebenso starken
wagerechten Winkel und eine Leiste aus Eichenholz gesäumt, auf der die Sparren und Luken-
deckel (Decktafeln) ruhen. Außer dem vorderen Sicherheitschott [d) sind noch 13 Schottwände
eingebaut, von denen 5 {a) bis unter das Verdeck und die anderen 8 [c) nur bis zum Stringer rei-
chen — genau wie bei dem vorbeschriebenen Schiffe. Der Tennebaum ist gegen die niedrigen
Schotte durch starke Eckbleche abgesteift. Durch den durchlaufenden stählernen Tennebaum,
der eine bedeutende Längsversteifung darstellt, unterscheidet sich dies Schiff wesentlich von dem
M
—4
i \l
i ! ' ? 1
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe. 289
unter Nr. 12 beschriebenen Elbschiff nach Flauer Maß; noch mehr vielleicht durch die stählernen
mittleren Deckstützen und Firstbalken. Die Sparren und Lukendeckel ruhen nämlich in der Mitte
auf 2 stählernen Lukenbalken (Firstbalken} in X-Form von 160 • 70 • ii «'8,5 mm Stärke, die gegen
einander durch wagerechte Winkel und die 1200 mm breite 6,5 mm starke Firstplatte (Deckstülpe)
versteift und mittels Knotenblechen und C förmigen Stützen von 120 • 55 • 9 7 mm Stärke fest
mit den Duchten, Schottwänden und dem SchüTsboden verbunden sind. Diese durchlaufenden
Lukenbalken bilden also mit der Firstplatte eine neue iJlngsversteifung des Schiffskörpers, die
umso wirksamer ist, weil sie sich in großem Abstände vom Boden befindet. Abb. 83 zeigt einen
Teil des Längenschnitts, aus dem die Anordnung ersichtlich sein dürfte. Durch diese feste Bau-
art des Decks wird allerdings das Eigengewicht des Schiffskörpers vergrößert Der Leertiefgang
dieses Schiffes wird zu 38 cm angegeben.
Zurzeit werden die Eibschiffe mit Plattendeck vorwiegend noch mit Holzboden versehen.
Aus 20 neuen Schiffen ergaben sich im Jahre 1909 folgende Grenz- und Durchschnittwerte:
Länge über alles 7i)33 ^is 79,34 m, im Mittel 75,14 m
Größte Breite 9,98 > 11,88 > > » 10,59 >
Kleinste Seitenhöhe bis Stringer . 2,00 > 2,17 > > > 2,10 >
Leertiefgang 0,36 > 0,44 > » » 0,39 >
Tiefgang beladen ...... 1,85 » 2,13 > » > 2,00 >
Tragfähigkeit 927 »1197 t » * 1094 t
Völligkeitsgrad des Eichraums . . 0,858 > 0,898 > » 0,881.
Die vorbeschriebene Anordnung des Plattendecks wird oft so abgeändert, daß man zum Zweck
des leichteren Ladens und Löschens den Tennebaum nicht durchlaufen läßt, sondern ihn nur an
jeder Schottwand auf i bis 3 m Länge aus festem Stahlblech herstellt, die Zwischenräume aber
durch losnehmbare Bretterverschläge abschließt, wie das ähnlich bei Nr. ii und 12 beschrieben
wurde. Da^loich verliert der Tennebaum seine Bedeutung als Längsversteifung. Auch bei der
amtlichen Eichung (S. 252) kann dieser unvollständige Tennebaum nicht in die Freibordhöhe ein-
gerechnet werden, wodurch sich für das betreffende Schiff unter Umständen eine geringere Trag-
fähigkeit ergibt.
15. Das Elbschiff mit Stahlboden und festem Deck (Abb. 84
bis 86) zeigt eine neuere, seltene, aber beachtenswerte Form. Vor- und Hin-
tersteven stehen im allgemeinen senkrecht, Bug und Heck sind im unteren
Teile keilförmig, ähnlich wie bei Dampfschiffen und Seeschiffen. Ein wesent-
licher Unterschied gegen das vorbeschriebene Schiff beruht darin, daß die
Bordwände um die Höhe des Tennebaums erhöht und auf dem festen, dar-
über liegenden Deck große mit kräftigen Luksüllen umrahmte Luken ange-
ordnet sind, die mit den üblichen Lukendeckeln geschlossen werden. Die
Festigkeit des Schiffskörpers wird durch dieses hochliegende feste stählerne
Deck bedeutend erhöht. Das Schiff ist 69 m zwischen den Loten und 70,5 m
über alles lang, die größte Breite beträgt 9,9 m, die Seitenhöhe in der Mitte
bis zum Deck 3 m. Die Tragfähigkeit ist bei 1,55 m Tiefgang 700 t, bei
1,9 m Tiefgang 900 t, bei 2,05 m Tiefgang 1 000 t, bei 2,58 m Tiefgang i 298 L
Das Schiff hat weder Lehnung noch Ablauf und runde Kimm.
Ein besonderer Stringer fehlt mit Rücksicht auf das feste Deck aus $ und 6 mm starkem
Stahlblech. Außer dem vorderen Sicherheitschott [d) sind noch 9 Schottwände vorhanden, von
denen 5 wasserdichte bis unter Deck reichen [a) und in der Mitte der 4 Laderäume 4 Halb-
schotte {c) angeordnet sind, die durch bewegliche Bretterverschläge verbunden werden (Abb. 86).
So entstehen 8 Laderäume. Die Deckbalken an jedem Spant (in 500 mm Abstand) bestehen aus
Winkeln von 75 * $5 * 8 mm Stärke, an den Giebeln der Luken aber aus C- Stahl von Normal-
profil 20. Die vollen Schottwände werden in der Höhe der äußeren Wallschienen (Scheuerleisten)
durch C förmige Duchten von gleichem Querschnitt versteift. Die 4 Luken sind lo,5 • 6,5 m groß
und durch Luksülle eingefaßt, die aus Winkeln und Wulsteisen von 200 • 9 mm Stärke gebildet
Teubert, BinnenschifTahrt. ig
290 Absciuütt n. Lastschiffe ohae eigeae Triebkraft.
vrerdea. Die 0,8 bis 0,9 m breiteo Luken-
deckel nlheo miRachiffs uif einem losnehm-
baren Balken aus Fichtenholz. Die Rinnsparren
bestellen aus Stahl. Die beiden hölicmen
Lademaste sind in eisernen auf dem Deck
befestigten nnd seitlich abgesteiften KöchCTn
beireglich. Das Heck ist übergebant, das am
Hinlersteven befestigte Steaemider wird durch
ein senkrechtes Handrad bewegt. Der Scbiffn-
boden ist durch zwei unvollständige Kiel-
schweine in J.-F'orni von 100 - 50 . 9 mm Stlrkc
versteift. Der Lcerliefgang wurde bei der
Eichung vorne lu 36, mittschiffs zu 53, hinten
EU 48, im Mittel zu 45 cm festgestellt Der
Völligkeitsgrad des Eichraums ist 0,899.
Die Größe der ElbschifTe war
£ bisher nicht beschränkt und tm
^ Wachsen bcgrifTen: Im Jahre 1908
I. Größe, Fonn und Einrichtung der Lastschiffe. 291
wurde auf einer Tetschener Werft ein Schiff für einen deutschen Schiffseigener
gebaut, das eine Länge über alles von 84,5 m, eine größte Breite von 11,8 m
und eine kleinste Seitenhöhe von 2,3 m hat. Bei der Eichung ergab sich der
Leertiefgang zu 42 cm und bei 2 m Tauchung betrug die Tragfähigkeit 1434 t.
Durch die preußische Verordnung vom 25. November 191 1 ist aber bestimmt
worden, daß künftig neu gebaute Eibschiffe höchstens 76 m Länge von Vorder-
kante des Vorstevens bis Hinterkante des Hinterstevens und eine größte Breite
von 1 1 m haben dürfen. Dies ist die erste schiffahrtpolizeiliche Beschränkung
der Schiffe auf offenen Strömen.
Die Saale schiffe werden durch die Abmessungen der Schleusen bestimmt, die auf der
Strecke von der Mündung in die Elbe bis Halle (S. 200) eine nutzbare Länge von 56,5 m und
eine geringste nutzbare Breite von 6,12 m haben. Die Bauart ist dieselbe wie auf Elbe und
Oder: entweder aus Holz mit eisernen Spanten oder aus Stahl mit Holzboden; entweder offen
oder mit Bretterdeck. Aus dem Vergleich von 20 neueren Schiffen ergaben sich folgende Grenz-
und Durchschnittwerte:
Länge Über alles 51,00 bis 51,58 m, im Mittel 51,30 m
Größte Breite 6,00
Kleinste Seitenhöhe bb Schandeck. 1,95
Leertiefgang 0,36
Tiefgang beladen 1,66
Tragfähigkeit 336
Völligkeitsgrad des Eichraums . . 0,836
Lastschiffe auf den Wasserstrafien Westdeutschlands.
Die Wasserstraßen im Stromgebiete des Rheins, der Ems und der Weser
stehen zurzeit noch nicht mit einander in Verbindung. Diese wird erst durch
den im Bau begriffenen Kanal vom Rhein zur Weser hergestellt werden. In-
folge dieses Umstandes haben sich die Schiffe in diesen drei Stromgebieten
im allgemeinen unabhängig von einander ausgebildet.
Vom Rheingebiete sollen zunächst die auf dem Hauptstrome ver-
kehrenden Lastschiffe besprochen werden, die sich in ihrer Form und Ein-
richtung erheblich von denen auf den östlichen Wasserstraßen unterscheiden').
Sie haben in der Regel weder eine Lehnung noch einen Sprung im Boden; da-
gegen zeigt das Deck meistens einen sehr beträchtlichen Sprung. Die Kimm ist
rund. Der Hintersteven steht fast immer senkrecht und trägt das feste Ruder,
während bei den Schiffen aus Eisen und Stahl das Heck übergebaut ist. Alle
gedeckten Schiffe haben einen durchlaufenden Bordgang und einen Tennebaum,
der die Festigkeit in der Längsrichtung vermehrt und außerdem als Freibord
dient. Auf diesem Tennebaum liegt das lose Plattendeck, dessen Sparren
(»Merklinge«) und Lukendeckel*) in der Mitte des Schiffes auf einem Luken-
balken*) ihr zweites Auflager finden. Die Schiffsform ist aus Holland über-
nommen, wo die Mehrzahl der Lastschiffe noch heute gebaut wird.
> 6,04 » 1
6,02 »
> 2,30 > J
2,16 >
> 0,42 > 1
o»39 »
> 2,05 > 1
1,90 >
» 451 1 1
412 t
> 0,909
0,895.
1} über die älteren RheinschifTe sind in dem »Geschichtlichem Rückblick« einige Mit-
teilungen und Bilder gebracht worden. Vgl. S. 60.
2) Der Rheinschiffer nennt die Lukendeckel mißbräuchlich »Luken« und den Lukenbalken
»Scherstock«.
«9*
292 Abschutt II. Ltstschiffe ohne eigene TriebkrefL
i6. Die holländische hölzerne Aak (Abb. 87 bis 92) wird meistens
in Längen von 25 bis 43 m über alles, mit gröOten Breiten von 5,5 bis 7 m
[ohne die Schwerter) und kleinsten Seitenhöhen von 1,8 m bis 2,25 m gebaut
Der Leertiefgang beträgt 0,$ bis 0,65 m, die Tragiahigkeit schwankt bei Tauch-
tiefen von 1,8 m bis 2,25 m zwischen 130 und 350 t. Die größeren Ab-
messungen werden jetzt selten noch aus Holz gebaut. Der stark vorspringende
Hintersteven (»Kielholz«) ist etwas geneigt gestellt. Die Form des Hinter-
schifls ist angenähert kegelförmig; der Bug wird verschieden geformt: ent-
weder nach Abb. 89 kafFenartig oder mit gekrümmtem Vorsteven, wie
Abb. 90 darstellt. Die letztere Form ist häuf^er. Das Mittelschiff hat starken
Holllndische hölienie Aak, Abb. 87 bis 92.
Abb.Sg. BugalsKaffe. Abb. 90. Bug mil Steven. Abb. 9t. QnerschDilt.
Abb. 92. Heck.
Ablauf {0,6 bis i m). Das Deck zeigt großen Sprung, trägt 2 Luken und die
große Kajüte. Fast alle Aaken tragen zwei Mäste, die zum Uml^en einge-
richtet sind, ihren Drehpunkt aber (wie bei allen Rheinschiflenj 2 bis 2,5 m
über Deck in festen Köchern haben. Der vordere größere Mast steht nahe dem
Hauptspant im Vorschiff, während der kleinere hinten an der Kajüte befestigt
ist. Diese Schiffe tragen gute Segeltakelung und verkehren auf dem Nieder-
rhein und im Mündungsgebiete zwischen Holland, Belgien und den Ruhrhäfeo.
OD 6,6 m (ohne
1} A. Debem, Ecude sur le jnatinel de la navigBtion Interieure circulant en Belgiqne . . .
Brüssel J901, Dieser Schrift sind die Zeichnungen von verschJeJeneo belgischen, holländischen
und fnmiöäischen Schiffen entnommen.
I. Größe, Form und Eiorichniog der LtsCschifTe,
weder du Helmholz des Steuerruder« {Steaer-
phme] oder der Vorsteven oder der MMtköcher
und liegt bei diesen Schiffen 4 m bis 4,5 m über
dem Wasseispi^jel beim Leergang.
17. Die holländische eiserne
Aak voaetwa 400 t Tragfähigkeit
(Abb. 93 bis 95). Seit etwa 40 Jahren
werden die gröüeren
RheinschifTe durchweg
(dnschlieOlich des Bo-
dens} aus Eisen oder
Stahl gebaut. Zuerst
wurden die Formen der
hölzernen Aak in Eisen
nachgebildet; bald ver-
feinerte man sie aber
namentlich am Hinter-
schiff, dem man unter
Wasser Keilform und ^
Über Wasser ein nahezu .s
halbkreisförmiges über- ^
gebautes Heck gab. ^
Durch die Keilform wird ■<
ein gleichmäßiges Zu- -"
strömen des Wassers J.
zum Ruderblatt und da- ^
mit eine gute Steuer- "^
fahigkeit gewonnen. 5
Die Form des Bugs ist ^
ziemlich unverändert ge- .g
blieben, ebenso die An- ^
Ordnung des Decks, der s
Luken, der Kajüte und S
der Mäste. Da die Aak
große Segeltakelung zu
führen pflegt, ist das
Niederlegen der Mäste
mit gewissen Schwierig-
keiten verbunden , die
durch das in Abb. 93
dai^estellte Verfahren
erleichtert werden kön-
294 Abschnitt II. ListschifTe ohne eigene Triebkraft.
D«s dargestellte Schiff Ut 43,5 m über allcä lang, hat eine größte Breite (ohne die Schwerter]
voD 7,1 m und eine kleinste Seitenhähe von 2 m. Der Leertiefgang betrigt 48 cm. Bei einer
Eintanebnng von z m ist die Tragfähigkeit etwa 400 i. Der höchste Punkt ist bei nmgeleglea
Masten die Winde auf dem kleinen Most, die 4,8 m Über der Leerebene liegt.
iS. Der holländi-
sche Käst von etwa
460 t Tragfähigkeit
(Abb. 9 6 und 97) hat
sich aus der vorbeschrie-
benen SchifTsform ent-
wickelt, indem der Vor-
steven senkrecht gestellt
wurde und auch der Bug
eine Keilform erhielt.
Das Schiff ist dadurch
völliger geworden. Es
^ ist zwischen den Loten
■0 48,3 m und über alles
° 49,4 m lang, hat eine
* größte Breite (ohne die
* 3' Schwerter) von 6,7 m
5^ " und eine kleinste Seiten-
S =3 höhe bis zum Bordgang
"3 von 2,25 m. Der Leer-
J ^ tiefg^ng beträgt 46 cm,
t; . der größte Tiefgang
J * 2,25 ni,
^ < Das Deck hat weniger
'S Spiiing als bei der Aale. Der
s höchste Punkt ist das Dach
J derKajüte, das;, 15 m Über der
"Ö Leerebene liegt. Der Tenne-
* bäum und das Tafeldeck laufen
vom Vordeck bis zur Hinter-
kajiite. Die beiden Msste
dienen nicht mehr zam Segeln,
sondern nur als Ladekrane.
Das Schilf hat dämm in der
Regel keine Takelung; nur
ausnahmsweise werden diese
Fahrzeuge mit Segeln ausge-
rüstet']. Neuerdings fllhren
sie meistens keine Schwerler
mehr, zumal diese bei ge-
schleppten Schiffen ohne Be*
t) In Holland daiinZ>eil-
kast< = Segelkast genannt.
m
deutung sEnd. Der Ksst ist fUr die
neueren großen deutschen Rhein-
schiffe vorbildlich genesen.
19. Das Rheinschiff
von etwa 700 t Trag-
fähigkeit (Abb. 98 bis 100)
ist 58 m zwischen den Loten
und 59,5 m über alles lang,
hat eine größte Breite Über
den Spanten von 8,3 m und
eine kleinste Seitenhöhe bis
zum Stringer von 2,1 m. Bei
einer Tauchtiefe von 2,05 m
hat es eine Tr^ähigkeit
von 695 t. Es ist ganz aus
Stahl hergestellt.
Die 65 ' 50 ' 6 mm starken
Spanten haben einen Abstand von
je 500 mm. Ad jedem Spant ist eine
310 '5 mm starke Bodenwrange (hol-
llndlsch: >Kattesporen<) angeord-
net, die oben mit einem 50-50-6 mm
starken Winkel gesSumt ist. Die
Außenhaut ist, mit Aosnahme des
8 mm starken Schergangs, durch-
weg 6 mm stark. Der Boden wird
durch 3 onvollstindige Kielsehweine
Yon J.-Querschnitt verstärkt, die
Kimm ist nach einem Halbmesser
von 350 mm abgerundet. Das Mit-
telschifT hat gleichlaufende Winde,
keinen Ablauf. Der Stringer (Bord-
gangj ist 700 mm breit und 5 mm
stark, mit dem Tennebaum durch
einen Winkel von 50-50-6 mm
und mit der Bordwand sowie der
ff-t
u
|i
TTsrr
1. Größe, Form und Einricfatung der Lastschiffe. 297
350 • 8 mm starken Bergplatte durch einen Stringerwinkel von 60 • 60 • 8 mm verbunden. Der
Tennebaom ist 600 mm hoch, 6 mm stark und oben mit einer 120 '5 mm starken Platte ver-
steift, die einen Winkel von 65 • 50 • 6 mm zur Auflagerung der Rinnsparren (Merklinge) trägt.
Außer dem vorderen Sicherheitschott {Ifj sind noch 7 Schotte aus 4 mm starkem, mit Winkeln
verstärktem Blech angeordnet. Diese Wände reichen bis Stringerhöhe, wo sie mit festen Decks-
flächen, die zwischen die Stringer eingespannt sind, verbunden werden. Diese Decksflächen sind
bei den Masten je 2,5 m breit (a), bei den 3 anderen mittleren Schotten {c) je i m breit. Quer-
schiffs werden an den Seiten dieser Decksflächen die Schottwände bis zur Höhe der Luken fort-
geführt. Die so gebildeten Räume, die längsschiffs durch den Tennebaum und oben wieder durch
ein festes Verdeck abgeschlossen werden, heißen Herfte (aus dem Holländischen). Sie dienen
zur Verstärkung, des Schiffes, zur Aufbewahrung von Schiffsgerät, Lebensmitteln, Brennstoffen und
anderen Vorräten und außerdem zur Auflagerung der Lukendeckel, wenn die Laderäume zum
Löschen und Laden geöfinet werden. Außer den 5 beschriebenen Herften befindet sich eine
solche, noch über dem vordersten Laderaum {x) auf dem Vordeck. Die letzten beiden Schotte {d)
schließen die Laderäume von den Kajüten ab. Alle festen Decksflächen sind aus geripptem
Stahlblech von 5 mm Stärke auf Deckbalken von 80 • 50 • 7 mm Stärke. Die Decksbucht be-
trägt 170 mm. Auf dem Hinterdeck ist noch eine besondere Kajüte aufgebaut, die auch die
Küche enthält (5 m lang, 3 m breit, 2 m hoch) und durch eine verdeckte Treppe mit den unteren
Wohnräumen verbunden ist. Diese besondere Kajüte heißt auf den Rheinschiffen die Roef
(sprich Ruff, holländisch). Sie wird zuweilen nicht auf dem Hinterdeck, sondern auf dem Vor-
deck oder mittschiffs aufgestellt und oft zum Teil in den Laderaimi vertieft eingebaut. Die 4
mittleren Laderäume sind noch durch je eine losnehmbore Ducht (auch Gebinde oder Raum-
balken genannt) von C-Querschnitt ausgesteift, an denen hölzerne Teilungswände nach Bedarf
befestigt werden können. Die Rinnsparren und Lukendeckel ruhen in der Schiffsmitte auf einem
hölzernen Lukenbalken, der mittels eiserner Schuhe von den Schottwänden (und den Seiten-
wänden der Herfte) getragen und über den Duchten durch eiserne Böcke unterstützt wird. Diese
ursprünglich aus Holz in Scherenform hergestellten Stützen hießen >Scherstöcke« und dies Wort
ist auf den Balken selbst übergegangen, der nach Art einer Fette die Sparren wie bei einem
Hause trägt. Das Verdeck ist so fest, daß es im Bedarfsfalle eine beträchtliche »Decklast«
tragen kann. Im Vor- und im Hinterschiff ist noch je eine Deckstütze {y) aus 60 mm starkem
Schweißeisen angeordnet. Rings um das ganze Schiff läuft eine 250 mm hohe, 8 mm dicke
Bergplatte, die mit einem Halbrundstahl als Scheuerleiste verstärkt bt.
«
20. Das Rheinschiff von etwa 1500 t Tragfähigkeit (Abb. loi bis
104) zeigt trotz der verschiedenen Größe eine ähnliche Anordnung. Es hat
zwischen den Loten eine Länge von 82 m, über alles von 84 m, eine größte
Breite von 10,3 m über den Spanten und eine kleinste Seitenhöhe bis zum
Stringer von 2,5 m. Bei einer Tauchtiefe von 2,5 m hat das Schiff eine
Tragfähigkeit von 1520 t. Es ist ganz aus Stahl gebaut
Die 75 'So* 7,5 mm starken Spanten haben einen Abstand von 500 mm; bei jedem zweiten
Spant ist eine Bodenwrange von 320 -6 mm angeordnet, die oben mit zw^i Winkeln (50 •50* 6,5)
gesäumt ist. In den Mitten der Laderäume befindet sich je eine Bodenwrange von 370 mm
Höhe. Unter den Mastköcherdecks ist jedes Spant mit einer Bodenwrange versehen. Die
Spanten ohne Wrangen haben 55 * 55 • 6 mm starke Flurwinkel als Auflager für die Wegerung.
Der Bode^ ist durch drei vollständige Kielschweine verstärkt, die aus 370 • 6 mm starken, oben
mit 2 und unten mit einem Winkel von 50 • 50 • 6 mm Stärke gesäumten Blechen bestehen.
Außerdem ist nahe der Kimm noch je ein Winkel von 50 • 50 • 6 mm angeordnet. Das mittlere
Kielschwein reicht durch das ganze Schiff, die seitlichen vom vordersten bis zum hintersten
Schott. Die Kimm ist nach einem Halbmesser von 500 mm abgerundet. Das Mittelschiff hat
keinen Ablauf. Der 800 mm breite Stringer hat mittschiffs eine Stärke von 9 mm, die nach den
Enden allmählich bis auf 6 mm abnimmt. Ebenso nehmen die Stärken der Seitengänge und
des Tennebaums von 9, 7, 12 und 8 mm allmählich bis zu den Steven auf 7, 6, 7 und 6 mm
ab. Außer dem vorderen Sicherheitschott {d) sind noch 13 verstärkte Schotte von 5 mm Blech
vorhanden, durch die 12 Laderäume abgeteilt werden. Unter den 3 Masten sind über je einem
Schott (a) 3 je 4 m breite feste Decks angeordnet. Außerdem sind noch 4 Herfte vorhanden.
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von denen 3 mit den Schottwänden ver-
bunden sind, während eine am vordersten
Ende des Laderaums liegt. Die festen
Decks von 5 mm starkem Riffelblech
ruhen im Vor- und Hinterschiff auf
Deckbalken von 80 - 50 • 8 mm , im Mit-
telschiff auf solchen von 90 • 60 • 8 mm.
Die Bordkante ist durch einen Halb-
rundstahl von 75-26 mm, die Oberkante
des Tennebaums durch einen solchen
von 50 • 1 1 mm gesäumt. Kajüten und
Roef sind in gleicher Weise wie bei dem
vorbeschriebenen Rheinschiffe angeord-
net, desgleichen das Plattendeck. Die
Rinnsparren werden hier aber durch drei
Holzbalken unterstützt. Duchten sind
nicht vorhanden.
21. Das Rheinschiff von
1700 t Tragfähigkeit (Abb. 105
bis 107) entspricht den in neue-
ster Zeit besonders zur Kohlenbe-
förderung gebauten Lastschiffen.
Die früher zum Segeln, später
nur zum Löschen und Laden be-
nutzten Mäste sind verschwun-
den; unser Beispiel zeigt dafür
leichte auf Deck befestigte Kö-
cher für 3 Flaggenmaste. Das
Schiff hat eine Länge zwischen
den Loten von 84 m, über alles
von 85,5 m, eine größte Breite
auf den Spanten von 11,15 m
und eine kleinste Seitenhöhe bis
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zum Stringer von 2,58 m. Bei einer
Tauchtiefe von 2,58 m hat es eine
Tragfähigkeit von 1 700 t. Es ist ganz
aus Stahl erbaut.
Die 6$ • 50 • 8 mm starken Spanten haben
einen Abstand von 450 mm ; bei jedem Spant
ist eine Bodenwrange von 330 • 7 mm ange-
ordnet, die oben durch doppelte Winkel von
50 • 50 • 6 mm gesXmnt ist. Der Boden ist durch
drei unvollständige Kielschweine in i-Form und
durch 2 Winkel von 50 • 50 • 6 mm nahe den
Kimmen verstärkt. Die letzteren sind nach
einem Halbmesser von 500 mm abgerundet.
Das Mittelschiff zeigt keinen Ablauf. Der Strin-
ger ist 900 mm breit, der Tennebaum 600 mm
hoch. Rings um das Schiff läuft eine stählerne
Bergplatte (Scheuerleiste) von 350-16 mm
Stärke, die außerdem noch eine Halbrundleiste
aus Stahl trägt. Außer dem vorderen Sicher-
heitschott sind noch 13 Schotte angeordnet, die
12 Laderäume abteilen. Über den 11 mittleren
Schotten befindet sich je eine Herft. Die Herfte
mit den Köchern für die Flaggenmaste sind je
1)8 m lang, die übrigen je 0,9 m. Die frei-
tragende Länge der Lukenbalken zur Untere
Stützung der Lukendeckel wird dadurch höch-
stens 5 m, so daß weitere bewegliche Duchten
entbehrlich sind. Der Leertiefgang wird zu
48 cm angegeben.
Die GröDe der Rheinschiffe nimmt
stetig zu: Schiffe von 2000 t sind keine
300 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Seltenheit mehr und im Jahre 1908 ist zuerst ein Schiff von 3500 t Trag-
fähigkeit gebaut worden, das nachstehend beschrieben werden soll.
22. Das Rheinschiff von 3500 t Tragfähigkeit (Abb. 108 bis iio), in
Holland fiir das Haus Karl Schroers in Duisburg ganz aus Stahl gebaut, hat
eine Länge über alles von 123 m und zwischen den Loten von 120 m, eine
gröOte Breite von 14,08 m und auf den Spanten von 14 m, eine kleinste
Seitenhöhe bis zum String^r von 2,85 m und bei gleichem Tiefgang nach
der Eichung eine Tragfähigkeit von 3583 t Es ist somit das größte Bin-
nenlastschiff in Mitteleuropa. In Form und Einrichtung unterscheidet
es sich nicht von den vorbeschriebenen Rheinschiffen. Der Laderaum ist
durch Schottwände, die oben mit größeren oder kleineren Herften verbunden
sind, in 17 Abteilungen zerlegt.
Beachtenswert ist die Bauweise des Bodens : Die in einem Abstand von 500 mm (unter der
Vorkajüte 400 und 350 mm) liegenden Bodenwrangen sind Xförmig (Normalprofil 20) und über
ihnen liegt rechtwinklig dazu eine zweite Reihe von 1-Trägem (Normalprofil 17) gleichfalls in
einem Abstand von 500 mm, die als Ersatz für die Kielschweine die Längsversteifimg des
Schiffes bilden. An den Kreuzungstellen sind die Träger durch je 4 Niete mit einander ver-
bunden. Die Kimm ist nach einem Halbmesser von 500 mm gerundet: Entsprechend geformte,
6,5 mm starke und oben mit 2 Winkeln (65 • 55 • 6,5) gesäumte Eckbleche verbinden die Boden-
wrangen mit den 7S * ^5 * S mm starken Spanten. In ähnlicher Weise sind die Längstrftger des
Bodens durch Winkel und Eckbleche mit allen Schottwänden verbunden. Die Stärken der
Außenhaut sind : im Boden 8 mm, in der Kimm und im Seitengang 1 1 mm, nach vom auf 9 mm,
nach hinten auf 8 mm auslaufend, im 1,2 m hohen Schergang 14 mm, nach vom auf 12 mm, nach
hinten auf 8 mm auslaufend und im 0,9 m breiten Deckstringer (Bordgang) 10 mm, nach vom
und hinten auf 8 mm auslaufend. Der ioo-ioo<i2 mm starke Stringerwinkel verbindet den
Stringer mit der Bordwand imd der 400 mm hohen, 16 mm starken Bergplatte, die um das ganze
Schiff läuft. Der 675 mm. hohe Tennebaum, 12 bis 10 mm stark, ist an dem Bordgang durch
80 'So* 10 mm starke Winkel befestigt, oben mit einer äußeren, 300 mm hohen und 12 mm
dicken Platte und mit einem inneren X'Stahl von 120 • 60* 10 mm verstärkt. Die 19 Schotte
sind unten 8 mm, oben 6 mm stark. Der Bordgang ist mit einem Schutzgeländer an der Wasser-
seite versehen, das aus beweglichen eisemen Pfosten und durchgezogenen Drahtseilen besteht
Bei der Eichung wurde der Leertiefgang hinten zu 63 cm, vom zu 47 cm, im Mittel zu
53 cm festgestellt. Der Völligkeitsgrad der Leerebene ergab sich zu 0,908, der der obersten
Einsenkungsebene (Wasserlinie) zu 0,931 und der des Eichraums zu 0,910. Der Völligkeitsgrad
der Verdrängung ist mithin zu Oj90 anzunehmen. Diesem 1908 gebauten Schiffe sind im Jahre
19 10 zwei von gleicher Größe gefolgt.
Nach den amtlichen Eichungen wurde eine Anzahl der neueren, in den Jahren 1907
bis 1909 erbauten Schiffe mit einander verglichen und es ergaben sich dabei die folgenden
Grenz- und Durchschnittwerte:
Gruppe I — aus 7 Schiffen:
Länge über alles .... 74,8 bis 80,2 m,. im Mittel 78,28 m
Länge zwischen den Loten 73,0 » 78,4 >
Größte Breite 9,9 » 10,3 »
Kleinste Seitenhöhe . . . 2,33 • 2,46 »
Mittlerer Leertiefgang . . 0,46 » 0,52 »
Tiefgang beladen .... 2,33 » 2,46 >
Tragfähigkeit 1232 » 1318 1
Völligkeitsgrad des Eichraums 0,885
Gruppe 2 — aus 8 Schiffen:
Länge über alles . . . . 82,1 bis 83,$ m, im Mittel 82,74 ^
Länge zwischen den Loten 80,0 » 81,3 > » » 80,7 >
Größte Breite 10,05 > io,i » » » 10,09 »
76,48 >
10,04 »
2,38 •
0,49 »
2,38 »
1279 t
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
301
Kleinste Seitenhöhe . . . 2,57 bis 2,7 m, im Mittel 2,63 m
Mittlerer Leertiefgang . . 0,44 » 0,51 » » » 0,49 >
Tiefgang beladen .... 2,47 > 2,57 > » » 2,53 »
Tragfähigkeit 1410 » »497 * » * »454 t
Völligkeitsgrad des Eichraums 0,879
Gruppe 3 — aus 5 Schiffen:
Länge Über alles .... 87,0 bis 87,1 m, im Mittel 87,0 m
85,3 »
11,08 >
2,75 •
0,50 »
2,64 »
85,2 >
11,07 »
2,73 »
0,47 »
2,60 »
1755 t
Länge zwischen den Loten 85,2
Größte Breite 11,06
Kleinste Seitenhöhe . . . 2,69
Mittlerer Leertiefgang . . 0,46
Tiefgang beladen . . . . 2,57
Tragfähigkeit 1692 » 1797 t
Völligkeitsgrad des Eichraums 0,878.
23. Das Oberrheinische Holzschiff von 160 t Tragfähigkeit
(Abb. III bis 113) dient vorzugsweise dem Verkehr mit Baustoffen und befahrt
auch die elsaß-lothringisdien Wasserstraßen. Es ist ganz aus Eichenholz
Oberrhemisches Holzschiff von 160 t, Abb. 11 1 bis 113.
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Abb. III. Ansicht und Längsschnitt i : 300.
Abb. 112. Bugansicht i : 100.
Abb. 113. Querschnitt i : 100.
gebaut, 34 m über alles lang und hat eine größte Breite von 5 m oben und
von 3,6 m im Boden, also starke, abgerundete Lehnung. Ablauf im Mittel-
schiff ist nicht vorhanden; der Boden ist aber an den Enden angehoben. Die
kleinste Seitenhöhe beträgt 1,64 m, der zulässige Tiefgang also etwa 1,5 m. Der
Leertiefgang beträgt 30 bis 33 cm. Am Bug ist der Boden kaffenartig auf-
gebogen und die Spitze schnabelförmig gestaltet, so daß angenähert eine Löffel-
form entsteht. Das Heck zeigt halbzilindrische Form mit senkrechtem Hinter-
steven (»Kielholz«), an dem das Steuer durch Fingerlinge befestigt ist. Das
Schiff ist offen und nur am Heck mit einem überdachten Schlafraum versehen.
24. Der Waidling (Abb. 114 bis 11 6), früher auch » Lauter tannen« oder
»Lurtannen« genannt, ist meistens ganz aus Tannenholz erbaut, 21 m übe^
alles lang und hat eine größte obere Breite von 2,5 m, eine untere von 1,9 m,
sowie eine kleinste Seitenhöhe von 0,95 m. Die Tragfähigkeit ist 20 t. Der
Boden ist vorne und hinten in gleicher Weise prahmartig aufgebogen, sodaß
302 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
die Breite am Bug 1,5 m und am Heck i m wird. Das Schiff wird durch
ein etwa 12 m langes Streichruder gelenkt, das am Heck in einer eisernen
Gabel ruht. Diese Schiffsform ist darum beachtenswert, weil sie in alten
Zeiten, als noch am Oberrhein ein großer Schiffsverkehr bestand, wahrschein-
lich vorherrschend war. Die Schiffe wurden, wohl auch in größeren Abmes-
sungen, damals in der Regel nur fiir eine einmalige Talfahrt gebaut und am
Ende der Reise (entweder in Mainz oder Köln] ähnlich wie die Zillen zum
zerschlagen verkauft. Jetzt werden sie am Oberrhein nur im Ortsverkehr
benutzt.
Von den SeitenwasserstraOen des Rheins nehmen die elsaß-loth-
ringischen Wasserstraßen (S. 108) eine besondere Stellung ein, da auf
ihnen vorwiegend Kanalschiffe verkehren, die selten auf dem Rhein
zu finden sind. Es kommen allerdings Fälle vor, daß diese Schiffe Frachten
von der Maas durch die französischen Kanäle nach Straßburg und Mühl-
Waidling, Abb. 114 bis 116.
Abb. 114. Ansicht 1:300.
Abb. 115. Bugansicht i : 100. Abb. 116. Querschnitt i : 100.
hausen bringen und dann den Rückweg auf dem Rhein nehmen, nament-
lich wenn sie in den Ruhrhäfen Kohlen für Belgien laden wollen. Das sind
aber Ausnahmen. Die Größe der Schiffe wird durch die Abmessungen der
Schleusen bestimmt, die meistens eine nutzbare Länge von 38,5 m uild eine
nutzbare Breite von 5,2 m bis 5,3 m haben. Da diese Wasserstraßen mit
Frankreich in Verbindung stehen, findet man auf ihnen häufig auch die
französischen Kanalschiffe, deren größte Abmessungen 38,5 m in der
Länge und 5 m in der Breite sind.
25. Die Penische, das flämische Kanalschiff, auch kurz Flamänder')
genannt (Abb. 117 bis 119), ist das auf den elsaß-lothringischen, den fran-
zösischen und den belgischen Kanälen am häufigsten vorkommende Schiff.
Es ist meistens 38,5 m über alles lang und hat eine größte Breite von 5 m
bis 5,06 m. Früher baute man die Penischen nur aus Holz und bevor-
zugte Eichenholz; neuerdings werden sie auch aus Eisen und Stahl, aber
meistens mit hölzernem Boden hergestellt. Sie werden offen oder gedeckt
i) Im Flämischen auch »WaaU genannt.
. Große, Fonn und Einrichtung der Lastschiffe.
303
gebaut. Der Leertiefgang ist bei hölzernen Schiffen 28 bis 32 cm, bei stäh-
lernen 32 bis 35 cm. Die kleinste Seitenhöhe ist z,z bis 2,6 m. Bei der
auf den elsäOischen und französischen Hauptkanälen größten zulässigen Tauch-
tiefe von 1,8 m beträgt die Tragfähigkeit meistens 280 bis
300 t, bei einer Tauchtiefe von 2 m: 315 bis 350 t, je nach
der Völligkeit']. Diese ist im Verhältnis zu allen anderen
Binnenschiffen auDerordentlich groD. Der VöUigkeitsgrad der
Verdrängung schwankt zwischen 0,96 und 0,99, ebenso wie
der VöUigkeitsgrad des Eichraums.
Unser Beispiel zeigt eine hälieme, gedeckte
Feniscbe von 38,6 m Länge, S™ Breite und
1,6 m Hühc. Alle Schiffe haben senkrechte
WXnde ; die vier senkrechten Kanten sind nach
einem Kreisbogen abgerundet. Vorsteven (»Naä-
holn) und Hintersteven (•KielboU-) stehen senk-
recht. Der Bug ist öfters oben nach innen ge-
ItrUmmt: Der Steven tritt vor und bildet eine
Nase, die seitlich durch wagereehte Hälier.
die der Franzose »Schnurrbart' nennt, versteift
werden. An dem Hintersteven hingt n-ittels
Fingerlingen das große, unten 4 bis 3 m lange
Stenerruder, daa nm eine senkrechte Achse ta-
sainmengeklappt wird, wenn das Schiff in eine
Schleuse flUirt. Das zusammengeklappte Ruder
wird dabei nm 90° gedreht. Der Boden hat in -
der Regel keinen Sprung, wird aber zuweilen "
vom ein wenig angehoben; dagegen zeigt das '£ §
Deck meistens einen Sprung. Ringsum läuft ein ^ !?
etwa 40 cm breiter Bordgaog, an den sich ein '" "
30 cm hoher Tennebaum anscbiiel^t, der dos ^ -b
Tafeldeck trigt. Dies ist ebenso aageordoel wie < 'S
bei den Kurischen Reisek Urnen (1)1 d. h. die Rinn- v <
Sparren sind gebogen (Kinnbogeo) und e1>enso u
die Lukendeckel, während l.ukenbalken zur Unter- 'g t
stutmog in der Mitte fehlen. Meistens ist vom 1^
und hinten je ein großer Laderaum angeordnet, _g -a
während sieh in der Mitte eine Kajüte (wie in % "^
der Abbildung) oder der Pferdestall befindet, der J
gewöhnlich etwa 4 m lang ist und von Bord- tb
gang zu Bordgang reicht. Zuweilen ist daim
noch eine Kajüte neben den Stall gebaut; mei-
stens werden aber nur die Räume unter dem
Vor- und Hinterdeck dazu benutzt. Die Schiffer
fiibren oft ihre eigenen Treidelpferde, eines oder
zwei, mit an Bord; ausnahmsweise werden Esel
verwendet. Znm Ein- und Ansbringen der Pferde
nach dem Leinpfade dient eine hölzerne Brücke,
die etwa 1,3 m breit aus l Balken besteht und
mit Brettern und aufgenagelten Leisten bedeckt
1) Wegen der Formen der französischen
KanalscbifTe vergleiche De Mas, Recherches
eipfrimentales sur le matiriel de la batellerle.
Paris 1897.
304 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
ist. Nach Gebrauch "wird diese Brücke auseinander genommen und auf Deck gelegt. Die
Penische ist meistens mit einem Mast ausgerüstet; der selten zum Segeln, gewöhnlich nur zum
Treideln benutzt wird. Anker und Ankerwinden werden in der Regel nicht gefuhrt, dafür aber
oft ein hölzernes Spill im Vorschiff. Der höchste Punkt des Schiffes ist das Helmholz des
Steuerruders, das 3,5 m bis 3)7 m über der Leerlinie liegt.
Es gibt viele Arten von Penischen, die zuweilen nach den Orten bezeichnet sind, wo sie
meistens gebaut werden, z. B. die Penischen von Tournai. Wenn die Schiffe weniger Sprung im
Deck und Boden haben und weniger gewölbt im Bug und Heck, also noch kastenförmiger sind,
nennt man sie in Belgien >Chaland«. Wenn der Bug etwas nach vom geneigt ist, ähnlich wie
beim Waidling (24), aber nicht so flach, so nennt man das Schiff >Biland«, flämisch >Bijlander<,
französisch >661andre«. Wenn das Vorschiff mehr abgerundet ist und in einen etwas ge-
neigten Vorsteven ausläuft, ähnlich wie bei den Oder- und Eibschiffen, dann nennt man das
Schiff in Belgien »Pointu«. Diese beiden letzteren Arten sind nicht so völlig wie die eigent-
liche Penische und werden in der Regel auch in etwas kleineren Abmessungen mit Tragfähig-
keiten von 160 bis 280 t gebaut.
26. Das Straßburger Kanalschiff') wird in denselben Abmes-
sungen wie die Penische gebaut, aber nicht so völlig. Der Boden ist an
den Enden meistens etwas . gehoben und das Deck hat wenig Sprung. Bug
und Heck haben nahezu h^lbzilindrische Formen und senkrechte, vom zu-
weilen etwas gekrümmte Steven, ähnlich wie der Bug der Oder- und Elb-
schifTe (z. B. Abb. 53). Der Völligkeitsgrad der obersten Wasserlinie (bei
1,8 m Tauchtiefe) ist darum kleiner als bei den Penischen: etwa 0,97 gegen
0,99, und der Völligkeitsgrad des Eichraums beträgt nur etwa 0,96. Diese
Schiffe haben aber den Vorzug, daß sie besser steuern und einen kleineren
Widerstand bei der Fortbewegung zeigen. Sie werden neuerdings häufig
aus Stahl mit Holzboden hergestellt. Der Leertiefgang ist im Durchschnitt
30 cm. Das Steuer bildet nicht ein so volles Trapez wie bei der Penische,
sondern ist in gefälliger Weise ausgerundet, aber gleichfalls zum Zusammen-
klappen eingerichtet. Im übrigen unterscheiden sich die Straßburger Schiffe
nicht von den Penischen.
27. Die Kadole (Abb. 120 bis 122) ist ein Kanalschiff, dessen Heck
durch eine senkrechte, ebene Wand gebildet wird, an der sich in der Regel
zwei bis drei Steuerruder befinden. Die Abmessungen richten sich wie bei
den übrigen Kanalschiffen nach den Schleusen. Die Kadolen sind meistens
offene, hölzerne Schiffe, deren Boden und Wände mit Senteleisen und Moos
gedichtet sind. Sowohl der Pferdestall wie die Kajüte sind oft nicht fest in
das Schiff eingebaut, sondern bewegliche Hütten, namentlich bei den fran-
zösischen Kadolen (»Toue«), die von der Saone aus dem Departement Doubs
stammen (Abb. 1 20). Diese Schiffe haben ein prahmartig aufgebogenes, aber
stärker gekrümmtes Vorschiff, ähnlich wie die Waidlinge (24). Die darge-
stellte Kadole ist 36,85 m über alles lang, 5,02 m breit und in der Mitte
2,08 m hoch. Die Tragfähigkeit ist bei 1,8 m Tauchtiefe 250 bis 270 t. Der
Leertiefgang beträgt 28 cm, der Völligkeitsgrad der Verdrängunjg 0,97. Der
Boden ist am Heck etwas angehoben. Die beiden durch eine Stange zwischen
i] Zuweilen auch »Champenois« genannt.
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
305
den Helmhölzern verbundenen Ruder werden im beladenen Zustande benutzt,
während bei leerem Schiffe nur ein Mittelruder gebraucht wird.
Wenn die Kadole im Vorschiff zugeschärft wird, so daß sie nahezu halb-
zilindrische Form bekommt, und mit einem meistens etwas gekrümmten Vor-
steven versehen wird, nennt man sie Spitzkadole*) (in Frankreich >Flüte«).
Der Boden wird vorn ziemlich stark angehoben (Abb. 121); das Hinterschiff
ist ebenso wie bei den anderen Kadolen gebaut. Der VöUigkeitsgrad der
Verdrängung ist dann 0,95.
Kadolen, Abb. 120 bis 122.
Giiindriß. Heck.
Abb. 122. St. Dizier-Schiff i : 300.
i fflll
5.0
Heck.
Bug.
Abb. 121. Spitzkadole 1:300.
SO-
Bug.
"T
4.
- -^
Wenn das Hinterschiff der Spitzkadole namentlich im unteren Teile stark
zusammengezogen und nur noch ein Steuerruder an einem Hintersteven an-
geordnet wird (Abb. 122), nennt man sie ein St. Dizier-Schiff, weil diese
Schiffe dort an der Marne meistens gebaut werden. Der Boden wird am Heck
in der Regel stark angehoben und der VöUigkeitsgrad sinkt auf 0,94. In
Frankreich werden diese Schiffe oft gleichfalls Flute genannt. Eine Eigentüm-
lichkeit ihrer Bauart besteht darin, daß die Bordwände durch von innen auf-
genagelte Leisten gedichtet werden.
28. Das hölzerne Neckarschiff (Abb. 123 bis 125) ist 35,2 m über
alles lang, hat eine größte Breite in der Mitte von 5,2 m und eine kleinste
1) Zuweilen auch »Rackette« genannt.
Teubcrt, Binacnschiffahrt.
20
Abb. 124. Gmudriß i 1300.
\- 3.^3
Abb. izj. Querschnitt 1 : 100.
Stihleraes NeckancbilT, Abb. 116 bb 138.
Abb. 136. Anseht 1:350.
Abb. 127. UrundriU l ; 350,
Hölzernes Mainschiff, .Abb. 129 bis 131.
Abb. txg. l.Sngsschnitt i : zoo.
c...:...:...:...:.-luwf^. ■ .
Abb. 130. Grundriß i
Abb. 13c. Querschniti i : So.
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe. 307
Seitenhöhe von 1,02 m bis zum Schandeck. Der Leertiefgang ist 25 cm. Bei
einer Tauchtiefe von i m ist die Tragfähigkeit iio t, der VöUigkeitsgrad des
Eichraums also 0,83. Die äuDere Form hat Ähnlichkeit mit dem oberrheini-
schen Holzschifr(23).
Der Boden ist vorne kaifenartig aufgebogen und läuft in einen Schnabel aus, der Boden
hat hinten keinen Sprung, das Heck ist abgerundet und mit senkrechtem Steven versehen, an
dem das feste Ruder hängt. Das Deck hat großen Sprung wie die Rheinschiffe. Das Mittel*
schiff hat Ablauf nach vorne und nach hinten, wo die größten Breiten nur 5,15 und 5 m betragen.
Die Bordwände sind im Querschnitte stark genmdet, so daß die Breite im Boden vorne und in
der Mitte 3,45 m, hinten 3,3 m beträgt. Rings um das Schiff läuft ein 25 cm breites Schan-
deck, an das sich ein 30 cm hoher Tennebaum anschließt; das Plattendeck ist nach rheinischer
Bauart angeordnet. Der 27,7 m lange Laderaum ist durch 7 Duchten (Gebinde) in Abständen
von 3,5 bis 4,5 m versteift. Im Vorschiff befindet sich unter Deck ein Mannschaflsraum , im
Hinterschiff eine höhere Kajüte.
29. Das stählerne Neckarschiff (Abb. 126 bis 128J hat eine Länge
zwischen den Loten von 42 m, eine größte Breite von 6 m und eine kleinste
Seitenhöhe bis zum Stringer von 1,2 m. Der Leertiefgang ist 30 cm. Bei
einer Tauchtiefe von 1,2 m beträgt die Tragfähigkeit etwa 200 t, der VöUig-
keitsgrad des Eichraums also 0^90. Die äuDere Form ähnelt durchaus den
neueren Rheinschiffen.
Das Mittelschiff hat nach beiden Enden etwa 20 cm Ablauf, der Boden zeigt keinen, das
Deck sehr großen Sprung, das Schiff hat keine Lehnung und runde Kimm. Bug und Heck sind
unter Wasser keilförmig. Das übergebaute Heck trägt den Steuerstuhl, genau wie bei den Rhein-
schiffen. Durch 4 Schottwände werden 3 Laderäume abgeteilt, vorne und hinten sind Kajüten
unter Deck und außerdem eine hinten aufgebaute Roef. Bei dem Mastköcher sind geräumige
Herfte angebracht
Die Abmessungen der Neckarschiffe sind von Mannheim bis Heilbronn durch keine Schleusen
begrenzt. Die größten, jetzt dort verkehrenden Schiffe sind 48,5 m lang, 7,5 m breit und haben
eine Tragfähigkeit von 400 t. Oberhalb Heilbronn sind die Schiffe meist nur 36 m lang und
4.2 m breit, weil die dort vorhandenen Schleusen eine nutzbare Länge von 39,5 m und eine
nutzbare Breite von 4,58 m haben.
30. Das hölzerne Mainschiff (»Scheich«, Abb. 129 bis 131) hat Ähn-
lichkeit mit dem hölzernen NeckarschifT, aber einen etwas anderen Querschnitt.
Es ist offen, hat eine Länge über alles von 25 m, eine größte Breite von
3,56 m, eine kleinste Seitenhöhe in der Mitte (einschließlich der Dicke der
Sohlbretter und des Schandecks) von 0,97 m und trägt bei einer Tauchtiefe
von 0,9 m etwa 50 t. Bug, Heck und Steuer entsprechen dem hölzernen
Neckarschiff und dem oberrheinischen Holzschiff.
Das Mittelschiff hat nach vom 15 cm, nach hinten 20 cm Ablauf, dort also nur obere
Breiten von 3,35 m und 3,3 m über den Spanten. Der Querschnitt zeigt von oben bis etwa
zur halben Höhe senkrechte Bordwände, dann aber nach unten eine sehr starke Lehnung (etwa
40° zur wagerechten geneigt), so daß die Breite des Bodens nur 2,5 m beträgt. Dieser besteht
ebenso wie die Bordwände aus 35 mm dicken eichenen Bohlen, die unten durch 3 Sohlbretter
und seitlich noch durch 2 aufgenagelte »Wangen« verstärkt sind. Die 80—90 mm starken Spanten
(Knie) bestehen aus einem Stück mit der Bodenwange und werden abwechselnd auf Backbord-
und Steuerbordseite versetzt, liegen also nicht in derselben Querschnittsebene wie beim Eisenbau
oder beim Holzbau an den östlichen Wasserstraßen. Rings um das Schiff läuft ein 170 mm
breites, 40 mm starkes Schandeck, das binnenschiffs auch über das Futter oder die »Remme«
reicht, wie man am Rhein die obere innere Bordverkleidung nennt, die dem Schiffe eine gewisse
Längs Versteifung gibt. Die Duchten sind durch Schraubenbolzen mit den Bordwänden verbunden.
20*
308
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
im Vorschiff befindet sich ein festes Deck, unter dem Geräte aufbewahrt werden, hinten ist eme
kleine Kajüte angeordnet. Die größeren Holzschiffe sind mit Plattendeck versehen. Kleine
Scheiche werden zuweilen »Schlumper« genannt, und größere bis zu 120 t, aus weichem Holz
und leicht gebaut, heißen Zillen. Sie befahren auch den Ludwigkanal.
31. Das Stählerne Mainschiff (Abb. 132 bis 134) hat eine Länge über
alles von 41 m, eine größte Breite von 6,4 m über den Spanten, eine kleinste
Seitenhöhe bis zum Stringer von 1,1 m und bei gleicher Tauchtiefe eine
Stählernes Mainschiff, Abb. 132 bis 134.
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W Abb. 132. Ansicht i : 400.
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Abb. 133. Grundriß l : 400.
Abb. 134. Querschnitt i : 100.
Tragfähigkeit von etwa 200 t.
Der Leertiefgang ist 30 cm.
Das Schiff ist dem stählernen
Neckarschiffe in den Abmes-
sungen ziemlich ähnlich. Das
Hinterschiff nebst dem Steuer-
ruder ist aber in den völlisreren
Formen des vorbeschriebenen Holzschiffs ausgeführt, wenngleich neuerdings
einige stählerne Schiffe auch in dieser Beziehung genau nach Art der Rhein-
sghiffe gebaut werden.
Das Mittelschiff hat nur hinten einen Ablauf von 30 cm, die Kimm ist rund, der Boden
hat keinen Sprung, dagegen das Deck einen bedeutenden. Der ringsum laufende Bordgang
Stringer) ist 0,4 m breit, der Tennebaum 0,5 m hoch. Durch 3 Schottwände sind 2 Kajüten
und 2 Laderäume abgeteilt, die durch Duchten versteift werden. Am mittelsten Schott bei dem
Lademast ist eine große, vom am Ende des Laderaums noch eine kleine Herft angeordnet.
32. Das Lahnschiff (Abb. 135 bis 137) ist in seinen Abmessungen durch
die Größe der Schleusen begrenzt, die eine nutzbare Länge von 32,64 m und
eine nutzbare Breite von 5,34 m haben. Aus Abb. 136, wo das Schiff in
der Schleuse liegend dargestellt ist, erkennt man, wie es möglich ist, durch
diese Schleuse mit Schiffen von 34,2 m, über alles gemessen, zu fahren und
doch noch das Steuerruder in die Schleuse zu bringen. Die größte Breite
beträgt 5,2 m, die im Hinterschiffe auf 5,15 m abnimmt. Die kleinste Seiten-
höhe ist 1,45 m, der Leertiefgang 30 cm, die größte Tauchtiefe 1,25 m mit
190 t Tragfähigkeit.
Das dargestellte Schiff ist aus Eichenholz hergestellt. Die P^omien von Bug und Heck sind
ähnlich wie der Bug des oberrheinischen HolzschifTs und der hölzernen Neckar- und MainschifTe :
I. Grobe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
309
halb Kaffe, halb LöfTel. Die Schandecklinie ist mittschifTs wagerecht und am Bug und Heck
aufgebogen. Der Querschnitt zeigt eine Lehnung von 20 cm, so daß die Bodenbreite 4,8 m be-
trägt. Die hölzernen Spanten sind gegeneinander versetzt und besondere Bodenwrangen fehlen,
wie beim hölzernen Mainschiflf. Die Beplankung ist 4 cm stark, besondere Sohlbretter und
Wangen fehlen. Die Wegerung ist gleichfalls 4 cm stark sowie auch das 24 cm breite Schandeck,
Hölzernes Lahnschüf, Abb. 135 bis 137.
' — -^ r
Abb. 136. Grundriß von Schiff und Schleuse i : 300.
an dem binnenschiffs eine 30 cm hohe, ebenso
starke senkrechte Windlatte angeordnet ist.
Der Laderaum ist offen und durch 7 Duchten
versteift, im Vor- und Hinterschiffe befinden
sich kleine Kajüten. Im Laderaum sind außer-
dem noch 2 Herfte angeordnet. Das Ruder
hat eine eigentümliche Gestalt: Der senk-
rechte Ruderschaft ist im oberen Teil ab-
gerundet und durch die Hinterkaffe hindurch-
geführt; mit dem Helmstock ist eine Ver-
steifung aus gebogenem Holz verbunden, die
zum hinteren Teil des Ruders hinunterführt.
Das Ruderblatt sowie der Helmstock können
mittels je eines (ielenkes umgeklappt werden,
wenn das Schiff in der Schleuse liegt.
Abb. 137. Querschnitt i : 100.
33. Das Moselschiff (Abb. 138 u. 139) ist innerhalb Preußens und
Luxemburgs bisher in seinen Abmessungen durch Schleusen nicht beschränkt
und es verkehren jetzt dort Schiffe bis zu 55 m Länge ^ 5j35 ni Breite
und 800 t Tragfähigkeit; die Mehrzahl hat aber Tragfähigkeiten von
200 bis 300 t und ist aus Stahl gebaut. Unser Beispiel zeigt ein solches
Schiff von 43,4 m Länge über alles, 5,64 m größter Breite, 1,9 m Seiten-
höhe und 24 cm Leertiefgang, das bei 1,44 m Tauchtiefe eine Tragfähigkeit
von 218 t hat.
Die Form des Bugs ist die gleiche wie bei dem stählernen Mainschiff und Neckarschiff,
das Heck hat unter Wasser Keilform, ist aber nicht übergebaut. Der Vorsteven ist geneigt, der
Hintersteven senkrecht und trägt das feste Ruder. Das Schiff hat keine Lehnung, runde Kimm
und keinen Sprung im Boden. Auch die Decklinie ist nur an den Enden gehoben. Das Mittel-
310
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
schiff hat Ablauf nach vom und hinten, so daß dort die Breite 5,40 m beträgt. 4 Schottwände
teilen 3 Laderäume von je 11,6 m Länge und 2 Kajüten ab. Der Tennebaum und das Platten-
deck sind wie bei den Rheinschiffen angeordnet. Bei dem Mastköcher befinden sich 2, bei
der anderen mittleren Schottwand noch eine dritte Herft. Mehrere stählerne Moselschiffe sind
auch ganz nach der Art der Rheinschiffe mit übergebautem Heck und Steuerstuhl gebaut
Stählernes Moselschiff, Abb. 138 und 139.
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Abb. 138. Ansicht mit Querschnitt 1 :350.
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Abb. 139. Grundriß 1 : 350.
Die Zahl der hölzernen Moselschiffe nimmt allmählich ab. Sie sind hinsichtlich der
Formen des Bugs, des Hecks und des Steuers wie die Lahnschiffe (32) gebaut. Da sie aber im
allgemeinen durch keine Schleusen in ihren Abmessungen beschränkt werden, sind Vor- und
Hinterschiff mehr zugespitzt und höher aufgebogen. Auch der Querschnitt ist nicht so völlig wie
beim Lahnschiff, zeigt vielmehr eine Muldenform wie das oberrheinische Holzschiff (23). Die
Bauart ist sonst dieselbe; oft wird über dem Mittelschiff noch eine halb versenkte Kajüte (Roef)
aufgebaut und der Laderaum mit einem Plattendeck geschlossen.
Hölzernes Saarschiff, Abb. 140 bis 142.
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Abb. 142. i: 150
Abb. 141. Bug 1 1300.
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34. Das Saarschiff (Abb. 140 bis 142). Die auf den Wasserstraßen der
Saar verkehrenden Holzschiffe sind im allgemeinen ebenso gebaut wie die
vorstehend beschriebenen hölzernen Moselschiffe. Auf der preußischen kanali-
sierten Saar sind die Abmessungen durch die Schleusen begrenzt, die eine nutz-
bare Länge von 40,8 m und eine nutzbare Breite von 6,6 m haben, während
in Elsaß-Lothringen die Schleusen sowohl in der kanalisierten Saar als auch
im Saarkanal Abmessungen von 38,5 m und 5,2 m haben (S. 113). Um die
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
311
Schleusen vorteilhaft auszunutzen, ist das hölzerne Moselschiff völliger gemacht
worden, indem der runde Boden durch einen flachen mit schwacher Lehnung
ersetzt und die Aufbiegung des Bugs und des Hecks steiler gemacht wurde.
Unser Beispiel zeigt ein hölzernes Schiff von 38,5 m Länge über alles, 5 m Breite und 2 m
Seitenhöhe. Der Leertiefgang ist 30 cm; bei einer Tauchtiefe von 1,8 m hat es eine Tragfähig-
keit von 270 t, mithin nicht viel weniger als die Penische. Die Formen des Bugs und des Hecks
sind beachtenswert, wie der Spantenrib (Abb. 142} zeigt. Es sind außerdem auch zur Verdeutlichung
einige Wasserlinien und Schnitte im Grundriß und Aufriß gezeichnet worden'}. Der Bug zeigt
Löffelform, das Heck eine gerundete Kaffe, die in die Löffelform übergeht: au$ dem Spantenriß
sind die Unterschiede ersichtlich. Der Völligkeitsgrad der Verdrängung ist 0.935.
35. Der Maasspitz, frz, »Pointu« (Abb. 143 bis 145) ist beim Verkehr
nach dem Rhein in seinen Abmessungen von den Schleusen in der kanalisierten
Maas, im Kanal von Lüttich nach Maastricht und im Kanal von Maastricht
Stählerner Maasspitz, Abb. 143 bis 145.
Abb. 143. Ansicht i : 350.
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Abb. 144. Grundriß i : 350.
nach Herzogenbusch (holl. »Zuid — Willemsvaart«) abhängig.
Obwohl diese in dem letztgenannten holländischen Kanal eine
nutzbare Länge von 50 m und eine nutzbare Breite von 7 m
haben (S. 151), werden nur Schiffe von 50 m Länge und 5 m
Breite, ausnahmsweise 6,6 m Breite zugelassen.
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Abb. 145. I : 350.
Das dargestellte Schiff aus Stahl ist 41,2 m über alles lang, hat eine größte Breite von 5 m,
eine kleinste Seitenhöhe von 2 m, einen Leertiefgang von 30 cm und trägt bei einer Tauchtiefe
von 1,9 m etwa 300 t. Der Boden ist vorne etwas gehoben, sonst ohne Sprung. Auch das Deck
zeigt mittschiffs wenig Sprung. Das Schiff hat weder Ablauf noch Lehnung und scharfe Kimm.
Die Formen von Bug und Heck sind sehr völlig, das Heck hat' fast halbzilindrische Gestalt.
Der Vorsteven ist etwas geneigt, der Hintersteven senkrecht und trägt an Fingerlingen das feste
Ruder. Das Deck ist in üblicher Weise mit durchlaufenden Bordgängen und Tennebaum versehen,
das Plattendeck hat gebogene Rinnsparren, ohne Lukenbalken. Im Hinterschiff ist auf Deck eine
besondere Kajüte (Roef) angeordnet.
Die älteren eisernen Maasspitze haben am Bug und Heck unter Wasser Keilform und sind
damit dem stählernen Moselschiff (33) ähnlich; um sie aber bei Längen unter 38,5 m auch
auf den französischen Kanälen vorteilhaft verwenden zu können, sind sie nicht völlig genug. Man
baut für diesen Zweck deshalb eine besondere Art Maasspitz [von den Schiffern »Fox-Terrier«
genannt', die vorne und hinten noch stärker abgerundet ist als das dargestellte Schiff und deren
l) Es ist dies ein >preußisches Schiff«, das De Mas bei seinen Versuchen benutzt hat.
Vgl. Anmerkung auf Seite 303.
312
Abschnit TL, Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Heck nahezu kugelförmig gestaltet ist. Diese Art ist jetzt sehr verbreitet und verkehrt auch auf
dem unteren Rhein. Der Maasspitz ist in der Regel mit Segeln ausgerüstet, größere Schiffe tragen
auch zwei Mäste.
Die hölzernen Maasschiffe heißen »Herna« und »Mignole« (flämisch
»Spitzbekc) und haben mit dem oben beschriebenen LahnschifTe (32) Ähn-
lichkeit hinsichtlich der Formen des Bugs und Hecks sowie des Steuers. Der
Querschnitt zeigt meistens starke Lehnung, ähnlich wie das oberrheinische
HolzschifT (23). Wenn der kaffenartig rund aufgebogene Bug vorne abge-
schnitten ist wie bei der Kadole (27), nennt man das Schiff Herna, wenn es
aber in eine Spitze ausläuft, wie bei dem Lahnschiff, nennt man es Mignole.
Das Deck dieser Schiffe ist im Übrigen ebenso angeordnet wie bei dem dargestellten Maas-
spitz ; jedoch pflegt die Kajüte mittelschiffs etwas versenkt aufgebaut zu werden. Die Abmessungen
der älteren Schiffe schwanken zwischen 30 und 35 m Länge, 4,2 m und 5 m Breite und 1,6 m
bis 1,7 m Tauchtiefe. Die TragfUhigkeit beträgt 100 bis 200 t. Neuerdings baut man sie
meistens 38,5 m lang, 5 m breit und gibt ihnen völligere Formen, indem namentlich die Lehnung
fortfällt. Dann erreichen sie bei 1,9 m Tauchtiefe eine Tragfähigkeit von 280 t. Zuweilen werden
in neuester Zeit diese Schiffe auch aus Stahl hergestellt.
36. Die Tjalk (Abb. 146 bis 148) ist von allen holländischen und Bra-
banter Segelschiffen, die in dem unteren Rheingebiet verkehren, das am meisten
verbreitete. Man findet
die Tjalk auch auf der ^jalk, Abb. 146 bis 148.
Ems und auf dem Dort-
mund-Ems-Kanal, wohin
sie durch die holländi-
schen Kanäle gelangt.
Ihre üblichen Abmessun-
gen sind 20 m bis 25 m
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Abb. 146. Ansicht i : 300.
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Abb. 148. I : 300.
Abb. 147. Grundriß i : 300.
Länge, 4,7 m bis 5,5 m Breite (einschl. der Schwerter) und 1,6 m bis 2,2 m
Seitenhöhe mit 70 bis 1 50 1 Tragfähigkeit Größere Schiffe sind selten. Der
Leertiefgang ist bedeutend und schwankt zwischen 60 und 75 cm').
Unser Beispiel zeigt eine Tjalk von 20 m Länge über alles, 5 m Breite (ohne Schwerter)
und einer kleinsten Seitenhöhe von 1,6 m. Der Boden ist flach und ohne Sprung, das Deck zeigt
aber einen starken Sprung. Der Querschnitt hat Lehnung und runde Kimm. Das Mittelschiff
hat Ablauf nach vorne und nach hinten. Bug und Heck zeigen abgerundete, aber stumpfe Form:
Der Vorsteven ist nach vorne geneigt, oben nach innen gebogen, der Hintersteven ist senkrecht
und trägt mit Fmgerlmgen das feste Ruder. Beide Steven (Nasholz und Kielholz) sprmgen unten
weit vor dem löffelförmigen Bug und Heck vor. Auf dem festen Deck ist vorne eine kleinere
und hinten eine größere Luke nebst einer Kajüte angeordnet. Die größere Luke ist mit Tenne-
i) Diese und die vorstehenden Abbildungen sind dem Werke von Dehem entnommen.
Fußnote auf Seite 292.
I. Größe, Form und Einrichtung der I^astschiffe. 313
bäum und einem Plattendeck versehen, dessen Lukendeckel in der Mitte von einem Lukenbalken
getragen werden. Der Mast ist umlegbar und trägt eine reichliche Takelung. Auch ist das
Schiff mit großen Schwertern ausgerüstet. In der Regel werden die Tjalken aus Eichenholz
gebaut, neuerdings zuweilen aus Stahl.
Ähnliche holländische Schiffe sind der »Praam«, der völliger und mit
weniger Sprung gebaut wird, ferner die kleineren >Hoogaarts« und »Hengst«,
die aber nur lo bis 12 m lang, 3 m bis 3,5 m breit sind und etwa 10 1 tragen.
Von Brabanter Segelschiffen sind die »Otter«, die »Schuit« und die »Pleit«
zu erwähnen, deren Bauart mit der der Tjalk ziemlich übereinstimmt. Die
Otter (20 bis 30 m lang, 4 bis 5 m breit mit 70 bis 180 t Tragfähigkeit) ist
davon am meisten verbreitet. Sie zeichnet sich dadurch aus, daß das Heck
über das Steuerruder hochgefuhrt ist und das Helmholz des Ruders durch
diese Wand hindurchgeht wie bei dem kurischen Reisekahn (1), mit dem diese
Schiffe auch sonst viel Ähnlichkeit haben. Die Pleit hat weniger gekrümmte
Formen, fuhrt auch weniger Takelung und erreicht bei 35 m Länge, 5 m
Breite und 2 m Tauchtiefe eine Tragfähigkeit von 270 t.
Das Emsgebiet und der Dortmund-Ems-Kanal. Mit Ausnahme
der untersten Strecke der Ems (von Emden aufwärts bis Papenburg und
Herbrum) und der Leda wird die GröI3e der Schiffe durch die Abmessungen
der Schleusen begrenzt. Diese sind in der aufgestauten Ems : 165 m nutzbare
Länge und 10 m nutzbare Breite, in dem eigentlichen Dortmund-Ems-Kanal:
67 m nutzbare Länge und 8,6 m nutzbare Breite, im Ems-Jade-Kanal:
33 m Länge und 6,5 m Breite, in den Oldenburgischen Kanälen (z. B.
der Ems-Hunte-Kanal): 29 m Länge und 5,2 m Breite, in den Papenburger
Kanälen: 32 m Länge und 6,4 m Breite. Auf dem linken Emsufer haben
die mit den holländischen Wasserstraßen in Verbindung stehenden ostfriesischen
Kanäle, wie der Haren-Rütenbrock-Kanal, der Süd-Nord-Kanal,
der Ems-Vechte-Kanal usw. ähnliche Schleusenabmessungen: 33 m nutzbare
Länge und 6,5 m nutzbare Breite. Vor Erbauung des Dortmund-Ems-Kanals
verkehrten auf diesen Wasserstraßen die Pünten, Tjalken und andere holländische
Schiffe sowie außerdem kleine Küstenschiffe und verschiedene Arten von kleinen
Kanalschiffen, wie z. B. die »Muttschiffe« von 15,6 m Länge, 4 m Breite und
30 t Tragfähigkeit auf den Papenburger Kanälen. Wir beschäftigen uns nur
mit den Schiffen auf dem Dortmund-Ems-Kanal.
37. Die Pünte (Abb. 149 bis 151) ist ein leicht gebautes, in der Regel
offenes Holzschiff, das besonders in Haren an der Ems gebaut wird. Die
dargestellte Pünte ist eine der größten mit 26,2 m Länge über alles, 5,68 m
Breite und 2,1 m kleinster Seitenhöhe. Sie hat einen Leertiefgang von 35 cm
und bei einer Tauchtiefe von 1,75 m eine Tragfähigkeit von etwa 180 t. Es
sind aber viele kleinere vorhanden, die bei einer Tauchtiefe von 1,1 m nur
90 t Tragfähigkeit besitzen.
Die zum Segeln eingerichteten Schiffe haben flachen, hinten etwas gehobenen Boden mit
starkem Ablauf des Mittelschiffe nach hinten und nach vorne. Der Querschnitt zeigt Lehnung
314
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
und scharfe Kimm. Das Hinterschiff ist zugespitzt und mit senkrechtem Steven versehen, an
dem das Steuerruder hängt. Das Vorschiff ist prahmartig aufgebogen, ähnlich wie der Waidling (24)
und am Bug auf 2,5 m Breite zusammengezogen. Diese Anordnung wird beim Treideln ver-
wendet, um das Pferd an Bord zu nehmen und an das andere Ufer überzusetzen, wenn der
Leinpfad das Ufer wechselt. Im Hinterschiff ist eine Kajüte eingebaut. Die Lebensdauer ist
auf 22 bis 25 Jahre anzunehmen.
Pünte, Abb. 149 bis 151.
Abb. 149. Ansicht i : 300.
t
1
Abb. 151. Querschnitt i : 300.
Abb. 150. Grundriß i : 300.
38, Das Kanalschiff aus Stahl mit keil-
förmigem Bug und Heck (Abb, 152 bis 154) ist jetzt
die bevorzugte Schiffsform. Das dargestellte Schiff
hat eine Länge von 65,1 m zwischen den Loten und
von 66,5 m über alles, eine Breite von 8,09 m über
den Spanten und von 8,2 m über den Scheuer-
leisten, sowie eine kleinste Seitenhöhe bis zum Stringer von 2,3 m. Bei einer
Tauchtiefe von 2 m hat es eine Tragfähigkeit von 750 t. Bei 2,3 m Tauchung
würde sie 900 t betragen. Es ist nach Art der großen Rheinschiffe ohne
Lehnung, ohne Ablauf im Mittelschiff, ohne Sprung im Boden, mit runder Kimm
nach einem Halbmesser von 500 mm, mit übergebautem rundem Heck und
mit festem Steuerruder gebaut. Der Leertiefgang beträgt im Mittel 45 cm,
die höchsten Teile des Schiffes ragen nicht mehr als 3,8 m darüber hinaus.
Die 65 • 50 • 6,5 mm starken Spanten haben im Hinterschiff und Mittelschiff einen Abstand
von 550 mm, im Vorschiff von 350 mm. An jedem Spant befindet sich eine 240 • 6 mm starke
Boden wränge, die oben mit einem Winkel von 55 -55 -6 mm gesäumt ist. An den Rahmen-
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
315
Spanten haben die Bodenwrangen doppelte Winkel
in jedem Laderäume, sind 200 • 6 mm stark und
gesäumt. Der Boden wird durch 3 vollständige
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. Diese Rahmenspanten befinden sich zu zweien
biunenschiffs mit 2 Winkeln von SS ' 5S ' ^ ^^^
Kielschweine verstärkt, die aus 6 mm starken,
oben mit 2 Winkeln von ^o - So • 6 mm und
unten durch einen von 65 • So ■ 6,S mm ge-
säumten Blechen bestehen. Der 7 So mm breite
Stringer (Bordgang) ist 7 mm stark, mit der
Bordwand durch einen 80 • 80 • 8 mm starken
Stringerwinkel und mit dem senkrechten Tenne-
baum durch einen 65 • 65 • 6.S mm starken Win-
kel verbunden. Der 7 mm starke Tennebaum
reicht 400 mm über Deck und i So mm unter
Deck, wo er an der Unterkante der Deckbalken
umgebogen ist. Oben ist er durch einen
SS • 50 • 6 mm starken Winkel zum Auflegen
der Rinnsparren verstärkt. Von der Außenkant
sind der Kimmgang 9 mm, der Scher- und
Kielgang 8 mm, die übrigen Boden- und Seiten-
gänge 7 mm stark. Im Vorschiff, auf 9 m Ent-
fernung vom Steven sind aber die letzteren von
200 mm unter dem Leertiefgang bis 200 mm
über der Tief ladelinie auch 8 mm stark. Die
Scheuerleiste (Rergplatte) besteht aus einem
200 • 10 mm starken Bleche mit einem Halb-
run dstahl von 78-26 mm. Durch 4 wasser-
dichte, mit Winkeln versteifte Schotte von 5 mm
Stärke i^) werden 3 Laderäume und 2 Kajüten
abgeteilt. Die beiden äußersten Schotte reichen
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316
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
bis unter das Vor- und das Hinterdeck, die beiden mittleren tragen schmale Deckfiiichen von je
1,1 m Breite, zwbchen denen ebenso wie auf den Rheinschiffen Herfte angeordnet sind. Femer
sind noch 2 solcher Herfte am vorderen Ende des vordersten und am hinteren Ende des hinter-
sten Laderaums angeordnet, die zur Aufbewahrung von Geräten und dgl. dienen. Die Herft-
wände aus Stahl tragen Schuhe zum Auflegen der Lukenbalken. Die 3 großen Laderäume
werden durch je 2 Duchten (Gebinde) in je 3 Teile zerlegt (d\ die durch bewegliche Holz-
schotte abgeschlossen werden können. Diese Duchten mit X- Querschnitt sind gekrümmt, seitlich
in Gleitbahnen am Tennebaum beweglich, werden durch 2 Stützen von E-Querschnitt mit dem
Boden verbunden und tragen oben in der Mitte den Lukenbalken. An ihrer unteren Fläche sind
sie mit 2 Winkeln zur Aufnahme der Holzwände versehen. Das Plattendeck mit starkem Sprung
ist wie bei den Rheinschiffen eingerichtet : Die etwa 530 mm breiten Lukendeckel ruhen auf
hölzernen Rinnsparren, die einerseits von dem Tennebaum, andererseits von dem I^ukenbalken
unterstützt werden. Das Steuerruder ist gleichfalls wie auf den Rhein^hiffcn angeordnet und
wird durch ein wagerechtes Handrad bewegt. Mast und Segel fehlen.
Aus dem Vergleich nach der amtlichen Eichung von 9 Schiffen ergeben sich folgende
Grenz- und Durchschnittwerte:
Länge über alles
Länge zwischen den Loten . . .
Größte Breite . . *
Kleinste Seitenhöhe bis Stringer . .
Leertiefgang
Tiefgang beladen (nach der Eichung)
Tragftlhigkeit
Völligkeitsgrad des Eichraums . .
66,80 bis 68,00 m. im Mittel 67,06 m
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» 8,21 »
» 2,50 »
> 0.45 »
2,42 »
942 t
» 0,899.
65,00 *
66,30 » »
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2,66 » *
0,34 •
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2,30 »
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975 t. *
Dortmund-Ems-Kanalschiff mit Löffelformen, Abb. 155 bis 157.
Abb. 155. Längsriß 1:250.
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Abb. 156. Wasserlinienriß i : 250.
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Abb. 157. I 1250.
39. Das Kanalschiff aus Stahl mit
löffeiförmigem Bug und Heck (Abb. 155
bis 157) wurde nach der Eröffnung des Kanals
zuerst versuchsweise gebaut und zu den »Schlepp-
versuchen« benutzt*). Unsere Bilder zeigen die
Linienrisse des Schiffes »Emden« für das Vor-
schiff und das Hinterschiff. Die größte Länge über alles beträgt 66,95 ro> die
größte Breite über den Scheuerleisten 8,2 m und über den Spanten 8,1 m,
die kleinste Seitenhöhe 2,4 m. Ferner war:
i) R. Haack, Schiffswiderstand und Schiffsbetrieb nach Versuchen auf dem Dortmund-
Ems-Kanal. Berlin, 1900.
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
317
I
2
3
4
5
6
7
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Bei einer
Tauchtiefe
von
Länge in
derWasser-
linie
Größe des
Haupt-
spants
Wasserver-
drängung
Benetzte
Oberfläche
Tragfähig-
keit
VöUigkeitsgrad
der Ver- des Eich-
m
m
m»
m3
m'
t
drängung
raums
1,50
64,50
12,10
690
612
555 (551)
0,880
0,917
1,75
65,10
14,10
815
646
676
0,883
' 0,916
2,00
65,60
16,13
944
678
805
0,887
: 0,918
2,25
66,00
18,20
1070
716
935 (93 0
0,889
0,9 w
Die ersten 7 Spalten dieser Tafel sind dem Werk von Haack entnommen. Aus dem Unter-
schied der Zahlen in den Spalten 4 und 6 ergibt sich das tote Gewicht bald zu 135, bald zu
139 t. W>nn man die letztere Zahl zugrunde legt und einen Leertiefgang von 35 cm annimmt,
so ergeben sich mit Benutzung der in Spalte 6 eingeklammerten Zahlen die Werte für den VöUig-
keitsgrad des Eichraums in Spalte 8. Wenn man den Leertiefgang g^rößer annimmt, nehmen
diese Verhältniszahlen zu.
Zum Vergleiche mögen noch die entsprechenden Ergebnisse der Eichung von zwei anderen
ähnlichen Kanalschiffen mit Löffelform mitgeteilt werden:
Länge über alles 66,91m 65,10 m
Größte Breite 8,23 » 8,25 »
Kleinste Seitenhöhe 2,47 » 2,46 *
Leertiefgang ., 0,43 > 0,42 »
Tiefgang beladen 2,37 > 2,36 »
Tragfähigkeit 949 t 922 t
VöUigkeitsgrad des Kichraums 0,909 0,906.
Das dargestellte Schiff unterscheidet sich von dem vorher beschriebenen
Kanalschiffe nur durch die Formen von Heck und Bug, sowie durch das Steuer-
ruder, das als Schweberuder (mit »Vorschneider«) gebaut ist. Es sind im
ganzen 10 Schottwände angeordnet, durch die 2 Wohnräume an den Enden
und 9 Laderäume abgeteilt werden.
Bei dem Schleppbetriebe haben sich Schiffe mit Löffelformen später nicht
bewährt und man ist zum Bau von Schiffen mit Keilformen übergegangen.
Außer diesen großen stählernen Kanalschiffen verkehrt auf dem Kanal
noch eine Anzahl kleinerer, ähnlich gebauter von etwa 400 t Tragfähigkeit,
die 40 m lang und 7,5 m breit sind und eine Tauchtiefe von 1,9 m haben.
Auch diese Größe hat sich unter Umständen als vorteilhaft erwiesen. Ferner
sind noch die Seeprähme zu erwähnen (S. 8).
Im Wesergebiet werden die Abmessungen der Schiffe im Hauptstrom
durch die Schleusen Hemelingen, Dörverden und Hameln nicht sehr be-
schränkt, da selbst die kleinste (Hameln) eine nutzbare Länge von 66 m und
eine nutzbare Breite von ii,i m hat. Die Schleusen der aufgestauten Fulda
haben bis Kassel 60. m nutzbare Länge und 8 m nutzbare Breite.
40. Der hölzerne Weserbock (Abb. 158 bis 161) hat eine Länge über
alles von 47,12 m, eine größte Breite von 6,58 m, eine kleinste Seitenhöhe
bis zum Schandeck von 1,6 m, einen Leertiefgang von 30 cm und bei einer
Tauchtiefe von 1,35 m eine Tragfähigkeit von 250 t. Er ist ganz von Eichen-
und Fichtenholz gebaut.
Abschnitt H. Ltstsehifie ohne eigene Triel^kruft.
Bag und Hecli sind Icaffen-
förmig >.ufgebogea und ot>eD mit
einem kurzen Stevenholz versehen,
das etwas holier ist, sls der sonst
übiiche KsffcQ- oder MaulkloH.
Des Steuerruder Ut Khnlich wie bei
dem Lahn schiffe, dem Saarscbiff
und bei dem lüfFel förmigen K^nil-
schifte des Dortmund-Enis-K»oals
angeordnet, indem der Ruderschaft
durch das Heck faindurchge führt
ist. Das Ruderblatt ist S,J m lang.
TrotE dieser Lange genUgt es nicht
immer in starken Krümmungen des
Stromes, namentlich bei Hoch-
wasser: Es wird dano noch em
Vorderruder benutzt, das, als 15 bis
ao m langer Riemen geformt, in
einer eisemea Gabel im Vorsteven
seine FUhraog hut, ahnlich wie bei
dem Waidling (34). Das Millel-
schÜT hat keinen Ablauf, obwohl
man auch Schiffe mit Ablauf findet.
Der Querschnitt zeigt über der
Leerebene senkrechte Bordwlnde,
darunter ist er um etwa 15 cm ein-
gezogen, so daB die Bodenbrcile
6,3 m betragt. Der lo cm starke
Holzboden ist an der Kimm durch
Sohlbreller und Wangen v
Die Bordwände sind 5 ci
Knie und BodeDschwelleo liegen
in Abständen von etwa 50 cnu
Scbandeck und ianeie ot>ere Ver*
kleidung der Bordwände sind wie
bei dem hölzernen MainschifT (30)
angeordnet. Der groQe mittlere
Laderaum ist in Abständen von 4
bis ; m durch hölzerne Duchten
versteif) und durch ein loses Bretter-
verdeck (>Ze1t< genannt] ähnlich wie
bei den Elbschiffen geschlossen.
Im vorderen Teil des Laderaums
ist, halb versenkt, eine ^roße Kajüte
eingebaut. Anscblieüend an den
Laderaum sind vorn und hinten
feste Deckflächen angeordnet, wäh-
rend die Spitzen am Bug und Heck
offen sind.
41. Das Weserschiff
aus Stahl (Abb. 162 bis
164) hat eine Länge von
59 m zwischen den I-oten
und von 60,5 m über alles,
eine größte Breite von 8,5 m
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319
im Boden, von 8,7 m über den
Spanten und von 8,8 m über den
Scheuerleisten, sowie eine kleinste
Seitenhöhe bis zum Stringer von
2,1 m. Bei einer Tauchtiefe von
1,9 m hat es eine Tragfähigkeit
von 650 t E^ ist ganz aus Stahl
gebaut, einschließlich des losen
Decks; die Wegerung in den
Laderäumen und Kajüten besteht
aus Holz. (Bei den älteren eisernen
Schiffen war unter dem Eisen-
boden noch ein dünner Holzboden
angebracht (»gesohlt«), der das
Schiff bei der Berührung mit dem
Geröll der Stromsohle schützen
sollte.)
Ein Sprang im Boden ist nicht vor-
handen. Der Bug und der untere Teil
des Hecks haben Keilform. Oben ist das
Heck übergebaut und trägt ein festes
Steuerruder mit 6,2 m langem Blatt, das
durch ein senkrecht stehendes Handrad
bewegt wird. Der Grundriß zeigt scharfe,
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320 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
vom und hinten stark verjüngte Form, ein Ablauf des Mittelschiffs ist nicht vorhanden. Das
Schiff hat loo mm Lehnung und scharfe Kimm und ähnelt in dieser Beziehung dem Eib-
schiffe, während es in bezug auf Bug, Heck und Steuer an das Rheinschiff erinnert. Die
75 • 50 • 6 mm starken Spanten haben einen Abstand von 500 mm. Im Vorschiff sind auf 6,5 m
Länge Zwischenspanten von gleicher Stärke eingebaut. An jedem Spant befindet sich eine Boden-
wränge von C-Form, 1 80 • 70 • 8 • 11 mm stark. 2 unvollständige Kielschweine von X-Form,
100 -50-8 mm stark laufen über die Wrangen hinweg und versteifen nebst den beiden außen
liegenden Kimmwinkeln von ico • 100 • 10 mm den Boden. Der 850 mm breite, 6,5 mm starke
Stringer aus Riffelblech reicht vom Vor- zum Hinterdeck und ist durch Stringerwinkel von
75 * 75 - 8 mm mit der Bordwand verbunden. Außer diesen beiden festen Decks sind noch
4 Quergänge in je im Breite angeordnet, die gleichfalls 6,5 mm dick auf 75 • 50 • 6 mm starken
Deckbalken ruhen. Die Beplattung zeigt im Boden und im Kimmgang durchweg 8 mm starke
Bleche, im Scher- und Seitengang vorne 8 mm, in der Mittj 10 bzw. 7 mm und im Hinterschiff
7 bzw. 6,5 mm. Als Scheuerleiste läuft um das ganze Schiff ein Halbrundstahl von 75 • 37 mm
Stärke. 6 wasserdichte Schotte von 4 mm starken Blechen zerlegen den Schiffskörper in 2 Ge-
räteräume und 5 Laderäume: Die vorderste und die hinterste Schottwand (a) steht unter dem
Vor- und Hinterdeck, die zweite, vierte und fünfte von vom [c] stehen unter den obengenannten
I m breiten Quergängen, und die dritte, nur 1,45 m hohe Wand (^) steht unter der großen, für
7 Mann ausreichenden Kajüte im Mittelschiff, deren stählerne Wände und Fußboden fest mit den
Bordwänden, dem Stringer und dem Quergang verbunden sind. (Bei anderen Weserschiffen be-
findet sich diese Kajüte hinten.) In jedem Laderäume befinden sich an jeder Bordwand zu ihrer
Versteifung je 2 Rahmenspanten aus 200 • 5 mm starken Blechen mit 55 • 50-6 mm starken
Winkeln, die mit dem Stringer durch Eckbleche verbunden sind. Solche Eckbleche befinden
«ich außerdem an allen Spanten. Die 5 Ladeluken sind durch Wulst winkel von 180 • 80 » X2 mm
eingefaßt, die oben an der Außenseite kleine C-Eisen (40 •40-4 mm) zur Auflagerung der Well-
bleche und zum Schutz gegen Wellenschlag tragen. Die Lukendeckel aus 1,3 mm starkem, ver-
zinktem Wellblech sind 700 bis 750 mm breit, gut schließend und oben und unten an den Kanten
mit Winkeln von 45 ' 45 ' 5 mni gesäumt. Die Wellenhohlräume sind dahinter mit Eichenbolz-
klötzen möglichst dicht abgeschlossen. Die Lukendeckel mhen oben auf einem E förmigen Luken-
balken von 140 • 60 • 7 • 10 mm, der durch kräftige Wulstwinkel gegen Durchbiegung verstärkt ist.
Aus dem Vergleich von 9 in den Jahren 1907 und 1908 erbauten großen Schiffen ergaben
sich nach amtlicher Eichung folgende Grenz- und Durchschnittwerte:
Länge über alles 59)26 bis 61,8 m im Mittel 60,93 ™
Länge zwischen den Loten. . . 57,9 > 6i,ii » » » 59,62 »
Größte Breite 8,64 * 8,82 • » * 8,74 *
Kleinste Seitenhöhe bis Stringer . 2,11 > 2,28 » » > 2,18 >
Leertiefgang 0,35 » 0,46 » » » 0,40 »
Tiefgang beladen 1,86 ► 2,03 > » » 1,93 >
Tragfähigkeit 627 » 666 t » » 648 t
Völligkeitsgrad des Eichraums . . o,8co » 0,826 » » 0,818.
Es gibt auch einige größere Schifife bis zu 796 t Tragfähigkeit, die ähn-
lich gebaut sind.
Zwischen dem alten hölzernen Weserbock und diesen modernen Schiffen
bestehen vielerlei Übergänge: hölzerne Bockschiffe mit Wellblechzelt, eiserne
und stählerne Schiffe mit Holzboden, die in ihren Formen zwischen den bei-
den beschriebenen schwanken. Namentlich findet sich das lange Helmholz
von dem Steuerruder der Weserböcke noch an vielen eisernen Schiffen.
42. Der Seeprahm, ein Leichterschiff der Unterweser (Abb. 165
bis 167), gibt ein Beispiel von den früher (S. 8) erwähnten Fahrzeugen, die
sowohl auf den Binnenwasserstraßen wie auf See verkehren können. Das
Schiff hat eine Länge von 50 m zwischen den Loten und von 52 m über
alles, eine größte Breite von 8 m über den Spanten und von 8,32 m über
. Größe, Form und Einrichtung der Lastschilfe.
321
den Scheuerleisten, sowie eine
kleinste Seitenhöhe von 3,4 m.
Der Leer tiefgang ist etwa 70 cm.
Bei einer Tauchtiefe von 2,6 m
hat es eine Tragfähigkeit von
600 t.
Es ist ganz BUS Stahl gebaut,
ohne Sprung im Boden, ohne Lehnung,
mit Ubergebautcm Heck, einem Deck-
sprung von 37J luin und einer anch
einem Halbmesser von i m abgeiun-
e Ablauf im Mittel-
schiff leigt
Wasserliniei
75 ■ 65 ■ 7 m
mittschiffs e
1 starken Spanten haben
nen Abstand von 540 mm,
an den Enden von 400 mm. An jedem
Spant befindet sich eine Bodenwraoge
von 330 ■ 6 mm, die mit emera Winkel
von 60-60-6,5 "^'■> gesäumt ist. Der
Boden wird durch 3 vollständige Kiel-
schweine verstirkt, die aus je einet
41 S ■ 6,5 mm staricen Platte l>eslehen, die
oben mit 2 Winkeln von 85 ' 65 ■ S mm
und unten mit einem von 65-50-7 mm
versehen ist. 5 SchottwSnde vaa je
Tcubcrt, Eine
322 Abschnitt Tl. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
5 mm Dick^ teilen das Schiff in 2 Kajüten und 4 Laderäume, deren Wände durch je ein Rahmen-
spant, bestehend aus einem Wulstwinkel von 180 'So* 12 mm, verstärkt werden. Das feste Deck
ist aus 6,5 mm starkem Riffelblech; jedoch sind die äußeren Gänge von 465 mm Breite neben
den Luken 10 mm stark und dienen als Stringer. Der Stringerwinkel ist 65 • 65 • 8 mm stark:
Über ihm läuft ein zweiter Winkel von 100 »75 • 10 mm rings um das Schiff und verhindert mit
seinem hohen aufstehenden Schenkel das Herabrollen loser Gegenstände. Es sind 2 Scheuer-
leisten aus Holz über einander angeordnet, die durch Winkel von 100 •75* 10 mm Stärke mit
den Bordwänden verbunden sind. Die 100 • 75 • 8 mm starken Deckbalken sind durch Eck-
bleche mit den Spanten verbunden. An den Luken liegen stärkere Balken von C-Fonn,
200 • 75 -8,5 • 11,5 mm stark. Alle Balken werden in der Mitte durch ein Winkeleisen getragen,
das gegen den Boden abgestützt ist Die -Stärke der Außenhaut beträgt im Boden 7,5 mm, im
Kimmgang 9 mm, im Scher- und im Kielgang zo mm, in den Seitengängen 7,5 mm. Nach den
Enden nehmen diese Stärken ab. Jeder Laderaum hat 2 Luken von 5,4 m Länge und 2,6 m
Breite, die mit je 7 Lukendeckeln aus Eichenholz geschlossen werden. Die 6,5 mm starken
Luksülle reichen 320 mm über Deck und 200 mm unter Deck: An den Bordseiten werden sie
noch etwas weiter hinabgeführt und umgebogen. Sie sind außerdem durch Winkel und Halb-
rundleisten verstärkt. Auf Deck sind 2 Ladekräne von je 3 t Tragkraft aufgestellt.
43. Das Allerschiff (Abb. 168 bis 172) ist dem Weserschiff ähnlich.
Es hat eine Länge von 47 m zwischen den Loten und von 48,5 m über alles,
eine größte Breite von 7 m über den Spanten und von 7,2 m über den
Scheuerleisten, sowie eine kleinste Seitenhöhe von 1,6 m bis zum Stringer.
Der Leertiefgang ist etwa 32 cm. Bei einer Tauchtiefe von 1,5 rn hat es eine
Tragfähigkeit von etwa 330 t.
Es ist ganz aus Stahl gebaut, ohne Lehnung, ohne Sprung im Boden, ohne Ablauf des
Mittelschiffs, mit übergebautem Heck und festem Steuerruder mit 5 m langem Blatt, das durch
ein wagerechtes Handrad bewegt wird. Der Grundriß zeigt nur im Hinterschiff scharfe Keil-
form (Abb. 170). Die Kimm ist scharf und, wie Abb. 172 zeigt, eigentümlich gebildet, indem
über dem inneren 70 -70 »8 mm starken Kimmwinkel von 112^ und der Blechhaut außen noch-
mals ein stumpfer Winkel von 80 • 80 • 7 mm angeordnet ist, der als Schleifwinkel dienen soll.
Die 65 • 50 • 6,5 mm starken Spanten haben einen Abstand von 500 mm, der im Vorschiff auf
9 m Länge auf 400 mm verringert ist. An jedem Spant befindet sich eine 160 '6 mm starke
Bodenwrange, die oben mit einem Winkel von 45 * 45 * 5 mm gesäumt ist. 2 unvollständige
Kielschweine von j.-Form, 90 • 45 • 9 mm stark, ziehen sich über den Boden hin. Der 700 mm
breite Stringer ist ebenso wie das Vor- und Hinterdeck und wie die 2 je i m breiten Quergänge
zwischen den Luken 5 mm stark. Die Deckbalken von 75 • 50 • 7 mm sind durch Eckbleche mit
jedem Spant verbunden. Der Boden besteht aus 6 mm, die Seitenwände aus 5 mm starken
Blechen. 3 wasserdichte, 4 mm starke und mit Winkeln versteifte Schotte teilen das Schiff in
2 Geräteräume und in 2 Laderäume. Über dem mittelsten Schott ist die Kajüte (für 6 Mann)
versenkt. Jeder Laderaum hat 2 Luken, die mit Luksüllen aus 200 • 6 mm starken, oben mit
Winkeln verstärkten Blechen eingefaßt sind. Die Lukendeckel sind wie bei dem Weserschiff
aus I mm starkem verzinktem Wellblech hergestellt und ruhen oben auf Lukenbalken in C-Form.
Diese (nach Xormalprofil 12} sind beiderseits mit schwachen Winkeln versehen, auf denen die
Lukendeckel liegen, und werden nach Bedarf durch Säulen aus Gasrohr unterstützt. Der Stringer-
winkel ist 75 • 50 • 7 mm stark. Die hölzernen Scheuerleisten werden durch je 2 Winkel von
50 «50 -6 mm mit den Bordwänden verbunden. Aus dem Vergleich von 5 in den Jahren 1906
und 1907 gebauten großen Schiffen ergaben sich nach amtlicher Eichung folgende Grenz- und
Durchschnittwerte :
Länge über alles 49^35 bis 49,54 m
Länge zwischen den Loten . . 47,47
Grüßte Breite 7,05
Kleinste Seitenhöhe bis Stringer 1,61
Leertiefgang 0,30
Tiefgang beladen 1,36
Tragfähigkeit 307
Völligkeitsgrad des Eichraums . 0,834
is 49,54 m
im Mittel
49»35
m
> 49,24 »
48,17
» 7'28 >
7,18
1,8 »
1,70
» 0,34 »
Oi3i
» 1,48 *
1,43
» 335 t
320
t
» 0,853
0,844.
. Größe, Form und Ehiricfatung der Lastschiffe.
Lastschiffe im Ausland.
Das Donaugebiet gehört
zwar zum Teil zu Deutschland,
aber die Schiffahrt wird vor-
wiegend auf den Stromstrecken
betrieben , die in Österreich-
Ungarn, Serbien und Rumänien
li^en. Die Lastschiffe der
wenigen großen Schiffahrtgesell-
schaften zeigen große Ähnlich-
keit. Sie sind fast ausscblieO-
lich aus Stahl gebaut und haben
Tragfähigkeiten von 200 t bis
1000 t. Die gebräuchlichsten
Schiffe sind aber nicht die gro-
ßen, sondern die mit einer mitt-
leren Tragfähigkeit von etwa
650 t. Die meisten Schifle sind
gedeckt, offene finden sich in
Stahl selten. Es verkehrt aber
aufier diesen Lastschiffen der
großen Gesellschaften, nament-
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe. 325
lieh auf der unteren Donau, noch eine Menge von Holzschiffen verschiedenster
Bauart.
44. Das Donauschiff von 650 t Tragfähigkeit (Abb. 173 bis 175)
zeigt die bis vor wenigen Jahren übliche Bauweise. Es hat eine Länge von
58 m zwischen den Loten und von 59,5 m über alles, eine größte Breite
über den Spanten von 8 m sowie eine kleinste Seitenhöhe bis zum Deck
von 2,4 m. Bei einer Tauchtiefe von 2,1 m beträgt die Tragfähigkeit 650 t.
Das Schiff ist schlank gebaut, ohne Sprung im Boden, ohne Ablauf des Mittelschiffs, ohne
Lehnung, mit nach einem Halbmesser von 500 mm abgerundeter Kimm. Bug und Heck haben
Keil form. Das Heck ist übergebaut und das feste Steuerruder mit 3 m langem Blatt wird durch
ein senkrechtes Handrad bewegt. Die 65 • 50 • 7 mm starken Spanten haben einen Abstand von
600 mm. Bodenwrangen befinden sich an jedem Spant 200 • 6 mm stark, an jedem dritten Spant
320 • 6 mm. Die letzteren sind mit doppelten Winkeln von 50 • 50 • 6 mm, die ersteren mit einfachen
gesäumt. Der Boden wird durch 4 unvoUstllndige Kielschweine von j.-Form, 90 • 45 • 6 mm versteift.
In den Laderäumen sind deren noch zwei in der Nähe der Kimm angeordnet. Durch 5 wasser»
dichte, 4,5 mm starke Schotte (<?) wird der Schiffskörper in 2 Kajüten und 4 Laderäume zerlegt.
In jedem der letzteren werden die Bordwände durch je 3 Rahmenspanten auf jeder Seite verstärkt,
die aus 250 • 6 mm starken Blechen und einfachen Winkeln von 50 • 50 • 6 mm bestehen. Zur
weiteren Längsversteifung des Schiffes sind über den Spanten binnenschiffs« In einem Abstand von
etwa 500 mm unter Deck, beiderseits Seitenstringer angeordnet, die vom vordersten bis zum
hintersten Schott reichen. Sie bestehen ans wagerechten Blechen von 185 -4 mm, die mit
2 Winkeln von 50 • 50 • 5 mm gesäumt sind, und an den Schotten und Rahmenspanten mit kurzen
Winkelstücken befestigt werden. Die Außenhaut* JXftd Deckbleche sind 5 mm stark, mit Aus-
nahme der mittelsten Bodenplatte, die mittschiffs 7 mm, und des Schergangs, der mittschiffs
8 mm stark ist. Nach den Enden nehmen diese Platten bis auf 5 und 6 mm ab. Am Vor-
steven sind alle Platten 6 mm stark. Mittschiffs sind die seitlichen Deckplatten in einer Breite
von je 1200 mm 7 mm stark und dienen als Stringer, die durch 60 -60 -8 mm starke Stringer-
winkel mit den Bordwänden verbunden sind. Darüber ist eine Bordleiste in Schienenquerschnitt
mit Holz verkleidet angeordnet. Eine Scheuerleiste ist nicht vorhanden. In dem festen Deck
befinden sich 4 Luken von 3,6 m Länge und 2.6 m Breite. Die 400 mm hohen, 6 mm starken
Luksülle reichen 270 mm über Deck und werden durch Lukendeckel aus glattem, 3 mm starkem
Blech geschlossen. Die Deckbalken werden von 2 Unterzügen in C-Form von 150 «65 -50 '6 mm
Stärke unterstützt, die von Deckstützen in "L-Form, 60 • 50 • 6,5 mm, getragen werden. Diese
angemessen verteilten 43 Stück Stützen sind durch Eckbleche mit den Unterzügen und den Kiel-
schweinen verbunden. Auf Deck sind in nächster Nähe der Schottwände zwei Ladekrane auf-
gestellt und hinten ein Kochraum, der durch eine Treppe mit der unteren Kajüte in Verbindung
steht. Der Leertiefgang ist 40 cm; der Völligkeitsgrad des Eichraums ergibt sich zu 0,824.
45. Das Donauschiff von 675 t Tragfähigkeit (Abb. 176 bis 178)
ist erst in neuerer Zeit eingeführt worden und zeigt gegen das vorbeschriebene
Schiff wesentliche Verbesserungen. Es hat eine Länge von 63 m zwischen
den Loten, eine größte Breite von 8,2 m über den Spanten und eine Seiten-
höhe von 2,4 m bis zum Deck. Bei 1,9 m Tauchtiefe ist seine Tragfähigkeit
675 t. Sein Leertiefgang beträgt nur 34 cm (nach anderen Angaben 35 cmj.
Dabei beträgt der Völligkeitsgrad des Eichraums 0,838. In der Form weicht
dies Schiff von dem vorbeschriebenen nicht viel ab; doch ist die Kimm nicht
so stark abgerundet, sondern nur nach einem Halbmesser von 300 mm.
Die ebenso starken Spanten stehen in gleichem Abstände von 600 mm; ihre Stärke nimmt
aber an den Schiffsenden von 7 auf 6 mm ab. Das ist auch bei den anderen Stahlstärken be-
folgt. Die 415 mm hohen, 6 (5) mm starken Bodenwrangen sind im allgemeinen nur an jedem
dritten, zuweilen auch am zweiten Spant angeordnet und oben mit 2 Winkeln von 50* 50 «6 mm
326
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gesäumt Neben den Spanten sind
im Boden überall Gegenspanten von
65 • 50 • 7 (6) mm angebracht. Zwi-
schen den Bodenwrangen liegen
über den Zwischenspanten doppelte
Flurwinkel (50 • 50 • 6], die gegen die
Spanten durch senkrechte Winkel
versteift sind. Der Boden wird
durch 2 kräftige Kielschweine in
C-Form von 300 • 65 • 6 mm Stärke
versteift, die vom hintersten bis
zum vordersten Schott zwischen
den Winkeln der Bodenwrangen
durchlaufen und mit ihnen sowie
mit den Flurwinkeln verbunden
sind. An diesen Kielschweinen sind
auch die Deckstützen in C-Form,
1 50 • 65 • 50 ■ 6 mm befestigt , die
oben die beiden Unterzüge von glei-
chem Querschnitt tragen. 5 Schotte
von 4,5 bis 3,5 mm starken Blechen
teilen den Schiffskörper ebenso wie
bei dem vorbeschriebenen Schiffe
ein. Zur Versteifung der Wände
in den Laderäumen sind auf jeder
Seite im ganzen 10 Rahmenspanten
von gleichen Abmessungen ange-
ordnet. Die Außenhaut ist im Bo-
den 4,5, in der Kimm 5,5 (5), in
den Seitengängen 5 (4,5) und im
Schergang 7 bis 5 mm stark. Das
Deck besteht aus 6 (5) mm star-
kem Riffelblech und ruht auf Balken
8
G
M
•n
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GO
Xi
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-cW?
Of/
in C-Fonn von gieicheni Querschnitte wir die
Deckätiltien und Ünteriüge. Die nutzbare Ueclt-
flSchc, oline die Luken, betragt 240 ro' und kann
je m» mit 500 kg belastet werden. Der Stringer-
winkel ist yo-yo-Snim stark: Mit ihm ist auf
Deck ein ebenso starker Wulstwinkel befestigt,
wahrend eine Scheuerleiste nicht vorhanden ist.
i 4 Luker
len
' lang.
' beiden Hulier
7,a m. Die Luksillle bestehen aus 3
00 mm hohen,
6 mm starken Blechen, die 151)0
m über Deck
reichen. Die Übrige .Anordnung i
t gleich dem
vorbeschriebenen Schiffe; doch i
daß das Heck anders gestaltet i^
1 erwOhne
st eigentlich
nlcbl äbergebaut. sondern es ist nur das Decke
soweit nach hinten und nach den Seiten verlUngert
und durch Konsolen unteratütit, Aih der Steuer-
stnhl darauf Flati findet. Der wirtschaftliche Vor-
teil e^bt sich aus dem \'crgteich der Tragßhig-
Tragfähigkeit: t
650 t-Schitf I 675 t-Schift
46. Das Donauschiff von looo t
Tragfähigkeit (Abb, 179 u. 180) ist
beachtenswert wegen seiner Lukenanord-
nung, Es ist 72 m zwischen den Loten
läng, 9,2 m breit und 2,6 m hoch. Bei
einer Tauchtiefe von 2,3 m trägt es 1000 1.
Das Schiff hat 5 Laderäume, die je durch
eine Luke von 5,8 m Breite und 6,5 m
Länge zugänglich sind. Diese Luken be-
stehen aus Wellblech. Ladekräne sind
nicht vorhanden.
Auf der Donau verkehren außer-
dem noch viele gute stählerne Schiffe
in anderer Anordnung. Man hat z. B.
auch Schiffe von 1000 1 Tragfähigkeit
bei 2,3 m Tauchtiefe gebaut, die nur
6j m lang, 9,25 m breit und 3,14 m
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
hoch sind. Diese Schiffe haben einen
Leertiefgang von nur 0,33 no').
47. Das Donauschiff aus
Holz (Razin) von etwa 470 t
Tragfähigkeit (Abb. 181 bis 183)
gibt ein Beispiel von den vielen
Arten großer Holzschiffe, die be-
sonders auf der unteren Donau ver-
kehren und vorwiegend zur Beförde-
rung von Getreide verwendet wer-
den. Das Schiff hat eine Länge von
51m, eine Breite von 7,9 m, eine
geringste Höhe der Bordwand von
1,85 m, ist aus Eichenholz gut und
fest gebaut und trägt bei einer
Tauchtiefe von 1,8 m 470 t. Zum
Schutz gegen Wellenschlag ist der
Aufbau des Verdecks nach Art eines
Tennebaums angeordnet. Diese 0,5
bis 0,6 m hohen Aufbauten werden
dort > Windläden' genannt. Auf
ihnen ruht das aus Schindeln her-
gestellte Dach. Die Schiflie haben
bei guter Unterhaltung eine Lebens-
dauer von mindestens 20 Jahren.
48. Der Trauner (Abb. 184
bis 187] ist ein auf der oberen Donau
l) V. Gonda, B., Die Ungarische
Schiffahrt. Budapest 1899. Suppan, C. V.,
Wasserstraßen und BinnenscbiffahrL Berlin
rik»-
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
329
sehr gebräuchliches, offenes Holzschiff". Das dargestellte Beispiel hat eine
Länge über alles von 25,6 m, eine Breite über den Spanten von 4,6 m und
eine geringste Seitenhöhe von 1,09 m. Es ist sehr leicht, ganz aus Holz gebaut
und zwar eigentlich nur für einmalige Talfahrt. Die Schiffe werden aber jetzt
oft leer zu Berg geschleppt und wieder verwendet. Das Schiff hat einen
Leertiefgang von 0,06 m und taucht mit einer Ladung von etwa 72 t bis auf
0,85 m ein. Die Schiffsform ist vorne kaffenartig, hinten prahmartig. Die
Trauner werden bis 29 m lang, 6 m breit und 1,5 m hoch gebaut und haben
bei 1,3 m Tiefgang dann etwa 112 t Tragfähigkeit.
Trauner, Abb. 184 bis 187.
Abb. 184. Ansicht i : 300.
Abb. 185. Grundriß i : 300.
4».
I
60
H
2
T
1.09
_i_
Abb. 186. 1 : 150.
Abb. 187. Querschnitt i : 150.
Andere Donauschiffe sind im Oberlauf: Ulmer Schachteln, bis 30 m lang,
7 m breit, 1,2 m hoch mit 150 t Tragfähigkeit — Tiroler Plätten, bis 30 m
lang, 6 m breit, 1,6 m hoch mit 112 t Tragfähigkeit — Kehlheimer Zillen
(Gamsen) bis 44 m lang, 6 m breit, 1,9 m hoch mit 196 t Tragfähigkeit. Im
Unterlauf sind zu erwähnen: Girlaschen, bis 36 m lang, 11 m breit, 2,6 m
hoch mit 355 t Tragfähigkeit — Razinen. bis 57 m lang, 10 m breit, 3,2 m
hoch mit 560 t Tragfähigkeit.
Von den benachbarten Staaten Deutschlands sind die in Belgien und
Holland üblichen Lastschiffe schon bei dem Rheingebiete besprochen worden,
weil man sie oft auf dem deutschen Rhein antrifft. Ebenso sind die fran-
zösischen Kanalschiffe bei den elsaß.-lothringischen Wasserstraßen bereits
zum größten Teil erwähnt. Ein Kanalschiff, das dort nicht verkehrt, aber seiner
Form wegen merkwürdig scheint, ist:
49. Der Margot at (Abb. 188 bis 190). Dies Schiff ist von De Mas bei
seinen Versuchen benutzt worden*). Es ist 21,8 m über alles lang, 5 m breit
l) Vgl. das auf S. 303 angeführte Werk dieses Verfassers.
330
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
und in der Mitte 1,42 m hoch. Vor- und Hinterschiff sind prahmartig gebaut
und um je i m zusammengezogen, so daß die Breite an den Enden 4 m beträgt.
Der Leertiefgang ist 28cm; bei 1,3 m Tauchtiefe beträgt die Verdrängung
108 t und ihr VöUigkeitsgrad 0,818. Die Tragfähigkeit ist etwa 85 t und der
Völligkeitsgrad des Eichraums 0,821. Dies Holzschiff ist auf den französischen
Kanälen nicht sehr verbreitet; häufiger findet man die Penische (25), die Toue
(Abb. 120) und die Flute (Abb. 121).
Außer diesen Kanalschiffen gibt es auf einigen französischen Strömen grö-
ßere Flußschiffe (MarnolsundChalands), die neuerdings auch aus Eisen und Stahl
gebaut werden. Auf der Seine verkehren von Montereau abwärts viele Schiffe
von 40 bis 50 m Länge und 8 m Breite, die Tragfähigkeiten bis zu 600 1 haben.
Einige auf der unteren Seine fahrende Chalands haben bei Längen bis zu 63 m,
bei Breiten von 8,1 m und bei einem Tiefgange von 2,5 bis 3 m sogar Trag-
Französische Margotat, Abb. i88 bis 190.
2J.SO
Abb. 188. Ansicht i : 300.
t:Zo.m
T' ■
^n~\
■L 1
Abb. 189 und 190. Grundriß- Querschnitt 1:300.
fahigkeiten bis zu iioot. Auf der Rhone sind diese großen Tauchtiefen
nicht zulässig. Die älteren dort verkehrenden Lastschiffe mit löffeiförmigem
Bug und Heck haben bis zu 60 m Länge, 8,3 m Breite, und bei 1,4 m Tauch-
tiefe eine Tragfähigkeit von 425 t; die neueren Schiffe sind etwas schärfer
gebaut, zeigen am Heck unter Wasser Keilform und haben bei 57,68 m Länge,
8,08 m Breite, 2,54 m Höhe und 1,4 m Tauchtiefe eine Tragfähigkeit von
388 t. Der Völligkeitsgrad der Verdrängung ist 0,88 '). Beide Arten haben
einen Leertiefgang von nur 30 cm, sind also recht leicht. Bemerkenswert ist,
daß diese Schiffe in der Regel mit festem Deck (ohne merklichen Sprung)
versehen sind, in dem über jedem Laderaum von 9 bis 12 m Länge eine
Luke von etwa 7,2 m Länge und 3 m Breite angeordnet ist.
50. Das Rhoneschiff als Seeprahm, »Barque mixte« genannt, (Abb. 191
bis 193) ist bereits früher (S. 8) erwähnt und teilweise beschrieben worden.
Diese Schiffe verkehren aber auf der ganzen Rhone, von der Mündung auf-
wärts bis Chalon-sur-Sa6ne, müssen also als Flußschiffe angesehen werden.
Sie sind übrigens den vorbeschriebenen Rhoneschiffen der neueren Art sehr
i) Nach Suppan, Wasserstraßen u. Binnenschiffahrt, S. 337.
I. Große, Form und Einrichtung äei LastschiRe.
331
ähnlich, abgesehen von der grÖDeren Höhe und dem gröDeren Lcertlefgang
infolge kräftigerer Bauart. Die Abmessungen sind 57,1 m Länge, 7,65 m Breite
und 2,8 m Höhe, Der Leertiefgang
beträgt 52 cm; bei 1,4 m Tauchtiefe
ist die Tragfähigkeit 425 t.
r)«s Schiff isl gani aus Stahl gebaut
und mit festem Deck versehen. Das Hiater-
schilf hat unter Wasser Keilform; da? Heck
ist weil ilbcrgebaut, so dab ein Seh webe rüder
darunter Plati findet Im Vorschiff ist der
Boden stark gehoben, der untere Teil des
Bugs Ist löffel förmig, der obere hat einen
nahem senkrechten Steven. Das Mittelschiff
hat keinen Ablauf und keine Lehnung, die
Kimm ist nach einem Halbmesser von 600 mm
abgerundet. Das Deck hat keinen Sprung:
Es ist durch kräftige UnterzUge und Säulen
gegen den Boden abgesteift. Das Vorschiff
und das Hinterschiff sind zum Schutz gegen
überschlagende Wellen mit einem Schanz- S
kleid versehen, wKbrend das Mittelschiff eine ~
leichte Reling erhalten hat. {Schanikleid und ^
Reling fehlen bei den vorbeschriebenen Fluß- ^
schiffen,) Spanten und Bodenwrangen sind "
in Abstanden von je 600 mm angeordnet: :§
dies Maß scheint bei den französischen Fluß- "^
schiffen üblicb zu sein. 6 Schottuünde teilen S
5 Laderäume von je 9 m Lüngc ab, von denen n
jeder durch eine 3 m lange und 1,6 m breite ^
Deckluke roit niedrigem Luksüll zugänglich cn
ist. Vorne ist unter Deck ein ^^'ohuraunl fdr ji
die Mannschaft, hinten ist eine Kajüte, halb g
versenkt, eingebaut, deren Dach mit dem ^
Boden des Ruderstuhls in einer Ebene üegl. '.ä
Das Ruder wird durch ein senkrecht stehendes ^
Handrad bewegt. Auf Deck sind 3 leichte §
eiserne Drehkrane autgestellt. Es gU.t auch ein- g
lelne größere Schilfe bis zu 500 t Tragfähigkeit.
Die Lastschiffe Rußlands ver-
dienen wegen ihrer Anzahl und
Größe eine Erwähnung, wenn sie
auch nur selten auf deutsche Wasser-
straßen kommen. Die Form und
Größe der noch immer vorwiegend
aus Holz hergestellten Schiffe ist
sehr verschieden. Die größte Bedeu-
tung haben die Wolgaschiffe'j.
l) Die Wolga und Ihre Wasserstraßen,
Denkschrift des russischen Verkehrs-Mlnlstc-
riums gewidmet den Mitgliedern des 11. Kon-
gresses, Petersburg 1908.
332
Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
51. Die Barsche (Abb. 194 bis 198) ist die am meisten verbreitete Form.
Sie hat einen flachen Boden ohne Sprung, keine Lehnung und keinen Ab-
lauf im Mittelschiff. Die Kimm ist in der Regel rund. Vor- und Hinterschiff
haben Keilform und senkrechte Steven. Das eigentümlich gebaute Ruder
hängt mit Fingerlingen am Hintersteven. Das mittschiffs wagerechte Deck
ist fest und gegen den Boden gut abgesteift. Zwischen dem mittelsten Unter-
zug und dem mittelsten Kielschwein ist hölzernes Fachwerk eingebaut, das
zur Versteifung des Schiffes dient. Es wird meistens Fichten- und Kiefern-
holz verwendet. Die Abmessungen der Schiffe sind sehr verschieden: Man
baut die Barschen bis zu 1 60 m Länge, 1 9 m Breite und 7 m kleinste Seiten-
Barsche, Abb. 194 bis 196. 1 : 500.
Abb. 194. Teile von Vor-, Hinterschiff und Längsschnitt.
Abb. 196. Querschnitt.
Abb. 195. Grundriß von Vor- und Hinterschiff.
höhe. Im Jahre 1908 war eine Länge von etwa 105 m
und eine Breite von 10 bis 13 m am häufigsten. Die
Tragfähigkeit geht bis zu 50CO t, beträgt meistens
aber nur 1500 t. Eine solche Barsche in Holz soll
im Jahre 1908 etwa 22000 Mark gekostet haben. Zur
Beförderung von Naphtha sind in neuerer Zeit 2 besonders große hölzerne
Barschen gebaut worden: 149 und 164 m lang, 19 m breit und 5,4 m
hoch, die bei einer Tauchtiefe von etwa 3 m eine Tragfähigkeit von 6560 t
haben.
Es werden jetzt auch Barschen aus Eisen und Stahl in gleichen For-
men gebaut. Die größte, zur Beförderung von Naphtha bestimmte, hatte
im Jahre 1908 eine Tragfähigkeit von 8200 t (nach anderer Angabe sogar
9184 t) bei 153,4 m Länge, 21,3 m Breite, 4,6 m Seitenhöhe und 2,8 m Tief-
gang. Wegen der großen Breite ist sie mit 4 Steuerrudern versehen. Sie ist
mit 2 Masten ausgerüstet und trägt auf Deck ein Maschinengebäude, sowie
eine geräumige Kajüte iiir die aus 7 Mann und einem Maschinisten bestehende
Besatzung. Die Kosten dieses Schiffes, einschließlich der Ausrüstung mit
Rohrleitungen, einer Dampfpumpe u. dgl. haben etwa 252000 M. betragen.
I. Größe, Form uad EiarlchtuDg der Lasiscbilfe. 333
Abb. 197 zeigt zwei hölzerne Barschen, die von einem Dampfer auf der Wolga
geschleppt werden.
Viele Barschen werden nur für eine einmalige Talfahrt gebaut und be-
kommen dann ganz besonders große Abmessungen, namentlich in der Hohe.
Sie werden ausschlieOlich zur Beförderung von Bauholz hergestellt und heißen
Abb. 197. Barschen
Abb. 19S. Beliima (weiße Barsche] von 15000 t.
>Beliana<. Der Name kommt von >bely<, deutsch >weiO', her, weil die
Schiffe keinen Anstrich erhalten, also weiQ bleiben. Unsere kleine Abbildung
(198) zeigt das Hinterschiff einer Beliana, die bei etwa 5 m Tiefgang 15000 t
bis 16400 t trägt ').
52. Die Barke (Abb. 199 bis 202) ist nächst der Barsche am meisten
im Gebiet der Wolga verbreitet. Sie ist offen, hat wagerechten Boden, wage-
I) VoIps navignblcä intiSricures de la Russie, vom russi s eben Verkehrsmini stefium gewidmcl
den Mitgliedern des 11. internationalen Schiflährtkongresses, St. Petersburg 1908.
334
Abschnin II. Luslschiffe ohne eigcDC Triebkraft.
rechtes Schandeck, ist vorne und hinten halbsylinderformig gerundet und mit
senkrechten Steven versehen. Das Steuer ist ebenso wie bei den Barschen an-
geordnet. Die Längsversteifung des Schiffskörpers wird durch ein hölzernes
Kielschwein und durch je 2 an den inneren Bordwänden angeordnete Balken
Barke, Abb. 199
Abb. 3O0. Grundriß von Vor- und Hioter^hifT.
Abb. aoi. Bug«nsicht.
Abb, zoz. QuerschoitL
Kolomenka, Abb. 203 bis 2a^. i : 500.
Abb. 103. Längsschnitt.
Abb. 104. GnindriB. .
Abb 205. Querschnitt.
in Form von Seitenstringern bewirkt. Diese Barken werden nur aus Holz
hergestellt und meistens in Längen bis zu 85 m, in Breiten bis zu iz m
und darüber und in Höhen bis zu 4 m.
53. Die Kolomenka [Abb. 203 bis aoj) hat im Grundriß die Form der
Barsche, während Bug und Heck wie bei der Barke gebaut sind: durchweg
I. Größe, Form und Einrichtung der LastschifTe. 335
mit senkrechten Bordwänden ohne jede Lehnung. Der Boden ist wagerecht
ohne Sprung, das Deck hingegen mit starkem umgekehrtem Sprung versehen,
sodaß das Schiff in der Mitte höher ist als an den Enden, was den Regeln
der Festigkeit am besten entspricht. Die Längsversteifung wird ähnlich wie
bei der Barsche durch Kielschweine und die das Deck tragende Mittelwand be-
wirkt. Das Deck ist fest, aber dachförmig gebaut wie bei den Oderschiffen
und reicht von Steven zu Steven. Im Vorschiff und im Hinterschiff sind
darüber noch besondere, ebene Deckflächen angeordnet zum Verkehr der
Schiffmannschaft. In der Mitte des Decks ist eine große hölzerne Winde (in
Form einer sogenannten Erdwinde) aufgestellt, die zum Verholen und Warpen
dient (S. 76). Auch diese Schiffe werden ganz aus Holz, aber nicht in so
großen Abmessungen hergestellt: meistens in Längen bis zu 64 m, in Breiten
bis zu II m (selten bis 13 m) und in Höhen bis zu 4 m; Schiffe unter 7,5 m
Breite werden überhaupt nicht gebaut.
Bei allen hölzernen Wolgaschiffen ist sehr beachtenswert, wie man die
Versteifung des Schiffskörpers namentlich in der Längsrichtung erreicht hat.
Während diese Schiffe in der Regel mit senkrechten Steven gebaut
werden, findet man auf der Newa auch Schiffe mit stark gebogenem Steven
und löffeiförmigem Bug, der dem des Saarschiffs (34) ähnlich ist.
Die von der Wolga zur Newa durch die Kanäle des Mariensystems ver-
kehrenden Schiffe dürfen 64 m lang und 9,6 m breit sein. Bei dem zulässigen
Tiefgange von 1,8 m haben sie eine Tragfähigkeit von 786 t. Ausnahmsweise
verkehren dort auch Schiffe von 72,5 m Länge und etwa 900 t Tragfähigkeit.
Die für diesen Verkehr bestimmten Barschen werden »Mariinka« genannt.
Zur Beförderung besonderer Güter eingerichtete Lastschiffe.
Die bisher beschriebenen Schiffe sind im allgemeinen zur Beförderung
verschiedener Güter bestimmt, wenn auch in einzelnen Fällen auf die Ver-
ladung besonderer Gegenstände, z. B. langer eiserner Träger oder Schienen,
beim Bau Rücksicht genommen wird. Zur Beförderung gewisser Güter, wie
z. B. von Flüssigkeiten, sind aber ganz besonders eingerichtete Schiffe nötig,
von denen hier einige Beispiele mitgeteilt werden sollen.
54. Kastenschiffe, auch Tankschiffe genannt (Abb. 206 bis 217) dienen
zur losen Beförderung von Petroleum, Naphtha, Benzin, Ol, Säure und
ähnlichen Flüssigkeiten. Wir erwähnten solche Schiffe schon bei der Bespre-
chung der Wolgabarsche. In Deutschland werden sie zur Beförderung von
Petroleum aus den Seehäfen nach dem Binnenlande seit Jahren viel benutzt.
Sie sind in der Regel ganz au§ Stahl gebaut und durch eine Längsschottwand
sowie eine Reihe von Querschotten in mehrere Kasten (Tanks) geteilt, die
durch eine auf dem festen Deck angeordnete Rohrleitung einzeln gefüllt und
entleert werden können
Für die Einrichtung der Kastenschiffe bestehen z. B. am Rhein besondere
Vorschriften (Ordnung für die Untersuchung der Rheinschiffe vom i. April
336
Abschnitt IL LastschifTe ohne eigene Triebkraft.
Kastenschiff für Petroleum (östliche Wasserstraßen], Abb. 206 bis 210.
Abb. 206. Längsschnitt i : 400.
Abb. 207. Grundriß i : 400.
Abb. 210. Längsschnitt durch
eine Schottwand i : 100.
Abb. 208. Querschnitt in der Mitte
eines Kastens i : 100.
Abb. 209. Querschnitt an einer Luke
I : 100.
1905), von denen hier mitgeteilt werden mag, daO der Fassungsraum eines
Kastens 150 m^ nicht übersteigen darf und daO die Kasten unter sich je durch
eine Öffnung oder ein Rohr von höchstens 200 cm' lichter Weite verbunden
sein dürfen, die vom Deck aus geschlossen werden können. Weitere Bestim-
mungen betreffen die Lüftungseinrichtungen, die Anlage eines hölzernen Über-
decks usw.
In Abb. 206 bis 210 ist ein Petroleum-KastenschifF dargestellt, das für den Verkehr von
Hamburg nach der oberen Elbe, nach Berlin, Breslau und bis Oberschlesien bestimmt ist. Die
größte Länge über alles beträgt 55 m und zwischen den Loten 53,5 m, die Breite über den Scheuer-
leisten 8 m und auf den Spanten 7,9 m, die kleinste Seitenhöhe 1,6 m, der Tiefgang mit 420 t
Ladung (gleich 500 m^ Petroleum) i ,45 m. Die Steven sind senkrecht, das Heck ist übergebaut
und trägt ein festes Steuerruder, das durch ein senkrechtes Handrad und Kettenübertragung be-
wegt wird. Der Boden hat keinen Sprung, das Mittelschiff keinen Ablauf. Die Kimm ist nach
einem Halbmesser von 300 mm abgerundet. Die Bordwände haben eine schwache Lehnung (je
40 mm) nach oben, so daß die Schiffsbreite in der Leerebene größer als in der obersten Wasser-
linie ist. Dadurch wird mit Rücksicht auf die hölzernen Scheuerleisten die verfügbare Breite
von 8 m besser ausgenutzt. Die Anordnung der Räume ist die übliche : im Hinterschiff unter
Deck die Kajüte des Schiffers, im Vorschiff hinter dem Sicherheitschott der Mannschaftsraum
und dazwischen der Laderaum. Dieser wird durch je 0,6 m breite, mit Wasser gefüllte Sicher-
heitsräume (> Kofferdamm«) von den Wohnräumen getrennt und durch 4 Querschotte und eine
Ivängsschottwand in 10 Kasten (»Tank«) geteilt. Das Schiff hat somit im ganzen 9 Querschotte.
Der Boden ist nicht wagerecht, sondern steigt von der Mitte nach den Borden beiderseits um
40 mm an, damit die in den Kasten enthaltenen Flüssigkeitsreste nach der Mitte zusammen -
fließen. Zum gleichen Zweck sind auch alle Blechstöße, namentlich im Boden, so angeordnet,
daß nirgends Flüssigkeitsreste stehen bleiben und schädliche Gase sich bilden können. Die in
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe. 337
500 mm Abstand gestellten Spanten sind im allgemeinen 75 * 50 • 7 mm stark, an den Schott-
wSnden aber ioq • 100 • 8 mm. Die Bodenwrangen (an jedem Spant} sind in dem Laderaum
6 mm stark, 170 mm hoch und oben als Gegenspanten auf 70 mm Breite umgebogen; an der
Längsschottwand, mit der sie durch Eckbleche verbunden werden, sind große Zuflußlöcher aus-
geschnitten. Die HauptlKng^versteifiing des Schiffes wird durch die mittlere, 7 mm starke Schott-
wand bewirkt; außerdem sind noch zwei unvollständige Kielschweine von 70 • 50 • 7 mm starken
Winkeln vorgesehen. An jedem Spant ist ein 75 * 50 • 6 mm starker Deckbalken angeordnet,
der mit den Bordwänden und der Mittelwand durch Eckbleche verbunden ist. Das Deck
wird außerdem durch zwei Unterzttge versteift, die aus einem 125 • 6 mm starken Bleche und
zwei Winkeln von 50 • 50 • 6 mm Stärke zusammengesetzt sind. Bei jeder Luke wird das Deck
durch einen 60 • 60 • 6 mm starken senkrechten Winkel gegen den Boden abgestützt (Abb. 209).
Die Außenhaut hat folgende Blechstärken: Boden und Kimm 8 bis 7 mm, Seitengang ein-
schließlich Schanzkleid 8 bis 6,5 mm, Deck 6 bis 5,5 mm. Das ringsum laufende 350 und
500 (vorne) mm hohe Schanzkleid ist oben mit einem Relingseisen gesäumt und durch kurze
Winkel gegen das Deck abgestützt. Der Stringerwinkel ist 65 • 65 . 8 mm stark, die 160 • 80 mm
starke hölzerne Scheuerleiste durch zwei 65 • 50 • 6 mm starke Winkel mit der Bordwand ver-
bunden. Von den Querschotten laufen die beiden äußersten von 5,5 mm Stärke an den Kajüten
durch, während die 6 anderen von 5 mm Stärke an der Mittelwand gestoßen werden. Sie sind
durch wagerechte und senkrechte Winkel von 75 • 50 • 7 mm Stärke versteift In den beiden
mit Wasser gefüllten Sicherheitsränmen sind die Schotte durch je 2 wagerechte Anker abge-
steift, während in der Mitte von jedem der 10 Petroleumkasten noch eine wagerechte Querver-
steifhng durch Winkeleisen zwischen Bordwand und Mittelwand vorgesehen ist (Abb. 208). Die
Deckunterzüge und Kielschweine sind mit den Schotten durch große Eckbleche verbunden
(Abb. 210). Ebenso erhält die Mittelwand in den Kajüten große . Eckbleche zur Verbindung mit
Deck und Boden; im letzteren schließt sieh ein starkes vollständiges Kielschwein an, das bis
zu den Steven reicht Man ersieht aus der Beschreibung, daß diese Schiffe mit Rücksicht auf
den Seitendruck der Flüssigkeiten sehr fest gebaut sein müssen. Vom Deck aus sind die Koffer-
dämme durch Mannlöcher zugänglich, die mit Gummidichtung und Preßschrauben geschlossen
werden. Von den Petroleumkasten sind je 2 mit einer gemeinsamen, 2,5 m langen, 1,8 m breiten
Luke (»Expansionsinke«) versehen, die von 400 mm hohen, 6 mm starken Luksüllen umgeben
ist Die Lukendeckel sind mit Scharnieren, Preßschrauben und Gummidichtung ausgerüstet. Die
neben den Luken liegende schweißeiseme Rohrleitung hat 200 mm Durchmesser, ist durch guß-
eiserne Formstücke mit den einzelnen Stutzen verbunden und außerdem durch eingeschaltete
Stopfbüchsen in sich beweglich. Die in jedem Kasten bis nahe an den Boden (ohne Rück-
schlagventil) reichenden Saugerohre sind auf Deck mit besonderen Absperrventilen versehen, so*
daß von dem Hauptrohr aus jeder Kasten einzeln gefüllt oder entleert werden kann. Sowohl
jeder Kasten als auch die Wasserräume (Kofferdämme) werden durch Einfüllen von Wasser
unter einem Druck von i m über Lukenoberkante auf der Werft rücksichtlich ihrer völligen
Dichtigkeit geprüft und die Rohrleitung wird einem Überdruck von etwa 3 Atmosphären unter-
worfen.
Dies Schiff hat am Heck unter Wasser Keilform und senkrechten Steven, am Bug ink
unteren Teile Löffelform und darüber gleichfalls einen senkrechten Steven. Die Verdrängung:
beträgt bei 1,45 m Tauchtiefe 547 t, woraus sich das tote Gewicht zu 547 — 420 = 127 t er-
geben würde, während es nach Angabe der Werft einschließlich der Ausrüstung (10 t) zu randi
136 t angegeben wird. Der Preis betrug 1909 ohne Ausrüstung (Winden, Anker u. dgl.), aber-
einschließlich der Rohrleitungen etwa 50000 Mark.
In den Abbildungen 211 und 212 ist ein anderes Petroleum-Kastenschiff dargestellt, das
für den Rhein bestimmt ist. Es hat eine Länge zwischen den Loten von 75 m, eine Breite
auf den Spanten von 9,5 m, eine kleinste Seitenhöhe von 2,6 m und bei 2,5 m Tauchtiefe eine
Tragföhigkeit von 1200 t bei gefüllten Wasserkasten (Kofferdämme). Nach Art der Rheinschiffe
haben Bug und Heck Keilformen. Die Anordnung ist im übrigen ähnlich der vorbeschriebenen:
Außer dem vorderen Sicherheitschott sind 12 Querschotte vorhanden, die mit der Längsschott*
wand 18 Petroleumkasten und 2 Wasserkasten abteilen. Die Expansionsluken sind zylindrich ge-
staltet und mit besonderen Entlüftungsrohren versehen. Auf Deck sind 2 Flaggenmasten ange-
ordnet. Es verkehren auf dem Rhein noch größere Petroleum-Kastenschiffe, die bis 88 m zwischen
den Loten lang, bis um breit sind und Tragfähigkeiten bis 1 500 t haben.
Solche Schiffe werden auch zur Beförderung von Benzin benutzt
Teubert, Binnenschiffahrt 22
Die AbbQdDiigeii 313 nnd 314 leigcn
einen Teil von einem Kaitenschüf zui Be-
fürdernng von Heiiöl (schweres Steinkohlen-
tecTöt), das Zar Kesselfeaenuig der Schicpp-
dampfer anf dem TeltowLuul benntit wird.
Das Schiff ist 33,1 m Ober alles Ung, 5,5 m
breit, 1,8 m hoch und hat bei 1,47 m Tauch-
tiefe ebe Tragfthigkeit von etwa 175 t. Die
Anordnung der Ütkasten und Wasserkuten
Ist im allgeiiieiaen die gleiche wie bei den
vorbeschriebenen Schiffen. Das Heizöl [mit
einem speiifisclien Gewicht von I bis 1,1
muß abei im Winter erwKimt werden. Dam
dient die aus den Abbildungen ersichtliche
Warmwasseiheizung. Der Heizkessel ist im
Hinterschiff hinter dem Kofferdamm ange-
SchilTe zur Beförderung von Siuren
oder Gaswasser (Abb. 315 bis 217] werden
zuweilen in gleicher Weise wie die Petroleum-
KastenschiHe, aber in kleineren Abmessungen
gebaut Abbildung aij leigl den Querschnitt
eines in der Nihc von Berlin zur Beförderung
von Salz- und Schwefelstture benutzten SchifTcs,
Es ist etwa 30 m lang, 5 m breit und 1,7 m
hoch. Der etwa l m hohe Laderaum ist nur
durch eine Miltclwand in zwei groL^e Kasten
geteilt, Querschotte sind nicht angeordnet.
Die LaderSnme reichen von Steven lu Steven
und sind gewissermalSen als doppeller Scbiffs-
boden anzusehen. Auf dem Deck sind als
besondere Aufbauten vorne und hinten kleine
Kajüten angeordnet. Mittschiffs sind t Ein-
stogeluken mit den nötigen Rohranschiü&sen
und EntlUftungsbühnen angebracht.
Solche Stoffe werden zuweilen in grobeu
Blechzilindcrn befördert, wie es z.B. in
den Abbildungen 316 bis 217 dargestellt ist.
Das aus Stahl mit Holzboden gebaute Schiff,
von dem der mittlere Teil gezeichnet ist, bat
36 m LSnge und 3,8 m Breite über den
Spanten. Es trHgt einen 11,4 m langen,
1,5 ni iro Durchmesser weiten Blechzilinder
von 20 m' Inhalt, der durch Zwischenwinde
in 3 Teile zerlegt und durch Mannlöcher in-
gXnglich ist. An den beiden Enden des
Schiffs befinden sich Ritume für die Mann-
schaft. Zuweilen werden auch Schiffe ge-
baut, die mehrere ZiUnder nebeneinander
55. Schiffe zur Beförde-
rung von Sand und Mörtel. Die
vereinigten Berliner Mörtelwerke be-
sitzen eine große Zahl von Schiffen
zu diesem Zweck. Abbildung 218
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340
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft
zeigt den Querschnitt. Die Schiffe sind 48 m lang, 6,65 m über den Spanten
breit und 2 m hoch. Der Laderaum ist trapezförmig gestaltet, um das
mechanische Entladen durch geneigte Becherwerke zu erleichtem, und mit
gespundeter, 50 mm starker Bretterverkleidung versehen. Die oberen seit-
lichen Bretteraufsätze sind losnehmbar. Im übrigen sind die Schiffe aus
Stahl gebaut.
etyßtäcn
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VS97
§1
«I» —
iOSOAS
6.65
Abb. 218. Sand- und Mörtelschiff i : 80.
