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Full text of "Die Binnenschiffahrt; ein Handbuch für alle Beteiligten"

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I 


€ngiii.  Library 


DIE 

BINNENSCHIFFAHRT 

EIN  HANDBUCH  FÜR  ALLE  BETEILIGTEN 

VON 

OSKAR  TEUBERT 

ERSTER  BAND 
MIT  538  ABBILDUNGEN  UND  7  WAS5KRSTRASSENKARTEN 


LEIPZIG 

VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN 

1912 


Copyright  191 2  by  Wilhelm  Engelmann,  Leipzig. 


1 

DIE  BINNEN- 
SCHIFFAHRT 


EIN  HANDBUCH 
FÜR  ALLE  BETEILIGTEN 


OSKAR  TEUBERT 

ERSTER  BAND 

MIT  538  ABBILDUNGEN  UND  7  WASSERSTKASSENKARTEN 


L. 


LEIPZIG  1912 
VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN 


VERLAÖ  VON  WILHELM  ENGELMANN  IN  LEIPZIG 

Handbuch  der  Ingenieurwissenschaften 

Dritter  Teil.  Der  Wasscrbau. 

'  :>  Die  vierte  Auflage 

herausgegeben  von  J.  F.  Bubendey,  G.  Franzius,  A.  Frühling  (f),  Th.  Koehn, 
Fn  Krenter,  Th.  Rehbock,  O.  Smreker,  Ed.  Sonne  und  G.  de  Thierry. 

L  Band,  4,  Auflage.  Oewässerkmide> 

40  Bösen  Text,  348  Textfiguren,  10  Tafeln  und  dem  Bildnis  von  L.  Franzius.  1.  Lief.  1905. 
Geh.  M.  5.—.  2.  Lief.  1906.   Geh.  M.  14.— .  3.  Lief.    1911.    Geh.  M.  4.— .   In  einem  Bande  geb. 

M.  23.—.    In  Halbfranz  geb.  M.  26.—. 

I.  Kapitel.    Regen ,  Grundwasser ,  Quellen  und  stehende  Gewässer. 

Bearbeitet  von  P.  Gerhardt,  Geh.  Oberbaurat  in  Berlin. 

A.  Kreislauf  des  Wassers,  Regefimenge,  Verdunstung  und  Versickerang.  Beschaffenheit  desRe^en- 
Wassers.  —  Regen-  und  Schneehöhe.  —  Regenmesser.  —  Regenmengen.  —  Verdunstung  and  Versickerung.  —  Vorrich- 
tungen zum  Messen  derselben. 

B.  Grundwasser  nnd  Quellen.    Entstehung  und  Bewegung  des  Grundwassers.  —  Höhe  des  Grundwasserstandes. 

—  Grandwasserbecken.  —  Grundwasserb&cho.  —  Quellen.  —  BMcnaffenheit  des  Grundwassers. 

C.  Stehende  Gew&sser.    Sfimpfe  und  Moore.  —  Teiche.  —  Binnenseen. 

II.  Kapitel.  Fließende  Gewässer. 

Bearbeitet  von  R.  Jasmiind}  Regierungs-  und  Baurat  in  Lfineburg. 

1.  Abschnitt.  Allgemeine  Eigenschaften  der  Flnßlftufe. 

Bildong  der  Flußtäler.  —  Entwickelung  des  Wasserlaufes.  —  Wasserstände.  —  Längen -Profil.  —  Quer-Profil.  — 
Wassermenge.  —  Geschwindigkeiten.  —  Goschiebeführung.  —  Hochwasserwellen.  —  Eisgang  und  Eisstand. 

2.  Abschnitt.    Geodätische  und  hydrometrische  Ermittelungen. 

Stromkarten.  : —  Nivellements.  —  Peilongen.  —  Wasserstandsbeobachtungen.  —  Vorherbestimmung  der  Wasser- 
stände. —  Geschwindigkeitsmeesungen.  —  Ermittelung  der  Wassermenge. 

III.  Kapitel.  Praktische  Hydraulik. 

Bearbeitet  von  J*  F.  Bubcndoy,  Geh.  Baurat,  Wasserbaudirektor  in  Hamburg. 

Einleitung:  —  Formeln  der  Hydrostatik.  —  Grundformeln  der  Hydraulik.  —  Unveränderliche  (permanente)  Bewegung. 

—  Ausfluß  aus  dünner  Wand.  —  Vereinfachung  der  Eulerschen  Gleichungen.  —  Gleichförmige  Bewegung  im  aUgememen, 
in  Röhren  von  kreisförmigem  Querschnitt  und  in  offenen  Wasserläufen  von  beliebigem  Querschnitt.  —  ueschwindi^keits- 
formeln.  —  Ungleichförmige  Bewegung  in  offenen  Gerinnen  und  Flüssen.  —  Staukurven  in  Flüssen  von  großer  Breite,  in 
Flüssen  von  geringer  Breite  und  in  Gerinnen  von  rechtwinkligem  Querschnitt.  —•  Senkungskurven.  —  Bewe^ng  des 
Wassers  in  Kanälen  mit  wagrechter  Sohle.  —  Grenzen  der  §tau-  und  Senkungsrechnungen,  kritische  Geschwindigkeit, 
Wassersprung.  —  AbfluOmengen  bei  Wehren  mit  scharfer  Überfallkante.  —  Abflußgleichung  von  Boussinesq.  —  Ver- 
suche von  Bazin.  —  Abflußmengen  bei  breiten  Wehren. 

Ferner:  (früher  bearbeitet  von  Chr.  Havestadt  (t),  Geh.  Baurat  in  Wilmersdorf-Berlin) 

Durchflußweiten  von  Brücken  über  erößere,  dauernd  fließende  Wasserläufe  und  von  kleineren  Brücken  für  nur  zeit- 
weise fließende  Wasserläufe.  —  Ermittelung  der  zum  Abfluß  gelangenden  Regenmengen. 

V.  Band,  4.  Auflage.  Binnenschiffahrt,  SchiflPahrtskanäle, 

Flnßkanalisiernng> 

19  Bogen  Text,  145  Textfiguren  und  10  Tafeln.  1906.  Geh.  M.  9.—.  In  Halbfranz  geb.  M.  12.—. 

I.  Kapitel.  Wasserstraßen,  Flößerei  und  Binnenschiffahrt. 

Bearbeitet  von  Dt.'Sng.  Ed.  Sonne^  Geh.  Baurat,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  Darmstadt. 

Entwickelung  der  natürlichen  und  der  künstlichen  Wasserstraßen.  —  Ausdehnung,  Verkehr,  Betrieb  und  Verwaltung. 

—  Flößerei  un<iLF19ß«reiMiI<^(«°'  —  Fluß-  und  Kanalschiffe.  Schiffahrtskosten.  —  Beziehungen  zwischen  Kähnen  nnd 
Bauwerken.  —  Altere  Arten  der  Schiffahrt  —  Dampfschiffahrt.  —  Ketten-  und  Seilschiffart  —  Mechanisches  Treideln. 
Fähren.  —  Der  SchifÜBwiderstand.  —  Theoretische  Untersuchungen.  —  Modell-Versuche.  —  Versuche  im  großen.  — 
Widerstand  der  Schiffszüge. 

Fortsetzung  siehe  8.  Umschlagseite. 


>• 
,* 


^s 


Vorwort. 

Die  Wirtschaftsfragen  stehen  in  den  Kulturländern  heute  im  Mittelpunkt 
der  inneren  und  äußeren  Politik.  Alle  Völker  sind  bestrebt,  ihren  Wohlstand 
und  damit  ihre  Macht  zu  vergrößern.  Dazu  dient  die  möglichst  weitgehende 
Ausnutzung  der  natürlichen  Bodenschätze  ihres  Landes  durch  Land-  und 
Forstwirtschaft,  Bergbau  u.  dgl,  die  Herstellung  von  handelsfähigen  Gegen- 
ständen und  der  vorteilhafte  Verkauf  der  Erzeugnisse  an  andere  Völker.  In- 
folge der  Entwickelung  der  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel  erstreckt  sich 
der  Wettbewerb  heute  über  alle  Erdteile  und  der  Handel  vermittelt  den 
Austausch  aller  Waren.  Der  Tauschwert,  der  Preis,  setzt  sich  aus  den 
Kosten  der  Erzeugung  und  den  Kosten  der  Beförderung  zur  Verbrauchstelle 
zusammen.  Bei  vielen  Waren  ist  überhaupt  dir  ihre  Wettbewerbsfähigkeit 
auf  dem  Weltmarkt  die  Höhe  der  Beförderungskosten  entscheidend,  und  es 
kommt  darauf  an,  sie  möglichst  niedrig  zu  halten. 

Zur  Beförderung  auf  große  Entfernungen  dienen  Seeschiffahrt,  Binnen- 
schiffahrt und  Eisenbahnen.  Auf  dem  Festlande  glaubte  man  noch  vor  etwa 
vierzig  Jahren  mit  den  Eisenbahnen  allein  auszukommen,  und  es  wurde  viel 
darüber  gestritten,  ob  nach  ihrer  Erfindung  und  Verbreitung  die  seit  den 
ältesten  Zeiten  zur  Warenbeförderung  benutzte  Binnenschiffahrt  daneben  noch 
eine  Bedeutung  behalten  würde.  Dieser  Streit  ist  längst  in  günstigem  Sinne 
für  die  Binnenschiffahrt  entschieden  worden:  Sie  hat  sich  kräftig  weiter  ent- 
wickelt und  ist  heute  ein  unentbehrliches  Glied  des  modernen  Verkehrswesens. 

Die  Grundbedingung  für  den  Verkehr  ist  die  Straße  und  das  Fahrzeug: 
das  ist  Sache  der  Technik.  Der  wirtschaftliche  Betrieb,  die  Verfrachtung 
und  Beförderung  der  Waren,  ist  Sache  des  Verkehrsgewerbes.  Der  Kauf- 
mann sucht  den  Ort  für  die  billigste  Beschaffung  und  den  günstigsten  Ver- 
kauf unter  Berücksichtigung  der  geringsten  Beförderungskosten.  Außer  diesen 
Berufen  sind  die  Vertreter  der  Staats-  und  Gemeindebehörden  an  der  Binnen- 
schiffahrt beteiligt,  soweit  ihnen  obliegt,  den  allgemeinen  Wohlstand  zu  för- 
dern und  den  Verkehr  zu  überwachen. 

»Wer  vieles  bringt,  wird  manchem  etwas  bringen.«  Außer  einem  ein- 
leitenden und  geschichtlichen  Teile  sollen  in  dem  vorliegenden  Buche  die 
Fahrzeuge  der  Binnenschiffahrt,  die  Wasserstraßen  mit  ihren  Betriebseinrich- 
tungen, die  Fortbewegung  der  Schiffe,  der  gewerbliche  Betrieb  der  Schiffahrt 
und  das  Verhältnis  der  Binnenschiffahrt  zum  Staate  besprochen  werden.     Es 


347781 


IV  Vorwort. 

ist  wahrscheinlich,  daß  weder  die  SchifTbauingenieure  aus  dem  Abschnitte 
über  die  Fahrzeuge,  noch  die  Wasserbauingenieure  aus  dem  Abschnitte  über 
die  Wasserstraßen  viel  neues  erfahren  werden;  ähnliches  wird  für  die  Be- 
triebsingenieure, die  Schiffahrtdirektoren,  die  Reeder  und  Kaufleute  bei  den  fol- 
genden beiden  Teilen  zutreffen,  und  die  Verwaltungsbeamten  werden  aus  dem 
letzten  Teile  vielleicht  wenig  lernen  können:  Alle  aber  werden  sich  aus  den 
übrigen  Teilen  des  Buches  über  die  Zweige  der  Binnenschiffahrt  unterrichten 
können,  in  denen  sie  selbst  keine  Sachkenntnis  und  Erfahrung  besitzen. 

Das  Bedürfnis  nach  einem  solchen  Handbuche  habe  ich  selbst  im  Laufe 
meiner  amtlichen  Tätigkeit  empfunden  und  mich  darum  zu  seiner  Abfassung 
entschlossen.  Es  soll  in  den  Hauptsachen  allgemein  verständlich  sein.  Dies 
scheint  mir  durchführbar,  weil  das  Verständnis  für  die  Bedeutung  und  das 
Wesen  der  technischen  Wissenschaften  heute  weit  verbreitet  ist,  und  man 
bei  den  an  der  Binnenschiffahrt  Beteiligten,  auch  wenn  sie  keine  besondere 
technische  Vorbildung  genossen  haben,  auf  ein  gewisses  Maß  von  Vorkennt- 
nissen dieser  Art  rechnen  kann.  Vor  etwa  zwanzig  Jahren  war  das  noch 
nicht  der  Fall. 

Die  beiden  ersten,  in  diesem  Bande  vereinigten  Teile  haben  einen  grö- 
ßeren Umfang  erhalten,  als  ursprünglich  beabsichtigt  war.  Bei  der  Bearbei- 
tung des  Rückblicks  auf  die  geschichtliche  Entwickelung  der  Binnenschiffahrt 
kam  ich  zu  der  Überzeugung,  daß  die  Kenntnis  dieser  Vorgänge  in  Deutsch- 
land, namentlich  seit  dem  Ende  des  Mittelalters,  für  die  Beurteilung  der  heu- 
tigen Verhältnisse  der  Binnenschiffahrt  großen  Wert  hat;  man  bemerkt  auch 
dabei,  daß  vieles  »schon  dagewesen«  ist.  Deshalb  schien  eine  gewisse  Aus- 
führlichkeit geboten.  Ferner  mußten  die  politischen  Ereignisse,  die  seit  1870 
die  Verbesserung  und  Vermehrung  der  deutschen  Wasserstraßen  begleitet 
haben,  wenigstens  in  gedrängfter  Kürze  mitgeteilt  werden. 

Im  zweiten  Teile  (Fahrzeuge)  sind  die  Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft 
ausführlich  behandelt  worden,  weil  über  dies  wichtige  Gebiet  bisher  gar  keine 
umfassenden  Veröffentlichungen  vorliegen.  Vielleicht  wird  auch  den  Schiff- 
bauingenieuren damit  gedient.  Die  übrigen  vier  Teile  hoffe  ich  in  einem 
zweiten  Bande  zu  vereinigen. 

Allen  Behörden,  Vereinen,  Gesellschaften,  Schiffbauanstalten,  Maschinen- 
fabriken und  Freunden,  die  mich  bei  der  Herstellung  des  Buches  unterstützt 
haben,  sage  ich  herzlichen  Dank.  Die  Leser  bitte  ich  um  wohlwollende 
Beurteilung. 

Potsdam,  im  Juni  1912. 

Oskar  Teubert, 

Ober-  und  Geheimer  Baurat,  Strombaudirektor 
der  Märkischen  Wasserstraßen  a.  D. 


Inhalt. 


Erster  Teil:  Einleitendes  und  Geschichtliches. 

Seite 

Abschnitt  I.    Binnenschiffahrt  und  Seeschiffahrt 3 — 10 

Abschnitt  II.    Geschichtlicher  Rückblick  auf  die  Entwicklung  der  Binnenschiff- 
fahrt bis  zum  Jahre  1870. 

1.  Die  Binnenschiffahrt  im  Altertum 11— 14 

2.  Die  Binnenschiffahrt  im  Mittelalter  bis  zur  Erfindung  der  Kammer- 
schleuse (1438) 15—31 

Stapelrecht,  Zunftwesen,  Flußzölle,  Mühlenstaue  (20),  SchilTdurchlässe, 
Marktschiffe  —  Rheingebiet  (25),  Weser,  Elbe,  Oder,  Weichsel  bis  Memel, 
Stecknitzfahrt  —  Frankreich  (29),  England,  Oberitalien. 

3.  Die  Binnenschiffahrt  von  der  Erfindung  der  Kammerschleuse  bis  zur 
Erfindung  des  Dampfschiffs 31 — 78 

Italien,  Ostdeutschland:  Mecklenburg,  Mark  Brandenburg,  Friedrich- 
Wilhelm-Kanal  (37),  Oder,  Finowkanal  (42),  Flauer  Kanal,  Bromberger  Kanal 
(44],  Klodnitzkanal,  Ostpreußische  Wasserstraßen,  Elbe  (47). —  Schilfahrtbetrieb 
(50).  Westdeutschland:  Weser  (54),  Rhein,  Neckar  (63),  Main,  Ruhr  — 
Donaugebiet  (65),  Frankreich^  Niederlande  (71),  England,  Rußland  (74), 
Schweden,  Spanien. 

4.  Die  Binnenschiffahrt  auf  dem  Wiener  Kongreß  von  181 5    und  die 
Schiffahrtsakten 78—87 

5.  Die  Binnenschiffahrt  von   der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis   zum 

Jahre  1870 88—158 

Die  ersten  Dampfschiffe  —  Rhein  {94),  Hl  mit  Kanälen  (108),  Neckar,  Main, 
Ludwigkanal  (112),  Lahn,  Mosel,  Ruhr,  Lippe,  Bodensee,  Ems  (114),  Weser, 
Elbe  {118),  Saale,  Märkische  Wasserstraßen  (126),  Oder  (135),  Warthe, 
Weichsel,  Oberländischer  Kanal  (139),  Pregel-Memel-Wasserstraße  —  Donau 
(141)  —  Frankreich  (145),  Belgien,  Holland,  England,  Nordamerika  {153). 

Abschnitt  III.    Die  Förderung  der  Binnenschiffahrt  durch  Vereine  und  Kon- 
gresse      159 — 170 

Abschnitt  IV.     Die  Verbesserung  und  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstrafien 

seit  1870. 

1.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme 173—194 

Rhein  (176),  Weser  (182),  Elbe  (185},  Oder  (188),  Weichsel  {192),  Memel- 
strom  {193). 

2.  Der  Ausbau  und  der  Aufstau  der  kleineren  deutschen  Ströme  .   .  .  195—209 

Mosel  und  Saar,  Main  (196),  Neckar,  Fulda  (199),  Werra,  Aller,  Saale, 
Havel  und  Spree  f20i),  Warthe,  Netze  (206),  Brahe,  Pregel. 


VI  Inhalt. 

Seite 

3.  Die  preußischen  Kanalbauten 209—221 

Dortmund -Ems -Kanal  (211),  Elbe -Trave- Kanal,  Rhein -Hannover -Kanal 
(217),  Masurische  Kanal,  Teltowkanal  {219'. 

4.  Vorgänge  im  Ausland 221—232 

Österreich,  Ungarn  (224),  Frankreich,  Belgien,  Holland,  Vereinigte  Staaten 

(231). 

Zweiter  Teil:  Die  Fahrzeuge  der  Binnenschiffahrt. 

Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe 235  —  262 

Die  verschiedenen  Arten,  die  Hauptteile  des  Binnenschiffs  und  ihre  Be- 
nennung, das  Schwimmen  '239),   die  Schiffsform,  die  Festigkeit,  die  Eichung 

(250:- 
Abschnitt  II.    Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft 

1.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe 263—363 

Lastschiffe  auf  den  Wasserstraßen  Ostdeutschlands :  östliche  Schiffe,  Oder- 
schiffe (272),  Eibschiffe  (284).  —  Lastschiffe  auf  den  Wasserstraßen  West- 
deutschlands: Rheinschiffe  (291],  elsaß-lothringische  Kanalschiffe  (302),  Neckar- 
schiffe, Mainschiffe  (307],  Lahnschiffe,  Moselschiffe,  Saarschiffe  (310),  Maas- 
schiffe, Tjalken,  Pünten,  Dortmund-Ems-Kanalschiffe  (313!,  Weserschiffe  (317., 
Allerschiffe.  —  Lastschiffe  im  Ausland:  Donauschiffe  (324),  französische  Schiffe 
(329),  Wolgaschiffe  {331).  —  Zur  Beförderung  besonderer  Güter  eingerichtete 
Lastschiffe:  Kastenschiffe  (335},  Mörtelschiffe,  Ziegelschiffe,  Kühlschiffe,  Kran- 
schiffe (343).  —  Ergebnisse:  Größe,  Völligkeit  (348),  Bug-  und  Heckformen, 
Linienrisse  (352),  Kimm,  Lehnung  (358),  Sprung,  Festigkeit  (361),  Tenne- 
baum, Laderäume. 

2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe 364—428 

Bauvorschriften,  Baustoffe  (371),  der  Bau  hölzerner  Schiffe  (373),  Stahl- 
und  Eisenbau  (388),  Deck  und  Mastköcher  (391),  Steuerruder  (400},  Aus- 
stattung, Ausrüstung,'  Anstrich  (411]. 

3.  Die  Kosten  der  Lastschiffe 429—436 

Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

1.  Die  Fortbewegungsmittel 437— 49© 

Allgemeines,  Schaufelräder  (439)),  Heckräder  (450).  —  Schrauben  (455), 
Befestigung  am  Schiffe  (467),  Tunnelheck  (475),  Einwirkung  auf  die  Sohle 
(484).  —  Fortbewegung  durch  Wasserstoß  (486),  Turbinen. 

2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe 491 — 598 

Heizstoffe  und  Verbrennung,  feste  und  flüssige  Brennstoffe  (497),  ölfeue- 
rung.  —  Dampf  (502),  Indikator,  Füllungsgrad,  überhitzter  Dampf  (508), 
Kohlenverbrauch. —  Dampfkessel  (511).  Überhitzer  (517),  Rauchverminderung, 
Wasserrohrkessel  (521),  Polizeivorschriften.  —  Dampfmaschinen  {527),  Ma- 
schinen der  Schraubendampfer  (531),  der  Seitenraddampfer  (535;,  der  Heck- 
raddampfer (542),  Gewicht  der  Maschinen  (545).  —  Anordnung  imd  Ein- 
richtung, der  Dampfschiffe  (547),  Schraubendampfer  (551),  Seitenraddampfer 
(562),  Heckraddampfer  (579),  Ausrüstung  (583).  —  Leistungen  xmd  Beschaffung 
von  Dampfschiffen  (588-,  Wirkungsgrade,  Geschwindigkeiten,  Ähnlichkeits- 
gesetz (592),  Schleppleistungen,  Beschaffung  (597). 

3.  Kraftschiffe  mit  Gasmaschinen 599—633 

Allgemeines,  Zweitakt,  Viertakt  [602).  —  Benzinmaschinen  (606],  Vergaser, 
Entzündung,  Leistungen,  Kosten.  —  ölmaschinen  (611),  Diesel-Maschine, 
Swiderski-M aschine  (616),  Bolinder-Maschine,  Brons-Maschine.  —  Sauggas- 
maschinen (620).  —  Umsteuerung  der  Gasmaschinen  (623).  —  Gasmaschinen 
in  der  Binnenschiffahrt  [627). 


Inhalt.  VII 

Seite 

4.  Kraftschiffe  mit  elektrischem  Antrieb 634—638 

Anhang. 

1.  Einiges  über  Schiff bauanstalten,  Schiffaufzüge  und  Docks 639 

2.  Der  Bestand  der  Binnenschiffe 647 

Stichwörter 661 


Verzeichnis  der  Wasserstraßenkarten. 

1.  Die  Märkischen  Wasserstraßen bei  Seite  35 

2.  Die  Deutschen  Wasserstraßen »  »  45 

3.  Die  Belgischen  und  Nordfranzösischen  Wasserstraßen auf  »  69 

4.  Die  Wasserstraßen  Frankreichs bei  »  70 

5.  Die  Binnenwasserstraßen  Englands auf      >  73 

6.  Die  Wasserstraßen  in  Nord-Amerika bei  »  155 

7.  Oberitalienische  Wasserstraßen  bei  Mailand auf  >  31 

8.  Die  Wasserstraßen  des  Mariensystems  zwischen  Newa  und  Wolga »  »  75 

9.  Obersichtskarte  des  Rhein-Hannover-Kanals »  >  218 


Berichtigungen. 

Seite  179,  Zeile  16  von  unten:  »Senkung«  statt  Hebung.  (Die  früher  von  Honseil  in  den  »Bei- 
trägen zur  Hydrographie  des  Großh.  Baden,  Heft  3«  aus  dem  Vergleich  der  Wasser- 
stände 1820 — 1831  mit  1832 — 1882  ermittelte  Hebung  gilt  heute  als  unwahrscheinlich.) 

Seite  239,  Zeile  4  von  oben:  »Rudemagel«  statt  Steuernagel,  vgl.  S.  403. 

Seite  317,  Zeile  6  von  unten:  *S,6  m«  statt  8  m. 

Seite  358,  Zeile  22  von  unten:    »sollte«  statt  wollte. 

Seite  510,  Zeile  8  von  oben:  >t«  statt  tj. 


ERSTER  TEIL 


Einleitendes  und  Geschichtliches. 


Teubert,  Binnenschiffahrt. 


Abschnitt  L 

Binnenschiffahrt  und  Seeschiffahrt, 

Unter  Schiffahrt  verstehen  wir  die  gewerbsmäßige  Beförderung  von 
Menschen  und  Gütern  auf  schwimmenden  Fahrzeugen  von  einem  Ort  zum 
anderen.  Die  Flößerei  rechnen  wir  nicht  dazu,  obwohl  Flöße  (besonders  in 
älteren  Zeiten)  zuweilen  zum  gleichen  Zweck  benutzt  werden.  Auch  der  Fähr- 
betrieb soll  ausgeschlossen  bleiben,  weil  Fähren  als  Teile  der  Landstraßen  oder 
Eisenbahnen  anzusehen  sind  und  Brücken  ersetzen.  Der  Verkehr  von  Lustfahr- 
zeugen, Gondeln,  Booten  und  Jachten  gehört  gleichfalls  nicht  zur  Schiffahrt. 

Dagegen  gibt  es  eine  Reihe  von  Nebenbetrieben,  die  durch  die  Schiff- 
fahrt hervorgerufen  und  durch  sie  bedingt  sind:  das  ist  der  Verkehr  von  Lotsen-, 
Vermessungs-,  Bau-,  Zoll-,  Polizei-  und  anderen  Aufsichtschiffen,  von  Eis- 
brechern, Schwimmkranen  und  dergleichen.  Im  weiteren  Sinne  könnte  man 
sogar  die  Kriegschiffe  dahin  rechnen,  wenn  man  annimmt,  daß  sie  lediglich 
zum  Schutz  der  Handelschiffahrt  bestimmt  sind. 

Für  die  Fischerei  ist  umgekehrt  die  Schiffahrt  gewissermaßen  als  Neben- 
betrieb anzusehen;  dieser  Verkehr  soll  hier  unberücksichtigt  bleiben. 

Die  Unterschiede  zwischen  der  Binnenschiffahrt  und  der  Seeschiff- 
fahrt entwickeln  sich  aus  der  Verschiedenheit  der  Straßen,  auf  denen  sie 
betrieben  werden.  Die  Straße  der  Seeschiffahrt  ist  das  offene  Meer,  das  an 
Länge,  Breite  und  Tiefe  die  Binnenwasserstraßen  weit  übertrifft.  Infolge  der 
großen  Ausdehnung  des  Meeres  werdeh  durch  die  Winde  starke  Wellen- 
bewegungen hervorgerufen  und,  um  diesen  zu  widerstehen,  müssen  die  See- 
schiffe mit  einem  Deck  versehen  und  fester  gebaut  werden  als  die  Binnen- 
schiffe. Die  größere  Festigkeit  läßt  sich  bei  den  Seeschiffen  wegen  des 
größeren  Tiefgangs  und  der  größeren  Höhe  leichter  erreichen  als  bei  den 
Binnenschiffen,  die  auf  den  seichten  Binnenwasserstraßen  verkehren  und  so- 
wohl hinsichtlich  des  Tiefgangs  als  auch  hinsichtlich  der  Höhe  über  Wasser 
(wegen  der  Brücken)  meistens  beschränkt  sind.  Da  sie  aber  dem  Angriff  der 
Wellen  nicht  ausgesetzt  werden,  können  sie  ungedeckt  und  mit  geringerer 
Festigkeit,  also  wohlfeiler  gebaut  werden.  Weil  das  Seeschiff  bei  weiten 
Fahrten  tage-  und  wochenlang  keine  bewohnten  Orte  berührt,  muß  es  reich- 
licher mit  Mannschaft,  Lebensmitteln,  Wasser  imd  anderen  Gebrauchsgegen- 
ständen au^erüstet  werden,  außerdem  mit  einem  Kompaß  und  anderen  ge- 
eigneten Geräten,  um  seinen  Weg  finden  zu  können. 


4  Abschnitt  I.    Binnenschiffahrt  und  Seeschiffahrt. 

Die  Verschiedenheit  der  Wasserstraßen  beeinflußt  auch  das  Be-  und 
Entladen  der  Schiffe:  während  das  Binnenschiff  zu  diesem  Zweck  fast  an 
jeder  Stelle  der  Wasserstraßen  am  Ufer  anlegen  kann,  sind  für  das  Seeschiff 
besondere,  vor  Wind  und  Wellen  geschützte,  genügend  tiefe  Häfen  erforder- 
lich, die  mit  hohen,  senkrechten  Uferbefestigungen  versehen  werden  müssen, 
wenn  das  Schiff  unmittelbar  am  Ufer  anlegen  soll. 

Ferner  ist  die  Art  der  Fortbewegung  verschieden.  Für  das  Seeschiff 
kommt  nur  das  Segeln  und  die  eigene,  an  Bord  befindliche  Triebkraft,  meistens 
Dampf,  in  Frage ;  die  Binnenschiffe  werden  aber  außerdem  durch  Treiben  mit 
der  Strömung,  durch  Schieben,  durch  Ziehen  vom  Ufer  (Treideln)  und  be- 
sonders durch  Schleppdampfer  einzeln  und  in  Zügen  fortbewegt.  Es  können 
zwar  auch  Schiffe  über  See  geschleppt  werden;  aber  dieser  Betrieb  ist  nur 
unter  gewissen  Umständen  zweckmäßig  und  ungefährlich.  Für  die  Binnen- 
schiffahrt ist  gerade  der  Betrieb  in  Schleppzügen  von  ganz  besonderer  Be- 
deutung: Die  in  derselben  Richtung  zu  befördernden  Lastschiffe  werden  ge- 
sammelt, zu  einem  Zuge  vereinigt  und  von  einem  Schleppdampfer  an  ihr  Ziel 
gebracht,  wo  sie  nach  Bedarf  schnell  oder  langsam  entladen  werden,  während 
der  Schleppdampfer  ohne  Zeitverlust  einen  neuen  Zug  übernehmen  kann. 
Sowohl  beim  Löschen  wie  beim  Beladen  der  Lastschiffe  kommt  es  gewöhn- 
lich nicht  auf  große  Schnelligkeit  unter  Benutzung  besonderer  kostspieliger 
Vorrichtungen  an,  weil  die  täglichen  Schiffskosten,  d.  h.  Verzinsung  des  An- 
lagekapitals, Unterhaltungs-  und  Versicherungskosten  des  Schiffes,  Löhne  der 
Mannschaft  u.  dgl.  nicht  sehr  erheblich,  die  Verluste  durch  längere  Lösch-  und 
Liegezeiten  also  verhältnismäßig  erträglich  sind.  Anders  beim  modernen  See- 
schiff: Die  Triebkraft  kann  von  dem  Lastschiffe  nicht  getrennt  werden,  son- 
dern die  kostbare  Dampfmaschine  muß  mit  dem  Schiffe  verbunden  bleiben, 
so  daß  die  täglichen  Schiffskosten  (auch  wegen  der  teuem  Besatzung)  ver- 
hältnismäßig hoch  und  die  Verluste  bei  langen  Liegezeiten  sehr  empfindlich 
sind.  Bequeme  Kaianlagen  und  mechanische,  schnell  arbeitende  Lösch-  und 
Ladevorrichtungen  sind  deshalb  für  den  wirtschaftlichen  Betrieb  der  Seeschiff- 
fahrt unentbehrlich. 

Wegen  der  größeren  Schwierigkeit  und  Gefährlichkeit  der  Seefahrten 
müssen  die  Mannschaften  und  besonders  die  Schiffsoffiziere  eine  gründlichere 
Fachbildung  haben,  zumal  die  Schiffsführer  während  der  langen  Abwesenheit 
von  dem  Heimathafen  vielfach  selbständig  die  Handelsgeschäfte  namens  der 
Schiffseigner  abzuschließen  haben.  Der  kaufmännische  Betrieb  der  Schiffahrt 
und  die  Bildung  der  Frachtsätze  ist  insofern  verschieden,  als  bei  der  Seeschiff- 
fahrt in  der  Regel  nur  der  Wettbewerb  anderer  Seeschiffe  zu  berücksichtigen 
und  zu  bekämpfen  ist,  während  in  der  Binnenschiffahrt  die  Frachtsätze  außer- 
dem oft  noch  von  dem  Wettbewerb  der  Eisenbahnen  und  zuweilen  selbst  der 
Landstraßen  beeinflußt  werden.  Schließlich  ist  zu  beachten,  daß  die  See- 
schiffahrt meistens  außerhalb  der  Zollgrenzen  der  Staaten  betrieben  wird,  weil 
das  Meer  als  neutrales  Gebiet  gilt. 


Abschnitt  L    Binnenschiffahrt  und  Seeschiffahrt.  5 

Die  örtlichen  Grenzen  zwischen  See-  und  Binnenwasserstraßen  sind 
schwankend.  Die  Seeschiffahrt  bemüht  sich,  vom  Meere  aus  so  tief  wie  mög- 
h'ch  in  das  Festland  einzudringen,  um  die  von  ihr  beförderten  Güter  ohne 
Umladung  an  die  Verbrauchstellen  zu  bringen.  Haffe,  Lagunen  und  die 
Mündungstrecken  der  großen  Ströme  sind  daher  auch  zu  Seewasserstraßen 
geworden.  Wie  weit  ein  Seeschiff  aufwärts  in  den  Strom  fahren  kann,  hängt 
zunächst  von  der  Wassertiefe  auf  der  meistens  vor  der  Mündung  liegenden 
Sandbarre  und  von  der  Tiefe  im  Strome  selbst  ab.  Ferner  kommt  in  Frage, 
ob  die  über  den  Strom  führenden  Brücken  mit  ausreichenden  beweglichen 
Durchfahrtöffnungen  versehen  oder  so  hoch  sind,  daß  das  Seeschiff  nach 
teilweiser  Beseitigung  der  Masten  darunter  durchfahren  kann.  Da  die  Masten 
der  Seeschiffe  feststehen  und  nicht  wie  bei  den  Binnenschiffen  umgelegt 
werden  können,  so  lassen  sich  gewöhnlich  nur  die  oberen  Stengen  beseitigen. 

In  alter  Zeit  waren  die  Seeschiffe  viel  kleiner  wie  heute  und  hatten  einen 
geringeren  Tiefgang.  Sie  konnten  darum  weit  in  die  Ströme  dringen,  zumal 
nur  wenige  feste  Brücken  vorhanden  waren.  An  den  damaligen  Endpunkten 
der  Seeschiffahrt  entstanden  große  Handels-  und  Hafenstädte,  die  in  späterer 
Zeit  von  Schiffen  mit  größerem  Tiefgange  nicht  mehr  mit  voller  Ladung  er- 
reicht werden  konnten.  Von  den  zu  tief  tauchenden  Seeschiffen  mußte  man 
einen  Teil  der  Ladung  vor  der  Einfahrt  in  den  Strom  oder  das  Haff  löschen 
und  mit  Leichterschiffen  nach  den  Städten  befördern.  Unmittelbar  am  Meere 
entstanden  auf  diese  Weise  neue  Hafenplätze,  die  allmählich  einen  Teil  des 
Handels  an  sich  zogen  und  die  Bedeutung  der  alten  Hafenstädte  zu  beein- 
trächtigen drohten.  Diesen  Ubelstand  suchte  man  durch  Verbesserung  der 
Zugangstraßen  zu  beseitigen. 

In  Deutschland  konnte  das  z.  B.  bei  Lübeck  (Travemünde)  und  Hamburg  (Kuxhaven) 
durch  umfangreiche  Baggerungen  in  der  Trave  und  in  der  Unterelbe  erreicht  werden,  in  Bremen 
(Bremerhaven)  durch  den  Ausbau  der  Unterweser  (1887  bis  1894),  in  Stettin  (Swinemünde) 
durch  die  Herstellung  der  Kaiserfahrt  im  Stettiner  Haff  (1875  bis  1880),  und  in  Königsberg 
(Pillau]  durch  den  6,5  m  tiefen  Seekanal  (1889  bis  1901). 

Petersburg  befand  sich  in  ähnlicher  Lage  und  wurde  durch  einen  Seekanal  von  6,7  m 
Tiefe  mit  Kronstadt  verbunden. 

Rotterdam  litt  unter  der  Versandung  der  neuen  Maas,  und  um  einen  besseren  Zugang  zur 
See  zu  gewinnen,  wurde  zuerst  (1827  bis  1829)  ^^^  Voomsche  Kanal  angelegt,  der  den  Strom 
südwestlich  mit  dem  Goereeschen  Gat  (Helle voetsluis)  verband.  Dadurch  wiirde  der  zulässige 
Tiefgang  der  Schüfe  von  3  m  auf  5,1  m  vergrößert.  Dieser  genügte  aber  auf  die  Dauer  nicht 
und  der  weite  Umweg,  der  Schleusenaufenthalt,  sowie  häufige  Versandungen  in  der  Mündung 
fährten  1863  zum  Bau  des  >Neuen  Wasserwegs«,  der  mittels  eines  großen  Durchstichs  bei  Hoek 
van  Holland  ohne  Schleuse  auf  kürzestem  Wege  das  Meer  erreicht  Er  wurde  allmählich  immer 
mehr  verbessert  (zuletzt  in  den  Jahren  1908  bis  1910)  so  daß  jetzt  bei  H.  W.  Schiffe  von  9  m 
Tiefgang  bis  Rotterdam  gelangen. 

Amsterdam  konnte  früher  nur  durch  die  Zuidersee  von  Seeschiffen  erreicht  werden.  Da 
deren  Tiefe  nicht  mehr  genügte,  suchte  man  einen  besseren  Zugang  zur  Nordsee  zu  gewinnen. 
Zuerst  wurde  (1819  bis  1825)  der  Nordholländische  Kanal  (mit  4  Schleusen)  zum  Hafen  Nieuwediep 
angelegt,  und  als  auch  dessen  Tiefe  (5,5  m)  und  Abmessungen  nicht  ausreichten,  baute  man  (1865 
bis  1876)  den  Kanal  nach  Ymuiden,  der  allmählich  so  erweitert  worden  ist,  daß  jetzt  Schiffe  von 
220  m  Länge,  24  m  Breite  und  9,2  m  Tiefgang  ihn  durchfahren  können.  In  neuester  Zeit  wird 
eine  weitere  Vergrößerung  beabsichtigt. 


6  Abschnitt  I.     Binnenschiffahrt  und  Seeschiffahrt. 

Brügge  war  am  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  einer  der  bedeutendsten  Handelshäfen  der 
Welt;  aber  der  Zugang  versandete  und  Jahrhunderte  hindurch  war  die  Stadt  vom  Meer  abge- 
schnitten. Neuerdings  ist  sie  durch  einen  Seekanal  von  8  m  Tiefe  mit  dem  neuen  Hafen  Zee- 
brügge  (Heyst)  verbunden  worden.  Die  Schleuse  hat  eine  nutzbare  Liüige  von  158  m  und  eine 
Breite  von  20  m.     Die  im  Jahre  1897  begonnenen  Arbeiten  sind  jetzt  ziemlich  fertig  gestellt. 

Gent  war  schon  seit  dem  16.  Jahrhundert  durch  einen  Kanal  mit  der  Westerschelde  ver- 
bunden, der  aber  erst  in  den  Jahren  1825  bis  1827  ordentlich  nach  Temeuzen  ausgebaut  und 
mit  einer  Tiefe  von  4,2  m  versehen  wurde.  Nach  mancherlei  Verbesserungen  ist  der  Kanal  in 
neuester  Zeit  (I9cx:>  bis  191 1)  bedeutend  erweitert  worden,  so  daß  jetzt  Schiffe  von  140  m  Länge, 
17  m  Breite  und  8  m  Tiefgang  verkehren  können. 

Ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  am  Rhein.  In  alter  Zeit  verkehrten  dort 
die  Seeschiffe  regelmäßig  bis  Köln.  Als  ihr  Tiefgang  zunahm  und  die  nieder- 
ländischen Häfen  an  Bedeutung  gewannen,  hörte  die  Seeschiffahrt  auf  dem 
Rhein  allmählich  auf  und  ruhte  jahrhundertelang,  bis  sie  im  Jahre  1885  zu 
neuem  Leben  erweckt  wurde.  Das  war  besonders  durch  die  Verbesserung 
und  Vertiefung  der  RheinwasserstraOe  und  durch  die  Entwicklung  des  Dampf- 
schifftaues möglich  geworden. 

Der  Rhein-See -Verkehr  hat  seitdem  sehr  schnell  zugenommen,  so  daß  im  Jahre  1910 
schon  56  Dampfer  gezählt  wurden,  deren  Tragfähigkeit  auf  dem  Rhein  zusammen  etwa  50000  t 
betrug,  auf  der  Fahrt  über  See  aber  erheblich  größer  war.  Der  größte  Dampfer  >Bingen«  war 
71m  lang  und  10  m  breit,  hatte  bei  600  Pferdestärken  auf  See  einen  Tiefgang  von  4,3  m  und 
auf  dem  Rhein  bei  gutem  Wasserstande  eine  Tragfähigkeit  von  1770  t.  Er  war  mithin  ein  nicht 
unbedeutendes  Seeschiff. 

Daneben  hat  sich  neuerdings  auch  wieder  ein  See -Segelschiff -Verkehr  auf  dem  Rhein  bis 
Köln  und  zuweilen  noch  weiter  hinauf  entwickelt  Es  sind  vorwiegend  holländische  Tjalken  und 
englische  Schoner  von  meistens  100  bis  200  t  Tragfähigkeit.  Im  Jahre  19 10  wurden  83  solche 
Schiflfe  gezählt,  die  einen  Tiefgang  von  2,1  bis  2,3  m  hatten.  Das  größte  SchiflF  >Mosel€  hatte 
1929  t  Tragfähigkeit  und  verkehrte  zwischen  Köln  und  Hamburg. 

Um  die  Seeschiffahrt  möglichst  tief  in  das  Land  zu  fuhren,  hat  man 
durch  Seekanäle  sogar  neue  Seehäfen  im  Binnenlande  geschaffen. 

Ein  sehr  bedeutendes  Bauwerk  ist  der  in  der  Zeit  von  1887  ^^  ^^94  hergestellte  Seekanal 
von  Manchester,  der  diese  Stadt  mit  dem  Hafen  Liverpool  verbindet.  Zur  Überwindung  des 
Höhenunterschieds  von  x8  m  sind  4  Schleusen  von  je  180  m  Länge  und  24  m  Breite  angeordnet. 
Die  größte  zulässige  Tauchtiefe  der  Schifife  beträgt  7,9  m.  Die  Unterkante  der  Über  den  Kanal 
führenden  Brücken  liegt  22,8  m  über  dem  Wasserspiegel,  so  daß  nur  die  obersten  Stengen  der 
Masten  herabgelassen  werden  müssen. 

Brüssel  wird  gleichfalls  ein  Seehafen  werden,  indem  seit  dem  Jahre  1898  der  alte  Binnen- 
schiffahrtkanal von  Willebroeck  zum  Rüpel  und  zur  Scheide  als  Seekanal  umgebaut  wird,  so 
daß  Schiffe  von  etwa  114  m  Länge,  15  m  Breite  und  6  m  Tiefgang  darauf  verkehren  sollen. 
Diese  Arbeiten  sind  ziemlich  fertig. 

Es  sind  auch  Entwürfe  aufgestellt  worden,  um  Paris i)  und  Berlin,  ja  selbst  Rom  auf 
solche  Weise  zu  Seehäfen  zu  machen;  man  hat  sich  aber  überzeugt,  daß  diese  Unternehmungen 
zurzeit  nicht  wirtschaftlich  sind. 

Alle  Seekanäle  (z.B.  in  Deutschland  der  von  1887  bis  1895  erbaute  Kaiser- 
Wilhelm-Kanal)  werden  gelegentlich  auch  von  der  Binnenschiffahrt  benutzt 

Die  Küstenschiffahrt  (durch  Ewer,  Kuffen,  Lommen,  Tjalken,  Jachten, 
Brigantinen,  Schoner  und  Briggen  betrieben)  ist  ein  Teil  der  Seeschiffahrt 
und  folgt  auf  dem  Meere,  wie  der  Name  sagt,  im  allgemeinen  der  Küste, 
d.  h.  sie  geht  nicht  über  die  großen  Meere,  weil  weder  die  Schiffe  noch  die 

1]  Neuerdings  wieder  angeregt.    Vgl.  Zentralblatt  der  Bauverwaltung  191 1,  S.  210. 


Abschnitt  I.     Binnenschiffahrt  und  Seeschiffieihrt.  7 

Bemannung  für  die  sogenannte  > große  Fahrte  geeignet  sind.  Die  Küsten- 
schiffe  sind  verhältnismäßig  klein  und  haben  geringen  Tiefgang,  so  daß  sie 
auch  Häfen  mit  kleiner  Wassertiefe  aufsuchen  und  in  der  Nähe  der  seichten 
Küsten,  z.  B.  in  den  Watten,  verkehren  können.  Sie  dringen  durch  die 
Strommündungen  noch  weiter  in  die  Binnenwasserstraßen  ein  als  die  großen 
Seeschiffe,  wenn  sie  durch  die  festen  Masten  nicht  gehindert  werden.  Über 
ihren  Verkehr  auf  dem  Rhein  war  schon  oben  gesprochen;  man  findet  sie 
aber  auch  in  anderen  Stromgebieten. 

Die  schwankenden  Grenzen  zwischen  See-  und  Binnenwasserstraßen  sind 
durch  den  neuerdings  kräftig  entwickelten  Verkehr  mit  Seeprähmen  noch 
mehr  verwischt  worden.  Wir  verstehen  unter  Seeprähmen  Lastschiffe  ohne 
eigene  Triebkraft  in  den  Formen  und  Abmessungen  der  Binnenschiffe,  aber 
gedeckt  und  festgebaut,  so  daß  sie  ohne  große  Gefahr  bei  günstigem  Wetter 
über  See  nach  anderen  Strommündungen  geschleppt  werden  können,  von 
wo  sie  auf  die  anschließenden  Binnenwasserstraßen  übergehen.  Es  kommt 
dabei  nur  ein  Verkehr  innerhalb  der  mehr  oder  weniger  abgeschlossenen 
Meere,  wie  Ostsee,  Nordsee,  Mittelmeer  in  Betracht,  wo  man  auf  den  Fahrten 
längs  der  Küste  bei  eintretendem  schlechtem  Wetter  leicht  einen  Schutzhafen 
aufsuchen  kann.  Der  große  Vorteil  dieses  Verkehrs  liegt  darin,  daß  die 
Umladung  vom  Seeschiffe  auf  das  Binnenschiff  und  umgekehrt  fortfallt.  Da 
für  die  Fahrt  über  See  ein  größerer  Tiefgang  zulässig  und  erforderlich  ist, 
als  die  meisten  Binnenwasserstraßen  erlauben,  so  muß  allerdings  beim  Ein- 
tritt in  diese  Binnenwasserstraßen  eine  Ableichterung  der  Seeprähme  vor- 
genommen werden').  Diese  Art  der  Schiffahrt  überträgt  die  wirtschaftlichen 
Vorzüge  des  Schleppbetriebs,  den  wir  oben  als  besondere  Eigentümlichkeit 
der  Binnenschiffahrt  erwähnten,  auch  auf  die  Seeschiffahrt. 

Der  älteste  bekannte  Verkehr  mit  Seeprähmen  wurde  im  Jahre  1852  in 
Süd-Frankreich  zwischen  Arles  an  der  Rhone  und  MarseUle  eingerichtet, 
als  dort  noch  keine  Eisenbahnen  bestanden  und  die  Schiffahrt  auf  der  Rhone 
ziemlich  bedeutend  war. 

Die  von  einer  Gesellschaft  in  Lyon  beschafften  20  Seeprähme  hatten  eine  Länge  von 
45  bis  60  m,  eine  Breite  von  6,5  bis  7,5  m,  eine  Höhe  von  2,5  bis  3,5  m,  tauchten  leer  0,4 
bis  0,6  m,  bei  größter  Belastung  1,25  bis  2,25  m  ein  und  besaßen  eine  TragflUiigkeit  von  250 
bis  400  t,  im  äußersten  Falle  von  500  t.  Sie  waren  aus  Eisen  mit  einem  festen  Deck  gebaut, 
das  mit  4  Luken  und  ringsum  laufendem  hohem  Schanzkleid  versehen  war. 

Zur  Fahrt  von  Arles  bis  oberhalb  der  damals  noch  ungeregelten  Barre  wurden  je  2  See- 
prähme seitlich  an  dem  Schleppdampfer  befestigt  Wenn  man  dort  die  Nachricht  erhielt,  daß 
die  Rinne  durch  die  Barre  fahrbar  und  das  Meer  für  die  Überfahrt  günstig  war,  so  nahm  der 
Dampfer  die  Prähme  gewöhnlich  in  doppeltes  Schlepptau,  so  daß  beide  gleichlaufend  neben- 
einander fuhren.  So  ging  der  Schleppzug  über  die  Barre  und  durch  das  offene  Meer  bis 
Marseille.  Die  Entfernung  in  der  Rhone  von  Arles  bis  zum  Ende  der  Barre  betrug  49  km, 
die  auf  See  von  da  bis  Marseille  40  km.  Die  Seefahrt  dauerte  3  Stunden,  die  Rhonefahrt  zu 
Tal  etwas  weniger.  Der  Betrieb  war  schwierig,  die  Schleppzüge  fuhren  nur  bei  Tage  und  bei 
heftigen  Winden  oder  Eis  war  die  Schiffahrt  oft  wochenlang  unterbrochen. 

1)  Berichte  von  Geck,  Gu^rard  und  de  Thierry  zum  internationalen  SchiflEfthrtkon- 
gresse  in  Düsseldorf,  1902. 


8  Abschnitt  L     BinnenschifTahrt  und  Seeschiffahrt. 

Später  entstanden  vorübergehend  noch  mehrere  Gesellschaften,  die  in  ähnlicher  Weise 
den  Verkehr  von  der  Rhone  westlich  bis  Cette  und  östlich  bis  Spezia  ausdehnten.  Nach  dem 
Ausbau  und  der  Verbesserung  des  Fahrwassers  der  Rhone  hat  die  ersterwähnte  Gesellschaft  im 
Jahre  1898  etwa  20  neue  Seeprähme  anderer  Bauart  eingeführt,  die  von  Marseille  über  See 
nach  der  Rhone  und  auf  dieser  und  auf  der  Saone  Über  Lyon  hinaus  bis  nach  Chalons-sur- 
Sa6ne  verkehren,  also  auf  mehr  als  600  km  ohne  Umladung.  Diese  Schiffe  (»barques  mixtes«) 
sind  etwas  leichter  als  die  älteren:  57  m  lang,  7,65  m  breit,  2,8  m  hoch;  Tiefgang  leer  0,52  m, 
beladen  1,4  m  und  Tragfähigkeit  bis  425  t. 

Dieser  Verkehr  hat  sich  bewährt.  Die  Zahl  der  Unfälle  auf  der  See  ist  sehr  gering  ge- 
wesen: von  1852  bis  1871  sollen  nur  4  Seeprähme  verloren  gegangen  sein  und  von  da  an  bis 
zum  Jahre  1901  keine  mehr,  obwohl  die  Gesellschaft  den  Betrieb  bis  Aigues-Mortes  und  bis 
Cette  ausgedehnt  hat. 

Im  Gegensatz  zu  Frankreich  hat  sich  der  deutsche  Verkehr  mit  See- 
prähmen aus  dem  Leichterverkehr  entwickelt.  Wie  schon  erwähnt,  mußten 
die  immer  tiefer  eintauchenden  Seeschiffe  bei  der  Einfahrt  in  die  Strommün- 
dungen einen  Teil  ihrer  Ladung  auf  Leichterschiffe  abgeben,  die  durch  einen 
Schleppdampfer  in  die  Häfen  gebracht  wurden.  Es  lag  nahe,  diese  Schiffe, 
die  wegen  der  oft  stark  bewegten  See  auf  der  Reede  und  in  den  Flußmün- 
dungen eine  gewisse  Seetüchtigkeit  besitzen  mußten,  auch  in  den  Dienst  der 
Küstenschiffahrt  zum  Verkehr  mit  benachbarten  Häfen  zu  verwenden.  Im 
Jahre  1863  eröffnete  der  Norddeutsche  Lloyd  mit  3  Leichterschiffen  von  je 
300  t  Tragfähigkeit  und  einem  Schleppdampfer  einen  regelmäßigen  Verkehr 
zwischen  Bremen  und  Hamburg.  Später  folgten  andere  Gesellschaften  und 
dehnten  nach  der  Eröffnung  des  Kaiser- Wilhelm-Kanals  ihre  Schleppfahrten 
östlich  bis  Stettin,  Königsberg,  Memel,  Riga  und  zu  den  schwedischen  Ost- 
seehäfen aus.  Westlich  ging  man  damit  zu  den  holländischen,  belgischen, 
englischen  und  französischen  Häfen. 

Diese  Schiffahrt  benutzte  aber  fast  ausschließlich  Seewasserstraßen  und 
erst  in  neuerer  Zeit,  besonders  nach  der  Fertigstellnng  des  Dortmund-Ems- 
Kanals  (1899)  drang  man  mit  den  Seeprähmen  auch  in  die  Binnenwasser- 
straßen ein  und  trat  damit  in  Wettbewerb  mit  der  eigentlichen  Binnenschiff- 
fahrt. Die  Seeprähme  gelangen  z.  B.  auf  dem  Rhein  bis  Köln  und  auf  dem 
Dortmund-Ems-Kanal  bis  Dortmund. 

Für  den  Verkehr  zwischen  Hamburg  und  Köln  hat  die  Hamburg- Amerika-Linie  8  See- 
prähme in  ständigem  Betriebe.  Außerdem  beteiligt  sich  an  diesem  SchüTahrtbetriebe  besonders 
die  Vereinigte  Bugsier-Frachtschiffahrtgesellschaft  in  Hamburg. 

Auf  dem  Dortmund-Ems-Kanal  bot  die  Verwendimg  von  Seeprähmen  besondere 
Schwierigkeit,  weil  sie  mit  Rücksicht  auf  seine  Abmessungen  höchstens  67  m  lang  und  8,2  m 
breit  sein  imd  nur  2  m  tief  eintauchen  durften ;  andrerseits  war  die  Höhe  über  Wasser  durch 
die  Brücken  beschränkt,  deren  Unterkante  nur  wenig  mehr  als  4  m  über  dem  Wasserspiegel 
liegt.  Die  volle  zulässige  Länge  von  67  m  auszunutzen,  erwies  sich  als  unvorteilhaft;  denn  so 
lange  Schiffe  wurden  bei  der  verhältnismäßig  geringen  Höhe  zu  schwer,  um  ftLr  die  Seefahrt  die 
genügende  Festigkeit  zu  haben,  und  ihr  nutzbarer  Tiefgang  für  die  Kanalfahrt  infolgedessen  zu 
klein.  Andrerseits  ließen  sich  Schiffe  von  40  bis  50  m  Länge  bei  geringem  Eigengewicht  wohl 
genügend  fest  herstellen,  erwiesen  sich  aber  bei  nur  etwa  350  t  Tragfähigkeit  im  Kanal  als 
unwirtschaftlich  im  Wettbewerb  mit  den  großen  Binnenschiffen  von  600  bis  800  t  Tragfähig- 
keit. Die  günstigsten  Ergebnisse  hatte  man  mit  einem  Seeprahm  von  58  m  Länge,  8  m  Breite 
und  0,75  m  Leertiefgang,  der  auf  der  Seefahrt  800  t  und  auf  der  Kanalfahrt  500  t  aufnehmen 
konnte.     Das  Verhältnis  der  Nutzladimg  zum  toten  Gewicht  beträgt  dabei  auf  der  See  83  zu  17 


Abschnitt  I.    Bmnenschi£fahrt  und  Seeschiffahrt.  9 

und  auf  dem  Kanal  j6  zu  24.  Da  diese  Schiffe  im  Kanal  nur  2  m,  auf  dem  Meere  aber  min- 
destens 3  m  tief  eintauchen,  müssen  sie  eine  so  beträchtliche  Bauhöhe  erhalten,  daß  sie  leer 
nicht  unter  den  Brficken  des  Kanals  hindurchfahren  können,  sondern  Ballast  einnehmen  müssen. 

In  Emden  oder  Papenburg  pflegt  auf  dem  Wege  zur  See  die  entsprechende  Zuladung, 
umgekehrt  die  nötige  Ableichterung  vorgenommen  zu  werden.  Auch  tritt  an  diesen  Orten  ein 
Wechsel  der  Schleppdampfer  ein,  die  sowohl  im  Kanal  wie  auf  dem  Meere  meistens  je  2  See- 
prShme  anhängen. 

Dieser  Verkehr  hat  sich  auf  dem  Kanäle  gut  entwickelt:  Westfälische  Steinkohlen  gingen 
von  den  Kohlenhäfen  Dortmund,  Hardenberg,  Herne  und  anderen  nach  Bremen,  Hamburg  und 
Kiel.  Auch  wurden  Koks  nach  Schweden  gebracht.  Schwefelkies-Erze  aus  dem  westfälischen 
Sauerland  wurden  im  Dortmunder  Hafen  in  Seeprähme  nach  Riga  verladen.  Eisenbahnschienen 
gingen  von  Dortmund  nach  Bremen,  Stettin  und  Königsberg.  Umgekehrt  kamen  nach  den 
Kanalhäfen  Dortmund  und  Münster  Zucker,  Getreide  und  Mehl  aus  Königsberg,  Danzig  und 
Stettin,  sogar  schwedisches  Schnittholz,  wobei  ein  Teil  davon  bei  der  Seefahrt  als  Decklast 
befordert  wurde'). 

Die  Vorzüge  des  Verkehrs  mit  Seeprähmen,  also  gewissermaßen  der 
Verbindung  von  Seeschiffahrt  mit  Binnenschiffahrt,  dürfen  jedoch  nicht  über- 
schätzt werden.  Abgesehen  von  der  Gefährlichkeit  der  Seefahrt  und  der 
Verwendung  von  (sowohl  in  bezug  auf  den  Bau  wie  auf  die  Ausrüstung  und 
Bemannung)  kostspieligen  Schiffen  in  der  Binnenschiffahrt,  hat  es  sich  her- 
ausgestellt,  daß  sehr  weite  Seefahrten  für  diesen  Betrieb  unwirtschaftlich  sind. 
Die  oben  erwähnte  französische  Gesellschaft  hält  Schleppfahrten  über  See 
auf  mehr  als  400  km  Entfernung  nicht  mehr  für  gewinnbringend  und  in  der 
Nord-  und  Ostsee  haben  sich  Fahrten  von  mehr  als  800  km,  besonders  mit 
geringwertigen  Gütern,  als  unvorteilhaft  erwiesen.  Das  ist  zum  Teil  daraus 
zu  erklären,  daß  die  Leistung  eines  Schleppdampfers  kleiner  ist  als  die  eines 
Güterdampfers,  da  bei  gleicher  Maschinenstärke  und  gleicher  Nutzlast  der 
Schleppzug  nur  etwa  die  halbe  Geschwindigkeit  des  Güterdampfers  erreicht. 
Die  Selbstkosten  des  Schleppdampfers  wachsen  ferner  bedeutend  mit  der 
Dauer  der  Fahrt,  so  daß  die  Benutzimg  eines  schnell  fahrenden  Güter- 
dampfers vorteilhafter  ist.  Daher  werden  z.  B.  schwedische  Eisenerze  aus 
Luleä  (jetzt  von  Närwik)  mit  Güterdampfern  nach  Emden  befördert  und 
dort  in  Kanalschiffe  umgeschlagen.  Ebenso  werden  diese  Erze,  wenn  sie 
nach  Duisburg- Ruhrort  bestimmt  sind,  in  Rotterdam  umgeladen  und  nicht 
mit  Seeprähmen  befördert,  obwohl  diese  für  die  Wasserverhältnisse  des  Rheins 
ziemlich  groß  gebaut  werden  könnten.  Es  ist  zu  vermuten,  daß  der  jetzt 
übliche  Umschlagbetrieb  der  vorteilhaftere  ist. 

Aus  den  vorstehenden  Mitteilungen  ist  ersichtlich,  daß  es  sowohl  Wasser- 
straßen als  auch  Schiffe  gibt,  die  im  Wechselverkehr  der  Seeschiffahrt  wie 
der  Binnenschiffahrt  dienen. 

Eine  besondere  Stellung  nehmen  die  g^roßen  Landseen  ein,  wenn  sie 
eine  solche  Ausdehnung   haben,    daß   starke  Wellenbewegungen    entstehen 


1}  Neuerdings  macht  man  auf  dem  Dortmund -Ems -Kanal  Versuche  mit  Güterdampfem 
von  300  t  TragfUhigkeit ,  die  wertvolle  Güter  von  Dortmund  nach  den  Ostseehäfen  befördern, 
also  seetüchtig  sind  wie  die  Rhein-Seedampfer.  Erfahrungen  über  die  Wirtschaftlichkeit  liegen 
noch  nicht  vor. 


10  Abschnitt  L    Binnenscliiifahrt  und  Seeschi£falirt. 

können,  und  daß  man  von  ihrer  Mitte  aus  nicht  mehr  die  Ufer  erkennen 
kann.  Dahin  gehören  z.  B.  der  Bodensee  (539  km"),  der  Wenernsee  (5975  km'), 
der  Ladogasee  ( 1 8 1 29  km  'j ,  der  Michigansee  (6 1 906  km ')  und  das  Kaspische  Meer 
(436452  km').  Von  dem  letztgenannten  abgesehen,  rechnet  man  den  Verkehr 
auf  diesen  Gewässern  zur  Binnenschiffahrt.  Aber  sowohl  die  Schiffe  als  auch 
der  Betrieb  müssen  je  nach  der  Größe  des  Sees  mehr  oder  minder  seemäßig 
ausgeführt  werden.     Dazu  gehört  auch  die  Anlage  geschützter  Häfen. 

Der  Verkehr  auf  Haffen  und  Lagunen,  die  einerseits  mit  den  Binnen- 
wasserstraßen und  andrerseits  mit  dem  Meere  in  Verbindung  stehen,  wird 
gleichfalls  meistens  zur  Binnenschiffahrt  gerechnet,  obwohl  dort  auch  Küsten- 
schiffe und  große  Seeschiffe  zu  fahren  pflegen. 

Binnenschiffahrt  und  Seeschiffahrt  blühen  am  besten,  wenn  sie  sich 
gegenseitig  unterstützen  und  befruchten^).  In  großartiger  Weise  haben  sich 
darum  solche  Seehäfen  entwickelt,  die  gleichzeitig  den  Endpunkt  großer, 
leistungsfähiger  Binnenwasserstraßen  bilden,  wie  z.  B.  Hamburg,  Rotterdam 
und  New- York. 


i)  Cords,    Die  Bedeutung  der  Binnenschiffahrt  für  die  deutsche  Seeschiffahrt.    Stuttgart 
und  Berlin,  1906. 


Abschnitt  IL 

Geschichtlicher  Rückblick  auf  die  Entwicklung 
der  Binnenschiffahrt  bis  zum  Jahre  1870. 

I.  Die  Binnenschiffahrt  im  Altertum. 

Die  Geschichte  der  Schiffahrt  ist  bis  zur  Erfindung  der  Eisenbahnen  gewisser- 
maßen auch  die  Geschichte  des  Handels.  Der  Anfang  der  Schiffahrt  reicht 
weit  in  die  vorgeschichtlichen  Zeiten  zurück.  Nachdem  das  Menschengeschlecht 
sich  so  weit  entwickelt  hatte,  daß  sich  ein  Bedürfnis  zur  Beförderung  von 
Lasten  auf  größere  Entfernungen  einstellte,  daß  ein  gewisser  Verkehr  und 
damit  zugleich  der  Handel  entstand,  war  die  Binnenschiffahrt  wahrscheinlich 
das  erste  Verkehrsmittel.  Die  Benutzung  der  natürlichen  Wasserstraßen  er- 
forderte wenig  Vorbereitungen:  Flöße  und  ausgehöhlte  Baumstämme,  die  mit 
der  Strömung  trieben,  waren  sicherlich  schnell  erfunden.  Selbst  die  Benutzung 
von  Tragtieren  scheint  weniger  einfach,  wenn  sie  auch  überall  dort,  wo  keine 
natürlichen  Wasserwege  vorhanden  waren,  bis  in  das  Mittelalter  hinein  einen 
großen  Teil  des  Handelsverkehrs  vermittelt  haben.  Die  Herstellung  gebahnter 
Landstraßen  erfolgte  viel  später  und  war  wahrscheinlich  looo  Jahre  v.  Chr. 
noch  unbekannt.  Nach  griechischen  Quellen  sollen  erst  die  Perser  unter 
Kyros  und  Dareios  im  6.  und  5.  Jahrhundert  v.  Chr.  die  ersten  Straßen  an- 
gelegt und  sich  vierräderiger  Wagen  bedient  haben. 

In  welchem  Lande  und  von  welchem  Volke  die  Binnenschiffahrt  zuerst 
betrieben  wurde,  läßt  sich  nicht  sagen.  Die  ersten  Ansiedelungen  fast  aller 
Völker  fanden  in  den  Flußtälem  statt  und  es  ist  wahrscheinlich,  daß  sich  die 
Schiffahrt  in  vielen  Stromgebieten  unabhängig  voneinander  und  gleichzeitig 
entwickelt  hat.  Wir  wissen,  daß  die  ältesten  uns  bekannten  Kulturvölker  in 
den  Flußtälem  des  Euphrat  und  Tigris,  des  Nils  und  der  chinesischen  Flüsse 
wohnten.  Die  Ägypter  sollen  schon  2300  Jahre  v.  Chr.  auf  dem  Nil  und 
dem  roten  Meer  Schiffahrt  getrieben  haben.  Auch  von  den  Babyloniern  ist 
mit  großer  Wahrscheinlichkeit  zu  vermuten,  daß  sie  schon  um  2000  v.  Chr. 
auf  dem  Euphrat  und  Tigris  gefahren  sind,  und  es  steht  fest,  daß  um  2200 
V.  Chr.  in  China  bereits  eine  lebhafte  Binnenschiffahrt  bestand'). 

Die  Ägypter  befuhren  in  ältester  Zeit  aus  religiösen  Gründen  nicht  das 
Mittelmeer.    Dort  ist  die  Seeschiffahrt  durch  die  Phöniker  entwickelt  worden, 

i)  Götz,  W.,  Die  Verkehrswege  im  Dienste  des  Welthandels.     Stuttgart,  1888. 


12  Abschnitt  n.     Geschichtliclier  Rückblick  bis  1870. 

die  mit  ihrem  Handel  nicht  nur  das  Mittelmeer  beherrschten,  sondern  ihn 
schon  1000  Jahre  v.  Chr.  bis  Britannien  und  zur  Nordsee  ausdehnten.  Nach 
Götz  ist  in  dem  persischen  Meerbusen  wahrscheinlich  schon  um  die  Mitte 
des  4.  Jahrtausend  v.  Chr.  Schiffahrt  betrieben  worden. 

Von  den  Ägyptern  sind  uns  die  meisten  Nachrichten  über  ihre  alte 
Flußschiffahrt  überliefert  und  man  erkennt  daraus,  daß  sie  schon  gut  aus- 
gebildet und  geregelt  war. 
Die  ältesten  Abbildungen 
von  Nilschiffen  sind  auf 
ausgegrabenen  Steinoma- 
menten  gefunden,  die  etwa 
aus  dem  17.  Jahrhundert 
V.  Chr.  stammen.  Die 
Abb.  I  und  2  stellen  sie 
dar"). 

Man  erkennt  deutlich 
Abb.  I.  die  großenteils  noch  heute 

üblichen  Hauptteile  des 
Segelschiffs:  In  Abb.  1  Steven,  Mast,  Rasegel,  Riemen  und  Steuerruder  (als 
»Streichnider«);  in  Abb.  2  namentlich  die  Takelung.  Diese  zeigt  an  sogenann- 
tem »stehendem  Gut»:  vom  Mast  zum  Hintersteven  das  »Pardun»,  vom  Mast 
zum  Vorsteven  das  »Vorstag«  und  vom  Mast  zu  den  Bordwänden  die  »Wanten». 
Außerdem  erkennt  man  auch  die  >Brassen<  tum  Stellen  des  Segels.  ^' 


Abb.  >. 

Sehr  alt  sind  auch  die  Nachrichten  über  die  Verbesserung  der  natürlichen 
und  die  Herstellung  von  künstlichen  Binnenwasserstraßen  in  den  oben  ge- 
nannten drei  Kulturländern.  Aristoteles  und  auch  Flinius  teilen  mit,  daß  in 
Ägypten  die  Pharaonen  schon  im    14.  Jahrhundert  v,  Chr.   einen   Schiffahrt- 

i)  Nacli  Wilkiiisoa.     Die  Bilder  sind   ans  RUhlminn,  Allgem.  Mischincntehre,   Band  V. 


I.  Die  Binneotschiffalirt  im  Altertum.  13 

kanal  vom  Orte  Pibast  (oder  Bubastis),  dem  heutigen  Zagazig  am  Nil  nach 
dem  roten  Meer  zu  bauen  begonnen  haben.  Dieser  Kanal  ist  im  Laufe  der 
Zeiten  wiederholt  verfallen  und  wieder  erneuert  worden.  Wir  erfahren  z.  B. 
von  Herodot,  daß  Dareios  Hystaspes  ihn  im  Jahre  522  v.  Chr.  wieder  hat 
ausbauen  lassen.  Ähnliches  wird  von  Ptolomäus  Philadelphus  berichtet,  der 
von  286  bis  247  v.  Chr.  in  Ägypten  regierte.  Im  Jahre  31  v.  Chr.  benutzte 
Kleopatra  diesen  Kanal;  um  sich  nach  dem  roten  Meer  zu  flüchten,  blieb 
aber  wegen  zu  geringer  Wassertiefe  mit  ihren  Schiffen  darin  sitzen.  Der  ver- 
fallene Kanal  wurde  später  von  den  Römern  unter  Kaiser  Trajan  wieder  her- 
gestellt; doch  ließ  ihn  im  Jahre  767  der  Kalif  Abu-Jafur-el-Mansur  endgültig 
zuschütten.  Dieser  Kanal  war  der  Vorläufer  des  Suezkanals  (erbaut  durch 
Lesseps  1859  bis  1869). 

In  China  bestanden  schon  um  iioo  v.  Chr.  viele  Kanäle,  die  neben 
den  natürlichen  Binnenwasserstraßen  mit  ausgebauten  Leinpfaden  und  Pferde- 
treidelei  das  Hauptverkehrsmittel  für  Menschen  und  Güter  bildeten  und  einer 
besonderen,  wichtigen  Verwaltung  unterstellt  waren. 

Wir  wissen  femer,  daß  von  Nebukadnezar  im  6.  Jahrhundert  v.  Chr.  im 
Gebiet  von  Euphrat  und  Tigris  außer  den  schon  früher  bestehenden  Ent- 
und  Bewässerungskanälen  auch  besondere  Schiffahrtkanäle  erbaut  und  Strom- 
verbesserungen ausgeführt  worden  sind. 

Was  die  Römer  betrifft,  ist  es  wahrscheinlich,  daß  von  den  übrigen 
Städten  in  Latium  gerade  Rom  sich  eine  vorherrschende  Stellung  dadurch 
errang,  daß  es  am  Tiberfluß  lag  und  auf  diesem  im  Binnenschiffahrtverkehr 
einen  gewissen  Handel  entwickeln  konnte.  Später  haben  sich  die  Römer 
nicht  als  ein  besonders  Handel  treibendes  Volk  gezeigt,  aber  mit  wachsender 
Machtstellung  sich  in  großartiger  Weise  dem  Bau  von  Heerstraßen  gewidmet, 
deren  Netz  sie  über  alle  Provinzen  des  großen  Reiches  ausdehnten.  Die  Folge 
hiervon  war,  daß  der  Landstraßenverkehr  vor  dem  Binnenschiffahrtverkehr 
bevorzugt  wurde,  indem  der  Handel  dem  Wege  der  Legionen  nachfolgte. 
Trotzdem  entwickelte  sich  die  Binnenschiffahrt  weiter:  Wir  wissen,  daß  der 
Tiber  von  Schiffen  belebt  war.  Es  wird  behauptet,  daß  er  im  Altertum 
wasserreicher  als  heute  gewesen  sei;  doch  ist  das  nicht  erwiesen.  Zur  Zeit 
des  Augustus  gelangten  Lastschiffe  mit  78  t  Ladung  nach  Rom.  Gewöhnlich 
wurden  die  Seeschiffe  aber  in  Ostia  entladen  und  die  Waren  in  von  Ochsen 
und  Büffeln  geschleppten  Leichterschiffen  zur  Stadt  gebracht.  In  den  nörd- 
lichen Provinzen,  Gallien,  Germanien  und  Dazien,  bildeten  sich  zur  römischen 
Zeit  namentlich  die  Rhone,  der  Rhein  und  die  Donau  zu  Weltstraßen  aus. 

Durch  die  Rhone  ging  der  Verkehr  vom  Mittelmeer  durch  die  Saone 
und  nach  kurzem  Landweg  durch  die  Mosel  zum  Rhein.  Schon  der  alte 
Geograph  Strabo  hebt  in  seiner  Beschreibung  Galliens  etwa  um  Christi 
Geburt  die  Leichtigkeit  hervor,  mit  der  auf  der  Rhone  schwere  Lasten  auch 
bis  zur  Loire  und  zur  Seine  befördert  werden  können.  Lyon  war  damals 
der  Hauptstapelplatz  für  den  Verkehr  nach  dem  Norden.     Der  Verkehr  soll 


14  Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

(nach  italienischen  Quellen)  damals  auf  Rhone,  Loire,  Seine  und  Mosel  so 
bedeutend  gewesen  sein,  daß  fiir  die  Schiffer  bestimmte  genossenschaftliche 
Rechte  und  Pflichten  festgesetzt  waren').  Zur  bequemeren  Verbindung  der 
Rhone  mit  dem  Meere  soll  schon  Marius  mit  seinen  Legionen  einen  Kanal 
von  Arles  zum  heutigen  Golf  von  Fox  hergestellt  haben,  dessen  Spuren  jedoch 
verschwunden  sind.  Tacitus  teilt  mit,  daß  im  Jahre  58  der  römische  Feld- 
herr Lucius  Vetus,  um  seine  Legionen  durch  nützliche  Arbeit  vor  Müßiggang 
zu  bewahren,  den  Plan  faßte,  durch  sie  einen  Kanal  von  der  Saone  zur  Mosel 
graben  zu  lassen.  Die  Ausführung  unterblieb,  weil  Vetus  darauf  hingewiesen 
wurde,  daß  er  durch  ein  so  bedeutendes  Werk  die  Eifersucht  des  Kaisers  Nero 
erwecken  würde.  Dieser  104  km  lange  Kanal  ist  erst  in  den  Jahren  1874  bis 
1882  als  Teil  des  großen  französischen  Ostkanals  gebaut  worden. 

Am  Rhein  wurde  das  von  den  Ubiern  gegründete  und  im  Jahre  50  zur 
römischen  Kolonie  gewordene  Köln  der  Mittelpunkt  des  Verkehrs.  Schon  im 
Jahre  10  v.  Chr.  hat  Drusus  einen  Kanal  vom  Rhein  zur  Yssel  hergestellt, 
den  sein  Sohn  Germanicus  später,  wie  Tacitus  berichtet,  unter  Benutzung 
mehrerer  natürlicher  Flußläufe  bis  zur  Ems  weitergeführt  haben  soll.  Es  ist 
ferner  bekannt,  daß  auf  dem  unteren  Rhein  sowie  auf  der  Ems  und  der 
Weser  wiederholt  Flottenkämpfe  zwischen  Römern  und  Germanen  stattgefunden 
haben,  wobei  die  letzteren  sich  als  sehr  geschickte  und  erfahrene  Schiffer 
gezeigt  haben.  Tacitus  erzählt  z.  B.,  daß  in  einem  Kriege  1000  Schiffe  der 
Bataver  auf  dem  Rhein  die  Verpflegung  der  römischen  Truppen  zu  über- 
nehmen hatten.  Der  Schiffahrtverkehr  auf  dem  Rhein  war  also  schon  be- 
trächtlich, wenn  auch  weniger  zu  Handels-  als  zu  Kriegszwecken.  Die  Schiffe 
der  Germanen  waren  ziemlich  ungeschickt  gebaut  und  oft  zum  Teü  aus  Tier- 
fellen hergestellt;  erst  die  Römer  brachten  die  bessere  Kunst  des  Schiff- 
baues dorthin. 

Auf  der  unteren  Donau  (Ister)  hat  schon  in  der  vorrömischen  Zeit  leb- 
hafte Schiffahrt  bestanden,  die  noch  bedeutender  wurde,  als  die  Römer  nach 
der  Eroberung  Daziens  (106  bis  112  n.  Chr.)  dort  auf  beiden  Ufern  Herren 
waren.  Berühmt  ist  die  Straße,  die  sie  an  dem  Donauufer  durch  die  Strom- 
enge von  Kasan  anlegten,  und  von  der  noch  heute  die  am  serbischen  Ufer 
erhaltene  Trajanstafel  Zeugnis  ablegt.  Zur  Umgehung  des  eisernen  Tores 
sollen  sie  sogar  auf  dem  rechten  Ufer  einen  3,2  km  langen  Kanal  angelegt 
haben  (?). 

An  der  oberen  Donau  war  der  Hauptverkehrsplatz  Carnuntum,  gegenüber 
der  Einmündung  der  March  gelegen,  von  wo  sich  eine  wichtige  Handelstraße 
die  March  entlang  nach  Norden  und  bis  zur  Ostsee  und  ihrer  Bernsteinküste 
abzweigte.  Im  übrigen  hatte  die  obere  Donau  ihre  größte  Wichtigkeit  als 
Grenzfluß  und  es  bestanden  dort  mehrere  römische  Flottenstationen. 


i)  Daß  auf  der  Seine  eüie  lebhafte  SchÜfalirt  herrschte,  wird  durch  einen  römischen  Altar 
bewiesen,  der  unter  Kaiser  Tiberius  von  den  Pariser  Schiffern  Jupiter  geweiht  war.  Er  wurde 
1740  unter  dem  Chor  der  Kirche  Notre-Dame  geümden. 


2.  Die  Binnenscliifiahrt  im  Mittelalter.  15 

2.  Die  Binnenschiffahrt  im  Mittelalter  bis  zur  Erfindung 

der  Kammerschleuse  (1438). 

In  den  Stürmen  der  Völkerwanderung  gingen  die  Errungenschaften  der 
römischen  Kultur  verloren  und  auch  die  großen  Heerstraßen  verfielen  mangels 
genügender  Unterhaltung  fast  vollständig.  Es  sind  dann  etwa  1000  Jahre 
vergangen,  bis  man  im  deutschen  Reiche  wieder  zum  Bau  von  Landstraßen 
schritt.  Nachdem  unter  den  Merowingem  und  namentlich  unter  Karl  dem 
Großen  wieder  eine  gewisse  Ordnung  eingetreten  war  und  Handel  und  Ver- 
kehr sich  wieder  regten,  erwiesen  sich  die  natürlichen  Wasserstraßen  als  die 
besten  und  fast  einzigen  Verkehrswege  besonders  in  Deutschland,  Frankreich 
und  Oberitalien,  wo  weitverzweigte  Gewässernetze  vorhanden  waren.  Die 
Binnenwasserstraßen  wurden  nicht  nur  allgemein  zur  Beförderung  von  Men- 
schen und  Waren  benutzt,  sondern  auch  besonders  als  Heerstraßen  in  Kriegs- 
zeiten. Wir  wissen  z.  B.,  daß  Karl  der  Große  im  Kriege  gegen  die  Sachsen 
(etwa  782)  die  Weser  und  in  seinen  Kriegen  mit  den  Avaren  (791  bis  797) 
im  heutigen  Ungarn  die  Donau  als  Heerstraße  verwendet  hat.  Später,  zur 
Zeit  der  Kreuzzüge  (1096  bis  1291),  war  es  wieder  die  Donau,  die  als  Ver- 
kehrsweg viel  benutzt  wurde. 

Abgesehen  von  diesen  kriegerischen  Unternehmungen  wurde  die  kräftige 
Entwicklung  der  Binnenschiffahrt  im  Mittelalter  besonders  durch  das  Auf- 
blühen der  Handelstädte  hervorgerufen.  Diese  waren  zwar  infolge  des 
Aufschwungs  des  Seehandels  zum  großen  Teile  Seehäfen;  aber  es  ist  sicher 
kein  Zufall  gewesen,  daß  sie  meistens  an  solchen  Stellen  entstanden,  wo  sie 
durch  einen  schiffbaren  Strom  mit  dem  Hinterlande  verbunden  waren.  In 
diesen  Häfen  wurde  großer  Wert  darauf  gelegt,  daß  sowohl  See-  wie  Binnen- 
schiffe unmittelbar  bis  an  die  Speicher  der  Kaufleute  gelangen  konnten.  In 
erster  Linie  sind  Brügge,  Antwerpen,  Bremen,  Hamburg,  Lübeck,  Stettin  und 
Danzig^)  zu  nennen,  die  zum  TeU  schon  im  11.  imd  12.  Jahrhundert  wichtige 
Handelsplätze  waren.  Für  die  Binnenwasserstraßen  waren  am  Rhein  neben 
dem  unbestrittenen  Mittelpunkt  Köln  noch  Mainz,  Worms  und  Straßburg  von 
Bedeutung,  während  an  der  Donau  Regensburg  den  Handel  bis  Ofen  und 
Belgrad  beherrschte.  In  Mitteldeutschland  hoben  sich  zuerst  Erfurt  und  Halle, 
dann  Leipzig  und  Magdeburg  empor.  Dieser  letzte  Ort  war  schon  vor  Kaiser 
Ottos  Zeit  (936  bis  973)  für  den  Elbeübergang  wichtig"*).  In  Süddeutschland 
waren  Augsburg  und  Nürnberg  die  wichtigsten  Handelsplätze. 

i)  Brügge  und  Antwerpen  werden  zuerst  im  7.  Jahrhundert  erwähnt;  Bremen  wurde  787 
Bbchofsitz;  in  Hamburg  erbaute  Karl  der  Große  811  Burg  und  Kirche;  Lübeck  wird  zuerst  etwa 
im  Jahre  1000  genannt;  Stettin  war  eine  alte  wendische  Ansiedlung,  die  nach  der  Zerstörung 
von  Jumme  (Vineta?)  im  Jahre  830  etwa  im  12.  Jahrhundert  ein  wichtiger  Handelsplatz  wurde; 
Danzig  war  im  10.  Jahrhundert  die  Hauptstadt  von  Oberpommem;  997  predigte  Bischof  Adal- 
bert  dort. 

2)  Karl  der  Große  richtete  805  die  Grenzburgen  ein,  wo  die  nach  dem  Ausland  handelnden 
Kaufleute  einen  Ausgangszoll  zu  entrichten  hatten.    Eine  solche  war  auch  Magdeburg,  also  das 


16  Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Das  Aufblühen  der  großen  Handelstädte  wurde  wesentlich  durch  das 
ihnen  vom  Kaiser  verliehene  Stapelrecht  (Niederlagsrecht)  unterstützt.  Dies 
bestand  im  allgemeinen  darin,  daß  die  Waren,  die  auf  dem  Wege  zu  ihrem 
Bestimmungsorte  zu  Lande  oder  zu  Wasser  die  betreffende  Stadt  berührten, 
dort  ausgeladen  und  einige  Tage  lang  zum  öffentlichen  Verkauf  gestellt 
werden  mußten.  Was  davon  nicht  verkauft  wurde,  durfte  dann  weiterbefördert 
werden.  Auf  solche  Weise  mußte  sich  in  den  mit  diesem  Rechte  ausgestat- 
teten Städten  ein  lebhafter  Marktverkehr  ausbilden,  durch  den  der  Reichtum 
ihrer  Einwohner  vermehrt  wurde.  Der  Ursprung  des  Stapelrechts  wird  in 
den  königlichen  Pfalzen  (Stapelplätzen)  Karls  des  Großen  zu  suchen  sein. 
Alle  großen  Städte  suchten  dies  Recht  zu  erwerben,  viele  maßten  es  sich 
unberechtigterweise  an  und  es  war  oft  die  Ursache  von  Eifersucht  und  Streit. 
Zum  Auslegen  der  Waren  bauten  die  Städte  zuweilen  besondere  mit  Kranen 
ausgerüstete  Kauf-  oder  Stapelhäuser,  z.  B.  Mainz  im  Jahre  131 7,  Straßburg 
im  Jahre  1358.     Das  Stapelhaus  von  Köln  ist  noch  heute  bekannt. 

Wichtige  Stapelrechte  für  die  Binnenschiffahrt  besaßen  im  Mittelalter  und 
in  späterer  Zeit:  am  Rhein  Dortrecht,  Köln,  Mainz,  Speyer  und  Straßburg, 
an  der  Mosel  Trier,  am  Main  Frankfurt,  am  Neckar  Heilbronn,  an  der  Donau 
Wien,  Passau,  Regensburg,  Ingolstadt,  Ulm  und  Donauwörth  (für  Salz),  an 
der  Weser  Bremen,  Minden  (für  Getreide)  und  Münden,  an  der  Elbe  Ham- 
burg, Magdeburg,  Dresden,  Pirna  (für  Getreide)  und  außerdem  Lüneburg'), 
an  der  Oder  Stettin,  Frankfurt  und  Breslau,  an  der  Weichsel  Danzig  und 
Thorn,  femer  noch  Berlin,  Lübeck  und  Königsberg  i.  Pr.  Im  Binnenlande 
hatte  außerdem  das  Stapelrecht  von  Leipzig  große  Bedeutung.  Diese  Auf- 
zählung macht  auf  vollständige  Genauigkeit  keinen  Anspruch,  zumal  manche 
Stapelrechte  bestritten,  zuweilen  auch  nur  mit  gewissen  Beschränkungen  ver- 
liehen waren.  In  späteren  Jahrhunderten,  als  die  Handelsbeziehungen  weiter 
reichten  und  bestimmte  kaufmännische  Lieferungen  auf  g^roße  Entfernungen 
übernommen  wurden,  erwies  sich  das  Stapelrecht  als  sehr  hinderlich.  Zwar 
war  es  in  einzelnen  Fällen  möglich,  sich  davon  loszukaufen;  aber  immerhin 
waren  die  damit  verbundenen  Unkosten  lästig  und  drückend.  Nur  bei  wenigen 
Städten  kam  es  zur  Aufhebung  dieses  Rechts;  sie  hielten  vielmehr  meistens 
zähe  daran  fest  und  erst  181 5  wurde  von  dem  Wiener  Kongreß  die  voll- 
ständige Aufhebung  beschlossen. 

Im  12.  Jahrhundert  entwickelte  sich  in  den  Städten  das  Zunftwesen  und 
die  Schifferzünfte  (auch  Schiffleut-  oder  Ankerzünfte,  Brüderschaften,  Gilden  und 
ähnlich  benannt)  waren  besonders  angesehen.   Sie  nahmen  meistens  für  gewisse 


Tor  für  den  Handel  mit  den  Wenden  und  nach  dem  Osten.  (Später,  etwa  11 66,  nahm  wohl 
Brandenburg  diese  Stelle  ein  und  dann  Frankfurt  a.  O.)  Kaiser  Otto  verlieh  Magdeburg  das 
Marktrecht,  schenkte  965  der  Stadt  verschiedene  Zolleinkünfte  und  erhob  es  968  zum  Erzstift, 
dem  die  neuen  Bistümer  Havelberg,  Brandenburg  und  Meißen  unterstellt  wurden. 

i)  Die  Waren  mußten  in  Schnackenburg  oder  Bleckede  ausgeladen  und  über  Land  nach 
Lüneburg  geschafft  werden. 


2.  Die  BinnenschifFahrt  im  Mittelalter.  17 

bei  der  Stadt  gelegene  Stromstrecken  das  alleinige  Recht  der  Befahrung  in 
Anspruch.  Ihre  in  der  Regel  vom  Kaiser  bestätigten  Satzungen  waren  in 
bezug  auf  ihre  Rechte  und  Pflichten  verschieden,  gingen  aber  fast  immer  darauf 
hinaus,  daß  innerhalb  der  betreffenden  Stromstrecke  kein  Fremder  gegen 
Entgeld  irgend  welche  Waren  befördern  durfte.  Die  meisten  natürlichen  Wasser- 
straßen wurden  dadurch  gewissermaßen  unter  die  verschiedenen  Schifferzünfte 
verteilt.  Dazu  kam,  daß  einzelnen  Städten  zwar  kein  Stapelrecht  aber  doch 
ein  Umladerecht  verliehen  war,  wodurch  bestimmt  wurde,  daß  bei  ihnen 
alle  Schiffe  ausgeladen  und  die  Waren  nur  durch  Schiffe  und  Schiffer  von 
ihrer  Zunft  weiter  befördert  werden  durften.  Auch  dies  Recht  wurde  in  ver- 
schiedenen Formen  verliehen  und  bezog  sich  zuweilen  nur  auf  gewisse  Waren. 
Man  erkennt,  daß  von  freier  Schiffahrt  demnach  noch  keine  Rede  war,  zumal 
auch  die  Frachtsätze  meistens  von  den  Behörden  festgestellt  und  geregelt  wurden. 
Das  Zunftwesen  wirkte  in  der  ersten  Zeit  segensreich  fiir  Handel  und  Schiffahrt. 
Die  Schifferzunft  machte  sich  durch  die  Ausbildung  der  jungen  Schiffer  und 
durch  die  Beaufsichtigung  des  ganzen  Schiffahrtbetriebs  im  allgemeinen  wohl 
verdient  Auch  hatten  sie  in  der  Regel  die  Verpflichtung,  das  Fahrwasser  inner- 
halb ihrer  Strecke  in  Ordnung  zu  halten  und  von  Hindernissen  möglichst  zu 
befreien.  Wenngleich  nach  damaliger  Rechtsanschauung  das  Hoheitsrecht  an 
allen  schiffbaren  Gewässern  dem  Kaiser  zustand,  so  war  doch  der  Gedanke,  diese 
Wasserstraßen  etwa  aus  öffentlichen  Mitteln  zu  unterhalten,  noch  unbekannt. 
Ebenso  wie  das  Stapelrecht  gaben  auch  die  Berechtigungen  der  Schifferzünfte 
oft  Veranlassung  zum  Streit  zwischen  den  Städten^).  Mit  der  weiteren  Ent- 
wicklung des  Handels  und  der  Schiffahrt  in  späteren  Jahrhunderten  wurde  das 
Zunftwesen  als  drückend  und  hinderlich  empfunden.  Aber  erst  am  An- 
fange des   19.  Jahrhunderts  wurde  es  in  Deutschland  allgemein  aufgehoben. 

i)  Hier  mögen  einige  Bestimmungen  aus  den  Satzungen  der  Straßburger  Zunft  mitgeteilt 
werden,  die  im  Jahre  1350  neu  bearbeitet  waren: 

Die  Straßburger  Kaufleute  durften  auf  eigenen  Schiffen  ihre  Waren  befördern;  die  Schiffe 
mußten  aber  durch  Zunftgenossen  bemannt  werden.  Die  Schiffer  durften  nur  Zunftgenossen  als 
Steuerleute  nehmen. 

An  der  Spitze  der  Zunft  standen  die  5  »Fertigere.  Sie  hatten  die  Pflicht,  vor  Einladung 
der  Waren  das  Schiff  und  Geschirr  auf  ihre  Tauglichkeit  zu  prüfen  und  mußten  bei  der  Beladung 
anwesend  sein.  Sie  stellten  die  Menge  der  eingeladenen  Waren  fest  und  die  Stadtbehörde  erhob 
darauf  ihre  Gebühren.  Die  Fertiger  wurden  »als  fromme,  ehrbare  Leute c  aus  den  Zunftgenossen 
gewählt  und  vom  Rat  vereidig^. 

Vor  Abgang  jedes  größeren  Schiffes  mußte  das  Fahrwasser  untersucht  und  jeder  gefährliche 
Baumstamm  durch  einen  Pfahl  bezeichnet  werden.  Wenn  bei  der  Fahrt  ein  Schiffer  neue  Hinder- 
nisse fand,  mußte  er  dies  den  Fertigem  anzeigen. 

Die  von  oberhalb  (Basel  oder  Breisach)  und  von  der  111  kommenden  Schiffe  mußten  in 
Straßburg  die  Waren  der  Straßburger  Zunft  zur  Weiterbeförderung  Überlassen.  Wenn  fremde 
Schiffe  innerhalb  dreier  Tage  keine  Rückfracht  fanden,  mußten  sie  leer  zurück  fahren.  (Vgl. 
Lop  er,  Die  Rheinschiffahrt  Straßburgs  in  früherer  Zeit.    Straßburg  1877.) 

Die  Schifferzunft  soll  nach  anderen  Quellen  in  Straßburg  i.  J.  1331,  in  Speyer  1327,  in  Mainz 
um  1332  und  in  Basel  1354  entstanden  sein. 