SchifT zur Beforderang von Ziegelsteinen, Abb. 219 und 220.
2,00
I
I
I
I
Abb. 219. Querschnitt i : 60.
Abb. 220. Teil des Längenschnitts i : 60.
56. Schiffe zur Beförderung von Ziegelsteinen. Auch für diesen
sehr lebhaften Verkehr auf den Märkischen Wasserstraßen sind in neuerer
Zeit besondere Schiffe gebaut worden, die sich von den gewöhnlichen Last-
schiffen dadurch unterscheiden, daß die Bühne (die Wegerung) nicht unmittel-
bar auf den Boden wrangen, sondern 0,7 m bis i m über dem Schiffsboden
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe. 341
liegt. Das hat den Vorteil, daß sowohl beim Laden wie beim Löschen die
Überwindung dieses Höhenunterschieds erspart wird. Bei dem groDen Ge-
wicht der Mauersteine liegt der Schwerpunkt der Ladung noch immer so tief,
daß die nötige Steifheit (Stabilität) gesichert bleibt.
Das in den Abbildungen 219 und 220 dargestellte ganz aus Stahl gebaute Schiff zeigt
noch andere Eigentümlichkeiten. Es ist 48 m über alles lang, 7 m auf den Spanten breit, 2 m
hoch und hat bei 1,6 m Tiefgang eine Tragfähigkeit von etwa 360 t. Die ^5 * 50 • 5,5 mm
starken Spanten stehen in 500 mm Abstand. Die 1 50 mm hohen Bodenwrangen bestehen aus
dem Spantwinkel und einem oben gegengenieteten Winkel von 130 • 65 • 6 mm. Im Laderaum
sind 2 vollständige Kielschweine aus 225 • 5 mm starken Blechen angeordnet, die oben mit einem
Winkel von 75 * 50 • 7 mm nnd unten mit einem solchen von 50 • 50 • 5,5 mm gesäumt sind.
760 mm über dem Boden liegen die 75 ■ 50 • 7 mm starken Fußbodenwinkel, die durch 3 Stütz-
winkel und Eckbleche mit den Bodenwrangen verbunden sind. Durchgehende hohe Querschotte
befinden sich nur an den beiden Enden des 36,5 m langen Laderaums; aber 6 niedrige Halb-
schotte von 760 mm Höhe zwischen Boden und Bühne sind im Laderaum in Entfernungen von
je II Spanten angeordnet. In Verbindung mit den letzteren und außerdem in den Zwischen-
räumen von je 5 und 6 Spantenentfemungen sind zur Versteifung beiderseits noch ii Rahmen-
spanten von 550 mm Breite eingebaut, die den ebenso breiten und 6,5 mm dicken Stringer aus
glattem Blech tragen. Dieser liegt 380 mm unter Bordoberkante, ist mit der Bordwand durch
einen 50 • 50 • 6 mm starken Winkel verbunden und an der Seite des Laderaums durch 2 Winkel
von 75 • 50 • 7 und 50 • 40 • 5 mm gesäumt. Auf dem Stringer liegt der Bordgang aus 30 mm starken
Brettern. Zur weiteren Bordverstärkung liegt auf der Oberkante des Schergangs ein C-Stahl von
140 • 60 • 7 • 10 mm Stärke, an den sich binnenschlffs ein ebenso breites, 45 mm starkes Brett an-
schließt, das in Längen von etwa 2 m nach unten geklappt werden kann, um den Bordgang
frei zu machen. In der Mittellinie des Laderaums sind bei den oben erwähnten Halbschotten
6 »Stützkasten« von 1,6 • 1,1 m Größe im Grundriß und 500 mm Höhe angeordnet. Sie dienen
dazu, um zwischen ihnen und dem Ufer bewegliche Brücken herzustellen, auf denen mittels einer
Feldbahn die mit Mauersteinen beladenen Wagen bewegt werden. Diese gut gebauten Schiffe
haben im Jahre 1903 je 24000 Mark gekostet.
57. In den Abbildungen 221 bis 224 ist ein Lastschiff mit Kühiein-
richtungen dargestellt, das in neuerer Zeit zur Beförderung von Bier be-
nutzt wird'). Solche Schiße sind auf der Elbe im Betriebe und befördern
meistens entweder böhmisches Bier von Tetschen oder baierisches Bier von
Riesa nach Hamburg. Sie haben eine größte Länge von 55 m und eine
größte Breite von 7 m, sind aus Stahl mit hölzernem Boden gebaut und mit
festem hölzernem Deck versehen.
Aus dem Längsschnitt (Abb. 221) erkennt man, dal^ die 3 Laderäume durch je eine große
Luke zugänglich sind. Der Boden, die Bordwände und das Deck sind über die ganze Länge
der Laderäume ebenso wie die vorne und hinten sie abschließenden Schottwände durch Kork-
stein gegen Wärmedurchgang gesichert. Zu diesem Zweck ist zwischen den eisernen Boden-
wrangen ein 30 mm starker hölzerner Zwischenboden eingebracht, auf dem der 50 mm starke
Korksteinbelag befestigt ist. Dieser Zwischenboden ist in einzelnen Tafeln beweglich. Außer-
dem sind die Oberflächen der Wrangen mit Isolierpapier belegt und hierauf gleichfalls eine 50 mm
starke Korksteinschicht gekittet. Dann ist über den ganzen Boden die übliche Bühne aus losen,
gefugten Brettern gestreckt Die Bordwände sind innen mit einer 100 mm starken Korkstein-
schicht belegt, die durch Korksteinkitt an die Bleche geklebt ist. An jedem zweiten Spant sind
Holzrippen bündig eingelegt, an denen die Seitenverschalung befestigt ist Ebenso sind die beiden
Schottwände mit Korkstein in zwei gegeneinander versetzten Lagen von zusammen 100 mm Dicke
bedeckt und dann mit einer Verschalung aus 30 mm starken Brettern versehen. Das hölzerne
Deck trägt in ähnlicher Weise auf seiner Unterfläche zwei Lagen Korkstein von zusammen 150 mm
i) Zeitschrift für Binnenschiffahrt, 1908, Seite 226.
Abschnitt IL Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
iiiä:
iiii
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe.
343
Dicke und darunter eine dünne Bretterverschalung. Zur Erzeugung der Kälte dient eine Anlage
mit Kohlensäurekompression, die in dem hinter den Laderäumen angeordneten Maschinenraum
untergebracht ist (Abb. 223] und im wesentlichen aus einem Benzinmotor, einem liegenden Kom-
pressor, einem Kondensator und einem als Dampfkühler ausgebildeten, in die Laderäume ein-
gebauten Verdampfer besteht Der Benzinmotor leistet 15 Pferdestärken, macht in der Minute
350 Umdrehungen und verbraucht stündlich etwa 4,$ kg Benzin, wovon ein Vorrat im hintersten
Schiffsraum mitgenommen wird Das Kühlwasser wird durch eine Kapselpumpe (hinter dem Kom-
pressor) der Elbe entnommen, tritt unten in den Kondensator ein und Hießt oben wieder in den
Strom zurück. Der Verdampfer besteht aus einem Rohmetz von 28/38 mm Durchmesser, das
an der Decke der Laderäume in Gruppen aufgehängt bt, wie sie im Grundriß (Abb. 223] punktiert
angedeutet sind. In der Abbildung 225 ist die Rohrleitung des hintersten Laderaums in
größerem Maßstabe dargestellt. Es ist nur ein Regulierventil im Maschinenraum vorhanden, so
daß es nicht nötig ist, während der Reise die Laderäume zu betreten, was wegen des Zoll-
verschlusses von Wichtigkeit ist. Die Behandlung der Maschinen ist einfach und kann vom
Schiffer besorgt werden. Es ist fUr das meist in Fässern verladene Bier eine gleichmäßige Wärme
von 2 bis 4° C erforderlich; die Einrichtung genügt aber auch, um dauernd — 7°C im Lade-
raum zu erzeugen. Die beim Bau gestellte Forderung war eine stündliche Kälteleistung von
16000 Wärmeeinheiten bei — 10® Verdampfungstemperatur im Flußwasser bis zu -f- 20® C.
Abb. 225. Leichterschiff mit Laufkran, Querschnitt i : 75.
58. Abbildung 225 stellt den Querschnitt durch ein Leichterschiff
mit Laufkran dar, wie sie in neuerer Zeit häufig auf dem Rhein benutzt
werden. Das Schiff von 54 m Länge, 7,5 m Breite und 2,1 m Seitenhöhe ist
im übrigen wie ein gewöhnliches Rheinschiff gebaut. Die Bordgänge haben
jedoch eine Breite von i m erhalten, um auf ihnen die Träger für die Schienen
anzubringen, auf denen die 4 Räder des den Dampfkran tragenden Wagens
(von 2,8 m Länge und 5,5 m Breite) laufen. Die Länge der Schienenbahn
ist 26,5 m. Der Dampfkran von gewöhnlicher Bauart trägt an dem 11 m
weit (von der Mitte) ausladenden Ausleger einen Greifer. Mit so ausgerüsteten
Schiffen kann man während der Bergfahrt sehr bequem und ohne Zeitverlust
344 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
die für die weitere Reise zu tief beladenen Schiffe leichtem. Da die beiden
Schiffe dazu fest miteinander verbunden werden müssen, sind an dem Leichter-
schiffe nicht nur in Höhe des Bordgangs, sondern auch tiefer unten, an der
Nietreihe des Kimmgangs Scheuerleisten aus Halbrundstahlen (73 - 26 mm) an-
gebracht worden.
In Mannheim befanden sich 1909 bereits 10 bis 12 solcher Schiffe, die namentlich beim
Leichtem der weiter stromaufwärts gehenden Kohlenschi£fe mit Erfolg benutzt wurden. Zum
Leichtem von Getreideschiffen mit entsprechend angeordnetem Becherwerk (Elevatoren) ge-
baute Schilfe haben sich bisher weniger gut bewährt.
Ergebnisse.
Die mitgeteilten Beispiele von Lastschiffen zeigen große Unterschiede
hinsichtlich ihrer GröDe, Form und Einrichtung. Diese Unterschiede sind zum
Teil auf die Beschaffenheit der verschiedenen Wasserstraßen, zum Teil auf die
wirtschaftlichen Verkehrsbedingungen, zum Teil auch, wie früher schon be-
merkt, auf die technisch mehr oder minder berechtigten Gewohnheiten und
Überlieferungen der Schiffer zurückzufuhren. Alle Schiffe, die für das Durch-
fahren von Kanälen und Schleusen bestimmt sind, müssen sich in ihrer Größe
nach diesen richten. Dazu gehören in Deutschland besonders die Schiffe auf
den Wasserstraßen zwischen Elbe und Weichsel, auf dem Dortmund-Ems-
Kanal und auf den elsaß- lothringischen Kanälen. Es bleiben zur weiteren
Untersuchung die Schiffe auf dem Rhein, der Weser, der Elbe und der Donau.
Ihre verschiedene Größe ist nicht allein aus der Beschaffenheit dieser Ströme
hinsichtlich der Gefalle, Krümmungen, Geschiebebewegung und Fahrwasser-
tiefe zu erklären; denn diese Unterschiede sind gar nicht so groß.
Fast überall ist das Bestreben zu erkennen, die Tragfähigkeit fortgesetzt
zu erhöhen. Das ist erklärlich, weil die auf eine Tonne der Tragfähigkeit
fallenden Kosten für den Neubau, die Unterhaltung, die Bedienung und die
Fortbewegung im allgemeinen mit der Größe des Schiffes abnehmen, während
die anderen, verhältnismäßig geringeren Kosten des Ladens, des Löschens,
der Abgaben u. dgl. je Tonne mit der wachsenden Schiffsgröße ziemlich un-
verändert bleiben. Diesem wirtschaftlich richtigen Streben wird auf den
offenen Strömen durch den jeweiligen Zustand des Fahrwassers eine Grenze
gesetzt, die aber durch jede Verbesserung wieder verschoben wird. Wieder-
holt ist darum die Frage aufgeworfen worden, wie weit diese Vergrößerung
geb&n wird und ob es nicht Sache der staatlichen Aufsichtspflicht ist, mit
Rücksicht auf das Gemeinwohl für die einzelnen Ströme bestimmte Grenzen
vorzuschreiben. Diese Frage ist bisher verneint worden, weil aus der zimeh-
menden Größe keine Unzuträglichkeiten für die Öffentlichkeit festgestellt
worden waren. Im Gegenteil sind infolge der größeren Schiffe die Frachten
im Laufe der Zeit immer niedriger geworden, was als ein volkswirtschaftlicher
Vorteil zu betrachten ist Besonders bei niedrigen Wasserständen zeigen
große Schiffe ihre Überlegenheit: Die Frachten bleiben für sie noch lohnend,
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschüfe. 345
während die Besitzer von kleinen SchiiTen den Betrieb einstellen müssen,
weil sie an den geringen Gütermengen, die sie befördern könnten, nichts
verdienen würden. Gerade die EinzelschifTer oder sogenannten KleinschifTer
sind darum im allgemeinen bemüht, immer größere Schiffe zu erwerben und
die älteren kleinen zu verkaufen, die allmählich auf die NebenwasserstraOen
gedrängt werden'). An der Elbe beschlossen im Jahre 191 1 die Uferstaaten,
die Abmessungen der künftig zu erbauenden Schiffe polizeilich zu begrenzen
(S. 291). Es bleibt abzuwarten, ob man auf anderen offenen Strömen diesem
Beispiel folgen wird.
Die Vergrößerung der Lastschiffe wird außerdem durch die Menge der
zur Beförderung bereitliegenden Güter begrenzt. Wenn die Menge nicht
immer genügt, um die großen Schiffe binnen kurzer Frist zu beladen, werden
sie unwirtschaftlich. Auch ist für große Schiffe ein verhältnismäßig schnel-
leres Löschen und Laden nötig, damit die Zahl der jährlichen Reisen nicht
zu klein wird. Dem Umstand, daß am Rhein fast immer größere Güter-
mengen (in erster Linie Kohlen) zur Verladung bereit sind, ist es zuzuschreiben,
daß die Vergrößerung der Rheinschiffe noch stark im Wachsen begriffen ist.
Ähnlich liegen die Verhältnisse an der Elbe; anders hingegen an der Donau,
wo man seit längerer Zeit Lastschiffe von 650 t bis 670 t Tragfähigkeit als
die vorteilhaftesten erkannt hat, während für größere Schiffe von etwa 1000 t
nur selten die nötige Fracht (Getreide) vorhanden ist. Auf der unteren Donau
sollen allerdings einige Lastschiffe von Tragfähigkeiten bis zu 2000 t im Be-
triebe sein^. Auf der Elbe werden jetzt Schiffe von 1000 t für vorteilhaft
gehalten, während das größte 1434 t Tragfähigkeit besitzt, und auf dem Rhein
werden Schiffe von rund 1700 t bevorzugt, während das größte 3583 t Trag-
fähigkeit hat und als das größte Lastschiff in Mitteleuropa anzusehen ist. Die
Schiffe auf der Wolga sind allerdings viel größer, da sie Tragfähigkeiten bis
zu 8200 t, ausnahmsweise bis. 15 000 t besitzen, was einerseits in der guten
Fahrstraße des gewaltigen Stromes und andererseits in der Menge der zu be-
fördernden Güter seine Erklärung findet.
Auch bei den Schiffen, die. sowohl auf Strömen als auch auf Kanälen
verkehren und deren Längen und Breiten durch die Abmessungen der
Schleusen begrenzt sind, ist das Bestreben nach Vergrößerung ihrer Tragfähig-
keit zu bemerken. Das wird durch eine größere Höhe erreicht, die bei gün-
stigen Wasserständen eine größere Tauchtiefe erlaubt. Diese Erscheinung
zeigt sich namentlich bei den Schiffen auf den Wasserstraßen zwischen Elbe
und Weichsel. In früheren Zeiten genügte es, wenn die Höhe der Schiffe
nach den zulässigen Tauchtiefen in den Kanälen bemessen wurde, weil diese
für die Ströme, selbst bei mittleren Wasserständen, ausreichend waren. Seit
i) Hinsichtlich der Zunahme der großen Schiffe vergl. den »Bestand der deutschen Binnen-
schiffe« am Ende dieses Buches sowie den Aufsatz von Sympher im Zetitralblatt der Bauver-
Tvaltung 1900, S. 265 (besonders über die kleinen Schiffe).
2) Suppan, a. a. O.
346 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
aber Elbe, Havel, Oder, Warthe und Netze wesentlich verbessert worden sind,
ist es vorteilhaft geworden, die Schiffe für einen größeren Tiefgang einzu-
richten, wenngleich die vermehrte Tragfähigkeit nicht immer ausgenutzt
werden kann.
Die Ergebnisse aus den Untersuchungen über die vorhandenen Last-
schiffe hinsichtlich ihrer Größe und Form sind für einige der wichtigsten und
besten zum Teil in der nebenstehenden Tafel zusammengefaßt.
Die Unterlagen dazu sind zum überwiegenden Teile den amtlichen Eichungsverhandlungen
entnommen, die von den Eichbehörden zur Verfügung gestellt wurden. Für die unter Nr. 3, 19
und 21 aufgeführten Schiffe stammen die Angaben aus den Zeichnungen und Mitteilungen der
Schiffbauanstalten, sowie aus anderen zuverlässigen Quellen. Die Ergebnisse der Eichungen sind
meistens in Gruppen von durchaus ähnlicher Bauart und angenähert gleicher Länge und Breite
zusammengefaßt und die Zahl der Schiffe, die für die Bildung der gemittelten Werte benutzt
wurden, in Spalte 2 in Klammem mitgeteilt. Die in den Spalten 9, 11, 12 und 16 stehenden
Zahlen sind berechnet worden. Es handelte sich dabei vor allem um die Ermittelung des toten
Gewichts, also des Gewichts des betriebsfähig ausgerüsteten und bemannten Schiffes ohne
nützliche Ladung. Das wird bei der Eichung nicht festgestellt, konnte aber aus dem Flächen-
inhalt der Leerebene und dem mittleren Leertiefgang unter sorgflUtiger Berücksichtigung der
Formen des Schiffskörpers unter dieser Leerebene, bei Benutzung der entsprechenden Linienrisse,
mit genügender Genauigkeit ermittelt werden. Es zeigte sich, daß dies Gewicht oft kleiner war,
als von den Schiffbauanstalten angegeben wurde, weil diese mit einem Sicherheitszuschlag zu
rechnen pflegen, damit das fertige Schiff keinen größeren Leertiefgan^ hat, als verlangt wird.
Aus dem toten Gewicht (Spalte 9) und der Tragfähigkeit (Spalte 10) ist das Verhältnb beider in
Spalte II, die ganze Verdrängung in Spalte 12 und der VöUigkeitsgrad der Verdrängung in Spalte 16
berechnet worden.
Zu der Spalte 3 bleibt zu ^bemerken, daß die Länge der Schiffe in der obersten Wasser-
linie oder zwischen den Loten je nach ihrer Form mehr oder minder erheblich kleiner ist.
Ebenso ist die Breite in Spalte 4 über die etwa vorhandenen Scheuerleisten gemessen, muß
also entsprechend vermindert werden, wenn man die Breite über den Spanten oder über der
Beplankung haben will. Die Zahlen in Spalte 6 geben bei steuerlastigen Schiffen (z. B. den
Rheinschiffen) den gemittelten Leertiefgang an.
Aus der Tafel ergibt sich, daO der Leertiefgang bei sonst nahezu
gleichen Abmessungen bei HolzschifTen am kleinsten ist, namentlich bei leicht
gebauten und leicht ausgerüsteten KanalschifTen, wie bei der Penische. Schiffe,
die ganz aus Stahl gebaut sind, haben aber einen geringeren Leertiefgang
als solche mit Holzboden. Außer von dem Baustoffe und der Bauweise hängt
der Leertiefgang von dem VöUigkeitsgrad der Leerebene (Spalte 1 3) und der
Gestalt des untersten Teiles des Schiffes ab. Je völliger dieser ist, um so
geringer wird der Leertiefgang: das zeigt wieder die Penische. Auch sieht
man, daß der Leertiefgang mit zunehmender Schiffsbreite im allgemeinen ab-
nimmt. Bei sonst gleichen Verhältnissen wächst der Leertiefgang mit der
Höhe des Schiffes.
Spalte II zeigt das Verhältnis zwischen der Tragfähigkeit und
dem toten Gewicht: das tote Gewicht beträgt im allgemeinen ein Viertel
bis ein Fünftel von der Tragfähigkeit. Nur bei den leicbgebauten Dortmund-
Ems-Kanalschiffen fallt es unter ein Fünftel und wird bei der Penische sogar
zu 0,13. Bei der Beurteilung im einzelnen muß man die bei der Ermittelung
der Tragfähigkeit zugrunde gelegte Freibordhöhe berücksichtigen (S. 250),
I. Größe, Form und Eimichtang der Lasiscbifie.
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348 Abschnift 11. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
die in Spalte 8 aus den Spalten 5 und 7 angegeben ist. Je geringer der
Freibord, um so kleiner wird unter sonst gleichen Umständen der Anteil des
toten Gewichts. Unter den Flußschiffen ist z. B. bei dem Donauschiff ein
Freibord von 50 cm zugrunde gelegt; würde man nur 10 cm annehmen, so
würde sich die Tragfähigkeit zu 853 t und das tote Gewicht je Tonne Trag-
fähigkeit anstatt zu 0,2 zu 0,16 t ergeben. Das Donauschiff ist mithin das
leichteste Flußschiff Für das Aller- und das Weserschiff würde sich bei
gleichem Freibord von 10 cm das tote Gewicht zu 0,22 ergeben. Bemerkens-
wert ist die Abnahme des toten Gewichts der Rheinschiffe mit zunehmender
Tragfähigkeit (trotz der wachsenden Freibordhöhe). Daß mit zunehmender
Tragfähigkeit eines Schiffes das tote Gewicht je Tonne der Tragfähigkeit
und auch die Neubaukosten je Tonne der Tragfähigkeit abnehmen^ ist aber
keine allgemein gültige Regel. Bei der späteren Besprechung der Neubau-
kosten werden wir darauf zurückkommen.
In den Spalten 13 bis 16 sind die VöUigkeitsgrade zusammengestellt,
die für die Form der Lastschiffe von besonderer Bedeutung sind: Zwischen
der Leerebene und der obersten Wasserlinie liegt der Eichraum, der der Trag-
fähigkeit entspricht. Seine Völligkeit hängt also von dem Völligkeitsgrad
jener beiden Ebenen ab. Spalte 1 5 lehrt, daß der Völligkeitsgrad des Eich-
raums bei den Flußschiffen zwischen 0,82 und 0,885 schwankt, bei den Fluß-
und Kanalschiffen zwischen 0,88 und 0,915 und bei den Kanalschiffen zwi-
schen 0,94 und 0,99. Der Völligkeitsgrad der ganzen Verdrängung ist durchweg
kleiner, und zwar meistens um 0,01, nur bei den Schiffen auf dem Dortmund-
Ems-Kanal um 0,02 '). Wenn man von den Kanalschiffen absieht, scheinen
die VöUigkeitsgrade der Verdrängung auch bei den anderen Schiffen recht
hoch zu sein, höher, als man gewöhnlich annimmt und als bei den Entwürfen
manchmal angegeben wird. Es ist aber zu berücksichtigen, daß es sich hier
fast ausnahmslos um Schiffe aus neuester Zeit handelt und wir schon oben
auf das Streben hingewiesen haben, die Völligkeit zu vergrößern, namentlich
bei den Fluß- und Kanalschiffen, deren Länge und Breite durch die Schleusen
begrenzt sind. Ob die große Völligkeit bei den Elbe- und Rheinschiffen
(Nr. 4 bis 7) und der dadurch hervorgerufene größere Schlepp widerstand etwa
durch die billiger gewordene Schleppkraft hervorgerufen sind, mag dahingestellt
bleiben. Leider haben die Einzelschiffer (Kleinschiffer) keine besondere Ver-
anlassung, ihre Schiffe mit möglichst wenig Widerstand zu bauen, weil die
von ihnen zu zahlenden Schlepplöhne ebenso hoch berechnet werden. Die
von dem Verfasser untersuchten Schiffe aus älterer Zeit, namentlich Rhein-
schiffe, die vor 15 bis 20 Jahren in Holland gebaut sind, zeigen meistens ge-
i) Wenn Herr Dehem in seinem auf S. 292 angeführten Buche, Fußnote auf S. 75, bemerkt
daß der Völligkeitsgrad der Verdrängung im allgemeinen größer ist als der Völligkeitsgrad des
Eichraums, so liegt offenbar ein Irrtum vor. Dieser läßt sich vielleicht daraus erklären, daß
Herr Dehem bezüglich des toten Gewichts die Angaben der Schiffbauanstalten benutzt hat, die
oft zu hoch sind, wie schon erwähnt wurde.
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe. 349
ringere Völligkeit, oft nur 0,8 bis 0,83. Ferner ist in Betracht zu ziehen,
daß der VöUigkeitsgrad der Verdrängung eines Schiffes mit der Tauchtiefe
zunimmt, und die in Spalte 16 mitgeteilten Zahlen sich meistens (mit Aus-
nahme des Donauschiffs) auf die gröOte zulässige Tauchtiefe beziehen, die
den Bauentwürfen nicht immer zugrunde gelegt wird. Für Tauchtiefen, die
etwa um 0,25 m kleiner sind, nimmt der VöUigkeitsgrad zuweilen (namentlich
bei Schiffen mit Keilformen) schon um 0,02 ab. Da die neu eingeführten
Eichordnungen im allgemeinen überall die größte zulässige Tauchtiefe vor-
schreiben, wird man sich daran gewöhnen müssen, auch den VöUigkeitsgrad
der Verdrängung künftig für diese Eintauchung zu berechnen und anzugeben.
Mit abnehmender VölUgkeit des Schiffskörpers nimmt sein Widerstand
bei der Fortbewegung ab und die Steuerfähigkeit zu, die letztere nament-
lich, wenn das Hinterschiff eine möglichst schlanke Form hat. Von Wichtig-
keit zur Beurteilung dieser Frage dürfte der VöUigkeitsgrad der Leerebene
(Spalte 13) sein, zumal sie bei der Eichung genau gemessen wird. Deren
VöUigkeit^rad schwankt im allgemeinen bei den Flußschiffen zwischen 0,79
und 0,86 (nur das Eibschiff hat 0,9), bei den Fluß- und Kanalschiffen zwischen
0,9 und 0,92 (nur d^ Dortmtmd-Ems-Kanalschiff mit Keilform hat 0,81): Die
ersteren sind also in der Regel fiir die Fortbewegung vorteilhafter gebaut,
namendich das Donauschiff und das Weserschiff. Dies ist überhaupt das am
schärfsten gebaute Schiff, aber hinsichtlich des toten Gewichts dem Donau-
schiff nachstehend.
Die Entwicklung der verschiedenen Bug- und Heckformen unter der
obersten Wasserlinie ohne Rücksicht auf Lehnung, Kimmung und Bodensprung
ist in Abb. 226 dargestellt: Die Skizzen auf der linken Seite sind die Grund-
formen, die auf der rechten Seite die verfeinerten Formen.
Die Grundform I, der Kasten, ist ein rechtwinkliges Prisma, das durch
eine senkrechte, ebene Fläche abgeschnitten ist. Man findet sie als Heck bei
der Kadole (27), die zwei Steuerruder fuhrt, damit das strömende Wasser die
Ruderblätter erreichen kann. Verbessert man die Form (wie im Grundriß
punktiert angedeutet) durch Abrundung der senkrechten Kanten nach einem
VierteUcreis, so erhält man die Penische (25). Eine Verfeinerung erhält man
durch geringe Zusammenziehung der Bordwände, die am Boden stärker ist
als in der obersten Wasserlinie: das ist das Spiegelheck des St. Dizier-Schiffes
(Abb. 122}, bei dem dann ein Ruder genügt.
Den großen Widerstand, den eine senkrecht zur Strömung oder zur Be-
wegrungsrichtung stehende ebene Fläche erfahrt, sucht man durch Anordnung
von geneigten Flächen zu vermindern, die entweder zur Wasserlinie und zum
Boden oder zur senkrechten Mittelebene und zu den Bordwänden geneigt
sind. So erhält man neue Formen.
Die Grundform II, der Prahm, entsteht, wenn das prismatische Mittel-
schiff durch eine zur Wasserlinie und zum Boden geneigte ebene Fläche ab-
geschnitten wird. Die Form wird durch Abrundung der wagerechten Knick-
350
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
linie des Bodens und durch geringe Zusammenziehung der Borde verbessert,
wie wir es bei Fährprähmen und auch bei dem Margotat (49) finden. Wenn
der Boden gekrümmt aufwärts geführt, und die Bordwände gekrümmt etwas
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Abb. 226. Entwicklung der Bug- und Heckformen.
zusammengezogen werden, entsteht die verfeinerte Form, die man als Bug der
Kadole (27), als Bug und Heck des Waidlings (24), als Bug der Pünte (37)
und als Heck des Trauners (48) erkennt.
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe. 351
Die Grundfonn III, der Keil, entsteht, wenn man das prismatische
Mittelschiff durch zwei senkrechte ebene Flächen abschneidet, die zur senk-
rechten Mittelebene des Schiffes und zu den Bordwänden geneigt sind. Die
senkrechte Schnittlinie dieser Flächen wird als Steven ausgebildet. Mit Ab-
rundung der beiden seitlichen Kanten findet man diese einfache Keilform,
z. B. am Heck der Pünte (37) und am Bug und Heck der ruOischen Kolo-
menka (53). Durch Vorschiebung der Ebene der obersten Wasserlinie gegen
den Boden wird die Form verbessert, wobei man einen geneigten oder etwas
gekrümmten Steven erhält, wie man ihn z. B. beim Bug des Reisekahns (i),
beim Boidack (2) und bei der Wittinne (3] sieht. Durch noch weiteres Hinaus-
schieben der obersten Wasserlinie kommt man zu der Heckform der hölzernen
Oder- und Eibschiffe (z. B. 7), unter deren schräg gestelltem Hintersteven das
Wippruder seinen Platz findet.
Die Keilform mit senkrechtem Steven wird namentlich beim Eisen- und
Stahlbau dadurch verfeinert und verschärft, daß man der obersten Wasser-
linie eine größere Völligkeit gibt als der mit Gegenkrümmung entworfenen
Bodenlinie. Die auf diesen beiden Linien sich bewegende Leitlinie (Spant)
ist in der Regel etwas gekrümmt und zwar, wie der skizzierte Querschnitt
(Spantenriß) zeigt, beim Bug meistens nach innen hohl und beim Heck
oft mit Gegenkrümmung. Diese scharfe Form ist sehr verbreitet: Bei den
stählernen Rhein- Weser- und Allerschiffen, beim Donauschiff, bei den keil-
förmigen Schiffen des Dortmund-Ems-Kanals, beim Heck des Rhoneschiffs
und bei der sowohl aus Holz wie aus Stahl gebauten russischen Barsche (51).
Bei der Grundform IV wird das prismatische Mittelschiff durch einen
Halbzylinder abgeschlossen, wie man z. B. beim Heck des Maasspitz (35)
und am Bug und Heck der russischen Barke (52) erkennt. Durch leichte Zu-
spitzung und Vorschiebung des senkrechten Stevens wird die Form verbessert.
Ein Beispiel dazu bietet der Bug des hölzernen Oderschiffs (7). Zuweilen
verfeinert man die Form, ähnlich wie bei der Keilform, indem man der obersten
Wasserlinie eine größere Völligkeit gibt als der Bodenlinie. Man findet dies
beim Heck des Klodnitz-Kanalschiffs (10), des hölzernen Neckarschiffs (28) und
des hölzernen Mainschiffs (30). Oft schiebt man auch die oberste Wasserlinie
etwas verschärft und zugespitzt weiter über die Bodenlinie hinaus (siehe linke
Seite der Abb.) und bekommt dadurch einen geneigten, meistens etwas ge-
krümmten Steven. Dies ist eine übliche Bugform bei Oder- und Eibschiffen,
die aus Holz oder aus Stahl mit hölzernem Boden gebaut sind (z. B. 8 und 9).
Auch der Maasspitz (35) hat einen ähnlichen Bug. Wenn man den Halbkreis
durch zwei anders gekrümmte Linien ersetzt, die sich am Steven schneiden,
dann geht diese Form in die Keilform über.
Die Grundform V, die Kaffe, ist durch Vereinigung der Prahmform mit
der Keilform entstanden. Mit leichter Abrundung der beiden senkrechten
Kanten finden wir sie bei den Zillen (5), mit geringer oder starker Abrundung
der wagerechten Bodenkante bei dem Oderkahn mit Kaffen (6) und bei dem
352
Abschnitt IL LastschifTe ohne eigene Triebkraft.
Bug des Trauners . (48). Durch Abrundung der beiden Seitenwände der Kaffe
(bei a im Querschnitt) wird eine weitere Verbesserung erreicht, die sich beim
Bug der hölzernen Aak (16), des oberrheinischen Holzschiffs (23), des hölzernen
Neckarschiffs (28] und des hölzernen Mainschiffs (30}, beim Bug und Heck
des Lahnschiffs (32), beim Heck des Saarschiffs (34) und beim Bug und Heck
des Weserbocks (40) zeigt. Durch weitere Verfeinerung entsteht die Löffel-
form, die durchweg gekrümmte Flächen hat (Skizze A), und oft mit einem
gekrümmten Steven versteift wird. Wir finden sie am deutlichsten am Bug des
Saarschiffs (34) und bei dem Dortmund-Ems-Kanalschiff mit Löffelformen (39),
Die Linienrisse, die für die zuletzt erwähnten beiden Schiffe bereits
früher (S. 310 und S. 316) mitgeteilt wurden, sind zur vollständigen Beurteilung
der Bug- und Heckformen unbedingt nötig. Wie sie entworfen werden, ist
bereits (S. 244) erklärt worden. Für die wichtigsten Schiffsformen sollen einige
Linienrisse beschrieben werden.
Abb. 227. Linienriß eines ElbschifFs i : 200.
a) Linienriß eines Eibschiffs (Abb, 227), das aus Stahl mit hölzernem Boden gebaut
ist. Es hat scharfe Kimm, Lehnung (20 cm), Ablauf des Mittelschiffs (20 cm) und Bodensprung
(vorne und hinten je 25 cm). Die Länge über alles beträgt 55 m, un Boden 49,9 m; bei 1,65 m
Tauchtiefe ist die Tragfähigkeit 450 t. Der Bug zeigt einen stark gekrümmten Vorsteven und im
oberen Teile angenäherte Löfifelform (verfeinerter Halbzilinder) , das Heck hat einen schräg ge-
stellten Hintersteven und verbesserte Keilform. Das Hinterschiff ist stark zugeschärft, so daß cme
gute Steuerfähigkeit erreicht wird.
b) Linienriß eines Weserschiffs (Abb. 228), der zu dem unter 41 beschriebenen
Lastschiff gehört, wo die Abmessungen angegeben sind. Das Schiff hat weder Bodensprung noch
Ablauf, aber gleichfalls scharfe Kimm und schwache Lehnung (10 cm). Vor- und Hmterschiff
haben scharfe Keilformen. Der Entwurfs-Tiefgang ist 1,88 m angenommen. Im Spantenriß sind
5 Wasserlinien in Abständen von 47 cm angeordnet, von denen die unterste im Boden liegt.
Der Völligkeitsgrad der Verdrängung beträgt bei diesem Tiefgange etwa 0,8.
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Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
c) Linienriß eines Rheinschiffs
(Abb. 229), der lu dem unter zi beschnebenea
Lastschiff gehört Das Schiff bat keinen Boden-
sprang, keinen Ablaof, kerne Lehnong und runde
Kimm. Vor- und HinterscbÜf bal>ea gleichfalls
Keilformen, die hinten besonders scharf ausge-
bildet sind. Im ganzen sind die Formen aber
völliger als beim Weseiscbiff; Der Völligkeitsgnd
der Verdriüigung ist fUr die dem Entwurf zngrandc
gelegte Tauchtiefe von 2,6 m etwa 0,84. Es sind
5 Wasserlinien in Abstlnden von je SZ cm ge-
zeichnet, von denen Nr. IV der runden Kimm
wegen 5z cm Über dem Boden liegt. Um aber im
Vorschiff den unteren Verlauf der Spanten deut-
licher zu machen, ist im Abstände von 26 cm über
dem Boden noch eine Hilfe Wasserlinie [IV»] gelegt
worden. Zu beachten ist der aufbllend grobe
Sprung im Deck, namentlich am Bug.
d) LSnienriQ eines Donauschiffi
(Abb. 330), der zu dem unter 45 beschriebenen
Schiffe gehört. Es hat gleichfalls keinen Bodeu-
sprong, keinen Ablauf, keine Lehnung, runde
Kimm und im Vor- und Hinterschiff KeilformeD.
In Boden ist es so scharf wie das Weserschiff, io
den Spanten' aber völliger. Bei der Tauchtiefe
von 1,8 m ist der VöIIigkeltsgrad der Verdrlngung
etwa 0,8a. Es sind S Wasserlinien geieichnet, von
denen die oberen O, I, n, m einen Abstand von
je 40 cm, rv einen solchen von 30 cm hat und
30 cm Über dem Boden liegt. Die noch im Ab<
Stande von 15 cm über dem Boden angenommene
Hilfe Wasserlinie ist der Deutlichkeit wegen in dem
Spanienriß und in dem LKngsriß des Vorschiffs
fortgelassen. Beachtenssert ist der sehr geringe
Sprung des Decks und der Ersatz des übetgebauten
Hecks durch eine auf Konsolen ausgekragte Ver-
längerung und Verbreiterung des Decks.
Linienrisse von Dortmund - Em s-
Kanalschiffcn: e; mit Keilfoim (Abb. 231) und
f } mit Löffelform [Abb. 231). Beide Schiffe haben
zwischen din Loten 63 m LSnge, eine größte Breite
von E,l m und bei 3,07 m Tauchtiefe eine Wasser-
verdrängung von 900 t, also einen Völligkeitsgrad
von 0,85. Die Formen lassen sich mithin gut
vergleichen. Dos Schiff mit Keilform weicht von
dem oben beschriebenen Rheiuscbiff nicht wesent-
lich ab. Ein löffeiförmiges Schiff ist schon bei
39 in seinen Linienrissen dargestellt worden. Ver-
gleicht man die Wasserlinien, so erkennt man,
daß das hier in der Abbildung 232 gezeichnete
Schiff viel schlankere Formen zeigt und das Ver-
suchscbiff >Emden< nicht ganz mit Unrecht plump
genannt wird. Jenes Schiff hat bei einer Taach-
tiefe von 2 m eine etwas gröbere Llnge [6;,ö m),
eine grüDcre Verdrängung (944 tj und einen Völlig-
keitsgrad der Verdrängung von rand 0,89. Wen»
auch die Löffelform des hier gezeichneten Schiffes
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356 Abschnitt U. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
etwas abweicht, indem der Löffel gewissermaßen etwas tiefer ist als bei jenem, so stimmen doch
die Wasserlinien insofern überein, als sie in beiden Beispielen die senkrechte Mittelebene des
Schiffes (im Spantenriß) rechtwinklig schneiden. Klepsch^), der die Einführung der Löffelform
auf der Oder und der Elbe sehr gefördert hat, gibt seinen Vor- und Hinterschiffen etwas ab-
weichende Formen, indem er die Wasserlinie sich in den Stevenlinien spitzwinklig schneiden läßt,
wodurch die Löffel unten einen Grat bekommen. (Vgl. Querschnitt B der Grundformen in Abb. 226.;
g) Linienriß eines Oderschiffs mit Löffelformen nach Klepsch (Abb. 233}.
Klepsch verlangte für Vor- und Hinterschiff eine »Form, welche die Stromföden, sie mögen
kommen, von welcher Richtung sie wollen, in den möglichst spitzen Winkeln aufnimmt und in
den Stumpfesten Winkeln abgleiten läßt, und welche der Wassermasse gestattet, sich möglichst
ohne Wirbel- und Kolkbildung schnell hinter dem Schiffe zu schließenc. Er empfiehlt daher
»die ungefähre Form des EUipsoids oder des Paraboloids am Vor- und Hinterschiff, welche durch
die prismatische Form des Mittelschiffs tangiert wird«. Als mittlere Wasserlinie zwischen dem
Boden und der obersten Wasserlinie wählt er die Form einer Antifriktionskurve. Das dargestellte
Oderschiff hat 50 m Länge über alles, 6 m größte Breite und 1,8 m Seitenhöhe. Der gerade Boden
endigt bei etwa >/i3 der Länge (3,85 m] hinter dem vorderen und bei etwa Vx3 der Länge vor dem
hinteren Lot (4,15 m), damit das Hinterschiff schärfer als das Vorschiff wird. Die Bodenlänge ist
dann 42 m. Der vorderste and hinterste Teil des Bodens soll auf etwa 3 m Länge noch um 100 mm
gehoben werden und an diese geneigten Linien schließt sich tangential die Krtbnmung der Steven
an. Es ist eine runde Kimm mit 250 mm Halbmesser angeordnet, die auf '/s d^f Schiffslänge
gleichlaufend entworfen ist und dann in die Zuschärfiing des Bodens Übergeht Der I.inienriß
ist für einen Tiefgang von 1,5 m gezeichnet und unter der obersten Wasserlinie sind in gleichen
Abständen (von 37,5 cm) noch drei angeordnet. Zwischen der Wasserlinie m und dem Boden ist
eine Hilfs Wasserlinie Illa eingeschaltet. Die Wasserlinie UI empfiehlt Klepsch von V3 der Schie-
lauge ausgehen zu lassen (etwa bei Spant 11) und ihr eine solche Form zu geben, daß sie im Vor-
schiff im Abstände von 3,85 m vom vorderen Lot um V5 ^^^^ Schiffsbreite, im Abstände 6,25 m um
1/3 der Schiffsbreite von der Mittelebene entfernt ist und im Hinterschiff diese Maße in Abständen
von 4,4 m und von 7,2 m vom hinteren Lot erreicht. Das dargestellte Schiff hat auf diese Weise
bei 1,3 m Tauchtiefe einen Völligkeitsgrad der Verdiibigung von 0,8 m und bei 1,5 m Tauchtiefe
einen solchen von etwa 0,81 bekommen. Das tote Gewicht dieses Schiffs wird zu 57,5 t und der
Leertiefgang zu 27 cm angegeben. Schiffe dieser Form verkehren zahlreich auf Oder und Elbe.
Die Frage, ob die Löffelform oder die Keilform den Vorzug verdient,
ist oft erörtert worden. Da ein Schiff mit Löffelform bei allen Wendungen
am Vor- und Hinterschiff den Wasserfaden gekrümmte und geneigte Flächen
entgegensetzt, so ist nicht zu bezweifeln, daO es sich leichter dreht, schneller
dem Ruder folgt und daß zur Bedienung des Steuerruders eine geringere
Kraft aufzuwenden ist. Die Erfahrung hat aber gelehrt, daß solche Schiffe
in Schleppzügen, namentlich wenn sie nicht enge, sondern in größeren Ab-
ständen gekuppelt sind, leicht ins Gieren kommen und dadurch den Schlepp-
widerstand vermehren. Sie sind dann, besonders in Kanälen, schwer in der
Fahrtrichtung (im Kurs) zu erhalten. Die am Dortmund-Ems-Kanal gemachten
Erfahrungen haben dies bestätigt. Es wird sich die Löffelform deshalb für
allein fahrende Schiffe und, bei breitem Fahrwasser, auch für geschleppte
Schiffe empfehlen, wenn der Schleppzug so wie auf dem Rhein ausgeübt
wird, daß jedes Schiff an besonderem Schlepptau seinen eigenen Kurs steuert.
Ob die Löffelform oder die Keilform an sich der Fortbewegung einen größeren
Widerstand bietet, kann allgemein nicht entschieden werden.
i) Klepsch, Der Flußschiff bau, Weimar 1893. Nach Mitteilung von R. Haack (Schifis-
widerstand und Schiffsbetrieb) sollen Löffelformen schon vor vielen Jahren in England bei flach-
gehenden Schiffen für indische Flüsse angewendet worden sein. Auch soll der Stettiner Vulkan
schon im Jahre 1863 solche Schiffe gebaut haben.
. Grübe, Form und Einrichtung der LastschilTe.
358 Abschnitt U. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
h) Linienriß eines Fluß- und Kanalschiffs mit vereinigter Löffel- und Zi-
linderfo.rm am Bug (Abb. 234]. Das Bestreben, eine möglichst große Völligkeit mit geringem
Widerstand bei der Fortbewegung und mit guter SteuerßÜiigkeit zu verbinden, hat in neuerer
Zeit auf den östlichen Wasserstraßen zu dieser beachtenswerten Form gefUhrt. Der obere Teil
des Bugs zeigt eine schwach zugeschärfte zilindrische Form mit geradem Steven, an die sich
unten eine Löffelform anschließt. Der dargestellte Linienriß gehört zu dem, in den Abbildungen 35
bis 39 mitgeteilten, offenen stählernen Oderschiff nach Breslauer Maß. Das Hinterschiff hat flache
Löffelform. Unter der, einer Tauchtiefe von 2 m entsprechenden, obersten Wasserlinie sind noch
4 Wasserlinien in Abständen von je 40 cm angeordnet, so daß die Wasserlinie IV gleichfalls 40 cm
über dem Boden liegt. Infolge der zilindrischen Form fallen die oberen Wasserlinien im Vor-
schiff (Decklinie, O, I u. II) zusammen. Etwa von der Wasserlinie 11 abwärts beginnt die Löffel-
form. Im Hinterschiff bewirkt die flache Löffelform ein sehr gleichmäßiges, ruhiges Zuströmen
des Wassers zum Ruderblatt. Diese Schif&form hat sich bewährt.
Ob die Kimm scharf oder rund zu machen ist, hängt von den Um-
ständen ab. Durch die Abrundung der scharfen Kanten des Schiffskörpers
wird zweifellos der Widerstand vermindert und die Steuerfahigkeit verbessert.
Allein fahrende Schiffe, namentlich Dampfer und auch Segler sollten daher
stets mit runder Kimm gebaut werden. Für Schiffe im Schleppzuge können
diese günstigen Wirkungen aber, ebenso wie die Löffelformen, unter Umständen
dahin führen, daß die Schiffe leicht ins Gieren kommen. Man kann das be-
sonders an einem Schleppzuge von leeren Schiffen beobachten, wo es auch
ohne Seitenwind schwer ist, genau den Kurs einzuhalten oder, wie der Schiffer
sagt, die Schiffe »ständig« zu halten. In schmalem Fahrwasser und in einem
Kanal ist das Gieren sehr nachteilig und unter Umständen gefahrlich. Man
wollte den vorwiegend dort verkehrenden Schiffen deshalb mittschiffs eine
scharfe Kimm geben, die an dieser Stelle den Schleppwiderstand nicht er-
heblich vermehren dürfte. Eine scharfe Kimm am Bug oder Heck, wie man
sie bei Schiffen mit Holzboden antrifft, ist zu verwerfen. Das Oderschiff,
dessen Linienriß soeben beschrieben wurde (Abb. 234) hat im Mittelschiff eine
scharfe Kimm, im Vor- und Hinterschiff aber am Boden Löffelformen und
scheint deshalb empfehlenswert. Bei runder Kimm darf der Halbmesser der
Rundung nicht zu groß gewählt werden, weil man sonst zu viel Verdrängung,
mithin Tragfähigkeit verliert und einen größeren Leertiefgang bekommt.
Das ist besonders unwirtschaftlich bei Kanalschiffen. Die Anordnung bei
vielen Schiffen auf dem Dortmund-Ems-Kanal, die Kimm mit Halbmessern
von 500 bis 800 mm abzurunden, ist darum nicht zweckmäßig. Bei Kanal-
schiffen dürften. Halbmesser von 200 bis 250 mm, bei großen Rheinschiffen
300 bis 400 mm genügen.
Die Lehnung, die zuweilen noch in einzelnen Stromgebieten (z. B. Elbe
und Weser) vorkommt, kann nicht befürwortet werden. Sie ist wohl eine
Erinnerung an die älteren Segelboote. Der Grundgedanke, beim Kreuzen des
Stromes den Wasserfaden eine geneigte Fläche entgegenzustellen, die weniger
stark angegriffen wird, ist beim Schleppbetriebe ziemlich bedeutungslos, zu-
mal in Rücksicht auf die Nachteile dieser Anordnung, die im Verlust an nütz-
licher Verdrängung und somit an Tragfähigkeit bestehen. Bei Schiffen, deren
Abmessungen durch Schleusen beschränkt sind, findet man selten eine Leh-
I. Größe, Form und Einrichtung der Lastschiffe. 359
nung; auch im Rheingebiet wird sie beim Bau in Eisen und Stahl nicht mehr
ausgeführt.
Der Ablauf des Mittelschiffs dürfte gleichfalls flir alle Lastschiffe
ohne eigene Triebkraft zu verwerfen sein. Er ist wohl aus der Zeit der
Segelschiffahrt zurückgeblieben: Damals gab man dem Schiffe dort, wo
der Mast stand, (»Brust«) einen besonders breiten Querschnitt. Wenn es
richtig ist, wie bisher allgemein angenommen wurde, daß der Schiffswider-
stand mit der Größe des eingetauchten Hauptspant-Querschnitts zunimmt,
dann muß dieser Ablauf für einen Fehler erachtet werden, weil dadurch die
Querschnitte verschieden groß werden. Es wird zuweilen behauptet, daß
Schiffe mit Ablauf sich namentlich bei der Talfahrt mit der Strömung leichter
steuern; doch ist das wohl kaum erwiesen und gleicht den Verlust an Schlepp-
kraft bei der Bergfahrt nicht aus. Am Rhein verschwindet der Ablauf bei
den neuen Schiffen immer mehr; aber auf der Elbe findet man ihn noch
häufig. (Vgl. die Bauregeln für die Oder von 1889, Seite 276.)
Auch der Sprung im Boden, das »Heben« des Bodens im Vor- und
Hinterschiff um 100 bis 250 mm, was sowohl bei den Lastschiffen auf den
östlichen deutschen Wasserstraßen als auch bei den elsässischen und franzö-
sichen Kanalschiffen noch üblich ist, kann nicht empfohlen werden. Vielleicht
wird dadurch eine kleine Verbesserung der Steuerfähigkeit, kaum aber eine
Verminderung des Widerstandes erreicht. Dagegen ist der Sprung im Vor-
schiff nachteilig, da ein solches Schiff, wenn es auf eine Untiefe gerät, sich
leicht daran festsaugt und schwer abzubringen ist. Im Hinterschiff verliert
man dadurch unter Umständen an nutzbarer Höhe für das Ruder. Im Rhein -
gebiet, an der Weser, der Aller, der Donau und am Dortmund-Ems-Kanal
macht man den Schiffsboden gerade und das verdient den Vorzug.
DerSprung des Decks (und des Bordgangs) wird namendich bei den
Rhein- und Eibschiffen oft übertrieben, so daß die Höhe des Vorstevens fast
gleich der doppelten kleinsten Seitenhöhe im Mittelschiffe gemacht wird.
Während die Decklinie bei den Lastschiffen auf den östlichen Wasserstraßen
sowie auf der Weser meistens auf der größten Länge des Mittelschiffs wagerecht
verläuft und erst am Vor- und Hinterschiff nach den Steven ansteigt, bleibt
sie bei den Rheinschiffen kaum auf einem Drittel der Länge wagerecht. Dies
fallt bei den letzteren um so mehr auf, als die starke Krümmung auch auf
die Luken übertragen wird, während bei den anderen Lastschiffen die First-
linie des Verdecks meistens wagerecht angeordnet ist. Die Frage, ob dieser
starke Sprung des Decks berechtigt und durch Rücksichten auf die Festigkeit,
auf den Betrieb oder auf die Raumverwendung begründet ist, muß verneint
werden. Es scheint lediglich eine Erinnerung an das Seeschiff, an das alte
Segelschiff zu sein. Was aber im Kampf gegen die Meereswellen vielleicht
angebracht ist, paßt nicht für das Binnenschiff. Wenn man etwa die Wohn-
räume vergrößern will, so sind Aufbauten auf Deck ein bequemeres und
wohlfeileres Mittel. Um die Anker genügend hoch über Wasser heben zu
360 Abschnitt IL LastschifTe ohne eigene Triebkraft.
könaen, hat man die Ankerkrane. Um dem Steuermann einen erhöhten Platz
zu schaffen, braucht man nur den Steuerstuhl höher zu machen. Für die
sonstigen Hantierungen auf dem Vor- und Hinterdeck mit Schiebestangen,
Schorrbäumen, Schrecken u. dgl. ist eine niedrigere Lage bei weitem zweck-
mäßiger und gegen die gelegentlich überspritzenden Wellen bildet das Schanz-
kleid einen genügenden Schutz. Die hohen Vor- und Hinterdecks bilden nicht
nur eine Verschwendung an Baustoffen, sondern sind auch für die Festigkeit
des Schiffskörpers nachteilig. Wie bei den Betrachtungen über die Festigkeit
(S. 247) im allgemeinen entwickelt worden ist, werden durch die großen Ge-
wichte des Vor- und Hinterschiffs, die durch die entsprechenden kleinen Raum-
teile ihrer Verdrängung nicht ausgeglichen werden, große Beanspruchungen
des Schiffskörpers in seiner Längsachse hervorgerufen, die noch zunehmen,
je mehr man diese Teile durch Aufbauten u. dgl. belastet*). Außerdem ist
es ein technischer Fehler, wenn man einem Balken von gleicher Festigkeit
in der Mitte eine geringere Höhe gibt als an den Enden. Tatsächlich
haben die Rheinschiffe und zum Teil auch die Eibschiffe gerade in der
Mitte, wo die Angriffsmomente der äußeren Kräfte am größten sind, die
geringste Höhe. Wenn man auch die Blechstärken der Außenhaut, des
Stringers usw. im Mittelschiff erheblich stärker wählt als an den Enden, so
ist dies doch nur ein dürftiges und wieder mit Stoff- und Gewichtsverschwen-
dung verbundenes Mittel, um den technischen Fehler wieder gut zu machen.
Ein richtig gebautes Lastschiff sollte mittschiffs die größte Höhe haben, min-
destens aber in ganzer Länge eine wagerechte Decklinie: Dann könnte bei
guter Berechnung an Baustoff, Gewicht und Leertiefgang eine Verminderung
erreicht werden. Der Einwurf, daß die geschwungene Schiffsform einen ge-
fälligen Anblick gewähre, daß also Rücksicht auf Schönheit obwalte, kann
nicht aufrecht erhalten werden; denn in den Augen des Ingenieurs oder des
technisch gebildeten Laien ist nur das schön, was den Gesetzen der Festig-
keit und Zweckmäßigkeit entspricht. Wenn man die oben dargestellten Last-
schiffe von der Donau und der Rhone, sowie das Eibschiff mit festem Deck
betrachtet, die alle eine ziemlich wagerechte Decklinie zeigen, so kann man
nicht sagen, daß diese Schiffe häßlich sind. Wenn man den Rheinschiffen
in der Mitte eine um etwa 300 mm größere Bordhöhe und eine durchlaufende
ws^erechte Decklinie geben würde, so wäre bei unveränderter Tragfähigkeit
und bei vermehrter Festigkeit auch der jetzige Übelstand beseitigt, daß bei
der Fahrt das Wasser über den Bordgang spült, so daß der Verkehr der
Schiffsmannschaft durch das Wasser stattfindet. Dies ist auch eine überlieferte
Eigentümlichkeit, der die innere Berechtigung abgesprochen werden muß.
Es ist übrigens nicht zu verkennen, daß ein Teil der in neuester Zeit gebauten
Rheinschiffe einen etwas geringeren Sprung zeigt.
Ob das weit übergebaute Heck, wie es am Rhein, an der Weser und
i) Vgl. auch R. Haack, Schiffswiderstand und Schiüahrtbetrieb, S. 108.
I. Größe, ('orm und Einrichtung der LastschifTe. 361
am Dortmund-Ems-Kanal üblich ist, besondere Vorteile bietet, ist zweifelhaft.
Es dürfte von den Seeschiffen übernommen sein, wo es unter anderem auch
den Zweck hat, das Ruder vor Beschädigungen, besonders in den Häfen, zu
schützen. Bei der Binnenschiffahrt kann wegen der großen Länge der Ruder-
blätter dieser Zweck damit nicht erreicht werden. Man erhält außerdem durch
das übergebaute Heck eine bequeme große Deckfläche im Hinterschiff zur
Aufstellung der Ankerwinden und der Steuervorrichtung. Dagegen wird durch
diesen Bau nicht nur eine beträchtliche Vermehrung der Kosten, sondern auch
eine für die Festigkeit des Schiffes nachteilige Belastung des Hecks hervor-
gerufen. Alle diese Schiffe sind steuerlastig. Bei dem Donauschiff (45)
ist eine andere Lösung versucht worden. Es ist aber zu erwägen, ob die
den Decküberbau tragenden Konsolen ohne Blechverkleidung nicht Veran-
lassung zu gegenseitigen Beschädigungen der Schiffe, besonders in den Häfen,
geben können.
Die Festigkeit der vorstehend beschriebenen Lastschiffe würde man
in endgültiger Weise nur miteinander vergleichen können, wenn man nach
der im ersten Abschnitte dieses Teils gegebenen Anleitung für jedes eine
genaue Berechnung durchiuhit und die wirklich eintretenden Beanspruchungen
der einzelnen Bauteile ermittelt. Diese Rechnungen durchzufuhren und mit-
zuteilen, entspricht jedoch nicht dem Zweck dieses Buches. Es wird ge-
nügen, nach allgemeinen technischen Grundsätzen die Festigkeit der ver-
schiedenen Bauweisen zu beurteilen.
Eine ungenügende Festigkeit des Schiffes macht sich dadurch bemerk-
lich, das es bei wechselnder Belastung und Beanspruchung (z. B. im Schlepptau)
seine ihm ursprünglich gegebene Form vorübergehend oder dauernd verliert.
Daß sich z. B. der Boden der beladenen Lastschiffe in der Mitte nach unten
durchbiegt, ist eine bekannte Erscheinung. Bei guten stählernen Schiffen
beträgt diese Durchbiegung 4 bis 8 cm, bei weniger festen bis zu 10 cm
und bei hölzernen Schiffen bis zu 15 cm. Es kommt dabei auf eine vor-
sichtige Art der Beladung an, d. h. auf eine richtige Verteilung der Last auf
die Länge des Laderaums. Anderenfalls treten viel größere Durchbiegungen
ein, die unter Umständen zum Bruch des ganzen Schiffes iuhren können.
Vor 10 Jahren ist z. B. im Ruhrorter Hafen ein in Holland gebautes, ziem-
lich neues, stählernes, großes Rheinschiff von 675 t Tragfähigkeit bei unge-
schickter Entladung mitten durchgebrochen und zugrunde gegangen. Dies
Schiff war offenbar nicht genügend fest gebaut. Umgekehrt kommt es vor,
daß leicht gebaute ältere Holzschiffe in leerem Zustande eine Durchbiegung
in der Mitte des Laderaums nach oben bis zu 5 cm und auch etwas mehr
zeigen. Zur Festigkeit gehört, außer genügender Stärke der einzelnen Bau-
teile und guter Verbindung untereinander, eine zuverlässige Quer- und Längs-
versteifung, durch die erhebliche Formveränderungen des Schiffskörpers ver-
hindert werden. Die Querversteifung wird, wie wir an den einzelnen
Beispielen gesehen haben, durch die Bodenwrangen, die Spanten und Rahmen-
362 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft
Spanten, durch die Duchten und die Schottwände meistens ausreichend be-
wirkt.
Wichtiger und schwieriger ist die Längsversteifung, namentlich bei
offenen Schiffen. Sie wird bei hölzernen Fahrzeugen oft nur allein durch
den Boden und die Bordwände dürftig hergestellt, wie z. B. bei den Zillen^
den hölzernen Oder- und Eibschiffen, den Pünten usw. Zuweilen verstärkt
man den obersten Teil der Bordwände, damit sie gewissermaßen als obere
Gurtung wirken, durch eine innere Bohlenverkleidung (Weger oder Remme)
und ein kräftiges Schandeck [z. B. beim hölzernen Mainschiff (30) und
beim Weserbock (40)] oder durch starke Scheuerleisten (Berghölzer). Es
kommen aber auch hölzerne Kielschweine zur Verstärkung des Bodens
vor, wie z. B. beim Boidack (2) und bei der russischen Barke (52), die
außerdem noch mit je 2 hölzernen Seitenstringern versehen ist. Eiserne
und stählerne offene Schiffe werden durch Kielschweine sowie durch starke
Stringer und Stringerwinkel versteift.
Die beste Längsversteifung haben die Lastschiffe mit festem Deck:
Dann hat man einen hohlen Balken, dessen Festigkeit leicht nach allgemeinen
technischen Regeln beurteilt werden kann. Sie ist bekanntlich am größten,
wenn mittschiffs der größte Teil der wirksamen Querschnittsflächen oben
(Stringer und Deck) und unten (Boden und Kielschwein) möglichst weit von
der durch den Schwerpunkt des Balkens gelegten Nullebene (neutrale Faser)
angeordnet werden, d. h. die Festigkeit eines solchen Schiffes wächst mit
seiner Höhe in der Mitte"). Die Rücksicht auf die Ladung verlangt eine
Durchbrechung des festen Decks durch Luken und damit eine Schwächung
dieses wesentlichsten Teils des Querschnitts. Den Verlust sucht man durch
entsprechend starke Luksülle und durch Verstärkung des Decks und
der Unterzüge neben den Luken möglichst zu ersetzen. Das kann aber
nur bei Luken von geringer Breite, wie z. B. bei dem Donauschiff (45),
erreicht werden. Mit größerer Breite der Luken geht das Luksüll in den
Tennebaum über, der mithin als eine wichtige Längsversteifung anzu-
sehen ist, da er einen Teil des fehlenden festen Decks ersetzen soll. Die in
neuerer Zeit an den östlichen Wasserstraßen eingeführten tennebaumartigen
Deckaufbauten [z. B. beim Weichselschiff (11) und beim Eibschiff nach Flauer
Maß (12)] erfüllen diesen Zweck nur sehr wenig, weil sie mit Rücksicht auf
bequemes Löschen und Laden nicht durchlaufen, sondern zum größeren Teil
bis fast zur Stringerhöhe durchbrochen sind. Es hat beinahe den Anschein,
als wenn der wichtige Versteifungszweck dieses Bauteils nicht ganz verstan-
den worden ist. Die zweckmäßige Anordnung des rheinischen Tennebaums
kann aber die wünschenswerte obere Längsversteifung in dem First des Ver-
i) Seitenstringer, wie sie bei den älteren Donauschiffen, eingebaut waren (44) , müssen als
unzweckmäßig verwendeter Baustoff bezeichnet werden, weil er z. 6. in der Deckfläche vrirksamer
wäre. Diese Seitenstringer sind deshalb mit Recht bei den neueren Donauschiffen (45} fort-
gelassen worden.
I. Größe^ Form vokd Etnrichtung der Lastschiffe. 363
decks nicht ersetzen. Dazu wäre erforderlich, die jetzt meist beweglichen
hölzernen Lukenbalken (Scherstöcke) durch stählerne zu ersetzen und fest
durch starke Eckbleche mit den Schottwänden zu verbinden. Das ist, soweit
bekannt, bei den RheinschifTen bisher nicht ausgeführt, weil man dort, wo
das Löschen und Laden meistens durch Greifer und Kipper bewirkt wird, die
Laderäume querschiffs möglichst vollständig zu öffnen wünscht und feste
Lukenbalken für hinderlich hält. Aber an neueren Weserschiffen findet man
zuweilen die eisernen Lukenbalken (Zeltträger) fest mit den Schotten ver-
nietet, wodurch eine obere Längsversteifung erreicht wird. Ähnliche Bau-
weisen wurden bei neuen stählernen Eibschiffen (14) ausgeführt (vgl. Abb. 83).
Sollte sich bei längerem Betriebe herausstellen, daß diese festen Lukenbalken
oder Firstbalken beim Laden und Löschen nicht hinderlich sind, so wird
man einen Schritt weiter gehen müssen und zwischen ihnen und dem Mittel-
kielschwein Dreiecksverbindungen herstellen. Man bekommt damit einen
hohen, durch das ganze Schiff laufenden Gitterträger, der ähnlich wie die
Mittelschotte der Kastenschiffe (54) die Längsversteifung allein übernehmen
kann, so daß bei anderen Bauteilen, namentlich der Blechhaut, dem Stringer
und vielleicht auch bei den Bodenwrangen beträchtliche Ersparnisse an Bau-
stoff eintreten werden. Das wäre als eine erhebliche Verbesserung der Bau-
weise der Lastschiffe zu bezeichnen.
Man erkennt hieraus, wie die Anordnung und Einrichtung der
Laderäume auf die ganze Bauart der Lastschiffe einwirkt. Vor allem ist
ihre Länge von Einfluß: Auf den östlichen Wasserstraßen sind Laderäume
von je 10 bis 14 m Länge beliebt, die durch bewegliche Duchten und höl-
zerne Zwischenwände abgeteilt werden können. Auf den neuen Weserschiffen
hat man vorwiegend Laderäume von etwa 10 m, auf den Schiffen des Dort-
mund-Ems-Kanals solche von etwa 18 m, auf dem mitgeteilten Allerschiffe
sogar solche von 21m Länge. Die Versteifung der langen Bordwände erfolgt
neuerdings besonders durch Rahmenspanten, weil die beweglichen Duchten
schwer zu handhaben und in ihrer Wirkung auch nicht ganz zuverlässig sind.
Auf den neuen Rhein- und Eibschiffen verzichtet man oft auf diese großen,
langen Laderäume und ordnet die Schotte in Abständen von 5 bis 6 m an.
An der Elbe fuhrt man nur einen Teil dieser Schotte bis unter das Ver-
deck und die anderen nur bis zur Stringerhöhe, so daß zwischen ihren Ober-
kanten und dem Verdeck Laderäume von 16 bis 18 m Länge entstehen, die
erforderlichenfalls zum Verladen besonders langer Gegenstände benutzt werden
können. Bei Schiffen mit festem Deck ist man wegen der größeren Festig-
keit in der Länge der Laderäume weniger beschränkt. Das beachtenswerte
stählerne Eibschiff (15) hat z. B. Laderäume von 14,5 m, die allerdings durch
Halbschotte versteift sind. Aber diese reichen von den Bordwänden beider-
seits nur bis zu den Luken, so daß besonders lange Gegenstände in der Mitte
gelagert werden können. Auch das gute Donauschiff (45) hat Laderäume von
12 bis 14,4 m Länge.
364 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
Bauvorschriften. Selbst die auf denselben Wasserstraßen verkehren-
den Lastschiffe sind, wie wir gesehen haben, von verschiedener Güte und
besonders von verschiedener Festigkeit. Außer den mitgeteilten Beispielen
findet man viele schlechte und unzweckmäßige Fahrzeuge, die oft kaum den
Namen eines Schiffes verdienen und nicht nur unvorteilhaft für die Ladung
und die Fortbewegung, sondern auch gefahrlich für die eigene Bemannung
und die übrigen auf der Wasserstraße verkehrenden Schiffe sind. Wenn ein
solches Schiff im Fahrwasser sinkt, kann leicht eine Unterbrechung des ganzen
Verkehrs eintreten. Es wäre also Sache der Schiffahrtpolizei, dafür zu sorgen,
daß alle auf der Wasserstraße verkehrenden Schiffe sich in gutem, sicherem
Zustande befinden. In Deutschland bestehen jedoch nur Rir die sogenannten
internationalen Ströme, Rhein, Elbe und Weser, in den betreffenden Schiff-
fahrtsakten (S. 8i) Vorschriften darüber, daß jedes neue Schiff vor Antritt der
ersten Fahrt amtlich auf seine Tauglichkeit und Ausrüstung untersucht werden
muß. Über den genügenden Befund wird ein Zeugnis (Schiffspatent) aus-
gestellt. Für andere Wasserstraßen, Havel, Spree, Saale, Oder, Warthe,
Weichsel usw. gibt es keine entsprechenden Bestimmungen, und selbst für
die Befahrung der Kanäle sind nur ungenügende, allgemeine polizeiliche Vor-
schriften erlassen. Auch die auf Rhein, Elbe und Weser bestehenden Schiffs-
. Untersuchungen sind zu wenig gründlich und werden selten oder nie wieder-
holt, so daß sie weder fiir die Sicherheit des Fahrwassers, noch für die
Sicherheit der dem Fahrzeug anvertrauten Waren eine Gewähr leisten können.
Unter diesen Umständen waren die Versicherungsgesellschaften (S. 105)
auf SelbsthUfe angewiesen.
Im Jahre 1850 traten die an den östlichen Wasserstraßen und an der
Elbe beteiligten Versicherungsgesellschaften zu einer Vereinigung zusammen,
um alle Schiffe, für die sie Versicherung der Ladung annehmen, nach gleich-
mäßigen Grundsätzen in bezug auf ihre Tauglichkeit regelmäßig zu unter-
suchen (Fußnote auf S. 252). Dies Vorgehen hatte guten Erfolg und wurde
allmählich weiter ausgedehnt und verbessert. Die Geschäftstelle der Ver-
einigten Transport-Versicherungsgesellschaften (im Jahre 1Q08 waren
es 24 deutsche und 5 ausländische) befindet sich in Berlin und verfugt über
28 Schiffs-Untersuchungskommissionen in 26 deutschen und 2 böhmischen
Städten. Nach dem Ergebnis der jährlichen Untersuchungen werden die
Schiffe hinsichtlich der Waren, die in ihnen versichert werden dürfen, in drei
Klassen eingeteilt. Die erste Klasse hat noch zwei Unterabteilungen, je nach-
dem die Schiffe mit Deck versehen sind oder nicht.
Klasse lA (mit Deck) für Waren jeder Art.
Klasse IB (ohne Deck) für alle Waren, die gegen Wasserbeschädigung widerstands-
fähiger sind.
Klasse II fiir minderwertige W^aren und solche, die gegen Wasserbeschädigung wider-
standsfähiger sind.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. 365
Klasse III nur für Bauholz , Brennholz, Eisenbahnschwellen, leere Fässer, Knochen,
Kohlen, Sand, Stabholz und Steine zulässig.
Zillen erhalten nur fUr jede einzelne Reise ein besonderes Tauglichkeitszeugnis für die
betreffenden Waren ausgestellt und nur für die Jahreszeit vom i. März bis i. Oktober. Sie
werden im allgemeinen nur für die Waren der Klasse III und außerdem für Eisenbahnschienen,
Erden und Erze, Farbehölzer in Blöcken, Harz, Heringe, gebrauchte Knochenkohle, Roheisen,
Sirup, Teer zugelassen.
Über die erfolgten jährlichen Untersuchungen wird zum Gebrauch der Versicherungs-
gesellschaften eine Zusammenstellung gedruckt, die mithin ziemlich alle auf diesen Wasserstraßen
verkehrenden Schiffe umfaßt Von jedem Schiffe ist darin die Eichungsnummer, der Name des
Schiffseigners und des Schiffers, das Baujahr, der Baustoff, die Deckart, die Tragfähigkeit, der
Tag der Untersuchung und die erteilte Klasse angegeben. In einer besonderen Spalte sind
auch die Schiffe erkenntlich gemacht, die Unfälle erlitten haben, sowie die mangelhaften Schiffe,
deren Zeugnisse nicht erneuert worden sind. Die Zusammenstellung enthält femer ein nach
Buchstaben geordnetes Verzeichnis der Namen aller Schiffseigner und Schiffer nebst deren Wohn-
orten, sowie eine Liste aller wegen ihrer Person ausgeschlossenen Schiffseigner und Schiffer,
auf deren Schiffen keine Ladungen zur Versicherung angenommen werden. Es sind z. B. im
Jahre 1907 etwa 10450 Schiffe untersucht worden.
Diese Vereinigung hat nach gemeinschaftlichen Beratungen mit Werften,
Schiffbauern, Schiffahrtgesellschaften und Schiffern Bauvorschriften für
FluOfahrzeuge auf dem Stromgebiete der Elbe und den östlich davon ge-
legenen deutschen Wasserstraßen herausgegeben, deren letzte Feststellung im
Jahre 1905 in Kraft getreten ist. Sie sind fiir Holzschiffe (mit Ausnahme
der Zillen), fiir Lastschiffe mit Holzboden und eisernen Borden und iiir Last-
schiffe mit eisernem Boden und eisernen Borden geteilt und enthalten außer-
dem Bestimmungen über Ausbau, Deck, Steuerruder und die Ausrüstung.
Für die im allgemeinen mit der Größe der Schiffe zunehmenden Abmessungen der ein-
zelnen Bauteile sind 8 Gruppen gebildet worden, die nach dem Produkt aus der größten Länge
(Über alles, aber ohne Steuer) und der größten Breite [über Spanten) bestimmt sind.
Gruppe I für Schiffe, deren L*B bis 150
2 » » • » über 150 bis 250
3 » * » f * 250 » 350
4 » » . » » 350 > 450
5 » » » » » 450 » 550
6 » » . » . 550 » 700
7 » » » » » yoo » SjO
8 » » » » > 850 » 1000
Auch für die Baustoffe und die Art der Verbindungen sind ausführliche Bestimmungen aufge-
nommen und durch klare Skizzen erläutert.
Nach den vorbeschriebenen Einrichtungen der Vereinigung ist es klar, daß
fast alle auf den fraglichen Wasserstraßen verkehrenden Lastschiffe nach diesen
Bestimmungen gebaut werden. Nach Fertigstellung des Baues wird das neue
Schiff" von dem Revisor der Vereinigung untersucht und erhält die entsprechende
Klasse, die iiir die Dauer eines Jahres gilt, bis eine neue Prüfung stattfindet.
Am Rhein haben sich die Verhältnisse anders entwickelt. Nach der
älteren Rheinschiffahrtsakte vom Jahre 1831 sollten alle Rheinschiffe jährlich
wenigstens einmal durch eidlich verpflichtete Sachverständige auf ihre Taug-
lichkeit untersucht werden. Diese Bestimmung wurde durch die neue Akte
vom Jahre 1868 dahin abgeändert, daß die Untersuchung nur noch vor dem
366 Abschnitt n. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Antritt der ersten. Fahrt, nach jeder wesentlichen Veränderung oder Aus-
besserung sowie auf Verlangen des Befrachters stattfinden sollte.
Dies schien den Versicherungsgesellschaften nicht ausreichend und sie
traten im Jahre 1877 zu einem Verbände zusammen, der den Namen Rhein-
schiffs-Register-Verband trägt und dessen Geschäftsführung der Ver-
sicherungsgesellschaft Providentia in Frankfurt a. M. übertragen ist. Er
gab zuerst im Jahre 1878 ein Unfallregister heraus, das 2031 Unialle aus
den Jahren 1873 bis 1877 enthielt. Es folgte im Jahre 1879 das erste Rhein-
schiffsregister, das bereits die kurzen Beschreibungen von 2 141 Schiffen
brachte und eine günstige Aufnahme bei allen Beteiligten fand. Das Unter-
nehmen hat sich allmählich weiter entwickelt und im Jahre 1910 erschien
schon die 17. Ausgabe, die 10344 Lastschiffe ohne eigene Triebkraft und
15 14 Dampfschiffe enthielt*).
Von den Lastschiffen wird ihr Namen, sowie der des Schiffseigners und des Schiffers, die
Klasse, der Tag der Klassifikation oder der letzten amtlichen Untersuchung, Länge, Breite, Tief-
gang und Tragfähigkeit, Ort und Jajtir der Erbauung und einer Hauptausbesserung, die Flagge,
Baustoff und Bauart, die 2^hl der Mannschaft und der angegebene Wert in Mark mitgeteilt, bei
den Dampfschiffen außerdem die Zahl der indizierten Pferdestärken und ihr Verwendungszweck.
In einer besonderen Abteilung des Buches sind alle Schiffer (17650 an Zahl im Jahre 1908) mit
Namen, Wohnort, sowie Ort und Tag der Ausstellung ihres Patents aufgeführt.
Der große Wert dieses zuverlässigen Registers, nicht nur für die Ver-
sicherungsgesellschaften, sondern für alle Schiffahrttreibenden und die Ver-
frachter ist einleuchtend. Aus der Satzung des Verbandes vom Jahre 1886
ist folgendes zu erwähnen:
Zweck des Verbandes ist die Wahrung und Förderung des Transport-
Versicherungswesens auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen, sowie auf den
damit in Verbindung stehenden holländischen und belgischen Gewässern. Der
Verband betrachtet es namentlich als seine Aufgabe:
1. Ein Register über die diese Gewässer befahrenden Schiffe herauszu-
geben, das eine möglichst genaue Beschreibung und das den einzelnen Schiffen
auf Grund einer Untersuchung durch die Sachverständigen des Verbandes er-
teilte Klassenzeichen enthält;
2. für eine fortlaufende Überw^achung der Schiffe und Schiffer hinsichtlich
ihrer Tauglichkeit und Zuverlässigkeit zu sorgen;
3. in Havariefallen die Verbandsgesellschaflen namentlich da zu vertreten,
wo diese nicht in der Lage sind oder nicht die Absicht haben, selbst ihre
Vorteile wahrzunehmen.
Zu 2 ist zu bemerken, daß infolge der Tätigkeit des Verbandes die Zahl
der jährlich ausgeschlossenen Schiffe und Schiffer allmählich abgenommen
hat. Der Verband bestand im Jahre 1908 aus 24 Versicherungsgesellschaften,
die vorwiegend in Deutschland, zum kleineren Teile in der Schweiz ihren
Sitz haben. Die bis vor kurzem in Holland bestehende ähnliche »Vereeniging
der holländischen Assecuradeure« hat sich im Jahre 1908 aufgelöst.
1) Vgl. den »Bestand der deutschen Binnenschiffe« am Ende dieses Buches.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. 367
Der Registerverband hat in 12 Städten des Rheingebiets Sachverstän-
dige aufgestellt, die nach einer genauen Dienstanweisung die Untersuchung
und Einschätzung der Schiffe vornehmen.
Es werden folgende Klassenzeichen erteilt:
Für hölzerne Schiffe:
AI* Für Schiffe, die nicht älter als 8 Jahre sind und sich zur Verladung von Waren aller Art
eignen. Ältere Schiffe können diese Klasse wieder erhalten, wenn sie nach einer gründ-
lichen Ausbesserung, bei der Untersuchung durch die Sachverständigen auf Trockenem, in
besonders gutem Zustande befunden werden.
A^« Für Schiffe, die nicht in allen Beziehungen den Erfordernissen der vorstehenden Klasse
entsprechen, aber doch gut gebaut, gut unterhalten und noch geeignet sind fUr Waren,
die der Beschädigung durch Wasser leicht unterworfen sind.
B* Für Schiffe, die den Vorschriften für Klasse A nicht entsprechen und an denen die nötigen
Ausbesserungen behufs Verlängerung oder Wiederverleihung der Klasse A lücht ausge-
führt sind, deren Zustand aber doch für die Beförderung von solchen Waren geeignet ist,
die durch Wasser nicht beschädigt werden.
(Schiffe der Klassen A^ ^^^ A^ sollen wenigstens alle 4 Jahre, die der Klasse Q alle
3 Jahre auf Trockenem einer genauen Besichtigung unterworfen und kalfatert werden.)
Für eiserne Schiffe:
^ Für Schiffe, die, nicht älter als 12 Jahre, das höchste Vertrauen verdienen und zur Ver-
ladung von Waren aller Art geeignet sind. Ältere Schiffe können diese Klasse wieder
erhalten, wenn sie nach gründlicher Ausbesserung, bei der Untersuchung durch die Sach-
verständigen auf Troekenem, in besonders gutem Zustande befunden werden.
^. Für Schiffe, die nicht in allen Beziehungen, namentlich hinsichtlich der Stärke und Be-
schaffenheit des Baustoffs, den Erfordernissen der vorstehenden Klasse entsprechen, aber
doch gut gebaut, gut unterhalten und noch geeignet sind für Waren, die der Beschädigung
durch Wasser leicht unterworfen sind.
^ Für Schiffe, die geringeres Vertrauen verdienen, als die beiden vorgenannten Klassen, die
aber für die Beförderung von solchen wertvolleren Waren noch geeignet sind, die durch
Wasser nicht beschädigt werden.
[Alle eisernen Schiffe sollen wenigstens alle 4 Jahre auf dem Trockenen einer genauen
Besichtig^g unterworfen werden.)
Diesen Klassenzeichen werden noch besondere Zeichen beigefügt, die sich auf Deck und
Luken, auf den Zustand der Takelung und der Maschinen beziehen oder erkennen lassen,
ob die Schiffe unter Aufsicht der Sachverständigen des Verbandes gebaut sind. Femer wird
durch Zeichen ersichtlich gemacht, für welche Wasserstraßen das Schiff geeignet ist, ob für
die oberen Fltlsse und Kanäle (BR)) ob auf den seeländischen Strömen und der unteren
Scheide (ZS) o^^^ o^ ^ g^^^ Deutschland, Belgien und Niederland (CR)*
Für die Main- und Neckar schiffe bestehen besondere Klassenzeichen: MA^ ^^^
NAl för <lie oberste, MA^ und NA^ <Ür die mittlere und MB und NB ^lir die schlechteste
Klasse in entsprechender Unterscheidung.
Alle diese Klassenzeugnisse werden nur auf die Dauer eines Jahres er-
teilt und müssen dann erneuert werden. Das muß auch nach einem Schiffs-
unfall geschehen.
Im Jahre 1908 befanden sich:
1. Hölzerne Lastschiffe in den Klassen . .
von im ganzen 3122 Schiffen ....
2. Eiserne Lastschiffe ohne eigene Triebkraft
in den Klassen
von im ganzen 6637 Schiffen ....
3. Dampfschiffe von 13 18
AI A2
ß
25 125
I
t^ ^
^
1299 177
0
39 5
0
368 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Das ist ein verhältnismäßig geringer Teil der vorhandenen Schiffe. Es
ist aber zu bemerken, daß sich allein 865 eiserne Lastschiffe und 365
Dampfschiffe im Besitz der größeren Gesellschaften und Reedereien befanden,
die zum Teil nur ihre eigenen Waren (Kohlen) verfrachten und darum keiner
Versicherung bedürfen, außerdem aber selbst technisch geschulte Kräfte
zur Untersuchung ihrer Schiffe besitzen. Es kommt femer in Betracht, daß
im Jahre 1906 eine neue amtliche Untersuchungsordnung für den ganzen
Rhein in Kraft getreten ist, durch die eine nochmalige gründliche Untersuchung
aller vorhandenen Rheinschiffe vorgeschrieben wurde. Diese Untersuchung in
Verbindung mit dem Rheinschiffsregister dürfte einem großen Teil der Ver-
frachter und Versicherungsgesellschaften wahrscheinlich ausreichend scheinen.
Besondere Bauvorschriften sind von dem Registerverbande nicht auf-
gestellt, weil ihm dies »bei der sehr verschiedenen Bauart der Rheinschiffe
und dem internationalen Charakter der Schiffahrt zurzeit noch nicht durch-
führbar scheint«.
In neuerer Zeit hat auch der Germanische Lloyd seine Tätigkeit
auf die Binnenschiffe ausgedehnt. Das Bedürfnis einer glaubwürdigen Unter-
suchung der Tauglichkeit der Seeschiffe und ihrer Einschätzung (Klassi-
fikation) in gewisse Klassen bestand schon länger als bei der Binnenschiffahrt.
Die erste Gesellschaft wurde zu diesem Zweck im Jahre 1828 in Paris ge-
grründet: le bureau Veritas. Dann folgte im Jahre 1834 in London Lloyds
Register of British and foreign shipping. Im Jahre 1868 wurde der Germa-
nische Lloyd gegründet, zuerst mit dem Sitze in Rostock und seit 1889 in
Berlin. Er ist eine Aktiengesellschaft, aber insofern keine eigentliche Er-
werbsgesellschaft, als die Aktionäre keine höhere Jahresdividende als 5 v. H.
erhalten, während weitere Überschüsse zu wissenschaftlichen Untersuchungen
u. dgl. verwendet werden. Zweck der Gesellschaft ist die Einschätzung (Klassi-
fizierung) von Schiffen, die Herausgabe von Schiffsregistern, die Feststellung
von Vorschriften für Neubau und Ausbesserung und die Förderung der Schiff-
fahrt überhaupt. Ihre nutzbringende Tätigkeit ist bekannt, z. B. auch bei der
Aufstellung der Freibordvorschriften für deutsche Seeschiffe im Jahre 1903.
Jetzt übernimmt der Germanische Lloyd auch die Einschätzung von Binnen-
schiffen und hat für deren Bau und Ausrüstung Vorschriften aufgestellt,
die am i. April 1909 in Kraft getreten sind. Er hat femer im Jahre 1908
neue Vorschriften für die Prüfung von Schweißeisen, Stahl (Flußeisen) und
Stahlguß sowie von Ankern, Ketten und Tauwerk, außerdem auch solche für
Maschinen und Kessel sowie für elektrische Anlagen auf Schiffen heraus-
gegeben. Nach diesen Vorschriften untersuchen die von ihm angestellten
Besichtiger die einzuschätzenden Schiffe oder überwachen deren Neubau und
Ausbesserung.
Als Klassenzeichen stählerner (flußeisemer) Schiffe dient der Buchstabe A mit Ein-
schaltung von Ziffern, die den Zeitraum der zu wiederholenden Besichtigungen in Jahren angeben.
Dem Klassenzeichen werden Klassennummem loo, 90, So vorangestellt, welche den Grad der
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. 369
Stärke des Schiffes bezeichnen. Für Binnenschiffe wird hinter A der Buchstabe J hinzugefügt
nnd fUr solche Lastschiffe , die stets von vorne bis hinten gleichmäßig beladen sind , das
Zeichen «-. Schiffe, die nach den Vorschriften und unter Aufsicht des G. L. hergestellt sind,
erhalten vor der Klassenbezeichnung noch das Zeichen »f«. Die beste Klasse der Lastschiffe
bekommt also das Gesamtzeichen: »f«100^X~~- Schiffe, bei denen der Querschnitt der Längs-
und Querverbände oder des hölzernen Bodens bis lo v. H. geringer ist als vorgeschrieben, erhalten
die Klasse 90 i^; wenn der Querschnitt um lo bis 20 v. H. geringer ist, die Klasse 80^. Bei
noch geringeren Stärken wird keine Klasse erteilt. Schiffe, die nach ihrer Bauart oder in ein-
zelnen Teilen von den Vorschriften abweichen, können ebenfalls obige Klassen erhalten, wenn
bei Prüfung durch den Vorstand des G. L. die Verbände als diesen Klassen entsprechend ge-
funden werden. Bei Feststellung der Klasse wird nicht allein auf die Anordnung und Stärke der
Verbände Rücksicht genommen, sondern auch auf die Beschaffenheit der Baustoffe und der Aus-
fuhrung der Arbeit.
Bei dem Antrage auf Einschätzung eines unter Aufsicht zu erbauenden Schiffes müssen
genaue Zeichnungen vorgelegt werden, die der Prüfung des Vorstandes unterliegen. Femer sind
die Hüttenwerke zu nennen, denen die Lieferung der Baustoffe übertragen werden soll. Stahl
nnd Eisen wird dort von den Beamten des G. L. sorgfältig nach den besonderen Vorschriften
geprüft und jedes Stück mit einem Stempel versehen. Auf der Werft wird der Bau mehrmals
besichtigt und überwacht. Zwischen den besonderen Besichtigungen, die nach der Klasse
alle 2, 3 oder 4 Jahre auf dem Trockenen stattfindet, wird je noch eine einfache Besichtigung
auf dem Wasser vorgenommen, wobei namentlich der Zustand des Bodens und des Decks fest-
gestellt wird. Zeigt sich bei der besonderen Besichtigung eines Binnenschiffs, daß seine Durch-
biegimg mehr als 0,15 v. H. der Länge beträgt, so kann ohne Anbringung von Verstärkungen
keine Einschätzung mehr erfolgen. Es bestehen femer noch genaue Bestimmungen über die
Untersuchungen, namentlich auch der Dampfschiffe^ über Havarie, Umbauten, Ausbesserungen,
Herabsetzung und Aufhebung der Klasse usw.
Die Bauvorschriften geben die Abmessungen und Stärken der einzelnen Bauteile ent-
sprechend der zunehmenden Größe der Schiffe an, unter Berücksichtigung der Länge zwischen
den Loten (Z), der größten Breite auf Außenkante Spanten (B) und des bis zur obersten
Wasserlinie (Tief ladelinie) eingetauchten Umfangs (6^^). Es sind dazu im allgemeinen zwei Reihen
von Leitzahlen eingerichtet, die Quemummem [Q) und Längsnummem [QL] genannt werden.
Es ist: Q = £±I- und QL = -^^±^L.
z z
Die Abmessungen der Quemummem steigen also mit der Zunahme des eingetauchten Querschnitts.
Aus der Quemummer wird die Spantentferaung und die Stärke der Bodenwrangen, Spanten,
Gegenspanten und Schotte bestimmt. Die Ergebnisse der Längsnummem sind dagegen nament-
lich durch die Schiffslänge bedingt und für alle zur Längs versteifiing erforderlichen Bauteile
maßgebend: Steven, Außenhaut. Deckstringer, Stringerwinkel, Kimmwinkel und bei Schiffen mit
höizemem Boden auch für dessen Stärke. Femer ist die Länge des längsten Balkens Md auf
D^ck auf der halben Schiffslänge (also im wesentlichen die Schiffsbreite) bestimmend für die Bau-
teile des Decks. Auch für die Anordnung der Kielschweine ist allein die Schiffsbreite maßgebend.
Die Vorschriften erstrecken sich nicht nur auf Lastschiffe, sondern auch
auf Dampfschiffe und namentlich auf Personendampfer. Sie enthalten ferner
Bestimmungen für die Vernietung, für die Bauart des Steuerruders, den inneren
Ausbau, das Abdichten, Streichen und Zementieren, sowie für die Ausrüstung.
In dem Register des G. L. waren im Jahre 1 908 nur etwa 70 Flußschiffe
eingetragen, etwa 100 früher eingetragene dagegen gestrichen, weil die Schiffs-
eigner es oft unterlassen, die vorgeschriebenen, regelmäßigen Besichtigungen
zu beantragen, um die damit verbundenen Kosten zu ersparen.
Für die Weser und den Dortmund-Ems- Kanal besteht keine be-
sondere Vereinigung von Versicherungsgesellschaften. Beim Bau der dort
verkehrenden Schiffe werden häufig ebenso wie auch am Rhein die Vor-
Teubert, Binnenschiffahrt. 24
370 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Schriften des Germanischen Lloyd zngrunde gelegt Dieser ist außerdem
oft in der Weise bei der Binnenschiffahrt tätig, daß er für den Schiffseigner
(z. B. auch für einen Staat) die Prüfung der Schiffzeichnungen und der Bau-
stoffe sowie die Überwachung der Bauausführung auf der Werft übernimmt.
Weder die Bauvorschriften der vereinigten Versicherungsgesellschaften
noch die des Germanischen Lloyd beziehen sich auf die Form und die da-
von abhängigen Eigenschaften der Schiffe. Auch hinsichtlich der Festigkeit
werden, vorwiegend auf Grund der Erfahrungen, nur die Abmessungen
und Stärken der einzelnen Bauteile vorgeschrieben, während die Verbindung
und Vernietung der einzelnen Teile untereinander allein in genauen Bau**
Zeichnungen und durch Überwachung des Baues geprüft werden
können. In dieser Beziehung zeigen die Einrichtungen des Germanischen Lloyd
sich weit überlegen. Die anderen haben sich aus den Zeiten des Holzbaues
entwickelt; sie waren dafür auch genügend, entsprechen aber nicht mehr den
Anforderungen des Eisenschiffbaues. Die Herstellung von Bauzeichnungen
und die Überwachung des Baues durch sachverständige, d. h. schiffbautechnisch
gebildete Mäimer müßte zum Vorteil sowohl der Schiffseigner wi« der Ver-
sicherungsgesellschaften allgemein durchgeführt werden.
Auf den östlichen deutschen Wasserstraßen gewinnen die schätzens-
werten Einrichtungen des Germanischen Lloyd nur langsam Eingang, weil
die Vereinigten Gesellschaften sich mit der bisherigen oberflächlichen Prüfung
begnügen und daftir außerordentlich niedrige Gebühren (etwa 3 bis 5 Mark
je Jahr und Schiff) erheben. Die bei dem Germanischen Lloyd für die Prü-
fung der Baubeschreibungen, die Bauaufsicht, die Baustoffprüfungen, die Aus-
stellung des Zeugnisses und die Eintragung in das Register zu zahlenden
Summen betragen 0,6 bis 0,8 v. H. der Neubaukosten, wozu noch jährlich 6 bis
9 Mark für Besichtigungen kommen. Diese Kosten sind verhältnismäßig
niedrig*).
Es bleibt noch die Frage zu untersuchen, ob solche Bauvorschriften
überhaupt vorteilhaft oder nachteilig wirken. Wenn sie nicht fortlaufend, ent-
sprechend den gewonnenen Erfahrungen und den Ergebnissen der Wissen-
schaft, verbessert und verändert werden, entsteht die Gefahr, daß die Schiff-
bauten schablonenmäßig ausgeführt und die Schiffbauingenieure von weiteren
guten Erfindungen und Verbesserungen zurückgehalten werden. Für Dampf-
schiffe scheinen die Vorschriften im allgemeinen entbehrlich zu sein, weil der
vorsichtige Schiffseigner seine Bestellungen nur bei zuverlässigen Fabriken
und Werften machen wird. Anders ist es mit Lastschiffen, die häufig von
kleinen Schiffbauanstalten hergestellt werden, bei denen man nicht auf die
fiir den Eisenbau unumgänglich nötigen Kenntnisse und Erfahrungen rechnen
kann. Dort werden die Vorschriften segensreich wirken, falls die Bauauf-
sicht und Untersuchung durch tüchtig vorgebildete, erfahrene Leute ausgeübt
i) Aufsätze über Bauvorschriften in der Zeitschrift fiir Binnenschiffahrt: 1908, S. 270 (von
Flamm], 1909, S. 13 (von Green) und S. 131.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. 371
wird, die auch verständige und zweckmäßige Abweichungen unbeanstandet
lassen.
Für den Bau von Kastenschiffen fUr Petroleum u. dgl. bestehen auch amtliche Bauvor-
Schriften^ die zum Teil schon frtiher (S. 335) angeführt worden sind.
Baustoffe. In früherer Zeit wurden alle Schiffe aus Holz erbaut.
Wenn auch im Jahre 1787 das erste aus Eisen erbaute Boot (21 m lang und
2 m breit) versuchsweise für einen Kanal bei Birmingham hergestellt wurde,
so sind die Anfänge des Eisenbaues doch erst vom Beginn des vorigen
Jahrhunderts an zu rechnen. Auf dem Clyde in Greenock lief im Jahre 181 8
das erste größere eiserne Seeschiff von 700 Lastentonnen vom Stapel. Dies
Ereignis erregte Aufsehen im Volke, weil es »Eisen schwimmen« sah. Das
erste eiserne Dampfschiff wurde 1821 in Staffordshire erbaut und war fiir
Paris bestimmt. Die umfangreiche Verwendung und die Erkenntnis der Vor-
züge des Eisens trat aber erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein.
In der Binnenschiffahrt wurden in Deutschland zuerst am Rhein eiserne Last-
schiffe (S. 98 j seit 1841 gebaut Die Mängel der Holzschiffe bestehen in
der Schwierigkeit, eine genügende Längsversteifung herzustellen und das
nötige ausgetrocknete gekrümmte Bauholz zu den Spanten u. dgl. zu be-
schaffen, femer in der kurzen Lebensdauer und in dem großen Gewicht. Die
Vorteile des Eisens und Stahls sind darin zu suchen, daß sich diese Stoffe
unmittelbar nach der Erzeugung verwenden und durch Walzen und Schmieden
in jede gewünschte Form bringen lassen und daß die einzelnen Stücke
durch Nietung so gut und fest verbunden werden können, als wenn sie aus
einem Stücke beständen. Dazu kommt die längere Lebensdauer und das
geringe Gewicht. Der letzte Umstand ist gerade für die Binnenschiffahrt von
großer Bedeutung, weil die Lastschiffe die verhältnismäßig geringen Fahr-
wassertiefen nach Möglichkeit ausnutzen müssen.
In den siebziger Jahren kam das Eisen für den Bau von Lastschiffen
auch auf der Elbe in Aufnahme; man konnte sich aber mit dem eisernen
Boden nicht befreunden und macht ihn noch heute in der Regel aus Holz,
weil man den Holzboden für eine gute Versteifung der im Verhältnis zu Länge
und Breite sehr niedrigen Lastschiffe und außerdem für einen Schutz gegen
Leckwerden hält. Das Fahrwasser war allerdings in früheren Zeiten in einzelnen
Stromstrecken recht mangelhaft: Es fanden sich in der Sohle Felsen, lose
Steine und Baumstämme, wodurch viele Unfälle hervorgerufen wurden. Der
hölzerne Boden schien deshalb widerstandsfähiger und war bei Beschädigungen
leichter auszubessern. Von der Elbe kam diese Bauart zur Oder und den
weiteren östlichen preußischen Wasserstraßen. Auf der Weser schlug man
einen anderen Weg ein, indem man mit Rücksicht auf die steinige Stromsohle
(namentlich im Oberlauf) unter dem eisernen Boden zuweilen noch einen
hölzernen Schutzboden anordnete. Diese Bauart gewährte aber keine großen
Vorteile und ist wieder verschwunden. Es werden aber viele Schiffe dort
nach Art der Elbschiife mit Holzboden gebaut.
24*
372 Abschnitt U. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
In neuerer Zeit ist man zu der Überzeugung gekommen, daß die Gründe
fiir die Anwendung hölzernen Böden gegenüber den Vorteilen der eisernen,
namentlich wegen Verbesserung des Fahrwassers unserer Ströme, nicht mehr
gerechtfertigt sind. Seit Einführung des Flußeisens (1881) sind ganz aus
diesem Stoff gebaute Schiffe leichter und haben einen um 3 bis 5 cm geringeren
Leertiefgang. Das stellt einen erheblichen wirtschaftlichen Gewinn dar. Ein
weiterer Vorteil besteht darin, daß sie der Fortbewegung einen geringeren
Widerstand entgegensetzen, was durch die im Laufe der letzten Jahre be-
sonders auf der Donau angestellten Schleppversuche bewiesen ist. Es steht
fest, daß die Reibung des Wassers an der rauhen Oberfläche des Holzschiffs
und besonders des Holzbodens den Widerstand bedeutend vergrößert. Es ist
bekannt, daß die hölzernen Böden allmählich bürstenartig ausgefasert werden,
indem der Fflanzenleim oder das Gummi, das die Fasern der Jahresringe des
Holzes aneinander hält, durch das Wasser langsam aufgelöst wird. Daß diese
ausgefaserten Böden der Fortbewegung einen g^roßen Widerstand leisten, liegt
auf der Hand. Wenn auch die Schiffahrttreibenden in dieser wie in mancher
anderen Hinsicht schwer von ihren Gebräuchen und Gewohnheiten abzu-
bringen sind, so muß doch festgestellt werden, daß die Erkenntnis von den
Vorzügen der eisernen oder stählernen Böden in neuester Zeit in immer
weitere Kreise dringt.
Auf der Elbe wurden in der Strecke Hamburg ^Magdeburg vergleichende Schlepp versuche
mit zwei sonst gleichen Lastschiffen angestellt, von denen das eine mit einem hölzernen, das
andere mit einem eisernen Boden versehen war. Der Widerstand wurde als Zugkraft in der
Schlepptrosse mit dem Dynamometer gemessen. Bei der Leerfahrt waren die Widerstände 800 kg
und 750 kg, mit je 625 t Nutzlast aber 2400 kg und 1600 kg. Das Schleppen des Schiffes mit
hölzernem Boden erforderte also 50 v. H. mehr Kraft.
Da der Holzschiffbau auf einzelnen Wasserstraßen und in einzelnen
Ländern auch in Zukunft noch eine gewisse Bedeutung behalten wird, kann
«r hier nicht unerörtert bleiben. Die namentlich in Europa vorhandenen
Hölzer sind in verschiedener Weise für den Schiffbau geeignet. Für den
Boden ist am besten das Fichtenholz, wegen des geringen Gewichts und
weil die oben geschilderte Auflösung am langsamsten eintritt, während das
z. B. bei Eichenholz sehr schnell geschieht. ErfahrungsmäOig verliert ein
eichener Boden in 10 Jahren etwa 13 mm an seiner Dicke, ein fichtener kaum
5 mm. Für die Inhölzer (Spanten, Wrangen und Duchtbalken) und die Be-
planlamg empfiehlt sich am besten Eichen- und Kiefernholz. Das Eichen-
holz hat die angenehme Eigenschaft, sich nach dem Kochen im Dampfkasten
leicht biegen zu lassen. Man verwendet es darum gerne zu Bug- und Heck-
planken sowie zu gekrümmten Duchten. Fichtenholz darf zur Beplankung
nicht verwendet werden, da es durch den Wechsel von Nässe und Trocken-
heit in etwa drei Jahren zerstört wird. Doch kann es zum innem Aus-
bau neben Kiefern- und Tannenholz benutzt werden. Zu den Bühnen (Wege-
rungen) wird meistens Fichten- oder Tannenholz, zu dem beweglichen Deck
am besten Kiefernholz verwendet. Von ausländischen Hölzern wird Pitch-
2. Baa und Ausrüstung der Lastschiffe. 373
pine vielfach zu den Inhölzern, zur Beplankung und auch zur Wegerung
benutzt.
Von Eisen wird zum SchiiTbau nur Schweißeisen, Stahl (Flußeisen) und
Stahlformguß verwendet. Wegen der gleichmäßigen elastischen Veränderung
bei wechselnder Wärme oder Beanspruchung ist es zweckmäßig, beim Bau
eines Schiffes denselben Baustoff überall zu benutzen, also entweder nur
Schweißeisen oder nur Stahl. Liegen besondere Gründe dagegen vor, so
sollen wenigstens die Längsverbände und die Querverbände je aus dem gleichen
Stoff hergestellt werden. Gewöhnlich wird in neuerer Zeit Stahl (Siemens-
Martin-Flußeisen) verwendet und die nachstehenden Angaben über Abmessun-
gen beziehen sich auf diesen Stoff. Auch die Bauvorschriften des Germanischen
Lloyd sind dafür aufgestellt; es ist aber vorgesehen, daß bei Verwendung
von Schweißeisen die Stärke der Bleche um 1 2 v. H. und der Winkel und
Stangeneisen um 10 v. H. vergrößert werden soll. Andererseits kann bei be-
sonders gutem Stahl, Nickelstahl oder Spezialstahl, eine Verringerung der vor-
geschriebenen Stärken eintreten.
Für die Prüfung des Eisens und des Stahls auf den Walzwerken vor
der Verarbeitung sind von dem Germanischen Lloyd genaue Vorschriften aus-
gearbeitet worden, die in gleichem Umfange für Seeschiffe und Binnenschiffe
zur Anwendung kommen. Erwähnt sei nur die Zerreißfestigkeit, die bei
Schweißeisen mindestens 35 kg längs der Faser und 28,5 kg quer zur Faser,
bei Stahl 41 bis 49 kg und bei Stahlformguß (Steven, Ruderrahmen u. dgl.)
mindestens 40 bis 45 kg je mm' betragen soll. Außerdem sind Warm- und
Kaltbiegeproben usw. vorgeschrieben. Zur Nietung ist bestes zähes Eisen
mit einer Festigkeit von mindestens 35 kg je mm' zu verwenden, das einer
Biegeprobe, einer Stauchprobe und einer Lochprobe unterworfen werden soll.
Um das Eigengewicht möglichst zu vermindern, hat man versucht, Schiffe
aus Aluminium zu bauen; doch haben die Erfolge bisher nicht zur Nach-
ahmung ermuntert.
In neuester Zeit hat man Schiffe aus Beton hergestellt. In Italien (Rom)
und in Deutschland (Frankfurt a. M.) haben sich zu diesem Zweck im Jahre 1909
besondere Gesellschaften gebildet. Wenn solche Schiffe auch mancherlei Vor-
züge besitzen sollen, dürfte das große Eigengewicht in der Binnenschiffahrt
ihre weitere Verbreitung doch verhindern'). Die Erfahrungen müssen ab-
gewartet werden.
Der Bau hölzerner Schiffe. Ohne Rücksicht auf die zu verwen-
denden Baustoffe werden zum Bau eines Schiffes zunächst die Linienrisse oder
Baurisse (S. 244) auf dem Schnür- oder Mallboden in natürlicher Größe
aufgezeichnet oder »abgeschnürt«, wobei etwa sich noch ergebende Mängel
im Verlauf der einzelnen Linien sowohl im Spantenriß wie im Wasserlinienriß
beseitigt werden.
i) Vgl. 2^itscfanft für Binnenschiffahrt, Jahrgang 1909, Seite 406 und 489 (Aufsatz von
F. Meyer).
374
Abschnitt IL Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Zur Aufzeichnung der gekrümmten Linien benutzt man lange, schwache
Holzlatten von quadratischem Querschnitt, die man »Stracklatten« nennt. Für
die Spanten und Steven werden Modelle aus dünnen Brettern, die »Spanten-
malle« oder »Stevenmalle« angefertigt Nach diesen Vorbereitungen und nach
HerbeischafTung der Baustoffe kann auf dem Platze (Helling) mit dem Bau
begonnen werden.
Bei der Beschreibung der Bauausführung folgen wir im allgemeinen der an
den östlichen deutschen Wasserstraßen üblichen Bauweise und den Vorschriften
der Vereinigten Transport- Versicherangs-Gesellschaften (abgekürzt »V. V. G.«).
Wenn die Lager, Streckhölzer und Pallklötze verlegt sind, wird der
Boden zusammengezimmert.. Die Bodenplanken sollen mit Ausnahme der
Endstücke mindestens lo m lang und 20 cm breit sein. Sie werden entweder
durch schräge Wechsel gestoßen, die je nach Bohlenbreite über 2 oder
3 Wrangen reichen (Abb. 235), oder stumpf mittels einer 5 bis 6 mm starken,
eisernen, übergelegten, einge-
lassenen und mit Schrauben
befestigten Lasche (Abb. 236).
Die schrägen Wechsel werden
durch 4 bis 6 wagerecht durch-
getriebene, verzinkte, eiserne
Bolzen verbunden. Zwischen
2 Stößen unter derselben
Wränge müssen mindestens
3 durchgehende Plankengänge
liegen. Alle »Nähte« und Stöße
des Bodens werden mit minde-
stens 2 zwischengelegten Wergdrähten gedichtet, die glatt und fest zu schlagen
sind. Der untere wird etwa i cm von der Kante zurückgesetzt. Die Öffnung
der Nähte (Fugen), von nicht mehr als i cm Weite, wird verpicht.
Nach Einteilung der Spanten auf dem Boden werden in Abständen von
höchstens 50 cm von Mitte zu Mitte die Bodenwrangen (Bodenstücke,
Sohlen, Bänke, Blätter) hochkantig aufgelegt und durch 3 cm starke, hölzerne,
verkeilte Nägel aus Akazien- oder Kiefernholz mit dem Boden verbunden
(Abb. 236). Zur Verhütung von Schwammbildung sind ihre Unterflächen und
die betreffenden Teile des Bodens mit warmem Steinkohlenteer zu bestreichen.
Wenn der Boden fertig ist, wird er belastet und man hebt das Vorder- und
Hinterende um das entsprechende Maß nach dem Längsrisse, wenn ein »Sprung«
vorgesehen ist.
Nach den V. V. G. soll die Bodenstärke bei der Gruppe 1 (S. 365) minde-
stens 8 cm, bei der Gruppe 7 mindestens 12 cm betragen, also mit jeder
Gruppe um 5 bis 10 cm wachsen. Die Stärke der Bodenwrangen hängt
allein von der Schiffsbreite ab, soll bei Schiffen bis zu 5 m Breite 12,5 • 12,5 cm
und bei Schiffen von 10 m bis 11 m Breite 23 • 18 cm betragen.
Abb. 235. Wechsel beim
Stol^ der Bodenplanken unter
eisernen Wrangen i : 40.
Abb. 236. Stumpfer Stoß
der Bodenplanken unter
hölzernen Wrangen i : 40.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
375
Im Rheingebiet wird der Boden aus Mangel an geeignetem Holz in
der Regel viel schwächer hergestellt, und man pflegt unter ihm noch einen
dünneren Schutzboden, die »Sohle«, anzubringen. Man spricht 'dann von
»gesohlten« Schiffen. Beide Böden, zwischen die meistens eine Mooslage
gebracht wird, werden durch eiserne Nägel miteinander verbunden. Zuweilen
bekommt nicht der ganze Boden eine Sohle, sondern nur seine äußersten
Teile, die Bruhnen, einen solchen Schutz, den man »Wange« nennt (vgl.
Abb. 113, 116, 125 und 161 bei der Weser). Unter Umständen wird auch
noch in der Mitte des Bodens eine Schutzbohle angebracht (Abb. 131). Zur
Abb. 237. Sentelnaht (Querschnitt).
Abb. 238. Sentelnaht (Grundriß).
Dichtung wird in der Regel eine Sentelnaht verwendet Dabei werden die
Nähte der Bodenplanken von unten auf etwa ^j^ der Holzstärke durch Ab-
stemmen keilförmig erweitert (Abb. 237) und durch in zwei Lagen fest ein-
getriebenes Moos gefüllt. Dann schließt man die Nähte durch dünne, eiserne,
übereinander reichende Blechstücke (Senteln), die mit dem Hammer krumm
geschlagen und in die beiden benachbarten Planken eingetrieben werden
(Abb. 238). Bei gesohlten Schiffen wird die Sentelnaht durch die darunter
genagelte Sohle gedeckt, deren Nähte nicht gedichtet werden^).
Die Bodenwrangen werden im Rhein-
gebiete oft aus einem Stück mit den Span-
ten hergestellt, und zwar abwechselnd eine
Wränge zusammen mit einem Spant auf
Backbord- und eine Wränge mit einem Spant
auf Steuerbordseite, wie aus den Abb. 1 1 1
und 129 ersichtlich. Sie werden mit dem
Boden durch eiserne Nägel verbunden.
An den östlichen Wasserstraßen wer-
den die aus entsprechend krumm ge-
wachsenen Hölzern bearbeiteten Spanten
oder Knie seitlich mit den Wrangen
und unten mit dem Boden durch Bolzen verbunden (z. B. Abb. 45). Da
solche Hölzer jetzt selten sind, pflegt man die Knie aus mehreren Stücken
zusammenzusetzen. Man zapft einen »Auf langer« senkrecht mit Versatzung
in das Ende der Bodenwrange ein und verbindet beide Teile durch einge-
lassene eiserne Kniestücke. Unter den Duchten verstärkt man diese zu-
sammengesetzten Spanten gewöhnlich durch besondere Streben (Abb. 239).
Abb. 239. Abb. 240.
Zusammengesetzte Holzlcnie i : 50.
i) Mylius und Isphording, der Wasserbau an den Binnenwasserstraßen, Teil 11^ S. 517*
Berlin 1906I
376 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Zuweilen verbindet man den Auflanger durch eine eingesetzte >Knagge< und
2 seitliche Eisenschienen mit der Wränge (Abb. 240); aber alle diese Ver-
bindungen sind mangelhaft (vgl. auch Abb. 42).
Die Steven aus Eichenholz (je nach der Gruppe 24 bis 32 cm im Quadrat
stark) werden mit dem Boden durch ein starkes Holzknie (Abb. 241) oder
durch einen Eisenwinkel mit Blechverstärkung (Abb. 242) verbunden.
Die Beplankung wird entweder >klinker« ausgeführt, indem die ein-
zelnen Plankengänge sich im Querschnitt überdecken, oder »karvehU, wenn
sie in derselben Ebene stumpf aufeinander stehen. Die letztere Bauart ist bei
den Lastschiffen der östlichen Wasserstraßen üblich und verdient im allge-
meinen den Vorzug, weil sie eine glatte, weniger Widerstand bietende Schiffs^
wand liefert; die Planken müssen aber mindestens 7 bis 8 cm stark sein,
Abb. 241. Abb. 242.
Stevenbefestigung i : 40.
damit man dichte Nähte bekommt, während man bei Klinkerborden aus
dünnen Brettern durch eine entsprechende Höhe der Überdeckung die nötige
Dichtung erreicht.
Die unterste Planke heißt »Bruhne« und wird in der Regel aus Eichen-
holz gefertigft. Die nach oben folgenden heißen »Mittelbord«, »Windlatte«
(oder Schwelle) und »Riesbord«. Zuweilen wird zwischen Mittelbord und
Windlatte noch ein Gang eingeschoben, den man Wallschiene nennt. Die
Bug- und Heckplanken macht man gewöhnlich aus Eichenholz. Um sie den
Linienrissen entsprechend biegen zu können, werden sie in einem langge-
streckten, verschließbaren, eisernen oder hölzernen Kasten mehrere Stunden
lang mit eingelassenem heißem Wasserdampf gesättigt, »gedämpft«. Die
Bordplanken werden in die »Sponung« des Stevens eingefalzt, zweireihig
mit ihm vernagelt und dicht hinter seiner Innenseite durch zwei oder drei
Schraubbolzen gegenseitig miteinander verbunden. Die Stöße der Bord-
planken werden mittels Wechseln bewirkt, die eine Länge von mindestens der
dreifachen Breite der Planken haben und durch je 4 senkrechte, beide Stoß-
enden durchdringende, starke, eiserne Bolzen verbunden sind. Die Wechsel
benachbarter f lankengänge müssen versetzt werden, und es muß möglichst ver-
mieden werden, daß überhaupt zwei Wechsel übereinander liegen, besonders
mittschiffs und in der Nähe der Segelducht. Da die Planken die Hauptversteifung
des Schiffes bilden, ist ihre Verbindung von großer Wichtigkeit. Die Wechsel
2. Bau und Ausrüstung der Lastschifie. 377
im Riesbord und in der Windiatte sollen daher binnenschiifs noch durch eiserne
Laschenplatten verstärkt werden, die über 6 bis 7 Spanten reichen. Zur
weiteren Versteifung der Bordwände wird empfohlen, sie senkrecht vom Ries-
bord bis zur Bruhne zu durchbohren und durch i o bis 12 mm starke, eiserne,
mit großer Kraft durchgetriebene Bolzen zu verbinden. Etwa je 2 Stück sol-
cher Bolzen sollten in jeder Abteilung des Laderaums angeordnet werden (vgl.
Abb. 239). Klepsch hat damit sehr gute Erfahrungen gemacht und hält sie für
besser als die sonst üblichen, seitlich eingetriebenen > Stichnägel« zur Ver-
bindung (zum »Heften«) zweier benachbarter Planken. Es ist einleuchtend, daß
diese Verbindung die Festigkeit der Bordwände erhöht und das Durchbiegen
(> Durchspannen«) des Schiffskörpers vermindert.
Die Stärke der Planken soll nach den V. V. G. betragen :
bei der Gruppe 1357
Bruhne 6,5 8 g 10 cm
Mittelborde 6,5 8 8,5 9,5 »
Windlatte und Riesbord 8 10 11 12 >
Die Dichtung der Nähte wird wie beim Boden am besten durch 2 ge-
teerte Wergdrähte erreicht, die mit dem meißelartigen »Dichteisen« unter
Hammerschlägen fest eingetrieben werden. Dann werden die Nähte verpicht.
Das »Spunden«, d. h. das Einlegen von etwa 4 cm breiten dünnen Brettchen
aus Eichenholz über die Nähte, ist im allgemeinen weder für den Boden noch
für die Borde zu empfehlen. Denn die von den Spunden bedeckten Nähte
faulen leicht, und die im Boden angeordneten Spunde verhindern das Zu-
sammenquellen der Nähte. Dagegen ist diese Bauweise beim Ausbessem von
alten Schiffen am Platze, wenn deren Nähte vermodert und verwittert sind.
Da im Rheingebiet ein Mangel an geeignetem Kiefernholz zu den Bord-
wänden besteht, verwendet man Eichenholz in Stärken von 3 bis 4 cm und
verbindet die Planken klinker miteinander. Die wagerechten Stöße werden
zuweilen noch mit Leisten benagelt (Abb. 112, 113, 125).
Die Bordwände und die oberen Enden der Spanten werden gewöhnlich
durch eine rings um das Schiff laufende Bordleiste, das Schandeck, über-
deckt, an das sich binnenschiffs zuweilen (am Rhein) das »Futter« oder die
»Remme« in einer Höhe von etwa 30 cm anschließt, wodurch eine innere
Verbindung der Spanten und eine Längsversteifung des Schiffes erreicht wird
(Abb. 113, 116, 131 und 161 an der Weser).
Zur Querversteifung werden in Abständen von nicht mehr als 6 m
Duchten oder Schottwände angebracht. Die Stärke der Duchten richtet
sich nach der Schiffsbreite: Ihre Breite und Höhe soll je etwa 740 davon be-
tragen. Die Duchten verspannen je zwei gegenüberliegende Spanten, mit
denen sie» ebenso wie mit dem Riesbord, fest zu verbinden sind. Außerdem
ist unter jeder Ducht, wenn keine Schottwand darunter steht, eine Veranke-
rung durch 20 bis 30 mm starke Rundeisen vorzunehmen, die mittels
Schraubenschlösser zusammengezogen werden.
378 Abschnitt 11. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Unter der besonders starken und festen »Scgelduchtt oder Segelbank,
die durch »Scherstöcke« und Streben gut abgesteift ist, befindet sich der
»Spurklotz« oder die Spurbank, die quer oder längs auf dem SchifTsboden
liegt und sicher mit ihm verbunden wird. Es ist darfn die »Spur« für den
Mast eingearbeitet, der sich oben gegen die Segelducht legt.
Die Schottwände aus gespundeten Brettern schließen die einzelnen Teile
des Laderaums gegeneinander und gegen die Kajüten ab. Bei- größeren
hölzernen Schiffen werden einige Schottwände wasserdicht aus versteiftem
Blech hergestellt. Namentlich für den Zollverschluß müssen die Schotte
zwischen dem Laderaum und den Kajüten aus Eisenblech genietet werden.
Die Bühne wird oft nur aus losen 3 cm starken Brettern hergestellt;
besser ist es, sie aus festen Tafeln zu machen, die einzeln aufgenommen
werden können. Auch die Hängebühne (Ausschlag) macht man besser be-
weglich.
Es empfiehlt sich, alle Holzteile innen und außen nach Fertigstellung
sauber zu hobeln und dann mit einem Anstrich von fettem, gelbem Kien-
teer zu versehen, zumal die Hölzer nicht immer vollständig ausgetrocknet sind.
Dieser Anstrich schützt vorläufig vor den Einflüssen der Witterung, gestattet
aber zugleich ein langsames Austrocknen. Unter Wasser und namentlich für
den Boden ist ein Steinkohlenteeranstrich der beste und dauerhafteste.
Stahl- und Eisenbau. Beim Bau von hölzernen Schiffen hat sich
seit langer Zeit das Bedürfnis herausgestellt, die hölzernen Spanten durch
eiserne oder stählerne zu ersetzen, die aus Winkeln hergestellt werden. Die
V. V. G. verlangen allgemein bei Holzschiffen die Verwendung von Spanten aus
Stahl oder Eisen, wobei sogar etwas stärkere Abmessungen vorgeschrieben
werden als für stählerne Schiffe. Die Entfernung der Spanten darf nicht
größer sein als 50 cm. Der auf dem Schiffsboden liegende
Teil, der mit dem Boden durch 5 Schraubbolzen und mit
den Bodenwrangen durch 4 bis 5 Spitzbolzen oder Kopf-
schrauben verbunden wird, soll i m bis 1,2 m lang sein.
Die Spanten müssen im Knie gebogen werden und zwar
bei Schiffen mit senkrechten Wänden und scharfer Kimm
in einem rechten Winkel. Dazu erwärmt man das Winkel-
eisen vorher in einem Glühofen hellrot und biegt es auf
versteiftes Spant 1:40. einer eisemen Richtplatte. Wenn das nicht vorsichtig und
sachkundig gemacht wird, was auf kleinen Schiff bauanstalten
für Holzschiffe nicht immer vorauszusetzen ist, bekommt das Eisen an dieser
wichtigsten Stelle Risse, die seine Festigkeit beeinträchtigen. Davon kann
man sich ofl durch den Augenschein überzeugen. Es scheint daher richtig,
wenn die V. V. G. das Mittel empfehlen , jedes Spant im Knie mit einer
4 bis 6 mm starken und mit wenigstens 4 Nieten befestigten Blechversteifung
zu versehen (Abb. 243). Die Verbindung der eisemen Spanten mit den Bord-
planken geschieht durch Schraubbolzen.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
379
Die so gebauten Schiffe pflegt man allgemein noch als Holzschiffe zu
bezeichnen ; wenn aber außer dem Boden alle übrigen Bauteile aus Stahl oder
Eisen hergestellt werden, spricht man von eisernen oder stählernen Schiffen,
deren Herstellung eine andere ist, weil die Mehrzahl der Bestandteile durch
Nietung miteinander verbunden wird.
Die Vorbereitung auf dem Schnürboden ist die gleiche; man pflegt aber
im Maßstabe i : 50 oder i : 25 ein halbes Holzmodell anzufertigen, einerseits
um die Risse und den Verlauf der gekrümmten Schiffslinien nochmals zu prüfen
und andererseits, um darauf die Plattenteilung der Außenhaut zu entwerfen.
Wenn das Schiff einen hölzernen Boden bekommt, so wird dieser wie bei
Holzschiffen angeordnet. Ebenso besteht kein Unterschied, wenn die Boden-
wrangen aus Holz hergestellt werden und auch die stählernen Spanten werden
in der vorbeschriebenen Weise mit dem Boden verbunden. In der Regel
werden jedoch stählerne Bodenwrangen verwendet, die meistens aus C förmigen,
seltener aus 1 förmigen, gewalzten Trägern bestehen, zuweilen auch aus senk-
rechten Blechen gebildet werden, die oben (Gegenspant) und unten (Spant)
durch je einen Winkel gesäumt sind. Diese stählernen Wrangen müssen durch
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Abb. 244. Trapezförmige Bruhne.
Abb. 245. Befestigung durch Kimmwinkel.
13 bis 15 mm starke Schraubbolzen mit jeder einzelnen Planke des Bodens ver*
bunden werden (Abb. 235). Die Spanten werden mit ihrem senkrechten (brei-
teren) Schenkel an den Bodenwrangen durch 4 bis 5 Niete und mit ihrem wage-
rechten (kürzeren) Schenkel am Holzboden durch einige Schraubbolzen befestigt.
Wichtig ist die Bildung der Kimm, besonders die Verbindung der Blechhaut
mit der Bruhne, zumal hier leicht Undichtigkeiten auftreten. Es werden ver-
schiedene Bauweisen ausgeführt: Am besten ist die Befestigung der Blech-
haut durch zwei, bis drei Reihen im Zickzack versetzter Holzschrauben ander
mit trapezförmigem Querschnitt angeordneten Bruhne (Abb. 244), oder durch
doppelte Zickzacknietung an einem Kimmwinkel, der entweder unmittelbar
oder . mittels einer zwischengelegten 5 bis 7 mm starken Blechplatte (Boden-
stringer) durch Schraubbolzen mit der Bruhne verbunden ist (Abb. 245). Im
ersten Falle wird zwischen Bruhne und Außenhaut, im anderen zwischen ihr
und dem Kimmwinkel oder dem Bodenstringer ein Streifen Leinwand oder
ähnlicher Stoff gelegt, der mit Farbe oder Teer getränkt ist. Die Verbindung
mittels Kimmwinkels, besonders mit dem Bodenstringer, ist die festere, aber
auch die kostspieligere und schwerere, zumal der Winkel ziemlich groD gewählt
380
Abschnitt IL Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
werden muß, um die Nietreihen und die Schraubbolzen bequem anbringen
zu können. Man gibt ihm in der Regel die Abmessungen des Stringerwinkels.
Zuweilen ordnet man noch einen zweiten 5 bis 6 mm starken, 200 bis 300 mm
breiten durchlaufenden Blechstreifen unter der Bruhne an (in Abb. 245 punk-
tiert), wodurch die ganze Verbindung noch mehr Festigkeit bekommt. Werden
die Bodenwrangen aus C- oder "Lförmigen Trägem gebildet, so bleibt die
Anordnung der Kimm mittels Kimmwinkels dieselbe. Bei Anwendung der
trapezförmigen Bruhne werden diese stählernen Träger an den Enden aufwärts
Abb. 246. Trapezbruhne mit eisernen
Wrangen i : 30.
Abb. 247. Verbindung ohne
Biegung der Spanten i : 30.
gebogen, wie in Abb. 246 dargestellt. Dabei ist zu beachten, daß es in der
Regel genügt, die auf dem Boden ruhende Länge des Spants 500 bis 600 mm
lang zu machen. Man findet hier oft eine gewisse Verschwendung von Bau-
stoff, durch die das Gewicht des Schiffes überflüssigerweise vermehrt wird.
Um den vollen Spantquerschnitt an die stählerne Bodenwrange anzuschließen,
genügen 4 bis 5, ausnahmsweise 6 Niete, die in verhältnismäßig kleinen Ab-
ständen anzuordnen sind, und es ist zweck-
los, das Spant länger zu machen. Empfeh-
lenswert ist bei scharfer Kimm sowohl bei
hölzernem wie stählernem Boden auch die
in Abb. 247 gezeichnete Verbindung: Zwi-
schen den gerade abgeschnittenen Spanten
und Wrangen werden 5 bis 6 mm starke
Eckbleche eingelegt. Das g^bt den Vor-
teil, daß weder die Spanten noch die
Wrangen zu biegen sind. Namentlich für
Schiffe von geringer Breite und niedrigen
Wrangen ist dies eine zweckmäßige Anordnung. Bei zusammengesetzten Boden-
wrangen werden meistens die Seitenspanten mit dem Bodenspant aus einem
Stück hergestellt, das in der Kimm nach einem Halbmesser von 150 bis
200 mm gebogen wird (Abb. 248). Wenn man sie aus zwei Stücken macht,
legt man den Stoß, der durch einen Winkel von gleichem Querschnitt zu
decken ist, in die Mitte. Bei sehr breiten Schiffen werden zuweilen im Boden-
spant zwei Stöße angeordnet und man pflegt dann dem mittleren Teil des Spants
nur den kleineren Querschnitt des Gegenspants zu geben. Die Bruhne ist in
Abb. 248. Zusammengesetzte Wränge mit
Kimmwinkel.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiflfe.
381
allen Fällen mit den benachbarten Bodenplanken durch lange wagerechte
Hackbolzen zu verbinden, die ebenso wie alle anderen Bolzen und Schrauben
in Eichenholz verzinkt sein müssen. Die Stöße der Bruhne sind mit ganz
besonderer Sorgfalt anzuordnen. Damit das Leckwasser am Boden ungehindert
zu den Pumpen laufen kann, muß am Ende jeder Wränge ein Wasserlauf-
loch vorgesehen werden. Bei den bisher mitgeteilten Verbindungen läßt sich
das, besonders bei scharfer Kimm, leicht machen, weil der Kimmwinkel dazu
die beste Gelegenheit gibt. Bei stählernem Boden und runder Kimm müssen
aber in den Boden wrangen dazu besondere Löcher hergestellt werden, was
bei zusammengesetzten Wrangen durch Kröpfen des Spantwinkels und bei
Stahlboden mit vollständigem Kielschwein,
Abb. 249 und 250. 1:2$.
'u->>f':'M^,Mm:/»m^.^:3^
o o 010
o o 0000 00 o 0/0
--' O *.(. .
Querschnitt.
C^wlW%,*'Jl^lt
2h»V9^
Pi-
o o o o|\o o o o
3
000
i
^jßO/tU
Längsschnitt.
djpAnt
C- oder "L förmigen Wrangen durch Aushauen oder besser durch Einpressen
einer halbkreisförmigen Öffnung geschieht (Abb. 249). In neuerer Zeit werden
von einigen Schiff bauanstalten mit gutem Erfolge hydraulische Pressen benutzt,
um allgemein den Spanten in kaltem Zustande die gewünschte Form zu geben.
Bei Spantentfernungen von 500 mm und darunter ist es nach den deutschen
Vorschriften zulässig, nur an jedem zweiten Spant eine vollständige Boden-
wrange anzuordnen. (Bei dem beschriebenen Donauschiff (45) ist bei 600 mm
Spantentfernung meistens nur jedes dritte Spant mit einer vollständigen Boden-
wrange versehen und das scheint sich bewährt zu haben.) In diesem Falle
wird an den dazwischen liegenden Spanten in der Höhe der Wegerung zur
Unterstützung ein »Flurwinkel« von der Stärke der Gegenspanten angebracht.
382 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Er wird in Abständen von 0,8 m bis i m durch kurze, senkrechte Winkel von
gleichem Querschnitt unterstützt, die unten mit dem durchlaufenden Spant-
winkel vernietet werden (Abb. 250).
Für alle Schiffe mit stählernem Boden sind zur Längsversteifung voll-
ständige oder unvollständige Kielschweine erforderlich'). Ein vollstän-
diges Kielschwein besteht aus einer senkrechten Stahlplatte, die unten durch
einen Winkel von der Stärke der Gegenspanten und oben durch zwei Kiel*
Schweinwinkel von der Stärke der Spantenwinkel gegürtet ist. Diese Platte
wird stückweise zwischen und rechtwinklig zu den Bodenwrangen (interkostal)
eingesetzt und durch den unteren Winkel mit dem Bodenblech vernietet Da
das Stehblech höher ist als die Bodenwrange, laufen die beiden oberen Kiel-
schweinwinkel über die Bodenwrangen hinweg und werden an den Kreuzung-
stellen mit den Gegenspanten vernietet Außerdem wird das Stehblech an
jeder Wränge und an jedem Ende durch kurze senkrechte Winkelstücke
und Niete befestigt (Abb. 249 u. 250). ZuweQen werden die Kielschweine
auch so angeordnet, daß ihr Stehblech auf der ganzen Länge zwischen je
zwei Schottwänden in einem Stück durchgeführt wird, während die Boden-
Abb. 251. Unvollständiges Kielschwein.
wrangen geteilt und durch senkrechte Winkel an das Stehblech angeschlossen
werden. Wenn die Bodenwrangen nur bei jedem zweiten Spant angebracht
sind, muß das Stehblech des Kielschweins zur Durchfühnmg der Flurwinkel,
mit denen die Kielschweinwinkel vernietet werden, entsprechende Öffnungen
erhalten (Abb. 250). Unvollständig nennt man ein Kielschwein, wenn Steh-
blech und unterer Gurtwinkel fortfallt, und nur die oberen beiden Kielschwein-
winkel, zusammengerückt und miteinander vernietet, über alle Bodenwrangen
hinweggefuhrt werden. Diese Winkel werden ofl durch ein ±-Eisen von
gleichem Querschnitt ersetzt Die Versteifung durch unvollständige Kiel-
schweine ist lange nicht so kräftig als durch vollständige und darf daher in
der Regel nur angeordnet werden, wenn bei jedem Spant eine Bodenwrange
liegt. Um die unvollständigen Kielschweine mit jeder Bodenwrange durch
4 Niete zu verbinden, müssen an diesen kurze Gegenwinkel an der anderen
Seite des Stehblechs angebracht werden (Abb. 251). Die erforderliche Zahl
der vollständigen und unvollständigen Kielschweine richtet sich im allgemeinen
nach der Schiflfsbreite. Der Germanische Lloyd schreibt folgendes vor:
i) In seltenen Fällen werden auch hölzerne Böden an der Elbe mit unvollständigen stählernen
Kielschweinen verstärkt.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
383
I. Bodenwrangen
n. Bodenwrangen
SchifTsbreite :
an jedem Spant
an jedem zweiten Spant
Voll-
Un-
Voll- Un-
•
ständige
vollständige
ständige 1 vollständige
bis 5,5 m
—
I
1
— I
5,5 m bis unter 7,0 m
2
I
—
7,0 m > » 8,5 m
—
3
2
—
8,5 m » » 10,5 m
I
2
3
10,5 m > » 12,5 m
2
2
4.
12,5 m und darüber
3
2
5
—
Im Falle I dürfen aber die vollständigen Kielschweine auch durch unvoll-
ständige ersetzt werden. Die V. V. G. lassen eine etwas geringere Anzahl
zu. Sämtliche Kielschweine müssen sich über die ganze Schiffslänge er-
strecken, soweit dies die Form des Bodens zuläßt. Außer den Kielschweinen
empfiehlt es sich, noch beiderseits nahe der Kimm je einen Winkel (ä) über
die Bodenwrangen zur Begrenzung der Wegerung zu legen (Abb. 249).
Die Steven werden entsprechend der Bug- und Heckform angeordnet
Bei scharfen Formen werden beide Steven in der Regel aus Flachschienen
hergestellt, die je nach der Größe der Schiffe 70 bis 150 mm breit und 15
bis 40 mm stark sind. Bei abgerundeten Formen werden sie zuweilen aus
einem Winkel oder auch aus einer gebogenen Blechplatte gebildet, die durch
doppelte Winkel mit einer innen liegenden, rechtwinklig dazu gestellten
Trägerplatte verbunden wird. Für den Hintersteven wird oft auch ein Flför-
^tg^t Querschnitt gewählt. Der unter den Boden reichende Teil des aus
einer Flachschiene hergestellten Stevens soll wenigtens i m lang sein und
muß, um einen rechten Winkel gedreht, flach auslaufend geschmiedet werden.
Zur besseren Versteifung des Bugs (auch gegen Eis) werden Spanten und
Wrangen zwischen dem Vorsteven und dem Sicherheitschott meistens in
halben Spantentfemungen angeordnet. Den Wrangen gibt man dabei auch
eine größere Höhe bis zu 600 mm. Die Vernietung der Blechhaut mit den
Steven muß in der Regel mindestens eine doppelte Zickzacknietung sein,
wobei meistens Niete von 3 mm größerer Stärke verwendet werden, als sonst
vorgeschrieben ist.
Die Außenhaut und deren gute Vernietung ist für die Festigkeit und
Dichtigkeit von großer Bedeutung. Ihre Stärke hängt wesentlich von der
Schiffslänge ab. Die Bodenplatten von Schiffen, die oft den Grund berühren,
sollten um i bis 2 mm verstärkt werden. Die Bordwände bestehen aus dem
Kimmgang, den Seitengängen und dem (obersten) Schergang. Schiffe von
geringer Höhe (etwa 2 m) bekommen oft nur 2 Gänge. Die Blechstärke ist
bei größeren Schiffen im allgemeinen zu 6 bis 8 mm für den Boden- und
Kimmgang, zu 5 bis 7 mm für die Seitengänge und zu 6 bis 9 mm für den
Schergang zu wählen. Aber diese Stärken sind nur für das MittelschiflT nötig,
384
Abschnitt TL. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
WO die größten Biegemomente auftreten. Der Germanische Lloyd verlangt
daher diese Stärken nur auf 0,6 der Länge, während sie an den SchifTsenden
beim Boden- und Kimmgang sowie bei den Seitengängen um ein halbes,
beim Schergang um ein ganzes mm schwächer sein dürfen. Die V. V. G.
lassen diese Verminderung nur auf 0,2 der Länge am Hinterschiff zu. Im
allgemeinen kann die Stärke der Außenhaut um so geringer sein, je stärker
die Längsversteifung des Schiffes ist. In der Regel werden die einzelnen
Gänge, wo sie in ihrer Längsrichtung zusammentreffen, »überlappt« (man sagt
hier nicht »klinker«) und in einfacher Reihe genietet. Wenn die Dicke aus-
nahmsweise aber 10 mm überschreitet, wird doppelte Nietung nötig. Die
Stöße in der Querrichtung werden am besten durch »Laschen« bewirkt.
Alle Nälite und Stöße müssen dicht zusammengepaßt und verstemmt werden.
Für die verschiedenen Blechstärken sind die nachstehend aufgeführten Nie t durch messer
in mm zu wählen:
Blech = 3 — 3,5— 4 - 4,5— 5 — 6 — 7 — 8 — 9 —10— II — 12mm
Niet =8 — 10 — 10 — 12 — 12 — 14— 16 — 16 — 16 — 18 — 18 — 20 mm
Für die nötige Breite der Überlappungen und der Stoßbleche mag folgende kleine Tabelle
einen Anhalt bieten:
bei einem Nietdurchmesser von mm
8
10
12
14 16 18
20
Breite der Überlappung bei einfacher Nietung . .
» » » » Zickzack-Nietung . , .
» » » » Ketten-Nietung ....
> des Stoßblechs bei doppelter Zickzack-Nietung
> » * » » Ketten-Nietung
Dicke
Breite
»
Dicke
»
>
» Nietung . . .
dreifacher Zickzack-Nietung
Ketten-Nietung
Nietung . . .
»
9
28
48
56
96
112
3,5
136
168
4,0
35
60
70
120
140
4,5
170
210
5,0
42
72
84
144
168
6,0
204
252
7,0
50
84
98
168
196
7,0
238
294
8,0
56
96
112
192
224
9,0
272
336
10,0
62
70
108
120
126
140
216
240
252
280
11,0
13,0
306
340
378
420
12,0
14,0
Die Länge der Platten soll, mit Ausnahme der Enden, mindestens sechs
Spantentfernungen betragen. Die Stöße nebeneinander liegender Gänge der
Außenhaut, sowie die der Schergänge und Deckstringer dürfen nicht näher zu-
sammenliegen als zwei Spantentfemungen. Die Stöße zweier durch einen
zwischenliegenden Gang getrennter Plattengänge dürfen einander nicht näher
liegen als eine Spantentfernung. Zwischen zwei in demselben Querschnitte
liegenden Stößen müssen stets zwei Plattengänge durchlaufen. Wo einzelne
Platten an den Spanten und Bodenwrangen nicht dicht anliegen, müssen »Füll-
streifen« dazwischen gelegt werden. Die dadurch hervorgerufene Verschwen-
dung von Baustoff und Vermehrung des Eigengewichts wird neuerdings da-
durch beseitigt, daß die Überlappungstreifen der Platten durch besondere
Maschinen geflanscht werden (»joggein« genannt, engl.), wie in Abbildung 247
dargestellt. Zuweilen werden auch die Spanten gekröpft, um die Füllstreifen
zu vermeiden (vgl. Abb. 261). Für die Stöße der Außenhaut genügt in der
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
385
Regel doppelte Nietung. Bei Schiffen^ die im Verhältnis zu ihrer Höhe aber
eine bedeutende Länge (etwa 30 fache) haben, müssen die StöOe des Scher-
gangs und Kimmgangs im Mittelschiff dreifach genietet werden.