Bei  einzelnen  Gilden  z.  B.  an  der  Weser  mußte  jeder  Schiffer  vor  dem  Gildemeister  und 
einem  Ratsherrn  eine  Prüfung  ablegen.  Es  war  dort  den  Genossen  auch  verboten,  fremden  Schiffern 
ein  Schiff  abzukaufen. 

Teubert,  Binnenschiffahrt  2 


18  Abschnitt  IT.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Wenn  das  Aufblühen  der  großen  Handelstädte  mit  Stapelrecht  und  Zunft- 
wesen während  des  Mittelalters  förderlich  für  die  Binnenschiffahrt  war,  so  ent- 
standen andrerseits  in  dieser  Zeit  sehr  störende  Einrichtungen,  namentlich  die 
Flußzölle  und  die  Wassermühlen. 

Der  Ursprung  der  Flußzölle  ist  nicht  bekannt').  Sie  werden  eingeführt 
worden  sein,  als  Handel  und  Binnenschiffahrt  einträglich  wurden,  vielleicht  im 
8.  oder  9.  Jahrhundert.  Stets  galten  sie  als  ein  Hoheitsrecht  des  Kaisers  und 
wurden  von  ihm  an  Fürsten,  Städte,  Klöster  usw.  verliehen.  Während  des 
Mittelalters  und  noch  in  späterer  Zeit  sind  sie  nicht  als  Gebühren,  sondern 
als  willkührlich  dem  Verkehr  auferlegte  Steuern  anzusehen,  die  in  die  Tasche 
des  Zollberechtigten  flössen,  ohne  daß  dieser  zu  irgend  einer  Gegenleistung 
verpflichtet  war.  Als  älteste  Rheinzölle  werden  z.  B.  die  bei  Oberwesel  im 
Jahre  966^),  bei  Bingen  983,  bei  Bacharach  991,  bei  Remagen  1003  erwähnt; 
doch  steht  fest,  daß  der  Zoll  von  Caub  noch  älter  war  und  der  Zoll  von 
Worms  soll  schon  von  Ludwig  dem  Frommen  (814 — 840)  verliehen  sein. 
Eine  Urkunde  von  diesem  Kaiser  aus  d.  J.  830  erwähnt  bereits  die  Neckarzölle 
von  Wimpfen  und  Ladenburg.  Vom  Rhein  verbreiteten  sich  die  Flußzölle 
schnell  über  das  ganze  Deutsche  Reich.  Schon  im  Jahre  983  verlieh  Kaiser 
Otto  in  dem  Bischof  in  Meißen  die  Eibzölle  von  Meißen  bis  Beigern.  Die 
Zahl  der  Flußzölle  nahm  allmählich  immer  mehr  zu.  Es  gab  z.  B.  am  Rhein 
gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts  19  Zollstellen,  gegen  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts 62  Zollstellen  und  an  der  Elbe  gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
48  Zollstellen.     An  den  übrigen  Flüßen  war  es  ähnlich. 

Wenn  die  Kaiser  und  Fürsten  Geld  brauchten  und  eine  Anleihe  machen 
mußten,  wurden  zuweilen  die  Flußzölle  verpfändet  und  die  Schulden  gewöhnlich 
mit  dem  zehnfachen  Betrage  abgelöst.  Die  Bequemlichkeit,  aus  der  Binnen- 
schiffahrt große  Einnahmen  zu  erzwingen,  verlockte  frühzeitig  einzelne  Städte, 
kleine  Fürsten  und  Ritter,  ohne  kaiserliche  Erlaubnis  auf  eigene  Hand  Zoll- 
stellen einzurichten.  Im  Jahre  1157  wurde  z.  B.  festgestellt,  daß  auf  dem  Main 
unerlaubte  Zollerhebungen  stattfanden^).  Der  Kaiser  hob  darauf  alle  Mainzölle 
mit  Ausnahme  von  Frankfurt,  Aschaffenburg  und  Neustadt  auf.  An  anderen 
Stellen,  z.  B.  am  Rhein,  wurden  besonders  im  12.  und  13.  Jahrhundert  durch 
Grafen  und  Ritter  sogar  Raubzölle  mit  Waffengewalt  erhoben.  Das  war  in 
der  Zeit,  als  auch  die  Landwege  durch  die  Raubritter  überall  im  Reiche  un- 
sicher gemacht  wurden.  Da  die  kaiserliche  Gewalt  nicht  ausreichte,  um  diese 
Ausschreitungen  zu  unterdrücken,  schritten  die  gfroßen  Städte  zur  Selbsthilfe. 
So  entstand  1254  der  erste  rheinische  Städtebund  auf  Anregung  von  Worms 
und  Mainz.  Mit  ihrem  Heer  und  einer  Flotte,  die  aus  600  Schiffen  bestanden 
haben  soll,  griffen  sie  die  Raubritter  an  und  zerstörten  am  Rhein  z.  B.  die 


i)  Schumacher,  Zur  Frage  der  Binnenschiffahrtabgaben.     Berlin  1901. 

2)  Der  Rheinzoll  von  Oberwesel  wurde  im  Jahre  966  von  Kaiser  Otto  I  der  Stadt  Magde- 
burg geschenkt.     Vgl.  Sommerlad^  Die  Rheinzölle  im  Mittelalter.    Halle  1894. 

3)  Quetsch,  Geschichte  des  Verkehrswesens  am  Mittelrhein.    Freiburg  i./B.  1891. 


2.  Die  Binnenschifiahrt  im  Mittelalter.  19 

Burgen  Reichenstein  unterhalb  Bingen,  Ingelheim  und  auch  Schloß  Rheinfels, 
von  wo  aus  der  Graf  von  Katzenellenbogen  die  Schiffahrt  besonders  geschädigt 
hatte.  Ein  im  Jahre  1278  gegründeter  neuer  Städtebund  führte  sogenannte 
Landfriedenzölle  ein,  d.  h.  ein  Geleitsgeld,  das  von  den  Schiffern  für  den 
bewaffneten  Schutz  zu  entrichten  war. 

Wenn  die  Kaiser  immer  neue  Flußzölle  einrichteten,  kam  es  zuweilen  auch 
zum  Widerstand  der  Städte.  So  wird  berichtet,  daß  die  Straßburger  im  Jahre 
1349  gcg^n  einen  neuen  Rheinzoll  Einspruch  erhoben  und  als  dieser  keinen 
Erfolg  hatte,  den  Rhein  in  ganzer  Breite  durch  zwei  Reihen  eichener  Pfähle 
und  zwischen  gespannte  Ketten  vollständig  versperrten,  so  daß  die  Schiffahrt 
2  7a  Jahre  lang  unterbrochen  war  und  der  Handel  stockte. 

Die  Kaiser  bestimmten  auch  die  Zollbefreiungen  und  zwar  zunächst 
für  einzelne  Kirchen  und  Klöster,  zuweilen  auch  für  die  am  Fluße  herrschen- 
den Fürsten,  so  weit  diese  nur  für  den  eigenen  Bedarf  Schiffahrt  betrieben, 
was  an  den  Zollstätten  durch  einen  besonderen  Eid  jedes  Mal  bekräftigt  werden 
mußte.  Auch  einzelne  Städte  erhielten  ganze  oder  bedingte  Zollfreiheit,  nament- 
lich für  eigene  Erzeugnisse,  im  Rheingebiet  z.  B.  Köln,  Straßburg  und  Frankfurt. 

Wenngleich  die  Zollerhebung  unzweifelhaft  ein  Hoheitsrecht  des  Kaisers 
war,  so  erreichten  die  Kurfürsten  am  Rhein  seit  der  Mitte  des  13.  Jahr- 
hunderts allmählich  doch  ein  Mitwirkungsrecht,  das  in  der  goldenen  Bulle  1356 
erwähnt  und  später  vom  Kaiser  Wenzel  (1379)  und  vom  Kaiser  Karl  V. 
(15 19)  ausdrücklich  anerkannt  wurde.  Seit  1557  wurden  von  den  vier  rheini- 
schen KurRirsten  besondere  Zollkonvente  abgehalten,  wobei  alle  auf  die  Zölle 
bezüglichen  Angelegenheiten  besprochen  wurden. 

Im  Jahre  1453  verlieh  Kaiser  Friedrich  III.  seinem  Stammhause  Österreich 
das  Privilegium  voller  Zollunabhängigkeit  und  1456  erhielt  von  ihm  der  Kur- 
fürst Friedrich  von  Brandenburg  die  Erlaubnis,  in  seinem  Lande  nach  Be- 
lieben die  bestehenden  Zölle  zu  verlegen,  zu  vermehren  oder  zu  vermindern. 

Die  Höhe  der  Zölle  schwankte  in  verschiedenen  Zeiten,  an  den  verschie- 
denen Flüßen  und  für  die  verschiedenen  Waren.  Um  die  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts soll  am  Rhein  der  durchschnittliche  Zoll  für  Wein  etwa  6  v.  H.  des 
Werts  betragen  haben'). 

Unter  der  Last  der  Flußzölle  haben  Handel  und  Binnenschiffahrt  jahr- 
himdertelang  gelitten.  Alle  Versuche,  sie  abzuschaffen,  scheiterten:  die 
darauf  hinzielenden  Beschlüsse  des  Westfälischen  Friedens  (1648)  blieben  er- 
folglos. Allmählich  kamen  die  Zölle  in  den  Alleinbesitz  der  Uferstaaten  und 
wurden  für  sie  eine  gute,  dauernde  Einnahmequelle,  die  sie  sich  sträubten 
ohne  Ersatz   aufzugeben.     Auch  die  französische  Revolution  und  selbst  der 


l)  Vgl.  Sommerlad.  Die  Erhebung  erfolgte  am  Rhein  nach  »Tumosen«.  Das  Wort  er- 
klärt Sommerlad  als  »Münze  von  Tours«  (Tumos),  die  im  Mittelalter  sehr  verbreitet  und  beliebt 
gewesen  sein  soll.  Andere  Schriftsteller  verstehen  darunter  nur  eine  Verhältniszahl.  Sommerlad 
teilt  mit,  daß  für  ein  Fuder  Wein  im  Wert  von  192  Tumosen  ein  Zoll  von  durchschnittlich 
12  Tumosen  zu  erlegen  war. 


20 


Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 


Wiener  Kongreß  von  181 5  konnten  sie  nicht  dauernd  und  vollständig  ab- 
schaffen, sondern  sie  nur  beschränken  und  mildem.  Im  18.  und  im  Anfang 
des  19.  Jahrhunderts  übernahmen  zwar  dafür  die  Uferstaaten  in  vielen  Fällen 
die  Unterhaltung  der  Ströme  und  die  Zölle  verwandelten  sich  dadurch  in 
Schiffahrtabgaben  im  heutigen  Sinne;  aber  diese  Unterhaltung  stand  zum 
Teil  nur  auf  dem  Papier.  Die  Rheinzölle  wurden  endgültig  erst  1867,  der 
letzte  Elbzoll  1870  abgeschafft. 

Auch  das  Strandrecht  wurde  im  Mittelalter  an  den  BinnenschifTahrt- 
straOen  fast  überall  in  drückendster  Weise  ausgeübt  Es  ging  in  späterer 
Zeit  auf  die  Landesherren  über  und  weltliche  und  kirchliche  Fürsten  sowie 
die  Reichstädte  wurden  davon  befreit.  Auch  andere  Handelstädte  erreichten 
vom  Kaiser  Erleichterungen  und  Befreiungen.  Wir  erfahren  z.  B.,  daß  im 
Jahre  1263  die  Straßburger  von  dem  Strandrecht  bei  der  Talfahrt  befreit 
wurden.     Auch  Hameln  erreichte  im  Jahre  1277  Befreiung  davon. 

Während  Flußzölle  und  Strandrecht  den  gewerblichen  Betrieb  der  Binnen- 
schiffahrt schädigten,  wurde  der  technische  Betrieb  besonders  auf  den  klei- 
neren Strömen  durch  die  Mühlenstaue  behindert. 

Die  Wassermühlen  waren  schon  den  Römern  bekannt  und  Ausonius  erwähnt  im  Jahre  379 
eine  Mühle  in  einem  Seitenbach  der  Mosel.  Im  Jahre  718  soll  in  Böhmen  die  erste  Mühle 
gebaut  sein  und  in  einer  Urkunde  Karls  des  Großen  vom  Jahre  786  betreffend  die  Gründung  des 
Bistums  Verden  a.  d.  Aller  kommt  bereits  ein  »Muhlenbach«  vor.  Sehr  irilh  scheinen  die  Mtlhlen 
an  die  Saale  gekommen  zu  sein:  die  Stadtmühle  von  Aisleben  soll  im  Jahre  941,  die  Mühle  bei 
Holleben  1089  erbaut  sein  und  dem  Kloster  Neuwerk  bei  Trotha  unterhalb  Halle  wurde  1121 
vom  Erzbischof  das  Mahlrecht  verliehen').  Es  scheint  die  Verleihung  dieses  Rechts  also  nicht 
immer  dem  Kaiser  allein  vorbehalten  gewesen  zu  sein.  Die  Mühle  Gottesgnaden  bei  Kalbe  wird 
im  Jahre  11 52  erwähnt  und  der  Weserstau  bei  Hameln  besteht  schon  seit  dem  11.  Jahrhundert. 

Mit  dem  Vordringen  der  Deutschen  nach  der  Mark  Brandenburg  und  zur  Oder  kamen  auch 
die  Mühlen  dahin.  Die  dort  angesessenen  Wenden  und  Slaven  haben  schon  in  firüheren  Zeiten 
eine  lebhafte  Binnenschiffahrt  betrieben;  aber  sie  kannten  keine  Mühlen.  Über  die  Entstehung  der 
Mühlenstaue  in  der  Mark  Brandenburg  liegen  ziemlich  genaue  Nachrichten  vor:  Die  nachstehende 
Zusammenstellung  von  Klehmet^)  gibt  an,  wann  die  einzelnen  Mühlen  zuerst  genannt  werden: 


Jahr 

Fluß 

Ort 

Jahr 

Fluß 

Ort 

1173 

Klinke 

Brandenburg 

1289 

Bake 

Teltow 

1190 

Ernster 

Lehnin 

1294 

Finow 

Hegermühle 

1232 

Havel 

Spandau 

1298 

Spree 

Filrstenwalde 

1248 

— 

Lychen 

1309 

Havel 

Brandenburg 

1251 

Panke 

Berlin 

1349 

Nuthe 

Potsdam 

1252 

Stobberow 

Buckow 

1349 

Havel 

Oranienburg 

1267 

Finow 

Niederfinow 

1385 

Spree 

Beeskow 

1281 

Havel 

Zehdenick 

1478 

Rhin 

Alt-Ruppin 

1285 

Spree 

Berlin 

1478 

Dahme 

Königs-Wuster- 

1288 

Havel 

Rathenow 

hausen 

i)  Die  Windmühlen  werden  zuerst  1105  in  Frankreich,  I143  in  England  erwähnt. 
2)  Klehmet,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Märkischen  Wasserstraßen  bis  zum  Jahre  1600, 
Wochenschrift  des  Architektenvereins  in  Berlin,  1908,  S.  177. 


2.  Die  Binnenscliüfahrt  im  Mittelalter. 


21 


Der  deutsche  Ritterorden  brachte  1228  die  Mühlenbaukunst  nach  Preußen;  denn  wir  er- 
fahren, daß  im  Jahre  1274  bei  Marienburg  ein  Mühlengraben  hergestellt  wurde.  Um  die  An- 
siedelungen und  die  Anlage  neuer  Städte  in  den  eroberten  slawischen  Ländern  zu  begünstigen, 
war  die  Verleihung  der  Mühlengerechtigkeit  ein  vortreffliches  Mittel.  Davon  wurde  auch  in 
Schlesien  Gebrauch  gemacht.  Bekannt  ist  uns,  daß  z.  B.  die  Mühle  in  Brieg  im  Jahre  1240 
den  Bürgern  genehmigt  wurde.  Die  Breslauer  Mühlen  sollen  aus  dem  14.  Jahrhundert  stammen. 
Aber  es  waren  sicher  schon  im  13.  Jahrhundert  viele  Mühlen  an  der  Oder  vorhanden;  denn 
schon  aus  jener  Zeit  sind  Klagen  über  die  vielen  Mühlenwehre  überliefert,  durch  die  der  früher 
lebhafte  Schiffahrtverkehr  auf  der  Oder  geschädigt  worden  sein  soll. 

Es  ist  klar,  daß  durch  ein  quer  durch  den  Fluß  gebautes  Stauwehr 
die  Schiffahrt  unterbrochen  wurde  und  zunächst  nichts  anderes  übrig  blieb, 


Abb.  3. 

als  die  Waren  vor  dem  Wehr  auszuladen  und  auf  der  anderen  Seite  in  an- 
deren Schiffen  weiter  zu  befördern.  Die  Bauart  der  Stauanlagen  war  ver- 
schieden, zumal  auch  die  Wasserbaukunst  damals  noch  auf  niedriger  Stufe 
stand.  Deshalb  und  auch  der  großen  Kosten  wegen  sind  wahrscheinlich  in 
den  großen  Strömen  Rhein,  Donau,  Elbe  (mit  Ausnahme  der  böhmischen 
Strecke)  und  Weichsel,  keine  Wehre  durch  den  ganzen  Wasserlauf  gebaut 
worden:  man  legte  die  Mühlen  zuweilen  in  Nebenarme  oder  man  errichtete 
auch  im  Hauptstrom  selbst,  an  geeigneter  Stelle  mit  starkem  Gefälle  und 
festem  Untergrund,   einen  mit  dem  Ufer  gleichlaufenden  Damm  und  zweigte 


22  Absclinitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

damit  einen  Stromteil  ab,  den  man  am  unteren  Ende  abschloß,  indem  man 
den  Damm  mit  einem  Ufer  verband.  Entsprechend  der  Länge  des  Tren- 
nungsdammes (Mühlendammes)  konnte  man  so  eine  gewisse  Stauhöhe  für  den 
Mühlenbetrieb  gewinnen.  Eine  solche  Anlage  wurde  z.  B.  in  Magdeburg 
etwa  um  das  Jahr  1400  errichtet,  indem  man  vor  dem  alten  Brücktor  auf 
dem  linken  Ufer  der  Stromelbe  einen  Mühlendamm  baute  und  dadurch  die 
sogenannte  Pferdeelbe  abzweigfte,  an  deren  unterem  Ende  die  Ratsmühle  an- 
geordnet wurde.     Diese  Bauten  sind  längst  verschwunden  (Abb.  3). 

Die  vollständige  Sperrung  der  Wasserstraße  durch  Mühlenwehre  war 
einzelnen  Städten,  die  im  Besitz  des  Stapel-  oder  Umladerechts  waren,  an- 
genehm, weil  diese  Rechte  dadurch  sicher  geschützt  waren.  Das  traf  z.  B. 
für  Hameln  und  Breslau  zu.  Aber  es  gelang  doch  bald,  die  durch  die  Stau- 
anlagen für  Schiffahrt  und  Flößerei  geschaffenen  Hindernisse  zu  überwinden. 
Wenn  die  Wehre,  wie  z.  B.  in  der  Oder,  nur  als  niedrige  Dämme  aus  Holz 
und  Stein  hergestellt  waren,  die  bei  hohen  Wasserständen  ganz  überflutet 
wurden,  ordnete  man  an  geeigneten  Stellen  »Wehrlücken«  an,  indem  man 
diesen  Teü  etwa  in  doppelter  Schiffsbreite  weniger  hoch  aufführte.  Diese 
Lücken  dienten  in  erster  Linie  für  den  Durchgang  der  Flöße;  aber  bei 
günstigen  Wasserständen  fuhren  auch  kleine  festgebaute  Schiffe  ohne  große 
Gefahr  talwärts  hindurch,  während  für  die  Bergfahrt  oft  eine  große  Zugkraft 
von  Menschen,  Pferden  oder  Ochsen  nötig  war.  Zuweilen  wurden  zu  diesem 
Zweck  oberhalb  des  Wehrs  starke  Winden  aufgestellt.  Dieser  Schiffahrt- 
betrieb  war  nur  bei  geringen  Stauhöhen  möglich.  In  Schlesien  wurde  im 
Jahre  1337  für  die  Oder  vorgeschrieben,  daß  die  Lücken,  Matätschen  (Floß)- 
Rinnen  genannt,  mindestens  eine  Länge  von  9,3  m  haben  sollten,  während 
die  Stauhöhe  nicht  größer  als  0,4  m  sein  sollte.  Doch  mußten  bei  niedrigen 
Wasserständen  die  Waren  umgeladen  werden,  zumal  dann  die  Lücken  oft 
geschlossen  wurden,  um  den  Mühlen  nicht  zu  viel  Wasser  zu  entziehen. 

An  der  Lahn  hatten  die  steinernen  Wehre  gleichfalls  Lücken,  die  mit 
hölzernen  geneigten  Ebenen  zum  Hinüberschaffen  der  Schiffe  ausgerüstet 
waren.     An  der  Fulda  wurden  die  Wehrlücken  »Hohlen«  genannt. 

An  Flüssen,  die  weniger  Wasser  führen  und  keine  plötzlich  eintretende, 
große  Hochfluten  haben,  wie  z.  B.  Havel  und  Spree  in  der  Mark,  wurden 
größere  Stauhöhen  und  feste  Stauwerke  angeordnet,  die  in  der  Regel  von 
Hochwasser  nicht  überflutet  wurden.  Seit  dem  13.  Jahrhundert  legte  man 
dort  zur  Umgehung  des  Staues  gewöhnlich  »Flutrinnen«  an,  indem  man  aus 
dem  Oberwasser  seitlich  einen  Kanal  abzweigte,  der  etwa  halbkreisförmig 
je  nach  der  Örtlichkeit  und  mit  möglichst  großem  Halbmesser  um  den 
Stau  herum  in  das  Unterwasser  führte,  d.  h.  man  legte  einen  neuen  künst- 
lichen Flußarm  an.  Je  länger  die  Flutrinne,  um  so  geringer  war  das  Teil- 
gefalle und  um  so  leichter  konnten  die  Schiffe  es  überwinden.  Solche 
Flutrinnen  wurden  z.  B.  im  Jahre  1232  der  Stadt  Spandau  genehmigt,  1282 
von  der  Stadt  Prenzlau  in  der  Ucker  angelegt,  1288  bei  Rathenow,  1307  bei 


2.  Die  Binnenschiffiihrt  im  Mittelalter.  23 

Perleberg  und  vor  1321  bei  Brandenburg  gebaut.  Die  Winske  bei  Oppeln 
ist  gleichfalls  als  Flutrinne  angelegt  worden,  weil  das  Gefalle  in  der  Wehr- 
lücke zu  stark  war  (1781?).  Auch  an  der  Traun  in  Österreich,  wo  die  Salz- 
schiffahrt im  Mittelalter  von  großer  Bedeutung  war,  wurde  im  Jahre  1416  der 
12m  hohe  Traunfall  in  ähnlicher  Weise  durch  Anlage  einer  Flutrinne  (Umflut) 
unschädlich  gemacht.  Anfanglich  waren  die  Flutrinnen  wahrscheinlich  offen 
und  man  hat  sie  zum  Teil  erst  später  am  oberen  Ende  mit  einem  hölzernen 
Schützenwehr  geschlossen,  um  den  Mühlen  namentlich  in  trockenen  Jahres- 
zeiten nicht  zu  viel  Wasser  zu  entziehen.  Ein  solcher  Schiffdurchlaß 
hatte  die  Gestalt  einer  gewöhnlichen  hölzernen  Arche,  die  durch  eine  senk- 
recht bewegliche  Schütztafel  von  entsprechender  Breite  verschlossen  war. 
Wenn  ein  Schiff  aus  dem  Ober-  in  das  Unterwasser  oder  umgekehrt  be- 
fördert werden  sollte,  wurde  das  Schütz  aufgezogen.  Die  im  Mittelalter  ver- 
hältnismäßig kleinen  Schiffe  konnten  in  dem  heftig  abstürzenden  Wasser  meist 
ohne  Gefahr  hinunter  kommen,  mußten  aber  umgekehrt  mit  Aufwendung  von 
entsprechend  großer  menschlicher  oder  tierischer  Kraft  gegen  die  Strömung 
hinaufgezogen  werden.  Es  ist  klar,  daß  dieser  Betrieb  ziemlich  roh  und  beim 
Verkehr  von  größeren  Schiffen  mit  wertvollen  Ladungen  nicht  mehr  zulässig 
war.  Die  Flutrinnen  wurden  später  nach  Erfindung  der  Kammerschleusen 
entweder  als  Schleusenkanal  benutzt,  wie  z.  B.  in  Rathenow,  oder  zur  An- 
legung neuer  Mühlen,  wie  z.  B.  in  Spandau.  Zuweilen  sind  die  Flutrinnen 
gleichzeitig  als  Festungsgräben  eingerichtet  worden,  wofür  sich  manche  Bei- 
spiele anfuhren  lassen. 

Wenn  die  Örtlichkeit  für  die  Herstellung  emer  Flutrinne  nicht  geeignet 
war,  ordnete  man  den  Schiffdurchlaß  in  dem  Stauwehr  selbst  an,  wie  z.  B. 
die  »Freifliutschleuse«  von  Hameln;  solche  Durchlässe  konnten  nur  mit  großer 
Beschwerlichkeit  von  der  Schiffahrt  benutzt  werden'). 

Außer  den  festen  Wassermühlen  bürgerten  sich  im  Mittelalter  auch  die 
Schiffmühlen  ein,  die  von  Belisar  im  Jahre  537  bei  der  Belagerung  Roms 
durch  die  Ostgoten  zuerst  auf  dem  Tiber  angewandt  sein  sollen.  In  Deutsch- 
land kamen  sie  namentlich  auf  die  großen  Ströme  Rhein,  Donau,  Weser  und 
Elbe,  wurden  aber  für  den  Schiffahrtbetrieb  erst  in  späterer  Zeit  lästig. 

Anders  war  es  mit  den  Fischwehren,  die  gleichfalls  im  Mittelalter  auf 
vielen  Flüssen  erbaut  wurden  und  den  Schiffverkehr  oft  behinderten.  Viele 
Klagen  darüber  sind  namentlich  im  1 4.  Jahrhundert  von  der  Oder,  der  Weser 
und  der  Ruhr  (> Schlachten«  genannt)  bekannt  geworden,  weil  an  ihnen 
meistens  die  Waren  umgeladen  werden  mußten. 

Trotz  aller  dieser  Bedrückungen  und  Behinderungen  kam  die  Binnen- 
schiffahrt namentlich  im  12.  und  13.  Jahrhundert  zu  großer  Blüte.  Die 
Schiffe  waren  klein,  hatten  gewöhnlich  nur  eine  Tragfähigkeit  von  10  bis 

i)  Die  Flutrinnen,  SdiifTdurchlässe  u.  dgl.  wurden  auch  als  Freiarchen  zum  Ablassen 
der  schädlichen  Hochfluten  benutzt.  Die  in  Spandau  dazu  besonders  errichtete  Freiarche  wird 
zuerst  1447  erwähnt. 


24  Abschnitt  n.    Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

20  ty  sehr  selten  mehr  als  50  t  und  wurden  oft  nur  für  eine  Talfahrt  gebaut. 
Wenigstens  ist  dies  von  den  oberen  Strecken  des  Rheins,  der  Donau,  der 
Weser  und  der  Elbe  bekannt  Bei  der  Bei^ahrt  wurde  der  Menschenzug 
schon  frühzeitig  durch  Pferde-  und  Ochsentreidelei  ersetzt,  wo  sich  am  Ufer 
dazu  Grelegenheit  fand.  Man  scheute  sich  andernfalls  nicht,  auf  einzelnen 
Strecken  mehr  als  200  Menschen  vor  ein  SchiflF  zu  spannen.  Durchschnitt- 
lich rechnete  man  am  Rhein  auf  ein  Pferd  oder  7  bis  10  Menschen  10  bis 
1 5  t  Ladung.  Trotz  dieser  selbst  bei  den  damaligen  niedrigen  Arbeitslöhnen 
hohen  Unkosten  und  den  sehr  beträchtlichen  Zöllen  und  Abgaben  war  die 
Schiffahrt  einträglich,  weil  man,  abgesehen  vom  Personenverkehr,  der  damals 
von  großer  Bedeutung  war,  vorwiegend  wertvolle  Waren  beförderte.  Die 
Verschiffimg  von  Massengütern,  Bau-  und  Brennstoffen  war  im  Mittelalter 
unbekannt,  weil  sie  noch  überall  billig  zu  haben  waren;  selbst  Getreide  wurde 
selten  auf  größere  Entfernungen  verfrachtet.  Die  Haupthandelsgegenstände 
waren  Metalle,  Leder,  Wolle,  Garn,  Seide,  Tuche,  Leinen,  Waffen,  Wein, 
Heringe,  Gewürze,  Färberröte,  Glaswaren  und  mancherlei  Zierrat  und  Genuß- 
mittel, die  zum  Teil  aus  dem  Orient  kamen,  vor  allem  aber  Salz,  dessen  Be- 
förderung eine  große  Rolle  spielte.  Der  Handelsweg  vom  Mittelmeer  und 
von  Konstantinopel  ging  am  Anfang  des  Mittelalters  die  Rhone  und  die 
Donau  aufwärts  durch  die  Schweiz  und  Süddeutschland  und  dann  die  zur 
Nord-  imd  Ostsee  fließenden  Ströme  entlang.  Als  später  Venedig  die  vor- 
herrschende Macht  im  Mittelmeer  und  im  Orient  war  und  die  Türken  Kon- 
stantinopel erobert  hatten,  ging  der  Donauverkehr  zurück  und  der  Handels- 
weg führte  von  Venedig  über  die  Alpen  nach  Süddeutschland,  wo  Salzburg, 
Augsburg,  Nürnberg,  Ulm  und  Frankfurt  a.  M.  die  Hauptstapelplätze  wurden. 
Da  die  Waren  wertvoll  und  die  Schiffslasten  klein  waren,  so  hatte  das  da- 
mals oft  notwendige  Umladen,  das  man  heute  nach  Möglichkeit  vermeidet, 
keine  große  Bedeutung,  zumal  der  Zeitverlust  nicht  so  beachtet  wurde  und 
billige  Arbeitskräfte  überall  zur  Verfügung  standen. 

Wie  oben  erwähnt,  vollzog  sich  der  Personenverkehr  im  Mittelalter  aus 
Mangel  an  fahrbaren  Landstraßen  überall,  wo  es  irgend  möglich  war,  auf 
den  Wasserstraßen:  Kaiser  und  Könige,  weltliche  uud  geistliche  Fürsten  und 
Herren,  Kaufleute  und  andere  Bürgersleute  machten  ihre  Reisen  mit  Vorliebe 
zu  Schiff.  Zwischen  einzelnen  großen  Handelstädten  bestanden  regelmäßige 
Fahrten  für  jedermann,  die  Marktschiffahrten,  die  in  Deutschland  von 
den  Kurfürsten  als  Lehen  vergeben  oder  von  den  Städten  auf  eigene  Rech- 
nung eingerichtet  wurden.  Die  Marktschiffe  zwischen  Frankfurt  und  Mainz 
werden  schon  im  Jahre  1105  in  der  Frankfurter  Chronik  erwähnt.  Im  Jahre 
14 13  wurde  zwischen  beiden  Städten  eine  einheitliche  Fahrordnung  verabredet. 
Für  die  Bergfahrt  wurde  der  Fahrpreis  auf  12  alte  Heller,  für  die  Talfahrt 
auf  I  Schillingheller  festgesetzt').    In  Holland  entsprachen  dieser  Einrichtung 


i)  Vgl.  Quetsch. 


2.  Die  Binnenschiffahrt  im  Mittelalter.  25 

die  »Treckschuitcn«.  In  allen  Fällen  wurden  diese  Personenschiffe  berg-  und 
talwärts  durch  Pferde  getreidelt.  Abgesehen  von  diesen  öffentlichen  Schiffen 
lag  die  Personenbeförderung  meistens  in  der  Hand  der  Schifferzünfte.  Ent- 
weder wurde  mit  diesen  der  Fahrpreis  frei  vereinbart  oder  der  Rat  der  Stadt 
setzte  sie  allgemein  fest,  wie  uns  z.  B.  im  Jahre  1436  aus  Basel  berichtet  wird. 

Wenn  wir  uns  den  einzelnen  Wasserstraßen  zuwenden,  so  ist  es  be- 
achtenswert, daß  man  im  Mittelalter  die  Binnenschiffahrt  auch  auf  kleinen 
Flüssen  hoch  hinauf  bis  in  das  Quellgebiet  betrieben  hat,  die  heute  gar  nicht 
mehr  als  schiffbar  gelten.  Im  Rheingebiet  wurden  z.  B.  Aare,  Reuß,  Limmat, 
Rezat  (Nebenfluß  der  Regnitz)  und  Sieg  befahren,  im  Wesergebiet  die  Oker 
die  obere  Werra,  die  Hörsei  (wie  uns  aus  dem  Jahre  947  berichtet  wird)  und 
die  obere  Fulda.  Im  Donaugebiet  wurde  auf  Hier,  Altmühl,  Inn  und  Salzach 
Schiffahrt  betrieben  und  wir  erfahren,  daß  man  beladene  Schiffe  den  Inn  auf- 
wärts mit  Ochsen  bis  nach  Innsbruck  schleppte.  Aus  dieser  Befahrung  der 
kleinen  Flüsse  wird  zuweilen  der  Schluß  gezogen,  daß  sie  damals  wasser- 
reicher waren  oder  daß  die  Höhenunterschiede  zwischen  Hochwasser  und 
Niedrigrwasser  nicht  so  groß  waren  als  heute.  Dem  kann  nicht  allgemein  bei- 
gepflichtet werden:  Sehr  trockene  Jahre  in  Deutschland  kennt  schon  Tacitus, 
wenn  er  berichtet,  daß  im  Jahre  70  n.  Chr.  wegen  allgemeiner  Trockenheit 
kein  Schiff  mehr  auf  dem  Niederrhein  fahren  konnte.  Alte  Klosterchroniken 
melden  ähnliches  von  dem  Jahre  11 30.  Die  Schiffahrt  auf  den  kleinen  Flüssen 
war  vielmehr  durch  den  Mangel  an  Landstraßen ')  begründet  und  sie  wird  wahr- 
scheinlich nur  bei  günstigen  Wasserständen  und  mit  sehr  kleinen  Fahrzeugen 
ausgeübt  worden  sein. 

Im  Rheingebiet  betrieben  zuerst  die  Friesen  seit  dem  8.  Jahrhundert 
Handel  und  Schiffahrt  bis  Worms  und  Straßburg.  Sie  brachten  Tuche  und 
Seeflsche  und  holten  Wein.  Ihr  Hauptsitz  war  anfangs  Duurstede  an  der 
Abzweigung  des  Leck;  sie  ließen  sich  aber  bald  in  den  oberen  Rheinstädten 
nieder  und  werden  in  Worms  im  Jahre  808  erwähnt,  886  in  Mainz,  893  in 
Duisburg.  Auch  von  kölnischen  Schiffen  wird  schon  im  Jahre  830  berichtet. 
Der  vom  Kaiser  bestätigte  Kölner  Markt  wurde  seit  994  für  andere  Handel- 
städte vorbildlich.  Karl  der  Große  nahm  sich  der  Rhein-  und  Mainschiffahrt 
ganz  besonders  an  und  machte  im  Jahre  793  sogar  den  Versuch,  den  Main 
mit  der  Donau  durch  einen  offenen  Kanal  von  der  Rezat  zur  Altmühl  zu 
verbinden. 

Die  Fahrstraße  des  Rheins  war  durch  die  Felsenstrecke  von  St.  Goar 
bis  Bingen  bei  niedrigen  Wasserständen  ganz  unterbrochen.  Dann  mußten 
die  Waren  ausgeladen  und  auf  diese  Entfernung  zu  Lande  weiter  befördert 
werden.  Die  ersten  Leinpfade  sollen  zur  Zeit  der  Merowingcr  und  Karo- 
linger angelegft  worden  sein;  bei  Ingelheim  wird  im  12.  Jahrhundert  ein 
Leinpfad  erwähnt.    Die  Annahme,  daß  schon  die  Römer  mit  solchen  Bauten 

x)  Deshalb  gab  es  im  Mittelalter  auch  nur  wenige  Brücken,  die  die  Schiffahrt  hätten  be- 
hindern können. 


26  Abschnitt  IL     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

begonnen  hätten,  ist  nicht  erwiesen  und  scheint  unwahrscheinlich.  Von  Speyer 
aufwärts  gab  es  weder  einen  künstlichen  noch  natürlichen  Leinpfad  mehr, 
weil  der  wilde  ungezügelte  Strom  dort  zwischen  Inseln  und  Kiesbänken  oft 
und  schnell  seinen  Lauf  veränderte.  Auf  dieser  Strecke  konnte  deshalb  nur 
mit  Menschen  getreidelt  werden,  die  nötigenfalls  durch  das  Wasser  wateten. 
Auf  der  Mosel  ist  schon  im  6.  Jahrhundert  ein  lebhafter  Verkehr  mit  Salz 
zwischen  Metz  und  Trier  betrieben  worden. 

Im  Wesergebiet  soll  Bremen  schon  im  11.  Jahrhundert  Handel  mit 
den  Orten  an  der  oberen  Werra  und  Fulda  getrieben  haben.  Wir  erfahren, 
daß  diese  Stadt  1226  mit  den  Friesen  eine  Vereinbarung  zur  gemeinsamen 
Wahrung  der  Sicherheit  der  Schiffahrt  traf.  Die  Fahrstraße  der  Weser  war 
seit  dem  12.  Jahrhundert  durch  den  Stau  von  Hameln  in  ähnlicher  Weise 
unterbrochen,  wie  die  des  Rheins  durch  die  Binger  Felsenstrecke.  Eine 
weitere  Sperre  entstand  in  Münden,  das  1246  weifisch  wurde  und  seitdem  in 
seinem  strengen  Stapel-  und  Umladerecht  gegen  alle  Anfeindungen  aufs  kräf- 
tigste von  den  hannoverschen  Fürsten  geschützt  wurde.  Damit  hörte  der 
durchgehende  Verkehr  zu  der  Werra  und  der  Fulda  für  viele  Jahrhunderte 
auf.  Das  Fahrwasser  war  auf  der  Strecke  zwischen  Münden  und  Hameln 
durch  Baumstämme,  Steine,  Inseln,  Felsen  (Latferder  Klippen)  und  auch  durch 
Fischwehre  stark  behindert,  worüber  schon  im  8.  und  9.  Jahrhundert  berichtet 
wird.  Auch  auf  Aller,  Leine  und  Oker  war  im  Mittelalter  lebhafte  Schiffahrt 
und  Braunschweig  besonders  im  13.  Jahrhundert  ein  wichtiger  Stapelplatz  für 
den  Verkehr  nach  dem  Osten.  Die  im  14.  und  15.  Jahrhundert  gefahrlichen 
Raubritter  an  der  Weser  wurden  besonders  von  Bremen  erfolgreich  bekämpft. 

Auf  der  Elbe  muß  schon  im  Jahre  806  Schiffahrt  betrieben  worden  sein; 
denn  als  Karl  der  Große  zum  Kriege  gegen  die  Wenden  zog,  wurde  sein 
Heer  durch  eine  groQe  Zahl  von  Schiffen  über  den  Strom  befördert.  Aus 
einer  Urkunde  vom  Jahre  1236  ersehen  wir  später,  daß  die  Kaufleute  aus 
der  Mark  lebhaften  Handel  mit  Hamburg  getrieben  haben,  offenbar  zu  Wasser 
auf  Havel  und  Elbe.  Von  der  Saale  erfahren  wir,  daß  im  Jahre  gSi  die 
Leiche  des  in  Korbetha  gestorbenen  Erzbischofs  Adalbert  zu  Schiff  nach 
Magdeburg  gebracht  wurde  und  daß  im  Jahre  1012  der  kranke  Bischof  Tapinos 
auf  gleichem  Wege  von  Merseburg  nach  Rothenburg  befördert  wurde.  1127 
ließ  Otto,  Bischof  von  Bamberg  und  Apostel  der  Pommern  die  auf  der  Messe 
in  Halle  gekauften  Waren  zu  Wasser  von  dort  auf  Saale,  Elbe  imd  Havel  und 
dann  weiter  über  Land  nach  Pommern  bringen.  Wichtig  war  die  Abfuhr  von 
Salz  aus  Halle  und  dem  Kloster  Neu  werk  (bei  Trotha)  wurde  im  Jahre  1152 
das  ausschließliche  Recht  dazu  vom  Erzbischof  Wichmann  zu  Magdeburg  ver- 
liehen. Die  Nachricht,  daß  im  Jahre  1 366  die  Schiffschleusen  in  der  unteren 
Saale  durch  Hochwasser  und  Eis  so  beschädigt  wurden,  daß  die  Schiffahrt 
stockte,  wird  dahin  zu  berichtigen  sein,  daß  es  sich  nicht  um  Kammer- 
schleusen handelte  sondern  um  Schiffdurchlässe  bei  den  Mühlenstauen,  wie 
sie  oben  beschrieben  worden  sind. 


2.  Die  Binnenschiffahrt  im  Mittelalter.  27 

Vom  Odergebiet  sind  die  Klagen  aus  dem  13.  Jahrhundert  über  die 
vielen  Mühlen-  und  Fischwehre  in  Schlesien  schon  erwähnt  worden.  In  jenem 
und  im  folgenden  Jahrhundert  bemühten  sich  die  böhmischen  Könige,  die 
Wehre  zu  beseitigen;  aber  die  mehrfach  erlassenen  Anordnungen  (z.  B.  im 
Jahre  1337  bis  1349  und  1355)  blieben  erfolglos.  Wichtig  war  auch  auf  der 
Oder  im  Mittelalter  die  Beförderung  von  Salz.  Wir  erfahren,  daß  schon  im 
13.  Jahrhundert  die  Leubuser  SalzschifTer  jährlich  zweimal  Salz  aus  den  Nieder- 
lagen in  Guben  und  Lebus,  wohin  es  über  Land  von  Halle  oder  Lüneburg 
kam,  abholten  und  nach  Breslau  brachten.  Die  Schiffe  sollen  eine  Tragfähig- 
keit von  etwa  10  t  gehabt  haben  und  auch  zur  Beförderung  von  Heringen* 
aus  Pommern  benutzt  worden  sein. 

Im  Weichsel  gebiet  bestand  zur  Zeit  des  deutschen  Ritterordens  im 
13.  Jahrhimdert  eine  beträchtliche  Schiffahrt  sowohl  auf  dem  Hauptstrome 
wie  auf  Nogat  und  Drewenz.  Namentlich  nach  der  Gründung  Thoms  im 
Jahre  1264  diente  der  Strom  als  große  Handelstraße  bis  Danzig,  nachdem 
der  Orden  1238  einen  Vertrag  über  den  Durchgangsverkehr  mit  Polen 
geschlossen  hatte.  Es  wird  mitgeteilt,  daß  in  Graudenz  im  Jahre  1327 
mehrere  Speicher  am  Strome  errichtet  waren,  daß  aber  die  Schiffahrt  sehr 
gefährdet  war  und  durch  Kriegschiffe  beständig  geschützt  werden  mußte. 
Das  Thomer  Niederlagsrecht  soll  durch  den  Hochmeister  im  Jahre  1403 
bestätigt  worden  sein;  es  wurde  im  Jahre  1537  durch  den  polnischen  König 
Sigismund  wieder  aufgehoben. 

Die  Drewenz  ist  zur  Ordenszeit  bis  Osterode  schiffbar  gewesen  und  die 
Anlage  von  Mühlen  wurde  deshalb  in  diesem  Flusse  1436  verboten.  Später 
wurde  unter  der  polnischen  Herrschaft  im  Jahre  1527  die  Erlaubnis  zu  einer 
Mühle  bei  Leibitsch  erteilt  und  damit  der  Schiffahrt  ein  Ende  bereitet. 

Auch  aus  dem  Gebiet  von  Pregel  und  Memel  liegen  einige  Nach- 
richten aus  dem  Mittelalter  vor.  Wahrscheinlich  ist  im  14.  Jahrhundert  die 
Deime  (oder  ein  Teil  von  ihr)  als  künstliche  Verbindung  zwischen  Pregel 
und  Kurischem  Haffe  angelegt  worden  und,  um  den  Wasserverlust  auszu- 
gleichen, wurden  bei  Tapiau  und  Labiau  Stauschleusen  eingerichtet,  die  vom 
15.  Jahrhundert  bis  zum  Jahre  1770  dort  nachweislich  bestanden  haben.  Da 
die  Fahrt  vom  Pregel  durch  die  Deime  über  das  stürmische  Kurische  Haff 
zum  Memelstrom  gefährlich  war,  wie  uns  über  einen  dorthin  im  Jahre  1377 
unternommenen  Kreuzzug  des  Herzogs  Albrecht  berichtet  wird'),  so  wurde 
von  den  Ordensrittern  in  der  Zeit  von  141 4  bis  1422  der  Versuch  gemacht, 
von  Labiau  aus  einen  Kanal  nach  der  Gilge  herzustellen.  Aber  dieser  so- 
genannte Ordensgraben  wurde  nur  6  km  lang  und  endete  im  Sumpf. 

Außer  diesen  beachtenswerten  Arbeiten  des  Ritterordens  und  der  oben 
erwähnten  Absicht  Kaiser  Karls  des  Großen  ist  über  künstliche  Wasser- 
straßen in  Deutschland  bis  zum  Ende  des  Mittelalters  wenig  zu  berichten. 


l)  Vgl.  Gustav  Freitag,  Bilder  aus  der  deutschen  Vergangenheit  Bd.  2, 1. 


28  Abschnitt  II.     Geschichtiicher  Rückblick  bis  1870. 

Es  sind  zwar  im  12.  Jahrhundert  im  Mündungsgebiet  des  Rheins  in  den  Nieder- 
landen einzehie,  ursprünglich  für  Ent-  und  Bewässerungszwecke  angelegte 
Kanäle  zur  Schiffahrt  benutzt  worden,  und  das  mag  auch  an  anderen  Orten 
geschehen  sein;  aber  schleusenlose  offene  Kanäle  zwischen  verschiedenen 
Flußgebieten  lassen  sich  im  allgemeinen  nur  dauernd  erhalten,  wenn  die 
damit  verbundenen  Wasserstraßen  entweder  einem  sehr  geringen  Wasser- 
standswechsel unterliegen  oder  ihre  Wasserstandsänderungen  ziemlich  gleich- 
zeitig erfahren,  wie  z.  B.  im  Ebbe-  und  Flutgebiet.  Andernfalls  entstehen  in 
den  Kanälen  mehr  oder  weniger  starke  Strömungen,  die  die  Sohle  angreifen, 
Austiefungen  und  Versandungen  bewirken  und  sie  allmählich  zerstören.  Das 
werden  auch  die  Ursachen  gewesen  sein,  die  den  Verfall  der  Kanäle  vom 
Nil  zum  Roten  Meer  und  von  der  Rhone  zum  Mittelmeer  im  Altertum  herbei- 
geführt haben.  Von  dem  ägyptischen  Kanal  wird  uns  berichtet,  daß  er  unter 
Ptolemäus  II  Philadelphus  mit  Schleusen  abgeschlossen  worden  sei  und  man 
wird  darunter  vielleicht  Abschlußbauten  zu  verstehen  haben,  die  ähnlich  wie 
die  oben  beschriebenen  Bauwerke  in  den  Flutrinnen  angeordnet  gewesen  sind. 
Unter  dem  Namen  Stauschleusen  oder  Fangschleusen  sind  solche  Einrich- 
tungen am  Ende  des  Mittelalters  wiederholt  benutzt  worden,  um  wasserarme 
kleine  Flüsse  durch  Aufstau  schiffbar  zu  machen. 