Die Niet t eilung, also die Entfernung der Niete, soll bei einfach genieteten Nähten 3.5 d
betragen, wenn d der Nietdurchmesser bt, der Abstand der Nietmitten vom Rande der Platten
oder Winkel möglichst 1,75 d (Abb. 252}. Die Zeichnungen entsprechen den V. V, G, und der
oben mitgeilten Tabelle, während der G. L. etwas kürzere Nietteilung mit etwas schmäleren
Stoßplatten empfiehlt.
Bei Verbindungen von Blechen mit Formstahlen schreibt der G. L. vor, daß die Nietteilung
höchstens betragen soU:
Außenhaut mit Spanten, Bodenwrangen mit Spanten und Gegenspanten, Schott-
platten mit ihren Versteifungen und Deckbeplattung mit Deckstringem und Deckbalken
(wenn an jedem Spant] 8 d
Deckstringer und Lukenstringer mit Deckbalken (wenn an jedem zweiten Spant) . 5,5 d
Außenhaut mit den Steven, Kielschweinbleche mit ihren Winkeln und bei den ein-
gesetzten Stringerwinkeln 5 d
Außenhaut mit Stringerwinkel ... . 4,5 d
Schottbleche mit Schottspanten und Außenhaut 4 d
Bei Kastenschiffen, namentlich fiir Petroleum muß die Nietung im Bereich der Ölräume
und Wasserschutzräume noch sorgfältiger und dichter sein. Die Nietteilung soll bei einfacher
Nietung nicht über 3 d, bei doppelter nicht über 3,5 d gehen. Alle Nähte und Stöße der Außen-
haut sind doppelt zu nieten, falls nicht schon an sich eine dreifache Nietung erforderlich ist.
Der G. L. gibt noch eine Reihe weiterer Vorschriften darüber.
Alle Nietköpfe in der Außenhaut müssen versenkt werden, wobei die Höhe des im Blech
versenkten Kopfes gleich 0,5 d sein soll (Abb. 253).
Der Stringer (Deckstrin-
ger) bildet mit dem Stringer-
winkel den oberen Abschluß
der Bordwand und gewisser-
maßen die obere Gurtung der als
Blechträger wirkenden Außen-
haut. Bei Schiffen ohne festes
4 — f^a.
Abb. 252. Nietteilung bei Stößen.
Abb. 253. Versenkter Niet in der
Außenhaut.
Deck sind diese beiden Teile die einzige obere Längsversteifung, also von beson-
derer Wichtigkeit. Die Stringerplatten bilden bei allen guten Schiffen gleich-
zeitig den vom Vordeck zum Hinterdeck reichenden Bordgang. Da bei den
älteren Holzschiffen auf den östlichen Wasserstraßen in der Regel kein durch-
laufender Bordgang vorhanden war und die obere Längsversteifung nur durch
die starken Bordwände bewirkt wurde, hat man beim Übergang zum Eisenbau
zunächst nur den Stringerwinkel allein eingeführt, der in Verbindung mit einer
kräftigen hölzernen Scheuerleiste und zuweilen mit einem zweiten unter dieser
Teubert, BinneDschiflTahrt. 25
386
Abschnitt IL Lastschifife ohne eigene Triebkraft.
angeordneten Winkeleisen die Längsversteifung übernehmen soll. Die V. V. G.
verlangen darum bei Schiffen der Grupppen i und 2, also einschließlich der
Schiffe nach Finowmaß, keinen Stringcr. Besser ist die Anordnung eines
Stringers bei jedem Schiffe, wie es der G. L. vorschreibt. Will man bei
kleineren Schiffen von einem besonderen Bordgang absehen, so empfiehlt sich
ein Stringer in H -Form, wie er z. B. bei dem mitgeteilten stählernen Oderschiff
nach Finowmaß (8) angebracht ist (Abb. 254). Da die Längsversteifung im
Mittelschiff am nötigsten ist, kann sowohl die Breite wie die Stärke der Stringer-
platten nach den Schiffsenden abnehmen. Weil glatte Bleche beim Begehen
gerährlich sind, verwendet man in der Regel zu den Bordgangplatten ebenso
wie bei den festen Decks geriffelte Bleche. Diese werden aber bei Schnee- und
Frostwetter gefahrlich, weil die innerhalb der Riffeln zurückbleibende dünne
Wasserschicht leicht zu Eis gefriert. Besser sind die in neuester Zeit in den
Handel gebrachten, sogenannten > Warzenbleche«, weil das Wasser zwischen
den 7 bis 8 mm im Durchmesser großen und i bis 2 mm hohen Warzen
Abb. 254. Stringer aus
H -Eisen i : 30.
Abb. 255. Warzenblech
I : 2.
Abb. 2$6. Stringerwinkel mit
hökemer Scheuerleiste.
schnell abfließen kann (Abb. 255). Bei der Bemessung der Blechstärken
pflegt weder die Höhe der Warzen noch die der Riffeln mitgerechnet zu
werden. Die Stöße der Stringerplatten (durch untergelegte Laschen) müssen
in der ganzen Länge der Laderäume dreifach genietet werden. Die Stöße
der Stringerwinkel und der ähnlich wirkenden Scheuerleistenwinkel sind gleich-
falls mit größter Sorgfalt, am besten durch Winkel von gleichem Querschnitt
und genügender Länge herzustellen, eine Vorschrift, die nicht immer aus-
reichend beachtet wird. In der Regel wird die Stringerplatte binnenschiffs
noch durch einen zweiten Winkel, den > inneren Stringerwinkel« gesäumt, der
etwas schwächer wie der äußere sein kann, sonst aber ebenso zu behandeln
ist. Bei verdeckten Laderäumen dient er zugleich zur Befestigung des Tenne-
baums oder des Luksülls.
Die Verbindung der Stringerplatten mit Stringerwinkel, Außenhaut und
Spanten wird verschieden ausgeführt. Zu beachten ist, daß Kröpfungen imd
Füllstreifen möglichst vermieden werden. Wenn das Schiff starke hölzerne
2. Bau und Aosrfistung der Lastschiffe.
387
Abb. 257.
Abb. 258.
Abb. 259.
Scheuerleisten bekommt, legt man den äußeren Stringerwinkel außenbords
(Abb. 256) und darüber die Stringerplatte, die durch einen kurzen Deckbaiken
von der Stärke der Spanten und durch ein zwischengelegtes Eckblech von
der Stärke der Bodenwrangen mit dem Spant verbunden wird. Wenn der
Schiffskörper außen glatt oder nur mit Halbrundstahlen versehen wird, muß
der Stringerwinkel innen angebracht werden: entweder unter oder über die
Stringerplatte. Im ersteren Falle kann man den senkrechten Winkelschenkel
außenbords über die Blechhaut legen (Abb. 257) oder besser ganz hinein,
wobei man die Spanten an der Unterkante des senkrechten Winkelschenkels
aufhören läßt, um keine Verkröpfungen zu bekommen (Abb. 258). Am Rhein
ist es üblich, den Stringerwinkel über die Stringerplatte zu legen. Dies hat
den Vorteil, daß der Bordgang nach außen fest begrenzt wird und ein Ab-
gleiten und Herunterfallen der auf ihm verkehrenden Mannschaft verhütet
wird, besonders wenn an dem
Stringerwinkel noch Pfosten
für ein leichtes Handgeländer
aus DrahtseUen befestigt wer-
den (Abb. 259). Es muß in
diesem Falle aber für die
Entwässerung des Bordgangs
durch »Speigaten« gesorgt
werden.
Die Scheuerleisten (Berghölzer, Reibhölzer) werden an den östlichen
Wasserstraßen meistens aus Eichenholz, Pichpine oder Kiefernholz in Quer-
schnitten von 25 bis 32 cm Höhe und 8 bis 10 cm Breite hergestellt und,
wie aus Abb. 256 ersichtlich, in der Regel mit dem außenbords angeordneten
Stringerwinkel und einem zweiten unterhalb angebrachten Winkel von ge-
ringerer Stärke durch dünne Schraubbolzen oder Nietbolzen verbunden. Das
Verbot des G. L., Befestigungsbolzen für Scheuerleisten unter dem Deck durch
die Außenhaut zu ziehen, ist sehr zu billigen. An der Elbe verwendete man
früher sehr starke Hölzer und legte öfters vor die 8 cm starke Eichenbohle
noch ein kiefernes Holz von 10 bis 12 cm im Quadrat.
In dem Bestreben, die Abmessungen der Schiffe zu vergrößern, ist man
auf den Wasserstraßen mit Schleusen durch die polizeilichen Vorschriften
über die größte zulässige Gesamtbreite beschränkt und man hat deshalb die
Dicke der Scheuerleisten in neuerer Zeit mehr und mehr verringert, um eine
größere Nutzbreite zu gewinnen. Man hat sie schließlich ganz fortgelassen
und an ihrer Stelle ein oder zwei Halbrundschienen (meist 60-25 ^^ stark)
angebracht. Das ist offenbar keine Verbesserung; denn einerseits geben
diese Schienen nicht den früheren elastischen Schutz, andererseits wird durch
die vielen dabei erforderlichen Nietlöcher der Schergang geschwächt, ohne
wesentlich an Festigkeit zu gewinnen. Außerdem ist auf vielen Wasserstraßen
mit Schleusen zum Schutz dieser Bauwerke die Anbringung hölzerner Scheuer-
2<*
388.
Abschnitt 11. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
leisten für alle Schiffe polizeilich vorgeschrieben. Diese Schwierigkeit sucht
man zuweilen dadurch zu beseitigen oder zu umgehen, daß man zwischen
beiden Rundschienen noch eine etwa 15 cm hohe und 4 cm starke hölzerne
Scheuerleiste befestigt, die sich aber bald abnutzt, so daO später doch die
eisernen Schutzschienen hervortreten. Am Rhein und an anderen Wasser-
straßen, wo solche Vorschriften nicht bestehen, werden in der Regel keine
hölzernen Scheuerleisten angewendet, dafür aber sogenannte Bergplatten
oder »Bergschienen«. Das sind Stahlplatten von 2co bis 400 mm Höhe und
10 bis 20 mm Stärke, die mit dem Stringerwinkel und dem Schergang ver-
nietet werden und eine gute Verstärkung des Stringers bilden (vgl. Abb. 259).
Zuweilen wird auf dieser Bergplatte noch ein Rundstahl befestigt.
Schottwände (Schotte) sollen zur Querversteifung des Schiffes in der
Regel in Abständen von höchstens 10 m angeordnet werden. Außerdem ist im
Vorschiff, etwa in 0,05 -L Entfernung vom Vorsteven, stets ein Sicherheits-
schott (Kollisionschott) anzuordnen. Das vom G. L. für alle
Schiffe, die gewöhnlich geschleppt werden, verlangte Sicher-
heitschott im Hinterschiffe wird nur selten angetroffen. Alle
Schottwände sollen in der Regel wasserdicht genietet werden.
Die Blechdicke ist je nach der Schiffsbreite 3 bis 5 mm. Zur senk-
rechten Versteifung dienen Winkel in Stärke der Spanten und in Spantent-
femung (nach den Vorschriften der V. V. G. in Abständen von 600 bis
750 mm und in geringeren Stärken). Eine wagerechte Versteifung wird vom
G. L. nur bei Höhen über 3,3 m durch einen Winkel (auf der anderen Seite)
vorgeschrieben, der etwa in ^/^ der Höhe über dem Boden angebracht wird,
während die V.V. G. in allen Fällen diesen Winkel in halber Höhe und in
der Stärke der Spanten für nötig halten. Zur Verbindung der Schotte mit
der Außenhaut genügt ein Spantwinkel, der aber mindestens um i mm
dicker sein soll. Der obere Abschluß der Schottwände in den Laderäumen
— wenn die Wände nur bis zur Stringerhöhe reichen — wird durch einen
E förmigen Balken vom Querschnitt der Bodenwrangen gebildet, dessen hohe
Seite meistens wagerecht, seltener senkrecht gelegt wird (Abb. 260). Er
wird in Abständen von etwa 2,5 m durch Winkelstücke und Eckbleche gegen
die Wand abgestützt, um das Kanten zu verhindern. Diese Balken, auch
Duchtbalken oder Duchten genannt, müssen auch angeordnet werden, wenn
die Schottwände über Stringerhöhe hinaus bis unter das Verdeck reichen.
Abb. 260. Schnitt
durch eine Schott-
wand.
Wenn mit Rücksicht auf die Ladung die Schottwände in größeren Ab-
ständen als 10 m (bis höchstens 12,5 m, V.V. G.) eingebaut werden sollen,
muß der Schiffskörper dazwischen entweder durch feste oder bewegliche
Duchten (»Raumbalken«) oder durch mehrere Rahmenspanten versteift
werden. Duchten aus C-Stahl von der Stärke der Bodenwrangen werden
meistens senkrecht gestellt und oben auf ganzer Länge noch durch einen
Winkel verstärkt. Sic müssen mit dem Stringer und den Spanten durch Eck-
bleche verbunden werden. Diese Verbindung kann bei losnehmbaren Duch-
ten gewöhnlich nur durch Schraubbolzen gemacht werden und die damit zu-
sammenhängenden Arbeiten sind schwierig und umständlich, zumal bei breiten
Schiffen die Duchten noch in der Mitte gegen den Boden abgestützt werden
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. . 389
müssen und auch diese Verbindungen jedes Mal zu lösen sind. Neuerdings
wird deshalb die Versteifung größerer Laderäume durch Rahmenspanten be-
vorzugt, die man in Abständen von 2,5 bis 3,5 m anordnet. Sie bestehen
aus Blechen von der Stärke der Bodenwrangen, werden oben mit dem Stringer,
seitlich mit dem Spant und unten mit der Bodenwrange verbunden und nach
dem Räume zu durch einen oder zwei Winkel von der Stärke der Gegen-
Spanten gesäumt. Die Breite des Blechs betragt je nach Höhe und Abstand
200 bis 400 mm. Würde man die Breite noch größer machen, so würde man
zu den senkrechten Halbschotten kommen, wie sie z. B. bei dem Elbschifif
mit Stahlboden und festem Deck (15) ausgeführt worden sind. Die Anwen-
dung der Rahmenspanten ist auch bei Abständen der Schottwände von weni-
ger als 10 m zu empfehlen, besonders wenn der Abstand größer ist als die
Schiffsbreite. Oft werden die Duchten mit Rahmenspanten verbunden, vgl.
Abb. 63 (Oderschiff) und Abb. 154 (Dortmund-Ems-KanalschiflQ.
In der letzterwähnten Abbildung bemerkt man binnenschiffs an den Bord-
wänden in halber Höhe über dem Boden zwei wagerecht angeordnete Winkel
von 65 • 50 • 6,5 mm Stärke, die über die Spanten hinweglaufen und mit ihnen
sowie mit den Rahmenspanten durch Winkelstücke verbunden sind. Man
nennt sie Raumstringer oder Seitenstringer. Die Vorschriften derV. V. G.
verlangen sie nicht; aber der G. L. schreibt sie für alle Schiffe von mehr als
2 m Seitenhöhe vor. Sie werden in der Binnenschiffahrt selten ausgeführt,
sind auch bei den großen Rheinschiffen nicht üblich. Die Donauschiffe (44)
hatten sie früher. Da diese Winkel in der wagerechten Nullebene des als
Balken gedachten Schiffes liegen, haben sie auf die Längsversteifung keinen
Einfluß und können bei Schiffen mit dem Zeichen I— wohl fortgelassen
werden.
Um die für die wichtigsten, die Festigkeit bedingenden Bauteile von den V.V. G. und
vom G. L. vorgeschriebenen Abmessungen zu vergleichen, sind sie für drei Schiffe mit Stahl-
boden ermittelt und in einer Tafel zusammengestellt worden. Es wurden dazu gewählt:
1. Ein Oderschiff nach Breslauer Maß, Länge über alles 55 m, zwischen den Loten 53,3 m,
Breite über den Scheuerleisten 8 m, auf den Spanten 7,88 m, geringste Seitenhöhe 2 m, Tauch-
tiefe 1,75 m.
2. Ein Eibschiff nach Planer Maß, Länge über alles 65 m, zwischen den Loten 63,5 m.
Breite über den Scheuerleisten 8 m, auf den Spanten 7,88 m, geringste Höhe bis Stringer 2,2 m,
Tauchtiefe 1,95 m.
3. Ein großes Eibschiff, Länge über alles 76 m, zwischen den Loten 74,15 m, Breite über
den Scheuerleisten 10,58 m, auf den Spanten 10,5 m, geringste Höhe bis Stringer 2,2 m, Tauch-
tiefe 2,2 m.
Nach den Vorschriften des G. L. ist die
Quemummer der 3 Schiffe, Q 9,6 9,8 12,7
Längsnummer, QL . . . . 512 652 942
Nach den Vorschriften der V. V. G. gehören die
3 Schiffe zu den Gruppen 45 7
Bei allen 3 Schiffen ist vorausgesetzt, daß die Bodenwrangen an jedem Spant angeordnet
werden. Nach den Vorschriften des G. L. müssen Stringerplatte, Scher- und Kimmgang verstärkt
werden, wenn die Schiffslänge mehr als das 20fache der Höhe beträgt und zwar um je i mm,
wenn QL unter 600, und um 1,5 mm, wenn QL über 600 ist.
390
Abschnitt II. Lastschi£fe ohne eigene Triebkraft.
Bauteile
Alle Maße in Millimeter
Schiff nach
Breslauer Maß
G.L.
V. V. G.
Schiff nach
Flauer Maß
Eibschiff
G.L
V.V.G.
*Spantentfer&ung
^Spanten ...
*Bodenwrangen
*Gegenspanten
Boden (mittschiffs u. an den Enden]
Kunmgang »
Seitengang >
Schergang >
Deckstringer-Breite (mitt. u. Enden)
» -Stärke » > >
Stringerwinkel (äußerer)
*SchottwSnde (Dicke unten u. oben]
» >
> >
» >
540
500
550
65.50.6,5
75 50 -7,5
65.50.6,5
210. 5,5
210. 5,5
210. 5,5
50.50.6
50.50*6
50. 50. 6
7,5 7
6
7,5-7
8,5-7
7
9-7
6,5-6
6-5,5
6,5-6
8,5-6,5
7—6,5
9,5 7-
485—320
250^200
575—390
8—6
7-6
9-6
70.70.8
60.60.7
70.70.8,5
3,5—3,0
3,5
4,0—3,5
500
75.50.8
210. 5,5
50 • 50 . 6
6,5
7
6,5-6
7-6,5
300 — 240
8-7
60 • 60 . 8
3,5
G.L.
V.V.G.
580
500
75.65.7
80. 60. 8,5
260.6,5
250. 7
55-55-7
60.60.7
8-7,5
7.5
9,5-7,5
8
7—6,5
7—6,5
10,5-8
8-7
725—490
350—280
10,5—7,5
10—9
80. 80 '9,5
80.80*10
4,5—4,0
4
Bei Betrachtung dieser Tafel muß daran erinnert werden, daß die Gruppen der V. V. G.
nach dem Produkt aus Länge und Breite eingeteilt sind, während bei den Abmessungen des
G. L. die oben mit * bezeichneten von der Schiffs länge ganz unabhängig sind und nur nach
Breite und eingetauchtem Umfange zunehmen. Die Außenhaut soll im Boden, Kimm- und Scher-
gang nach dem G. L. erheblich stärker sein als bei den V. V. G. Infolge dieser größeren Stärke
können die Spantentfemungen größer und die Spanten selbst wieder schwächer gewählt werden ;
denn es ist einleuchtend, daß die letzteren um so schwächer sein därfen, je stärker die Außen-
haut ist. Die Erspamb an Stahl bei den Spanten und Wrangen wird beim G. L. durch die er-
heblich größeren Abmessungen und Stärken des Stringers und zum Teil des Stringerwinkels aus-
geglichen. Das sind die zur Versteifung der nicht mit festem Eisendeck versehenen Schiffe
wichtigsten Teile. Die stärkeren und schwereren Abmessungen des G. L. werden gemildert und
einer Eisenverschwendung dadurch vorgebeugt, daß alle Bleche nur auf 0,6 *L mittschiffs in
diesen Stärken ausgeführt werden, nach beiden Schiffsenden zu aber wesentlich abnehmen. Auf
diese Weise wird angenähert eine gleiche Festigkeit des Schiffskörpers erreicht Man beachte
z. B., daß bei dem großen Eibschiff der Deckstringer von 725 mm Breite und 10,5 mm Stärke
nach den Enden zu bis auf 490 mm und 7,5 mm abnimmt Nach den Vorschriften der V. V. G.
ist die Verminderung der Stärken nach den Enden zu geringer, bei den Boden- und Kimm-
blechen gar nicht und beim Seiten- und Schergang nur beim Hinterschiff zulässig. Das Gesamt-
gewicht der Schiffe dürfte nach den Vorschriften des G. L. im allgemeinen größer ausfallen.
Für das Gebiet der Weser und Ems bestehen keine besonderen Vor-
schriften: Die Mehrzahl der neueren stählernen Schiffe wird aber im allgemeinen
nach den Regeln des G.L. gebaut. Im Rheingebiet hat sich dagegen eine
eigene Bauweise, zuerst in Holland und dann in Deutschland, ausgebildet.
Zum Vergleich der dort üblichen Abmessungen der Hauptbauteile mit den Vorschriften des
G. L. ist die folgende Tafel aufgestellt. Es wurden drei in neuester Zeit gebaute Rheinschiffe
von annähernd gleicher Tragfähigkeit (1700 bis 1800 t) ausgewählt, wie sie jetzt mit Vorliebe
beschafft zu werden pflegen. Das erste ist auf einer holländischen, die beiden anderen auf
deutschen Werften hergestellt. Sie haben nachstehende Hauptmaße:
Länge zwischen den Loten . . .
Größte Breite auf den Spanten . .
Kleinste Seitenhöhe bis Stringer
Quemummer nach G. L. . Q =
Längsnummer nach G. L. . QL «=
Im Mittel 1136
I
II
in
82,5
85,0
83,0 m
11,0
11,0
11,0 >
a,5
2,6
2,7 .
13,5
13.6
13,7 »
II 14
1156
"37
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
391
Alle Schiffe haben gleiche Formen, runde Kimm und Bodenwrangen an jedem Spant. Alle
Maße in Millimeter.
Bauteile
In Holland
In Deutschland gebaute
Nach den
gebautes
Schiff
I
Schiffe
II m
Vorschriften
des G.L.
1
500 1
450
1
500
590
80 . 50 . 8
75-55-7
85.55.8
85.65.7,5
320-7
350. 6
350 • 6,5
270 . 6,5
2 • 50 • 50 • 6
2. 50. 50. 5,5
2. 50. 50.6,5
60 . 60 • 7
7,5
7,5
8
8,5-8
9—7,5
10 — 7
10-8 j
10—8
7,5
7
8
7,5—7
14—8 1
12—7
13-8 ;
II— 8
800
800
850
850—570
10—8
10—7
12-10,5
10,5—7,5
ioo«75 • 12
90.75 . 12
90. 75. 12,5
90 «90. 10
75 . 50 . 7
60 • 60 • 8
65 •65* 10
600
620
650
10—8
8-7
8
7-6
300. 9
250- 10
250 -8
2 . 75 . 50 . 7
75 • 55 • 7
85.55.8
6
100 •50- 8
3
100 . 50 • 8,5
3
100 . 50- 7
4, davon
2 vollständige
50 • 50 • 6
50-50-5
50. 50 -6,5
■
1 7-5 :
6
6
4,5—4
Spantentfemung
Spanten
Bodenwrangen
Gegenspanten . .
Boden (mittschiffs und an den Enden)
Kimmgang » » » » >
Seitengang » » » . »
Schergang » » » » »
Deckstringer-Breite
» -Stärke
Stringerwinkel, äußerer
» innerer
Tennebaum-Höhe
> -Stärke (mitt. u. an den Enden)
> obere Verstärkungsplatte.
> oberer Winkel
Unvollständige Kielschweine, Zahl . .
» > Querschnitt X
dazu 2 Winkel an der Wegerung . .
Schotten-Dicke (unten und oben) . .
Beim Vergleich beachte man, daß am Rhein die Bodenwrangen in der Regel oben mit
2 Gegenspanten versehen werden. Die Verwendung von vollständigen Kielschweinen ist neuer-
dings nicht sehr häufig; sie konrnit nur vor, wenn die Bodenwrangen an jedem zweiten Spant
angebracht werden.
Es ergibt sich ohne weiteres, daß die nach den Vorschriften des G. L. gebauten Schiffe
erheblich leichter sein würden: Die von ihm verlangten Abmessungen sind fast durchweg kleiner.
Besonders kräftig gebaut ist das Schiff I, besonders wenn man beachtet, daß nach dem G. L.
für seine Längsnummer 11 14 noch kleinere Abmessungen verlangt werden würden, als nach
dem Mittel von Z136. Man könnte fast sagen, daß hier eine Verschwendung von Baustoff vor-
liegt. Wenn zuweilen gesagt wird, daß die in Holland gebauten Schiffe weniger fest sind als
die deutschen, so kann sich das im vorliegenden Falle nicht auf die Abmessungen der Bauteile
beziehen. Eine andere, nicht minder wichtige Frage ist aber, ob die Zusammensetzung, beson-
ders die Nietung von entsprechender Güte ist. Darauf sollte man überall während des Baues
und bei der Abnahme ein wachsames Auge haben. Die später in Tätigkeit tretende Unter-
suchungskommission oder der Beamte der Einschätzungs-(Klassifikations-j Gesellschaft kann wenig
mehr ändern, muß sich vielmehr mit der vollendeten Tatsache abfinden.
Deck und MastkOcher. Die meisten Lastschiffe haben feste Vor-
und Hinterdecks (auch »Pflicht« und »Stand« genannt), die bei hölzernen
Schiffen in der Regel und bei eisernen oder stählernen Schiffen zuweilen aus
Holz hergestellt werden, fast immer jedoch auf eisernen oder stählernen
Deckbalken ruhen. Für diese genügt bis zu einer Schiffsbreite von 6 m
der Querschnitt der Spantwinkel, wenn an jedem Spant ein Deckbalken durch
ein Eckblech befestigt wird. Bei größeren Schiffsbreiten und weiteren Ab-
392 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Ständen sind stärkere Balken oder besondere Deckstützen (Säulen) erforderlich.
Die Stärke der Deckplanken aus Kiefernholz soll 50 bis 60 mm betragen.
Diese Planken dürfen nur in ganz ausgetrocknetem Zustande verwendet
werden, weil sie andernfalls in der Sonne nachtrocknen, sich zusammenziehen
und die Fugen öffnen. Am besten ist Teakholz, weil es die g^te Eigen-
schaft hat, beim Austrocknen seinen Raum fast gar nicht zu verändern,
Feuchtigkeit sehr wenig aufzunehmen und die eisernen Deckbalken nicht an-
zugreifen. Für solche Planken genügt eine Dicke von 40 bis 45 mm. Die
Breite soll nicht mehr als die doppelte Dicke betragen. Man befestigt sie
auf jedem Balken entweder durch verzinkte Holzschrauben, die von unten
eingesetzt werden oder besser durch verzinkte Schraubbolzen, die von oben
mit eingelassenem Kopf eingebracht werden. Das 20 bis 30 mm tiefe Loch
im Deck muß nachher durch genau passende, in Bleiweiß getauchte Holz-
pfropfen (in gleichlaufender Faserrichtung) ausgefüllt werden. Bei Schiffen
mit eisernem Stringer läßt man das Deck nicht bis zur Bordwand reichen, son-
dern nur bis zu einem dicht auf den Stringer genieteten » Wasserlaufwink eU
(oder Rinnsteinwinkel) in einem Abstand von 200 bis 300 mm von der Bord-
wand. Zum besseren Ablauf des Wassers bekommt das Deck eine »Bucht«
von etwa 0,02 der Schiffsbreite. Das sich im Wasserlauf sammelnde Wasser
muß durch Knierohre oder Speigaten nach Außenbord geführt werden. Wird
dabei ein Stringerwinkel durchbrochen, so muß er durch eine Lasche oder
ein anderes Winkelstück verstärkt werden.
An den östlichen Wasserstraßen werden Vor- und Hinterdeck sowie der
kurze anschließende Bordgang (Lauf bank) besonders bei hölzernen Schiffen
meistens 300 bis 400 mm tiefer als das Schandeck (Oberkante Riesbord) ge-
legt, so daß der überstehende Teil der Bordwände der Schiffsmannschaft
als Schutz dient. Wenn die Schiffe aber einen Stringer haben, werden die
Decks mit diesem in gleicher Höhe (zuweilen etwas ansteigend) angeordnet
und mit einem stählernen Schanzkleid von 400 bis 500 mm Höhe umgeben.
Dies wird an den östlichen Wasserstraßen häufig innen mit Holz ausgefuttert.
In der Regel bleibt dies Holzfutter aber fort und die Oberkante des Schanz-
kleids wird mit einem Reling eisen (oder einer hölzernen Relingleiste mit
schwachem Winkel) gesäumt und durch runde Relingstützen gegen den
Wasserlaufwinkel (in Abständen von 2 bis 3 Spanten) abgesteift.
Vorzuziehen und neuerdings fast allgemein üblich sind stählerne Decks,
namentlich bei Schiffen mit vollständigem festem Deck (z. B. das Eibschiff 15,
das Donauschiff 45 und das Rhoneschiff 50). Die Dicke eines stählernen
Decks soll nach dem G. L. für die Längsnummern 100 bis 1000 von 4 mm
bis zu 6 mm zunehmen. Dabei kann aber die obenerwähnte Verstärkung
der Stringerplatten an Schiffen von besonders großer Länge und geringer
Höhe fortfallen. Die Deckbalken werden am besten bei jedem Spant ange-
ordnet und müssen an den Luken besonders stark sein, wogegen die Stärke
der halben (von den Luken durchschnittenen) Balken, die von den Bord-
2. Bau und Ausrüstung der LastsctLiffe. 393
wänden bis zur »Schlinge« reichen, entsprechend geringer sein kann. Unter
den Deckbalken sind bei Schiffen bis zu 9 m Breite ein, darüber zwei kräftige
Unterzüge anzubringen, die aus C- oder T förmigen Trägern bestehen und
durch Deckstützen an jedem fünften bis dritten Spant gegen den Boden
abgesteift werden. Wenn die Schiffe mit Decklast fahren sollen, sind die
Balken, Unterzüge und Stützen angemessen zu verstärken. Zu den Deck-
platten wird meistens Riffelblech und neuerdings das oben beschriebene
Warzenblech verwendet. Da namentlich das erstere bei nassem Wetter glatt
wird und alle stählernen Decks die schlechte Eigenschaft haben, daß sich auf
der Unterseite Schwitzwasser ansammelt, das der Ladung nachteilig sein kann,
so verwendet man bei guten Personen- und Güterdampfern meistens ein
Stahldeck mit Holzbeplankung. Man wählt dazu glattes Blech, auf dem eine
Beplankung von Teakholz befestigt wird, die aber in diesem Falle um 10
bis 1 5 mm schwächer als sonst sein darf. Die Stahlbleche werden dabei am
besten überall durch untergelegte Streifen (Laschen) gestoßen.
Durch die Luken wird die Festigkeit des festen Decks und des ganzen
Schiffskörpers stark vermindert: Der Verlust muß durch entsprechend starke
Luksülle möglichst ersetzt werden. Nach dem G. L. soll die Höhe
der Sülle über Deck mindestens 200 mm betragen, wobei die Stärke gleich
der der Bordwände zu wählen ist. Die Süllwinkel zur Verbindung mit dem
Deck sollen von gleicher Stärke sein. Die Längswände des Sülls läßt man
am besten unter Deck reichen, wo sie umgebogen gleichzeitig als Schlinge
zur Befestigung der unterbrochenen halben Deckbalken dienen. Die Ober-
kante der Sülle wird mit Winkeln oder besonders gewalzten Profilleisten
gesäumt. Der Verschluß der Luken erfolgt durch hölzerne oder stählerne
Lukendeckel, die in der Mitte auf einem (oder auf 3) Lukenbalken
ruhen, der längsschiffs in Schuhen an den Süllplatten gelagert ist. Bei sehr
weiten Luken werden diese Lukenbalken (auch »Längsbalken« genannt] noch
durch einen eisernen »Schiebebalken« unterstützt, der querschiffs in Führungen
an den Süllplatten liegt und von oben mit Hebegeschirr eingesetzt und aus-
gehoben werden kann. Diese Einrichtung kommt aber bei den eigentlichen
Binnenschiffen nur selten zur Ausführung. Bei dem Eibschiff (15) sind die
Luken 10,5 • 6,5 m groß und mit nur einem starken hölzernen Lukenbalken
versehen, der mittels stählerner Rinnsparren die hölzernen Lukendeckel trägt.
Die etwa 7 • 7,5 m großen Ladeluken des Weserschiffs (41) sind mit einem
gegen Durchbiegung versteiften C förmigen stählernen Lukenbalken ausge-
rüstet. Dort bestehen die Lukendeckel aus gekrümmten Wellblechtafeln, die
ohne Rinnsparren einerseits auf dem Lukenbalken, anderseits auf dem nur
180 mm hohen Süll ihre Auflage finden. Diese Lukenbalken waren ursprüng-
lich (wie überall) losnehmbar ; neuerdings werden sie zuweilen durch Eckbleche
mit den Giebelwänden (Schotten) fest vernietet und bilden eine Längsverstei-
fung des Schiffes, deren weitere Entwicklung und Verbesserung bereits
(Seite 363) besprochen wurde.
394
Abschnitt II. LastschifTe ohne eigene Triebkraft.
In anderer Weise hat sich das Verdeck der Rhein schiffe entwickelt.
Das Vorbild waren die hölzernen Decks der Aak (i6), der Tjalk (36) und
anderer holländischer Schiffe, wie man sie außerdem auch bei der Penische (25)
und bei dem Kurischen Reisekahn (1} findet: Ein ringsum laufender Bordgang
und ein den Laderaum (die große Luke) begrenzender Tennebaum, auf dem mittels
der Rinnsparren die Lukendeckel (Tafeln) ruhen. Dies ist das alte holländische
Tafeldeck, das heute meistens Plattendeck (aus einzelnen »Platten« ge-
bildet) genannt wird. Die Rinnsparren wurden ursprünglich nicht durch einen
mittleren Lukenbalken gestützt, sondern reichten von Tennebaum zu Tenne-
baum über den ganzen Laderaum. Das findet sich heute noch bei den
Penischen und bei den Reisekähnen: sie sind gekrümmt und heißen dann
»Rinnbogen«. Bei breiteren Schiffen (Aak und Tjalk) wurde eine Unterstützung
durch den Lukenbalken nötig und es mußte auch die obere, dadurch ent-
stehende Längsfuge durch einen »Kappdeckel«
aus Blech gedeckt werden. Dafür wurden die
Lukendeckel zu ebenen Platten. Ihre Herstel-
lungsweise ist noch überall ziemlich gleich:
Man verfertigt jede Tafel in einer Breite von
600 bis 900 mm aus je 3 bis 5 Stück gespun-
deten Brettern aus Tannen- oder Fichtenholz
von etwa 30 mm Stärke, die auf 3 bis 5 Leisten
(Klampen) genagelt werden. Die Fugen wer-
den oben durch ein eingelassenes, aufgenagel-
tes Gurtband gedichtet und meistens werden
die ganzen Platten mit wasserdichter Leinwand
überzogen (persennigt). Die Fuge zwischen je
2 zusammenstoßenden Tafeln wird durch den
Rinnsparren geschlossen, der meistens aus Holz
von rechteckigem Querschnitt gebildet wird, auf dessen Oberfläche eine Rinne
ausgehobelt ist, die das Wasser über den Tennebaum nach dem Bordgang
abfuhrt. Oft fertigt man neuerdings die Rinnsparren ganz aus U förmigem
Stahl oder unterstützt die sehr leicht gewählten stählernen U förmigen Rinnen
durch hölzerne Sparren. Bei der Einführung des Eisens und des Stahls in
den rheinischen Schiffbau blieb das Tafeldeck sonst selbst ziemlich unver-
ändert. Aber der Tennebaum wurde aus diesem Stoff hergestellt und bildete,
unten fest mit dem Stringer verbunden und oben durch Winkel und Platte
verstärkt, eine wesentliche Längsversteifung des ganzen Schiffskörpers. In
Abb. 261 ist die Anordnung bei einem größeren neuen Schiffe (11 in der vor-
stehenden Tafel, Seite 391) dargestellt. Das kleinere Eckblech verbindet jedes
einzelne Spant mit dem Stringer, das größere durch einen Kniewinkel ver-
stärkte Eckbiech unterstützt Stringer und Tennebaum an jedem dritten Spant,
wo auch der kurze Deckbalken rechtwinklig aufwärtsgebogen den Tennebaum
versteift. Das Blech des Tennebaums hat über der vorderen Verstärkungs-
'»
Abb. 261. Querschnitt
durch Tennebaum und
Bordgang eines Rhein-
schiffs I : 30.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
395
^^^t
platte Ausschnitte für jeden einzelnen Rinnsparren (Merkling), der außerdem
innen auf dem durchlaufenden obersten Winkel ruht.
Wenn die Bordwände durch Duchten (Gebinde) gegeneinander versteift
sind, wird auch der Tennebaum durch ein Eckblech mit Winkeln gegen jede
Ducht gestützt, wie aus Abb. 262 (von einem kleineren Schiffe) ersichtlich ist.
In der Mitte der Ducht ruht der Lukenbalken auf einem Bock. Man erkennt
dies aus Abb. 263, wo auch die Auflagerung der Rinnsparren und Luken-
deckel und die Abdeckung des Grats durch den auf dem Lukenbalken be-
festigten Kappdeckel dargestellt ist. Wie schon erwähnt, werden bei den
Rheinschiffen neuerdings die Duchten oft vermieden, indem man die Schotte
in Abständen von 5 bis 6 m bis zu den Lukendeckeln hinauffuhrt. In diesem
Falle ruhen die Lukenbalken in Schuhen aus Winkeln, die an den Schotten
befestigt sind (vgl.
Abb. 107). Bei großen
Schiffsbreiten werden
drei Lukenbalken in
ähnlicher Weise ange-
ordnet (Abb. 103).
Mittels dieses stei-
fen Tennebaums hatte
man die Möglichkeit,
die Luke über den
ganzen Laderaum und
fast über die ganze
Schiffslänge auszudeh-
nen, wenn man nicht
auf die Mäste hätte Rücksicht nehmen müssen. Ursprünglich hatten die
Rheinschiffe feste Mäste. Die Entwicklung des Eisenbaues fiel aber un-
gefähr mit dem Bau der ersten festen Rheinbrücken zusammen und man
gab daher schon den ersten eisernen Schiffen bewegliche (> streichende«)
Mäste. Den Drehpunkt legte man etwa 3 m über Deck und befestigte die
bis auf das Deck reichenden Mäste in einem Köcher, der aus zwei mit
Winkeln versteiften Blechen bestand, die mit dem Deck, der Schottwand und
dem Boden fest verbunden und durch große Eckbleche längsschiffs unten
gestützt waren (vgl. Abb. 98). Die beiden Hauptbleche des Köchers haben
eine Stärke von 6 bis 10 mm und sind über und unter Deck durch ebenso
starke Bleche und Winkel fest zu einer hohlen Säule von quadratischem
Querschnitt miteinander verbunden. Ihr Abstand richtet sich nach der Mast-
dicke und beträgt 300 bis 450 mm. Am oberen Ende ist der Drehpunkt
angebracht: Ein 45 bis 50 mm starker Stahlbolzen, der durch beide Köcher-
teile und durch den Mast geht, dessen Durchbohrung durch ein eisernes Rohr
gesichert ist. Darunter, nahe über Deck ist die Mastwinde angebracht, durch
die der Mast in bequemer Weise gestrichen und gehoben wird und die gleich-
Abb. 262. Abstiltznng
des Tennebaums i : 30.
Abb. 263. Unterstützung von Platten-
deck und Lukenbalken i : 30.
396 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
zeitig beim Laden und Löschen benutzt werden kann. Am Boden des Schifies
ruht der Köcher auf 2 Mastköcherbalken (meist in C-Form), die längsschifis
über 3 bis 6 Bodenwrangen reichen und mit diesem fest verbunden sind.
Die meisten großen Rheinschiffe haben zwei, oft auch drei Mäste, die
nicht nur zum Segeln, sondern besonders auch als Lademaste zum Löschen
und Laden benutzt werden. An diesen Stellen muß mithin das Tafeldeck
unterbrochen werden, und man ordnete früher dort ein festes eisernes Deck
von 2 bis 4 m Breite an, das in Stringerhöhe auf starken Deckbalken be-
festigt wurde. Damit war auch eine Unterbrechung des Tennebaums ver-
bunden, was eine gewisse Schwächung der Längsversteifung des Schiffs-
körpers bewirkte. Um diese zu verhüten, läßt man jetzt allgemein den Tenne-
baum durchlaufen und verbindet bei den Mastdecks die Oberkanten des
Tennebaums durch ein zweites eisernes Deck in der Höhe der Lukendeckel.
Dieser so entstandene Raum zwischen beiden Decks, der seitlich durch die
Schilder (Giebelwände) der anstoßenden Laderäume begrenzt und abge-
schlossen wird, heißt eine Herft und wird zur Aufbewahrung von Aus-
rüstungsgegenständen, Vorräten u. dgl. benutzt. Das oberere Deck wird mit
Lukendeckeln aus Holz oder Eisen versehen, um die Herft zugänglich zu
machen. Solche Herfte werden oft auch noch an den Enden der Laderäume
angelegt. In neuester Zeit gibt man den großen Rheinschiffen keine Mäste
mehr, hat aber die Zahl der Herfte darum nicht vermindert, sondern vielmehr
vermehrt. Wie die Beschreibungen der Rheinschiffe und die Abb. 98 bis 107
zeigen, pflegt man über jeder Schottwand eine Herft anzuordnen. Auf ihrer
oberen festen Deckfläche werden dann die kleinen Köcher für die Flaggen-
maste, die Poller und die Pumpenöffhungen angebracht. Dort werden auch
während des Löschens und Ladens die abgehobenen Lukendeckel der an-
schließenden Laderäume aufgestapelt.
Dies Plattendeck ist in ziemlich unveränderter Weise bei den Schiffen auf
dem Dortmund-Ems-Kanal zur Anwendung gekommen (Abb. 152 bis 154).
Auch auf den östlichen Wasserstraßen ist es seit etwa 10 Jahren
beliebt geworden. Die Bauweise ist aber etwas verändert. Am ähnlichsten
der rheinischen Ausfuhrung ist das Deck des Eibschiffs mit Stahlboden (14),
wie es die Abb. 80 bis 83 zeigen: Der Bordgang ist nicht so breit wie bei
den Rheinschiffen, der durchlaufende Tennebaum ist erheblich höher (i m),
aber nur 6 mm stark; auch fehlt ihm oben die Verstärkungsplatte. Dafür ist
man bei dem mittleren Lukenbalken einen Schritt weiter gegangen und hat
ihn aus kräftigen, mit Blech versteiften Trägern gebildet. Wie schon S. 363
erwähnt, kann diese neu eingeführte Längsversteifung der Schiffe noch ver-
bessert werden, wenn sie durch gute Dreiecksverbindungen an den Boden
angeschlossen wird. Anderenfalls muß man die schweren eisernen Firstbalken
und Firstbleche für eine gewisse Verschwendung an Baustoff und eine über-
flüssige Vermehrung des Gewichts ansehen. Die Sparren und Lukendeckel
unterscheiden sich im übrigen nicht wesentlich von der rheinischen Bau-
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. 397
weise. Häufig wird das Plattendeck an den östlichen Wasserstraßen in An-
lehnung an die dort bisher übliche Bauweise des Verdecks ausgeführt
Es ist diese das lose Bretterdeck auf hölzernem Unterbau, dessen all-
gemeine Anordnung aus den Abb. 45, 55, 66, 67, 79 ersichtlich ist. Die
Decksparren werden in der Schiffsmitte von einem durchlaufenden Firstbalken
(auch Deckträger, Streckbaum oder kurz >Baum« genannt) und an den Bord-
wänden je von einem kurzen Bordständer (»Beistecksel«) getragen, auf dem
sie aufgezapft sind. Diese Bordständer sind durch zwei übereinander ange-
ordnete >Halseisen« gesteckt, die bei hölzernen Schiffen am Riesbord, bei
stählernen (als Schuhe) an dem inneren Stringerwinkel (Abb. 254, 257 und
258) und zuweilen außerdem noch an dem Eckblech befestigt sind, das den
Stringer mit dem Spant verbindet (Abb. 79).
Der mittlere Firstbalken wird durch hölzerne »Deckständerc unterstützt,
die unten auf den Bodenwrangen stehen und oben mit Kopfbändern ver-
sehen sind. Die V. V. G. haben für alle diese Bauteile besondere Stärken
je nach den Gruppen vorgeschrieben. Auf den Sparren liegen lose die etwa
3 cm starken und 28 bis 30 cm breiten Deckbretter, die mindestens 6,5 cm
übereinander greifen sollen. Sie erhalten in Entfernungen von 4 bis 6 m einen
Stoß, der auf einem Rinnsparren angeordnet wird, dessen Breite 2 bis 3 cm
größer ist als die der anderen Sparren. Über jeden Rinnsparren wird über
die Deckbretter ein genau passender Gegensparren (auch Schandeckel ge-
nannt) gelegt, der die Deckbretter festhält und mit dem Rinnsparren ver-
bunden wird.
Da die Holzschiffe in der Regel keinen durchlaufenden Bordgang haben
und auch bei vielen stählernen Schiffen der Stringer oft so schmal ist, daß
er zur Benutzung als Bordgang nicht geeignet ist, vollzieht sich der Verkehr
der Schiffsmannschaft längsschiffs über das Verdeck, und zwar meistens auf
der Deckstülpe, dem mittelsten, die Firstfuge deckenden Brett von 30 bis
40 cm Breite. Wenn diese Stelle durch den niedergelegten Mast eingenommen
ist, muß die Mannschaft auf dem schrägen Bretterdeck verkehren, wobei be-
sonders bei feuchtem Wetter, Schnee oder Frost Unglücksfalle vorkommen.
Von der Unfall-Berufsgenossenschaft wird deshalb verlangt, daß längs des
ganzen Verdecks entweder ein wagerechter Brettergang (vgl. Abb. 70) oder
eine feste Schutzleiste beim zweiten Brettergang von unten (vgl Abb. 79) an-
gebracht wird. Die Seitenöffnungen zwischen dem untersten Deckbrett und
dem Riesbord (oder dem Stringer bei stählernen Schiffen) wird von außen
durch den »Verschlag« (auch Seitenverschlag genannt) geschlossen, der aus
wagerechten, durch innere Leisten verbundenen Brettern besteht, die an den
Beisteckseln durch Haken und Ösen befestigt sind.
Der Mast steht bei den Schiffen der östlichen Wasserstraßen in der
Regel auf dem Boden in einem Spurklotz, der entweder querschiffs zwischen
den Bodenwrangen oder längsschiffs auf ihnen gelagert ist. Im ersten Fall
reicht er entweder über die ganze Schiffsbreite, wie eine Bodenschwelle von
398 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
etwa doppelter Breite, oder er muß 2,5 bis 3 m lang sein und mit dem Boden
und den benachbarten Bodenschwellen durch Nägel und Schraubbolzen ver-
bunden werden. Längsschiffs soll er mindestens mit 3 Wrangen verkämmt
und an jeder durch 3 Schraubbolzen von 15 mm Stärke befestigt werden
(V. V. G.).
Bei offenen Schiffen lehnt sich der Mast in Stringerhöhe gegen die
Segelbank (oder Segelduchtj, die nach hinten halbkreisförmig ausgeschnitten
ist. Zu beiden Seiten dieses Ausschnitts werden kräftige Streben nach hinten
und nach dem Boden angebracht, die früher aus gekrümmtem Eichenholz
hergestellt und -»Scherstöcke« (auch Mastenstuhl) genannt wurden. Zuweilen
wurde auch von der Segelbank noch eine Strebe nach vorne zum Boden ge-
führt. Mangels gekrümmter Hölzer werden diese Streben jetzt aus einzelnen
Hölzern mit eisernen Schienen und Bolzen zusammengesetzt und bei stäh-
lernen Schiffen aus großen mit Winkeln verstärkten Eckblechen gebildet (vgl
die Abb. 50, 51, 56, 57, 68, 69). Im letzteren Falle wird auch die Segel-
bank aus Blech und Formeisen hergestellt. Der Mast wird in der Bank durch
ein vorgelegtes, verkeiltes Holzstück (»Fisch«) festgehalten.
Um bei einem losen Bretterdeck den Mast niederlegen (streichen) zu
können, muß bei dieser Befestigung in dem Verdeck ein ziemlich langer
Schlitz von 50 bis 60 cm Weite hergestellt werden. Auf dieser Strecke werden
statt der einfachen Firstbalken (Deckträger) doppelte in entsprechendem Ab-
stände angeordnet und durch je eine besondere Reihe von Deckständern unter-
stützt (z. B. in Abb. 70). Zuweilen fuhrt man diese Ständer seitlich neben
den Deckträgern durch das Verdeck hindurch, verbindet sie oben durch ein
Querholz und bildet dadurch den sogenannten »Galgen«, in dem der nieder-
gelegte Mast ruht und der auch noch anderen Zwecken des Segeins dient').
Wenn der Mast gelegt werden und der Drehpunkt im Spurklotz bleiben soll,
muß man stets einen großen Teil des Verdecks öffnen und das führt zu Un-
zuträglichkeiten, besonders wenn das Schiff unter Zollverschluß fahren soll.
Man hat daher seit längerer Zeit diese Einrichtung aufgegeben und ordnet
jetzt in der Regel eiserne Köcher vor dem Mäste an, in ähnlicher Weise,
wie es bei der Penische (25), dem Maasspitz (35) und bei anderen elsäßischen,
belgischen und französischen Schiffen üblich ist. Die Abb. 264 bis 266 zeigen
die in neuester Zeit übliche Bauweise.
Der feste Drehpunkt des Mastes befindet sich etwa um seine halbe Dicke über dem First
oder der Deckstülpe des Schiffes^ so daß der umgelegte Mast mit seinem längeren, oberen Teile
auf der Deckstülpe ruht. Die lichte Weite des an einer hohen Schottwand befestigten Köchers
wird $0 mm größer gemacht als der untere Durchmesser des Mastes, schwankt daher bei Schiffen
von 300 bis 1000 t Tragfähigkeit gewöhnlich zwischen 400 und 480 mm. Die Stärke der Blech-
wände beträgt in der Regel 4 mm. Sie werden nach allen Richtungen durch 6 bis 8 mm starke
Winkel von 60 • 40 bis 80 • 60 mm Schenkellänge versteift. Besonders hohe Köcher werden zu-
weilen außen noch durch besondere Streben aus Winkeleisen gegen die Bodenwrangen gestützt.
In der Regel werden die Längswände des Köchers durch zwei besondere Halbschotte gegen
i) Vgl auch Düsing, Lehrbuch für Eibschiffer-Fachschulen. Magdeburg 1906.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
399
die Bordwände versteift (b im Grundriß), die bis unter das Verdeck reichen und im Abstände
von 1,3 bis i,$ m vor dem Hauptschott angeordnet sind. Durch diese Schotte, sowie durch
die Köcher- und Bordwände werden zwei Räume abgetrennt, die man »Freiraum« nennt, weil
sie vom Zollverschluß nicht betroffen werden, sondern ähnlich wie die Herfte beim Rheinschiff
zur Unterbringung von Geräten und Vorräten dienen (vgl. die Abb. 53, 64, 74 und 77). Über
diesen Freiräumen wird entweder das lose Bretterdeck durchgeführt oder man verschließt sie
durch ein besonderes Deck aus Holz oder Blech mit besonderen Einsteigeluken. Zuweilen
werden die Mäste und auch die Köcher nicht bis zum Schiffsboden heruntergeführt, besonders
Eiserner Mastköcher auf den östlichen Wasserstraßen, Abb. 264 bis 266.
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Abb. 265. Längsschnitt.
Schn2ttA.B.
Abb. 264.
wenn die Mäste lediglich
zum Löschen und Laden be-
nutzt und darum kürzer und
unter Umständen doppelt
angeordnet werden, wie bei
dem mitgeteilten Eibschiffe
nach Flauer Maß [12} in
Abb. 74 dargestellt. Oft
reicht der Köcher oben über
die Deckstülpe hinaus bis
zum Drehpunkt des Mastes
und trägt auf seinen ober-
sten Winkeln die Lager für den Drehzapfen, z. B. in Abb. 80. Der niedergelegte Mast liegt dann
zum Teil innerhalb des Köchers, und es ist unbequem, im Bedarfsfalle ihn wegzubringen. Dieser
Aufbau vermehrt außerdem die gesamte Höhe des Schiffes um etwa 200 mm, was beim Durch-
fahren niedriger Brücken nachteilig ist. Man macht deshalb neuerdings den Köcher so hoch,
daß er nicht über die Deckstülpe hervorragt und legt die Mastlager auf besondere Böcke, die
mit den obersten Winkeleisen durch Schraubbolzen verbunden sind und nach Erfordern abge-
nommen werden können (Abb. 265). Zuweilen befestigt man die Böcke auch mittels Scharnieren
an dem Köcher, so daß sie nach den Bordwänden zu umgeklappt werden können.
Abb. 266. Grundriß.
400 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Das Plattendeck zeigt gegenüber dem losen Bretterdeck mancherlei
Vorteile : Es kann eine geringere Neigung bekommen, wodurch der Verkehr
der Mannschaft leichter und gefahrloser und außerdem das Aufnehmen von
leichter Decklast möglich wird. Ferner lassen sich durch das Abheben ein-
zelner Platten leicht einzelne Stellen des Laderaums öffnen und schließen,
was besonders während des Löschens und Ladens bei Regenwetter wichtig
ist. Diese und andere Gründe haben, wie oben bemerkt, das Plattendeck
auch auf den östlichen Wasserstraßen beliebt gemacht. Anfangs erwies sich
der hohe Tennebaum für die Gewohnheiten der Schiffahrt auf der Elbe und
Oder als hinderlich, weil dort das Löschen und Laden oft durch Karren oder
Tragen bewirkt wird. Es werden die neueren Schiffe daher zuweilen so ge-
baut, daß nur an den Schottwänden tennebaumartige Blechwände von i bis
3 m Länge angeschlossen und die Zwischenräume in der bisher üblichen
Weise durch hölzerne Seitenverschläge geschlossen werden, die beim Löschen
und Laden fortgenommen werden können. Die Rinnsparren (Merklinge) werden
bei dieser Bauweise ebenso wie bei dem losen Bretterdeck von Bordständern
getragen, die in Schuhen stecken, die an den inneren Stringerwinkeln des
Bordgangs befestigt sind (Abb. 257 u. 258). Diese inneren Stringerwinkel
bekommen dazu meistens einen besonders hohen senkrechten Schenkel und
werden zuweilen noch mit einem kleineren Winkel versehen, der den höl-
zernen Vorschlag trägt (Abb. 258). Bei dieser Anordnung verliert man selbst-
verständlich die durch den Tennebaum bewirkte gute Längsversteifung. Zu-
weilen sucht man den Verlust zum Teil dadurch zu ersetzen, daß man an
den sogenannten senkrechten Schenkel des inneren Stringerwinkels noch eine
etwa 300 mm hohe Blechplatte nietet, die nach unten in den Raum hinein-
ragt und gleichzeitig Gelegenheit gibt, für die Bordständer unten noch einen
zweiten Schuh anzubringen. Dasselbe suchen einzelne Schiffbauer dadurch
zu erreichen, daß sie unter der Stringerplatte und unter dem wagerechten
Schenkel des inneren Stringerwinkels einen durchlaufenden starken Gegen-
winkel anordnen. Besonders ist man bei Anwendung des Plattendecks auf
den östlichen Wasserstraßen bemüht, durch Einbau kräftiger, doppelter, stäh-
lerner Lukenbalken in C- oder 1-Form und breiter Deckstülpen aus ver-
steiften Blechen (bis zu 1,5 m Breite) eine obere durchlaufende Längsverbin-
dung herzustellen. Über den Wert dieser Bauteile ist schon gesprochen
worden.
Die Mastköcher der Schiffe mit Plattendeck werden an den östlichen
Wasserstraßen genau so angeordnet wie bei losem Bretterdeck ; doch werden
die Freiräume meistens mit Blech fest abgedeckt. Die Einführung der rhei-
nischen Köcher ist dort nicht zulässig wegen der geringen lichten Höhen
unter den Brücken.
Steuerruder. Bau aus Holz. Aus den mitgeteilten Beispielen von
Lastschiffen erkennt man, daß die Anordnung des Steuerruders verschieden
ist. Abgesehen von dem losen Streichruder oder langem Riemen, das bei
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. 401
der Wittinne (3) und bei dem Waidling (24) (zuweilen auch zur Aushilfe
am Bug der Weserböcke (40)) benutzt wird, kann man zwei Arten unter-
scheiden: Entweder ist es an dem senkrechten Rudersteven so befestigt, daß
nur eine Drehung in wagerechter Ebene möglich ist, was wir als »festes«
Ruder bezeichnet haben, oder es ist am Heck mittels eines »Rudernagels«
so aufgehängt, daß auch eine Bewegung in senkrechter Ebene möglich ist,
was wir »Wippruder« nennen. Auch hinsichtlich des Ruderblatts ist zu unter-
scheiden, ob es von dem Ruderschaft aus nur nach hinten gerichtet ist oder
ob sich ein Teil davon vor dem Schaft befindet. In letzterem Falle sprechen
wir von einem Schweberuder (Balanceruder), bei dem sich die auf die beiden
Flächenteile wirkenden Kräfte beim Ausdrehen des Ruders zum Teil aus-
gleichen und dadurch die zur Drehung erforderliche Kraft kleiner wird.
Das Wippruder (auch »Hakenruder« genannt) ist ein Schweberuder und
auf den östlichen Wasserstraßen allgemein bei Lastschiffen üblich. Seine
Form ist überall die gleiche und von Alters her unverändert. Es besteht aus
dem Ruderblatt, das gewöhnlich »Steuerdiele« genannt wird, dem Ruderschaft,
dem Helmholz und dem Rudernagel.
Nach den V. V. G. soU die ganze untere Länge des Ruderblatts 0,09 bis 0,12 der
Schiffslänge (in der obersten Wasserlinie) betragen und 1/3 davon (höchstens 0,4) vor dem Ruder-
schafte, d. h. vor der Senkrechten durch die Mitte des Rudemagels liegen. (Nach anderen
Schiffbauregeln soU die ganze Länge 0,75 der größten Bodenbreite nicht überschreiten oder
um 0,$ m kleiner als diese sein.) Bei Schiffen^ deren Abmessungen durch die zu durchfahrenden
Schleusen beschränkt sind, darf der hinter der Senkrechten durch den Rudemagel befindliche
Teil des Ruderblatts nicht länger als die halbe Schiffsbreite sein, damit das Ruder in der Schleuse
um einen rechten Winkel ausgedreht werden kann. Andernfalls muß der äußerste Teil des Blattes
gelenkartig zum Umklappen eingerichtet (Abb. 267) und oben durch einen Überfall aus C-Eisen
oder Winkeleisen in ausgestreckter Stellung festgehalten werden. Die Unterkante des Ruderblatts
legt man in der Regel in die Höhe der untersten Fläche des Schiffsbodens, auch wenn dieser
einen Sprung hat, also am Heck gehoben ist. Die Höhe des Blattes macht man mebtens gleich
der gewöhnlichen Tauchtiefe des Schiffes. Das Blatt wird aus einer Reihe wagerechter Bohlen
von 70 bis 100 mm Stärke zusammengesetzt, von denen die unterste zuweilen aus Elchenholz
gefertigt wird. In dem Winkel zwischen Krümmling und Hintersteven pflegt man das Ruderblatt
noch hinaufzuziehen: Dies dreieckige' Stück nennt der Schiffer den »Spiegel« und das darunter
liegende, nahe dem Schiffsboden zugespitzte oder besser abgerundete Stück den »Haken« der
Steuerdiele.
Der Ruderschaft wurde früher mit dem Helmholz aus einem krunmi gewachsenen
Stück Eichenholz hergestellt, wobei zuweilen der obere Teil des Knies durch Ansetzung eines
besonderen Stücks zum Helmholz verlängert wurde. Da solche Hölzer selten zu haben sind,
werden Schaft und Helmholz jetzt immer aus zwei gerade gewachsenen Hölzern zusammengepaßt ;
der Schaft wird aber noch heute gewöhnlich »Krümmling« genannt. Die Erfahrung hat übrigens
gelehrt, daß diese zusammengesetzten Hölzer im allgemeinen fester sind als die alten Krümm-
linge. Der Ruderschaft bekommt quadratischen Querschnitt, dessen Seitenlänge je nach den
Gruppen (V. V. G.) 250 bis 420 mm betragen soll. Er Ist unten aufgeschlitzt und über das Blatt
geschoben, mit dem es durch Klinkbolzen oder Schraubbolzen verbunden wird. Oft werden die
Winkel des über das Blatt hervorragenden Krümmlings durch dreikantige Holzleisten ausgefüllt
und darüber beiderseits wagerechte Bänder oder Winkeleisen zur weiteren Verbindung des Krümm-
lings mit dem Blatt gelegt (Abb. 267).
Das Helmholz hat am hinteren Ende die gleiche Form und Stärke wie der Schaft, ver-
jüngt sich aber nach vorne zu kreisförmigem Querschnitt von 120 bis 130 mm Durchmesser am
Ende, wo es oft mit einem metallenen Handgriff (»Daumen«) versehen wird. Es wird ebenso
wie der Schaft aus Eichenholz hergestellt und mit diesem meistens unter einem Winkel von
Teubert, Binnenschiffahrt. 26
402
Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
iio" verbunden. Nach vorne reicht es etwa bis Über die Mitte der Hinterkajüte, auf deren
Deck der Steuermann seinen Stand hat. Bei großen Eibschiffen (70 bis 80 m Länge] wird es
bis 8 m und mehr lang. Wenn das Schiff durch enge Schleusen f^rt und das Ruder recht-
winklig gestellt werden muß, darf das Helmholz nicht länger als die halbe Schiffsbreite sein oder
muß ziun Umklappen oder zum Verkürzen eingerichtet werden (vgl. Abb. 68). Das Helmholz
wird mit einem Zapfen in den Schaft eingelassen und über diese Verbindung wird von oben und
von unten je ein entsprechend gebogenes starkes Blech gelegt Beide Bleche werden durch
Schraubbolzen verbunden und erhalten die Löcher für den Rudemagel. Das Loch im unteren
Blech ist kreisrund^ mit einem Randwulst verstärkt, während das im oberen Blech länglich in
der Richtung des Helmholzes gemacht wird, damit das Ruder sich in dieser senkrechten Ebene
Querschnitte durch das
Ruderblatt.
■J^eso}-
-0
Obere Ansicht vom Helmholz.
^
' T ^^^ Längsschnitt.
Abb. 267. Wippruder eines Oderschiffs i : 60.
bewegen (wippen) kann. Das im Holz hergestellte Loch erweitert sich in gleichem Sinne von
unten nach oben. Diese Bewegung des Ruders tritt mit der Veränderung des Tiefgangs des
Schiffes ein : Je tiefer das Ruderblatt in das Wasser taucht, um so größer wird der Auftrieb und
umgekehrt wird sein Gewicht um so größer, je mehr es aus dem Wasser kommt. Bei tief be-
ladenem Schiff hat das hinterste Ende des Ruderblatts das Bestreben, sich zu heben, und muß
deshalb entsprechend belastet werden, um nicht an Wirksamkeit zu verlieren. Bei älteren Schiffen
ist zuweilen auf der Oberkante des hinteren Ruderblatts ein Kasten angebracht, der die Be-
lastungsstücke (Eisen oder Steine) aufnimmt. Die Verbindung zwischen Helmholz und Schaft
wird außer durch die oben und unten angebrachten Bleche noch an den Seiten durch winkel-
förmige Eisenschienen oder besser durch aufgelegte Bleche verstärkt, die gleichfalls durch durch-
gezogene Schraubbolzen (Klepsch bevorzugt Niet- oder Klinkbolzen) miteinander verbunden
E
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
403
werden. Diese winkelig gestalteten Bleche von etwa lo mm Dicke werden entweder aus vollem
Blech geschnitten oder aus zwei Stücken zusammengenietet (Abb, 268). Die Länge der Bleche
soll auf jedem Holzteil mindestens das 2,5 fache der Schaftstärke, ihre Dicke nach den Gruppen
6 bis 10 mm (V. V. G.) betragen.
Der aus Eisen oder Stahl in zilindrischer Form hexgestellte Rudernagel bekommt mindestens
einen Durchmesser von 0.3 der Schaftstärke. Oben wird er mit einem losnehmbaren Ring versehen
und unterhalb von diesem mit einem Ansatz, dessen untere, zuweilen etwas konisch abgedrehte
Fläche auf dem länglichen Nagelloch in dem oberen Bleche ruht und das Durchfallen verhindert
Dieser Ansatz wird oft als besonderer Ring geschmiedet und nur mit zwei Schrauben mit dem Nagel
verbunden, so daß dieser im Notfall nach Lösung des Ringes von unten aus dem Nagelloche
herausgezogen werden kann. Der Nagel wird senkrecht und fest am Schiffskörper angebracht
und zwar entweder durch die Spitze des Hintersteyens oder durch zwei besondere eiserne, aul^en
am Hintersteven befestigte »Ruderösenc hindurch gesteckt (Abb. 269). In diesem Falle ruht das
untere Helmholzblech unmittelbar
auf der oberen Öse, im ersteren auf
einer zwischengelegten dreieckigen
Eisenplatte, die auf dem hintersten
Schißsende befestigt wird (Ruder-
nagelbuchse). Unterhalb des Ruder-
nagels wird häufig zwischen dem
Krümmling und dem Hintersteven
eine Sicherheitskette angebracht
(Abb. 267).
Abb. 268. Wippmdcr an einem stählernen Eibschiffe
I : 40.
Abb. 269. Wippruder an Ösen
befestigt 1 : 75.
Die Vorzüge des Wippruders als Schweberuder waren schon erwähnt;
es wird femer sein Gewicht zum großen Teil durch den Auftrieb des Wassers
getragen, es läßt sich weit ausdrehen und bei der Bewegung ist nur die
Reibung im Nagelloch zu überwinden. Aber hierin liegt auch eine Schwäche
dieser Anordnung; denn Brüche des Rudernagels kommen ziemlich häufig
vor und dann ist das Schiff sofort steuerlos. Andere Unfälle treten ein,
wenn das Ruder, dessen Helmholz bisher meistens nur durch die Hände ge-
halten wurde, von der Welle eines vorbeifahrenden Dampfers einen Seitenstoß
erhält, dem die Kraft des Steuermanns nicht gewachsen ist: Das herum-
schlagende Helmholz beschädigt dann nicht nur diesen oder wirft ihn über
Bord, sondern es trifft zuweilen auch das daneben fahrende Schiff und richtet
dort Unheil an. Solche Unglücksfälle treten auch ein, wenn das Schiff still
liegt und das Helmholz nicht festgebunden ist.
Das feste Steuerruder hängt entweder ganz außenbords an dem Hinter-
steven oder sein Schaft geht durch das Hinterschiff hindurch. In diesem
26*
404
Abschnitt IL L4istschiffe ohne eigene Triebkraft.
Falle ist es meistens als Schweberuder angeordnet. Während das Wippruder
auf den östlichen Wasserstraßen heimisch ist, findet man im Rheingebiete
meistens feste hölzerne Steuerruder, die aus Holland stammen.
Abbildung 270 seigt das Ruder einer Tjalk (36). Das hölzerne Ruderblatt bt oben aus-
geschnitten und hängt mit drei Fingerlingen, die an langen eisernen Bändern befestigt sind, in
drei Ruderösen, die in ähnlicher Weise an dem Hintersteven, dem >Kielholzc angebracht sind.
Dies Kielholz springt weit hinter dem Heck vor und gibt dem Wasser eine gute Führung zum
Ruderblatt, das dadurch auch bei verhältmsmäßig geringer Länge eine gute Steuerfähigkeit des
Schiffes gewährleistet. Die untere Länge beträgt 0,09 bis 0,12 der Schiifslänge. Das Helmholz (dort
»Helmstock c genannt] ist gekrümmt und zur Verbindung mit dem Ruderblatt aufgeschlitzt Ein
besonderer Ruderschaft ist nicht vorhanden. Wir finden dies Steuerruder bei aUen hölzernen
holländischen Schiffen, z. B. bei der hölzernen Aak (z6), und auch bei vielen Schiffen im deutschen
' 2.T
Abb. 270. Steuerruder einer Tjalk
1 : 120.
Abb. 271. Steuerruder eines kurischen
Reisekahns i : 120.
<-f U J,4.
t_«.
Rheingebiet, bei dem ober-
rheinischen Holzschiff (23),
beim hölzernen Neckarschiff
(28) und bei den Mainschiffen
(30 u. 31). Diese Ruderfonn
ist auch zur unteren Ems
gekommen, wo wir sie bei
der Ptinte (37) finden, und
Über See wahrscheinlich bis
nach Ostpreußen. Die Ab-
bildung 271 zeigt das sehr
ähnliche Steuerruder des ku-
rischen Reisekahns (i),
wenngleich dort der Hinter-
steven geneigt steht und das
vorspringende Kielholz fehlt
Die Eigentümlichkeit, daß der Helmstock durch das hoch hinaufgeführte Heck, den »Spiegel«,
hindurchreicht, findet sich übrigens auch bei der als »Otter« bezeichneten holländischen Schiffsart.
Abbildung 272 stellt das Steuerruder eines hölzernen Maas spitz dar. Die untere Länge
des Ruderblatts beträgt 0,09 der Schiffslänge, dürfte mithin genügen. Um aber dem Schiffe in
leerem Zustande eine bessere Steuerfähigkeit zu geben, ist im unteren Teile des Blattes ein be-
weglicher Flügel angeordnet, der mittels eines Seils vom Schiffe aus gehoben oder gesenkt
werden kann.
Die auf den elsäßischen, belgischen und französischen Kanälen sehr verbreiteten Peni-
schen brauchen wegen ihrer breiten völligen Heckform g^anz besonders lange Ruderblätter,
weil der vordere, nahe am Kielholz hängende Teil des Blattes für die Ruderwirkung ziemlich
bedeutungslos ist. Die untere Länge beträgt in der Regel 0,12 bis 0,13 der Schiffslänge. Da
die Penischen meistens 38,5 m lang gebaut werden, so müssen die Steuerruder beim Durchfahren
der Schleusen von gleicher nutzbarer Länge um einen rechten Winkel ausgedreht werden. Wenn
Abb. 272. Steuerruder eines Maasspitz i : 120.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
405
die Länge des Ruders 4,5 bis 5 m, die halbe Schleusenbreite aber nur 2,6 m beträgt, so muß
das Ruderblatt etwa in der Mitte zusammengeklappt -werden. Die Abbildungen 273 bb 275
zeigen einige der gebräuchlichsten Einrichtungen dieser Ruder. Das Blatt ist in der Regel trapez-
förmig, aus senkrechten Bohlen zusammengesetzt und etwa in der Mitte (der unteren Länge) in
2 senkrechte Flügel geteilt, die durch ebeme Scharniere zusammengehalten werden. Die Auf-
hängung an dem Kielholz geschieht gewöhnlich durch Ösen, die sowohl an diesem wie an dem
Ruderblatt angebracht sind und durch eine senkrecht durchgesteckte runde Ebenstange (etwa
40 mm) zusammengehalten werden. Der starke, schwere Helmstock ist in seiner hinteren Hälfte'
mit einer tiefen Nut versehen, in die beide Ruderflügel von unten eingreifen. Wenn die Flügel
zosanunengeklappt werden sollen, muß der Helmstock vorgeschoben werden, wobei seine Unter-
fläche auf 4 Rollen läuft, die seitlich an dem vorderen Ruderflügel angebracht sind. Er wird
in den Schleusen in der Regel ganz fortgenommen und beiseite gelegt und man bewegt das
Ruder dann durch eine leichte Stange. Der übergeschobene Helmstock genügt aber nicht, um
die beiden Teile des Ruderblatts in ausgestreckter Stellung steif zu erhalten. Man hatte darum
früher mebtens noch 2 ebeme wagerechte Riegel, von denen der eine etwa in Höhe der Leer-
ebene und der andere in Höhe der tiefsten Einsenkung an dem Ruderblatt angeordnet war,
so daß .man gewöhnlich nur einen mit der Hand erreichen und benutzen konnte. Das war lästig
und umständlich. Es sind darum bequemere Vorrichtungen eingeführt worden. Abb. 273 zeigt
einen Verschluß mittels 3 senkrechter Riegel, die gemeinschaftlich an einer Stange a angebracht
sind und durch 3 wagerechte Ösen b gehen, die an jedem Ruderflügel angebracht sind und in
et
l_.
-4>k-*.
/////. f./////.//
L 2 4- ----K- — 2,^ - -A
Abb. 273. Umklappbares Ruder einer Penische mit senk-
rechten Riegeln i : 120.
T
^ i-iti^^j
Abb. 274. Verbindung durch
Feder und Haken.
ausgestrecktem Zustande übereinander liegen. Die Stange a wird durch einen zweiarmigen Hebel
bewegt, der bei c seinen Drehpunkt hat imd durch einen Zug oder Stoß d vom Schiffe aus in
Wirksamkeit gebracht werden kann. Eine andere Vorrichtung (»ä ressort«) ist in Abb. 274 dar-
gestellt: Es sind 2 Haken, die übereinander greifen. Der eine am hinteren Ruderflügel bt fest,
der andere am vorderen Flügel federt in wagerechtem Sinne. Um die Feder anzuspannen und
den Haken zu lösen, ist hinter der Feder eine um eine senkrechte Achse drehbare Platte ange-
ordnet, die durch den Zug an einer Kette a yom Schiffe aus aufgerichtet werden kann. Dann
bt der hintere Ruderflügel frei und kann umgeklappt werden. Bei dieser Bewegung zieht die
an ihm befestigte kürzere Kette b die oben erwähnte Platte wieder zurück und die Spannung
der Feder hört auf. Wenn später der hintere Ruderflügel wieder in die ausgestreckte Stellung
gedreht wird, schnappen die Haken von selbst ineinander und die steife Verbindung ist wieder
hergestellt. (Nach Dehem, S. 292.)
Diese Vorrichtungen sind sinnreich ausgedacht, aber umständlich zu handhaben und ver-
ursachen im Betriebe (namentlich bei den zahlreichen Schleusen der französbchen Kanäle)
oft Störungen. Man bevorzugt neuerdings deshalb die in Abb. 275 gezeichnete Anordnung des
Ruders, die in Frankreich und Belgien »ä lunettec, im Elsaß »Seefang« genannt wird, und im
wesentlichen nur eine bewegliche Verlängerung des Ruderblatts darstellt. Der Seefang kann
vom Schifiie aus durch einen Zug a mittels Rollen leicht aufgeholt oder herabgelassen werden.
Damit das letztere erleichtert wird, ist der Drehpunkt des Seefangs nicht in seine Mittellinie,
sondern mehr nach vorne gelegt. In herabgelassenem Zustande ruht dieser Ruderflügel auf einem
406
Abschnitt IL Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
eisernen Haken. Man erreicht bei dieser Einrichtung noch den Vorteil, daß der Helmstock
nicht bei jeder Schleuse abgenommen werden muß, sondern durch Schraubbolzen mit dem Blatt
fest verbunden werden kann. Wenn dabei aber der vordere Teil des Helmstocks länger als
2,6 m wird, muß er durch ein Gelenk imiklappbar gemacht werden.
Wie schon erwähnt, bildet bei den Penischen und ähnlichen Kanalschiffen die Oberkante
des Helmstocks den höchsten Punkt der Fahrzeuge. In dem Bestreben, möglichst viel leichte
Ladung einnehmen zu können, baut man die Schiffe sehr hoch und nimmt beim Durchfahren
von Brücken nötigenfalls den Helmstock ab, womit man etwa loo mm Höhe gewinnt Um aber
noch mehr Höhe zu gewinnen, wird oft eine Aufhängung des Ruders gewählt, die in Abb. 276
dargestellt ist und es ermöglicht, das ganze Ruder um etwa 250 mm zu senken. Es sind die
Ruderösen an eine quadratische Eisenstange (40 mm] geschmiedet, die selbst wieder in Führungen,
die am Kielholz befestigt sind, senkrecht beweglich und oben mit Schraubengewinde und
Schraubenmutter versehen ist Durch Nachlassen der Mutter kann nach Beseitigung des Helm-
stocks das ganze Ruderblatt gesenkt werden.
Die Straß burger Schiffe haben ein mehr abgerundetes Heck und gewähren dadurch
dem Wasser einen besseren Zugang zum Ruderblatt. Es genügt deshalb eine geringere Länge
für dieses und ein kleinerer Ruderfiügel (Seefang], wie aus Abb. 276 ersichtlich. Das Ruderblatt
wird bei diesen Schiffen in der Regel in der dargestellten Weise oben in einer geschwungenen
Linie ausgeschnitten.
y
y
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T "IMTmUiTaV
Abb. 275. Ruder einer Penische mit
»Seefang« i : 120.
Abb. 276. Senkrecht bewegliches Ruder eines
Straßburger Schiffes mit Seefang i : 120.
Zu den hölzernen Steuerrudern, die am senkrechten Hintersteven auf-
gehängt werden, gehören auch die der Wolgaschiffe (vgl. Abb. 194 bis 203).
Das Ruder der großen hölzernen Don au schiffe (47) ist diesen sehr ähnlich
(Abb. 181).
Wenn das Heck der Schiffe kaffenförmig oder löffeiförmig ist, wird
an den westlichen Wasserstraßen der senkrechte Ruderschaft durch das Hinter-
schiff hindurchgeführt, wobei man gleichzeitig in der Regel das Blatt als
Schweberuder ausbildet.
Solche Ruder führen z. B. die Weserböcke (Abb. 277). Die untere Länge des Blatts
ist 8,5 m, d. i. 0,18 bb 0,19 der Schififelänge, also außerordentlich groß. Mehr als ein Drittel
dieser Länge (0,38) befindet sich vor der Mitte des Ruderschafts. Die Höhe des Ruderblatts
beträgt 0,7 m, die Dicke 80 bis 100 mm. Der 320 mm starke Ruderschaft ist unten geschlitzt
und über das Blatt geschoben. Oben ist er rund gearbeitet und durch das Heck geführt, wo er
zwei Führungen findet: Die untere besteht in einem eisernen Bügel, der an einem kielholzartigen
Klotz befestigt ist, die obere in einer eisernen Platte und einer starken Bohle, die auf der hinteren
Spitze des Schiffes angebracht sind. Der rohrartige Raum, in dem der Schaft durch das Schiff
gefuhrt wird, heißt allgemein der >Kokerc. Er wird gegen den übrigen Schiffskörper abgeschlossen,
damit kein Wasser in das Schiff dringen kann. Vom oberen Ende des Schafts ist nach dem
hintersten Ende des Ruderblatts ein gekrümmtes Holz zur Versteifung geführt, das auf dem einen
:. Bau QDd Ausrüstung der LastscbifTe.
407
1 Ende aufgeseblitxC
Ende durch Scbraubbolien mit dem Helmholz verbuDdcn tmd ai
Über das Blatt gescboben ist.
Diese Ruderform ist auch ara Rhein und seiaen Nebenflüsseo [Lahn, Mosel, Sau) sehr
verbreitet, meistens in der Art, wie in Abb. »78 daigestellt ist. Während sonst das Ruder hioten
mit dem Versteifungsbügei endigt, ist in diesem Falle noch dahinter ein beweglicher Flügel an-
gebracht, der z. B. beim Durchfahren der engen Labnschleusen umgeklappt wird. In gestrecliter
Stellung whd er durch einen Riegel gehalten. Der in dem Koker gelührte Ruderschaft hat nur
eine obere feste Führung. Die ganze untere LSage des Ruderblatts ist 0,14 der Schiffälänge,
die Höhe gleich 0,8 m.
Das in Abbildung 279 dai^stellte Rnder eines hölzernen Maasschiffs (Hema) zeigt
etwas andere Verhaltnisse: Die ganze ontere Länge des Blatts ist 0,16 der Schiffslange,
wahrend die Höhe vom Schaft nach hinten ia zweckmäßiger Weise von 1,7 m bis auf 3 m zu-
nimmt. Beachtenswert ist der hintere bewegliche Flagel des Blatts, der durch einen besonderen
.Abb. 377. Schweberudel
Abb. 379. Scbwebemder mit FIQgel 1
schiffe t : izo.
Helrastock vom Schiffe aus bewegt werden kann, wenn die beiden Riegel gelöst sind. Der
runde Koker ist über Deck bis nahe unter das Helmholz geführt. Alle diese Schweberuder mit
senkrechtem Schaft und nur einem, hochangebrachlen Halslager sind empfehlenswert, da sie
leicht zu handhaben sind.
Eiserne Steuerruder wurden am Rhein gleichzeitig mit den eisernen
Schiffskörpern eingeführt und haben sich allmählich zu einer guten einheit-
lichen Form cntwicltelt, wie sie in Abb. 280 fiir ein großes Schiff von etwa
1800 t Tragfähigkeit dargestellt ist. Der Rahmen des Ruderblatts ist mit
dem Ruderschaft zusammengeschweißt und hat bei großen Schiffen noch
einen bis drei wagerechte Stege, die gleichfalls eingeschweißt sind. Auch
der Rahmen selbst wird aus 2 bis 3 Stucken zusammengeschweißt. Seine
Stärke nimmt nach hinten allmählich ab. Die Form ist im allgemeinen recht-
eckig; doch wird der vordere Teil wegen des übergebauten Hecks meistens
408
AbschniR H. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
etwas niedriger gemacht. Der Rahmen wird beiderseits mit Blechplatten be-
legt, die mit durchg^ehenden Nieten befestigt werden. Der Zwischenraum
wird in der Regel durch Fichtenholz au^efüllt.
Ähnlich wie bei den vorbeschriebenen hölzernen Rüdem sind auch bei
den eisernen meistens Einrichtungen vorhanden, um die Fläche des Blatts
und damit sowohl seine Wirksamkeit als auch die zur Bewegung des Ruders
erforderliche Kraft nach Bedarf zu verändern. Das geschieht durch Schieber,
die entweder, wie in unserer Abbildung, auf Rollen wagerecht verschieblich
sind oder senkrecht aus ihren Führungen herausgezogen werden können.
Rnder eines großen Rbelnschüfs, Abb. 180 bis sSs.
Abb. aSo. Ansicht des Ruders I : 60.
Der Rud ersch aft wurde anfangs mit mehreren Fingerlingen in Ruderösen
eingehängt, die an dem Hintersteven angeschweißt waren. Man legt jetzt aber
den Hauptwert auf den untersten Fingerling, der als Spurzapfen in der >Hack:e<
des Hinterstevens gelagert wird, und nur bei besonders hohen Rudern wird
noch oberhalb ein Fingerling angeordnet, wie in unserer Abbildung. Neuer-
dings werden diese Fingerlinge nicht mehr an den Ruderschaft geschweiOt,
sondern als besonders abgedrehte stählerne Zapfen hergestellt, die dann 'm
den Schaft fest eingesetzt werden. Der untere Spuizapfen bewegt sich auf einer
eingelegten, al^erundeten Stahlplatte [Abb. 281). Der obere Fingerlii^ wird
in neuester Zeit oft fortgelassen und durch eine einfache Schelle ersetzt
(Abb. 282], die sich um einen abgedrehten Teil des Schafts legt und mit dem
Steven durch Schraubbolzen verbunden ist. Im Falle eines Bruchs des Spur-
2. Bau und Ausrüstung der Lastschüfe.
409
Zapfens gibt sie dem Ruder noch eine notdürftige Befestigung. Oberhalb des
Blatts bekommt der Schaft einen kreisrunden Querschnitt und wird in dem
zilindrischen » Koker c durch das übergebaute Heck bis auf Deck geführt,
wo er in einem Lager gehalten wird, das mit einer rechteckigen Platte auf
dem Deck und an den Deckbalken durch Schraubbolzen befestigt ist. Der
Koker ist an den Hintersteven genietet und dieser wieder durch 2 Winkel mit
der senkrechten » Heckbalkenplatte c verbunden. Oben auf dem Ruderschaft
befindet sich die Nabe des Zahnkranzes, der durch die später zu besprechende
Steuermaschine bewegt wird.
Hinsichtlich der Abmessungen des Ruders ist zu erwägen, daß seine Wirksamkeit von
der Geschwindigkeit des Schiffes abhängt. Bei Schiffen, die für größere Geschwindigkeiten be-
stimmt sind, braucht man deshalb verhältnismäßig kleinere Ruderflächen. Der G. L. gibt für
die Länge des Blatts keine Vorschrift, die V. V. G. verlangen aber, daß diese Länge nicht größer
als 0,06 bis höchstens 0,08 der Schiffslänge sein soll. Bei den großen Rheinschiffen ist dies
Verhältnis 0,05 bis 0,06, bei den Schiffen des Dortmund-Ems-Kanals und den Donauschiffen
etwa 0,06 und bei den Schiffen auf den östlichen Wasserstraßen etwa 0,075. ^^^ Höhe des
Ruderblatts wird meistens so gewählt, daß wenigstens der hinterste Teil bei der größten Ein-
tauchung des Schiffes noch 50 bis 150 mm über Wasser reicht. Wichtig ist die Stärke des
Ruderschafts. Nach den Vorschriften der V. V. G. soll der Durchmesser je nach den Gruppen
75 bis 150 mm betragen. Der G. L. hat dafür die Formel 0,3 V/'r- V^ in cm aufgestellt, worin
/ die ganze Fläche des Ruderblatts in m^, r den Abstand des Schwerpunkts dieser Fläche von
der Drehachse in cm und V die Schiffsgeschwindigkeit in Knoten bedeuten. Für Binnenschiffe
soll V bei Dampfern angenähert nach der Formel V
= 3,o.|7 —
berechnet werden, worin
PSi die indizierten Pferdestärken der Maschine und F den Flächeninhalt des eingetauchten
Hauptspants bedeuten. Im übrigen gibt der G. L. für die Längsnummem von 35 bis 1 500 in einer
Tafel die Größe des Schaftdurchmessers zu 38 bis 185 mm an. Die großen Rheinschiffe zeigen
Durchmesser von 140 bis 170 mm, das größte
von 3500 t Tragfähigkeit hat einen solchen von
180 mm. Der Durchmesser der Fingerlinge
oder des Spurzapfens soll 0,6 vom Durchmesser
des Ruderschafts betragen, die Ösen sollen eine
Höhe von 1,5 und eine Wandstärke von s/s des
Durchmessers des Fingerlings haben. Die Be-
plattung des Ruderrahmens soll halb so stark
sein, wie die Seitengänge des Schiffskörpers.
Nach einer anderen Regel soll die Stärke des
Ruderschafts = 0,044 * 1// ^^ i^am sein.
Abb. 283 zeigt Ruder und Hinter-
steven von einem Dortmund - Ems-
Kanal schiff. Der Ruderrahmen und
der Steg sind 100 mm hoch; doch
ist das Ruderblatt nur auf einer Seite
beplattet. Auch ist nur ein Spurzapfen vorhanden. Die ganze Anordnung
ist sonst den Rheinschiffen entsprechend. Bei leicht gebauten oder kleineren
Schiffen wird übrigens der Koker und das oberste Lager zuweilen fort-
gelassen.
Zuweilen werden eiserne Steuerruder ohne übergebautes Heck ange-
Abb. 283. Ruder eines Dortmund-Ems-Kanal-
Schiffs I : 80.
410
Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
ordnet, wie z. B. bei den neueren Donauschiffen (45) und bei dem Klodnitz-
kanalschiff (10).
Bei der Weser wird das Ruderblatt auch bei den neuesten stählernen
Schiffen noch immer aus Holz hergestellt, besonders wegen der bedeutenden
Länge. Diese beträgt dort und an der Aller bei den neueren Schiffen 0,10
bis 0,11 der Schiffslänge, ist mithin schon erheblich kleiner als bei den alten
Weserböcken. In Abb. 284 ist das Steuerruder von einem der neuesten Weser-
schiffe dargestellt.
Abb. 284. Ruder eines Weserschiffs (von veränderlicher Länge) i : 80.
An den Raderschaft von 140 mm Durchmesser sind zwei starke Arme geschmiedet, zwischen
denen das aus doppelten, je 55 mm dicken Bohlen gebildete Blatt sitzt. Auf dem vordersten
2,7 m langen Teile sind über die Bohlen, die Arme und den Schaft beiderseits 8 mm starke
Bleche gelegt und mittels Schraubbolzen befestigt. Die Bohlen bestehen aus Fichtenholz, mit
Ausnahme der obersten von doppelter Stärke, die aus Eichenholz gemacht ist. Das hinterste
Stück des Blatts von 2 m Länge kann zurückgeschoben werden. Der 3 m lange und 1,5 m
hohe Schieber aus 70 mm starken Fichtenbohlen wird in Winkeln von 78 • 52 • 6 mm Stärke ge-
führt, die durch gleich starke Winkel mit dem festen Blatte verbunden
sind. Sowohl der Schieber wie der übrige Teil des Blatts sind noch
durch senkrechte Bleche von 100 bis 150 mm Breite und 6 mm
Dicke und durch Winkel von gleicher Stärke versteift. Die Anord-
nung des Sparzapfens ist ähnlich wie bei den Rheinschiffen. Das
fragliche Weserschiff hat im Boden einen hinteren Sprung von 120 mm.
Die Schieber in dem Ruderblatt sind eigentlich eine Eigentüm-
lichkeit der rheinischen Bauweise, werden aber in neuerer Zeit nicht
nur an der Weser, sondern zuweilen auch an der Elbe angewendet
(Abb. 84).
Viele neue stählerne Weserschiffe haben zwar, wie beschrieben,
einen eisernen Ruderschaft, führen aber nach alter Überlieferung
noch den wagerechten langen Helmstock aus Holz, der durch einen
gußeisernen oder schweißeisemen Schuh mit dem Ruderschaft ver-
bunden ist. Diese Einrichtung scheint nicht nachahmenswert
Eiserne Schweberuder werden bei Schiffen
^^sernes^Scht'^ebem^^ ™t löffelförmigem oder kaffenartigem Heck ange-
wendet. Zuweilen gibt man dem Ruderschaft unten
noch einen Spurzapfen, der in einem durch seitliche Arme gehaltenen Schuh
ruht. Oft verzichtet man aber darauf und ordnet das Ruder hängend an,
ähnlich wie bei den hölzernen Schweberudern der Lahn-, Ruhr- und Mosel-
schiffe. In Abb. 285 ist die Aufhängung eines eisernen Schweberuders bei
einem kleineren Schiffe dargestellt.
2. Bau und Ausrüstong der Lastschiffe. 411
Die 3 Anne des Ruderrahmens sind mit dem senkrechten Schaft zusammengeschweißt, der
abgedreht und in einem eisernen Rohr durch das Heck bis auf Deck gefUhrt ist, wo er mittels
einer starken aufgeschraubten Tragmutter auf einer gui^eisemen Lagerplatte ruht, die durch
Schraubbolzen mit dem Deck verbunden ist. Oberhalb der Mutter ist die Pinne aufgekeilt, die
von der Steuermaschine bewegt wird, und darüber befindet sich noch eine vierkantige Fort-
setzung des Schafts, auf die eine Notpinne gesetzt werden kann. Der Ruderschaft wird von
unten eingesetzt und hat unten einen größeren Durchmesser als oben. Er wird in zwei guß-
eisernen Lagern senkrecht gefUhrt, die oben und unten in das schweißeiseme, oben erwähnte
Rohr eingeschraubt und an dem Schiffskörper befestigt sind. Das obere Lager ist mit der oben
erwähnten Lagerplatte aus einem Stück hergestellt. Die Tragmutter ist mit Schmierlöchem ver-
sehen, um die Reibung auf der Lagerplatte zu vermindern. Bei gp-oßen Schiffen genügt das aber
nicht, und es muß zwischen Lagerplatte und Mutter noch ein Kugellager angeordnet werden.
Aufgehängte Schweberuder haben z, B. die Schiffe mit Löffelformen auf
dem Dortmund-Ems-Kanal (Abb. 155). Bei anderen Schiffen mit Schwebe-
rudern, wie z. B. bei dem Eibschiff in Abb. 84 und dem Rhoneschiff in
Abb. 191^ steht der Ruderschaft am unteren Ende in einem Spurlager, das
in der zurückgeschobenen Hacke des Hinterstevens angebracht ist. Die aus
Abb. 84 ersichtliche Form des Schweberuders mit verhältnismäßig kleiner
Ausgleichfläche wird auch bei Dampfschiffen häufig angetroffen.
Ausstattung, AusrQstung, Anstrich. Wir verstehen unter der Aus-
stattung den inneren Ausbau nebst Zubehör, soweit die Teile bei der Bestellung
und der Lieferung der Lastschiffe gewöhnlich in die Kaufsumme einbegriffen
werden. Dagegen umfaßt die Ausrüstung die übrigen für den Betrieb des
Schiffes erforderlichen Stücke, die der Besteller sich in der Regel selbst
beschafft. Die Grenzen dieser Einteilung schwanken mit den örtlichen Ge-
wohnheiten. So werden z. B. die Ankerwinden im Rheingebiet stets zum
Schiffskörper gerechnet und mitgeliefert, während sie an den östlichen Wasser-
straßen gewöhnlich zur Ausrüstung gehören. Beim Vergleich der Neubau-
kosten ist dies zu beachten. Zuweilen wird die Lieferung des Schiffes ein-
schließlich aller Ausrüstungstücke vereinbart.
Zur Ausstattung gehören gewöhnlich folgende Teile:
Die Wegerung (Bühne, Streck, Strau, Püddeling) wirkt mit zur Längs-
versteifung des Schiffes und der G. L. schreibt darum ihre Holzstärke je nach
der Längsnummer zu 25 bis 40 mm vor. Bei hölzernen Boden wrangen darf
die Stärke um 5 bis 10 mm kleiner gewählt werden, weil die freitragende
Länge der Bretter geringer ist. Im allgemeinen wird die Stärke im ersteren
Falle zu mindestens 35, im letzteren zu mindestens 30 mm, bei den großen
Rheinschiffen gewöhnlich zu 50 nun gewählt Die einzelnen Bretter (aus
Fichten- oder Tannenholz) müssen dicht gefugt, gefalzt oder gespundet sein.
Sie werden am besten zu einzelnen Tafeln verbunden, damit sie sich leicht
aufnehmen lassen. Bei den Rheinschiffen sind meistens in jedem Laderäume
besondere bewegliche Konsolen aus Rundeisen angeordnet, die zur Auflagerung
der aufgenommenen Bodenplatten dienen.
Die Seiten Verkleidung (Hängebühne, Seitenausschlag) wird in gleicher
Weise aus 25 bis 35 mm starken Brettern dicht und leicht abnehmbar hergestellt.
412 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Der innere Ausbau der Kajüten und Küchen, Fußböden, Wände,
Decken, Türen, Fenster, Oberlichte, Treppen, Niedergänge mit Kappen (aus
Holz oder Blech) sowie die Ausstattung mit Bettstellen (Kojen), Schränken,
Tischen, Bänken, Ofen, Kochherden u. dgl. richtet sich nach der Größe der
Schiffe, den Gewohnheiten der Schiffer und den Wünschen des Bestellers.
Die Unterschiede sind sehr groß. Bei den großen Rheinschiffen besteht die
für den Schiffer bestimmte Hinterkajüte oft aus einem Wohn- und zwei Schlaf-
räumen nebst Abort unter Deck, wozu noch Küche und Speiseraum in der
Roef (Aufbau über Deck) treten, die durch eine besondere Treppe mit den
unteren Räumen verbimden ist, die aufs behaglichste ausgestattet sind. Die
im Vorschiff nur unter Deck angeordneten Räume für die Mannschaft sind
einfacher gehalten. Auf einigen der neuesten großen Rheinschiffe findet man
in den Wohnräumen sogar Warmwasserheizung.
Die Einrichtung der Geräteräume. Dazu gehören bei allen Last-
schiffen der Raum im Hinterschiff hinter der Kajüte, die Piek, und der ent-
sprechende Raum im Bug, Vorpiek oder »Kabelgatt«, wo sich die Kästen
für die Ankerketten befinden. Außerdem dienen zu solchen Zwecken die
Herfte auf den Rheinschiffen und die Freiräume auf den Eibschiffen, die
außerdem zur Lagerung von Vorräten, Lebensmitteln und Brennstoffen benutzt
werden. Alle diese Räume werden mit innerer Bretter- oder Lattenverkleidung,
sowie mit verschließbaren Luken und Lukendeckeln versehen. Die Anord-
nung der aus Brettern hergestellten Ställe und der Landebrücken für die
auf den westlichen Kanalschiffen oft mitgeführten Zugtiere ist bei der Penische
(25) beschrieben worden. (Vgl. auch Abb. 120.)
Steuervorrichtungen. An den östlichen Wasserstraßen, auf den
Weserschiffen, auf den westlichen Kanalschiffen und auf den Schiffen, die die
Nebenflüsse des Rheins befahren, wird das Steuerruder gewöhnlich unmittel-
bar durch Menschenhand mittels des langen Helmholzes oder Helmstocks
bewegt. Die Gefährlichkeit dieser Handhabung ist beim Wippruder be-
sprochen worden. Bei den neuen großen Schiffen auf den östlichen Wasser-
straßen und auf der Weser gehört aber zur sicheren Bewegung des Ruders
eine große Kraftleistung, und andererseits kommt es besonders im Schlepp-
zuge darauf an, daß das Ruder möglichst fest in der bestimmten Lage ge-
halten wird, weil durch das Hin- und Herpendeln des Ruderblatts der Schlepp-
widerstand erheblich, vermehrt wird. Bei kleineren Schiffen hilft man sich
durch ein an beiden Bordkanten befestigtes Seil, das nach Bedarf um den
Helmstock geschlungen wird. Zuweilen legt man auch zur Erleichterung der
Bewegung Taljen (Blöcke) ein. Bei den größeren Schiffen ist es jetzt üblich,
am Helmholz zwei Seile anzubringen, die beiderseits durch nahe den Borden
befestigte Rollen zu einer oder zwei Trommeln einer besonderen Steuerwinde
führen, die meistens in der Mitte der hinteren Abschlußwand des Laderaums
angeordnet ist und durch ein senkrecht stehendes Steuerrad bedient wird.
Abb. 286 zeigt eine Einrichtung einfachster Art bei einem Weserschiffe. Die
. Bau nnd AusrOstni^ der Lastschiffe.
413
Führungsrollen sind dort zum Teil auf den Pollern angebracht. Die Winde
hat nur eine Trommel, um die das Drahtseil umgeschlungen ist, dessen beide
Enden auf diese Weise dauernd mehr oder weniger gespannt bleiben. Diese
Anordnung findet man
in ähnlicher Weise auf
vielen Oder- und Elb-
schiffen. Besser und
mehr beliebt sind jetzt
Winden mit 2 Trom-
meln, wodurch. ein Rut-
schen des Seils auf der
Trommel vermieden wird
(Abb. 287 bis 289).
Aar der WeUe des Steuer-
»dl siöen 2 »RiUeU (Rnndsel,
Getriebe), die in die mit den
beiden Trommeln verbundenen
Zahnbrinze greifen. Wird das
Seil der einen Trommel aafge-
Abb. 3S6. Steaervorrichtung auf einem Weserscbiff
Steuerwinde auf den östlichen Wasserstraßen, Abb, 3S7 bis 289.
Abb. i88. n Ansicht
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Abb. 187. Querschnill.
Abb. »89. Grundriß.
414
Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
wickelt, so wickelt sich das auf der anderen Trommel ab. Die Übersetzung der Zahnräder bei
dieser für ein großes Eibschiff bestimmten Winde ist 12:32. Der Durchmesser der Trommeln
beträgt 140 mm. Beide Ritzel sind auf der Welle des Handrads verschieblich und können durch
je einen Hebel {a) ausgerückt werden. Löst man eines der zum Helmholz fuhrenden Drahtseile,
so kann man durch Einrücken des betreffenden Ritzels die Trommel auch zum Verholen des
Schiffes in den Häfen benutzen und zwar entweder nach Backbord oder nach Steuerbord. Die
dargestellte Winde wird wie ein Kasten an der Hinterwand des Laderaums durch 3 Schraubbolzen
befestigt, die als Verlängerungen der Traversen angeordnet sind. Oben befindet sich bei 6 eine
umklappbare Gabel zum Feststellen des Handrads. Diese Steuerwinden geben auch den Vorteil,
daß der Steuermann nicht dauernd stehen muß, sondern vor dem Rade sitzen kann.
Bei festen eisernen Steuerrudern wird gewöhnlich auf dem oberen Ende
des Ruderschafts über Deck ein wagerechter Zahnkranz angebracht, der durch
einen Ritzel an einer davorstehenden senkrechten Welle bewegt wird. Diese
Welle trägt an ihrem oberen Ende entweder unmittelbar ein wagerechtes
Abb. 290. Steuervorrichtung eines großen Rheinschiffs l : 30.
Steuerrad oder wird mittels Kegelradübersetzung durch ein senkrechtes Hand-
rad gedreht. Die erstgenannte Bauweise mit wagerechtem Steuerrad ist
besonders am Rhein überall verbreitet imd gut ausgebildet. Die Abbildung 290
zeigt die Steuermaschine eines großen Rheinschiffs mit allen Verbesserungen.
Der Zahnkranz (Quadrant) bt doppelt übereinander angeordnet. Ebenso ist ein zweiter
oberer Ritzel vorhanden, der auf der Welle des Steuerrads verschieblich und für gewöhnlich
nach oben ausgerückt ist. In dieser Lage wird er durch den Ausrückhebel a gehalten, der am
Hinterende des Schiffs durch eine senkrechte Stange und einen Splint am Geländer des Steuerstuhls
befestigt ist. Tritt bei der Fahrt der Bruch eines Zahns im unteren Zahnkranz oder im unteren
Ritzel ein, so fällt durch Lösen des Splints der obere Ritzel hinunter und greift in den 'oberen
unverletzten Zahnkranz. Zuweilen sind an nur einem Zahnkranze zwei Reihen Zähne überein-
ander angeordnet, so daß der obere Ritzel für die obere Reihe Zähne bestimmt ist. Bei einigen
Schiffen werden auch die Zähne in einzelnen Stücken auswechselbar eingerichtet und Ersatzteile
mitgefuhrt Neuerdings wird der Zahnkranz in einem Umfange von 180^ angeordnet, so daß
das Ruder beiderseits um 90° ausgedreht werden kann; früher begnügte man sich mit 'einem
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. 415
kleineren Ausschlagwinkel. Diese sogenannten Quadranten wurden früher aus Gußeisen oder
Stahlguß hergestellt, werden in neuerer Zeit aber oft geschmiedet. Die Ritzel macht man aus
Rotguß, Phosphorbronze oder Stahlguß. Auch das auf Deck befindliche Lager für den Ruder-
schaft, die Ruderbüchse, wird oft aus Bronze gefertigt
Etwa 750 mm über Deck ist die »SteuerbrUcke«, der Fußboden des St euer Stuhls an-
geordnet: Der mittlere Teil, der das Lager der senkrechten Welle (Königstange) von meistens
80 mm Durchmesser trägt, ist aus Blech und darüber ist ein 30 mm starker Fußboden angeordnet.
Er ist rings mit einem festen eisernen Handgeländer umgeben und meistens durch zwei Treppen
vom Deck zugänglich. Etwa 900 mm über dem Fußboden Ist (oft in der Höhe verstellbar)
das wagerechte Steuerrad (Haspel) aus Schmiedeeisen angebracht, das hier einen Durchmesser
von 2,75 m hat Eine seit längerer Zeit hinzugefugte Verbesserung ist die Bremse {d), mit der
das Steuerrad festgehalten wird. Sie wird vom Steuermann mit dem Fuß gelöst, wenn das
Ruder bewegt werden soll. Die Bremsscheibe sitzt auf der Königstange nahe über der Steuer-
brücke. Zuweilen wird zum Feststellen des Quadranten noch eine besondere Bremse mit Schrauben-
spindel vorgesehen. Zum Schutz gegen Sonne und Regen ist über dem Steuerstuhl in der Regel
ein Zelt (Sonnenzelt) angebracht, das oft bis an die Roef ausgedehnt wird. Trotz der einfachen
Obersetzung kann bei dem großen Durchmesser des Handrads leicht eine bedeutende Kraft
ausgeübt werden. In unserem Beispiele betragen die Durchmesser der Teilkreise von Ritzel und
Zahnkranz 115 und 1 108 mm, wobei der Ritzel 9 Zähne hat
Aber für alle Verhältnisse genügt diese Kraftübertragung nicht. Bei der
Weser z. B. hat sich die Anwendung von sehr großen Ruderblättern (vgl.
Abb. 284) als erforderlich gezeigt, zu deren Bewegung trotz der kleineren
Schiffe doch unter Umständen eine größere Kraft nötig ist. Bei der Ein-
führung der rheinischen Steuermaschine war man deshalb dort gezwungen,
zwischen der Welle des Handrads und dem Quadranten noch ein Vorgelege
an einer besonderen seitlich aufgestellten Welle einzufügen und zwar so, daß
es nach Bedarf auch ausgeschaltet werden kann.
«
Bei Lastschiffen, die am Heck nicht so große Breiten haben wie die
Rhein- und Weserschiffe, kann man diese Steuermaschinen nicht verwenden,
zumal der Raum auf dem Hinterdeck zur Handhabung der Anker- und Ver-
holwinden, der Schlepptaue, Fahrbäume u. dgl. gebraucht wird. Die rhei-
nische Einrichtung erfordert außerdem auch eine große freie Höhe über dem
Hinterdeck, die nicht auf allen Wasserstraßen zur Verfügung steht. Zuweilen
hat man wohl die Königstange nahe über der Steuerbrücke durchschnitten und
durch eine lösliche Kupplung verbunden, so daß man den oberen Teil mit dem
Handrad beim Durchfahren niedriger Brücken vorübergehend abnehmen kann;
aber diese Anordnung ist nicht empfehlenswert. Bei den neuen stählernen
Schiffen auf dem Dortmund-Ems-Kanal ist es gelungen, diese Steuermaschine bei
ziemlich beschränkter Höhe anzuwenden, so daß der oberste Punkt des Hand-
rads beim Leergang des Schiffes nur etwa 3,7 m über dem Wasserspiegel liegt.
Bei der Anordnung eines senkrechten Steuerrads braucht man im
Grundriß weniger Raum. Bei den Donauschiffen, wo man rücksichtlich der
Höhe nicht sehr beschränkt ist, baut man wie auf dem Rhein einen hohen
Steuerstuhl, der dem Steuermann einen freien Ausblick gewährt, und über-
trägt die Bewegung der doppelten, 2 m im Durchmesser großen, senkrechten
Handräder durch Kegelradübersetzung auf die Königstange, die unten wie
am Rhein mit einem Ritzel den Quadranten antreibt (Abb. 173 u. 176).
416
Abschnitt 11. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Wenn man die Kraftübertragung von dem Steuerrad auf den Ruderschaft
durch eine Kette oder ein Drahtseil bewirkt, kann man die Steuermaschine
weiter vorrücken und ist weniger beschränkt. Ein Beispiel dieser sehr ver-
breiteten und namentlich auf Dampfschiffen ziemlich allgemein üblichen Ein-
richtung ist in den Abbildungen 291 und 292 dargestellt.
Auf das obere Ende des Ruderschafts ist eine eiserne Ketten- oder Seilscheibe von 1,5
bis 2 m Durchmesser aufgekeilt. Diese Scheibe hat 2 übereinanderliegende Rillen, in denen je
ein Ende der Kette oder des Seils befestigt ist, die in einem Bogen von etwa 180^ die Scheibe
Steuervonrichtung mit Kettenübertragung, Abb. 291 und 292. i : 40.
Abb. 291. Längsschnitt.
K.-^
Abb. 292. Grundriß.
umspannen und dann zur Steuerwinde gehen. Sie werden dabei durch je 3 Rollen gefiihrt, von
denen die hinterste eine wagerechte, die vordere seitliche eine senkrechte, und die vordere
mittlere, unter der Steuerwinde, wieder eine wagerechte Achse hat. Für die Stärke der Steuerketten
und für den Durchmesser der Kettenscheibe (Quadrant) sind vom G. L. Vorschriften erlassen
worden. Die Steuerwinde bestand früher meistens aus einem auf der wagerechten Welle des
Handrads befestigten Ritzel, der in die Zähne eines mit einer Kettentrommel verbundenen Zahn-
rads eingriff, um welche die Steuerkette herumgeschlungen war. Die Kette blieb somit immer
gespannt und bestand aus einem Stück. Neuerdings verwendet man häufig 2 besondere Ketten
und Winden mit 2 Trommeln, wie sie oben in den Abbildungen 287 bis 289 dargestellt worden
sind. Dem Handrad gibt man nach Bedarf einen Durchmesser von 0,8 bis 1,5 m und ordnet
. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
417
bei groüen Schiffen die SteuermaschiDe so an, daß die ganze Übersctmng uageföhr das Vet-
hiltnis I : SO bekommt.
Zum Schutz des Steuermanns gegen Regen, Wind und Sonne errichtet
man zuweilen ein besonderes Steuerhäuschen (»Ruderhaus*), das ganz oder teil-
weise seitlich und hinten geschlossen und mit Fenstern versehen wird. Dabei
wird auch für einen beweglichen Sitzplatz für den Steuermann gesorgt Auf
Wasserstraßen mit niedrigen Brücken muß der obere Teil oder das ganze
Hauschen abnehmbar eingerichtet werden. Im Falle der Not wird dann zu-
weilen selbst das Steuerrad abgeschraubt und man behilfl sich voriibet^ehend
mit einer auf den Ruderschaft gesetzten eisernen Notpinne. Soweit es die
Verhältnisse erlauben, gibt man dem Steuermann durch einen hölzernen Auf-
193 und 194. Patentsteuer
bau (Gräting) einen erhöhten Standpunkt, damit er eine möglichst unbehinderte
Aussicht hat. Diesen Aufbau verlängert man auch nach hinten und überdeckt
damit die groQe Kettenscheibe und die Kettenleitungen. Man ist bei dieser
Anordnung in der Lage, die Steuerwinde in beliebigem Abstände von dem
Ruder, mittschiffs oder auf dem Vordeck aufzustellen. Das ist namentlich
bei Dampfschiffen von Wicht^keit, um zu verhüten, daß der freie Ausblick
des Steuermanns durch den Schornstein behindert wird.
Damit der Steuermann jederzeit die Stellung des Ruderblatts kennt, wird
an der Winde durch eine besondere Übersetzung ein Zeiger bewegt.
Um die zum schnellen Ausdrehen des Ruders erforderliche Kraft zu ver-
mindern und eine ruhige, gleichmäßige Bewegung zu erzielen, ist seit mehreren
Jahren an der Donau ein sogenanntes Patentsteuer im Gebrauch, das in
Abb. 293 und 294 daigestellt ist. Es beruht auf der Einschaltung eines Gegen-
418 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
gewichts in die Steuermaschine, das entsprechend dem wechselnden Wasser-
druck auf dem Ruderblatt mehr oder weniger wirksam wird').
Zwischen den Rahmen a ist unten die Trommel d gelagert, auf der sich die Steuerkette d^
aufwickelt. Die Trommel wird mittels der Kettenscheibe d^, der Kette i^ und der auf der
Welle c befestigten Kettenscheibe c^ durch die senkrechten Steuerräder ^ angetrieben. Auf der
Welle c befindet sich ein Zahnrad ^3, das mittels der Vorgelege ä und d^ und des Kurvenrfider-
paares ä^ und d^ eine Welle /^ antreibt, auf der ein Hebel / mit dem Gegengewicht /"» auf-
gekeilt ist. Wenn das Steuerruder in der Mittellinie des Schiffes liegt, befindet sich der Hebel y
in senkrechter Stellung und übt auf die Welle c und die Handräder £^ kein Verdrehungsmoment
aus. W^ird jedoch das Ruder mittels der Handräder nach der einen oder der anderen Bordseite
gedreht, so neigt sich das Gewicht /* nach der entgegengesetzten Seite und übt ein Drehungs-
moment aus, das dem des Ruderdrucks entgegengesetzt ist und mit diesem wächst oder abnimmt.
Das Gewicht kann an dem Hebel entsprechend der Fahrgeschwindigkeit verschoben werden.
Sowohl auf den Lastschiffen wie auf den Dampfern der k. k. privilegierten Donau-Dampf-
schiffahrts-Gesellschaft sollen diese Patentsteuer sich bewährt haben, so daß nur i Mann in
6 Sekunden das Ruder um 37° ausdrehen kann, wozu früher 3 bis 4 Mann und 16 Sekunden
nötig waren.
Poller, Klüsen und Klampen (Knaggen) sind zum Führen und Fest-
legen (Belegen) der Taue, Trossen, Stränge und Seile erforderlich. Jedes
Lastschiff bekommt Poller sowohl auf dem Vordeck wie auf dem Hinter-
deck an beiden Borden. Auch auf den Bordgängen pflegen, wenigstens bei
großen Schiffen, einige Poller aufgestellt zu werden. Gewöhnlich ordnet man
sie doppelt an, damit man das Tau gekreuzt herumschlingen und dadurch
leichter die erforderliche Reibung zum Führen und Festlegen erreichen kann.
Bei den großen Rheinschiffen ist es üblich, auf dem Vordeck beiderseits je
3 Poller hintereinander anzubringen, die zur Befestigung der Schleppstränge
bestimmt sind. Auf dem Hinterdeck werden gewöhnlich je 2 Poller beider-
seits und außerdem ein solcher hinter dem Steuerruder in der Mitte des
Hecks angeordnet (Abb. 280). Man stellt sie aus Eichenholz, aus Guß- oder
Schweißeisen her. Hölzerne Schiffe bekommen in der Regel auch hölzerne
Poller, die aus quadratischen Hölzern (20 bis 30 cm stark) hergestellt, durch
Schraubbolzen mit den Bordwänden verbunden und oben mit abgerundeten
Kanten versehen werden. Auch bei stählernen Schiffen sind hölzerne Poller
(zuweilen mit 2 mm starkem Messingblech beschlagen) viel im Gebrauch,
namentlich an der Elbe, wo man besonders die zum Schleppen bestimmten
gern aus Eichenholz fertigt. Sie werden (30 bis 35 cm stark) mittels
Winkeleisen und Schraubbolzen gut mit dem Deck, mit der Bordwand und
oft auch mit der Schottwand verbunden. Gußeiserne Poller werden mit der
Bodenplatte aus einem Stück gegossen und bieten den Vorteil, daß man ihnen
eine zum Führen der Taue günstige Form, namentlich oben eine Wulst oder
einen vorspringenden Rand geben kann, wodurch das Abgleiten der Taue
verhindert wird. Zum Schleppen können sie bei großen Schiffen nicht ver-
wendet werden, weil sie nicht genug Sicherheit bieten und oft brechen. Zu
anderen Zwecken sind sie aber wohl geeignet, zumal sie überall leicht an
i) Suppan, Über das Steuern der Schiffe und das sogenannte Patentsteuer. Zeitschrift
für Binnenschiffahrt, 1899, S. 312.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. 419
den Deckbalken oder auf dem Stringer befestigt werden können. Am zuver-
lässigsten sind aus Stahlblech geschweißte oder genietete Poller. Die großen
auf dem Vordeck der Rheinschiife angebrachten Poller haben gewöhnlich 350
bis 450 mm Durchmesser, 550 bis 650 mm Höhe über Deck und reichen
ebenso weit unter Deck, wo sie auf einem Blech stehen, das durch starke
Konsolen mit der Bordwand verbunden ist. Ihre Blechstärke beträgt 10 bis
12 mm und sie werden mit kräftigen Winkelringen sowohl an dem Deck
(von unten) wie auf der unteren Blechplatte befestigt. Der vorderste Poller
auf jeder Seite bekommt meistens noch einen Schutzmantel von 10 mm
Stärke, weil er durch die Schleppstränge am meisten beansprucht wird. Es
ist zweckmäßig, die Poller rechtwinklig zur Deckfläche zu stellen, so daß sie
auf dem Vor- und Hinterdeck infolge des üblichen Sprungs etwas geneigt
zur Senkrechten stehen. Zuweilen bekommen die Poller oben einen durch-
gesteckten eisernen Querstock, der das Abgleiten der Taue verhindern soll
(z. B. an der Weser). Die Ansichten über die Zweckmäßigkeit dieser Ein-
richtung sind aber geteilt. An der Donau werden die Poller »Büffel« ge-
nannt und erhalten zum gleichen Zweck einen etwas überstehenden Deckel.
An der Rhone (vgl. Abb. 191) werden die doppelten Poller oben mit einem
dahinter gelegten starken Querbalken verbunden.
Klüsen sind kreisförmige Öffnungen in den Bordwänden oder in den
Schanzkleidern zum Durchführen von Ketten oder Tauen. Bei stählernen
Borden bekommen sie meistens ein Futter aus Gußeisen oder hartem Holz,
in hölzernen Borden einen Eisenbeschlag. Bei hohem Bug oder Heck müssen
zur Durchführung der Ankerketten besondere Klüsrohre aus Eisenblech
hergestellt werden, die von den Ankerwinden
in geneigter Richtung (30 bis 45^ zur Wage- c >^ /^ 1
rechten) durch das Deck, den Schiffsraum
und die Außenhaut gehen.
Den Klüsen ähnlich sind die »Nagel- /^ gv
löcher«, die auf den östlichen Wasserstraßen ^- '^q ^ d^ ^
üblich sind. Sie haben 80 bis 120 mm Abb. 295. Klampe.
Durchmesser und dienen dazu, senkrecht zur
Bordwand hölzerne Pflöcke (Nägel) von gleicher Dicke und 300 bis 400 mm
Länge nach Bedarf hindurchzustecken, an denen Taue und Seile festgelegt
werden.
Die Klampen (Belegklampen) dienen dem gleichen Zweck. Sie werden
auch Knaggen genannt, aus Eisen hergestellt und mit Schrauben oder Nieten
an den Schiffswänden, den Kajüten oder dem Deck befestigt (Abb. 295).
»Verholklampen« dienen zum Führen der Taue beim Verholen des Schiffes.
Pumpen zum Entfernen des Wassers aus dem Schiffsraum sind nicht
bei allen Lastschiffen angebracht. Bei offenen Schiffen begnügt man sich
damit, einen Teil der Wegerung (Bühne) zu beseitigen und das angesammelte
Wasser mit Schaufeln u. dgl. über Bord zu werfen. An den östlichen Wasset-
27*
420 Abschnitt ü. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft
Straßen richtet man zuweilen eine besondere Stelle dazu ein, mittschiffs oder
mehr nach dem Hinterschiff zu, wo man in doppelter Spantenentfernung mittels
hölzerner Schottwände einen besonderen Raum (die »Gate«) abteilt, der beim
Laden freigelassen wird. Alle besseren gedeckten Schiffe erhalten aber in jedem
Laderaum mindestens einen Pumpenkasten oder ein Pumpenrohr, in die man
eine tragbare Handpumpe einsetzen kann. Besonders bei Schiffen, die imter
Zollverschluß fahren, ist dies notwendig, weil die Mannschaft während der
Reise die Laderäume nicht öffnen und betreten darf. Die Pumpenkasten
werden aus Holz oder aus Eisenblech von 3 bis 4 mm Stärke hergestellt
Auf den Rheinschiffen werden gewöhnlich in jedem Laderaum 2 Pumpen-
rohre aus Blech angeordnet, die mit den Schotten vernietet werden und diese
versteifen. Oben münden sie zuweilen im Bordgang, besser aber in dem
Verdeck der Herfte und werden durch Deckel verschlossen. Sie haben in
der Regel eine Weite von 200 bis 230 mm.
Schutzgeländer werden neuerdings bei größeren Schiffen oft an den
Bordgängen angeordnet, namentlich bei den Rheinschiffen. Sie werden immer
losnehmbar eingerichtet und bestehen aus 700 bis 800 mm hohen eisernen
Pfosten (Szepter), die in Abständen von etwa 2 m in eisernen Schuhen stecken
und oben ein durchgezogenes angespanntes Drahtseil von 12 bis 15 mm
Durchmesser oder eine Kette von 5 mm Dicke tragen. Auf offenen stählernen
Schiffen der östlichen Wasserstraßen setzt man die Geländer zuweilen auf die
innere Seite des Bordgangs nach dem Laderaum zu.
Die Einrichtungen für den Zollverschluß der Laderäume müssen im all-
gemeinen nach den Forderungen der betreffenden Behörden getroffen werden.
Bei Anwendung eines losen Bretterdecks werden vor allem die Gegensparren
(auch Schandeckel genannt) durch Eisenstangen u. dgl. fest mit dem Bord-
gang oder der Bordwand verbunden, beim Plattendeck dagegen Eisenstangen
durch Ösen gezogen, die fest mit den Lukendeckeln und mit dem Tenne-
baum verbunden sind.
Aborte sind erst in neuerer Zeit bei den großen Lastschiffen eingefilhrt.
Sie bestehen meistens aus kleinen Blechhäuschen, die auf dem Hinterdeck
um einige Stufen vertieft neben dem Steuerrad eingebaut werden.
Zur Verständigung zwischen dem Schiffer und der Mannschaft werden
zwischen dem Stand des Steuermanns auf dem Hinterdeck und der vorderen
Mannschaftskajüte unter dem Vordeck bei großen Schiffen Sprachrohre
oder elektrische Klingeln angebracht.
Femer werden gewöhnlich zur Ausstattung gerechnet: die Treppen und
Leitern für die Laderäume, die Landstege und Laufbohlen, die Kettenkasten
und Kettenbänke und die später noch zu erwähnenden Ankerkrane. Außer-
dem werden an den östlichen Wasserstraßen meistens noch Mast und Stange
sowie ein Handkahn (Rettungskahn) mit dem Schiffskörper mitgeliefert, wäh-
rend es im Rheingebiet, wie schon erwähnt, üblich ist, die Ankerwinden
nebst Zubehör bei der Bestellung und Lieferung einzuschließen.
2. Bau und Ausrüstung der LastschifTe.
421
Zur Ausrüstung werden gewöhnlich folgende Teile gerechnet:
Das Ankergeschirr umfaßt Anker, Ankerketten, Ankerwinden, Anker-
krane, Kettenstopper usw. Nicht alle Schiffe führen Anker: Die auf den west«
lichen Kanälen im EbaO, in Belgien und Frankreich verkehrenden Kanal-
schiiTe sind meistens damit nicht ausgerüstet, weil sie auf den Kanälen davon
keinen Gebrauch machen können und aus schifTahrtpolizeilichen Gründen nicht
dürfen. Für alle auf Strömen verkehrende Lastschiffe sind aber die Anker
unentbehrlich. In der Binnenschiffahrt werden zweiarmige (Abb. 296 u. 297)
und vierarmige Anker (Abb. 298) verwendet, die letzteren besonders auf den
östlichen Wasserstraßen, während im Rhein- und Wesergebiet nur zweiarmige
vorkommen. Diese sind stets mit einem »Ankerstockc versehen, der recht-
winklig zur Ebene der Arme steht und beim ausgeworfenen Anker auf dem
Boden liegt, so daß der eine Arm mit seiner Schaufel (auch »Flunke« oder
- »- -
db
Abb. 296 und 297.
r t
-/
Zweiarmiger Anker.
Abb. 298. Vierarmiger Anker.
Hand genannt) in den Grund eindringt. Vierarmige Anker brauchen keinen
Stock, weil bei der Benutzung stets zwei Flunken in den Boden greifen. Zum
Lichten des Ankers wird beim vierarmigen Anker eine besondere Kette mit
Ring und Schelle an einer der Flunken befestigt, während der zweiarmige
Anker dazu einen Ring am unteren Ende des Schafts, im Ankerkreuz, trägt,
an dem diese Kette angebracht wird. Am Rhein nennt man diesen Ring
>Öhr« und diese Kette »Öhringskette«. An den östlichen Wasserstraßen
nennt man sie »Boberkette«, was eigentlich Bowerkette, obere Kette bedeutet.
Früher führten die Lastschiffe nur Buganker, wie das auch heute noch
bei kleineren Schiffen, z. B. beim Kurischen Reisekahn (i), bei der Tjalk (36)
und anderen üblich ist. Die Schiffe konnten daher im Strom nur vor Anker
gehen, wenn sie stromrecht, also mit dem Bug stromauf gerichtet lagen. Auf
den östlichen Wasserstrassen wurden vor etwa 30 Jahren die Heckanker
eingeführt, die am Rhein schon früher im Gebrauch waren. Sie ermöglichen
es, auch bei der Talfahrt zu ankern, ohne »umzugeben« oder »aufzudrehen«.
422
Abschnitt 11. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Jetzt sind die großen Lastschiffe auf Rhein, Elbe und Oder in der Regel
mit 2 Bugankern und 2 Heckankern ausgerüstet, die bei der Fahrt stets klar
zum Werfen gehalten werden. Außerdem werden noch einige Anker zur
Aushilfe mitgeführt, die Stromanker, Fahranker, Wurfanker oder Landanker
genannt werden.
Die Wirksamkeit der Anker hängt in erster Linie von ihrem Gewicht ab,
das in einem gewissen Verhältnis zu der Größe des Schiffes stehen muß. Nach
dem Gewicht des Ankers ist auch die Stärke der Ankerketten zu bemessen.
Die V. V. G. berechnen das Gewicht nach der Tragfähigkeit des Schiffes und verlangen
für je 100 t:
in der Gruppe i 3 5
2 Anker von je 80 60 50
I
I
und an Ketten:
2 Ankerketten (30 m lang) von .
1 Ankerkette » > » » .
2 Bowerketten (35 m lang) » .
70
13
8
50 45
— 40
18
12
21
H
7
40 kg
35 *
35 »
25 mm Stärke
22 *
16 » *
Der G. L. bestimmt diese Stücke nach dem Inhalt des Schiffskörpers in m^, der zu
o,8-L-B'H angenommen werden kann. Er schreibt dann vor:
Bis zum Inhalt von 200
Gewicht der beiden Buganker je 80
Gewicht des Stromankers ... —
Gewicht des Wurfankers ... —
Für den Rhein dagegen:
Gewicht des ersten Bugankers . 100
Gewicht des zweiten Bugankers . 60
Gewicht des Heckankers ... 40
Gewicht des Stromankers ... 30
Gewicht des ersten Wurfankers . 20
Gewicht des zweiten Wurfankers —
Die Kettenstärken allgemein:
Erste Kette (30 m) 13
Zweite Kette (30 m) 13
Für den Rhein dagegen:
Erste und zweite Kette .... 15
in Längen von 50
Dritte Kette —
in Längen von —
400 600
150 200
135
165
25
190 270
140 220
100
70
40
15
H
18
70
H
50
160
HO
50
20
17
15
20
70
16
50
1000
280
225
40
500
380
240
190
70
40
21
18
24
80
20
60
1500 m^
390 kg
290
60
740
580
360
270
90
60
25 mm
22 »
28 >
90 m
23 mm
70 m
Für die amtliche Untersuchung der Rheinschiffe wird das erforderliche Gewicht
des ersten Bugankers in kg aus der Fläche des eingetauchten Hauptspants und einem Er-
fahrungswert ermittelt. Dieser ist bei Schiffen über 400 t =s 27 und bis 400 t &= 21. Für ein
Schiff von 10 m Breite und 2,5 m Tauchtiefe muß dieser Anker also ein Gewicht von 27 • 10-2,5
= Ö75 leg haben. Der zweite Buganker (Notanker) soll mindestens 2/3 so schwer, ein Heck-
anker halb so schwer sein und die Fahranker sollen das Gewicht des Notankers zum ersten
Buganker ergänzen, also zusammen mindestens ^3 von dem ermittelten Gewicht des ersten Bug-
ankers haben. Die Länge jeder Bugankerkette soll 10 m mehr als die Schiffslänge, mindestens
aber 40 m betragen. Die Öhringsketten sollen um 5 m länger sein. Das Gewicht einer Bug-
ankerkette soll gleich 0,03 mal dem Gewicht des Ankers mal der Länge der Kette sein, das
Gewicht einer Öhringskette gleich 1/3 des Gewichts der Bugankerkette. Es sind jedoch auch
Drahtseile von gleicher Zugfestigkeit zulässig. Das Verhältnis zwischen dem Gewicht und den
Abmessungen ergibt sich angenähert aus folgender Zusammenstellung, worin die Buchstaben sich
auf die Abb. 296 bis 298 beziehen.
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
423
Abmessungen in cm
Gewicht
kg
Vierarmiger Anker
Zweiarmiger Anker
g
g
lOO
i6o
200
350
500
800
HO
HO
40
8
6,5
HO
120
40
xo
7,7
120
130
45
10,5
8,7
155
160
75
12,2
>o,5
—
^^
I2S
95
158
120
164
128
186
136
230
174
250
190
39
48
49
55
72
90
9,8
9,5
II
10,8
12
12
14
H
18
17,6
20
17,5
135
170
180
190
250
276
6,5
7,3
8
9,2
11,9
12,5
Bug- und Heckanker hängen während der Fahrt an den Öhrings- oder
Böwerketten, die gewöhnlich durch Rollen an den über Bord reichenden
Anker kr an en zu den Ankerwinden fuhren, während die am Ankerring be-
festigten Ankerketten in loser Bucht durch die Klüsrohre oder einfachen
Klüsen auf Deck gehen. Am Rhein findet man noch oft den ersten Bug-
anker an einem durch Ketten und Drahtseile gegen den Schiffskörper ver-
steiften Bugspriet hängen, der noch aus der Zeit des Segelbetriebs über-
nommen ist. Da er besonders beim Verkehr in den Häfen hinderlich ist,
verschwindet er allmählich. Auch an den östlichen Wasserstraßen findet man
zuweilen ein zum Aufhängen des Ankers bestimmtes kurzes Bugspriet, das
meistens zum Aufklappen eingerichtet ist. Die eisernen drehbaren Krane
verdienen aber den Vorzug.
Die Ankerketten werden verschieden gehandhabt. Auf den Rhein-
schiffen werden sie vom Anker durch das Klüsrohr und den Stopper über
die Kettenscheiben der Winde geführt und fallen dahinter meist durch Deck-
klüsen in den Schiffsraum und in den auf dem Schiffsboden angeordneten
Kettenkasten (Abb. 300 u. 301). Sie werden mit ihrem Ende am Schiffs-
körper (Kielschwein) befestigt. Will man den Anker werfen, so werden die
Kettenscheiben der Winde ausgerückt, so daß sie sich frei bewegen können,
und beide Ketten (Anker- und Ohringskette) laufen (durch die Bremsen
etwas gehemmt) ab, bis der Anker faßt und die Ankerkette straff ist,
wobei die längere Ohringskette schlaff bleibt. Beim Lichten (Hieven) des
Ankers wird zuerst die Ankerkette (auch Kabelkette genannt) mit der Winde
angeholt und die Ohringskette nachgeholt, bis das Schiff nahe an dem Anker
ist. Dann wird mit der Ohringskette der Anker aus dem Grunde gelöst und
bis zum Kran aufgewunden. Schließlich wird noch die lose Ankerkette mit
der Winde nachgeholt. Auf den östlichen Wasserstraßen und auf der Donau
wird in der Regel die Ankerkette gar nicht über die Winde geführt. Sie liegt
vielmehr auf Deck auf der Kettenbank und ist mit ihrem Ende oder in einer
bestimmten Länge an Pollern festgelegt. Die Bowerkette dagegen ist auf der
Trommel der Winde aufgewickelt. Zum Ankerwerfen wird die Trommel aus-
gerückt und die Bowerkette läuft ab, wobei die auf der Trommel angebrachte
424 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Bandbremse die Geschwindigkeit mäßigt. Der fallende Anker nimmt die
Ankerkette mit, bis sie abgelaufen ist und straff wird, so daO der Anker an
den Poüern wirkt. Beim Lichten wird nur die Bowerkette mit der Winde auf-
gewickelt und dann die Ankerkette mit der Hand nachgeholt.
Die Ankerwinden auf den östlichen Wasserstraßen zeigen daher keine
weiteren wesentlichen Abweichungen von gewöhnlichen Bockwinden, Sie and
meistens mit doppeltem Vorgelege und schweiÜeJsemen Wangen versehen.
Außer der oft aus Holz gefertigten Trommel werden sie gewöhnlich noch mit
dnem oder zwei >Köpfen< ausgerüstet, die als kleinere Trommeln außerhalb
der Wai^n auf der Kurbel- oder Vorgelegewelle sitzen und zu anderen
Zwecken, z, B. zum Verholen des Schiffs, gebraucht werden. Auf den Rhein-
schiffen hat man eine sehr zweckmäßige Anordnung der Ankerwinden, die in
Abb. 299 dargestellt ist.
Abb. 299. Ackeminde emes RheinscbiflTs 1:15.
Die Winden haben doppeltes Vorgelege sowie ein Schwungrad. Auf der Hauptwelle
«itzen 2 Kettenscheiben a, genau passend filr die AakerketCen, und aulierhalb der Wangen z eben-
solche Kettenscheiben h für die Übringäketten, die zugleich mit 2 Köpfen c vereinigt sind. Diese
4 Scheiben sind frei auf der Welle beweglich und mit je einer Bremsscbeibe d fest verbunden,
auf der ein stählernes Bremsband gleitet, das mittels Hebels oder Schraub Spindel angezogen
werden kann. Die Kupplung der 4 Kcltenschciben mit der Welle geschieht durch Reibungs-
kegel, die durch in Schraubengewinde laufende Stellräder y nach Bedarf eingerückt oder ge-
löst werden können. Die S mittleren StellrSder für die Ankerketten sind mit HandgrÜTen ver-
sehen, die auch in die beiden außen Hegenden im ßedürfnisfall eingesteckt werden. Zuweilen
werden an der Vorgelege »elie noch z weitere Köpfe angebracht. Diese Winde hat sich seit langer
Zeit bewährt.
Das Verholen der Lastschiffe muß in den Häfen, deren Tiefe den Ge-
brauch von Schiebestangen nicht erlaubt, durch Taue bewirkt werden, die am
Lande oder an besonderen Pfählen (Dalben) befestigt sind. Zum Anholen
dieser Taue benutzt man auf dem Schiffe entweder die Köpfe der Anker-
winden oder besondere Verholwinden. Die Taue werden dazu in Verhol-
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe.
425
Vorschiff eines großen Rheinschiffs, Abb. 300 und 301. i : 80.
Abb. 300. Längsschnitt.
426
Abschnitt U. Lastschiffe ohoe eigeoc Triebkraft.
klampen oder in besonderen Rollen geführt, die auf der Reling oder den
Bordwänden, zuweilen auch auf den Pollem angebracht ^nd. Man benutzt
als Verholwinden auch kleine an den Masten angebrachte Winden, die außer-
dem beim Löschen und Laden Verwendung finden fz. B. beim Rcisekahn,
Abb. 25). Auf einigen Schiffen hat man auch Spills (Winden mit senkrechter
Trommelwelle), die auf der Mitte des Verdecks angeordnet und z. B. bei den
Penischen {Abb. 117) aus Holz, bei den Donauschiffen (Abb. 173 u. 179) aus
Ejsen hergestellt sind.
In den Abb. 300 und 301 ist das Vorschiff eines großen Rheinschiffä in grüQcrem MnSi-
stabe dargestellt, woraus die Stellung der Ankerwinde, die Führung der Ketten, die Ankerkrane,
sowie aacb die Übrige Aasrüstung mit Polleni und der besonderen Vcrhotwinde ersichtlich sind.
Abb. 303. Hinterdeck eines großen Rheinschiffs
Zwischen beiden Abbildungen ist noch ein Grundriß der 4 Kettenkasten eingeschaltet, die im unteren
vordersten Schiffsraum eingebaut sind. Bei älteren Schiffen war die Ankerwinde oft mehr nach
hinten gerückt, so daß die Ketten durch den Manns chaftsraun) frei hindurchgingen und in die
unter dessen Futbodcn angeuidneten Kasten fielen. Das war unbequem, und man schiebt jetil
mebtens die Ankerwinde bis über das Sicherheitsc holt vor, wie dargestellt. In der Abb. 301
ist auch der Grundrili vom Hinterdeck eines groÜen Rheinschiffs mitgeteilt. Man erkennt das
große Steuerrad auf dem Steuerstubl, zu dem zwei kleine Treppen führen, femer die beiden
Heckanker winden (a) mit den beiden Kranen (i', 7 Poller (fj, den Abort (i/| und das Oberlicht (/)
fiSr die nntere Kajüte. — Auf neueren großen Rheinschiffen sind zum Bewegen der Ankerwinden
luweUen im Vor- und Hinterschiff Beniingasmaschinen aufgcütelll.
Mäste mit Segelstangen oder Sprieten werden nicht auf allen
Lastschiffen geführt. Schiffe, die ausschlieDlich auf Kanälen verkehren, tragen
2. Bau und Ausrüstung der Lastschiffe. 427
in der Regel keinen Mast, zumal das Segeln dort oft verboten ist. So fuhren
z. B. die westlichen Kanalschiffe, Penischen u. dgl., häufig nur einen Treidelbaum
mit. Auch die großen stählernen Schiffe auf dem Dortmund-Ems-Kanal, auf
der Weser und auf der Donau werden ohne Mast gebaut. Auf den östlichen
Wasserstraßen haben sich die Mäste noch erhalten: Der kurische Reisekahn
und auch der Boidack führen meistens sogar feste Mäste, die übrigen Schiffe
bewegliche, umlegbare. Die früher auf der Elbe und der Oder üblichen,
bis 40 m hohen Mäste, die für große Segel bestimmt waren, sind allmählich
verschwunden, und jetzt werden nur kleine Mäste benutzt, die bei Schiffen
von 300 bis 1000 t Tragfähigkeit 22 bis 30 m lang und unten im Durch-
messer 350 bis 430 mm stark sind. Sie werden aus Fichtenholz hergestellt
und haben ein Gewicht von 850 bis 1850 kg im frischen, von 550 bis 1200 kg
in lufttrockenem Zustande. Wie schon (S. 398) erwähnt, wird für ihre Auf-
stellung und Bewegung bei guten, gedeckten Schiffen ein Köcher eingebaut,
der oben über der Deckstülpe die Mastlager trägt (vgl. Abb. 265). Der Mast
wird am besten an dieser Stelle durchbohrt und mit einem durchgesteckten
eisernen Drehzapfen von 50 bis 65 mm Stärke versehen. Er wird in senk-
rechter Stellung durch das »Vorstag« (das von seiner Spitze zum Vorsteven
gezogene Drahtseil) gehalten und außerdem gewöhnlich durch einen an seiner
Vorderseite unten angebrachten starken eisernen Riegel, der in der erwähnten
Abbildung dargestellt ist. Er wird zum Niederlegen des Mastes hochgezogen
und der gelöste Vorstag mit einem Tau verbunden, das durch einen am
Vorsteven befestigten Block zur Ankerwinde geführt wird, so daß mit Hilfe
der Bremse der Mast langsam herabgelassen wird und die in der Abbildung
punktierte Lage einnimmt. Er liegt dann mit dem längeren hinteren Teile
auf der Deckstülpe. Wenn er hier etwa beim Durchfahren niedriger Brücken
hinderlich wird, löst man die Schrauben des Mastlagers, beseitigt auch die
beiden Lagerböcke und kann so den Mastbaum auf der geneigten Deckfiäche
nach Bedarf hinunterrollen. Zum Bewegen des Mastbaums längsschiffs be-
dient man sich einer hölzernen »Mastenwalze« von 300 bis 400 mm Durch-
messer. Zum Aufrichten des Mastes benutzt man die sogenannte »Mücke*,
das ist eine 3 bis 4 m lange Stange aus Holz oder Eisen, die oben eine
Rolle trägt und unten rechtwinklig zum Mäste an dessen unterstem Ende be-
festigt wird. Bei der in Abb. 265 dargestellten Bauweise ist hierzu bei a eine
besondere Vorrichtung angebracht, wo die Mücke mittels eines Bolzens fest-
gemacht und dann seitlich abgesteift wird. Ofl wird ihr unteres Ende in ein-
facher Weise in ein im Mäste ausgebohrtes Loch gesteckt. Wenn das Vorstag
mit dem daran befestigten Tau über die obere Rolle der Mücke und durch den
Block am Vorsteven zur Ankerwinde gefuhrt wird, bekommt man ein gutes
Hebelverhältnis und kann mit der Winde den Mast ohne große Anstrengung
aufrichten, bis er wieder im Köcher steht. In ähnlicher Weise wird der Mast
der holländischen Aak gehandhabt, wie aus Abb. 93 ersichtlich ist; doch wird
dort die Hilfstange (Mücke) nicht unten am Mast, sondern auf Deck befestigt.
428
Abschnitt IL Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Am Rhein werden die Mäste, wenn sie überhaupt noch angeordnet
werden, meistens nur zum Löschen und Laden benutzt (vgl. Abb. 96 u. loi).
Die zur Befestigung dienenden einfachen Köcher sind schon oben beschrieben
worden. Die Bewegung durch die am Köcher angebrachte Mastwinde ist in
Abb. 303 dargestellt: Das Seil ist am unteren Ende des Mastes fest, fuhrt
über eine unten am Köcher und über eine unten am Mast angebrachte
Rolle zur Windetrommel. Beim Niederlegen wird diese Trommel ausgerückt
und gebremst. Die Mäste der großen RheinschifTe sind im Durchschnitt
etwa 20 m lang, die Ladespriete etwa 15 m; sie werden aus Fichtenholz an-
gefertigt. Zuweilen macht man sie aus Stahlblech von 4 bis 6 mm Stärke, be-
sonders wenn sie als Lademaste dienen sollen. Bei 18 m Länge bekommen
sie unten einen Durchmesser von 350, oben einen solchen von 200 mm. Die
einzelnen 2,5 bis 3 m langen Teile
werden versenkt genietet und durch
innere Laschen miteinander ver-
bunden. Zur Versteifung werden
innen noch zwei durchlaufende Win-
kel von etwa 50 -40 -5 mm Stärke
angebracht.
Fahrbäume, Bundstaken,
Schor bäume (auch Schoore oder
Schurbäume genannt, vom hollän-
dischen »schooren«, d. i. stützen,
stemmen) oder Schrecke (auch
Schricke) sind 3 bis 5 m lange, 15
bis 20 cm starke Rundhölzer, die
unten einen eisernen Schuh mit
einer oder zwei kräftigen Spitzen
(»Forke«) und oben ein 30 bis 40 cm langes aufgezapftes Querholz tragen.
Sie dienen zum kräftigen Abdrücken des Schiffes von der Flußsohle zur
Unterstützung der Steuerwirkung oder zur Hemmung der Fahrt Man setzt
sie während der Fahrt, vom Vordeck oder vom Hinterdeck aus, etwas seit-
wärts voraus (in der Fahrtrichtung) schräg gegen den Grund und schlingt
schnell um das obere Querholz ein kräftiges Tauende, das an einem starken
Ringe (Pötting) nahe den Pollern auf Deck befestigt ist. Das Schiff hebt
sich dann etwas und wird kräftig zur Seite gedrängt. Beim »Umgeben« oder
»Aufdrehen« eines Lastschiffs oder Dampfschiffs leisten diese Fahrbäume sehr
gute Dienste. Sie werden auch zum Stützen eines vor Anker, besonders vor
dem Heckanker, liegenden Schiffes angewendet und sind fast auf allen
Wasserstraßen gebräuchlich.
Die Schleppkette (lang und schwer) dient gleichfalls zur Hemmung
der Fahrt imd zur Unterstützung der Steuerwirkung, besonders bei großen
Wassertiefen, die die Anwendung von Fahrbäumen und Schiebestangen nicht
Abb. 303. Mastwinde auf einem RheinschifT 1:75.
3. Die Kosten der Lastschüfe. 429
t
erlauben. Häufig benutzt man sie beim Rückwärtstreiben zu Tal (»Sacken«),
besonders beim Durchfahren enger Brückenöffnungen.
Zur Ausrüstung gehören ferner noch: Schiebestangen (auch Schiebruder
genannt], Bootshaken, Peilstangen, Taue und Trossen (zum Schleppen, Ver-
holen, Landfestmachen u. dgl.), Reibhölzer und Korkballen (auch Fender ge-
nannt, zum Schutz des Schiffes gegen Stöße), Signallaternen und Flaggen.
Alle größeren Lastschiffe fuhren auch einen Handkahn (Rettungsboot
oder «Flieger«) mit sich und andere Hilfsmittel bei Unfällen: Rettungsringe,
geeignete Stoffe zum Verstopfen eines Lecks, wasserdichte Leinwand (Per-
senning) zum Unterziehen unter dem Schiffsboden, am Rhein Leckkleider
oder Rettungskleider genannt; femer Windeheber, Scherzeug und andere
Geräte. Schließlich sind noch Behälter (Kasten oder Fässer) für Trinkwasser
und einzelne Ersatzteile für die Steuervorrichtung zu erwähnen.
Anstrich. Über die Behandlung der hölzernen Schiffe ist oben (S. 378)
gesprochen worden. Noch wichtiger ist ein guter Anstrich bei eisernen und
stählernen Schiffen, wenn sie nicht in ganz kurzer Zeit dem Rost zum Opfer
fallen sollen. Schon beim Bau müssen die »Landungen«, das sind die inneren
Flächen der zusammen zu nietenden Teile, gut gereinigt und mit Öl oder
Mennige gestrichen werden. Das fertige Schiff wird sauber gereinigt und
getrocknet und in der Regel zuerst mit einem Anstrich von Mennige und dann
mit einem zweimaligen von Ölfarbe versehen. Dieser erste Anstrich pflegt nicht
lange zu halten, weil die Stahlbleche beim Walzen eine ganz dünne, feine Haut
(Walzhaut, Zunder) bekommen, die sich bald mit der Farbe ablöst. Man soll des-
halb jedes neue Schiff nach dem ersten Winter mit einem neuen Anstrich
versehen, nachdem der erste und die etwa entstandenen Roststellen entfernt
sind. Der Anstrich muß überhaupt alle 2 bis 3 Jahre über Wasser und alle
1 7a bis 2 Jahre unter Wasser erneuert werden. Man ist seit Jahren bemüht,
für den Boden und die unter Wasser befindlichen Teile einen dauerhafteren
Anstrich zu finden. Die besten Erfolge hat man bisher mit Steinkohlenteer
gemacht, der mit Petroleum (^/j), neuerdings auch mit Zement gemischt wird.
Gut soll sich auch der Anstrich mit Blackvarnish bewährt haben.
Schwer zugängliche innere Teile des Bodens, besonders an den Steven
in der Piek, werden mit Zementmischungen (i Teil Zement, 2 Teile grober
Sand) ausgefüllt. Man macht bei Binnenschiffen davon aber weniger Ge-
brauch als bei Seeschiffen, um das Eigengewicht nicht zu vergrößern.
3. Die Kosten der Lastschiffe.
Die Beschaffung der Lastschiffe erfolgt in der Regel auf Grund eines mit
der SchifTbauanstalt abgeschlossenen Vertrags. Dieser enthält die Ver-
einbarungen über die Lieferfrist (bei guten stählernen Lastschiffen 6 bis
8 Monate), den Kaufpreis, die Zahlungsbedingungen und die Haftpflicht des
Unternehmers für die Mängel infolge schlechten Baustoffs oder fehlerhafter
430 Abschnitt II. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Bauweise, die sich meistens auf 6 bis 8 Monate erstreckt. Ein wesentlicher
Teil des Vertrags ist die beigefugte Beschreibung des zu erbauenden Schiffes
(auch »Besteck« genannt), in der die einzelnen Bauteile mit ihren Abmessungen
und Stärken mehr oder minder vollständig aufgeführt und besonders auch der
Leertiefgang und die Tragfähigkeit festgesetzt werden. Femer gehört dazu
eine Zusammenstellung der mitzuliefernden Ausstattungs-, Ausrüstungs- und
Ersatzstücke. Der Besteller behält sich im Vertrage oft noch das Recht
vor auf Prüfung der zu verwendenden Baustoffe und auf Überwachung des
Baues durch seine Beauftragten. Auch wird wohl die Lieferung genauer
Bauzeichnungen vereinbart, falls diese nicht schon dem Vertrage beigefugt
wurden.
Manche Schiflfbauanstalten erbauen zuweilen aus Mangel an genügenden
anderen Aufträgen auf eigene Rechnung Lastschiffe in den üblichen Ab-
messungen und Einrichtungen und verkaufen sie während oder nach Voll-
endung des Baues. Dies Verfahren bietet unter Umständen dem Käufer ge-
wisse Vorteile.
Der Nutzwert eines Lastschiffs wird für den Besteller außer anderen
schon (S. 264) erwähnten Anforderungen in erster Linie durch die Tragfähig-
keit bestimmt, die sich aus der amtlichen Eichung ergibt. Die Her-
stellungskosten werden außerdem durch die Baustoffe (Holz oder Eisen),
die Festigkeit (mehr oder minder gute Versteifung u. dgl.), die Einrich-
tung (von Deck, Laderaum und Kajüten) und die Ausstattung (namentlich
der Kajüten) bedingt. Die SchifTbauanstalt ermittelt den Verkaufspreis
auf Grund einer genauen Berechnung der erforderlichen Baustoffe (die schon
bei der Aufstellung des Entwurfs zur Feststellung der Verdrängung und des
Leertiefgangs nötig ist, vgl. S. 246), aus den Kosten dieser Baustoffe, aus
den Arbeitslöhnen und aus den allgemeinen Unkosten einschließlich des
Unternehmergewinns.
Zur Schätzung und zum Vergleich der Neubaukosten von ähnlich ge-
bauten und eingerichteten Lastschiffen verschiedener Größe empfiehlt sich
ihre Tragfähigkeit. Die Menge der erforderlichen Baustoffe kann man nach
dem toten Gewichte schätzen. In der Tafel auf Seite 347 waren für eine
Reihe der gebräuchlichsten Lastschiffe die Wasserverdrängungen in leerem
und beladenem Zustande (Spalte 9 und 10) zusammengestellt und aus Spalte 11
ergab sich, daß das tote Gewicht zwischen 0,13 (bei der Penische) und
0,27 (bei dem gedeckten Oderschiff nach Finowmaß mit Holzboden) der
Tragfähigkeit schwankte. Das tote Gewicht umfaßt den Schiffskörper
mit allen festen Teilen (Schiffseigengewicht), die Ausstattung der Kajüten,
die Ausrüstung (Anker, Ketten, Trossen, Tauwerk, Segel, Stangen u. dgl.),
die Bemannung und deren Vorräte und Lebensmittel. Wenn man, wie
meistens üblich, zu dem Schiffskörper auch die Ankerwinden (was für die
ostdeutschen Wasserstraßen allerdings nicht zutrifft) sowie die Ausstattung
der Kajüten rechnet, so entfallt von dem toten Gewicht auf die Ausrüstung,
3. Die Kosten der Lastschiffe. 431
Bemannung und deren Zubehör ein Anteil von 0,03 bis 0,06, gewöhnlich
0,05, je nach dem mehr oder minder reichlichen Maß der Ausrüstung und
der Bemannung. Bei Kanalschiffen ist der Anteil am kleinsten: z. B. bei den
Penischen, die weder Anker, noch Winden, noch Mäste, noch Segel fuhren,
zuweilen noch etwas kleiner als 0,03.
Wenn man diesen geringfügigen Anteil 0,03 bis 0,06 vernachlässigt, ent-
fallen vom toten Gewicht bei stählernen Schiffen mit Holzdeck etwa 0,75 auf
Stahl und Eisen und 0,25 auf Holz (nebst Werg, Teer, Farbe, Glas u. dgl.),
bei solchen mit hölzernem Boden dagegen etwa 0,5 auf Stahl und Eisen. Bei
genauer Ermittelung der Gewichte werden bei Eisen und Stahl 5 bis 7 v. H.
für Niete und Stöße hinzugerechnet. Für die Kostenberechnung werden
ferner Zuschläge für Verschnitt gemacht, etwa für Holz 30 v. H. und für
Eisen 10 v. H.
Die Preise der Baustoffe schwanken nach Ort und Zeit.
Die Holzpreise sind im allgemeinen nicht sehr veränderlich, wenn man
von ungewöhnlichen Holzarten absieht. Man zahlt je m^ für Pichpine- oder
Eichenholz 120 bis 130 Mark, für Kiefernholz (an den östlichen Wasser-
straßen] 60 bis 70 Mark, für Fichtenholz 50 bis 55 Mark und für Teakholz
270 bis 290 Mark. (Bei der Gewichtsberechnung wird mit Rücksicht auf den
schwankenden Wassergehalt gewöhnlich i m^ Eichenholz mit 0,9 t und i m^
Kiefern- oder Fichtenholz mit 0,7 t angesetzt.)
Die Preise von Stahl und Eisen sind selbst für denselben Ort zeitlich
sehr verschieden, namentlich für Bleche und Formeisen (Winkel u. dgl.). Für
Schmiedestücke zahlt man je Tonne 250 bis 350 Mark, je nachdem es sich um
kleine oder größere, schwierigere Teile handelt, und für Niete und Gußeisen-
stücke kann man 230 bis 260 Mark rechnen. Die von diesen Eisenteilen nötigen
Mengen sind unbedeutend gegenüber dem Bedarf an gewalztem Blech und
Formstahl. In Deutschland schwanken die Preise für die Tonne Schiffbau-
stahl zeitlich bei Blech zwischen iio und 150 M. und bei Formstahl zwischen
95 und 130 Mark (frei Werft). Zu diesen Grundpreisen treten noch Überpreise
für besonders dünn und schwierig zu walzende Bleche und Formstahle (z. B.
Relingeisen), die unter Umständen bis 300 Mark je t betragen können. Diese
Unterschiede der Grundpreise beeinflussen wesentlich den Preis der Schiffe.
Auf eine Tonne Tragfähigkeit entfallt z. B. bei einem gedeckten Oderschiff
mit Holzboden etwa 0,13 t Blech und Formstahl und bei einem Rheinschiff
etwa 0,16 t. Der Preis des Schiffes kann daher allein aus diesem Grunde
im ersten Beispiele um 5 Mark, im zweiten um 6 Mark je Tonne Tragfähigkeit
schwanken.
Dazu treten noch örtliche Unterschiede. In Deutschland werden die
Preise dieser Baustoffe von den Syndikaten festgesetzt, die unter Umständen
nach dem Auslande dieselben Waren billiger*) verkaufen. Aus diesem Grunde
i) Es wird behauptet, daß der Preisunterschied je Tonne bis zu 30 M. betragen hat.
432 Abschnitt n. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft
können z. B. die holländischen Werften nicht nur Rheinschiffe, sondern auch
Schiffe für den Dortmund- Ems- Kanal und selbst für die Weser (mit Beför-
derung über See) aus gleichem Baustoffe unter Umständen erheblich billiger
liefern als die deutschen Schiffbauanstalten an diesen Wasserstraßen; denn
in Deutschland besteht kein Einfuhrzoll auf Schiffe, während für in Deutschland
gebaute Schiffe beim Verkauf nach Rußland, Osterreich und Frankreich
bedeutende Einfuhrzölle zu entrichten sind. Hierunter leidet der . deutsche
Schiffbau.
Die erheblichen Unterschiede und Schwankungen der Arbeitslöhne
nach Ort und Zeit sind bekannt. Auch in dieser Beziehung treten die hol-
ländischen Werften mit den deutschen in empfindlichen Wettbewerb, weil dort
(besonders in der Provinz Groningen) die Arbeitslöhne erheblich billiger sind,
ziunal es dort keine Arbeiterversicherung gibt^). Man veranschlagt die Arbeits-
löhne für alle Stahl-, Eisen- und Schmiedearbeiten zu etwa i lo Mark je Tonne
und für die Holzarbeiten zu iio bis 115 Mark ie m^').
Die allgemeinen Unkosten umfassen die Verzinsung der Werftanlage,
die Abnutzung der Maschinen und Geräte, die Arbeiterfiirsorge, die Aufstellung
des Entwurfs, die Aufsicht, Verwaltung imd Leitung sowie sonstige Geschäfts-
unkosten. Bei einer kleinen SchifTbauanstalt ist dieser Kostenanteil vielleicht
geringer als bei einer großen ; diese wird aber durch zweckmäßigeren Maschinen-
betrieb an Arbeitslöhnen sparen und oft auch bessere Arbeit leisten. Die
allgemeinen Unkosten werden geringer, wenn mehrere Lastschiffe nach dem-
selben Entwurf gebaut werden; sie schwanken sehr, jenachdem die Werft
beschäftigt ist. Man veranschlagt die allgemeinen Unkosten zu 50 bis 70 v. H.
der Arbeitslöhne (etwa 50 bis 60 v. H. bei Eisenarbeiten, 55 bis 65 v. H. bei
SchifTbauarbeiten m Holz und 60 bis 70 v. H. bei Tischlerarbeiten). Den Unter-
nehmergewinn stellt man mit 10 v. H. der Summe in den Anschlag ein.
Im Durchschnitt kann man annehmen, daß von den gesamten Kosten
0,5 auf die Baustoffe (nebst Ausstattung), 0,25 auf die Arbeit, 0,15 auf die
allgemeinen Kosten und 0,1 auf den Gewinn entfallen. Von Einfluß auf die
Höhe des Preises sind auch die Zahlungsbedingungen, die verschieden
vereinbart werden. Zuweilen werden von dem Kaufpreise 15 v. H. bei dem
Vertragsabschluß, 30 v. H. nach der Beplattung, 30 v. H. nach der Ablieferung
und 25 V. H. nach Ablauf der Haftzeit gezahlt. Wenn der Besteller einen er-
heblichen Teil des Preises lange Zeit schuldig bleibt oder die Restsumme
als Hypothek auf das Schiff eintragen läßt, wird von der Schiffbauanstalt
in der Regel ein höherer Preis gefordert werden müssen.
Die im Laufe der Jahre 1905 bis 1910 wirklich bezahlten Preise für
Lastschiffe sind in der nachstehenden Tafel zusammengestellt In Spalte 2
ist die Nummer mitgeteilt, unter der das betreffende Schiff früher beschrieben
i) Es wird behauptet, daß die Arbeitslöhne für ein großes Rheinschiff in Holland um
5000 bis 7000 Mark niedriger sind.
2) Vgl. Hern er, Das Veranschlagen von Schiffen. Hannover 1906. (Seeschiffe.)
3. Die Kosten der LastschifTe.
433
worden ist. Die Ergebnisse der Umfragen bei den Schiffseignern und Schiff-
bauanstalten sind, auf eine Tonne der amtlich geeichten Tragfähigkeit bezogen,
in der Spalte 6 aufgeführt, während in Spalte 5 der durchschnittliche, mittlere
Preis fiir das Schiff angegeben ist. In diesen beiden Preisen sind die Kosten
der Ausrüstung nicht mit enthalten, sondern in der Spalte 7 besonders mitgeteilt.
I 2
Nr.
Des SchifTes
Nr.
Art des Schiffes
Trag-
mhigkeit
Mittlerer
Preis
Mark
Boidack
I. Hölzerne, offene Schiffe.
1 150
3 I 7
4 i 37 |!
5 i 48 ,
Zille, böhmische mit hölzernen Spanten
» > » gemischten >
> » > eisernen »
' Berliner, aus Kiefernholz ....
Oderschiff, Finowmaß
» Breslauer Maß
Emspünte
Trauner
350
200
200
200
200
210
500
180
72
3300
6300
2 600
3800
4600
4400
5700
15 000
4500
400
II. Hölzerne, gedeckte Schiffe.
6 ! I '; Kurischer Reisekahn, Kiefernholz .
Eichenholz
7
4 "
8
6
9
7
1
9
10
II
25
12
35 :
13
8
9:
14
12
15
8
9
16
II
17
12
13
>
Teube
Oberländer Kahn
Oderkahn mit Kaffen . . . .
Oderschiff, Finowmaß, Steven
» Breslauer Maß . .
Eibschiff, Bretterdeck ....
Penische, Tafel deck, Eichenholz
Maasspitz, » »
100
250
100
250
76
150
200
250
500
800
300
280
6500
15000
9500
20000
5700
7000
8000
9500
18000
30000
10 000
II 000
Preis je
I Tonne
der Trag- '
fähigkeit
Mark
Kosten
der
Ausrüstung
Mark
20—25
16—21
12—14
18— ao
22 — 24
20—24
20—34
28—32
24^-26
5-6
55—75
50—70
80—110
70—90
70—80
45—50
33—44
33—40
33—38
34—39
32—35
38—42
III. Stflhleme, offene Schiffe mit Holzboden.
Oderschiff, Finowmaß
> Breslauer Maß
Eibschiff, Planer Maß . .
' 200
10 000
240
II 000
500
25 000
700
32000
44—52
42—50
46—53
42—50
IV. Stählerne, gedeckte Schiffe mit Holzboden.
Oderschiff, Finowmaß, Bretterdeck
» Breslauer Maß »
Weichselschiff*
Eibschiff, Planer Maß, Bretterdeck
» großes, Bretterdeck . .
rt, BinneaschiflTahrt.
' 240
13000
55-60
500
30000
52—62
500
28500
57
700
1000
^6000
48-58
54000
50 — 60
1 500
2000
I 400
1500
I 600
I 800
2000
3500
I 500
50
I 600
2200
I 800
2500
I 000
I 800
2000
aooo
4000
5000
800
I 600
2000
2000
4000
4500
2500
4500
5000
5000
6000
28
434
Abschnitt H. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
Nr.
21
22
23
34
«5
26
27
28
29
Nr.
Art des Schiffes
8
9
12
"4
15
4«
38
18
19
21
20
22
25
35
44
45
46
4
5
6
Des Schiffes
Trag- Mittlerer
fähigkeit Preis
t Mark
Preis je
I Tonne
der Trag-
fähigkeit
Mark
18
8
9
19
10
20
12 i
. Kosten
der
Ausrüstung
Mark
y. stählerne, offene Schiffe (mit Stahlboden).
Oderschiff, Finowmaß
> Breslauer Mab
Klodnitzkanalschiff*
Eibschiff, Flauer Maß
Oderschiff, Finowmaß, Bretterdeck . .
» Breslauer Maß, Bretterdeck.
Eibschiff, Flauer Maß, Bretterdeck . .
» großes, Bretterdeck
* > festes Stahldeck* . .
Weserschiff, mit Wellblech- Verdeck . .
Dortmund-Ems-Kanalschiff, in
Deutschland gebaut
Dgl
Holländischer Käst, Tafeldeck . . .
Rheinschiff, Tafeldeck
» mittlere Größe, Tafeldeck.
Besondere Lieferungen in größerer Zahl:
im Jahre 1898 in Holland gebaut ....
» » 1909 * * * ....
> » 1900 > Deutschland gebaut . .
» » 1910 » Holland* » . .
Penische aus Stahl, Tafeldeck
Maasspitz » » »
Donauschi ff, fest. Stahldeck, Freibord 0,5
> > > 0,5
» » » » 0,84
Für das Schiff Nr. 45 würde sich ergeben:
bei einem Freibord von 0,25 m . . .
* > » » 0,10 » . . .
Bei den gedeckten Schiffen der ostdeutschen Wasserstraßen, besonders
in den Gruppen IV und VI, sind die Preise nur für den Bau mit Bretter-
deck angegeben. Diese Schiffe werden aber häufig mit Tafeldeck (Platten-
deck) versehen und der Preis je Tonne stellt sich dann um etwa 2 Mark
höher.
Fast alle Angaben der Spalte 6 sind aus einer größeren oder kleineren
Zahl ähnlich gebauter Schiffe ermittelt, bei den mit einem * bezeichneten
Schiffen lag dagegen nur eine zuverlässige Mitteilung vor.
240
12000
50-56
2500
500
27000
52-58
4000
162
9500
59
2400
700
34000
45—53
4500
fe (mit Stahlboden).
240
14000
54-64
3000
500
31 000
56-66
4500
700
38000
50—60
5000
1 000
58000
54-62
6000
1300
75000
58
7000
625
35000
54-60
3000
750
47000
64—71
3000
920
50000
52-58
3000
460
31000
63—70
4000
700
38000
50—60
6000
I 700
76 500
40—50
xoooo
I 500
67500
45
10 000
I 670
65x30
39
xoooo
I Soo
79200
44
10 000
3583
173 000
48,3
14000
300
13 000
42 45
I OOG
280
15500
54—57
2000
650
41 000
63
4000
675
44800
66
4500
X 000
65 000
65
5500
786
44800
57
853
44800
52,5
3. Die Kosten der Lastschiffe. 435
Innerhalb der einzelnen Gruppen der Tafel erkennt man, daß bei ähnlich
gebauten Schiffen der Einheitspreis je Tonne Tragfähigkeit mit zunehmender
Tragfähigkeit im allgemeinen etwas abnimmt. Besonders ist das bemerkbar,
wenn Länge und Breite des Schiffes unverändert bleiben und die Zunahme nur
nach der Höhe erfolgt (z. B. Oderschiff nach Finowmaß, Nr. 9 und Nr. 13
und Dortmund-Ems-Kanalschiff, Nr. 24). Wenn die Länge und besonders
die Breite dagegen zunehmen, wird der Einheitspreis, wenigstens bei gut ver-
steiften stählernen Schiffen, höher: Das Oderschiff nach Breslauer Maß zeigt
höhere Preise als das nach Finowmaß; dagegen ist der Einheitspreis bei dem
Eibschiffe nach Flauer Maß niedriger als bei dem Oderschiff nach Breslauer
Maß, weil die Breite dieselbe bleibt. Eibschiffe von größerer Breite (z. B.
bei Nr. 17 und Nr. 22) erfordern wegen der nötigen Versteifung wieder höhere
Einheitspreise. Bei den Rheinschiffen zeigt sich ähnliches: Der Einheitspreis
nimmt mit der Größe im allgemeinen ab, aber bei dem größten Schiffe von
3583 t wächst er wieder wegen der erforderlichen Versteifung, namentlich des
Bodens. Die Kosten nehmen also nicht immer in umgekehrtem Verhältnis
der Tragfähigkeiten ab.
Auch ist das leichteste Schiff nicht immer das billigste. Es war oben
(S. 348) festgestellt, daß z. B. von allen in der Tafel aufgeführten Fluß- und
Kanalschiffen das Dortmund-Ems-Kanalschiff am leichtesten war, weil sein
totes Gewicht nur 0,19 t je Tonne Tragfähigkeit betrug; nach der Preistafel
ergeben sich aber (wenigstens für in Deutschland gebaute Schiffe) sehr hohe
Einheitsätze. Auch das sehr leicht gebaute Donauschiff (45) von 675 t Trag-
fähigkeit, dessen totes Gewicht 0,2 t und bei einem Freibord von 0,1 m sogar
nur 0,16 t betrug, kostet je Tonne 66 Mark oder 52,5 Mark und kann daher nicht
als außerordentlich billig bezeichnet werden. Dagegen nehmen bei den Rhein-
schiffen innerhalb der erwähnten Grenzen die Einheitspreise im Verhältnis
zum toten Gewicht ab.
Die Kosten der Ausrüstung sind in Spalte 7 der Tafel in runden Summen
angegeben worden. Auf die Mitteilung von Einzelpreisen muß verzichtet
werden; doch ist zu erwähnen, daß i kg Anker und Ankerkette 0,45 bis
0,48 Mark, i kg Hanftrosse etwa i Mark und i kg Takelung 1,5 bis 2 Mark
kosten.
Die Unterhaltungskosten der Lastschiffe sind sehr verschieden, je
nach den Unfällen, die sie erleiden, nach der Behandlung durch die Mannschaft
und nach der Güte der ersten Herstellung*). Für stählerne Schiffe ist in erster
Linie auf die Erhaltung eines guten Anstrichs (S. 429) zu achten, der am
besten alle i 7a bis 2 Jahre unter Wasser und alle 2 bis 3 Jahre über Wasser
zu erneuern ist, nachdem alle Roststellen sorgfaltig abgekratzt sind. Auch
der innere Anstrich sollte alle 2 bis 3 Jahre erneuert werden. Die Unter-
suchung des Bodens und die Erneuerung des Anstrichs wird leider mit Rück-
l) Wegen der Lebensdauer der Lastschiffe vgl. den »Bestand der deutschen Binnen*
schiffe c am Ende dieses Bandes.
28*
436 Abschnitt 11. Lastschiffe ohne eigene Triebkraft.
sieht auf die Schwierigkeit und die Kosten des Aufschleppens gewöhnlich nur
in längeren Zeiträumen ausgeführt. Große Schiffe dürfen überhaupt nur mittels
eines Schiffswagens auf Land gebracht werden, weil sie sonst an Festigkeit
verlieren würden.
Die Kosten des Aufschleppens auf die Hellinge und des Zuwasserlassens mittels Wagen
betragen:
An den ostdeutschen Wasserstraßen:
fiir Schiffe von 250 bis 300 t Tragfähigkeit 80 bis 100 Mark
» » » 400 > 500» > 110 » 120 »
3» » » 600 » 700 » » 130 » 140 »
Am Rhein wird bezahlt:
für Schiffe bis 500 t Tragfähigkeit 34 bis 50 Mark je 100 1
» » über 500 » > 24 » 34 > » 100 »
Ältere Schiffe mit Holzboden müssen alle 4 bis 5 Jahre und neuere
alle 7 bis 8 Jahre auf Land genommen werden, um die Nähte des Bodens
zu dichten und zu spunden. Der Boden schleift sich allmählich ab. Wenn
er mehr als ein Viertel der Dicke verloren hat, muß er entweder erneuert
oder mit 4 cm starken Brettern besohlt werden. Im letzteren Falle müssen
die Bruhnen erneuert werden.
Die Vorschriften des Germanischen Lloyds, des Rheinschiff-Register-
Verbandes und der Vereinigten Transport- Versicherungs-Gesellschaften über
die regelmäßigen Untersuchungen der Lastschiffe sind schon (S. 365)
erwähnt worden.
Die durchschnittlichen jährlichen Unterhaltungskosten
schwanken sehr. Nach den eingezogenen Mitteilungen ergibt sich aber mit
ziemlich guter Übereinstimmung, daß sie je Tonne der Tragfähigkeit auf
I bis 2 Mark veranschlagt werden können.
Abschnitt III.
Schifife mit eigener Triebkraft, Kraftschiflfe.
I. Die Fortbewegungsmittel.
Allgemeines. Um die Arbeit der an Bord eines Schiffes befindlichen
Triebkraft, die von einer Dampf- oder Gasmaschine, durch Elektrizität oder
durch die Muskelkraft von Menschen und Tieren geliefert werden kann, zur
unabhängigen Fortbewegung des Schiffes (S. 235) in ruhendem Wasser zu
verwenden, sind Fortbewegungsmittel (Propeller) nötig, durch die diese Kraft
auf das Wasser einwirken kann. Es sind das: Schaufelräder, Schrauben und
ähnliche mechanische Vorrichtungen. Die Verwendung der Muskelkraft kommt
heute nicht mehr in Frage').
Die Wirkung aller Fortbewegungsmittel beruht darauf, daß sie auf das
Wasser einen Druck oder Stoß ausüben und der dadurch hervorgerufene
Gegendruck (Reaktion) des Wassers das Schiff vorwärts schiebt. Wenn sich
das Schiff mit einer Geschwindigkeit v vorwärts bewegt, erhalten die mit
dieser Geschwindigkeit in das Fortbewegungsmittel eintretenden Wasserfaden
eine Beschleunigung, so daß sie mit einer größeren Geschwindigkeit u aus-
treten. Die Beschleunigung beträgt also (// — z/). Der ausgeübte Druck ist
gleich dem Gegendruck und gleich dem Schiffswiderstand ( W] und nach dem
dynamischen Grundgesetz gleich der Masse mal der Beschleunigung. Wenn
der Querschnitt des beweg.ten Wasserstroms mit F^ das Gewicht des Wassers
mit G und die Beschleunigung der Schwere mit g bezeichnet wird, so ist
die sekundlich zurückgeworfene Masse des Wasserstroms =— - u - F und der
g
Gegendruck') :
R=W=—-F'U(u — v). (i)
Der von dem Bewegungsmittel (z. B. einer Schaufel des Schaufelrades) in der
Zeiteinheit zurückgelegte Weg ist = z^ + j ^j und die dabei geleistete Arbeit
i) Auf den chinesischen Strömen gibt es allerdings noch große Schiffe mit einem am Heck
angebrachten Schaufelrad, das von Menschen mittels eines auf dem Hinterschiff befindlichen Tret-
rades angetrieben wird.
2) Nach Rankine, Busley, die Schiffsmaschine II. Kiel, 1886.
438 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, KraftschifTe.
ist
= Wlv-\ j oder =W - v -j- Wl j. Der erste Teil 1^ v ist die
zur Fortbewegung des Schiffes nutzbar gemachte Arbeit (Kraft mal Weg) und
der zweite Teil ist die lebendige Kraft (Masse mal dem halben Quadrat der
Geschwindigkeit) des austretenden Wasserstroms oder der unvermeidliche
Arbeitsverlust :
Die zum Antrieb des Fortbewegungsmittels erforderliche Maschinenleistung [L)
ist mindestens gleich der Summe der Nutzarbeit und des Arbeitsverlustes,
wenn alle nebenbei auftretenden Verluste durch Reibung und Stöße unberück-
sicht bleiben:
L= W'V+ w\^ — -\
oder mit Einsetzung der vorbestimmten Werte:
L=~'F'U[u^-v% (3)
Der Wirkungsgrad eines Fortbewegungsmittcls (ly) ist das Verhältnis der Ge-
samtarbeit zur Nutzarbeit (Widerstandsarbeit des Schiffes) also
F - u(u — v) -v
ri == ^^ oder 17 = - . (4)
F ' uiu — V ]
^g
Dies ist der größte überhaupt mögliche Wirkungsgrad, weil alle Reibungs-
und Stoßverluste unberücksichtigt geblieben sind und femer vorausgesetzt ist,
daß alles von dem Fortbewegungsmittel bewegte Wasser nach hinten ge-
worfen wird. Diese Voraussetzungen treffen niemals zu.
Für u = v wird rj^zj. Es wird dann die Beschleunigung (u — v) = 0
und auch der Gegendruck und der Schub =^.
Die Beschleunigung (u — v)^ also der Unters<:hicd der Geschwindigkeit
des austretenden Wassers (oder des Fortbewegungsmittels) und der Geschwin-
digkeit des Schiffes nennt man den Schlüpf (Slip oder Rücklauf). Es ergibt
sich aus den vorstehenden Erörterungen, daß er niemals zu Null werden kann.
Man gibt ihn in der Regel im Verhältnis zu u an:
U — 2' . .
•y = 5
u
Bei demselben Fortbewegungsmittcl und demselben Schiffe wächst der Schlüpf
mit dem Schiffswiderstande, ist also beim Schleppen in begrenztem Fahrwasser
am größten. Im übrigen ist sein Verhalten bei den einzelnen Fortbewegungs-
mitteln verschieden.
Aus der Gleichung (i) erkennt man, daß die Größe des Gegendrucks
des Wassers oder des Schubs unter sonst gleichen Umständen wesentlich von
(F • u) abhängt: je kleiner «, um so größer muß mithin F werden, um die-
X. Die Fortbewegungsmittel.
439
selbe Wirkung zu erreichen. Da der Wirkungsgrad nach Gleichung (4) mit
abnehmendem u wächst, ist es bei jedem Fortbewegungsmittel vorteilhaft, für
einen möglichst großen Querschnitt (F) des Wasserstroms zu sorgen^ damit
seine Geschwindigkeit (u) so klein wie möglich wird.
Unter der Geschwindigkeit des Schiffes [v] ist die Bewegung des
Schiffes gegen das Wasser zu verstehen. Für die Gesetze der Fortbewegung
ist es ziemlich gleichgültig, ob das Wasser sich bewegt und das Schiff still
liegt oder umgekehrt. Wenn in einem Strome beide sich fortbewegen, muß
man bei dem Schiffe die scheinbare Geschwindigkeit gegen das Ufer von der
wirklichen Geschwindigkeit (v) gegen das Wasser unterscheiden. Wenn v^
die Geschwindigkeit des strömenden Wassers, v^ die scheinbare Geschwindigkeit
des Schiffes bei der Bergfahrt und v^ bei der Talfahrt bedeuten, so ist bei
der Bergfahrt v=v^ +v^ und bei der Talfahrt v = v^ — v^.
Wird das Schiff in stillem Wasser fest vertäut, so daß seine Geschwin-
digkeit zu Null wird, so wird durch den Antrieb des Fortbewegungsmittels
dem Wasser eine gewisse Geschwindigkeit erteilt, indem die zurückgeworfene
Wassermenge stets durch eine ebenso große neu hinzufließende Menge er-
setzt wird. Die Ge-
schwindigkeit V kann Ql ]^ ^ y
in diesem Falle sehr
klein, aber niemals zu
Null werden.
Schaufelräder.
In dem geschichtlichen
Rückblick wurde mitge-
teilt (S. 88), daß die Ver-
suche zur Benutzung
von Schaufelrädern, die
anfangs durch Men-
schenkraft bewegt wur-
den, sehr alt sind. Der
mechanische Vorgang
ist folgender: In der Abbildung (304) stellt MN die Oberfläche des ruhenden
Wassers und 0 den Mittelpunkt der Radwelle eines sich gleichmäßig mit der
Geschwindigkeit v fortbewegenden Schiffes dar. Wenn die Radwelle in der
Pfeilrichtung gedreht wird, schlagen die mit den Radarmen fest verbundenen,
ebenen Schaufeln Aa^ Bb^ Cc usw. gegen das Wasser und der dadurch hervor-
gerufene senkrecht zu den Schaufeln gerichtete Gegendruck R des Wassers
schiebt das Schiff vorwärts. Da die Geschwindigkeit der sich auf der Kreis-
linie bewegenden Außenkanten der Schaufeln [A^ B usw.) größer ist als die
Geschwindigkeit der Innenkanten (a, b usw.), nimmt der Druck und auch der
Gegendruck von der Innenkante zur Außenkante zu. Die Mittellinie des Drucks
liegt etwa 0,4 • A von der Außenkante entfernt, wenn // die Schaufelhöhe be-
-•:z!l...,-
B
Abb. 304.
440 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschifife.
zeichnet. Es ist aber üblich, die Mittellinie des Drucks in halber Schaufel-
höhe und den durch sie gelegten Kreis als Raddurchmesser {d) anzunehmen.
Wenn das Rad in der Minute n Umdrehungen macht, so ist die mittlere Um-
fangsgeschwindigkeit
n ' d '7t -Ol j
u = — m je bekunde,
60
worin jt die bekannte Kreiszahl 3,14 bedeutet. Diese Umfangsgeschwindig-
keit ist zugleich die Austrittsgeschwindigkeit des durch den Stoß beschleu-
nigten Wassers, und der durch die Schaufel hervoi^ebrachte nutzbare Schub (R)
ist nach der allgemeinen Gleichung (i), wenn man unter / den Flächeninhalt
einer Schaufel versteht'):
Q
R = — ' fu(u — 7.'),
g
Wie man aus der Zeichnung erkennt, wirkt dieser Schub nur bei der mittel-
sten, senkrecht stehenden Schaufel in voller Größe in wagerechtem Sinne.
Bei den benachbarten Schaufeln sind nur die wagerechten Seitenkräfte für die
Fortbewegung des Schiffes wirksam, während die senkrechten Seitenkräfte bei
der eintauchenden Schaufel C das Schiff zu heben und bei der austauchenden
Schaufel A das Schiff herunterzudrücken bestrebt sind. Dadurch entstehen
Arbeitsverluste, sowie lästige und schädliche Schwankungen des Schiffes, die
man bei älteren Raddampfern mit festen Schaufeln sogar mit dem Auge deut-
lich wahrnehmen kann. Sie werden kleiner, wenn der Winkel a, den die ein-
oder austauchende Schaufel mit der Wasserlinie bildet, größer wird, d. h. wenn
I der Raddurchmesser größer wird. Erfahrungsmäßig wählt man bei festen
I Schaufeln diesen Winkel nicht kleiner als 40 ° oder besser 42 °. Räder mit
/* großem Durchmesser haben also einen besseren Wirkungsgrad, und in Amerika
sind häufig Räder von lo bis 12 m und selbst bis 13 m Durchmesser
gebaut worden, mit denen gute Leistungen erreicht wurden. In Deutschland
und in anderen Ländern ist man auf den Binnenwasserstraßen meistens in
der Höhe des Schiffes beschränkt und kann daher, namentlich wenn man die
Maschine unter Deck anordnen will, den Rädern kaum halb so große Durch-
messer geben.
Zur Beseitigung der großen Arbeitsverluste bemühte man sich schon bald
nach der Erfindung des Dampfschiffs bewegliche Schaufeln einzuführen,
die möglichst senkrecht ein- und austauchten. Im Jahre 1813 erfand Robert
Buchanan in Glasgow eine solche Einrichtung, bei der die um wagerechte
Achsen drehbaren Schaufeln durch eine exzentrische Scheibe auf der Rad-
welle stets in einer senkrechten Stellung erhalten wurden. Doch bewährte
sich diese Anordnung zunächst nicht: Wenn auch der Schlüpf solcher Räder
i) Nach Marestier undRiehn (Zeitschr. d. V. D. J. 1884, S. 349Hst ^ » — •/(« — t/]»,
wobei/ die wirksame Fläche aller überhaupt gleichzeitig eingetauchten Schaufeln und R die ganze
Triebkraft bedeuten.
I. Die Fortbewegungsmittel.
441
geringer wurde, so war doch ihr Wirkungsgrad weniger günstig als bei festen
Schaufeln. Durchschlagenden Erfolg hatte erst die Erfindung von Galloway
{1829), dessen Patent von Morgan gekauft und seit dem Jahre 1842 allge-
mein in England verbreitet wurde. Gallowey ließ die Schaufeln nicht senk-
recht, sondern stoßfrei eintreten, wofür nachstehende Erwägungen maßgebend
waren:
Wenn in Abb. 305 MN die Wasserlinie und B C einen Teil des durch
die Mittelpunkte der Schaufeln gelegten Radkreises darstellen, so wird die
eintauchende feste Schaufel A in der Richtung der Tangente die Umfangs-
geschwindigkeit u und in der Richtung des Wasserspiegels die Geschwin-
digkeit V des Schiffes haben, in Wirklichkeit also in der Richtung x gegen
das Wasser schlagen. Wenn die bewegliche Schaufel stoßfrei eintreten soll,
muß sie in die Richtung x 'gedreht werden. Ähnlich verhält es sich mit
der austauchenden Schaufel B in Abb. 306. Auch sie kann nur stoßfrei
austreten, wenn sie in die Richtung y gedreht wird. Die so gebauten
/ v^
Abb. 305.
Abb. 306.
Schaufeln der Morgan-Räder (auch Patenträder genannt) wurden gleichfalls
durch exzentrische Scheiben bewegt. Sie wurden im Jahre 1847 ^^f dem
Rhein bekannt und fanden etwa seit 1860 allgemeine Verbreitung in Deutsch-
land. Es zeigte sich später, daß die Schubwirkung der Schaufeln eine
noch günstigere wird, wenn man auf den völlig stoßfreien Eintritt verzichtet
und den Schaufeln beim Ein- und Austauchen eine mehr zur Senkrechten
geneigte Stellung gibt. Man kam dabei zu der in Abb. 307 dargestellten
Anordnung: Die austretende Schaufel A bekommt die Richtung AD^ die ein-
tretende Schaufel C die Richtung CD. Wenn man im Mittelpunkt der
Schaufeln senkrecht die Schaufelhebel einzeichnet, deren Länge man etwa
gleich 0,6 • h (Schaufelhöhe) wählt, und durch die Punkte ä, b^ c einen Kreis
legt, so ist der Mittelpunkt [P] dieses Kreises der Mittelpunkt des exzentri-
schen Zapfens Tür das Bewegungsgetriebe der Schaufeln. Diese Einrichtung
ist heute am meisten verbreitet. Es kommen aber Fälle vor, wo man von
dieser Regel abweicht. Bei den neueren Radschleppdampfem mit großen
Leistungen kommt es darauf an, das Maschinengewicht möglichst zu ver-
442
Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
mindern, und man erreicht dies durch die Wahl von schneller laufenden Ma-
schinen, die wieder größere Umlaufzahlen für die Räder ergeben. Während
man diesen früher in der Minute 20 bis 30 Umdrehungen gab, ist man
heute auf 30 bis 40, ausnahmsweise bis 50 gekommen, und weil eine zu
große Umfangsgeschwindigkeit («) unvorteilhaft ist, wird man genötigt, kleinere
Raddurchmesser, also auch eine kleinere Schau fei zahl zu nehmen. Die
großen amerikanischen Raddampfer mit äußeren Raddurchmessern von 10 bis
12 m hatten etwa 24 bis 36 feste oder 14 bis 16 bewegliche Schaufeln;
Rädern von 4,5 bis 8 m äußerem Durchmesser gab man 10 bis 12 beweg-
liche Schaufeln, während man heute bei starken Schleppdampfern bis auf die
Hälfte der Schaufeln hinabgeht. An Stelle der früher üblichen hölzernen,
ebenen Schaufeln vermendet man in der Regel aus Stahlblech schwach ge-
krümmte Schaufeln, und es wird bei ihrer kleinen Anzahl meistens nötig, für
jede Schaufel sorgfaltig die gün-
stigste Ein- und Austauchstellung
im einzelnen Falle zu ermitteln.
Es ergibt sich dabei zuweilen, daß
der für die Richtung der Schaufeln
maßgebende Punkt D (Abb. 307)
etwas weiter nach rechts gerückt
werden muß. Die geringe Schau-
. feizahl von 5 wird übrigens selten
angewandt und noch seltener ist
man bis auf 4 herunter gekom-
men. Die neueren starken Rad-
schlepper auf Rhein und Elbe haben
bei Zapfenkreisdurchmessem von
2,7 m bis 3 m in der Regel 7 bis
8 Schaufeln mit 36 bis 40 Um-
drehungen und auf der Donau zuweUen Durchmesser von 2,5 m mit 6 Schau-
feln und 50 Umdrehungen. Die großen Schnelldampfer auf dem Rhein für
Personen machen bei 4 m Durchmesser und 9 Schaufeln 45 Umdrehungen.
Der Raddurchmesser hängt auch von der Seitenhöhe des Schiffes ab,
und man läßt die Schaufeln bis nahe an die Linie des Schiffsbodens her-
unterreichen. Die Schaufelzahl wird nicht nur nach dem Raddurchmesser,
sondern auch nach dem Abstand der Schaufeln, d. i. der Teilung des
Zapfenkreises, bestimmt. Sie darf nicht zu klein sein, damit die Schaufeln
sich frei bewegen und nicht gegenseitig ihre Wirkung behindern, und wird
einerseits mit der Schaufelhöhe, andererseits mit der Schiffsgeschwindigkeit
wachsen müssen. Bei den oben erwähnten Beispielen von Schleppdampfern
mit Schaufelhöhen von 0,8 bis 0,9 m beträgt die Teilung 1,2 m bis 1,5 m.
Man macht sie oft größer bis zu 1,8 m; doch nehmen dann die Stöße und
Erschütterungen zu.
I. Die Fortbewegungsmittel. 443
Wenn bei starken Schleppdampfern die nötige Breite der Schaufeln
größer wird als etwa 3,5 • ä, pflegt man sie zu teilen und ordnet Doppel-
räder an. Man erreicht dabei den Vorteil, daß die Bewegungsvorrichtung
leichter und sicherer arbeitet, wenn für jedes der beiden Räder eine besondere
exzentrische Scheibe vorhanden ist. Femer ist es schwer, sehr breite Schau-
feln vor Rissen durch Verdrehung zu schützen und außerdem lassen sich
einzelne beschädigte Schaufeln leichter auswechseln, wenn sie kleiner und
leichter sind.
Als die gekrümmten beweglichen Schaufeln in Deutschland eingeführt
wurden, sind viele ältere Schiffe mit solchen neuen Rädern versehen worden,
und durch den Umbau soll die Nutzleistung um 0,1 bis 0,2 erhöht worden
sein. Daraus ergibt sich der bedeutende Vorteil dieser Einrichtung nament-
lich für Räder von verhältnismäßig kleinen Durchmessern. Als Nachteil muß
das bedeutende Gewicht solcher Räder aufgeführt werden. Nach dem
Taschenbuch der »Hütte« soll angenähert das Gewicht eines Rades mit festen
Schaufeln 14 • ^ • rf • ^ Nt und mit beweglichen 26 ' b - d - VWi betragen,
wenn man unter b die Radbreite und unter Ni die indizierte Leistung der
Dampfmaschine in Pferdestärken versteht. Die beweglichen Räder würden
also etwa doppelt so schwer sein. Ferner sind sie entsprechend kostspieliger
in der Beschaffung und Unterhaltung, sowie sehr empfindlich gegen Beschä-
digungen.
In den Abbildnngen 308 und 309 ist ein Doppelrad von einem starken Seitenradschlepp-
dampfer mit I m Tiefgang dargestellt, der auf der Werft von Gebrüder Sachsenberg in Roßlau
gebaut ist. Diese Firma hat ganz besondere Verdienste um die Entwicklung der Flußraddampfer.
a ist die Radwelle, die an der Schiffswand im Lager b und auf der Wasserseite im Lager c ruht.
Das letztere ist wegen der geringen Höhe der Welle über dem Wasserspiegel als Hängelager
angeordnet. Die 7 gekrümmten Schaufeln d aus Stahlblech sind ihrer großen Länge wegen
geteilt. An der Schiffs- und an der Wasserseite sind sie durch einen Winkel e verstärkt, der
gleichzeitig das gefaßte Wasser mehr zusammenhalten soll. Jede halbe Schaufel trägt 2 Schaufel-
stühle oder Schaufelböcke / und /, die mit je 4 Schraubbolzen befestigt sind, wobei zur Ver-
stärkung des Schaufelblechs an diesen Stellen noch Versteifungsbleche untergelegt sind. Die
beiden äußeren, Schaufelböcke f haben 2 Drehzapfen: den einen bei g nahe der Schaufel,
wo die Radarme h angreifen und den anderen am Ende des Schaufelhebels bei *, wo die Lenk-
stangen k angreifen. Die Radarme sind stark gekrümmt, damit die Schaufeln sich frei drehen
können, aus Blech geschnitten und etwa in ihrer Mitte fest (durch Schrauben oder Schweißung)
mit dem Ringe / verbunden, der das ganze Rad zusammenhält. Das andere, innere Ende der
Radarme ist an der gußeisernen Radnabe angeschraubt, die fest auf der Welle a sitzt. Die Lenk-
stangen k führen von den Drehzapfen i zu dem Ringe m^ der in seitlichen Führungen auf dem
Umfange einer Scheibe n gleitet, welche exzentrisch fest mit dem Lager b und dadurch mit dem
Schiffskörper verbunden ist. 6 Lenkstangen sind in Zapfen drehbar mit dem Ringe m verbunden,
die siebente aber, o, ist fest, besonders kräftig und heißt Mitnehmer oder Königslenker. Die
inneren Schaufelböcke / tragen nur die Dreh- und Angriffspunkte für die Radarme. Durch die
Stangen q werden die 4 Radarme in ihrer Stellung zueinander gesichert.
Zuweilen ordnet man die Drehzapfen g nicht genau in der Mitte der Schaufelhöhe an,
sondern einige cm weiter nach der Außenkante hin, weil, wie schon erwähnt, der Gegendruck
des Wassers auf den unteren, äußeren Teil der Schaufel etwas größer ist. Die Lenkstangen
sind in diesem Beispiel gekrümmt, damit die Schaufel S (links) sich noch frei bewegen kann.
Zuweilen läßt man die Lenkstangen gerade und macht in der Schaufel an der betreffenden Stelle
einen kleinen Ausschnitt. Doch kann man denselben Zweck auch erreichen, wenn man den
Schaufelhebel [ig] nicht senkrecht, sondern etwas geneigt stellt, wie z. B. in Abb 310.
■ Die FortbeweguDgsniittel.
üb
Leichteren Rüdem mit weniger langen Schanf^ln gibt Tn:in gewöhnlich nicbt l, sODiIeni
nur eine Nabe, nn der die Radarme noch der in Abb. 311 dargi- stellten Welse befestigt werden.
I>ie eingeschriebenen Bnchstsben haben in den Abb. 310 und 311 dieselbe Bedeutnng wie in
den Abb. 30S und 309,
Um die Schaufeliüder beim Stillstaad der Maschine behufs Aasbessemogen u. dgl. drehen
zu kÖDoen, muß bei schweren Rädern eine Drehvorrichtung angeordnet werden. Diese be-
steht meistens aus einem auf der Welle befestigten gußeisernen Schneckenrade mit ausrUchbarer
Sohnecke (aas Gußstahl), die mittels einer Ratsche und Aufsteckhandhebel bewegt wird.
Schaufelrad eines Personend impfers, Abb. 310 und 31t. I : 3S.
Abb. 311. Querschnitt.
Der Schlüpf (Slip, Rücklauf ist nach der allgemeinen Gleichung (5) (S. 438) j= - '
worin für Schaufelrider <(= - ' . Der Schlüpf betrügt bei Rldem mit festen Schaufeln o,
bis 0,3, bei beweglichen Schaufeln 0,1 bis 0,2, im Mittel etwa 0,15, Er steigt aber b<
Schleppschiffen bis in 0,3 und 0,5. Für Binnenschiffe in begrenztem Fahrwasser, besonders b'
geringer Wassertiefe unter dem Schiffsboden vergrößert sich der Schlüpf noch um etwa 0,1.
Gegenilljer den Schrauben und Heckridem ist der Schlüpf der Seitenräder in begrenitei
Fahrwasser verbaltnismtliig größer, weil das neben dem Schiffe befindliche Wasser durch di
Rückströmung der durch das Schiff verdrängten Wassermenge eine gewisse Geschwindigkeit b«
kommt, die der Fahrtrichtung entgegengesetil ist.
446 Abschnitt Ul. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Die Größe der Schaufeln kann man theoretisch aus dem Gegendruck des Wassers [X;
Q
oder dem Schiffswiderstand ( W) nach der Gleichung (i) berechnen R= IV s= — F'u[u — z') m kg.
Da (7= looo kg und ^=9,81, so ergibt sich, wenn man z. B. bei Seitenrftdem annimmt,
daß in jedem Rade nur eine Schaufel mit der Fläche/ wirksam ist:
JFes 102 • 2 •/• «{« — v)
oder f^°.^:%.
u[u — v)
Man muß für den Schlüpf eine Annahme machen : Setzt man z. 6. für bewegliche Schaufeln
j SS 0,16 und abgerundet » = 1,2 • r, so bekommt man'):
IV
= 0,02 •
Um diese Formel zu benutzen, muß man H'' kennen oder nach irgend einer Formel be-
rechnen. Besser geht man von der Maschinenstfirke aus: Wenn S die gesamte, gleichzeitig wirksame
Fläche der eingetauchten Schaufeln bedeutet und / den Druck auf die Flächeneinheit (der mit
der Beschleunigung des Wassers zunimmt), so ist / • 5 der gesamte Schub und p • S ' u die ge-
samte Arbeitsleistung des Rades oder der beiden Seitenräder. Diese muß gleich der Leistung
der Maschine an der Rad welle sein, die mit Nm in Pferdestärken (von je 75 mkg in der Sekunde)
ausgedrückt wird :
p - S • u = 7$ ' Nm.
ft ' d ' fi
Wenn man für n den Wert u = — einsetzt, erhält man :
60 '
m
^ c 1^ ' ^^ Nm Nu.
p 'S===^ = 1433 . .- —
Will man für / nur einen bestimmten Druck zulassen, so ergibt sich
p • d • ft
Die nötige Fläche der Schaufeln wächst mithin mit der Maschinenstärke und nimmt mit wach-
sendem Durchmesser oder wachsender Umlaufzahl oder wachsendem spezifischen Druck ab.
Nach den neueren, oben erwähnten Beispielen kann man p zu 800 bb 1000 kg je m> annehmen
und es wird z. B. für / = 900
c _ Li 9 • Nm
d • n
Bei flachgehenden Binnenschiffen kann man die Zahl der gleichzeitig eingetauchten, wirk-
samen beweglichen Schaufeln bei 2 Seitenrädern von je 5 Schaufeln nur zu 2, bei je 6 bis
8 Schaufeln etwa zu 3 bis 4 und bei je 9 bis xo Schaufeln etwa zu 4 bis 5 annehmen; doch
wachsen diese Zahlen (m) mit zunehmender Wassertiefe. Setzt man S ^ m - f, so bekommt
man für die Fläche einer Schaufel
1,;;^ ■ Nm
fn • d • n
Der Engländer Seaton hat seine Formel auf die Zahl der indizierten Pferdestärken (A7)
bezogen :
worin bei beweglichen Schaufeln k erfahrungsmäßig zwischen 0,0085 und 0,01 liegt. Der letztere
Wert soll für Schlepper gelten. Für N'fu = 0,8 • A^/, für 1« = 4, für if s=» 30 (oder für iw ^ 3
und n = 40) und für k = 0,01 geben beide Formeln etwa gleiche Werte.
Die Höhe (//) der Schaufel ist von dem Tiefgang des Schiffes abhängig und man wählt sie
bei flach gehenden Schiffen meistens etwa 100 mm kleiner als diesen. Hinsichtlich der Festigkeit
müssen alle Teile der Räder nach dem auf die einzelnen Schaufeln entfallenden Druck be-
rechnet werden.
I) Nach der Formel von Riehn (S. 440, Fußnote) bekommt man/i =0,12 — ; dabei ist aber
unter /i die wirksame Fläche aller gleichzeitig eingetauchten Schaufeln eines Rades verstanden.
I. Die Fortbewegungsmittel.
447
Der Wirkungsgrad der Schaufelräder ist das Verhältnis der Gesamtarbeit zur Nutsarbeit
(vgl. die Gleichung 4). Die Gesamtarbeit ist = JV • u und die Nutzarbeit ss JV * v. Es ist
theoretisch:
W • u u
In Wirklichkeit liegt rj zwischen 0,6 und 0,7 und nimmt außerdem sowohl mit der tieferen
Eintauchung wie mit der abnehmenden Wassertiefe schnell ab, namentlich in begrenztem Fahr-
wasser. Bei Flußdampfem kann man bei mittleren Wasserständen nur auf einen Wirkungsgrad
von 0,57 bis 0,62 rechnen.
Die Befestigung der Seitenräder am Schiffe ergibt sich im all-
gemeinen bereits aus den Abb. 308 bis 311. Leichtere Räder (Abb. 311)
Radkasten eines Personendampfers, Abb. 312 und 313. i : 75.
rn
Abb. 312. Querschnitt.
Abb. 313. Grundriß^
sind nur durch die inneren Lager b mit dem Schiffskörper verbunden und
stehen in keiner Berührung mit den sie umschließenden Radkästen [r und s\
die häufigen Stößen und Beschädigungen ausgesetzt sind. Es genügt in
diesem Falle, daß die Radkästen auf der Wasserseite durch leichte Bleche
und Scheuerleisten (/) abgeschlossen werden. Wenn die Räder breiter wer-
den, ist es wichtig, die Lager möglichst nahe an die Radnaben zu legen und
448
Schüfe mit eigener Triebkraft, KraflschiiTe.
man ordnet dazu an den äußeren Schiffswänden weit ausladende Konsolen (a)
aus verstärkten Blechen an, die auch in wagerechtem Sinne gut abgesteift
werden müssen [Abb. 312 u. 313). Der Radkasten aus Blech muß überall
reichlichen Spielraum für die Bewegung der Räder lassen und namentlich
nach hinten stark erweitert werden, um das mitgerissene Wasser unbehindert
abfließen zu lassen. Zur Unterstützung des Kastens sind 2 starke Blechträger
(^) an die Schiffswand genietet, die auf der Wasserseite durch eine Blechwand,
den Radkastenbalken, verbunden sind. Dieser hat außen eine kräftige Scheuer-
leiste und wurde früher auch dazu benutzt, die exzentrische Scheibe für die
Bewegung der Lenker-
stangen der .Schaufeln zu
tragen. Dies war un-
zweckmäßig, weil gerade
der Kadkastenbalken bei
Zusammenstößen und
auch t>etm Anlegen am
meisten gefährdet ist. Man
mußte deshalb zur Siche-
rung der empfindhchen
Lenkvorrichtung den Bal-
ken sehr kräftig machen
und auch die Träger 6
seitlich gut versteifen. Das
wird erspart, wenn man
die exzentrische Scheibe
an der Schiffseite befestigt
(Abb. 311), wo sie gut ge-
schützt und leicht zu er-
reichen ist. Diese Anord-
nung ist jetzt allgemein
üblich. Die Radkasten-
trommel muß vom Schill
aus durch eine Tür zu-
gänglich gemacht werden.
Wenn bei breiteren Rädern auch auf der Wasserseite Wellenlager an-
gebracht werden müssen, werden die angemessen verstärkten Radkastenträger
und Balken durch kräftige Schrägstäbe [c] und Winkelbleche gegen die Schiffs-
wände abgesteift, wie in Abb. 313 mit gestrichelten Linien angedeutet ist
Bei besonders starken Kraftschififen von über goo Pferdestärken genügt diese
Einrichtung nicht mehr. Man macht die aus Eisenfachwerk gebildeten Träger
dann an den Bordwänden so hoch wie die Radkästen und verbindet sie über
Deck in der Höhe der Befehlbrücke miteinander. Die Abb. 314 zeigt diese
Bauweise an einem großen Elbschleppdampfer von 700 Pferdestärken und
Abb. 314. Rndkasten
s Elbeschleppers i : 25a.
Abb. 3t;. Radkasti
I. Die Fortbewegungsmittel.
449
I m Tiefgang, Abb. 315 bei einem großen Donauschleppdampfer von gleicher
Stärke und gleichem Tiefgange ^). Diese hohen Radkastenträger werden längs-
Schiffs gegen die Bordwände durch Schrägstäbe in senkrechter Ebene abge-
steift. In Abb. 316 sind die Radkastenträger eines großen Seitenradschlepp-
Abb. 316. Radkastenträger eines großen Schleppschiffs i : 50.
Schiffs dargestellt. Die Ansicht ist von vorne gezeichnet: Die ausgezogenen
Linien stellen den hinteren, die punktierten den vorderen Träger (a) dar, der
besonders an der Schiffseite tiefer herunterreicht. Der hintere Träger reicht
nicht so tief, um das aus dem Rade nach hinten austretende Wasser nicht
zu behindern.
1} Aus Suppan a.a.O.
T e u b e r t , Binnenschiffahrt.
29
450 Abschnitt m. SchifTe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Der Schiffskörper wird durch die Anbringung von Seitenrädern in
seiner Form nicht beeinflußt. Bug und Heck können daher beliebig feine
Formen erhalten, wie sie dem geringsten Widerstände und der besten Steuer-
fahigkeit entsprechen. In der Regel wählt man Keilformen. Diese Schiffe
zeigen stets eine gute Steuerfähigkeit und verhältnismäßig gute Nutzleistung,
weil das Wasser leicht in die Räder eintritt und ohne Hindernis wieder aus-
tritt. Auch die Rückwärtsbewegung erfolgt ohne Schwierigkeit.
Eine Eigentümlichkeit bleibt zu bemerken: Wenn der Widerstand z. B.
infolge schweren Anhangs so groß wird, daß das Schiff sich kaum vorwärts
bewegt, dann tritt durch das Arbeiten der Schaufeln an den Seiten des
Schiffes eine Wasserspiegelsenkimg ein. Infolgedessen tauchen bei geringem
Tiefgang die Schaufeln nicht mehr vollständig ein und die Leistung nimmt
schnell ab.
Abb. 317. Heckraddampfe t für den Kongo.
Das Heckrad ist schon vor etwa 100 Jahren besonders in Kanälen und
anderen schmalen Wasserstraßen angewendet worden (S. 90), Aber es bewährte
sich nicht, weil weder die Steuerfähigkeit noch die Nutzleistung befriedigten.
Auf Kanälen führten außerdem die Wellen starke Beschädigungen der Ufer
herbei. Um das Rad auf den Verläi^erungen der Bordwände lagern zu können,
muß das Heck eine genügende Breite, also große Völligkeit haben. Dadurch
wird der Zufluß des Wassers zu dem meistens hinter dem Rade an einem
besonderen Ausbau befestigten Ruder erschwert. Ferner vermehrt das breite,
völlig gebaute Heck den sogenannten »Sog«, d. h. die Menge des von jedem
fahrenden Schiffe mitgeschleppten Wassers. Die eintauchenden Schaufeln
treffen daher den sogenannten Vorstrom, also auf Wasser, das bereits eine
gewisse Geschwindigkeit in der Bewegungsrichtung des Schiffes besitzt, und
der Schlüpf wird größer, die Nutzleistung gerii^er. Infolge der Wirkung
der Schaufeln wird ferner das Wasser unter dem Heck fortgezogen, wodurch
I. Die Fortbewegungsmittel, 451
dieses nach unten sinkt. Bei sehr seichtem Fahrwasser »saugt das Schiffsich
fest«. Außerdem ist die Rückwärtsbewegung, abgesehen von der schlechten
Steuerfahigkeity dadurch behindert, daß das von den Schaufeln gegen die
gekrümmte Heckwand geworfene Wasser schwer austreten kann.
Erst seit etwa 20 Jahren wurden wieder neue Versuche mit dem Heck-
rade gemacht, um geeignete Kraftschiffe für schmale Flußläufe mit geringer
Wassertiefe, namentlich auch für ungeregelte . Flüsse in außereuropäischen
Ländern zu gewinnen. Abb. 317 zeigt ein kleines Schiff mit Heckrad. Es ist
1898 von Cockerill in Seraing für den Kongo erbaut worden. Das Rad ist
mit 10 festen Schaufeln aus Holz versehen. Das Steuerruder befindet sich
zwischen dem Heck und dem Rade, also vor dem letzteren.
Für die Kolonien sind in England, Frankreich, Belgien und auch in
Deutschland eine große Zahl ähnlicher Schiffe, selbst als Kanonenboote, her-
gestellt worden '). Sie haben den Vorteil der Einfachheit, können auch leicht
in zerlegftem Zustande (in zwei bis vier Stücken) in großen Seeschiffen über
das Meer befördert und an Ort und Stelle zusammengestellt werden. Man
hat sie zuweilen mit verstellbaren oder auswechselbaren Schaufeln ausgerüstet,
damit die Höhe der Schaufeln und ihre Eintauchung nach dem Tiefgang des
beladenen oder unbeladenen Schiffes eingerichtet werden kann.
Während die Heckradschiffe auch in Amerika eine ziemlich große Ver-
breitung fanden, konnten sie sich in Europa schwer einbürgern. Man baute
sie hier mit festem Radkasten aus Blech und brachte an dessen Hinterseite
das Steuerruder an, das zuweilen noch durch ein zweites Ruder zwischen Rad
und Heck unterstützt wurde. Aber die außen liegenden Kurbeln der Rad-
welle und die oft ganz freiliegenden Schubstangen der Maschine blieben häu-
figen Beschädigungen ausgesetzt. Ferner wurde der Schiffskörper durch die
hinten liegenden Maschinen und das schwere Rad, besonders wenn man es
mit beweglichen, gekrümmten Schaufeln aus Stahlblech herstellte, sehr un-
günstig auf Durchbiegung beansprucht und verlangte kräftige Längsver-
steifungen, die wieder das Gewicht und die Tauchtiefe vergrößerten.
Eine erhebliche Verbesserung der Bauart wurde erst dadurch erreicht,
daß man nicht ein, sondern zwei Heckräder anordnete, zwischen denen
man den Schiffskörper schwanzartig hindurchfiihrte. Dieser Schwanz gab
der Radwelle gute Lagerung imd günstigere Gelegenheit für die Anordnung
der Kurbeln der Maschine, die jetzt in die Mitte des Schiffes verlegt werden
konnte. Auch wurde dadurch am Hinterende des Schwanzes ein fester Ruder-
steven möglich.
In den Abb. 318 und 319 ist die Anordnung der Heckräder bei einem 1899 gebauten
Elbe-Schleppdampfer von 300 Pferdestärken dargestellt, der bei 40 m Länge, 7,8 m Breite und
2,1 m Höhe einen Tiefgang von 0,85 m hat. Der Schwanz hat eine Breite von 2,5 m und bietet
i) Wahl, Benutzung der natürlichen Wasserstraßen mit geringer Tauchtiefe. Bericht zum
8. Internat SchifT.-Kongreß. iParis 1900. Auch Liebrechts (Embarcations k vapeur pour la
navigation en eau peu profonde) machte dem Düsseldorfer Kongreß 1902 die Mitteilung, daß
sich diese Schiffe auf dem oberen Kongo gut bewähren.
29*
452
Abschnitt HI. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
genügend Raum fOr die 3 Kurbeln der Dreifach-Expansionsmaschine und filr 2 Wellenlager,
während 2 weitere Lager ausgekragt sind. Die Räder von 2,7 m äußerem Durchmesser sind mit
7 beweglichen Schaufeln von 2,35 m Länge und 0,65 m Breite versehen und an den beiden
äußeren Bordwänden nochmals gelagert. Die exzentrischen Scheiben zur Bewegung der Schaufeln
sind auf der inneren Seite der Räder nahe an den Wänden des Schwanzes angeordnet. Die
Radkasten reichen über Deck bis zur Höhe der Reling und sind in dieser Höhe querschifis
durch ein Oberdeck verbunden. Der Schwanz ist hinter den Kurbellagern nach hinten ver-
längert, um dort etwas mehr Wasserverdrängung zu gewinnen. Zum gleichen Zweck hat man
Heckrad- Anordnung eines Elbeschleppers, Abb. 318 und 319. i : 120.
Abb. 318. Längsschnitt.
Abb. 319. Grundriß.
ein »Schwimmruder« angeordnet, dessen Schaft und Blatt aus wasserdicht genieteten Blech-
körpem besteht. Der Schaft ist ein Blechzilinder von 0,8 m Durchmesser, durch den der eigent-
liche Schaft, d. h. die Drehwelle hindurchgeführt, oben und unten fest gelagert und gut gegen
Auftrieb gesichert ist. Ähnlich ist auch der hintere Teil des Ruderblatts ausgebildet.
Diese (zuweilen auch bei Raddampfern angewandte) Form des Ruders hat sich nicht sehr
bewährt, weil es schwer zu handhaben ist imd leicht ein Leck bekommt. Der Gewinn an
Wasserverdrängung ist auch nicht erheblich; selbst wenn man dem Ruderblatt eine sehr völlige
Form bis nach hinten zu gibt, erreicht man nur 3 bis 4 t. Man ist neuerdings davon abge-
gangen und gibt dem Ruder und dem Heck meistens die in den Abb. 320 imd 321 dargestellte
I. Die Fortbewegimgsmittel.
453
Anordnung. Dies ist eine Ausftihrung aus dem Jahre 1909. Das Schiff ist 50 m lang, 8 m
breit, 2,15 m hoch und hat 0,9 m Tiefgang bei 500 Pferdestärken. Die Radkasten ragen oben
noch über das Deck des erhöhten Maschinenraums hinaus. Die Räder haben einen äußeren
Durchmesser von 3,1 m. Ihre inneren Wellenlager werden nicht mehr ausgekragt, so daß sie
außerhalb des Maschinenraums liegen, sondern der letztere wird durch zwei in das Innere der
Räder hineingebaute Erker [d) erweitert, so daß die Wellenlager unmittelbar neben den Kurbeln
im Maschinenraum selbst liegen. In den Abb. 322 bis 324 sind die Anordnungen der Radkasten
und der Räder dargestellt, wie sie im Jahre 19 10 für einen Schleppdampfer von 715 Pferde-
Heckrad- Anordnung eines Oderschleppers, Abb. 320 und 321. i : 150.
^-r . ! I— 1— i-TT-r-r-r-T-T-r
"- r~i — r — r — r
5 io
Abb. 320. Ansicht
Abb. 321. Grundriß.
stärken auf der Werft von Cäsar Wollheim in Breslau ausgeführt wurden. Bei Spant O ist
ein starker Träger querschiffs angeordnet, an dem nach hinten zu das übergebaute Heck und
das Steuerruder (bei a] befestigt ist, während er nach vom an seinen beiden Enden die Seiten-
träger unterstützt, die in der Flucht der Bordwände die Radkasten und die Außenlager der Rad-
welle tragen.
Den Heckrädem bei neueren Schleppdampfern gibt man 40 bis 45 Umdrehungen je Minute.
In neuester Zeit (191 1) hat man auf der Weser dem Schwanz des Hinter-
schiffs eine etwa doppelte Breite gegeben und ihn nach hinten um 6 bis 7 m
454
Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Radkasten eines Heckradschieppers, Abb. 322 bis 324. i : 60.
Abb. 322. Qnerschnitt
Abb. 323. Grundriß.
I. Die Fortbewegungsmittel.
455
^SMepr^U
Abb. 324. Längsschnitt.
verlängert. Dadurch erreicht man die sehr erwünschte größere Wasserver-
drängung am Heck; man kann die Räder dann aber vielleicht richtiger als
Seitenräder bezeichnen, die am Hinterschiff befestigt sind. Es ist das eine
Ubergangsform. (Ein solches Schiff wird unten dargestellt und beschrieben
werden.)
Schrauben. Wenn eine Schraube, d. h. eine auf einem zilindrischen
Schaft angebrachte Schraubenfläche in einer Mutter oder einem weichen
Körper, z. B. Holz, gedreht wird, bewegt sie sich in der Richtung der Zilin-
derachse je nach dem Sinn der Drehrichtung vorwärts oder rückwärts. Der
bei einer Umdrehung zurückgelegte Weg oder der »Fortgang« der Schraube
heißt die Steigung oder die Ganghöhe. So bewegt auch. eine mit wage-
rechter Welle am Heck eines Schiffes unter Wasser befestigte Schraube bei
der Drehung sich und das Schiff vorwärts oder rückwärts. Die Schrauben-
fläche gibt dem in der Richtung der Fahrt in die Schraube eintretenden
Wasser eine Beschleunigung (Schlüpf), wodurch ebenso wie beim Schaufel-
rade eine gewisse Wassermenge zurückgeworfen wird, und der Gegendruck
des Wassers in der Richtung der Welle schiebt das Schiff.
Schon im 18. Jahrhundert hat man versucht, die Schrauben zur Fortbewegung von Schüfen
zu verwenden und die Franzosen schreiben die Erfindung Charles Dallery aus Amiens zu, der
im Jahre 1803 Patente anmeldete, aber keinen Erfolg hatte. Dies gelang zuerst im Jahre 1829
einem Österreicher Josef Ressel in Triest. Er machte mit dem Schiffe »Civetta« von etwa
20 m Länge, 3,6 m Breite und 2 m Höhe, das mit einer Maschine von 6 Pferdestärken ausgerüstet
war, eine erfolgreiche Versuchsfahrt, bei der eine Geschwindigkeit von etwa 1 1 km je Stunde er-
reicht sein soll. Die von ihm benutzte Schraube hatte 1,5 Umgänge und lag ganz unter Wasser,
vor dem Rudersteven, wie man es auch heute macht. Ressel erreichte aber keinen Wirtschaft-
456
Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, KraftschifTe.
liehen Erfolg, obwohl er sich Mühe gab, sein Patent in Frankreich und England lu verwerten.
Erst im Jahre 1836 tancbte die Schraube wieder in England auf. Es wurden dort ziemlich
gleichzeitig zwei Patente an F. F. Smith und an J. Ericsson verliehen.
Smith baute zuerst ein Versnchsboot von etwa 10 m L&nge, 6 I Tragfähigkeit und 6 Pferde-
stärken, wobei er der ebenso wie von Rcaset angeordneten Schraube zwei ganze Umgftngc gab.
Während einer Probefahrt ereignete sich der Unfall, daß etwa die Hälfte der Schraube, die aus
Holz gefertigt war, abbrach und es leigte sich, daß die Geschwindigkeit des Schiffes dadurch
größer geworden war. Nach kühnen Versuchsfahrten mit diesem kleinen Schiffe an der eng-
lischen Küste im Jahre 1837 veranlabte die Ad-
miralität im folgenden Jahre den Bau eines groi^n
Schiffes »Archimedes« von etwa 42 m 1-ängc,
7 m Breite, 4,3 m Höhe und 90 Kerdestirken.
Die Schraube hatte bei 3,1 m Tiefgang des Schiffes
einen Durchmesser von 1,9 m, eine Steigung von
2,7 m und einen vollen Umgang (Abb. jstj, a-b ist
die Steigung). Das Schiff ging 1839 in See und
hatte großen Erfolg, namentlich nachder
Stelle des 1
i Schraubenm
. halbe
Umginge angeordnet hatte, die auf entgegenge-
setzten Seiten der Na1>c angebracht waren. So
entstand die >zweigangige< Schraube (weil beide Teile zwei verschiedenen Schraul>enfllchen
angehören). Die Kurbetwelle der Maschine machte aj Umdrehungen, die durch Zahnradvor-
gelege angetriebene Schrauben welle 133,5 Umdrehungen in der Minute. Es wurde eine Ge-
schwindigkeit von aS km je Stunde erreicht.
Die Schraube von Smith fand in England schnelle Verbreitung. Man teilte sie bald in
4 Teile von je '/t Umgang, die man in derselben Ebene auf der Nabe anordnete und kam
so zur 1 viergängigen • Schraube. Daim verkitate man noch jeden Flöget von '/, auf '/< L'm-
Schraube von Ericsson 1836, Abb. 3a7 und 338.
Abb. 327. Heck-Ansicht.
Abb. 32S. Längsschnitt.
gang und so entstand allmShUch die vierllUgeiige und viergängige Schraube, wie sie z. B. im
Jahre 1843 das berühmte >ei3erne« Schiff »Great Brilain«, der erate Ozeandampfer mit Schraulx,
erhielt (Abb. 326)'). Die heute angewandten Schrauben sind uicht sehr verschieden davon.
Ericsson, ein Schwede von Geburt, ging von einer anderen Bauweise aus (Abb. 327
und 32S). Er ordnete zwei Schrauben hintereinander auf derselben Achse an, die sich in
eutgegengeselilera Sinne drehten, und zwar hinler dem Ruder. Die hintere Schraube drehte
sich schneller als die vordere und beschleunigte so das von der vorderen Schraube in Bewegung
i; Vgl. Aeheobach, Die Schiffschraube. Kiel. Diesem Buche sind ancb mehrere Zeich-
I. Die Fortbewegungsmittel. 457
gesetzte Wasser. Jede Schraube bestand eigentlich aus einem Rade, auf dessen Umfang spiral-
förmig gebogene Platten befestigt waren, bei beiden Schrauben entgegengesetzt gerichtet. In
England erreichte Ericsson keinen Erfolg; aber mit dem ersten größeren Schiffe, das mit seiner
Schraube ausgerüstet war, begab er sich nach Amerika und dort fand seine Erfindung Beifall
und Verbreitung. Im Jahre 1843 sollen schon 41 amerikanische Schiffe mit solchen Schrauben
gefahren sein. Auch in Frankreich bürgerte sich diese Form ein, bis später die einfachere An-
ordnung von Smith sie überall verdrängte. Die Bauweise von Ericsson hat darum eine gewbse
Bedeutung, weil man in neuester Zeit wieder auf den Gedanken zurückgekommen ist, zwei
Schrauben auf derselben Welle in verschiedenem Sinne drehend anzuordnen, um damit eine er-
höhte Leistung zu erreichen, worüber später berichtet werden wird.
Die Form der Schraube ist seit Smith teils nach Erfahrungen, teils
nach Versuchen vielfach verändert worden; aber die meisten in Vorschlag
gebrachten und versuchten Abänderungen haben weder zu befriedigendem
Erfolge noch zu dauernder allgemeiner Verwendung geführt.
In Abb. 329 ist die einfache, mathematische
oder gemeine Schraube dargestellt, wie sie im
Jahre 1858 auf dem preußischen Aviso »Grille«
benutzt wurde. Abgesehen davon, daß man
heute alle scharfen Ecken daran abrundet, um
die Reibungswiderstände zu vermindern, ist
diese Form noch immer die gebräuchlichste ').
Die wichtigsten Teile und Abmessungen einer ^^^ 32^ iS^Thematische Sc^be.
Schraube sind: der Durchmesser, die Anzahl,
Form und Stärke der Flügel, die Gangrichtung (rechts- oder linksgängig) die
Ganghöhe (Steigung) sowie die Neigung und Form der Erzeugungslinie.
Der Durchmesser (D) hängt von der Tauchtiefe des Schiffes ab und
sollte in der Regel nicht größer sein, wenn auch während der Fahrt das Heck
gewöhnlich tiefer einsinkt und die im Ruhezustande etwas über den Wasser-
spiegel hervorragenden Flügelspitzen dann eingetaucht werden. Wenn die
Schraube nicht ganz unter Wasser arbeitet, saugt sie Luft ein, wodurch ihre
Wirkimg schlechter wird. In der Binnenschiffahrt muß man in der Regel
mit geringen Tauchtiefen rechnen und dadurch ist auch der Durchmesser der
Schraube gegeben. Bei großem Tiefgange des Schiffes ermittelt man die
angemessene Größe des Durchmessers nach Erfahrui^sätzen, legt die Schraube
aber möglichst tief unter Wasser, so daß die Spitzen noch 30 bis 60 cm unter
dem Wasserspiegel bleiben. Zur überschläglichen Rechnung wählt man die
Fläche des Schraubenkreises (der von den Flügelspitzen beschrieben wird)
etwa gleich einem Drittel des eingetauchten Hauptspant-Querschnitts.
Es muß darauf hingewiesen werden, daß man mit einem möglichst
großen Durchmesser nicht immer die größte Wirkung erreicht; viele Ver-
suche haben ergeben, daß man mit kleineren Durchmessern zuweilen bessere
Erfolge hat.
I) Horace See -New- York erklärt sie in dem Bericht über den >Fortschritt in den Mittteln
zur Fortbewegung der Schiffe« für den 10. Intern. Schiff. -Kongreß in Mailand 1905 fiir die noch
immer geeignetste Form.
458 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Wenn man die Fläche der Flügel in der Richtung der Welle auf die
Schraubenkreisfläche projiziert, erhält man die projizierte Flügelfläche [Fp),
die man auch als wirksame Flügelfläche bezeichnet. Der normal zu jedem
Punkt des Flügels wirkende Gegendruck des Wassers zerlegt sich in eine Kraft
gleichlaufend mit der Achse der Schraubenwelle und in eine senkrecht dazu
gerichtete, in der Ebene der Schraubenkreisfläche wirkende Kraft, Tangential-
kraft. Die erstere in der Richtung der Welle ist die Schubkraft, die das Schiff
fortbewegt, und sie wächst unter sonst gleichen Umständen mit der Größe der
wirksamen Flügelfläche. Die »Völligkeit« dieser Flügelfläche, d. h. ihr Ver-
hältnis zur Schraubenkreisfläche muß umgekehrt um so größer gewählt werden,
je größer der Schub und je kleiner der Schraubendurchmesser ist, also am
größten bei Schleppschiffen der Binnenschiffahrt, wo sie zu 0,6 bis 0,8, zu-
weilen auch zu I wird.
Der gesamte nutzbare Schub der Schraube ist gleich dem Widerstand (f'V) des Schiffes
und auf die Flächeneinheit der wirksamen Flügelfläche entfällt daher der Druck / = —= — • Die
Größe von p (in kg je cm^) schwankt zwischen 0,15 und 0,53 (atlantische Schnelldampfer) und
wird bei Torpedobooten selbst zu i',i. Völlige, langsam fahrende Schiffe mit hoher Umlaufzahl
haben ein kleines /, Schlepper und Güterdampfer der Binnenschiffahrt etwa 0,15 bis 0,2.
Wichtiger ist noch für die Wirkung der Schraube die Größe der abgewickelten Flügel-
flächen {Fa). Erfahrungsmäßig wählt man das Verhältnis zwischen der abgewickelten Gesamt-
flügelfläche und der Schraubenkreisfläche zu 0,39 bis 0,45 , aber bei flachgehenden Schiffen
mit kleinen Schrauben und besonders bei Schleppern zu 0,45 bis 0,8. Den auf die Flächenein-
heit der abgewickelten Flügelfläche zulässigen Druck je cm^ nimmt man zu 0,3 bis 0,9 kg an,
wobei der stärkere Druck für sehr schneU fahrende Schiffe (Torpedoboote) gilt. Große atlan-
tische Schnelldampfer zeigen einen Druck von 0,6 bis 0,7 kg.
Die Anzahl der Flügel schwankt im allgemeinen zwischen 2 und 4.
Zweiflügelige Schrauben haben zwar in ruhigem Wasser einen guten Wirkungs-
grad, ergeben aber ungünstige Beanspruchungen der Wellen und starke Er-
schütterungen des Hinterschiffs. Sie werden darum gewöhnlich nur bei kleinen
Booten angewendet. Dreiflügelige Schrauben geben etwas weniger Stöße und
werden namentlich bei schnell laufenden und bei Zweischraubenschiffen mit
Vorliebe benutzt. Auch bei Schlepp- und Güterdampfern der Binnenschiffahrt
werden sie bevorzugt. Vierflügelige Schrauben werden bei Seeschiffen fast
allgemein verwendet, aber auch häufig in der Binnenschiffahrt. Sie arbeiten
am ruhigsten, weil die beim Vorübergehen an dem Steven eintretenden Stöße
sich gegenseitig aufheben. Ihr Wirkungsgrad soll aber etwas geringer sein
als bei dreiflügeligen Schrauben.
Die Schraube kann rechtsgängig oder linksgängig sein. Wenn man
hinter dem Schiffe stehend einen aufwärts gerichteten Flügel betrachtet und
erkennt, daß er von hinten links (Backbord) nach vorne rechts (Steuerbord)
gerichtet ist, so ist dies eine rechtsgängige Schraube. Bei einer linksgängigen
ist der Flügel von hinten rechts (Steuerbord) nach vorne links (Backbord)
gerichtet. Man unterscheidet an dem Flügel die »eintretende« und die »aus-
tretende« Kante. In unserem Falle liegt bei der rechtsgängigen Schraube
. Die Fortbewegungamittel.
459
die eintretende Kante beim Vorwärt^ang auf der Steuerbordseite, bei der
link^ängigen auf der Backbordseite. Ob man rechts- oder linksgängige
Schrauben anwendet, ist für den Erfolg gleichgültig; jedoch ist die Einwirkung
auf das Ruder etwas verschieden. Gewöhnlich werden rechtsgängige benutzt.
Die Form der abgewickelten Flügelfläche wird nach den Umständen
und der Geschwindigkeit des SchilTes verschieden gewählt. Im allgemeinen
gibt man namentlich bei tief gehenden SchifTen dem Flügel eine nahezu
C D
Abb. 330. Forme
E
der Scbraubenflügel.
elliptische (Blatt-) Form (Abb. 330, ä\. Die mittlere Breite darf in der Regel
nicht zu groD sein, weil die Reibungswiderstände (des Wassers) mit der Größe
der Flügelfläche zunehmen. Sie sind am Umfang infolge der größeren Ge-
schwindigkeit größer als an der sogenannten Wurzel des Flügels, an der Nabe.
Andererseits sind die Flügelteile nahe der Wurzel aber unwirksamer. Zuweilen,
namentlich bei Kriegschiffen, wird die Flügelbreite nach dem Umfange, der
Spitze zu, stark verkleinert und zu-
geschärft (5), wodurch die Flügel-
spitzen weniger Druck bekommen und
weniger leicht zerbrechlich werden.
Umgekehrt werden, namentlich bei
langsamer laufenden Schiffen, die
Flügelflächen nach dem Umfang zu
verbreitert [C], weil sie trotz des ver-
mehrten Reibungswiderstandes auf
diese Weise wirksamer werden. Häufig .. .
wird neuerdings eine Verkleinerung Schrauben ' für langsam fihreode Bmne'nschiffe.
der Flügelfläche an der eintretenden
Kante und eine entsprechende Vergrößerung nach der austretenden vorge-
nommen, was man die > Beschneidung • des Flügels nennt (/>]. Bei flach
gebauten, langsam gehenden Schiffen von verhältnismäßig großer Maschinen-
leistung ist man wegen der beschränkten Größe des Schraubendurchmessers
zu einer bedeutenden Verbreiterung der Flügelfläche nach dem Umfange zu
gekommen [E). Versuche von Sachsenberg haben für solche Formen bei
Schleppschiflfen günstige Wirkungsgrade ergeben. Bei Schleppschiffen und
Güterschiflen von sehr geringem Tiefgang haben sich die noch mehr ver-
460 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
breiterten Formen {F) in der Binnenschiffahrt gut bewährt. Sie zeigen große
Völligkeit und werden in der Regel dreiflügelig angeordnet (Abb. 331 u. 332).
Für Schnellfahrten sind sie ganz ungeeignet.
Bauart und Baustoff der Flügel sind gleichfalls von Wichtigkeit für
den Wirkungsgrad der Schraube. Die hintere Fläche der Flügel, die soge-
genannte Druckfläche, wird bis jetzt in der Regel als Hauptfläche angesehen
und meistens als genaue Schraubenfläche besonders gut hergestellt. Die
vordere Fläche ist dann keine Schraubenfiäche, weil die Dicke des Flügels
von der Nabe zur Spitze allmählich abnimmt. Diese Dicke oder Stärke
des Flügels muß so bemessen werden, daß sie den angreifenden Kräften
(Drehmoment und Fliehkraft) widersteht und richtet sich nach dem verwen-
deten Baustoff. Je dünner die Flügel gehalten werden, um so geringer sind
die Widerstände. Am besten ist also Bronze (Phosphorbronze, Manganbronze,
Spezialbronze der Marine). Doch verwendet man auch Stahlguß (für Eis-
brecher und Schlepper), geschmiedeten Stahl und Gußeisen. Der letzte Stoff
wird am häufigsten benutzt, weil er billig ist und beim Aufschlagen der
Schraube den Vorteil bietet, daß wohl leicht ein Flügel abbricht, die kost-
barere Welle aber unbeschädigt bleibt. Am besten ist graues, weiches Guß-
eisen, dem man zuweilen einen Zusatz von Stahlspähnen g^bt (»Spezialeisen«).
Zur Verminderung der Reibungswiderstände ist es von Bedeutung, daß die
Flügelflächen sauber und glatt bearbeitet werden. Bronzeflügel pflegt man
neuerdings zu polieren. Die Kanten der Flügel, namentlich die eintretenden,
müssen zur Verminderung der Widerstände so scharf wie zulässig gemacht
werden.
Die Flügel werden entweder an die Nabe angegossen oder angeschraubt
oder angenietet. Das erste ist namentlich bei den kleineren Schrauben der
Binnenschiffahrt üblich, wenn sie einheitlich aus Guß hergestellt werden. Bei
großen Seeschiffen werden die Flügel angeschraubt, was den Vorteil bietet,
einen etwa abgebrochenen leicht erneuern und unter Umständen allen eine
andere Stellung zur Nabe, also eine andere Steigung geben zu können. Zwei-
flügelige Schrauben für Boote werden zuweilen mit beweglichen Flügeln
versehen, deren Steigung man während der Fahrt beliebig verändern und so
umstellen kann, daß der Vorwärtsgang des Schiffes in Rückwärtsgang über-
geht, ohne daß die Welle eine andere Drehrichtung annimmt.
Angenietet werden oft die Flügel von der Form E und F bei langsam
fahrenden Schiffen auf seichten Binnenwasserstraßen. Diese Flügel sind ge-
wöhnlich aus Stahlblech (Flußeisen) hergestellt, und man befestigt sie durch
Niete an besonderen Lappen der aus Stahlguß oder Gußeisen gefertigten
Nabe. Solche zuerst von R. Wolf in Buckau-Magdeburg in den Handel ge-
brachten Schrauben bieten den Vorteil, daß die Flügel widerstandsfähig sind
und, falls sie sich beim Aufschlagen verbiegen, leicht wieder in die richtige
Form gebracht werden können Sie erfreuen sich besonders auf den seichten
östlichen deutschen Wasserstraßen großer Verbreitung, zumal sie unter sonst
I. Die Fortbewegungsmittel. 461
gleichen Umständen einen größeren Wirkungsgrad zeigen, der vielleicht auf
die gleichmäßige und verhältnismäßig geringe Blechstärke der Flügel zurück-
zuführen ist (Abb, 333).
Die Steigung der Schraube [H] wird im Verhältnis zum Schrauben-
durchmesser bestimmt. Das >Steigungsverhältnis< j-^j wird meistens nach
der Erfahrung festgesetzt und schwankt im allgemeinen zwischen 0,9 und 1,5.
Für kleine Schrauben unter 2 m Durchmesser und mäßige Umdrehungszahlen
wählt man 1,3 bis 1,5, bei kleinen, schnell fahrenden Booten etwa 1,2. (Große
atlantische Schnelldampfer haben 0,6 bis 0,7,] In der Binnenschiffahrt wählt
man gewöhnlich Tiir GüterschitTe das Verhältnis zu r bis 1,1, fiir Schlepp-
schiffe zu 1,2 bis 1,3.
Abb, 333. Prüfung von Schrauben bei Wolf in Buckso,
Bei der gewöhnlichen, einfachen Schraube hat die mathematische
Schraubenfläche eine unveränderliche Steigung, d. h. die von den einzelnen
Punkten beschriebenen Schraubenlinien haben dieselbe Steigung. Um einen
besseren Wirkungsgrad zu erreichen, laßt man die Steigung im Verhältnis zu
der dem Wasser erteilten Beschleunigung zunehmen, was besonders bei den ver-
hältnismäßig breiten Flügeln der Binnenschiffahrt vorteilhaft Ist, wo die einzelnen
Wasserteiichen einen beträchtlichen Weg an der Fläche entlang machen und
erhebliche Reibungsverluste erleiden. Die Steigung kann entweder in der Rich-
tung von der Nabe zum Umfang zunehmen, radial veränderliche Stei-
gung, oder von der Eintrittskante zur Austrittskante, axial oder peripherial
veränderliche Steigung. Neuerdings läßt man bei veränderlicher Stel-
462
Abschnitt HI. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
gung diese gewöhnlich nach beiden Richtungen hin wachsen. Solche Flügel
haben dann keine richtigen Schraubenflächen mehr. Über den Wert der ver-
änderlichen Steigung stimmen die Ansichten noch nicht ganz überein.
Die Erzeugungslinie (oder Erzeugende) einer mathematischen Schrauben-
fläche ist gerade und steht senkrecht zur Schrauben- und Welleilachse (Abb. 334,
A), Die so gebauten, gewöhnlichen Schiffschrauben werden in der Binnen-
schiffahrt am häufigsten angewendet, besonders bei Schiffen, die möglichst
MB C J> £ F
Abb. 334. Schrauben mit verschiedenen Erzeugungslinien.
gleich gut vorwärts und rückwärts fahren sollen (Schlepper, Hafendampfer,
Fährschiffe). Wenn es auf besondere Schnelligkeit in längerer Fahrt an-
kommt, gibt man der Erzeugungslinie eine kleine Neigung nach hinten [B\
um das mitgerissene, durch die Fliehkraft nach außen geschleuderte Wasser
mehr nach hinten zu werfen und dadurch den Wirkungsgrad zu erhöhen.
Dieser Neigungswinkel nach hinten beträgt gewöhnlich etwa 8°, bei Schiffen
mit großen Geschwindigkeiten bis 15°
(bei Torpedobooten bis 25°). Bei ein-
zelnen Schrauben hat man gekrümmte
oder geknickte Erzeugungslinien in ver-
schiedener Art verwendet. Bei der
Griffith-Schraube (1860) ist die Erzeu-
gende nach vorn gekrümmt (C), und
in ähnlicher Weise ist eine von den
Schiffswerften in Roßlau und Übigau
für Flußschiffe benutzte Form [D] durch eine geneigte und an der Spitze
nach vorne geknickte Erzeugungslinie gebildet. Beiden Formen liegt die Ab-
sicht zugrunde, dem der Schraube zuströmenden Wasser eine gewisse Füh-
rung zur Druckfläche zu geben. Die Thornycroft-Schraube (1870) hat
eine in der Achsenebene gekrümmte Erzeugende [E], Sie wird bei schnell
laufenden Schiffen, z. B. bei Torpedobooten, gern angewendet (Abb. 335).
Zuweilen gibt man der geraden, nach hinten geneigten Erzeugungslinie nach
dem Umfang zu eine stärkere Krümmung nach hinten, wie bei F dargestellt
(von Klawitter-Danzig).
Abb. 335. Thornycroft-Schraube.
. Die Foitbeweguogstoittel.
463
Für schaell fahrende Schiffe ist heute die Zeise- Schraube beliebt
geworden. Sie hat eine schwach nach hinten gekrümmte Erzeugungsiinie
(ähnlich wie die Thornycroft-Schraube) und eine vom Umfang zur Nabe,
radial, zunehmende Steigung, um den Druck mehr nach der Nabe hin zu
Abb. 336. Zeise-Scbraube.
Abb. 337. Zcise-Schreube.
Abb. 338. NikL-Zeise-Schraobe
verlegen. Die Wandstärke der meistens aus Bronze beigestellten Flügel ist
verhältnismäßig gering, wodurch die Schraube leicht wird. Die projizierte
Flügelfläche zeigt eine geringe Völligkeit {Abb. 336 u. 337). Man hat mit
dieser Schraube recht gute Wirkungsgrade erzielt.
464 Abschmit ni. Scbiffe mit eigener Triebkraft, KrafbebilTe.
Die Niki-Schraube ist eine Erfindung des GroOherzogs Friedrich August
von Oldenburg. Es lag hierbei die Absicht vor, den bei Schrauben mit hoher
Umlaufzahl und starkem spezifischem Druck auf der projizierten Flügelfläche
(^ ^ I kg je cm' und mehr) eintretenden Ubelstand der sogenannten ■Kavi-
tation« zu vermeiden, d. h. die Bildung von Hohlräumen, Lufbäumen an der
Saugfläche .der Flügel nahe der Nabe. Solche Hohlräume entstehen durch
Abb. 339. Niki'Zeise-SchraubeD eines ZwebcbraubenscbilTs (tinks und recbts^ngig),
ungenügenden Wasserzufluß zur Schraube und verringern in hohem MaOe
ihre Wirkung. Bei der Niki-Schraube sind die Wurzeln der Flügel nicht wie
sonst in derselben zur Achse senkrechten Ebene angeordnet, sondern in der
Richtung der Achse gegeneinander versetzt, so daß sie nacheinander ein-
greifen. In Abb, 338, die wie Abb. 339 dem Werke von Achenbach ent-
nommen ist, kann man deutlich erkennen, wie die drei Flügel um je 40 nam
gegeneinander versetzt sind. Die Wurzeln sind auf einer Schraubenlinie an-
geordnet. Im übrigen sind die Flügelflächen nebst Steigung u. dgl. nach
Zeises Patent angeordnet, so daß man diese
Art von Schrauben »Niki-Zeise« nennt.
Abb, 33g zeigt ein Lichtbild von einer
links- und einer rechtsgängigen Schraube,
die auf einem kleinen Doppel schrauben-
dampfer der Nordsee benutzt werden. Aus
, j der Abb. 340 erkennt man deutlich den
■j^ Unterschied gegen die Zeise - Schraube
Abb. 340. Niki-Zeiao-Scbraube. (Abb. 336) Und die Thomycrofl- Schraube
(Abb. 335)-
Bei den angestellten Versuchen und auf längeren Fahrten hat sich heraus-
gestellt, daß mit diesen Niki-Zeise-Schrauben, besonders bei kleinen Durch-
messern und großen Umlaufzahlen, höhere Geschwindigkeiten und Wirkungs-
grade als mit anderen guten Schrauben erreicht werden. Femer werden
die Entstehung von Hohlräumen, das Niedersaugen des Hecks und die Er^
schütterung des Hinterschiffs bedeutend vermindert. Die Anbringung von
Q^^
I. Die Fortbewegungsmittel. 465
solchen Schrauben an alten Schiffen wird durch die um etwa ein Drittel
längere Nabe etwas erschwert. Für Güter- und Schleppschiffe der Binnen-
schiffahrt sind diese Schraubenformen nicht geeignet.
Der Schlüpf (Rücklauf, Slip) der Schraube ist nach der allgemeinen
Gleichung 5 (S. 438):
u — V
s = ,
u
worin v die Geschwindigkeit des Schiffes und u die Geschwindigkeit der
Schraube, d. h. ihren Fortgang je Sekunde bedeuten. Abweichend von der
Erscheinung bei den Seitenrädern ist bei der Schraube zu beachten, daß sie
hinter dem Schiffe stets in dem »Vorstrom« arbeitet, also in dem von dem
Schiffshinterteil mitgerissenen Wasser, das bereits eine gewisse Geschwindig-
keit in der Richtung der Fahrt besitzt. Über diese Erscheinung ist schon
bei dem Heckrade (S. 450) gesprochen worden.
Der Unterschied der Geschwindigkeit des Wasserstroms beim Eintritt in die Schraube und
beim Austritt, also der wirkliche oder tatsächliche Schlüpf, ist mithin größer als der
nach der vorstehenden Gleichung berechnete sogenannte scheinbare Schlüpf. Wenn za< die
Geschwindigkeit des Vorstroms bedeutet, ist der wirkliche Schlüpf:
u — [v — Z'')
s
u
Bei langsam fahrenden großen Schiffen ist der Vorstrom zuweilen sehr bedeutend und es kann
vorkommen, daß der bei der Fahrt berechnete scheinbare Schlüpf zu Null und unter Umständen
sogar negativ wird. Daher die Bezeichnung »scheinbar«. Der wirkliche Schlüpf kann nach der
allgemeinen Erörterung (S. 438) selbstverständlich nie zu Null werden, weil dann keine Fortbe-
wegung mehr stattfönde. Der wirkliche Schlüpf gibt also an, um wie viel die Schraube im
Vorstrom zurückgleitet. Der Wert von r^ ist schwer zu ermitteln. Wilda gibt in seinem Buche
über Schiffsmaschinen Erfahrungsformeln an, die aus der Völligkeit des Schiffes hergeleitet sind.
Bei kleinen Schiffen mit schlanken Formen soll z/i = 0,12 bis 0,2 •?/ sein. Übrigens ist 7/1 an
der Oberfläche des Wassers und nahe am Schiffe größer als tiefer unter W^asser und weiter nach
hinten. Auch ist v^ größer bei Einschrauben- als bei Zweischraubenschiffen. Zur Berechnung
wird der wirkliche Schlüpf, der am günstigsten zwischen 0,15 und 0,2 m liegt, nicht benutzt,
sondern nur der scheinbare. Wenn n die Zahl der Umdrehungen der Schraube je Minute be-
deutet und H die Steigung, so bestehen die Gleichungen
« = — ^ und da ferner u = , so ist:
60 I— j '
60 • f n ' H 60 • V
II = — : und V SF= — ;r — (i — s) und s s= i .
«(I— j) 60 n-H
Die Größe des Schlupfs hängt somit von n- H ikh und nimmt mit wachsendem Wert von n • H
zu. Sie wächst ferner mit der Schärfe des Hinterschiffs, nimmt dagegen im allgemeinen ab
mit w^achsendem Scbraubendurchmesser und mit tieferer Lage der Schraube unter Wasser. Vor
allem nimmt der Schlüpf mit dem Schiffswiderstande zu und schwankt in weiten Grenzen
zwischen 0,1 und 0,5. Gut gebaute Schiffe sollen mindestens einen Schlüpf von 0,1 haben.
Scharf gebaute Kriegschiffe und atlantische Schnelldampfer haben einen Schlüpf von 0,14
bis 0,2, kleine scharf gebaute Schiffe von 0,2 bis 0,3, flach gehende, langsam fahrende Güter-
und Schleppschiffe auf Binnenwasserstraßen von 0,35 bis 0,45 und bis 0,5.
Bei langsamer und mittlerer Fahrt ist der Schlüpf verhältnismäßig am kleinsten und wächst
bei weiterer Ab- oder Zunahme der Geschwindigkeit. Beim Schleppen auf engbegrenzten,
seichten Binnenwasserstraßen wächst der Schlüpf bei schwerem Anhang bis zu 0,7 und 0,8 und
mehr, bis die Geschwindigkeit fast zu Null wird.
Teubert, Binnenschiflfahrt. <2o
466 Abschnitt HI. Schiflfe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Die Umlaufzahl n (je Minute) nimmt im allgemeinen mit wachsendem
Schraubendurchmesser ab. Sie schwankt in weiten Grenzen zwischen 70 und
80 bei den größten atlantischen Schnelldampfern und 300 bis 350 bei Tor-
pedobooten. Neuere Turbinendampfer machen sogar 650 Umdrehungen. In
der Binnenschiffahrt sind für langsam fahrende Schiffe mit verhältnismäßig
starken Maschinen 180 bis 200 Umdrehungen angemessen, für Personenschiffe
und Barkassen 200 bis 300.
Bei großen Schrauben ist darauf zu achten, daß die Umfangsgeschwindigkeit der Flügel-
spitzen nicht zu groß wird. Nach Wilda soll sie höchstens gleich der dreifachen Schiffsge-
schwindigkeit sein. Bei Kriegschiffen findet man aber Geschwindigkeiten bis 45 m, bei Tor-
pedobooten bis 60 m. Dagegen schwankt die Umfangsgeschwindigkeit bei großen Seedampfem
im allgemeinen zwischen 14 m und 30 m.
Der Wirkungsgrad der Schraube, also das Verhältnis der Nutzleistung
des Schiffes (der zur Überwindung des gesamten Schiffswiderstandes W mit
der Geschwindigkeit v geleisteten Arbeit N'n = W- v) zu der von der Maschine
an der Welle abgegebenen Leistung (der nutzbaren Maschinenleistung N^)
beträgt bei den besten Schrauben 0,65 bis höchstens 0,75. Genaue Mes-
sungen sind übrigens schwierig, weil sich die Widerstände nicht genau er-
mitteln lassen. Bei flach gehenden Schiffen der Binnenschiffahrt in begrenztem
Fahrwasser kann man den Wirkungsgrad nur zu 0,5 bis 0,55 annehmen und
er sinkt bei geringer Wassertiefe unter dem Schiffe und bei Barkassen mit
hoher Umlaufzahl bis 0,45 und darunter.
Wie bei den ältesten Schrauben ist man auch zu den jetzt gebräuch-
lichen und beliebten Formen nur durch Versuche und Erfahrungen ge-
leitet worden und man ist noch immer bestrebt, neue Formen zu erfinden,
die einen besseren Wirkungsgrad geben. Wie wir gesehen haben, hängt
dieser zunächst vom Schlüpf, vom Steigungsverhältnis im Zusammenhange
mit der Umlaufzahl, sowie von der Form, der Völligkeit und der Art der
Befestigung der Flügel an der Nabe ab. Ferner sind die Form des Hinter-
schiffes und die Befestigungsweise der Schraube an ihm von großer Be-
deutung.
Wir wissen, daß der Wirkungsgrad einer Schraube unter sonst gleichen Umständen
1 . bei einem gewissen Steigungsverhältnis | I seinen größten W>rt erreicht und bei Zu-
oder Abnahme von - kleiner wird,
2. bei einem gewissen Schlüpf ebenso seinen größten Wert erreicht und mit zu- oder ab-
nehmendem Schlüpf kleiner wird,
3. auch bei einer gewissen Umlaufzahl [oder Fortgangsgeschwindigkeit} seinen größten
Wert erreicht und mit wachsender Umlaufzahl nur wenig abnimmt und
4. bei gleicher Umlaufzahl und abnehmender Schiffsgeschwindigkeit schnell abnimmt, z. B.
bei einem Schlepper mit schwerem Anhange. Wenn die Geschwindigkeit angenähert zu Null
wird, erreicht der Schub (und auch das Drehmoment) den höchsten Wert. (Dieser Fall tritt z. B.
ein, wenn man die Zugkraft eines Schleppers an einem festen Pfahl prüft.) Aus neueren Ver-
suchen hat sich ergeben, daß in diesem Falle (der gleichen Umlaufzahl) mit wachsender Schiffs-
geschwindigkeit der Schub etwa nach dem Gesetz einer geraden I^inie abnimmt.
I. Die Fortbewegungsmittel. 467
Es ist darum nicht auffallend, wenn es der Wissenschaft bisher weder
gelungen ist auf theoretischem') Wege das Zusammenwirken dieser verschie-
denen Faktoren zu ergründen und in mathematische Formen zu fassen, noch
aus den Ergebnissen der sehr zahlreichen Versuche im großen und im kleinen
einen befriedigenden gesetzmäßigen Zusammenhang zu erkennen und mit
Erfahrungsbeiwerten in allgemein brauchbare Formeln zu bringen. In jüngster
Zeit sind jedoch bemerkenswerte Fortschritte gemacht worden, namentlich
durch Modellversuche unter Beihilfe von Lichtbildaufnahmen. Bei diesen
Versuchen hat man zunächst die Wirkung der Schrauben allein, ohne Ver-
bindung mit Schiffen, untersucht, um die durch den Vorstrom eintretenden ver-
wickelten Erscheinungen auszuschalten. Flamm und Gebers haben z. B. fest-
gestellt, daß der Wasserspiegel über der Schraube stets eine Einsenkung zeigt,
woraus man schließen kann, daß die Schraube zum großen und vielleicht zum
größten Teil saugend wirkt und nicht nur drückend, wie bisher angenommen
wurde. Daraus würden sich auch noch andere Erscheinungen erklären lassen.
Die Befestigung der Schrauben am Schiffskörper wird bei Ein-
schraubenschiffen in der Regel so angeordnet, daß die Schraube sich un-
mittelbar vor dem Rudersteven bewegt. Durch den das Ruderblatt treffenden
Schraubenstrom wird die Steuerfahigkeit begünstigt; die Einwirkung der
Schraube auf das Ruder ist aber bei rechts- und linksgängigen Schrauben
verschieden.
Bei dem in Fahrt befindlichen Schilfe wirft eine rechtsgängige das Wasser schräg
nach hinten gegen das Ruderblatt und zwar von links nach rechts in dem oberen und von
rechts nach links in dem unteren Viertel ihres Kreislaufs. Da die Wirkung der unteren Strom-
fäden gröber ist, erföhrt ein Ruder mit rechteckig geformtem Ruderblatt unten auf der Steuer-
bordseite einen stärkeren Druck als oben auf der Backbordseite. Infolge dessen wird der Bug
des Schiffes nach Steuerbord gedrückt. Will man das Schiff drehen, so wird man dies also
leichter über Steuerbordbug ausführen, weil der Drehkreis kleiner wird als über Backbordbug.
Um das Schiff auf geradem Kurs zu halten, muß das Ruder stets etwas nach Backbord über-
gelegt sein.
Dadurch entsteht ein gewisser Arbeits- und Geschwindigkeitsverlust, und um diesen zu ver-
meiden, gibt man oft dem Ruderblatt oben eine größere Länge als unten. So entsteht eine
hinten durch eine gekrümmte Linie begrenzte Ruderffäche, die man an Torpedobooten und auch
bei schnell fahrenden Vergnügungs- und Rennbooten findet (vgl. Abb. 341). Bei linksgängiger
Schraube ist der Vorgang umgekehrt.
Bei der Rückwärtsbewegung trifft die Schraube stets auf ruhendes Wasser und der
von rechts nach links wirkende Wasserwiderstand gegen die Flügel einer rechtsgängigen
Schraube dreht bei mittschiffs liegendem Ruder das Heck nach Backbord, den Bug also nach
Steuerbord — ebenso wie beim Vorwärtsgang.
Einschraubenschiffe haben gewöhnlich unter Wasser ein keilförmiges
Heck und an ihm wird vor dem Rudersteven in entsprechendem Abstände
i) Ältere Theorien sind die von Rcdtenbacher, Riehn und Rankine, neuere z. B. die von
H. Lorenz, Zeitschr. d. Ver. d. Ingenieure 1907, S. 19 und 329, sowie die von D. W. Taylor, Re-
sistance of ships and screw propulsion. London 1908. Die Jahrbücher der schiffbautechnischen
Gesellschaft enthalten viele Mitteilungen über neuere Forschungen, z. B. 1905« Wirkung der
Schraube von Fr. Ahlborn; 1906, Sehr. Versuche von Rudolf Wagner; 1908, Schnelllaufendc
Motorboote von M. H. Bauer und die Wirkungsweise der Schiffschrauben von O. Flamm; 1910,
Versuche von Fr. Gebers.
30*
468
Abschnitt m. Schilfe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
ein senkrechter Schraubensteven angeordnet, der unten einerseits mit dem
Schiffsboden und andererseits mit der Hacke des Ruderstevens durch die
> Kielsohle € verbunden wird, die in der Regel unter der Schraube in wage-
rechtem Sinne flach geschmiedet wird, um den durch das Ruder hervor-
gerufenen wagerechten Drehmomenten besser widerstehen zu können. Das
obere Ende des Schraubenstevens wird nach hinten gekrümmt und mit dem
Rudersteven verbunden. Alle diese
Steventeile (der Schraubenrahmen)
werden in der Regel in ein Stück
zusammengeschmiedet.
Dem vorderen Teil des Schrau-
benstevens unter dem Heck gibt
man oft eine langgestreckte, drei-
eckige, mit großen Öffnungen ver-
sehene Form, die man »Schleusen-
Idelc nennt (Abb. 341). Diese An-
ordnung*) ist für die leichte Lenkbarkeit des Schiffes vorteilhaft, weil beim
Wenden das Wasser durch die Öffnungen (wie durch Schleusen) frei hin-
durchströmt.
Der Schraubensteven wird zum Durchlassen der Welle durchbohrt, die von
hier aus bis zur nächsten Schottwand des Schiffes (das » Stopf büchsenschottc)
in dem > Stevenrohr € gelagert und geführt wird (Abb. 342). Die hintere
Führung in dem Rohre wird oft nur durch gußeiserne Buchsen, besser aber
Abb. 341. Schraubenrahmen mit Schleusenkiel.
Schrauben -
Nabe I
Abb. 342. Stevenrohr mit Schwanzwelle.
durch Weißmetall bewirkt. Im vorderen Ende des Stevenrohrs sitzt die Stopf-
büchse zum wasserdichten Abschluß gegen den Schiffsraum. Oft wird die
hintere Buchse mit Rillen versehen, so daß das Wasser in das Stevenrohr
eintreten kann und schmierend wirkt. Bevorzugt wird aber eine Ölschmierung.
Von der Stopfbüchse aus geht die Welle zur Betriebsmaschine, nachdem
sie vorher in dem »Drucklager«, das besonders fest mit den Kielschweinen
i) Abbildung aus Rühl mann -Flamm.
I. Die Fortbewegungsmittel.
469
und Boden wrangen verbunden ist, den Schub der Schraube auf den Schiffs-
körper übertragen hat. Zuweilen ist das Drucklager mit der Grundplatte der
Maschine vereinigt. Bei größerer Länge wird die Welle zwischen Stopfbüchse
und Drucklager noch durch ein oder zwei Traglager unterstützt und aus
mehreren Teilen hergestellt, die durch Kupplungen verbunden sind. Zweck-
mäßig ist eine Anordnung, bei der das
hinterste Stück der Welle (Schwanz-
welle) bei Ausbesserungen und dgl.
nach hinten aus dem Schiff gezogen
werden kann. Dann müssen »ab-
nehmbare« Kuppelungen verwendet
werden.
Die Achse der Schraubenwelle
wird beim Bau gewöhnlich wagerecht,
gleichlaufend mit der obersten Wasserlinie angeordnet; durch die Saugewirkung
der Schraube senkt sich aber während der Fahrt fast immer das Heck, so
daß die Welle eine nach hinten geneigte Lage erhält. Die Wirkung der
Schraube wird dadurch besonders bei flachgehenden Binnenschiffen etwas
günstiger, vorausgesetzt daß die nötige Fahrwassertiefe vorhanden ist. Um
das Eintauchen der Schraube und den Trimm (S. 240) des Schiffes nach Be-
lieben regeln zu können.
Abb. 343. Geneigte Schraubeo welle.
baut man im Hinterschiff
und zuweilen auch im
Vorschiff wasserdichte
Abteile ein, die durch
eine von der Haupt-
maschine getriebene
Pumpe nach Bedarf mit
Wasser gefüllt oder ent-
leert werden. Um die
bessere Schraubenwir-
kung zu erreichen, gibt
man zuweilen schon
beim Bau der Schrau-
benachse eine nach hin-
ten geneigte Lage. Das
ist besonders bei Hafen-
Boot mit Doppelkeilform und geneigter, freihängender
Schraubenwelle, Abb. 344 und 345.
i
jfe^
Abb. 344. Ansicht.
Abb. 345. Grundriß.
Schleppern, Eisbrechern und Vergnügungsbooten in tiefem Wasser üblich. In
letzterem Falle pRegt man das Heck stark zu unterschneiden (Abb. 343) und
legt bei Rennbooten mit der neuerdings beliebten Doppelkeilform (Tetraeder-
form) die Welle sogar ganz frei unter den Schiffsboden (Abb. 344 bis 346).
Zuweilen werden dabei auch zwei Ruder angeordnet, die dann vor der
Schraube liegen (Abb. 347).
470 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Um nach Bedarf und nach der vorhandenen Wassertiefe die Schraube
eintauchen zu lassen, hat man auch die Schwanzwelle durch eine sogenannte
Universal kiippelung mit dem vorderen Wellenteil verbunden, so daü man die
Schraube heben und senken kann. Diese Erfindung der Gasmotorenfabrik in
Köln-Deutz kann unter Umständen bei kleinen Schiffen vorteilhaft sein; doch
entstehen durch die Drehung in der Kupplung erhebliche Reibungsverluste.
Zweischrauben-
schiffe bieten gegenüber
den Schiffen mit nur einer
Schraube mancherlei Vor-
teile. Zunächst können sie
sich notdürftig noch wei-
ter bewegen, falls durch
.Abb. 346. Doppclkeil form mit geneigter Seh rauben weiie.
einen Unfall die eine
Schraube infolge Wellen-
bruchs oder aus anderen Gründen den Dienst versagt. Dieser Umstand ist
besonders für Seeschiffe von Bedeutung und seit längerer Zeit werden sowohl
Kriegschiffe wie große atlantische Personenschiffe mit zwei Schrauben aus-
gerüstet. Ferner erleichtern sie, besonders in stillem Wasser, das Wenden des
Schiffes, verursachen weniger starke Heckwellen und weniger Erschütterungen
des Schiffes und erlauben die Verwendung von Schrauben mit kleinerem
Durchmesser, was in der Binnenschiffahrt von großem Vorteil ist.
In der Regel wählt
man dreiflügelige Schrau-
ben und macht am besten
die Steuerbordschraube
rechtsgängig, die Back-
bordschraube linksgängig,
so daD beide oben nach
I außen schlagen. Bei der
umgekehrten Anordnimg,
wenn die Schrauben oben
nach innen schlagen, wer-
Abb 347. Schraube hinler den <lüppe]len Rudern. ^^"' namentlich auf seich-
ten Binnenwasserstraßen,
der Wirkungsgrad und die Drehfahigkeit geringer; auch sollen dadurch stärkere
Erschütterungen des Hinterschiffs hervorgerufen werden']. Um schnelle, kurze
Wendungen des Schiffes zu machen, läßt man die eine Schraube voraus und
die andere zurück gehen. Die Richtung der Schraubenwellen macht man
gewöhnlich wagerecht gleichlaufend mit der Wasserlinie, zuweilen hinten etwas
l) Walter, M. Einflub der Drebrichtung der Schraitbea bei Doppel seh raubendampfem,
Jahrbuch der Schilf baulvc ha. (ieäcllschaft igiz und Hansa, deutsche nautische Zeitschrift 1911,
I. Die Fortbewegungsmittel. 471
nach unten geneigt. Auch in der wagerechten Ebene kann die Anordnung
der beiden Wellen verschieden sein: Gewöhnlich legt man sie gleichlaufend
zueinander; anderenfalls erhält man nach den Versuchen von Pecoraro*)
einen besseren Wirkungsgrad, wenn sie nach hinten auseinander gehen, als
wenn sie hinten sich zueinander neigen. Es hat sich auch gezeigt, daß es
vorteilhaft ist, die Schrauben möglichst weit nach hinten, jedoch wiederum
recht nahe an dem Schiffskörper anzubringen.
Die Befestigung der Schrauben erfolgt bei Binnenschiffen am besten in
der Weise, daß man die Stevenrohre (am besten aus Mannesmannrohr) seit-
lich aus dem Schiffskörper treten läßt und sie am hinteren Ende kurz vor
der Schraube durch Böcke unterstützt, deren Tatzen an dem Rudersteven oder
bei löffeiförmigem Heck an dem Schiffskörper selbst befestigt sind. Bei großer
Länge der Stevenrohre unterstützt man sie nötigenfalls nochmals. Bei See-
schiffen gibt man dem Schiffskörper am Wellenaustritt besondere zweckmäßige
Formen (Wellenhosen), in denen die Wellen geschützt und jederzeit zugänglich
sind. Die löffeiförmige Heckform eignet sich für Binnenschiffe recht gut für
die Anbringung von zwei Schrauben, besonders in Verbindung mit einem
Schweberuder. Übrigens wird das Ruder durch zwei Schrauben nicht so
beeinflußt, wie oben für nur eine Schraube auseinandergesetzt wurde.
Drei und mehr Schrauben werden in der Kriegsmarine und neuerdings
bei schnell fahrenden, mit Dampfturbinen ausgerüsteten Schiffen angewendet.
In der Binnenschiffahrt sind von Flamm in neuester Zeit für die Wolga große
Lastschiffe mit drei Schrauben entworfen worden. Damit die Wirkungen der
einzelnen Schrauben sich gegenseitig nicht behindern und abschwächen, (was
bei den Dreischraubenschiffen der Kriegsmarine beobachtet worden ist) hat
Flamm eine jede Schraube in einer schwachen Wölbung des Hecks angeordnet,
wodurch sie gewissermaßen voneinander abgeschlossen werden. Diese be-
achtenswerte Einrichtung ähnelt dem später zu beschreibenden Tunnelheck.
Die großen Vorzüge der Schrauben gegenüber den Schaufel-
rädern haben auf dem Meere schon seit 1860 die Raddampfer endgültig
verdrängt, wenigstens für die große Fahrt über den Ozean. Die Radkasten
sind nicht nur unbequem beim Anlegen, Löschen und Laden, sondern auch
häufigen Beschädigungen, besonders durch starke Wellen, ausgesetzt. Sie
erfordern auch hohe Aufwendungen an Gewicht und Kosten. Der Wirkungs-
grad der Räder nimmt ferner schnell ab, wenn die Tauchtiefe des Schiffes, für
die sie berechnet sind, größer oder kleiner wird. Außerdem sind zu ihrem
Betriebe schwerere und daher kostspieligere Maschinen nötig, die mehr Raum
erfordern als bei Schraubenschiffen. Für Kriegschiffe tritt noch der Umstand
hinzu, daß die Schrauben unter Wasser vor feindlichen Geschossen gesichert
sind. Die Schaufelräder haben dagegen den Vorzug, daß sie auf Binnenwasser-
straßen von sehr geringer Tiefe (bis hinunter auf 0,5 m)'noch mit Erfolg be-
i) Fortschritt in den Mitteln zur Fortbewegung der Schiffe, Bericht zum 10. intern. Schiff-
fahrts-Kongreß. Mailand 1905.
472 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
nutzbar sind. Die RadschifTe beherrschen daher die Binnenschiffahrt heute noch
auf fast allen großen Strömen. Die Schraube ist seit etwa 1870 auf den Binnen-
wasserstraßen heimisch geworden, zuerst nur an kleinen Booten, Fähren, Auf-
sichts- und Vergnügungsschiffen, dann an leichten Schleppern auf Kanälen,
ruhigen oder aufgestauten Gewässern und Landseen: aber zum gewerblichen
Betriebe in größerem Umfange an Lastschiffen und Stromschleppem ist sie
erst mit der fortschreitenden Verbesserung und Vertiefung der Wasserstraßen
in neuerer Zeit innerhalb ziemlich enger Gr-enzen brauchbar geworden, weil
sie nicht nur eine gewisse Mindest-Tauchtiefe des Schiffes von etwa i m, son-
dern zur Entwickelung einer angemessenen Leistung unter dem Schiffsboden
noch eine geringste Wassertiefe von etwa 0,5 m braucht Bei der Anwendung
von Zweischraubenschiffen werden die Verhältnisse günstiger. Allerdings ist
(bei kleineren Schiffen) die Leistung von zwei Schrauben nicht so groß wie
von einer mit der doppelten Maschinenstärke, und umgekehrt sind die Kosten
eines Zweischraubenschiffs etwas höhere; aber gegenüber dem Radschiffe
bleibt doch ein beträchtlicher Gewinn.. Neben den schon oben aufgeführten
Vorzügen des Zweischraubenschiffs kommt noch beim Verkehr auf Binnen-
wasserstraßen der Umstand hinzu, daß die durch die Schrauben erzeugten
Wellen geringer sind als bei einem Einschraubenschiff von gleicher Stärke.
Dadurch werden die Beschädigungen der Ufer und der Sohle der Wasser-
straßen vermindert und man kann mit einem solchen Schiffe unter Umständen
auch auf Kanälen verkehren, ohne großen Schaden anzurichten.
Aber das Bestreben geht dahin, auch für seichte Wasserstraßen mit
Tiefen von etwa i m und darunter, z.B. für ungeregelte Ströme in den
Kolonien, die Schraube nutzbar zu machen. Über Schiffe mit entsprechend
kleiner Tauchtiefe ist auf den internationalen Schiffahrtkongressen wiederholt
verhandelt und die in den verschiedenen Ländern mit verschiedenen Einrich-
tungen gemachten Erfahrungen sind dabei mitgeteilt worden').
Die Bestrebungen gingen nach zwei Richtungen: Einerseits suchte man
die Schrauben selbst umzugestalten, andererseits wurde die Art ihrer Befesti-
gung am Schiffe verändert. Auf dem ersten Wege versuchte man zuerst die
Schraubenwelle ganz über Wasser zu legen und nach hinten mit einer
größeren Zahl von Flügeln (Schraubengängen) auszurüsten. Femer ging man
auch auf den Gedanken von Ericsson zurück und ordnete auf der über Wasser
liegenden Schraubenachse zwei große Schrauben mit entgegengesetzt gerich-
teten Flügeln hintereinander an, die sich in verschiedenem Sinne drehten.
Diese von Suppan in seinem Buche »Wasserstraßen und Binnenschiffahrt«
beschriebene und dargestellte Einrichtung wurde Schraubenrad genannt,
weil die einzelnen Schraubenflügel mit verhältnismäßig langen Armen an den
i) Besonders zu erwähnen sind vom 8. Kongresse (Paris 1900) die Berichte von Wahl und
Suppan, vom 9. Kongresse (Düsseldorf 1902) die Berichte von Jahnel, Weiß, Merc23mg, Lieb-
rechts und Iskolski, vom 10. Kongresse (Mailand 1905) die Berichte von Blttmcke, Wahl
und Rota.
I, Die Fonbewegungsmiltci, 473
Naben befestigt waren und ihre Wirkungsart ähnlich wie bei einem Schaufel-
rade war. Mit eiaem Versuchsboote sollen (etwa im Jahre 1901) gute Erfolge
erzielt worden sein; es ist aber bisher nichts mehr darüber bekannt geworden.
Beide beschriebene Anordnungen haben besonders den Nachteil, daß die
Schrauben offenbar sehr viel Luft ansaugen, wodurch ihr Wirkungsgrad stark
gemindert werden muO.
In umgekehrter Richtung gingen andere Bemühungen dahin, möglichst
kleine Schrauben zu verwenden und ihre Leistungsfähigkeit dadurch zu er-
höhen, daß man sie mit einem Mantel
umgab und hinter ihnen Leitschaufeln ^ '\'""~---.. t ^ i ö"^! x\
wie bei einer Turbine anordnete, so '^'-vicr'x'^/ lA "" ■ '^ ' >
daü dem ausströmenden Wasser eine 's^ 'j.' 1 l^^yl //^~
möglichst axiale Richtung gegeben '-yj^^^^^^^^::^
wurde. Diese Einrichtung wurde darum ... o t- u- 1. ■. tm. »
° Abb. 348. Turbinensch raube von Thornycroft.
Turbinenschraube genannt Sie ist
zuerst von Parsons erdacht und dann von Thornycroft ') verbessert und
wiederholt ausgeführt worden.
Abb. 34S It&C die altgemelne Anordnung erkenneD. Der zilindrische Mantel {iii\ ist fest
mit dem Scbifle verbunden. Hinter der mit sehr starker Nabe versehenen Schraube (o) sind in
dem Mantel feste LeiCschaufeln {b) aus Blech angebracht, die entgegengesetzt gekrUmmt sind.
Um eine noch bessere axiale Filhrung der Bustretenden Wasserftden zu erreichen, is(, ent-
sprechend der dicken Nabe, zwischen den LeiCschaufeln ein weit nach hinten reichender FUh-
ningskörper {!) angeordnet.
Mit dieser Erfindung hat Thomycroft gute Erfolge erzielt. Noch bessere Leistungen
wurden bei der Anwendung von zwei Turbinen seh rauben gewonnen, die in schwachen Aushöh-
lungen unter dem Schiffäboden angebracht waren"] (Abb. 349).
Beim Betriebe zeigte sich der
Nachteil, daß eingesaugte Holistücke,
Gras, Schmutz u. dgl. den Raum zwi-
schen Schraube und Mantel sehr leicht
verstopften und die Wirkung vermin-
derten oder ganz aufhoben. Femer war
der Rackwttrlsgang mangelhaft. Dafür
erfand Thornycroft eine neue Einrich-
tung. Er machte den hinteren Füh-
ningsliürper in einer Schnittebene \x-x]
uro 180" drechbar, so daß die hintere ,„, , ^ , ,.
Spitze von z. nach y kam. Gleich- ^^'°- 349- Heck mil % Thomycroft- Schrauben.
zeitig wurde dabei durch eine vorge-
schobene Biechwand \p<i) die Ausströmung des Wassern nach hinten verhindert, und es mußte
seinen Weg zuerst nach oben in das übergebaute Heck und von dort in besonderen Kanälen
so bis zur Schiffswand nehmen, daß es in der Richtung nach dem Bug austrat. Bei unver-
ändertem Gange der Schraube wurde das Schiff infolge des nach vome gerichteten Wasser-
stoßes rückwärts bewegt, wie bei einem Strahlschiffe. Wir werden später auf ähnliche Ein-
richtungen von Zeuner zurückkommen. Diese Erfindung von Thornycroft ist im Jahre 1889 in
»Naval mobilisation ond improvement in material, Washington« veröffentlicht worden. Ob sie
sich bewährt hat, ist nicht bekannt geworden.
1) Transactions of the Institution of Naval Architects, London 18S3.
a) Engineering 18. Man 1883, 10. April 1885 und Juni 1891; femer Bai
propellers. London 18S5.
474
t III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe,
In Deutschland ist die Turbinenschraube von Thornycroft auf der Schiffs-
werft von Holtz in Harburg eingeführt und mit Abänderungen und Verbesse-
rungen versehen worden, so daß namentlich ein genügender Rückwärtsgang bei
Umsteuerung der Betriebsmaschine erreicht wurde. Das liegt in der anderen
Gestaltung und Steigung
der Schraubenflügel und
der Leitschaufeln.
^ In der Abb. 350 isl die
AnordDUDg mitgeteilt; a sind
die Schrauben Hagel, 1/ die Nabe,
i die Leitächaufeln, i der Maniel
und o die FühruDgskörper. Aus
Abb. 351 ist die Anbringung an
eineni Einschraube oachilT und
Abb. 350. Turbinensch raube von Hottz. aus Abb. 352 die an einem
Zw eisch raubenschilT ersi cht lieh ■' .
Holtz verweodet gewüholich an
der Schraube nur 3 Flügel, die
je nach dem Zweck des Schiffes
entweder angegossen oder nach
Art der Buckauer Schrauben
aus Stahlblech bestehen und an-
geschraubt oder angenietet wer-
den. Die Zahl der nur schwach
gekrürnciten Leitsch aufein be-
trägt 4 bis 8. Die Wirkung der
in Deutschland vielfach benuti-
n- ten Holtischen Turbinenschrau-
ben ist eine gute, namentlich in
genügend tiefem Wasser. In
seichten Strecken zeigen sie
aber die Mängel der Thomy-
croftschen Schraube, die auf die
Verwendung des Mantels zurüek-
lufiihren sind. Dieser sowie die
Leitschaufcln verbiegen sich
leicht beim Anstoßen an ii^nd-
w eiche feste Hindemisse und
hemmen unter Umstünden die
Bewegung. Wie rann ans dem
Bilde erkennt, sind filr die
2 Schrauben in diesem Falle
auch z Ruder vorgesehen.
Um die mit dem Man-
tel verbundenen Übel-
stände zu vermeiden, hat
man in neuester Zeit, zunächst bei kleinen, schnell fahrenden Personenschiffen,
fest mit dem Schiffskörper verbundene Leitschaufeln (auch > Gegen pro peller«
genannt] ohne Mantel hinter der Schraube angeordnet und damit den Wirkungs-
Iskolskl, Bericht ZI
)B, S. 551.
1 Düsseldorfer Kongrelh 1902, und Müll
I. Die Fortbewegungsmittel.
475
grad der einfachen Schraube verbessert. Ob diese Einrichtung (von Dr. Wagner
und Bauer) sich auch bei größeren Schiffen bewähren wird, bleibt abzuwarten').
Nach der Theorie von GreenhilP) müßten die Erfolge günstig werden und
noch günstiger, wenn man diese Leitschaufeln als zweite Schraube sich in
entgegengesetztem Sinne drehen läßt, wie bereits die erste Schraube von
Ericsson im Jahre 1836 angeordnet war. Rota hat hierüber dem Mailänder
Kongreß besondere Mitteilungen gemacht und dabei erwähnt, daß ein Dampf-
boot der italienischen Marine von 14 m Länge versuchsweise mit solchen
Schrauben ausgerüstet worden ist, wie von ihm in Abb. 353 dargestellt wurde.
Über die erreichten Erfolge hat Rota im April 1909 der Institution of Naval
Architects einen Vortrag gehalten. Wenn es gelingt, eine Kraftübertragung
von der Antriebsmaschine auf die beiden ineinander liegenden Wellen zu er-
finden, die mit verhältnismäßig geringen Reibungsverlusten arbeitet, kann
diese Anordnung besonders für die Binnenschiffahrt in Zukunft von Bedeu-
tung werden.
Abb. 353. Zwei Schrauben auf einer WeUe.
Der andere Weg, den man anscheinend bis jetzt mit mehr Erfolg ein-
schlug, um bei sehr geringen Wassertiefen die Schraube nutzbar zu machen,
war auf ihre Anbringung am Schiffskörper gerichtet und hat zu dem Tunnel-
heck geführt Man versteht darunter eine Wölbung im Schiffsboden, deren
Scheitel über der obersten Wasserlinie liegt. Der Durchmesser der Schraube
kann bei dieser Anordnung erheblich größer als die Tauchtiefe des Schiffes
gemacht werden; denn die Erfahrung hat gelehrt, daß die in der Ruhelage
über dem Wasserspiegel in der Wölbung vorhandene Luft schon nach wenigen
Umdrehungen der Schraube verschwindet und die Wölbung sich ganz mit
Wasser füllt, so daß darin die Schraube fast mit einem ebenso großen Wir-
kungsgrad arbeitet, wie in einer Wassertiefe gleich der ganzen Höhe der
Wölbung.
i) Nach dem neuesten Bericht von Wagner in der Schiffbautechnischen Gesellschaft
Jahrbuch 191 2) haben die angestellten Versuche bisher g^te Erfolge gehabt. Der Wirkungs-
grad soll dadurch bei Einschraubenschiffen um 0,08 bis 0,12 und bei Zweischraubenschiffen um
0,1 bis 0,15 größer werden.
2' Transaction of the Institution of Naval Architects. 1888.
476
Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
In den Abb. 354 und 355 ist eine solche Wölbung im Längenschnitt und
im Querschnitt dargestellt. Man erkennt, daß der Zutritt von neuer Luft voll-
ständig verhindert ist: Das Wasser tritt in der Pfeilrichtung a in die Schraube
ein und in der Richtung b wieder aus. Im Scheitel der Wölbung befindet
sich eine dicht schließende Klappe (c\ durch die man leicht zur Schraube
kommen kann. In dieser Anordnung läßt sich die Wölbung mit der Schraube
an jede Stelle des SchifTsbodens legen, und man hat sie auch bei den ersten
Versuchen zuweilen mittschiffs angebracht.