Die  bedeutendste  Anlage  dieser  Art  ist  die  von  Lübeck  hergestellte 
Stecknitzfahrt.  Schon  seit  1188  besaß  die  Stadt  Hoheitsrechte  über  die 
Trave  und  über  die  Stecknitz  (Nebenfluß  der  Trave)  bis  hinauf  nach  dem 
Möllner  See,  und  wir  erfahren,  daß  im  Jahre  1335  in  Lübeck  besondere 
Schiffe  gebaut  wurden,  um  von  Mölln  her  das  Lüneburger  Salz  auf  der 
Stecknitz  nach  dem  Seehafen  zu  holen.  Der  Möllner  See  wurde  durch  eine 
Stauschleuse  (die  »Oberschleuse«)  abgeschlossen,  die  jedesmal,  wenn  sich 
24  bis  30  mit  Salz  beladene  Schiffe  versammelt  hatten,  geöffnet  wurde, 
damit  sie  mit  der  so  erzeugten  Wasserwelle  in  dem  sonst  ziemlich  seichten 
Flusse  bis  Lübeck  hinunter  schwimmen  konnten  (Dienstvorschrift  vom  Jahre 
1342).  Da  dieser  Betrieb  sich  bewährte,  beschlossen  die  Lübecker,  den 
Wasserweg  bis  zur  Elbe  bei  Lauenburg  zu  verlängern,  indem  sie  nach 
Durchstechung  des  unbedeutenden  Höhenrückens  zwischen  dem  Möllner  See 
und  der  Delvenau  (Nebenfluß  der  Elbe)  auch  diesen  Fluß,  der  bereits  durch 
Mühlenwehre  bei  Buchen  und  Buchhorst  aufgestaut  war,  durch  Einbau 
von  Flutrinnen  neben  den  Mühlen  schiffbar  machten.  Diese  Arbeiten  wur- 
den in  der  Zeit  von  1391  bis  1398  ausgeführt.  Zur  Vergrößerung  der 
Fahrwassertiefe  wurden  außer  den  erwähnten  3  Staustufen  noch  3  Stau- 
schleusen in  der  Stecknitz  und  5  in  der  Delvenau  angelegt,  die  in  späterer 
Zeit,  namentlich  zum  Abschluß  der  8  km  langen  Scheitelhaltung  noch  ver- 
mehrt werden  mußten,  so  daß  schließlich  in  der  94  km  langen  Wasserstraße 
17  Staustufen  vorhanden  waren.  Der  Wasserspiegel  der  Scheitelhaltung  lag 
etwa  17  m  über  dem  Spiegel  der  Trave  und  etwa  12  m  über  dem  Mittel- 
wasser der  Elbe  bei  Lauenburg.    Wenn  die  Abmessungen  des  hergestellten 


2.  Die  BinnenschUTalirt  im  Mittelalter.  29 

Grabens  (7,5  m  Breite  und  0,85  m  Wassertiefe)  auch  nur  geringe  waren, 
müssen  wir  doch  diesen  ersten  europäischen  Scheitelkanal  als  ein 
bedeutendes  Kulturwerk  anerkennen.  Die  Schiffe  der  allein  zur  Fahrt  berech- 
tigten Lübecker  »Salzfiihrer- Vereinigung«  hatten  lo  bis  12  m  Länge,  3,5  m 
Breite  und  bei  0,3  bis  0,4  m  Tiefgang  eine  Tragfähigkeit  von  etwa  7,5  t. 
Später  wurden  sie  größer.  Die  Abmessungen  wurden  1527  durch  Verordnung 
auf  19  m  Länge,  3,24  m  Bodenbreite,  0,86  m  Bordhöhe  und  0,41  bis  0,43  m 
Tiefgang  festgestellt,  wobei  sie  eine  Tragfähigkeit  von  etwa  12,5  t  hatten. 
Diese  Verordnung  blieb  bis  1828  in  Kraft. 

Der  Schiffahrtbetrieb  war  ähnlich  wie  auf  der  Stecknitz  vor  Erbauung 
des  Kanals.  An  jedem  zweiten  Tage  (wöchentlich  dreimal),  dem  sogenannten 
Zapfeltage,  wurde  das  angesammelte  Stauwasser  der  Schleusen  abgelassen 
und  auf  dieser  Welle,  die  das  Flußbett  etwa  0,80  m  hoch  anfüllte,  fuhren  die 
Schiffe  bis  zur  nächsten  Schleuse.  Die  Talfahrt  war  nicht  schwierig;  aber 
zur  Bergfahrt  waren  6  bis  8  »Leinenzieher«  für  jedes  Schiff  erforderlich.  Die 
Fahrt  von  Lübeck  bis  Lauenburg  dauerte  gewöhnlich  2  bis  3,  zuweilen  auch 
5  Wochen.  Trotz  dieses  mangelhaften  Betriebs  sollen  in  der  Zeit  der  Blüte 
der  Kanalschiffahrt  (etwa  von  1500  bis  1550)  jährlich  im  Durchschnitt  allein 
12400 1  Salz  von  Lauenburg  nach  Lübeck  befördert  worden  sein.  Auf  der  Elbe 
durften  die  Lübecker  nicht  fahren;  denn  Lauenburg  besaß  das  im  Jahre  141 7 
bestätigfte  Umladerecht,  das  erst  im  Jahre  1844  aufgehoben  worden  ist. 

Ähnliche  Betriebseinrichtungen  bestehen  übrigens  in  mäßigem  Umfange 
noch  heute  auf  der  Traun  und  dienen  gleichfalls  der  Salzschiffahrt. 

In  Frankreich  hat  sich  die  Binnenschiffahrt  im  Mittelalter  ähnlich  wie 
in  Deutschland  entwickelt.  Auch  dort  waren  die  Flußzölle  das  schlimmste 
Hindernis.  Obwohl  die  Einnahmen  ursprünglich  dem  Könige  zufallen  sollten, 
gelangten  sie  bald  in  die  Hände  der  Grundherren,  so  daß  es  schließlich  zur 
rücksichtslosen  Ausbeutung  kam^).  Die  französischen  Könige  bemühten  sich 
vergeblich,  diesen  Mißbrauch  abzuschaffen.  Kaufleute  und  Schiffer  griffen 
später  zur  Selbsthilfe,  indem  sie  auf  den  größeren  natürlichen  Wasserstraßen 
Vereinigungen  bildeten,  um  gemeinsamen  Widerstand  zu  leisten.  Gleichzeitig 
ordneten  sie  auch  den  Verkehr  und  Handel  einheitlich  und  dadurch  entstanden 
Zustände,  die  dem  deutschen  Zunftwesen  sehr  ähnlich  waren.  Solche  Vereini- 
gungen bestanden  im  14.  Jahrhundert  für  die  Seine,  Loire,  Garonne,  Rhone,  Mosel 
und  Somme.  Sie  sorgten  durch  Forträumung  von  Hindernissen  für  die  Ver- 
besserung des  Fahrwassers  und  erhielten  dafür  die  Befugnis,  zur  Deckung  der 
Unkosten  imter  ihren  Mitgliedern  Abgaben  zu  erheben.  Obwohl  sie  von  der 
Regierung  unterstützt  wurden  »in  dem  gerechten  Widerstand  wider  die  An- 
maßungen der  Uferherren«,  nahmen  die  Flußzölle  dennoch  in  erschreckendem 
Maße  zu:  auf  der  Loire  bestanden  im  Jahre  1662  28  Zollstellen,  so  daß  die 
Waren  von  Paris   nach  Nantes  zuweilen  den  Landweg  vorzogen.     In  dieser 

i)  Schumacher,  Die  finanzielle  Entwicklung  der  französischen  Wasserstraßen.  Archiv 
für  Ebenbahnwesen  1899. 


30  Abschnitt  H.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Zeit  gelang  es  dem  Minister  Colbert,  den  größten  Teil  der  Zölle  sowie  die 
allmählich  immer  mehr  den  freien  Handel  beschränkenden  Schiffergilden  ab- 
zuschaffen. Endgültig  räumte  erst  die  Revolution  1793  mit  diesen  Zu- 
ständen auf. 

Trotz  der  oben  erwähnten  kleinen  Verbesserungen  durch  die  Schiffer- 
gilden befand  sich  das  Fahrwasser  der  Ströme  in  sehr  verwildertem  Zustande. 
Aber  man  fing  gegen  Ende  des  Mittelalters  an,  kleinere  Flüsse  durch  Auf- 
stau in  ähnlicher  Weise  wie  die  Stecknitz  schiffbar  zu  machen.  So  sind  z.  B. 
in  der  Yonne  (Nebenfluß  der  Seine)  und  im  Lot  (Nebenfluß  der  Garonne) 
Stauschleusen  erbaut  worden.  Der  letztere  Fluß  besaß  auf  272  km  Länge 
71  Wehre. 

In  England  wurde  zuerst  im  Jahre  1215  in  der  »Magna  Charta«  be- 
stimmt, daß  die  Schiffahrt  auf  allen  Flüssen  frei  von  Zöllen  sein  sollte. 
Besonders  während  der  Zeit  der  Regierung  der  drei  ersten  Eduards,  von 
1283  bis  1377,  blühten  der  Handel,  die  Städte  und  die  Binnenschiffahrt  auf. 
Im  14.  Jahrhundert  erwiesen  sich  auch  dort  die  Mühlen  als  sehr  hinderlich 
und  im  Jahre  1351  wurde  darum  ein  Gesetz  erlassen,  daß  sie  ohne  Ent- 
schädigung aus  allen  Flüssen  entfernt  werden  mußten.  In  dem  Eifer,  die 
natürlichen  Wasserstraßen  für  den  Verkehr  frei  zu  machen,  wollte  man  auch 
alle  Brücken,  selbst  die  erste  im  Jahre  11 76  in  Stein  erbaute  Londoner 
Themsebrücke,  beseitigen;  aber  dazu  kam  es  nicht.  In  den  Jahren  1371  und 
1423  wurden  noch  weitere  Gesetze  zum  Schutz  der  Binnenschiffahrt  erlassen 
und  man  setzte  zur  Beaufsichtigung  der  Themse  und  anderer  Gewässer 
besondere  Behörden  ein*). 

Von  Oberitalien  ist  bekannt,  daß  der  Po  in  alten  Zeiten  eine  belebte 
Schiffahrtstraße  war  und  besonders  der  Personenbeförderung  diente.  Auch 
seine  Nebenflüsse  sowie  die  Etsch  und  andere  Küstenflüsse  wurden  befahren. 
Nach  der  Völkerwanderung  erwachte  wie  in  Deutschland  der  Verkehr  mit 
dem  Emporblühen  der  großen  Städte,  namentlich  Mailands  und  die  Verbin- 
dung dieser  Stadt  einerseits  mit  dem  Tessin  und  andrerseits  mit  dem  Po 
durch  künstliche  Wasserstraßen  wurde  frühzeitig  ins  Auge  gefaßt.  Der  erste 
Kanal,  von  dem  wir  dort  hören  (1177),  war  der  sogenannte  Ticinello  (der 
kleine  Tessin),  der  bei  Tornavento  aus  dem  Tessin  abzweigte  und  bei  Abbiate- 
grasso  in  das  Flüßchen  Olona,  einen  Nebenfluß  des  Po,  mündete.  Er  hat 
zuerst  nur  zu  Bewässerungszwecken  gedient.  Die  Mailänder  machten  ihn  im 
Jahre  1257  schiffljar  und  bauten  von  Abbiategrasso  einen  Kanal  nach  der 
Stadt,  der  im  Süden  derselben  bei  dem  noch  heute  dort  bestehenden  Hafen 
(Darsena  di  Porta  Ticinese)  endigte.  Sie  erhielten  so  eine  Wasserstraße  durch 
den  Tessin  nach  dem  Langen  See  (Lago  maggiore),  die  den  damaligen  be- 
scheidenen Ansprüchen  genügte.  Der  in  späterer  Zeit  verbesserte  Kanal  er- 
hielt für  die  ganze   Länge  (etwa  50  km)   von  Tornavento  am  Tessin  über 


i)  V.  Weber,  Studie  über  die  Wasserstraßen  Englands.     Berlin,  1880. 


3*  Von  der  Kammerschleuse  bb  zum  Dampfschiff. 


31 


Abbiategrasso  bis  Mailand  den  Namen  »Naviglio  grande«  und  war  anfangs 
offen,  d.  h.  ohne  Schleusen  angelegt.  Während  des  Mittelalters  hat  sich  auf 
ihm  ein  beträchtlicher  Verkehr  bewegt.     (Vgl.   die  kleine  Karte,    Abb.  4)'). 

Im  Jahre  1359  soll  Gale-  _._. 
azzo  Visconti  einen  Kanal  von  1^ 
Mailand  in  südlicher  Rich- 
tung nach  Pavia  und  dem  Po 
gebaut  haben;  es  wird  aber 
berichtet,  daß  dieser  wegen 
zu  starken  Gefälles  nicht  be- 
nutzbar gewesen  ist.  Wahr- 
scheinlich ist  er  aus  diesem 
Grunde  bald  wieder  ver- 
fallen. 

Im  Gebiete  des  mittleren 
und  unteren  Polaufs  sollen 
gleichfalls  schon  im  11.  und 
12.  Jahrhundert  einige  Kanäle 
entstanden  sein,  die  auch  zur 
Bewässerung  und  zur  Vorfiut 
gedient  haben.  Erwähnens- 
wert ist  im  Mittellauf  der 
kleine  Kanal  von  Ostiglia,  der 
den  Po  mit  dem  Flusse  Tar- 
taro  verbindet  und  schon  im 

1 1.  Jahrhundert  genannt  wird.  ^^^  ^      Oberitalienische  Wasserstraßen  bei  Mailand. 


3.  Die  Binnenschiffahrt  von  der  Erfindung  der  Kammer- 
schleuse bis  zur  Erfindung  des  Dampfschiffs. 

Die  Erfindung  der  Kammerschleuse  fallt  zeitlich  nahe  zusammen  mit  der 
Entdeckung  Amerikas  (1492)  und  des  Seewegs  nach  Ostindien  (1498).  Diese 
beiden  Ereignisse  bewirkten  in  dem  europäischen  Handel  einen  gewaltigen 
Umschwung:  Venedig  und  der  Mittelmeerhandel  verloren  allmählich  ihre  Be- 
deutung, die  Seeschiffahrt  entwickelte  sich  schnell  auf  den  großen  Weltmeeren, 
Portugal,  Spanien  und  Holland  traten  in  die  Reihe  der  Seehandel  treibenden 
Völker  ein  und  die  niederländischen  Seehäfen  wurden  fiir  Mitteleuropa  die 
wichtigsten  Handelsplätze.  Für  Deutschland  bekamen  Hamburg  und  Bremen 
größere  Bedeutung. 

In  diesem  Zeitalter  wuchs  die  Macht  der  einzelnen  Landesherren  und 
namentlich  in  Deutschland  entstanden  kraftvolle  Staaten,   während  die  Selb- 


i)  H.  Keller,  Der  zehnte  interoat.  Schiffl-Kongreß  in  Mailand.     Zentralblatt  der  Bauver- 
-waltnng  1905,  S.  527. 


32  Abschnitt  H.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

ständigkeit  und  die  Bedeutung  der  Städte  allmählich  zurückging.  Hervor- 
ragende Fürsten  gelangten  zur  Überzeugung,  daß  der  Wohlstand  ihrer  Länder 
nur  durch  Hebung  von  Handel  und  Gewerbe  vermehrt  werden  könnte,  und 
bemühten  sich  darum,  die  Binnenschiffahrt,  die  noch  immer  das  vorzüglichste 
Verkehrsmittel  war,  durch  Herstellung  neuer  Wasserstraßen  und  durch  Be- 
seitigung der  vielen  Verkehrshindernisse  zu  fördern.  In  diesen  Ländern  ging 
die  Pflege  der  Binnenschiflahrt  von  den  Städten  immer  mehr  auf  die  Staats- 
regierungen über. 

Vor  der  Erfindung  der  Kammerschleusen  konnte  man  keine  Kanäle  über 
erhebliche  Wasserscheiden  fuhren,  um  die  verschiedenen  Stromgebiete  mit- 
einander zu  verbinden.  Wie  man  die  Mühlenstaue  in  den  Flüssen  mittels 
Schiffdurchlässen  und  Stauschleusen  zu  überwinden  lernte,  ist  schon  be- 
schrieben. 

In  den  alten  chinesischen  Kanälen  beförderte  man  die  Schiffe  trocken  auf  geneigten 
Ebenen  und  Rollbahnen  mittels  einer  Winde  über  die  Trennnngsmauem  zwischen  den  Kuial- 
haltungen.  In  Schweden  zog  man  an  geeigneten  Stellen  die  Schiffe  einfach  über  das  Land, 
um  von  einem  See  in  einen  anderen  zu  gelangen.  Diesen  Übergangstellen  wurde  schon  im 
Jahre  1370  eine  gewisse  Bedeutung  beigemessen.  In  Flandern  wird  im  14.  Jahrhundert  über 
hölzerne  geneigte  Ebenen  »Overdracks«  berichtet,  die  zwischen  Bewässerungskanälen  mit  ver- 
schiedenen Wasserständen  angelegt  wurden,  um  die  Kähne  hinüberzubringen,  und  ähnliche  Ein- 
richtungen bestehen  für  kleine  Fischerboote  noch  heute  in  der  norddeutschen  Tiefebene^}. 

Vittorio  Zonca  beschreibt  in  seinem  1656  erschienenen  Buche  >Theatro  dl  Macchinec  ver- 
schiedene Arten  von  solchen  schiefen  Ebenen,  auf  denen  die  Schiffe  mittels  Walzen,  mittels 
Rollen  oder  mittels  Schlitten,  die  auf  kleinen  Rädern  laufen,  befördert  wurden.  Er  erwähnt  be- 
sonders die  Anlage  von  Lizzafusina  in  der  Brentamündung  nahe  bei  Venedig,  wo  die  Aufzugs- 
kraft  entweder  durch  eine  Wassermühle  oder  durch  Pferde  geliefert  wurde,  die  an  Göpelwerken 
oder  Flaschenzügen  wirkten 2).  Das  waren  aber  mangelhafte,  unbequeme  und  ungenügende  Ein- 
richtungen. 

Es  liegt  kein  Grund  vor,  den  Italienern  den  Ruhm  zu  bestreiten,  die 
Kammerschleuse  erfunden  und  dadurch  der  BinnenschifTahrt  den  Weg  zu 
weiterer,  glänzender  Entwicklung  bereitet  zu  haben.  Wir  hatten  schon  oben 
berichtet,  daß  der  Naviglio  grande  im  Süden  der  Stadt  Mailand  endigte.  Dort 
war  er  mit  der  älteren  Fossa  interna  (Stadt-  oder  Festungsgraben)  in  Verbin- 
dung, der  gleichfalls  zum  Schiffverkehr  innerhalb  der  Stadt  diente,  dessen 
Wasserspiegel  jedoch  um  etwa  2  m  höher  lag.  Um  das  beschwerliche  Um- 
laden der  Güter  (namentlich  auch  der  Bausteine  fiir  den  1386  begonnenen 
Dombau)  zu  vermeiden,  führte  man  einen  Betrieb  mit  zwei  Stauschleusen  ein, 
wie  wir  sie  früher  beschrieben  haben.  Das  war  umständlich  und  lästig,  gab 
aber  die  Veranlassung  zur  Erfindung  der  Kammerschleuse.  Nach  italienischen 
Quellen  sollen  es  Philipp  degli  Organi  aus  Modena  und  Fioravante  aus 
Bologna  gewesen  sein,  die  in  den  Jahren  1438  und  1439  an  der  Via  Arena 
die  erste  Kammerschleuse  bauten,  durch  die  der  Naviglio  grande  mit  dem 


i)  F.  B.  de  Mas  gibt  in  seinem  Werke  Canauz  (Cours  de  navigation  int6rieure,  Paris 
1904)  alte  Zeichnungen  von  Overdracks  am  Flusse  Ypres  bei  Nleuport  (S.  210). 

2)  Im  Deutschen  Museum  in  München  befinden  sich  gute  Abbildungen.  Vgl.  auch  Th.  Beck, 
BeitrSge  zur  Geschichte  des  Maschinenbaues  und  die  Arbeit  von  Klehmet. 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  33 

erweiterten  etwa  5,3  km  langen  Stadtkanal  (Fossa  interna)  in  Verbindung  ge- 
setzt wurde. 

Als  dies  Werk  gelungen  war,  wurde  der  Stadtkanal  sofort  durch  noch 
weitere  Schleusen  von  22  m  Länge  und  5,2  m  Breite  aufgestaut.  Im  Jahre 
1457  wurde  darauf  der  Kanal  von  Abbiategrasso  bis  Bereguardo  am  Tessin 
begonnen  (Naviglio  di  Bereguardo),  durch  den  im  Anschluß  an  den  Naviglio 
grande  die  Stadt  Mailand  mit  Pavia  verbunden  wurde.  Er  wurde  mit  1 2  Kammer- 
schleusen versehen  und  im  Jahre  1470  fertig  gestellt.    (Vgl.  die  Karte  auf  S.  31.) 

Um  Mailand  in  nordöstlicher  Richtung  mit  der  Adda  und  dem  Comersee 
zu  verbinden,  wurde  gleichzeitig  im  Jahre  1457  der  Bau  des  Martesanakanals 
angefangen,  der  im  Norden  der  Stadt  bei  dem  heutigen  kleinen  Kanalhafen 
(Tombone  di  S.  Marco)  beginnt  und  nach  Trezzo  an  der  Adda  fuhrt.  Er  ist 
nur  mit  einer  Kammerschleuse  ausgerüstet  und  hat  sonst  natürliches  Gefälle. 
Im  Jahre  1500  war  er  fertiggestellt.  Es  zeigte  sich  aber  bald,  daß  der  obere 
Lauf  der  Adda  wegen  der  Stromschnellen  bei  Paderno  für  die  Schiffahrt  un- 
geeignet war  und  es  wurde  deshalb  im  Jahre  1538  der  3,5  km  lange  Paderno- 
kanal  mit  7  Kammerschleusen  zur  Umgehung  dieser  Schwierigkeiten  in  An- 
griff genommen,  aber  wegen  politischer  Verhältnisse  erst  im  Jahre  1787 
fertig  gestellt. 

Bald  nach  dem  Bau  des  Bereguardokanals  soll  auch  der  inzwischen  ver- 
fallene Kanal  von  Pavia  wieder  hergestellt  und  mit  Kammerschleusen  ver- 
sehen worden  sein;  aber  auch  diese  zweite  Anlage  ist  im  Laufe  des  16.  Jahr- 
hunderts verfallen.  Der  heute  bestehende  Kanal  ist  erst  von  Napoleon  im 
Jahre  1805  angeregt  und  von  der  österreichischen  Regierung  im  Jahre  18 19 
vollendet  worden.  Er  ist  33,1  km  lang,  i  m  tief  und  hat  14  Kammerschleusen 
von  30  m  Länge  und  5  m  Breite.  Man  erkennt  aus  diesen  Mitteilungen,  daß 
infolge  der  Erfindung  der  Kammerschleuse  in  der  Lombardei  schon  am  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  ein  für  damalige  Verhältnisse  ausreichendes  Netz  von 
Wasserstraßen  geschaffen  war.  (Alle  diese  lombardischen  Kanäle  haben  bis 
jetzt  im  allgemeinen  nur  eine  Wassertiefe  von  0,8  bis  1,0  m  sowie  Schleusen- 
abmessungen von  30  bis  37  m  Länge  und  5  bis  6,1  m  Breite.) 

Die   erste  ausfuhrliche   Beschreibung   der   Kammerschleuse    ist   in   dem 
Buche    »de  re  aedificatoria«  von  Leone  Battiste  Alberti  enthalten,  das  etwa 
um  1450  geschrieben  worden  ist. 
Ostdeutschland. 

Wann  die  Kammerschleusen  in  Deutschland  bekannt  geworden  sind, 
läßt  sich  mit  Bestimmtheit  nicht  angeben.  Gelegentlich  einer  Verbesserung 
des  Stecknitzkanals  werden  schon  im  Jahre  1480  in  einem  gewissen  Ge- 
gensatz zu  den  dort  üblichen  Stauschleusen  drei  »Kistenschleusen«  erwähnt 
und  es  kann  in  Frage  kommen,  ob  diese  etwa  Kammerschleusen  gewesen 
sind.  Unmöglich  wäre  es  nicht;  denn  bei  den  ausgedehnten  Handelsbe- 
ziehungen der  Hansestädte  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  daß  die  Lübecker 
schon  frühzeitig  von  der  italienischen  Erfindung  Kenntnis  bekommen  haben. 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  ^2 


34  Abschnitt  H.     GeschichÜicher  Rückblick  bb  1870. 

Im  Jahre  1530  sollen  in  der  Bille  bei  Bergedorf  an  der  unteren  Elbe 
Schleusen  gebaut  sein;  aber  es  ist  nicht  erwiesen,  ob  dies  Stauschleusen 
oder  Kammerschleusen  gewesen  sind.  Sicher  ist,  daß  man  namentlich  in 
Ostdeutschland  sich  im  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  vielfach  mit  Kanalent- 
würfen beschäftigte.  Es  wird  berichtet,  daß  der  Graf  von  Holstein  in  den 
Jahren  1525  bis  1531  in  Gemeinschaft  mit  Hamburg  und  Lübeck  einen  Kanal 
von  Hamburg  durch  die  Alster,  Beste  und  Trave  nach  Lübeck  führen  wollte. 
Aus  diesem  Plane  ist  nichts  geworden.  Bei  anderen  ausgeführten  Unter- 
nehmungen jener  Zeit  sind  zuweilen  noch  Stauschleusen  angewendet  worden, 
namentlich  in  Mecklenburg. 

Im  Wettbewerb  mit  dem  Lübecker  Stecknitzkanal  wollte  die  Stadt  Lüne- 
burg die  Sude  (Nebenfluß  der  Elbe  auf  dem  rechten  Ufer)  und  die  Schaale 
bis  zum  Schaalsee  schiffbar  machen,  von  wo  ein  Kanal  nach  Wismar  geführt 
werden  sollte,  so  daß  das  Lüneburger  Salz  auf  dem  Binnenwasserwege  dort- 
hin gelangen  konnte.  Die  Genehmigung  wurde  im  Jahre  1430  erteilt,  der  Bau 
von  der  Elbe  bis  zum  Schaalsee  aber  erst  in  den  Jahren  1550  bis  1560  mit 
15  Stauschleusen  ausgeführt.  Weil  der  Anschlußkanal  nach  Wismar  nicht 
hergestellt  wurde,  sind  die  Arbeiten  zwecklos  geblieben ').  Von  den  mecklen- 
burgischen Herzögen  wird  berichtet,  daß  sie  seit  dem  Jahre  1480  mit  dem 
Kurfürsten  von  Brandenburg  wegen  der  Schiffbarmachung  der  Eide  ver- 
handelt haben,  deren  Unterlauf  in  der  Mark  gelegen  ist.  Sie  wollten  durch 
die  Eide  eine  Wasserstraße  zum  Schweriner  See  schaffen  und  diesen  durch 
einen  Kanal  mit  Wismar  verbinden.  Da  der  Kurfürst  sich  nicht  geneigt 
zeigte,  gingen  die  Mecklenburger  im  Jahre  1560  allein  ans  Werk,  gruben  für 
die  Eide  von  Dömitz  aufwärts  ein  neues  Bett,  »die  neue  Eide«  (1572  voll- 
endet), und  bauten  die  Stauschleusen  Dömitz,  Neu-Kaliß,  Findenwirunshier 
und  Eldena.  Diese  Arbeiten  wurden  1582  fertig.  Dann  wurde  der  Kanal 
nach  Wismar  in  Angriff  genommen  und  hier  sind  nachweislich  Kammer- 
schleusen gebaut,  deren  Entwürfe  von  dem  Mathematiker  Tilemann  Stella 
aus  Siegen  erhalten  sind^).  Der  Kanal  wurde  wahrscheinlich  niemals  ganz 
fertig;  denn  wir  erfahren,  daß  er  im  Jahre  1597  aufgegeben  wurde.  Auch 
die  Eidewasserstraße  hatte  keinen  großen  Erfolg. 

In  der  Mark  Brandenburg  wurden  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
an  Stelle  der  Flutrinnen  bei  den  Mühlenstauen  fast  überall  Kammerschleusen 
gebaut:  Zuerst  wohl  die  noch  heute  bestehende  Brandenburger  Stadtschleuse, 
die  von  1548  bis  1550  aus  Holz  hergestellt  wurde,  das  der  Kurfürst  hergab. 
Wahrscheinlich  wurde  gleichzeitig  die  Rathenower  Stadtschleuse  begonnen 
und  im  Jahre  1559  fertig.  Die  Spandauer  Schleuse  wird  zuerst  im  Jahre  1572 
erwähnt  und  hier  liegt  kein  Zweifel  vor,  daß  es  wirklich  eine  Kammerschleuse 
war;  denn  sie  wird  sehr  bezeichnend  »Zwiepaßc  genannt.  Im  Jahre  1578 
wurde  dann  die  Schleuse  in  Berlin  und  1588  die  in  Fürsten walde  gebaut. 

i)  Stuhr,  Der  Elbe-Ostseekanal  zwischen  Dömitz  und  Wismar.     Schwerin  1899. 
2)  Vgl.  Klehmet. 


T^itrt,  Bimuntchiffahrt 


Die  Märkischen 
k/assersfraßen . 


Veila^  von  Wi&tdi 


za  S.  35 


nLdptif 


3-  Von  der  Kammerschleuse  bb  zum  Dampfschifif.  36 

Daneben  kamen  noch  zuweilen  Stauschleusen  zur  Ausfuhrung:  Zur  Schiff- 
barmachung  der  Rüdersdorfer  Gewässer  (wegen  des  Kalks)  wurde  z.  B.  im 
Jahre  1550  bei  Woltersdorf  ein  Stau  errichtet,  der,  zunächst  mit  einer  Stau- 
schleuse ausgerüstet,  erst  100  Jahre  später  eine  Kammerschleuse  bekam 
(1640).  Auch  bei  dem  ersten  Ausbau  der  Notte  im  Jahre  1568  sind  viel- 
leicht Stauschleusen  angewendet  worden. 

Die  in  dieser  Zeit  an  der  Saale  (S.  26)  gebauten  Schleusen  sind  wahr- 
scheinlich schon  Kammerschleusen  gewesen;  denn  es  wird  uns  berichtet,  daß 
im  Jahre  1559  auf  der  Moritzburg  in  Halle  zwischen  dem  Kurfürsten  Sigis- 
mund  und  dem  Fürsten  von  Anhalt  vereinbart  wurde,  daß  die  Schleusen 
»ewig  bleiben  und  erhalten  werden  sollen«.  Im  Jahre  1560  wurde  die 
Schleuse  bei  Bemburg,  1564  die  bei  Kalbe  erbaut  imd  die  Schleuse  bei 
Aisleben  soll  damals  auch  schon  bestanden  haben. 

Für  die  Entwicklung  der  Binnenschiffahrt  und  des  Handels  in  Ostdeutsch- 
land waren  in  diesem  Zeitraum  die  Verhältnisse  an  der  Elbe  und  der  Oder 
und  ihre  Hafenplätze  Hamburg  und  Stettin  von  Bedeutung,  sowie  das  Auf- 
blühen von  zwei  Staaten,  die  von  zielbewußten  Herrscherfamilien  geleitet 
wurden:  im  Süden  Böhmen  mit  Schlesien  imd  der  Lausitz  (seit  1355  ver- 
einigt} und  im  Norden  die  Mark  Brandenburg.  Für  beide  Staaten  waren  die 
beiden  Ströme  die  wichtigsten  Handelstraßen. 

Als  141 5  die  Hohenzollern  in  die  Mark  kamen,  waren  Berlin,  Bran- 
denburg und  Frankfurt  schon  ziemlich  bedeutende,  mächtige  und  selbständige 
Handelstädte.  Berlin")  trieb  Handel  mit  Hamburg,  Stettin,  Magdeburg  und 
Frankfurt.  Nach  Hamburg,  wo  schon  seit  12 13  den  märkischen  Kaufleuten 
vom  Senat  der  Handel  erlaubt  war,  hatte  es  die  Wasserstraße  der  Havel  und 
Elbe;  nach  Stettin  ging  der  Verkehr  zunächst  über  Land  bis  Oderberg, 
wo  den  Berliner  und  KöUner  Kaufleuten  im  Jahre  13 17  besondere  Ver- 
kehrserleichterungen beim  Übergang  auf  die  Oder  verliehen  waren;  nach 
Magdeburg  wurde  die  Wasserstraße  die  Havel  abwärts  bis  Flaue  und  dann 
der  Landweg  benutzt;  nach  Frankfurt  gingen  die  Waren  die  Spree  aufwärts 
bis  Fürstenwalde  und  dann  über  Land. 

Durch  die  hohenzoUernschen  Kurfürsten  wurde  die  Macht  imd  die 
Selbständigkeit  der  Städte  beseitigt.  Sie  mußten  aus  dem  Hansebund  aus- 
scheiden und  verloren  viele  Rechte,  vorübergehend  selbst  das  Stapelrecht. 
Für  Berlin  und  Brandenburg  war  durch  das  Ausscheiden  aus  dem  Bunde 
der  Hamburger  Markt  verschlossen  und  ihr  Handel  wandte  sich  mehr  nach 
Stettin,  das  damals  einen  lebhaften  Verkehr  mit  Rußland  imd  den  nordischen 
Ländern  hatte.  Der  Kurfürst  Joachim  II.  (1535  bis  1571)  begünstigte  den 
Handel  nach  der  Oder  und  nach  Stettin,  zumal  er  mit  den  pommerschen 
Fürsten  in  freundschaftlichen  Beziehungen  stand;  und  ließ  im  Jahre  1540 
sogar  einen  Entwurf  zu  einem  Kanal  von  der  Havel  bei  Liebenwalde  durch 

i)  Zuerst  urkundlich  nebst  Kölln  1238  und  1244  er^vähnt,  war  damals  schon  Sitz  eines 
Probstes,  also  ein  Ort  von  einem  gewissen  Umfang. 

3* 


36  Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

die  Finow  nach  Oderberg  aufstellen.  Aus  dem  Entwürfe  ist  damals  nichts 
geworden,  wenngleich  dieser  Kurfürst  sonst  viel  für  die  märkischen  Wasser- 
straßen getan  hat  und  besonders  die  Rüdersdorfer  Gewässer  (des  Kalks  wegen) 
und  die  Notte  (des  Sperenberger  Gipses  wegen)  schiffbar  machte,  wie  oben 
bereits  erwähnt  wurde. 

Im  Süden  hatte  schon  Kaiser  Karl IV.  (1346  bis  1378)  als  König  von  Böhmen 
und  Herzog  von  Schlesien  und  der  Lausitz  sich  mit  großen  Entwürfen  zu 
neuen  Wasserstraßen  beschäftigt,  um  den  Wohlstand  in  seinen  Ländern  zu 
heben.  Er  wollte  die  Donau  mit  der  Moldau  verbinden  und  Elbe  und  Oder 
sollten  die  Haupthandelswege  seines  Staats  zum  Meere  bilden.  Aber  damals 
war  die  Zeit  dazu  noch  nicht  reif  Erst  im  16.  Jahrhundert  kam  man  zur 
klaren  Erkenntnis  des  wirtschaftlichen  Werts  der  Wasserstraßen. 

Kaiser  Ferdinand  I.  (1556  bis  1564)  nahm  als  König  von  Böhmen  nach 
200  Jahren  diese  Gedanken  in  gewissem  Umfange  wieder  auf  Unter  seiner 
Regierung  wurde  in  den  Jahren  1548  bis  1550  die  Moldau  von  Budweis  bis 
Prag  für  kleine  Schiffe  zugänglich  gemacht,  indem  man  die  Mühlenwehre  mit 
Schiffdurchlässen  versah.  Diese  Straße  war  für  die  Beförderung  von  Salz 
aus  dem  Salzkammergut  nach  Böhmen  von  besonderer  Wichtigkeit. 

Ferdinand  erstrebte  auch  eine  möglichst  gute  Verbindung  der  österreichi- 
schen Erblande,  Böhmen  und  Schlesien  mit  den  gleichfalls  habsburgischen 
Niederlanden,  deren  Handelstädte  seit  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  den 
europäischen  Markt  beherrschten.  Die  Handelstraße  von  den  Niederlanden 
und  Westeuropa  nach  dem  Osten  Deutschlands,  wo  im  Binnenlande  Breslau 
und  Frankfurt  a.  O.  die  Hauptstapelplätze  für  den  weiteren  Verkehr  mit  Polen 
und  Rußland  waren,  ging  damals  über  Frankfurt  a.  M.  und  besonders  über 
Leipzig.  Breslau  und  Frankfurt  a.  O.  hatten  aber  den  Wunsch,  sich  von 
Leipzig  frei  zu  machen  und  namentlich,  nachdem  Hamburg  zu  einem  wichti- 
gen Hafen  geworden  war,  diesen  mit  Umgehung  Leipzigs  zu  erreichen.  Der 
Hafen  von  Stettin  lag  zwar  näher;  aber  seit  diese  Stadt  1467  das  Stapelrecht 
erhalten  hatte,  wodurch  jedem  Fremden  die  Durchfahrt  durch  den  Stettiner 
Baum  verboten  wurde,  ging  die  Schiffahrt  zwischen  Frankfurt  und  Stettin 
zurück  und  die  Frankfurter  wie  die  Breslauer  beförderten  lieber  ihre  Waren 
über  Land.  Die  Schiffahrt  auf  der  Oder  war  außerdem  im  1 6,  Jahrhundert 
so  sehr  durch  Wehre,  Zölle  u.  dgl.  behindert  und  erschwert,  daß  die  etwas 
verbesserten  Landstraßen  in  einzelnen  Fällen,  namentlich  um  drückende  Zölle 
und  Stapelrechte  zu  umgehen,  vorgezogen  wurden.  Anfangs  des  16.  Jahr- 
hunderts gingen  so  von  Breslau  fast  alle  nach  Hamburg  bestimmten  Waren 
zu  Lande  über  Frankfurt  nach  Fürstenwalde  und  von  dort  auf  der  Spree  zu 
Wasser  weiter.  Umgekehrt  wurden  die  aus  den  Niederlanden  oder  aus  Eng- 
land über  Hamburg  zu  Wasser  ankommenden  Waren  in  Fürsten walde  aus- 
geladen und  von  dort  zu  Lande  nach  Frankfurt  und  Breslau  geschafft.  Ferdi- 
nand versprach  1527  den  Breslauem,  die  Oder  wieder  zu  » öffnen c  (wie  man 
damals  sagte)  und  schloß  auch  1529  und  1555  mit  dem  Kurfürsten  Joachim  11. 


3.  Von  der  Kaminerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  37 

von  Brandenburg  entsprechende  Verträge.  Bis  dahin  war  z.  B.  die  Schiffahrt 
zwischen  Frankfurt  und  Krossen  nur  allein  den  Frankfurtern  erlaubt.  Nunmehr 
wurde  wenigstens  die  Beförderung  von  Boisalz  von  Stettin  bis  Breslau  zuge- 
lassen und  damit  ein  Anfang  fiir  die  Wiederbelebung  der  Schiffahrt  gemacht. 
Ferdinand  sorgte  später  (1561)  auch  für  die  Öffnung  der  Wehre,  von  denen 
damals  allein  zwischen  Krossen  und  Breslau  14  vorhanden  waren. 

Die  Anregung  zu  dem  ersten  deutschen  Scheitelkanal  mit  Kammer- 
schleusen, dem  Friedrich -Wilhelm-Kanaly  der  die  Oder  mit  der  Spree 
verband,  ist  von  Ferdinand  I.  ausgegangen,  um  den  schlesischen  Handel  nach 
Hamburg  zu  leiten").  Er  scheint  diesen  Plan  zuerst  im  Jahre  1548  in  Augs- 
burg mit  dem  Kurfürsten  Joachim  IL  besprochen  zu  haben.  Nachdem  ihre 
Räte  1556  die  Ortlichkeit  bei  Frankfurt  untersucht  und  die  Verbindung  der 
Schlaube  mit  dem  Wergensee  (Spree)  als  die  passende  Stelle  befunden  hatten, 
kam  es  1558  in  Müllrose  zum  Abschluß  des  betreffenden  Vertrags.  Der  Kaiser 
übernahm  die  Ausführung  des  kostspieligeren  Teils  vom  Wergensee  bis  Müll- 
rose und  der  Kurfürst  die  Arbeiten  im  Schlaubetal  bis  zur  Oder  bei  Brieskow. 
Der  Bau  wurde  sofort  begonnen  und  von  kaiserlicher  Seite  kräftig  gefördert 
(»Kaisergraben«).  Die  Arbeiten  des  Kurfürsten  gingen  aber  langsam  vor- 
wärts, zum  Teil  aus  Geldmangel,  zum  Teil  wegen  fehlenden  Eifers.  Nament- 
lich nach  dem  Tode  Ferdinands  (1564)  kamen  im  Jahre  1567  die  Arbeiten 
zum  Stillstand. 

Für  Brandenburg  waren  die  Vorteile  dieses  Kanals  damals  nicht  groß 
genug,  zumal  der  Kurfürst  eine  andere  Handelspolitik  befolgte  und,  wie  oben 
erwähnt  wurde,  den  Handel  seines  Landes  mit  Stettin  begünstigte.  Unter 
seinem  Nachfolger  wurde  der  Handelsweg  von  Berlin  nach  Frankfurt  dadurch 
verbessert,  daß  oberhalb  Fürstenwalde  nach  Erbauung  der  dortigen  Schleuse 
die  Spree  durch  einen  kurzen  Kanal  mit  dem  Kersdorfer  See  verbunden  wurde. 
An  dem  See  legten  die  Frankfurter  eine  Niederlage  an  und  der  Landweg  von 
dort  bis  Frankfurt  betrug  nur  noch  etwa  23  km,  während  von  Fürstenwalde 
früher  etwa  38  km  zurückzulegen  waren. 

So  ruhte  der  Kanalbau  fast  100  Jahre  lang,  bis  Friedrich  Wilhelm, 
der  große  Kurfürst,  nach  Beendigung  des  dreißigjährigen  Krieges  wieder  an 
die  Arbeit  ging.  Unterdessen  hatten  sich  die  Handels-  und  Verkehrsverhält- 
nisse verändert  und  besonders  die  inzwischen  entwickelte  Elbeschiffahrt 
drängte  den  Kurfürsten  zur  Herstellung  des  Kanals. 

Seit  1540  hatten  sich  die  Brandenburgischen  Kurfürsten  gemeinschaftlich 
mit  den  Kaisern  Ferdinand  I.  und  Maximilian  IL  (wegen  Böhmens)  bemüht, 
die  Elbeschiffahrt  von  den  lästigen  Fesseln  der  übermäßigen  Zölle,  Stapel-  und 
Umladerechte  zu  befreien  oder  diese  doch  zu  erleichtern.  Aber  Lüneburg  "*) 
leistete  hartnäckigen  Widerstand,  und  als  die  Hamburger  eigenmächtig  selbst 
bis  Magdeburg  vordrangen,  erhöhte  Lüneburg  seine  ElbzöUe  in  Bleckede  und 

i)  Toeche-Mittler,  Der  Friedrich -Wilhelm-Kanal.    Leipzig  1891. 
2)  Vgl.  die  Fußnote  auf  S.  16. 


38  Abschnitt  ü.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Schnackenburg  und  ließ  die  Schiffe  zuweilen  gewaltsam  anhalten,  ausladen 
und  die  Waren  nach  Lüneburg  bringen.  Schließlich  griff  die  kaiserliche  Gewalt 
ein  und  die  Schiffahrt  wurde  1574  fiir  frei  erklärt.  Abwärts  von  Magdeburg 
war  sie  es  hinfort  auch  in  Wirklichkeit  und  die  Bedeutui^  dieser  Stadt  nahm 
dadurch  namentlich  für  den  Handelsverkehr  nach  dem  Osten  zu :  schlesische 
und  polnische  Waren  gingen  hinfort  oft  über  Land  nach  Magdeburg,  ohne  die 
Mark  zu  berühren. 

Oberhalb  Magdeburg  war  Dresden  seit  1443  im  Besitz  des  Stapelrechts. 
Der  Handelsverkehr  zwischen  Dresden  und  Hamburg  nahm  allmählich  zu  und 
während  des  dreißigjährigen  Krieges  durchfuhren  sächsische  Schiffer  sogar 
Magdeburg,  ohne  dessen  Stapelrecht  zu  achten.  Im  Jahre  1666  fiel  diese 
Stadt  an  den  Kurfürsten  von  Brandenburg,  der  alle  ihre  Vorrechte  und  be- 
sonders auch  das  Stapelrecht  bestätigte.  Trotzdem  entwickelte  sich  der  un- 
mittelbare Schiffsverkehr  zwischen  Dresden  und  Hamburg  mehr  und  mehr 
und  ein  Teil  des  schlesischen  und  polnischen  Handels  bevorzugte  darum 
den  Weg  über  Dresden,  indem  der  alte  Weg  durch  die  Mark  Brandenburg 
aufgegeben  wurde. 

Der  Kurfürst  erkannte,  daß  nach  Herstellung  des  Kanals  zwischen  Spree 
und  Oder  dieser  Handel  voraussichtlich  wieder  vollständig  durch  sein  Land 
und  über  Berlin  geleitet  werden  könnte,  um  so  mehr  als  inzwischen  auch 
die  Schiffahrtverhältnisse  auf  der  Oder  sich  seit  jenem  ersten  versuchten  Kanal- 
bau wesentlich  verbessert  hatten.  Nach  dem  oben  erwähnten  Vertrage  von 
1555?  der  1567  und  1585  erneuert  war,  hatte  der  Verkehr  zwischen  Breslau 
und  Frankfurt  wenigstens  zum  Teil  den  unnatürlichen  Landweg  verlassen 
und  war  auf  den  Strom  übergegangen.  Auch  die  Fahrten  von  Stettin  nach 
Breslau  nahmen  zu.  Dazu  kam,  daß  Ferdinand  II.  sich  bei  dem  Branden- 
burgischen Kurfürsten  sehr  um  die  Freigebung  des  Stromes  für  die  Bres- 
lauer Schiffer  bemüht  und  trotz  des  Widerstandes  der  Stadt  Frankfurt,  die 
sich  in  ihrem  Stapelrecht  bedroht  sah,  auch  erreicht  hatte,  daß  im  Jahre 
1628  die  bedingte  und  im  Jahre  1657  die  unbedingte  Freiheit  des  Stromes 
auf  je  10  Jahre  bewilligt  wurde.  Infolgedessen  war  um  die  Mitte  des 
17.  Jahrhunderts  der  Schiffahrtverkehr  zwischen  Frankfurt  und  Breslau  schon 
recht  bedeutend  und  die  im  Jahre  1648  von  der  Stadt  Breslau  an  den 
Kurfürsten  gerichtete  Bitte  um  Herstellung  des  fraglichen  Kanals  wohl  be- 
gründet. 

Schließlich  veranlaßte  die  Erbitterung  gegen  die  Schweden  und  die  Ab- 
neigung gegen  die  von  jenen  besetzte  Stadt  Stettin  den  Kurfürsten,  mit  dem 
Bau  vorzugehen.  Im  Jahre  1653  wurde  der  Entwurf  aufgestellt  und  1662 
unter  Leitung  des  italienischen  Ingenieurs  und  Kammerjunkers  Philippe  de 
Chiese  mit  den  Erdarbeiten  begonnen.  Die  Herstellung  von  10  Schleusen 
und  6  Brücken  wurde  an  den  holländischen  Schiff-  und  Mühlenbaumeister 
Michael  Schmidts  für  90000  Mark  verdungen,  der  kurz  vorher  (1657)  die  neue 
Schleuse  in  Berlin  gebaut  hatte. 


3.  Von  der  Kunmcrschleuse  bis  zum  Dunpfichtff.  39 

(Nachstehend  ist  in  Abb.  5  diese  Schleuse  dargestellt  Man  erkennt  dar- 
auf auch  die  Formen  der  damaligen  Schiffe"). 

Im  Herbst  1668  war  der  Kanalbau  nahezu  beendet  und  der  erste  Berater 
des  Kurfürsten  bei  diesem  Unternehmen,  Michael  Matthias,  setzte  sich  mit 
einigen  Hamburger  und  Breslauer  Kaufleuten  wegen  der  Einführung  der  Schiff- 
fahrt in  Verbindung.  Da  an  8  bis  10  Stellen  der  Oder  unterhalb  Breslau 
die  Matätschenrinnen  in  den  Wehren  nur  eine  Weite  von  2,5  bis  3,5  m  hätten 
und  die  breiten  Hamburger  Schiffe  diese  mithin  nicht  durchfahren  könnten, 
erklärten  sie  es  für  zweckmäßig,  wenn  sowohl  die  Breslauer  wie  die  Ham- 
burger SchifTe  nur  bis  Berlin  gingen  und  dort  umgeladen  würden,  wozu  am 
Friedrichs -Werder  besondere  Räumlichkeiten  angelegt  werden  sollten,  was 
1699  geschah  (Packhof).  Am  27.  Februar  1669  fuhren  die  ersten  5  Oder- 
kähne von  Breslau  ab  und  gelangten  am   1 2.  März  nach  Berlin. 


Abb.  5.     Die  1657  in  Berlin  gebaute  Schleuse  (nach  einem  alten  Rüde.) 

Der  vom  Wergensee  (Spree)  bis  MiUlrose  gegrabene  Fried  rieh- Wilhelm-Kanal  folgte 
von  da  aus  im  allgemeinen  dem  Schlau beflusse  und  mündete  in  den  Brleakower  See,  eine  etwa 
3  km  lange  Seitenbucht  der  Oder.  Die  ganze  Llnge  betrug  etwa  14  km.  Ursprünglich  iraren 
13  Kammerschleusen  und  aul^erdem  i  Stauscbleusen  aus  Holz  errichtet  worden,  mit  denen  die 
6,S  km  lange  Scheitelbaltung  beiderseits  abgeschlossen  war.  Auf  die  Sprcctreppe  entüelen  2  und 
«nf  die  Odertreppe  11  Kamme  schleusen.  Am  Anfang  des  18.  Jahrhunderts,  als  man  5  Schleusen 
in  Stein  umbaute,  wurden  in  der  Spreetreppe  i  Kammerschleuse  [die  Ruschscbleusc  oder  Feitzische 
Schleuse},  Femer  die  beiden  Stiuschleusen  und  in  der  Odertreppe  3  Kammerschleusen  (bei  Weißen- 
berg,  Wusterow  und  Hammer)  beseitigt,  wobei  die  Scheiteihaltung  etwa  3  m  liefer  gelegt  und 
rund  10  km  lang  wurde.  Sie  begann  dann  bei  Neuhaus  am  Wergetisee,  wo  der  gewöhnliche 
Wasserstand  der  Spree'  nur  0,80  m  unter  dem  Kanalspiegel  (N,N.  +  40,8  m)  liegt,  wlhrend  der 
gewähnliche  Wasserstand  der  Oder  bei  Brieskow  sich  lS,6  m  darunter  beendet.  Die  Speisung 
des  Kanals  erfolgte  vorwiegend  durch  Grundwasser.  Seine  Wasaerspiegelbreite  betrug  iS,S  m 
und  die  Wassertiefe  1,9  m.  Da  im  unteren  Laufe  der  Schlaube  sich  mehrere  Mühlen  befanden, 
gab  es  wegen  der  Wasserben ntzung  viele,  langjKhrlge  Streitigkeiten, 

In  den  Jahren  1817  bis  1868  wurde  eine  gründliche  Verbesserung  des  Kanals  vorgenom- 
men, wobei  alle  Schleusen  durch  neue  Bauwerke  von  Stein   nach  dem  Muster  des  Finowkanals 

1)  Entnommen  aus  >BerIin  und  seine  Bauten,   18961. 


40  Abschnitt  U.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

ersetzt  wurden,  die  bei  einer  nutzbaren  Kammerlänge  von  40,4  m  und  einer  Torweite  von  5,3  m 
je  2  Schiffe  von  Finowmaß  (40,2  m  lang,  4,6  m  breit  und  1,4  m  tiefgehend)  aufnehmen  konnten. 
Bei  Weißenberg  wurde  ein  Denkmal  errichtet. 

Als  von  1887  bis  1891  die  neue  Spree- Oder -Wasserstraße  hergestellt  wurde,  legte  man 
den  Kanal  Flutknig-Fürstenberg  auf  der  Strecke  von  der  ehemaligen  Buschschleuse  bis  Schlaube- 
hammer  (11,8  km]  in  das  Bett  des  alten  Friedrich- Wilhelm-Kanals,  dessen  Wasserspiegelhöhe  in 
der  Scheitelhaltung  beibehalten  wurde.  Dabei  wurde  die  Schleuse  Müllrose  beseitigt  und  die 
Strecke  von  der  Buschschleuse  bis  Neuhaus  als  Speisekanal  benutzt.  Von  Schlaubehammer  bis 
Brieskow  besteht  der  alte  Kanal  mit  7  Schleusen  noch  heute. 

Es  ist  eine  beachtenswerte  und  auch  später  nach  dem  Bau  von  anderen 
künstlichen  Wasserstraßen  festgestellte  Erscheinung,  daß  der  Handel  nur  sehr 
langsam  sich  entschließt,  die  alten  gewohnten  Wege  aufzugeben  und  neue 
einzuschlagen.  Sowohl  in  Hamburg  wie  in  Breslau  herrschte  anfangs  in  den 
Kreisen  der  Kaufleute  und  Schiffer  eine  ausgesprochene  Abneigung  gegen 
den  neuen  Kanal:  Man  scheute  die  drückenden  Zölle  von  Fürstenberg  a.  O., 
Krossen  und  Glogau,  glaubte,  daß  Frankfurt,  gestützt  auf  sein  Stapelrecht, 
die  Benutzung  des  neuen  Kanals  nicht  ohne  Entschädigimg  zulassen  würde, 
und  fürchtete,  in  Berlin  oder  Müllrose  keine  Frachten  zu  bekommen.  Daß 
die  Frankfurter  alles  aufboten,  um  die  Kaufleute  in  Hamburg  und  Breslau 
von  der  Benutzung  des  neuen  Wasserwegs  zurückzuhalten,  ist  erklärlich. 
Auch  sollen  im  Jahre  1671  Dresdener  Kaufleute  sich  in  Breslau  eingefunden 
haben,  um  die  dortigen  Kaufleute  zu  bewegen,  daß  sie  den  bisherigen  Handels- 
weg beibehalten  und  den  neuen  Kanal  meiden  möchten. 

Trotzdem  hob  sich  der  Verkehr  schnell  auf  dem  Kanal  und  der  Um- 
ladezwang in  Berlin,  der  von  einzelnen  Beteiligten  heftig  bekämpft  wurde, 
hat  die  weitere  Entwicklung  der  neuen  Wasserstraße  nicht  gehemmt.  Selbst 
später,  als  die  Vorrechte  von  Frankfurt  und  Stettin  gefallen  waren  und  Stettin 
als  preußischer  Seehafen  sehr  begünstigt  wurde,  hat  der  schlesische  Handel, 
mit  wenigen  Unterbrechungen,  vorzugsweise  den  Weg  über  Berlin  nach  Ham- 
burg aufgesucht  —  wie  es  noch  heute  geschieht.  Aber  nicht  nur  der  schle- 
sische Handel  allein  wurde  auf  dem  Kanal  durch  die  Mark  geleitet ;  auch  aus 
Österreich  und  aus  Böhmen  wurden  viele  Waren,  die  früher  zu  Lande  nach 
Leipzig  gebracht  wurden,  seitdem  über  Breslau  befördert.  Welche  große 
Bedeutung  man  in  Österreich  dem  neuen  Kanal  und  der  Oder-Wasserstraße 
beilegte,  ergibt  sich  daraus,  daß  man  im  Jahre  1 702  in  Wien  den  Plan  einer 
Kanalverbindung  zwischen  der  Oder  und  der  Donau  (durch  die  March)  in 
Erwägung  zog  und  der  Oberbaumeister  Lambert -Lambion  (nach  anderen 
Quellen  ein  Ingenieur  Vogemonte)  einen  ausführlichen  Entwurf  dazu  aus- 
gearbeitet haben  soll. 

Friedrich  der  Große  (1742  — 1786)  hat  in  großartiger  Weise  die 
Binnenschiffahrt  in  Preußen  gefördert;  aber  seine  politischen  Ziele  waren 
dabei  andere  als  die  seiner  Vorfahren.  Die  Zeiten  hatten  sich  geändert:  Im 
Jahre  1720  fiel  Stettin  endgültig  an  Preußen  und  nach  der  Erwerbung  von 
Schlesien  (1742)  war  die  ganze  schiffbare  Oder  ein  preußischer  Strom.  Das 
Streben  des  Königs  ging  dahin,  Stettin  zu  einem  bedeutenden  Seehafen  zu 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zimi  Dampfschiff.  41 

machen  und  möglichst  mit  allen  seinen  in  Ostdeutschland  gelegenen  Ländern 
durch  gute  Wasserstraßen  zu  verbinden.  Zu  diesem  Zweck  war  er  bemüht, 
alle  Schiffahrthindemisse  auf  Oder,  Warthe  und  Netze  zu  beseitigen,  durch 
den  Finowkanal  und  den  Flauer  Kanal  die  Märkischen  Wasserstraßen  und  das 
Elbegebiet  und  durch  den  Bromberger  Kanal  das  Weichselgebiet  mit  der 
Oder  zu  verbinden. 

Schon  der  große  Kurfürst  hatte  sich  bereit  gezeigt,  die  drückenden  Ver- 
kehrsbelastungen auf  der  Oder  zu  beseitigen  und  es  war  ihm  im  Jahre  1678 
geglückt,  Stettin  und  Frankfurt  zu  wichtigen  Zugeständnissen  an  Breslau  zu 
bestimmen.  Bei  dieser  Gelegenheit  war  auch  der  berüchtigte  Krossener  Zoll 
für  die  Breslauer  Schiffer  herabgemildert  worden.  Ein  weiterer  Schritt  war 
der  Vertrag  von  1723,  in  dem  die  Stapelgerechtigkeit  von  Frankfurt  und 
Stettin  auf  Eisen,  Leinsamen  und  Thran,  die  wichtigsten  Waren  des  Oder- 
handels, zunächst  auf  die  Dauer  von  vier  Jahren  erheblich  eingeschränkt 
wurde.  Im  Jahre  1 75 1  wurde  dieses  Stapelrecht  endgültig  nur  noch  auf  Lein- 
samen beschränkt,  das  allerdings  dann  bis  18 10  bestanden  hat. 

Nachdem  Schlesien  preußisch  geworden  war,  wurden  auf  der  ganzen 
Oder  das  Umladerecht  und  alle  ähnlichen  Verkehrsbeschränkungen  aufge- 
hoben und  der  König  verzichtete  zum  großen  Teil  auf  seine  Zolleinnahmen 
an  der  Oder,  Warthe  und  Netze.  Das  war  für  die  Schiffjahrt  eine  große 
Wohltat.  Im  Jahre  1763  wurde  die  Ufer-,  Ward-  und  Hegungsordnung  für 
Schlesien  erlassen,  die  sehr  segensreich  gewirkt  hat,  und  in  der  die  Herstellung 
von  Durchstichen  zur  Verbesserung  des  Stromes  empfohlen  wurde.  Solche 
Bauten  waren  schon  in  früherer  Zeit  mehrfach  an  der  Oder  ausgeführt  worden 
(z.  B.  1494  und  1555  oberhalb  Breslau,  16 10  unterhalb  der  Stobermündung 
und  andere)  und  wurden  seitdem  in  großer  Zahl,  aber  nicht  immer  in  zweck- 
mäßiger Weise,  in  Angriff*  genommen.  Der  bedeutendste  war  der  21  km 
lange  Durchstich  von  Güstebiese  bis  Hohensaathen  (1746  bis  1753),  der  zu- 
nächst nur  zur  Verbesserung  der  Vorflut  im  Oderbruch  dienen  sollte,  später 
aber  zum  Hauptstrom  wurde.  Die  alte  Wriezener  Oder  versandete  und 
wurde  durch  Deiche  abgeschlossen.  Infolge  der  vielen  Durchstiche  wurde 
der  Stromlauf  erheblich  verkürzt,  was  an  manchen  Stellen  üble  Folgen  hatte. 
Es  wurden  auch  andere  Verbesserungen  am  Strome  vorgenommen.  Dazu 
gehört  besonders  die  im  Jahre  1786  ausgeführte  Verlegung  der  Warthemün- 
dung,  wodurch  die  Vorflut  des  Warthebruchs  verbessert  wurde.  Zwischen 
ZüUichau  und  Schwedt  wurde  sogar  eine  »Stromregulierungs- Kommission« 
eingesetzt,  die  mit  der  Räumung  des  Fahrwassers  von  Hölzern  und  Steinen 
sowie  mit  dem  Bau  von  Uferschutzbauten  begann. 

Sehr  wichtig  war  für  die  Schiffahrt  die  Beseitigung  vieler  Wehre,  die 
seit  dem  Mittelalter  den  Verkehr  arg  behindert  hatten  (S.  22  u.  27).  Schon 
vor  den  schlesischen  Kriegen  waren  unterhalb  Breslau  die  Mühlenwehre  bei 
Kottwitz,  Leubus,  Steinau,  Radschütz,  Oberbeltsch  und  Glogau  eingegangen. 
In   der  Zeit   von    1770  bis    1785  wurden  die  Wehre   bei   Regnitz,   Läskau, 


42  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Bartsch  und  Wilkau  beseitigt.  Oberhalb  Breslau  wurden  neben  den  Mühlen- 
wehren von  Ohlau  und  Brieg  in  den  Jahren  1781  und  1782  Kammer- 
schleusen gebaut,  bei  Oppeln  wurde  zur  Umgehung  des  Wehrs  die  Winske 
als  Flutrinne  für  die  Schiffahrt  hergerichtet  und  bei  Kosel  gleichfalls  eine 
Kammerschleuse  angelegt.  Bei  Breslau  war  damals  noch  der  Strom  gesperrt. 
Ein  schwacher  Schiffverkehr  ging  wohl  durch  die  >alte  Oder«,  die  später, 
nach  Herstellung  der  beiden  Kammerschleusen  in  der  Stadt  (am  Sandwerder 
und  am  Bürgerwerder),  in  den  Jahren  1793  und  1794,  durch  das  »Strauch 
wehr«  abgeschlossen  wurde.  Vor  Ende  des  Jahrhunderts  wurde  im  Mittel- 
lauf der  Oder  noch  das  Wehr  bei  Krossen  beseitigt  und  es  blieben  unter- 
halb Breslau  die  Wehre  bei  Dyhernfurth,  Lübchen  und  Beuthen,  von  denen 
die  beiden  ersten  in  den  Jahren  1839  bis  1846  und  das  Beuthener  Wehr  als 
letztes  endlich  im  Jahre  1856  abgebrochen  wurden. 

So  wurde  die  Oder  allmählich  eine  brauchbare  Wasserstraße  und  damit 
Stettin  aus  dem  ihm  zugefiihrten  Verkehr  entsprechenden  Vorteil  ziehen 
konnte,  sorgte  der  große  König  rechtzeitig  durch  die  Vertiefung  der  Swine 
und  die  Anlage  des  Hafens  Swinemünde  {1740  bis  1746)  für  eine  gute  Ver- 
bindung der  Stadt  mit  dem  Meere. 

Der  Finowkanaly  die  Verbindung  der  Havel  mit  der  Oder  durch  den 
Finowfluß,  war,  wie  erwähnt  (S.  35),  schon  von  dem  Kurfürsten  Joachim  IL 
im  Jahre  1540  geplant  worden.  Erst  160  Jahre  später  wurde  unter  dem 
Kurfürsten  Joachim  Friedrich  im  Jahre  1605  (nach  anderen  Angaben  schon 
1603)  der  Kanalbau  begonnen  und  bis  1609  so  weit  gefordert,  daß  ein 
beladenes  Schiff  von  der  Havel  durch  5  Kammerschleusen  bis  Schöpfurt 
fahren  konnte.  Dann  ruhte  der  Bau  aus  Geldmangel  bis  16 17.  Bis  Ebers- 
walde wurde  darauf  der  Finowfluß  durch  6  weitere  Kammerschleusen  aufge- 
staut und  im  Jahre  1620  die  Arbeit  zu  Ende  geführt.  Es  ist  bemerkenswert, 
daß  dieser  erste  preußische  Scheitelkanal  zur  Ausführung  kam,  während  der 
etwa  50  Jahre  früher  in  Angriff  genommene  Bau  des  Müllroser  Kanals  ein- 
gestellt und  aufgegeben  war. 

Der  Kanal  war  nicht  von  langer  Dauer.  Die  wenig  dauerhaft  herge- 
stellten Bauwerke  verfielen  während  der  Verheerungen  des  dreißigjährigen 
Krieges  vollständig.  Die  obere  Havel  strömte  zeitweise  durch  den  Kanal 
und  die  Finow  zur  Oder,  wodurch  unterhalb  Eberswalde  solche  Versandungen 
entstanden,  daß  die  Schiffahrtverbindung  dieser  Stadt  mit  dem  Lieper  See 
(Oder)  unterbrochen  wurde.  Man  war  genötigt,  die  Schleuse  Eberswalde  zu 
verschütten  und  den  Kanal  bei  Zerpenschleuse  abzudämmen.  Von  dem  da- 
zwischen liegenden  Teil  der  Schleusentreppe  war  am  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts kaum  noch  eine  Spur  vorhanden  und  die  Erinnerung  an  diese 
Wasserstraße  völlig  erloschen. 

Wir  wissen,  daß  die  Politik  des  großen  Kurfürsten  den  Wasserweg  von 
der  Oder  oberhalb  Frankfurt  zur  Elbe  bevorzugte,  und  es  ist  erklärlich,  daß 
man    zu    seiner   Zeit   nicht   zur  Wiederherstellung   des  Finowkanals   schritt. 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  43 

Friedrich  der  Große  hielt  dies  Unternehmen  aber  mit  Rücksicht  auf  Stettin 
fiir  außerordentlich  wichtig  und  gab  im  Jahre  1743  den  Befehl  zum  Beginn 
der  Arbeiten,  die  von  1744  bis  1746  ausgeführt  wurden.  Es  wurde  die  alte 
Linie  von  Zerpenschleuse  bis  Eberswalde  wiederum  mit  10  Kammerschleusen 
hergestellt,  wobei  teilweise  die  Böden  der  alten  Bauwerke  aufgefunden  und 
wieder  benutzt  wurden. 

Das  erste  mit  100  Tonnen  Salz  beladene  Schiff  ging  1746  durch  den  Kanal. 
Bald  zeigte  es  sich,  daß  nicht  nur  bei  Liebenwalde,  sondern  zum  Abstieg 
nach  der  Havel  auch  bei  Dusterlake  eine  Schleuse  nötig  war,  und  außerdem 
mußte  zwischen  Schöpfurt  und  Heegermühle  noch  die  Schleuse  Steinfurt  ein- 
geschaltet werden.  Diese  3  Schleusen  wurden  1749  fertiggestellt.  Unterhalb 
Eberswalde  genügte  der  Finowfluß  nicht  und  wurde  (1751)  durch  3  weitere 
Schleusen  (Ragöse,  Stecher  und  Niederfinow)  aufgestaut.  Schließlich  wurde 
(1767)  der  unterste  sehr  gekrümmte  Lauf  des  Flusses  durch  einen  gegrabenen 
Kanal  ersetzt  und  mit  der  Schleuse  Liepe  am  unteren  Ende  abgeschlossen,  die 
den  Rückstau  der  Oder  verhindern  sollte.  Der  Kanal  hatte  somit  im  ganzen 
16  Schleusen  und  außerdem  eine  bei  Dusterlake  in  der  » faulen  c  Havel. 

Der  Finowkanal  bildet  heute  einen  Teil  der  102,7  k°^  langen  Havel-Oder-Wasser- 
straße,  die  von  der  Einmündung  der  Spree  in  die  Havel  bei  Spandau  durch  die  Spandauer 
Havel,  den  Oranienburger  Kanal,  die  Friedrichstaler  Havel,  den  Malzer  Kanal,  den  Finow- 
kanal und  die  Oderberger  Gewässer  in  die  Oder  bei  Hohensaathen  führt.  Im  19.  Jahrhundert 
sind  viele  Veränderungen  und  Verbesserungen  an  ihm  vorgenommen,  um  den  Forderungen  des 
sehr  lebhaften  Verkehrs  zu  genügen.  Die  11,8  km  lange  Scheitelhaltung,  deren  Wasserspiegel 
auf  rund  N.  N.  H-  39  m  liegt,  wurde  anfangs  (1780)  durch  einen  Speisegraben,  den  Voßg^aben, 
aus  der  oberen  Havel  gespeist.  In  den  Jahren  1823  bis  1828  wurde  zur  Verbesserung  der 
Speisung  ein  gleichzeitig  schiffbarer  Kanal,  Voßkanal,  nach  der  Havel  gefuhrt  und  durch  die 
Voßschleuse  nebst  Speisearche  abgeschlossen.  Die  Schiffahrt  konnte  so  aus  der  Scheitel- 
haltung entweder  durch  die  Schleuse  Liebenwalde  oder  durch  diese  Voßschleuse  zur  Havel 
gehen.  Bei  der  Erneuerung  einzelner  Schleusen  der  Odertreppe  wurden  femer  mehrere  Hal- 
tungen vereinigt,  wodurch  2  Schleusen  fortfielen,  so  daß  der  Abstieg  zum  Lieper  See  nur  noch 
13  Schleusen  hat.  Dieser  See,  der  Oderberger  See  und  die  alte  Oder,  zusammen  die  »Oder- 
berger Gewässer c,  wurden  bei  der  Eindeichung  und  Verbesserung  des  Niederoderbruchs  in  den 
Jahren  1849  bis  1860  durch  einen  hochwasserfreien  Damm  von  der  Stromoder  abgeschnitten 
und  es  mußte  für  den  Schiffahrtverkehr  in  diesem  Damme  bei  Hohensaathen  eine  Kammer- 
schleuse gebaut  werden.  Der  Wasserspiegel  der  Oderberger  Gewässer  wird  gewöhnlich  auf 
N.  N.  -|-  1,4  m  gehalten  und  ist  in  der  Regel  niedriger  als  der  Wasserstand  in  der  Stromoder, 
deren  Mittelwasser  dort  etwa  bei  N.  N.  -|-  3,4  m  liegt. 

In  den  siebziger  Jahren  des  19.  Jahrhunderts  wurde  der  ganze  Finowkanal  gründlich  ver- 
bessert und  bei  sämtlichen  Schleusen  je  eine  zweite  Kammer  gebaut.  Die  zweischiffigen 
Kammern  haben  eine  nutzbare  Länge  von  40,8  m  und  eine  Torweite  von  5,3  m,  so  daß  gleich- 
zeitig je  4  Schiffe  von  40,2  m  Länge  und  4,6  m  Breite  (Finowmaß)  geschleust  werden  können. 
Der  Kanal  wurde  femer  möglichst  gerade  gelegt  und  fast  durchweg  dreischiffig  ausgebaut,  mit 
einer  nutzbaren  Fahrwasserbreite  von  16  m  und  einer  nutzbaren  Fahrwassertiefe  von  1,6  m.  Der 
zulässige  Tiefgang  der  Schiffe  wurde  seitdem  auf  1,4  m  festgesetzt. 

Im  Anschluß  an  den  Finowkanal  wurde  als  nördlicher  Seitenkanal  im  Jahre  1766  der  Wer- 
beil inkanal  gebaut,  der  bei  li  km  Länge  mit  2  Schleusen  zu  dem  9,5  km  langen  Werbellinsee 
führt.     Er  ist  gleichfalls  für  Schiffe  von  Finowmaß,  aber  mit  geringerem  Tiefgange,  fahrbar. 

Der  Flauer  Kanal,  der  die  mittlere  Elbe  bei  Parey  mit  der  Havel 
bei  Flaue  (Flauer  See)  verbindet,  wurde  in  der  Zeit  von  1743  bis  1746,  also 
gleichzeitig  mit  dem  Finowkanal  gebaut     Sein  Zweck  war,  den  Elbeverkehr 


44  Abschnitt  U.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

auf  kurzem  und  bequemem  Wege  durch  die  Mark  nach  Berlin  und  Stettin 
zu  leiten,  im  besonderen  den  staatlichen  Salzverkehr  von  Schönebeck  a.  E. 
und  umgekehrt  die  Beförderung  von  Holz  und  Torf  aus  der  Mark  nach  den 
dortigen  Salinen  zu  erleichtem.  Die  ursprüngliche  Kanallinie  ging  von  einem 
Seitenarm  der  Elbe,  der  » Baggerelbe  c  aus,  deren  Einmündung  in  den  Haupt- 
strom 5  km  nördlich  von  Parey  beim  Derbenschen  Berge  lag.  Der  etwa 
3  5  km  lange  Kanal  wurde  aus  der  Elbe  gespeist  und  besaß  außer  den  beiden 
Endschleusen  bei  Parey  und  Plaue  noch  eine  dritte  Schleuse  bei  Kade.  Er  war 
von  vornherein  mit  großen  Abmessungen  versehen;  denn  das  erste  Salzschiff 
soll  39,2  m  lang  und  6,6  m  breit  gewesen  sein,  bei  einem  Tiefgange  von  1,3  m. 

Diese  Wasserstraße  hat  im  Laufe  der  Zeit  viele  Veränderungen  erfahren,  die  hier  im 
Zusammenhange  mitgeteilt  werden  sollen.  Die  erste  Schleuse,  Parey,  war  in  Stein,  die  beiden 
anderen  aus  Holz  hergestellt  und  wurden  1793  (Kade)  und  182 1  (Plaue)  durch  neue  steinerne 
Bauten  ersetzt.  Die  Schleuse  Parey  wurde  1841  erneuert.  Die  Abmündung  des  Kanals  von  der 
Baggerelbe  erwies  sich  als  ungünstig,  weil  einerseits  dieser  Seitenarm  des  Stromes  bei  Hoch- 
wasser gewöhnlich  versandete,  und  andererseits  der  Elbespiegel  am  Derbenschen  Berge  so  tief 
lag,  daß  bei  Niedrigwasser  der  Kanal  nicht  genügend  gespeist  werden  konnte.  Man  entschloß 
sich  daher,  dem  Kanal  eine  neue  Abmündung  aus  der  Elbe  zu  geben,  die  etwa  30  km  ober- 
halb (also  näher  zu  Magdeburg)  bei  Niegripp  gewählt  wurde.  Von  da  aus  wurde  in  der  Zeit 
von  1866  bis  187 1  der  Ihlekanal  abgezweigt,  der  mit  2  Schleusenstufen  bei  Ihleburg  und 
Bergzow  zum  alten  Kanal  hinabstieg  und  bei  Seedorf  (27,4  km  oberhalb  Plaue)  sich  mit  ihm 
vereinigte.  Infolge  der  schnellen  Entwicklung  der  Schiffahrt  genügten  die  Kanalabmessungen  bald 
nicht  mehr  und  es  wurde  daher  in  der  Zeit  von  1883  bis  1889  der  Kanal  vergrößert,  so  daß 
er  eine  nutzbare  Fahrwasserbreite  von  16  m  und  eine  nutzbare  Wassertiefe  von  1,7  m  erhielt. 
Femer  wurden  die  Schleusen  Ihleburg  und  Bergzow  verlängert  und  bei  den  Schleusen  Kade 
und  Plaue  zweite  Kammern  erbaut.  Diese  letzteren  waren  für  den  Verkehr  von  65  m  langen 
und  8  m  breiten  Schiffen  ausreichend,  während  die  verlängerten  Schleusen  des  Ihlekanals  nur 
von  höchstens  7,7  m  breiten  Schiffen  durchfahren  werden  konnten.  Es  wurde  darum  in  den 
Jahren  1889  bis  1893,  als  bei  Parey  ein  neuer  Eibdeich  angelegt  wurde,  in  diesem  eine  neue 
Kanalmündung  und  eine  genügend  große  und  tiefe  Koppelschleuse  erbaut,  während  der  an- 
schließende Teil  des  alten  Plauer  Kanals  angemessen  erweitert  wurde. 

Jetzt  ist  der  Plauer  Kanal  wieder  die  Hauptverkehrstraße  geworden.  Er  ist  34,6  km 
lang.  Der  Normalwasserstand  seiner  oberen  26  km  langen  Haltung  liegt  bei  N.  N.  -|-  32,2  m 
und  entspricht  dem  Niedrigwasser  der  Elbe  vom  Jahre  1893,  während  im  Plauer  See  dieser 
Niedrigwasserstand  der  Havel  bei  N.  N.  -f-  27,3  m  und  das  Mittelwasser  bei  N.  N.  -f-  28,3  m 
lieg^.  Bei  dem  Ihlekanal  liegt  der  Normalwasserstand  der  obersten  Haltung  bei  N.  N.  -j-  37,4  m, 
während  das  Niedrigwasser  der  Elbe  im  Jahre  1893  dort  bei  N.  N.  -H  36,9  m  lag.  Die  Länge 
dieses  Kanals  von  Niegripp  bis  zum  Plauer  Kanal  bei  Seedorf  beträgt  30  km. 

Der  dritte  große  und  wichtige  Kanal,  den  Friedrich  der  Große  anlegte, 
ist  der  Bromberger  Kanal,  der  die  Oder  durch  die  Warthe,  Netze  und 
Brahe  mit  der  Weichsel  bei  Fordon  verbindet.  Als  der  Netzedistrikt  im 
Jahre  1772  an  Preußen  gefallen  war,  beschloß  der  König  sofort  den  Bau 
dieser  Wasserstraße,  um  das  Odergebiet  mit  der  Weichsel  zu  verbinden, 
zumal  Danzig  damals  noch  nicht  in  seinem  Besitze  war.  Mit  überraschender 
Geschwindigkeit  und  unter  Mitwirkung  großer  Mengen  von  Soldaten  wurde 
der  erste  Bau  innerhalb  18  Monaten  in  den  Jahren  1773  und  1774  fertig 
gestellt.  Der  Kanal  war  zwischen  Bromberg  und  Nakel  etwa  25  km  lang, 
die  Brahetreppe  hatte  8  Schleusen  und  eine  9.  Schleuse  diente  zum  west- 
lichen Abschluß  der  Scheitelhaltung  und  zum  Abstieg  zur  Netze.    Die  16,3  km 


Teuiert,  Binnenscfußahri 


Verlac  von  WH) 


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3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  45 

lange  Scheitelhaltung  muOte  mit  großer  Mühe  in  torfigem  Bruchlande  her- 
gestellt werden  und  war  schwer  zu  erhalten.  Auch  die  mit  übermäßiger  Eile 
aus  Holz  gebauten  Schleusen  versagten  bald  und  in  den  Jahren  1792  bis  1801 
mußte  der  ganze  Kanal  erneuert  werden. 

Bei  diesem  Umbau  wurde  auf  der  Brahetreppe  eine  Schleuse  (die  5.)  aufgegeben,  die 
beiden  obersten  in  Holz  und  die  Übrigen  in  Stein  erneuert,  während  im  Netzegebiet  die  9. 
auch  in  Stein  neu  gebaut  w^urde.  In  dem  Jahre  1801  wurde  der  Kanal  bis  Nakel  verlängert 
und  dort  die  10.  Schleuse  aus  Holz  errichtet.  Da  der  Netzefluß  nicht  die  erforderte  Tiefe 
besaß,  wurde  er  3  km  unterhalb  Nakel  bei  Bielawy  im  Jahre  181 2  durch  eine  11.  Schleuse  auf- 
gestaut. II  km  unterhalb  davon  war  schon  1782  die  Gromadenschleuse  (12.)  zum  gleichen 
Zweck  angelegt  worden.  Diese  mußte  1824  und  die  11.  im  Jahre  1844  erneuert  werden,  während 
die  10.  Schleuse  erst  1889  durch  einen  Bau  in  Stein  ersetzt  wurde.  In  der  Brahetreppe  wurden 
die  beiden  obersten  Schleusen  (7.  und  8.)  in  den  Jahren  1847  und  1852  in  Stein  neu  gebaut. 

In  der  Stadt  Bromberg  waren  schon  im  Jahre  1773  ^*^  verfallenen  Mühlen  wieder  her- 
gestellt und  zur  Umgehung  des  Staues  die  Stadtschleuse  in  Holz  erbaut  worden.  Nachdem  die 
vorerwähnte  5.  Schleuse  des  Kanals  fortgefallen  war,  wurde  die  Stadtschleuse  als  i.  Schleuse 
des  Bromberger  Kanals  bezeichnet.     Im  Jahre  1884  wurde  sie  durch  einen  Steinbau  ersetzt. 

Die  ganze  Länge  des  Kanals  von  der  Bromberger  Stadtschleuse  bis  zur  10.  Schleuse  bei 
Nakel  beträgt  jetzt  26,3  km.  Die  Scheitelhaltimg,  die  durch  einen  Zubringer  (Speisegraben) 
aus  der  oberen  Netze  gespeist  wird,  liegt  etwa  bei  N.  N.  -f-  59  m  und  das  Oberwasser  der  Stadt- 
schleuse (die  Oberbrahe)  bei  etwa  N.  N.  +  35i8  m.  Das  Gefälle  von  23,2  m  wird  mithin  durch 
7  Schleusen  überwunden.  Die  Abmessungen  der  Schleusen  sind  verschieden;  sie  können  aber 
alle  mit  Schiffen  von  Finowmaß  durchfahren  werden.  Die  Fahrwassertiefe  beträgt  etwa  1,4  m, 
sinkt  zuweilen  aber  bis  auf  1,25  m. 

In  der  Mark  selbst  wurde  außer  den  erwähnten  großen  Kanälen  auch 
für  den  Ausbau  und  die  Vermehrung  mehrerer  kleiner  Wasserstraßen  gesorgt. 

Im  Gebiet  der  oberen  Spree  wurden  die  Storkower  Gewässer  durch  3  Floßschleusen 
flößbar  gemacht  (1732  bis  1745)  und  es  wurde  je  eine  Kammerschleuse  bei  Königswusterhausen 
in  der  Dahme  (1739)  und  bei  Kossenblatt  in  der  oberen  Spree  {1752)  erbaut. 

Im  Gebiet  der  oberen  Havel  wurden  1745  die  Templiner  Gewässer  schiffbar  gemacht,  in 
denen  auch  oberhalb  Templin  2  Kammerschleusen  angelegt  wurden,  die  nur  bis  zum  Jahre  181 2 
bestanden  haben.  Femer  wurde  1770  Hamburger  Kaufleuten  erlaubt,  den  Wentowsee  mit  der 
Havel  durch  den  Wentowkanal  zu  verbinden.  Sie  bauten  bei  Mariental  zunächst  eine  Stau- 
schleuse, die  vom  Staate  im  Jahre  1820  durch  eine  Kammerschleuse  ersetzt  wurde. 

Im  Rhingebiet  wurde  die  Flußstrecke  vom  Bützsee  bis  Fehrbellin  gerade  gelegt  (1772) 
und  diese  Wasserstraße  durch  den  Rup piner  Kanal  (1786  bis  1791)  mit  der  mittleren  Havel 
bei  Oranienburg  verbunden,  um  die  Beförderung  des  im  Rhinluch  gewonnenen  Torfs  nach  Berlin 
zu  erleichtem.  Dieser  15,4  km  lange  Kanal,  dessen  Fertigstellung  der  große  König  nicht  mehr 
erlebte,  zweigte  mit  der  Schleuse  Friedental  von  der  Havel  ab  und  stieg  mit  2  Staustufen  zum 
Kremmer  See,  der  mit  dem  oben  genannten  Bützsee  verbunden  wurde.  Von  diesem  See  aus 
wurde  femer  die  obere  Rhinwassers trabe  durch  den  Ruppiner  See  bis  Zippelsförde  schiffbar 
gemacht,  wozu  bei  Alt-Friesack  und  Alt-Ruppin  Kammerschleusen  gebaut  wurden. 

Alle  diese  genannten  märkischen  Wasserstraßen  können  von  Schiffen  mit  Finowmaß  be- 
fahren werden. 

Von  Friedrich  dem  Großen  stammt  ferner  die  Anregung  zum  Bau  des 
KlodnitzkanalSy  auf  dem  die  Erzeugnisse  des  oberschlesischen  Kohlen- 
und  Erzgebiets  von  Gleiwitz  bis  zur  oberen  Oder  bei  Kosel  befördert  werden 
sollten.  Er  wurde  unter  seinem  Nachfolger  in  der  Zeit  von  1792  bis  181 2 
hergestellt. 

Der  Kanal  von  45,7  km  Länge  und  einem  Gefölle  von  48,8  m  liegt  ganz  in  dem  Tal  des 
Klodnitzflusses,  aus  dem  er  auch  gespeist  wird.  Wenn  er  die  auf  ihn  gesetzten  Erwartungen 
nicht  voll  erfüllte,   lag    es  vor  allem  an  den  geringen  Abmessungen,  die  nur  einen  Verkehr  mit 


46  Abschnitt  H,     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Schififen  von  höchstens  50  t  Tragfähigkeit  erlaubten.  Schiffe  mit  Finowmaß,  die  in  der  Mark 
und  auf  der  Oder  schon  damals  verkehrten,  konnten  ihn  nicht  benutzen.  Er  hatte  eine  Sohlen- 
breite von  5,65  m  und  die  18  Kammerschleusen  waren  nur  36,6  m  lang  und  4,08  m  breit.  Bis 
zum  Jahre  1850  war  der  Verkehr  noch  ziemlich  lebhaft:  im  Jahre  1847  gmgen  z.  B.  1134  Schiffe 
zu  Tal,  514  zu  Berg  und  beförderten  70350  t.  Später  verödete  der  Kanal.  Der  Verkehr  war 
im  Jahre  1865  nur  noch  4400  t.  In  der  Zeit  von  1888  bis  1893  wurde  er  verbessert  und  die 
Schleusen  erhielten  eine  Breite  von  4,72  m,  so  daß  jetzt  Schiffe  mit  1,2  m  Tiefgang  und  100  t 
Tragfähigkeit  verkehren  können. 

Auch  für  die  ostpreußischen  Wasserstraßen  haben  die  branden- 
burg-preußischen  Fürsten  in  diesem  Zeitraum  Sorge  getragen.  Es  war  schon 
früher  (S.  27)  mitgeteilt,  daß  die  Ordensritter  sich  im  Mittelalter  bemüht 
hatten,  von  der  Deime  zur  Gilge  und  zum  Memelstrom  eine  schifTbare  Ver- 
bindung herzustellen,  um  die  gefahrliche  Fahrt  über  das  Kurische  HafT  zu 
vermeiden.  Der  Große  Kurfürst  nahm  diesen  Gedanken  gleich  nach  seinem 
Regierungsantritt  (1640)  wieder  auf  und  wollte  dabei  auch  die  Vorflut  in  der 
Memelniederung  verbessern.  Doch  erst  im  Jahre  1669  konnte  er  dem 
Obersten  von  Chiese,  der  den  Bau  des  MüUroser  Kanals  geleitet  hatte,  dies 
neue  Unternehmen  übertragen.  Als  Entschädigung  für  die  auf  eigene  Kosten 
bewirkten  Bauten  zur  Entwässerung  erhielt  dieser  die  zur  Herrschaft  Rauten- 
burg gehörigen  Güter  und  für  die  Anlage  des  Deime-Gilge-Kanals  wurden  ihm 
dessen  Zolleinnahmen  zugesichert.  Durch  den  Tod  des  Obersten  wurden  die 
Arbeiten  unterbrochen  und  seine  Witwe  führte  im  Jahre  1697  das  Werk  zum 
Ende.  Die  beiden  Kanäle  wurden  zu  Ehren  des  ersten  preußischen  Königs 
der  Große  und  der  Kleine  Friedrichsgraben  genannt  und  im  Jahre  1712 
an  den  Staat  verkauft. 

Der  19  km  lange  Große  Friedrichsgraben  führt  von  der  Deime  bei  Labiau  zum  Nemonien- 
Strome.  Er  sollte  m^prünglich  mit  19  m  Breite  mid  1,9  m  Wassertiefe  ausgeführt  werden;  doch 
war  es  bei  dem  schlechten  moorigen  Untergrunde  nicht  gelungen,  diese  Abmessungen  überall 
zu  erreichen.  Später  ist  er  wiederholt  mit  Aufwendung  erheblicher  Geldmittel  vom  Staate  ver- 
bessert worden  (1882  bis  1885  und  1895  ^^^  ^9^$)-  ^^  ^^^  j^^^^  ^"i^  Breite  von  etwa  40  m, 
bei  Mittelwasser  eine  Tiefe  von  1,8  m  imd  keine  Schleusen.  Sein  "Wasserstand  schwankt  daher 
mit  dem  der  anschließenden  Flüsse.     Die  Strömung  ist  aber  schwach. 

Der  Kleine  Friedrichsgraben  verband,  im  Anschluß  an  den  Großen,  den  Nemonienstrom 
mit  der  Gilge.  Wegen  zu  großer  Strömung  und  aus  anderen  Gründen  bewährte  er  sich  nicht. 
Im  Jahre  1835  wurde  er  durch  den  Seckenburger  Kanal  ersetzt  und  im  Jahre  1890  endgültig 
von  der  Gilge  abgesperrt. 

Während  der  Große  Kurfürst  sich  um  die  Herstellung  der  vorbeschriebenen 
Kanäle  bemühte,  hat  sich  Friedrich  der  Große  durch  den  Ausbau  der  Masu- 
rischen  Wasserstraßen  um  Ostpreußen  verdient  gemacht.  Bald  nach  dem 
Hubertusburger  Frieden  (1763)  ließ  er  die  in  Masuren  liegenden  großen  Seen, 
die  zum  Teil  (Mauersee  und  Löwentinsee)  dem  Pregelgebiet,  zum  größeren 
Teil  aber  (Jagodner  See,  Taltergewässer  und  Spirdingsee  sowie  Beldahnsee 
und  Niedersee)  dem  Pissek-(Weichsel-)gebiet  angehören,  durch  Kanäle  ver- 
binden, so  daß  eine  durchgehende  Wasserstraße  von  Angerburg  über  Lötzen 
und  Nikolaiken  bis  zum  Spirdingsee  und  später  bis  Johannisburg  von  88  km 
und  außerdem  einige  Nebenstraßen  von  zusammen  etwa  50  km  Länge  ent- 
standen.    In  der  Hauptlinie  wurden  bei  dem  in  den  Jahren  1764  bis  1766 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  47 

ausgeführten  Bau  2  SchifTschleusen  bei  Lötzen  und  bei  Talten  errichtet  und 
femer  in  der  Nebenlinie  zum  Niedersee  eine  dritte  bei  Guszianka.  Es  bestand 
die  Absicht,  die  Wasserstraße  von  Angerburg  die  Angerapp  abwärts  bis  zum 
Pregel  bei  Insterburg  schiffbar  oder  wenigstens  flößbar  zu  machen  und  es 
wurden  auch  in  der  Angerapp  neben  einigen  Mühlen  Floßschleusen  angelegt. 
Aber  dies  Unternehmen  bewährte  sich  nicht  und  wurde  bald  aufgegeben. 

Auch  die  Hauptwasserstraßen  erfüllten  auf  die  Dauer  nicht  die  gehegten  Hoffnungen.  Der 
Schiffahrtverkehr  war  gering  und  die  Flößerei  konnte  auf  den  großen  Seen  nur  imter  bestän- 
digen Gefahren  betrieben  werden.  Die  Kanalbetten  konnten  nur  schwer  in  genügender  Tiefe 
erhalten  werden,  verflachten  und  versandeten,  besonders  in  den  Seemündungen.  1789  wurden 
die  Schleusen  bei  Lötzen  und  Talten  beseitigt,  weil  die  Wasserspiegel  der  Seen  sich  verändert 
hatten.  Im  19.  Jahrhundert  wurde  die  Wasserstraße  wiederholt  verbessert.  In  der  Zeit  von 
1845  bis  1848  wurde  dabei  der  Jeglinner  Kanal  gebaut,  wodurch  die  Wasserstraße  bis  Johannis- 
burg  verlängert  wurde.  1851  bis  1856  sind  die  Verbindungskanäle  wiederum  verbreitert  und 
vertieft  worden,  so  daß  sich  1854  eine  Dampfschiffahrt  entwickeln  konnte.  Die  Schleuse  bei 
Guszianka  mußte  schon  1775  außer  Betrieb  'gesetzt  werden  und  wurde  erst  1878  in  Holz  und 
im  Jahre  1900  in  Stein  wieder  hergestellt.  Sie  hat  jetzt  eine  nutzbare  Länge  von  45  m  und 
eine  Breite  von  7,5  m.  Die  auf  den  Masurischen  Wasserstrai^en  verkehrenden  Schiffe  haben 
höchstens  eine  Länge  von  32  m,  eine  Breite  von  6,3  m  und  bei  1,2  m  Tiefgang  eine  Tragfähig- 
keit von  etwa  190  t. 