Ob diese Erfindung zuerst in England oder Frankreich mit Erfolg aus-
geführt worden ist, mag dahingestellt bleiben. Es soll schon im Jahre 1856
ein Engländer, John Buchanan, ein Patent auf eine solche Wölbung etwa in
der Mitte des Schiffes genommen haben. Die ersten Ausfuhrungen sind wohl
aber in England durch Thornycroft, in Frankreich durch Labat auf der Gi-
ronde und von Oriolle auf der Loire gemacht worden. Es zeigte sich bald, daß
die Anbringung der Wölbung im Heck erhebliche Vorteile hatte, und man
gab diesem die in den Skizzen mit gestrichelten Linien angedeutete Form,
Abb. 354 und 355. Anordnung eines Tunnelhecks.
wobei die Wölbung hinten und auch an den Seiten nicht mehr bis zum SchifTs-
boden, sondern nur um einige Zentimeter unter die oberste Wasserlinie reichte.
Das war für den Luftabschluß genügend, gab aber dem Wasser einen bes-
seren Eintritt und Austritt. Thornycroft baute zuerst 1884 ein solches Schiff
für den Nil (mit 102 PSi., 0,38 m Tiefgang und 29,6 km Geschwindigkeit im
tiefen Wasser), das sich gut bewährte, und da er diese Form des Tunnel-
hecks mit Schwanz (Start) später besonders ausbildete, fand sie unter dem
Namen Thornycroftheck allgemeine Verbreitung.
Besonders in Frankreich wurden in den Jahren 1890 bis 1894 für die »Compagnie des
Messageries fluviales de Cochinchina« auf der Werft von Dubigeon in Nantes eine größere Zahl
von Personendampfem (30 m lang, 0,7 m Tauchtiefe und 20 km je Stunde Geschwindigkeit in
tiefem Wasser) und Güterdampfem (50 m lang, 40 t Ladung und gleiche Tauchtiefe und Ge-
schwindigkeit] gebaut, die sich gut bewährt haben % Auch Schleppschiffe von 300 bis 400 Pferde-
stärken haben bei 0,7 m Tauchtiefe und mit Schrauben von 1,3 m Durchmesser gute Erfolge
erzielt. Kleinere Schiffe waren noch bei viel geringerer Wassertiefe brauchbar: Für Madagaskar
1} Bulletin de TAssociation technique maritime von 1896 mit einem Vortrage von Piand
und von 1903 (oder 1904) mit einem solchen von Berlhe de Berihe, beide Ingenieure des Bureau
Veritas. Es sind dort die verschiedenen Bauarten, namentlich von französischen Werften, be-
sprochen worden.
I. Die Fortbewegimgsmittel.
477
bestimmte Dampfer von 15 m Länge und 2,8 m Breite konnten mit 2 Schrauben von 0,7 m
Durchmesser imd 50 Pferdestärken bei nur 0,35 m Tauchtiefe bei Versuchen auf der Seine ein
etwa ebenso großes Lastschiff mit 10 km Geschwindigkeit schleppen und erreichten mit 80 Pferde-
stärken frei fahrend eine solche von 18 bis 19 km je Stunde. Aus den Skizzen 356 und 357
ist die Anordnung dieser Schiffe ersichtlich. Sie sind aus dem Bericht von Wahl für den Pariser
Kongreß von 1900 entnommen. Wahl gibt dort und im Bericht für den Mailänder Kongreß von
1905 umfangreiche Zusammenstellungen von flach gehenden Kraftschiffen.
Zwischenschraubenschiffe mit Tunnelheck für Madagaskar, Abb. 356 und 357.
2Am 7^ny
Abb. 356. Längsschnitt.
Abb. 357. Querschnitt.
Linienrisse von einem Thomycroftheck mit 2 Schrauben, Abb. 358 bis 360. i : 100.
Abb. 358. Längsriß.
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Abb. 359. Halber Spantenriß.
Abb. 360. Wasserlinien.
Auch ia Deutschland, ist seit dem Jahre 1900 das Tunnelheck mit
Schwanz oft gebaut worden. Die Abbildungen 358 bis 360 stellen das Heck
eines Zweischraubenschiffs dar, das im Jahre 19 10 in Danzig erbaut wurde.
Es hat eine Länge von 40,7 m, eine Breite von 8,7 m und einen Tiefgang
478
Abschnitt III. Schüfe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
von i,o8 m. Der Durchmesser der Schrauben ist 1,7 m. Abbildung 361
zeigt einen Querschnitt durch beide Tunnel ').
Zu den Vorzügen des Tunnelhecks mit Schwanz bleibt zu erwähnen,
daß sich bei solchen Schiffen das Heck sehr wenig während der Fahrt
senkt, was bei anderen Schraubenschiffen, besonders in seichtem Fahrw^asser,
sehr unangenehm ist. Nach den Beobachtungen betrug die Senkung des
vorbeschriebenen Tunnelhecks in voller Fahrt nur 10 bis 15 cm. Das wird
zum Teil darauf zurückgeführt, daß das von der Schraube gegen den Scheitel
des Tunnels aufjgeworfene Wasser einen senkrechten Druck nach oben aus-
übt. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß das aus der Schraube austretende
Wasser wegen der Tunnelwände weniger seitlich als nach hinten austritt. Da-
durch wird der Wasserstrom mehr zusammengehalten und die Heckwellen
werden nicht so nachteilig für die Ufer u. dgl.
Abb. 361. Querschnitt durch ein Tunnelheck für 2 Schrauben 1:100.
Aber es sind auch Nachteile zu erwähnen: Der hinten eintauchende
Schwanz hemmt zweifellos in gewissem Maße den freien Abfluß des Wassers
nach hinten, zumal wenn infolge vermehrter Belastung des Schiffes die Tauch-
tiefe zunimmt. Der Trimm muß also stets entsprechend verändert werden,
was unter Umständen schwierig ist. Im allgemeinen soll der Schwanz, wenig-
stens hinten, nur etwa 5 bis 8 cm tief eintauchen. Um diesem Übelstand
abzuhelfen, läßt man den Schwanz neuerdings am hintersten Ende in der
Ruhelage überhaupt nicht mehr bis zur obersten Wasserlinie herunter reichen,
sondern etwas früher endigen, wie in Abb. 354 mit punktierten Linien ange-
deutet ist. Es besteht dabei allerdings die Gefahr, daß der Rückwärtsgang
des Schiffes etwas behindert wird, weil durch diese Öffnung von der Schraube
Luft eingesaugt wird. Doch teilt Blümcke"*) mit, daß an den von ihm so
gebauten Schiffen dieser Übelstand nicht bemerkt worden ist. Auch A. F.
Yarrow, der Vizepräsident der »Institution of naval architects«, hat in einem
Vortrage vor dieser Gesellschaft im Jahre 1903 diese Bauart empfohlen.
i) Die Österreich-ungarische Regierung hat neuerdings für die Donau 2 gepanzerte Kanonen-
boote >Temes« und »Badrog« mit Tunnelheck gebaut. Bei einer V'erdrängung von 440 t, einer
Länge von $$ m und einer Tauchtiefe von 1,22 m erreichen sie bei 700 Pferdestärken in jeder
der beiden Maschinen 18,5 km Geschwindigkeit.
2) Bericht zum Mailänder Kongreb.
I. Die Fortbewegungsmittel.
479
Ein anderes Mittel, den erwähnten Mangel zu beseitigen, besteht darin,
daß man den hinteren Teil der Tunnelwölbung [d-f in Abb. 354) beweglich
und um eine wagerechte Achse bei ^ als Klappe drehbar macht. Diese
Einrichtung war schon in früherer Zeit von Labat versucht und ist etwa um
1902 von Yarrow wieder aufgenommen worden. Durch eine höhere oder tiefere
Einstellung des unteren Endes (/) der Klappe kann man, der Tauchtiefe des
Schiffes entsprechend, dem abströmenden Wasser eine weitere oder engere
Öffnung geben. Es zeigte sich im Betriebe, daß bei voller Fahrt der Wir-
Tunnelheck mit Klappe, Abb. 362 bis 364. i : 40.
Abb. 362. Längsschnitt. Abb. 364.
M
\ '.4-1 f'-\
V
'\.r
kungsgrad der Schrauben bei ganz
gehobener Klappe am günstigsten,
und die geschlossene Klappe nur
beim Anfang der Bewegung und be-
sonders beim Rückwärtsgange von
Vorteil war. Im letzteren Falle wird
bei gehobener Klappe von der
Schraube viel Luft eingesaugt und
nur eine mäßige Wirkung erreicht.
In den Abbildungen 362 bis 364
ist eine im Jahre 1910 von der Werft
Übigau ausgeführte Anlage mit
Klappe dargestellt").
Das Schiff verkehrt auf Elbe und Moldau, ist 19,8 m über alles und 17,2 m zwischen den
Loten lang, 4 m breit und 1,35 m hoch. Der Tiefgang beträgt betriebsfertig mit 1,4 t Kohlen
0,65 m, wobei die Verdrängung 27,3 t ist. Der Völligkeitsgrad der Verdrängung ist 0,608, der
der obersten Wasserlinie 0,759 und der des Hauptspants 0,96. Der Schraubendurchroesser be-
trägt I m. Wie man aus den Abbildungen erkennt, bewegt sich die i m breite und 1,1 m lange
Klappe in einem Schacht mit senkrechten seitlichen Wänden und kann durch eine Schrauben-
spindel nach Bedarf höher öder tiefer eingestellt werden.
Abb. 363. Grundriß.
i) Von Oberingenieur Jahnel erfunden und durch Deutsches Reichs - Gebrauchsmuster
geschützt.
480 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftscbiffe.
Daß durch solche Klappen beim Rückwärtsgange die Geschwindigkeit
und die Lenkbarkeit des Schiffes erhöht wird, weil die Schraube stets in
vollem Wasser arbeitet, kann nicht bezweifelt werden. Bei vielen Schiffen
kommt es aber nicht darauf an, ob sie beim Rückwärtsgange eine besonders
gute Wirkung haben, und dann dürfte die Klappe und damit auch fast der
ganze Schwanz des Hecks überhaupt entbehrlich sein. Darauf weist auch
Horace See-New-York in seinem Berichte zum Mailänder KoogreO 1905
Linie nriüse vom Tunnelheck ohne
Abb. 365. Spaotenriß.
s Eiascbraubenschiffs, Abb. 365 bl^ 368.
Abb. 366. Längsriß.
Abb. 367, Querschnitt l>ei Spam O.
hin und erklärt das Tunnelheck zur Erhöhung des Wirkungsgrades nur dann
für vorteilhaft, wenn der Tunnel sich hinter der Schraube erweitert.
Nach dieser Richtung hin sind von der Werft Cäsar Wollheim-Breslau
Versuche angestellt worden, die zum Bau von Tunnelhecks ohne Schwanz
geführt haben. In den Abbildungen 365 bis 371 sind die Linienrisse von
den Hecks zweier Schleppdampfer mitgeteilt, die in dem Jahre 1910 auf jener
Werft gebaut sind.
Das eine Schiff 35 m zwischen den Loten lang und 6 m breit) ist mit einer und das andere
f37 m zwischen den Loten lang and 6,5 m breit) mit l Schrauben ausgerüstet. Der Tiefgang
beider beträgt 1,1 m, der Schraubendurchmciser 1,5$ und ii4 ">. Durch den Fortfall des Schwanics
482 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
bekommen die Schiffe sehr zweckmäßige Heckformen. Beachtenswert ist die Nenening, daß die
Seitenwände des Tunnels nicht mit einer Abrundmig, sondern mit einer Schneide ^ei A^ in das
Wasser tauchen. Femer ist die Tunnelleibung so nahe an die Schraubenkreisfläche gelegt, daß
im Scheitel nur ein Spielraum von 50 mm und in der obersten Wasserlinie ein solcher von 150 mm
bleibt. In der Ruhelage tauchen die Schneiden bei A nur etwa 10 mm tief ein ').
Bei den so gebauten Zwebchraubenschiffen hat man später dem Trennungskörper zwischen
den beiden Tunneln eine schlankere Gestalt gegeben, wie in Abb. 370 und 371 bei S punktiert
augedeutet ist. Man hoffte dadurch den Austritt des Wassers aus den Schrauben zu erleichtem
und einen höheren Wirkungsgrad zu erreichen. Zuverlässige Erfahrungen liegen darüber noch
nicht vor.
Es hat sich gezeigt, daß die Rückwärtsbewegung dieser Schiffe eine ge-
nügende ist, wenngleich nicht eine so gute wie bei einer Klappe oder bei
einem Heck mit Schwanz. Es fragt sich aber, ob sie ausreichend sein wird,
wenn der Schraubendurchmesser im Verhältnis zur Tauchtiefe noch größer
gewählt wird, was an sich als zulässig bezeichnet werden kann. Dagegen
ist die Wirkung der Schrauben in dieser Anordnung bei vollem Vorwärts-
gang ohne Zweifel günstiger, weil das Wasser aus der Schraube ohne irgend
welche Hemmung nach hinten austreten kann. Der oben eng schließende
Tunnel gibt dem Wasserstrahl eine axiale Führung, die in ähnlicher Weise
wirkt wie der Mantel der Turbinenschraube von Thomycroft und ohne deren
Mängel. Denn das Festklemmen von schwimmenden Gegenständen ist bisr-
her nicht bemerkt worden und auch nicht zu befürchten. Durch eine im
Tunnelscheitel angebrachte Klappe kann man übrigens jederzeit leicht an die
Schraube herankommen. Daß der Tunnelscheitel geradlinig und nicht wie
früher hinten nach unten gekrümmt ist, muß gleichfalls als Verbesserung an-
gesehen werden. Wenn auch über die Wirkungsweise der Schraube in solchen
Tunneln wissenschaftliche Untersuchungen noch fehlen, scheint es doch wahr-
scheinlich, daß der Schraubenstrom durch einen gekrümmten Scheitel in senk-
rechtem Sinne nach der Sohle zu abgelenkt wird, wodurch diese namentlich
in Kanälen vielleicht beschädigt werden könnte. Bei der Bauart mit wage-
rechtem Scheitel ist das weniger zu befürchten.
Die guten Erfolge solcher Wölbungen unter dem Hinterschiff führten zu
dem Versuch, durch ähnliche Einrichtungen auch ältere Schiffe mit
Schrauben von großem Durchmesser nach entsprechender Trimmung für
geringen Tiefgang vorteilhaft zu verwenden. Das erreichte man durch An-
bringung eines Schraubenschirms, wie er in Abb. 372 mit gesenkter und
in Abb. 373 mit gehobener Klappe dai^estellt ist. Bei gesenkter Klappe er-
gibt sich ziemlich dieselbe Wirkung wie bei einem Thornycroftheck. In
anderen Fällen hat man diesen Schirm ohne Klappe angewendet, wie aus
den AbbSdungen 374 und 375 ersichtlich ist, und hat damit sehr gute Er-
folge gehabt.
Bei dem abgebildeten Schiffe hatte die Schraube einen Durchmesser von 1,7 m und brauchte
hinten einen großen Tiefgang, um vorteilhaft arbeiten zu können. Nach Anbringung des Schirms
wurde der Trimm so veribidertf daß hinten nur eine Tauchtiefe von 1,1 m vorhanden war,
i) Durch Reichs-Gebrauchsmuster geschützt.
. Die Fortbewegungsinittel.
s.
I
484 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
während die seitlichen Ränder des Schirms etwa i cm tief in das Wasser tauchten. Es zeigte
sich darauf (durch Messung der Zugkraft am Pfahl), daß die Schleppkraft des Schiffes ebenso
groß war wie vorher. Der Schirm war mit geringem Spielraum um die Schraube gelegt:
Im Scheitel war ein Zwischenraum von 50 mm und seitlich im Wasserspiegel beiderseits ein
solcher von je 150 mm.
Diese letztere Anordnung ist von der Werft Cäsar Wollheim gewählt
worden und die guten Erfolge haben dann zu der vorbeschriebenen Bauart
des Tunnelhecks ohne Schwanz mit wagerechtem Scheitel und scharfen
Schneiden gefuhrt. Es sind auch neue Schiffe mit solchen Schirmen aus-
gerüstet worden. Das bietet den Vorteil, daß man später bei dauernder Ver-
wendung in tiefem Wasser den Schirm leicht entfernen kann.
Überhaupt mag noch darauf hingewiesen werden, daß sowohl Tunnel
wie Schirme eine unveränderte Tauchtiefe des Hecks verlangen. Sie werden
daher nur in seltenen Fällen bei Lastschiffen Verwdhdung finden können,
wenn diese bei verschiedener Beladung sich entsprechend trimmen lassen.
Schirme, deren Höhenlage nach Bedarf verändert werden kann, sind an-
scheinend noch nicht gebaut worden und dürften sich auch kaum bewähren.
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Abb. 376. Kanalquerschnitt, durch die Schraubenwirkung stark verändert, i : 250.
Die Einwirkung der Schraube auf die Sohle der Kanäle ist fiir
die Verwendung von Schraubenschiffen in der Binnenschiffahrt von großer
Bedeutung, Bei den preußischen Kanälen wurde festgestellt, daß der Angriff
ein äußerst schädlicher und unter Umständen selbst gefährlicher ist. In
Abb. 376 ist ein Kanalquerschnitt dargestellt, dessen ursprünglich wagerechte
Sohle (feine Linie) infolge des Schraubendampferverkehrs 'allmählich eine pa-
rabolische Form angenommen hat (starke Linie), indem der Boden aus der
Mitte in Bewegung gesetzt und seitlich abgelegt wurde, wo er fiir den Schiffs-
verkehr sehr hinderlich ist.
Wenn ein Schraubenschlepper aus irgend einem Grunde, z. 6. um ein fes^efahrenes Last-
schiff wieder flott zu machen, an einer und derselben Stelle des Fahrwassers mit voller Kraft
arbeitet, entstehen leicht tiefe Löcher in der Sohle, die unter Umstanden gefährlich sind und
auf deren hoch aufgeworfenen Rändern andere Schiffe bei geringer Wassertiefe sich wieder
festfahren können. Dies kommt auch in aufgestauten Stromstrecken vor, während in offenen
Strömen bei großer Geschwindigkeit des Wassers die vorübergehende Vertiefung meistens un-
schädlich ist.
Wenn man die Ursachen dieser nachteiligen Einwirkung der Schraube
auf die Sohle untersuchen will, muß auf die frühere Erörterung über die Be-
wegung der Schraube zurückgegriffen werden. Auf S. 458 war darauf hin-
gewiesen, daß der Gegendruck des Wassers auf die Schraubenflügel sich in
eine Schubkraft und in eine Tangentialkraft zerlegt. Während die erstere die
I. Die Fortbewegungsmittel. 485
Fortbewegung des Schiffes bewirkt, ruft die andere eine drehende Bewegung
des die Schraube umgebenden Wassers hervor. In der Abb. 377 sind auf
der linken Seite (A) die hinter der Schraube entstehenden Spiralwirbel der
Wasserteilchen durch Pfeile deutlich gemacht. Der Durchmesser des in Be-
wegung befindlichen Wasserdrehkörpers und die Geschwindigkeit der Wasser-
teilchen ist weniger von dem Durchmesser der Schraube, als vielmehr von
der Größe der Tangentialkraft abhängig. Es muß mithin eine solche Form
der Schraubenflügel und besonders ein solches Steigungsverhältnis gewählt
werden, daß die Tangentialkraft im Verhältnis zur Schubkraft möglichst klein
wird, oder, wie man zu sagen pflegt, daß die Schraube möglichst wenig
»streute. Die Wirbel werden ferner um so weniger die Sohle angreifen, je
weiter die Schraube von ihr entfernt arbeitet. Gefahrlich werden sie bei
geringer Wassertiefe, wenn ihre Kreisbewegung durch das Ruderblatt ge-
stört wird, wie in der vorstehenden Abbildung rechts [B] dargestellt ist.
Dann werden die in Bewegung befindlichen Wasserteilchen abgelenkt und
Abb. 377. Einwirkung von Schraube und Ruder auf die Sohle.
greifen in verstärktem Maße die Sohle an. Diese Erscheinungen sind
zuerst von Gebers') in neuester Zeit durch Modellversuche bestätigt worden :
Die Ausspülungen der Sohle in dem Modell des oben dargestellten Quer-
schnitts hörten beinahe auf, nachdem das hinter der Schraube angeordnete
Ruder beseitigt oder durch zwei seitliche in einem Abstände von etwa 1,5 • /^
ersetzt worden war. Die starke Beschädigung der Sohle ist also vorwiegend
auf die Wirkung des Ruders zurückzufuhren, und es ist leicht zu erklären,
daß bei Verwendung von Zweischraubenschiflen mit einem mittleren Ruder
nur geringfügige Ausspülungen bei den Modellversuchen bemerkt wurden.
Der Vorschlag von Gebers, EinschraubenschifTe für den Verkehr in Kanälen
mit 2 Rudern auszurüsten, scheint beachtenswert, und man würde solche Ein-
schraubenschifTe auch auf Kanälen von geringer Tiefe neben den Zwei-
x) Die Entwicklung einer neuen Schleppdampferart für Schiffahrtkanäle, Vortrag in der
Schiffbautechnischen Gesellschaft im November 1910. — Im Jahrbuch von 191 1, S. 420. Zeit^
Schrift für Binnenschiffahrt 191 1, S. 566.
486 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschifie.
schraubenschiffen zulassen können']. Die letzteren bleiben aber für den Ver-
kehr auf Kanälen und in aufgestauten Strömen in erster Linie geeignet wegen
der Vorzüge, auf die schon oben (S. 470) hingewiesen wurde.
Sehr beachtenswert sind die 1910 und 191 1 von dem Kgl. Hauptbauamt In Potsdam
veranstalteten Schraubenversuche, durch die die Zulässigkeit von Sckraubenschleppem
auf dem Großschiffahrtweg Berlin — Stettin untersucht worden ist. Die Modellversuche von
Gebers sind dabei im allgemeinen bestätigt worden. Um die Beschädigung der Sohle zu ver-
hüten, wurden unter anderm auch Versuche gemacht mit einer unter der Schraube an der
Kielsohle befestigten, schalenförmig gewölbten Blechplatte. Die Ergebnisse sind in der amtlichen
Druckschrift »Schlepp- und Schraubenversuche im Oder- Spree-Kanal und im Großschiffahrtweg
Berlin-Stettin < (Verfasser: Mattern und Buchholz) zusammengestellt und sollen auch im
Buchhandel erscheinen.
Man erkennt aus diesen Mitteilungen, daß die Verwendung von Schrauben
in der Binnenschiffahrt im Laufe der letzten 1 5 Jahre bedeutende Fortschritte
gemacht hat. Es steht zu erwarten, daß dies Fortbewegungsmittel sich all-
mählich auch auf den großen Strömen einbürgern und das Schaufelrad ver-
drängen wird.
Fortbewegung durch Wasserstoß (Reaktions- oder richtiger Pumpen-
oder Turbinenpropeller). Bei den auf diese Weise fortbewegten Strahl-
schiffen oder Prall schiffen wird der Gegendruck (Reaktion) des Wassers,
der das Schiff vorwärts schiebt, nicht durch den Schlag einer Schaufel oder
durch den Druck einer Schraubenfläche, sondern unmittelbar durch den Stoß
eines Wasserstrahls hervorgerufen. Dazu ist eine Pumpvorrichtung erforder-
ich, die das Wasser vorne ansaugt und nach hinten (entweder am Heck oder
an beiden Schiffseiten) mit entsprechender Krafl ausstößt.
Auch der Grundgedanke dieses Fortbewegungsmittels ist sehr alt. Schon Daniel Bemouilli
hat in seinem Buche » Hydro dynamica« im Jahre 1738 diesen Vorschlag gemacht. Der Ameri-
kaner Rumsey soll in Philadelphia im Jahre 1787 mit einem so eingerichteten Boote Fahrten
auf dem Potomak und im Jahre 1823 ^ England mit einem ähnlichen Boote auf der Themse
ausgeführt haben, wobei eine gewöhnliche Kolbenpumpe benutzt wurde. Die Versuche hatten
ebenso wenig Erfolg, wie die späteren in Frankreich von Cav^ auf der Seine (1843) und in Eng-
land von Ruthven (1844). Im Jahre 1855 baute Seydel in Stettin das PrallschifT »Albert«, das
einige Jahre lang auf der Oder im Betriebe war=}, und von 1866 bis 1867 wurden auf dem eng-
lischen Kanonenboot »Waterwich« umfangreiche Versuche vorgenommen, wobei eine Geschwin-
digkeit von etwa 16 km je Stunde erreicht sein soll. In diesen letzterwähnten Fällen wurden
seit Ruthven Kreiselpumpen benutzt, die auch als getriebene Vollturbinen angesehen werden
können. Man bezeichnete daher diese Kraftschiffe als Turbinenschiffe. Das Betriebswasser wurde
im Boden des Schiffes angesaugt, durch eine Rohrleitung wagerecht im Innern des Schiffes zum
Kreisel und aus dessen Mantelraum nach den beiden hinteren Ausflußöffhungen geführt Diese
und andere spätere Versuche hatten keinen wirtschaftlichen Erfolg, namentlich nicht für die
Binnenschiffahrt.
Im Jahre 1891 erfand Zeuner in Dresden eine neue Vorrichtung. Er
erklärte die Mißerfolge der früheren Anordnungen durch die großen Wider-
1) Vgl. H. Krey, Modellversuche über den Schiffahrtbetrieb auf Kanälen und die dabei
auftretende Wechselwirkung zwischen Kanalschiff und Kanalquerschnitt. Heft 107 der Mit-
teilungen über Forschungsarbeiten auf dem Gebiete des Ingenieurwesens, Berlin 191 1 und Ver-
suche mit Kanalmodellen. Zentralblatt der Bauverwaltung 191 1, S. 529.
2) Zeitschrift für Bauivesen 1859, S. 535.
I. Die Fortbewegungsmittel. 487
Stände, die das Betriebswasser in den Röhren und den Krümmungen fand,
besonders beim Austritt aus dem Kreisel, und erwartete bessere Erfolge, wenn
man ohne Röhren das Wasser möglichst stoßfrei in wagerechtet Richtung in
die Pumpe eintreten und ebenso austreten lassen könnte. Er wählte daher
als Pumpe eine » Henschel-Jonval« sehe Axial vollturbine, die er außerhalb des
Schiffes an der Stelle der Schraube anordnete. Das Wasser durchströmt das
Laufrad dieser Turbine gleichlaufend zur Achse mit gleichmäßiger Geschwin-
digkeit und erfahrt also im Innern des Laufrades keine Beschleunigung in
axialem Sinne. Um eine solche als treibende Kraft zu erreichen, ordnete
Zeuner hinter der Turbine ein Gehäuse mit festen Leitschaufeln an, den
»Kontraktor«, in dem das aus dem Turbinenrade tretende Wasser den erfor-
derlichen Druck erhält *). (In dieser Beziehung ist der hydraulische Vorgang
ein wesentlich anderer als bei der oben erwähnten Turbinenschraube von
Thomycrofl.) Für den Rückwärtsgang wird die Betriebsmaschine nicht um-
gesteuert, die Turbine läuft vielmehr in gleichem Sinne weiter. Es wird aber
vor die Ausflußöffnung ein »Rückstrahler« gebracht, wodurch der austretende
Wasserstrahl geteilt und beiderseits um etwa 120^ abgelenkt wird. Nach den
Entwürfen von Zeuner sind seit 1892 auf der Schiffswerft Übigau bei Dresden
mehrere Schiffe erbaut worden.
In den Abb. 378 and 379 bt die Fortbewegungsvorrichtong eines Strahlschüfs mitgeteilt,
das x6,3 m lang und 3,5 m breit bt und einen Tiefgang von 0,48 m hat Die Betriebsmaschine
lebtete bei 300 Umdrehungen 40 indizierte Pferdestärken, a bedeutet die aus Bronze hergestellte
Turbine, b den Kontraktor aus Gußeisen, c den in den Führungstangen g und h senkrecht be-
weglichen Rückstrahler aus Kupfer. Seine Bewegung erfolgt durch ein Seil vom Steuerruderstand
aus. Der mitttere Halbmesser der Turbine (r) betrügt 253,5 mm, die radiale Durchflußweite 146 mm,
der gesamte äußere Durchmesser 654 mm und der Durchmesser der Ausflußöffhung des Kontraktors
{/) 400 mm. Im Laufrade befinden sich 13, im Kontraktor 12 Leitschaufeln von 5 und 4 mm
Stärke. Um das Eintreten von Luft in die Turbine zu verhüten, ist eine Blechhaube angeordnet,
die bis in das Wasser reicht, und unter ihr ein Drahtnetz, um das Eintreten von fremden Körpern
zu verhindern. Bei günstigem Wasserstande hat das Schifif bei einem stündlichen Kohlenverbrauch
von 56 kg eine mittlere Geschwindigkeit von etwa 3,78 m je Sekunde erreicht. Beim Aufwärts-
schleppen entwickelte es eine Zugkraft im Schlepptau von 450 kg.
Es wurde im Jahre 1893 auch ein größeres Strahlschiff von 33,5 m Länge, 3,7 m Breite
und 0,65 m Tiefgang erbaut, das mit 2 Turbinen versehen war, die seitlich am Schiffskörper,
etwa in der Mitte der Länge, angebracht waren (Abb. 380). Dies Schiff zeigte gleichfalls sehr
beachtenswerte Leistungen, die von Busley an der erwähnten Stelle beschrieben und gewürdigt
sind. Busley macht dabei den Vorschlag, bei Verwendung von nur einer Turbine diese ganz in
das Innere des Schiffes zu legen, wobei man den Vorteil gewinnt, ohne Rücksicht auf den Tief-
gang des Schiffes dem Laufrade eine beliebige Größe geben zu können. Solche Strahlschiffe
würden dann besonders für sehr geringe Fahrwassertiefen geeignet sein.
Dieser Gedanke ist von dem Ingenieur £. Marchand in Paris im Jahre 1901 weiter ver-
folgt worden 3). Bei dieser Anordnung tritt das durch die Turbine angesaugte Wasser radial aus
ihr heraus und wird dahinter wieder in einem gemeinschaftlichen Ausflußrohr vereinigt. Marchand
verwendet zwei hinter einander liegende Laufräder, von denen das hintere für den Rückwärts-
i) Busley, Turbinenpropeller mit Kontraktor. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure
1894, S. I. Grosch, Das Strählschiff »Dresden«. Civilingenieur 1895, Heft 5.
2) Schromm, Hydraulischer Turbinenpropeller. Zeitschrift des Österr. Ingen.- u. Arch.-
Vereins 1901, nach dem G^nie civil, Paris 1901.
488
Abschnitt HE. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschüfe.
Strahlschifif »Dresden« mit Zeonerscher Turbine, Abb. 378 und 379.
Abb. 378. Längsschnitt.
Abb. 379. Grundriß.
Abb. 380. Querschnitt durch ein Strahlschiff mit 2 seitlichen Turbinen.
. Die Fortbewegungsmittel.
489
g«ng benutzt wird, wUirend die Wtlle ihre Drehrlchtang behült. Aus Abb. 381 bt die Anord-
nung der Vorrichtung im Schiffe ersichtlich. Bei den Versuchen a.uf der Seine sollen gute Er-
folge erreicht sein; doch liegen keine genaueren Angaben yor, und es ist »ucb über die weitere
Verfolgung dieser Erfindung nichts beliannt geworden. Es ist tu vermuten, dt& die Widerstände
in den Rohren und besonders bei dem radialen Austritt des Wassers aus den Leitschaufeln des
Laufrades recht bedeutend sind.
Abb. 381. Turbioenanordnung von Marchand.
Turbinen auf den Kettendanpfem des Mun, Abb. 382 bis 384.
Abb. 38a. Quersehniit de» Schiffes.
Abb. 383. LSngsscbnitt mit Ansicht einer Turbine.
Abb. 3E4. Grundriß einer Turbine.
Die Werft Übigau hat ferner eine beachtenswerte Anordnung bei Ketten-
dampfe rn mit Erfolg versucht. Es hatte sich das Bedürfnis herausgestellt,
diese Schiffe für die Talfahrt ohne Benutzung der Kette mit eigenen Fortbe-
wegungsmitteln zu versehen, und da die Verwendung von Schrauben mit Rück-
490 Abschnitt m. Schifife mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
sieht auf die geringe Wassertiefe unzweckmäßig schien, voirden Turbinen ein-
gebaut. Jedes Schiff erhielt deren zwei, die vollständig innerhalb des Schiffs-
körpers an den Bordwänden, etwa in der Mitte der Länge angebracht wurden
(Abb. 382 bis 384). Die WasserzufluDkanäle (6) liegen so tief in der Kimm,
daß sie stets von Wasser bedeckt sind und das Ansaugen von Luft vermieden
wird. Außen sind sie mit Schutzgittern [d] versehen. Ebenso sind die von
dem Kontraktor kommenden Ausflußrohre {c) so durch die Schiffswände ge-
führt, daß die Wasserstrahlen unter Wasser gleichlaufend mit den Schiffs-
wänden ausfließen. Bemerkenswert ist der Rückstrahler (A), durch den für den
Rückwärtsgang der Wasserstrom senkrecht gehoben und an der Schiffswand
entlang durch ein besonderes Rohr (^) nach hinten geführt wird. Der Rück-
strahler ist um eine wagerechte Achse in senkrechtem Sinne drehbar. In
Abb. 383 ist er fiir den Rückwärtsgang eingestellt; wird er um etwa 90*^ gedreht,
so strömt das Wasser durch das Rohr c frei aus und das Schiff geht vorwärts.
Mit solchen Turbinen sind in den Jahren 1894 und 1896 zwei Ketten-
dampfer auf der Elbe und in den Jahren 1898 bis 1900 fünf Kettendampfer
auf dem oberen Main ausgerüstet worden. Bei den ersteren größeren Schiffen
(52,25 m lang, 8^2 m breit, 0,7 m Tauchtiefe) wurden Turbinen von 1,1 m
lichter Durchfluß weite, 300 mm radialer Radweite und 190 Umdrehungen
angebracht, die von zwei Dampfmaschinen mit zusammen 220 PSi angetrieben
wurden, wobei eine Geschwindigkeit von 3,25 m je Sekunde erreicht wurde.
Die auf den Kgl. Baierischen Kettendampfern des Main (46 m lang, 6,4 m
breit und 0,56 m Tauchtiefe) verwendeten Turbinen, denen die Abbildungen
282 bis 284 entsprechen, haben lichte Durchmesser von 850 mm, radiale
Radweiten von 206 mm und machen 250 Umdrehungen. Sie werden durch
2 Maschinen von zusammen 130 PSi angetrieben und bewirken eine Ge-
schwindigkeit von 3,1 m je Sekimde').
Die eingezogenen Erkundigungen darüber, wie sich diese Zeunerschen
Turbinen in dauerndem Betriebe bewährt haben, ergaben im allgemeinen für
die Anwendung bei Kettendampfem ein günstiges, im übrigen ein ziemlich
ungünstiges Urteil. Auf der Elbe sind die beiden Kettendampfer seit 1 5 Jahren
im Betriebe und man ist mit den Leistungen der Turbinen zufrieden. Die
baierische Main-Kettenschiffahrt hat außer den 5 oben erwähnten in neuester
Zeit noch 4 Kettendampfer (bis 191 1) eingestellt, die wieder mit Turbinen
ausgerüstet worden sind, und das Kgl. Baierische Verkehrsministerium ist mit
der Leistung der Turbinen sehr zufrieden. Anders ist es mit den für den
staatlichen Baudienst auf der Elbe gelieferten Schiffen.
Die beiden Schüfe fiir die sächsische Wasserbauver waltung sind mit den Zeuner-
schen Turbinen nur etwa 10 Jahre lang gelaufen, weil sich mancherlei Mängel im Betriebe
herausstellten: Zunächst genügte die Rückwärtsbewegung nicht und dies beeinträchtigte die
Sicherheit des Betriebes. Femer zeigte sich der Kontraktor unzweckmäßig bei treibendem Eise,
1} August Jahnel, Flußfahrzeuge von weniger als 75 cm Tiefgang. Bericht zum 9. Intern.
Schiff.-Kongreß in Düsseldorf, 1902. Auch: Zeitsch. d. V. D. Ing. 1901. Aufsatz von Ed. Weiß.
2. Kraftschiffe mit Dampfimaschinen, Dampfschüfe. 491
da sich dies in ihm festsetzte mid ihn verstopfte; auch mußten die Turbinen stets vor dem
Einfrieren besonders geschützt werden, wozu es nötig wurde, die Schiffe im Winter aufs Land
zu nehmen. Aber nicht nur Eisstücke, sondern auch andere im Wasser schwimmende Gegen-
stände, Holzstücke u. dgl. wurden häufig durch die Turbinen angesaugt und verstopften sie.
Außerdem ergab sich ein großer Kohlenverbrauch und es wurde über die starken Erschütte-
rangen der Schiffe geklagt. In den Jahren 1902 und 1906 wurden daher die beiden Schiffe um-
gebaut, indem man das kleinere mit einer gewöhnlichen Schraube und das größere mit Seitenrädern
ausrüstete. Damit wurde eine ebenso große Schnelligkeit bei geringerem Kohlenverbrauch und
verminderten Unterhaltungskosten erreicht. Allerdings hat der Tiefgang des größeren Schiffes
dabei von 65 cm auf 73 cm zugenommen.
Auch eine im Jahre 1893 für die preußische Elbstrom-Bauverwaltung gebaute
Dampf barkasse mit einer solchen Turbine hat sich auf die Dauer nicht bewährt, weil sich etwa
dieselben Obelstände herausstellten. Dazu kam noch, daß der Kontraktor beim Anstoßen an
Steine oder andere Hindemisse häufig starke Verbiegungen erlitt, durch die zuweilen das Lauf-
rad festgebremst wurde, so daß die Maschine zum Stillstand kam. Die Barkasse wurde daher
im Jahre 1899 mit einer Schraube versehen.
Nach einer Mitteilung von Merczyng') sollen Turbinen auch in Rußland vielfach ange-
wandt worden sein, wobei sich in ähnlicher Weise herausgestellt hat, daß sie allerdings in tiefem
Wasser sehr gut arbeiten, in seichten Flüssen mit lehmiger oder sandiger Sohle aber nicht
brauchbar sind, weil von diesen Stoffen zu viel in die Turbine eingesaugt wird. Ob diese Tur-
binen nach der Zeunerschen Form gebaut waren, ist nicht bekannt.
Nach einer Zeitung^snachiicht soll im Herbst 1910 auf der Loire bei Nantes ein Herr
Math^ aus La Rochelle erfolgreiche Versuche mit einem neuen Strahlschiffe gemacht haben;
doch ist nichts näheres darüber bekannt geworden.
2. Kraftschiflfe mit Dampfmaschinen^ Dampfschiflfe.
Heizstoffe und Verbrennung.
Zur Heizung der Dampfschtffskessel werden sowohl feste Heizstoffe,
Holz, Torf, Braun- und Steinkohlen, als auch flüssige, rohes Erdöl, Erdöl-
rückstände und Teeröle verwendet.
Holz wurde in den ersten Zeiten der DampfschüTahrt vielfach zur Heizmig benutzt, be-
sonders in Amerika, wo bis zum Jahre 1836 fast nur Kiefernholz verbrannt wurde. Jetzt wird
es noch zuweilen in Rußland, Sibirien und in anderen Ländern verwendet, wo man keine
besseren Brennstoffe hat. Torf wird selten benutzt. Ganz ungeeignet ist der 'üngste, der Rasen-
torf; der darunter liegende schwerere Erdtorf und der älteste und schwerste, der Pechtorf, sind
besser und entsprechen in ihrer Leistung etwa dem Nadelholz ^j. Braunkohlen werden im
Gebiet der Elbe oft verwendet. Man unterscheidet die jüngeren, die faserigen und erdigen, von
den Slteren, den muscheligen in Stücken. Die ersteren sind für Schiffskessel nicht geeignet.
Frisch geforderte Braunkohlen haben zwar einen hohen Wassergehalt (30 bis 50 v. H.}) sind
aber den abgelagerten vorzuziehen, weil diese an der Luft eine langsame Zersetzung erleiden,
wodurch sie an Heizwert verlieren. Steinkohlen bilden den wichtigsten Heizstoff für Schiffs-
kessel. Nach ihrem Verhalten auf dem Rost unterscheidet man: trockene oder Sandkohlen,
die beim Verbrennen in kleinere nicht aneinander haftende Stücke zerspringen; Sinterkohlen,
die in größeren Stücken verbrennen, ohne zu zerfallen, während die kleineren Stücke lose an-
einander haften, ohne sich aufzublähen; Backkohlen, die sich beim Verbrennen aufblähen
und zu einem Brei zusammenschmelzen. Mit dem Alter der Steinkohlen nimmt ihr Gehalt an
Sauerstoff ab. Die sauerstoffireichsten Kohlen, die mit langer Flamme verbrennen, nennt man
zuweilen Flammkohlen. Das sind gasreiche Backkohlen mit 10 bis 14 v. H. Sauerstoff, gas-
reiche Sinterkohlen mit 14 bis 17 v. H. und gasreiche Sandkohlen mit über 17 v. H. Sauerstoff.
Anthrazit ist eine sehr sauerstoffarme Kohle mit nur etwa 3 v. H.
i) Flußschiffe von weniger als 75 cm Tiefgang. Bericht zum 9. Intern. Schiff. -Kongreß in
Düsseldorf. 1902.
2) Busley, Die Schiffsmaschine. Kiel u. Leipzig. 1901.
492 Abschnitt HI. Schüfe mit eigener Triebkraft, Kraftschüfe.
Nach dem Verhältnis des Bitumens (d. h. der die Flamme bildenden Stoffe) za dem zu-
rückbleibenden Koks unterscheidet man bituminöse Kohlen mit über 30 v« H. Bitumen, halb-
bituminöse mit 30 bis 15 V. H., wenig bituminöse mit 15 bis 10 v. H. und nicht bituminöse
mit weniger als 10 v. H. Am meisten Bitumen haben die gasreichen Sand* und jüngeren Sinter-
kohlen sowie die backenden Gaskohlen (48 v. H. bis 44 v. H. bis 33 v. H.). Bei den Back-
kohlen schwankt der Gehalt zwischen 15 y. H. bis 33 v. H., während gasarme, ältere Sinter-
kohlen 10 V. H. bis 15 V. H. und magerer Anthrazit nur 5 v. H. bis 10 v. H. Bitumen enthalten.
Man unterscheidet femer langflammige und kurzflammige Kohlen. Zu den ersteren
werden die Sandkohlen (trockene bituminöse K.), die Sinterkohlen (sinternde bituminöse K.)
und die Gaskohlen (backende bituminöse K.) gerechnet; zu den letzteren die Fettkohlen
(backende halbbituminöse K.), die Eßkohlen (sinternde wenig bituminöse K.) und die Anthra-
zite (magere nicht bituminöse K.).
Die oberschlesischen Kohlen sind meistens Sandkohlen; es werden bei Waidenburg
aber auch Gas- und Sinterkohlen gefördert. Die Saarkohlen sind größtenteils Sand- und
Sinterkohlen, außerdem schwach backende Gaskohlen. Die Kohlen im oberen westfälischen
Becken sind Gaskohlen. An kurzfiammigen Kohlen kommen Fett- und Eßkohlen im mittleren
und unteren westfälischen Becken, im Wurmrevier bei Kohlscheid und im Inderevier
bei Eschweiler vor.
Die schottischen Bogheadkohlen sind sehr bituminös und den Cannelkohlen verwandt,
die wieder den muscheligen Braunkohlen oder Pechkohlen sehr nahe stehen. Die schottischen
Splintkohlen sind größtenteils Sandkohlen, die New-Castlekohlen meistens Backkohlen und
die Welsh kohlen gleichen den Eßkohlen.
Alle festen HeizstofTe enthalten außer den brennbaren Bestandteilen
(besonders Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff) noch unverbrennliche
Teile, die Asche und einen gewissen Wassergehalt, dessen Menge den
Heizwert beeinflußt.
In der nebenstehenden aus Busley entnommenen Zusammenstellung sind in den Spalten i
bis 7 die Bestandteile der verschiedenen festen Heizstoffe in Mittelwerten angegeben:
In den Spalten 3 bis 5 ist die chemische Zusammensetzung in Gewichtsteilen des völlig
reinen Brennstoffs nach Abzug des Wasser- und Aschegehalts angegeben.
In Spalte 6 bezieht sich der Wassergehalt auf den lufttrockenen gewöhnlichen Znstand.
In Spalte 7 ist der Aschegehalt nach dem Ergebnis der Untersuchung im Laboratorium
angegeben, mithin nicht mit den Verbrennungsnickständen in den Feuerungen der Schiffskessel
zu verwechseln.
Die Heiz kraft eines Brennstoffs ist die Anzahl von Wärmeeinheiten, die
bei der Verbrennung (d. h. bei der Verbindung mit Sauerstoff unter Feuer-
erscheinung) von 1 kg entwickelt werden. Der Verbrennungsvorgang ist ein
gleichzeitig stattfindender doppelter und besteht: erstens in dem Entgasen
des Brennstoffs, Mischen der Gase mit der Verbrennungsluft und Verbrennen
der Gase als Flamme; zweitens in dem Verbrennen der bei der Vergasung
zurückbleibenden festen Teile (z. B. Koks oder Holzkohle) durch nur an der
Oberfläche stattfindende Verbrennung (Oxydation).
Wärmeeinheit (WE) nennt man die Wärmemenge, die man braucht,
um I kg Wasser von o" auf 1° C zu erwärmen (Kalorie).
Nach Joule und anderen Forschem ist wahrscheinlich WE = 424 mkg und diese Arbeit
von 424 mkg heißt der Arbeitsgleich wert der Wärmeeinheit oder das mechanische Wärme-
äquivalent.
Die absolute Heizkraft oder Verbrennungs wärme kann nur durch
kalorimetrische genaue Versuche oder auf chemischem Wege bestimmt
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
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494 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
werden. Für die Ausführung nach letzterwähnter Art sind von dem Verein
deutscher Ingenieure und von dem Verband der Dampfkessel-Überwachungs-
vereine im Jahre 1884 bestimmte Vorschläge gemacht*). Mittlere Zahlen-
werte sind in der Spalte 8 der Tabelle angegeben.
Die nutzbare Heizkraft ist die Anzahl der Wärmeeinheiten, die i kg
des fraglichen Brennstoffs in einer Dampfkesselfeuerung an das Kesselwasser
abgfibt. Sie ist erheblich kleiner, weil bei der stets unvollkommenen Ver-
brennung unverbrannte Bestandteile durch den Schornstein entweichen. Bei
vollkommener Verbrennung würden nur Stickstoff, Kohlensäure, schweflige
Säure und Wasserdampf, also farblose Gase, entweichen. Der oft entstehende
Rauch ist ebenso wie der Ruß unverbrannter Kohlenstoff. Sie entstehen
besonders beim Beschicken des Feuers. Durch die geöffnete Feuertür dringt
dann plötzlich viel kalte Luft ein und entzieht dem Feuer so viel Wärme,
daß ein Teil der in den Brenngasen enthaltenen Teerdämpfe niedergeschlagen
(kondensiert) wird. Diese schwer brennenden niedergeschlagenen Teerdämpfe
vermischen sich mit dem Ruß, der aus reinem Kohlenstoff besteht, zu Rauch.
Während Ruß fast geruchlos und nicht klebrig ist, bekommt Rauch den be-
kannten scharfen Geruch und seine Klebrigkeit durch die Teerdämpfe. Das
Fehlen von Rauch ist aber noch kein sicheres Zeichen einer vollkommenen
Verbrennung; denn auch unverbranntes Kohlenoxydgas ist farblos. Der
wirklich in einer Feuerung erreichte Verbrennungsgrad ist nur durch eine
chemische Rauchanalyse festzustellen.
Man ermittelt die nutzbare Heizkraft in folgender Weise: Wenn während eines be-
stimmten Zeitraums dem Kessel eine Speise wassermenge (Z^kg) von der Wärme /^.mgeführt
wurde und dabei ATkg Brennstoff verbraucht sind, so ist die gesamte in dieser Zeit von dem
Kesselwasser aufgenommene Wärmemenge = D(X — t) W£, worin X die der Dampfspannung ent-
sprechende Gesamt wärme ist. Es entfallen also auf i kg Brennstoff:
Für Steinkohlen schwankt dieser Wert zwischen 4500 imd 5500 W£ nach der Güte der Kohlen
und der Feuerungen.
Die Verbrennungswärme (pyrometrische Heizkraft) ist die bei der Verbrennung von
I kg Brennstoff erzeugte Wärme in Graden C. Da die Pyrometer zur genauen Messung dieser
Wärme nicht genügen, muß sie aus den bei der Verbrennung entwickelten Gasen, aus deren
Wärme und aus der absoluten Heizkraft berechnet werden. Da die Wärme der Verbrennungs-
gase nicht genau bekannt ist, kann die Berechnung nur angenähert gemacht werden. Mittlere
Werte sind in der Spalte 9 der vorstehenden Tabelle mitgeteilt.
Die Verdampfungskraft eines Brennstoffs ist die Anzahl kg Wasser
von o®, die durch die Verbrennung von einem kg Brennstoff in Dampf von
100° C verwandelt werden können.
Da die Wärmemenge des aus Wasser von 0° entstandenen Dampfes bei 100^ 637 W£ be-
tritgt und die nutzbare Heizkraft — — WE, so ist die nutzbare Verdampfungskraft
AT
= -^ — ^ kg Wasser. (Spalte 10 der Tabelle gibt mittlere Werte.)
i) Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure« 1884, S. 860.
2. KraftschifTe mit Dampfmasehmen, Dampfschiffe. 495
■pu • * j» *!, *.• u IT j r 1 r. Theoretische Heizkraft . ___
Ebenso ist die theoretische Verdampfuneskraft =» ke Wasser.
^ 637 ^
Sie ergibt sich zu 11,4 bis 1 1,6 kg Wasser, die von einem kg mittlerer Steinkohlen verdampft
werden. Bei den besten Kohlenarten steigt der Wert bis beinahe 15 kg Wasser.
Die für Schiffsfeuerungen benutzten Steinkohlen müssen große
Heizkraft, Gewicht und Festigkeit haben, wenig Rückstände und Rauch geben,
leicht entzündlich sein und schwach backen. Der Heizwert und die von der
Güte der Feuerung abhängige Verdampfungskraft beträgt (nach Busley)
bei gewöhnlichem Betriebe etwa:
bei geringen Kohlen und verschmutzten Kesseln 6 kg Wasser
> mittleren Kohlen und nicht ganz reinen Kesseln 7 » >
» guten Kohlen und reinen Kesseln 8 > »
> besten Kohlen und neuen Kesseln 9 » »
Eine 9 fache Verdampfung ist nur bei Probefahrten unter sehr günstigen
Bedingungen zu erreichen.
Grolles Gewicht ist darun von Wert, weil man dann in den Bunkern, deren Größe oft
aus Mangel an Raum beschränkt werden muß, einen möglichst großen Vorrat von Brennstoff
unterbringen kann. Große Festigkeit ist nötig, um beim Einladen und Herausholen aus den
Bunkern nicht zu viel Grus zu erhalten. Die Rückstände, Schlacken auf dem Rost, Asche, Flug-
asche und Ruß in der Rauchkammer und den Feuerröhren schwanken nach den angestellten
Ermittelungen zwbchen 0,03 bis 0,20. Kohlen mit Rückständen von mehr als 0,08 bis 0,10
sind für Schiffszwecke nicht geeignet. Leicht entzündliche Kohlen verbrennen schnell und das
ist ein Vorteil. Leichte Kohlenarten verbrennen im allgemeinen schneller als schwere und
Stückkohlen schneller als mit Grus gemischte. Unter sonst gleichen Umständen hängt die
Schnelligkeit von der Stärke des Luftzugs ab. Als Maßstab dient die stündlich auf i m' Rost-
iläche verbrannte Gewichtsmenge, die außerdem sehr von der Geschicklichkeit des Heizers
abhängt.
Bei den gebräuchlichsten Schiffskesseln mit rückkehrender Flamme verbrennen bei natür-
lichem Zuge stündlich auf i m^ Rostfläche : bei langsamem Heizen 40 bis 60 kg und bei starkem
Heizen 80 bis 100 kg Kohlen. Bei künstlichem Luftzug oder Unterwind verbrennen bei schwachem
Zuge (bis 30 mm Wassersäule} 120 bis 150 kg und bei starkem Zuge (über 50 mm Wassersäule)
150 bis 180 kg. Der Kessel wird bei schwachem Heizen geschont imd bei starkem Heizen an-
gestrengt.
Zum Belegen einer Feuerung braucht man je m^ Rostfläche 100 bis 120 kg Kohlen und
zum Unterhalten des Feuers 5 bis 8 kg je Stunde und m^ Rostfläche. Stark backende Kohlen
verkleben die Roste.
Die besten Kohlen für Schiffskessel sind die wenig bituminösen kurzflammigen Eßkohlen,
zu denen auch die Welshkohlen zu rechnen sind. Sie haben aber einen hohen Preis. Am
meisten werden namentlich für Seeschiffe die halb bituminösen kurzflammigen Fettkohlen benutzt,
zu denen viele bessere westfälische Arten gehören. Namentlich die leicht backenden sind sehr
brauchbar. Bituminöse langflammige Kohlen eignen sich fUr Schiffskessel nicht.
Äußerlich sind Steinkohlen schwer zu beurteilen: Sie dürfen nicht verwittert, naß oder
grushaltig sein, sollen dagegen ein schwarzglänzendes Aussehen haben und beim Zerdrücken und
Zerreiben einen glänzenden Staub hinterlassen. Kohlen von braunem oder grauem Aussehen,
schieferigem Bruch und erdigem Staub sind von geringer Güte.
Die ziu" Verbrennung erforderliche Luft menge ergfibt sich aus der
nötigen Sauerstoifaienge, weil i kg Luft etwa 0,23 kg Sauerstoff enthält. Die
nötige Sauerstoifmenge berechnet man aus den zur Verbrennung der einzelnen
chemischen Bestandteile des Brennstoffs (Kohlenstoff, Wasserstoff, Schwefel
usw.) erforderlichen Sauerstoffmengen.
496 Abschnitt HL Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
In der Spalte ii der vorstehenden Zusammenstellung sind die für je i kg Brennstoff er-
forderlichen theoretischen Luftmengen mitgeteilt Diese Luftmengen sind aber fUr Dampfkessel
mit natürlichem Zuge nicht ausreichend, man braucht vielmehr zu guter Verbrennung das 1,5-
bis 2 fache, je nachdem die Kohlen wenig oder stark bituminös sind. Man gibt für
bituminöse Kohlen . . . das 1,7 bis 2 fache bs etwa 13 bis 14 m^ = 16 bis 18 kg
halb bituminöse Kohlen . > 1,5 » 1,7 > ^ > 12 » 13 > = 14 > 17 »
wenig bituminöse Kohlen . > i)3 * i}5 * = * 11 > 12 » = 14 » 16 >
Bei künstlichem Zug oder Unterwind genügt beinahe die theoretische Luftmenge und
man braucht nur wenig Überschuß zu geben.
Nicht nur die Menge der Luft, sondern auch die Art und Weise ihrer
Zuführung ist zur guten Verbrennung von Bedeutung. Hell vom Feuer be-
leuchtete Aschenfalle und sehr wenig rauchende Schornsteine sind im allge*
meinen günstige Zeichen, wenn auch jedesmal während des ÖfTnens der
Feuertür die Luftmenge zu groß und während des Beschickens des Feuers
vorübergehend zu klein ist Die Luftmischung ist ungenügend, wenn einzelne
Teile des Rostes fteiliegen, so daß ein Teil der Luft entweichen kann, ohne
die Kohlen zu durchdringen. Dann bleibt ein Teil des Kohlenstoffs unver-
brannt und geht als Rauch davon. Infolge des zu starken Zuges pflegen auch
die Kessel zu »brummen«.
Wenn die Luftmenge entweder infolge des verschlackten Rostes oder
der durch Witterungseinflüsse verminderten Luftgeschwindigkeit zu klein wird,
steigt die Verbrennungswärme, die Roste glühen, biegen sich durch und man
empfindet im Heizraume größere, drückende Wärme. Sehr oft ist die Luft-
menge zu groß, weil die Rostfläche zu groß ist. Dann geht viel Brennstoff
ohne äußere Anzeichen durch den Schornstein verloren.
Der künstliche Zug, d. h. die ununterbrochene Zuführung der erforderlichen Luftmenge
auf mechanischem Wege läßt sich entweder durch Saug- oder durch Preßluftanlagen bewirken.
Man benutzt in der Regel Flügelgebläse, deren Räder 250 bis 300 Umdrehungen je Minute
machen. Bei einer Saugluftanlage (künstlicher Zug) wird das Flügelrad gewöhnlich in der Rauch-
kammer angebracht) während bei einer Preßluftanlage (Unterwind} die Verbrennungsluft mit dem
nötigen Oberdruck durch die Roste in das Feuer gepreßt wird. Die sehr geringe Höhe dieses
Drucks wird nicht in kg je cm', sondern in mm Wassersäule ausgedrückt (10 000 mm Wasserdruck
=s X kg je cm'). Starker Unterwind von mehr als 30 mm wird nur bei Kriegschiffen verwendet.
Für die Binnenschifiahrt kann nur schwacher Unterwind von 5 bis 15 mm in Frage kommen.
Die Preßluft wird entweder in den Heizraum oder unmittelbar in den Aschfall oder in die
Feuerung geleitet. Schwachen Unterwind pflegt man teils in den Aschfall, teils In die Feuerung
zu führen. Wenn man die Preßluft in den Heizraum führt, muß dieser möglichst luftdicht ab-
geschlossen werden. Die Heizer leiden unter dem geringen Druck nicht, zumal der Raum lufdg
und kühl wird. Die geschlossenen Aschfälle erfordern kaum besondere Einrichtungen. Die vom
Flügelrade in den Aschfall getriebene Luft tritt durch den Rost in die Feuerung und hat dort
noch einen gewissen Überdruck, so daß beim Offnen der Feuertür die Flammen in den Heiz-
raum schlagen würden, wenn man nicht die Preßluft vorher absperrt.
Mit Preßluftanlagen, die nicht nur in den Aschfall, sondern auch in die Feuerung selbst Luft
einführen, ist in der Regel eine besondere Vorwärmung der Luft innerhalb der Rauchkammer ver-
bunden. Man hat beobachtet, daß die Feuerrohre der mit Saugluft betriebenen Kessel in geringerem
Maße verschleißen als bei Preßluft. Aber in jedem Falle werden die Kessel stark angeg^riffen.
Aus diesem Grunde hat man die Verwendung künstlichen Zuges bei der Binnenschiffahrt
wieder aufgegeben, nachdem man vor etwa 20 Jahren damit Versuche gemacht hatte.
Außer dem künstlichen Zuge, dem Unterwinde und der Vorwärmung der
Luft dienen bewegliche, verstellbare Aschfalltüren und Schieber in den Feuer-
2. KraftschifTe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 497
türen dazu, die Luftzufiihrung zu regeln und Wärmeverluste zu verhüten.
Auch eine angemessene Höhe des Feuerraums ist dazu von Bedeutung. An
Stelle der Walzenkessel mit drei Feuerungen ordnet man deshalb oft nur zwei
an, um geräumigere Feuerungen zu bekommen.
Eine sorgfältige Bedienung des Feuers ist zur Minderung der
Wärme verluste und zur Ersparnis von Brennstoff von der größten Wichtigkeit.
Da eine mechanische Zuführung von festen Brennstoffen auf Schiffen nicht gut ausführbar
ist, müssen die Heizer ordentlich ausgebildet werden. Ein häufiger Fehler ist die verspätete
Beschickung, nachdem das Feuer fast niedergebrannt ist. Bei den großen Mengen von Brenn-
stoff, die dann auf den Rost geworfen werden, entwickelt sich soviel Kohlenwasserstoffgas, daß
die zum Feuer gelangende Luft zur Verbrennung nicht genügt und es entweicht dann sowohl
Kohlenoxyd wie Kohlenwasserstoff und besonders ausgeschiedener Kohlenstoff als Ruß und Rauch.
Außerdem tritt während der längeren Zeit des Beschickens viel kalte Luft in die Feuerung, wo-
durch wieder die Rußbildung gefördert wird und auch die heißen Kesselteile nachteilig betroffen
werden.
Durch Zurückschieben der entgasten glühenden Kohlen (Koks) nach der Feuerbrücke hin
und durch Aufschütten des frischen Brennstoffs auf den freigemachten vorderen Teil des Rostes
wird zwar die Rauchbildung sehr vermindert, aber diese Arbeit erfordert wieder längere Zeit,
in der viel kalte Luft in die Feuerung tritt. Auch fallen dabei viele unverbrannte Koksstücke
in den Aschfall.
Bei einem angestellten Wett-Heizversuche hat «ich herausgestellt, daß an demselben Kessel
von 1 1 geübten Heizern der beste mit i kg Steinkohlen 6,89, der schlechteste nur 4 kg Wasser
verdampfte, d. i. also ein ungeheurer Unterschied von 0,44. in der Ausnutzung der Kohlen.
Es ist eine bekannte Erfahrung, daß bei Probefahrten eines neu gelieferten Dampfschiffs
unter Leitung des Fabrikanten meistens ein viel geringerer stündlicher Kohlenverbrauch fest-
gestellt wird, als man später im regelmäßigen Betriebe wieder erreichen kann.
Selbst bei den besteingerichteten Schiffskesseln und bei sorgfältiger Be-
handlung des Feuers betragen die Wärmeverluste nach den bisher ange-
stellten genauen Untersuchui^en im günstigsten Falle noch immer 0,15 bis
0,20 der absoluten Heizkraft und steigen bei schlechten Kesseln und unge-
schickter Behandlung bis auf 0,50.
Man kann daher die nutzbare Heizkraft der bei Schiffskesseln gebräuch-
lichen Steinkohlenarten von etwa 7500 Wärmeeinheiten in günstigsten Fällen
nur zu 6000 WE, in ungünstigen zu etwa 4000 WE veranschlagen, im
Mittel zu 5000.
Flüssige Brennstoffe. Für die Binnenschiffahrt kommen natürliches,
rohes Erdöl (Petroleum), Erdölrückstände und Kohlenteeröl in Frs^e, von
denen die beiden ersten Brennstoffe die wichtigsten sind, weil sie in großen
Mengen zu haben sind. Die nachstehende Tafel gibt die Förderung von
rohem Erdöl auf der Erde in den Jahren 1901 und 1902 an.
Sie ist von dem Geologischen Amt der Vereinigten Staaten von Nordamerika aufgestellt
und dem Bericht des Konteradmiral G. Melville für den X. Internationalen Schiffahrtkongreß in
Mailand 1905 entnommen. Unter der Leitung dieses Herrn sind von der amerikanischen Kriegs*
marine- Verwaltung in den Jahren 1902 und 1903 umfangreiche und sorgföltige Untersuchungen
über die Verwendung von Erdöl zur Kesselheizung vorgenommen worden.
Die Mengen sind nach Hektolitern angegeben. Da die Dichtigkeit (spezifisches Gewicht)
des Erdöls etwa 0,92 beträgt, ergibt sich die Gesamtförderung im Jahre 1901 zu rund
24 Millionen t und im Jahre 1902 zu rund 27 Millionen t Die Zunahme beträgt mithin 0,12
und gegen das Jahr 1900 (nach Melville) 0,25. Die beiden wichtigsten Länder sind die Ver-
Teubert, Binnenschiffahrt. 32
498
Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
einigsten Staaten und Rußland, die im Jahre 1901 rund 0,93 und im Jahre 1902 rund 0,91 der
gesamten Ausbeute gefördert haben. Im letzteren Jahre haben die Vereinigten Staaten Rul^land
übertroffen. Gegenüber der Gesamtforderung von 27 Millionen t Erdöl veranschlagt das Geo-
logische Amt der Vereinigten Staaten die Gesamtförderung von Kohlen auf etwa 853 Millionen t
jährlich, die Menge des Erdöls beträgst mithin nur 0,03 davon.
Erdöl-Förderung auf der Erde.
■
Länder
i
I9OI
1902
hl
°/o
1 hl
%
Vereinigte Staaten. . . .
Kanada
Peru.
Rußland
Galizien
Sumatra, Java und Bomeo
Rumänien
Indien
Japan
Deutschland
Italien
Andere Länder ....
Zusammen
II03I8000
41,84
910200
0,35
1 14 887
0,04
"35 406 500
5^38
5 169 500
1,96
4 830 890
1,84
2 235 630
0,85
2 274 630
0,86
I 748 840
0,67
498 630
0,19
16057
31796
1 0,02
263 555 560
X41 120670
826720
95392
128044 120
6 585 500
9316600
3 275 080
2571294
I 896 696
562 287
19078
41336
47,94
0,28
0,03
43,50
2,24
3,17
1,11
0,87
0,64
0,20
0,02
100,00
294 354 773
100,00
Das Erdöl wird entweder in natürlichem Zustande als Rohöl zur Heizung
verwendet oder man nimmt dazu nur die Rückstände (Masut, Astatki oder
Naphthalin genannt ^), welche bei der Brennöl- oder Schmieröldestillation übrig
bleiben. Das Rohöl ist in der Regel mit leichtflüssigen und leichtentzünd-
liehen Ölen gemischt, wodurch es einen niedrigen Entflammungsgrad be-
kommt und für den Gebrauch feuei^efährlich wird.
Die Beimischung von solchen leicht entzündlichen Ölen beträgt z. B. bei den kaukasischen
Erdölen 0,05 bis 0,06 und der Entflammungsgrad liegt über 20® C. Diese Öle verflüchtigen sich
in oflenen Gefäßen leicht und verlieren in 2 bb 3 Tagen dadurch 0,1 bis 0,15 ihres Gewichts.
Von den amerikanischen Rohölen hat das wertvollere aus Pennsylvanien eine Beimischimg von
etwa 0,2 leichter Öle, wodurch der Entflammungspunkt auf 15'' C heruntergedrückt wird. Dies
Öl ist also sehr gefährlich. Es kommt übrigens schon wegen seines hohen Preises für die
Heizung kaum in Betracht. Anders verhält es sich mit den Rohölen aus Kalifornien und aus
Texas (und zum Teil auch mit Ölen aus Ohio und Indiana), die sich wegen ihrer Zusammen-
setzung zur Destillation nicht eignen, ein größeres Gewicht und besonders hohe Entflammungs-
punkte haben, die bei dem Rohöl aus Texas bei 93^ und bei dem aus Kalifornien sogar bei
155** liegen. Diese Öle sind wohlfeil und daher sehr geeignet als Brennstoff. Das Rohöl aus
Texas hat allerdings eine erhebliche Beimengung von Schwefel, der aber durch eine leichte teil-
weise Reinigung beseitigt werden kann (Bericht von Melville). Dadurch steigt der Entflammimgs-
punkt auf etwa 1x5^, liegt mithin immer noch so hoch, daß die Verwendung des Öls zur Heizung
keine Gefahr bringt.
Weil bei der Verwendung von kaukasischem Rohöl früher häufig UnglücksfUlle vorge-
kommen sind, hat die russische Regierung vorgeschrieben, daß Öle mit einem Entflammungspunkt
i) In Rußland pflegt sowohl das Rohöl wie die Rückstände allgemein Naphtha genannt
zu werden.
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 499
unter 70 '^ C nicht zur Heizung benutzt werden dürfen. In Amerika ist diese Grenze bei 60®,
vom englischen Lloyd bei 84^ (gleich 200^ Fahrenheit), in der deutschen Kriegsmarine bei 78^
imd bei anderen Kriegsmarinen bei 80^ bis 100^ C festgesetzt worden. Die letzte Zahl scheint
angemessen. Die vor 8 bis 10 Jahren auf See vorgekommenen großen UnglücksfiUle mit Erdöl
sind darauf zurückzuführen, daß dies einen sehr niedrigen Entflanmiungspunkt von 30 bis 40*^ C
hatte, was besonders in den Tropen sehr bedenklich bt').
Die Erdölrückstände sind verschieden, je nachdem sie bei der Brennöl-
oder bei der Schmieröldestillation übrig bleiben.
Im ersteren Falle betragen die Rückstände des pennsylvanischen Öls 0,05 bis 0,1, die des
kaukasischen 0,4 bis 0,6 des Gewichts, im letzteren Falle bei kaukasischem Öl nur 0,2 bis 0,3.
Der Entilammungspunkt dieser Rückstände liegt fast immer über 100^ C, bei dem Astatki (aus
dem Kaukasus) zwischen 120^ bis 140° C. Die Rückstände sind zähflüssig und sirupartig und
werden bei abnehmender Wärme (unter o) leicht hart. Es hat sich als nötig herausgestellt, bei
etwa — 12^ C in den Vorratsbehältem Erwärmungsvorrichtungen, Dampfschlangen u. dgl. an-
zulegen.
Bei steigender Wärme dehnen sich die Heizöle aus, und der Ausdehnungs-
beiwert beträgt 0,0007 bis 0,0009. Z. B. bei einer Wärmezunahme von 22^
auf 23® wächst ihr Volumen um 0,015 bis 0,02. Alle Aufbewahrungsräume
und Bunker müssen darauf eingerichtet werden. Ferner entwickeln sich aus
dem Öl bei wechselnder Wärme Gase und Dämpfe, für deren gefahrlose Ab-
führung alle Behälter mit Lüftungsrohren versehen werden müssen (vgl. S. 336).
Außerdem ist zu berücksichtigen, daß fast alle Heizöle einen kleinen Gehalt
von Wasser besitzen, der im allgemeinen gleich 0,02 ist, bei Astatki aber nach
den Mitteilungen von Renn er 'J nur 0,002 betragen soll. Da das Wasser
schwerer ist als das Ol, sondert es sich am Boden der Behälter ab und muß
von dort zeitweise beseitigt werden.
In der nachfolgenden Tafel sind die wichtigsten Angaben über die che-
mische Zusammensetzung, den Heizwert und das Gewicht der bekanntesten
Heizöle zusammengestellt. Sie sind vorwiegend für Amerika den Mitteilungen
von Melville, für Rußland denen von Rennert entnommen worden.
Ein Vergleich mit der früher mitgeteilten Tafel (S. 493) zeigt sofort die
großen Vorzüge der flüssigen Brennstoffe gegen die festen. Während selbst
die beste Steinkohle nur 7800 WE besitzt, haben die Erdöle und ihre Rück-
stände 10300 bis 11500 WE. Die mittlere nutzbare Verdampfungskraft (von
I kg Brennstoff) beträgt bei der besten Steinkohle 8, bei diesen Ölen 12,7
bis 16 kg Wasser. Das Verhältnis ist etwa wie 4 zu 7^). Man braucht für
die gleich lange Reise also weniger Vorrat mitzunehmen und auch der für
I t Ol erforderliche Raum von 1,1 m^ ist kleiner als der für i t Kohle er-
forderliche von 1,25 m^ Dazu kommt der große Vorteil, besonders für die
Binnenschiffahrt, daß es bei der Olfeuerung weder Rauch noch Asche,
noch Ruß, noch Kohlenstaub gibt.
i) Ancona, Generalbericht zum Mailänder Kongreß 1905.
2) Naphthaheizung auf Dampfschiffen. Verbandschrift des Deutsch-Österreichisch-Ungaii-
schen Verbandes für Binnenschiffahrt, 1899. Berlin, Siemenroth & Troschel.
3) Melville ist der Meinung, daß nach den angestellten Versuchen dies Verhältnis in
gleichmäßigem Betrieb sich wie 10 zu 17 ergeben würde, also etwa ebenso.
32*
500
Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Flüssige Brennstoffe.
Nr.
Art und Herkunft des Brennstoffs
2
Erdöl aus Pennsylvanien
> » Texas, roh
> > > teilweise gereinigt
» » Kalifornien
» » Java
> > dem Kaukasus, leichtes.
> > » > schweres
Rückstände : Astatki I
» n
» m
Steinkohlenteer, roh
Steinkohlenteeröl
Bestandteile
des Brennstoffs im Durchschnitt
in Gewichtsteilen
Kohlen-
stoff
Wasser-
stoff
Sauer-
stoff
Schwefel
in Hundertsteln
Heizwert
5
Mittlere
absolute
Heizkraft
WE
Mittlere
nutzbare
Verdamp-
fungs-
kraft
8
Dichte
(Spezifi-
sches
Gewicht)
I
2
3
5
6
7
8
9
lO
II
12
«4,9
13,7
1,4
84,6
10,9
2,87
1,63
83,3
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3,8
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81,5
11,0
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6,5
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1
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10320
10370
10700
10800
II 500
10600
10640
10600
8600
8800
u. mehr
15,0
14,0
13,5
12,7
16,0
15,5
0,88
0,924
0,926
0,966
0,923
0,884
0,938
(0,91
13,75 l'j ^is
1' '0,93
10,0 I 1,20
— i 1,0
Da das Ol aus dem gewöhnlich über dem Kessel angeordneten Behälter
von selbst ausfließt und in dem Feuerraum durch einen Zerstäuber verteilt
wird, braucht man keine fortwährende Bedienung des Kessels. Die Stellung
des Zuflußhahns ist so einfach, daß dazu kein geschulter Heizer nötig ist.
Auf kleinen Schiffen kann diese geringfügige Arbeit von dem Maschinisten
mitbesorgt werden, so daß eine bedeutende Ersparnis an Löhnen für die
Heizer eintritt. Auch können der Heizraum und die Bunker verkleinert
werden, da man das Ol an beliebigen Stellen aufbewahren kann, die sonst
keine gute Verwendung finden.
Auf den Wolgadampfem ist es üblich, den Ölvorrat in den beiden SchifTsenden (in der Piek)
unterzubringen. Beide Räume werden durch ein am Schif&boden liegendes Rohr (etwa 100 mm
weit) verbunden, und von diesem Rohr wird durch eine Hand- oder Dampfpumpe nach Bedarf
entweder der auf dem Kessel angeordnete Ölbehälter oder der Zerstäuber immittelbar gespeist.
Das Reinigen des Kessels und das Ausfegen der Feuerrohre fallt fort.
Der Kessel selbst hält länger, weil die Feuertür während des Betriebs nicht
geöffnet wird, so daß die Kesselbleche und die Röhren durch Einströmen
von kalter Luft nicht geschädigt werden. Dabei werden auch die sonst bei
der Beschickung unvermeidlichen Schwankungen der Dampfspannung ver-
hütet, was namentlich bei Kesseln mit hohem Druck sehr wichtig ist. Die
vollständige und plötzliche Abstellung des Feuers beim Stillstand der Ma-
schine oder in Fällen der Gefahr erfolgt durch einen Handgriff an einem
Hahn, der den Olzufluß absperrt.
2. Kraftschi£fe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
501
Zu diesen sehr erheblichen Vorteilen wird von Renner noch angeführt, daß durch die gleich-
mäßige Verbrennung des Öls in fein zerstäubter Form eine bessere Ausnutzung der Kesselheiz-
fläche erfolgt und man diese darum kleiner machen kann. Aber die sorgfUltigen amerikanischen
Untersuchungen haben im Gegenteil ergeben, daß es vorteilhafter ist, die Heizfläche bei öl-
feuerung zu vergrößern und auch für einen reichlichen Feueiraum zu sorgen, damit eine innige
Vermischung zvirischen dem ölstaub und dem Sauerstoff der zugefiihrten Luft erreicht wird und
der erstere nicht unverbrannt nach dem Schornstein getrieben wird. Zur Herbeiführung einer
vollständigen Verbrennung ist es auch zweckmäßig, den Feuerraum ganz mit Chamottesteinen
auszumauern und außerdem durch geeignete Einbauten den Weg der Hebgase zu verlängern,
namentlich bei Anwendung von Wasserrohrkesseln. Wichtig ist es nach Melville, daß eine
kurze Flamme erreicht wird. Als sehr vorteilhaft hat sich auch die Vorwärmung der Ver-
brennungsluft erwiesen. Die theoretisch erforderliche Luftmenge beträgt für x kg flüssigen
Brennstoff il bis 11,5 m3; doch wird die Zuführung einer um 0,3 bis i m^ vermehrten Menge
für erforderlich gehalten. Melville weist auf die Wichtigkeit hin, die Luftmenge sorgfältig zu
regeln, weil bei zu starker Luftzuführung die Verbrennung unvollständig wird.
Einer der wichtigsten Teile der Ölfeuerung ist der Zerstäuber. Man
hat die verschiedensten Anordnungen erfunden, die sich als Schlitz-, Rohr-
und Düsenzerstäuber unterscheiden lassen. Die letzteren dürften den Vorzug
verdienen. Ferner unterscheidet man Luftstrahl- und Dampfstrahlzerstäuber,
je nachdem das Öl durch Preßluft oder durch Dampf zerstäubt wird. In
jedem Falle wird dazu eine gewisse Kraft, also ein gewisser Dampfverbrauch
erforderlich, der je Stunde und Pferdestärke bei den besten Düsenzerstäubern
0,5 bis I kg (je nach der Dampfmaschine) beträgt oder etwa 0,03 von dem
gesamten Dampfverbrauch. Für die beste Vorrichtung wird das neueste Patent
von Körting gehalten.
Anordnung des Körtingschen Zerstäubers, Abb. 385 bis 387. I : 40.
Abb. 385.
Abb. 386.
Abb. 387. Zerstäuber l : 6.
Dabei wird das Öl durch eine von der Maschine betriebene Pumpe unter Druck gesetzt
und in einem Vorwärmer [d] gerade so weit erhitzt, daß es beim Austritt in das unter atmosphä-
rischem Luftdruck stehende Flammrohr plötzlich durch innere Dampfbildung sich in Ölnebel
auflöst. Das Ölrohr {/} mündet durch die Feuertür und eine Streudüse mit Schraubenführung (/)
in den Feuerungsraum; dabei reißen die Öldämpfe gleichzeitig die durch verstellbare Öffnungen (1)
in der Feuertür [h] eintretende Luft mit sich. Mit diesem Zerstäuber werden durch i kg Öl 14
bis 15 kg Wasser verdampft.
Die Abb. 385 bis 387 stellen die Einrichtung der Ölfeuerung auf den Dampfschiflfen der
Tel towk anal -Verwaltung dar. Dort wurde diese Feuerung gewählt, um die Anwohner des
Kanals vor der Rauchplage zu schützen. Es wird Steinkohlenteeröl (Nr. 12 der Tafel) mit
einem über 86° liegenden Entflammungspunkt benutzt, das zurzeit von der Deutschen Teerpro-
dukten-Vereinigung aus der in Erkner bei Berlin gelegenen Fabrik (für den Preis von 34 Mark
je t) geliefert wird. Zur Beförderung nach dem Teltowkanal ist ein Kastenschiff mit Heizvor-
richtung vorhanden, von dem die Hauptteile in den Abb. 213 und 214 mitgeteilt worden sind.
502 Abschnitt DL Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Auf dem Dampfer wird das Öl in aus Stahlblech genieteten Kasten untergebracht, die an Stelle
der Kohlenbunker neben dem Kessel liegen. Eine von der Maschine betriebene Pumpe drückt
das Öl durch das Rohr a in den Vorwärmer b. Das damit verbimdene Rohr c fuhrt zu dem
Bunker zurück und ist mit einem Sicherheitsventil versehen, so daß der Druck im Vorwärmer
mittels eines Manometers genau geregelt werden kann. Der Vorwärmer ist in einem Abstand
von 280 mm vor dem Kessel aufgestellt und wird durch dessen Wärmestrahlen genügend erhitzt.
Von d aus wird das Ölrohr in Schlangenwindungen zu dem Zerstäuber (Abb. 387) geführt, in
den es bei e eintritt. Die Streudüse (/) kann durch eine Schraubenspindel und das Handrad [g]
verstellt werden. Da beim Anheizen des Kessels der Vorwärmer noch kalt ist, wird der Zer-
stäuber durch eine Ölflamme erwärmt, die in einer halbzilinderförmigen Wärmepfanne k ent-
zündet wird. Wenn beim Durchfahren von Brücken der Schornstein umgeleg^t werden muß, wird
die Verbrennung während dieser Zeit ungenügend, und die unverbrannten Öldämpfe belästigen
die Fahrgäste durch üblen Geruch oder selbst durch Ölflecken. Diesem Übelstande läßt sich
aber leicht abhelfen, wenn man durch einen kurzen Handgriff während dieser Zeit die Ölzu-
föhrung vom Vorwärmer zu der Düse absperrt. Der seit dem Jahre 1905 eingerichtete ölbetrieb
hat sich bisher gut bewährt. Es ist bemericenswert, daß sich zu den Ölleitungen eiserne Rohre
dauerhafter gezeigt haben als kupferne.
Für Rußland und das Wolgagebiet hat die ölfeuerung sehr große Bedeutung. Ohne
das gereinigte Naphtha (Petroleum) wurden im Jahre 1905 an Naphtha und Rückständen allein
4,115 Millionen t zu Wasser verfrachtet. Es betrug:
im Jahre 1884 — iqoo— 1906
die Zahl der Dampfer mit ölfeuerung 262 — 1633 — 1990
die verbrannte Menge von Naphtharückständen in tausend Tonnen 216 — 1047 — 11 50
An der Wolga sind in angemessenen Entfernungen in am Ufer befestigten Lagerschiffen
Vorräte an Heizöl aufgespeichert, das mittels Pumpe und Schlauch in schnellster Weise an Bord
der Dampfer befordert wird. Etwa im Jahre 1897 wurden in Rußland folgende Preise ftir eine
Tonne von 1000 kg Astatki bezahlt:
In Nischni-Nowgorod. . . 18 bis 20 Mark
» St. Petersburg . . . . 51,2 > 61,5 »
Nach anderen Quellen kostete die Tonne im Jahre 1905 an der mittleren Wolga etwa
46 Mark. Für dieses Jahr wurden von Anco na auf dem Mailänder Kongreß die nachstehenden
Preisangaben gemacht. Es kostete eine Tonne Heizöl:
Im südlichen Rußland 16 bis 57 Mark
In Nordamerika 24 » 65 >
In England, Belgien, Dänemark und Schweden, wo keine Einfuhrzölle be-
stehen, wird Erdöl aus Texas geliefert fUr 24 > 32 >
In Ägypten, im Kapland, in Indien und Australien gleichfalls Lieferung aus
Texas, Kalifornien und Bomeo fiir 26 > 35 »
In den anderen europäischen Ländern bestehen zum Teil recht hohe Einfuhrzölle (z. B. in
Italien 48 Lire je Zentner), wodurch die Verwendung dieser Heizöle erschwert wird, soweit sie
nicht selbst solches fördern, wie z. B. Rumänien und Galizien.
Auf den Seeschiffen aller Art im Kaspischen und im Schwarzen Meere ist die Ölfeue-
rung seit Jahren üblich. In neuerer Zeit sind auch bei fast allen Kriegsmarinen umfangreiche
Versuche damit angestellt, die teilweise zu dauernden Einrichtungen geführt haben. Die Handels-
marine hat sich länger zurückhaltend gezeigt, aber zum Teil sehr gute Erfolge erzielt, nament-
lich in Amerika und im Mittelländischen Meer, wo sich in einigen Häfen, z. B. in Alexandria,
Niederlagen von amerikanischem Erdöl befinden. Der Verbrauch je Stunde und Pferdestärke
ergab sich bei guten, großen Schiffen im Mittel zu 0,45 kg. Auf dem Mailänder Kongreß wurde
darüber berichtet. Die deutsche Marine verwendet auch Braunkohlenteeröl.
Dampf.
Der gesättigte Wasserdampf, den wir in einem Dampfkessel finden,
besteht nur im Zusammenhang mit dem Wasser, aus dem er sich entwickelt.
Er befindet sich stets in einem Grenzzustande: Bei eintretender Abkühlung
In Baku 3)2 bis 5,8 Mark
> Astrachan 7,7 > 10,1 »
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
503
verwandelt sich ein Teil von ihm wieder zu Wasser (kondensiert), bei zu-
nehmender Wärme verdampft eine neue Menge von Wasser.
Die Spannung des Dampfes ist der Druck, den er auf die ihn ein-
schließenden Gefaßwände ausübt. Dieser Spannung entspricht ein bestimmter
Wärmegrad des Dampfes, die Sättigungswärme. Die Spannung ist allein
von der Sättigungswärme abhängig und unabhängig von der Größe des dampf-
erfüllten Raumes (Volumens). Wenn die Wärme zunimmt, so wächst auch
die Spannung uud umgekehrt.
Die Spannung wird in kg je cm' ausgedrückt (spezifischer Druck) und
von Null an gezählt (daher absolute Spannung genannt). Früher drückte
man sie in Atmosphären aus, als Überdruck über den. gewöhnlichen Luft-
druck, wie sie von den Manometern angezeigt wird, [i Atm. ist gleich einer
Quecksilbersäule von 760 mm Höhe oder gleich einer Wassersäule von
10,334 m Höhe über dem Meeresspiegel = 1,0334 kg je cm". Der Unter-
schied ist mithin nicht erheblich.]
Tafel für gesättigt
:en Wasserdampf.
I
1
2
3
4
5
I
2
3
4
5
Ge-
Ge-
1
Gewicht
Raum
samt-
Gewicht
Raum
samt-
Spannung
Wärme
von I m^
1
von I kg 1
1
wärme
X
Spannung
Wärme
von I m3
von I kg
wärme
kg je cm«
Grade C
kg
m^
WE
kg je cm«
Grade C
kg
m3
WE
0,006
0,00
0,0047
210,652
606,50
7,00
164,03
3,654
0,2737
656,53
0,02
17,0
0,0142
70,254
611,68
8,00
169,46
4,141
0,2415
658,18
0,04
29,0 1
0,0284
35,149
615,34
9,00
174,38
4,625
0,2162
659,69
0,06
36,0
0,0414
24,137
617,48
10,00
178,89
5,107
0,1958
661,06
0,083
42,0
0,0563
17,764
619,31
11,00
183,05
5,583
0,1791
' 662,33
0,102
46,0
0,0685
14,590
620,53
12,00
186,93
6,061
0,1650
663,5 1
0,152
54,0
0,0999
10,009
622,97
13,00
190,57
6,532
0,1531
664,62
0,202
60,0
: 0,1307
7,6535
624,80
14,00
194,00
7,003
0,1428
665,67
0,409
76,0
; 0,2535
3,9454
629,68
15,00
197,24
7,474
0,1338
666,66
0,600
85,0
' 0,3570
2,8013
632,42
16,00
200,31
7,724
0,1295
.667,59
0,800
93.0
; 0,4763
2,0994
634,86
17,00
203,24
8,176
0,1223
668,49
I1O33
100,0
' 0,6058
1,6508
637,00
18,00
206,05
8,627
0,1159
' 669,34
2,00
"9,57
1 1,1265
0,8877
642,97
19,00
208,75
9,076
0,XI02
: 670,1 7
3,00
132,80
' 1,6485
0,6066
647,00
20,00
211,34
9,527
0,1049
670,96
4,00
142,82
2,160
0,4630
650,06
25,00
222,96
".745
0,0854
674,50
5,00
150,99
2,664
0,3754
652,55
30,00
232,95
13,938
0,0718
677,55
6,00
157,94
3,161
0,3164
654,67
l
1
1
1
(Die Werte fiir die Spannungen über 15 kg sind unsicher.)
Das Abhängigkeitsgesetz zwischen Spannung und Sättigungswärme ist theoretisch noch
nicht ermittelt. Regnault hat aus Versuchen eine Formel gebildet, nach der von ihm und anderen
Gelehrten eine Tafel berechnet worden ist. Vorstehend ist ein Auszug daraus i) mitgeteilt : in
1) Nach Busley, SchifTsmaschine.
504 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Krafitschiffe.
Spalte I ist die Spannung des Dampfes in kg angegeben und in Spalte 2 die entsprechende
Sättigungs wärme in C^. Man erkennt, daß bei o° (Gefrierpunkt) der Dampf noch eine Spannung
von 0,006 kg hat, bei 100° C (Siedepunkt) eine solche von 1,033 ^S (=^ 7^ °^^ Quecksilber-
säule sss einer Atmosphäre) und bei 200° C eine solche von rund x6 kg (= 17 Atmosphären).
Das Gewicht von x m^ gesättigten Wasserdampfes (/) in kg oder seine Dichte (spezi-
fisches Gewicht) ist gleichfalls allein von der Spannung (/) abhängig. Nach Zeuner und Pinzger
besteht dafür die Gleichung:
y = o,5877/°'939kg.
Der Raum, den i kg gesättigten Wasserdampfes in m^ einnimmt (spezifisches Dampf volumen),
steht in umgekehrtem Verhältnis zur Dichte.
Hiemach sind die Spalten 3 und 4 der Tabelle berechnet worden. Man erkennt, daß ein
Kubikmeter Dampf bei o^ 0,0047 kg wiegt, bei 100® C 0,6058 kg und bei 200® C 7,724 kg.
Umgekehrt nimmt i kg Dampf bei 0° einen Raum von rund 2x1 m^ ein, bei loo^ einen solchen
von 1,65 m3 imd bei 200® einen solchen von nur 0,13 m^.
Um Wasser von 0° in gesättigten Dampf von t** zu verwandeln, muß ihm eine Gesamt-
wärme von X Wärmeeinheiten zugeführt werden. Regnault hat aus Versuchen die Formel auf-
gestellt:
X = 606,5 -f- 0,305 . t.
Für t = xoo** C ergibt sich X «= 637 WE. In der Spalte 5 der Tafel sind die entsprechen-
den Werte für X bei verschiedenen Dampfspannungen enthalten.
Es sei noch bemerkt, daß Watt seinerzeit annahm, die erforderliche Gesamtwärme [X]^
um Wasser von o^ in Dampf zu verwandeln, sei unabhängig von der Spannung des Dampfes
und stets gleich 650 WE. Dies trifft nach Reg^naults Versuchen (im Jahre X847) allerdings nicht
zu ; aber die Unterschiede sind innerhalb der gebräuchlichen Spannungsgrenzen nicht groß. Darin
liegt auch zum Teil der Vorteil der Verwendung hochgespannter Dämpfe. Um z. B.
I kg Wasser von o® in Dampf von 3 kg Spannung zu verwandeln, gebraucht man X «= 647 WE,
um es in solchen von 6 kg Spannimg zu verwandeln, 654,67 WE, also nur 7,67 WE mehr. Von
I kg guter Steinkohlen kann man, wie früher mitgeteilt, etwa 5500 WE nutzbar machen; man
_ 647 • 100
braucht daher, um 100 kg Wasser in Dampf von 3 kg Spannung zu verwandeln, = 11,76 kg
Steinkohlen, und um diesen Dampf in die Spannung von 6 kg überzufuhren — = 0,14 kg
Steinkohlen, also x,X9 v. H. mehr. Das ist ein verhältnismäßig kleiner Mehraufwand. Ein
weiterer Vorteil des hochgespannten Dampfes liegt darin, daß sein Gewicht nicht in gleichem
Verhältnis mit der Spannung wächst, sondern in kleinerem Verhältnis. Nach Spalte 3 der Tafel
wiegt X m^ Dampf von 3 kg Spannung 1,6485 kg, von 6 kg Spannung 3,161 kg und von 12 kg
Spannung 6,061 kg. Wenn das Gewicht in gleichem Verhältnis mit der Spannung wachsen
würde, müßte ein Kubikmeter Dampf von 3 kg Spannung 3,297 kg und von 6 kg Spannung
6,594 kg wiegen. Die Ersparnis an Dampfgewicht ist mithin beträchtlich. Noch bedeutender
ist der Vorteil der größeren Expansivkraft des hochgespannten Dampfes, weil er größere Arbeit
leistet. Wenn man die bei 3 kg Dampfspannung und 0,35 Füllung im Zilinder geleistete Arbeit
ermittelt, so findet man, daß die gleiclie Arbeit von Dampf mit 6 kg Spannung schon bei o, 1 1
Füllung und von Dampf mit X2 kg Spannung schon bei weniger als 0,02 Füllung unter sonst
gleichen Umständen geleistet werden kann. Eine Dampfmaschine ist daher bei hoher
Dampfspannung und kleiner Füllung am wirtschaftlichsten.
Wenn der Dampf aus dem Kessel strömt, ist er niemals trocken,
sondern er reißt einen Teil Wasser mit, der bei guten Kesseln zu etwa 0,05
des Gewichts anzunehmen ist. Auf dem Wege zum Dampfzilinder erfahrt
der Dampf eine Abkühlung, die um so größer ist, je länger der Weg und
um so kleiner, je besser das Dampfrohr durch Umwicklung mit schlecht
leitenden Stoffen geschützt ist. Mit dieser Abkühlung ist ein Druckverlust
verbunden, der auf etwa 0,5 kg im Durchschnitt anzunehmen ist. Weitere
Wärme- und Druckverluste entstehen im Schieberkasten und besonders im
2. Kraftschiffe nüc DamptmaschineD, Dimpfscbiffe. 505
Zilinder, wenn dieser nicht durch besondere Vorrichtungen entsprechend
warm gehalten wird. Eine solche ist der Dampfmantel, über dessen Wert
man aber verschiedener Meinung bt. Wirkungsvoll und dampfsparend ist
er nur, weun er von heißem Dampf, am besten unmittelbar von Kesseldampf,
durchströmt wird. Dadurch geht eine Menge Dampf verloren, die allerdings
später zur Erwärmung des Speisewassers teilweise Verwendung finden kann.
In der Binnenschiflahrt wendet man selten Dampfmäntel (auch Dampfjacke
oder Dampfhemd genannt) an, sondern b^niigt sich damit, die Dampfzilinder
mit schlecht leitenden Stoffen gut zu umkleiden.
Vor dem Eintritt in den
Schieberkasten geht der Dampf
durch die Drosselklappe
oder das Drosselventil, womit
die Menge und die Geschwin-
digkeit des zuströmenden Damp-
fes geregelt werden kann.
Zur Prüfung und Beurtei-
lung der Wirksamkeit, der Ver-
teilung und Ausnutzung des
Dampfes im Zilinder dient der
Indikator.
Diese Votricbtung wird bei der
Benutzimg an dem einen oder anderen
Ende des Zilinders befestigt und be-
steht im wesentlichen aus einem kleinen
Kolben, auf den der Dsrapf drückt,
und ans einer Schreibeeinrichtung, die
die Schwankungen der Dampfspannang
aaf einem BUCt Papier aufzeichnet. Die
Erfindung stammt schon von Watt, Abb. 3 88. Indikator.
ist aber vielfach verändert und ver-
bessert worden. Die in Abbildung 388 da^^stellte Anordnung ist eine der neuesten -von Mftibak:
Rechts unten tritt der Dampf aus dem Zilinder ein und drückt auf einen kleinen Kolben, der
durch eine starke am oberen Ende der Kolbenstange angebrachte Feder belastet ist. An der
Kolbenstange ist durch Lenker [zur Geradttlhmng] eine schwingende Stange befestigt, die an
ihrem linken Ende den Schreibstift trügt. Das Blatt Papier ist um die auf der linken Seite dar-
gestellte senkrechte Trommel gewickelt, auf der es durch Federn festgehalten wird. Die Trommel
wird durch eine um ihren unteren Kand gelegte Schnur bewegt, deren Ende an einem hin- und
hergehenden Punkt der Kolbenstange des Dampf lil Inders [Kretukopf z. B.) befestigt ist. Beim
Hingang des Maschine okolbeos wird die Schnur angezogen und dadurch die im Innern der
Papiertrommel beündliche Feder angespannt, die beim RUekgang des MBschinenkolbens die
Drehung der Trommel bewirkt. Bei Maschben mit groüem Kolbenhub reicht der kleine Um-
fang der Fapiertrommel zur Aufzeichnung nicht aus. Es muß daher der Langenmaßstab ver-
kleinert werden, was durch eineo Hubverminderer (Reduklions rolle) geschieht, der in die Schnur
eingeschaltet wird. Wenn der Dampfhahn geschlossen ist und auf Kolben und Feder kein
Dampfdruck wirkt, beschreibt der Sehreibstift auf dem Papier eine wagerechte Linie, die soge-
nannte atmosphärische Linie, Nach Öffnung des Hahns schnellt der Schreibstift in die Höhe
nnd verzeichnet die wlhrend des Hin- und Rückgangs des Maschinenkolbens auf der betreffen-
den Seite des Kolbens eintretenden Druckverlndernngen als > Indikator-Schaulinie [Diagramm;.
506
Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
In Abbildung 389 ist die Schaulinie für den Zilinder einer einfachen Expansionsmaschine
dargestellt.
Im Punkt ö hat der Dampfdruck beim Beginn des Kolbenhubs seinen größten Wert sofort
erreicht. Während der Kolben den Weg von B nach C zurücklegt, wird der Dampfdruck durch
die »Füllungslinie« de dargestellt. Bei den besten Steuerungen sollte diese Linie möglichst
gleichlaufend mit der atmosphärischen Linie sein; das ist aber bei Schiffsmaschinen mit Schieber-
steuerungen nicht zu erreichen, weil der Dampfeintrittskanal allmählich geschlossen wird. Wemi
der Kolben den Punkt C erreicht, ist der Eintrittskanal ganz geschlossen und es beginnt die
Expansion: Die Linie cd ist die >£xpansionsIinie<. Wenn der Kolben den Punkt D erreicht,
öffnet sich der Dampfaustrittskanal: Die Linie äe ist die >VorausstrÖmungslinie<. Im Punktet
hat der Kolben den Hub beendet: Der Druck nimmt weiter ab und bleibt dann beim Rückgang
ziemlich imverändert, entsprechend dem Gegendruck im Kondensator: Die Linie e/ heißt darum
die > Gegendrucklinie«. Wenn der Kolben beim Rückgang den Punkt F erreicht hat, ist der
Ausströmungskanal ganz geschlossen und es beginnt die Kompression: /a ist die > Kompressions*
linie«. Bei hohen Füllungsgraden (großer Füllung) bekommt diese die in der Abbildung punk-
tierte Form. Wenn der Kolben beim weiteren Rückgang den Punkt A erreicht, öfihet sich in
der Regel bereits der Dampfeintrittskanal ein wenig: Die Linie ao ist die »Voreinströmungs-
linie«. Die eigentliche Einströmungslinie od ist meistens ziemlich senkrecht, weil der Kolben
fast still steht und der Schieber sich rasch vorwärts bewegt, so daß der Dampf schnell eintritt
und bei 6 die höchste Spannung erreicht.
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Abb. 389. Schaulinie einer einfachen
Expansionsmaschine.
Abb. 390. Schaulinien von einer
Verbundmaschine.
Der Abstand der einzelnen Punkte der Schaulinie von der Nullinie gibt die Dampfspan-
nung in kg je cm' an — unter Berücksichtigung des Indikatormaßstabs, der sorgföltig (meist mit
Berücksichtigung des Barometerstandes) geprüft und festgestellt werden muß.
Man erkennt aus der Schaulinie nicht nur die von der eingelassenen Dampfmenge wirklich
geleistete Arbeit, sondern auch die Dampfverteilung im einzelnen und kann daraus feststellen,
ob sie dem Entwurf entspricht und ob die Steuerung nach Wunsch arbeitet. Auch ergibt sich
aus der Schaulinie die Größe der inneren Kondensation und des Feuchtigkeitsgehalts des
Dampfes im Zilinder.
Man pflegt sowohl an der Kurbelseite wie an der Deckelseite des Zilinders eine Schaulinie
aufzunehmen und daraus das Mittel zu bilden. Wenn die Maschine mehrere Zilinder hat,
müssen die Untersuchungen für einen jeden angestellt werden. In der Abb. 390 sind die Schau-
linien einer Verbundmaschine (mit überhitztem Dampf) dargestellt: Die obere ist aus dem Hoch-
druck-, die untere aus dem Niederdruckzilinder. Die Dampfspannung im Kessel war ii kg,
der Gegendruck im Kondensator 0,35 kg je cm^.
Der gemittelte Abstand der Schaulinie von der Nullinie gibt den mittleren Druck [pm]
des Dampfes auf den Kolben während eines Doppelhubs in kg je cm' an. Wenn O (in cm')
die wirksame Kolbenfläche und c (in m je sek.) die Kolbengeschwindigkeit bedeuten, so ist die
Arbeit des Kolbens s pm • C' 0 in mkg. Wenn die Maschine mehrere Zilinder hat, muß man
die in allen Zilindem geleistete Arbeit zusammenrechnen, um die Gesamtleistung zu erhalten.
2. KraftschifTe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
507
Teilt man diese Smnme durch 75, so ergibt sich die Gesamtleistung der Maschine in Pferde-
stärken (von je 75 mkg je sek.}. Da dieses Ergebms aus der Benutzung des Indikators folgt,
nennt man es die indizierte Leistung (A^/) und spricht von »indizierten« Pferdestärken (FSi).
Bezieht man die gesamte Leistung Ni auf den Niederdruckzilinder und versteht unter On die
wirksame Fläche des Niederdruckkolbens, so folgt:
pi-e- On
Ni
75
imd man nennt pi den indizierten mittleren Druck, den mittleren Spannungsunterschied hinter
und vor dem Kolben, bezogen auf den Niederdruckzilinder.
Das Verhältnis von pi zu po (Dampfdruck im Kessel) kann man auch auf Grund von
Theorie und Erfahrung angenähert für bestimmte Füllungsgrade oder Expansionsverhält-
nisse berechnen, wobei noch der Wirkungsgrad der Steuerung, die Größe der Abkühlungs-
verluste u. dgl. zu berückrichtigen sind, was nachstehend durch den Beiwert k geschieht Bei
Mehrfach-Expansionsmaschinen ist der Gesamt füllungsgrad
Füllung des Hochdruckzilinders
B =
Raumverhältnis der Zilinder zu einander
und das Ezpansionsverhältnis daher
I
£
Der vorteilhafteste Füllungsgrad ist allgemein der, bei dem der Dampf- oder
Wasserverbrauch je Stunde und Pferdestärke am kleinsten ist. Das hängt besonders von der
Eintrittspannung des Dampfes in den Zilinder und von dem Gegendruck im Kondensator ab.
Die Füllungsgrade der einzelnen Zilinder werden meistens so bemessen, daß die Anfangskolben-
drucke einander ziemlich gleich sind. Wird ein Füllungsgrad angewandt, der größer ist als der
vorteilhafteste, so nimmt die Leistung der Maschine (Ni) und auch der Kohlenverbrauch zu.
Im umgekehrten Falle, wenn man einen kleineren Füllungsgrad anwendet, nimmt die Leistung
der Maschine ab und der Kohlenverbrauch nimmt dennoch zu. Man wählt £ etwa nach fol-
gender Tafel:
Wenn im Hochdruckzilinder
0,5 Füllung 0,7 Füllung
Für Verbundmaschinen in kleinen Booten. . . .
» > » größeren Schiffen. . .
> Dreifach Expansionsmaschinen
> Vierfach »
0,12 — 0,14
0,09 — o, 10
0,07—0,09
0,06 — 0,07
0,17 — 0,20
0,12 — 0,14
0,10 — 0,12
0,08 — 0,09
Den Dampfern der Binnenschiffahrt gibt man meistens aus Sparsamkeitsrücksichten nur
Füllungen von 0,50 bis 0,60 im Hochdruckzilinder, ausnahmsweise 0,45 oder 0,70. (Der letztere
Wert wird bei neueren 3- imd 4fach-Expansionsmaschinen zuweilen angewendet.)
Es besteht die Formel: /«=>&■/<?• £|i -f- /« —j .
Für fiji 4-/»— ) bestehen bequeme Tafeln, aus denen sich findet:
f Ür £ = 0,06 — 0,08 — 0,10 — 0,12 — 0,14 — 0,16 — 0,18 — 0,20,
£ 1 1 -h /» -1 = 0,229 — 0,282 - 0,330 — 0,374 — 0,415 — 0,453 — 0,489 — 0,522 .
Der Beiwert k, von dem schon gesprochen wurde, schwankt zwischen 0,52 bis 0,54 bei
4Zilindern und 0,65 bb 0,70 bei 2 Zilindem; für 3 Zilinder kann man 0,55 bis 0,60 annehmen.
Der Dampfverbrauch je Stunde und indizierte Pferdestärke setzt
sich aus der nutzbar gemachten Dampfmenge und den Dampfverlusten zu-
sammen. Die letzteren sind schwer zu ermitteln.
506 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Den nutzbaren Dampfverbrauch kann man theoretisch aus der Expansionsarbeit ermitteln
unter Berücksichtigung des Gegendrucks im Kondensator (/x gewöhnlich == 0,2 kg je cm' bei
Einspritzkondensatoren). Aber der theoretische Dampfverbrauch kann nie erreicht werden, weil
der Dampf nicht trocken ist und die Verluste durch Abkühlung und Undichtigkeit dazu kommen.
Genauer werden die Ergebnisse, wenn man den Verbrauch aus den gemittelten Indikatorschau-
linien aller Zilinder berechnet. Aber auch hierbei sind die Verluste nicht genügend berücksichtigt.
Der wirkliche Dampfverbrauch {D) kann nur durch Messung des ver-
brauchten Speise Wassers bestimmt werden. Busley gibt nach Erfahrungs-
zahlen folgende Werte je Stunde und Pferdestärke bei höchster Maschinen-
leistung an:
Bei Einfach-Expansionsmaschinen und fio = 3 ist Z? = 1 2,0 kg
> Zweifach- > > /^ = 6 » Z> = 9,0 >
* Dreifach- > >^^=:i3 > D = j^^
> Vierfach- * > /^= 16 > D= 7,0
Bei sehr sorgfältig gebauten Maschinen werden diese Werte namentlich
bei Probefahrten etwas unterschritten. Als mittlere Betriebsergeb-
nisse können nach Busley bei günstigen Füllungsgraden folgende Werte an-
gesehen werden:
Bei älteren Verbundmaschinen und ^« = 5 bis 6 kg ist Z^ = 9,5 bis 1 1 kg
» neueren > > ^^ = 7 »
> älteren Dreif.-Expans.-Masch. und /^ = 9 v
> neueren > ^ ^^ = 1 1 »
> Vierfach-Expansions-Maschin. > ^^=15 »
Bei den neueren Vierfach-Expansionsmaschinen, die mit einem Kessel-
druck von 20 kg arbeiten, kann ein Dampfverbrauch von 5,5 bis 6 kg an-
genommen werden. Bei der Benutzung überhitzten Dampfes, worüber unten
gesprochen werden wird, kann eine weitere Ersparnis von o,i bis 0,2 er-
reicht werden.
Die vorstehenden Angaben beziehen sich im allgemeinen auf große See-
schiffe mit sehr starken Maschinen. In der Binnenschiffahrt, wo durch-
schnittlich viel schwächere Maschinen angewendet werden, ist der Damphrer-
brauch etwas größer.
Überhitzter Dampf (Heißdampf). Wenn der gesättigte Dampf mit
dem Wasser, aus dem er sich entwickelt hat, nicht mehr im Zusammenhang
steht, wenn er also den Dampfkessel verlassen hat, kann er auf einen höheren
Wärmegrad gebracht werden, ohne daß sich neue Mengen Wasser in Dampf
verwandeln. Dieser »überhitzte« Dampf hat ein kleineres spezifisches Ge-
wicht und umgekehrt daher ein größeres spezifisches Volumen als gesättigter
Dampf von gleicher Spannung. Man braucht also zu derselben Zilinder-
fiillung weniger Dampfgewicht, mithin weniger Speise wasser und weniger
Brennstoff. Der letzte Vorteil wird allerdings nur erreicht, wenn, wie üblich,
die zur Überhitzung erforderliche Wärmemenge aus den abziehenden Ver-
brennungsgasen der Kesselfeuerung gewonnen wird. Ferner kann der über-
8
»
. z>-
8,5
>
9,5
II
>
. D —
8
>
9
13
»
. D —
6,5
>
8
16
>
> D =
6
»
7
2. Kraftschifife mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 509
bitzte Dampf auf dem Wege vom Kessfei zum Zilinder eine gewisse Ab-
kühlung erfabren, obne an Spannung zu verlieren. Besonders werden bei
Heißdampf im Zilinder selbst die Kondensation und die damit verbundenen
Verluste an Wärme und Spannung vermieden.
Schon bei den älteren Niederdruckmaschinen war aus diesem Grunde eine überhitzung
des Dampfes um 30^ bis 50^ C angewandt worden und es sollen damit Ersparnisse an Brenn-
stoff von 0)i, bei stärkerer Oberhitzung, um etwa 50 '^ C, selbst solche bis zu 0,2 erreicht
worden sein. Mit der Einführung der Hochdruckmaschinen und der damit verbundenen kleinen
Füllungsgrade schwand der Vorteil des geringeren Dampfgewichts allmählich, zumal man die
Oberhitzung nicht weit genug trieb, um noch wesentliche Ersparnisse zu erreichen. Das ist
darauf znrfickzuführen, daß man den nachteiligen Einflüssen des stark überhitzten Dampfes auf
Schieber, Stopfbüchsenpackungen und Schmieröl noch nicht zu begegnen wußte. Dazu kam,
daß bei heißem, trockenem Dampfe viel Schmieröl im Zilinder verbraucht wurde, was zum Teil
durch den Kondensator wieder in den Kessel kam, wo es nachteilig wirkte, während man bei
nassem Dampf fast ganz auf die Ziliaderschmierung verzichten konnte. Die Oberhitzung hatte
somit keinen wirtschaftlichen Wert mehr, sie wirkte höchstens noch als »Dampftrockener« und
wurde allmählich ganz aufgegeben und vergessen.
In neuerer Zeit, als es im allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb
darauf ankam, die Beförderungskosten und Selbstkosten nach Möglichkeit
herunter zu drücken und an Kohlen zu sparen, war es namentlich Dr. ing. Wil-
helm Schmidt in Kassel, der um die Mitte der neunziger Jahre mit seiner
»Heißdampfmaschine« gerechtes Aufsehen machte. Nach den großen Er-
folgen bei landfesten Maschinen und Lokomotiven kam seit dem Jahre
1898 auch in der Binnenschiffahrt (zuerst auf den Schweizer Seen) die Über-
hitzung zur Anwendung. Sie ist nach den gemachten Erfahrungen um so
wirksamer, je höher der Wärmegfrad getrieben wird und je größer das Wärme-
oder Druckgefalle innerhalb der Dampfzilinder ist. Aus dem letzteren Grunde
erreicht man bei Zweifach-Expansionsmaschinen eine Ersparnis von 0,2 bis 0,25
und noch mehr, bei Dreifach-Expansionsmaschinen eine solche von 0,15 bis 0,2.
Das gilt aber nur von neuen Anlagen, bei denen man die Überhitzung un-
bedenklich bis auf 350® und 400° C treiben kann. Bei dem Einbau in be-
stehende Anlagen muß man sich mit 250^ bis 280^ C begnügen und kann
nur auf eine Ersparnis von 0,1 bis höchstens 0,2 (bei Verbundmaschinen)
rechnen ').
Die Wirkung des überliitzten Dampfes läßt sich aus den Indikatorschaulinien übersehen
(vgl. Abb. 390). Bei einer Überhitzung um 150° beträgt die V.olumenvergrößerung des Dampfes
etwa 0,38. Z. B. Dampf von 10 kg absoluter Spannung hat in gesättigtem Zustande (vgl. Tafel
auf S. 503) eine Wärme von 179°, und i kg nimmt den Raum von 216 1 ein. Wenn man ihn um
150^ überhitzt und von 179° auf 329° C bringt, so gibt l kg dieses ebenso hoch gespannten
Dampfes 298 1, wogegen der gesättigte Dampf infolge der Abkühlung und Kondensation im
ZUinder erheblich weniger als 216 1 ergibt.
Bei Verbundmaschinen für große Rheinschlepper ist der Dampfverbrauch
je Stunde und Pferdekraft durch Gebrüder Sachsenberg bis unter 6 kg
durch Überhitzung herabgedrückt worden.
i) Vgl. auch die Untersuchungen von Berner. Zeitschr. d. V. Deutsch. Ing. 1905, S. 1069.
510 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Der Kohlenverbrauch erg'ibt sich aus dem Dampfverbrauch. Wie
schon bemerkt, braucht man zur Verwandlung von i kg Wasser von t° in
Dampf von t,° eine Wärmemenge l — t, = 606,5 + 0,305 t — t, WE. Da
die nutzbare Heizkraft guter Steinkohlen 4000 bis 6000, im Mittel 5000 WE
beträgt, sind für i kg Wasser: J^^>5 + 0,305 t - t, ^^ Steinkohlen erfor-
derlich. Also für einen stündlichen Dampfverbrauch von D kg werden
stündlich - ^ ll^°-^5 + 0,305 t - t. ) ^^ Kohlen nötig. Überschläglich setzt
man X = 640 WE und t, bei Frischwasserspeisung = 15°, bei Kondensator-
speisung = 40°, bei Speisung aus Vorwärmern = 90®. Auch für die nutzbare
Heizkraft nimmt man nach der Güte der Kohlen und der Güte und Reinheit
des Kessels entsprechende Werte zwischen 4000 und 6000 WE an.
Meistens wird der wirklich fes^estellte Kohlenverbrauch, der erheblich
größer ist als der vorher berechnete, als Maßstab für die Güte einer Kessel-
und Maschinenanlage betrachtet, und man ermittelt ihn für Stunde und Pferde-
stärke während einer Probefahrt durch Wägungen und Indikatorversuche.
Aber zum Vergleich verschiedener Maschinen ist der Vergleich des festge-
stellten Dampf Verbrauchs doch ein besseres, wenn auch nicht so einfaches
Mittel. Der wirkliche Kohlenverbrauch im gewöhnlichen Betriebe
ist immer höher. Nach Busley hat sich im allgemeinen folgender Kohlen-
verbrauch in kg je Stunde und indizierte Pferdestärke bei günstigen Füllungs-
graden ohne Überhitzung herausgestellt:
1,0 bis 1,25 bei älteren Verbundmaschinen mit 5 bis 6 kg Kesselspannung,
0,9 »1,0 > neueren » » 7 » 8 > »
0,8 > 0,9 » älteren Dreifach-Expansionsmaschinen mit 9 bis 11 kg Span-
nung,
0,75 » 0,85 > neueren Dreifach-Expansionsmaschinen mit 11 bis 13 kg
Spannung und
0,7 » 0,75 » bei Vierfach-Expansionsmaschinen mit 15 bis 16 kg Span-
nung.
Neue Vierfach-Expansionsmaschinen mit 1 7 bis 2 1 kg Spannung haben
nur einen Kohlenverbrauch von 0,6 bis 0,7 kg.
Diese Angaben beziehen sich im allgemeinen auf Versuche mit großen
Seeschiffen. Für die viel schwächeren Dampfmaschinen der Binnenschiff-
fahrt ergibt sich meistens ein größerer Kohlenverbrauch. Die nachstehen-
den Zahlen sind aus Probefahrten von neueren Dampfschiffen gewonnen,
die im regelmäßigen Betriebe stets überschritten werden. Der Dampfverbrauch
für die in der Regel angewandten Dampfsteuerwinden (durch die ein Mehr-
verbrauch an Kohlen von etwa 0,02 bis 0,03 kg je Stunde und Pferdestärke
der Hauptmaschine herbeigeführt wird) ist dabei ausgeschlossen. Ohne Über-
hitzung und mit natürlichem Zug beträgt jetzt etwa der geringste Kohlen-
verbrauch in kg:
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 511
I. Bei kleinen Maschinen unter 200 PS i:
1,0 bis 1,2 bei Verbundmaschinen mit 9 bis 12 kg Kesselspannung,
0,85 » 0,90 > Dreifach-Expansionsmaschinen mit 13 bis 1 6 kg Spannung.
2. Bei mittelgroßen Maschinen von 200 bis 800 PS i:
0,95 bis 1,0 bei Verbundmaschinen mit 9 bis 12 kg Spannung,
0,80 > 0,85 > Dreifach-Expansionsmaschinen mit 14 bis 1 7 kg Spannung,
0,68 » 0,72 > Vierfach-Expansionsmaschinen mit 21 kg Spannung.
3. Bei großen Maschinen von 800 bis i70oPSi:
0,90 bis 0,95 bei Verbundmaschinen mit 10 bis 12 kg Spannung,
0,76 > 0,80 » Dreifach-Expansionsmaschinen mit 14 bis 1 7 kg Spannung,
0,68 » 0,72 » Vierfach-Expansionsmaschinen mit 21 kg Spannung.
Bei Anwendung von Überhitzung vermindert sich der Kohlenverbrauch
in der oben angegebenen Weise. Es ist bemerkenswert, daß der geringste
Kohlenverbrauch bei vierfacher Expansion von 0,68 kg je Stunde und Pferde-
stärke auch durch dreifache Expansion und Überhitzung auf 280 bis 300^
imd durch Verbundmaschinen imd Überhitzung auf 300 bis 340° erreicht wird.
Gebrüder Sachsenberg sind bei neueren Rheinschleppern mit Überhitzung
auf 0,65 kg gekommen, und Gebrüder Sulzer sollen durch eine Verbund-
maschine mit Ventilsteuerung bei Überhitzung sogar einen Kohlenverbrauch
von 0,61 kg erreicht haben '). (Zweischraubendampfer verbrauchen etwas mehr
Kohlen als Einschraubendampfer und etwas mehr als Raddampfer von der-
selben Maschinenleistung.)
Zmn Vergleich des Kohlenverbrauchs verschiedener Schiffe benutzt man zweckmäßig das
sogenannte Ähnlichkeitsgesetz, worüber später bei den Leistungen der Dampfschiffe gesprochen
werden wird.
Dampfkessel.
Die Walzenkessel mit Feuerrohren werden zurzeit auf den Dampf-
schiffen der Binnenschiffahrt fast ausschließlich verwendet. Man unterscheidet
Kessel mit > rückkehrender« und mit > durchschlagender« Flamme. Bei den
letzteren (Abb. 391) tritt die Flamme aus dem Flammrohr durch die zwischen
der Hinterwand der Feuerkammer und der Hinterwand des Kessels einge-
zogenen Feuerrohre unmittelbar in den Schornstein. Diese Kessel erfordern
eine verhältnismäßig geringe Höhe und werden auf Kriegschiffen viel ver-
wendet. Man nennt sie daher »Marinekessel«. In der Binnenschiffahrt be-
nutzt man sie, wenn man den Kessel ganz unter Deck legen will und nur
wenig Raumhöhe zur Verfügung hat, z. B. bei Kettendampfern. Zu dieser
Kesselart gehören auch die »Lokomotivkessel«, die oft auf kleinen Dampf-
booten verwendet werden. Sie erzeugen bei verhältnismäßig geringem Ge-
wicht viel Dampf von hohem Druck.
Sowohl in der Handelsmarine wie in der Binnenschiffahrt werden zurzeit
in der Regel Walzenkessel mit rückkehrender Flamme (Schottische Kessel)
i] Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure 1903, S. 1025.
512
Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
benutzt, die mit einem, zwei oder drei Flammrohren versehen sind (Abb. 392
u. 393). Die Flamme geht von dem Rost über die mit Schamottemauerung
bedeckte Feuerbrücke in die Feuerkammer und kehrt durch die zwischen
deren Vorderwand und der Vorderwand des Kessels eingezogenen Feuerrohre
•♦—
•^00
Abb. 391. Kessel mit durchschlagender Flamme (Marine-Kessel), Heizfläche 56 m^
Spannung 11 kg je cm^.
-3AA5 --
Abb. 392 und 393. Dampfkessel fUr eine Spannung von 21 kg je cm^, Heizfläche 124 m', i : 60.
zur vorderen Rauchkammer und zum Schornstein zurück. Die aus den ver-
schiedenen Feuerungen kommenden Flammen vereinigen sich in der Regel
erst in der Rauchkammer. Man baut diese Kessel als >Einender<, wie in
unserem Beispiel, oder als Doppelkessel, >Zweiender« genannt (Abb. 394), die
in der Mitte eine gemeinschaftliche Feuerkammer haben und von beiden Seiten
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
513
beschickt werden. Sie sind leichter als 2 einfache Kessel und brauchen weniger
Raum; in der Binnenschiffahrt werden sie selten verwendet.
Die Größe der Rost fläche für ein Schiff hängt von dem gesamten
stündlichen Dampfverbrauch (S. 508) der Hauptmaschine und der Hilfs-
maschinen ab, aus dem, je nach dem gewählten Heizstoff, die Menge der
stündlich zu verbrennenden Kohlen oder dergleichen unter Berücksichtigung
der Wärme des Kesselspeisewassers zu berechnen ist.
Abb. 394. Doppelkessel, Zweiender.
Ober die Heizkraft der Brennstoffe ist bereits (S. 492) gesprochen worden. Das Verhältnis
der absoluten Heizkraft zur nutzbaren Heizkraft heißt der Wirkungsgrad der Kesselan-
lage. Er setzt sich aus dem Wirkungsgrad der Feuerung (etwa 0,8) und dem Wirkungsgrad der
Heizfläche (0,77 bis 0,8) zusammen und kann etwa zu 0,62 angenommen werden.
Unter mittleren Verhältnissen liefert (nach der »Hütte«):
I kg Steinkohlen .
. 5,5 bis 10,0 kg Dampf
I kg Torf . .
. . 1,5 bis 3,0 kg Dampf
I » Koks . . .
. 4,5 » 8,0 »
I » Holz . .
• • 2,5 » 3,5 »
I » Braunkohlen
. 2,0 » 4,5 »
1 » Stroh . .
1,5 » 2,0 » »
Die Brennstofimenge, die stündlich auf i m^ Rostfläche verbrannt werden kann, hängt von
der Menge [L] der zugeführten Luft (S. 495), ihrer Geschwindigkeit [v] und der Weite der Rost-
spalten ab. Die letztere ergabt sich aus dem Verhältnis {m) der freien zur gesamten Rostfläche.
Wenn die zu verbrennende Brennstofimenge mit B und die erforderliche Rostfläche mit ^ be-
L'B
zeichnet wird, gilt die Gleichung: ^ «= — — •
* ^ ^ 4680 'PIV
Die Geschwindigkeit v schwankt bei Steinkohlen und natürlichem Zuge je nach dem An-
strengungsgrade und der Schichtendicke zwischen 0,8 m und 1^6 m je Sekunde, wird aber bei
künstlichem Zuge bedeutend größer, (bis 3 m). Für m wählt man bei Steinkohlen das Verhältnis
zu 0,25 bis 0,5, bei Braunkohlen 0,2 bis 0,33, bei Koks 0,33 bis 0,5 und bei Holz oder Torf
0,15 bis 0,2.
Von guten Steinkohlen pflegt man auf i m^ Rostfläche 85 bis 95-kg bei
natürlichem und 120 bis 130 kg bei künstlichem Zuge anzunehmen (S. 496).
Teubert, Binnenschiffahrt 3^
514 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Wenn man die nötige Rostfläche aus der indizierten Maschinenleistung
ermitteln will, kann man bei natürlichem Zuge annehmen, daß ein Quadrat-
meter Rostfläche bei einer Dampfspannung
von 8 bis lo oder lo bis 12 oder 12 bis 14 oder 14 bis 16 kg je cm'
für je 80 » 83 » 90 » 95 PSi
vollkommen genügt.
Die berechnete gesamte Rostfläche muß auf eine angemessene Zahl von
Kesseln und Feuerungen verteilt werden. Mit Rücksicht auf ein bequemes
Beschicken macht man in der Regel die Länge des einzelnen Rostes nicht
über 2 m und die Breite, gleich der Weite des Flammrohrs, nicht über i m. Die
Zahl der Flammrohre in einem Kessel wählt man in der Binnenschifliahrt mit
Rücksicht auf die oft beschränkte Bauhöhe gewöhnlich nicht über 2. Neuer-
dings zieht man es aber vor, bei großen Schleppdampfern an Stelle von
4 Kesseln mit je 2 Flammrohren lieber 2 Kessel mit je 3 Flammrohren an-
zuordnen
Die Heizfläche ist die Summe aller von den Heizgasen berührten
Flächen, die die Wärme an das Kesselwasser abgeben sollen. Das sind die
oberen Hälften der inneren Flächen der Flammrohre, die Flächen der Feuer-
kammern und besonders die äußeren Flächen der Feuerrohre. (Von dieser
»feuerberührten« Heizfläche ist die »wasserberührte« Heizfläche zu unter-
scheiden. Die erstere ist kleiner, etwa 0,95 der letzteren.) Die Größe der
Heizfläche soll bei Walzenkesseln mit natürlichem Zuge das 30- bis 3 5 fache,
mindestens das 2 8 fache der Rostfläche betragen. Auf eine indizierte Pferde-
stärke kommen etwa 0,4 bis 0,5 m' Heizfläche, bei Heißdampf etwa 0,3 m*.
(Neuere Kessel auf Binnenschiffen haben bis zu 270 m' Heizfläche.)
Unter der Anstrengung oder Beanspruchung eines Kessels versteht man
die mit i m' der Heizfläche stündlich erzeugte Dampfmenge. Sie beträgt bei
natürlichem Zuge 20 bis 23 kg, bei schwachem Unterwind 23 bis 25 kg.
Der über dem Wasserstande bleibende Dampfraum soll eine Höhe von
0,23 bis 0,25 des Kesseldurchmessers haben, damit der Dampf nicht zu feucht
in die Maschine gelangt. Dem gleichen Zweck dient der Dampfdom (0,6
bis 0,9 m hoch), von dem der Dampf zur Maschine geleitet wird. Er trägt
gleichzeitig das Mannloch (30-40 bis 35 -45 cm) und die Sicherheitsventile.
An Stelle des Dampfdoms wählt man auch einen zilindrischen »Dampf-
sammler«, der durch besondere Rohrstutzen mit dem Kessel verbunden wird;
von zwei nebeneinanderliegenden Kesseln wird der Dampf zuweilen in einem
solchen Sammler vereinigt.
Die an der Vorderwand des Kessels befestigte Rauchkammer (Rauch-
busen) trägt oben den Schornstein. Ihre Vorderwand über den Feuertüren
ist losnehmbar (mit Türen oder Klappen) eingerichtet, damit man zu den
Feuerrohren gelangen und sie ausfegen kann.
Zum Bau der Walzenkessel wird nur bestes Stahlblech (Siemens-Martin-
Flußeisen) verwendet. Da man jetzt sehr große Bleche walzen kann, erhält
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 51Ö
der äußere Mantel oft nur eine Längsnietnaht und die Nietverbindungen mit
den beiden Kopfblechen, die in der Regel gleichfalls aus je einem Stück
hergestellt und zur Befestigung des Mantelblechs sowie der Flammrohre um-
gebördelt werden. Da die vordere Kopfwand und die vorderen Wände der
Feuerkammern durch die Feuerrohre sehr geschwächt werden, erhalten sie
größere Stärken. Damit die Flammrohre dem äußeren Druck besser wider-
stehen können, werden sie in der Regel aus gewelltem Blech, meistens nach
der Form von Fox oder der von Morris (wie in Abb. 391 u. 392) hergestellt.
Bei der letzteren Form soll sich die Asche besser beseitigen lassen.
Die Wände der Feuerkammern (zuweilen auch Rauchkammern ge-
nannt) werden hinten gegen die hintere Kesselwand und seitlich gegen den
äußeren Kesselmantel sowie gegen die benachbarten Feuerkammern durch
Stehbolzen abgesteift. Ihre obere Decke wird entweder nach dem Dampf-
raum gekrümmt (Abb. 391) oder, wenn sie eben bleibt, durch aufgesetzte
sogenannte Brückenträger (Abb. 392 bis 394) versteift. Zwischen den Flamm-
rohren und dem Mantel sowie hinter und neben den Feuerkammern müssen
Zwischenräume von 120 bis 150 mm bleiben. Geringere Maße erschweren
die Reinigung, größere schwächen die Wirkung der Stehbolzen.
Die Feuerrohre (auch Heizrohre, Rauchrohre oder fälschlich Siederohre
genannt) aus Schweißeisen oder Flußeisen, geschweißt oder gezogen, werden
gewöhnlich in Längen von 1,7 bis 2,3 m mit einem äußeren Durchmesser
von 70 bis 83 mm und in einer Wandstärke von 3 bis 4 mm verwendet.
Ein Drittel bis ein Viertel ihrer Zahl dient, je nach der Größe des Kessels,
zur Verankerung der beiden Rohrwände und heißen Ankerrohre. Sie er-
halten 7 bis 10 mm Wandstärke und werden in die Rohrwände eingeschraubt
und vernietet, während die übrigen Feuerrohre eingewalzt werden. Die Vorder-
und Hinterwand des Kessels werden über und unter den Feuerkammern
durch eiserne Anker versteift, die durch Muttern auf Unterlagscheiben
von beiden Seiten an jeder Wand befestigt sind (in Abb. 393 sind es
Ti Anker).
Der Feuerraum in dem Flammrohr wird nach außen durch das »Feuer-
geschränk« mit der Feuertür abgeschlossen, die mit einer Schutzplatte und
verschließbaren Luftlöchern versehen ist. Nach innen schließt sich daran
eine Vorplatte, auf der die Roststäbe mit einem Ende liegen, während das
andere Ende bei kleinen Rosten sein Auflager an der Feuerbrücke findet.
Bei längeren Rosten geben besondere Rostbalken ein Auflager in der Mitte.
Die Form der gußeisernen Roststäbe hängt von der Art des Brennstoffs ab.
Zur Verminderung der Wärme Verluste werden sowohl die Kessel wie
die Dampfleitungsrohre mit Wärmeschutzmasse (Asbest, Filz aus Kuhhaaren,
Kieseiguhr u. dgl.) umkleidet. Über den Kessel wird dann noch eine dünne
I mm starke verzinkte Blechhaut gelegt. Auch die äußeren Wände der
Rauchkammer werden oft durch Asbest und ähnliche Stoffe oder durch dop-
pelte Wände gegen Abkühlung geschützt. Wenn die Kessel nicht ganz unter
33*
Abaehnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
2. KraftschifTe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 517
Deck Platz finden, werden sie über Deck mit einer besonderen Ummantelung
aus leichten Blechen und Winkeln versehen.
Kessel mit Überhitzern. Über die Vorzüge des überhitzten Dampfes
ist schon (S. 508) gesprochen worden. Man unterscheidet Flammrohrüber-
hitzer und Feuerrohrüberhitzer. Eine Einrichtung der ersten Art ist in den
Abb. 395 bis 397 dargestellt. Sie wurde im Jahre 1903 an einem kleinen
Schleppdampfer mit 2 Schrauben von 90 PSi nach der Anordnung von Wil-
helm Schmidt angebracht und hat sich bewährt. Der Kessel hat 35 m* Heiz-
fläche und 13 m' Überhitzerfläche.
Ein über dem Flammrohr liegendes Feuerrohr (<z) ist zu einem Durchmesser von 450 mm
erweitert und nimmt die Bündel der Dampfschlangen auf. Damit diese Überhitzerrohre nicht
den heißesten Feuergasen ausgesetzt sind, reichen die Bündel nicht bb zur Rohrwand der Feuer<
kammer; es findet vielmehr dort (bei b] eine Einschnürung des Rohrs von 450 auf 320 mm statt.
Die U förmig gebogenen Überhitzerrohre sind ziemlich gleichmäßig über den Querschnitt des großen
Rohrs verteilt und werden durch Schellenbänder [c) festgehalten. Die Enden der Rohre sind
in die Bodenplatte einer Dampfverteilungskammer (</) eingewalzt, die in verschiedene Ringräume
so eingeteilt ist, daß der eintretende nasse Dampf zuerst die äußeren Rohrschlangen durch-
streichen muß. Der Austritt der Heizgase aus dem großen Feuerrohr (a) erfolgt durch seitliche
Öffnungen (e\ die durch einen Ringschieber (Abb. 397) abgeschlossen oder verstellt werden
können. Dadurch wird die Überhitzung geregelt. Der nasse Dampf geht vom Dampfdom durch
die Rauchkammer (/) in die Verteilungskammer und der heiße Dampf geht aus dieser durch das
Rohr g zur Maschine. Bei h sind Vorrichtungen angebracht, um zur Messung der Dampf wärme
Thermometer und Pyrometer zu benutzen.
Der Dampf von 183^ (bei einer Spannung von 11 kg ss 10 Atm. Überdruck) wird auf 250"
bis 280® C überhitzt, wobei die Gase in der Rauchkammer eine Wärme von 370° bis 380^ und
im Schornstein von 270° bb 290^ haben.
Der stündliche Verbrauch an oberschlesischen Steinkohlen beträgt für die Pferdestärke
0,93 kg, was bei den kleinen Verbundmaschinen von je 45 PSi als gering bezeichnet werden muß.
Das in der Mitte des Überhitzers eingezeichnete Dampfrohr i mit 2 Blasköpfen k dient
zur Reinigung der Überhitzerschlangen von Ruß und Asche. Es wird bei Bedarf von der Haupt-
dampfleitung gespeist. Diese Reinigung braucht nicht häufiger vorgenommen zu werden als
sonst bei Kesseln mit nassem Dampf. In diesem Falle (wie auch auf großen Rheindampfem) ge-
nügte ein Ausblasen der Rohre jeden zweiten Tag. Die vielen Dichtungstellen der dünnen Über-
hitzerrohre haben zu keinen Klagen geführt
Nach Wilhelm Schmidt soll das Verhältnis der Überhitzerfläche zur
Kesselheizfläche bei einer Überhitzung auf 280° 0,3 bis 0,35 und bei einer
Überhitzung auf 360° 0,4 bis 0,45 betragen, wobei die unteren Werte bei
starker und die oberen bei schwacher Anstrengung des Kessels zu wählen
sind. (Man rechnet auch 0,12 bis 0,5 m" Überhitzerfläche auf je eine indi-
zierte Pferdestärke.)
Für die gute Wirkung ist ein kräftiger Zug im Kessel nötig, der in der
Rauchkammer mindestens 6 bis 8 mm Wassersäule beträgt. Es ist aber
keineswegs die Einrichtung von künstlichem Zug erforderlich. Es empfiehlt
sich nicht, die Rostfläche und die Heizfläche kleiner zu wählen als bei Naß-
dampf.
Bei der Feuerrohrüberhitzung wird in jedes einzelne Feuerrohr des
Kessels ein Überhitzungsrohr eingelegt. Dies dünne Dampfrohr tritt von einer
kleinen Dampfsammeikammer a in Abb. 398 zunächst in ein Feuerrohr ein,
518 Abschnitt lU. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraflschiffe.
WO es in einer Entfernung von etwa o,2 der Länge von der hinteren Rohr-
wand (bei b] umgebogen wird und wieder zurückgeht, um ebenso in ein
zweites, drittes und viertes Feuerrohr einzutreten. Nach genügender Er-
hitzung kehrt es in eine zweite Sammelkammer [c) zurück. Die Einlegung
der Dampfrohre in die Feuerrohre (Querschnitt ä) muß in sorgfältigster
Weise erfolgen. Es genügt für diese Anlage die übliche Weite der Feuer-
rohre von 76 bis 83 mm und man kann die Überhitzung auf diese Weise
mit geringen Kosten auch in alte Kessel einbauen.
Im Jahre 1^5 vrurde ein Uterer
Rheindampfcr von 900 PSi und 11 kg
Dampfepannung mit neuen Kesseln und
dieser Überhitiung vereehen: Der fräberc
stündliche Kohlenverbrauch von 1 100 kg
sank dadurch auf S^o kg.
Die Verwendung von über-
hitztem Dampf hat sich sehr
langsam bei der Binnenschiffahrt
eingebürgert, namentlich auf den
östlichen deutschen Wasser-
straßen. Im Jahre 1905 war im
Gebiet der Elbe und Oder (außer
dem oben erwähnten staatlichen
Schleppdampfer) kaum ein Schiff
damit versehen. Im Januar 1910
sollen im ganzen 143 Kessel
der Binnenschiffahrt damit aus-
gerüstet gewesen sein.
Es gibt aoch Rauchkammer-
Überhitzer, bei denen die Dampf-
schlangen in der Rauchkammer ange-
bracht sind; doch werden diese in der
Binnenschiffahrt selten verwendet.
Abb. 398. Feuerrohr-UberhitMr. Rauchvermindcrung.
über die Entstehung des Rauchs
ist schon (S. 494) gesprochen und daraufhingewiesen worden [S. 497), daü bei
soi|[faItiger Bedienung des Feuers durch gut geschulte Heizer eine übermäßige
Rauchentwicklung verhütet und an Brennstoff gespart werden kann. Immer-
hin läßt sich bei dem jedesmaligen Beschicken und bei dem Schüren [Durch-
Idauen) des Feuers die Rauchbildung nicht ohne besondere Vorrichtungen
verhüten. Günstig wnrkt eine große Rostfläche; dabei wird aber leicht die
zugefiihrte Luftmenge zu grofJ und es geht viel Brennstoff verloren (vgl.
S. 496). Da gerade die Binnenschiffahrt, die sich meistens innerhalb be-
bauter und bewohnter Gegenden und Städte vollzieht, durch den Rauch eine
große allgemeine Belästigung hervorruft, hat man sich seit Jahren bemüht,
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 519
geeignete Vorrichtungen zu erfinden, durch die während und nach dem jedes-
maligen Beschicken des Feuers die gerade fehlende Luflmenge dem Brenn-
stoffe oder dem Rost zugeführt wird. Ein auf Veranlassung der Rheinstrom-
Bauverwaltung eingesetzter Ausschuß prüfte in den Jahren 1904 bis 1906
eine Zahl von solchen Erfindungen und fand sie fast alle ungeeignet oder
wirkungslos*). Nur die Rauchverbrennungs- Vorrichtung von Marcotty zeigte
gute Wirkungen. Diese besteht aus zwei Teilen: Zunächst ist die Klapp-
oder Kippfeuertür mit einem verstellbaren Schließer {Kataraktsteuerung ge-
nannt) verbunden, der nach Beendigung der Beschickung ein plötzliches
vollständiges Schließen der Luftöffnungen in der Tür verhindert, vielmehr
in den Luftöffnungen eine Spalte offen läßt, durch die noch eine ent-
sprechende Luftmenge eintreten und. zur Vergasung des Brennstoffs bei-
tragen kann. Allmählich schließen sich dann selbsttätig diese Öffnungen.
Der zweite Teil der Vorrichtung besteht aus einem Dampfschleier, der
durch eine über der Feuertür im Scheitel des Flammrohrs angebrachte Düse
so hervorgebracht wird, daß die feinen Dampfstrahlen schräg zur Rostebene
gerichtet sind. Durch diesen Dampfschleier wird die Luft an zu schnellem
Entweichen gehindert und mit den Rauchgasen gemischt, so daß die Ver-
brennung beschleunigt und die Wärme im Flammrohr erhöht wird. Der
Dampfschleier wird durch zwangläufiges Öffnen eines Dampfhahns beim
Öffnen der Feuertür hervorgerufen und hört nach vollständigem Abschluß
der Türöffnungen wieder auf. In den Abb. 399 bis 402 ist diese Einrich-
tung dargestellt").