Vom  Weichselgebiet  ist  aus  diesem  Zeitraum  wenig  zu  berichten, 
weil  es  fast  dauernd  unter  polnischer  Herrschaft  stand.  Erwähnenswert  ist 
aber,  daQ  die  Stadt  Elbing,  nachdem  die  früher  bestandene  Wasserverbindung 
mit  der  Nogat  wegen  Überschwemmungsgefahr  im  Jahre  1483  durch  einen 
Damm  abgesperrt  werden  mußte,  sich  1 494  einen  Kanal  zwischen  dem  Elbing- 
flusse  und  der  Nogat  erbaute,  der  den  Namen  Kraffohlkanal  erhalten  hat. 

Er  wurde  mit  Benutzung  vorhandener  Wasserläufe  angelegt  und  im  Laufe  der  Zeit  wieder- 
holt verbessert.  Er  hat  jetzt  eine  Länge  von  rund  6  km,  eine  mittlere  Breite  von  18  m  und  eine 
Wassertiefe  von  1,8  m  bei  Mittelwasser  und  von  1,2  m  bei  Niedrigwasser.  Ob  die  im  Kanal 
vorhandene  Schleuse  beim  ersten  Bau  errichtet  wurde,  ist  nicht  bekannt;  doch  ist  sie  jedenfalls 
schon  in  sehr  alter  Zeit  angelegt  worden.  Sie  wurde  1787  und  1898  gründlich  umgebaut  und 
hat  jetzt  eine  Länge  von  91  m  und  eine  Torweite  von  10  m.  Der  Kanal  steht  noch  heute  im 
Eigentum  der  Stadt  Elbing. 

Für  die  Verbesserung  der  Fahrstraße  der  Elbe  ist  während  des  15.  und 
16.  Jahrhunderts  nichts  geschehen.  Im  17.  wurden  wichtige  Bauten  bei 
Magdeburg  ausgeführt  und  hier  treffen  wir  wieder  auf  die  Tätigkeit  des 
Großen  Kurfürsten.  Die  Elbe  hatte  damals  dort  drei  Arme,  von  denen  der 
westlichste,  die  Stromelbe,  an  der  Stadt  lag  und  allein  für  die  Schiffahrt  die 
erforderliche  Tiefe  besaß  (vgl.  Abb.  3  auf  S.  21).  Während  der  Belagerung 
der  Stadt  im  dreißigjährigen  Kriege  (163 1  und  1636)  wurde  dieser  Arm  durch 
Pfahlwerke  versperrt  und  versandete.  Im  Jahre  1655  begann  zuerst  die 
städtische  Baubehörde  mit  Verbesserungsarbeiten,  die  nach  dem  Jahre  1680, 
als  das  Herzog^m  Sachsen  an  Brandenburg  gefallen  war,  mit  kurfürstlichen 
Mitteln  kräftig  gefordert  wurden.  Bis  zum  Jahre  1686  wurde  auf  diese  Weise 
der  Abschluß  der  beiden  östlichen  Eibarme  durch  einen  von  der  Rotenhom- 
Spitze  bis  zum  Presterschen  Deich  reichenden  Sperrdamm,  die  »Rostec, 
bewirkt. 


48  Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Die  Erhaltung  dieses  Sperrdammes  hat  viel  Mühe  und  Kosten  verursacht,  weil  er  beim 
Hochwasser  wiederholt  durchbrochen  wurde.  Bei  der  Belagerung  der  Stadt  im  Jahre  1806 
wurde  er  zum  Teil  gesprengt  und  infolgedessen  verwilderte  der  Strom  so  sehr,  daß  bereits 
Napoleon  im  Jahre  1812  mit  Absperrungsbauten  begann.  Später  wurde  an  Stelle  dieses  ver- 
fallenen Werkes  im  Schutze  eines  Dammes  (»Prestersche  Richtewerk«)  in  der  alten  Elbe  bei 
Kr  a  kau  ein  festes  Oberfall  wehr  mit  Faschinen  gebaut  (1820},  das  im  Jahre  1868  durch  einen 
Steinbau  ersetzt  worden  ist. 

Auch  im  Jahre  1684,  als  unterhalb  der  Stadt  beim  Hochwasser  eine 
Stromschleife  >am  Treuel«  durchbrach  und  infolge  des  verwilderten  Stromes 
die  Schiffahrt  völlig  stockte,  griff  der  Große  Kurfürst  helfend  ein  und  beauf- 
tragte den  Kommandanten  von  Magdeburg  mit  der  Wiederherstellung  des 
Fahrwassers.  Im  Jahre  1740  durchstachen  die  Bewohner  von  Lostau  (9  km 
unterhalb  der  Stadt)  eine  Stromschleife,  um  ihr  Dorf  zu  retten  und  mit  Hilfe 
des  Hochwassers  entstand  dort  bald  ein  neuer  fahrbarer  Stromarm. 

Die  Magdeburger  Stromstrecke  galt  damals  überhaupt  für  eine  der 
schlechtesten  und  gefahrlichsten  für  die  Schiffahrt.  Die  Stromelbe  war  nur 
schmal  und  außerdem  am  linken  Ufer  durch  den  oben  (S.  22)  erwähnten 
Mühlendamm,  der  die  Pferdeelbe  abtrennte,  und  am  rechten  Ufer  durch  die 
Zitadelle  eingeschränkt.  Das  Gefalle  war  stark  und  wurde  infolge  der  unter- 
halb ausgeführten  Durchstiche  noch  bedeutender,  indem  der  Wasserspiegel 
sich  senkte  und  das  den  Strom  oberhalb  durchquerende  Felsenriff  (auf  dem 
auch  der  Dom  steht)  ein  gefahrliches  und  der  Strömung  nicht  nachgebendes 
Hindernis  wurde.  Dazu  kam  die  etwa  1440  gebaute  hölzerne  Strombrücke 
mit  ihren  verhältnismäßig  engen  Öffnungen  und  die  vielen  SchifTmühlen,  die 
der  kräftigen  Strömung  wegen  gerade  in  dieser  Strecke  in  großer  Zahl  vor- 
handen waren.  Zur  Ausübung  des  der  Stadt  zustehenden  Stapel-  und  Um- 
laderechts war  dieser  Zustand  allerdings  günstig,  aber  für  den  diesem  Rechte 
nicht  unterworfenen  Verkehr  der  staatlichen  Salzschiffe  zwischen  Schönebeck 
und  Berlin  auf  die  Dauer  unerträglich.  Friedrich  der  Große  ließ  deshalb 
schon  während  des  Baues  des  Flauer  Kanals  einen  Entwurf  aufstellen,  um 
die  schwierige  Stromstrecke  mittels  einer  Kammerschleuse  zu  umgehen. 
Das  Bauwerk  wurde  in  der  Zeit  von  1743  bis  1747  von  der  städtischen  Bau- 
behörde (»Fähramt«)  auf  Kosten  des  Staates  ausgeführt. 

In  Abbildung  3  (S.  21)  ist  die  Lage  vom  Jahre  1764  dargestellt.  Die  Schleuse  hatte 
die  für  die  damalige  Zeit  großen  Abmessungen  von  etwa  75  m  Länge  und  8  m  Breite.  Die  von 
oben  kommende  Schiffahrt  ging  durch  den  Schleusenkanal  zur  Zollelbe,  deren  oberer  Lauf  (Mittel- 
elbe) damals  schon  verlandet  und  abgesperrt  war,  und  gelangte  durch  diese  unterhalb  der  Zitadelle 
wieder  in  die  Stromelbe,  a  ist  die  hölzerne  Brücke  mit  3  Mitteljochen  und  Eisbrechern,  d  die 
Pferdeelbe,  die  durch  den  Mühlendamm  vom  Strome  abgeschloßen  war  und  zur  unterhalb  gelegenen 
Ratsmühle  [c]  führte.  Die  Brücken  über  den  Schleusenkanal  und  über  die  ZoUelbe  waren  mit 
Aufzugsklappen  versehen,  die  Strombrücke  nicht.  Bei  Benutzung  der  neuen  Wasserstraße  konnten 
die  Schiffe  also  mit  stehendem  Mast  verkehren. 

Noch  im  Jahre  1870  wurde  die  Schleuse  von  2887  Schiffen  durchfahren;  aber  nach  Einführung 
der  Kettenschiffahrt  und  den  umfassenden  Stromverbesseningen  und  -Verbreiterungen  an  der  im  Jahre 
1862  neu  gebauten  Strombrücke  konnte  man  die  Schleuse  entbehren.    1889  wurde  sie  zugeschüttet. 

Diese  Schleuse  ist  bemerkenswert.  Gelegentlich  des  Streits  um  die  Wieder- 
einführung der  Schiffahrtabgaben  wurde  in  späterer  Zeit  behauptet,  daß  Schleu- 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  49 

sen  an  öffentlichen  Strömen  stets  von  allen  Schiffen  benutzt  werden  müßten'). 
Dies  Beispiel  zeiget,  daß  der  Schiffer  die  Wahl  hatte,  entweder  durch  den  offenen 
Strom  oder  durch  die  Schleuse  (unter  Erlegung  der  vorgeschriebenen  Abgabe) 
zu  fahren.  (Ähnlich  lagen  in  der  Zeit  von  1885  bis  1895  die  Verhältnisse  an  der 
Winske  bei  Oppeln.) 

In  den  Jahren  1786  und  1787  wurde  unterhalb  der  Stadt  bei  Rothen- 
see  durch  die  Königliche  Kriegs-  und  Domänenkammer  ein  Durchstich 
hergestellt.  Im  oberen  Laufe,  in  der  damals  kursächsischen  Elbe,  sind  unter- 
halb Pretzsch  die  ersten  Durchstiche  (bei  Kloeden,  Döbem,  Neubläsem)  in 
den  Jahren  1773  und  1774  ausgeführt  worden  und  im  Jahre  1810  folgte 
der  Durchstich  bei  Loßwig.  Aber  alle  diese  Durchstiche  wurden  mehr  zur 
Abwendung  von  Hochwasser-  und  Überschwemmungsgefahren  als  zur  Ver- 
besserung des  Fahrwassers  angelegt.  Ebenso  war  es  mit  den  Uferbauten. 
Die  seit  dem  Jahre  1790  hin  und  wieder  ausgeführten  Buhnen  galten  lediglich 
dem  Uferschutz  oder  der  Sicherung  der  Deiche,  wenn  diesen  der  Strom  mit 
seinen  vielfach  wechselnden  Windungen  in  gefahrliche  Nähe  gerückt  war.  Daß 
der  Beseitig^g  der  hinderlichen  und  gefahrlichen  Baumstämme  aus  dem  Fahr- 
wasser schon  eine  gewisse  Aufmerksamkeit  geschenkt  wurde,  wird  aus  dem 
Jahre  1727  berichtet.  Damals  wurde  den  Breslauer  Kaufleuten  von  der  preußi- 
schen Regierung  versprochen,  daß  sie  für  die  Entfernung  dieser  Schiffahrt- 
hindemisse zwischen  Krossen  an  der  Oder  und  Lenzen  an  der  Elbe  sorgen 
würde.  Man  erfahrt  nicht,  was  erfolgt  ist.  Dagegen  ist  bekannt,  daß  die 
Berliner  Schiffergilde  der  Regierung  die  Kosten  für  Baggerungen  und  andere 
Verbesserungen,  namentlich  in  der  Havel,  erstatten  mußte. 

Im  Gebiet  der  Saale  [S.  35)  wurden  in  diesem  Zeitraum  die  Schiffahrtanlagen  an  ver- 
schiedenen Stellen  verbessert.  Es  wurde  z.  B.  1694  der  Bau  der  Schleuse  Trotha  begonnen 
und  es  sind  im  Anschluß  daran  auch  die  Schleusen  bei  Gimritz,  Wettin  und  Rothenburg  herge- 
stellt worden.  Im  Jahre  1790  gab  der  Kurfürst  von  Sachsen  den  Auftrag  zu  einem  Kostenan- 
schlage für  die  Schiff barmachung  der  Saale  von  Weißenfels  aufwärts  bis  zur  Unstrut  und  dieses 
Flusses  aufwärts  bis  Artem.  1791  begann  der  Bau,  1793  war  die  Schleuse  bei  Karsdorf  und 
1794  die  bei  Ritteburg  fertig,  so  daß  im  Jahre  1795  die  Schiffahrt  zwischen  Weißenfels  und  Artem 
eröfihet  werden  konnte.  Die  geplante  Fortsetzung  von  Weißenfels  bis  Halle  wurde  durch  die 
Kriegsereignisse  unterbrochen. 

An  der  Moldau  bemühte  man  sich  im  Jahre  1641  die  Strecke  zwischen  Melnik  und  Prag 
durch  Felssprengungen  und  Räumungen  zu  verbessern  und  es  sollen  auch  165 1  sächsische  Schiffe 
bis  Prag  gelangt  sein.     Bald  darauf  wurden  die  Arbeiten  jedoch  wieder  eingestellt 

Der  damals  für  Prag  sehr  wichtige  Salzverkehr  aus  dem  Salzkammergut  ging  von  der  Donau 
von  Linz  über  Land  bis  Budweis  und  dann  auf  der  oberen  Moldau  (S.  36).  Diesem  Teil  des 
Flußlaufs  wurde  im  17.  und  18.  Jahrhundert  deshalb  besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet:  Man 
legte  Treidelwege  an  und  verbesserte  das  Fahrwasser  durch  Sprengungen  u.  dgl.  Am  Anfange 
des  18.  Jahrhunderts  versuchte  man  sogar  den  Bau  von  Kammerschleusen,  deren  Reste  noch  heute 
vorhanden  sind.  Zum  Schutze  des  Salzverkehrs  wurde  die  Beförderung  dieser  wichtigen  Ware 
auf  der  Elbe  verboten.  (Im  Jahre  1829  wurde  von  Linz  nach  Budweis  eine  Pferdeeisenbahn 
gebaut). 

In  den  Jahren  1777  bis  1785  wurde  der  32  km  lange  Eiderkanal,  der  die  Ostsee  bei 
der  Kieler  Bucht  mit  der  Eider  bei  Rendsburg  und  so  mit  der  Nordsee  bei  Tönning  verbindet, 
gebaut  und  mit  5  Schleusen  von  mindestens  35  m  Länge  und  8  m  Breite  versehen.    Dieser  vor- 

i)  Peters,  Schiffahrtsabgaben  I,  Leipzig  1906;  z.B.  S.  112,  115,  128. 
Teubert,  Binnenschiflahrt.  4. 


50  Abschnitt  n.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

wiegend  der  Küstenschiffahrt  dienende,  3,2  m  tiefe  Kanal  verschwand  bei  der  Erbauung  des  Kaiser- 
Wilhelm -Kanals  (1887  bis  1895),  der  mit  der  Untereider  bei  Rendsburg  durch  eine  besondere 
Schleuse  in  Verbindung  gebracht  wurde. 

Schiffahrtbetrieb.  Über  den  gewerblichen  Betrieb  der  Schiffahrt  in 
Ostdeutschland  durch  die  Gilden  und  Zünfte  liegen  nur  aus  dem  17.  und 
18.  Jahrhundert  nähere  Nachrichten  von  Berlin  und  Magdeburg  vor. 

Zwischen  Hamburg  und  Berlin  hatten  bis  zu  Mitte  des  17.  Jahrhunderts 
die  Hamburger  Schifi*er  den  Handel  ziemlich  allein  beherrscht,  da  die  Einfuhr 
von  Hamburg  viel  bedeutender  war  als  die  Ausfuhr  dahin.  Die  Waren  der 
Berliner  Kaufleute  wurden  daher  gewöhnlich  nur  als  Rückfracht  genommen. 
Nach  Herstellung  des  Friedrich- Wilhelm-Kanals  wurde  das  anders,  weil  der 
beträchtliche  schlesische  Handel  hinzukam.  Seitdem  beteiligten  sich  die  kur- 
fürstlichen Schiffer  so  lebhaft  an  diesem  Verkehr,  daß  auf  Antrag  der  Ham- 
burger Schiffer  die  Kurmärkische  Amtskammer  im  Jahre  1699  eine  Schiffahrt- 
ordnung erlassen  mußte.  Sie  wurde  nach  Verhandlungen  mit  den  Hamburgi- 
schen Behörden  im  Jahre  1700  erweitert  und  von  beiden  Staaten  bestätigt^). 
Ihr  wesentlicher  Inhalt  war  die  Einführung  der  Reihefahrt  (auch  »Bort«-  oder 
>Beurtfahrt€  und  »Rangschiffahrt«  genannt).  Diese  auch  auf  anderen  Wasser- 
straßen häufig  eingeführte  Einrichtung  besteht  darin,  daß  der  freie  Wettbewerb 
der  Schiff*er  im  Aufsuchen  der  Frachten  aufhört  und  dafür  jeder  Schiffier,  ohne 
Ansehung  der  Person  und  des  Schiffs,  eine  Ladung  bekommt,  sobald  er  an 
der  Reihe  ist.  Dies  Verfahren  soll  zuerst  in  Hamburg  im  Jahre  1442  in  dem 
Verkehr  mit  Stade  eingeführt  worden  sein.  Der  freie  Wettbewerb  gibt  dem 
Kaufmann  den  Vorteil,  daß  er  seine  Waren  dem  ihm  als  zuverlässig  bekannten 
und  mit  einem  guten  Fahrzeuge  versehenen  Schiffer  anvertrauen  kann,  fuhrt 
aber  zu  Mißbräuchen,  wenn  der  Schiffer,  um  Ladung  zu  bekommen,  sich 
entweder  selbst  oder  durch  Vermittler  an  die  Angestellten  des  Kaufmanns 
wendet  und  diese  besticht. 

Ein  anderer  Nachteil  bestand  darin,  daß  die  Schiffer  erst  abfuhren,  wenn 
sie  ihre  Ladung  vervollständigt  hatten,  und  die  Kaufleute  zuweilen  wochen- 
und  monatelang  warten  mußten,  bis  ihre  Waren  abgingen.  Bei  der  Reihe- 
fahrt hingegen  wird  Schiff  nach  Schiff  vollbeladen  und  kann  sofort  die  Reise 
antreten;  aber  der  nachlässige,  unzuverlässige  Schiffer  hat  dieselben  Vorteile 
wie  der  tüchtige  und  umsichtige  und  das  gut  gebaute  imd  gut  gehaltene 
Schiff*  wird  nicht  nach  Verdienst  gewürdigt.  Die  Reihefahrt  hat  außerdem 
den  großen  Vorzug,  daß  das  gegenseitige  Herunterdrücken  der  Frachtsätze 
fortfällt. 

Diese  schwankenden  Vor-  und  Nachteile  haben  ebenso  oft  Veranlassung 
gegeben,  die  Reihefahrt  einzufuhren,  als  sie  wieder  aufzuheben. 

Im  vorliegenden  Falle  war  die  Beteiligung  an  der  Reihefahrt  an  die  Be- 
dingung geknüpft,  daß  der  Schiffer  entweder  in  Berlin  oder  in  einem  anderen 


i)  Toe che- Mittler,  Der  Friedrich-Wilhelm-Kanal  und  die  Berlin-Hamburger  Flußschiff- 
fahrt.   Leipzig  1891. 


3«  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  51 

märkischen  Orte  oder  in  Hamburg  ein  eigenes  Haus  besitzen  mußte.  Um 
die  Schnelligkeit  der  Fahrten  zu  vermehren,  war  vorgeschrieben,  daß  jeder 
Schiffer  nur  einen  »Mast«,  d.  h.  ein  Segelschiff,  und  zwei  »Anhänge«  führen 
durfte.  Bei  niedrigen  Wasserständen  war  es  ihm  erlaubt,  zum  Zweck  des 
Ableichterns  noch  einen  dritten  leeren  Anhang  mitzufuhren. 

Anfangs  ging  die  Sache  gut.  Bald  aber  waren  in  Hamburg  sowohl  die 
Kaufleute  wie  ihre  Angestellten  und  die  Vermittler,  denen  der  Nebenverdienst 
entging,  unzufrieden,  zumal  trotz  der  erlassenen  Vorschriften  eine  Reihe  von 
unzuverlässigen  Schiffern  es  verstanden  hatte,  bei  der  Reihefahrt  zugelassen 
zu  werden.  Auch  führten  die  Breslauer  Kaufleute  Beschwerde  darüber,  daß 
ihre  Waren  in  Berlin  auf  schlechte  Schiffe  umgeladen  würden.  Es  ist  be- 
merkenswert, daß  auf  diese  Klage  hin  später,  im  Jahre  1727  angeordnet 
wurde,  die  reihefahrenden  Schiffe  alljährlich  zweimal  unter  Aufsicht  auf  ihre 
Brauchbarkeit  zu  untersuchen. 

Um  ungeeignete  Schiffer  von  der  Reihefahrt  auszuschließen,  wurde  für 
den  Hamburger  Verkehr  im  Jahre  1716  die  »Kurmärkische  Eibschiffer- 
gilde« gegründet.  Zunächst  war  die  Zahl  der  Mitglieder  nicht  beschränkt. 
Alle  an  der  Spree,  Havel  oder  Elbe  in  Preußen  ansässigen  Schiffer  mußten 
der  Berliner  Gilde  beitreten,  wenn  sie  an  der  Hamburger  Reihefahrt  teil- 
nehmen woUten.  Die  Aufnahme  war  an  mancherlei  Bedingungen,  u.  a.  auch 
an  die  Einzahlung  von  120  Mark  geknüpft.  Durch  die  Gilde  waren  deren 
Mitglieder  wohl  gegen  den  unberechtigten  Wettbewerb  ihrer  Landsleute  ge- 
schützt, aber  nicht  gegen  die  Hamburger,  die  unter  wiederholten  Verletzungen 
der  Bestimmungen  der  Schiffahrtordnung  von  1700  die  märkischen  Schiffer 
zu  keinem  einträglichen  Geschäft  kommen  ließen.  Die  Klagen  und  Be- 
schwerden hörten  nicht  auf.  Um  die  Berliner  Gilde  vor  dem  Untergange  zu 
retten,  griff  nach  wiederholten  nutzlosen  Verhandlungen  mit  Hamburg  die 
preußische  Staatsregierung  im  Jahre  1748  kräftig  ein  und  bestimmte,  daß 
hinfort  unter  Ausschließung  der  Hamburger  Schiffer  die  Warenbeförderung 
zwischen  Berlin  und  Hamburg  nur  durch  die  Reihefahrt  der  Gilde  bewirkt 
werden  solle,  deren  Mitgliederzahl  zunächst  auf  24  festgesetzt  wurde.  Jetzt 
entwickelte  sich  die  Gilde  nach  Wunsch,  besonders  nachdem  sie  von  der  Be- 
drückung und  Abhängigkeit  von  den  Hamburger  Unterhändlern  durch  Ein- 
richtung einer  besonderen  »Inspektion  für  die  märkischen  Schiffe«  in  Hamburg 
befreit  war.  Zur  Beseitigung  der  vielen  Streitigkeiten  zwischen  den  Schiffern 
und  der  Schiffbemannung  wurden  in  den  Jahren  1774  und  1790  besondere 
Lohntarife  amtlich  festgesetzt. 

Gegen  Ende  des  Jahrhunderts  wurde  der  Verkehr  sehr  gering,  so  daß 
die  24  Gildeschiffer  zuweilen  nicht  ausreichende  Beschäftigung  fanden.  Es  ist 
übrigens  für  diese  Zeit  bemerkenswert,  daß  auf  dem  Berliner  Packhof  ein 
einziger  Kran  genügte,  weil  die  gesamte  Warenbeförderung  von  Hamburg  nach 
Berlin  auch  in  den  besseren  Jahren  nicht  mehr  als  etwa  1 2  000  t  betrug.  Die 
Gilde  wurde  durch  das  Gewerbesteuer-Edikt  von  18 10  endgültig  aufgehoben. 

4* 


52  Abschnitt  n.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Von  Magdeburg  war  schon  (S.  38)  erwähnt  worden,  daß  im  Laufe 
des  dreißigjährigen  Krieges  sein  Stapehecht  sowohl  von  den  Hamburgern 
wie  von  den  kursächsischen  Schiffern  häufig  mißachtet  wurde.  Daran 
waren  zum  Teil  die  unaufhörlichen  Streitigkeiten  zwischen  der  Kaufmanns- 
Innung  und  der  Schifferbrüderschaft  schuld.  Diese  bestand  seit  dem 
16.  Jahrhundert,  hatte  im  Jahre  1635  eine  neue  Satzung  erhalten  und  wurde 
von  den  brandenburgisch-preußischen  Landesherren  in  ihren  Rechten  wieder- 
holt bestätigt.  Die  kleine  Zahl  ihrer  Mitglieder  konnte  den  Anforderungen 
des  wachsenden  Handels  nicht  genügen;  die  Brüderschaft  sträubte  sich  aber, 
andere  Bürger  und  Steuerleute  mit  ihren  Schiffen  aufzunehmen.  Von  Fried- 
rich dem  Großen  wurde  das  Stapelrecht  der  Stadt  im  Jahre  1747  in  aller 
Strenge  wieder  erneuert  und  allen  fremden  Schiffen  die  Durchfahrt  durch  die 
Stadt  verboten.  Handel  und  Schiffahrt  blühten  auf;  aber  die  inneren  Streitig- 
keiten nahmen  wieder  zu,  weil  die  Brüderschaft  die  Waren  nicht  mit  ge- 
w^ünschter  Pünktlichkeit  von  und  nach  Hamburg  befördern  konnte  und  es 
ablehnte,  andere  »Kahnführer«,  namentlich  aus  Tangermünde  heranzuziehen. 
Die  Bezeichnung  »Schiffer«  (später  »Großschiffer«)  stand  nämlich  nur  den 
22  Mitgliedern  der  Brüderschaft  zu,  von  denen  jedes  über  eine  größere  An- 
zahl von  Fahrzeugen  verfugte,  die  von  seinen  Steuerleuten  geführt  wurden. 
Auch  wegen  der  Höhe  der  Frachten  entstand  viel  Streit  und  ein  von  der 
Regierung  eingeführter  Tarif  hatte  keinen  Erfolg.  Um  eine  schnellere  Be- 
förderung der  Kaufmannsgüter  zu  erreichen,  vereinbarten  die  Schiffer  unter 
sich  im  Jahre  1748  eine  Reihefahrt,  die  sich  aber  1761  wieder  auflöste.  Im 
Jahre  1763  versuchte  die  Regierung  das  Verhältnis  zu  bessern,  indem  sie 
verordnete,  daß  alle  Mitglieder  der  Brüderschaft  in  die  Kaufmanns-Innung  und 
die  Kaufleute  in  die  Schifferbrüderschaft  aufgenommen  werden  und  dann  selbst 
die  Schiffahrt  betreiben  sollten.  Auch  dies  Mittel  schlug  fehl,  weil  beide  Par- 
teien dagegen  waren.  Die  Streitigkeiten  gingen  weiter  und  wurden  noch  durch 
den  Streit  zwischen  den  Schiffern  und  den  Kahnführern  vermehrt,  weil  diese 
von  den  Kaufleuten  zur  Warenbeförderung  mit  herangezogen  wurden. 

Im  Jahre  1775  wurde  vom  Staate  eine  Reihefahrt  zwischen  Hamburg 
und  Magdeburg  angeordnet.  Dabei  wurde  bestimmt,  daß  an  beiden  Orten 
nur  ein  Schiffer  mit  einer  Schute  oder  zwei  Kähnen  und  außerdem  drei  Kahn- 
führer mit  je  einem  Kahn  gleichzeitig  in  Ladung  liegen  sollten.  Die  Größe 
der  letzteren  Kähne  wurde  jedoch  auf  40  bis  50  t  Tragfähigkeit  begrenzt. 
Hiermit  war  für  längere  Zeit  Ruhe  geschaffen  worden.  Im  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  wurde  auch  diese  Brüderschaft  aufgehoben. 

Die  Schiffe  auf  den  ostdeutschen  Strömen,  die  am  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts fast  alle  durch  die  erwähnten  Kanäle  verbunden  waren,  hatten  sehr 
verschiedene  Größe  und  Bauart.  Man  unterschied  Schuten,  Gellen,  Jachten, 
Elb-,  Oder-,  Havel-  und  Spreekähne.  Die  Oderschiffe  hatten  im  17.  und 
iS,  Jahrhundert  Tragfähigkeiten  von  höchstens  20  bis  ausnahmsweise  25  t  und 
waren  gewöhnlich  mit  einem  Steuermann  und  zwei  Schiffsknechten  bemannt. 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschifif.  53 

Es  wird  berichtet,  daß  die  Schleusen  des  Friedrich- Wihelm-Kanals  je  6  Oder- 
schifTe  von  lo  bis  12  t  Trag^fahigkeit  auf  einmal  fassen  konnten.  Die  Schiffe 
der  Beriiner  Schiffergilde  waren  größer,  da  von  ihr  Schiffe  von  20  bis  25  t 
als  besonders  klein  bezeichnet  wurden.  Das  zuerst  durch  den  Finowkanal 
fahrende  Schiff  war  etwa  28  m  lang  und  2,9  m  breit.  Die  vorerwähnten  Oder- 
schiffe  werden  nur  15  bis  20  m  lang  und  2,3  bis  2,6  m  breit  gewesen  sein. 
Alle  diese  Schiffe  waren  offen. 

Die  Eibschiffe  und  namentlich  die  Hamburger  Schiffe  (meistens  Schuten 
genannt)  waren  dagegen  oft  mit  Verdeck  versehen  und  im  allgemeinen  mehr 
als  doppelt  so  groß  wie  die  Oder-  und  Spreeschiffe.  Um  die  Mitte  des 
17.  Jahrhunderts  wird  wiederholt  darüber  geklagt,  daß  die  Hamburger  sogar 
mit  Schiffen  von  über  200  t  Tragfähigkeit  nach  Berlin  kamen.  Auch  noch 
aus  dem  18.  Jahrhundert  findet  man  viele  Klagen  der  Kaufleute,  namentlich 
der  Breslauer  und  Magdeburger,  über  die  zu  großen  Schiffe,  weil  es  meistens 
lange  Zeit  dauerte,  bis  diese  volle  Fracht  hatten  und  die  Ablieferung  der 
zuerst  geladenen  Waren  dadurch  um  so  mehr  verzögert  wurde.  Die  von 
der  Magdeburger  Schifferbrüderschaft  zugelassenen  Kahnfiihrer  durften  z.  B., 
wie  erwähnt,  nur  mit  Schiffen  von  40  bis  50  t  Tragfähigkeit  nach  Ham- 
burg fahren  und  wurden  deshalb  von  den  Kaufleuten  ofl  bevorzugt.  Man 
muß  dabei  berücksichtigen,  daß  es  sich  damals  vor  Einfuhrung  der  Eisen- 
bahnen vorwiegend  um  wertvolle  Waren  handelte  und  die  Beförderui^  wohl- 
feiler Massengüter  noch  nicht  üblich  war.  Dann  allerdings  drängte  die  Er- 
sparnis an  Beförderungskosten  schon  um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  auf 
Vergrößerung  der  Schiffe. 

Das  traf  z.  B.  auf  die  Beförderung  von  Salz  aus  den  staatlichen  Salinen 
von  Schönebeck  a.  E.  nach  Berlin  und  Stettin  zu,  die  vom  Staate  selbst  be- 
trieben wurde.  Von  der  Eröffnung  des  Flauer  Kanals  wird  berichtet,  daß 
das  erste  durchfahrende  Salzschiff  eine  Länge  von  39,2  m,  eine  Breite  von 
von  6,6  m  und  einen  Tiefgang  von  1,3  m  gehabt  habe.  Das  würde  einer 
Tragfähigkeit  von  260  bis  270  t  entsprechen  und  solche  Schiffe  waren  da- 
mals wahrscheinlich  sehr  selten.  Es  wird  wohl  gewissermaßen  nur  ein  Parade- 
schiff gewesen  sein;  denn  im  Jahre  1749  wurde  vom  Staate  der  »Versuch« 
gemacht,  für  den  fraglichen  Salzverkehr  größere  Schiffe,  als  bisher  üblich, 
zu  erbauen  und  in  Betrieb  zu  stellen,  und  diese  Schiffe  waren  bis  35  m  lang, 
bis  5  m  breit,  1,2  m  hoch  und  hatten  bei  i  m  Tiefg^ang  nur  eine  Trag- 
fähigkeit von  etwa  140  t.  Sie  haben  sich  bei  der  Fahrt  durch  die  Kanäle 
und  Schleusen  (besonders  im  Finowkanal)  nicht  bewährt  und  mußten  bald 
wieder  unter  den  Kosten  verkauft  werden. 

Die  Fortbewegung  der  Schiffe  geschah  auf  den  Flüssen  talwärts  durch 
Treiben  mit  der  Strömung,  zuweilen  mit  Unterstützung  von  Segeln;  auf  den 
Kanälen  wurde  mit  Hilfe  der  Schiffmannschaft  getreidelt.  Für  die  Berg- 
fahrt auf  den  Strömen  wurde  gewöhnlich,  namentlich  von  Hamburg  aus, 
eine   gewisse  Zahl  (6  bis    10)   von  »Zugknechten«    angeworben,   die   in  der 


54  Abschnitt  TL.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Regel  vom  Ufer  aus  das  Schiff  zogen.  Wenn  dies  in  sehr  verwilderten 
Stromstrecken  nicht  gelang  und  auch  kein  zum  Segeln  hinreichender,  günsti- 
ger Wind  wehte,  wurde  das  Treidelseil  mittels  Handkahn  eine  Strecke  strom- 
auf befördert  und  an  einem  Anker  oder  einem  anderen  sicheren  Punkte  fest- 
gemacht. Das  andere  Ende  wurde  zum  Schiff  zurückgebracht  und  die  Zug- 
knechte nebst  der  Mannschaft  zogen  (Schifferausdruck  > melken«)  daran  das 
Schiff  vorwärts.  Dieser  Betrieb,  den  man  »Warpschiffahrt«  (»warpen«  wohl 
von  werfen)  nennt,  findet  sich  in  späterer  Zeit  auch  zuweilen  auf  anderen 
Strömen,  z.  B.  der  Donau,  und  war  namentlich  auf  der  Wolga  sehr  üblich. 
An  der  oberen  Elbe  wurde  auch  mit  Pferden  getreidelt,  namentlich  zwischen 
Dresden  und  Tetschen,  wo  eine  Art  von  Leinpfad  vorhanden  war.  Doch 
war  das  sonst  nur  auf  sehr  kurzen  Strecken  der  Elbe  möglich. 

Von  großer  Bedeutung  für  die  Binnenschiffahrt  in  den  östlichen  preußi- 
schen Provinzen  wurde  das  1794  erlassene  Allgemeine  Landrecht.  Wichtig 
sind  besonders  die  Bestimmungen,  daß  alle  von  Natur  schiffbaren  Ströme  als 
öffentliche  im  gemeinen  Eigentum  des  Staates  stehen,  der  für  die  ihm  zu- 
stehenden Nutzungen  verpflichtet  ist,  für  die  zur  Sicherheit  und  Bequemlich- 
keit der  Schiffahrt  nötigen  Anstalten  zu  sorgen.  Ferner  ist  darin  bestimmt 
ausgesprochen,  daß  (abgesehen  von  den  früheren  Vorrechten  der  Gilden)  die 
Schiffahrt  auf  öffentlichen  Flüssen  unter  den  vom  Staat  festgesetzten  Be- 
dingungen (Abgaben  und  Polizeivorschriften)  einem  jeden  erlaubt  ist.  Auch 
das  Leinpfadrecht  der  Schiffer  wurde  dadurch  festgelegt  und  alle  eigenmäch- 
tigen Bauten  und  Handlungen  an  und  in  den  öffentlichen  Flüssen  verboten. 
Westdeutschland. 

In  der  Zeit  zwischen  der  Erfindung  der  Kammerschleuse  und  der  Er- 
findung des  Dampfschiffs  hat  sich  die  Binnenschiffahrt  im  westlichen  Deutsch- 
land nicht  so  entwickelt  wie  im  östlichen.  Zur  Anlage  von  Kanälen  waren 
zum  Teil  die  natürlichen  Vorbedingungen  nicht  vorhanden ;  besonders  fehlten 
aber  dort  größere  Staaten  sowie  kraft-  und  einsichtsvolle,  bedeutende  Landes- 
herren. 

Im  Wesergebiet  blieben  wie  in  früherer  Zeit  (S.  26)  Münden  und  Hameln 
die  schwierigsten  Stellen.  Das  Mündener  Stapelrecht  und  die  1640  bestätigte 
Schiffergilde  verhinderten  den  durchgehenden  Verkehr  zur  Werra  und  Fulda. 
Trotzdem  bestand  im  15.  und  16.  Jahrhundert  auf  der  Werra  eine  ziemlich 
lebhafte  Talschiffahrt  von  Wannfried,  das  1608  das  Stapelrecht  erhielt,  bis 
Münden,  wo  die  Schiffe  gewöhnlich  verkauft  wurden.  Es  wird  berichtet,  daß 
der  Landgraf  Moritz  von  Hessen  im  Jahre  1602  die  Werra  oberhalb  Wann- 
fried bis  Meiningen  schiffbar  machen  wollte,  aber  die  Zustimmung  der  übrigen 
Uferanlieger  nicht  gewinnen  konnte.  Der  Herzog  von  Sachsen- Gotha  ver- 
anlaßte  im  Jahre  1659  einige  Probefahrten  auf  dieser  oberen  Strecke  von 
Themar  nach  Salzungen  und  Wannfried,  stieß  aber  auf  ähnliche  Schwierig- 
keiten. Unterhalb  Wannfried  entwickelte  sich  die  Schiffahrt  besser:  Die  An- 
fang des  17.  Jahrhunderts  an  den  Stauanlagen  eingerichteten  Schiffdurchlässe 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  55 

wurden  im  i8.  Jahrhundert  durch  Kammerschleusen  von  ziemlich  großen 
Abmessimgen  (34  bis  40  m  lang,  4,15  bis  4,25  m  breit)  ersetzt.  Die  Schleuse 
bei  Allendorf  wurde  z.  B.  im  Jahre  1739  gebaut. 

(Im  Jahre  1850  wollte  man  die  Schiffahrtanls^en  der  Werra  verbessern, 
konnte  aber  die  Zustimmung  Hannovers  nicht  erlangen.  1877  ist  dann  end- 
lich in  Münden  (an  Stelle  des  7,3  m  weiten  »Hohls«  im  Wehr)  eine  Schleuse 
gebaut  worden.     Aber  das  kam  zu  spät:    die  Schiffahrt   war  verschwunden.) 

Die  Fulda  soll  der  Landgraf  Moritz  etwa  um  1600  von  Kassel  aufwärts  bis  Hersfeld 
durch  Anlage  von  6  Schiffdurchlässen  schiffbar  gemacht  haben.  Im  18.  Jahrhundert  sind  diese 
durch  Kammerschleusen  (25  bis  35  m  lang  und  3,8  bk  4,6  m  breit)  ersetzt  worden,  von  denen 
die  5  unteren  noch  vorhanden  sind.  Der  Landgraf  Karl  von  Hessen  hatte  Anfangs  des  18.  Jahr- 
hunderts große  Wasserstraßen-Pläne:  um  das  hinderliche  Stapelrecht  von  Münden  zu  umgehen, 
wollte  er  eine  künstliche  Wasserstraße  von  Karlshafen  bis  Kassel  bauen  (1717),  die  zunächst 
von  der  Weser  durch  die  noch  vorhandene  Schleuse  zum  Hafenbecken  von  Karlshafen  anstieg, 
von  dort  der  aufgestauten  Diemel  bis  zur  Esse-Mündung  folgen  und  dann  als  Kanal  durch  das 
Esse-  und  Ahnetal  nach  Kassel  geführt  werden  sollte.  Von  der  niemals  fertig  gewordenen 
Wasserstraße  sind  jetzt  noch  einige  Reste  vorhanden.  Dieser  Landgraf  soll  auch  die  Absicht 
gehabt  haben,  von  der  Fulda  einerseits  einen  Kanal  durch  die  Schwalm  zur  Lahn  und  andrer- 
seits einen  solchen  zur  mittleren  Werra  anzulegen.    Doch  diese  Pläne  wurden  nicht  verwirklicht. 

In  Münden  blühte  Schiffahrt  und  Handel  am  Ende  des  17.  und  im 
18.  Jahrhundert  außerordentlich,  namentlich  am  Ende  des  letzteren  während 
der  Kontinentalsperre.  Da  ging  der  Rheinhandel  zum  großen  Teil  auf  die 
Weser  über,  indem  Nürnberg,  Augsburg  und  Frankfurt  a.  M.  über  Münden 
verfrachteten.  Bemerkenswert  für  den  lebhaften  Handel  in  Münden  ist  es,  daß 
selbst  die  Sackträger  dort  eine  Gilde  bildeten,  die  1738  bestätigt  wurde.  Die 
Mündener  Schiffergilde  hatte  allein  das  Recht,  die  Fulda  bis  Kassel  zu  be- 
fahren, während  sie  auf  der  Werra  mit  den  hessischen  Schiffern  gleich  be- 
rechtigt war. 

Das  Stau  von  Hameln  war  ein  großes  Schiffahrthindernis,  zumal  dort 
bis  etwa  1634  nur  eine  Wehrlücke  (»Fiehre«)  bestand.  Dann  wurde  das  Wehr 
neugebaut  und  an  der  Stadtseite  ein  Schiffdurchlaß  (Freiflut- Schleuse)  an- 
gelegt. Trotz  der  für  die  Bergfahrt  der  Schiffe  angebrachten  Winde  war  die 
Durchfahrt  gefährlich  und  auch  eine  Vergrößerung  der  Weserschiffe  war  da- 
durch unmöglich  gemacht.  Die  Hamelner  waren  mit  dem  Zustande  zufrieden, 
weU  sie  beim  Leichten  und  Umladen  verdienten,  und  wollten  keine  Schleuse, 
trotz  des  Drängens  von  Bremen  und  Münden.  Zugunsten  der  letzteren  Stadt 
ließ  die  hannoversche  Regierung  in  den  Jahren  1732/33  eine  Kammerschleuse 
erbauen.    Sie  wurde  49,6  m  lang  und  5,85  m  breit  aus  Stein  hergestellt. 

Im  übrigen  bestanden  im  Fahrwasser  der  Weser  die  alten  Mängel: 
Fisch  wehre,  Baumstämme  und  Klippen.  Von  wesentlichen  Verbesserungen 
während  dieses  Zeitraums  ist  außer  zwei  Durchstichen,  von  denen  je  einer  von 
Preußen  und  Hannover  im  18.  Jahrhundert  ausgeführt  wurde,  nichts  bekannt. 
Die  notdürftige  Freihaltung  des  Fahrwassers  war  Sache  der  Schiffergilden  in 
Münden  und  Vlotho,  die  dafür  zur  Erhebung  von  »Mastengeld«  befugt  waren. 
Die  Vlothoer  Güde  besorgte  den  Verkehr  von  Hameln  bis  Bremen. 


56  Abschnitt  IL     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Auf  den  Nebenflüssen,  namentlich  auf  der  Aller,  entwickelte  sich  die  Schiffahrt  gut  bis 
Celle,  wo  sich  die  unterste  Stauanlage  befand.  Im  18.  Jahrhundert  machte  man  den  Versuch, 
den  Fluß  weiter  hinauf  bis  Gifhom  schiffbar  zu  machen  und  baute  1747  bei  Dieckhorst  eine 
Schleuse.     Die  Arbeiten  wurden  aber  1773  aufgegeben. 

Auf  der  Leine  unterhalb  Hannover  war  die  Schif&hrt  unbedeutend.  1749  wurde  neben 
dem  Mühlenwehr  bei  Neustadt  a.  R.  eine  Schleuse  von  47,4  m  Länge  und  5,2  m  Breite   erbaut. 

Der  im  Mittelalter  ziemlich  lebhafte  Verhehr  auf  der  Oker  bis  Braunschweig  ging  schon 
im  15.  Jahrhundert  zurück  und  die  Versuche,  die  Schiffahrt  zu  heben,  schlugen  fehl. 

Die  Größe  der  Schiffe  im  Wesergebiet  war  im  Ober-  und  Unterlauf 
verschieden,  besonders  vor  Erbauung  der  Hamehier  Schleuse.  Auf  der  oberen 
Fulda  und  der  oberen  Werra  verkehrten  nur  Schiffe  von  10  bis  12  t  Trag- 
fähigkeit (etwa  18  m  lang  und  1,7  m  breit).  Auf  der  unteren  Werra  und 
Fulda  sollen  im  18.  Jahrhundert  die  Schiffe  (bis  27  m  lang  und  3,5  m  breit) 
bereits  30  bis  40  t  Tragfähigkeit  besessen  haben.  Auf  der  Weser  unter- 
schied man  Böcke  von  60  bis  80  t  Tragfähigkeit  (35  bis  36  m  lang  und 
2,5  bis  2,8  m  breit),  Hinterhänge  von  40  bis  50  t  Tragfähigkeit  (32  bis  33  m 
lang  und  1,8  bis  2,2  m  breit)  und  Bullen  von  etwa  20  t  Tragfähigkeit  (18  bis 
20  m  lang  und  1,2  bis  1,5  m  breit).  Ein  Bock,  ein  Hinterhang  und  ein  Bulle 
bildeten  zusammen  einen  »Mast«  und  wurden  zusammen  befördert,  wobei  die 
beiden  letztgenannten  Schiffe  oft  nur  leer  als  Leichterschiffe  mitgefiihrt  wur- 
den. Nach  dem  Bau  der  Hamelner  Schleuse  wurden  die  Schiffe  größer;  doch 
liegen  genaue  Mitteilungen  darüber  nicht  vor.  Im  Jahre  1790  sollen  auf  der 
Weser  76  Böcke,  84  Anhänge  und  etwa  20  Bullen  im  Gebrauch  gewesen 
sein;  außerdem  noch  64  Bullen  als  besondere  Leichterschiffe. 

Die  Fortbewegung  geschah  zu  Berg  ausschließlich  durch  Treideln. 
Ein  Mast  wurde  von  Bremen  bis  Hameln  durch  40  bis  70  Menschen  ge- 
zogen, von  Hameln  bis  Münden  dagegen  durch  Pferde.  Es  wäre  gut  aus- 
führbar gewesen,  auch  unterhalb  Hameln  mit  Pferden  zu  treideln;  aber  die 
hannoversche  Regierung  widersetzte  sich  diesem  Unternehmen,  um  den  Ufer- 
anwohnern nicht  ihre  Einnahmen  zu  entziehen.  Erst  im  Jahre  1814  gab  sie 
den  Wünschen  der  Schiffer  nach  und  erlaubte  die  Pferdetreidelei  gegen  Er- 
legung eines  »Triftgeldes«. 

So  litt  die  Schiffahrt  an  der  Weser  unter  vielen  Abgaben  und  Lasten. 
Außer  den  22  Zollstätten  zwischen  Bremen  und  Münden  war  z.  B.  noch  das 
Kommandantengeld  und  Geleitsgeld  für  die  militärische  Begleitung  zu  bezahlen. 

Im  Jahre  1724  wurde  eine  Reihe  fahrt  auf  der  Weser  zwischen  Münden 
und  Bremen  vereinbart;  sie  wurde  aber  bald  wieder  aufgehoben,  besonders 
weil  die  verschiedenen  Staaten  sich  nicht  darüber  einigen  konnten. 

Am  Rhein  wurde  naturgemäß  die  Schiffahrt  durch  die  Erfindung  der 
Kammerschleuse  nicht  berührt;  aber  der  gleichzeitig  eintretende  Umschwung 
des  Welthandels  (S.  31)  gab  Holland  ein  bedeutendes  Übergewicht  über  die 
anderen  Rheinuferstaaten,  da  vom  16.  Jahrhundert  an  die  meisten  wertvollen 
Waren  aus  den  überseeischen  Ländern  bergwärts  befördert  wurden.  All- 
mählich beherrschten  die  holländischen  Häfen  den  ganzen  Rheinhandel,  zumal 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  57 

nachdem  durch  den  westfälischen  Frieden  (1648)  die  Scheide  für  die  Schiff- 
fahrt gesperrt  worden  war.  Zu  den  drückenden  Rheinzöllen  traten  damals 
noch  die  von  Holland  eingeführten  Durchgangszölle,  Köln,  Mainz  und  Straß- 
burg hielten  an  ihrem  Stapelrecht  fest,  was  immer  wieder  zu  Streitigkeiten 
Veranlassung  gab.  Ebenso  war  es  mit  den  Schifferzünften.  Am  Ende  des 
dreißigjährigen  Krieges  lagen  die  Verhältnisse  so,  daß  die  Baseler  abwärts 
bis  Straßburg  und  zuweilen  noch  weiter  fuhren,  während  sie  aufwärts  nur  mit 
Erlaubnis  der  Straßburger  Zunft  Waren  befördern  durften.  Die  Straßburger 
hingegen  fuhren  abwärts  bis  Mainz,  Frankfurt  und  zuweilen  bis  Köln  und 
aufwärts  bis  Basel,  während  sie  bei  der  Fahrt  von  Basel  abwärts  nur  berech- 
tigt waren,  Wallfahrer  (aus  Kloster  Einsiedeln  in  der  Schweiz)  nach  Frankfurt 
zu  befördern.  Die  Mainzer  Schiffer  befuhren  den  Rhein  bis  Köln  und  den 
Main  bis  Würzburg').     Doch   diese  Bestimmungen  änderten  sich  zeitweilig. 

Straßburg  führte  1650  für  den  Güterverkehr  mit  Mainz  bestimmte  Fracht- 
sätze und  eine  Rangschiffahrt  (»Umgang«)  ein,  die  im  Jahre  1752  neu 
geordnet  wurde,  aber  nicht  den  Beifall  der  Kaufleute  fand,  weil  sie  nicht 
mehr  die  Schiffe  nach  Belieben  auswählen  konnten.  Im  Jahre  1738  bemühte 
man  sich  auch  zwischen  Mainz  und  Köln  eine  Rangschiffahrt  einzurichten; 
doch  kam  diese  nicht  zustande. 

Bemerkenswert  ist,  daß  im  Jahre  1782  ein  regelmäßiger  Güterverkehr 
zwischen  Straßburg  und  Mainz  in  der  Weise  betrieben  wurde,  daß  an  jedem 
zehnten  Tage  ein  Güterschiff  abgefertigt  wurde. 

Als  im  Jahre  1794  das  ganze  linke  Rheinufer  mit  Köln  an  Frankreich 
fiel,  trat  fiir  die  Schiffahrt  ein  großer,  im  allgemeinen  günstiger,  Umschwung 
ein,  indem  neue  fortschrittliche  Gesetze  zur  Einführung  kamen.  So  waren 
z.  B.  durch  das  französische  Gesetz  von  1791  über  die  Gewerbefreiheit  alle 
Zünfte  u.  dgl.  aufgehoben  worden.  Allerdings  duldete  die  Regierung  am 
Rhein  zunächst  die  bestehenden  Schifferzünfte:  es  entstand  ihnen  aber  all- 
mählich eüi  merklicher  Wettbewerb  durch  viele  neu  auftretende  Schiffer  aus 
anderen  Rheinuferorten.  Auch  das  Stapelrecht  von  Mainz  und  Köln  blieb 
zunächst  unbehindert  und  wurde  sogar  1798  von  der  Regierung  bestätigt  — 
zum  großen  Kummer  von  Frankfurt  und  Düsseldorf,  In  demselben  Jahre 
wurden  in  Frankreich  und  auch  in  Köln,  Straßburg,  Krefeld  und  Aachen  die 
Handelskammern  eingerichtet. 

Sehr  gestört  wurde  die  Schiffahrt  durch  den  Umstand,  daß  in  diesem  Jahre 
die  französische  Grenze  in  den  Talweg  des  Rheins  gelegt  wurde  und  der  Ver- 
kehr von  Ufer  zu  Ufer  stets  über  die  Zollgrenze  ging.  Die  strenge  Bewachung 
der  Grenze,  die  peinliche  Durchsuchung  der  Schiffe  und  die  hohen  Einfuhrzölle 
vertrieben  die  Schiffahrt  vom  Strome  und  die  Landstraßen  am  rechten  Ufer 
wurden  um  so  belebter.  Um  die  Verhältnisse  zu  bessern,  bewilligte  Napoleon 
später  (1804)  den  Städten  Köln  und  Mainz  die  Einrichtung  von  Freihäfen. 


i)  Lop  er,  Die  Rheinschiffahrt  Straßburgs  in  früherer  Zeit.   StraT^burg  1877. 


58  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Die  französische  Regierung  war  bestrebt,  die  Schiffahrtverhältnisse  gründ- 
lich zu  verbessern  und  nach  dem  Reichsdeputationshauptschluß  von  1803 
kam  es  im  Jahre  1804  zu  dem  segensreichen  Oktroivertrage  zwischen 
Frankreich  und  Deutschland.  Zunächst  handelte  es  sich  dabei  um  die  Rege- 
lung der  Flußzölle,  worüber  im  nächsten  Abschnitt^)  gesprochen  werden  soll. 
Außerdem  wurde  eine  Reihe  von  Verwaltungs-  und  Polizeivorschriften  für  die 
Rheinschiffahrt  vereinbart,  die  fast  alle  für  die  spätere  Zeit  von  großer  Be- 
deutung geblieben  sind  *). 

Da  der  Rhein  hinfort  in  Beziehung  auf  Handel  und  Schiffahrt  ein  zwischen  Frankreich 
und  Deutschland  gemeinschaftlicher  Fluß  sein  sollte,  so  wurde  die  Verfügungsgewalt  über  die 
Wasserstraße  den  Uferstaaten  entzogen  und  einer  neutralen  Behörde  übertragen,  die  in 
Mainz  ihren  Sitz  hatte  und  aus  einem  Direktor  und  vier  Inspektoren  bestand.  Diese  General- 
verwaltung war  zugleich  Gerichtsbehörde  zur  raschen  Erledigung  aller  vorkommenden  Streitig- 
keiten. Der  Direktor  und  die  Inspektoren  leiteten  die  Abgabenerhebung,  deren  Beamte  sämtlich 
ihnen  unterstellt  waren,  sorgten  für  guten  Zustand  des  Fahrwassers  und  der  Leinpfade  und  be- 
aufsichtigten den  gesamten  Schififahrtbetrieb.  Dadurch  wurde  der  Einfluß  der  kleinen  Ufer- 
staaten ganz  beseitigt. 

Bei  den  Verhandlungen  über  das  Stapelrecht  wurde  von  dessen  Verteidigern  angeführt, 
daß  nicht  alle  Strecken  des  Stromes  aus  technischen  Gründen  von  denselben  Schiffen  und  den- 
selben Schiffern  befahren  werden  könnten,  auch  müßten  viele  Waren,  die  die  lange  Reise  nicht 
aushielten,  zuweilen  >nachgesehen,  gelüftet  oder  umgepackt  werden«;  darum  sei  es  g^ut,  wenn 
in  Mainz  und  Köln  die  Fahrt  unterbrochen  würde.  Trotz  dieser  unhaltbaren  Gründe  wurde 
das  Stapel-  und  Niederlagsrecht  der  beiden  Städte  nicht  ganz  aufgehoben,  sondern  in  ein  Um- 
laderecht verändert,  vielleicht,  weil  man  dadurch  eine  zuverlässigere  Erhebung  der  Fluß-  und 
Einfuhrzölle  zu  erreichen  hoffte.  Der  Umladezwang,  der  Übrigens  für  Mainz  mit  Bezug  auf 
Frankfurt  wesentlich  eingeschränkt  wurde,  erstreckte  sich  lediglich  auf  die  sogenannte  große 
Schiffahrt  mit  eigentlichen  Handelsgütern.  Der  Ortsverkehr,  die  Marktschiffe  und  der  Verkehr 
mit  losen,  minderwertigen  Massengütern  wurde  ausgeschlossen. 

An  Stelle  der  alten  Zünfte  wurden  in  den  > Stationsstädten«  Köln  und  Mainz,  Schiffer- 
gilden oder  Schiffervereine  eingeführt,  die  sich  vor  allem  darin  unterschieden,  daß  Schiffer 
aus  allen  Rheinorten  und  von  beiden  Ufern  aufgenommen  wurden,  und  daß  diese  Gilden  nur  für 
die  große  Schiffahrt,  die  >von  einem  Teile  des  Rheinstroms  zum  andern  durch  Vorbeifahren  an 
Mainz  und  Köln  statt  hat«,  Vorrechte  erhielten,  während  die  Kleinschiffahrt  dabei  nicht  be- 
teiligt, sondern  freigegeben  wurde.  Diese  Schiffer  brauchten  nur  einen  Erlaubnisschein  ihrer 
Landesregierung.  Beibehalten  wurde  für  die  Gilden  die  alte  Ladeordnung  nach  der  Rangreihe, 
die,  besonders  hinsichtlich  der  Beladung  und  Abfahrt  der  einzelnen  Schiffe  von  den  Beamten 
der  Oktroiverwaltung  beaufsichtigt  wurde.  Diese  Beamten  prüften  auch  die  in  die  Gilde  aufzu- 
nehmenden Schiffmeister  nach  den  vereinbarten  Vorschriften.  Die  neuen  Gilden  mußten  Unter- 
stützungskassen für  die  Schiffer  einrichten. 

Die  ersten  Gildelisten  wurden  im  Jahre  1808  aufgestellt.  Dabei  wurden  die  Schiffer 
für  direkte  Fahrten  zwischen  den  Stationsstädten  und  den  Endpunkten  der  Schiffahrt  am  Ober- 
rhein und  in  Holland,  bei  denen  unterwegs  nicht  ein-  oder  ausgeladen  werden  durfte,  und  die 
Schiffer  für  Zwischenfahrten  unterschieden,  die  von  diesen  Orten  nach  Zwischenhäfen  gingen. 
Von  den  ersteren  wurden  in  Mainz  104  und  in  Köln  114,  von  den  letzteren  70  und  40  aufge- 
nommen und  eingetragen.  Dazu  kamen  noch  51  Jachtenschiffer.  (Darunter  waren  auch  einige 
Holländer.)  Nach  Abschluß  der  ersten  Listen  sollte  die  Zahl  der  Mitglieder  ohne  Genehmigung 
des  Generaldirektors  nicht  vermehrt  werden.  Die  ausgebildeten  Lehrlinge  wurden  zu  »angehen- 
den Schiffmei Stern«  ernannt  und  mußten  warten,  bis  eine  Lücke  eintrat.  Tatsächlich  wurde  die 
Mitgliedschaft  später  erblich  und  die  Zahl  der  Mitglieder  allmählich  kleiner. 


i)  Die  Binnenschiffahrt  auf  dem  Wiener  Kongreß  von  181 5. 

2)  Eckardt,    Rheinschiffahrt  im   19.  Jahrhundert,    Leipzig    1900,    und    Gothein,    Ge- 
schichtliche Entwickelung  der  Rh  ein  Schiffahrt  im  19.  Jahrhundert,  Leipzig  1903. 


3«  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  DampfschifT.  59 

Nach  Ockhart^)  fuhren  im  Jahre  1813  auf  dem  Rhein,  einschließlich  der  nach  Köln  kom- 
menden holländischen  Schiffer,  im  ganzen  689  Schiffer.  Abzüglich  der  328  Gilden-  und  51  Jacht- 
schiffer blieben  somit  310  Kleinschiffer  übrig.  Hierzu  traten  (1810  bis  18 13)  von  den  Neben- 
flüssen 629  Schiffer,  die  mit  Ausnahme  der  Frankfurter  auf  dem  Rhein  zu  fahren  nicht  berechtigt 
waren.  Dies  führte  zu  vielen  Klagen,  so  daß  diesen  Schiffern  schließlich  doch  die  Rheinschiff- 
fahrt erlaubt  wurde. 

Die  Festsetzung  der  Frachtsätze  für  die  Stationstädte  erfolgte  von  6  zu  6  Monaten 
durch  die  Oktroiverwaltung  nach  Anhörung  der  Handelskammern  zu  Köln,  Mainz,  Straßbnrg  und 
der  Magistrate  zu  Düsseldorf,  Frankfurt  und  Mannheim.  Von  der  Notwendigkeit  der  behörd- 
lichen Regelung  war  man  damals  allgemein  überzeugt,  damit  die  Schiffer  im  Wettbewerb  nicht 
verhungerten  und  die  Kaufleute  bei  dem  Behandeln  der  Frachten  nicht  ihre  Zeit  vertrödelten. 
Bemerkenswert  ist,  daß  die  Haftpflicht  des  Schiffers  für  die  Ladung  ausdrücklich  in  die  Ver- 
ordnungen für  die  Gilden  aufgenommen  wurde. 

Als  im  Jahre  18 10  Holland  mit  Frankreich  vereinigt  wurde,  übertrug 
man  den  Oktroivertrag  auch  auf  die  holländische  Rheinstrecke.  Das  dauerte 
aber  nur  bis  181 3. 

Die  Personenbeförderung  hat  sich  in  diesem  Zeitalter  im  Rheingebiet 
sehr  entwickelt.  Zwischen  Mainz  und  Frankfurt  verkehrten  schon  im  Mittel- 
alter (S.  24)  regelmäßige  Marktschiffe.  Am  Ende  des  15.  und  im  16.  Jahr- 
hundert dehnte  sich  dieser  Verkehr  bis  Basel  und  Köln,  Trier  und  Würzburg 
aus  und  erreichte  im  18.  Jahrhundert  seinen  Höhepunkt. 

Die  Fahrt  von  Basel  bis  Straßbnrg  dauerte  etwa  einen  langen  Tag,  von  Straßburg  bis 
Mainz  3,  von  Mainz  bis  Köln  2  bis  3  Tage.  Es  wurde  stets  dabei  getreidelt  und  zwar  rhein- 
aufwMrts  bis  Speyer  mit  Pferden,  oberhalb  Speyer  mit  Menschen.  Die  Dauer  der  Bergfahrten 
war  schwankend:  von  Köln  nach  Mainz  3  bis  4  Tage,  von  Mainz  nach  Straßburg  8  bis  10  Tage, 
unter  Umständen  aber  viel  länger.  Zwischen  Mainz  und  Köln  verkehrten  die  Marktschifife  für 
Personen-  und  Güterbeförderung  (auch  >Wasserdiligenzen<  genannt)  seit  dem  17.  Jahrhundert 
täglich.  Der  für  Berg-  und  Talfahrt  gleiche  Fahrpreis  für  eine  Person  betrug  gegen  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  von  Mainz  bis  Koblenz  4,5  bis  4,8  Mark,  bis  Köln  9  bis  9,6  Mark.  Wenn 
jemand  eine  besondere  Jacht  for  sich  allein  haben  wollte,  mußte  er  für  die  Strecke  von  Mainz 
bis  Koblenz  115  oder  154  Mark,  bis  Köln  173  oder  230  Mark  bezahlen,  jenachdem  die  Jacht 
mit  einem  oder  mit  zwei  Pferden  bespannt  wurde.  Zur  französischen  Zeit  wurde  namentlich 
die  Wasserpost  Mainz-Köln  gepflegt  und  von  der  Oktroiverwaltung  streng  geregelt  und  be- 
aufsichtigt. Während  der  Freiheitskriege  wurden  die  Jachten  und  Marktschiffe  zur  Beför- 
derung von  Soldaten  sehr  in  Anspruch  genommen.  Selbst  nach  der  Einführung  der  Dampf- 
schiffahrt haben  die  Marktschiffe  noch  lange  bestanden,  etwa  bis  1860. 

Im  Fahrwasser  des  Rheins  war  die  gefahrlichste  Stelle  die  Felsen- 
strecke von  Bingen  bis  St.  Goar.  Wenngleich  schon  zur  Zeit  Heinrichs  IV. 
1056  bis  II 06)  der  Mainzer  Bischof  Siegfried  einige  Verbesserungen  im 
Binger  Loch  vorgenommen  haben  soll  und  am  Anfang  des  17.  Jahrhunderts 
das  Frankfurter  Handlungshaus  Stockum  größere  Felsensprengungen  veran- 
laOte,  so  blieb  es  doch  im  allgemeinen  bis  zum  Jahre  1830  bei  niedrigen 
Wasserständen  nötig,  die  Waren  dort  aus  den  Schiffen  auszuladen  und  auf 
dieser  Strecke  über  Land  zu  befördern.  Bis  zur  Mitte  des  17.  Jahrhunderts 
gingen   die    oberrheinischen  Schiffe   in  der  Regel  überhaupt  nur  bis  Bingen. 

Auch  am  übrigen  Rhein  ist  bis  zum  1 8.  Jahrhundert  über  besondere  Strom- 
bauten nichts  bekannt  geworden.     Für  die  notdürftigste  Räumung  des  Fahr- 


i)  Der  Rhein  nach  der  Länge  seines  Laufs  und   der  Beschaffenheit  seines  Strombetts  mit 
Beziehung  auf   dessen  Schiffahrtsverhältnisse  betrachtet.     Mainz  1816. 


60  Abschnitt  n.     Geschlcbtlicfaer  Rückblick  bis  187a. 

Wassers  sorgten  die  Schifferzünfte  und  einzelne  große  Städte  legten  am  Ufer 
zuweilen  Schutzbauten  an,  wie  es  von  Köln  aus  dem  Jahre  1550  berichtet 
wird.  Man  muQ  daran  erinnern,  daß  die  damaligen  kleinen  Schiffe  nur  ge- 
ringe Fahrwassertiefen  brauchten.  Am  Niederrhein  soll  der  groOe  KurfUrst 
von  Brandenbui^  1677  einen  Durchstich  au^efiihrt  haben,  um  der  großen 
Verwilderung  des  Stromes  zu  begegnen. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  war  damals  der  Leinpfad  (S.  25)  und  die 
Klagen  der  Schiffer  über  dessen  mangelhaften  Zustand  hörten  niemals  auf. 
Im  Jahre  1717  beschlossen  die  vier  rheinischen  Kurfürsten  auf  der  Zollkon- 
ferenz zu  Bacharach,  die  Leinpfade  künftig  aus  den  Mitteln  der  ZoUeinkünfle 
in  Ordnung  zu  halten.     Aber   es  scheint   nicht  viel  gemacht  zu  sein;   denn 


Abb.  6.    Niederrheimsches  Schuf  vaa  1531. 

die  Klagen  hörten  nicht  auf  und  noch  am  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  waren 
die  Leinpfade  am  Oberrhein  so  mangelhaft,  daß  von  Schröck  (Leopoldshafen) 
oder  Neuburg  aufwärts  mit  Menschen  getreidelt  werden  mußte.  Für  Frank- 
reich war  schon  1669  eine  aligemeine  Verordnung  über  die  Freihaltimg  und 
Duldui^  der  Leinpfade  erlassen,  die  im  Jahre  1754  ausdrücklich  auf  das  seit 
1681  französisch  gewordene  Elsaß  und  Straßbui^  übertragen  wurde. 

Als  Preußen  am  Niederrhein  größeren  Besitz  erworben  hatte,  begann 
es  auch  mit  Stromverbesserungen.  Friedrich  der  Große  richtete  1764  dort 
eine  Wasserbauverwaltung  ein  und  ließ  bei  Rees  (1784)  und  bei  Wesel  (1788) 
große  Durchstiche  herstellen.  Außerdem  wurden  mehrere  Sperrdämme,  Ufer- 
schutzbauten und  im  Jahre  1781  die  ersten  senkrechten  Buhnen  (Kribben) 
gebaut,  die  früher  mit  dem  Kopf  stromabwärts  gerichtet  worden  waren.    Im 


3.  Von  der  Kammericlileuse  bU  zum  Darapfschiß'.  31 

Jahre  1 794  hörten  diese  Bauten  mit  der  franzosischen  Herrschaft  auf  und  die 
Werke  verfielen  mangels  genügender  Unterhaltung.  Nach  Einführung  des 
Oktroivertrages  [1805)  sollte  ein  Teil  der  Zolleinnahmen  zur  Verbesserung 
des  Fahrwassers  und  der  Leinpfade  verwendet  werden;  doch  ist  nicht  be- 
kannt, ob  und  welche  Arbeiten  ausgeführt  worden  sind. 

Die  Rheinschiffe  haben  sich  während  dieses  Zeitraums  am  Ober-  und 
Niederrhein  in  verschiedener  Weise  entwickelt,  weil  die  Binger  Sperre,  das 
Stapelrecht  und  das  Zunftwesen  einen  durchgehenden  Verkehr  im  allgemeinen 
nicht  zuließen.  Die  mitgeteilten  beiden  Abbildungen  (6  und  7)  stammen  aus 
Köln  aus  dem  Jahre  1531  und  zeigen  ein  oberrheinisches  und  ein  nieder- 
rheinisches  Schiff. 

In  den  Jahren  1619  und  1645  ordnete  der  Rat  von  StraÜbui^  an,  daß  die 
SchifTe  36  m  lai^j,  3,3  m  breit  und  1,6  m  hoch  gebaut  werden  und  nicht  mehr 


Abb.  7.     ObeirheiDisches  Schiff  von  1531. 

als  40  t  laden  sollten.  Seit  1667  baute  man  aber  in  StraDburg  schon  gröflere 
SchifTe,  die  um  i  m  langer  und  0,3  m  breiter  waren.  Diese  wurden  Rheinberger 
genannt,  waren  mehr  nach  holländischer  Art  aus  Eichenholz  gebaut  und  wurden 
nicht  mehr  nach  einer  Talfahrt  verkauft.  Bemerkenswert  ist,  daß  die  fertigen 
Schiffe  vor  der  ersten  Fahrt  durch  besonders  angestellte  Schiffbeschauer  auf 
ihre  Tüchtigkeit  untersucht,  dann  verzollt  und  gezeichnet  wurden.  Die  wach- 
sende Größe  der  Schiffe  fand  aber  auch  am  Rhein  [wie  in  Ostdeutschland}  nicht 
den  Beifall  der  Kaufleute,  weil  sie  zu  lai^e  in  Ladung  lagen.  Bei  der  oben 
erwähnten  Zollkonferenz  zu  Bacharach  wurde  deshalb  17 17  beschlossen,  daß 
ein-,  zwei-  und  vierspännige  Schiffe 
höchstens     24       28       •  33  m  lang, 

.  2         2,5    »  3,1  m  breit  sein 

und         •  25       50       >  100 1  Tragfähigkeit 

haben  sollten. 


62  Abschnitt  H.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Aber  gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  nahm  die  Größe  der  Schiffe 
dennoch  zu,  so  daß  oberhalb  Mannheim  ausnahmsweise  Schiffe  bis  zu  120  t, 
zwischen  Mainz  und  Köln  solche  von  150  t  und  unterhalb  Köln  von  200  bis 
250  t,  ausnahmsweise  bis  300  t  Tragfähigkeit  verkehrten.  Diese  Schiffe  auf 
dem  Niederrhein  hießen  »Ackens«  oder  »Bönder«  und  waren  ebenso  kräftig 
gebaut  und  ausgerüstet  wie  die  schweren  holländischen  Schiffe,  die  »Samou- 
reusen«,  welche  bei  gutem  Wasserstande  selbst  bis  500  t  trugen  und  bis  Köln 
verkehrten.     Die  offenen  Ruhrkohlennachen  hatten  etwa  150  t  Tragfähigkeit. 

Im  Jahre  181 9  wurden  bei  815  RheinschifTem  zusammen  1043  Fahrzeuge  gezählt,  von 
denen  mehr  als  die  Hälfte  am  Mittelrhein  beheimatet  waren.  Dazu  kamen  auf  den  Nebenflüssen 
802  Schiffer  mit  zusammen  1438  Fahrzeugen,  so  daß  im  Rheingebiet  rund  2500  Schiffe  vor- 
handen waren,  von  denen  die  Mehrzahl  jedoch  nur  eine  Tragfähigkeit  bis  zu  15  t  hatte.  Die 
Bemannung  der  großen  Schiffe  auf  dem  Mittel-  und  Niederrhein  bestand  durchschnittlich  aus 
5  Leuten  ohne  den  Steuermann;  die  oberrheinischen  Schiffe  von  mehr  als  60  t  Tragfähigkeit 
wurden  aber  mit  3  Steuerleuten  und  8  Knechten  besetzt:  i  Steuermann  am  Hinterruder,  2  Steuer- 
leute am  Bugruder  und  die  Knechte  an  den  Riemen  der  Bordseiten  (vgl.  Abb.  7,  wo  noch  eine 
stärkere  Bemannung  erkennbar  ist).  Nach  1805  wurde  der  Zustand,  die  Ausrüstung  und  Be- 
mannung der  Schiffe  von  Beamten  der  Oktroiverwaltung  untersucht. 

Die  Fortbewegung  der  Schiffe  war  dieselbe  wie  im  Mittelalter:  Tal- 
wärts trieb  man  mit  dem  Strom  und  segelte.  Aufwärts  nahm  man  in  der 
Regel  Pferde  zum  treideln,  die  man  überall,  oft  zu  bestimmten  staatlichen 
Tarifen,  erhalten  konnte.  Ende  des  18.  Jahrhunderts  kostete  z.  B.  ein  Zieh- 
pferd von  Köln  bis  Mainz  25  bis  30  Mark,  bei  hohen  Preisen  auch  35  bis 
50  Mark,  wobei  aber  der  Schiffer  Pferd  und  Pferdeknecht  beköstigen  mußte. 

Die  >Leinenreiter  oder  Halfterer«  waren  in  Zünften  vereinigt  und  lebten 
oft  in  Streit  mit  den  Schiffern,  die  sehr  abhängig  von  ihnen  waren.  Am 
Oberrhein,  oberhalb  Schröck  oder  Ottenheim,  mußte  nach  wie  vor  mit  Men- 
schen getreidelt  werden.  Dort  wurden  die  Schiffe  bei  der  Bergfahrt  auch  in 
der  Regel  geleichtert. 

Die  Bergfahrt  eines  Lastschiffes  dauerte  von  Mainz  bis  Straßburg  20 
bis  34  Tage,  von  Rotterdam  bis  Köln  (oft  mit  20  bis  30  Pferden)  bei  günsti- 
gem Winde  mindestens  14  Tage,  oft  aber  40  und  mehr  Tage.  Nach  Ein- 
fuhrung der  Oktroiverwaltung  wurden  für  die  regelmäßigen  Rangladungen  in 
der  Zeit  von  Mitte  März  bis  Mitte  November  gestattet: 

von  Holland  nach  Köln  zu  Berg  14  Tage,  zu  Tal  10  Tage, 
von  Köln  nach  Mainz  zu  Berg  8  Tage,  zu  Tal  4  bis  5  Tage, 
von  Mainz  bis  Straßburg  zu  Berg  14  bis  20  Tage,  zu  Tal  6  bis  8  Tage. 
Man   fuhr  damals  aber  meistens  schneller  und  erreichte  von  Amsterdam  in 
10  bis    12  Tagen  Köln  und  von  da  in  6  Tagen  Mainz').     Im  Winter  und 
bei  schlechtem  Wetter  oder  Fahrwasser  dauerten  die  Reisen  länger. 

Der  Verkehr  auf  dem  Rhein  ging  mit  den  Stürmen  der  französischen 
Revolution  zurück  und  war  in  der  Zeit  von  1793  bis  1797  ganz  gering.  Nach 
kurzem  Wiedererwachen  kam  die  Kontinentalsperre,  die  den  Handel  so  ver- 


i)  Nach  Eckert  und  Ockhart  a.  a.  O. 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  63 

minderte,  daß  z.  B.  in  Köln  in  den  Jahren  von  1807  bis  18 13  die  Zufuhr 
von  unten  von  49632  t  auf  29073  t  und  die  Abfuhr  nach  unten  von  85  766  t 
auf  38490  t  zurückging.  In  Straßburg  ging  die  Zufuhr  von  unten  von  4306  t 
auf  876  t  zurück;  dagegen  nahm  die  Talschiffahrt  auf  dem  Oberrhein  infolge 
des  lebhaften  Binnenhandels  auf  der  Linie  von  Straßburg  nach  Frankfurt  a.  M. 
während  dieser  Zeit  erheblich  zu').  Die  Einnahmen  aus  den  im  Jahre  18 13 
noch  bestehenden  1 2  RheinzoUämtem  betrugen  nur  ein  Fünftel  von  den  Ein- 
nahmen im  Jahre  1807. 

Auch  einige  kleinere  Kanalbauten  sind  im  Rheingebiet  zu  erwähnen.  Im  Jahre  1626 
machte  man  den  Versuch,  den  Rhein  mit  der  Maas  bei  Venlo  durch  einen  Kanal  zu  verbinden. 
Diese  niemals  fertig  gestellte  und  bald  verfallene  Wasserstraße  ging  von  Rheinberg  aus,  führte 
bei  Geldern  und  Walbeck  vorbei  und  endete  bei  Arben,  etwa  10  km  unterhalb  Venlo.  Auch 
wird  von  einer  ähnlichen  Verbindung  berichtet,  die  von  Grimlinghausen  bei  Neuß  nach  Venlo 
fuhren  sollte. 

Unter  der  Regierung  des  Großen  Kurfürsten  wurde  zur  Verbindung  der  Stadt  Kleve  mit 
dem  Rhein  der  etwa  10  km  lange  Spoykanal  unter  Benutzung  alter  Flußarme  hergestellt. 
(Er  geriet  später  in  Verfall  und  wurde  1847  wieder  ausgebaut  und  mit  einer  Schleuse  für 
kleine  Schiffe  fahrbar  gemacht.  Im  Jahre  1909  ist  der  Kanal  für  große  Rheinschiffe  herge- 
richtet und  mit  einer  entsprechenden  großen  Schleuse  versehen  worden.) 

Im  Jahre  1778  wurde  auf  dem  linken  Ufer  des  Oberrheins  der  Frankenthaler  Kanal 
gebaut,  der  die  betriebsreiche  Stadt  Frankenthal  in  der  Pfalz  mit  dem  Rhein  verbindet.  Dieser 
4,5  km  lange,  2  m  tiefe  Kanal  ist  nur  fUr  kleine  Schiffe  fahrbar  und  hat  jetzt  nur  eine  Schleuse 
von  47  m  Länge  und   5,2  m  Breite.     (Im  Jahre  1868  betrug  der  gesamte  Kanalverkehr  9100  t.) 

Auf  dem  Neckar  muß  schon  im  frühen  Mittelalter  eine  einträgliche  Schiffahrt  betrieben 
worden  sein;  denn  im  Jahre  830  werden  bereits  die  Flußzölle  bei  Ladenburg  und  Wimpfen 
und  im  Jahre  iioo  eine  >Schiffslände<  in  Heilbronn  erwähnt^].  Diese  freie  Reichsstadt  besaß 
seit  1333  das  Stapelrecht  und  andere  Rechte  am  Strome,  den  sie  durch  Mühlenwehre  verbaut 
hatte,  und  bildete  vom  Rhein  her  den  Endpunkt  der  Schiffahrt.  Die  Grafen  von  Württemberg 
strebten  seit  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  dahin,  den  Strom  oberhalb  der  Stadt,  mindestens 
bis  Kannstadt  und  Berg  (bei  Stuttgart)  schiffbar  zu  machen.  Im  Jahre  1553  erteilte  Kaiser 
Karl  V.  die  Genehmigung  dazu;  aber  der  Widerstand  der  Heilbronner  und  die  vielen  Mühlen- 
wehre und  anderen  Hindemisse,  die  sich  in  dieser  Stoms trecke  befanden,  ließen  den  Plan 
erst  im  Jahre  17 13  gelingen.  Der  anfange  recht  lebhafte  Verkehr  bis  Kannstadt  ließ  jedoch 
bald  nach. 

Der  untere  Lauf  von  Heilbronn  bis  Mannheim  war  gleichfalls  für  die  Schiffahrt  sehr  un- 
bequem; denn  abgesehen  von  einzelnen  Stellen  mit  sehr  starkem  Gefälle,  behinderten  Felsbänke, 
starke  Krümmungen  u.  dgl.,  sowie  besonders  die  Mühle  bei  Wimpfen  die  Fahrt. 

Der  Schiffahrtbetrieb  lag  in  den  Händen  der  Neckartaler  Schiffs bruderschaft.  Dies 
war  ei^ie  Vereinigung  der  Schifferzünfte  aus  allen  Orten  am  Strome,  deren  Satzungen  schon  aus 
dem  Jahre  1605  bekannt  sind  3).  Die  unter  Aufsicht  der  Regierung  der  Kurpfalz  stehende 
Bruderschaft  sorgte  auch  notdürftig  für  einen  brauchbaren  Zustand  des  Fahrwassers  und  des 
Leinpfades.  Sie  setzte  sich  aus  den  > Schiffsleuten«  oder  »Rangschiffern«  und  den  »Hümplem« 
zusammen.  Die  ersten  hatten  mehr  Rechte  und  größere  Schiffe,  die  am  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts bis  etwa  50  t  Tragfähigkeit  hatten,  während  die  »Humpelnachen«  nur  10  bis  15  t 
tragen  konnten  und  zu  den  g^roßen  Fahrten  bis  Mainz  und  Frankfurt  mit  Kaufmannsgütem  in 
der  Regel  nicht  zugelassen  wurden.  Der  Schiffsmann  durfte  ein  Hauptschiff,  ein  Leichtschiff 
und  einen  Anker-  oder  Sprengnachen  führen,  der  Hümpler  zwei  Humpel-  und  einen  Anker- 
nachen. Außerdem  gab  es  »Nachenführer«  mit  kleinen  ein-  und  zweibordigen  Nachen,  die 
noch  weniger  Rechte  hatten  und  mit  der  Bruderschaft  oft  im  Streite  lagen. 

1)  Vgl.  Zeitschrift  für  Binnenschiffahrt  191 1,  S.  155. 

2)  Pfaff,  Geschichte  der  Neckarschiffahrt  in  Württemberg  bis  zum  Anfange  des  19.  Jahr- 
hunderts, Wtirttembergisches  Jahrbuch  von  1859,  II.  Heft. 

3)  Hei  man,  Die  Neckarschiffer.    Heidelberg  1907. 


64  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Im  Jahre  17 12  wurden  von  der  pfälzischen  Regierung  Marktschiffe  eingeführt,  die 
zunächst  von  Heilbronn  bis  Heidelberg  und  später  über  Mannheim  und  Mainz  bis  Frankfurt 
verkehrten.  Solche  Marktschiffe  wurden  auch  oberhalb  Heilbronn  bis  Ludwigsburg  (1714)  und 
bis  Kannstadt  (17 16)  eingerichtet.  Unterhalb  Heilbronn  führte  das  zu  vielen  Klagen  und  Be- 
schwerden der  Bruderschaft. 

Die  Fortbewegung  der  Schiffe  erfolgte  bergwärts  von  Mannheim  in  der  Regel  durch 
Pferdetreidelei,  durch  die  Schifisreiter  oder  Halfreiter.  Die  Rittlöhne  wurden  ebenso  wie  die 
Frachtsätze  von  der  Regierung  festgesetzt.  Damit  femer  die  Beladung  der  Schilfe  nicht  zu 
lange  dauern  sollte,  wurde  zum  Vorteil  der  Kaufleute  auch  das  Höchstgewicht  der  Ladung 
vorgeschrieben,  am  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  zu  75  t,  später  zu  90  t,  und  Überschreitungen 
wurden  streng  bestraft.  (Im  Jahre  1823  wurden  am  Neckar  231  Schiffer  mit  255  Schiffen 
gezählt.) 

Der  Verkehr  mit  dem  Main  und  dem  Niederrhein  wurde  durch  das  Stapelrecht  von  Mainz 
sehr  erschwert,  bis  im  Jahre  1749  in  Mainz  ein  Vergleich  zustande  kam,  der  den  Neckarschiffem 
das  Recht  zur  Befahrung  diesei  Wasserstraßen  gab,  während  sie  auf  dem  Neckar  allein  berechtigt 
blieben.  Auf  der  Stromstrecke  oberhalb  Heilbronn  blühte  die  Schiffahrt  wieder  auf,  als  die  Pfalz 
mit  Baiem  im  Jahre  1778  unter  dem  Herzog  Karl  Theoder  vereinigt  wurde  und  dieser  mit 
Wtlrttemberg  einen  Vertrag  schloß,  um  die  Handelstraßen  des  Rheins  und  der  Donau  durch  den 
Neckar  zu  verbinden.  Die  Württembergische  Regierung  baute  mit  beträchtlichem  Aufwände  den 
Strom  von  Heilbronn  bis  Kannstadt  so  aus,  daß  Schiffe  von  20  t  Tragfähigkeit  fahren  konnten, 
und  es  entwickelte  sich  auf  diese  Webe  ein  recht  lebhafter  Handelsverkehr  zwischen  dem  Rhein, 
Frankfurt  und  Kannstadt.  Es  sollen  bex|^ärts  in  Kannstadt  im  Jahre  1787  etwa  4950  t  Güter 
angekommen  sein.  Der  Verkehr  nahm  aber  bald  wieder  ab,  weil  der  Handel,  namentlich  nach 
Österreich,  andere  Wege  durch  die  Weser,  die  Elbe  und  über  Land  wählte.  Die  Wasserstraße 
des  Neckars  war  filr  einen  bedeutenden  Durchgangverkehr  nicht  genügend,  zumal  in  Heilbronn 
alle  Waren  umgeladen  werden  mußten.  (Dort  bestand  nur  für  den  Floßverkehr  eine  im  Jahre  1476 
erbaute  Floßgasse.)     Auch  verursachte  die  Mainwasserstraße  einen  empfindlichen  Wettbewerb. 

Der  Main  war  in  seinem  unteren  Laufe  als  Zugangsweg  fUr  Frankfurt  seit  den  ältesten 
Zeiten  von  Schiffen  belebt  und  schon  im  Mittelalter  verkehrten  zwischen  dieser  Stadt  und  Mainz 
regelmäßig  Marktschiffe  (S.  24).  Doch  litt  der  Handel  von  Frankfurt  sehr  unter  dem  Stapelrecht  von 
Mainz,  das  nur  während  der  Frankfurter  Messe  außer  Übung  war  und  im  übrigen  zu  viel  Streitigkeiten 
Veranlassung  gab.  Der  Mainstrom  bildete  die  große  Handelstraße  von  den  niederländbchen 
Häfen  nach  Baiem,  Böhmen  und  Österreich.  Die  Schiffahrt  war  lebhaft,  aber  durch  Zölle  und 
das  schlechte  Fahrwasser  behindert.  Schon  oben  (S.  18)  war  erwähnt,  daß  im  Jahre  1157  die 
meisten  Zölle  vom  Kaiser  aufgehoben  wurden.  Dennoch  bestanden  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts 
allein  auf  der  Strecke  unterhalb  Bamberg  31  Zollstätten.  Für  das  Fahrwasser  geschah  nichts 
und  die  Müller  verbauten  an  vielen  Stellen  nach  Belieben  den  Strom  durch  regellose  Wehre, 
in  denen  nur  etwa  10  m  weite,  durch  bewegliche  Holztafeln  geschlossene  Lücken  (Wehrlöcher) 
gelassen  wurden.  Die  Wehre  hatten  Gefälle  bis  zu  i  m  und  waren  von  der  Schiffahrt  schwer 
zu  überwinden.  Bei  Haßfurt  z.  B.  mußte  man  zu  diesem  Zwecke  einem  von  7  Pferden  gezogenen 
Schiffe  noch  einen  Vorspann  von  13  Paar  Ochsen  und  60  bis  70  Menschen  geben.  Den  Müllern 
mußten  für  das  Durchlassen  hohe  Abgaben  bezahlt  werden.  Besondere  Schiffdurchlässe,  waren 
nicht  überall  vorhanden ;  nur  bei  Würzbuig  bestand  ein  enger  und  sehr  gekrümmter  Umgehungs- 
kanal, in  dem  (vielleicht  im  17.  Jahrhundert)  eine  Schleuse  von  46,7  m  Länge  und  6,4  m 
Breite  erbaut  wurde.  Bei  Kitzingen  war  ein  6,3  m  weiter  Schiffdurchlaß  vorhanden.  Außer 
den  festen  Mühlen  befanden  sich  auf  dem  Strome  noch  viele  hinderliche  Schiffmühlen,  die  zum 
Teil  ihren  Standort  wechselten.  Abgesehen  von  den  Mühlen  war  der  Strom  sehr  verwildert  und 
an  einzelnen  Stellen  (z.  6.  bei  der  Mündung  in  den  Rhein)  oft  so  versandet,  daß  in  trockenen 
Jahren  die  Schiffe  schon  bei  einem  Tiefgange  von  0,3  m  sitzen  blieben. 

Der  Schiffahrtbetrieb  war  in  den  Händen  der  Zünfte,  von  denen  die  zu  Würzburg 
und  Bamberg  besondere  Bedeutung  hatten.  Es  bestanden  zwischen  einzelnen  Orten  auch  Markt- 
schiff- und  Reihefahrten.  Die  größte  Tragfähigkeit  der  Lastschiffe  (meist  »Scheiche«  genannt) 
war  im  15.  Jahrhundert  30  t,  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts  60  t.  Ein  Schiff  der  letzteren  Art 
(eine  »Frankensau«)  war  etwa  37  m  lang,  5,6  m  breit  und  hatte  einen  größten  Tiefgang  von 
etwa  1,1  m,  leer  einen  solchen  von  0,35  m.  Die  Schiffe  waren  in  der  Kimm  stark  abgemndet, 
ähnlich  wie  noch  heute,  und  gut  gebaut.  Die  Schiffbauer  am  Main,  namentlich  von  Lohr,  hatten 
einen  guten  Ruf    sie  wurden  z.  B.  1770  nach  Wien  und  Prag  bemfen,  um  Schiffe  für  die  Donau 


.  3>  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  65 

imd  die  Moldau  zu  bauen.  Über  die  Treidelkosten  wird  mitgeteilt,  daß  am  Ende  des  i8.  Jahr- 
hunderts für  ein  Pferd  von  Mainz  bis  Würzburg  30  Mark  und  bis  Bamberg  45  Mark  gezahlt 
wurden  (ohne  Futter  und  Beköstigung  der  Reiter)  ^).  (Im  Jahre  1823  wurden  am  Main  285  Schiffer 
mit  zusammen  656  Schiffen  gezählt.) 

Im  18.  Jahrhundert  nahm  der  Durchgangsverkehr  vom  Rhein  nach  Baiem,  Böhmen  und 
Österreich  allmählich  ab,  weil  die  Weser  und  namentlich  die  Elbe  mit  dem  Rhein  in  erfolg- 
reichen Wettbewerb  trat.     Der  Wettbewerb  mit  der  Neckarwasserstraße  war  bereits  erwähnt. 

Am  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  entwickelte  sich  während  der  Kontinentalsperre  (1807  bis 
18 13)  auf  dem  Main  vorübergehend  wieder  ein  lebhafterer  Verkehr  (S.  55  u.  63). 

Die  Ruhr  kam  zum  Teil  frühzeitig  in  preußischen  Besitz  und  die  Schiffahrt  wurde  wegen 
des  (zuerst  13 17  in  einer  Essener  Urkimde  erwähnten)  Kohlenbergbaues  nach  Kräften  gefördert. 
Infolge  der  Versperrung  der  Wasserstraße  durch  Fischwehre  im  Mittelalter  (S.  23)  hatte  sich 
nur  auf  der  unteren  Strecke  von  Mühlheim-Broich  bis  zum  Rhein  ein  Kohlenverkehr  in  kleinen 
Schiffen  entwickeln  können,  von  dem  im  Jahre  1599  berichtet  wird.  Der  Große  Kurfürst 
Friedrich  Wilhelm  bemühte  sich  im  Jahre  1660  um  die  Verbesserung  der  Wasserstraße  und 
ebenso  wurde  unter  König  Friedrich  Wilhelm  I.  diese  Angelegenheit  verfolgt,  auch  wegen 
der  staatlichen  Saline  Unna;  aber  die  übrigen  Uferstaaten  machten  Schwierigkeiten.  Dasselbe 
wird  aus  dem  Jahre  1737  berichtet,  als  man  von  Hattingen  aus  mit  der  Kohlenverschifiung 
Versuche  machte*).  Unter  Friedrich  dem  Großen  wurden  im  Jahre  1764  die  Verhandlungen 
wieder  aufgenommen  und  man  beschloß,  die  Kohlen  von  der  Ruhr  über  Land  nach  Dorsten  zu 
.schaffen  und  auf  der  Lippe  zum  Rhein  zu  befördern.  Da  der  Bau  der  Landstraße  zu  teuer 
wurde,  mußte  dieser  Weg  aufgegeben  werden.  Weitere  Verhandlungen  von  1770  bis  1772 
führten  schließlich  dazu,  daß  die  anderen  Uferstaaten  die  Erlaubnis  zur  Schiffahrt  erteilten; 
diese  war  aber  durch  die  vielen  Wehre  (Schlachten)  sehr  behindert,  da  die  Kohlen  an  ihnen 
10  bis  15  Male  umgeladen  werden  mußten.  Im  Jahre  1774  wurde  die  Schiffahrt  für  frei  erklärt 
und  der  große  König  ordnete  den  Bau  von  Kammerschleusen  an:  16  Schleusen,  davon  7  aus 
Stein  gebaut,  38  bis  45  m  lang  und  5,65  m  breit,  waren  bis  zum  Jahre  1780  fertig  und  sofort 
begann  von  Witten  abwärts  eine  lebhafte  Schiffahrt.  Die  Baukosten  wurden  von  der  Königl. 
Kohlenniederlagskasse  getragen,  die  aus  der  im  Jahre  1766  eingerichteten  Königl.  Märkischen 
Bergkasse  entstanden  war.  Nach  Fertigstellung  der  Bauten  wurde  daraus  die  Ruhrschiffahrts- 
kasse gegründet,  der  auch  die  Schleusengebühren  zugingen  und  die  ihren  Sitz  in  Ruhrort  3]  hatte. 
(Im  Jahre  1823  wurden  an  der  Ruhr  87  Schiffer  mit  zusammen  225  Schiffen  gezählt) 

Donaugebiet. 