Beim Schließen der Feuertür [A] wird durch das auf der Drehachse (C) befestigte kleine
Zahnrad eine wagerechte Welle gedreht, die die Drehschieber (5) in der Feuertür (die Luft-
öfTnungen} öffnet. Femer wird gleichzeitig durch eine auf dem oberen Ende der Drehachse an-
gebrachte kleine exzentrische Scheibe und Hebelübersetzung das Dampfventil {A") geöffnet, so
daß der Dampf zur Schleierbildung durch die Düse D austreten kann. Zum Abschluß der Tür-
öffnungen und des Dampfventils tritt der Schließer [P) in Tätigkeit. Er ist in Abb. 402 be-
sonders dargestellt und besteht aus einem Kolben {ß}, einem Saugventil (F) und einem mit Öl
gefüllten Behälter (T), Beim öffnen der Feuertür wird durch eine Hebelübersetzung {£] der
Schließer gespannt, d. h. der Kolben wird gehoben und das öl dadurch angesaugt Nach
Schluß der Feuertür geht der Kolben selbständig wieder zurück und drückt das Öl durch eine
feine Öffnung, die durch das Nadelventil (iV) nach Bedarf vergrößert oder verkleinert werden
kann, langsam wieder in den Behälter hinein. Dabei werden durch die Hebelleitung {£) und
die Zahnradübersetzung die Schieber [S) in der Feuertür allmählich vollständig abgeschlossen
und außerdem durch die am oberen Ende der Drehachse (C) befindliche Hebelleitung das Dampf-
ventil (A^) abgesperrt. Durch das Nadelventil [N] kann man die Zeitdauer regeln.
Von dem Ausschuß wurden mit dieser Einrichtung genaue und andauernde
Versuche an einem Raddampfer von etwa 1000 PSi gemacht. Bei ihrer An-
wendung brannten die Feuer hell und weiß, beim Beschicken und Schüren
war kaum irgend welcher Rauch wahrnehmbar. Beim Abstellen des Dampf-
schleiers war eine Zunahme der Rauchbildung sofort zu bemerken, nament-
i) J. Schnell, Erfahrungen auf dem Gebiet der Rauchverminderung. Z. f. Binnensch.
1910, S. 31.
2) Aus dem Zentralblatt der Bauverwaltung 1905, Aufsatz von Düsing.
320 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
lieh beim Beschicken und Schüren entwickelte sich schwarzer Rauch und
dieser wurde noch stärker, sobald die Luftzufiihning durch die Feuertüren
abgestellt wurde. Es wurde einen Tag lang mit der Vorrichtung und einen
zweiten Tag ohne sie gefahren, wobei am ersten Tage stündlich i,cx)5 t, am
zweiten 1,0045 ^ Kohle verbraucht wurden. Die Einrichtung bringt mithin
keine Kohlenerspamis, aber auch keinen beachtenswerten Mehrverbrauch.
RMchvenjiinderungs-Eiorichtnng von Maccotty. Abb. 399 bis 40a.
Abb. 399. Ansicht des Kessels. Abb. 400. Schnitt durch FiammroliT and Feoeitül.
Abb. 401. Ansicht der FeaertUr. Abb. 40». Der Schließer.
Der fiir den Dampfschleier nötige Brennstoffverbrauch wird durch die bessere
Verbrennung wieder ausgeglichen. Es zeigte sich femer, daD bei verstärkter
Fahrt mit voller Zilinderiullung die Rauchentwicklung bei der Marcottyschen
Einrichtung zwar etwas zunahm, aber doch in zulässigen Grenzen blieb.
Der preuOische Minister der öffentlichen Arbeiten hat im Jahre 1903
und wiederholt im Jahre 1905 die Staatsbauverwaltung beauftr^, diese Vor-
2. KraftschilTe mit DunpfmaschincD, DBinpfschifTe. 521
richtungen auf ihren Dampfschiffen anzubringen und auch bei den Privat-
reedereien auf ihre Einführung hinzuwirken. Die Anordnung von Marcotty
ist im Jahre 1909 durch den Oberingenieur Schnell vereinfacht und ver-
bessert worden. Auch sind in neuester Zeit noch andere Vorrichtungen er-
funden, die sich gleichfalls bewährt haben sollen.
Die WassetTOhrkessel unterscheiden sich von den Walzenkesseln
mit Feuerrohren dadurch, daO bei ihnen sich das Wasser in engen Rohren
befindet, die allseitig von den Feuergasen bestrichen werden, während bei
jenen die von den Feuergasen erfüllten engen Feuer- oder Heizrohre durch
den Wasserraum geführt werden. Daraus erkennt man sogleich, daü der
Wasservorrat eines Wasserrohrkessels
verhältnismäßig kleiner ist als bei einem
Walzenkessel, daß die Dampfentwick-
lung daher schneller vor sich gehen wird
und daO die ICesselspeisung darum sehr
vorsichtig und aufmerksam besorgt wer-
den muß, damit das Wasser weder über-
kocht noch der Wasserstand sinkt. Ferner
ist nicht nur das im Kessel vorhandene
Wassergewicht, sondern auch das Eigen-
gewicht des Kessels und der Raumbedarf
für seine Aufstellung, namentlich die er-
forderliche Grundfläche kleiner als bei
einem Walzenkessel von gleicher Lei-
stungsfähigkeit. Das sind für einen
Schiffskessel große Vorzüge und es ist
erklärlich, daß man sich seit vielen Jahren
bemüht hat, zweckmäßige Kesselformen
zu erfinden. Erst seit 1850 sind einiger-
maßen brauchbare Anordnungen zur Aus-
führung gekommen, und zwar zunächst Abb. 403, Wssaerrobrlieäsel n«ch DUrr.
bei der Kriegsmarine, weil die Vorteile
für sie ausschlaggebend waren. Die Handelsmarine und besonders die Binnen-
schiffahrt haben sich bisher im allgemeinen ablehnend verhalten, da selbst
die verhältnismäßig besten Kesselarten sich noch nicht in langjährigem,
dauerndem Betriebe bewährt haben.
Man unterscheidet Kessel mit geraden und weiten (60 bis 90 mm) Rohren
und solche mit krummen und engen [30 bis 60 mm] Rohren. Ferner unter-
scheidet man Kessel mit und ohne Wasserkammem. Bei den letzteren, zu
denen die älteste Bauart Belleville gehört, besteht der Kessel aus einer
Zahl von wenig zur Wagerechten geneigten geraden Röhren, die im Zick-
zack von unten bis oben geführt sind und in einem ztlindrischen Dampf-
sammler endigen. Bei den Wasserkammerkesseln mit geraden, weiten Rohren
522
Abschnitt III. Schiffe mit eigeaer Triebkraft, Krifrschiffe.
sind diese ebenso etwas geneigt und endigen auf einer Seite sämtlich in einer
vorderen, senkrecht oder etwas geneigt stehenden Wasserkamm er, über welcher
dann der Dampfsammler oder Oberkessel liegt. Die andere Seite der Rohre
ist in der Regel geschlossen. Um in ihnen eine lebhaftere Wasserbewegung
hervorzurufen, sind sie (nach Fieldscher Art) mit dünneren Einsteckrohreo
versehen. Zu diesen Kesseln gehören z. B. die französische Bauart Niclausse
(seit iSgo) und die deutsche Bauart Dürr (seit 1893 von der Düsseldorf-
Ratinger Röhre nkesselfabrik gebaut]. Von der letzteren ist in Abb. 403 ein
Beispiel mitgeteilt:
a ist die durch eine senkrechte Wand in zwei Teile lerlegte Wasserkammer. Die engen
Einsteckrohre münden in ihren vorderen, die weiteren Rohre [i] in ihren hinteren Teil. Das
Speisewasser tritt zuerst durch die vordere Wasserkammer in die Einsfeckrohre und durch deren
hinlere Öffnung in die Hauptrohre, in denen die eigentliche Dampfe ntwicklung vor sich geht
Troti des verhältnismäßig großen Oberkessels [c] bleibt der Dampf ziemlich naß, wenn er nicht
getrocknet oder Überhitzt wird. Zu diesem Zweck sind vom Dom (^'l den Wasserrohren Uinliehe
Damp&ohre [A) durch die Rauchkammer [li] gefUhrt. / ist die Feuertür und e der Rost, von
dem die Feueigase die Rohre umspulen und bei ä inm Seborastein gelangen. Der Heizraum
wird ringsum durch Eiscnplatten abgeschlossen, die mit WSrmeschutzmasse u. dgl. versehen sind.
Abb. 404 und 405. Wasserrohrkessel nach Thomycroft.
Die amerikanische Bauart Babcock-Wilcox ist mit zwei Wasserkam-
mern (an beiden Enden der Rohre] ausgerüstet.
Bei den Kesseln mit krummen und engen Rohren liegen die zilindrischen
Wasserkammern oder Unterkessel {2 oder 3) wagerecht unten, während oben,
ihnen gleichlaufend, der Oberkessel oder Dampfsammler angeordnet ist. Von
den Wasserkammern zum Dampfsammler sind die engen, stark gekrümmten
Rohre in Bündeln gefuhrt und zwischen diesen sind die Roste angeordnet, so
daß die Heizgase die Rohre umspülen. Außerhalb des Feuerraums ist der
Oberkessel durch besondere Rohre mit den Unterkesseln verbunden, so daß
eine lebhafte Wasser- und Dampfbewegung hervoi^erufen wird.
Thomycroft erfand diese Bauart im Jahre 1886. Zuerst waren nur a Unterkessel ange-
ordnet i doch ist diese Zahl später auf 3 gebracht worden, wie die Abbildungen 404 und 405
zeigen '); a ist der Oberkessel und Dampfsammler, i, c und d sind die Unterkesset und Wasser-
1] Aus Rühlmann-FUrom.
2. Kraltschlfie mit Dsmptniasehiiieii, Dtmpfsebifle. 52t
Icimmem, zwischen denen die beiden Roste liegen. Das Speisewasser gelangt zuerst in dei
Oberkessel, durch die Abfallrohre in die Untetkesset uod dann in die engen Wasserrohre, »t
sieb der Dampf entwickelt. Bei der sehr lebhaften Bewegung des Wassers kenn ein Absetze]
von Kesselstein in den dünnen Rohren gar nicht eintreten, so daD deren Reinigung nicht ei
forderlich wird. Eine besondere Eigenttlmiichkeit dieser Erfindung besteht darin, dab bei jeden
Rohrbiindet die Rohre aus den zweiten
Reihen (innen und aul^en) in die ersten
Reihen hineingebogen sind und mit
diesen nahezu dichte Wände bilden,
durch die den Heizgasen eine Führung
gegeben wird, so daß sie sich in der
Richtung der Pfeile bewegen müssen.
Dadurch legen die Gase einen weiteren
Weg zurück und werden besser aus-
genutzt.
Diese Absicht ist bei dem Schulz-
Kessel (Patepl von i394) noch weiter
durchgeführt (Abb. 406J und dadurch
eine noch größere Wärmeabgabe von
den Hei^asen an das zu verdampfende
Wasser erreicht worden. R. Schulz
(Direktor der Germania in Berlin-Kiel) **>*>■ 4°6- Wasserrohrkessel nach Schuld.
Abb. 407 nnd 408. Wasserroh rkessel filr kleine Schifte.
hat durch das Zusammenbiegen der Rohre noch mehrere Wände geschaffen, die in der Abbildung
durch doppelte Linien ersichtlich gemacht sind. Die zusammengebogenen Wände lassen femer
durch die Spalten bei .r von dem Rost frische Feuergase nnd Luft in die einzelnen Feuerzüge
eintreten, um die dort etwa noch vorhandenen unverbrannten BrennsIolDeile vollstlndiger zu
verbrennen. Auch können bei r noch Rohre eingesetzt werden, um von außen durch die Vorder-
oder Rückwand des Kessels weitere Luft zuzuführen.
524
Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Solche Kessel haben sich auf den Schiffen der deutschen Kriegsmarine
gut bewährt. Erwähnenswert bleibt, daß bei diesen Kesseln wegen der engen
Rohre und der kleinen Durchmesser der Oberkessel und Dampfsammler kaum
eine Explosionsgefahr besteht. In den neuen polizeilichen Bestimmungen des
Bundesrats, die weiter unten erwähnt sind, werden darum in § 3, 3 in betreff
der Höhenlage der Feuerzüge besondere Ausnahmen fiir solche Kessel zuge-
lassen, zumal die Gefahr des Erglühens bei der im Verhältnis zur Rostfläche
meistens sehr groO gewählten Heizfläche als ausgeschlossen angesehen werden
kann. Bei Wasserrohrkesseln mit weiten Rohren macht man die Heizfläche
mindestens 30 bis 40, bei solchen mit engen Rohren 45 bis 60 mal so groß
wie die Rostfläche.
In den Abbildungen 407 und 408 ist ein Wasserrohrkessel nach der Bauart von Holtz
dargestellt, der bei Barkassen und kleineren Schiffen zuweilen angewandt wird. Die Heizgase
umspülen die wagerechten Wasserrohre, die an ihren Enden mit einem darüber gelegenen zilin-
drischen Kessel in Verbindung stehen, der den Dom trägt.
Vergleich zwischen Walzenkesseln und Wasserrohrkesseln.
I. Kriegschiffe mit künstlichem Zug.
Walzenkessel Wasserrohrkessel
mit
Feuerrohren
nach
Dürr
nach
Schulz
Pferdestärken PSi
Dampfspannung kg je cm^
Äußerer Rohrdurchmesser mm
Heizfläche m»
Rostfläche m»
Verhältnis beider
Erzeugter Dampf je Stunde und i m^ Heizfläche . . kg
Verbrannte Kohlen je Stunde und i m^ Rostfläche. . kg
Grundfläche des Kesselraums m«
Gewicht des Kessels mit Ausrüstung und Bekleidung . . t
Gewicht des Wassers t
Gewicht des Kessels mit Wasser t
1000
1000
1000
13-15
bis 15
15—23
—
I 80
1
36
280
240
225
8,4
5,7
4t7
33
42
46
28,6
33.3
34.8
119
175
212
31
27
,8
49
22
16
19
6
3
68
28
19
Walzenkessel
2. Binnenschiffe mit natürlichem Zug. 1 ^^ ^^^'
kehrender
Flamme
Dampfspannung ^S je cm^
Heizfläche m«
Gewicht des Kessels t
> > Wassers t
> » Kessels mit Wasser . . . t
Hieraus das Gewicht je i m' Heizfläche:
Gewicht des Kessels kg
» • Wassers kg
» > Kessels mit Wasser . . kg
10
60
12,7
6,1
18,8
101,7
211,7
313,4
mit durch-
schlagender
Flamme
Wasserrohrkessel
nach
nach Schulz
Dürr
größerer
kleinerer
II
60
10,5
6,0
16,5
100
175
275
II
50
6,3
1,2
7,5
126,1
23, »
»49,2
II
50
3,75
0,85
4,6
75
17
92
II
36
2,8
0,7
3,5
77,8
I9i5
97,3
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
525
Von den beiden vorstehenden Tafeln ist die erste (für Kriegschiffe) nach Angaben von
R. Schulz aus dem Jahre 1907 zusammengestellt und dem Werke von C. Matschoß (Entwicklung
der Dampfmaschine) entnommen. Sie bezieht sich auf Linienschiffe und Kreuzer bei angestrengter
Maschinenleistung von 6 stündiger Dauer mit künstlichem Zug. Die zweite Tafel von Blümcke
(für Binnenschiffe) ist in seinem Bericht zum Mailänder Kongreß von 1905 enthalten.
Bei diesen großen Gewichtsunterschieden bleibt es schwer verständlich,
daO die Wasserrohrkessel bisher selten in der Binnenschiffahrt Anwendung
gefunden haben. Blümcke führt das auf den kleinen Wasserraum zurück,
der gerade für die Binnenschiffahrt nicht geeignet sei. »Je größer der Wasser-
raum, umso größer der Wärmespeicher, so daß bei vorübergehend größerem
Dampfverbrauch sogleich eine Selbstverdampfung des Wassers erfolgt, und
umgekehrt eine Wärmeaufspeicherung bei geringerem Dampfverbrauch, wie
z.B. bei zeitweiligem Langsamfahren oder Anhalten.« Dem kann nicht ganz
zugestimmt werden; denn die Dampfentwicklung kann gerade in einem Wasser-
rohrkessel besonders leicht verändert und dem Bedürfnis angepaßt werden.
Selbstverständlich verlangt er, wie schon oben erwähnt, eine sorgfaltigere Be-
handlung und Bedienung. Nach Sachsenberg erfordert die Reinigung der
Wasserrohrkessel auf Binnenschiffen mit Einspritzkondensation mehr Zeit und
Kosten als bei Walzenkesseln *). Bei seinen sonstigen großen Vorzügen wird
der Wasserrohrkessel in Zukunft aber auch für die Binnenschiffahrt eine ge-
wisse Bedeutung bekommen.
Das Gewicht der Dampfkessel setzt sich nach der Hütte (20. Auflage, IIi S. 742) all-
gemein aus a-If-{-d'^-{-C'R-\-ä»/?-\-e-\-Ifmkg zusammen, worin J/ die Heizfläche
und i? die Rostflttche in m« bedeuten. Für die Werte a bis e gilt folgende Tafel:
a
b
Walzenkessel
mit Überdruck von
7 bis 10 Atm. 10 bis 15 Atm.
Engrohrige
Wasserrohr-
kessel
Kessel mit Bekleidung je m' //
Grobe Armatur mit Mauerwerk . je m^ ^
(Bei künstlichem Zug Howden) 1
Feine Armatur und innere Rohre . je m» ^ !
Rauchkammer und Schornstein . . je m^ ^
Kesselwasser je m» //
H5— »93
800 — IIOO
1500 — 1800
190—200
800—1000
100
193—235
800 — IIOO
1500 — 1800
/ 200 — 230 \
\bei künsd. Zug/
I 1000 — 1800 \
\sehr große Schiffe /
100
50—60
500—700
HO — 150
700—1000
12 — 16
Das Gewicht des Kessels mit Ausrüstung und Schornstein ohne Wasser kann man bei
Binnenschiffen mit Dreifach- Expansionsmaschinen je indizierte Pferdestärke zu 75 bis 85 kg an-
nehmen, das Gewicht des W^assers zu 25 bis 30 kg.
Im Anschluß an die Vorschriften der Reichsgewerbeordnung {1869 und
1873) sind unter dem 17. Dezember 1908 von dem deutschen Bundesrat
»Allgemeine polizeiliche Bestimmungen über die Anlegung von
Schiffs dam fk essein« erlassen worden, die sich auf den Bau, die Aus-
1} Jahrbuch der Schiffbautechn. Gesellschaft 1908, S. 319.
526 Abschnitt LEI. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
rüstung, die Prüfung und die Aufstellung der Kessel beziehen. Diesen Be-
stimmungen sind ausführliche »Material Vorschriften« und »Bauvorschriften«
beigefügt, die über alle Blechstärkeni Nietungen u. dgl. genaue Angaben ent-
halten, von deren Mitteilung an dieser Stelle abgesehen werden muß.
Aus den polizeilichen Bestimmungen sollen hingegen einige wichtige Punkte angeführt
werden :
Nach § 3 müssen die Feuerzüge oder die von den Heizgasen berührten Bleche an ihrer
höchsten Stelle mindestens loo mm unter dem festgesetzten niedrigsten Wasserstande
liegen, auch wenn das Schiff sich imi 4° nach der Seite neigt. (Bei Seeschiffen 1 50 mm.)
Nach § 4 müssen mindestens 2 voneinander unabhängige Speisevorrichtungen vor-
handen sein, deren jede dem Kessel doppelt soviel Wasser zuführen kann, als beim gewöhn-
lichen Betriebe erforderlich. Bei den von der Hauptmaschine angetriebenen Pumpen genügt das
i'/a fache. Handpumpen sind nur zulässig, wenn das Produkt aus der Heizfläche in m^ und der
Dampfspannung in Atmosphären Überdruck die Zahl 120 nicht übersteigt.
Die nach § 5 erforderlichen beiden Speiseleitungen müssen durch ein Rückschlagventil
möglichst nahe am Kessel abgeschlossen werden und femer mit je einem Sicherheitsventil ver-
sehen sein, wenn sie mit einer von der Hauptmaschine angetriebenen Pumpe zusammenhängen.
§ie müssen ferner möglichst so angeordnet werden, daß auch bei undichtem Rückschlagventil eine
Entleerung des Kessels ausgeschlossen ist.
Nach § 6 muß zwischen dem Speiseventil und dem Kessel noch eine besondere Absperr-
vorrichtung vorhanden sein und außerdem eine Vorrichtung zum Entleeren des Kessels.
Im § 7 werden zur Erkennung des Wasserstandes mindestens 3 Vorrichtungen verlangt,
von denen 2 Wasserstandsgläser sein müssen. Diese sind in einer zur Längsrichtung des
Schiffs senkrechten Ebene in gleicher Höhe und Entfernung von der Kesselmitte, möglichst weit
von ihr nach rechts und links abstehend anzubringen. Die Lichtweiten der Gläser und die Boh-
rungen der Vorrichtungen müssen mindestens 8 mm betragen. Hähne müssen zum Durchstoßen
während des Betriebes eingerichtet sein. Der unterste Probierhahn (oder Ventil) muß in der
Höhe des niedrigsten Wasserstandes liegen. An allen Hähnen muß die Durchgangsrichtung deut-
lich angezeichnet sein. Die Gläser sind so anzubringen, daß der höchste Punkt der Feuerzüge
(§ 3) mindestens 30 mm unterhalb der unteren sichtbaren Begrenzung des Glases und der nied-
rigste Wasserstand nicht höher als in der Mitte des Glases liegt.
Nach § 8 ist der niedrigste Wasserstand an der Kesselwand durch eine etwa 30 mm lange,
feste Strichmarke, die durch die Buchstaben N. W. begrenzt wird, zu bezeichnen. Femer ist
neben oder hinter jedem Wasserstandsglase in Höhe der Strichmarke ein Schild mit der Auf-
schrift »Niedrigster Wasserstand« nebst einem bis nahe an das Glas reichenden wagerechten
Zeiger anzubringen.
Nach §9 müssen an jedem Kessel wenigstens 2 Sicherheitsventile angebracht werden,
die jederzeit zugänglich sind und leicht gelüftet und gedreht werden können. Sie dürfen höch-
stens so belastet werden, daß sie beim Eintritt der höchsten Dampfspannung den Dampf entweichen
lassen und ihr gesamter Querschnitt muß so viel Dampf abführen können, daß die fortgesetzte
Spannung höchstens um 0,1 ihres Betrages überschritten wird.
§ 10 verlangt zwei Manometer, die nach Atmosphären eingeteilt sind und eine deutliche
Marke der höchsten zulässigen Spannung tragen. Das eine muß sich im Gesichtskreise des
Kesselwärters, das andere auf Deck befinden.
In § II ist die Anbringung eines Fabrikschilds vorgeschrieben, auf dem die höchste
Dampfspannung, der Name und Wohnort des Fabrikanten, die Fabriknummer, das Jahr der An-
fertigrung und der geringste Abstand des niedrigsten Wasserstandes von der höchsten Stelle der
Feuerzüge in^mm deutlich angegeben sind.
Nach § 12 muß jeder neue oder neu zu genehmigende Kessel von dem zuständigen Sach-
verständigen einer Bauprüfung, einer Prüfung mit Wasserdruck und einer Abnahme-
prüfung unterzogen werden. Die Wasserdruckprobe erfolgt bei Kesseln bis zu 10 Atm. Über-
drack mit dem i'/a fachen Druck, bei Kesseln über 10 Atm. mit einem um 5 Atm. höheren
Druck, als beabsichtigt ist. Unter dem Atmosphärendruck wird der Dmck von i kg je cm" ver-
standen. Nach der Prüfung werden die Niete des Fabrikschilds von dem Sachverständigen mit
einem amtlichen Stempel versehen.
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 527
§ 13 ordnet die Dnickproben nach Hauptausbesserungen des Kessels an.
Nach § 14 muß an dem Manometerrohre ein Stutzen zur Befestigung des amtlichen Doppel-
manometers mit bestimmten Abmessungen des Flansches angebracht werden.
§ 15 schreibt vor, daß die Kessel sorgfältig im Schiffe zu lagern, sowie gegen seitliche
Verschiebung oder Drehung und gegen Verschiebung nach vom oder hinten ausreichend zu
sichern sind.
Schließlich sind noch Bestimmungen über die Aufbewahrung der Kesselpapiere und
über das Kesselrevisionsbuch erlassen worden.
Durch die Vereinbarung der verbündeten deutschen Regierungen vom 3. Juli 1890 ist
außerdem für die Freizügigkeit der Dampfkessel innerhalb des Deutschen Reiches gesorgt und
gleichzeitig bestimmt, daß jeder Dampfschiffskessel mindestens alljährlich einer äußeren und
alle zwei Jahre einer inneren amtlichen Untersuchung unterworfen werden soll.*
Für Preußen gilt ferner das Gesetz vom 3. Mai 1872 und die Ministeranweisung vom
9. März 1900. Diese gibt nähere Vorschriften über das Verfahren bei der Genehmigung und bei
der regelmäßigen technischen Untersuchung der Dampfkessel. Von Wichtigkeit ist, daß die Zu-
ständigkeit der betreffenden Behörden von dem Heimathafen des Schiffes abhängt. Außerdem
bezieht sich die Anweisung auf die Wirksamkeit der Dampfkessel-Überwachungsvereine und auf
die Gebühren.
Zur Sicherheit des Kesselbetriebs sind Unfallverhütungsvorschriften
von den Binnenschiffahrt- Berufsgenossen Schäften erlassen worden und ge-
druckte Vorschriften für die Kesselwärter werden im Kesselraum aufgehängt.
Dampfmaschinen.
Die Entwickelung der modernen Mehrfach-Expansionsma-
schinen. Bei den ersten Kraftmaschinen, den Luftdruckmaschinen
(atmosphärische Dampfmaschinen, vgl. S. 88) wirkte auf die Abwärtsbewe-
gung des Kolbens allein der natürliche Luftdruck (eine Atmosphäre = 760 mm
Quecksilberhöhe) mit etwa i kg auf i cm'*. Unter dem Kolben wurde
durch Kondensation von Wasserdampf eine Luftverdünnung (Vakuum) erzeugt,
die höchstens bis zu 0,8 ging, so daß unter dem Kolben ein Gegendruck
von etwa 0,2 kg blieb und die wirksame Kraft also 1 — 0,2 = 0,8 kg je cm'
betrug. Diese Maschinen wirkten allein durch Kondensation. Watt setzte
an die Stelle des Luftdrucks den Dampfdruck und ließ diesen nicht nur auf
eine Seite des Kolbens, sondern abwechselnd auf beide Seiten wirken. So
erfand er die doppelt wirkende Dampfmaschine. Anfangs trat der Dampf
während der ganzen Dauer des Kolbenhubs in den Zilinder ein und das
Zuleitungsrohr wurde erst geschlossen, wenn der Hub beendigt war und der
Dampf auf die andere Kolbenseite wirken sollte. Watt erfand 1778 die Ex-
pansion, indem er den Dampf nur während eines Teils des Kolbenhubs
(bis auf ein, zwei oder drei Viertel seines Weges) durch den Schieber eintreten
ließ. Der Dampf dehnt sich dann im Zilinder bei dem weiteren Fortschreiten
des Kolbens aus (expandiert) und verläßt den Zilinder mit möglichst nied-
riger Spannung. Durch diese Erfindung wird die Spannung des Dampfes
mehr ausgenutzt und eine erhebliche Ersparnis an Brennstoff" herbeigeführt.
Die Vorrichtungen zur Regelung des Dampfeintritts und -austritts nennt
man die Steuerung der Dampfmaschine. Sie wird bei den Schiffsmaschinen
in der Regel durch Schieber (Flachschieber, Muschelschieber, Kolbenschieber)
528 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschüfe.
bewirkt, ausnahmsweise durch Ventile (z. B. von Gebrüder Sulzer in Winter-
thur). Zur Bewegung der Schieber werden meistens exzentrische Scheiben
auf der Kurbelwelle benutzt. Doch kommen auch andere Steuerungen vor,
z. B. bei Raddampfern die Joy-Steuerung, die von den Schubstangen der
Kurbel ausgeht. Zur Regelung der veränderlichen Expansion (des Füllungs-
grrads S. 507) dienen oft noch besondere Expansionsschieber in verschie-
denen Anordnungen. Ein besonders fiir Schiffsmaschinen wichtiger Teil ist
die Umsteuerung, d. i. die Vorrichtung, um der Kurbelwelle eine andere
Drehrichtung zu geben, das Schiff also vorwärts oder rückwärts gehen zu
lassen. Meistens verwendet man dazu Kulissensteuerungen (von Stephenson,
Gooch, Heusinger usw.), wie sie auch bei den Lokomotiven üblich sind. Zur
Bewegung der Kulisse ist fast immer noch eine zweite exzentrische Scheibe
auf der Kurbelwelle erforderlich. Es werden aber auch Lenkersteuerungen
angewendet (z. B. von Klug und Marshall), die nur eine Exzenterscheibe
brauchen.
Die älteren Maschinen seit Watt hatten Einspritzkondensation, die
noch heute am meisten verbreitet und in der Binnenschiffahrt fast ausschließ-
lich benutzt wird. Der verbrauchte Dampf wird aus dem Zilinder in einen
Behälter, den Kondensator, geleitet, wo er durch Einspritzen von kaltem
Wasser kondensiert, also wieder zu Wasser gemacht wird. Das hierzu nötige
Kühlwasser wird unmittelbar durch ein Ventil im Schiffsboden aus dem Fahr-
wasser entnommen. Das aus dem Dampf gewonnene Wasser wird mit dem
verbrauchten Kühlwasser (Kondenswasser) durch die Luftpumpe über Bord
geschafft, so weit es nicht zur Kesselspeisung verwendet wird. Diese Pumpe
wird meistens stehend angeordnet und entweder von der Kurbelwelle oder
von einer Schubstange angetrieben.
Bis etwa zum Jahre 1850 kannte man nur Niederdruckmaschinen, die
mit einer Dampfspannung von 2 bis 3 kg je cm* arbeiteten. Sie hatten einen
hohen Kohlenverbrauch von 2,5 bis 3 kg Kohlen je Stunde und Pferde-
stärke. Eine Steigerung des Dampfdrucks war bei der Anwendung der Ein-
spritzkondensation auf den Seeschiffen nicht ausführbar, weil dabei viel Salz
mit dem Speisewasser in den Kessel gelangte und zu starker Kesselstein-
bildung führte, sobald die Wärme des Kessel wassers über 144° C stieg. Der
Kesselstein in stärkerer Schicht führt aber zu großer Betriebsgefahr, weil
die damit bedeckten Blechteile leicht glühend werden können. Durch den
Oberflächenkondensator (Halls Patent von 1834, etwa seit 1860 allgemein
eingeführt) wurden diese Bedenken beseitigt, und es konnten Hochdruck-
maschinen (S. 504) nicht nur auf Flußschiffen, sondern auch auf Seeschiffen
Verwendung finden. Ein Oberflächenkondensator besteht aus einer großen
Zahl enger Rohre, die, ähnlich wie ein Dampfkessel, von einem Mantel um-
schlossen sind. Man läßt das Kühlwasser entweder durch die Rohre oder
durch die Zwischenräume gehen. Da hierbei weniger Luft als bei der Ein-
spritzung in den kondensierten Dampf gelangt, kann man auch eine größere
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 529
Luftverdünnung, bis zu 0,95, erreichen, so daß im Zilinder der Gegendruck
auf 0,05 kg sinkt. Damit ist eine merkliche Ersparnis an Brennstoff verbunden.
Die Hochdruckmaschinen mit 5 und 6 kg Dampfspannung und Expan-
sion in einem Zilinder brachten nur eine Verminderung des Kohlenverbrauchs
um 0,1 bis 0,12, weil bei dem stärkeren Wärmegefalle im Zilinder eine be-
deutende Kondensation eintrat, zumal man bei diesen Maschinen die Überhitzung
(S. 509) wieder aufgegeben hatte. Der Übelstand wurde durch die Expansion
in 2 Zilindem bei der Verbundmaschine beseitigt, die durch Eider in
Gla^ow in der Mitte der fünfziger Jahre eingeführt wurde.
Diese Maschine war schon im Jahre 1829 von Roentgen in Rotterdam (vgl. S. 95, Fuß-
note) erfunden und bei einigen Raddampfern ausgeführt worden. Auch die «Gute Hoffnungs-
Hütte« hatte im Jahre 1838 für >König von Preußen« die erste deutsche Verbundmaschine mit
schwingenden Zilindem gebaut, und auf der Wolga waren im Jahre 1903 noch 3 Schiffe mit
solchen Maschinen im Betrieb, die 1845 gebaut waren'). Aber diese Erfindung war in Ver-
gessenheit gekommen, bis sie von England etwa 1860 wieder nach Deutschland kam.
Die Einrichtung besteht darin, daß der frische Dampf zuerst mit geringer
Expansion in dem kleinen Zilinder arbeitet, dann in einen Behälter tritt, der
Aufnehmer (Receiver) genannt wird, und aus diesem in den großen Zilinder
gelangt, wo er unter weiterer Expansion fortarbeitet. Beide Kolbenstangen
wirken an derselben Welle; aber ihre Kurbeln sind um 90° gegeneinander
versetzt, so daß es keinen toten Punkt gibt. Damit war eine gut fiir
Schiffe geeignete Maschine geschaffen. Man hatte sich bis dahin mit Zwil-
lingsmaschinen beholfen, die beide ganz gleich angeordnet und ange-
trieben wurden, aber mit versetzten Kurbeln an derselben Welle wirkten.
Sie haben einen größeren Kohlen ver brauch '). Vom Jahre 1875 an wurden
die Verbundmaschinen überall eingeführt, und man baute sie fiir Schrauben-
dampfer stehend, als sogenannte Hammermaschinen (wegen der Ähn-
lichkeit mit dem Dampfhammer). Das Verhältnis der Durchmesser der
beiden Zilinder war anfangs 1:3, später i : 4. Ende der siebziger Jahre
kam man auf eine Dampfspannung von 6 kg je cm* und auf einen Kohlen-
verbrauch von 1,25 bis I kg je Stunde und Pferdestärke. Bei der wachsenden
Größe der Maschinenleistungen, die in dieser Zeit schon bis zu 5000 Pferde-
stärken gingen, bekamen die Niederdruckzilinder sehr bedeutende Abmes-
sungen, die wegen der starken Kondensation zu hohen Dampfverlusten fiihrten.
Man teilte darum den Niederdruckzilinder und baute seit 1881 Verbund-
maschinen mit drei Zilindern, deren Kurbeln man unter 120^ versetzte.
Bei einem Dampfdruck von 7 bis 8 kg erreichte man damit einen Kohlenver-
brauch von 0,87 kg. Der Dampfdruck wurde weiter gesteigert, sobald es
1} Matschoss, Entwickelung der Dampfmaschine. Berlin 1908.
2) Die sogenannte W o o 1 fs c h e Maschine, die am Anfang der fünfziger Jahre eingeführt
wurde, darf mit der Verbundmaschine nicht verwechselt werden. Auch bei ihr tritt zwar der
Dampf aus dem kleinen Zilinder behufs weiterer Expansion in den großen Zilinder, aber un-
mittelbar, ohne den zwischenliegenden Aufoehmer. Die Kurbeln stehen um i8o<* gegeneinander,
so daß die Maschine einen toten Punkt hat. Sie ist auch als Schiffsmaschine versucht worden,
aber nur als Zwillingsmaschine mit 4 Zilindem.
Teubert, Binnenschiffahrt. 24.
530 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
gelang, einwandfreie Dampfkessel dazu herzustellen. In neuerer Zeit ist es
üblich, bei Verbundmaschinen einen Druck von lo bis 12 kg anzuwenden.
Die vorbeschriebene Maschine, deren 3 Kurbeln einen ruhigeren, gleich-
mäßigen Gang bewirkten, war die Vorläuferin zu der Dreifach-Expansions-
maschine, die eine weitere Verteilung der Expansion, also eine bessere Aus-
nutzung des Dampfes ermöglichte. Solche Maschinen waren schon in den
siebziger Jahren in Frankreich und England gebaut worden, fanden aber
wenig Nachahmung, weil sie bei dem geringen Dampfdruck von 7 bis 8 kg,
den die damals gebauten Kessel erlaubten, keinen wirtschaftlichen Fortschritt
ergaben. Am Anfang der achtziger Jahre gelang es, Kessel für Spannungen
von 10 bis II kg herzustellen und hiermit erhielt auch die Dreifach-Expan-
sionsmaschine ihre wirtschaftliche Berechtigung. In Deutschland wurden die
ersten Maschinen dieser Art von Schieb au in den Jahren 1882 imd 1883
gebaut. Ihre großen Vorzüge, die in größerer Leistung, geringerem Dampf-
verbrauch und kleinerem Gewicht bestehen, veranlaßten seit 1883 ihre An-
wendung auf den Torpedobooten.
Im Jahre 1887 wurden Schiffe mit solchen Maschinen von etwa 1000 Pferde-
stärken versehen, die bei einer Dampfspannung von 1 1 kg nur 0,78 kg Kohlen
verbrauchten, und schon Mitte der neunziger Jahre erreichte man mit Dampf-
spannungen von 13 bis 14 kg in großen Maschinen von etwa 1 0000 Pferde-
stärken unter Benutzung von Dampfmänteln und großer Luftleere bei Probe-
fahrten einen Kohlenverbrauch von 0,65 kg. Ähnlich wie früher bei den
Verbundmaschinen wird auch bei den Dreifach-Expansionsmaschinen der
Niederdruckzilinder von sehr starken Maschinen wegen der unbequemen,
nachteiligen Größe geteilt, so daß man 4 Zilinder bekommt Man geht bei
diesen Maschinen heute bis zu einer Dampfspannung von 17 kg je cm*.
Gegenüber der Verbundmaschine gibt die Dreifach-Expansionsmaschine
bei sonst gleichen Umständen eine mittlere Kohlenerspamis von 0,17; ob-
wohl dieser ein höheres Anlagekapital und kostspieligere Unterhaltung und
Bedienung gegenüber stehen, baut man sie heute zuweilen schon fiir 1 50 Pferde-
stärken.
Die erste Vierfach-Expansionsmaschine wurde im Jahre 1884 in
Amerika gebaut, fand aber erst gegen Ende der neunziger Jahre Verbreitung,
als man Kessel für 15 bis 16 kg Spannung herstellen konnte. Gewöhnlich
ordnet man sie mit 4 Zilindem und 4 Kurbeln an, die man entweder unter 90°
oder dem Schlickschen Massenausgleich entsprechend gegen einander ver-
setzt, um die Schwingungen des Schiffskörpers zu vermindern. Oft muß man
bei starken Maschinen auch hier den Niederdruckzilinder teilen, so daß man
5 Zilinder bekommt, die entweder auf 3 oder auf 4 Kurbeln verteilt werden.
Die mit diesen Maschinen etwa bis zum Jahre 1903 erreichten Kohlenerspar-
nisse waren im Verhältnis zu der Dreifach-Expansionsmaschine nicht so be-
deutend wie der Vorteil jener gegen die Verbundmaschine. Selbst bei den
besten und größten Ausführungen kam man bei den Probefahrten nicht
2. KraftschifTe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 531
unter etwa 0,6 kg. Das Wärmegefälle war bei 16 kg Dampfspannung für die
vierstufige Expansion noch zu klein, um bei kleineren Maschinen merkliche
Kohlenersparnisse hervorzubringen und dadurch die erhöhten Beschaffungs-
und Unterhaltungskosten zu rechtfertigen. Gegenüber den Dreifach-Expan-
sionsmaschinen wird auch Gewicht und Raumbedarf gröOer. Anders liegen
heute (191 1) die Verhältnisse, nachdem es gelungen ist, aus haltbarem Stahl
zuverlässige Kessel für eine Dampfspannung von 2 1 kg zu bauen und es steht
zu erwarten, daß die Vierfach-Expansionsmaschine noch größere wirtschaft-
liche Vorteile bieten wird, wenn man noch höhere Dampfspannungen an-
wenden kann. Es scheint nicht unwahrscheinlich, daß man in Zukunft mit
Dampfiiberhitzung noch auf einen geringeren Dampfverbrauch als 0,435 ^S
je Stunde und Pferdestärke kommen wird, wie im Jahre 1905 über die
Dampfschiffe der »Inch« -Linie berichtet wurde'). Dabei war außer Über-
hitzung auch eine sorgfältige, weitgehende Vorwärmung des Speisewassers
und der Verbrennungsluft vorgesehen.
Die vorstehenden Mitteilungen beziehen sich vorwiegend auf die verhält-
nismäßig großen und starken Maschinen der Seeschiffe. Bei der Binnen-
schiffahrt kommen teilweise andere Umstände in Frage, die nachstehend für
die einzelnen Arten von Dampfschiffen untersucht werden sollen.
Die Dampfturbinen werden voraussichtlich wegen ihrer hohen Umlaufzahlen in abseh-
barer Zeit für die Binnenschiffahrt keine Bedeutung erhalten. Es ist deshalb von ihrer Be-
schreibung abgesehen worden.
Die Schraubendampfer der Binnenschiffahrt werden allgemein
mit Hammermaschinen versehen. Bei kleinen Schiffen, wo es weniger auf
Ersparnis an Brennstoff als auf geringen Tiefgang ankommt, vermindert man
das Maschinengewicht, indem man die Kondensationseinrichtungen fortläßt
und die Hochdruckmaschine mit Auspuff arbeiten läßt. Dies ist be-
sonders bei Dampfbarkassen (Aufsichtsbooten u. dgl.) üblich. In diesem
Falle wendet man zuweilen auch nur einen Zilinder an und setzt auf die
Kurbelwelle ein kleines Schwungrad. Häufiger und zweckmäßiger ist aber
die Wahl einer Verbundmaschine. Schraubendampfer von erheblicher Größe
(mit einer oder zwei Schrauben) zum gewerblichen Betriebe werden in der
Regel mit Verbundmaschinen und Kondensation ausgerüstet.
In den Abb. 409 bis 411 ist eine solche Maschine von 45 Pferdestärken dargestellt, die
etwa 200 Umdrehungen je Minute macht. Über der 1,06 -0,88 m großen gußeisernen, mit Rippen
verstärkten Grundplatte a sind mittels 2 gußeiserner Frame d und 2 stählerner Säulen c die
beiden Dampfzilinder d angeordnet. Der Hochdruckzilinder hat 160 mm, der Niederdruck-
zilinder 280 mm Durchmesser; der Hub ist 200 mm, der Dampfdruck 10 kg je cm^. Die
Zilinder werden mit den beiden Schieberkästen und dem Aufnehmer (Receiver) zusammen aus
zähem, feinkörnigem Gußeisen hergestellt und vor dem Einbau in der Werkstatt gewöhnlich
einer Wasserdruckprobe unterworfen, um die Dichtigkeit und Widerstandsfähigkeit zu prüfen.
Um sie gegen Abkühlung zu schützen, umwickelt man sie mit Filz oder Kieseiguhr und legt
meistens noch Glanzstahlblech darüber. Die Zilinder werden mit Hähnen {v) zum Ausblasen
I) Tee hei und N arten, Fortschritt in den Mitteln zum Fortbewegen der Schiffe. Be-
richt zum 10. Int. Schiff.-Kongreß in Mailand, 1905.
34*
Absetinitt in. Schiffe mit eieeuer Triebkraft, KrafCschiffe.
Verbimdiiuschiiie von 4; PSi, Abb. 409 bis 411. 1:20.
Abb. 40g. Abb. 410.
Abb. 411. Grundriß. den NiederdruckzUinder und geht zu der
Laftpumpe /, um nach Vennischong mit
dem Eiospriti Wasser durch das Rohr / über Bord geschafft eu werden, so weit es nicht lut
Kessel speiäung gebraucht wird.
Die Luftpumpe wird in der Reget einfach wirkend angeordnet and aus einem goßeisemcD
Gehtiuse mit einem Eiusatzziliiider aus Metall versehen, in dem sich der metallene Kolben mit
3, Krnftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschifle. 633
Hanflidening bewegt. Die Ventilsitze werden aus Metall, die Ventile aua Gummi hergestellt.
Die Kolbenstange wird bei m gerade gefilhrt und durch ein Qaerhaupt and doppelte iweiarmlge
Hebel ri (Balancier; von dem Kreuzkopf g angetrieben.
Die Umsteaenmg erfolgt durch den Handhebel x nach der Anordnung von Klug durch je
ein auf der Weite sitzendes Exzenter, die Steuerwelle y und die gekrümmten Exzenterstangen z,
die mit den Schiebers taogen verbunden siod. Durch die in der Regel angewandten Flach-
Abb. 41a. Verbundmaschine von etwa 60 FSi.
Schieber kann im Hochdruckzilinder eine Füllung von 0,4 bis 0,7 gegeben werden. Gewähn-
lich arbeitet die Maschine mit 0,5 Füllnng und mit überhitztem Dampf. Auf S. 506 waren die
dazu gehörenden Indikatorscbaulinien mitgeteilt worden. Am Ende der Welle (rechts in Abb. 411)
ist eine Schraubenrad Übersetzung bei y [nicht sichtbar) angeordnet, wodurch die Welle r ge-
dreht wird, die an ihren beiden Enden durch kleine Kurbeln 1 die Speisepumpe ( und die
Lenzpumpe u antreibt. Der Kohl env erb rauch bei Überhitiung iit 0,9 kg. In Abb. 4II ist ein
Übersichtliches Bild einer Verbundmaschine ohne Kondensation mitgeteilt.
534
Abschnitt Dl. SchiiTe mit elgeoer Tiieblcraft, Krefiscbiffe.
Schon bei etwa 150 indizierten Pferdestärken wendet man heute mit
Erfolg die Dreifach-Expanstonsmaschine an. In nachstehender Tafel
sind die Abmessungen von einigen neueren Schraubenschiffsmaschinen zu-
sammengestellt, die mit gewöhnlichem feuchtem Dampf arbeiten.
1
1 ludUierte
1 Pferdeätlrlien
SpuiDUDg in
kg je cm»
Umdrehungen
je Minute
Hoch- 1 Mittel- 1 Nieder-
Kolben-
Nr.
hub
I
*
3
4 ! 5 ■ 6
7
>50
lÖ
SM
,90
190
450
aSo
16
230
MO
3SO
Sao
3»o
100
'3
■ So
»45
380
600
3SO
250
17
Z3.0
110
350
S40
3»»
300
"5
iSo
a7o
4SO
700
400
6
j 300
"7
300
ISO
390
61a
320
7
4SO
>5
iSo
3'o
475
780
4SO
Abb. 413. Dreiftcta-Eipansionsmaschine, Lingeoschnitt
I. Kraftschifie mit Dampfinaschinen, Dsmpfschiife. 535
Mit Ausnahme der unter 3 aufgeführten Maschine, die sich auf einem
Eisbrecher befindet, sind die übrigen sämtlich für Schleppdampfer erbaut
worden. Gewöhnlich gibt man den Hochdruckzilindern dieser Maschinen
0,6 Füllung.
In dcD Abb. 413 UDd 414'] sind sealirechte Schnitte durcli die Mitte der Zilinder einer
Dreiracb-Expnnsionsmaschine dargestellt, die sehr anschaulich sind. Die Anordnung ist im vresenl-
licben dieselbe, wie bei der vorbeschrie-
benen Verbundmaschine. Aber hier ist an
Stelle der Einspiitzkondensation Oberflachen-
kondensation angewandt, was bei Binnen-
schiffen erforderlich wird, wenn sie in Fluß-
mündungen oder in den Watten verkehren,
wo sie das für die Kessel schädliche See-
wasser nicht benutzen können. Zuweilen
bekommen solche Schiffe die Einrichtung,
daß sie nach Bedarf entweder mit Ein-
spritzUDg oder mit OberflHchenkondensation
arbeiten. In den Zeichnungen stellt O den
Oberfllehenkondensator und /. die Luft-
pumpe dar, die auch hier durch einen
Doppelhehel von dem Kreuzkopf des Nieder-
dmckiilinders angetrieben wird.
Der Schieber filr den Hochdrack-
zilinder loben, rechts] ist als Kolbenschieber
ausgebildet, der vom Dampfdruck entlastet
ist, und bei hohem Druck und bei über-
hitztem Dampf gewöhnlich angewendet
wird. Die Umsteuerung der Maschine wird
durch Kulissen bewirkt. Für jeden Schieber
sind 1 Exzenter auf der Welle angebracht.
Durch das etwa in der Mitte sichtbare Abb. 414. Querschnitt.
Handrad wird diese Umsteuerung bedient.
Bei der weiteren Entwickelung der kräftigen Schraiibenschleppdampfer mit
Tunnelheck und bei der Anwendung höherer Dampfspannungen ist man auch in
der Binnenschiffahrt schon zur Vierfach-Expansionsmaschine gekommen.
Die in Abb. 415 dargestellte Maschine arbeitet mit einer Dampfspannung von ji kg je
cm' und entwickelt bei 0,65 Füllung im Hochdnickiilinder 373 PSi. Die Zilinderdurchmesser
betragen 260 — 335 — 550— 710 roro. der Hub 320 mm. Die Umdrehungszahl ist 195. Die Ma-
schine i^t im Jahre 1910 von Cäsar Wollheim in Breslau für einen EInschraubenscblepper auf
der Elbe gebaut. Der geringste Kohlen verbrauch ist o.bj^ kg.
Die Maschinen der Seitenraddampfer sind im geschichtlichen
Rückblick (S. 91) lur die ersten Dampfschiffe besprochen worden. Dort ist
auch erwähnt (S. ii8j, daD die von John Penn in Greenwich gebauten
schwingenden Maschinen (oszillierende) am Anfang der vierziger Jahre
auf der Eibe bekannt wurden.
Die Erfindung dieser Maschinenanordnnng reicht bis in das Jahr 1S20 zurück und ist schon
im Jahre iSiä mit 2 Ziltndem zur Ausfuhrung gelangt. Die Einführung auf Dampfschiffen wurde
jedoch erst dureh Penn erreicht. Auf der Themse fuhren die ersten damit ausgerüsteten Schiffe
1S40, auf dem Rhein 1845. (Die Zitinder standen meistens senkrecht.]
1) Alls Meyers Konversalions-Lexikon entnommen. [Band IV, S. 454,)
536 Abschnitt UL Schiffe mit eigeaer Triebkraft, Kraftschiffe.
In der Abb. 416 ist eine solche MaschineoBDlage (aus Matschoss) dargestellt, die 1855 id
Buckau-Magdeburg gebaut wurde. Die Luftpumpe ist seokrecht io der Mitte angeordaet. Ein
Vorzug dieser Maschinen besteht darin, daß die Kolbenstangen UDmitlelbar an dervribcn
Kurbel der Radwelle angreifen. Sie beanspruchen auch wenig Raum, was filr Personen' und
Gütcrdampfei von Bedeutung i^t. Aber die Zuführung des Dampfs durch die Schwungzapfen-
lager bereitet Schwierigkeiten. Auberdem wird fdr stärkere Maschinen eine große Höhe des
Raumes unter Deck erforderlich »od eine Hüberlegung der Radtvelle, wodurch man zu groben
Raddurcbmessem kommt. Trotz dieser MSngel fanden die schirtugenden Maschinen uamenllich
Abb. 415. Vierfach-Eipaosionsmaschine von 370 PSi.
in Europa allgemeine Verbreitung und haben sich auf schnell fahrenden Feraoaendampfem mit
sehr kleinem Tiefgang besonders um ihres geringen Gewichts willen lange erhalten. Noch heute
laufen solche Personen schiffe auf der oberen Elbe and auf den italienischen Seen, und im Jahre
1S97 wurde fiir den neu gebauten Personendampfer •I^anyfalui auf der Donau von der Schichauer
Werft eine schwingende Verbundmaschine von 300 Pferd estSrken geliefert.
Seit dem Jahre 1870 ist die schrägliegende Maschine ebenso herr-
schend geworden für die Raddampfer, wie die Hammemiaschine fiir die
Schraubendampfer. Im Jahre 1830 soll diese Anordnung in Amerika versucht
sein; sie kam aber in Europa erst im jähre 1853 mit dem in London gebauten
2. Krftftscfaifle mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
537
Rheindampfer »Hohenzollem« zur Einführung. In Deutschland war es nament-
lich die Werft von Gebrüder Sachsenberg in Roßlau, die diese Maschine
gut entwickelte, Sie baute sie im Jahre 1873 zuerst als Verbundmaschine,
bei der sich die beiden Zilinder gegenüberlagen. Die Maschine hatte 760 mm
Hub und leistete bei einer Dampfspannung von 6 kg je cm' 130 Pferdestärken.
Bei den später gebauten Maschinen wurden die Zilinder nebeneinander ge-
legt, und diese Anordnung ist bis heute beibehalten.
In den Abb. 417 und 418») ist eine solche Maschine von 1250 Pferdestärken dargestellt:
<Ji und Oi sind die äußeren Teile der Welle, welche außenbords die Räder tragen, b ist die
Kurbelwelle. Zur Unisteuerung dienen Stephensonsche Kulissen r, die durch eine kleine Um-
steuerungsdampfmaschine d mittels Schneckenradgetriebe, Steuerwelle und Hebeln bewegt werden.
T"'<'''j'"/
Abb. 416. Maschine mit schwingenden Zilindem i : 37.
Oft wird die Umsteuerung allein durch ein Handrad und eine Schraubenspindel bewirkt. (Früher
hatte man auch hydraulische Umsteuervorrichtungen.) Am Hochdruckzilinder (unten in der Zeich-
nung) bemerkt man noch ein drittes Exzenter, das einen besonderen Expansionschieber bewegt.
Der Abdampf gelangt, nachdem er den Vorwärmer e für das Speisewasser durchströmt hat, in
den Einspritzkondensator /*, dessen wagerecht liegende Luftpumpe durch Hebelübersetzung von
dem Kreuzkopf des Niederdnickzilinders getrieben wird.
Etwa im Jahre 1885 war man mit diesen Maschinen bis zu einem
Dampfdruck von 10 kg je cm' gekommen und ging dann bei größeren
Maschinen über 700 Pferdestärken zu höherem Dampfdruck und zur Dreifach-
Expaasion über. Gebrüder Sachsenberg bauten im Jahre 1883 die erste
schräg liegende Maschine nach dieser Anordnung, zunächst fiir einen Dampf-
druck von 11,5 kg. Da wegen ungenügender Breite des Schiffes die 3 Zilinder
nicht nebeneinander Platz fanden, teilte man den Niederdruckzilinder in zwei,
i) Aus Meyers Konversations-Lexikon. (Band IV, S. 454)
Abschnitt m. Schüfe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Schrllgliegendc Verbundmaschine von iz^o FSi, Abb. 417 und 418.
Abb. 417, Seitenansicht,
Abb. 418. Giundriß.
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
539
von denen je einer hinter den Hochdruck- und hinter den Mitteldruckzilinder
gelegt wurde. Später, bei Anwendung der Joy-Steuerung, die von den Schub-
stangen angetrieben wird, konnte man die Schieberkasten auf die Zilinder legen
und gewann dadurch den nötigen Platz, um die 3 Zilinder nebeneinander an-
zuordnen. Dies ist jetzt ziemlich allgemein üblich. Es bleibt so auf der einen
Seite der erforderliche Raum für Vorwärmer, Kondensator und Luftpumpe und
auf der anderen Seite für die Umsteuerung und den Maschinistenstand.
In den Abb. 419 und 420 ist eine im Jahre X907 in Übigau gebaute Dreifach-Expansions*
maschine von etwa 1000 Pferdestärken bei einem Dampfdruck von 14,2 kg dargestellt worden,
wobei auch der Einbau in das Schiff ersichtlich ist. Abweichend von der früheren Anordnung
ist die Maschine auf einem Gestell aus Stahlblechen gelagert, das sich gut mit den durchlaufenden
Kielschweinen und Wrangen des Bodens verbinden läßt. Diese Einrichtung ist neuerdings recht
beliebt. Die 3 Zilinder haben Durchmesser von je 536, 840 und 1375 mm und einen Kolben-
hub von 1,65 m. Sowohl der Hoch- wie der Mitteldruckzilinder sind mit Kolbenschiebem, der
Niederdruckzilinder dagegen mit einem breiten Flachschieber und doppelten Schieberstangen
(Bauart Trick} versehen. Die Umsteuerung nach Joy wird durch ein Handrad bedient. Bei 0,5
Füllung leistet die Maschine 38 Umdrehungen je Minute imd 900 Pferdestärken, bei 0,55 Füllung
40 Umdrehungen und 1000 Pferdestärken. Der Kohlenvetbrauch ist 0,8 kg.
In nachstehender Tafel sind die Abmessungen noch einiger neueren Maschinen zusammen-
gestellt, die mit Naßdampf arbeiten.
1 Indizierte
Pferdestärken
Dampf-
Spannung in
kg je cm"
Umdrehungen
je Minute
Hoch-
Mittel-
Nieder-
Kolben-
Nr.
druck-ZUinder^Durchmesser
in mm
hub
m
I
2
3
4
5
6
7
I
2
3 :
4
5
510
600
750
838
1064
14.5
15
13,5
15,5
15
37
37
37
44
420
430
500
470
560
630
680
800
750
900
1040
1080
1300
1200
1450
1,3
1,5
1,6
1,25
1,8
Der Füllungsgrad des Hochdruckzilinders ist gewöhnlich 0,55 bis 0,6, ausnahmsweise 0,5
oder 0,65. (Zu bemerken bleibt, daß mit wachsendem Kolbenhub die Nutzleistung zunimmt}
Mit dem Bau von Vierfach-Expansionsmaschinen für Seitenrad-
dampfer ist man in Deutschland, soweit bekannt, erst in neuester Zeit vor-
gegangen. Von Cäsar Wollheim ist im Jahre 1911 ein Schleppdampfer
für den Rhein gebaut worden, der mit einer solchen Maschine ausgerüstet
worden ist. Bei einer Dampfspannung von 21 kg haben die 4 Zilinder
495 — 750 — 950 — 1460 mm Durchmesser und 1,8 m Hub. 3 Zilinder liegen
nebeneinander und der Hochdruckzilinder dahinter, so daß nur 3 Kurbeln vor-
handen sind. Bei 0,7 Füllung und 38 Umdrehungen leistet die Maschine
i6oo Pferdestärken. Der Kohlenverbrauch soll 0,7 kg sein.
Es läßt sich heute nicht übersehen, ob die Vierfach-Expansionsmaschinen
sich in der Binnenschiffahrt einbürgern werden ; denn einige Schiffbauanstalten
bevorzugen Dreifach- Expansionsmaschinen und Verbundmaschinen mit Über-
hitzung. Die letzteren sind besonders für schnellaufende Personendampfer
noch allgemein üblich.
540
C
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542
Abschnitt III. Schiffe nut eigener Triebkraft, KraftschifTe.
Während bei den meisten Seitenraddampfem beide Schaufelräder auf derselben Welle be-
festigt sind, an deren Kurbeln die Schubstangen der Dampfzilinder angreifen, hat man zuweilen
die Kurbelwelle in der Mitte getrennt und durch eine bewegliche Kupplung verbunden,
um zum leichteren Lenken und Wenden des Schiffes jedes Schaufelrad durch je eine Maschine
allein bewegen zu können, z. B. das eine vorwärts, das andere rückwärts. Ein solcher Dampfer
war im Jahre 1839 von Roentgen für die Mosel gebaut worden, wobei die Schaufelräder
durch Verschieben einer Kurbelschleife über einem der beiden Kurbelzapfen gekuppelt wurden.
Diese Einrichtung scheint lange keine Nahahmung gefunden zu haben. Im Jahre 1892 sind
ähnliche g^oße Raddampfer von Cockerill für den Amur und den Tigris gebaut worden. Dabei
ist eine Vierfach-Expansionsmaschine mit 4 nebeneinander liegenden Zilindem ange-
wandt worden, die als solche in gewöhnlicher Weise arbeitet, so lange die beiden Teile der
Radwelle miteinander gekuppelt sind. Wird die Kupplung gelöst, so arbeiten je 2 Zilinder an
je einem Rade wie eine Verbundmaschine: Der Dampf tritt aus dem Hochdruckzilinder in den
ersten Mitteldruckzilinder und aus diesem in einen besonders angeordneten Zwischenbehälter, in
dem durch ein eigenartiges Stauventil stets gleich hoher Druck gehalten wird. Aus diesem Be-
hälter geht der Dampf zum zweiten Mitteldruckzilinder und schließlich zum Niederdruckzilinder.
Auf diese Weise kann jedes Schaufelrad in beliebiger Drehrichtung allein bewegt werden.
Raddampfer mit 4 Rädern, Abb. 421 und 422. i : 440.
Abb. 421.
1
Abb. 422.
Man hat auch Schiffe mit 4 Seitenrädern gebaut. Schon der berühmte »Cometc, den Henr>'
Bell im Jahre 1812 in Glasgow herstellte (S. 92), war mit 4 Schaufelrädern ausgerüstet, je 2
hintereinander an jeder Seite des Schiffes. Später (1856) wurden 2 Personendampfer der Donau-
dampfschiffahrt mit je 4 Seitenrädern in ähnlicher Anordnung gebaut. In den Abb. 421 und 422
ist eines dieser ganz gleichen Schiffe dargestellt. Es ist 45,7 m lang, 6,1 m breit [über den Rad-
kasten 9,3 m), 0,9 m hoch und hat mit voller, Ausrüstung einen Tiefgang von 0,56 m. Es war
dazu bestimmt, bei ungünstigen niedrigen Wasserständen den Personenverkehr durch das >Eiseme
Tor< zu übernehmen und hat diese Aufgabe auch erfUllt. Die Kessel sind in der Mitte und je
eine Verbundmaschine mit 2 Seitenrädern vorne und hinten angeordnet. Anfangs waren alle 4
Räder von gleicher Größe; doch gab man später den beiden hinteren einen größeren Durch-
messer und erzielte dadurch eine bessere Leistung. Die Raddurchmesser durch die Drehzapfen
betragen jetzt vorne 1626 mm, hinten 1930 mm; die Umdrehungen der vorderen Räder 72 und
der hinteren 65 je Minute. Die Maschine hat 237 Pferdekräfte <).
Die Maschinen der Heckraddampfer wurden von jeher wagerecht
oder angenähert wagerecht angeordnet. Solange man nur ein Schaufeh^d
benutzte, mußte man zwei Maschinen haben, von denen jede nahe an einer
Bordwand lag, so daß die Schubstangen außerhalb des Schiffskörpers zu den
Kurbeln der Radwelle führten. Die damit verbundenen Schwierigkeiten und
1} V. Gonda, Die ungarische Schiffahrt.
2. KraftschifTe mit Dampfmaschinen, DampfschifTe. 643
Nachteile wurden schon bei der Besprechung des Heckrades selbst (S. 450)
erwähnt. Bei kleineren Schiffen dieser Art verwendete man zwei einfache
Auspuff- oder auch Kondensationsmaschinen. Nach Einführung der Verbund-
maschine wurde diese Anordnung auch bei den Heckraddampfern benutzt,
indem man an die eine Bordseite den Hochdruck- und an die andere Seite
den Niederdruckzilinder legte. Diese Einrichtung findet sich noch bei den
Schiffen in den Kolonien, wo man Heckraddampfer mit nur einem Rade ver-
wendet. Bei zwei Heckrädem liegt die zu einem Ganzen vereinigte Maschine
stets in der Mittellinie des Schiffes, wie aus Abb. 319 ersichtlich war. Es
hat sich herausgestellt, daß es nicht zweckmäßig ist, durch Anwendung
von besonders langen Schub- und Kolbenstangen das Gewicht der Dampf-
zilinder, Luftpumpe u. dgl. mehr nach der Schiffsmitte hin zu verschieben;
man legt vielmehr jetzt in der Regel die Maschine in die günstigste Nähe der
Radwelle und gleicht die einseitige Belastung des Schiffskörpers dadurch aus,
daß man den Kessel in das Vorschiff bringt. Die lange Dampfleitung und die
dadurch hervorgerufenen Spannungsverluste lassen sich dabei nicht vermeiden.
Auch ist eine fortdauernde Überwachung des Heizers durch den Maschinisten
oder eine vorübergehende gegenseitige Vertretung kaum zu erreichen.
Die zuerst angewandten Verbundmaschinen haben sich nicht sehr
bewährt: Da die beiden Kurbeln sehr nahe nebeneinander lagen, bemerkte
man während der Fahrt ein gewisses Ecken der Räder, wenn die an den
äußeren Bordseiten des Schiffes angebrachten Wellenlager nicht sehr fest an-
gezogen waren, was nicht recht tunlich war. Man ging darum schnell zu der
Anwendung von Dreifach-Expansionsmaschinen mit 3 Kurbeln über,
wodurch ein ruhiger und gleichmäßiger Gang der Räder erreicht wurde.
Diese Anordnung war durch die begrenzte Schiffsbreite erschwert. Da Heck-
raddampfer in der Regel (wenigstens in Deutschland) nur bei beschränkter
Fahrwasserbreite und namentlich im Gebiet der östlichen deutschen Wasser-
straßen für den Verkehr durch Schleusen gebaut werden, so darf ihre Breite
meistens nicht größer als 8 m sein. Man ist also in der Breite der Rad-
schaufeln und in der Breite des zwischen den Rädern liegenden schwanzartigen
Hinterschiffs beschränkt und es hat sich herausgestellt, daß man die letztere
zu etwa 2,4 m und die Breite der Radschaufeln zu höchstens 2fo m wählen
kann, so daß der Rest von etwa 0,4 m auf die übrigen Bauteile einschließ-
lich der Scheuerleisten entfallt. Das Maß von 2,4 m reicht bei starken Ma-
schinen für 3 Kurbeln und 4 Lager nur aus, wenn man alle diese Teile
möglichst schmal macht und außerdem die beiden äußeren Wellenlager in
die Radkastentrommeln hineinschiebt, wie dies in den Abbildungen 322 und
323 ersichtlich gemacht ist.
Bei schwächeren Maschinen (bis etwa 300 Pferdestärken) kann man die
3 Zilinder nebeneinander legen (Abb. 319); bei stärkeren ist dies wegen der
größeren Zilinderdurchmesser ausgeschlossen und man ist genötigt, einen
Zilinder nach vorne zu schieben.
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2. KraftschifTe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 545
In den Abbildungen 423 und 424 ist eine solche Maschinenanordnung dargestellt, wie sie
von der Werft Cäsar Wollheim häufig ausgeführt wird, die sich um die Entwicklung der
Heckraddampfer besondere Verdienste erworben hat: a ist der vorgeschobene Hochdruckzilinder
von 470 mm Durchmesser, dessen Kolbenstange / zwischen den dahinter liegenden Mittel- und
Niederdruckzilindem [b und c) von 660 und iioo mm Durchmesser hindurchgefUhrt ist. Der
Kolbenhub beträgt 1,4 m. Mit einer Dampfspannung von 16 kg und 0,5 Füllung entwickelt die
Maschine bei 39 Umdrehungen je Mmute 708 Pferdestärken, d ist die aus Nickelstahl gefertigte
Radwelle mit 4 Lagern und den 3 Kurbeln e aus Flußstahl. Wegen der beschränkten Breite
sind alle Schieberkästen oben auf den Zilindem nach Tricks Bauart angeordnet und es ist eine
Joy-Steuening angewandt, deren Steuerwelle / durch SchraubenradUbersetzung g und das Hand-
rad h verstellt werden kann. Luftpumpe und Kondensator k liegen vor dem Niederdruckzilinder
und werden durch dessen Kolbenstange angetrieben. Vor dem Mitteldnickzilinder sind in ent-
sprechender Weise die Lenz- und Speisepumpen / angeordnet.
In neuester Zeit (191 1) sind von derselben Werft auch Vierfach-Ex-
pansionsmaschinen gebaut worden. Dabei wurde der Hochdruckzilinder
vor den Zilinder a gelegt und beide Kolben auf derselben Kolbenstange an-
gebracht, so daß die 3 Kurbeln beibehalten wurden. Die 4 Zilinder haben
350—530—740 — 1150 mm Durchmesser und 1,4 m Hub. Bei einer Dampf-
spannung von 21 kg und 0,7 Füllung sollen die Maschinen 900 PSi entwickeln
und einen Kohlenverbrauch von 0,7 kg haben. Es bleibt abzuwarten, ob
sie sich bewähren werden.
Die Schmierung der Schiffsmaschinen erfolgt meistens mit Mineralöl
durch Schmierpressen (Bauart Möllerup oder ähnliche), die von der Maschine
bewegft werden. Oft wird das Öl nur in die Dampfleitung gedrückt, während
für die Zilinder besondere Schmiergefaße benutzt werden. Die anderen
Maschinenteile schmiert man mittels automatischer Tropfgefaße oder (gewöhn-
lich) durch Schmierkasten mit Docht, von denen kleinere Schmierrohre zu
den einzelnen Lagern u. dgl. führen. Für die mit überhitztem Dampf in Be-
rührung kommenden Teile muß öl gewählt werden, dessen Entflammungs-
oder Zersetzungspunkt höher liegt als die Dampfwärme.
Der Verbrauch an Schmieröl beträgt je Fahrstunde bei Schrauben-
dampfem 0,8 bis 1,5 kg, bei Raddampfern mit Verbundmaschinen 0,5 bis
0,8 kg, bei Dreifach- Expansionsmaschinen i bis 1,2 kg. Bei Vierfach-Expan-
sionsmaschinen ist der Verbrauch größer.
Das Gewicht der SchiflPsmaschinen und der gesamten Maschinen-
anlage einschließlich der Wellenleitung, der Fortbewegungsmittel, der Rohr-
leitungen, der Pumpen und anderer Hilfsmaschinen, sowie des Kessels mit
Bekleidung, Ausrüstung, Rauchfang, Schornstein und aller erforderlichen Er-
satzteile, Werkzeuge u. dgl., sowie des Wassers im Kessel und in der Ma-
schine wird in der Regel zusammengerechnet und auf eine indizierte Pferde-
stärke bezogen. Infolge der Entwicklung und Verbesserung der Maschinen
und Kessel hat sich das Gewicht im Laufe der Zeit stark verringert: durch
Anwendung festerer Baustoffe (Stahl), höherer Dampfspannung, weiter abge-
stufter Expansion und besonders durch die Einfuhrung einer größeren Kolben-
geschwindigkeit und der damit zusammenhängenden höheren Umlaufzahl.
T e u b e r t , BinnenschifTahrt. ß e
546 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Während vor loo Jahren, am Anfange der Dampfschiffahrt, das Gewicht der ganzen Ma-
schinenanlage je Pferdestärke etwa 800 kg mid noch im Jahre 1860 etwa 500 bis 400 kg betrug,
ist es heute bei großen Seeschiffen auf 250 bis 200 kg und darunter gesunken. Unter Anwen-
dung von Wasserrohrkesseln, künstlichem Zuge und Überhitzung ist das Gewicht sogar bei
Panzerschiffen auf 60 bb 90 kg, bei kleinen Kreuzern auf 50 bis 70 kg und bei Torpedobooten
auf etwa 20 kg heruntergedrückt worden. Bei der Verwendung von Bronze an Stelle von Guß-
eisen hat man ausnahmsweise Torpedoboote hergestellt, deren Maschinenanlage nur 4 kg je
Pferdestärke wog.
Auf den internationalen Schiffahrtkongressen in Paris (1900) und in Mailand (1905} sind
über diese Entwicklung der Schiffsmaschinen einige Berichte erstattet worden >}. Techel und
N arten teilten dabei mit, daß auf dem amerikanischen Dampfschiff »Arrow< von 4000 Pferde-
stärken infolge starker Oberhitznng des Dampfs u. dgl. das Gewicht der gesamten Maschinen-
anlage auf 8,08 kg je Pferdestärke vermindert worden seL
Bei der Binnenschiffahrt ist mit Rücksicht auf den in der Regel be-
schränkten Tiefgang ein möglichst geringes Maschinengewicht zwar von
größter Bedeutung, aber bei den meistens langsam fahrenden Güter- und
Schleppdampfern schwer zu erreichen. Das Gewicht je Pferdestärke schwankt
in ziemlich weiten Grenzen zwischen 140 und 220 kg. Innerhalb der üblichen
Grenzen von 100 bis 500 PSi bei Schraubendampfem, 300 bis 700 PSi bei
Heckraddampfern und 500 bis 1200 PSi bei Seitenraddampfern verteilt sich
das Gewicht guter Maschinenanlagen in kg je Pferdestärke etwa in nach-
stehender Weise:
Bei Schrauben Bei Seitenrädern
Maschine allein 35 bis 40 kg 42 bis 45 kg
Wellenleitung und Schrauben ... 7 » 8 » — • — »
Schaufelräder — » — * 14» 16»
Rohrleitung und Hilfsmaschinen (Pum-
pen, Dampfsteuer u. dgl.) . . .
Ersatzstücke, Werkzeuge usw. . . .
Kessel mit Ausrüstung, 'Rauchfang,
Schornstein und Gegengewichten
(vgl. S. 525) 80
Wasser in Kessel und Maschine
zusammen 155 bis 175 kg 170 bis 188 kg
Bei Heckraddampfem ist das Gewicht der Maschinenanlagen um etwa
10 kg je Pferdestärke größer als bei Seitenraddampfern.
Gewöhnlich nimmt man bei überschläglichen Berechnungen ein Gewicht
von 170 kg für Schrauben-, von 200 kg für Seitenrad* und von 210 kg fiir
Heckraddampfer an; aber es lassen sich heute bei sehr gut gebauten Schiffen
auch die vorstehend mitgeteilten geringeren Gewichte erreichen und selbst
unterschreiten. Schnellaufende kleine Schraubenboote (Barkassen u. dgl.)
kommen mit noch kleinerem Gewicht (etwa 125 kg) aus.
Im allgemeinen nimmt das Gewicht mit wachsender Dampfspannung,
Kolbengeschwindigkeit und Umlaufzahl ab.
i) V^tillart, Umbildung des Materials der Handelsmarine. Paris 1900. — Derselbe, so-
wie Lelong und Techel-Narten, Fortschritt in den Mitteln zur Fortbewegung der Schiffe.
Mailand 1905.
5 , 7 .
5 •
7 •
3 • 5 •
4 »
5 *
1
80 » 85 >
80 »
85 .
25 » 30 >
25 •
30 .
2. KraftschifTe mit Dampfmaschinen, DampfschifTe. 547
Anordnung und Einrichtung der Dampfschiffe für
verschiedene Zwecke.
Die Größe eines Schleppdampfers ist so zu bemessen, daß bei einer
bestimmten Tauchtiefe die Wasserverdrängung genügt, um außer dem Ge-
wicht des Schiffskörpers das Gewicht der Maschinenanlage, den nötigen
Kohlenvorrat, die Ausrüstung und die Bemannung zu tragen, also gleich der
Summe dieser Gewichte ist. Bei Güterdampfern tritt hierzu das Gewicht der
Ladung und bei Personendampfern das Gewicht der Fahrgäste und des Ge-
päcks unter Berücksichtig^ung der für die Aufnahme der Fahrgäste sonst er-
forderlichen Einrichtungen (z. B. entsprechende Kajütenräume oder angemes-
sene Deckfläche).
Zur überschläglichen Ermittelung der erforderlichen Abmessungen fUr einen Schlepp-
dampfer schätzt man das Gewicht des Schiffskörpers nach ausgeführten Beispielen und Er-
fahrungssätzen. (Es beträgt z. B. bei Schraubendampfem etwa 0,35 bis 0,45, bei Seitenrad-
dampfem 0^5 bis 0,55 und bei Heckraddampfem 0,48 bis 0,52 von der ganzen Verdrängung.)
Das Gewicht der Maschinenanlage schätzt man nach der verlangten Schleppleistung und der
dazu ermittelten Maschinenleistung auf Grund der früheren Mitteilungen. Das Gewicht der
Kohlen ist nach dem stündlichen Verbrauch leicht festzustellen. Da man bei der Binnenschiff-
fahrt meistens den Vorrat leicht ergänzen kann, pflegen selbst große Radschleppdampfer nicht
mehr als 20 bis 25 t mitzunehmen, und kleinere Schleppdampfer begnügen sich mit 5 bis 10 t
Das Gewicht der Ausrüstung und Ausstattung einschließlich der Bemannung, der Lebensmittel
u. dgl. kann man zu 0,07 bis 0,1 der Verdrängung schätzen.
Für die so ermittelte Wasserverdrängung {V) besteht femer die Gleichung: V^d-L-B* T.
Da der Tiefgang [T) in der Regel vorgeschrieben ist, hat man für den Völligkeitsgrad cT einen
angemessenen Wert zu wählen und erhält so: L-B. Wenn die Breite B durch das Fahrwasser
(Schleusen) nicht begrenzt ist, wählt man das Verhältnis der Länge zur Breite nach den An-
gaben der unten folgenden Tafel.
Die Seitenhöhe wird mit Rücksicht auf die Unterbringung der Maschinen bei gewöhnlichen
Schraubenschiffen meistens zu 1,8 bis 2,2 m und bei Radschiffen zu 2,2 bis 3 m bemessen.
Die Form der Dampfschiffe ist ebenso wie die der Lastschiffe durch
das Verhältnis der Hauptabmessungen (Z, B^ T) zueinander und durch die
Völligkeitsgrade der Verdrängung ((J), der obersten Wasserlinie (a) und des
eingetauchten Hauptspants (ß) bestimmt. Mit Rücksicht auf den Schiffswider-
stand und die verlangte Geschwindigkeit müssen diese Verhältniszahlen dem
Zweck des Schiffes entsprechend gewählt werden: Langsam fahrende oder
schleppende Dampfer bekommen völligere Formen als schnellfahrende. Große
Güterdampfer mit geringer Geschwindigkeit sind im allgemeinen wie Last-
schiffe ohne eigene Triebkraft zu behandeln.
In der nachstehenden Tafel sind die Angaben für cf, a und ß dem Hilfsbuch für den
Schiffbau von Johow-Krieger (3, Auflage 1910) entnonmien worden. Zu Nr. 3 ist zu bemerken,
daß diese Verhältniszahlen zuweilen größer gewählt werden (cT bis 0,68 und ß bis 0,95), beson-
ders bei Zweischraubendampfem. Auch treffen sie bei Schiffen mit Tunnelheck nicht zu. Güter-
dampfer (Nr. 4) werden auf den ostdeutschen Wasserstraßen der Schleusen wegen meistens
völliger gebaut bis zu rf ^ 0,87. Femer sei erwähnt, daß man Radschleppdampfem (Nr. 6] zu-
weilen schärfere Formen gibt: cT = 0,7 (z. B. auf der Donau); doch findet man andererseits auch
cT etwas g^rößer bis 0,88.
35*
648
Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Art des Dampfschifis
B
I
2
3
4
5
6
7
Barkassen
Personenschiffe mit Schrauben
Schraubenschlepper
Güterschiffe mit Schrauben . . .
Personenschiffe mit Seitenrädern .
Schlepper mit Seitenrädern . . .
> > Heckrädem . . .
4
6,5
4,5
7
IG
7
6
bb5
8,5
5.5
7,5
12
9,5
7
o,34 bis 0,42
0,45 » o>65
0,45
0,75
0,6
0,75
0,75
0,6
0,78
0,64
0,85
0,82
0,66 bis 0,75
0,74 » 0,8
0,71
0,8
0,72
0,85
0,85
0,85
0,82
0,75
0,88
0,88
/»
0,63 bb DJ 2
0,79 » 0,88
0,75
0,96
0,95
0,96
0,97
0,8
0,98
0,99
0,99
0,99
Soweit die Fortbeweg^ngsmittel nicht Ausnahmen nötig machen, werden
Bug und Heck gewöhnlich unter Wasser keilförmig gestaltet, während die
Löffelform selten gewählt wird. Das Heck wird in der Regel übergebaut
Die Bordwände stehen im Hauptspant und im größeren Teile des Mittelschiffe
gewöhnlich senkrecht; doch findet man bei den oben unter i bis 3 aufge-
führten Schiffen häufig Ausnahmen (runde Formen), die durch das kleinere
Verhältnis ß bedingt sind. Die Kimm wird in der Regel mehr oder weniger
abgerundet und der fiache Boden bekommt keinen Sprung. Vor- und Mntcr-
steven stehen in der Regel senkrecht; doch ist der ersterc zuweilen nach
vorne etwas geneigt, selten in S-Form gekrümmt. Bei Schraubendampfem,
die häufig wenden müssen (z. B. Hafenschlepper und Fährboote) rundet man
den Vorsteven unten nach dem Boden stark ab, wodurch man wenig Ver-
drängung verliert und das Wenden merklich erleichtert. Aus dem gleichen
Grunde wird in diesen Fällen am Hintersteven der in Abb. 341 dargestellte
»SchleusenkieU angeordnet.
Die Linienrisse bieten, abgesehen von dem Hinterschiff bei Heckrad-
dampfern und bei Schraubenschiffen mit Tunnelheck (Abb. 358 bis 360 u. 365
bis 371) nichts besonders Bemerkenswertes. In Abb. 18 und 19 waren die
Linienrisse von einem gewöhnlichen Einschraubenschleppdampfer von etwa
210 PSi mitgeteilt, bei dem <I= 0,587 und j^ = 0,919 ist.
Der Sprung des Decks ist bei diesem Schraubendampfer recht be-
deutend und bei kleinen Schleppschiffen allgemein üblich. Er hat aber wenig
Berechtigung, wie dies früher bei den Lastschiffen ausfuhrlich erörtert wurde
(S. 359), ausgenommen, wenn man dadurch im Vorschiff höhere Kajüten zu
bekommen sucht. Daß das Schiff durch den starken Decksprung ein gefal-
ligeres Aussehen bekommt, kann nicht zugestanden werden. Das trifft auch
auf Personenschifie mit Schrauben zu: Ein starker Decksprung im Vorschiff,
verbunden mit dem Niedersaugen des Hecks in der Fahrt, verhindert bei be-
schränkter Höhe oft die Anbringung eines vorderen Sonnenzelts, was man
häufig an den bei Berlin verkehrenden Schiffen bemerken kann (Abb. 425).
Bei Güterdampfem mit Schrauben findet man einen erheblichen Sprung nur
auf dem Rhein, entsprechend dem dortigen Geschmack.
Auch Heckraddampfer erhalten gewöhnlich einen ziemlich erheblichen
Decksprung, der wohl den Vorteil bietet, daß man vorne und hinten, wo
3. Kraftschiife rait DunpfmaschiDcn, Dainpfscbiffe. 549
Kessel und Maschine liefen, eine etwas größere Höhe unter Deck erhält,
aber im allgemeinen nicht zu billigen ist, wdl das Schiff in der Mitte, wo
es ganz besonders auf Durchbiegung beansprucht wird und meistens beson-
ders verstärkt werden muß, die geringste Hohe erhält.
Noch weniger ist ein starker Decksprung bei Seitenraddampfern zu
rechtfertigen, weil hier Maschine, Kessel und Fortbewegungsmittel in der
Schißsmitte Hegen, und es scheint geradezu unverständlich, wie man an dieser
Stelle dem Schiffskörper die geringste Höhe geben kann, nur um einer ganz
unbegründeten Geschmacksrichtung entgegen zu kommen. Es kann keinem
Zweifel unterliegen, daß nach den Gesetzen der Festigkeitslehre in der Schiffs-
mitte die größte Höhe erforderlich ist. Oft wird allerdings der scheinbare
Sprung nur durch die entsprechend geschwungene Schanzverkleidung hervor-
gebracht, und man läßt deren Oberkante gewöhnlich mittschiffs und im Hinter-
Abb. 425. FeisoDcndunpfer mit 3 Schrauben anf den Berliner Wasserstraßen.
schiff ebenso wie das Deck wagerecht verlaufen; aber voine bleibt fast
immer noch die Erinnerung an das Seeschiff: dort wird in den meisten Fällen
wenigstens das Schanzkleid sehr stark hochgezogen. Man kann an SchifTs-
gewicht erheblich sparen, wenn man die in der Schiffsmiete mit Rücksicht auf
die Räder und die Maschinen erforderliche Höhe nach beiden Enden zu ab-
nehmen läßt, zumal die Räume unter Deck am Bug wie am Heck bei Schlepp-
dampfern nicht gebraucht werden, da diese Teile des Schiffskörpers nur zur
Erreichung der nötigen Wasserverdrängung nötig sind. Mit solchen Schiffs-
formen scheint man vor etwa 30 Jahren zuerst auf der Donau vorgegangen
zu sein.
Nachstellende Abbiidungen (426 bis 418) zeigen die 3 verschiedenen Anoidnungen. Die
eiste entspricht im «Ilgemeinen den Donauschleppeni: Die Hübe betrtigt na Heck wie am Bug
nur '/-j von der Hübe mittschifiä im Maschinenraum. Die Schanxverlcleidung iai gleichlaufend
mit der gekrilmmten Decklinic. Diese Fomi dUrfle dem Auge des Ingenieurs richtig, zweck-
mSßig und daher wohlgefällig erscheinen.
Die zweite Form (Abb. 437) wurde früher biuüg ausgefllhrt; Das Deck ist mitlschifTs und
im Hintenchiff wagerecbt, wlhrend die Schnniverkleidong wenig nach dem Heck, dagegen be-
tiKchtlich nach dem Bug ansteigt.
550
Abschnitt lU. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
In der dritten Form (Abb. 428) hat der Ingenieur die Vorschriften der Festigkeitslehre und
der Sparsamkeit, wie sie in der ersten Form deutlich zum Ausdruck kommen, mit dem schlechten
Geschmack des Laien, dem die Form eines Seeschiffs auf der Binnenwasserstraße besser ge-
fällt, zu vereinigen gesucht. Die Höhe beträgt am Bug und am Heck etwa 0,8 der Höhe in
der Mitte, so daß das Deck vom Maschinenraum ab nach vorne und nach hinten allmählich fällt,
ähnlich wie bei der erst beschriebenen Donauform (man nennt das ein »Walfischdeck«). Dieser
Abfall wird aber zwischen den Radkastenaufbauten und den Steven vollständig durch die
Schanzkleidung verdeckt, deren Oberkanten mittschiffs ebenso hoch wie das Deck über dem Ma-
schinenraum liegen und nach hinten und vorne ansteigen, so daß am Heck etwa die Höhe von
1,1 und am Bug die Höhe von 1,25 der Höhe in der Mitte erreicht wird. Diese Schanzklei-
dungen bilden also eine Verblendung und werden in den mittleren Teilen des Schiffes [etwa
an den Kohlenbunkern , wo sie ihren eigentlichen Zweck nicht erfüllen, durch eine leichte, nicht
in die Augen fallende Reling erhöht. Sie stellen außerdem eine gewisse Verschwendung an Stoff
und Gewicht dar.
Anordnung des Decks bei Radschleppdampfem, Abb. 426 bis 428. i : 450.
Abb. 428.
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6O777
' ' ' ' ' ' t '^
3
Bei den Radschiffen für Personenverkehr findet man gewöhnlich nur einen
geringen Decksprung, besonders wenn sich auf dem Deck größere Aufbauten
(Säle und Hallen) befinden, die schon aus Schönheitsrücksichten einen nahezu
wagerechten Unterbau verlangen.
Die Einrichtung der Dampfschiffe ist durch die Verteilung der Ge-
wichte, besonders der Kessel, Maschinen und Kohlenbunker, bedingt. Es
war schon erwähnt, daß ein Schiff sich nur im Gleichgewicht befindet,
wenn der Gewichtschwerpunkt (des ganzen Schiffes) und der Verdrängungs-
schwerpunkt in derselben Senkrechten liegen. Nach Feststellung: der Schiffs-
2. KraltschifTe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 551
form ist die genaue Lage des letzteren zu ermitteln, und die Gewichte der
Maschinenteile usw. müssen so verteilt werden, daß ihre einzelnen Schwer-
punkte und der Schwerpunkt des SchiflFskörpers vereinigt als Schwerpunkt
des ganzen Schiffes dieser Forderung entsprechen. Nur wenn diese Bedingung
erfüllt ist, wird das fertige Schiff in der dem Entwurf zugrunde gelegnen
Wasserlinie schwimmen. Die Senkrechte durch die beiden Schwerpunkte liegt
zwischen 0,05 • L hinter und 0,02 • L vor der Mitte des Schiffes (zwischen
den Loten gemessen).
Bei Lastschiffen ist diese Untersuchung kaum erforderlich ; denn für das leere Schiff ist es
ohne wesentliche Bedeutung, ob es etwas kopflastig oder steuerlastig ist (die großen Rhein-
schiffe sind z. B. immer steuerlastig} und beim beladenen Schiffe wird der richtige oder verlangte
Trimm durch entsprechende Verteilung der Ladung erreicht.
Bei Güterdampfem ist das Gewicht der Ladung zu berücksichtigen, und
bei Personendampfern kommt, besonders bei hohen Aufbauten, die Unter-
suchung in Frage, ob bei einseitiger Belastung durch die Fahrgäste noch die
nötige Steifheit (Stabilität) gesichert ist. Femer ist, namentlich bei Schlepp-
dampfern, darauf zu achten, daß bei nahezu geleerten Kohlenbunkern noch
der erforderliche Trimm erhalten bleibt Unter Umständen kann man sich
mit den schon erwähnten Wasserballasträumen helfen.
Von den auf den deutschen Wasserstraßen zurzeit am meisten gebräuch-
lichen Dampfschiffen niögen nachstehend einige der wichtigsten Arten dar-
gestellt und beschrieben werden.
Seh raubendampf er.
In den Abb. 429 bis 431 ist ein kleiner Schleppdampfer von etwa
200 Pferdestärken dargestellt, wie er in Deutschland allgemein üblich ist und
besonders auf den Märkischen Wasserstraßen zwischen Elbe und Oder
häufig verkehrt.
Das Schiff hat über Deck eine Länge von 26 m, über den Spanten eine Breite von 5 m,
eine Seitenhöhe von 2,2 m und bei 7 t Kohlenvorrat ohne Wasserballast einen hinteren Tiefgang
von 1,35 m, mit dem er die vorgenannten Wasserstraßen fast überall und zu jeder Zeit durch-
fahren kann. Die 1,5 m im Durchmesser große Schraube liegt dann aber nicht vollstSndig im
Wasser und ihr Wirkungsgrad ist gering. Wenn der Wasserstand es erlaubt, wird deshalb durch
Wasserballast der Trimm verändert, so daß der hintere Tiefgang 1,65 m beträgt. Zur Schiffs-
form ist zu bemerken, daß der Boden nicht flach ist, sondern vom Kiel nach beiden Seiten eine
Aufkimmung zeigt, die mit starker Rundung in die Bordwand übergeht. Im Vorschiff sind stark
ausfallende Spanten gewählt, um eine größere Deckfläche zu erhalten. Das Hinterschiff ist unter
Wasser sehr scharf gebaut, um einen guten Wasserznfluß zur Schraube zu erzielen. Die Ge-
wichtsverteilung ist so gemacht, daß der Schornstein gerade in der Mitte der Längsachse liegt,
der Kessel also vorne und die Maschine dahinter. Die Kohlenbunker [%) sind zwischen dem
Kessel [d) und den Bordwänden angeordnet und vom Deck durch je 3 Öffnungen zu fUUen. Es
sind 4 Schottwände (a) eingebaut: vorne das Sicherheitschott, das zugleich den Wasserballast-
raum abschließt, dann 2 Schotte zum Abschluß des Maschinen- und Kesselraums und das Stopf-
büchsenschott, das den hinteren Ballastraum begrenzt. Das Deck zeigt an beiden Bordwänden
neben der ringsum laufenden Schanzkleidung einen 0,7 bis 0,9 m breiten Bordgang, während die
mittleren Teile nach Art eines Tennebaums erhöht sind, um für den Maschinenraum und die
Kajüten die genügende Höhe zu gewinnen. Die Aufbauten für die Kajüten reichen bis zur
552
Abschnitt m. SchifTe mit eigener Triebkraft, Kraftschiife.
Höhe der Schanzkleidung, die für den Maschinenraum sind noch um 0,3 m höher. Zur Er-
leuchtung dieser Räume sind außer den Decklichtem (^j noch mehrere Fenster seitlich nach dem
Bordgange angeordnet. Von diesem aus gehen auch die Niedergänge zu den beiden Kajüten
(vorne und hinten) und zu dem Maschinenraum. Im Vorschiff ist unter Deck neben der Woh-
nung des Schiffsfuhrers ein Abort {c) eingebaut.
Einschraubenschleppdampfer von 200 PSi, Abb. 429 bis 431.
Abb. 429. Ansicht i : 200.
unherDeck
Abb. 430. Grundriß i : 200.
Um den Feuerungen des Kessels
[d] die erforderliche Luftmenge zuzu-
führen, ist das Deck hinter dem Kessel
geöffnet und durch ein Gitter (Gräting)
\K\ bedeckt. Zu demselben Zweck
dienen die beiden senkrechten Luft-
zufiihrungsrohre (Ventilatoren) (/), deren
Köpfe über Deck gewöhnlich nach
vorne gerichtet oder der Windrichtung
entsprechend gedreht werden. Von
der Verbundmaschine (^) führt die mit
einem Zwischenlager unterstützte Welle
(/) unter dem Fußboden der Mann-
schaftskajüte nach der Stopfbüchse
und durch das Stevenrohr zur Schraube.
Der Hintersteven ist mit Schleusenkiel
[H) versehen. Das Schweberuder trägt
auf Deck eine Kettenscheibe, und die
Steuerkette mit zwischengelegten Stan-
gen aus Rundeisen führt vom Heck an der Schanzkleidung entlang zum Steuerhäuschen [g)^ das
zwischen Kessel und Vorkajüte aufgebaut ist und die Steuerwinde mit senkrechtem Handrad
enthält. Der mit kräftiger Feder versehene Schlepphaken [vi\ ist nahe dem Schwerpunkt des
Schiffes auf dem Deck des Maschinenraumes angebracht und seitlich gut verstrebt. Das Schlepp-
seil wird hinten durch einen eisernen Bügel (») unterstützt. Das Schiff ist vorne mit einer ein-
fachen Ankerwinde und Kran sowie vorne und hinten mit Pollem ausgerüstet.
Abb. 431. Querschnitt i : 100.
z. KrafbchifTe mit Dampfnvucbineii, DtunpfschifTc. 553
Du auf der Werfl Übigau ^bauCe Schiff gehört za den besserea dieser Art. Der starke
Deckspniüg ist nicht empfehlenswert, zomal dadurch am Heck die fi^ie Bewegung des Schlepp-
taus and an beiden Enden die Handhabung der Scbiebestangen a. dgl. behindert vrird. Üe
Werften sind in dieser Beiiehnng aber oft von den Wünschen der Besteller abhängig.
Abb. 431. Schraubcnschleppdampfer auf den MSrkischen Wasserstraßen.
Abb. 433. Schraubenschleppdampfer von 350 PSi auf der unteren Elbe.
In Abb. 432 ist ein ähnlicher kleiner Schlepper schwimmend dai^estellt.
Seit der Einfuhrung des Tunnelheclcs (S. 476) bürgern sich die Schrauben-
schleppdampfer auf der Elbe zwischen Hamburg und Wittenberge ein, wo
bisher allein die Radschlepper herrschten. Abb. 433 zeigt z. B. ein solches
Schiff mit Tunnelheck mit Schwanz, das ebenso wie das früher erwähnte
von Gebr. Wiemann in Brandenburg gebaut ist Es ist 37 m lang, 6,3 01
554 Abschnitt ID. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraflachiffe.
breit, hat eine Dreifach-Expansionsmaschine von 350 PSi und geht bei einem
Schraubendurchmesser von 1,65 m nur 1,15 m tief. Ein anderer Schlepp-
dampfer mit Tunnelheck ohne Schwanz, der von Cäsar Wollheim gebaut
ist, verkehrt gleichfalls auf der Elbe. Er ist 35 m lang, 6,3 m breit, hat eine
Vierfach- Expansionsmaschine von 373 PSi (S. 535) und geht bei einem
Schraubendurchmesser von 1,7 m nur 1,1 m tief.
Auf dem Rhein sind seit dem Jahre 1880 Schraubendampfer zum
Schleppen verwendet worden, besonders auf dem Niederrhein, wo meistens
ausreichende Wassertiefen von 2,5 bis 3 m vorhanden sind. Mit einer
Schraube (von 1,6 bis 1,8 m Durchmesser) erhielten sie bei 1,8 bis 2 m Tief-
gang 300 bis 400 PSi. Die gfröOeren Zweischraubendampfer mit Schrauben
Abb. 434. Schr>abenscbl«ppilunpfer auf dem Rtiein.
von 2,2 m Durchmesser haben bei 2,5 m Tiefgang bis zu 850 PSi"). Da man
am Rhein in der Höhe wehig beschränkt ist, werden diese Schiffe meistens
mit Aufbauten und hochgestelltem Steuerhäuschen versehen, wie aus Abb. 434
ersichtlich. Dies ist ein auf der Mannheimer Werft gebauter Schleppdampfer.
Von dieser Schiffbauanstalt sind schon mehrere Dampfer mit Tunnelheclc
beigestellt, die bei 47 m Länge und 7,8 m Breite mit 2 Schrauben von 1,9 m
Durchmesser mit Dreifach -Expansionsmaschinen S40 PSi entwickeln, wobei
der Tiefgang mit 20 1 Kohlen nur 1,2; m beträgt, so daO sie auf dem ganzen
Rhein verkehren können.
Bei dicien starken Schleppern ist der Grundrit so eingeteilt, daß mitischiifs die beiden
Kohtenbunker liegen, zwischen denen in der Mittellinie des SchiETs cid etnra l m breiter Vei^
I) Im Jahre 1911 hatte der stärkste Zwei seh raube nschlepper auf dem Niederrbein nach
Mitleiluog des (Icrmanischen Lloyd eioe Stärke von 1300 PSi.
2. Kraftschiife mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
555
bindungsgang bleibt. Vorne schließt sich der Kesselraum an, in dem die beiden Kessel neben
einander liegen, während hinten der Maschinenraum folgt. In diesem mittleren Teile des
Schiffes liegt das Deck in der Höhe der Oberkante des Schanzkleides und ist seitlich mit einer
leichten Reling versehen. Die Verbindung mit den niedriger liegenden Deckflächen Über den
vorderen und hinteren Kajüten wird durch Treppenstufen hergestellt. Das Deck wird über
Hinter- und Mittelschiff ziemlich wagerecht angeordnet und bekommt nur über dem Vorschiff
emen Sprung.
Am Rhein besteht die Eigentümlichkeit, daß man das Steuerrad und den Stand des
Schiffsfuhrers zuweilen hinter dem Schornstein anordnet, damit der Steuermann, wie man sagt,
seinen Schleppzug besser übersehen kann. Dies ist ohne Zweifel unzweckmäßig. Auch die
dort oft angetroffenen wagerechten Steuerräder, von gleicher Bauart wie auf den Lastschiffen,
sind nicht zu empfehlen, weil sie auf dem verhältnismäßig kleinen Dampfer zu viel Raum er-
fordern. Die Übertragung von der Steuerwinde zum Ruder wird in diesem und auch in anderen
Fällen zuweilen durch eine auf dem Deck befestigte Wellenleitung mit Zahnradübersetzungen
bewirkt, weil man diese für zuverlässiger hält als eine Kette. Bei kleineren Schiffen wird das
zutreffen; bei großen, langen Radschleppern muß man aber stets mit gewissen Formverände-
rungen des Schiffskörpers rechnen, die leicht zu einem Bruch der Wellenleitung führen. Man
ist darum genötigt worden, in diese Leitung einige Universalgelenke einzuschalten. Die auf dem
Deck angebrachte Welle ist auch für den Verkehr hinderlich und gefährlich.
Personendampfer mit Schrauben werden gewerbsmäßig im Ortsver-
kehr großer Städte viel benutzt, z. B. in Hamburg im Hafen und auf der
Alster, in Paris auf der Seine und in Venedig besonders auf dem Canale
grande. Sehr entwickelt ist diese Art von SchifTen in der wasserreichen Um-
gebung von Berlin. Hier ist es vor allem die Spree -Havel- Dampfschiffahrt-
Gesellschaft »Stern«, die in ihrer großen Flotte von 30 Einschraubendampfern
und 28 Zweischraubendampfem verschiedene Größen und Bauarten aufweist.
Da die Schiffe vorwiegend dem Vergnügungsverkehr dienen und nur zu ver-
'hältnismäßig kurzen Fahrten in warmen Jahreszeiten bei gutem Wetter be-
nutzt werden, müssen sie vor allem auf Deck genügend Raum besitzen.
Die neuesten, von den Stettiner Oderwerken gelieferten Schiffe sind mit zwei
Schrauben ausgerüstet und nach den in folgender Tafel zusammengestellten Klassen gebaut:
V
M
1
L
aber
alles
m
änge
zwischen
den Loten
m
B
aber
alles
m
reite
aber
Spanten
m
Seiten-
höhe
m
Ticf-
m
Völlig-
keitsgrad
der Ver-
drängung J
Indiz.
Pferde-
stärken
Um-
lauf,
zahlen
Geschwin-
digkeit
je Stunde
km
Kohlen-
Verbrauch
je PSi
kg
I
29,95
28,0
5,62
5.3
2,32
1,4
0,515
160
220
»9,5
1,1
2
30,4
28,9
5,0
4,8
1,75
1,42
0,482
130
210
17,6
1,2
3
32,0
30,0
6,2
5^
2,45
1,4
0,450
150
205
17*1
i,»5
4
35,1
33,0
6,6
6,1
2,45
1,4
0,487
240
225
19,5
1,1
In den Abbildungen 435 und 436 ist ein Dampfer der Klasse 4 dargestellt, der nach der
Vermessung der Schiffiüirtpolizei 430 Fahrgäste aufnehmen darf. Die Bordwände sind so hoch
über Wasser gefuhrt, daß die Kajüten durch seitliche Fenster erleuchtet werden und auch der
Maschinenraum die erforderliche Höhe bekommt. Es sind 4 Schottwände {a) angeordnet, vorne,
hinten und zur Abgrenzung des Maschinen- und Kesselraums. In dem letzteren befinden sich
die beiden Verbundmaschinen mit Kondensation, über denen ein Decklicht (d) angeordnet ist.
Die Buchstaben haben im übrigen die gleiche Bedeutung wie in Abb. 429 bis 431. Der Steuer-
mannstand ist vor dem Schornstein über dem Kessel ohne besonderen Schutz, da das Sonnen-
zelt genügt. Vorne und hinten ist eine große Kajüte iiir die Fahrgäste mit je einem Nieder-
gang angeordnet. Neben der hinteren Kajüte liegen die Aborte (c). Ein besonderer Niedergang
556
Abschnitt m. Schiffe mit eigener Trieblcraft, Kraftichiffe.
fuhrt lu der Mumschaftskajüte im Hinterschiff. In dem Deckplan ist die Anordnung der Stli-
bKnke beacbtensirert. Die oben mitgeteilte Abb. 43J zeigt dies Scbiff in der Fahit, irihrcnd
die Abb. 437 von einem Schiffe der Klasse 1 Rlr etwa 300 FahrgKste den Bug dieser Schiffe
zeigt und die scbaif gebaute Keilform mit weit ausfallenden Spanten erkenuen llßt. Über den
nnmlDigen Decicsprung war schon gesprochen. Die Geschwindigkeit der Sehiffe bezieht sieb anf
Peisonendampfei mit 1 Schrsubeo auf den Berliner Gewissem, Abb. 435 und 436. i : 150.
Abb. 435. Ansicht.
Abb. 436. Grundriß.
tiefes Wasser, wie es die seeactigen Ei^
Weiterungen der Havel und der Spree
bei Berlin besitzen. Aus Gründen
der äffentlichen Sicherheit ist dort
nur eine Geschwindigkeit von u bis
15 km je Stunde polizeilich erlaubt.
Es ist bemerkenswert,
daD diese zwedonäHigen und
wohlfeilen Schraubenschiflfe
sich auf den Schweizer und
Italienischen Seen (abgesehen
von einigen neueren Versuchen
auf dem Comer See) bisher
nicht eingebürgert haben.
Man bleibt dort bei den Rad-
dampfern, obwohl man rück-
Abb. 437. Personendampfer auf den Bertiner Gewissem 1 sichtlich des Tiefgangs nicht
m der Fahrt. , , 6 &
beschränkt ist.
Die Abbildungen 438 und 439 zeigen einen Güterdampfer mit zwei
Schrauben, der die Schleusen in der Saale bis Halle durchfahren kann, aber
2. KraftschifTe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
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558 Abschnitt IH. Schiflfe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
in wenig abweichender Form auch auf allen anderen östlichen Wasserstraßen
häufig angetrofifen wird. Die Bauart entspricht den dort verkehrenden stäh-
lernen Lastschiffen (Abb. 59 bis 63) und bezüglich der Heckform etwa dem
Eibschiff nach Flauer Maß (Abb. 74).
Der Dampfer ist 51,1 m über alles und 49 m zwischen den Loten lang, 6,02 m über den
Scheuerleisten und 5,92 m über den Spanten breit, an der Seite bis zum Deck 2,5 m hoch und
mit einem ringsum laufenden niedrigen (0,15 m) Schanzkleid versehen, das nur am Hinterschiff
etwa doppelte Höhe hat. Der Tiefgang beträgt mit 250 t Ladung und 7,5 t Kohlen 1,6 m. Die
Schrauben nach Buckauer Art haben 1,3 m Durchmesser. Der Raum flir die beiden Verbund-
maschinen, die zusammen 2 10 Pferdestärken leisten, und für den Walzenkessel von 80 m> Heiz-
fläche und II kg Dampfspannung ist bei etwa '/3 der Länge von hinten angeordnet und durch
2 Schottwände begrenzt. Außerdem sind noch 4 Schotte vorhanden, die 4 Laderäume und
2 Kajüten abteilen. Die Laderäume sind durch große Ladeluken zugänglich, die von 0,4 m über
das stählerne Deck reichenden Luksüllen eingerahmt und mit verzinkten Wellblechtafeln von etwa
0,7 m Breite geschlossen sind. Es sind Vorrichtungen zum Zollverschluß angebracht.
Da der Raum zwischen dem Kessel und den Bordwänden zur Unterbringung der Kohlen
nicht ausreicht, sind die Bunker durch den Raum vor dem Kessel vergrößert worden, so daß
sie nötigenfalls 25 t fassen können. Über der Kesselhaube ist der Stand für den SchiffsfUhrer,
mit leicht umlegbarem Geländer versehen. Von hier aus kann auch die Dampfsteuerwinde
bedient werden, die ihren Platz vor dem Kessel hinter einem Steuerschirm (^) gefunden hat.
Sie kann dort nicht nur mit Dampf, sondern nötigenfalls auch durch die Hände bewegt werden.
Die Übertragung von der Steuerwinde zum Ruder erfolgt durch Ketten und Stangen am Schanz-
kleid entlang bb zu der geschmiedeten Kettenscheibe auf dem Ruderschaft. Auf dem Deck
sind in eisernen Köchern 2 umlegbare Lademaste aufgestellt, von denen der vordere durch
eine Dampfwinde und der hintere durch eine Handwinde bedient wird, so daß Lasten von
1,5 t gehoben werden können. Die auf dem Vorderdeck befindliche doppelte Ankerwinde kann
auch als Handladewinde für den vorderen Mast benutzt werden. Um gelegentlich noch ein an-
deres Lastschiff in Schlepptau nehmen zu können, ist am hinteren Mastköcher ein Schlepp-
bock mit Klüse [m] angeordnet. Das Schlepptau wird über dem Hinterschiff durch 2 Bügel (»)
unterstützt.
Dieser Güterdampfer ist auf der Werft von Cäsar Wollheim gebaut, die solche
Schiffe auch mit stärkeren Dreifach -Expansionsmaschinen von zusammen 280 bis 300 Pferde-
stärken herstellt.
Alle diese Güterdampfer auf den östlichen Wasserstraßen sind mehr oder
minder durch die Abmessungen der Schleusen beschränkt und müssen sehr
völlig gebaut werden. Es haben z. B. die auf der Havel-Oder- Wasserstraße
(Finowkanal) verkehrenden Güterdampfer höchstens eine Länge von 41 m,
eine Breite von 5,1 m und eine Tragfähigkeit von 150 t, die aber bei der
erlaubten Tauchtiefe von 1,4 m bei weitem nicht ausgenutzt werden kann.
Der Völligkeitsgrad der Verdrängung (d) beträgt 0,84 bis 0,87.
Anders ist es auf dem Rhein, wo man in der Größe der Güterdaropfer
nur hinsichtlich des Tiefgangs bei niedrigen Wasserständen beschränkt ist.
In den Abbildungen 440 und 441 ist ein solches Schifif mit 2 Schrauben dargestellt, das auf
der Mannheimer Werft gebaut ist. Es ist zwischen den Loten 65 m lang, über den Spanien
9,5 m breit und an der Seite in der Mitte 3,3 m hoch. Bei einem Tiefgange von 2,5 m hat es
eine Tragfähigkeit von 700 t. Der schlank gebaute Schiffskörper aus Stahl wird durch 6 Schott-
wände in 3 Laderäume, 2 Kajüten und den Maschinen- und Kesselraum zerlegt. Die Laderäume
sind ähnlich wie bei dem vorbeschriebenen Schüfe durch Luken im stählernen Deck zugänglich,
die aber mit hölzernen Deckeln nach rheinischer Bauweise geschlossen sind. In dem Maschinen-
raum befinden sich die beiden Dreifach-Expansionsmaschinen von zusammen 560 Pferdestärken
und 2 Dampfkessel von je loo m^ Heizfläche und 1 5 kg Spannung, die einen gemeinschaftlichen
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Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, KraftschüTe.
Schornstein haben. An diesem ist beachtenswert, daß nur sein oberer Teil zum Umlegen ein-
gerichtet worden ist, weil die Rheinbrücken verhältnismäßig hoch liegen. Auf diese Weise wird
der Vorteil erreicht, daß die Kessel auch bei umgeklapptem Schornstein etwas Zug haben. In-
folge der genügenden freien Höhe ist femer der Stand fUr den Schiffsföhrer (^) auf das Deck
eines kleinen Kajütenaufbaues gelegt worden. Von hier kann die Dampfsteuerwinde bedient
werden, die in dem darunter befindlichen Räume aufgestellt ist. Wie bei den Güterdampfem
auf den östlichen Wasserstraßen sind auch hier 2 Lademaste in starken eisernen Köchern be-
weglich aufgestellt, die bis zum Schif&boden geführt sind. Zum Löschen und Laden sind drei
Dampfwinden vorgesehen und außerdem im Vorschiff eine Dampfankerwinde. Zum gelegent-
lichen Schleppen ist das Schiff mit einem Schleppbock {m) am hinteren Mastköcher nur mit
einem Bügel {w) ausgerüstet. Der Schraubeildurchmesser beträgt 1,7 m. Das Schiff hat in tiefem,
stillem Wasser eine Geschwindigkeit von etwa 1 7 km je Stunde und verkehrt auf dem ganzen
Rhein bis nach Straßburg.
Die größten Güterdampfer auf dem Rhein, die der »Neuen Karlsruher Ge-
sellschaft« gehören und in Holland gebaut wurden, sind je 83 m lang, 10^08 m
breit und haben bei 2,77 m Tiefgang eine Tragfähigkeit von 1306 t Die
Maschinen haben 650 PSi. Ähnliche Güterdampfer verkehren auch auf der
mittleren und unteren Donau (bis 500 t Tragfähigkeit bei 1,8 m Tiefgang
und mit 400 PSi).
Güterdampfer von 10300 t auf den großen Seen von Nordamerika, Abb. 442 bis 444.
Abb. 443. Grundriß i : 2000.
r4£
Abb. 444. Querschnitt i : 1000.
Es mag hier auf die Entwicklung der amerikanischen Schraubengüterdampfer auf den
Großen Seen hingewiesen werden. Bei der außerordentlichen Größe und Tiefe dieser Gewässer
kann man den dortigen Verkehr kaum zur Binnenschiffahrt rechnen, zumal sowohl die Bauart
wie der Betrieb der Schiffe mehr der Seeschiffahrt ähnlich ist. Zum Vergleich ist aber in
den Abb. 442 bis 444 einer der größten auf diesen Seen verkehrenden Erzdampfer dargestellt
worden*), der in seinen Abmessungen mit großen Ozeandampfern in Wettbewerb treten könnte.
Das Schiff ist 184,4 m lang, 18,3 m breit, 11,8 m hoch und hat (bei cf = 0,86) eine Tragfähig-
keit von 10300 t bei 5,8 m Tiefgang. Die Versteifung des durchgehenden Laderaums durch
sehr kräftige Rahmenspanten und bogenartige Deckbalken ist aus Abb. 444 ersichtlich. Er ist
i) Renner, Schiffbau u. Schiffahrt auf den Großen Seen in Nordamerika. Zeitschrift f.
Binnenschiffahrt 1909, S. 435.
2. Knftschiffe mit DampfinaschmeD, DampfschifTe. 561
1 Schntaben nnd TtuiDelhcck von 400 PSi «af der Weichsel, Abb. 445 bis 448.
Abb. 445, Anücht i : 300.
aufDeck
Abb. 446. Gniodriß i : 300.
durch 33 Decklnken zngMnglich, die
alle gleichzeitig zum LadeD oder Lö-
schen benutze werden, so daO zum Eia-
laden von loooo t En oder Kohlen
trnr etwa 10 Stunden gebraucht «ei-
deo. An den großen LaderauiD schlie-
ßen sich hioteD die KJIume fttr Kessel
und Maschine, vorne die KajHten filr
die Besatzung, der Steuerstand und die
Befehlbrilcke. Die Dreifach - Eipan-
MoDsmaschiae von 2000 PSi gibt bei
S; Umdrehungen dem betadenea Schiffe
eine Geschwindigkeit von i8,J km. —
Im Jahre 191 1 sollen die größten
Schiffe eine Vecdrlngung von 16000 t
und bei 6 m Tanchtiefe rine Trag-
fthigkeit von is7oot [14000 Short
Tons) gehabt haben.
In den Abb, 445 bis 448 ist
schließlich noch ein Eisbrech-
dimpfer mit 1 Schrauben daigestellt,
der nebenbei auch zum Schleppen
benutzt wird. Von den sonst üblichen
Eisbrechern, die in dem Werke von
Görz und Baehheistcr »Das Eis-
brechwesen im deutschen Reich < [Berlin
1900) genau beschrieben und darge-
stellt sind, weich! dies fUr die künigl.
Weichselstrom-Baaverwaltung im Jahre
1910 auf der Klawiltcrscben Werft
iu Danzig erbaute Schiff insofeni ab,
Teuberl, BiniHBKhlffahrt.
Abb. 447. Querschnitt durch den Kesselraum l : Ijo.
Abb. 44S. Querschnitt dorcb den Mascbinenraum 1
36
562 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
als es erheblich breiter und mit einem Tunnelheck mit Schwanz (nach Thomycroft) versehen ist,
wodurch (mit lo t Kohlen) der geringe Tiefgang von i,o8 m erreicht werden konnte. Das ist für
Eisbrecher auf seichten Strömen wie die Weichsel von größter Bedeutung. Auch liegen die
Schrauben unter dem Heck sehr geschützt. Schon im Jahre 1904 war von dieser Werft ein
solches Schiff hergestellt worden, das sich gut bewährt hat.
Das Schiff ist über alles 40,7 m und zwischen den Loten 36 m lang, über den Spanten
8j m breit und 2,5 m hoch. Die beiden Dreifach-Expansionsmaschinen entwickeln bei 13 kg
Dampfspannung und 0,6 Füllung zusammen 400 Pferdestfirken und geben dem Schiffe in tiefem,
stillem Wasser eine Geschwindigkeit von 18 km. Da das Schiff zuweilen in Seewasser vei^
kehrt, ist die Maschine mit Oberflächen- und Einspritzkondensation ausgerüstet. Die beiden
Schraubenwellen sind zu einander geneigt und tragen einfache Schrauben von 1,7 m Durch-
messer. Die beiden Walzenkessel, die neben einander liegen, haben zusammen laom' Heizfläche.
Der Kohlenverbrauch beträgt 0,85 kg, die Wasserverdrängrang 230 m^. Das Heck taucht etwa
80 mm tief in das Wasser ein, so daß auch beim Rückwärtsgang keine Luft von der Schraube
angesaugt wird; in voller Fahrt senkt sich das Heck um höchstens 150 mm. Die Anordnung
und Einrichtung geht aus den Abbildungen hervor. Die Linienrisse des Hinterschiffs und ein
Querschnitt durch die Tunnel sind in den Abb. 358 bis 361 mitgeteilt, und hinsichtlich der Bauart
des löffeiförmigen Vorschiffs und der Eisverstärkungen an Kiel und Vorsteven wird auf das vor-
genannte Buch verwiesen.
Bei Zweischraubendampfern ist auf die Drehrichtung der Schrauben beim Vor-
wärtsgang zu achten. Es war schon (S. 470) darauf hingewiesen, daß bei flachgehenden Schiffen
die oben nach außen schlagenden Schrauben den Vorzug verdienen, besonders auch beim Drehen
des still liegenden Schiffes ohne Gebrauch des Ruders. Wenn aber die Dampfmaschinen von
einem zwischen den beiden Maschinen stehenden Maschinisten bedient werden sollen, wie es
in der Binnenschiffahrt üblich ist, ergeben sich bei dieser Drehrichtung und bei der heutigen
Bauart der Maschinen gewisse Schwierigkeiten in Betreff der Übersichtlichkeit und der Zugäng-
lichkeit der Maschinenteile. Obwohl diese Schwierigkeiten nicht unüberwindlich sind (es handelt
sich besonders um eine Verstärkung der Gleitbahnen, um den Druck des Kreuzkopfes bei der
umgekehrt laufenden Maschine aufzunehmen), haben sie doch dazu gefuhrt, daß ein großer Teil
der Zweischraubendampfer mit nach innen schlagenden Schrauben versehen worden ist. Eine
Änderung scheint erstrebenswert.
Seitenraddampfer.
In den Abb. 449 und 450 ist ein großer von Gebr. Sachsenberg gebauter
Seitenrad-Schleppdampfer dargestellt, wie er heute auf dem Rhein und
anderen großen deutschen Strömen gebräuchlich ist.
Das Schiff ist zwischen den Loten 73 m lang, über den Spanten 8,5 m, über den Rad-
kasten 19,2 m breit, in der Mitte an der Seite 3,3 m hoch und hat mit Ausrüstung einen Tief-
gang von 1,18 m. Die Dreifach-Expansionsmaschine entwickelt bei 0,5 Füllung im Hochdruck-
zilinder uud 15 kg Dampfspannung 1064 Pferdestärken. Die beiden Schaufelräder haben bei
einem Durchmesser von 2,9 m im Zapfenkreis je 7 bewegliche, stählerne, gekrümmte Schaufeln
von 2 • 2,35 m = 4,7 m Breite und 0,85 m Höhe. Die beiden Dampfkessel haben zusammen
460 m^ Heizfläche; der Kohlenverbrauch ist 0,8 kg.
Der Schiffskörper hat in der Mitte senkrechte, gleichlaufende Wände, der Völligkeitsgrad
des Hauptspants [ß] beträgt 0,995. ^^ Vor- und das Hinterschiff sind namentlich unter Wasser
keilförmig zugeschärft, der Vorsteven ist unten abgerundet. Das Deck ist nach Abb. 428 geformt
Der Boden ist entsprechend der verschiedenen Belastung in wechselnder Stärke ausgeführt: Die
Bodenwrangen sind im Vorschiff und in der Mitte 300 mm , im Hinterschiff 250 mm und im
Maschinenraum zum Teil 650 mm hoch. Im Vor- und im Hinterschiff sind sie nur an jedem
zweiten Spant angebracht. Außer den Wrangen sind unter den Kesseln und unter der Maschine
noch 7 kräftige 1-Träger eingebaut. Auch die Stärken und der Abstand der Spanten sind ver-
schieden : Im Vor- und im Hinterschiff beträgt dieser 600 mm , unter den Kohlenbunkern und
imter den Kesseln 500 mm und unter den Maschinen nur 400 mm. Im Maschinenraum sind an
jeder Seite 10 starke, versteifte Rahmenspanten angemessen verteilt und eine Reihe schwächerer
n
564 Abschnitt m. Schüfe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Rahmenspanten in den Kesselräumen und in den Kohlenbunkern. Zur Längsversteifung dienen
außer den Kielschweinen je i durchlaufender Seitenstringer etwa in der halben Höhe jeder
Bordwand, außerdem noch je 2 Seitenstringer in den Wänden des Maschinenraumsi die kräftigen
Deckstringerwinkel und das stählerne Deck aus Riffelblech selbst. Zur Querversteifimg sind
9 mit Winkeln verstärkte Schottwände, die Deckbalken und im Maschinenräume zwischen diesen
noch ein sehr kräftiger, aus Blechen und Winkeln zusammengesetzter Versteifungsträger (Ma-
schinenbalken) vorhanden, gegen den sich die Tatzen des Maschinengestells legen (vgl.
Abb. 420 bei a).
Die Gewichtsverteilung wird in der Regel so gemacht, daß der Schwerpunkt des Schiffes
100 bis 200 mm hinter der Schiffsmitte (Mitte der Länge zwischen den Loten] und die Kurbel-
welle, also die Mitte der Schaufelräder, 2 bis 3 m vor der Schiffsmitte liegen, während die Dampf<-
züinder nach hinten gerichtet sind. Da bei starken Radschleppern für die schweren Maschinen
eine große Wasserverdrängung nötig und der Schiffsraum mithin reichlich groß ist, macht die
zweckmäßige Verteilung von Kessel und Bunkern im allgemeinen keine Schwierigkeiten. Die
in unserem Beispiel dargestellte Einrichtimg hat sich als die zweckmäßigste herausgestellt. Der
12,8 m lange Maschinenraum ist beiderseits durch je eine Schottwand abgeschlossen, in der aber
eine wasserdichte Tür vorgesehen ist, damit der Maschinbt die in den anstoßenden Kessel-
räumen tätigen Heizer überwachen kann. In jedem der etwa 8,5 m langen Kesselräume ist je
ein Kessel [ä) frei aufgestellt, so daß er von allen Seiten zugänglich ist. Den Feuerungen gegen-
über sind dann die Kohlenbunker (i) angeordnet. Die übrig bleibenden Räume im Vorschiff und
im Hinterschiff sind zu Kajüten, Vorratsräumen u. dgl. verwendet. Auf Deck sind im Hinter-
schiff ein kleines Glashaus und an den nach vorne gelegenen Seiten der Radkastentrommeln
am Backbord eine Küche und am Steuerbord die Aborte errichtet.
Die Radkasten sind so gebaut, wie es früher beschrieben und dargestellt worden ist (vgL
Abb. 316). Die beiden großen Radkastenträger (/] sind in der Höhe der Befehlbrücke mit einander
verbunden und gegen die Bordwände in Richtimg der Schiffsachse abgesteift. Der hintere Rad-
kastenträger unterstützt mit einem dazwischen angeordneten Träger die Befehlbrücke, auf der
das Steuerhäuschen ig) aufgebaut ist. Unmittelbar darunter ist auf Deck zwischen den Ober-
lichtem des Maschinenraums die Dampfsteuerwinde aufgestellt, die vom Steuerhäuschen ans
bedient wird und auch für Handbetrieb eingerichtet ist.
Zum Festlegen der Schlepptaue oder Schlepptrossen (am Rhein >Stränge€ genannt) dienen
die starken aus Stahlblech gebildeten Poller (/], von denen beiderseits je 3 fest mit den Bord-
wänden verbunden sind. Die Trossen (für jedes angehängte Schiff eine besondere) gehen über
den versteiften Schleppbock (m), über den hinteren Kessel und dann über die Bügel (n), die im
Hinterschiff aufgebaut sind. Zum Aufholen der schweren, langen Trossen sind im Vorschiff
4 Dampftrossenwinden [w) mit gemeinschaftlichem Antrieb aufgestellt, wohin mittels Führungs-
rollen [u) die Trossen auf Deck geleitet werden. Sie werden in diesem Falle nicht an den
Pollem festgemacht, sondern durch besondere Trossenklemmen gehalten, die später beschrieben
werden sollen. Auf dem Vordeck befindet sich die Dampfankerwinde {v) mit Kettenkasten
darunter und am Bug beiderseits je ein starker Ankerkran.
In den Abb. 451 bis 456 sind verschiedene Anordnungen des Mittelschifis
mit den Maschinen und der Befehlbrücke dargestellt. Die Einrichtung nach
Abb. 451 und 452 ist jetzt bei den großen Radschleppern auf Elbe und
Rhein fast allgemein üblich und unterscheidet sich auch nur wenig von der
Anordnung auf dem vorbeschriebenen Schifte: Die Befehlbrücke ist an den
vorderen Radkastenträger geschoben und zwischen beiden Trägem mittschiffs
eine Steuerbrücke gebUdet, die aber auf der Elbe nicht mit einem Häuschen
überbaut werden kann, weil die geringe freie Höhe unter den Eibbrücken
das nicht erlaubt. Die Anordnung des Maschinenraums mit den beiden Deck-
lichtem und der dazwischen aufgestellten Dampfsteuerwinde dürfte deutlich er-
kennbar sein. Die vorne stehende Bockwinde dient zum Heben und Umlegen des
Kesselschornsteins. (Die dazu gehörende Maschine von 1000 PSi war bereits
:. Kraftschifle mil Duopfiaascbiiien, Dampfschiffe.
565
in den Abb. 419 und 420 dai^estellt. Das Schiff ist 72 m lang, 9 m breit,
3,85 m hoch und hat 1 m Tiefgang.)
Um den Maschinenraum, besonders bei wagerecht angeordnetem Deck,
höher und luftiger zu machen, hat man an Stelle der Oberlichter zuweilen
a Elbschleppers v
> PSi, Abb. 4SI und 451.
Abb. 451. LSDgsachnitt
■ Abb. 45a. Grundriß.
einen groQen Aufbau (a) über der Maschine ausgeführt, wie dies die Abb. 453
bis 455 von einem etwas älteren Elbeschlepper (67 m lang, 8 m breit, 3,3 m
hoch und i m Tiefgang] erkennen lassen. Innerhalb dieses Aufbaues sind
bequeme Gallerien und Treppen vorgesehen. Das Steuerrad ist vor dem
Aufbau [bei 1^] etwas erhöht über der Maschine angebracht worden. Das ist
nicht zweckmäßig, weil der Steuermann wenig Aussicht nach hinten hat.
566
AbscbniCt m. Schüfe nut eigener Triebkraft, KreftscbiiTe.
Dies SchifT ist übrigens, was früher öfter gewählt wurde, mit 4 Dampfkesseln
versehen, von denen je 2 vor und hinter der Maschine neben einander liegend
angeordnet sind (vgl. den Querschnitt Abb. 314).
Mittelschiff
Älteren Elbschleppcrs von 700 PSi, Abb. 453 bis 455.
Abb. 454. Grnndiiß.
Abb, 455. Lüngsschnirt.
Ähnliche große Aufbauten nicht nur über der Maschine, sondern auch
über den Kessela zeigen neuere große Donauschlepper, von denen in der
Abb. 456 ein Längenschnitt durch das Mittelschiff dargestellt ist'). Das auf
i) Suppan, Ober Schiffahrt auf seicblen Flüssen. Bericht zum achten internst. Schiff.-
Koi^;reü. Fans 1900.
2. Krafbsehiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
667
diese Weise entstandene große Oberdeck ist bis über die beiden Radkasten
ausgedehnt (vgl. den Querschnitt, Abb. 315). Etwa über der Maschine ist
ein Steuerhäuschen [g-] errichtet, wo das auf der Donau eingeführte so-
genannte Patentsteuer (Abb. 293) steht. Seitlich davon ist die Trossen-
winde (w) aufgestellt, von der das Schlepptau über den Schleppbock {m) nach
hinten geht. Beachtenswert ist bei diesem Schiffe, dass die Kessel {d) um-
gekehrt liegen, so dass ihre Feuerungen (und auch die Schornsteine) nach
dem Maschinenraum gerichtet sind. Die Kohlenbunker sind zwischen den
Kesseln und den Bordwänden angeordnet. (Das Schiff ist 60 m lang, 8 m
breit und hat i m Tiefgang.)
Die stärksten Radschlepper haben auf dem Rhein bei 1600 bis 1 700 PSi
eine Länge von 75 m, eine Breite von 9 m über den Spanten und 21 m über
den Radkasten, eine Seitenhöhe von 3,3 m und einen Tiefgang von 1,3 m;
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Abb. 456. Mittelschiff eines Donauschleppers von 600 PSi i : 220.
auf der Elbe bei 1000 bis 1 100 PSi eine Länge von 72 m, eine Breite von
9 m über den Spanten und 18,7 m über den Radkasten, eine Seitenhöhe von
2,9 m und einen Tiefgang von i m; auf der Weser bei 500 bis 550 PSi
eine Länge von etwa 57 m, eine Breite über den Radkasten von 12 m und
einen Tiefgang von 0,8 m. Der stärkste Schlepper auf der Donau (»Deutsch-
landc) hat bei 1000 PSi eine Länge von 63 m, eine Breite von 8,3 m über
den Spanten und 19 m über den Radkasten, eine Seitenhöhe von 2,98 m
und einen Tiefgang von 1,25 m. Der stärkste Schlepper auf der Wolga
(Abb. 457) hat bei 2000 PSi eine Länge von 74,5 m, eine Breite von 10,7 m,
eine Seitenhöhe von 4 m und einen Tiefgang von 1,6 m.
Die Personendampfer mit Seitenrädern waren die ältesten Dampf-
schiffe und in dem geschichtlichen Rückblick ist mitgeteilt worden, wie
sie bis zur Einführung der Eisenbahnen auf fast allen schiffbaren Binnen-
wasserstraßen die gleichzeitige Beförderung von Personen und Gütern ver-
568 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Krafischiffe.
mittelt haben. Seitdem hat die Benutzung von DampfschifTen für den Ge-
schäfts- und Durchgangsverkehr in Deutschland und Mitteleuropa fast ganz
aufgehört. Selbst der früher recht lebhafte Verkehr von Pcrsonendampfem
in den FluOmühdungen und Niederungen, namentlich zwischen Orten, die am
bequemsten auf dem Wasserw^e zu erreichen waren, hat jetzt nur noch die
Bedeutung eines Ortsverkehrs, da die Eisenbahnen allmählich überall hin-
Abb. 457. Scbleppthunpfer tait der Wolgi von 3000 PSL
gedrungen sind. Ein solcher Ortsverkehr besteht auch noch auf den meisten
großen deutschen Strömen, besonders in der Nähe großer Städte. At^esehen
von den oben erwähnten Schraubendampfem in der Nähe von Berlin, besteht
eine bedeutende Flotte von Personenraddampfern auf dem mittleren Rhein
und auf der oberen Elbe, die einen beträchtlidien Verkehr von Vergnügen
Abb. 438. Anordnung der Personendampfc
und Erholung suchenden Fahrgästen vermitteln. Außerhalb Deutschlands
sind femer die zahlreichen Raddampfer auf den schweizerischen und italieni-
schen Seen zu erwähnen.
Alle erwähnten Personenschiffe sind im allgemeinen nur für kürzere Reisen
eingerichtet. Die Anordnung hat sich etwa nach der in Abb. 458 skizzierten
Weise entwickelt. Da diese Dampfer gewöhnlich nur schwache Maschinen
bekommen, genügen meistens einer oder ausnahmsweise zwei neben einander
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 569
gelegte Kessel, die behufs guter Gewichtsverteilung in der Regel hinter
dem Maschinenraum angeordnet werden. Die Maschinen werden meistens
so aufgestellt, daß die Zilinder vor der Welle und diese sowie die Mitten
der Schaufelräder einige Meter vor dem Schwerpunkt, also vor der Mitte
liegen. Um an Raum zu sparen, werden die Maschinen möglichst kurz ge-
halten und die Kohlenbunker zwischen Kessel und Bordwänden eingerichtet.
Das Deck wird fast immer wagerecht gehalten und bekommt gewöhnlich
nur im Vorschiff einen kleinen Sprung, hinten selten. Es wird in der Regel
aus Holz gefertigt. Unter Deck ist die Einrichtung fast überall dieselbe:
hinten eine große Kajüte für die erste, vorne desgleichen iiir die zweite Klasse.
Neben den in der Längsachse angeordneten Treppen entstehen 4 kleinere
Räume, die in verschiedener Weise als Kajüten für die Besatzung, als Damen-
oder Rauchzimmer oder zu Wirtschaftszwecken verwendet werden. An den
beiden Enden des Schiffes sind noch Räume für die Mannschaft und zu
Vorräten u. dgl. vorhanden. Auf Deck werden in der Regel die Radkasten-
trommeln beiderseits mit Anbauten versehen, in denen die Küchen, die Ab-
orte, Kasse usw. untergebracht werden. Das Vordeck dient zur Aufnahme
von Gütern, Vieh und für die Fahrgäste zweiter Klasse ; das Hinterdeck wird
selbst in den einfachsten Verhältnissen stets mit einem Zelt überdeckt und
mit Bänken und Tischen iiir die Fahrgäste erster Klasse ausgerüstet. Um
Vor- und Hinterschiff wird entweder eine leichte Reling oder ein festes
Schanzkleid gezogen.
Diese einfachste Form ist in der vorstehenden Skizze mit schwarzen Linien
ausgezogen. Bei höheren Ansprüchen wird auf dem Hinterdeck ein mehr
oder weniger umfangreicher und vornehmer Aufbau errichtet, der meistens
als Speisesaal dient. Dann wird bei weiterer Entwicklung das Deck dieses
Aufbaues nach vorne verlängert bis zur Vorderseite der Radkasten oder auch
bis Aj wodurch ein geschützter Raum für Fahrgäste zweiter Klasse entsteht.
Diese Anordnung ist sehr beliebt und gibt den Vorteil, daß der Raum zwischen
den Radkasten ganz überdeckt ist und man die Oberlichter des Maschinen-
raums durch eine große freie Öffnung ersetzen kann, die mit einem Schutz-
geländer umgeben wird. Bei noch weiter gehenden Ansprüchen wird der
vordere Aufbau weiter nach dem Bug zu verlängert, das so entstandene voll-
ständige Oberdeck wieder mit Reling und Zelt versehen und schließlich zu-
weilen in seiner Mitte (über dem Maschinenraum) ein kleines Rauchzimmer
aufgebaut, auf dessen Deck die Befehlbrücke mit einem kleinen Häuschen
angeordnet wird.
Zuweilen findet man eine etwas andere Einteilung, namentlich auf den
schweizerischen Seen. Da die hintere Kajüte unter Deck wenig benutzt wird,
läßt man sie fortfallen und legt den Fußboden (D) und das Deck {E) des
hinteren Aufbaues entsprechend tiefer (gestrichelte Linien) Die Verbindung
mit dem hinteren Hauptdeck und mit dem Oberdeck über dem Mittelschiff
muß dann durch Treppenanlagen vermittelt werden.
570
Abschnitt in. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Oft wird das ganze Hauptdeck, von beiden Steven an gleichmäßig zu-
nehmend bis zu den Radkastenbalken verbreitert, um für die Schiffsmannschaft,
die Fahrgäste und unter Umständen auch für die Aufbauten mehr Raum zu
gewinnen. Die sich frei tragenden Teile des Decks werden dann durch Kon-
solen gegen die Bordwände abgestützt.
Ein Beispiel ist in den Abb. 459 und 460 mitgeteilt, die einen Personendampfer für den
Ortsverkehr in Budapest darstellen'). Dies auf der dortigen Werft der k. k. priv. Donau-Dampf-
schiffahrt-Gesellschaft gebaute Schiff ist 58 m lang, 6,5 m über den Spanten und 11,8 m über
den Radkasten breit, 1,9 m bis zum unteren Deck hoch und hat einen Tiefgang von 0,95 m.
Bug und Heck sind ganz gleich gebaut und beide mit einem Ruder versehen, so daß man ohne
zu wenden nach beiden Richtungen fahren kann. Der mittlere Teil des ganzen Schiffes ist in
Eisen bis zu 2,9 m Höhe über dem Boden fest überbaut, so daß der Maschinenraum und die
Kajüten darunter Platz finden. Auf dem Hauptdeck befinden sich einige kleinere Aufbauten, in
Abb. 459 und 460. Personendampfer mit 370 PSi für den Ortsverkehr in Budapest
denen auch die Treppen untergebracht sind, während der Raum für die beiden Steuerwinden
auf dem Deck über dem Maschinenraum-Überbau angeordnet ist. Die Maschine leistet etwa
365 Pferdestärken.
Alle Aufbauten der Personendampfer werden in der Regel, mit Ausnahme
der Deckbalken, ganz aus Holz mit mehr oder weniger künstlerischer Aus-
schmückung hergestellt. Die Decken der großen Säle werden durch Unter-
züge und Säulen gestützt. Die Steuerwinde wird gewöhnlich auf dem oberen
Deck bei B oder bei C (Abb. 458) aufgestellt und mit einer Schutzwand
(Steuerschirm) mit oder ohne Dach versehen. Der innere Ausbau der Kajüten
richtet sich nach dem Geschmack des Bestellers und den Ansprüchen der
Fahrgäste.
1} Bela von Gonda, Die ungarische Schiffahrt. Budapest 1899.
3. Kraflschifie mil Dunpfnusehiaei), DunpfscbiiTe. 571
Auf dem Rhein haben besonders die vereinigten Kölnische und Düssel-
dorfer Gesellschaften es verstanden, durch vornehm und behaglich ausgestattete
Räume und treffliche Verpflegung die Reisenden anzuziehen. Ihre Schiffe
sind immer großer und schneller geworden.
Id Abb. 46t ist der im Jahre 1899 von Gebr. Sacbsenberg erbaute ScfaDelldimpfer iKaiserin
Auguste Viktori«« dargestellt, der zwischen den Loten 83 m lang, über den Spanten 8,2 m und
über den Radkasten i;,3 m breit, »,g m hoch ist und eineD Tiefgang von 1,17 m hat. Das
Schilf hat scharfe Formen fVölligkeitsgrad a = 0,73 und (f = 0,634; und legt mit lajo Pferde-
starken der Verbundmaschine [Abb. 417 u. 418) in regelmäl^iger Fahrt den Weg von Köln bis
Mainz in 11,5 Stunden zurück. Znr Ersparnis an Raum und Gevieht sind 4 Wasserrobrkesael
nach der Bauart Dürr verwendet worden. Neben der etwa in gleichen Abmessungen und zu
Abb. 461. Personendampfer •Kaiserin Auguste Viktoria< auf dem Rhein mit 1250 PSi.
gleicher Zeit itt Holland gebauten »Borussia« ist es das glänzendste und schnellste SchÜT auf
dem Rhein. Im Jahre 1911 werden zwei neue Schnelldampfer (>Kaiser Wilhelm II.' und
"Blücher«) in Dienst gestellt werden, die von Gebr. Sachsenbei^ gebaut sind und nahezu
gleiche Abmessungen und die gleiche Maschinen starke erhalten haben. (So und 8z m lang,
8,5 m breit und etwa 1,1 m Tiefgang.)
Die Sächsisch-Böhmische Gesellschaft in Dresden, über die im geschicht-
lichen Rückblick [S. 118] einige Mitteilungen gemacht worden sind, ist gleich-
falls unablässig bemüht, ihre Personendampfer den heutigen erhöhten An-
sprüchen anzupassen. Sie arbeitet aber unter schwierigeren Verhältnissen,
weil bei den geringen Wassertiefen der oberen Elbe ihre Schiffe keinen
größeren Tiefgang als 0,6 bis höchstens o,gm haben dürfen und darum in ihrem
Gewicht so viel als möglich beschränkt werden müssen. Auch erlauben die
572 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftsctüffe.
Krümmungen des Stromes und die kleine Fahrwasserbreite nur die Verwen-
dung von verhältnismäQig kurzen Schiffen.
Im Jahre 1900 hat die Gesellschaft einen schönen großen Dampfer «Kaiser Wilhelm II.>
in Betrieb gestellt (Abb. 461), der zwischen den Loten 57,15 m lang, über den Spanten 5,25 m nnd
über den Radkasten 11,1 m breit, 2,37 m hoch ist und einen Tiefgang von 0,6 m in leerem nnd
von 0,91 m in beladenem Znstande hat. Er ist mit großem Aufbau im Mittelschiff nnd Ober-
deck versehen, aber nicht so scharf gebaut wie die vorenrRhnten RbeinschiSe (der Völligkeits-
grad ä ist 0,771]. Mit 243 PferdesUrken soll er eine Geschwindigkeit von etwa io km (Mittel
ans Berg- und Talfahrt) erreichen und kann Sjo Personen aufnehmen. Die Gesellschaft baut
ihre Schiffe auf der eigenen Werf) in Laubegast.
Auf der mittleren und unteren Donau hat die Erste Donau-Dampf-
schißahrt'Gesellschaft etwa 50 Jahre lang einen bedeutenden durchgehenden
Personenverkehr vermittelt (vgl. S. 143), der aber seit etwa 20 Jahren Infolge
des Wettbewerbs der orientalischen Eisenbahnen langsam abnimmt. Auch
Abb. 462. Personendampfer «Kaiser Wilhelm II.i auf der oberen Elbe mit 340 PSi.
andere später entstandene Schiffahrtgesellschaften haben an diesem Geschäft
teilgenommen. Es ist dazu eine große Zahl schöner und schnellgehender
Raddampfer gebaut worden, die mit den für weite Reisen erforderlichen Be-
quemlichkeiten, Schlafräumen u. dgl. ausgerüstet sind.
Abb. 463 zeigt ein kleines Bild von einem im Jahre 1895 auf der Werft >Dannbius< in
Budapest erbauten Dampfschiffe •Franz Josef I.«, das der Ungarischen Fluli- und Seeschiffahrt-
Aktiengesellschaft gebort. Es ist 75 m zwischen den Loten lang, 7,7 m über deo Spanten nnd
15 m Über den Radliasten breit, 3,7 m hoch Und hat mit Kohlen und 200 Fahrgästen einen mitt-
leren Tiefgang von 1,3 m; doch bietet das Schiff für 900 Fahrgaste und noch etwa 500 t Güter
genügenden Raum, Der Völligkeilsgrad der Wasserverdrängung (iT] beträgt 0,70. Die Maschine
von 840 Pferdestärke n gibt dem vorne scharf gebauten Schiffe bei gutem Wasserstande auf der
Strecke zwischen Bazias und Belgrad bei der Bergfahrt eine Geschwindigkeit von 2Z km und
bei der Talfahrt eine solche von 31 km je Stunde, im Mittel also 26,5 km. Bemerkenswert ist,
daß man zur Raumersparnis zwei nebeneinander liegende Doppelkessel mit 2 Schornsteinen ge-
wühlt hat. Die Kessel liegen im VorschiiT, vor dem Maschinenraum, so daß die Mitte der
ScbaufelrSder sich hinter der Mitte und hinter dem Schwerpunkt des Schiffes befinden. Das
findet man auf der Donau hau5g. Das Steuerhäuschen ist auf dem Oberdeck des Vorschiffs
aufgestellt
Anders wie die Donau bildet die Wolga noch heute eine sehr belebte
Wasserstraße, deren Personenverkehr durch die Eisenbahnen nicht merklich
3, KraftschifTe mit Dampfmaschinen, Dunpfschiffe. 573
beeinfluOt worden ist. Es bestehen dort lo große Schiffahrtgesellschaften,
die mit zusammen mehr als 200 großen Dampfschiffen einen regelmäOigea
Betrieb unterhalten. Alle diese gfroDen Raddampfer dienen gleichzeitig zur
Beförderung von Gütern, die meistens unter dem Hauptdeck verstaut werden,
während sich die fUr die Fahrgäste erforderlichen Schlaf- und Wohnräume
Abb. 463. Peraonendunpfet >FranE Josef I.< auf der Donau mit 840 PSI.
in mehr oder weniger ausgedehnten Aufbauten befinden. Fast alle Schiffe
sind mit einem Oberdeck versehen, auf dem die Kajüten für die erste und
zweite Klasse errichtet sind, während die dritte und vierte Klasse auf dem
Hauptdeck untergebracht sind. Es ist (lir weitgehende Bequemlichkeit gesorgt,
überall hndet man elektrische Beleuchtung, Baderäume, eine Apotheke und
Abb. 464. Dampfer >Marie Theodorowna« ant der Wolga mit 950 PSi.
eine Bücherei. Es werden meistens weite Strecken von den Fahrgästen
zurückgelegt: es dauert z. B. eine Talfahrt von Nishnij-Nowgorod bis Astrachan
5 7. bis 6 Tage und die Rückfahrt zu Berg 6 '/, bis 7 Tage.
In der Abb. 464 ist der Dampfer •Kaiserin Maria Theodorowna« dargestellt, der 85 m lang
ist und 950 Pferdestärken hat, und in Abb. 465 sieht man iinks neben einer schwimmenden Halte-
stelle den Dampfer • Feldmarsch all Ssuworoff. liegen, der 87,2 m lang ist. 1500 PferdestSrken
bat nnd 1400 Fahrgäste auüiehmcn kann. Diese Bauart ist allgemein verbreitet und vielleicht
574 Abschnitt IQ. Schiffe mit eigener Triebkraft, Krafbchiffe.
besonders deutlich aus der Abb. 466 lu ersehen, die den Dampfer >Graf Leo Tolstoi' darstellt.
Die Dampfer sind aus Stahl und Eisen gebaut; aber die Mehrzahl der russischen Dampfschiffe
wird heute noch aus Holz hergestellt.
In Abb. 467 ist ein auf dem Nil verkehrender Raddampfer dargestellt'),
der vorwiegend dem Verkehr von Vergnügungsreisenden dient und in seinem
Abb. 465. Dampfer iFeldmarscball Szuworoffc auf der Wolga mit 15CO PSi.
Aufbau eine gewisse Ähnlichkeit mit den Wo^^ascbiffen zeigt. Auch auf
dem Tigris gibt es eine Reihe stattlicher Raddampfer, die im Auftrage der
türkischen Regierung zum größten Teil von John Cockeriil auf der Werft
in Antwerpen gebaut wurden.
Abb. 466. Dampfer >Leo Tolstoii aaf der Wolga.
Im Jahre 1908 smd i. B. zwei Schiffe in Dienst gestellt worden, die €4111 iwischen den
Loten lang, 10,67 ni Jtber den Spanten und 18 m Über den Radkasten breit, 1,87 m hoch sind
und einen Tiefgang von 1,3z m haben. Sie sind in gleicher Weise mit 1 Ut>ereinander liegenden
Decks gebaut wie die vorbeschriebenen Schiffe. Die eigentiimliebe Anordnung der einzeln be-
weglichen SchaufelrSder wurde auf 5. 542 erwShnt. Die Dampfer erreichen mit S50 Pferde-
stlrken in stillem, tiefem Wasser eine Geschwindigkeit von 33,3 km je Stunde, sollen aber
nebeubei auch zum Schleppen benutzt werden.
1] Zeitschrift für BinnenschilTahrt 190S.
2. KnfCschiffe mit Dunpfinaschincn, Dwoip^hiffe. 576
Ebenso verkehren auf den indischen und chinesischen Strömen große
Personenraddampfer, über die nähere Nachrichten nicht vorli^en.
In hervorragender Weise haben sich die Raddampfer auf den Strömen
Nordamerikas entwickelt
Abb. 467. Dampfer »Egyptc «of dem Nil.
la Abb. 46S<) Ut der Dampfer >Pilgrim' dai^estellt, der im Jahre 1883 fdr die Fahrt auf
dem Hudson zwischen New'York und Albany gebaut wurde. Er Ul über alles 119 m laog, über
den völlig Qberbauten Radkasten 26,8 m breit, 4,67 m hoch und hat eiae Maschine von
5300 Pferdestttrlieo. Diese ist nach Blterer amerikanischer Sitte (»gL S. 154) mit stehendem
Zilinder mid oben liegendem Balancier angeordnet, den man auf dem Bilde deutlich Über das
oberste Deck hervorragen sieht. Diese Maschinen boten die großen Vorteile, daß die ZUbder
Abb. 468. Dampfer >Pilgrim< auf dem Hudson mit S5ot> PSi.
sich sehr wen^ abnutiten, daß der Gang der Maschinen TUbig und gleichmäßig var und daß
die ganie Anli^e in der Schiffsmitte wenig Raum erforderte. Die SchanfelrBder mit festen
Schaufeln haben sehr große Durchmesser, II bis 13 m, und geben den Schiflen mit wenig Um-
drehungen [17 bis 23] große Geschwindigkeiten von aS bis 30 km je Stunde. Die Aufbauten
sind denen der Wolgaschiffe ühniich, aber mit noch mehr Fracht und Behaglichkeit ausgestattet.
In dieser Beziehung ist man in Amerika immer weiter gegangen. Abb, 469=) zeigt ein neueres
Schiff >Adirondack<, das gleichfalls auf dem Hudson verkehrt und mit 4 übereinander liegenden
1) Aus Rtthlmann-Flamm.
3) Aus Suppan, Wasserstraßen und Binnenschiffahrt.
576 AbsEhnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Decks versehen ist. Beachtenswert ist der groQc >uf dem BÜde erkennbare Versteifungstrilger
mit oberer gekrümmter Gartung, der früher (vor 1880), als man die Schiffe in der Regel noch
ans HoU baute, in Amerika sehr Üblich war und auch in Deutschland zuweilen angewendet
«orde. Die SchaufelrSder haben einen ttußeren Durchmesser von 10,5 m und die Schaufeln
von je 4,35 m Breite und 1,5 m Höbe sind aas gekrümmtem Stahlblech beweglich hergesietlL
Abb. 46g. Dampfer >Adiroadack< auf dem Hudson mit 7700 PSL
Abb. 470. Dampfer iFriscillai mit 9000 PSi auf dem Hudson.
Bei 23 UmdrehUDgen und einer MaschinenleLitung von 7700 Pferdestärken wurde bei der Probe-
fahrt eine Geschwindigkeit von 34 km je Stunde erreicht. MiCle der neuiuiger Jahre wurde die
•Piiscillai in Dienst geslelll, ein Schiff von ganz besonderer Fracht und Größe, das nach euro-
plischer Art mit einer schräg liegenden Maschine ausgerastet worden isl. Es ist »wischen den
Loten 129,2 m und Über alles 134,4 m lang, über den Spanten 16 m und über den Radkasten
38,4 m breit, 6,3 m hoch und hat einen Tiefgang von 3,8 m (Abb. 470)')- B« einer Probefahrt
I) Aus RUhlmann-Flamm,
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, DampfschifTe. 577
erreichte das SchüT mit 23 Umdrehungen je Minute und 9000 Pferdestärken eine Geschwindigkeit
von 37 km je Stunde. Es bt aber zu beachten, daß diese Probefahrten stets in sehr tiefem
Wasser stattgefunden haben.
Auf dem Mississippi und auf den großen Seen verkehren ähnlich gebaute große Radschiffe.
Es war schon darauf hingewiesen, daß die meisten Personenraddampfer
in größerem oder kleinerem Umfange zugleich der Güterbeförderung
dienen. Da in Deutschland der Personenverkehr meistens nur im Sommer
während der günstigen Jahreszeit stattfindet, werden die Schiffe im allge-
meinen wenig ausgenutzt. Aus diesem Grunde haben z. B. die Vereinigten
Kölnische und Düsseldorfer Dampfschiffahrt- Gesellschaften eine Reihe von
Raddampfern (bis zu 750 PSi) gebaut, die nur zum Teil mit vornehm aus-
gestatteten Aufbauten für die Fahrgäste versehen sind und deren Schiffs-
raum nur zum Teil zu Kajüten verwendet, im übrigen jedoch als Laderaum
eingerichtet ist, so daß diese Schiffe (Halbsalondampfer genannt) außerhalb
der Reisezeit in zweckmäßiger Weise als Güterdampfer benutzt werden
können. Andere, lediglich fiir den Güterverkehr bestimmte Raddampfer
werden am Rhein jetzt nur selten gebaut. Aber auf der Elbe, deren
Wassertiefe im mittleren und oberen Laufe iiir Schrauben noch nicht genügt,
besteht ein lebhafter Verkehr von Eilgüterdampfern mit Seitenrädern
zwischen Hamburg und Dresden und noch weiter hinauf bis Laube-Tetschen.
Die »Vereinigten ElbschifTahrt-Gesellschaften« in Dresden besitzen eine
Reihe von Güterdampfern mit Seitenrädern, die zur Bergfahrt von Hamburg
bis Magdeburg 2 7a> bis Dresden 5 Tage brauchen und dabei, je nach dem
Wasserstande, besonders auf den unteren Strecken noch 2 bis 4 Lastschiffe
schleppen.
In den Abbildungen 471 bis 473 ist ein im Jahre 19 10 auf der Werft Uebigan gebauter
Güterdampfer dargestellt, der eine Lilnge von 67 m zwischen den Loten, eine Breite von 7,4 m
über den Spanten und 13,65 m über den Radkasten, eine Seitenhöhe von 3,1 m und ohne Ladung
mit 2$ t Kohlen einen Tiefgang von 0,8 m hat. Die Völligkeit der Verdrängung ist 0,88 und
die der obersten Wasserlinie 0,91. Bei einer Tauchtiefe von 1,2 m beträgt die Tragfähigkeit
182 t und bei 1,45 m 300 t. Der Wirkungsgrad der Räder, die einen äußeren Durchmesser von
3,74 m und je 8 gekrümmte eiserne Schaufeln von 2,5 m Breite und 0,77 m Höhe haben, dürfte
aber bei größerem Tiefgang als 1,2 m schnell abnehmen, weil dann die Schaufeln sehr tief
eintauchen.
Der filr Maschine, Kessel und Kohlenbunker (1) beanspruchte Raum betritt nur 9 + 6 -J- 2,5
= 17,$ m Länge, während 37,5 m der Schifislänge für 4 Laderäume benutzt sind, von denen je
2 im Vorschiff und im Hinterschiff liegen. Sie sind durch je eine Schottwand (a) getrennt, über
denen in eisernen Köchern die Lademaste stehen. Die 4 Luken sind 4,5 • 3,5 m groß. Das
Deck ist mittschiffs wagerecht bis zu den Lademasten und fällt von dort nach dem Vorsteven
um 0,3 m, nach dem Hintersteven um 0,5 m. Am Vorschiff wie am Hinterschiff sind Schanz-
kleidungen und längs der Laderäume offene Relinge angeordnet. Die Dreifach-Expansionsmaschine
entwickelt bei einer Dampfspannung von 15 kg, einer Füllung von 0,55 und 30 Umdrehungen 400 PSi.
Die beiden nebeneinander liegenden Kessel haben zusammen 150 m^ Heizfläche. Der Kohlen-
verbrauch ist 0,8 kg.
Die über den Radkasten angeordnete Befehlbrücke (Abb. 473] liegt in der Mitte des Schiffs
nur 1,4 m über dem Deck. Sie ist darum an den Seiten unterbrochen, um an den Radkasten
1,9 m hohe frei Durchgänge zu gewinnen. Die Dampfsteuerwinde steht auf dem Deck, kann
aber auch von dem auf der Befehlbrücke aufgestellten Steuerhäuschen (^) bedient werden. Bei
Teubert, Binnenschiffahrt. ^7
2. Kraftschiffe mit Dampfniaschinen, Dampfschiffe.
579
k* /\ — ^i
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— 2.Ö — Vi
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Abb. 473. Güterdampfer mit Seitenrädern, Querschnitt i : 100.
den Lademasten sind Dampfladewinden angeordnet. Zum Schleppen sind mittschiffs auf Deck
besondere Poller (/), hinter dem Kessel der Schleppbock (m) und über dem Hinterschiff die
Schleppbügel (n) angebracht. (Dies weicht von der üblichen Einrichtung ab; vgl. S. 587.)
Auch auf der oberen Donau verkehren solche Güterdampfer mit Seiten-
rädern (170 t Tragfähigkeit bei 1,5 m Tiefgang mit 500 PSi).
Heckraddampfer.
Über die Heckraddampfer älterer Art und die heute noch auf ungeregelten
Flüssen in den Kolonien üblichen leichten Schiffe ist bei der Besprechung
des Heckrades selbst (S. 450) einiges mitgeteilt worden. In Deutschland
werden Heckräder vorwiegend bei Schleppdampfern gewählt, die auf
seichten Flüssen verkehren und Schleusen von beschränkter Breite durch-
f^ren sollen.
In den Abbildungen 474 und 475 ist ein neueres Schiff dieser Art dargestellt, das im
Jahre 19 10 auf der Werft von Cäsar Wollheim in Breslau gebaut ist. Es ist 50 m zwischen den
Loten und 52 m über alles lang, 7,84 m über den Spanten, 8 m über den Scheuerleisten und
8|2 m über den Radkasten breit, 2,25 m hoch und hat mit 20 Tonnen Kohlen einen Tiefgang
von 0,9 m. Mit diesen Abmessungen ist es noch möglich, die wichtigsten Schleusen der mär-
kischen Wasserstraßen zu durchfahren. Die Form des Vorschiffs ist sehr völlig: Der Bug ist
über Wasser fast ein Halbzilinder, unter Wasser löffelförmig, ähnlich wie die Linienrisse Abb. 234.
Das Heck hat die schon oben (S. 453} beschriebene Form. Der VöUigkeitsgrad der Wasserverdrän-
gung (&) ist 0,838, der der obersten Wasserlinie (a) 0,86, das Mittelschiff hat gleichlaufende senk-
rechteWände mit abgerundeter Kimm. Der Schiffsboden besteht außer dem Maschinenraum durch-
weg aus gleich hohen Bodenwrangen in gleichem Abstände von 550 mm, die unter den Kesseln
verstärkt sind. An jedem vierten bis sechsten Spant sind Rahmenspanten angeordnet und die mit
diesen verbundenen Wrangen laufen querschiffs durch, während die übrigen am Mittelkielschwein
gestoßen sind. Außer diesem Mittelkielschwein sind noch 2 vollständige Kielschweine vorhanden.
Die Querversteifung wird außer den Rahmenspanten durch 6 Schottwände [a) bewirkt. Die bei
37*
580
diesen Schiffen sehr wichtige
Längsversteiftmg wird neben der
Blechhaut und dem stählernen
Deck besonders durch die 3 er>
wähnten Kielschweine , durch
3 Deckunterzüge, durch je einen
Seitenstringer an Backbord und
Steuerbord und vor allem durch
ein durch Winkel verstärktes
Mittelschott erreicht, das in
der Längsachse zwischen dem
Maschinenraum und dem Kessel-
raum angeordnet und mit dem
mittleren Kielschwein und dem
mittleren Deckunterzug verbun-
den ist Anschliei^end an dieses
Mittelschott ist sowohl im Ma-
schinen- wie im Kesselräume
unter dem Unterzug noch ein
starker Träger befestigt, der
durch Schrägstäbe ans Winkeln
und LJ -Eisen gegen den Boden
abgesteift wird. Zur weiteren
lüngsversteifimg ist im Mittel-
schiff beiderseits der 6 mm
starke Schergang 300 mm hoch
über Deck hinaufgeführt und
dient zugleich als Schanzkleid.
Im Vor- und Hinterschiff schlie-
ßen sich daran leichte und zum
Teil höher gebaute Schanzklei-
der an. Auf dem niedrigen
Schanzkleid ist eine leichte
Reling angebracht. Zum Ge-
wichtsausgleich bei geleerten
Bunkern ist im Vorschiff ein
Wasserballastraum ( ^) von 10 1
Inhalt vorgesehen; zwischen den
beiden vordersten Schotten lie-
gen unter Deck die Kajüten für
die Bootsleute und Heizer; zwi-
schen den beiden folgenden
Schotten befinden sich die bei-
den Kohlenbunker (i); daran
schließen sich ein Laderaum
{L) und 4 weitere Kajüten auf
jeder Seite des durch Türen
durchbrochenen Mittelschotts.
Es folgt dann der große Ma-
schinenraum mit dem Schwanz-
ende des Schiffskörpers und
den Radkasten, deren Bauart
oben (Abb. 322 bis 324J darge-
stellt bt.
Auf Deck ist im Vorschiff
über dem Laderaum ein 1,9 m
hoher Aufbau aus versteiften
Blechen angeordnet, in dem in der
Längsachse die Dampfsteuerwinde uif-
gesCellt ist, wUrcnd «Ich daneben
Küche, Lampenramn und Aboit befin-
den. Auf dem Deck des Aufbaues ist
die Befehlbriicke {g) eingerichtet, von
der ans auch dos Dampfsteuer gehand-
habt werden Icann. Unmittelbar hinter
diesem Aufbau befinden sich die
Vorrichtungen inr Befestigang der
Schlepptrosse, die durch die Dampf-
troisenwinde liii] aufgewickelt werden
kann. Sie ist um z auf schrtgem
Unlerbau in der Lkngsachse angeord-
nete Schlepp oller geschlungen und
wird dahinter durch eine Trossen-
Iclemme mit Spindel festgehalten.
Dann geht das Schlepptau über den
Schleppbock im] und die Bügel («) «m
Heck aber Bord. Am Bog beündet
sich eine Dampfankerwinde mit x Ket-
tenscheiben oebst 2 Ankerkranen und
auf dem Hinterdeck eine Handanker-
winde [v] für einen Heckanker.
Die Dreifach- Expansionsmaschine
von 1,4 m Hub leistet bei 0,63 Fül-
lung und. 41 Umdrehungen mit 15 kg
Dampfspannung 715 FferdestSrkea.
Der KohJenverbrauch betragt o,S3 kg.
Die beiden Kessel (rf) haben lusawmen
305 m' Heilflache.
Solche Heckradschleppdampfer
verkehren besonders auf der Elbe, auf
der unteren Havel und auf der Oder.
' Wenngleich sie, wie schon bemerkt,
durch die mlrldschen Wasserstraßen
bis Berlin gelangen können, werden sie
dort doch in der Regel nicht benutzt,
weil sie bei ihrer großen Maschinen-
Stärke nur im Strom angemessene Ver-
wendong finden. Die für die markischen
Wasserstraßen bestimmten SchleppzUge
werden ihnen bei Rathenow oder Filr-
stenberg a. O. meistens von kleineren
Schraubendampfem ibgen
In neuester Zeit ( 1 9 1 1 ] sind
von Cäsar Wollheim noch stär-
kere Heckrad -Schleppdampfer
bis zu 900 PSi in ähnlicher
Anordnung gebaut worden, die
bei 55 m Länge in den Span-
ten 8,8 m und über den Rad-
kasten 9,4 m breit sind und
582 Abschnitt III. Schüfe mit eigener Triebkraft, KraftschifTe.
einen Tiefgang von 0,97 m haben. Die Vierfach-Expansionsmaschine dieser
Schiffe war schon erwähnt worden (S. 545).
Die Abbildungen 476 and 477 zeigen einen Güterdampfer mit 3 Hinterridem. In dieser
Art sind im Jahre 1911 bereits 3 von der Norddeutschen Maschinen- und Anoaturcn - Fabrik
(Att&sirerke) in Bremen für die Oberweser und die Fulda gebaut norden. Das Schiff ist
zwischen den Loten $7 m lang, auf den Spanten 7,8 m breit und 1,2 ro hoch. Der Tiefgang
beti^t bei 350 t Ladung 1,1 m. Die Anordnung der Hecki^er unterscheidet sich wesentlich
.^bb, 47S. Russischer Heckraddampfer.
von der sonst üblichen, indem das zwischen den Rüdem Hegende Schwanzstück in einer Breite
von 4,35 m am fast S m von der Radwelle nach hinten verlängert worden ist. Dadurch Ist so-
viel WasserverdrSngung gewonnen, daß man den Kessel [d] und die Kohlenbunker {fl in den
Maschinenraum legen konnte. Zum nötigen Ausgleich ist im Vorschiff zwischen dem vordersten
Laderanm nnd der MannschaftskajUle in ganzer SchÜlsbreite ein Wasserball astnum (von 0,5 m
Linge] angeordnet. Für den Betrieb bietet diese Einrichtung den großen Vorteil, daß bei der
gemeinschaftlichen Bedienung von Kessel
und Maschine mindestens ein Mann ge^
spart wird und außerdem die Wirmever-
Inste In der langen Dampfleitung fort-
fallen. Die Radschaufeln haben aber nur
eine Breite von 1,5 m (bei einer Höhe
von etwa 0,6 m) erhalten können, was
z. B. ftlr starke Schleppdampfer nicht
ausreichen würde. Die Verbundmaschine
von iSo PSi gibt dem Schiffe eine Ge-
schwindigkeit von 14 km in stillem,
Abb. 419. EuisiKbit H=ckr.dd.mpfcr. (,,„ „„„ j L.dtrtlumi befind™
sich vor dem Maschinen- und Kessel-
raum und einer ganz hinten am Heck. Neben diesem ist das Deck auf Konsolen bis zur
AulJenlinic der Radkasten ausgekragt.' Die Kajüte fUr den Schiffsftthrer ist vor dem Kessel
erbaut und um 0,5 m in den Laderaum versenkt. Vor der Kajüte steht das HSuscben {^ für
die Dampfsteuerwindc, die auch vom Stande des Scbiffsfüfarers, auf dem Deck der Kajüte, be-
dient werden kann.
Bemerkenswert ist das Bugruder [i], das nach Bedarf vom Vordeck aus an dem Vorsteven
befestigt und durch eine Pinne gehandhabl wird. Diese Anordnung findet sich in Umticber
Weise auch bei anderen Weserdatnpfem,
2. Kraftschiffe mit Dampfmascbinen, Dampfschiffe.
583
Ti
Zur Personenbeförderung werden in Deutschland die Heckrad-
dampfer kaum benutzt. Die Abb. 478 und 479 zeigen zwei russische Schiffe
dieser Art, die allerdings auch dort nicht sehr verbreitet sind. In Amerika
sind Heckraddampfer aber sehr beliebt und werden zu allen Zwecken benutzt.
Der Bau des Schiffskörpers der Dampfschiffe unterscheidet sich
grundsätzlich nicht von dem der eisernen Lastschiffe, wie er früher be-
schrieben wurde, soweit nicht die Anbringung der Fortbewegungsmittel
besondere bauliche Einrichtungen, wie Radkasten, Tunnel u. dgl., fordert.
Aber zur Verteilung der schweren Einzellasten, namentlich der Kessel und
Maschinen, auf den ganzen Boden und zur Übertragung der StöOe der Ma-
schinen und der dadurch hervorgerufenen Schwingungen auf den ganzen
Schiffskörper sind gewisse Verstärkungen notwendig. Bei der Beschreibung
einzelner Dampfschiffe sind diese An-
ordnungen schon zum Teil erwähnt
worden.
Unter den Maschinen- und Kessel-
räumen werden die Kielschweine ver-
stärkt und die Bodenwrangen in klei-
neren Abständen verlegt oder höher
und kräftiger im Querschnitt gemacht.
Die Unterbauten (Fundamente) der
Maschinen werden als kräftige ge-
nietete oder gewalzte Träger mit dem
so verstärkten Boden fest verbunden.
Die Bordwände werden durch kräf-
tigere Spanten (mit Gegenspanten)
und durch Rahmenspanten verstärkt.
Außerdem muß in jedem Maschinen-
und Kesselraum wenigstens ein Raum-
stringer etwa in der Mitte der Bord-
wände angeordnet und mit Fächer-
platten gut mit den Rahmenspanten verbunden werden (Abb. 480 u. 481).
Die Bauvorschriften des Germanischen Lloyd geben dafür nähere Anweisungen.
Große Dampfschiffe, besonders die starken Radschlepper, bekommen im Ma-
schinenraum mehrere Raumstringer übereinander (vgl. Abb. 316, wo außer
den 3 Raumstringern auch die erhöhten Bodenwrangen ersichtlich sind). Eine
weitere Aussteifung des Maschinenraums dieser Schiffe erfolgt durch den be-
reits erwähnten Maschinenbalken {a in Abb. 420) und zuweilen verstärkt man
auch die Deckstringer und den Schergang der Außenhaut in der Länge des
Maschinenraums. Auf die Längsversteifung der Heckraddatnpfer durch ein
Mittelschott u. dgl. war bereits hingewiesen.
Auch die Ausrüstung der Dampfschiffe unterscheidet sich nicht wesent-
lich von der Ausrüstung der Lastschiffe hinsichtlich des Ankergeschirrs, der
^
Abb. 480. Abb. 481.
Verbindung des Raumstringers mit dem
Rahmenspant.
684 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, KraftschifTe.
Fafarbäume und Stangen, der Handkähne (die bei den Dampfern meistens
mittels »Davits« aufgezogen oder auf Deck genommen werden), Rettungs-
ringe, Wasserbehälter, Laternen, Flaggen u. dgl. Wenn man auf den Dampf-
schiffen Mäste aufstellt, dienen sie entweder zur Befestigung von Flaggen
oder als Lademaste, wie bei einigen vorbeschriebenen Beispielen. Dort war
auch bemerkt worden, daO zuweilen sowohl die zum Löschen und Laden
nötigen Winden, als auch die Ankerwinden durch besondere kleine Dampf-
maschinen angetrieben werden.
Abb. 48z. DamprsteuerwiDde mit liegenden Zilindern.
Etwa seit 1888 ist die Benutzui^ des Dampfes zur Bew^ung des Ruders
bei vielen Dampfschiffen der BinnenschiflTahrt eingeführt. Durch die Dampf-
steuerwinden wird eine nicht nur leichtere, sondern auch genauere und
sicherere Lenkung des Schiffes erreicht. Schraubendampfer brauchen verhält-
nismäßig kleinere Ruderblätter und darum auch schwächere Steuermaschinen
als Seitenraddampfer.
In Abb. 483 bl eine solche Wind« [Bituart Ucbigau) daigestellt: Zwei IJeine wagerecht
liegende Dunpfiilinder [a] von Sj bis t20 mm Durchmesser und loo bis lao mm Hab wirken
auf eine gemebsame Karbelwelle, die durch ScbraubcnUbersetiung (*| die Welle (/] und weiter
durch Zahnradübertragung die Trommel [i") bewegt, um <üe mittels Fuhrungs rollen (</} die Kette
der Steucrleltang (meistens nach Gallescher Bauart] geschlungen ist. Durch Drcbung des Hand-
rads (g] nach rechts oder links werden die beiden Maschinen gleichzeitig un^esteneit. Auf der
Welle (/) ist eine AusrBckvorrichtung angebracht, so daß man mit dem Handrade nnmiltelbar
die Trommelwelle bewegen kann.
2. KTBftschifie mit DampfrnaschineD, Dunpfechifie. &85
Die Winde kum in verschiedener Weise auch mit unten liegenden oder mit stehenden
ZUindem angeordDet werden. Abbildung 4S3 zeigt senlcrechte blinder. Dabei sind 2 Hand-
üder angeordnet: Mit dem größeren kann man ohne Dampfkraft unmittelbar die Winde tie-
dienen, vrlhreDd das kleinere die Dampfmaschinen umsteuert.
Wie bei den einzelnen DampfschifTen schon erwähnt wurde, wird diese
schwere Winde meistens unmittelbar auf Deck angebracht und darüber, im
Steuerhäuschen oder auf der Brücke, noch ein sogenannter Brückenständer,
durch den man mittels Handrads, Kegelräder und senkrechter Welle auch
Abb. 4E3. Dampfsteuerwinde mit stehenden Zilindem.
von der Brücke aus die Umsteuerung der Maschine bewirken kann. Der
Handbetrieb ist in der Regel nur unten, vom Deck aus, vorgesehen.
Wenn die Übertragung von der Steuerwinde zum Ruder nicht durch die
üblichere Ketten- und Stangenleitung, sondern durch eine feste Wellenleitung
(S. 555) erfolgt, laßt sich die Dampfstcuerwinde einfacher anordnen, indem
man die Schraubenübersetzung [6] unmittelbar auf diese Welle der Steuer-
leitung wirken läßt. (Der Kohlenverbrauch je Stunde beträgt für eine kleinere
Winde etwa 25 kg, fiir eine größere etwa 30 Vg.)
586 Abschnitt UI. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Zur UnterstUtzung der Ruderwirkung beim Wenden des Schiffes ist von Gebr. Sachsenberg
im Jahre 1910 bei dem Radschlepper »Ernst Bassermanni auf dem Rhein am Vorsteven eine
DampfBusblasevorrichtung angebracht worden, über den Erfolg liegt bisher aber noch
liein abschließendes Urteil vor.
Zu der für alle Dampfschiße nötigen Ausrüstung gehören die Einrich-
tungen zur Übermittlung der Befehle von der Brücke in den Maschinenraum.
Diese muß in zuverlässigster Weise erfolgen, wenn nicht die Sicherheit der
Fahrt gefährdet werden soll. Es ist darum z. B. bei der Anwendung von
Sprachrohren unumgänglich erforderlich, daO der Maschinist jeden erhal-
tenen Befehl sofort wiederholt. Oft werden mechanische Maschinentele-
graphen benutzt, die aus 2 Scheiben, je eine auf der Brücke und eine im
Maschinenraum, bestehen, auf denen die zu erteilenden Befehle aufgeschrieben
sind: »Volldampf voraus, langsam voraus, halt (stop), langsam zurück, Voll-
dampf zurück*. Die Scheiben tragen nach Art einer Uhr je einen Zeiger,
die beide durch ein Gestänge zwangläufig miteinander verbunden sind, so
daß der Zeiger im Maschinenraum auf denselben Befehl weist, auf den der
Zeiger auf der Brücke mit der Hand eii^estellt wird. Die Bewegung des Zei-
gers wird gleichzeitig durch ein Glockenzeichen angekündigt. Es gibt auch
elektrische Übertragungen
mit Glühbirnen u. dgl.
Von der Brücke wird
femer bei allen Dampfern
auch die Dampf pfeife
(oder Heuler) bedient, die
in der Regel am Dom des
Kessels angebracht ist. Die
gleichen Zwecken dienende
Schiff sgiocke wird oft
im Vorschiff auf der Anker-
winde befestigt.
Abb. 484. Trossenklemme (Bauart Ruthof). ^m daS an den tiefsten
Punkten des Schiffskörpers,
in der Bilge, sich ansammelnde Sickerwasser zu entfernen, sind in allen Ab-
teilungen des Bodens Bleiröhren verlegt, durch die das Wasser mittels der
von der Maschine getriebenen Lenzpumpe angesaugt und fongeschafft wird.
In dem Maschinenraum der größeren Schiffe findet man meistens auch eine
kleine Dampfdynamomaschine, die für die elektrische Beleuchtung der
Schiffsräume soi^ und den Strom für die Signallatemen und den etwa
vorhandenen Scheinwerfer liefert. Die Benutzung eines Scheinwerfers ist
übrigens auf belebten Wasserstraßen bedenklich, weil die Führer der ent-
gegenkommenden Schiffe dadurch geblendet werden. Mit der Dynamo-
maschine wird oft noch eine Sammlerbatterie (Akkumulatoren) verbunden,
die zum Ausgleich als sogenannte Pufferbatterie dient.
2. KrafCscliifi'e mit DunpfbiBschineD, Dunpfgchiffe.
587
Auf Schleppdampfern ist die Anbringung des Schleppgeschirrs von
Wichtigkeit. Bei Schrauben- und Heckraddampfern wird das Schlepptau ge-
wöhnlich von hinten über Bügel («) zum Schleppbock [m] geführt, der meistens
aus Eisen, seltener aus Holz, gebaut und auf dem Hinterdeck, aber möglichst
Abb. 485. Trossenklemme, geöffnet.
Abb. 4SÖ. Trossenklemioe, gescbloEsen.
weit nach vorne, nach dem Schwerpunkt des Schiffes zu, angebracht ist.
Zur Befestigung der Trosse wird in der Regel ein Schlepphaken mit kräftiger
Pufferfeder benutzt. Raddampfer schleppen auf den östlichen Wasserstraßen
in der Regel mit einem doppelten Schlepp-
tau, das am Bug des ersten Anhangs über
eine Rolle geht, und dessen Enden hinter
den Radkasten an den dort angebrachten
SchleppoUern {p) befestigt werden. Auf dem
Rhein hängt nach dortiger Sitte jedes Last-
scluff mit einer besonderen Trosse an dem
Schleppdampfer. Die Trossen gehen über
die Bügel («) zum Schleppbock [»«) und wur-
den dann früher seitlich an den Schlepp-
pollern ip) festgelegt. Das Einholen der
schweren Trossen ist aber eine mühsame,
langwierige Arbeit, zumal sie oft über 400 m
lang sind und ein bedeutendes Gewicht
(1 bis 2 kg je mj haben.
Man wendet daher neuerdings bei
allen starken Schleppdampfern Dampf-
trossenwinden an, mit denen man die Trossen leicht verkürzen oder ver-
längern oder ganz einholen kann (vgl. tu in der Abb. 450). Diese Winden
bekommen meistens einen gemeinschaftlichen Antrieb. Während der Fahrt
tragen sie aber nicht den Widerstand des Schleppzugs, vielmehr werden die
Abb. 487. QuerechoH
f^J=f^t=F^^^=f^
Abb. 4S8. Längsschnitt
588 Abschnitt HI. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
einzelnen Trossen durch besondere, in der Mitte des Schiffes auf dem Deck
befestigte Trossenklemmen gehalten, die in verschiedener Weise angeordnet
und meistens mit starken Pufferfedern ausgerüstet sind.
In Abb. 484 ist die sehr verbreitete Bauart von Ruthof dargestellt. Eine andere, von der
Mannheimer Schiff- und Maschinenbau-Aktiengesellschaft angefertigte Klemme ist in Abb. 485
in offenem und in Abb. 486 in geschlossenem Zustande abgebildet. Aus dem Querschnitt (Abb. 487]
und dem Längsschnitt (Abb. 488) ist die nähere Anordnung ersichtlich. Alle diese Klemmen
werden am besten mit Vor- und Rückfederung ausgeführt.
Auf der Donau wird häufig eine andere Klemme mit rückschraubbarer Keilbremse nach
Patent Keredes benutzt.
Die Leistungen und die Beschaffung von Dampfschiffen.
Die Maschinenleistung eines Dampfschiffs muß so groß sein, daß die
gewünschte Geschwindigkeit erreicht wird und bei Schleppdampfern außer-
dem ein Anhang von einer gewissen Zahl von Lastschiffen oder mit einer
gewissen Nutzlast geschleppt werden kann. Wenn der gesamte Schiffs-
widerstand (einschließlich des etwa mitgefiihrten Schleppanhangfs) mit W (in
kg) bezeichnet wird und v (in m) die gewünschte Geschwindigkeit (vgl. S. 439)
bedeutet, so ist die zu leistende Nutzarbeit W-v oder die Nutzleistung in
Pferdestärken: N^^ = . Da die indizierte Leistung der Dampfmaschine
in Pferdestärken mit Ni bezeichnet wird (S. 507), ist der Gesamtwirkungs-
Der Wert von rj schwankt bei Binnenschiffen etwa zwischen 0,3 und 0,5,
so daß etwa nur ein Drittel und sehr selten mehr als die Hälfte der indizierten
Maschinenleistung für die Fortbewegung nutzbar gemacht werden kann. Die
übrige Kraftleistung geht verloren.
Zunächst muß in der Dampfmaschine die Reibungsarbeit der einzelnen
Teile (Kolben, Kolbenstange, Kreuzkopf, Kurbelzapfen, Kurbelwellenlager, Ex-
zenter, Schieber, Kulisse mit Exzenter) und die Arbeit der Pumpen geleistet
i) PSi sind indizierte und PSn sind Nutz-Pferdestärken, wofür man auch PSe ^s effektive
Pferdestärken gebraucht Früher sprach man außerdem von nominellen Pferdestärken, einer
veraltetei\ Bezeichnung, die nur zu Watts Zeiten mit den indizierten fibereinstimmten. Dessen
Niederdruckmaschinen hatten einen mittleren Kolbendruck von 0,492 kg je cm^ (7 Pfund engl, auf
I Quadratzoll engl.). Die Kolbengesch?nndigkeit wurde nach dem Hub {IT in m) zu 0,966 • Y^
in m je Sekunde bestimmt und es ergab sich die Leistung zu:
Z>« • 71 3, — 3 —
• 0,966 • yif • 0,492 • X = 0,00498 • J> • y/T • X
4
Fläche Geschwindigk. Druck
in nomineUen Pferdestärken. Darin ist D der Zilinderdurchmesser und x die Zahl der Zilinder.
Diese Formel wurde später wiederholt abgeändert ; wegen des geringen Druckes und der kleinen
Kolbengeschwindigkeit der Wattschen Maschinen entspricht heute die Leistung in nomineUen
Pferdestärken nur etwa dem fünften bis sechsten Teil der Lebtung in indizierten Pferdestärken.
Dennoch hielt sich diese Berechnung bis zum Jahre 1872, weil der Preis der Dampfmaschinen
danach bestimmt wurde.
2. Kraftschiffe mit Dampfinaschinen, Dampfschiffe. 589
werden. Wenn wir die übrig bleibende Dampfmaschinenleistung an der
Welle, die zur Bewegfung der Räder oder Schrauben nutzbar gemacht werden
kann, mit Nm in Pferdestärken bezeichnen, so ist Nm = i?« • Ni^ worin ly« den
mechanischen Wirkungsgrad der Dampfmaschine bedeutet. Wenn
Ni die indizierte Leistung der Maschine beim Leerlauf und Ni die indizierte
Leistung bei voller Belastung bedeuten, so ist ly^, = — ^_^ — . Der Wert
von ijm schwankt im allgemeinen zwischen 0,6 und 0,9, wird aber bei sehr
starken, großen Maschinen zuweilen noch etwas größer. Er wächst mit der
Zahl der Pferdestärken und nimmt ab mit der Anzahl der Zilinder und der
wachsenden Kolbengeschwindigkeit. Aus dem letzten Grunde ist er bei den
schnell laufenden Schraubenmaschinen kleiner als bei Rädermaschinen von
gleichen PSi, um etwa 0,01 bis 0,02 (bei schwachen Maschinen von 40 bis
100 PSi). Der Wirkungsgrad ist ferner bei Vierfach -Expansionsmaschinen
um etwa 0,02 geringer als bei Dreifach-Expansionsmaschinen und um etwa
0,04 geringer als bei Verbundmaschinen. Dampfmaschinen mit Auspuff haben
einen um 0,04 bis 0,06 höheren Wirkungsgrad. Die höchsten erreichbaren
Wirkungsgrade sind etwa folgende:
Bei Verbimdmaschinen fiir Raddampfer mit einer mittleren Kolben-
geschwindigkeit von 2 m:
fiir Ni = 250 — 450 — 800 — 1400 — 2400 PSi
rim = 0,79 — 0,8 1 — 0,82 — 0,83 — 0,84 .
Bei Verbundmaschinen für Schraubendampfer mit einer mittleren Kolben-
geschwindigkeit von 3 m:
für Ni= 40 — 60 — 100 — 250 — 450 PSi
rint = 0,68 — 0,70 — 0,73 — 0,78 — 0,80.
Bei derselben Maschine sinkt übrigens der Wirkungsgrad bei abnehmender
Leistung. Man kann die Maschinenleistung an der Welle unmittelbar durch
Bremsversuche und zwar am leichtesten durch den sogenannten »Pronyschen
Zaum« messen, indem man die Kurbelwelle durch aufgelegfte hölzerne Brems-
backen und einen langen Hebel bremst. Aus den am anderen Ende des Hebels
angebrachten Gewichten wird die Reibungsarbeit und die Leistung berechnet.
Bei großen Maschinen ist das aber eine schwierige und gefahrliche Arbeit,
die nur selten ausgeführt wird.
Von dem mechanischen Wirkungsg^rad einer Dampfmaschine ist deren thermischer
Wirkungsgrad zu unterscheiden, der die Ausnutzung der dem Kessel zugefUhrten Wärmemenge
angibt. Bei guten Dreifach-Expansionsmaschinen mit gesättigtem Dampf beträgt er etwa 0,1 1,
bei Dampfturbinen etwa 0,112 und bei Verwendung von überhitztem Dampf 0,135. ^'^ übrige
Wärmemenge geht verloren.
Zm dem Kraftverlust in der Maschine kommt der Verlust in den Fort-
bewegungsmitteln (Propellern), durch den Schlüpf, die Reibung u. dgl.
(S. 438). Wenn ij^ allgemein den Wirkungsgrad des Fortbewegungs-
mittels bezeichnet, so ist die Nutzleistung Nn = rip • N,„ oder = rj^ - rj^ - Ni
und r]^ • i]„ = r]j dem Gesamtwirkungsgrade. Es war früher bereits mit-
590 Abschnitt HI. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
geteilt, daß man bei FluOraddampfern rjr zu 0,57 bis 0,62 (S. 447J und bei
Schraubendampfern der Binnenschiffahrt 17, zu 0,5 bis 0,55, bei geringer Wasser-
tiefe zu 0,45 (S. 466) annehmen kann. Berechnet man r]r • ly»» und r]s • rj^ mit
Benutzung der vorstehenden Höchstwerte von rj^ , so ergeben sich die Grenz-
werte für den Gesamt Wirkungsgrad rj bei Raddampfern zu 0,45 bis 0,51
und bei Schraubendampfern zu 0,34 bis 0,44, bei geringer Wassertiefe zu 0,3.
Zu beachten bleibt für beide Fortbewegungsmittel, daß diese Wirkungsgrade
bei engem und seichtem Fahrwasser schnell abnehmen, ganz besonders fiir
Heckräder und Schrauben. Bei den letzteren fallt tj beim Schleppen in Ka-
nälen auf 0,25 und darunter (bis 0,2). Zweischraubendampfer haben einen
etwas geringeren Wirkungsgrad als Einschraubendampfer von gleicher Ma-
schinenstärke. (Die allgemeinen Grenzwerte von 0,3 und 0,5 waren bereits
oben angegeben.)
Welches Fortbewegungsmittel fiir eine gewisse Wasserstraße und
für ein Schiff mit bestimmtem Zweck zu wählen ist, läßt sich aus den früheren
Mitteilungen über Rad und Schraube (vgl. S. 471) und aus den Beschreibungen
der Dampfschiffe in vielen Fällen leicht entscheiden. Zuweilen ist es aber
nötig, die Wirtschaftlichkeit beider Fortbewegungsmittel mit Benutzung der
vorstehenden Untersuchungen über den Wirkungsgrad und den früher ge-
machten Angaben über das Gewicht der Maschinenanlagen (S. 545) durch
Rechnung zu vergleichen. Das trifft z. B. bei Schleppern auf dem Mittel-
lauf unserer großen Ströme zu. Wenn man fiir gewöhnliche Wasserstände
den Gesamtwirkungsgrad bei Rädern zu 0,47 und bei Schrauben zu 0,42 an-
nimmt, so muß ein Schraubendampfer eine stärkere Maschine als ein Rad-
dampfer erhalten, um dieselbe Nutzleistung zu ergeben. Andererseits ist die
Maschinenanlage eines Schraubendampfers leichter und daher billiger und
auch sein Schiffskörper wird leichter und billiger. Dazu kommt, daß die
Bemannung eines Schraubendampfers kleiner sein kann. Diese Vorteile
werden den durch die stärkere Maschine vermehrten Kohlenverbrauch unter
Umständen wieder ausgleichen, was durch Rechnung zu untersuchen ist.
Für die untere Elbe zwischen Hamburg und der Havelmündupg würde z. B. einem Rad-
schlepper von 500 PSi ein Zweischraubenschlepper von 550 PSi entsprechen. Der erstere würde
etwa 160000 Mark, der andere etwa 128000 Mark kosten, was einen Unterschied von 32000 Mark
ergibt. Die jährliche Ersparnis bei aem Schraubendampfer beträgt:
an ersparten Löhnen u. dgl. für einen Matrosen und 2 Heizer 3600 Mark
an Abschreibung und Zinsen, je 0,05 von 32000 Mark 3200 Mark
zusammen 6800 Mark.
Davon ist der Mehrkohlenverbrauch fiir 50 PSi und 2000 Betriebstunden mit
etwa 84 t abzuziehen, was bei einem Preise von 17 Mark je t beträgt . . 1438 Mark
Es bleibt eine Ersparnis von 5372 Mark.
Wenn man den Wirkungsgrad des Schraubendampfers anstatt zu 0,42 nur zu 0,40 anninunt und
ihm eine Maschine von 590 PSi gibt, so findet sich bei der in gleicher Weise durchgeführten
Rechnung immer noch ein jährlicher Gewinn von mehr als 3000 Mark.
Ein Schraubendampfer hat für den Betrieb noch weitere Vorteile: er kann z. B. unter Um-
ständen beim Talwärtsschleppen höhere Gewinne erzielen als ein Radschlepper. Dagegen wird
sein Tiefgang um 0,1 bis 0,2 m größer sein, so daß er bei ungewöhnlich niedrigen Wasser-
ständen weniger brauchbar ist.
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 591
Die Geschwindigkeiten der Schiffe werden bei der Binnenschiffahrt
gewöhnlich nach km je Stunde, iiir die Rechnung aber meistens nach m je
Sekunde angegeben. Zuweilen rechnet man auch nach Knoten (der Logleine
je Minute], die Seemeilen von 1852 m in der Stunde darstellen. Es sind etwa:
3,00 — 3,6 — 5,0 — 7,2 — 10,0 — 18,5 — 30,0 km je Stunde
= 0,83 — 1,0 — 1,4 — 2,0 — 2,8 — 5,1 — 8,3 m je Sekunde
oder = 1,64 — 1,9 — 2,7 — 3,9 — 5,4 — 10,0 — 16,2 Seemeilen je Stunde
(oder Knoten).
Es war oben (S. 439) schon darauf hingewiesen, daß man bei der Fahrt im
Strome zwischen der scheinbaren Geschwindigkeit des Schiffes gegen das Ufer
und der wirklichen Geschwindigkeit gegen das Wasser unterscheiden muß.
Das Mittel aus den bei der Bergfahrt und bei der Talfahrt in derselben Strom-
strecke beobachteten scheinbaren Geschwindigkeiten ergibt die wirkliche Ge-
schwindigkeit, die das Schiff in stillem Wasser haben würde. (An der Donau
bezeichnet man diese Geschwindigkeit mit > Tot wassergesch windigkeit«.)
Im Schiffahrtbetriebe kommt es meistens auf die scheinbare Geschwin-
digkeit des Schiffes an, namentlich beim Bergwärtsschleppen. Die hierfür
und beim Schleppen auf Kanälen in Deutschland üblichen und oft polizeilich
festgesetzten Grenzen liegen im allgemeinen zwischen 3 und 7 km je Stunde
(0,8 m bis 1,9 m je Sekunde). Für Flußdampfer hat man hierzu die durch-
schnittliche Geschwindigkeit der Strömung, etwa bei gewöhnlichem Wasser-
stande, hinzuzufügen, um die dem Dampfschiff zu gebende wirkliche Ge-
schwindigkeit zu erhalten. Diese Geschwindigkeiten hängen von dem Gefalle
und der Tiefe der Ströme ab. Ungefähr betragen sie im Mittellauf unserer
deutschen Ströme 1,0 bis 1,5 m je Sekunde, im schiffbaren Oberlauf 1,5 bis
2 m. Bei der Donau zwischen Passau und Gönyö (Komom) etwa 2,2 m, unter-
halb bis Budapest etwa 1,1 m und bis Bazias etwa 0,8 m.
Über die Geschwindigkeit der Personendampfer sind bei ihrer Be-
schreibung einige Angaben gemacht worden. Der schnellste deutsche Fluß-
dampfer ist wohl die »Kaiserin Auguste Viktoria« auf dem Rhein, dessen
wirkliche durchschnittliche Geschwindigkeit in gewöhnlichem Betriebe 20 km
je Stunde beträgt. Auf der breiteren und tieferen unteren Donau entwickelte
der Dampfer »Franz Josef I.« bei der Probefahrt eine Geschwindigkeit von
mehr als 26 km und auf den großen tiefen Seen der Schweiz sollen einzelne
Schiffe sogar eine Geschwindigkeit von 29 km je Stunde erreicht haben.
Unter gleichen Umständen würde die »Kaiserin Auguste Viktoria« diese Zahl
vielleicht übertreffen.
Die scheinbaren Geschwindigkeiten von g^ten Schleppdampfern mit
vollem Anhange und von g^ten, beladenen Güterdampfern auf dem Rhein
bei gewöhnlichem Wasserstande lassen sich aus der nachstehenden Tafel er-
sehen, worin die durchschnittlichen Fahrzeiten und Geschwindigkeiten zu Berg
und zu Tal fiir die einzelnen Rheinstrecken aufgeführt sind. Man erkennt,
daß die Geschwindigkeit im allgemeinen von dem Fahrwasser abhängt.
592
Abschnitt lU. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Entfer-
Rheinstrecke
Fahrzeit in Stunden
Scheinbare Geschwindigkeit
in km je Stande
nung
in km
Schleppzng
Güterdampfer
Schleppzug
Güterdampfer
zu Berg
zu Tal
zu Berg zu Tal
zu Berg
zu Tal
zu Berg zu Tal
215
90
Rotterdam — Ruhrort . .
Ruhrort— Köln ....
1
4S
18
18
5
23
9
)..
4,8
5»o
",9
18,0
9,4
10,0
j 18,0
97
Köln— Koblenz ....
20
1
9iS
4,9
«
10,2
62
30
Koblenz— Bingen . . .
Bingen — Mainz . . . . |
13
4,S
)"
7
3
' 12
4,8
6,6
17,2
1
8,9
10,0
21,6
70
Mainz — Mannheim . . .
1 10
1 1
4,5
6,5
#
7,0
15,6
10,8
1
Zur Feststellung der nötigen Nutzleistung eines Dampfschiffs muß außer
der Geschwindigkeit noch der Schi fTs widerstand ermittelt werden. Diese
Ermittelung, über die an dieser Stelle des Buches keine näheren Mitteilungen
gemacht werden sollen, ist schon für Schiffe in unbegrenztem Wasser (See-
.schiffe) schwierig und gelingt nur angenähert durch Verbindung theoretischer
Untersuchungen mit den aus Versuchen und aus der Erfahrung gewonnenen
Werten. Für die meistens in eng begrenztem Fahrwasser sich bewegenden
Binnenschiffe sind die Ermittelungen noch schwieriger und unsicherer. Soweit
es irgend möglich ist, vermeidet man daher diesen Weg der Berechnung und
sucht die nötige Nutzleistung oder indizierte Leistung fiir das fragliche Schiff
auf Grund der mit ähnlichen Schiffen auf derselben Wasserstraße gemachten
Erfahrungen zu bestimmen.
Zum Vergleich der Leistungen von ähnlich gebauten Schiffen, namentlich auf denselben
Wasserstraßen, empfiehlt sich die Benutzung des Ähnlichkeitsgesetzes von Fronde, das
auch für die Ermittelung des Schiffswiderstandes durch Modellversuche von grundlegender Be-
deutung ist. Es lautet:
>Wenn für ein Schiffsmodell bei den Geschwindigkeiten z^ — va — «^ die Widerstände
Wi — IVa — P^3 gemessen sind, so erfährt ein Schiff mit den »fachen linearen Abmessungen
bei Geschwindigkeiten von vi}/» — t/aV» — ^sV» <iie Widerstände n^lVi — n^fVa — «^^3«*).
Wenn man die (in dem begrenzten Fahrwasser der Binnenschiffahrt allerdings nicht ganz
zutreffende) Annahme macht, dal^ der Widerstand des Modells proportional ist der eingetauchten
Fläche des Hauptspants (/) und dem Quadrat der Geschwindigkeit, also
worin k ein von den Umständen abhängiger Widerstandsbeiwert, so ergibt sich nach dem Ge-
setze für das Schiff:
Da andererseits der Widerstand des Schiffes bei der Geschwindigkeit v und demselben Beiwert k
ist, so ergibt sich:
= n oder Wl = n^ •TV bei gleichen Geschwindigkeiten. (i)
H\
3,_-
Wenn V die Wasserverdrängung des Modells bedeutet, dann ist y V die Seite eines Würfels von
gleichem kubischem Inhalt. Wenn Vx die Verdrängung des Schiffes bedeutet, so ergibt sich
i) Nach Busley.
2. KraftschifTe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 593
= n und -=-5r = a, • (2)
yy ^
Also: bei gleichen Geschwindigkeiten verhalten sich die Widerstände wie die
Kubikwurzeln aus den Quadraten der Verdrängungen.
Dabei ist es gleichgültig, ob man ein Schiff mit seinem Modell oder mit einem ähnlich ge-
bauten anderen Schiff vergleicht
Wenn man annimmt, daß der Widerstandsbeiwert k bei demselben Schiffe sich mit
der Geschwindigkeit nicht ändert, was allerdings nicht ganz zutrifft, dann verhalten sich die
Widerstände wie die Quadrate der Geschwindigkeiten:
fT _ 7/»
Da die Nutzleistung des Schiffes Nn = W'V t=^ r^^Ni bt, und man innerhalb ziemlich
weiter Grenzen 17 für unveränderlich annehmen kann, so ergibt sich
^^^ (3)
Also: bei demselben Schiffe verhalten sich die aufzuwendenden Maschinen-
leistungen wie die dritten Potenzen der Schiffsgeschwindigkeiten.
Wenn man annimmt, daß der Kohlenverbrauch [K) bei derselben Maschme der indizierten
Maschinenleistung proportional ist (was bei Füllungsgraden, die dem theoretisch günstigsten nicht
zu fem liegen, zulässig ist), so ergibt sich:
Ni K ^ , . JB: V» ,.
= — und aus i^l : ^=- = ■"» . (4)
Nt' K' ^ Kf vi» ^
Also: die in gleichen Zeiten in demselben Schiffe verbrauchten Kohlenmengen
verhalten sich wie die dritten Potenzen der Geschwindigkeiten.
Eine einfache Rechnung über den gesamten Kohlenverbrauch beim Durchfahren einer ge-
wissen Strecke von Kilometern mit verschiedenen Geschwindigkeiten fuhrt zu der Gleichung:
SKi vi^
Also: die beim Durchfahren gleicher Streckeii in demselben Schiff verbrauch-
ten Kohlenmengen verhalten sich wie die Quadrate der Geschwindigkeiten.
Da sich die Maschinenleistungen wie die Widerstände verhalten, so folgt mit Berücksich-
tigung der Gleichung (2) für zwei ähnliche Schiffe mit gleichen Geschwindigkeiten
Also: bei ähnlichen Schiffen verhalten sich bei gleichen Geschwindigkeiten
sowohl die Maschinenleistungen als auch die Kohlenverbräuche wie die Kubik-
wurzeln aus den Quadraten ihrer Verdrängungen.
Man sieht hieraus, daß die bei ähnlichen Schiffen zur Erreichung gleicher Geschwindig-
keiten erforderliche Maschinenleistung in kleinerem Verhältnis wächst als die Wasserverdrängung.
Es werden auch die Kohlenverbräuche langsamer wachsen als die Wasserverdrängungen, also die
Schiffsladungen und die Schiffsgrößen. Darausfolgt weiter, daß unter gleichenUmständen
große Güterdampfer wirtschaftlicher sind als kleine.
Besondere Schwierigkeiten entstehen bei Schleppdampfern, da deren
Gesamtwiderstand sich aus dem Eigenwiderstand [W^) und dem Widerstand
des Anhangs (W^) zusammensetzt. Der letztere ist selbst für dieselbe Strom-
strecke, für denselben Wasserstand und für dieselbe Nutzlast schwer zu er-
mitteln, weil es noch darauf ankommt, in wieviel Schiffen diese Last ver-
teilt ist, welche Form diese Schiffe haben, aus welchem Stoff sie gebaut sind
und ob sie fest gekuppelt hintereinander schwimmen oder an je einem be-
sonderen Schlepptau hängen.
Teubert, BinnenschifTahrt. 38
594 Abschnitt III. SchifTe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Es ist die Nutzleistung der Maschinenanlage
j\/^ = ri'Ni = {W, + WJ— in Pferdestärken
und die Zugleistung des Schiffes
worin W, die Zugkraft im Schlepptau darstellt
Um die Berechnung von W^ und JV^ zu vermeiden, hilft man sich mit
Erfahrungswerten, indem man iiir bestimmte Wasserstraßen die bei gewissen
Wasserständen beobachteten Schleppleistungen anderer Schiffe miteinander
vergleicht*). Auf einzelnen deutschen Strömen hat man bestimmte Versuch-
strecken, in denen man gewöhnlich die Probefahrten der neugebauten
Schleppdampfer unter gewissen ähnlichen Umständen ausführt. Aus den Er-
gebnissen dieser Probefahrten erhält man die nötigen Erfahrungswerte.
Auf dem Rhein ist es z. B. seit Jahren üblich, die Probefahrten in der
Strecke von Duisburg bis Köln, zwischen der Hochfelder Eisenbahnbrücke
und der Kölner Eisenbahn- und Straßenbrücke, vorzunehmen. Die Entfer-
nung beträgt rund 86 km, in der Mittellinie des Stromes gemessen. Wegen
des in den vielen Krümmungen sich schlängelnden Fahrwassers ist der wirk-
lich zurückgelegte Weg und die daraus berechnete Geschwindigkeit allerdings
etwas größer; es ist aber üblich, den Weg zu 86 km anzunehmen, zumal es
sich nur um Vergleichswerte handelt. Die zu befördende Nutzlast (2000 bis
7000 t) wird in die vorgeschriebene Anzahl (3 bis 6) von guten stählernen
Schiffen verladen und die Zahl der für die Reise gebrauchten Fahrstunden
(17 bis 19) ermittelt. Da die Probefahrt gleichzeitig zur Feststellung des
Kohlenverbrauchs dient, muß die Maschine mit angemessenem Füllungsgrad
arbeiten. Die Probefahrten werden meistens bei einem mittleren Wasserstande
von 2,5 bis 3 m am Pegel zu Köln ausgeführt. Es wird in der Regel eine
durchschnittliche scheinbare Geschwindigkeit (gegen das Ufer) von 4,5 bis
5 km je Stunde verlangt und erreicht.
Auf der Elbe wird meistens die Strecke von Wittenberge bis Magde-
burg (126 km) zu den Probefahrten benutzt. Die Nutzlast von 2000 bis 5000 t
wird in 4 bis 10 stählernen Schiffen (mit hölzernem Boden) verladen und die
Fahrzeit gewöhnlich auf 32 bis 36 Stunden festgesetzt, wobei eine scheinbare
Geschwindigkeit von {3,5 bis 4 km bei Wasserständen von 1,6 bis 2 m am
Magdeburger Pegel erreicht wird.
In ähnlicher Weise benutzt man auf der Oder die Strecke von Fürsten-
berg bis Breslau (300 km) imd auf der Donau die Strecke von Gönyö bis
Wien (171 km).
i) Man muß Zugleistung und Schleppleistung unterscheiden: Die erstere in PS ist
mechanische Arbeit, die andere in tkm hingegen Transportarbeit.
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe.
595
Tafel der Schleppleistungen.
Nr.
Strom
Rhein
Elbe
4
Weser
8
Oder
lO
II
Donau
Strecke und Art des Schleppzugs
Nutdast ^f ?P;
je PSi ß^*<^^^^^^*ß-
keit je Stunde
km
Strecke Duisburg — Köln mit Maschi-
nen von I20O bis i6oo PSi und Nutz-
lasten von 4500 bis 6500 1 in 3 bis 6 guten
Schiffen im Durchschnitt
In derselben Strecke mit Zweischrau-
ben-Dampfern von 800 bis 900 PSi
und Nutzlasten von etwa 3000 t in
3 Schiffen, im Durchschnitt
Strecke Wittenberge — Magdeburg
mit Maschinen von 500 bis 11 00 PSi
und Nutzlasten von 2000 bis 5000 t in
5 bis 10 Schiffen, im Durchschnitt . .
Strecke Hambu rg— Magdeburg mit
Schiffen von 500 bis 1000 PSi und Nutz-
lasten von 2500 bis 5000 t in 8 bis 12
Schiffen im regelmäßigen Betrieb. . .
Strecke Magdeburg — Riesa mit glei-
chen Maschinen und Nutzlasten von
1700 bis 2500 t in 6 bis 9 Schiffen, wie
vor
Strecke Riesa — Tetschen (Laube) mit
gleichen Maschinen und Nutzlasten von
1500 bis 2000 t in 5 bis 7 Schiffen, wie
vor
Strecke Bremen — Minden mit Ma-
schinen von etwa 500 PSi und Nutzlasten
von 1 500 t in 4 bis 5 eisernen Schiffen,
im Durchschnitt
Strecke Minden— Hameln mit glei-
chen Maschinen und 900 t Nutzlasten in
3 bis 4 eisernen Schiffen, im Durch-
schnitt
Strecke Stettin — Breslau mit Ma-
schinen von 700 bis 750 PSi und Nutz-
lasten von 2000 bis 2500 t in 7 bis 8
Schiffen
Strecke Fürstenberg — Breslau mit
Maschinen von 500 bis 600 PSi imd
Nutzlasten von 1700 bis 2000 t in 4
bis 6 Schiffen
Strecke Drencova — Gönyö (von unter-
halb Bazias bis oberhalb Budapest) mit
Maschinen von 700 bis 800 PSi mit 2300
bis 6000 1 Nutzlasten in 4 bis 10 Schiffen
im Jahresdurchschnitt
Besonders gute Leistungen im Mittel
Beste Leistungen
4,1
3,7
4,6
5
3,3
2,4
1,8
3,3
3,9
6,5
7,9
4,9
4,2
3,86
3,6
3,S
4,2
3,8
3,6
5
4,24
4
38*
Schlepp-
leistung
tkm
20,1
«8,5
19,3
19,3
",9
8,4
12,6
6,8
12
",9
19,5
27,7
31,6
596
Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Nr.
Strom
Strecke und Art des Schleppzugs
Nutzlast
jePSi
t
Schlepp-
geschwindig-
keit je Stunde
km
Schlepp-
leistung
tkm
12
13
Donau
Strecke Gönyö — Wien mit Maschinen
von 700 bis 900 PSi imd mit Nutzlasten
von 1000 bis 1600 t in 2 bis 4 Schiffen
im Jahresdurchschnitt
Besonders gute Leistungen im Mittel
Beste Leistung mit einer Maschine
von 1000 PSi mit 2007 t Nutzlast
in 4 Schiffen von je 650 1 Trag-
fähigkeit
Strecke Wien — Pas sau mit Maschinen
von 600 bis 750 PSi und mit Nutzlasten
von 900 bis 1250 t in 2 bis 3 Schiffen
im Jahresdurchschnitt
Beste Leistungen im Mittel ....
1,5
2
S
5
5,17
1,4
1,8
4,5
4»2
7,5
lO
10,34
6,3
7,7
Aus einer großen Zahl von Probefahrten (namentlich auf dem Rhein) und
aus den Betriebsergebnissen mit neuen guten Schleppdampfern ist die vor-
stehende Tafel zusammengestellt worden. Es sind fiir die einzelnen Strom-
strecken die von je einer indizierten Pferdestärke geschleppte Nutzlast (in t)
und die dabei beobachtete scheinbare Geschwindigkeit des Schleppzuges (in
km je Stunde) im Durchschnitt ermittelt worden. Daraus ergibt sich die
Schleppleistung in tkm in der letzten Spalte.
Es sind im allgemeinen Seitenraddampfer benutzt worden; nur unter Nr. 2
sind Leistungen von Schraubendampfem und unter Nr. 9 und 10 solche von
Heckraddampfern aufgeführt. (Die Angaben für die Donau sind dem Buche
von Suppan entnommen.)
Auf der Wolga soll ein Schleppdampfer von 2000 PSi eine Nutzlast
von 14800 t schleppen, also 7,4 t je PSi, was auf der mittleren Donau mit
viel schwächeren Maschinen erreicht wird. Überhaupt ist zu erwähnen, daß
die Schleppleistung in tkm nicht mit wachsender Maschinenstärke zunimmt;
vielmehr ist oft die Schleppleistung schwächerer Maschinen größer. (Der
wirtschaftliche Vorteil der Schleppdampfer mit stärkeren Maschinen liegt in
den geringeren Betriebskosten je tkm.) Ferner ergibt sich aus dem Ver-
gleich der einzelnen (hier nicht mitgeteilten) Fahrten, daß die Schleppleistung
mit einer kleineren Zahl von Lastschiffen zunimmt. Ebenso nimmt sie mit
dem höheren Gesamtwirkungsgrade der Maschinenanlagen zu.
Die in der* Tafel aufgeführten Durchschnittzahlen, in denen die vor-
bemerkten Unterschiede bereits verschwunden sind, schwanken in weiten
Grenzen zwischen 6,3 tkm in der oberen Donaustrecke und 31,6 tkm in der
unteren ungarischen Donau. Ähnliche Unterschiede zeigen sich zwischen den
verschiedenen Strömen. Sie haben ihre Ursache in den Verschiedenheiten
2. Kraftschiffe mit Dampfmaschinen, Dampfschiffe. 597
des Fahrwassers (Gefalle, nutzbare Breite und Tiefe), des Anhangs (Zahl, Größe,
Form und Baustoff der Lastschiffe) und der Art seiner Befestigung (ein oder
mehrere Schlepptrossen, enge oder weit gekoppelt) sowie des Schleppdampfers.
Die Verschiedenheit der Schleppdampfer auf den einzelnen Strömen kann aber
ausgeschaltet werden, da heute fast überall gute Maschinenanlagen und zweck-
mäßige Schiffsformen verwendet werden.
Wenn man die Schleppleistungen der Tafel, namentlich Nr. i und 4 in
den beiden Versuchstrecken des Rheins und der Elbe mit den Schlepp-
leistungen guter Dampfer vor etwa 25 Jahren vergleicht, wozu eine Zahl von
älteren Beobachtungen zur Verfügung steht, so ergibt sich eine Zunahme
von durchschnittlich 6 tkm auf dem Rhein und 2 tkm auf der Elbe. Sie ist
aus der Verbesserung der Dampfschiffe, aus der Vergrößerung und Verbesse-
rung der Schleppschiffe (hinsichtlich Baustoff und Form) und aus der Ver-
besserung des Fahrwassers zu erklären.
Bei der Beschaffung von Schleppdampfern pflegt man die in der
Tafel mitgeteilten Schleppleistungen in einer bestimmten Stromstrecke zu ver-
einbaren und überläßt es der Schiffbauanstalt, der Maschine die dazu er-
forderliche Stärke zu geben. Zuweilen wird auch eine bestimmte Zugleistung
verlangt und diese bei der Probefahrt durch Messung der Geschwindigkeit
und der Zugkraft (W^) mittels eines in das Schlepptau eingeschalteten Zug-
kraftmessers (Dynamometers) ermittelt. Dies Verfahren eignet sich nur für
Schleppfahrten in stillem Wasser. Zweckmäßiger ist es, besonders bei
Schraubendampfern, die auf verschiedenen Wasserstraßen verkehren sollen,
die Zugkraft des Schiffes in tiefem, stillem Wasser an festgelegtem Schlepp-
tau zu vereinbaren. (Da man das Tau gewöhnlich an einem Pfahl befestigt,
nennt man diese Ermittelungen > Pfahlproben«.) Dabei wird die Geschwindig-
keit fast zu Null (vgl. S. 439). Die mittels des Zugkraftmessers ermittelte
Zugkraft ist etwas größer als die wirkliche Zugkraft {W^) bei der Schlepp-
fahrt, weil der Eigenwiderstand des Dampfers (W^) noch in Abzug gebracht
werden muß. Gute Schraubendampfer zeigen bei der Pfahlprobe 11 bis 13 kg
Zugkraft je PSi (während der Fahrt), Raddampfer etwa i kg mehr. Solche
Versuche lassen sich leicht in Hafenbecken und Strombuchten ohne um-
ständliche Vorrichtungen ausführen. Sie sind besonders zu empfehlen, um
zwei Dampfer miteinander zu vergleichen oder den Erfolg von Veränderungen
und Ausbesserungen an den Rädern, den Schrauben oder der Maschine eines
Dampfers nachzuweisen.
Bei Güterdampfern wird die Tragfähigkeit und die Geschwindigkeit und
bei Personendampfern die Größe und die Geschwindigkeit bei der Bestel-
lung vereinbart. In allen diesen Fällen wird gewöhnlich der gesamte höchste
zulässige Kohlenverbrauch je Fahrstunde festgesetzt und die Bemessung der
Maschinenstärke der Schiffbauanstalt überlassen. Kleinere Schraubenschlepp-
dampfer werden oft nach indizierten Pferdestärken bestellt und gehandelt;
dann kommt es auf den Kohlenverbrauch je Pferdestärke und Stunde an.
598 Abschnitt m. SchüTe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Im übrigen erfolgt die Beschaffung von Dampfern in gleicher Weise wie
bei Lastschiffen (S. 429) durch einen Vertrag, die Lieferungsbedingungen
und die beigefugte mehr oder weniger genaue Beschreibung. Ein besonderer
Wert wird auf die Einhaltung einer bestimmten Tauchtiefe in fertigem Zu-
stande mit einem bestimmten Kohlenvorrat gelegt. Ferner sind Vereinba-
rungen nötig über die Lieferfrist, den Ort und die Ausfiihrungs weise der
Probefahrt, über die Überfuhrung des Schiffes an seinen Bestimmungsort, die
Zahlung des Kaufpreises, die Abnahme und die Haftpflicht, die gewöhnlich
auf die Zeit von 6 Betriebsmonaten festgesetzt wird. Zuweilen stellt die
Schiffbauanstalt für diese Zeit einen eigenen Maschinisten auf Kosten des
Bestellers. Außerdem kommen Vertragstrafen und Entschädigungen in Frage,
die für verspätete Lieferung und für Überschreitung der Tauchtiefe oder des
vereinbarten Kohlenverbrauchs zu zahlen sind. Es ist wichtig, daß die Art
der zu verwendenden Kohlen oder ihr Heizwert vereinbart wird. (Für die
Lieferung von Dampfschiffen für den staatlichen preußischen Wasserbaudienst
sind besondere Vorschriften erlassen, die zuweilen auch bei anderen Liefe-
rungen zugrunde gelegt werden.)
Die Herstellungskosten sind im allgemeinen hinsichtlich des Schiffs-
körpers und der Ausrüstung ebenso zu veranschlagen wie bei den Last-
schiffen. Die Ausrüstung und Ausstattung wird bei Dampfschiffen in der
Regel vollständig mitgeliefert. Die Kosten der Maschinenanlage werden nach
dem Gesamtgewicht mit 0,9 bis 1,1 Mark je kg veranschlagt. Dieser Preis
gut allgemein für Rad- und Schraubendampfer; doch kostet die Maschinen-
anlage eines Zweischraubendampfers etwa 0,1 Mark je kg mehr.
Der wirkliche Verkaufspreis von Dampfschiffen schwankt, abgesehen
von den schon bei den Kosten der Lastschiffe angegebenen Ursachen (Bau-
stoffe und Arbeitslöhne), ganz außerordentlich nach Angebot und Nach-
frage. Wenn die Schiffbauanstalten nicht genügend mit Aufträgen versehen
sind, um ihre Arbeiter und Maschinen zu beschäftigen, sind sie gezwungen,
sich mit geringfügigem Gewinn zu begnügen oder gar auf solchen zu ver-
zichten. Den Verlust bringen sie zu besseren Zeiten wieder ein, indem sie
hohe Preise nehmen und den Unternehmergewinn nicht nur mit 10 v. H.,
sondern gelegentlich selbst mit 30 v. H. ansetzen.
Es ist daher schwer, angenähert richtige Preise anzugeben. Bei Per-
sonendampfern kommt es besonders auf die mehr oder minder vornehme
Ausstattung der Kajüten an, die sich nach den Ansprüchen der Fahrgäste
und den Wünschen des Bestellers richtet. Die auf S. 555 beschriebenen
Personendampfer mit Schrauben der Gesellschaft > Stern« in Berlin kosteten
bei verhältnismäßig einfacher Ausstattung je PSi 300 bis 350 Mark.
Für Schleppdampfer ist es etwas leichter, angenäherte Durchschnitts-
preise zu ermitteln, weU ihre Ausstattung im allgemeinen dieselbe ist und
die Kosten ebenso wie die Größe fast ausschließlich von der Stärke der
Maschinen abhängen. Doch schwanken auch diese Preise je PSi, die mit der
38o
* 330
320
> 220
350
» 280
370
> 240
3. Krafkschiffe mit Gasmaschinen. 599
Zahl der Pferdestärken abnehmen, in weiten Grenzen. Es kosten zurzeit
(1910/11)
Einschraubendampfer von 100 bis 150 PSi 350 bis 300 Mark je PSi,
» » 150 > 400 » 280 > 220 » » »
Zweischraubendampfer » ico > 150 »
» » 150 > 800 >
Heckraddampfer » 300 » 800 >
Seitenraddampfer » 500 » 1500 >
Bei allen Dampfschiffen fallt ferner die Güte der Ausführung bei der
Preisbestimmung sehr ins Gewicht.
Die Unterhaltungskosten (ohne Kohlen und Mannschaft] setzen sich
aus den Kosten für die BetriebstoiTe (Schmieröl, Putzwolle u. dgl.) und den
Kosten fiir die laufenden Ausbesserungen zusammen. Bei Radschleppdampfem
(von 500 bis 1500 PSi) kann man [iiir jede dieser beiden Ausgaben einen
durchschnittlichen jährlichen Betrag von 4 bis 7 Mark je PSi annehmen, wo-
bei die niedrigeren Sätze für die stärkeren Dampfer gelten. Bei Schrauben-
dampfem von 100 bis 500 PSi kann man die Kosten ebenso hoch veran-
schlagen.
3. Kraftschiffe mit Gasmaschinen.
Allgemeines. Unter Gasmaschinen versteht man Kraftmaschinen, die
nicht durch die Spannung des Wasserdampfs, sondern durch die Spannung
anderer Gase bewegt werden, die bei der Verbrennung von Leuchtgas,
Sauggas, Benzin, Petroleum, Spiritus, Rohöl oder ähnlicher Stoffe entstehen.
Die Gasmaschinen sind Kolbenmaschinen, aber in der Regel einfach
wirkend. Die Verbrennung der vergasten Brennstoffe, also die Verbindung
mit dem Sauerstoff der Lufl, erfolgt bei ihnen innerhalb des Zilinders und
die dabei entwickelte Spannung treibt den Kolben.
Die geschichtliche Entwicklung der Gasmaschinen beginnt nach verschiedenen mehr
oder weniger erfolglosen Versuchen (z. B. von William Siemens und Lenoir im Jahre 1860}
eigentlich erst mit dem von Otto im Jahre 1868 erfundenen sogenannten »neuen Motorc oder
Deutzer Motor. Dies war eine im Viertakt arbeitende Gasmaschine« deren Grundgedanke noch
heute bei allen solchen Maschinen im wesentlichen beibehalten worden ist. Zunächst hat sich
die landfeste Leuchtgasmaschine daraus entwickelt; doch hatte ihre Anwendung auf Schiffen
keinen Erfolg, schon allein, weil die Mitfuhrung von stark verdichtetem Leuchtgas in schweren,
umfangreichen Behältern den Betrieb umständlich und teuer machte. Auch waren die liegend
gebauten Maschinen schwer und erforderten viel Raum und die Übertragung durch Räder oder
Riemen auf die Schrauben- oder Radwelle erwies sich als unzweckmäßig. Im Jahre 1885
machten sowohl Otto wie Daimler (früher Ingenieur bei Otto) mit Benzinmaschinen die ersten
Versuche auf kleinen Booten. Daimler brachte seine Maschine 1889 erfolgreich auf den Markt
und wurde damit auf dem Gebiet der ölgasmaschinen bahnbrechend. Während die Leuchtgas-
maschinen 150 bis 160 Umdrehungen je Minute machten, erhöhte Daimler diese Zahl auf 500
bis 800. Bemerkenswert war bei seiner Erfindimg das geschlossene Kurbelgehäuse, die über-
sichtliche Anordnung der Ventile und ihres Antriebs neben den beiden Zilindem und die zweck-
mäßige Anbringung der nötigen Schwungmassen.
Diese Maschine war von vornherein sehr geeignet für den Antrieb von kleineren Booten;
die allgemeine Einführung wurde aber dadurch verzögert, daß die Fabriken zunächst dahin
600 Abiclmitt m, Schiffe mit tigenet Triebkraft, Kraftscbiffe.
strebten, einen sogenannten Universalmotor zu bauen, der sowobl für Landfuhnverke [Auto-
mobile] wie fir Schiffe geeignet sein sollte. Das ftlhrle zu Mißerfolgen ; denn die letzteren ver-
langen durchaus eine andere, schwerere Bauart, die einen unbedingt sicheren andauernden Beirieb
mit angemessenen Umlaufzablen gewährleistet. AlImKhIicfa haben alch dann sowohl in Deutsch-
land wie im Auslande zweclunilSige Maschinen herausbildet, die mit verschiedenen Brennstoffen
bedient werden.
Die Anordnung der Gasmaschinen erfolgt in der Regel nach Art der
Harn memiasch inen mit senkrecht stehendem Zilinder und unten liegender
Kurbelwelle. Die Maschinen arbeiten entweder im Zweitakt oder im Vier-
takt. Der Zweitakt entspricht dem Vorgange bei eiaer «infach wirkenden
Dampfmaschine und soll zuerst beschrieben werden.
In Abb. 489 ist a das guDeiseme Kurbelgehäuse, das mit dem Zilinder 6
fest verbunden und nach auQen luftdicht abgeschlossen ist. Der Zilinder hat
doppelte Wände, zwischen denen sich das Kühlwasser bewegt. Der Tauch-
kolben c ist in seiner tiefsten Stellimg dargestellt und
^ bildet zugleich die Geradfiihrung für das Kurbelgetriebe.
In seinem Innern ist die Schubstange ä befestigt, deren
anderes Ende die Kurbel e und durch sie die Welle mit
dem Schwungrad bewegt, das außerhalb des Kurbelge-
häuses liegt und gleichzeitig gewöhnlich zur Kuppelung
der SchraubenweUe benutzt wird. Das abgeschlossene
Kurbelgehäuse wirkt bei der Bewegung des Kolbens
wie eine Pumpe [>Lade- und Spülpumpe<). Wenn der
Kolben aufwärts geht, entsteht unter ihm, in dem
Kurbelgehäuse, eine Luftverdünnung, wodurch sich in-
folge des Verbindungskanals k das Ventil g nach dem
Vorraum A zu öffnet und den vergasten Brennstoff ein-
läßt, der sich in diesem Vorraum mit der darin ent-
haltenen Luft vermengt. Ist der Kolben in seine höchste
Stellung gelangt, gibt er den Schlitz i frei, so daß wei-
tere frische Luft von außen in das Gehäuse und durch
den Kanal & in den Vorraum tritt Über dem Kol-
ben wird während des Aufwärtsganges das in dem Zilinder vorhandene Gas-
gemenge zusammengepreßt (verdichtet) und in der höchsten Stellung des
Kolbens (oder zuweilen auch ein wenig früher) durch die Vorrichtung / ent-
zündet. Durch den Verbrennungsdruck (Explosion) und die Ausdehnung
(Expansion) der Gase wird der Kolben abwärts bewegt und öffnet dabei den
AuslaOscblitz m, durch den die verbrannten Gase (mit etwa '/) Atm. Druck)
nach außen entweichen. Gleichzeitig (oder ein wenig später) wird die gegen-
über liegende Einlaßöffnung n frei und es tritt das durch den abwärts gehenden
Kolben in dem Gehäuse und in dem Vorraum A bereits etwas verdichtete
frische Gasgemenge in den Zilinder ein. Damit dieses sich besser von den
Auspuffgasen sondert, ist auf dem Kolben eine kleine senkrechte Ablenk-
platte o angebracht. Jetzt kann das Spiel von neuem beginnen.
3. KraftschifTe mit Gasmaschinen. 601
Wie man sieht, braucht man bei dieser Anordnung der Zweitaktmaschine
keine besondere Steuervorrichtung, weil der Kolben durch die verschiedenen
Schlitze das alles selbst besoi^t. Nur zur richtigen Bedienung der Zünd-
vorrichtung wird ein Hebelgestänge durch ein auf der Welle angebrachtes
Exzenter bewegt. Dies sind für die Verwendung von Benzin oder Petroleum
die einfachsten Gasmaschinen. Abb. 490 zeigt eine amerikanische Ausführung
mit 4 Zilindem').
Die Mängel solcher Maschinen Hegen in dem zuletzt beschriebenen Vor-
gange über dem Kolben bei dessen Abwärtsbewegung: Das frisch eintretende
Ga^emenge soll sich über die austretenden Abgase schichten und diese
herausdrängen. Das wird zuweilen nur unvollständig erreicht und es ent-
Abb. 490. AmerikanUcbe Zweitakt-Gasmaschine für Petroleum.
stehen Gasverluste und schlechte, zuweilen auch vorzeitige Verbrennung (Früh-
explosionen). In allen Fällen erfordern diese Maschinen eine vcrhältnismäüig
große Menge Brennstoff und sind daher nur wirtschaftlich, wenn dieser für
billigen Preis beschafft werden kann.
Eine bessere Wärmeausnutzung erreicht man, wenn das Gasgemenge
oben durch die Mitte des Züinders durch ein Ventil eingeführt wird; doch
verliert die Maschine durch die erforderlichen Steueiungseinrichtungen ihre
Einfachheit,
Während beim Zweitakt bei jedem Niedergang des Kolbens Arbeit ge-
leistet wird und der Aufgang des Kolbens, der zweite Takt, durch das
Schwungrad (den Arbeitspeicher) bewirkt wird, muß das letztere bei der
l) Aus Romberg, Über Seh iffsgasmascb inen, Vortrag in der SchifTbeutecbnischen Gesell-
ichaft, Berlin, November 190g. Diesem Werke sind mehrere Abbildungen entnommen worden.
602 Abschnitt III. ScbilTe mit eigcDer Triebkraft, KraftscfaifTc
Viertaktmaschtne zwei volle Umdrehungen ausfuhren, bis ihm wieder
neue Arbeit zugeführt wird. Bei dem ersten Hub des Kolbens (abwärts)
wird das Gasgemenge in den Zilinder gesaugt, bei dem zweiten Hub (auf-
wärts) wird das Gemenge verdichtet und am Ende entzündet, bei dem dritten
Hube dehnen sich die Verbrennung^ase aus (Expansion) und leisten Arbeil,
und bei dem vierten Hube werden die verbrannten Gase [Abgase) aus dem
Zilinder herausgedrückt. Dieser Vorgang scheint umständlich, aber er trennt
die einzelnen Arbeiten genau und ermöglicht dadurch ihre sorgfaltige mecha-
nische Ausbildung.
In Abb. 491 ist eine Viertaktmaschine mit seitlich angeordneten Ventilen
dargestellt: Das Kurbelgehäuse {a) dient hier nicht als Pumpe, ist aber doch
gut verschlossen und nimmt im unteren Teile das Schmieröl auf. Zilinder {d),
Kolben (c), Schubstange frf) und Kurbel (e) zeigen keine Verschiedenheit von
der Zweitaktmaschine. Beim Niedergang des
Kolbens tritt bei ^ das Gasgemenge durch das
Ventil k, das sich nach innen öffnet, in den
^ Zilinder. Bei einigen Maschinenarten öffnet sich
dies Ventil durch die Saugwirkung des Kol-
bens von selbst, bei besseren Ausführungen
wird es aber gesteuert Beim Aufgang des
Kolbens wird das verdichtete Gemenge am
Ende des Hubes (oder besser mit »Vorzün-
dungt ein wenig früher) durch die Vorrichtung /
entzündet und es folgt der Arbeitshub als näch-
ster Niedergang. Wenn der Kolben den unteren
toten Punkt erreicht hat, öffnet sich das Ventil 1
und die Al^ase werden beim vierten Hube
durch den aufsteigenden Kolben durch das
Abb.49..G-^-t.schii.eimVi.rt.kt. ^«^r « hinausgedrängt. Das Ventil i öffnet
sich gleichfalls nach innen und muß daher mit
großer Kraft gegen den inneren Druck bewegt werden. Beide Ventile (A und 1}
werden in der Regel gleich groß gemacht und genau eingeschliffen. Teller
und Stange (*) bestehen aus einem Stück und stehen auf einem »Stößel«,
der in zilindrischer Führung steckt und unten mit einer kleinen Rolle ver-
sehen ist, die auf der Steuerscheibe gleitet. Die Ventile werden durch die
starken Spiralfedern [0) fest auf ihren Sitz gepreßt und durch »Nocken« ge-
hoben, die sich auf den Steuerscheiben befinden. Diese Scheiben sitzen auf
den Steuerwellen [«), die durch Zahnradvoi^elege (/) von der Kurbelwelle
angetrieben werden. Das Vorgelege ist in der Regel gleichfalls mit dem
Kurbelgehäuse eingekapselt.
Beide Steuerwellen liegen in diesem Beispiel in dem Kurbelgehäuse und
die beiden Ventile seitlich von dem Zilinder. Zuweilen werden beide Ven-
tile auf derselben Zilinderseite angebracht und man braucht daiui nur eine
3. Kraftschiffe mit Gasmaschinen. 603
Steucrwelle. Einzelne Fabriken legen auch ein oder beide Ventile in den
Zilinderdeckel und eine oder beide Steuerwellen über oder neben den Zilin-
derdeckel. In diesem Falle erfolgt der Antrieb gewöhnlich durch eine stehende
Welle und Kegelradübertragung. Man sieht, daß die Anordnung sehr ver-
schieden sein kann. Wichtig ist, daß man stets leicht zu den Ventilen ge-
langt. Im vorliegenden Beispiel befinden sich über den Ventilen h und %
Klappen in dem Zilinderdeckel, der ebenso wie der Zilinder mit Hohlräumen
zur Wasserkühlung versehen sein muß.
Das Schwungrad ist bei der einfachen Viertaktmaschine noch wichtiger
als beim Zweitakt und muß entsprechend schwer gemacht werden. In der
Regel werden aber beide Arten für den SchifTahrtbetrieb als Zwillingsmaschinen
gebaut und deren beide Zilinder oft in einem Stücke gegossen. Die Kurbeln
werden gewöhnlich um i8o° gegeneinander versetzt, wodurch die Stöße in
der Maschine verringert werden. Bei Maschinen über 20 Pferdestärken pflegt
man 4 Zilinder und über 60 Pferdestärken 6 Zilinder zu wählen. Damit
kann ein vollständiger Massenausgleich und ein vollkommen ruhiger Gang
auch ohne Schwungrad erreicht werden, das beim Antrieb von Schrauben-
schiffen stets lästig ist, weil man bei großem Raddurchmesser die Schrauben-
welle nicht tief genug legen kann. Die Kurbeln aller Zilinder sind an der-
selben Welle wirksam und werden von denselben Steuerwellen bedient. Aus-
nahmsweise werden zuweilen je 2 Zilinder über einander gestellt, wodurch
im Schiffe weniger Raum in Anspruch genommen wird.
Während des Ganges kann man also die Nachteile der einfach, in
mehreren Takten wirkenden Gasmaschinen durch eine größere Zahl von
Zilindem überwinden; es bleibt aber die Schwierigkeit des Anlassens, um
die Maschinen in Gang zu bringen. Für kleinere Maschinen benutzt man
dazu eine Andrehvorrichtung, indem man mittels einer Handkurbel und einer
Kettenübertragung die Kurbelwelle so lange dreht, bis die Maschine selb-
ständig arbeitet Dabei werden in der Regel Sicherheitseinrichtungen ange-
bracht, die die Andrehvorrichtung ausschalten, sobald dieser Zeitpunkt ein-
getreten ist. Für größere Gasmaschinen müssen zum Anlassen andere Kräfte
herangezogen werden und zwar neuerdings gewöhnlich Preßluft, die von der
Maschine auf Vorrat erzeugt wird. Hierin lieg^ ein bedeutender NachteU der
Gasmaschinen gegenüber den Dampfmaschinen, die, mit 2 Zilindern versehen,
in jedem beliebigen Augenblick »anspringen«.
Bei allen Gasmaschinen muß wegen der starken, bei der Verbrennung
entstehenden Hitze eine Kühlung der ZUinderwände bewirkt werden. Das
dazu nötige Wasser wird auf Schiffen durch eine von der Kurbelwelle ange-
triebene Pumpe [Zahnrad- oder Exzenter- oder Flügel- oder Kreisel- oder
Kolbenpumpe) durch ein Bodenventil aus dem Fahrwasser entnommen und
durch die Hohlräume in dem Mantel und dem Deckel des Zilinders ge-
trieben. In der Regel wird in die Saugeleitung noch ein Kühlwasserreiniger
(Filter) eingeschaltet. Bei Booten, die in seichtem Fahrwasser verkehren,
604 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
verstopft sich leicht das Bodenventil und es wird vorgezogen, das Kühlwasser
aus besonderen Wasserkammem zu entnehmen, die in der Bilge zwischen
den Spanten eingebaut und durch die dünne Blechhaut hindurch vom Fahr-
wasser kühl gehalten werden. Das Kühlwasser macht dann nur einen Kreislauf.
Die Abgase gehen von dem Z.ilinder zunächst in einen zilindrischen
»Auspufftopf«, der zugleich als Schalldämpfer dient. Weil die Gase noch
sehr heiß in dieses aus starkem Blech gebaute Gefäß eintreten, wird es in
der Regel mit einem Mantel versehen, der durch das von den Zilindern
kommende Wasser durchspült und gekühlt wird. Von dem Auspufftopf führt
man die Abgase meistens nach dem Heck des Schiffes und läßt sie über
oder unter Wasser austreten. Zuweilen wird über der Maschine ein beson-
derer Schornstein errichtet. Bevor die Abgase in den Auspufftopf gelangen,
benutzt man einen TeU ihrer Wärme zur Erwärmung des noch zu erwähnen-
den Vergasers und der ihm zugefiihrten frischen Luft. Außerdem benutzt
man die Spannung, mit der sie aus dem Zilinder treten und die etwa eine
Atmosphäre Überdruck beträgt, um den flüssigen Brennstoff, der gewöhnlich
tiefer als die Maschine in einem geschlossenen Blechgefaß (aus Kupfer) auf-
bewahrt wird, aus diesem nach der Maschine zu drücken. Zu diesem Zweck
läßt man einen Teil der Abgase durch ein sogenanntes Reduzierventil gehen,
wodurch der Druck auf eine halbe Atmosphäre vermindert wird. In diese
Druckleitung muß ein Manometer eingeschaltet werden. Auch wird in der
Regel noch eine kleine Handluftpumpe angeordnet, um auch ohne die Ab-
gase den Brennstoff durch Luftdruck anzusaugen. Besser ist eine besondere
von der Maschine betriebene Brennstoffpumpe. Sowohl die Saugeleitung der
Kühlwasserpumpe wie das unter Wasser geführte Rohr der Abgase muß mit
einem Rückschlagventil versehen werden.
Eine zuverlässige Schmierung ist für alle Gasmaschinen von großer
Wichtigkeit und die allgemein übliche Form des Kurbelgehäuses schützt nicht
nur vor Staub und herumspritzendem Öl, sondern erleichtert auch die reich-
liehe Schmierung der Wellenlager, Kurbelzapfen usw. bei sparsamem Ölver-
brauch. Das Schmieröl (nur Mineralöl, das keinen Ruß bildet) wird darin
auf bestimmter Höhe gehalten und von Zeit zu Zeit erneuert. Die Kurbeln
tauchen beim Betriebe ein und spritzen das Öl nach allen Seiten bis hinauf
in den Kolben und die inneren Zilinderwände. Für die beweglichen Teile
außerhalb des Kurbelkastens wird meistens eine Sammelschmierung von einem
erhöht aufgestellten Behälter aus oder eine von der Maschine bewegte OI-
pumpe angeordnet. Bei großen Maschinen wird neuerdings >Preßschmierung«
angewendet, wobei den Kurbelwellen-, Schubstangen- und Kolbenbolzenlagern
sowie den Zilindern dauernd das Öl unter Druck zugeführt wird. Die Kur-
belwellen, Schubstangen usw. werden zu diesem Zweck in ihrer Achse durch-
bohrt, so daß das Öl durch seitliche, quergebohrte Öffnungen in die Lager
tritt Dadurch wird gleichzeitig eine Kühlung erreicht, was besonders für
den Kolben nötig ist. Der Verbrauch von Schmieröl ist sehr beträchtlich.
3. KrafbchifTe mit Gasmaschinen. 305
Die Geschwindigkeitsregelung erfolgt durch einen entweder stehend oder
liegend angeordneten Fliehkraftregeier, der von der Kurbelwelle ange-
trieben und meistens in einem Blechgehäuse eingekapselt wird. Er wirkt ge-
wöhnlich durch Hebelübersetzung auf eine Drosselklappe in dem Zufiihrungs-
rohr des Heizstoffs zum Zilinder und auf einen Luftzuführungschieber. Bei
einzelnen Maschinen ist eine »Aussetzer «-Regelung angebracht, wobei der Re-
geler ein Zwischenstück zwischen Stößel und Ventilstange des Einlaßventils
bewegt, so daß bei zu schnellem Gange der Maschine diese Ventile weniger
oder gar nicht gehoben werden^ also weniger oder gar kein Brennstoff in
den Zilinder gelangen kann. Außer dem selbstwirkenden Fliehkraftregeier
ist noch eine Regelung der Drosselklappe oder der Aussetzervorrichtung
durch einen Handhebel vorzusehen.
Die Leistung der Gasmaschinen, die gewöhnlich durch Bremsung")
der Kurbelwelle gemessen und stets in nutzbaren (effektiven) Pferde-
stärken (PSe) ausgedrückt wird, hängt von der Zahl und dem Durchmesser
der Zilinder und dem mittleren Gasdruck auf den Kolben oder richtiger
dem Druck- und Wärmegefalle ab. Abweichend von der Dampfmaschine ist
man bezüglich des Zilinderdurchmessers bei Gasmaschinen beschränkt, weU
der Tauchkolben zugleich die Kreuzkopfführung ersetzt. Die Zilinderdurch-
messer werden daher in der Regel nicht größer als 300 mm gewählt, meistens
nur zu 150 bis 180 mm und bei Bootmaschinen zu 100 bis 120 mm. Der
Hub beträgt bei kleinen Maschinen 120 bis 150 mm, bei den größten etwa
300 mm, selten mehr.
Bei dem Gasdruck muß man zwischen dem Verdichtungsdruck und dem
Verbrennungsdruck unterscheiden. Je nachdem das entzündete Gasgemenge
durch Verpuffung (Explosion) wirkt oder unter angenähert gleichem Druck
verbrennt, unterscheidet man Verpuffungsm aschinen und Gleichdruck-
maschinen, deren Eigenschaften unten beschrieben werden sollen.
Bei dem Vergleich der Vier taktmaschine mit der Zweitaktmaschine
erkennt man zunächst, daß die letztere bei gleichem Zilinderdurchmesser,
gleichem Hub und gleicher Umlaufzahl in derselben Zeit mehr Arbeit leistet
als eine Maschine im Viertakt. Während sie doppelt so viel Brennstoff ver-
braucht, ist die Leistung aber nicht doppelt, sondern nur 1,75 bis 1,8 mal
so groß, weil infolge der oben besprochenen Schichtung der Gase im Zilin-
der die Ausnutzung des Brennstoffs schlechter ist: Die Zweitaktmaschine hat
einen sogenannten schlechteren »thermischen« Wirkungsgrad. Es arbeitet
eine Zweitaktmaschine besonders bei hohen Umlaufzahlen mangelhaft, weU
i) Die Bremsversuche schnell laufender Maschinen auf besonders eingerichteten Brems-
stationen sind nicht leicht und führen oft zu schwankenden Ergebnissen. Die Leistungen der
in das Schiff eingebauten Maschinen entsprechen femer nicht immer den Bremsversuchen. Das
ist namentlich bei Gasmaschinen mit Vergasern daraus zu erklären, daß die Luft* und Ver-
gasungsverhältnisse verschieden sind. — Man kann die Druckverhältnisse und die Spannungen
in den Zilindem der Gasmaschinen auch durch Indikatorschaulinien feststellen; das ist aber ein
recht schwieriges Unternehmen.
606 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
bei der kurzen Zeit zum AuspufTen, Spülen und Laden die Gase schlecht ge-
schichtet und leicht durcheinander gewirbelt werden. Da man femer bei dem
Viertakt die Veränderung des Gasgemenges und die Füllung besser beherrscht,
kann man die Geschwindigkeit in weiteren Grenzen verändern, was beim
Schiffsbetrieb wichtig ist.
Je nach dem Brennstoff, für den die Gasmaschinen besonders einge-
richtet sind, unterscheiden wir Benzinmaschinen, Ölmaschinen und Saug^as-
maschinen.
Benzinmaschineil werden gewöhnlich in der Binnenschiffahrt nur zu
kleineren Arbeitsleistungen auf Booten und dergleichen benutzt, weil der
Brennstoff teuer ist. Die meisten Maschinen dieser Art sind so eingerichtet,
daß sie mit kleinen Abänderungen auch mit Spiritus oder (gereinigtem)
Petroleum bedient werden können. Sie arbeiten gewöhnlich im Viertakt
und sind Verpuffungsmaschinen. Das Gasgemenge im Zilinder wird durch
den aufsteigenden Kolben auf 8 bis lo Atmosphären verdichtet und durch eine
besondere Vorrichtung entzündet, so daß der Verpuffungsdruck 16 bis 25 At-
mosphären erreicht. Bei Verwendnng von Petroleum beträgt der Verdichtungs-
druck höchstens 8, und der Verpuffungsdruck höchstens 20 Atmosphären.
Zur Herstellung des Gasgemenges, das im erforderlichen Verhältnis von vergastem Brenn-
stoff und atmosphärischer Luft der Maschine zugeführt werden soll, brauchen diese Maschinen
einen Vergaser. Er hat die Aufgabe, eine innige Mischung von fein zerteiltem ölnebel mit
Luft herzustellen. Es entsteht dabei die Schwierigkeit, zu verhindern, daß der fein zerteilte
ölstaub sich an kalten Maschinenteilen wieder zu Tropfen verdichtet, wodurch die Verbrennung
unvollkommen würde. Wenn man aber dem Vergaser Wärme zufuhrt und bis zur Verdampfung
des Benzins gelangt, so ist dies wiederum nachteilig, weil man zur Verhütung der Selbstentzün-
dung dann die Verdichtung des Gemenges im Zilinder nicht sehr weit treiben und deshalb nur
eine schwache Wirkung erreichen kann. Wichtig ist femer, das Gemenge stets in gleichem
Verhältnis herzustellen, unabhängig von dem wechselnden Verbrauch in der Maschine (bei ver-
schiedener Geschwindigkeit) und imabhängig von der Wärme der Außenluft.
Der Vergaser wird in mancherlei Formen hergestellt: Die Oberfiächenvergaser, zu denen
auch die Dochtvergaser gehören, haben sich weniger als die Spritzvergaser bewährt, die neuer-
dings allgemein verbreitet sind. Bei diesen wird der beim Niedergang des Kolbens angesaugte
Brennstoff in einem Gef^ durch einen Schwimmkörper in unveränderlicher Höhe erhalten und
von dort durch eine Düse in ein zweites Gefäß eingespritzt, wo er sich mit der zugefuhrten
(meistens vorgewärmten) Luft vermengt. Das die Düsenöffnung regelnde Ventil wird gleichfalls
durch die Saugwirkung des niedergehenden Kolbens bewegt, so daß die Herstellung des Gas-
gemenges nur erfolgt, wenn die Maschine arbeitet. In dem zum Zilinder führenden Rohr wird
in der Regel eine Drosselklappe angebracht, durch die die Füllung des Zilinders und damit auch
die Geschwindigkeit der Maschine geregelt werden kann. Bei starker Drosselung entsteht aber
im Vergaser ein Unterdruck, der eine stärkere Zuführung von Brennstoff bewirken würde und,
um dies zu vermeiden, muß gleichzeitig eine gewisse Menge von Zusatzluft (meistens angewärmt)
hinzugefUhrt werden.
Die Zahl der für den Betrieb des Vergasers erforderlichen Ventile ist ziemlich groß, die
Anordnung ist ziemlich verwickelt und führt' daher häufig zu Betriebstörungen. Wenn der
Brennstoff aus Spiritus (mit Benzol gemischt) oder aus Petroleum besteht, so wird es in der
Regel nötig, die Maschine zunächst mit Benzin in Gang zu bringen, weil die anderen Brennstoffe
nur in stark erwärmten Vergasern sich verflüchtigen. Solche Maschinen müssen daher mit Doppel-
vergasem versehen werden, von denen der eine für Benzin und der andere für Spiritus oder
Petroleum eingerichtet ist. Zuweilen zieht man es vor, den Vergaser für Petroleum mittels einer
besonderen Lampe zu erwärmen. Benzin vergast bei etwa 50^ C, Petroleum braucht mehr als
150^. Ganz zuverlässig arbeitende Petroleum vergaser gibt es übrigens noch nicht.
3. Kraftschiffe mit Gasmaschinen. 607
Die Entzündung des verdichteten Gasgemenges im Zilinder erfolgt heute meistens durch
elektrische Funken. Früher benutzte man Glührohrzündung, wobei ein Platinröhrchen durch
eine stets brennende offene Flamme glühend erhalten wurde. Neben anderen Mängeln fehlte
bei dieser Einrichtung die Möglichkeit, den Zeitpunkt der Zündung zu regeln. Das ist von
Wichtigkeit. Durch vorzeitige Zündung wird das Triebwerk der Maschine stark beansprucht und
es erfolgen Stöße, während bei zu später Zündung die Verbrennung unvollkommen wird, wodurch
die Leistung vermindert und der Brennstoffverbrauch vermehrt wird. Es ist vorteilhaft, wenn
man den Zündpunkt während des Betriebes etwas verändern kann, so daß die Zündung beim An-
lassen etwa im Totpunkt der Maschine (oder sogar etwas später), während des Ganges aber
früher (bei etwa 0,8 des Hubs bei schnell laufenden Maschinen) erfolgt. Fehlzündungen schä-
digen sehr die Betriebsicherheit Bei elektrischer Zündung wirkt die Abreißzündung mit Schwach-
strom sicher; die Kerzenzündung, wobei der starke Primärstrom außerhalb des Zilinders im
Augenblick der Zündung unterbrochen wird, ist einfacher, aber weniger sicher wegen des klei-
neren Funkens. Bei der Abreißzündung geht der Primärstrom durch die Zündflansche und be-
wirkt im Zilinder mittels eines mechanisch (meistens durch Exzenter von der Steuerwelle)
gesteuerten Abreißgestänges im Augenblick der Zündung schnell hintereinander mehrere Er-
öffnungsfunken. Bei größeren Maschinen ordnet man 2 bis 3 Zündstellen in jedem Zilinder an.
Der elektrische Strom wird entweder durch Sammelbatterien oder häufiger durch kleine magnet-
elektrische Dynamos geliefert, die von der Maschine selbst angetrieben werden. Es ist von
Wichtigkeit auf Schiffen, daß die Drahtleitungen gut gegen Wasser und Öl (in Bleirohren)
isoliert werden, so daß sie nicht feucht werden, wodurch unangenehme Betriebstörungen hervor-
gerufen werden können.
Die 2 oder 4 Zilinder dieser Maschinen werden in der Regel nebenein-
ander angeordnet. In Abbildungen 492 bis 495 ist eine neuere vierzilindrige
Bootmaschine (von Wolf und Struck in Aachen) dargestellt, bei der die im
Viertakt arbeitenden Maschinen zu je 2 übereinander gestellt sind.
Es gibt nur 2 Schubstangen und auch die Zahl der Wellenlager ist vermindert, wodurch
die Maschine kürzer geworden ist und im Schiffe weniger Raum braucht. Das Schwungrad [c)
liegt zwischen beiden Pleuelstangen. Beide Kolben [d und e) der übereinander stehenden Zilinder
[a und d) sind durch je eine Kolbenstange (^) verbunden, die der Länge nach durchbohrt ist, so
daß der im Kurbelgehäuse erzeugte Schmierölstaub zum oberen Zilinder hindurch dringen kann.
Diese Maschine leistet bei 120 mm Zilinderdurchmesser, 140 mm Hub und 700 bis 750 Um-
drehungen je Minute an der Kurbelwelle 16 bis 20 nutzbare Pferdestärken und wiegt etwa 700 kg.
Allgemein kann man bei diesen Verpuflfungs-Benzinmaschinen mit einem
Zilinder (innerhalb der früher angegebenen Grenzen) höchstens 20 PS leisten,
bei kleinen Bootmaschinen 10 PS. Dabei ist eine höchste zulässige Kolben-
geschwindigkeit von 4,5 m je Sekunde angenommen, die nicht überschritten
werden kann, wenn man nicht zu große Umdrehungszahlen erhalten will.
Mit 6 und ausnahmsweise 8 Zilindern erreicht man 100 und ausnahmsweise
200 PS. In der nachstehenden Tafel sind Mittelwerte für Vierzi linde r-
maschinen zusammengestellt. Zweizilindrige leisten etwa die Hälfte, sechs-
zilindrige etwa 1,5 mal so viel. Mit Petroleumheizung erreicht man um 0,05
bis 0,1 weniger").
Das Gewicht dieser Maschinen einschließlich des Schwungrads schwankt
je Nutzpferdestärke zwischen 40 und 18 kg bei Leistungen von 10 bis 100 PS.
Mehrzilindrige Maschinen brauchen weniger Schwungmassen. Langsam lau-
fende Maschinen von 300 bis 500 Umdrehungen sind schwerer als schnell
i) Aus M. H. Bauer, Das Motorboot und seine Behandlung. Leipzig 1906.
Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, KraftschUfe
Senzinmischine mit 4 Zilindem von so PS, Abb. 493 bis 495.
Abb. 492. Ansicht dei Anspuflsej
Abb. 493. Ansicht >on der Vergaserseite.
3- Krafbchiffe mit Gismascbinen.
Abb. 495- LlngeDschnitt.
610
Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
laufende. Das Gewicht der vollständigen Maschinenanlage einschließlich Um-
steuerung, Welle, Stevenrohr, Schraube und Schutzkasten kann je Nutzpferde-
stärke zu 60 bis 30, selten bis 25 kg (ohne Betriebstoiie und Kühlwasser)
veranschlagt werden.
Leistung in Nutzpferdestärken (an der Welle).
Zilinder-
bei
Umdrehungen je Minute
durchmesser
mm
500
600
700
800
900
1000
100
1
—
14
16
19
21
120
—
21
25
29
34
38
140
24
30
37
44
50
56
160
32
41
49
58
67
75
180
41
52
62
73
84
95
200
50
63
75
88
102
—
220
60
74
88
104
120
—
Der Brennstoffverbrauch je Stunde und Nutzpferdestärke ist nach-
stehend zusammengestellt. Dabei sind mittlere Einheitspreise in Deutschland
zugrunde gelegt. Bei Benzin ist eine Dichtigkeit (Spezifisches Gewicht) von
0,68 bis 0,7 vorausgesetzt, bei Spiritus ein Alkoholgehalt von 90 Raumteiien.
Spiritus wird gewöhnlich mit ^/^ Benzol gemischt. Der Brennstoffverbrauch
nimmt mit der Stärke der Maschine und mit der Anzahl der Zilinder ab.
Reines
Petroleum
Heizwert, untere Grenze: Wärmeeinheiten
Mittlerer Preis je kg: Pfennig
Kosten von je looo Wärmeeinheiten: Pfennig
Brennstoffverbrauch je Stunde u. Nutzpferdestärke:
bei kleinen Maschinen etwa kg
» großen » > »
Brennkosten je Stunde u. Nutzpferdestärke: Pfennig
Der geringste bisher erreichte Brennstoffverbrauch war'):
bei voller Belastung kg
» halber » »
II 000
29
2,63
o»35
Ot3
8,7 bis 10
0,297
0,434 j
5600
20
3,57
0,55
0,45
9 bis II
0,365
0,507
10500
22
2,1
0,45
0,35
7,7 bis 10
0,33
0,492
Hiemach würde Petroleum am wohlfeilsten sein; aber es war schon bemerkt, daß die
Maschinen mit diesem Brennstoffe oft schlecht arbeiten, weil die schwierige Vergasung zu un-
vollkommener Verbrennung führt, wodurch Ruß und andere Überreste in die Zilinder gelangen.
Bemerkenswert ist für ausländische Maschinen, daß man unser Petroleum in Amerika Kero-
sine und in England Paraffin nennt, während unser Benzin in England Petrol heißt.
Die mittleren Preise der Benzinmaschinen bei den deutschen Fabriken (ohne Um-
steuervorrichtimg, Welle, Stevenrohr und Schraube] nehmen je Nutzpferdestärke mit der Stärke
der Maschinen ab.
i) Bruno Müller, Das Motorboot und seine Maschinenanlagen, Hannover 1902.
3* KraftschifTe mit Gasmaschinen. 011
Maschinen von 7 bis 15 PS mit 2 Zilindem kosten etwa 350 bis 240 Mark,
> >I5*30>>4 > > > 340 > 200 »
je Nutzpferdestärke. Dazu treten die oben erwähnten Kosten einschl. des Schutzkastens u. dgl.,
die mit der Stärke der Maschine gleichfalls abnehmen und ftir Maschinen von 7 bis 30 PS etwa
1 50 bis 80 Mark je Nutzpferdestärke betragen. Eine vollständige Maschinenanlage kostet also
für 7 PS etwa 3500 Mark und für 30 PS etwa 8400 Mark.
Ölmaschilieil werden mit Rohöl, Erdölrückständen und anderen flüs-
sigen Brennstoffen geheizt, wie sie früher (S. 497) beschrieben worden sind.
Wegen der Billigkeit des Brennstoffs eignen sie sich besonders für gewerbliche
Betriebe und auch für die Binnenschiffahrt. Im Gegensatz zu den Benzin-
maschinen sind sie Gleichdruckmaschinen, arbeiten sowohl im Viertakt
wie im Zweitakt und brauchen weder Vergaser noch Zündvorrichtungen.
Die wichtigste Ol- und Gleichdruckmaschine ist die 1897 erfundene
Dieselmaschine. Wenn sie im Viertakt arbeitet, wird die beim ersten
Hube (abwärts) eingesaugte reine Luft beim zweiten Hube (aufwärts) bis auf
etwa 32 und 35 Atmosphären verdichtet und bekommt dadurch eine Wärme
von etwa 800° C, so daß der gegen Ende dieses Hubes mit dem nötigen
Überdruck unmittelbar (d. h. ohne vorhergehende Vergasung) in den Zilinder
eingespritzte Brennstoff in dieser großen Wärme ziemlich gleichmäßig ver-
brennt und der dabei entstehende Verbrennungsdruck von 35 bis 40 Atm.
ohne Stoß den Kolben bei dem dritten Hube abwärts treibt. Bei dem vierten
Hube (aufwärts) werden die (färb- und geruchlosen) Abgase hinausgedrängt.
Die Maschine hat einen guten thermischen Wirkungsgrad, da man die
Verdichtung der Luft viel weiter treiben kann, als bei dem Verpuffungs-
verfahren; denn dort würde das im Zilinder befindliche Gasgemenge bei so
hohem Druck sich vorzeitig von selbst entzünden. Trotz dieses höheren Ver-
dichtungsdrucks braucht die Maschine verhältnismäßig nicht stärker gebaut zu
werden, weil auch die Benzinmaschinen für den Höchstdruck, und das ist bei
ihnen der Verpuffungsdruck, berechnet werden müssen. Dies bedeutet einen
maschinentechnischen Vorteil. Man kann im Zilinder einen mittleren indizierten
Druck bis zu 7,5 Atm. erreichen, was bei Verpuffungsmaschinen nicht mög-
lich ist, und daher bei kleinen Abmessungen große Leistungen erreichen.
Zur Erzeugung der auf 50 bis 60 Atm. verdichteten Luft, mittels der man
den Brennstoff in den Zilinder drückt, sind aber besondere Luftpumpen
(Kompressoren) nötig, die mit 2 oder 3 Stufen arbeiten. Sie erfordern
Raum, Gewicht, Kosten und Betriebskraft.
Im übrigen unterscheidet sich die Anordnung der ölmaschinen nicht von der der Benzin*
maschinen. Die Steuerwelle wird gewöhnlich oben seitwärts neben die Zilinder gelegt und
durch Schraubenräder und Zwischenwelle von der Kurbelwelle angetrieben. Die Ventile sitzen
meistens auf dem Zilinderdeckel : je eines für Ansaugen, Brennstoff und Abgase. Sie werden
durch Nocken oder unrunde Scheiben mittels zweiarmiger Hebel angehoben und durch Feder-
belastung auf ihren Sitz gedrückt Das Brennstoffventil mit dem Düsenzerstäuber in der Mitte
des Deckels erfordert eine besonders sorgfältige Einrichtung. Wegen der großen Wärme müssen
alle Ventile und auch die Zilinderdeckel gut gekühlt werden. Die Pumpen werden gewöhn-
lich von der Kurbelwelle angetrieben und in verschiedener Weise angeordnet Die Luftpumpe
entnimmt oft unmittelbar aus dem Arbeitszilinder die schon auf etwa 10 Atm. verdichtete Luft
und bringt sie dann auf den verlangten Druck von 50 bis 60 Atm.
39*
612 Abschnitt IIL Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Man baut heute Dieseimaschinen mit 4, 6 oder 8 Ziliadeni in Starlcen
bis zu tooo PS und darüber. Das Anlassen ist bei starken Maschinen nicht
mehr durch Menschenkraft ausführbar, wird vielmehr jetzt allgemein durch
Preßluft von etwa 50 Atm. Spannung bewirkt, die von der Maschine erzeugt
und in besonderen Behältern aufbewahrt wird. Um sie den Zilindem zuzu-
führen, sind besondere >AnlaOventile* nötig, die gewöhnlich gleichfalls auf
den Zil inderdecke In stehen und oft durch eine besondere Stcuerwelle (auch
>AnlaQwelle< genannt) bewegt werden. Sobald die Maschine mit PreDluft in
Gang gebracht ist und mehrere Hübe gemacht hat, wird die Luft abgestellt
Abb. 496. ViAtakt-Dleselmuchine von 140 PS.
und die Ölheizung beginnt. Für das Anlassen starker Maschinen ist ein
großer Vorrat von Preßluft erforderlich, den man zu 2 bis 6 Liter je Pferde-
stärke zu bemessen pflegt.
Abb. 496 zeigt eine altere Viettakt -Diesel muchtne von 140 PS »in der MaschiDcnfsbrik
Augsburg mit 4 Zilindem von sSo mm Durcbcnesser und 300 mm Hub. Es ist nur eine Steuer-
welle vorhandeD, von der die Ventile fllr Ansaugen, Brennstoff. Abgase sowie fUr die Anlaßlnft
in den Klinderdecteln bewegt werden. Auch die vor jedem Zillnder besonder» angeordneten
Brennstoßpunpen (3) werden mittels Exzenter von dieser Steuerwelle angetrieben, wlbrend die
Luft-, Kühl- mid Schmierpump en von der Kurbeltvelle angetrieben werden und in der Abbildung
nicht sichtbar sind, a sind die Elnapritzventile mit DQsenzerätlaber. Die Maschine ist 4,J m
lang, 0,85 m breit, wiegt g t ohne und ti t mit Schwungrad. Die Umlaufzahl ist 375.
3. Krafbchiffe mit Gasmuchiaen. 613
Die Dieselmaschinen werden neuerdings oft mit Zweitakt au^efiihrt
und zeigen dabei viel weniger Nachteile als VerpufTungsmaschinen mit Zwei-
takt, weil eine Vermischung der Abgase mit der neuen Ladung ausgeschlossen
Abb. 497. Zweitakt-Dieselmuchine von 300 FS, Bediemingsseite (umsteuerbar].
Abb. 49S. Zweitnkt-DieselmaschlDe von 300 PS, AuspnfTseite.
614 Abschnitt 111. Schilfe mit eigener Triebkraft, Kraflscbiße.
3- Knftschiffe mit GasmaschineD. 615
ist. Wenn man sowohl die Abgase als auch die neu eingesaugte Luft durch
Schlitze in den ZUinderwänden aus- und eintreten läßt und diese Bewegung
durch den Kolben steuert, so braucht man nur ein Brennstoflventil und ein
AnlaOventil im Zitinderdeckel, also sehr wenig Steucrungsvorrichtungen.
Zum Aussplilea der Abgase ordnet man in der Regel eine beiondere große Luftpumpe
neben den Zilindem an, die von der Kurbelwelle angetrieben wird und die Luft nur mlliig ver-
dichtet. Daneben wird außerdem eine mehrstofige zweite Laftpumpc aufgestellt, die Preßluft
von hobem Druck liefert. Damit die Schlitzsteuening (Abb. 4S9J sieber arbeitet, dürfen diese
Maschinen keine sehr großen Kolbcngeschwindigkeiten und UmlaufiahlcD haben und eignen
sich darum besonders (Itr langsam fahrende Schiffe.
In den Abb. 497 und 498 ist eine neuere Zweltaktmaschine der Augsbufger Fabrik aus dem
Jahre 1910 mit anderer Einrichtung dargestellt, die bei 300 Umdrehungen 300 PS entwickelt.
Unter jedem der 6 ArbeitzUinder von 330 mm Enirchmesser ist an derselben Kolbenstange je eine
Spdlpampe lon 360 mm Dnrchmesser angeordnet Der gemeinsame Hab belrlgt 400 mm. Neben
diesen 6 Zilindem Ist die doppelstuüge Preßluftpiunpe (Kompressor) von 340 und 7; mm Dnrcti-
messer und 34O mm Hab aufgestellt. Die beiden Ventile fllr Brennstoff uod Anlaßluft liegen in
den Zilinderdeckeln und werden durch eine darUber liegende Welle gesteuert, die durch Zahn-
rtder und eine senkrechte Welle
von der Kurbelwelle angetrieben
wird. Ein Schwungrad ist bei
6 Zilindem und Zweilakc nicht er-
forderlich.
Zuweilen l&ßt man nur die
Abgase durch Schlitze in der Zi-
linderwand entweichen und die
frische Luft durch besonder» ge-
steuerte Ventile im Deckel ein-
treten. (Baoart von Gebr. Sulier.}
In den Abb. 499 bis 501 ist eine
solche Maschine von 150 PS dar-
gestellt, die im Jahre 1909 in
einen FenoncDdampfer auf dem
Züricher See elngebanl wurde").
Neben den 4 ArbeiUzilindem |a)
bt die Spillpumpe (i) nnd die zwei-
stufige Preßluftpuinpe [c] angeordnet.
Im Querschnitt [Abb. 501] siebt man
oben im Deckel die t>eiden scbrlg
gestellten SpiUventile [d], während . . „. .
durch die ZiUuderschlitze die Ab- ^^^- 5°^- Z«"t«kt-Dicselma«hme von 150 PS (umsteuerbar),
gase seitlich (bei (} entweichen.
Die beiden Steuerwellen liegen oben. Im L&ngenschnitt erkennt man Im Deckel der Zilinder
in der Mitte die Oleinspritiventile (/; und daneben die Anlaßventile lg). Das Gewicht der
Maschine mit Zubehör betrfigt 7,4 t. Dazu kommen noch eine HUfsmaschlne mit Lenzpumpe
im Gewicht von 0,6 t und g ölbehUter mit l,;z m^ öl im Gewicht von 1,75 t, so daß das Ge-
wicht der ganzen MaschiDeaanlage nebst Brennstoffvorrat ftir I3oo km Fahrt 9,75 t betrügt.
Bei Verwendung galizischen Rohöls soll der Verbrauch je Stunde und NutzpferdestSrke a,iS kg
betragen. Die indizierte Leistung ist bei 300 Umdrehungen zu 174 PSi ermittelt worden.
Abb. joa zeigt eine ganz Ihnliche Maschine.
Das Gewicht der Dieselmaschinen beträgt jetzt (191 1) nach Angabe
der Ai^burger Fabrik iiir schwerere Maschinen von 150 bis 1000 PS mit
i) Vgl. Zeilschrift fUr Binnenschiffahrt 1910, S. 309 und Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure 1910, Heft 14.
616 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
6 oder 8 Zilindem, die für den Dauerbetrieb auf größeren Binnenschiffen
geeignet sind und 350 bis 250 Umdrehungen machen, je Nutzpferdestärke
etwa 40 kg, wobei alle Hilfsmaschinen, wie Wasser-, Öl- und Luftpumpen,
Kühler, Reiniger u. dgl. und auch das Drucklager der Welle einbegriffen sind.
Von Brennstoffen kommt von den auf S. 500 angeführten für Deutsch-
land besonders das galizische Rohöl in Frage, das hier einschließlich des
Zolles (im Jahre 19 10) je Tonne 80 bis 100 Mark kostet (In der Schweiz
ist es für 45 bis 50 Mark zu haben). Anderes Rohöl kostet 100 bis 120 Mark.
Die Maschinen arbeiten auch gut mit Gasöl, dessen Preis zwischen 90 und
140 Mark, sowie mit Gelböl, dessen Preis zwischen 80 und 100 Mark schwankt.
Das aus sächsischen Braunkohlen gewonnene Paraffinöl, das gleichfalls etwa
10 000 WE hat und 75 bis 90 Mark kostet, ist auch schon mit Erfolg be-
nutzt worden, und man hat femer mit Steinkohlenteeröl Versuche gemacht,
das bei etwas geringerem Heizwert für 35 bis 50 Mark zu haben ist Selbst-
verständlich kann man auch reines Petroleum verwenden; das ist aber zu
teuer. Im allgemeinen werden die Destillationsrückstände (spezifisches Gewicht
0,85 bis 0,95 und Entflammungspunkt zwischen 50° und 150® C) vor dem
natürlichen Rohöl bevorzuget, weil sie nicht mehr durch mineralische Bestand-
teile und durch Asphalt verunreinigt sind und kein Benzin mehr enthalten.
Der Verbrauch an Öl je Stunde und Nutzpferdestärke beträgt etwa
0,225 kg für die kleineren und 0,2 kg für die größeren Maschinen. (Nach
Angabe der Augsburger Fabrik; nach Angabe der Deutzer Fabrik 0,18 bis
0,2 1^.)
Die Ölmaschinen mit Glühhaube sind den Dieselmaschinen ähnlich
und arbeiten wie diese ohne Vergaser und Zündvorrichtung, jedoch mit
niedrigerem Druck. Sie werden meistens in geringeren Stärken gebaut.
Man kann sie mit jedem Rohöl, Gasöl oder Petroleum bedienen. In den
Abb. 503 bis 505 ist eine solche Maschine von Swiderski (Leipzig-Plagwitz)
dargestellt.
Sie arbeitet im Zweitakt. Das Kurbelgehäuse dient als Spillpumpe, indem die frische
Luft beim Aufgang des Kolbens durch das Luftventil (Abb. 504) eingesaugt, beim Niedergang
um etwa i Atm. verdichtet und gegen Ende des Hubs durch den Luftkanal in den Zillnder ge-
drückt wird, aus dem sie die Abgase hinausspült. Beim Aufgang des Kolbens wird die Luft über
ihm im Zilinder verdichtet und bekommt eine Wärme von 500 bis 6000 C, so daß der seitlich
in die Glühhaube eingespritzte und dort sofort in Gas verwandelte Brennstoff sich ebenso wie
bei der Dieselmaschine selbst entzündet und der bei der Verbrennung entstehende Druck den
Kolben abwärts treibt Die Einspritzung des Öls erfolgt meistens, wenn der Kolben 0,8 seines
Hubs zurückgelegt hat, und die Verbrennung beginnt kurz vor dem Hubwechsel. Die Haube
bleibt stets in etwa rotglühendem Zustande und muß gegen Abkühlung von außen geschützt
werden. Die Maschine ist außerordentlich einfach und besitzt sehr wenige Steuerungsteile. Die
seitlich angebrachte ölpumpe wird von der Hauptwelle angetrieben und kann leicht geregelt
werden: entweder von Hand durch das links oben in Abb. 503 ersichtliche kleine Handrad oder
selbsttätig durch den Fliehkraftregeier, der ebenso wie die Kühlwasserpumpe von der Kurbel-
welle bewegt wird.
Zum Schiff betrieb werden gewöhnlich Maschinen mit 2 Zilindem verwendet, wie in
Abb. 505 dargestellt. Maschinen von 40 Nutzpferdestärken machen 300 Umdrehungen und
wiegen etwa 3,7 t, solche von 100 Pferdestärken und 240 Umdrehungen wiegen etwa 7 L Zum
3. KnftschifTe mit Gasmaschinen. 317
AnlasscD der Maschine muß der GlUhkopf durch eine besondere Gebllselampe erst ordentlich
(to bi» lo Mlanleo lang) erwKrmt werden, vbs allerdings recht njustlndlich ist. Dann genügen
aber wenige DTehuDgen des Schwungrads, um kleinere Maschinen in Gang zu bringen. Bei
großen mUsstn Einrichtungen fttr Pre&lnft getroffen werden.
Ahb. 503. Längsschnitt Abb. 504. Querschnii
Abb. 505. Swiderslci- Maschine.
618 Abschnitt IIL Schilfe mit eigener Triebkraft, Krkftschiffe.
Die neuerdings aus Schweden nach Deutschland eingeführte Bolinder-
maschine ist sehr ähnlich der vorstehend beschriebenen. In Abb. 506 ist
ein Querschnitt durch den Zilinder und in
Abb. 507 ein Bild von einer zweizUindrigen
SchifTsm aschine mitgeteilt.
Die Maschine arbeitet im ZweltakL A ist der
Kolben, B dai Luftventil, C das als SpOIpompe
dienende Knrbelgehluse, D der Zilinder, £ die etwas
anders gestaliete GIfihhaube, F die Oieinspritidase,
G der AusIaQschlitz für die Abgase und H der Luft-
znfllhrnngachlitz mit Zuleitongskanal ans dem Kurbel-
gehiuse. Die SchlSsmaschinen werden bis zu 160 PS
mit 3 2^1indern und von 60 bis ni 330 PS mit 4 TX-
lindem gebaut ZweizÜindrige Maschinen von 40 PS
und 413 Umdrehungen wiegen etwa % t, von I30 PS
und 375 Umdrehungen etwa 7,3 t. Vierzilindrige
Maschinen von loo PS und 375 Umdrehnogra wie-
gen 4,85 C and von 330 FS ond 335 Umdrehungen
18,9 1.
Nach amtlicher Feststellung verbrauchte eine
Maschine von 30 PS je Stande und PferdekrafC 0,11
bis 0,35 kg Rohöl von 9734 WE. Beim An-
lassen muß der GlUhkopf in gleicher Weise wie
bei Swideiski angewinnt werden und bei den
stirkeren Maschinen ist Preßluft zum Anlassen er-
Abb. 506, Bolinder-Maschine, Querschnitt. forderlieh
Abb. 507. Bol Inder 'Maschine.
, 3' Kraftschiffe mit Gasmuchineii. 619
Die Bronsmaschine, die in Deutschland von der Gasmotorenfabrik
Deutz geliefert wird, arbeitet im Viertakt, ähnlich wie die Dteselmaschine,
und wird durch reines Petroleum getrieben.
Die Abb. goS bis Jio zeigen die Anordnung der Ventile im ^inderdeckeL Beim eisten
Hube («bwirts) wird durch du gesteuerte Ventil c Luft und durch du Ventil A Brennstoff «n-
gesaogt. Der letztere tritt aber nicht nnmittell>aT in den Zilinder (k), sondern in eine Brenn-
stoEF^spsel c, die in den Verbrennnngsrsom bineinragt und mit vielen kleinen Öffnungen versehen
Ist. Wenn beim zweiten Hube (aufwlrts) die Luft uif 2^ bis 31 Atm. verdichtet wird, tritt der
dnrch die WIrme in DampffonD verwandelte Brenniloff in den Zilinder, entzUndet sich und ver-
pnm. Die beiden folgenden Hübe sind wie gewöhnlich. Die Abgue werden durch du ge-
steuerte Ventil a ausgestoßen. Der Verpuffiingsdruck betrilgt 50 bis J5 Atm. und bedingt eine
kriftige Bauart der Muchine.
Gegenüber der Dieselmaschine und den Anordnungen mit Glühkopf ist
die Maschine einfacher, weil das Einblasen des Brennstofls mit PreDIuft und
der Zerstäuber fortgefallen ist. Es kann aber kein Rohöl benutzt werden,
^inderdeckel der Bronsmaschine, Abb. JoS bis gto.
Abb. 50S. Grundriß. Abb. 509. Schnitt durch du Abb. ; 10. Sehnill durch die Brenn-
Lufleinlaßveatil [t) und das stolfein fUhning [b, c) und du Freß-
Auslaßventil [a]. luftventil [dj.
weil dies die Kapselöffnungen verschmutzen würde. Das Anlassen der
Maschine erfolgt wegen des hohen Drucks im Zilinder mit Preßluft von
8 Atm. im Zweitakt durch das Ventil d. Es wird also eine Luftpumpe und
ein Luftbebälter erforderlich. Die Maschine ist leicht zu bedienen. Der
Brennstoffverbrauch beträgt Je Stunde und Nutzpferdestärke 0,25 bis 0,28 kg.
Die Maschine wird mit 2 ZUindem in Stärken bis zu 32 PS mit 330 Um-
drehungen hergestellt und wiegt dann etwa 5 t.
Die Kosten je NutzpferdesIBrke betragen (ohne Umsteuervorrichtung, Welle, Stevenrohr
und Schraube — aber mit allem anderen Zubehör, Kompressor, DnickluflbehiUtcr und Aulali-
Vorrichtung] bei Maschinen mit einem Zilinder von S bis i6 PSi etwa 3S0 bis 380 Mark und
bei Maschinen mit 3 Zilindem von 16 bis 3z PSi etwa 320 bis 2S0 Mark.
Neuerdings baut man auch Ölmaschinen [rOr Rohöl}, bei denen die Ve rpuffnngsver-
brennung mit der Gleic hdruckverbrenuung vereinigt wird. Es wird dabei zunltehst
eine kleine Brennstoffmenge dem Zilinder zugeführt, die vor dem Hubwechsel verpufft und do-
dnrch eine Wärmeäteigerung bcrvoriuft. Dann folgt die Einspritzung des Hauptbrennstoffs, der
angenähert unter Gleichdruck und iwar vollkommener verbrenat als beim einfachen Dieselver-
620
Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
fahren. Durch Verlängerung der Gleichdruckperiode wird eine Vergröl^erung des mittleren in-
dizierten Drucks und damit eine Vergrößerung der Leistung erreicht. Solche Maschinen werden
in Frankreich von Sabath^ (in St. Etienne) hergestellt. Die Luft wird im Zilinder zunächst
nur auf 30 Atm. verdichtet und durch die Verpuffung der zuerst eingeführten kleinen ölmenge
wird der Druck auf 40 Atm. gesteigert, bevor der Hauptbrennstoff eingespritzt wird. Der mittlere
indizierte Druck wird hierbei auf 8 bis 8,5 Atm. gesteigert Die Leistung läßt sich dadurch gut
regeln, daß z. B. ftlr kleine Geschwindigkeiten die zweite Brennstoffzuftlhrung unterbleibt und dann
nur mit Verpuffung gearbeitet wird. Beide Brennstoilventile werden zu diesem Zweck besonders
gesteuert.
Sauggasmaschinen werden durch die Verbrennung von Gasen ange-
trieben, die aus festen BrennstofTen, Anthrazit, Koks, Steinkohlen oder Braun-
kohlen an der Arbeitstelle selbst erzeugt, gereinigt und sofort den Zilindem
Abb. 511 und 512. Gaserzeuger.
der Maschine zugeführt werden. Das im wesentlichen aus Kohlenoxyd und
Wasserstoff bestehende Kraflgas wird jetzt ausschließlich so hergestellt, daß
mit Wasserdampf gesättigte Luft durch die glühenden Kohlen eines Schacht-
ofens gesaugt wird. Diese Arbeit wird von der Maschine selbst besorgt.
Die ganze Anlage besteht aus drei Teilen, dem Gaserzeuger (Generator), dem
Gasreiniger (Skrubber u. dgl.) und der Gasmaschine.
Der Gaserzeuger ist ähnlich wie ein Füllofen gebaut, der von oben
durch einen Trichter beschickt wird. Es kommt darauf an, dauernd ein mög-
lichst gleichmäßiges Gas zu erzeugen. Sehr nachteilig sind teerhaltige Bei-
mengungen, die leicht die ganze Anlage verunreinigen und häufige Reinigungs-
arbeiten verursachen. Der Ofen ist deshalb so anzuordnen, daß die teerhal-
tigen Gase möglichst sofort verbrennen und nicht in das Abzugsrohr gelangen.
3- KraftschifTe mit Gasmaschinen. 621
Zuweilen wählt man eine mechanische Beschickung in Verbindung mit Schüttel-
oder Drehrosten. Es muß, dafür gesoi^ werden, daß schädliche Ausströmungen
von Gas in den Maschinenraum vermieden werden. Zu diesem Zweck wird
der Mantel des Ofens aus Blech dicht genietet und zuweilen ringsum mit
einer Wasserschicht umgeben. Meistens wurde bisher der Gaserzeuger mit
Schamott ausgemauert; um aber das Gewicht zu vermindern, hat man dies
neuerdings durch geschickte Anordnung des Ofens mit seitlichem Wasser-
abschluß erspart.
In den Abb. 511 und 512') ist em Gaserzenger der Fabrik in Köln-Ehrenfeld für Maschinen
von etwa 50 bb 80 PS dargestellt, a ist der mit Brennstoff gefüllte Feuerraum, unter dem sich
Rost und Aschenfall befinden, während darüber in der Mitte der Fülltrichter und um diesen
hemm eine Verdampferschale b angeordnet bt, die offene Verbindung mit der Außenluft hat und
durch das Rohr c mit dem geschlossenen Raum unter dem Rost verbunden bt. Wenn durch
die Maschine das Gas angesaugt wird, setzt sich die Saugwirkung durch den Feuerraum, den
Rost, das Rohr c und die Wasserschale b hindurch fort und es tritt neue Luft von außen ein,
die, über die Oberfläche des heißen Wassers streichend, sich mit Wasserdampf füllt, durch das
Rohr c unter den Rost gelangt und in dem glühenden Brennstoff in Gas umgewandelt wird. Der
Wasserspiegel in der Schale b wird durch zulaufendes Wasser auf gleicher Höhe gehalten ; etwa
überlaufendes Wasser wird in eine Schale unter dem Rost geführt, wo es verdampft. Um den
Gaserzeuger in Gang zu bringen, wird ein Ventilator benutzt, der mit dem Rohr c verbunden bt.
Die Fabrik in Köln-Deutz hat neuerdings einen Zweifeuergaserzeuger eingeführt, bei
dem das Gas in der Mitte abgesaugt wird, während das eine Feuer sich unten über dem Rost
befindet und das andere oben in dem offenen Schachtofen. Die Beschickung erfolgt von der
Seite. Durch diese Anordnung soll das Gas den Ofen teerfrei verlassen und, man kann bei
diesem Ofen Braunkohlenbriketts und rohe Braunkohle verwenden.
Von dem Gaserzeuger geht das Gas zum Reiniger, der unumgänglich
nötig ist, selbst bei den besten Brennstoffen (Anthrazit und Koks), um das
Gas von Teer und anderen mitgerissenen Stoffen zu befreien. Erwünscht
wäre es, auf Schiffen ebenso wie auf dem Lande Naß-, Trocken- und Schleu-
derreinigung zusammen anzuwenden; man muß sich aber aus Rücksicht auf
Raum und Gewicht meistens beschränken. Bei den Naßreinigern findet Be-
rieselung durch Brausen statt, bei den Trockenreinigem werden Koksfilter ver-
wendet, die aber oft auch in nassem Zustande wirken.
In Abb. 513 bt ein Gasreiniger der Fabrik in Köln-Deutz für einen starken Schleppdampfer
von 400 PS dargestellt!]. Bei a tritt das Gas in den Reiniger ein, der in emem Wasserkasten b
steht, und gelangt zuerst in den Staubabscheider r, dann in den mit 8 Brausen ausgerüsteten
Naßreiniger d und kommt in den Schleuderwäscher e. Die Pfeile deuten den Weg an. Schließlich
wird das Gas in dem Wasserabscheider / getrocknet, geht von g aus in einen Sammelbehälter
zum Druckausgleich und von da zur Maschine.
Die Reiniger müssen oft außer Betrieb gestellt werden, um sie gründ-
lich von Teer, Asche u. dgl. 2u befreien. Man ordnet sie deshalb bei größeren
Anlagen doppelt an, um sie abwechselnd zu benutzen.
Die Gasmaschine selbst ist eine gewöhnliche Verpuffungsmaschine mit
Zündvorrichtung, die im Viertakt arbeitet, da für Zweitakt die Anordnung
der unerläßlichen Spül- und Ladepumpen umständlich ist Die Verdichtungs-
spannung beträgt 8 bis 10 Atm., die Verpuffungspannung 22 bis 25 Atm.
i) Aus Romberg a. a. O.
622 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftecbiffe.
Die Zahl der Umdrehungen ist 220 bis 300, also fiir den Betrieb von Schrauben
zweckmäDig. Das Anlassen geschieht durch Druckluft von etwa 15 Atm.
Die Sauggasmaschinen werden in Deutschland besonders von den Fa-
briken in Köln-Deutz und in Köln-Ehrenfeld gebaut, neuerdings auch von
Benz & Co. in Mann-
heim. Schiffsniaschinen
S nach dieser Einrichtung
sind in Deutschland
bisher nur wenige im
Betriebe und es fehlt
deshalb an gent^en-
irungen. Soweit bekannt
ist, haben die ausgefuhr-
ilnen eine Stärke von 30
5. Es sind dabei in der
>is 6 Zilinder angewendet
lie bei den stärksten Ma-
200 PS) 300 mm Durch-
d 400 mm Hub haben,
allen Gasmaschinen sind
Saug^as betriebenen am
einfach in Rücksicht auf
;nung des Gaserzeugers,
>ers, der Zündvorrichtung
Drucklufteinrichtung, —
iichtlich der Kosten des
iffs am vorteilhaftesten.
... , ^ . . auch je Stunde und Nutz-
Abb. 513. Gasremiger. J -'
Pferdestärke [einschlieDlich Anheizen
und Abbrand) und die Kosten sind nachstehend aus den bekannt gewordenen
Mitteilungen für den teuersten und den billigsten Brennstoff zusammengestellt:
Je Stunde und PSe.
Klebe
Maschinen
Große
Maschinen
30 Mark je Tonne) . . . / 1^
Kosten des Anthrtiits Pfennig
i«^ Tonne) kg
Kosten der Briketts Pfennig
0,43 bis 0,4s
1.3 ' M
0,85
0,68
0,38 bis 0.4a
1,1 . 1,3
0,62
Die Angaben über die Heizung mit Braunkohlenbriketts stammen von der Fabrik In Köln-
Deuti. Außer diesen beiden BrennstofTen sollen auch deutscher Anthnuit (etwa 34 Mark je
Tonne] und magere belgische Steinkohlen in Nußgröße zum Betriebe geeignet sein.
3« Kraftschiffe mit Gasmaschinen. 623
Das Gewicht der vollst21ndigen Maschinenanlage schwankt nach den mitgeteilten Angaben
je Nutzpferdestärke zwischen 120 und 250 kg, also je PSi etwa zwischen 90 und 190 kg. Die
Kosten von yolIstMndigen Maschinen mit 40 bis 60 Nutzpferdestärken werden von einer Fabrik
zu 3$o bis 380 Mark je Nutzpferdestärke angegeben.
Die Umsteuerung der Gasmaschinen. Mit der Anordnung und
Wirkungsart aller Gasmaschinen ist der unvermeidliche Nachteil verbunden,
daß sie mit eigener Kraft weder angelassen noch umgesteuert und nur
innerhalb enger Grenzen in ihrer Geschwindigkeit und Leistung geregelt
werden können. Es wurde schon mitgeteilt^ daß kleinere Maschinen mittels
einer Handkurbel angedreht werden, bei größeren aber in der Regel das An-
lassen durch Preßluft bewirkt wird, die, vorrätig von der Maschine erzeugt,
mittels besonders gesteuerter Einlaßventile den Arbeitszilindern zugeführt
wird. Um möglichst selten von neuem die Maschine anlassen zu müssen,
läßt man sie auf Schiffen bei kurzen Unterbrechungen der Fahrt oft in glei-
chem Sinne weiterlaufen und löst nur die Kupplung zwischen der Kurbel-
welle und der Schraubenwelle. In der Regel benutzt man durch Handhebel
zu bedienende Reibungskupplungen, seltener (bei großen Maschinen) elek-
trische oder pneumatische Kupplungen. Bei sehr großen Maschinen muß
man aus Rücksicht auf die Sicherheit des Betriebes auf bewegliche Kupp-
lungen verzichten.
Bei Booten und kleineren Schiffen sind die Reibungskupplungen zweck-
mäßig, um ohne besondere Stöße die Maschine allmählich auf die Schraube
wirken zu lassen. Gewöhnlich wendet man Kegelkupplung (vgl. Abb. 517
u. 518) oder Federbandkupplung an. Die erstere muß man gegen die Ein-
wirkung von Wasser, z. B. durch Einkapselung, schützen oder die Kegel-
flächen mit HolzfaserstofT bekleiden.
Die Umsteuerung der Maschine in ihrer Drehrichtung wird bei Booten
und kleinen Schiffen am einfachsten und besten durch das Umstellen einer
Drehflügelschraube (Umsteuerschraube) ersetzt. Dies ist eine Schraube
mit 2 oder 3 beweglichen Flügeln, die in der Nabe drehbar sind und deren
Steigung durch eine in der durchbohrten Welle angebrachten Schubstange
vom SchifTe aus so verändert werden kann, daß sie allmählich auf Null und
darüber hinaus in die entgegengesetzte Richtung übergeht. Die Bewegung
des Schiffes wird auf diese Weise aus dem Vorwärtsgang in den Rückwärts-
gang übergeführt, ohne daß die Maschine ihre Drehrichtung ändert.
Sehr verbreitet ist die Drehflügelschraube von Meißner (Hamburg), die in den Abbil-
dungen 514 und 515 dargestellt ist und sich gut bewährt hat. Die Umstellung erfolgt bei kleinen
Maschinen durch einen einfachen Handhebel. Abbildung 515 stellt einen solchen »Umsteuer-
block« dar: links ist das Stevenrohr (a] erkennbar und rechts der Kupplungsflansch (d) der Welle.
Durch den Handhebel [c) kann die in der Welle befindliche Schubstange in wagerech lem Sinne
bewegt und die Umstellung der Schraubenflügel bewirkt werden. Durch die Änderung der
Schraubensteigung kann gleichzeitig auch die Fahrgeschwindigkeit in ausreichender Webe geregelt
werden. Bei stärkeren Maschinen wird an Stelle dieses »Blocks« ein kräftigeres »Meißner-Element«
angeordnet und die Umstellung mittels Handrad und Kettenübertragung bewirkt. Das kann bei
Maschinen von 100 bis 150 Pferdestärken noch mit Menschenkraft besorgt werden, zumal be-
wegliche Schrauben von dieser Fabrik bis zu 2 m Durchmesser hergestellt werden. Für noch
624 AbschDitt m. Schiffe mit eigener Triebkmfl, Kraflscfaiffe.
sllrkere Muchinen hat Meißner eine Umstellnug durch MuchinenkraA tosgefUhrt (Abb. $16):
mittels Zohnradabersetzong [a] von der Hsuptwelle auf eine duUber gleichlaufende ZnischcD-
welle (#) and Keltenübertragung [c] auf z neben der Hauptwelle gelagerte Htlbwellen, die durch
Schraubeasp indeln die Verschiebung der Sehubstange bewirken. Diese Einrichtong soll sieh
Abb. 514. DrehflUgelschraube. Abb. 515. Umtteaetblock der Drehflügelschraabe.
bei Maschinen über 300 PS bewShrt haben, dürfte aber bei ettva 300 PS ihre Grenze finden.
Es bleibt zu berttcksichtigen, daß DrehflItgeUehnrab«n für langsam fikhieode Last- oder Schlepp-
schiffe nicht zweckmäßig sind.
Eine andere viel benutzte Vorrichtung ist das Wendegetriebe (Revcr-
siei^etricbe], bei dem zwischen der Kurbelwelle und der Schraubenwellc eine
umsceaenmg der ureunugeisenrauDe anrcn aie t
Zahnradübertragung eingeschaltet wird. Am meisten verbreitet ist die An-
ordnung mit Kegelrädern, die man gewöhnlich eingekapselt in Öl laufen läBt,
wodurch nebenbei auch das lästige Geräusch vermindert wird. In den Ab-
bildungen 517 und 518 ist ein Wendegetriebe mit Reibscheibenkupplung von
3- Kraftsehiffe mit Guroaschinen. 625
Daimler dargestellt. Die Ein- und AusrUckung erfo^ auch hier durch
einen aufrecht stehenden Handhebel (c). Solche Wendegetriebe arbeiten
auch mit Federbandkupplung und es sind noch verschiedene andere Bauarten
mit Erfolg eingeführt, z. B. die von Lünnemann (Ruhrort). Für groDe Aus-
Rihrungen sind diese Rädei^retriebe nicht empfehlenswert, erfordern bedeutende
Kraft zum Umstellen und entwickeln durch die Reibung viel Wärme. Sie sind
auch schwer und der Abnutzung stark unterworfen.
Abb. 517 und JtE. Weadegetriebe im Längenschnitt und Grundriß.
Zuweilen hU man elektrische Kraftübertragung ausgefübrl. Wenn man die Gas-
maschine als sogenannte PrimHranlDge festimit einer Dynamomaschine verbindet und den elek-
trischen Strom lU einem mit der Schrauben welle fest verbundenem Elektromotor leitet, kann
man sowohl die Drehrichtung wie die DrehgFsch windigkeit der Schraube einfach, [schnell und
sicher von jeder Stelle des Schiffes aus beliebig ändern und es Ist dann auch nicht nötig, beide
MaschinenanlageD in demselben Räume aobustellen. Rücksichtlich der Umlaufzahl der Gas-
40
626 Abschnitt III. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
maschine ist man in keiner Weise durch die Umlaufzahl der Schraube beschränkt und man kann
daher die nach Gewicht, Raum und Kosten vorteilhafteste Gasmaschine wählen. Nebenbei ge-
winnt man noch den Vorteil, daß man den Elektromotpr vorübergehend etwa bis auf das Doppelte
der normalen Leistung überlasten kann, was bei Gasmaschinen nicht möglich ist.
Bei diesen großen Vorteilen verursacht aber die elektrische Kraftübertragung einen sehr
beträchtlichen Kraftverlust von 0,15 bis 0,30 der Leistung, der zwar bei kleineren Maschinen
zum Teil durch eine bessere Schrauben Wirkung ausgeglichen werden kann, aber immerhin so be-
trächtlich bleibt, daß diese Anordnung nur in seltenen Fällen für dauernden, gewerblichen Schiff-
betrieb geeignet ist. Auch sind die elektrischen Maschinen kostspielig in der Beschaffung und
von großem Gewicht.
Beachtenswert ist die von Del Proposto eingeführte Verbesserung der elektrischen Um-
steuerung, die so eingerichtet ist, daß zwischen Gasmaschine und Schraube auf der Welle zu-
nächst eine Dynamomaschine, dann eine elektromagnetische Kupplung und ein Elektromotor an-
geordnet sind. Während der Vorwärtsbewegung des Schiffes sind Dynamo und Elektromotor
außer Betrieb und die Schraube wird mittels der Kupplung unmittelbar von der Gasmaschine
augetrieben, so daß kein besonderer Kraftverlust entsteht. Zur Rückwärtsbewegung wird die
Kupplung gelöst und gleichzeitig treten Dynamo und Elektromotor in Tätigkeit. Dieser im all-
gemeinen nur kurze Zeit dauernde Vorgang der Rückwärtsbewegung ist allerdings mit dem oben
erwähnten Kraftverlust verbunden, der aber dadurch vermindert wird, daß man die elektrischen
Maschinen nur höchstens für die halbe Leistung der Gasmaschine zu bemessen braucht Durch
das Verfahren von Del Proposto werden sowohl die Kosten der Beschafiung und das Gewicht,
als auch die Kraftverluste wesentlich vermindert, bleiben aber noch immer beträchtlich.
Das beste Mittel ist die Umsteuerung der Gasmaschine selbst (un-
mittelbare oder direkte Umsteuerung), die in neuester Zeit in verschiedener
Weise mit gutem Erfolg von mehreren Fabriken namentlich an Diesel-
maschinen von größeren Leistungen ausgeführt ist. Es wird allgemein dabei
Preßluft angewandt, die ja auch zum Anlassen erforderlich ist. Am einfachsten
und sichersten läßt sich das Anlassen und das Umsteuern bewirken, wenn
man die Maschine mit besonderen Anlaßzilindern ausrüstet. Dies Verfahren
wurde aber bisher selten angewandt, um an Raum, Gewicht und Kosten zu
sparen; man benutzt viehnehr die Arbeitszilinder selbst. Um im Viertakt
arbeitende Gasmaschinen mit Sicherheit durch Preßluft anlassen zu können,
müssen wenigstens 3 Zilinder vorhanden sein, die bei 0,8 bis 0,85 Luftfiillung
dann im Zweitakt arbeiten. Bei den großen Füllungen empfiehlt es sich, der
Luft mindestens eine Spannung von 16 bis 20 Atmosphären zu geben, um den
Luftverbrauch und den nötigen Vorrat zu vermindern. Sechszilindermaschinen
kann man mit Sicherheit auch im Viertakt anlassen'). In allen Fällen müssen
die Zilinder mit besonderen Lufteinlaß- und Auslaßventilen versehen werden,
die gleichzeitig zur Umsteuerung eingerichtet sind.
Diese wird so ausgeführt, daß man zunächst den Brennstoffbetrieb ab-
stellt, wodurch die Maschine langsameren Gang bekommt; dann wird die
Umsteuerung vorgenommen und gleichzeitig der Preßluftbetrieb eingeschaltet,
wodurch die Maschine in umgekehrter Richtung anläuft; schließlich wird der
BrennstofTbetrieb wieder angestellt und die Preßluftsteuerung abgestellt. Das
alles muß mit wenig Handgriffen, in kürzester Frist und mit möglichst großer
Sicherheit durchgeführt werden.
i) Nach Romberg.
3. Kraftschiffe mit Gasmaschinen. 627
Dazu sind verwickelte mechanische Einrichtungen erforderlich, die be-
sonders dadurch erschwert werden, daß bei den verhältnismäßig kleinen
Zilindern der Raum auf ihren Deckeln zur Anbringung der verschiedenen
Ventile beschränkt ist. Das trifft am meisten bei Viertaktmaschinen zu,
während die Umsteuerung von Zweitaktmaschinen, die zum Teil durch den
Arbeitskolben in Verbindung mit Schlitzen in den Zilindern (Kanalkränze) ge-
steuert werden, sich viel einfacher gestaltet, z. B. bei der oben dargestellten
umsteuerbaren Maschine von Gebr. Sulzer (Abb. 499 bis 501).
Unter den Einrichtungen mit besonderen Anlaßzilindern scheint die Bauart
Hesselmann bemerkenswert*). Auf der Kurbelwelle der Arbeitsmaschine
(Bauart Diesel im Zweitakt) ist eine besondere Anlaß- und Umsteuermaschine
mit 2 doppeltwirkenden Zilindern angeordnet, die während des regelmäßigen
Ganges der Arbeitsmaschine als Spülpumpen dienen. Beim Anlassen oder
Umsteuern wird die Arbeitsmaschine abgestellt und die Anlaßmaschine mit
dem Druckluftbehälter in Verbindung gesetzt. Die Spülpumpen der neuesten
Augsburger Dieselmaschine (S. 615) werden in ähnlicher Weise benutzt.
Die mechanische Ausbildung der Umsteuerungen ist zurzeit schon so
weit fortgeschritten, daß man die Maschinen angenähert mit gleicher Schnel-
ligkeit und Sicherheit umsteuern kann, wie die Dampfmaschinen. Dadurch
ist auch der Vorteil erreicht, daß die bewegliche Kupplung zwischen Kurbel-
welle und Schraubenwelle fortfallen kann, wodurch bei großen Maschinen
die Sicherheit des Betriebs erhöht wird.
Über die Gasmaschinen im allgemeinen mag noch angeführt werden, daß neuerdings in
England doppelt wirkende Maschinen mit Erfolg gebaut wurden, die nach Art der Dampf-
maschinen mit Kreuzkopf-Fühnmgen u. dgl. ausgerüstet sind. Es läßt sich erwarten, daß man
auf diesem Wege zu größeren Maschinenleistungen kommen wird.
Die Anwendung der Gasmaschinen in der Binnenschiffahrt.
Gegenüber den Dampfmaschinen haben Gasmaschinen von gleichen Leistun-
gen für die Binnenschiffahrt mancherlei allgemeine Vorzüge, die allerdings für
Sauggasmaschinen nur bedingt zutreffen: Ersparnis an Raum, Gewicht und
Bedienung. (Zur Bedienung der Maschine gehört aber eine gut ausgebildete
Person und die Fabriken schädigen sich selbst, wenn sie erklären, dazu sei
keine Ausbildung erforderlich. Namentlich die Verpuffiingsmaschinen sind
recht empfindlich.) Die Gasmaschinen sind femer stets betriebsbereit, während
Dampfkessel oft mehrere Stunden vorher geheizt werden müssen, und außer-
halb der Betriebszeit wird kein Brennstoff* verbraucht. Bei Gasmaschinen g^bt
es weder Rauch noch Ruß noch Kohlenstaub, femer keine Kesselexplosionen
und daher keine polizeilische Genehmigung und Überwachung.
Als Nachteile sind zu erwähnen, daß die Gasmaschine in der Regel
nur ftir einen bestimmten Brennstoff* geeignet ist und von dessen chemischen
und physikalischen Eigenschaften abhänget, während die Eigenschaften des
i) Zeitschrift fUr Binnenschiffahrt^ 191 1, S. 507. Aufsatz yon Rosemann.
40*
628 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Dampfs unverändert bleiben, ob man den Kessel mit Kohlen, Torf, Holz
oder Ol heizt. Femer dient der Dampfkessel als Kraftsammler und er-
laubt eine weitgehende Veränderung der Maschinenleistung sowie gelegent-
lich eine gewisse Überlastung der Maschine, die bei den Gasmaschinen
ausgeschlossen ist. Die Leistungen von Ölmaschinen nach Diesels Bauart
können zwar innerhalb gewisser Grenzen verändert werden; aber bei anderen
Gasmaschinen und besonders bei den mit Sauggas betriebenen entstehen
unter stark veränderten Betriebsverhältnissen erhebliche Schwierigkeiten, die
sich nicht ganz beseitigen lassen, wenn man nicht die kostspielige elek-
trische Übertragung anwenden will. Unangenehme Eigenschaften der Gas-
maschinen sind oft auch ihr geräuschvoller und unruhiger Gang und der üble
Geruch.
Der mechanische Wirkungsgrad der Gasmaschinen kann bei größe-
ren zu 0,7 bis 0,8, bei kleineren zu 0,6 bis 0,65 angenommen werden; er ist
also kleiner als bei Dampfmaschinen, wo er 0,7 bis 0,85 und bei sehr großen
0,9 beträgt (S. 589).
Dagegen ist der thermische Wirkungsgrad der Gasmaschinen er-
heblich größer wegen des größeren Druckgefalles (20 bis 40 kg je cm') und
des grrößeren Wärmegcfalles {1100 bis i5oo®C). Er beträgt (nach Romberg)
bei Petroleum-Maschinen 0,14 bis 0,17, bei Benzin 0,17 bis 0,25, bei Saug^^
0,19 bis 0,23, bei Dieselmaschinen im Zweitakt 0,25 bis 0,3 und bei solchen
im Viertakt 0,27 bis 0,32, während bei guten Heißdampfmaschinen nur 0,135
erreicht wird. (Die großen Wärmeverluste entstehen bei den Dampfmaschinen
im Kessel und im Kondensator.)
Die Verwendung der Gasmaschinen in der Binnenschiffahrt kann zu
drei verschiedenen Zwecken geschehen : als Hilfsmaschinen, zum regelmäßigen
Betrieb von Kraftbooten und zmn gewerblichen Betrieb großer Personen-,
Schlepp- und Güterschiffe.
1. Als Hilfsmaschinen werden besonders die Benzinmaschinen und die
billiger arbeitenden Petroleum- und Ölmaschinen mit Glühhaube bei Segel-
booten angewendet, die zur Fischerei, zur Aufsicht imd zum Vergnügen
(Sport) dienen und bei Windstille auf weiten Gewässern, auf Landseen oder
auf dem Meere, hilflos sein würden. Sie werden ferner auf großen Binnen-
schiffen benutzt, um die Anker- und die Ladewinden zu bedienen oder um
elektrisches Licht zu erzeugen. Als Hilfsmaschinen müssen sie auch ange-
sehen werden, wenn sie auf größeren Lastschiffen auf den Strömen zur
Unterstützung bei der Talfahrt oder zum Verholen in Häfen und anderen
stillen Gewässern angewendet werden. Es handelt sich dabei meistens um
schwache Maschinen von höchstens 20 PS.
2. Zum regelmäßigen Betriebe von Kraftbooten (kleineren Per-
sonen-, Fähr-, Polizei- und Aufsichtsbooten, sowie von Vergnügfungsbooten)
haben sich die Gasmaschinen wegen ihrer erwähnten Vorzüge auf allen natür-
lichen und künstlichen Wasserstraßen gut bewährt. Da hierbei in der Regel
3- Knltecbiffe mit Gftsinasehiiieii. 629
nur kleine Widerstände zu überwinden sind und groQe Geschwindigkeiten
verlangt werden, sind die Maschinen mit hohen Umlaufzahlen und mit ver-
hältnismäD^ kleinen Schrauben ganz am Platze. Auch ist bei den gewöhnlich
nur schwachen Maschinen (meistens S bis 15, selten 20 und mehr Pferde-
stärken) der Brennstoffverbrauch nicht so groü, daO die Kosten sehr ins Ge-
Abb. 519 und 510. Kriftboot für den Aalsichtsdiemt der WKsserbauverwaltang.
wicht &llen. Neuerdings scheinen allerdings die wohlfeiler mit Rohöl arbei-
tenden Swiderski- und Bolindermaschinen, sowie die mit Petroleum arbeitende
Bronsmaschine mit den bisher allgemein benutzten Benzinmaschinen in Wett-
bewerb zu treten.
Abb. 521. Kraftboot fUr den AufsIcbtsdieDst.
In den Abbildungen 519 bis J3I sind Kraftboote zum Aufsichtsdienst für Beamte der
Wasserbanvensaltong dargeslelll, die sich gut bewUirt haben. Abbildung Sig und 510 zeigen ein
aus Stahl mit Aufbau aus Teakholz gefertigtes KraftbooC vou 10 m Länge, l.l m Breite und
0,6 m Tiefgang. Die zneizili adrige Benziomaschine von 9 Nutzpferdestarkea mit Wendegetriebe
verbraucht stündlieh je Pferdestärke 0,3 bis 0,35 kg Benzin und gibt in stillem, breitem, tiefem
Fahrwasser eine Geschwindigkeit von 13 km je Stunde. Der Preis war 9000 Mark. Solche
Kraftboote sind auf den MKrkischen Wasserstraßen in großer Zahl vorbanden.
630 Abschnitt III. Schifie mit eigener Triebkraft, Kraftschüfe.
3. Zum gewerblichen Betriebe großer Personen-, Schlepp- und
Güterschiffe sind in Deutschland bisher die Gasmaschinen, von denen
iiir diesen Zweck besonders die Ölmaschinen nach Diesels Bauart und die
Sauggasmaschinen in Frage kommen, noch wenig benutzt worden. Der
Grund liegt einerseits darin, daß die bisher damit gemachten Erfahrungen
noch nicht ausreichen, um die vollständige Betriebsicherheit zu gewährleisten,
und andererseits ist fiir die Dieselmaschinen der Brennstoff verhältnismäßig
teuer (S. 616). Wenn auch einzelne Teeröle zurzeit noch verhältnismäßig
wohlfeil sind, so ist doch zu befürchten, daß bei ausgedehnter Verwendung
die Preise bald steigen würden. Die Sache liegt also ähnlich wie bei der
Olfeuerung der Dampfkessel.
Im Jahre 1909 wurde von der Mannheimer Fabrik Benz u. Co. in ein
Personenschiff der BerUner Gesellschaft »Stern« (S. 555) eine Sauggas-
maschine von 50 PS mit einem Elektromotor eingebaut Diese Maschine
entsprach aber den Anforderungen nicht und ist bald wieder entfernt worden.
Für Schleppschiffe auf deutschen Strömen (mit ausreichender Tiefe für
Schrauben] scheint die Sauggasmaschine mit Rücksicht auf den Verbrauch
einheimischer Brennstoffe (Braunkohlen) besonders geeignet zu sein. Es sind
auch auf dem Rhein schon verschiedene Versuche gemacht worden.
In den Abbildungen 522 bis 524 ist ein solcher Schlepper mit 130 PS von der Fabrik in
Köln-Ehrenfeld dargestellt. Das Schiff ist 19,4 m lang, 4,25 m breit und 2,2 m hoch. Die Ein-
richtung ist aus den Abbildungen ersichtlich. Der Verbrauch an Anthrazit von 7800 WE
betrug bei Volleistung 0,4 bis 0,42 kg einschließlich Anheizen und Abbrand. Es ist eine Dreh-
flttgelschraube nach Meißners Bauart verwendet.
Die Fabrik in Köln-Deutz hat im Jahre 1909 einen Zweischraubenschlepper von 400 PS
auf dem Rhein in Betrieb gestellt. Die beiden vierzilindrigen Sauggasmaschinen von je 200 PS,
die durch Braunkohlenbriketts betrieben werden, sind in ein vorhandenes Schiff eingebaut
worden, das, nach erfolgter Verlängerung, 34 m lang, 6,3 m breit ist und mit 3 t Briketts einen
mittleren Tiefgang von 1,75 m hat. Die Zahl der Umdrehungen beträgt 220 je Minute; doch
soll es möglich sein, sie durch Beeinflussung des Regelers und der Zündung auf 90 zu ver-
mindern. Zur Umsteuerung sind Wendegetriebe verwendet. Bei den Versuchsfahrten hat der
Schlepper mit 5 km Geschwindigkeit je Stunde in 2 beladenen Schiffen 1600 t Nutzlast befördert
und im Binger Loch bei normalem Wasserstande ein Schiff von 800 t ziehen können. Nach
fünfmonatigem Betriebe hat aber der BestelUrr dic^Abnahme des Schiffes abgelehnt, weil es seinen
Anforderungen nicht entsprach <).
Wenn auch die Sauggasmaschine auf Schleppern bisher in Deutschland
keine wirtschaftlichen Erfolge erreicht hat, so ist doch zu erwarten, daO
weitere Verbesserungen sie endlich dazu fuhren werden.
Schleppschiffe mit Dieselmaschinen sind seit der Erfindung der eigenen
Umsteuerung schon von Gebr. Sulzer (Schlepper »Fortschritt« von etwa 150 PS)
und von der Kruppschen Germaniawerft (Schlepper »Rapido« von 120 PS) in
den Jahren 1909 und 1910 gebaut und in Hamburg, Lübeck und Kiel in Betrieb
gesetzt werden. Auf den deutschen Strömen verkehren solche Schiffe aber
noch nicht. Das ist auffallend; denn gerade diese Maschinen scheinen fiir
den Zweck gut zu passen^ wenn sie auch nicht mit so billigem Brennstoff zu
i) Zeitschrift fUr Binnenschiffahrt, 19 10, S. 28. Dort befinden sich auch Abbildungen.
3* KraftschifTe mit Gasmaschinen.
631
m
<
632 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
bedienen sind, wie die Sauggasmaschinen. Im allgemeinen wird der (lir sie
erforderliche Brennstoff nicht billiger sein als die Steinkohlen für Dampf-
maschinen von gleichen Leistungen; aber die anderen Vorzüge und beson-
ders die dauernde Ersparnis an Heizern, sollten doch schließlich den Aus-
schlag geben. Alle Schleppschiffe mit Gasmaschinen zeigen gegenüber den
Dampfschiffen den Nachteil, daß sie beim Beginn der Fortbewegung sofort
mit fast voller Krafl arbeiten und es erfordert viel Vorsicht, um zu verhüten,
daß beim plötzlichen Anziehen des Schleppzugs die Trossen reißen oder
die Poller brechen.
Lastschiffe mit Gasmaschinen werden auf genügend tiefen Wasser-
straßen, die angenähert überall den gleichen Schiffswiderstand verursacheo,
unter denselben Bedingungen wirtschaftlichen Erfolg haben, wie die jetzt be-
stehenden Güterdampfer mit Schrauben, also im regelmäßigen Verkehr mit
Stück- und Eilgütern oder auch anderen Waren zwischen bestimmten Orten,
wo für schnelles Löschen und Laden gesorgt ist. Die Ölmaschinen jeder
Art werden dabei vorteilhafter als die Dampfmaschinen sein, weil durch die
Ersparnis an Heizern und Maschinisten die Verluste während der Lade-, Lösch-
und Wartezeiten verringert werden. Die Bedingung des gleichen Widerstandes
ist darum nötig, weil die Gasmaschinen in ihrer Leistung nur wenig verändert
und niemals vorübergehend überlastet werden können, was bei abwechselndem
Verkehr in Kanälen, in aufgestauten oder offenen Strömen mit verschiedenem
Gefalle erforderlich wäre.
Schon aus diesem Grunde muß die oft gehörte Meinung, daß nach
der Erfindung der Gasmaschinen künftig alle Lastschiffe auf den Binnen-
wasserstraßen damit ausgerüstet werden müßten, um sich »unabhängig von
den Schleppdampfern« zu machen, in dieser allgemeinen Fassung als unrichtig
bezeichnet werden. Diese Meinung wird meistens durch die Vertreter der
mit der Herstellung von Gasmaschinen beschäftigten Fabriken in der Öffent-
lichkeit verbreitet und man kann es diesen nicht verwehren, daß sie ihre
Waren anpreisen. Es wäre aber töricht, die Lastschiffe auf Rhein, Weser,
Elbe mit so starken Maschinen zu versehen, daß sie als »Selbstfahrer« zu
Berg fahren können, weil der jetzige Schleppbetrieb viel vorteilhafter ist.
Auch genügt bei tief beladenenen Schiffen die Wassertiefe unter dem
Schiffsboden meistens nicht für eine gute Wirkung der Schrauben, während
umgekehrt bei den unvermeidlichen Leerfahrten die Schraubenflügel aus dem
Wasser treten und unwirtschaftlich arbeiten. (Die Anwendung von Schrauben-
wellen, die sich nach Bedarf heben und senken lassen (S. 470), kann nicht
empfohlen werden.)
Anders liegt die Sache innerhalb eines Kanalnetzes oder eines Netzes von
Wasserstraßen, die von Natur oder durch Aufstau eine genügende Tiefe und
ein nur geringes Gefälle besitzen, wie z. B. im Gebiet der märkischen Wasser-
straßen, der elsaß-lothringischen Kanäle oder der weitverzweigten holländischen
Wasserstraßen. Lastschiffe, die sich auf den Verkehr innerhalb dieses Netzes
3. Kraftsdufie mit Gasmaschinen. 633
beschränken, werden durch die Ausrüstung mit einer Schraube unter Um-
ständen wirtschaftliche Erfolge erreichen können. Für diese Betriebe wird
sich neben den Ölmaschinen von Swiderski und Bolinder wegen der geringeren
Betriebskosten besonders die Sauggasmaschine empfehlen.
Auf den elsaß-lothringischen und den anschließenden französischen und belgischen
Kanälen verkehren seit Jahren einige Lastschiffe mit Sauggas, die gelegentlich auch den Rhein
talwärts befahren. Im Jahre 1909 wurden im Rheingebiet 9 Güterschiffe von Kanalmaß (38,5 m
lang, 5 m breit, 1,8 m Tauchtiefe) mit 240 bis 260 t Tragfähigkeit gezählt, die durch Sauggas-
maschinen von 20 bis 45 Pferdestärken getrieben wurden.
Auf den östlichen deutschen Wasserstraßen sieht man solche Schiffe noch selten. Im
Jahre 19 10 wurde ein gewöhnliches kleines Eibschiff (eiserne Bordwände und Holzboden, 39 m
lang, 5,2 m breit, 212 t Tragfähigkeit) durch die Fabrik in Köln-Ehrenfeld mit einer Sauggas-
maschine von 65 PS mit 300 Umdrehungen ausgerüstet, deren Gesamtgewicht 8 t betrug. Der
Brennstoff ist englischer Anthrazit. Das Schiff verkehrt zwischen Hamburg und Berlin und wird
auf der Elbe nicht geschleppt Wie sich das Unternehmen bewährt hat, ist nicht bekannt geworden').
Auf dem baierischen Ludwigkanal sind im Jahre 191 1 einige Güterschiffe mit Gasmaschinen
in Betrieb gestellt.
Im ganzen Deutschen Reich waren nach amtlicher Zählung am Ende des
Jahres 1907 im ganzen 691 KraftschifTe mit Gasmaschinen im gewerblichen
Betriebe der Binnenschiffahrt vorhanden. Davon entfielen 344 mit 3345 PS
auf Personenschiffe, 325 mit zusammen 8303 t Tragfähigkeit und 2571 PS auf
Güterschiffe und 22 mit 196 PS auf Schleppschiffe').
Im Auslande scheint die Ent Wickelung der Kraftschiffe mit Gasmaschi-
nen schneller fortzuschreiten, was bei den Ölmaschinen besonders aus dem
niedrigen Preise des Brennstoffs zu erklären ist.
In Rußland sind große Ein-, Zwei- und DreischraubengüterschifTe (meistens Kastenschiffe)
mit Dieselmaschinen im Betriebe, die Tragfähigkeiten bis zu 4600 t und bis zu 1400 PSi haben.
Diese sehr großen Schiffe verkehren allerdings nur auf dem Kaspischen Meer. Für den Schlepp-
dienst auf der Wolga und anderen Strömen sind Seitenradschlepper mit solchen Maschinen
bis zu 1000 PSi erbaut worden^).
In der Schweiz verkehrt auf den Seen eine ziemlich große Zahl von kleinen Lastschiffen,
die mit Benzin-, Petroleum- und ölmaschinen (zum Teil als Hilfsmaschinen) versehen sind. Seit
1905 fährt auf dem Genfer See ein größeres Güterschiff mit Dieselmaschine. Auch ein Personen-
schiff auf dem Züricher See wurde 1909 mit einer solchen Maschine ausgerüstet (S. 615, Abb. 499
bis SOi)* Sie hat aber den Anforderungen des regelmäßigen, pünktlichen Betriebs auf die Dauer
nicht genügen können. Dem Vernehmen nach sind wiederholt empfindliche Störungen ein-
getreten und die Leistungen sollen nachgelassen haben, so daß im Jahre 191 1 die Maschine aus
dem Schiff herausgenommen wurde.
In Holland bat namentlich im Laufe der letzten 5 Jahre die Zahl der Schiffe mit Gas-
maschinen zugenommen. Es werden dort vorwiegend die kleineren Ölmaschinen, sowohl auf
Güterschiffen wie auf kleinen Personenbooten, angewendet.
In Österreich-Ungarn sind vor einigen Jahren auf der Donau mehrere Flußtorpedo-
schiffe mit je 2 englischen Ölmaschinen von 300 PS (2 Schrauben} und femer zwei flach gehende
Flußkanonenboote mit je 5 englischen Ölmaschinen von 70 PS (3 Schrauben} ausgerüstet worden.
1} C. Stein, Der Gasmotor im Dienste der Schiffahrt. Zeitschrift des Vereins Deutscher
Ingenieure 1905. C. Claus, Schleppmonopol und Selbstfahrer. Berlin, 1910, M. Krayn.
O. Flamm, Die Anwendung des Motors in der Binnenschiffahrt, Verbandschrift. Großlichter-
felde bei Berlin, 19 il, A. Troschel.
2) Vgl. »Bestand der Binnenschiffe« am Ende des Buches.
3) Schaf fr an, Neuere bedeutsame Erscheinungen auf dem Gebiete des Baues von Motor-
schiffen in Rußland. Zeitschr. f. Binnenschiffahrt 191 2, S. 38, 93, 148.
634 Abschnitt III. Schüfe mit eigener Triebkraft, Kraftschiffe.
Sie werden mit Gasolin betrieben und sollen sich gut bewähren. Dagegen ist von der An-
wendimg der Gasmaschinen im gewerblichen ScbifTahrtbetriebe auf der Donau bisher nichts
bekannt geworden, obwohl dort die galizischen, rumänischen und russischen Rohöle wohlfeil
sind. Dem Vernehmen nach wird im Jahre 19 12 die Süddeutsche Donau-Dampfschiffahrt-Ge-
sellschaft drei Güterschiffe von je 620 t Tragfähigkeit in Betrieb stellen. Sie sollen Tunnelheck
mit 2 Schraube^ erhalten und mit Bolindermaschinen von je 120 PS versehen werden. Auf der
Save ist seit 191 1 ein Schraubenschlepper mit Dieselmaschine im Betrieb.
In Nordamerika werden schon viele Gasmaschinen in der Binnenschiffahrt verwendet. In
neuester Zeit verkehren z. B. auf den Pennsylvanischen Kanälen zwei Schleppschiffe mit Saug-
gasmaschinen. Sie sind 13 m lang, 3,2 m breit und haben einen Tiefgang von 1,4 m. Die im
Viertakt arbeitende Vierzilindermaschine (216 mm Durchmesser und 305 mm Hub) entwickelt bei
300 Umdrehungen 65 Nutzpferdestärken. Die Schlepper bewegen Züge von 4 bis 5 Schiffen mit
je etwa 100 t Ladung mit einer Geschwindigkeit von 6,5 km je Stunde. Der stündliche Ver-
brauch von Anthrazit wird zu 25,$ kg (also je PS etwa 0,4 kg) angegeben.
4. Kraftschiffe mit elektrischem Antrieb.
Um die Fortbewegungsmittel durch Elektrizität anzutreiben, kann man
entweder die am Lande erzeugte Kraft in Sammlern (Akkumulatoren) auf-
speichern, die auf dem Schiffe aufgestellt werden, oder man überträgt sie
durch Oberleitungen und Stromabnehmer, ähnlich wie bei den Straßenbahnen,
auf das Schiff während der Fahrt, oder man erzeugt sie an Bord durch eine
Dampf- oder Gasmaschine. Alle drei Arten sind mit mehr oder weniger Er-
folg ausgeführt und versucht worden.
Das erste elektrisch betriebene Kraftboot mit Sammlern wurde in
Deutschland im Jahre 1 89 1 auf der Elektrizitätsausstellung in Frankfurt a. M.
vorgeführt und hat namentlich für Vergnügungsfahrten viele Nachahmer ge-
funden. Die Einrichtung solcher Schiffe ist einfach: Die Sammlerbatterie
wird gewöhnlich unter der durchlaufenden Wegerung (Fußboden der Kajüte]
untergebracht. Dort liegt auch die Schraubenwelle, auf der unmittelbar oder
mit Kupplung der »Elektromotor« befestigt ist, während der » Regeler < und
der »Anlasser« neben dem Steuerrade aufgestellt werden, so daß ein Mann
das Schiff lenken und bedienen kann. Der Elektromotor bedarf während der
Fahrt keiner Beobachtung und keiner Bedienung. Anfanglich ergaben sich
aus den hohen Umlaufzahlen der Elektromotoren Schwierigkeiten, weil der
Wirkungsgrad der Schrauben dabei ungenügend war. Jetzt werden aber diese
Maschinen auch für kleine Umlaufzahlen (bis 120 und weniger) einwandfrei
hergestellt, allerdings unter Vermehrung des Gewichts und Verminderung des
mechanischen Wirkungsgrades.
Die großen Vorzüge des elektrischen Antriebs liegen in der einfachen
Bedienung des Elektromotors und besonders in der leichten Umsteuerung.
Ferner wird, ähnlich wie bei der Gasmaschine, während des Stillstands der
Schraube keine Kraft verbraucht und keine Wartung erforderlich. Die Boote
sind stets betriebsbereit. Sehr angenehm ist auch der ruhige und fast ge-
räuschlose Gang. Der große Nachteil dieser Einrichtung ist der beschränkte
Wirkungskreis solcher Schiffe wegen des großen Gewichts der Kraftsammler.
4* Kraftschiffe mit elektrischem Antrieb.
635
Ein kleines Kraftboot von 10,5 m
Länge, 2,3 m Breite, 0,65 m Tiefgang und
6 t Wasserverdrängung kann z. B. mit
einer einmaligen Ladung der 2,4 1 schweren
Sammlerbatterie in stillem, tiefem Wasser
entweder mit einer stündlichen Geschwin-
digkeit von 12 km 3 Stunden lang fahren
oder mit einer Geschwindigkeit von 9 km
15 Stunden lang. Der Wirkungskreis ist
also im ersten Falle 36 km und im zweiten
Falle 135 km lang. Im ersten Falle ent-
wickelt der Elektromotor eine Nutzleistung
von 5 PS und im zweiten Falle von etwa
2 PS. Die Zahl der Umdrehungen beträgt
750 und das Gewicht der Maschinenanlage
einschließlich der Batterie 2,7 t*). Man
erkennt aus diesen Mitteilungen, wie mit
wachsender Geschwindigkeit der Wirkungs-
kreis sehr schnell abnimmt und wie ab-
hängig ein solches Boot von den Lade-
stationen ist. Es ist darum bisher nicht
einmal in der Umgebung großer Städte,
z. B. Berlin, gelungen, elektrisch getriebene
Kraftboote zu Vergnügungs- und Sport-
zwecken in großer Zahl einzufuhren.
Für größere Geschwindigkeiten, z. B.
bei der Bergfahrt auf Strömen und für
größere Schiffe nimmt das Gewicht der
Kraftsammler sehr schnell zu.
Als Personenschiffe für gewerblichen
Betrieb dürften solche Kraftboote daher
nur im Fährbetrieb zweckmäßig sein und
als Schleppschiffe kommen sie kaum in
Frage.
Zum elektrischen Antrieb von Last-
schiffen sind neuerdings Kraftsammler
in großem Umfange von der Ziegeltrans-
port-Aktiengesellschaft in Berlin ange-
wendet worden, die Ziegelsteine von Zeh-
denick nach Berlin befördert.
I) C. Schulthes, Elektrisch angetriebene
Propeller. Jährbuch der Schiffbautechnischen Ge-
sellschaft, 1908.
<
[TT"
636
Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, KraftschilTe.
Die Entfernung vom Humboldthafen in Berlin bis zu den Ziegeleien an der oberen Havel
oberhalb Zehdenick beträgt etwa 75 km. Die Wasserstrai^e besteht aus Kanal-, See- und auf-
gestauten Stromstrecken und hat überall stilles Wasser von 1,5 m bis 1,6 m Tiefe. Es sind
8 Schleusen zu durchfahren.
Die Gesellschaft besitzt 118 Stück offene, stählerne Schiffe von Finowmaß (40 m lang,
4,2 m breit, 1,8 bis 1,9 m hoch), die nach der Eichung eine größte Tragfähigkeit von 188 bis
205 t besitzen. Bei einer Tauchtiefe von 1,3 m tragen sie eine Nutzlast von 160 bis 165 t, bei
1,4m 175 bis i8ot und bei 1,5m 190 bis 195t. (Die größte zulässige Tauchtiefe in der
Havel-Oder-Wasserstraße und in der oberen Havelwasserstraße beträgt 1,4 m.)
Die Schiffe haben eine vierflügelige Schraube von 925 mm Durchmesser, mit deren
Welle der Elektromotor gekuppelt ist. In Abb. 525 ist ein Längsschnitt durch das Hinterschiff
dargestellt Das Heck ist löffeiförmig. Vor dem Maschinenraum ist die Kajüte für den Schifib-
fuhrer angeordnet. Dann folgt der 3 m lange Raum für die Kraftsammler, der mit einem
stählernen Deck abgeschlossen, mit einem Lüftungsrohr (a) versehen und von dem davor liegen-
den offenen, 25 m langen Laderaum aus zugänglich ist. In diesem ist die Bühne (Wegerung)
etwa 0,4 m über dem stählernen Schiffsboden angeordnet, wie es auch bei anderen Lastschiffen
üblich ist, die ausschließlich zur Beförderung von Steinen dienen (vgl. S. 340). Das Vorschiff
enthält die Kajüte für die Schifismannschaft und bietet sonst nichts Bemerkenswertes.
Das Gewicht des Schiffskörpers beträgt etwa 41,5 t, wozu für Ausrüstung u. dgl. etwa 2 t
kommen. Das Gewicht der Maschinenanlage beträgt 10,5 t, wovon 9,5 t auf die Batterie ent-
fallen. Die Wasserverdrängung des leeren Schiffes (Totes Gewicht) beträgt daher etwa 54 1
und mit einer Nutzlast von 175 t bis 180 t bei 1,4 m Tauchtiefe 229 bis 234 t
Die Batterie hat 80 Zellen, eine Ladefähigkeit von 660 Amperestunden und wird vor An-
tritt jeder Fahrt in Berlin oder in Zehdenick geladen, wozu gewöhnlich 6 Stunden gebraucht
werden. Die normale Fahrgeschwindigkeit (bei etwa 120 Umdrehungen der Schraube) beträgt
4 km je Stunde; der Regeler (Kontroller) bt fUr $ Geschwindigkeitstufen eingerichtet, von denen
2 durch Feldschwächung und 2 durch Widerstände erzielt werden. Die Stellung IV entspricht
der Reisegeschwindigkeit, während die Stellung V nur vorübergehend, z. B. beim Überholen,
benutzt wird. Die normale Leistung des Elektromotors beträgt etwa 6 PSi und steigt bei der
Stellung V bis auf etwa 9 PSi.
Im Jahre 19 10 wurden mit einem Schiffe Versuchsfahrten im Teltowkanal vorgenommen,
dessen Abmessungen hinsichtlich der Fahrwasserbreite und Tiefe allerdings erheblich großer sind
als bei den Kanälen in der Wasserstraße Berlin — Zehdenick <}. Durch Schleppen des mit 158.5 t
Nutzlast beladenen Schiffes von 1,3 m Tiefgang mittels der dort vorhandenen elektrischen Trei-
delvorrichtung wurde bei verschiedenen Geschwindigkeiten [v in km je Stunde) der Schifiswider-
(IVv \
FS = I berechnet. Die Ergebnisse sind
(aus der unten angegebenen Quelle) in nachstehender Tafel zusammengestellt, worin n die Um-
drehungszahl des Elektromotors und der Schraube bedeutet.
Stel-
Am-
pere
Volt
n
PSi
V
km
W
PS
Wirkungsgrade
lung
Vm
10
V
K
2
3
4
_. s_ j
6
7
105
140
180
8
9
II
m
IV
V
19,25
28,25
41,25
—————^
162
160
159,5
102
117
«3*
4,24
6,15
8,95
3i36
3,89
4,425
1,31
2,02
2,95
0,76
0,77
0,77
0,41
0,43
0,43
0,31
0,33
0-33
Der Wirkungsgrad des Eletctromotors (^m) in Spalte 9 war (nach der angeführten
Quelle) von der betreffenden Fabrik zu 0,82 angegeben; doch konnte dieser Wert bei den
niedrigen Umlaufzahlen nicht erreicht werden. Der Wirkungsgrad der Schraube (1;/) und der
Gesamtwirkungsgrad (17) müssen als recht vorteilhaft bezeichnet werden. (Vgl. die Leistungen
i) C. Claus, Dr. ing., Schleppmonopol und Selbstfahrer auf dem Rhein- Weser-Kanal^
Berlin 19 10.
4. KraftschifiTe mit elektrbchem Antrieb. 637
der Dampfschiffe S. 590.) Bei Leerfahrten sind die Wirkungsgrade ebenso gut, obwohl dann
die Schraube nur zur Hälfte im Wasser liegt
über die Kosten ist zu bemerken, daß die Schiffe mit Ausrüstung je 17500 bis 18000 Mark
und die Maschinenanlagen aul^erdem je 11 000 Mark gekostet haben, wovon etwa 8500 Mark
auf die Batterie, einschließlich SäurefUllung usw., entfallen und der Rest auf den Elektromotor,
die Schaltvorrichtungen, die Lichtanlage usw. Der Stromverbrauch beträgt für das beladene
Schiff auf der Reise von Zehdenick nach Berlin durchschnittlich 80 bis 90, ausnahmsweise
100 Kilowattstunden, während auf der Rückfahrt das leere Schiff 60 bis 70 Kilowattstunden
verbraucht. Die Fahrzeit kann nicht genau angegeben werden, weil sie von den vielen Aufent-
halten, besonders an den Schleusen, beeinflußt wird: Die reine Fahrzeit des beladenen Schiffes
soll etwa 20 Stunden, die des leeren 15 bb 17 Stunden betragen.
Die Stromkosten sind in Zehdenick sehr billig, da sie von einem Wasserkrafbverk für
4 Pfennig je Kilowattstunde bezogen werden. In Berlin wird an die Berliner Elektrizitätswerke
ein Preis von 10 Pfennig gezahlt. Über die Unterhaltungskosten der Maschinenanlagen und be-
sonders der Sammlerbatterien liegen noch keine Erfahrungen vor.
Gegen die Wirtschaftlichkeit dieses Betriebes läßt sich grundsätzlich
nichts einwenden, da die Vorbedingungen für die Verwendung von Last-
schiffen mit eigener Triebkraft, wie sie bei den Gasmaschinen (S. 632) be-
sprochen wurden, im allgemeinen erfüllt sind. Hinsichtlich der noch ein-
facheren Bedienung der Kraftmaschine sind die Lastschiffe mit elektrischen
Sammlern denen mit Gasmaschinen überlegen. Da die Batterie aber im be-
sprochenen Falle nur für einen Wirkungskreis von höchstens 100 km aus-
reicht, muß der Betrieb darnach geregelt werden. Wenn man einen größeren
Wirkungskreis oder eine größere Geschwindigkeit verlangt, wächst das Ge-
wicht der elektrischen Sammler schnell und vermindert in empfindlicher Weise
die Tragfähigkeit des Schiffes.
Elektrisch angetriebene Schiffe, die den Strom während der Fahrt von
einer Oberleitung erhalten, können kaum als Kraftschiffe in unserem Sinne
(S. 235) bezeichnet werden, weil sie sich nicht unabhängig vom Ufer bewegen
können. Für den Schleppbetrieb auf Kanälen sind solche Versuche gemacht
worden').
Ganz unabhängig vom Ufer und von der Größe der Sammlerbatterie
wird ein elektrisch angetriebenes Schiff, wenn es seine Ladestation bei sich
fuhrt, indem der elektrische Strom an Bord durch eine besondere Kraft-
maschine nach Bedarf erzeugt wird. Man wählt dazu gewöhnlich eine Gas-
maschine und die Vorteile der Verbindung von solchen Maschinen mit Elek-
tromotoren sind schon oben (S. 625), namentlich in Beziehung auf die Um-
steuerung der Schraubenwelle, auseinandergesetzt worden. Noch vorteilhafter
wird diese Verbindung, wenn man sie durch eine Sammlerbatterie ergänzt,
die sowohl zum Anlassen der Gasmaschine dient als auch beim Rückwärts-
fahren und bei ganz langsamer Fahrt allein in Tätigkeit tritt. Bei gewöhn-
licher Fahrt wird der Elektromotor zur Dynamo und es tritt ein ständiger
Ausgleich der Kräfte ein. Die Umdrehungszahl der Gasmaschine ist von
der durch den Regeler beliebig veränderlichen Erregung des Magnetfeldes
i) Block, Die Betriebseinrichtungen des Teltowkanals. Elektrotechnische Zeitschrift 1906,
S. 546.
638 Abschnitt m. Schiffe mit eigener Triebkraft, Kraftschifie.
der Dynamo abhängig. Je nach dem Kraftbedarf für die betreffende Um-
drehungszahl der Schraube geht die überschüssige Leistung der Gasmaschine
als in der Dynamo erzeugte Elektrizität in die Sammlerbatterie. Wenn bei
zunehmender Umdrehungszahl der Schraube oder bei wachsendem Schiffs-
widerstand (z. B. in starker Strömung) eine größere Kraft erforderlich wird,
als die Gasmaschine leisten kann, so gibt die Batterie die fehlende Leistung
her, wobei die vorher als Dynamo arbeitende Maschine zum Elektromotor
wird. Da der Wechsel zwischen Dynamo und Elektromotor augenblicklich
vor sich geht, ergänzt die Batterie in jeder Zeit die Gasmaschine, so daß die
Fortbewegung des Schiffes sehr gleichmäßig wird').
Es war schon oben erwähnt worden, daß durch die elektrische Kraft-
übertragung ein beträchtlicher Kraftverlust entsteht. Da man aber unabhängrig
von der Gasmaschine der Schraube die vorteilhafteste Umlaufzahl geben kaim
und durch die eingeschaltete Sammlerbatterie eine sehr gleichmäßige Um-
drehung der Schraube erreicht, so wird fiir die ganze Anlage ein verhältnis-
mäßig günstiger Wirkungsgrad gewonnen, durch den der Kraftverlust zum
Teil wieder ausgeglichen werden kann.
Ob diese Art des elektrischen Antriebs, die bisher nur selten ausgeführt
worden ist, in Zukunft eine gewisse Bedeutung für die Binnenschiffahrt be-
kommen wird, läßt sich noch nicht sagen. Es scheint aber nicht ausge-
schlossen, daß in dieser Verbindung mit Sammlerbatterien auch die schnell
laufenden Dampfturbinen künftig bei Binnenschiffen zweckmäßige Verwen-
dung finden werden.
i) Nach Schulthes a. a. O.
Anhang,
1. Einiges über Schiffbauanstalten, Schiffaufzfige und Docks.
Das Schiifbauhandwerk hat sich wahrscheinlich in allen Ländern und
Stromgebieten schon in den ältesten Zeiten mehr oder weniger selbständig
entwickelt. Bei zunehmendem Verkehr lernte man bei Fremden und ver-
besserte die eigene Bauweise. So wissen wir, daß z. B. die Römer ihre höher
entwickelte Fertigkeit nach Deutschland gebracht haben. Im Mittelalter hatten
die Holländer den Ruf besonders tüchtiger Schiffbauer und wurden von aus^
ländischen Fürsten und Städten oft gerufen, um bei ihnen ihre Kunstfertigkeit
auszuüben und zu verbreiten. Noch bis heute beherrscht der holländische
Schiffbau in gewissem Sinne das ganze Rheingebiet. Die in älterer Zeit an
den meisten schiffbaren Strömen bestehenden Schiffbauanstalten waren sehr
einfach eingerichtet, zumal die Schiffsformen noch recht ungeschickt waren.
Das Biegen der starken eichenen Schiffsplanken mittels Erwärmung stammt
wahrscheinlich aus Holland. In Norddeutschland gab es um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts besonders in der Mark Brandenburg eine große Zahl
von Schiffbauanstalten, die handwerksmäßig betrieben wurden. Die dazu
nötigen Einrichtungen waren einfach : Ein am Fluß gelegener, sanft geneigter
(i : IG bis I : 20) Platz (der oder die Helling oder Helgen), ein Schnürboden,
einige Schuppen, ein Dampf kästen (S. 376) zum Erwärmen und Biegen der
Hölzer und das erforderliche Werkzeug.
Mit der Erfindung der Dampfschiffe entstanden Maschinenfabriken, welche
die Dampfmaschinen und Kessel herstellten, während die Schiffskörper wie
früher aus Holz von Schiffszimmerleuten gebaut wurden. Als man zum Eisen-
bau überging, übernahmen diese Fabriken auf geeigneten Plätzen am Wasser
auch den Bau der Schiffskörper und so entstanden allmählich die heutigen
Schiffbauanstalten (Werften). Wo, wie im Rheingebiet, auch die Lastschiffe
(seit 1841) bald allgemein aus Eisen angefertigt wurden, verschwanden die
älteren, nur für den Holzbau eingerichteten Schiflfbauplätze zum großen Teile,
während sie sich z. B. in Ostdeutschland länger erhielten. Ein Teil von ihnen
trug den veränderten Zeitverhältnissen Rechnung und lernte die erweiterte
Verwendung des Eisens. Zunächst wurden allgemein an Stelle der hölzernen
Knie (S. 378) eiserne Spanten eingeführt, zu deren Herrichtung und Bearbei-
tung ein Glühofen, Richtplatten, Lochstanzen, Bohrmaschinen u. dgl. nötig
waren. Einige Schiffbaumeister der alten Art gingen noch weiter und traten
640 Anhang.
mit den vorgenannten Schiffbauanstalten mit Maschinenfabriken in Wett-
bewerb, indem sie Lastschiffe mit eisernen Wrangen, eisernen Bordwänden
usw. bauten. Da nur der Boden selbst noch aus Holz hergestellt wurde, so
verschwanden allmählich die alten Schiffszimmerleute von der Werft und an
ihre Stelle traten die Eisenarbeiter, Schlosser imd Schmiede.
Am Ende des Jahres 1872 wurde eine amtliche Zählung der in Deutschland vorhan-
denen Schiffbauanstalten veranstaltet <]. Wenngleich die Absicht bestand, nur die SteUen zu
zählen, auf denen Binnen- und Küstenschiffe gebaut wurden, so sind in dem Ergebnis zum
großen Teil auch die Bauanstalten für Seeschiffe enthalten. Im ganzen wurden 446 Schiff1>an-
anstalten gezählt, von denen 24 auf die Provinzen Ost- und Westpreußen und das Weichsel-
gebiet entfielen, 68 auf das Küstengebiet der Ostsee westlich von der Weichsel, einschließlich
des Gebiets der imteren Oder bis Stettin, 112 auf das Küstengebiet der Nordsee, einschließlich
der Unterelbe bis Hamburg, der Unterweser bb Bremen und des Emsgebiets, 59 auf das Gebiet
der Oder oberhalb Stettin, 103 auf das Gebiet der Elbe oberhalb Hamburg, 3 auf das Gebiet
der Weser oberhalb Bremen, 54 auf das ganze deutsche Rheingebiet und 23 auf das baierische
Donaugebiet.
Hierunter befanden sich etwa 8 Bauanstalten för eiserne Schiffe, die gleichzeitig Dampf-
maschinen und Kessel herstellten (in Königsberg, Elbing, Danzig, Bredow bei Stettin, Rostock,
Kiel und Roßlau).
Die meisten Bauanstalten Preußens waren in den Provinzen Brandenbux|r (80}, Hannover {70)
und Pommern (48). Von anderen Bundesstaaten besaßen Baiem 33, Oldenburg 30, Mecklen-
burg 21 und Hamburg 20 Schiffbaustellen. Die baierischen Werften waren zum Teil am Rhein,
zum Teil am oberen Main und zum größten Teil (23), wie schon oben bemerkt, im Donaugebiet
Dort wurden nicht nur an der oberen Donau (besonders in Ulm), sondern auch am Lech und
Inn viele Schiffe gebaut, die entweder nach anderen schifil>aren Stromstrecken verkauft wurden
oder überhaupt nur für eine einmalige Talfahrt bestimmt waren.
Wegen des billigen Bauholzes haben sich an vielen Strömen, besonders im Oberläufe, die
Schiffbauer mit Vorliebe angesiedelt. Ein gutes Beispiel zeigen die böhmischen Zillen, über
die früher (S. 270) gesprochen worden ist.
Die ersten Schiffbauanstalten fiir eiserne Schiffe, verbunden mit Maschi-
nenfabriken, entstanden in den Seehäfen und betrieben den Bau von See-
und Binnenschiffen. Später entwickelten sich auch im Binnenlande solche
Unternehmungen, gewöhnlich aus kleinen Anfangen, indem zu den einfacheren
Einrichtungen für den Bau der eisernen Schiffskörper allmählich eine Gießerei,
eine Kesselschmiede, eine Maschinenbauanstalt, eine Tischlerei usw. traten.
In Abb. 526 ist der Lageplan der Werft von Cäsar Wollheim bei Breslau
mitgeteilt, die etwa vor 10 Jahren neu errichtet und mit allen modernen Ein-
richtungen ausgerüstet ist. Sie beschäftigt heute etwa 1000 Arbeiter, für die
gleichzeitig in nächster Nähe eine Zahl von Wohnhäusern erbaut wurde.
Der wichtigste Teil einer Werft für Binnenschiffe ist der Helling mit
der Aufschleppe. In früherer Zeit ordnete man die Mittellinie des Stapels,
auf dem man das Schiff baute, senkrecht zur Uferlinie des Hellings an und
ließ das fertige Schiff in der Richtung seiner Längsachse (auf einem »Längs-
helling«) in das Wasser laufen, wie es bei Seeschiffen noch heute allgemein
üblich ist. Mit der wachsenden Größe der Binnenschiffe erkannte man aber,
daß bei ihrer verhältnismäßig geringen Festigkeit diese Art des StapeUaufs
i) Statistik des Deutschen Reichs, Band VII (1874).
I. ScbiffbauansEBlten, SchiBTaafzUge and Docka.
r^" räl-,
, BinBeBichiBaliR.
642 Anhang.
sehr schädlich für die Haltbarkeit der Verbindungen war. Man legt daher
jetzt in der Regel die Mittellinie des Stapels gleichlaufend mit der Uferlinie
und baut den Boden längsschiffs und querschiffs in wagerechter Lage. Das
fertige Schiff wird querschiffs geneigt und querschiffs zu Wasser gelassen
(»Querhelling«).
Auch zur Ausbesserung, besonders zur Untersuchung und zum Anstrich
des Bodens wurden die Binnenschiffe früher allgemein in der Richtung ihrer
Längsachse aufgeschleppt, indem man Schlitten oder Walzen unterlegte. Dies
Verfahren ist aber außerordentlich nachteilig und sollte bei allen Binnen-
schiffen vermieden werden. Wenn man Schraubenschiffe mit dem Heck
voran auf Land zieht, um irgend welche Arbeiten an der Schraube vorzu-
nehmen, zeigen sich oft die nachteiligen Folgen später in einem unruhigen
Gang der Maschine, in Stößen u. dgl. Es sind dann Verbiegungen und Ver-
schiebungen in der Welle, im Stevenrohr odfer im Drucklager u. dgl. einge-
treten. Außerdem werden Lockerungen in den Längsversteifungen des Schiffs-
körpers hervorgerufen.
Jetzt bestehen auf allen besseren Werften Querhellinge mit Schiff-
aufzügen, auf denen die Schiffe mittels besonderer auf Rädern und Schienen
laufender Wagen aus dem Wasser gezogen und umgekehrt zu Wasser ge-
lassen werden. Die aus kräftigen Eisenbahnschienen hergestellten Gleise er-
halten eine sichere Unterlage von Mauerwerk, Beton oder Pfahlwerk und
reichen (als Vorhelling) so weit unter den Wasserspiegel, daß auch bei
niedrigen Wasserständen unter dem schwimmenden Schiffe noch die für die
Schiffwagen erforderliche Höhe vorhanden ist. Die Länge des Hellings und
des Aufzugs (gleichlaufend mit der Uferlinie gemessen) hängt von der Länge
der fraglichen Schiffe und dem verfügbaren Platz ab (etwa 50 bis 150 m),
während die Breite außerdem durch die Neigung der Gleise bestimmt wird.
Diese schwankt zwischen i : 8 und 1:15 je nach dem verfugbaren Platze und
vor allem nach der Höhe des Wasserstandwechsels. Wenn der Wasserstand
gar nicht oder in geringem Maße schwankt, wie bei Werften an Kanälen,
gibt man den Gleisen schwache Neigungen von i : 10 bis 1:15, dagegen
bei starkem Wasserwechsel an Strömen 1:8 bis i : 10, um keine zu große
Hellingsbreite zu bekommen. Im ersten Falle genügen oft Breiten von 20
bis 40 m, während sie an großen Strömen zuweilen 70 bis 100 m und mehr
betragen.
Die Schiffwagen (Hellingwagen) baut man entweder für schmale Spur
oder für weite Spur. Die Spurweite wechselt zwischen 0,5 m und 5 m. Je
schmaler die Spur gewählt wird, um so mehr Wj^en und Gleise werden
nötig. Eine weite Spur verdient daher im allgemeinen den Vorzug, beson-
ders bei breiten Hellingen an Strömen, wo die Kosten für die Gleise sehr
erheblich sind. Nach der Spurweite richtet sich auch der Abstand der Gleis-
mitten von einander und schwankt in entsprechender Weise etwa zwischen
4 m und 10 m bei schweren und zwischen 5 m und 12 m bei leichten Schiffen.
. SchiErbsuanstdten, SchilTaufzUge nnd Docks.
643
ShhifTbaU \ NtiZZe
s
Auf der Werft von CSsar Wollheim [Abb. 516) an der Oder beRnden sich a Schiflaofiöge
mit eiDer Neigung von l : 10. Der eine bat eine L&nge von 4S m und eine Breite von lo^ m,
5 Gleise von je 5 m Spurweite nnd dient zum Aufziehen schwerer, bis 1,4 m tief tauchender
Scliiffe bis zu 300 t Gewicbt; der andere ist 41 m lang, 95 m breit, mit 4 Gleisen von 5 m
Spurweite für leichtere Schiffe bis zd 100 t Gewicht tiestimmt. Neben den AakUgen befindet
sich noch ein 70 m langer Helling ohne Gleise, der gewöhnlich für Neubauten benutzt wird.
In Abb. 527 ist die Schiif-
bauanstalt und der Helling der Orurtdriß I-Sooo.
früheren Gesellschaft »Union'
am Kanalhafen zu Dortmund
da^eslellt. Auch diese Anlage
stammt aus neuerer Zeit und ist
zwecitmißig und modern einge-
richtet. Der Querhelling ist
■40 m lang, 40 m breit nnd hat
eine Neigung von i : 11,3. Es
linden darauf 4 Knoalschiife
von je 65 m Länge und 8 m
Breite Platz. Die 20 Gleise
von je 2 m Spurweite liegen in
Abstinden von je 7 m.
Aus dem Querschnitt fAbb.
518] erkennt man, daß der
oberste Teil der Gleise auf Auf-
klotzungen ruht, so daß man
zwischen den Gleisen bequem
an den Sehiffsboden gelangen
kann. In einem Abstände von
S m von dem Ende der Gleise steht die lO m
gebaute, nach vome offene Schilfbauhalle, die
nötigen Maschinen, Krane, Glühofen nsw. entli
fiütrbaren Drehkran, der die einzelnen Bauteile
dem Krangleb und der Halle liegt außerdem ni
dargestellten Werften wird mit Druckluft genii
o.. Tlachlerei h. ßcfüoasei^c
c Glüho^ d DriKkluflleilaT^
Abb. 527 und 528.
Queriacfmili -t
SchifTbauplatz der >
Dortmund.
tiefe, auf eis
gleichfalls 1
Den Säulen und mit eisernem Dach
le LHnge von 140 m hat und [die
der Halle liegt das Glei; Tilr einen
der Halle lum Helling befürdert. Zwischen
in Arbeitsgleis von 0,73 m Spur. Auf beiden
1 man erkeoni in dem Querschnitt (Abb. 518)
die gestrichelten DmcklufUeitungen unter dem Helling.
Abb. 529 und 530. Schiffwagen von 0,5 m Spur
Abb. 529 und 530 zeigen einen aus I-Eisen iqsammengesetiten Wagen von 0,5 m Spurweite
filr Schüfe von 6 m Breite bei einer Neigung des Hellings von l : 15. Der Gleisabstand betrigt
4,5 m. Der Wagen besteht aus je z vieriäderigen Wagen von l m Radstand, die mittels Zapfen-
lager in 3,7 m Abstand durch einen 32 cm hohen I-TrSger von 6 m Länge verbunden^sind,
dessen wagerechte, mit einer hüliemen Bohle bedeckte Oberkante die Plattform des Wagens
bildet, a sind Keilbremsen, die beim Anziehen des Wagens durch die Stangen * voniden
Ridem abgehoben werden, beim Aufhören des Zuges jedoch den Wagen auf den Schienen
644
Anhang.
festhalten. An Stelle dieser Einrichtung werden zuweilen an den Wagen Sperrklinken ange-
bracht, die in eine zwischen den Schienen befestigte Zahnstange eingreifen und das Hinabrollen
des Wagens verhindern.
In den Abb. 531 bis 533 ist ein aus Blech und Formeisen genieteter Wagen von 5 m Spur-
weite für Schiffe von S m Breite dargestellt, wie er bei einer Neigung von i : 10 auf der Werft
von Caesar Wollheim benutzt wird. In ähnlicher Weise wie vorher sind die auf jeder Schiene
laufenden 4 Räder paarwebe mit 1,5 m Radstand durch versteifte 1 -Träger mit einander ver-
bunden und tragen durch starke in 4 m Abstand angeordnete wagerechte Zapfen einen kasten-
förmigen genieteten Blechträger von 8 m Länge. Dieser ist im Querschnitt 50 cm breit, in der
Mitte 40 cm hoch und auf seiner wagerechten Oberfläche mit einer 60 cm breiten, 4 cm starken
hölzernen Bohle abgedeckt, die als Plattform dient. Die auf den beiden Schienen laufenden
Wagenhälften sind an den Enden und in der Mitte durch C- Eisen, Winkel und Kreuzstäbe g^at
3diniRA-B
'l-SO
Abb. 53 1 bis 533. Schiffwagen von 5 m Spurweite i : 60.
mit einander verbunden. Die Räder haben nicht gleiche Durchmesser: Es beträgt der Durch-
messer der unteren Räder 60 cm, der der oberen 30 cm. Eine gute Schmierung der Radachsen
ist von Wichtigkeit. Dazu eignet sich am besten zähflüssiges Fett in Schmierbüchsen.
Die Fortbewegung der Wagen erfolgt in der Regel durch Drahtseile, die durch am oberen
Ende der Gleise aufgestellte Winden auf- und abgewickelt werden. Die Winden werden entweder
durch Menschenkraft bewegt oder durch Kraftübertragung mittels Wellen und Rädern von der
Betriebsdampfmaschine oder durch elektrischen Antrieb. Die letzte Anordnung ist bei den Auf-
zügen von Caesar Wollheim angewendet. Auf Abb. 534 erkennt man die auf Rollen gefilhiten
Drahtseile sowie die Winden. Das kleine Häuschen auf der linken Seite enthält die Steuervor-
richtung für den elektrischen Antrieb. Da die Drahtseile oft ihre Länge in verschiedenem Ma&e
verändern, müssen die Winden einzeln zum Nachspannen und Ausgleichen eingerichtet sein.
Auch Dockanlagen werden zuweilen bei der Ausbesserung von Binnen-
schiffen angewendet. Die gelegentliche Benutzung solcher für Seeschiffe
I. ScbiÄbauaiisl«lten, Schiffiofeüge und Dock». 645
eiBgerichteten Anlagen in Seehäfen (z. B. in Rotterdam, Hamburg, Stettin)
ist wegen der beträchtlichen Kosten selten; dagegen sind in neuerer Zeit
einige besondere Docks für Binnenschiffe gebaut worden. Trockendocks
haben an Binnenwasserstraßen einen verhältnismäßig einfachen und billigen
Betrieb, wenn sie im Oberwasser eines Stauwerks erbaut werden, so daO sie
durch Ablassen des Wassers in das Unterwasser ohne Anwendung von
Maschinen entleert werden können. Eine solche Anl^e ist in Deutschland
zuerst bei der Schleuse Malz an der Havel -Oder- Wasserstraße als Privat-
Abb. S34- Schiffauftilge der Werft vqq CSsar Wollheim, Blick auf den Bauhafen and die Oder.
unternehmen ausgeführt worden. Beim Bau des Dortmund -Ems-Kanals
wurde dann bei Münster in der Nähe der Schleuse ein staatliches Trocken-
dock gebaut. Abb. 535 zeigt den Lageplan der dortigen Doppelschleuse
und im Oberwasser das Trockendock von 9,5 m Breite und 67 m Länge in
der Sohle. Abb. 536 zeigt den Querschnitt. Die Sohle und die geböschten
Seitenwände sind abgepfiastert, während das Haupt aus Mauerwerk hergestellt
ist. Die 8,6 m weite Toröffnung wird durch ein hölzernes Klapptor mit unten
liegender, wagerechter Achse verschlossen. Zur Füllung der Dockkammer
aus dem Oberwasser dient ein eisernes Rohr (Umlauf] von 0,5 m Weite und
646
Anhang.
zur Entleerung ein ebenso weites Rohr [a im Lageplan}, das in ein Sparbecken
der Schleuse mündet. Da das Schleusengeialle 6,2 m beträgt, war es nicht
nötig, das Rohr bis zum Unterwasser zu iiihren. Das Trockendock hat sich
bewährt. Die Füllung und Entleerung dauert je etwa eine Stunde. Eine
ähnliche Anlage ist in Oppeln an der aufgestauten Oder errichtet. Er-
wähnungswert ist femer ein aus Stein gebautes Trockendock in Br^enz
am Bodensee, das von der österreichischen Regierung fiir ihre Bodensee-
dampfschiße angelegt ist und durch Pumpen entleert wird. Im Wolgagebiet
sollen 6 hölzerne Docks vorhanden sein, die als schwimmende DockschiiTe
\ i- ^ KQmmep2 leSyrt \ ( \ \
briri.i.i.i.i.i.M.i.i.i.i.i.i.i.i.i.i.i.iJim
^ - .<, V- "«- sls ^ — « V
—s.e Ä^ H{
^iWO QaepsdiTäüÄ'B äardi doa 1rodiXTvd€X^
Abb. 535 und 536. Lageplan der Doppelschleuse Münster und des Trockendocks nebst Querschnitt.
(»Kamele«) gebaut sind'j. Das erste eiserne Schwimmdock für Binnen-
schiffe ist im Jahre 1896 in Altofen bei Budapest von der ersten k. k. priv.
Donau-Dampfschißahrtgesellschaft in Betrieb genommen worden. Die Länge
des Docks beträgt 60 m, die äuOere Breite 21,6m und die innere Nutzbreite
17,6 m, so daO die größten Raddampfer der Gesellschaft darin Platz finden.
In Abb. 537 ist ein Querschnitt davon dargestellt. Die Höbe der Seitenbauten ist 4,9 m,
die des Mittelkörpers 1,8 m in der Mitte. Die als Gitterträger angeordneten Spanten liegen in
Abständen von je i m. Die Beplattung ist 6 bis 8 mm stark. Der Schwimmkörper ist durch
i) Renner, Schwimmdock für Flußschiffe. Verbandschrift 1899, Berlin. Dieser Schrift ist
auch die Abbildung des Schwimmdocks entnommen. Vgl. auch: Handbuch der Ing.-Wissenscb.
III. Teil Wasserbau, II. Bd. Häfen, 4. Aufl., III. H. Mönch und P. Hedde, HafendSmme, Ufer-
mauem, Schiffbauanstalten, §§ 12, 13 u. 17 (1912). Leipzig, W. Engelmann.
647
wasserdichte Schotte in S Zelleo geteUt, die
eiiuelD gefüllt nnd eotleert werden kSaneo,
wozu eioe 140 m lange Rohrleitung von
150 mn Liehiweite vorhanden bt
An den beiden Enden der Seitenbauten
ist je eine Kreiselpumpe aufgeatelli, die elek-
trisch sngelrieben wird. Zum Auspumpen
des Wassers, also zum vollständigen Heben
des Dock« werden bei 35 bis 40 Preidestärken
34 Minuten gebraucht. Das Eigeagewicbt be-
tragt 400 t und die TragfUiglieit 840 t. Zur
Auflagerung der Schiffe dienen die Kiel-
blöcke (i], zur Absteifung 14 holzeme Kimm-
pallen (#), die durch Handrlder, Wellen,
Kegel- und Schrsubenrilder vom Deck der
Seitenbauten aus bewegt werden, und zur
Seitenabstützung 4 holzeme wagerecfate Bal-
ken (c), die in Ihnlicher Weise durch Zahn-
stangen vorgeschoben werden können. Die
Herstellungskosten betrugeo etwa, ifijooo
Mark. Die Anlage hat sich gut bewihrt und
es sind jihrüch 100 bis ilo Schiffe gedockt
2. Der Bestand der Binnen-
schiffe.
Über die Zahl der auf einzelnen
Strömen und in einigen Ländern
früher vorhandenen Schiffe sind in
dem geschichtlichen Rückblick auf
die Entwickelung der Binnenschiffahrt
(im ersten Teil) einige Mitteilungen
gemacht worden. Seit dem Jahre
1872 sind in Deutschland in Zeit-
räumen von je 5 Jahren amtliche
Zählungen der Schiffe vorgenommen
und die Ergebnisse von dem Kaiser-
lichen Statistischen Amte veröffent-
licht worden. Die Zählung erfolgte
in den Heimatsorten der SchifTseigen-
tümer, da es sich darum handelte,
die in Deutschland heimatberech-
tigten Schiffe zu ermitteln , und
zwar gegen Ende des Monats De-
zember, zu welcher Zeit in der
Regel die Binnenschiffahrt ruht imd
die Schiffer selbst sich in ihrer Hei-
mat befinden. Bei dieser Einrichtung
648
Anhang.
Tafel I.
1877: Zahl und Tragfähigkeit der Lastschiffe
Nr.
I
2
3
4
5
6
7
S
9
lO
II
12
»3
14
15
i6
17
iS
«9
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
Wasserstraßen
von 10 von 50
bis
50 t
bis
150 t
von 150
bis
250 t
I. Stromgebiet des Rheins.
Elsaß-Lothringische Kanäle (mit 111, Saar und oberer Mosel) . .
Mosel (in Preußen)
Rhein (mit Ruhr, Bodensee und Unterrhein oberhalb SchafThausen)
Neckar
Main
Ludwigkanal
Lahn
Lippe
Zusammen
n. Stromgebiet der Ems.
Ems
Zuflüsse, Kanäle, Jade und Küste
in. Stromgebiet der Weser.
Zusammen
Fulda und Werra ,
Weser oberhalb Bremen
Unterweser (einschl. Bremen) und Zuflüsse
Aller mit Leine
Zusammen
rV. Stromgebiet der Elbe ohne die Märkischen
Wasserstraßen.
Saale mit Unstrut
Elbe oberhalb Hamburg (mit Ilmenau)
Unterelbe (einschl. Hamburg) und Zuflüsse
Elbe-Trave-Kanal mit Lübeck und Travegebiet
Eide unterhalb Plan und Schweriner See
Zusammen
V. Märkische Wasserstraßen.
» » Zusammen
VL Küstengebiet zwischen Elbe und Oder
einschl. Schleswig-Holstein (ohne Travegebiet)
VII. Stromgebiet der Oder.
Oder bis Haff mit Zuflüssen und Klodnitzkanal
Haff mit Zuflüssen (Peenefluß, Ücker u. dgl.)
Warthe mit Netze und Bromberger Kanal
Zusammen
Vin. Stromgebiet der Weichsel.
Weichselgebiet nebst Küste und Kanälen zum Haff
IX. Wasserstraßen östlich der Weichsel.
Elbingfluß und Oberländischer Kanal
Pregelgebiet mit Frischem Haff
Memelgebiet mit Kurischem Haff und Deime
Masurische Wasserstraßen
Zusammen
X. Stromgebiet der Donau.
Donau nebst Zuflüssen und baierischen Seen
Im Deutschen Reich zusammen
72
127
252
159
348
12
5
7
28
Z32
I
208
zog
22X
130
4
H7
127
120
153
197
32
86
4
40
97
17
3329
770
456
307
530 ' «533
35z I
192
39
350
2
^5
15
I
975
866
6<H
139
427
17
5
—
566
22
—
45
17
2
3627 I 002 I 519
46
77 —
25
i
145
7 -
277
47
15 .
—
7139 1 7818 ; Z293
2. Der Bestand der BinnenschifTe.
649
ohne eigene Triebkraft in Deutschland.
6
7
S
9
10
II
12
«3
von 250
bis
▼on 300
bis
400 t
und
Zahl aller Schiffe
Tragflihigkeit
aller Schiffe
im Durch-
schnitt
Nr.
300 t
400 t
mehr
hölzerne
eiserne
zusammen
t
t
1
1
!
45
2
440
18
458
67444
«47
I
6
3
—
302
—
302
25147
83
2
»3
144
"3
859
211
I 070
218392
206
3
2
I
2
318
I
3>9
18293
57
4
—
—
—
550
550
26606
48
5
—
—
—
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30
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16 660 423 1 17 083
I 346 005 80
Hierzu
für 190 Sc
hiffe von unbekannter Tragföhigkeit .
«4 995
I 361 000
650
Anhang.
Tafel n.
1907: Zahl und Tragfähigkeit der Lastschiffe
Nr.
Wasserstraßen
von IG
bis
50 t
von 50 Ivon i5oi von 250
I
2
3
4
5
6
7
8
9
10
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12
13
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15
16
17
18
19
20 I
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
I. Stromgebiet des Rheins.
Elsaß-Lothringische Kanäle (mit 111, Saar und oberer Mosel).
Mosel (in Preußen)
Rhein (mit Ruhr, Bodensee und Unterrhein)
Neckar
Main
Ludwigkanal
Lahn
Lippe
Zusammen
n. Stromgebiet der Ems.
Dortmund-Ems-Kanal und Ems
Zuflüsse, Kanäle, Jade und Küste
Zusammen
DL Stromgebiet der Weser.
Fulda und Werra »
Weser oberhalb Bremen
Unterweser (einschl. Bremen) und Zuflfiase
Aller mit Leine
Zusammen
IV. Stromgebiet der Elbe ohne die Märkischen
Wasserstraßen.
Saale mit Unstrut
Elbe oberhalb Hamburg (mit Ilmenau)
Unterelbe (einschl. Hamburg) und Zuflüsse
Elbe-Trave-Kanal mit Lübeck und Travegebiet
Eide unterhalb Plan und Schweriner See
Zusammen
V. Märkische Wasserstraßen.
» » Zusammen
VI. Küstengebiet zwischen Elbe und Oder
einschl. Schleswig-Holstein (ohne Travegebiet)
Vn. Stromgebiet der Oder.
Oder bis Haff mit Zuflüssen und Klodnitzkanal
Haff mit Zuflüssen (Peenefluß, Ücker u. dgl.)
Warthe mit Netze und Bromberger Kanal
Zusammen
Vni. Stromgebiet der Weichsel.
Weichselgebiet nebst Küste und Kanälen zum Haff ....
IX. Wasserstraßen östlich der Weichsel.
Elbingfluß und Oberländischer Kanal
Pregelgebiet mit Frischem Haff
Memelgebiet mit Kurischem Haff und Deime
Masurische Wasserstraßen
Zusammen
X. Stromgebiet der Donau.
Donau nebst Zuflüssen und baierischen Seen
Im Deutschen Reich zusammen
3
5
35
43
bis
150 t
bis
250 t
bis
300 t
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24
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15
144
121
114
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2690
281
66
43
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—
19
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—
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491
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2. Der Bestand der BinnenschifTe.
651
ohne eigene
Triebkraft
in Deutschi:
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bis
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bis
von 500
bis
von 600
bis
von 700
bis
von 800
bis
von 900
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über
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500 t
600 t
700 t
800 t
900 t
1000 t
1000 t
Zahl
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314
258
218 ;
730
22 923
5 725 258
250
Hierzu für 24 Schiffe von unbekannter Tragfähigkeit . 5 742
5 731 000
652 Anhang.
war es allerdings nicht immer möglich, bei der Zählung alle Schiffe zu
besichtigen, weil ein Teil davon auswärts zu überwintern pflegt. Anderer-
seits würde das Verfahren, alle Schiffe möglichst gleichzeitig auf der Fahrt
während des Betriebes zu zählen, auch zu mancherlei Schwierigkeiten ge-
führt haben; denn viele Schiffe befinden sich vorübergehend im Auslande
und von den auf den Wasserstraßen angetroffenen Schiffen ist ihre Heimat-
berechtigung nicht immer mit Sicherheit festzustellen. Außer den eigent-
lichen Binnenschiffen sind auch die in den Strommündungen, den Haffen
und Meeresbuchten verkehrenden Fahrzeuge (Küstenschiffe) gezählt worden,
soweit sie nicht als Seeschiffe anzusehen waren.
Grundsätzlich sollten nur die zur gewerbsmäßigen Personen- und Güter-
beförderung bestimmten Schiffe aufgenommen werden. Lastschiffe mit einer
Tragfähigkeit unter lo t, sowie die nur für eine einmalige Talfahrt bestimmten
sind nicht gezählt, dagegen alle Dampfschiffe. Kraftschiffe mit Gasmaschinen
und mit elektrischem Antrieb sind erst bei der letzten Zählung im De-
zember 1907 besonders berücksichtigt worden, während sie in den früheren
Jahren teilweise zu den Dampfschiffen gerechnet wurden. Die erste Auf-
nahme des Bestands der Binnenschiffe von 1872 führte infolge der damit
verbundenen Schwierigkeiten zu unzuverlässigen Ergebnissen.
In den Tafeln I und II sind nach den Zählungen von 1877 und 1907
die Zahl und die Tragfähigkeit der Lastschiffe ohne eigene Triebkraft
für die einzelnen Wasserstraßen und Stromgebiete zusammengestellt worden.
Dabei ist, abweichend von der Einteilung des Statistischen Amts, für die
Märkischen Wasserstraßen (zwischen Elbe und Oder) ein besonderer Abschnitt
eingeführt und der Elbe-Travekanal nebst dem Gebiet der Trave zum Strom-
gebiet der Elbe gezogen worden. Ein Vergleich der beiden Tafeln gibt hin-
sichtlich der Vermehrung und Vergrößerung der Lastschiffe während des
Zeitraumes von 30 Jahren lehrreiche Aufschlüsse.
In der Tafel in ist für die einzelnen Stromgebiete das Alter der hölzernen
und eisernen Lastschiffe im Jahre 1907 zusammengestellt, soweit es höher
ist als 20 Jahre. Bei den hölzernen Schiffen kann man aus diesen Ergeb-
nissen auf ihre Lebensdauer schließen: Im Durchschnitt erreichen von allen
deutschen hölzernen Schiffen nur etwa 23 v. H. (Spalte 8) ein Alter von
20 Jahren und 1,4 v. H. (Spalte 7) ein Alter von 50 Jahren. Doch schwanken
diese Zahlen sehr; denn von den Weserschiffen waren z. B. 61 v. H. über
20 Jahre alt, während auf den Märkischen Wasserstraßen nur etwa 5 v. H.
dies Alter erreicht haben. Aus den Ergebnissen über die eisernen Lastschiffe
kann man nicht in ähnlicher Weise auf ihre Lebensdauer schließen, sondern
nur rückwärts auf die Zeit ihrer Erbauung.
In der Tafel IV sind die Zahl und die Pferdestärken der deutschen
Dampfschiffe zusammengestellt, so weit sie im Jahre 1907 im gewerblichen
Betriebe der Binnenschiffahrt standen. Es ergibt sich daraus, in welcher
Weise die 2518 Dampfer mit zusammen 466173 PSi sich auf die einzelnen
2. Der Bestand der BinnenschifTe.
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654
Anhang.
Tafeiiv. 1907: Zahl und Stärke der Dampfschiffe in Deutschland.
8
Nr.l
I
2
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4
5
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«5
26
Wasserstraßen
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schiffe
Zahl
Pferde-
stärken
Güterschiffe , Schleppschiffe
I Trag-
Zahlfähigkeit
t
iPferde-
stärken
Zahl
Pferde-
stäiken
27
L Stromgebiet des Rheins.
Elsaß-Lothringische Kanäle (mit 111 und Saar) .
Mosel •
Rhein (mit Ruhr, Bodensee und Unterrbein) . .
Main
Lahn
Zusammen
IL Stromgebiet der Ems.
Dortmund-Ems-Kanal und Ems
Zuflüsse, Kanäle, Jade und Küste
Zusammen
III. Stromgebiet der Weser.
Fulda und Werra
Weser oberhalb Bremen
Unterweser (einschl. Bremen) und Zuflüsse . . .
Aller mit Leine
Zusammen
IV. Stromgebiet der Elbe.
Saale mit Unstrut
Elbe oberhalb Hamburg (mit Ilmenau) ....
Unterelbe (einschl. Hamburg) und Zuflüsse . . .
Elbc-Trave-Kanal mit Lübeck und Travegebiet.
Eide unterhalb Plau und Schweriner See . . .
Zusammen
V. Märkische Wasserstraßen.
» » Zusammen
VI. Küstengebiet zwischen Elbe u. Oder
einschl. Schleswig-Holstein (ohne Travegebiet) .
VII. Stromgebiet der Oder.
Oder bis zum Stettiner Haff mit Zuflüssen . . .
Haff mit Zuflüssen (Peenefluß, Ücker u. dgl.) . .
Warthe mit Netze und Bromberger Kanal . . .
Zusammen
Vni. Stromgebiet der Weichsel.
Weichselgebiet nebst Küste u. Kanälen zum Haff
IX. Wasserstraßen östlich der W^eichsel.
Elbingfluß und Oberländischer Kanal
Pregelgebiet mit frischem Haff
Memelgebiet mit Kurischem Haff u. Deime . .
Masurische Wasserstraßen
Zusammen
X. Stromgebiet der Donau.
Donau mit Zuflüssen und baierischen Seen. . .
Im Deutschen Reich zusammen
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398
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2 562
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719 1 92 712 1270153191 ; 38 444 II» 529 1 3350x7
1
2. Der Bestand der BinnenschifTe.
055
Wasserstraßen verteilen. Von den Personendampfem sind viele in den See-
häfen heimatberechtigt und dienen zum Teil mehr der KüstenschifTahrt als
der BinnenschiiTahrt.
Die Einteilung zwischen Personen-, Güter- und Schleppdampfern ist nicht
ganz zutreffend; denn manche Personendampfer befördern auch Güter und
viele Personen- und Güterdampfer werden auch zum Schleppen benutzt. Die
Schleppdampfer überwiegen übrigens erheblich, nicht nur an Zahl, sondern
vor allem an Stärke. Es ist bemerkenswert, daß im Dezember 1907 noch 46
aus Holz gebaute Dampfschiffe gezählt wurden.
In der Tafel V sind die Zahl und Stärke der Kraftschiffe mit Gas-
maschinen nach der Zählung vom Dezember 1907 zusammengestellt. Die
Mehrzahl entfallt auf die Elbe und besonders auf Hamburg. Auch hier sind
nur die im gewerblichen Betriebe beschäftigten Schiffe gezählt worden.
Tafel V. 1907: Zahl und Stärke der Kraftschiffe mit Gasmaschinen in
Deutschland.
5
8
Nr.
Wasserstraßen
Personenschiffe
Zahl
PS
Güterschiife
Zahl
Trag-
fähigkeit
PS
Schlepper
Zahl
PS
I
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Stromgebiet des Rheins •
Kmsgebiet und Dortmund-Ems-Kanal .
Stromgebiet der Weser
Elbegebiet ohne Märkische Wasserstraßen
Märkische Wasserstraßen
Küstengebiet zwischen Elbe und Oder .
Odergebiet
Weichselgebiet
Wasserstraßen östlich der Weichsel . .
Donaugebiet
Im Deutschen Reich zusammen
40
4
3
154
57
41
30
6
5
4
344
536
46
32
«233
617
472
261
72
44
32
35
2
4188
949
264
4
19
2948
78
137
3
625
136
1612
37
158
3
13
5
I
I
3345 325 8303 I 2571
22
17
98
68
4
9
ig6
das sind 691 Kraftschifie mit 61 12 Pferdestärken (vgl. S. 633).
Außerdem dienten dem Gewerbebetriebe elektrisch betriebene Schiffe:
4 Personenschiffe mit zusammen 13 Kilowatt-Stärke
44 Güterschiffe mit zusammen 8631 t Tragfähigkeit und zusammen
264 Kilowatt
I Schlepper mit 18 Kilowatt (vgl. S. 635).
Bei der amtlichen Zählung wurden ferner ermittelt:
45 Ketten- und Seildampfschiife mit zusammen 7561 PSi
und 6 Eisbrechdampfer * > 4630 »
Um die Vermehrung der deutschen Schiffe seit dem Jahre 1877 zu
zeigen, sind die Ergebnisse der 7 amtlichen Zählungen in abgerundeten Zahlen
in der Tafel VI zusammengestellt. Die sehr starke Zunahme der gesamten
666
Anhang.
Tragfähigkeit der Lastschiffe von 3307000 t im Jahre 1897 auf 4720000 t im
Jahre 1902 ist zum Teil auf die während dieser Zeit erfolgte neue Eichung
der Schiffe (S. 25 1) zurückzufuhren. Diese führte zu teilweise erheblich größeren
Zahlen, die für die Schiffe auf den östlichen Wasserstraßen im Durchschnitt
30 V. H. betrug.
Für das Jahr 1877 sind keine Pferdestärken angegeben, weil damals die
» effektiven € Pferdestärken ermittelt waren und diese nicht einwandfrei in
indizierte umgerechnet werden können. Der Inhalt dieser Tafel ist zum Teil
in Abb. 538 zeichnerisch dargestellt.
Abb. 538.
I^rmdirar^ den deutschen Birmenschiffh,
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-23000
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Die bisherigen Mitteilungen beziehen sich nur auf die bei den amtlichen
Zählungen ermittelten in Deutschland heimatberechtigen Schiffe. Das gibt
an sich noch kein ganz zutreffendes Bild von den auf den einzelnen Wasser-
straßen verkehrenden Schiffen; denn einerseits kommt es vor, daß
Schiffe nicht auf den Gewässern verkehren, an denen ihr Eigentümer seinen
Wohnsitz hat, und andererseits befahren viele ausländische Schiffe die deut-
schen Wasserstraßen. Das trifft besonders fiir die Gebiete des Rheins, der
Elbe und der Donau zu, während auf den östlichen Wasserstraßen die Zahl
der russischen Schiffe unbedeutend ist.
2. Der Bestand der Binnenschiffe.
657
Alle den Rhein befahrenden
Schiffe werden durch den Rhein;
Schiffregister- Verband (S. 366) seit
dem Jahre 1879 etwa alle 2 Jahre
ermittelt und in »Registern« zusam-
mengestellt'). Dazu werden noch
» Statistische Auszüge « hergestellt,
die über die auf dem Rhein ver-
kehrende Flotte eine gute Übersicht
geben. Es sind alle Lastschiffe und
Dampfschiffe darin aufgenommen,
die im gewerblichen Betriebe be-
schäftigt sind; Kraftschiffe mit Gas-
maschinen sind anscheinend bisher
nicht berücksichtigt worden. Da-
gegen ist auch die Schiffsmann-
schaft festgestellt und in die Aus-
züge aufgenommen worden.
In der Tafel VII ist der Stand
der Rheinflotte nach den Registern
für 1908 und 19 10 ersichtlich ge-
macht. Die betreffenden Zahlen
gelten fiir den Monat August dieser
Jahre. Da die letzte Zählung der
Reichstatistik den Stand vom 3 1 . De-
zember 1 907 angibt, können die be-
treffenden Zahlen (Spalte 3) wohl
mit denen des Registers von 1908
in Vergleich gestellt werden. Es
muOten aber die Schiffe des Boden-
sees und Unterrheins abgezogen
werden, weil das Register diese nicht
enthält. Andererseits sind von den
Ergebnissen des letzteren die Schiffe
der Westfälischen Transport-Aktien-
gesellschaft in Abzug gebracht wor-
den, weil diese nicht auf dem Rhein
verkehren.
Der Vergleich ergibt bei den Last-
schiffen ohne eigene Triebkraft, daß die
Zahl der im deutschen Rheingebiet heimat-
i) Herausgegeben von der Versiche-
rungsgesellschaft Providentia in Frankfurt a. M.
Teubert, Binnenschiffahrt.
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42
658
Anhang.
Tafel Vn.
Die Rheinflotte nach den Rheinschiffregistern von 1908 und 1910.
2
8
Nr.
Jahr 1908
' Schiffe im
I deutschen
I Rhein-
[gebiet vor- deutsche
, handen
Auf dem Rhein verkehrende Schüfe nach den
Rheinschiffregistem
hollän-
dische
bel-
grische
andere
fremde
zusammen
I
2
3
4
5
6
7
8
9
10
II
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
3476
1 149
2327
I 837 106
358
1347
674
493
94
55
346
182 744
i
Lastschiffe ohne Triebkraft
davon hölzerne
und eiserne
Tragfähigkeit aller Schiffe .
Zahl der Schiffe unter 50 t
» » > von 50-^300 1
> > » über 1000 t
Zahl der Mannschaften .
Dampfschiffe zusammen
davon Raddampfer . .
und Schraubendampfer
darunter Personenschiffe
> Güterschiffe .
> Schleppschiffe
Pferdestärken zusammen
desgl. der Raddampfer
» > Schraubendampfer
Mannschaft der Raddampfer
» Schraubendampfer
Jahr 1910
Lastschiffe ohne Triebkraft . .
davon hölzerne
und eiserne
Tragfähigkeit aller Lastschiffe. . •
Zahl der Schiffe unter 50 t Tragf. .
» » > von 50 l>is 300 1 .
> > > über 1000 1 • . .
Zahl der Mannschaften
Dampfschiffe zusammen . . . .
davon Raddampfer
und Schraubendampfer
darunter Personenschiffe
* Güterschiffe
» Schleppschiffe
Pferdestärken zusammen
desgl. der Raddampfer
> * Schraubendampfer . . .
Mannschaft der Raddampfer . . .
» » Schraubendampfer .
2743
679
2064
I 827 204
178
749
747
7829
617
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477
»34
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186 151
100718
85433
I 610
2373
4832
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3 393
I 391 882
40
3476
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II 484
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3»
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82640
II 420
71 220
278
2201
2033
94
934
70
1099
24
665 583
21 652
41
—
845
77
39
—
4591
251
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f
8
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8
5
I
61
—
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4
23554
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—
23354
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7
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39
9702
3 122
6580
3906321
259
5 »47
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2415s
1303
172
I 131
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206
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293310
112 338
180972
1895
5329
2999
4884
2316
89
10288
644
976
986
61
2667
2355
3908
»330
28
7677
2094881
I 619425
800292
23 114
4537712
177
46
39
—
262
783
3223
864
63
4 933
853
315
61
—
I 229
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25498
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151
32
2
—
185
558
576
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172
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92
74
—
246
451
480
96
2
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209 727
107 925
27774
4SS
345 881
II0313
12 240
340
122 893
99414
95685
27434
455
222 988
1693
295
II
1999
2566
2526
823
»9
5 934
2. Der Bestand der Binnenschiffe. 659
berechtigten Schiffe (3476) erheblich größer bt als die den Rhein befahrenden deutschen Schiffe
[2743). Das erklärt sich daraus, daß viele Schiffe im Gebiet der Nebenflüsse und in Elsaß-
Lothringen nicht auf dem Hauptstrom verkehren. Das müssen kleine, besonders hölzerne Schiffe
sein; denn die Tragfähigkeit aller im deutschen Rheingebiet heimatberechtigten Schiffe ist nur
um rund 10 000 t größer als die der auf dem Rhein verkehrenden deutschen Schiffe. Das wird
auch durch die größere Zahl der Schiffe mit Tragfähigkeiten unter 50 t und unter 300 t nach
der Reichstatistik bewiesen.
Daß die Zahl der großen Schiffe über 1000 t TragOUiigkeit nach dem Register (747) größer
ist als nach der Reichstatistik (674}, läßt sich, abgesehen von neu eingestellten Schiffen in der
Zeit vom i. Januar bis i. August, vielleicht daraus erklären, daß eine 2^hl deutscher Schiffe
aus anderen Stromgebieten (z. B. aus Bremen oder Hamburg) über See nach dem Rhein ge-
kommen sind. In ähnlicher Weise kann auch die größere Zahl der Dampfschiffe nach dem
Register (6x7) gegen die der Reichstatistik (493) entstanden sein. Die gesamte Stärke der deut-
schen Dampfer beträgt nach dem Register etwa 3400 PSi mehr. Daß die Einteilung der Dampf-
schiffe in Personen-, Güter- und Schleppschiffe nicht übereinstimmt, ist auf ihre zum Teil wech-
selnde Benutzung zurückzuführen.
Man erkennt aus den Zusammenstellungen, daß der deutsche Anteil an der Rheinschiff-
fahrt nicht einmal die Hälfte beträgt.
Ausland.
Die gesamte Don au flotte bestand etwa im Jahre iQoi') aus:
263 Raddampfern mit . . . 105000 PSi
134 Schraubendampfem mit, 19000 >
Zusammen 397 Dampfschiffe mit . . . 134000 PSi
Femer: 1637 eiserne Lastschiffe von 692 000 t Tragfähigkeit
1280 hölzerne » » 300000 > »
Zusammen 2917 Lastschiffe von. . . 992000t Tragfähigkeit
Die Donauflotte ist mithin erheblich kleiner als der deutsche Anteil an der Rheinflotte.
In Frankreich wird in etwa 5jährigen Zeiträumen eine amtliche Zählung der auf den
französischen Wasserstrasen gleichzeitig verkehrenden Schiffe vorgenommen.
Im Jahre 1896 wurden gezählt:
254 Personendampfer
98 Güterdampfer mit 12805 PSi
222 Schleppdampfer > 25 850 >
77 Kettendampfer
Zusammen 651 Dampfschiffe
Femer: 15793 Lastschiffe von 3442250 t Tragfähigkeit.
Im Jahre 1907 wurden gezählt:
15 410 Lastschiffe von 3841 745 t.
Von diesen hatten
7850 Schiffe mehr als 300 t Tragfähigkeit
2 405 » 300 bis 200 » »
I 522 » 200 » 100 » >
3 633 » 100 » 3 »
Von Normalschiffen (mit 38,5 m Länge und 5 m Breite) wurden 7521 mit 2631 816 t Trag-
fähigkeit gezählt. Von eisemen Schiffen gab es nur 1396, die vorwiegend auf den nordöstlichen
Wasserstraßen verkehrten.
Von den gezählten Lastschiffen waren 12 661 französische, 2204 belgische, 400 deutsche
und 45 holländische und luxemburgische.
Im Jahre 1907 wurden im ganzen nur 610 Schiffe mit eigener Triebkraft gezählt.
i) Suppan, Wasserstraßen und Binnenschiffahrt, 1902.
4**
660 Anhang.
In Rußland erfolgt alle 5 Jahre eine statistische Ermittelung der vorhandenen Binnen-
schiffe.
Im Jahre 1895 wurden gezählt (in Europa):
811 Personendampfer mit 161 000 PSi
88 Güterdampfer » 2$ 000 »
1393 Schleppdampfer * 273000 »
23 Kettendampfer » 3 000 >
77 »Dienstdampfer« » 19 000 >
Zusammen 2392 Dampfschiffe mit 48 1 000 PSi
Femer: 20580 Lastschiffe von 8630000 t Tragfähigkeit.
Im Jahre 1900 wurden gezählt:
looi Personendampfer
105 Güterdampfer
18 12 Schleppdampfer
23 Kettendampfer
354 "Dienstdampfer«
Zusammen 3295 Dampfschiffe mit rund 580000 PSi
(darunter 17 18 Dampfer im Wolgagebiet).
Femer: 22859 Lastschiffe von 11 130000 t Tragfähigkeit (damnter 1437 Schiffe mit Trag-
fähigkeiten über 100 000 Pud = 1638 t).
Im Jahre 1906 wurden gezählt:
♦ 3897 Dampfschiffe mit mnd 750000 PSi
imd etwa 21000 Lastschiffe von rund 13000000 t Tragfähigkeit {darunter 1974 Schiffe mit
Tragfähigkeiten über 1638 t).
Zu den Dampfschiffen ist zu bemerken, daß die Personendampfer zum großen Teil auch
Guter befördern und häufig zum Schleppen benutzt werden. Die Angaben in PSi sind nicht
ganz genau, da die amtlichen Mitteilungen zum Teil in >nominalen< Pferdestärken gemacht werden.
Stichwörter
(zur Ergänzung des Inhaltsverzeichnisses).
Aak (Schiflf) 292.
Ablauf 359.
Abort 420.
Ähnlichkeitsgesetz 592.
Allerschiff 322.
Allgemeines Landrecht 54.
Ankergeschirr 421.
Aulassen der Gasmaschine 603,
611.
Anstrengung des Kessels 514.
Anstrich der Schiffe 378, 429.
Anthrazit 491.
Asche 492.
Atmosphäre 503.
Atmosphärische Maschine 527.
Auf langer 375.
Aufschleppe 640.
Ausrüstung der Schiffe 421, 583.
Außenhaut 383.
Ausstattung der Schiffe 41 1, 583.
Backbord 236.
Balanceruder 401.
Barke, Barsche 332.
Baustoffe 371.
Bauvorschriften 364.
Begakanal 67.
B^landre 304.
Beliana 333.
Benzin 610.
Benzinmaschinen 606.
Beplankung 376.
Bergholz, Bergplatte 387.
Berlin-Stettiner-Kanal 203.
Beschaffung v. Schiffen 429, 597.
Beurt- oder Börtfahrt 50, 97, 121.
Biland = B^landre 304.
Binger Loch 59, 177.
Binnenschiffahrtkongresse 1 63 .
Blechstöße 384.
Boberkette 421.
Boden des Schiffs 347.
Bodensee-Schiffahrt 1 14.
Boidack 267.
Bolindermaschine 618.
Brahe 208.
Braunkohlen 491.
Bremsversuche 589, 605.
Brennstoffe, feste 491.
— flüssige 497.
— Verbrauch 610, 616.
Breslauer Maß (Schiff) 276.
Breuschkanal 108.
Bromberger Kanal 44, 208.
Bronsmaschine 619.
Brügge, Seekanal 6.
Brüssel, Seekanal 6.
Bugform 349.
Bühne 378, 41 1.
Bundstaken 428.
Chaland 304, 330.
China, Kanäle 13, 32.
Dahme-Wasserstraße 206.
Dampfdruck 503.
— gesättigt 502.
— -Kessel 511.
Mantel 505.
— -Maschine 527.
Schieber 527.
1 Steuerwinde 584.
— überhitzt 508.
— -Verbrauch 507.
Deckbalken 391.
— bewegliches 397.
— festes 362.
— -Planken 392.
Sprung 359, 548.
— -Stützen 393.
Dennebaum = Tennebaum 362.
Deplacement = Verdrängung.
Diagramm des Indikators 506.
Dieselmaschine 611.
Docks 645,
Donau- Dampfschiffahrtgesell-
schaft 143.
— -Kanal 222.
— -Schiffe 66, 324.
Theiß-Kanal 225.
Doppelschraubenschiff 470, 562.
Dortmund-Ems-Kanal 211, 314.
Dreh flügelschraube 623.
Drosselklappe 505.
Drucklager 468.
Druckverlust des Dampfs 504.
Duchten 377, 388.
Dynamometer 597.
Effektive Leistung = Nutzlei-
stung.
Eichschein 253.
Eiderkanal 49.
Einender (Kessel) 512.
Eisbrechdampfer 561.
Eisen zum Schiffbau 373.
Eisernes Tor 144, 224.
Elbe-Spree-Kanal 172.
Trave-Kanal 212. .
Elbing-Oberländ.-Kanal 139.
Eibschiffe 53, 120, 286.
Elbstrom-Bauverwaltung 125.
Eide-Wasserstraße 130.
Elektrische Boote 634.
Elster-Saale-Kanal 201.
Ems- Jade-Kanal 172.
Emsschiffe 115.
Emster-Gewässer 128.
Erdöl 498.
Erftkanal 113.
Erzeugende der Schraube 462.
Expansion des Dampfs 507, 527.
Explosionsmotoren s=3 Gas-
maschinen.
Fahrbäume 428.
Fehrbelliner Kanal 132.
Festigkeit des Eisens 373.
— der Schiffe 247, 361.
Fingerling (Ruder) 404.
Finowkanal 42.
Maß 135.
— -Schiflf 274.
Fischwehre 23.
Flamänder (Schiff) 302.
Flurwinkel 381.
Flußzölle 18.
Flute (Schiflf) 305.
Fortbewegung der Schiflfe 437.
Fortgang der Schraube 455.
Fox-Terrier (Schiflf) 311.
662
Stichwörter.
Frachtdampfer ^ Güterdampfer.
Frachten 17, 59, 97i >o2, 108,
122, 127, 149» 156.
Frankenthaler Kanal 63.
Franzenskanal 67.
Franz-Josef-Kanal 67.
Freibord 250, 346.
Freihäfen 57.
Friedrichsgraben 46.
Friedrich-Wilhelm-Kanal 39.
FiÜlungsgrad 507.
Gabare (Schiff] 284.
Galler > 284.
Gamsen » 66, 329.
Gangbord = ßordgang 237.
Ganghöhe der Schraube 455.
Gaserzeuger 620.
Gasmaschine 599.
— , Vorzüge 627.
Gasreiniger 621.
Gebinde 395.
Gegenpropeller 474.
Generator = Gaserzeuger.
Gent-Temeuzen-Kanal 6, 72.
Germanischer Lloyd 368.
Geschwindigkeit d. Schiffe 439,
59'.
Gewicht der Benzinmasch. 607.
Dampfmaschinen 545.
Dieselmaschinen 615.
Kessel 525.
Lastschiffe 346.
— — Sauggasmaschinen 623.
Gilden und Zünfte 16, 51.
Girlasche (Schiff) 66, 329.
Gleichdruckmaschine 605, 611.
Glühhaube 616.
Großschif&hrtweg Berlin-
Stettin 208.
Güterdampfer 556, 577, 582.
Hacke (Ruder) 408.
Haftpflicht 59.
Hakenruder 401.
Hammermaschine 529.
Handelskammer 57.
Hanekenkanal 115.
Hängebühne 411.
Haupter 120.
Havel-Oder-Wasserstraße 43.
Heckform 349, 360.
Heckrad 450.
Dampfer 542, 579.
Heißdampf 508, 517.
Heizfläche 514.
Kraft 492.
— -Stoffe 491, 497.
Helling 374, 640.
— -Wagen 642.
Helmholz 401.
Hengst (Schiff) 313.
Herft 396.
Hema (Schiff) 312.
Holz zum Schiffbau 372.
Hoogaart (Schiff) 313.
Hunte-Ems-Kanal 115.
Ihle-Kanal 44.
Indikator 505.
Joggein 384.
Kabelgatt 412.
Kadole (Schiff) 304.
Kaffe 351.
Kaiser- Wilhelm-Kanal 6.
Kajüten 412.
Kalorie 492.
Kammerkanal 130.
Kastenschiffe 335.
Keilform 351.
Kerosine 610.
Kessel 511.
Stein 528.
Kettenschiffahrt 122, 146.
Kielholz 292.
Schwein 382.
Sohle 468.
Kimm 358.
Klampen 419.
Klassifikation 364.
Klodnitzkanal 45.
Schiff 282.
Klüsen 419.
Knie 375.
Köcher (Mast) 395.
Kohlen 491.
Kohlenverbrauch 510.
Koker (Ruder) 409.
Kollisionsschott 388.
Kolomenka 334.
Kondensation 527.
König-WUhelm-Kanal 141.
Kosten der Dampfschiffe 598.
Lastschiffe 429.
Kraffohlkanal 47.
Kraftboote 628.
Kranschiffe 343.
Kühleinrichtung 341.
Kühlung der Gasmasch. 603.
Küstenschiffahrt 6.
Laderaum 363.
Ladefähigkeit 240.
Ladungsdampfer = Güter-
dampfer.
Lahnschiff 308.
Landrecht, allgemeines 54.
Landseen 10.
Landwehrkanal 132.
Lastenmaßstab 247.
Lebensdauer der Schiffe 652.
Leckwerden 242.
Leerebene 253.
Leertiefgang 346.
Lehnung 358.
Leinpfad 25, 60.
Leipzig-Elbe-Kanal 172.
Saale-Kanal 201.
Leistung der Dampfmaschinen
507, 588.
Gasmaschinen 605, 610.
Leuchtgasmaschine 599.
Linienrisse 244, 352, 548.
Lloyd 368.
Löffelform 352.
Ludwigkanal 112, 198.
Luftdruckmaschine 527.
Luftpumpe d. Dampfmasch. 528.
Luisenstädt Kanal 132.
Luken 393.
Luksüll 362, 393.
Maasspitz (Schiff) 311.
Mainschiff 64, 112, 307.
Mallboden 373.
Malzer Kanal 130.
Manchester-Seekanal 6.
Manometer 503.
Margotat (Schiff] 329.
Mariensystem 75.
Marinekessel 511.
Märkische Wasserstraßen 126,
206.
Marktschiffe 24, 59.
Mamois (Schiff) 330.
Maschinenleistung 507, 589, 605.
Maschinentelegraph 586.
Mast (Bewegung) 426.
Mastköcher 395, 398.
Masurische Kanäle 46, 219.
Mechanischer Wirkungsgrad
589, 628.
Mecklenburg. Wasserstraßen
129.
Merklinge 395.
Mervedekanal 229.
Metazentrum 240.
Mignole (Schiff) 312.
Mittellandkanal 213.
Mittelschott 337, 580.
Modell (vom Schiff) 379.
Moorkanäle 115.
Mürtelschiff 338.
Stichwörter.
663
N
Moselschiff 309.
Motorboote 628.
Motoren = Gasmaschinen.
Mücke (beim Mast] 427.
Mühlen 20.
Nasholz 303.
Neckarschiff 63, iio, 305.
Niederlagsrecht 16.
Nietung (der Schiffe) 384.
Nominelle Pferdestärke 588.
Nordholländ. Kanal 5.
Notte 132.
Nutzleistung der Maschinen 588,
605.
Nutzpferdestärke 605, 610.
Oberländer Kahn 268.
Oberländisch. Kanal 139.
Oderkahn 272.
Schiffe 52, 135, 274.
Spree-Kanal 173, 204-
— -Strombauverwaltung 190.
— -Weichsel- Wasserstraße 207.
Öhringskette 421.
Oktroivertrag 58.
ölmaschinen 611.
Oranienburger Kanal 130.
Oszillierende Maschine 535.
Otter (Schiff) 313.
Overdracks 32.
Pallklötze 374.
Pannerdensche Kanal 71.
Paraffin 610.
Penische 302.
Persennig 394.
Personenbeförderung 59, 74, 96,
128, 143, 146.
Dampfer 555, 567.
Petroleum 498, 606, 610.
Pfahlproben 597.
Pferdestärke 507.
Pflicht (Deck) 391.
Plätte (Schiff) 66, 329.
Plattendeck 394.
Planer Kanal 43.
Planer Maß (Schiff) 284.
Pleit (Schiff) 313.
Pointu (Schiff] 304, 311.
Poller 418.
Potdechsel 237.
Praam (Schiff) 313.
Prahm (Form) 349.
Prallschiff 486.
Preßluft 611.
Probefahrt 510.
Prony scher Zaum 589.
Propeller 437.
Providentia 366.
Püddeling 311.
Pumpen 419.
Pünte (Schiff) 313.
Radkasten 447, 454.
Rahmenspant 388, 583.
Rangfahrt 50, 97, 121.
Rauch 494.
— -Verminderung 518.
Raumbalken 388.
Gehalt 262.
— -Stringer 389, 583.
Razin (Schiff) 328.
Reaktionspropeller 486.
Receiver 529.
Registertonne 262.
Reibhölzer 387.
Reihefahrt 50, 97, 121.
Reisekahn 265.
Reling 392.
Reversionsgetriebe 624.
Rheinbrücken 107.
Maas-Kanal 172.
Marne -Kanal 108.
— -Rhone-Kanal 70, 96.
Rheinsberger Gewässer 203.
Rheinschiff 61, loo.
Register 366, 657.
Rhein-See-Schiffahrt 6.
Rheinstrom-Bauverwaltung 105.
Rhein -Weser -Elbe -Kanal 172,
217.
Rhoneschiff 330.
Riffelblech 386.
Rinnsparren 394.
Ritzel (Getriebe) 413.
Rohöl 498, 611.
Rostfläche 513.
Rostock-Berliner-Kanal 173.
Rotterdam, neue Wasserweg 5.
Rücklauf 438.
Ruderblatt 401.
Ruppiner Kanal 45.
Ruß 494.
Saaleschiff 291.
Saarkanal 113.
Schiff 310.
Sakrow-Paretzer Kanal 201.
Sättigung des Dampfs 503.
Sauggasmaschine 620.
Schachtel (Schiff) 66, 329.
Schandeck 377.
Schanzkleid 392.
Schaufelrad 439.
Schaulinie 506.
Scheich (Schiff) 307.
Scheuerleiste 387.
Schieber (Ruder) 408.
— (Dampfmaschine) 527.
Schiff (Zeitschrift) 162.
Schiffahrtabgaben 195, 213.
Schiffahrtkongreß 163.
Schiffahrtsakten 81.
Schiffaufzug 642.
Schifibauanstalt 639.
Schiffdurchlaß 23.
Schiffergilden 16, 51, 58, 63.
Schiffswiderstand 592.
Schiffwagen 642.
Schleppbetrieb 96, 119, 146.
Dampfer 551, 562, 579-
Geschirr 587.
— -Kette 428.
Leistung 594.
Monopol 216.
Schlensenkiel 468.
j Schlüpf 438, 445» 465.
Schmierung der Maschinen 545,
604.
Schnürboden 373.
Schorbaum 428.
Schottwände 377, 388.
Schrauben 455.
Dampfer 471, 531, 551.
Form 459.
Rad 472.
— -Schirm 482.
Steigung 461.
Welle 468.
Schrecke (Schricke) 428.
Schult (Schiff) 313.
Schwanzwelle 469.
Schweberuder 401.
Schwimmdock 646.
Fähigkeit 239.
Ruder 452.
Schwingende Maschine 535.
Schwungrad 603.
Seckenburger Kanal 141.
Seefang 405.
Seekanäle 6.
See-Leichter (Prähme) 7, 320.
Segelbank (Ducht) 378, 398.
Seilklemme 587.
Seitenraddampfer 471, 535, 562.
Seitenstringer 389.
Sentelnaht 375.
Sicherheitschott 388.
Silokanal 202.
Sknibber 620.
Slip = Schlüpf = Aufschleppe.
Sog 450-
Spandauer Kanal 132.
^
661
Stichwörter.
Spannung des Dampfs 503.
Spanten 375, 378.
Riß 244.
Spill 426.
Spiritus 606, 610.
Spitzbeck (Schiff) 312.
Sponung 376.
Spoykanal 63.
Spnrng 359, 548.
Spunden 377.
Stabilität 240.
Stahl (zum Schiffbau) 373.
Stand (Deck) 391.
Stapelrecht 16.
Stauwehre 21.
Stecknitzfahrt 28.
Steifheit (Stabilität) 240.
Steinkohlen 491.
Steuerbord 236.
Diele 401.
— -Ruder 400.
Winde 412, 585.
Steuerung d. Dampfmasch. 527.
Steven 376, 383.
Rohr 468.
Störkanal 130.
Storkower Gewässer 132.
Stracklatte 374.
Strahlschiff 486.
Strau, Streck 411.
Struden 66, 143, 221.
Swiderski-Maschine 616.
Tafeldeck 394.
Tankschiff 335.
Teltowkanal 219.
Templiner Gewässer 45.
Tennebaura 362.
Thermischer Wirkungsgrad 589,
628.
Tjalk 312.
Torf 491.
Toue (Schiff) 304.
Tragfähigkeit 240, 250.
Trauner 328.
Treidelei mit Pferden 24, 56, 62,
68, 98, "7, 147.
Trockendock 645.
TroUhättakanal 78.
Trossenklemme 587.
Winde 587-
Tunnelheck 475.
Turbinenpropeller 486.
Schraube 473.
Überhitzter Dampf 508, 517.
Überlastung der Maschine 628.
Umladerecht 17.
Umlaufzahl der Räder 442, 453.
— — Schraube 466.
Umsteuerung der Dampfm. 528.
— — Gasmasch. 623.
Unfallverhütung 527.
Unstrut 126.
Unterhaltungskosten der Schiffe
435' 599-
Verbrennung 492.
Verbrennungsmotoren = Gas-
maschinen.
Verbundmaschine 529.
Verdampfungskraft 494.
Verdeck 394.
Verdrängung 239, 246, 348.
Vereinigte Transport-Versiche-
rungs- Gesellschaften 364.
Vergaser 606.
Veritas (Gesellschaft) 366.
Verkehr auf den Wasserstraßen :
— Berlin 133.
— Donau 145, 659.
— Elbe 124.
— Elsaß-Lothringen 108.
— Eriekanal 155.
— Finowkanal 131.
— Frankreich 149, 659.
— Havel 128.
— Klodnitzkanal 46.
— Lahn 112.
— Lippe 1 14.
— Ludwigkanal 112.
— Main 1 1 1 .
— Memel 141.
— Mosel 113.
— Neckar 109.
— Oder 135.
— Pregel 139.
— Rhein 62, 103, 658.
— Rußland 660.
— Spree 132.
— Weichsel 138.
— Weser 117.
Vermehrung der Schiffe 655.
Verpuffungsmaschinen 605.
Versicherungsanstalt 105, 364.
Verwaltung der Märkischen
Wasserstraßen 206.
Viertaktmaschine 602.
Völligkeitsgrad 244, 34S.
Vorstrom 465.
Voßkanal 203.
Waal (Penische) 302.
Waidling (Schiff] 301.
Wall schiene 237.
W^alzenkessel 5x1.
Wärmeeinheit 492.
Verluste 497, 515.
Warpschiffahrt 54, 76.
Warzenblech 386.
Wasser- Ausschuß 194.
Dampf 502.
Linien 239, 244.
— -Posten 59.
Rohrkessel 521.
Stoß 486.
Wegerung 411.
Wehrlücken 22.
Weichsel-Haff-Kanal 138.
— -Nogat-Kanal 138.
Schiffe 283.
Strombauverwaltung 192.
W^endegetriebe 624.
W^entowkanal 45.
Werbellinkanal 43.
Weserschiffe 56, 117, 3x7.
Wiener Donaukanal 222.
— Durchstich 222.
Wilhelmkanal (Neckar) 108.
Willebroeckkanal 72.
Wippruder 401.
Wirkungsgrad der Dampfm. 589.
Gasmaschinen 628.
— des Kessels 513.
Propellers 438, 589.
— — Schaufelrads 447.
— der Schraube 466.
Wittine 267.
Wolgaschiffe 331.
Woolfsche Maschine 529.
Wrangen 374.
Zeebrügge (Hafen) 6.
Zeilkast (Schiff) 294.
Zentralkommission f. d. Rhein-
schiffahrt 80.
Zentralverein für BinnenschifT-
fahrt x6i.
Zerstäuber 501.
Zille 66, 270, 308, 329.
Zölle x8.
Zollgesetz von x8i8 X26.
Verein 87.
Zollverschluß 420.
Zugkraftmesser 597.
Zugleistung 594.
Zündung der Gasmaschinen 607.
Zünfte 16.
Zweiender (Kessel) 512.
Zweischraubenschiffe 470, 562.
Zweitaktmaschine 600.
Zwillingsmaschine 529.
Druck von ßreitkopf & Härtel in Leipzig.
i'" AR 2 1920
II. KapiteL Binnenschiffahrtskanäle.
Bearbeitet von 2>r.-3n0. Ed* Sonn69 Geh. Batirat, Professor an der Technischen Hochschule in Darmstadt.
Geschichtliches. — Wirtechaftliche und technische Voruntersuchangen. — Linienführung geplanter Kanäle. —
Querschnitt der Strecken. — Erdarbeiten. — Dichtung des Kanalbettes. — Uferbefestigung. — Schleusen. — Wasser-
verbrauch und Wassenrerluste. — Beschaffung des Wassers. — Entlastungsanlagen. Sicherheitstore. — Brücken. —
Kanalhäfen. — Erweiterungen. — Betrieb. — Bau und Unterhaltungskosten.
IIL Kapitel. Kanalisierung der Flflsse.
Bearbeitet von W« BdCkdr^ Baurat in Mainz.
Zweck, allgemeine Anordnung, Vorteile und Nachteile der Kanalisierungen. — Nutzung der Wasserkraft der Stau-
stufen. — Lage derselben. — Die Wehranlage. — Neuere bewegliche Wehre. — Die Schifuschleusen. — Seitenkanäle.
— Ausgeftihrte FluDkanalisierungen. — Bedienung und Unterhaltung derselben. — Kanaliserungskosten.
VL Band, 4. Auflage, Flußbau.
29 Bogen Text, 311 Textfiguren, 31 Lichtbildblätter und 7 Tafeln. 1. Lief. 1907. Geh. M. 8.— .
2. Lief. 1909. Geh. M. 4.— . 3. Lief. 1910. Geh. M. 4.— . In einem Bande geh. M. 16.— .
In Halbfranz geb. M. 19. — .
I. Kapitel. Allgemeines.
Bearbeitet von Dr.'Sng. Ffftnz Kreiltdr^ Geh. Hofrat, Professor an der Technischen Hochschule in Manchen.
Wesen und Ziel von Flußbauten. — Vorarbeiten. — Theorie der Geschiebeführuns. — Berechnune der Normal-
profile und Normalbreiten. — Wechselseitige Beziehungen zwischen Wasser« und GeschiebefQhrung. — LinienfQhrung.
— Verbesserungsarten. Verbesserungsmittel. — BaustofTe, Ba>ibestandteile. Werkzeuge und Baugeräte. — Ausführung
der Flußbauten. — Von der Anlage, Erhaltung und Benutzung der wasserbaulichen Pflanzungen. — Bauanschlag und
Bauentwurf.
11. Kapitel. Verbaunng der Wildbäche.
Bearbeitet von demselben.
Entstehung und Wesen der WildbSLche. — Vorbauung der Wildbäche. — Grundschwellen und Sperren. — FQhrung
der Wildbäche über die Schuttkegel. — Verkehrswege und Wasserkraftanlagen an Wildbächen. — Durchführung und
Erhaltung von WildbachTerbauungen. — Beispiele.
IIL Kapitel. Bändigung der Gebirgsflflsse.
Bearbeitet von demselben.
Kennzeichnung der GebirgsOQsse. — Mittel zu ihrer Bändigung. — Ableitung der Binnengewässer, — Mündungen.
— SchutÜagerplätze. — Beispiele.
IV. Kapitel. Verbesserung der schiffbaren Flflsse.
In 3. Auflage bearbeitet von Professor Ed. Sonil6 in Verbindung mit anderen Fachgenossen, in 4. Auflage bearbeitet
von Professor F. Kreuter.
VIL Band^ 4. Auflage, Landwirtschaft!. Bodenverbesserungen,
Fischteiche, Flußdeiche, Deichbau und Deichschleusen.
46 Bogen Text, 672 Textflguren, 7 Tafeln und 2 Tabellen. 1. Lief., 1007. Geh. M. 8.—. 2. Lief.,
1909. Geh. M. 12.— . 3. Lief., 1911. Geh. M. 9.— . In einem Bande geb. M. 29.— .
In Halbfranz geb. M. 32.— .
I. Kapitel. Landwirtschaftliche Bodenverbesserungen. (Meliorationen.)
Bearbeitet von Dr* J« SpöttlO^ Kgl. Oberregierangsrat im Staatsministerium des Innern and Professor für landwirt-
schaftl. Meliorationswesen an der Technischen Hochschale in München.
Wesen and Bedeutung einer geregelten Wasserwirtschaft. — Haaptkulturarten. — Beschleanigang der Versickernng
and Verdanstung. — Ansamrolunff des Wassers. — Behandlung der Bäche and Flüsse. — Entwässerung der Knltur-
ländereien. — Bewässerung derselben. — Schädigende Nebenwirkungen moderner Tiefbauten. — KultiTierung der Moor-
böden; der Heide- und Sandflächen des Binnenlandes; der Sanddflnen längs der Meeresküsten.
IL Kapitel. Fischteiche.
Bearbeitet yon P« Oorhftrdty Geh. Oberbanrat und vortragendem Rat im Ministerium der dffentl. Arbeiten in Berlin.
Bauwerke an den Fischteichen. — Rücksichtnahme auf die Fischzucht bei Flußreguliernngen.
III. Kapitel. Flufideiche.
In 1.— 3. Auflage bearbeitet von H. Garbe (f), Geh. Baurat und Professor in Berlin, in 4. Auflage von
Oberingenieur Wey {f) in Rorschach.
IV. u. V. Kapitel. Seedeiche» Deichschleusen.
In 1.—^. Auflage bearbeitet von demselben. In 4. Auflage unverändert neugedruckt.
Fortsetzung siehe 4. Umschlagieite.
f
VIIL Band^ 4. Auflage. SchifiFsschleusen,
24 Bogen Text, 402 Textfiguren und 11 Tafeln. 1904. Geh. M. 11.—. In Halbfranz geb. M. 14.—.
Bearbeitet Ton L. Brennecke» Geh. Marine-Baurat a. D. in Frankfurt a. M.
• ^
Allgemeines. — SchleusenkSrper. — Tore. — Bewegungsvorrichtungen. — Einrichtungen zur Wassererspamis. —
Vorrichtungen für große Gefälle. — Nebenanlagen. — Betrieb und Untcirnaltung.
Vierter Teil. Die Baumaschinen
Zweite und dritte vermehrte Auflage. Unter Mitwirkung von L. Franzius (f ),
begründet von F. Liticke, herausgegeben von H. Weihe.
I. Band, 3. Auflage. Einleitmig, Baggermaschinen. Rammen
und zugehörige Httlfsmaschinen> Wasserhebemaschinen.
31 Bogen Text, 717 Textflguren und 14 Tafeln. 1910. Geh. M. 24.—. In Halbfranz geb. M. 27.—.
Einleitung.
' Bearbeitet von F?-44ncke9 Geh. Baurat, Professor an der Technischen Hochschule in Dannstadt.
Die Maschinenarbeit im Bauwesen. — Geschichtliche Entwickelnng.
I. Kapitel. Baggermaschinen.
FQr tlie 3. Auflage bearbeitet von H. Weihe, Professor an der Technischen Hochschule in Chariottenburg.
I. Allgemeiner Teil. Einleitung. — Geschichtliche Entwickelang. — Allgemeines über Löten, Heben und Fortr
schaffen. — Betriebskraft. — Aufgaben und Einteilung der Bagger.
Die Naßbagger.
II. Wänden- undKranbagger. A. Löffelbagger. Allgemeine Anordnung. Bauarten. — B. Greifbagger. All-
gemeine Anordnung und Wirkungsweise. — Zweiketten greifer. Einkettengreifer. — Größe und Leistung der Gretßiag^^.
— Verwendung und Arbeitsweise. — Betriebskosten.
m. Eimer- und Schaufelkettenbagger. Allgemeine Anordnung und Grundfonnen. — Schau felkettenbagfer.
— Arbeitsweise der Eimerbagger. — - Bauart der Eimerkette, Eimer, Glieder, Bolzen, Eimerleiter, Turas. Tragrollen und
FtlhrungsroUen, Leiterbock, Schttttrichter, Schflttrinnen. — Antrieb der Eimerketle. — Winden und HebeTorrichtungen.
Maschinen- und Kesselanlagff. — Elektrisch betriebene Eimerbag^er. — Schiffskörper. — Eimerbagger mit Propeller. —
Eimerbagger mit Laderaum. — Leistung mit Kraftbedarf. — Betnebskosten. — AusgefQhrto Konstruktionen.
IV. Saugbagger, a) Allgemeines: Wirkungsweise, Einteilung und Arbeitsweise. — b) Kolbenpumpenbagger: Bau-
art und Leistung. — c) Kreiselpumpenbagger: Die Bodenforderung. — Anordnung der Kreiselpumpenbagger. — Kreisel-
pumpen. — Saugleitungen. — Schwimmende Druckleitungen. — Vorrichtungen zum Lösen des Bodens. — Schachtbagger.
— EntleerungsYorrichtunsen der Schachtbagger. — - Saugbagger System Frühling. — Saugbagger mit Druckleitung. —
Saugbagger mit verschiedenen Arbeitsweisen. — Leistung, iCraftbedarf, Betriebskosten.
V. Vereinigte Eimer- und Pumpenbagger (Verbundbagger). — Eimerbagger mit Schwemmvorrichtnng. —
Eimer- und Saugbagger.
VI. Mittel und Einrichtungen zur Beseitigung des Baggcrbodens. — Übersicht der in Betracht
kommenden Verfahren. — Lange Schflttrinnen. — Spülrohre. — Transporteure. — PrUimc. — Kranbagger. — Eleratoren.
— Schwemmbagger und Schutensauger.
Vn. Vorrichtungen zur Unterstützung der Selbsttätigkeit des Stromes beim Fortbewegen der
Bodenmassen. Allgemeines. — Eggen und Kratzer. — Verwendung von Druckluft. — SpUbagger von Kretz. —
Rlihrwerke. — Spülflöße. — Schlickpflug.
Die Trockenbagger.
VIII. Allgemeines über Trockenbagger. Anwendungsgebiet, Einteilung und Arbeitsweise.
IX. TroekenbaggermitEinzelförderung. Greifbagger. — Anordnung, Verwendung und Betrieb der Löffelbagger.
X. Trockenbagger mit stetiger Forderung (Eimerkettenbagger). Allgemeine Anordnung. — Gruße und Lei-
stung normaler Hoch- und Tiefbagger. — Bauarten der Tiefbagger und Hochbagger. — Betriebskost ti. — Eimerketten-
bagger für Sohderzwecke. — Literatur.
IL Kapitel. Rammen und zugehörige Hfllfmaschinen.
Für die 3. Auflage bearbeitet von H. Weihe, Professor an der Technischen Hochschule in Charlottenburg.
111. Kapitel. Wasserhebemaschinen.
Bearbeitet von O« Berndt, Geh. Baurat, Professor an der Technischen Hochschule in Darmstadt
Wasserschöpfmaschinen. Wurfrad. Pumprad. — Schöpfen des Wassers in Gef&ßen. — Heben desWasaers in
beweglichen Kanälen. — Wasserschraube und Wasserschnecke. — Ketten pumpen.
Kolbenpumpen, a) Kolbenpumpen mit geradlinig hin und her gehenden Kolben. — Allgeroeines. — Theoretische
Erörterungen über die Bewegung des Wassers in den Röhren, Ventilen usw. — Zylinderabmessungen. — Bestimmung
der Betriebskraft. — Einfach- und doppeltwirkende Pumpen. — Transmissionspumpen. — Dampfpumpen. — Pumpen
mit mehreren Kolben. -~ Rohrbrunnen. — Schieberpumpen. — b) Kolbenpumpen mit schwingenden Kolben
(Flügel pumpen.) — c) Pumpen mit umlaufenden Kolbenpumpen (Kapselpumpen.)
Zentrifugalpumpen. Wirkungsweise und Haupteigenschaften. — Theorie. — Bauart. — Verwendbarkeit, Auf*
Stellung und Inbetriebsetzung.
Verschiedene Maschinen und Vorrichtungen zur Wasserförderung. Hydraulischer Widder. — Pnlso.
meter. — Heber. — Wahl der geeigneten Art der Wasserhebung für die im Bauwesen vorkommenden AnCiKaben unter
Berücksichtigung der Anlage- und Betriebskosten. — Anhang: Untersuchung der Pumpen. — Literatur.
Druck von Breitkopf A Härtel in Leipzig.