Auf  der  deutschen  Donau  ging  im  16,  Jahrhundert  die  Schiffahrt  zu- 
rück, weil  der  Welthandel  andere  Wege  gefunden  hatte  und  die  untere  Donau 
in  den  Händen  der  Türken  war.  Aber  es  blieb  zwischen  Ulm  und  Wien  noch 
immer  eine  zeitweise  lebhafte  Schiffahrt  bestehen.  Namentlich  war  der  Ver- 
kehr mit  Salz  aus  dem  Salzkammergut  talwärts  wie  bergwärts  bedeutend.  Die 
vielen  Flußzölle  waren  auch  auf  der  Donau  hinderlich  und  drückend. 

In  den  wichtigen  Handelstädten  am  Strome  gab  es  »Schiffmeister«,  die 
in  Gilden  vereinigt  waren  und  die  Schiffahrt  betrieben.     Besonders  gut  ent- 


i)  Köb erlin,  Der  Obermain  als  Handelsstraße  im  späten  Mittelalter.  Erlangen  und 
Leipzig  1899.     Schanz,  Die  Mainschiffahrt  im  19.  Jahrhundert.     Bamberg  1894. 

2)  Ottmann,  Die  Duisbui^-Ruhrorter  Häfen.  Zur  Vollendung  der  Hafenerweiterungen.  1908. 

3)  Ruhr  ort  wird  schon  1379  erwähnt  und  soll  1437  befestigt  worden  sein.  Im  Jahre 
17 15  wurde  die  erste  kleine  Hafenbucht  ausgebaut.  Duisburg  soll  schon  aus  dem  3.  Jahr- 
hundert stammen  und  hieß  früher  Deusoburg.  Es  lag  ursprünglich  am  Rhein  und  die  Duis- 
burger Schiffer  waren  schon  im  12.  Jahrhundert  überall  am  Strome  bekannt.  Im  Jahre  1270 
veränderte  der  Rhein  sein  Bett  und  der  Ort  wurde  vom  Strome  abgeschnitten.  Doch  litt  sein 
Handel  nicht  darunter.  In  den  Jahren  1828  bis  1831  bauten  die  Duisburger  (auf  Aktien)  einen 
Schiffahrtkanal  zum  Rhein,  1840  bis  1844  einen  solchen  zur  Ruhr.  Diese  Kanäle  waren  die 
Anfänge  des  heutigen  Hafens. 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  c 


66  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

wickelte  sich  die  Personenbeförderung.  Wöchentlich  verkehrten  »Ordinari- 
schiife«  zwischen  Wien,  Linz,  Passau,  Regensburg  bis  Ulm.  Die  Fahrt  ab- 
wärts von  Regensburg  bis  Wien  dauerte  etwa  6  Tage. 

Für  das  Fahrwasser  geschah  bis  zur  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  wenig. 
Zu  erwähnen  ist,  daD  bei  Wien  um  1614  größere  Uferschutzbauten  ausgeführt 
und  der  Donaukanal  im  Jahre  1 700  bis  Nußdorf  vorgeschoben  wurde.  Unter 
der  ICaiserin  Maria  Theresia  wurde  im  Jahre  1750  eine  »Navigationsdirektion« 
errichtet,  die  für  die  Hebung  der  Schiffahrt  sorgen  sollte.  Es  wurde  ver- 
sucht, die  Stromenge  des  Strudens,  die  ebenso  hinderlich  war  wie  am 
Rhein  das  Binger  Loch,  zu  verbessern;  doch  hatten  die  1778  bis  1791  aus- 
geführten umfangreichen  Felssprengungen  keinen  Erfolg. 

In  der  baierischen  Stromstrecke  wurden  seit  1790  einige  Durchstiche 
angelegt,  von  denen  die  3  in  den  Jahren  1806  bis  1814  zwischen  Lauingen 
und  Dillingen  ausgeführten  unter  dem  Namen  »Karolinenkanal«  besonders 
bekannt  geworden  sind.  Aber  diese  Arbeiten  geschahen  nicht  zur  Erleich- 
terung der  Schiffahrt,  sondern  zum  Schutz  der  anliegenden  Orte  und  Län- 
dereien. Infolge  der  Verkürzung  des  Flußlaufs  ist  das  Gefälle  merklich  ver- 
stärkt worden. 

Die  Schiffe  wurden  als  Schachteln,  Plätten,  Gamsen  und  Zillen  be- 
zeichnet und  oft  nach  dem  Ort  ihrer  Herkunft  benannt,  wie  z.  B.  die  Ulmer 
Schachteln,  die  Kehlheimer  Plätten  und  die  Trauner  Salzzillen.  Vielfach 
dienten  sie  nur  zu  einer  Talfahrt;  stärker  gebaute  Schiffe  wurden  aber  auch 
zur  Bergfahrt  (Gegenfahrt)  benutzt.  Alle  wurden  aus  weichem  Holz  mit 
flachem  Boden  gebaut  und  durch  ein,  zwei  oder  zuweilen  auch  4  Steuer- 
ruder (Stoper)  gelenkt,  die  als  lange  Streichruder  angeordnet  waren. 

Die  Größe  der  Schiffe  hat  auch  auf  der  Donau  allmählich  während  dieses 
Zeitraums  zugenommen.  Am  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  waren  oberhalb 
Wiens  die  Hohenauer-  oder  Klobzillen  die  größten  Donauschiffe.  Bei  einer 
Länge  bis  zu  44  m  und  einer  Breite  bis  zu  10  m  konnten  sie  140  bis  170  t 
tragen.  Die  Ulmer  Schachteln  waren  bis  30  m  lang  und  7  m  breit,  die  Kehl- 
heimer Plätten  bis  28  m  lang  und  5,2  m  breit.  Die  Gamsen  waren  klein  und 
trugen  höchstens  50  t,  die  Salzzillen  gewöhnlich  nur  20  bis  30  t. 

Die  Fortbewegung  wurde  bei  der  Talfahrt  oft  durch  Rudern  unter- 
stützt, während  bei  der  Bergfahrt  mit  Pferden  (am  Struden  mit  Beihilfe  von 
Ochsen)  getreidelt  wurde. 

In  den  Jahren  1797  bis  1804  'wurde  von  Wien  aus  in  südlicher  Richtung  bis  zur  ungari- 
schen Grenze  der  Wiener-Neustädter  Schiffahrtkanal  auf  Staatskosten  gebaut,  den  man 
später  bis  Krain  fortzuführen  dachte.  Der  etwa  67  km  lange  und  1,26  m  tiefe  Kanal  stieg  104  m 
an,  die  durch  52  Kammerschleusen  von  24  m  Länge  und  2,5  m  Breite  überwunden  wurden.  Die 
Speisung  erfolgte  durch  die  Leitha  und  den  Kehrbach.  Im  Jahre  1823  wurde  der  Kanal  ver- 
pachtet; doch  nahm  der  Verkehr  seit  der  Eröffnung  der  Eisenbahn  (1841}  ab  und  die  in  der 
Stadt  Wien  gelegene  Strecke  wurde  etwa  im  Jahre  1850  aufgegeben,  um  Platz  für  die  Verbindungs- 
bahn zu  gewinnen.  Im  Jahre  1869  wurde  der  Kanal  an  die  »erste  österreichische  Schiffalut- 
kanal- Aktiengesellschaft«  verkauft.  Der  Güterverkehr  betrug  1871  zusammen  116  000  t,  die  durch 
4525  Schiffe  befördert  wurden.     Heute  ist  der  Kanal  ganz  bedeutungslos. 


3*  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  67 

Auf  der  Ungarischen  Donau  entwickelte  sich  mit  dem  Verfall  der  Tür- 
kenherrschaft wieder  eine  lebhafte  Schiffahrt,  besonders  seit  den  Siegen  des 
Prinzen  Eugen  von  Savoyen  und  dem  darauf  folgenden  Friedenschluß  von 
Passarpwitz  im  Jahre  1718.  Vorher  hatten  die  zwischen  Österreich  und  der 
Türkei  abgeschlossenen  Verträge  von  161 6  und  1699  (Frieden  von  Karlowitz) 
zwar  die  Handelsfreiheit  auf  der  Donau,  Theiß  und  Maros  ausgesprochen,  aber 
die  Wirkung  war  nicht  bedeutend  und  auch  die  im  Jahre  1671  gegründete 
>Levantinische  Handelskompagnie«  scheint  keine  großen  Erfolge  erreicht 
zu  haben.  Später  bildete  sich  Szegedin  als  wichtiger  Handelsplatz  heraus, 
besonders  für  den  Salzverkehr  (aus  Maramar  und  Siebenbürgen.)  Die  Freiheit 
der  Schiffahrt  wurde  im  Frieden  zu  Belgrad  1738  und  im  Handels  vertrage  von 
1784  wieder  ausgesprochen.  Die  Schiffahrt  litt  aber  unter  den  Zöllen  und 
den  türkischen  Belästigungen.  Kaiser  Josef  U.  nahm  sich  ihrer  besonders  an 
und  suchte  durch  Verleihung  von  Begünstigungen  und  Vorrechten  einen  Durch- 
gangsverkehr zum  Schwarzen  Meer  und  zum  Orient  ins  Leben  zu  rufen.  Die 
Schwierigkeiten  der  Schiffahrt,  namentlich  bei  der  Bergfahrt,  und  die  Hinder- 
nisse im  Fahrwasser  waren  aber  zu  groß.  Im  Jahre  1794  wurde  die  > privile- 
giert ungarische  Schiffahrtsgesellschaft«  gegründet,  die  einerseits  den  Ver- 
kehr zum  Schwarzen  Meere  und  andererseits  durch  die  Save  und  Kulpa  sowie 
auf  einer  von  ihr  gebauten  Eunststraße  von  Karolyvaros  nach  Fiume  den  Ver- 
kehr zum  Adriatischen  Meere  pflegte.  Ferner  baute  diese  Gesellschaft  in  der 
Zeit  von  1795  bis  1801  den  Franzenskanal,  der  die  Theiß  mit  der  Donau 
verbindet  und  den  Weg  von  Szegedin  nach  Budapest  erheblich  verkürzt'). 
Die  Aktionäre  hatten  von  1802  bis  1825  gute  Einnahmen,  aber  der  Kanal 
erfüllte  seinen  Zweck  nicht,  weil  er  von  vornherein  unzweckmäßig  angelegt 
war  imd  mangelhaft  unterhalten  wurde.  Der  Verkehr  ging  sehr  zurück  und 
die  Gesellschaft  bot  im  Jahre  1827  den  Kanal  dem  Staate  ohne  Entgeld  an. 
Nach  vielen  Verhandlungen  übernahm  dieser  ihn  im  Jahre  1842. 

Der  jetzt  118  km  lange  Franzenskanal  zweigte  ursprünglich  bei  Földvar  aus  der  Theiß 
ab  und  mündete  bei  Monostorszeg  in  die  Donau.  In  den  Jahren  1850  bis  1854  wurde  die  Donau- 
einmündung mittels  der  Franz-Josef-Schleuse  nach  Bezdan,  gegenüber  von  Battina,  verlegt.  Im 
Jahre  1 870  gründete  General  Türr  eine  Aktiengesellschaft,  die  mit  Staatshilfe  den  Kanal  um-  und 
ausbaute.  Von  Bezdan  wurde  auf  dem  linken  Donauufer  ein  44,4  km  langer  Speisekanal  strom- 
aufwärts bis  Baja  geführt  imd  außerdem  wurde  von  Sztapar  (etwa  in  der  Mitte  des  alten  Franzens- 
kanals) ein  neuer  Kanal  von  68,3  km  Länge  in  südöstlicher  Richtung  zur  Donau  bei  Neusatz 
(Ujwidek)  gebaut,  der  Franz-Josef- Kanal  genannt  wurde  und  Auch  zur  Bewässerung  diente. 
Im  Jahre  1875  waren  diese  Arbeiten  fertig.  Später  (1895  bis  1898]  wurde  auch  die  Theißein- 
mündung des  alten  Kanals  weiter  stromauf  nach  O-Becze  verlegt  imd  dort  eine  große  Koppel- 
schleuse mit  Winterhafen  ausgeführt.  Im  Haupt-  und  Speisekanal  befinden  sich  7  Schleusen  von 
mindestens  56  m  Länge  und  8,4  m  Breite,  im  Franz- Josef-Kanal  4  Schleusen  von  mindestens 
42,6  m  Länge  und  9,3  m  Breite.  Die  Sohlenbreite  der  Kanäle  soll  16  m,  die  Wassertiefe  2  m 
betragen. 

Der  jetzt  ganz  unbedeutende,  xi4km  lange  Begakanal,  ist  schon  zu  Zeiten  des  Königs 
Karl  ni.,  also  lange  vor  dem  Franzenskanal  erbaut.  Er  führt  von  Temesvar  zur  Bega  bei  Kiek, 
die  von  dort  bis  zur  Mündung  in  die  Theiß  bei  Titel  schiffbar  ist 


x)  V.  Gonda,  Die  Ungarische  Schiffahrt.     Budapest  1899. 


68  Abschnitt  ü.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Die  auf  der  ungarischen  Donau,  auf  der  Save  und  der  Theiß  verkehrenden 
Schiffe  hatten  damals  eine  Länge  bis  47  m,  eine  Breite  bis  6,5  m  und  eine 
Tragfähigkeit  bis  350  t.  Die  besseren  waren  gedeckt  und  aus  Eichenholz 
gebaut. 

Die  Fortbewegung  bergwärts  geschah  durch  Segeln  und  Treideln.  Die 
Arbeit  war  mühsam  und  kostspielig.  Zum  Ziehen  von  zwei  zusammenge- 
koppelten mittelgroßen  Schiffen  sollen  9  Schiffer,  2  Fuhrleute  (die  voranritten 
und  den  besten  Weg  für  den  Treidelzug  suchten),  38  Treiber  und  38  Pferde 
nötig  gewesen  sein.  Eine  Fahrt  von  Budapest  nach  Wien  dauerte  20  bis 
25  Tage.  Auch  die  Talfahrt  war  schwierig  und  wurde  oft  durch  Ruderer 
unterstützt.  Zur  Steuerung  der  großen  Schiffe  wurden  hinten  und  vorn  je 
2  lange  Streichruder  benutzt. 

Die  Warpschiffahrt,  wie  sie  oben  bei  der  Elbe  (S.  54)  beschrieben  worden 
ist,  scheint  bei  der  Fahrt  zu  Berg  damals  noch  nicht  üblich  gewesen  zu  sein. 
Denn  es  wird  berichtet,  daß  erst  im  Jahre  18 12  ein  Schiffahrt-Unternehmer 
in  Budapest  dies  Verfahren  als  eine  neue  Erfindung  anpries,  ohne  einen  Erfolg 
erreicht  zu  haben. 
Frankreich. 

Die  Erfindung  der  Kammerschleuse  soll  im  Jahre  151 5  durch  Lionardo 
da  Vinci  in  Frankreich  bekannt  geworden  sein.  Es  wurden  darauf  im  Jahre  1528 
Kammerschleusen  im  Ourcq  (Nebenfluß  der  Marne),  im  Jahre  1538  in  der  Vilaine 
(Bretagne)  und  bald  darnach  im  Lot,  zum  Teil  an  Stelle  der  alten  Stauschleusen 
erbaut.  Man  ging  später  dazu  über,  die  neue  Erfindung  zur  Anlage  von 
Scheitelkanälen  zu  benutzen  und  durch  diese  künstlichen  Wasserstraßen 
wurde  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts  die  Verbindung  der  vier  haupt- 
sächlichsten Stromgebiete  Frankreichs,  der  Seine,  Loire,  Rhone  und  Garonne, 
miteinander  erreicht,  so  daß  man  von  Paris  auf  Binnenwasserstraßen  nach  Nantes, 
Lyon  und  sogar  nach  Bordeaux  gelangen  konnte. 

Die  Anregung  zu  dem  großen  Kanalnetz  ging  von  den  Ministem  Sully 
und  Colbert  aus.  Auch  der  General  Vauban  hat  sich  viel  mit  Kanalentwürfen 
beschäftigt  und  besonders  eine  Verbindung  der  Mosel  mit  der  Maas  über  Toul 
empfohlen.  Bahnbrechend  war  der  Kanal  von  Briare,  der  die  Seine  durch 
den  Nebenfluß  Loing  mit  der  Loire  in  Verbindung  brachte.  Er  wurde  im 
Jahre  1604  unter  Heinrich  IV.  unter  Aufwendung  von  6000  Mann  Soldaten 
begonnen,  (also  etwa  gleichzeitig  mit  dem  ersten  Finowkanal,  der  aber  viel 
früher  fertig  wurde  [S.  42]),  war  59  (jetzt  58J  km  lang  und  mit  43  (jetzt  39) 
Schleusen  von  33  m  Länge,  5,2  m  Breite  und  1,3  m  Wassertiefe  versehen. 
Der  Bau  wurde  nach  dem  Tode  des  Königs  unterbrochen  und  erst  in  den 
Jahren  1638  bis  1642  unter  Richelieu  zu  Ende  geführt,  nachdem  zwei  Pri- 
vatleute mit  ihm  »belehnt«  worden  waren.  In  ähnlicher  Weise,  allerdings 
mit  großer  Staatsunterstützung,  ging  man  mit  dem  Bau  des  Südkanals 
(canal  du  midi  oder  »von  Languedoc«  oder  »der  beiden  Meere«  genannt) 
vor,   der  bereits  von  Franz  I.  beabsichtigt  war  und  in  den  Jahren   1666  bis 


3.  Von  der  KammerscUeuse  bis  zum  Dampfschifif. 


69 


1684  ausgeführt  wurde.  Er  geht  von  dem  Küstensee  Thau  bei  Cette  aus 
und  fuhrt  zur  Garonne  bei  Toulouse,  ist  240  km  lang  und  mit  99  (jetzt  65) 
Schleusen  von  29,25  m  Länge  und  5,5  m  Breite  versehen.  Im  Jahre  1679 
wurde  der  73,5  km  lange  Kanal  von  Orleans  (beendet  erst  1792)  genehmigt, 
der  von  der  Loire  zum  Nebenfluß  der  Seine,  Loing,  an  der  Mündung  des 
Briarekanals  fuhrt,  und  bald  darauf  noch  einige  kleinere  Kanäle,  so  daß  im 
Jahre  1700  schon  678  km  Kanäle  in  Frankreich  bestanden. 


Belgiödhe  and  JfordfrBnzööi3d)e 


•  Sdnffbare  Flösse         ^f^, 
Canäle 


o 


Im  i8.  Jahrhundert  wurde  unter  Ludwig  XV.  der  18  km  lange  Kanal  von 
Neufossd  bei  St.  Omer  (nahe  der  belgischen  Grenze)  fertig  gestellt.  17 19 
wurde  neben  kleineren  Kanälen  der  50  km  lange  Seitenkanal  des  Loing  bis 
zur  Seine  und  1732  der  Kanal  von  St.  Quentin  bis  Chauny  genehmigt. 
Dieser  letztere  (1738  eröffnet)  ist  der  südliche  Teil  der  wichtigen  Wasserstraße 
zum  nördlichen  Kohlengebiet,  die  die  Seine  durch  Oise  und  Somme  mit  der 
Scheide  in  Verbindung  bringt.  In  ganzer  Ausdehnung  (von  Chauny  bis  Cam- 
brai  93  km  lang  mit  35  Schleusen)  ist  sie  erst  im  Jahre  18 10  vollendet  worden. 


70  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Diese  großen  Bauten,  die  bedeutende  technische  Schwierigkeiten,  Tunnel 
u.  dgl.  boten,  wurden  durch  das  hervorragende  Korps  der  Ingenieure  ent- 
worfen und  geleitet,  die  auf  der  im  Jahre  1747  nach  dem  Vorschlage  von 
Perronet  gegründeten  »Ecole  des  ponts  et  chausseesc  vorgebildet  waren. 

Unter  der  Regierung  Ludwigs  XVI  beschloß  (im  Jahre  1783)  der  Landtag 
von  Burgund  den  Bau  von  drei  wichtigen  Kanälen.  Dies  waren:  der  Mittel- 
kanal (canal  du  centre),  der  die  Loire  mit  der  Saone  verbindet,  121  km  lang 
ist  und  82  (jetzt  69)  Schleusen  besitzt,  der  Kanal  von  Burgund,  der  die 
Seine  diu-ch  die  Yonne  mit  der  Saone  verbindet,  242  km  lang  ist  und  191 
(jetzt  189)  Schleusen  besitzt,  und  der  Rhone-Rhein-Kanal,  der  318  km 
lang  ist,  162  Schleusen  besitzt  und  die  Saone  mit  der  111  bei  Straßburg  ver- 
bindet^). Der  Grundstein  für  alle  drei  Kanäle  wurde  1784  gelegt.  Der  erste 
wurde  1792,  der  zweite  1832  und  der  dritte  1834  eröffnet.  Die  staatlichen 
Umwälzungen  und  die  Kriege  verzögerten  die  Fertigstellung.  Im  Jahre  1784 
wurde  auch  der  Kanal  von  Nivernais  vom  Staate  begonnen,  der  eine 
zweite  Verbindung  der  Seine  durch  die  Yonne  mit  der  Loire  bildet,  1 74  km 
lang  ist  und  115  Schleusen  hat;  er  wurde  1793  vollendet  Napoleon  I.  wandte 
den  Wasserstraßen  große  Aufmerksamkeit  zu  und  suchte  zunächst  eine  Reihe 
von  Seestädten  mit  ihrem  Hinterlande  in  bessere  Verbindung  zu  bringen.  In 
der  Bretagfne  wurde  der  Kanal  von  Blavet  (60  km,  28  Schleusen)  zum  Hafen 
Lorient  und  der  lUe-Rance-Kanal  (85  km,  48  Schleusen)  zum  Hafen  St.  Malo 
begonnen.  Der  Kanal  von  Marans  [22  km)  wurde  nach  La  Rochelle  und 
der  Kanal  von  Arles  (47  km,  4  Schleusen)  von  der  unteren  Rhone  nach  Bouc 
geführt.  An  anderen  Kanalbauten  wurde  begonnen:  der  24  km  lange  Kanal 
von  Mons  nach  Conde  an  der  Scheide  (25  km,  7  Schleusen),  der  einen  Teil 
der  wichtigen  Verbindung  mit  Belgien  bildet,  und  1807  der  Kanal  von  Berry 
im  Gebiet  der  Loire,  261  km  lang  mit  114  (jetzt  97)  Schleusen.  Außerdem 
wurde  von  ihm  der  Stadt  Paris  im  Jahre  1802  die  Genehmigung  zu  den  zu- 
sammen 120  km  langen  Kanälen  von  Ourcq,  St.  Denis  und  St.  Martin 
erteilt,  die  teils  zur  Wasserversorgung,  teils  zur  Abkürzung  der  Seinefahrt 
innerhalb  der  Hauptstadt  dienen.  Sie  stehen  noch  heute  im  Eigentum 
der  Stadt. 

Während  in  Brandenburg  und  Preußen  alle  Kanäle  vom  Staate  gebaut 
und  unterhalten  wurden,  sind  die  meisten  französischen  Kanäle  vor  der  Re- 
volution von  privaten  Unternehmern  hergestellt  worden,  zum  Teil  auch  von 


i)  Seit  1871  gehören  von  dem  Rhone-Rhein-Kanal  nur  186  km  mit  75  Schleusen  zu 
Frankreich.  Der  seitdem  zu  Deutschland  gehörende  132  km  lange  Teil  des  Kanals  über- 
schreitet die  französische  Grenze  nahe  bei  Altmünsterol  und  erhebt  sich  mit  2  Schleusen  zu 
der  2,9  km  langen  Scheitelhaltung,  die  347  m  über  dem  Meere  liegt.  Mit  41  Schleusen  steigt 
er  herab  in  das  111  tal  und  nach  Mühlhausen,  wo  er  den  zur  Speisung  dienenden  Kanal  von 
Hüningen  auhiimmt.  Auf  der  95  km  langen  Strecke  bis  Straßburg  folgen  noch  44  Schleusen, 
die  eine  Länge  von  38,5  und  eine  Breite  von  5,3  m  haben.  Die  Schleusen  oberhalb  Mühl- 
hausen und  in  Frankreich  bis  Deluz  (unterhalb  Besangen)  sind  nur  30  m  lang.  Die  Wassertiefe 
des  Kanals  beträgt  jetzt  unterhalb  Mühlhausen  2  m  und  oberhalb  1,6  m. 


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3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zmn  DampfschifiT.  71 

den  Provinzialständen  mit  Staatsunterstützung.  Die  wenigen  vom  Staate 
gebauten  Kanäle  wurden  nach  Fertigstellung  als  Lehen  an  Mitglieder  des 
königlichen  Hauses  oder  andere  Personen  vergeben,  die  ebenso  wie  alle 
anderen  Kanalbesitzer  das  Recht  der  Abgabenerhebung  hatten.  Die  Revolu- 
tion räumte  mit  diesen  Zuständen  im  Jahre  1790  auf  und  erklärte  alle  den 
Provinzialständen  gehörigen  und  auch  die  meisten  im  Privatbesitz  befindlichen 
Kanäle,  zusammen  etwa  1000  km,  für  Staatseigentum.  Nur  135  km  Kanäle, 
darunter  der  von  Briare,  blieben  davon  frei.  Die  Kanäle  blieben  aber  nicht 
lange  im  Staatsbesitz;  Napoleon  verkaufte  vielmehr  bald  darauf  eine  Zahl 
wichtiger  Wasserstraßen  an  Unternehmer  und  verlieh,  wie  schon  bemerkt, 
auch  der  Stadt  Paris  neue  Baugenehmigungen.  Im  Jahre  18 14  standen 
640  km  staatlichen  Kanälen  573  km  nichtstaatliche  gegenüber. 

Bei  der  Entwicklung  der  französischen  Wasserstraßen  in  diesem  Zeitalter 
ist  bemerkenswert,  daß  die  bedeutenden  Geldaufwendungen  von  Staat,  Ge- 
meinden, Genossenschaften  und  einzelnen  Personen  ausschließlich  für  den 
Bau  von  Kanälen  gemacht  wurden  und  für  die  Verbesserung  der  natür- 
lichen Wasserstraßen  fast  nichts  geschah.  Auch  der  künstliche  Aufstau 
und  die  Geradelegung  (Kanalisierung)  der  kleinen  wasserarmen  Flüsse  wurde, 
abgesehen  von  den  schon  im  Mittelalter  unternommenen  Bauten,  nicht  weiter 
verfolgt.  Es  war  zur  Regel  geworden,  den  nach  Tiefe,  Breite  und  Wasser- 
mei^e  für  die  beabsichtigte  Schiffahrt  nicht  mehr  genügenden  Fluß  zu  ver- 
lassen und  die  Wasserstraße  in  einem  Seitenkanal  fortzuführen,  der  oft  in 
einen  Scheitelkanal  überging.  Die  Flüsse  dienten  in  ihrem  oberen  Laufe 
also  nur  zur  Speisung  der  Kanäle.  Am  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  hatte 
man  versucht,  unter  Heranziehung  der  Beteiligten  (SchifTei^enossenschaften 
und  Uferstädte)  einige  Ströme,  z.  B.  Loire,  Eure,  Ciain  zu  verbessern,  aber 
keinen  Erfolg  gehabt.  So  kam  es,  daß  die  französischen  Flüsse  sehr  ver- 
wilderten und  immer  wieder  neue  Seitenkanäle  notwendig  wurden. 
Niederlande. 

Daß  die  Kammerschleusen  im  heutigen  Holland  schon  frühzeitig  Ver- 
wendung gefunden  haben,  ist  bekannt;  doch  fehlen  genaue  Berichte  darüber, 
weil  die  größte  Zahl  der  dort  zur  Binnenschiffahrt  benutzten  Kanäle  ursprüng- 
lich zur  Entwässerung  dienten  und  in  diesem  Zeitalter  durchw^  von  Ge- 
meinden, Provinzen  .und  Wassergenossenschaften  hergestellt  wurden..  Einer 
der  ältesten  Kanäle  ist  z.  B.  das  Damster-Diep,  das  im  Jahre  1598  gebaut 
wiu-de,  um  Groningen  mit  dem  Seehafen  Delfzijl  zu  verbinden.  (Später  wurde 
mit  gleichen  Endpunkten  der  nur  28  km  lange  Emskanal  gebaut,  auf  den 
der  größte  Teil  des  Verkehrs  übergegangen  ist.)  Die  Stadt  Groningen  be- 
gann im  Jahre  1635  ^^ch  mit  dem  Bau  der  ersten  Torfkanäle.  Die  Rhein- 
wasserstraße wurde  in  den  Jahren  1701  bis  1706  durch  den  Pannerden- 
schen  Kanal  verbessert,  der  eine  Geradelegung  des  Niederrheins  bei  der 
Abzweigung  der  Waal  darstellt.  Aus  späterer  Zeit  ist  von  Kanälen  noch  die 
Dedemsvaart  zwischen  Hasselt  am  Zwart-Water  und  Gramsbergen  an  der 


72  Abschnitt  H.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Vechte  zu  erwähnen,  die  im  Jahre  1809  gebaut  wurde,  und  der  Kanal  von 
ZwoUe  nach  Almelo. 

Im  heutigen  Belgien  ist  der  Willebroeckkanal  von  Brüssel  zum 
Rüpel  die  älteste  künstliche  BinnenschiffahrtstraOe.  Ursprünglich  wurde  die 
Senne  zur  Schiffahrt  aufwärts  bis  Brüssel  benutzt;  dieser  kleine  Fluß  genügte 
aber  im  15.  Jahrhundert  nicht  mehr  und  es  wurde  deshalb  vom  Kaiser  im 
Jahre  1477  der  Stadt  Brüssel  ein  Zoll  bewilligt,  der  die  Mittel  zur  Herstellung 
eines  Seitenkanals  geben  sollte.  Da  das  Unternehmen  auf  Schwierigkeiten 
bei  der  Stadt  Mecheln  stieß,  wurde  ein  anderer  Entwurf  aufgestellt,  nach 
dem  der  Kanal  von  Brüssel  nach  Willebroeck  führte.  Dieser  Bau  wurde 
mit  4  Kammerschleusen  in  den  Jahren  153 1  bis  1561  fertig  gestellt.  Der 
Kanal  war  8  bis  10  m  breit  und  1,9  bis  2,2  m  tief.  In  der  Zeit  von  1829 
bis  1835  wurde  er  erweitert  und  schließlich  1896  an  eine  Gesellschaft  ab- 
getreten, die  ihn  in  großen  Abmessungen  zu  einem  Seekanal  umgebaut  hat 

Der  Stadt  Gent  wurde  von  Kaiser  KarlV.  im  Jahre  1547  die  Erlaubnis 
erteilt,  einen  alten  Mündungsarm  der  Lys  zu  erweitern  imd  eine  Schleuse  zur 
Verbindung  mit  der  westlichen  Scheidemündung  anzulegen.  Das  war  der  An- 
fang zu  dem  heutigen  Kanal  von  Gent  nach  Terneuzen.  Nach  dem  west- 
fälischen Frieden  hörte  aber  die  Schiffahrt  auf  der  Scheide  auf  und  erst  im 
Jahre  1823  ordnete  Wilhelm  I.  von  Oranien  den  Bau  des  jetzigen  Kanals  mit 
großem  Querschnitt  an.  Der  südliche  Teil  gehört  zu  Belgien,  der  nördliche 
zu  Holland.  In  neuester  Zeit  ist  er  zu  einem  großen  Seekanal  umgebaut 
worden. 

England. 

Künstliche  Wasserstraßen  und  Kammerschleusen  kamen  in  England  ver- 
hältnismäßig spät  zur  Ausführung.  Es  ist  beachtenswert,  daß  diese  Arbeiten 
trotz  der  großen  Begfünstigung  der  Binnenschiffahrt  seitens  der  Regierung 
(S.  30)  niemals  auf  Staatskosten  bewirkt  wurden.  Es  wurde  vielmehr  den 
Unternehmern  (Herzöge,  Grafen,  Gemeinden  oder  Gesellschaften)  jedesmal 
durch  ein  Gesetz  die  Genehmigung  unter  Festsetzung  der  Tarife  u.  dgl. 
erteilt.  Das  erste  Unternehmen  war  die  Schiffbarmachung  des  Medway- 
flusses,  die  im  Jahre  1664  vom  Parlament  genehmigt  wurde.  Im  Jahre 
1669  folgte  die  Genehmigung  der  Aire-  und  Cal  der  Schiffahrt  und  dann 
noch  anderer  Flußbauten.  Der  erste  Kanal  wurde  erst  etwa  100  Jahre 
später  in  den  Jahren  1759  bis  1765  vom  Herzog  von  Bridgewater  zur 
Verbindung  seiner  Kohlengruben  in  Worsley  mit  der  Stadt  Manchester 
erbaut.  (Die  Verwendung  der  Steinkohlen  zur  Eisengewinnung  hat  etwa 
um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  begonnen.)  Der  Erfolg  des  ersten 
Kanals  war  so  bedeutend,  daß  die  Kohlenpreise  sofort  um  40  v.  H.  fielen 
und  der  Kanal  schon  im  zweiten  Jahre  etwa  20  v.  H.  Zinsen  einbrachte. 
Im  Jahre  1762  erhielt  dieser  Herzog  die  Genehmigung  zu  dem  Kanal  von 
Manchester  nach  Liverpool.  Während  der  erste  Kanal  nur  eine  einzige 
Haltung    hatte,    verlief   der    zweite    Kanal    gleichfalls    ohne    Schleusen    bis 


3»  Von  der  Kammerschleuse  bb  zum  DampfschifT« 


73 


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74  Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Runcorn,  wo  er  mit  10  Kammerschleusen  etwa  25  m  tief  zum  MerseyfluO 
hinabstieg.  Die  großen  Erfolge  dieser  beiden  Kanäle  ermunterten  zu  wei- 
teren Unternehmungen  und  es  wurden  bis  zum  Jahre  1800  noch  75  an- 
dere Wasserstraßen  genehmigt,  die  sich  fast  über  das  ganze  Land  aus- 
breiteten. Im  Jahre  1790  war  London  mit  Bristol,  HuU  und  Liverpool  durch 
Wasserstraßen  verbunden. 

Auch  in  Irland  wurde  im  Jahre  1770  eine  große  Kanalgesellschaft 
genehmigt;  doch  hat  die  Regierung  diese  durch  niedrig  verzinsliche  Darlehen 
und  Kapitalzuschüsse  wiederholt  unterstützt. 

Die  Abmessungen  der  damals  gebauten  Wasserstraßen  waren  sehr  ver- 
schieden und  daher  auch  die  Tragfähigkeit  der  Schiffe,  die  nur  selten  50  t 
überschritt. 

Im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  entwickelte  sich  auf  den  englischen 
Wasserstraßen  ein  lebhafter  Personenverkehr.  Leichte  Boote  von  10  bis 
15  t  Tragfähigkeit,  mit  etwa  80  Reisenden  besetzt,  erreichten  auf  den  Ka- 
nälen (z.  B.  von  London  nach  Birmingham),  von  Pferden  getreidelt,  Geschwin- 
digkeiten von  4  bis  6  km  in  der  Stunde,  zuweilen  aber  noch  viel  größere. 
Es  wird  z.  B.  von  dem  Paisleykanal,  auf  dem  im  Jahre  1833  an  einzelnen 
Tagen  bis  zu  1000  Personen  befördert  sein  sollen,  berichtet,  dass  die  Boote 
Geschwindigkeiten  von  mehr  als  15  km  hatten.  Aber  sowohl  die  Pferde  wie 
namentlich  die  Kanalufer  sollen  dabei  sehr  gelitten  haben. 
Rußland. 

Peter  der  Große  (1682  bis  1725)  hat  sich  zuerst  um  die  Verbesserung 
der  Wasserstraßen  und  die  Herstellung  neuer  künstlicher  Verbindungen  be- 
müht. Zuerst  ging  sein  Bestreben  dahin,  das  Wolgagebiet  mit  dem  Don 
und  mit  dem  Schwarzen  Meer  in  Verbindung  zu  setzen.  Er  ließ  die  schon 
im  16.  Jahrhundert  von  dem  türkischen  Sultan  Selim  angefangenen  Arbei- 
ten zu  einem  Kanal  zwischen  der  Uovla,  einem  Nebenfluß  des  Don,  und 
der  Kamychenka,  einem  Nebenflüßchen  der  Wolga  (nahe  bei  Kamychin), 
zunächst  fortführen.  Das  Unternehmen  wurde  jedoch  durch  den  Krieg  mit 
Schweden  im  Jahre  1701  unterbrochen.  Peter  ließ  bald  darauf  mit  einer 
neuen,  günstiger  liegenden  Kanalverbindung  zu  gleichem  Zweck  beginnen, 
und  zwar  mit  dem  Ivanovskykanal,  der  die  Quelle  des  Don  mit  dem 
Flusse  Chat,  einem  Nebenflusse  der  Upa,  und  der  Oka  (nahe  bei  der  Stadt 
Tula,  südlich  von  Moskau)  verbinden  sollte.  Es  wird  berichtet,  daß  bis  zum 
Jahre  1707  schon  mehr  als  20  Schleusen  in  dieser  Strecke  fertig  gewesen 
sind,  daß  die  Arbeiten  aber  eingestellt  wurden,  weil  das  Asowsche  Meer  im 
Jahre  171 1  an  die  Türken  abgetreten  werden  mußte.  Nach  der  Gründung 
von  Petersburg  erkannte  der  Kaiser  es  als  wichtiger,  die  Wolga  mit  der  Newa 
zu  verbinden  und  begann  im  Jahre  1704  mit  der  Verbindung  der  Flüsse 
Twertza  (Nebenfluß  der  Wolga  nahe  bei  Twer,  745  km  oberhalb  Rybinsk) 
und  Tsna  (Nebenfluß  der  Msta)  sowie  der  Msta  mit  dem  in  den  Ladogasee 
mündenden  Wolkhowflusse.    Diese,  etwa  50  km  künstliche  Kanäle  enthaltende 


3-  VoD  der  Kammerschleiue  bis  lum  Dampfschiff.  75 

Wasserverbindung  trägt  heute  den  Namen  Wischnij-Wolotschek-System. 
Es  wurde  dadurch  von  Astrachan  bis  Petersbui^  eine  3932  km  lange  Binnen- 
wasserstraDe  eröffnet.  Die  Geldmittel  zu  diesem  Bau  waren  zum  größten  Teil 
von  einem  Privatmann  beigegeben,  dem  dafür  gewisse  Vorrechte  und  die 
Abgabenerbebung  bewilligt  wurden. 

Da  der  neue  Wasserweg  durch  die  Stromschnellen  in  der  Msta  bei  Boro- 
witsch  sehr  behindert  wurde,  suchte  Peter  nach  neuen,  besseren  Verbindungs- 
linien. Das  war  zunächst  die  Verbindung  des  Ladogasees  durch  den  Sias 
und  die  Tikhwinka  mit  der  Mologa,  die  oberhalb  von  Rybinsk  in  die  Wolga 
einmündet.  Diese  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  hergestellte 
WasserstraÜe   mit  dem  Namen  Tikhwinskisystem   ist  von  Petersbui^  bis 


Abb.  8.    WasaeTstraßeD  des  Mariensystems  zniscbeo  Newa  und  Wolga. 

Rybinsk  jetzt  927  km  lang,  wovon  44.2  km  zum  Flußgebiet  der  Newa,  477  km 
zu  dem  der  Wolga  und  8  km  zur  Scheitclhaltung  gehören.  Es  sind  etwa 
24 1  km  davon  künstlich  mit  62  Schleusen  angebaut.  Die  Abmessungen  sind 
klein,  so  dass  nur  SchifTe  von  25  m  Länge,  4,27  m  Breite  und  1,08  m  Tief- 
gang verkehren  können. 

Peter  der  Große  ließ  im  Jahre  1711  auch  den  Entwurf  zu  einer  dritten 
Verbindung  zwischen  dem  Ladogasee  und  der  Wolga  aufstellen,  die  noch 
weiter  nordöstlich  gelegen,  aber  heute  die  bedeutendste  und  wichtigste  ist. 
Sie  wurde  im  Jahre  1810  eröffnet  und  bekam  nach  der  Gemahlin  des  Kai- 
sers Paul  I.  den  Namen  Mariensystem.  In  ihrem  heutigen  Zustande  ist 
sie  in  Abb.  8  dargestellt'). 

I)  Gerhardt,  Zentralblatt  der  Banverwaltung  1908. 


76  Abschnitt  n.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

In  dem  Aufstieg  von  Petersburg  folgen  auf  die  Newa  die  Seitenkanäle  des  Ladogasees, 
der  Fluß  Swir,  der  Seitenkanal  des  Onegasees  und  der  Fluß  Witegra,  der  im  unteren  Laufe  offen, 
im  oberen  aufgestaut  ist.  Die  Seitenkanäle  des  Ladogasees  sind  erst  später  hergestellt  worden, 
und  zwar  doppelt.  Der  574  km  lange  Aufstieg  tiberwindet  jetzt  ohne  Schleusen  35  m  Gefölle 
bis  zur  ersten  Schleuse  im  aufgestauten  Witegraflusse,  von  da  bis  zur  Scheitelhaltung  85,8  m  Ge- 
fälle durch  29  Schleusen.  Die  Scheitelhaltung  zur  Durchbrechung  der  Byt-Gora  am  Kovjasee  ist 
ein  künstlicher  Kanal  von  8,5  km  Länge.  Den  im  ganzen  551  km  langen  Abstieg  zur  Wolga 
bilden  der  im  oberen  Laufe  aufgestaute  und  im  unteren  Laufe  offene  Kovjafluß,  der  Kanal  Bielo- 
zersk  um  den  Weißen  See  herum  und  der  im  oberen  Laufe  aufgestaute  und  im  unteren  Laufe 
offene  Cheksnafluß,  der  bei  Rybinsk  in  die  Wolga  mündet.  Von  den  42,1  m  Gefälle  des  Abstiegs 
werden  21,7  m  durch  7  Schleusen  und  der  Rest  durch  freies  Gefälle  überwimden.  Die  Wasser- 
spiegelbreite der  Kanäle  beträgt  jetzt  25,6  m  mit  Ausnahme  einiger  Strecken  der  Scheitelhal- 
tung mit  23,5  m  und  21,3  m  Breite.  Die  Wassertiefe  ist  1,94  m,  in  den  Kanälen  und  aufge- 
stauten Flußstrecken  2,13  m.  Die  Schleusen  haben  eine  nutzbare  Länge  von  82,03  m  imd  eine 
Breite  von  10,67  m  bei  2,13  m  Tiefe.  In  der  aufgestauten  Cheksna  sind  die  Schleusen  339,24  m 
lang  und  12,8  m  breit.  Die  auf  der  Wasserstraße  verkehrenden  Schiffe  haben  bei  74,67  m  Länge, 
9,6  m  Breite  und  1,7  m  Tauchtiefe  eine  Tragfähigkeit  von  810  t.  Die  Dauer  einer  Reise  von 
Rybinsk  (wo  oft  aus  den  größeren  Wolgaschiffen  eine  Umladung  erfolgt)  bis  Petersburg  dauert 
jetzt  mindestens  16,  gewöhnlich  30  Tage,  wobei  auf  dem  Wolgaabstieg  meistens  mit  Dampfern 
geschleppt  und  auf  dem  Newaabstieg  oft  getreidelt  wird.  Es  werden  vorwiegend  Getreide, 
Erze,  Eisen  und  Naphtha  befördert 

An  der  oberen  Wolga  hat  sich  besonders  "Rybinsk  im  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  als  bedeutender  Handels-  und  Umschlagplatz  ausgebildet. 
Der  Strom  bildete  die  Hauptverkehrstraße  Rußlands  und  war  von  vielen 
großen  Schiffen  belebt,  obwohl  des  langen  Winters  wegen  die  Schiffahrt 
nur  6  bis  7  Monate  lang  betrieben  werden  kann.  Die  Fortbewegung 
der  Schiffe  geschah  wie  in  Deutschland  durch  Strömung,  Segeln  und  Trei- 
deln; außerdem  war  besonders  die  schon  oben  bei  der  Elbe  (S.  54)  beschrie- 
bene Warpschiffahrt  bei  der  Bergfahrt  üblich.  Das  an  einem  Anker  ober- 
halb im  Strom  befestigte  Zugseil  wurde  aber  auf  dem  Schiffe  gewöhnlich  um 
ein  Göpelwerk  gelegt,  das  durch  Pferde  angetrieben  wurde.  Selbst  nach  der 
Einfuhrung  der  Dampfschiffahrt  auf  der  Wolga  (etwa  im  Jahre  1843)  wurde 
diese  Einrichtung  noch  lange  mit  der  Abänderung  beibehalten,  daß  an  die 
Stelle  des  Pferdegöpels  eine  Dampfwinde  trat. 

Das  Beresinasystem  verbindet  die  Oulla,  einen  Nebenfluß  der  Dtlna  mit  der  Beresina, 
einem  Nebenfluß  des  Dnjepr,  also  die  Ostsee  mit  dem  Schwarzen  Meer.  Die  künstlich  aus- 
gebaute Wasserstraße  von  der  Einmündung  der  Oulla  in  die  Düna  bis  zur  Beresina  ist  162  km 
lang.  Im  Abstieg  zur  Düna  liegen  11,  in  dem  zur  Beresina  3  Schleusen,  deren  geringste  Länge 
42  m  und  deren  Breite  9,2  m  beträgt.  Die  Länge  der  künstlichen  Kanäle  ist  etwa  20  km.  Die 
Scheitelhaltung  liegt  164,3  "*  über  der  Ostsee.  Wegen  Wassermangels  und  geringer  Tiefe  wird 
der  Kanal  nur  zur  Flößerei  benutzt. 

Das  Oginskisystcm  verbindet  gleichfalls  durch  den  Dnjepr  und  den  Memelstrom  (Njemen) 
das  Schwarze  Meer  mit  der  Ostsee.  Die  Schüfahrtstraße  geht  vom  Dnjepr  durch  dessen  Neben- 
flüsse Fripet,  Pina  und  Jasiolda.  Von  der  in  2  Stufen  aufgestauten  oberen  Jasiolda  führt  der 
55  km  lange  Oginskikanal  zu  der  Szczara,  einem  Nebenflusse  des  Njemen  (Memelstrom).  Die 
Szczara  ist  in  ihrem  Oberlauf  durch  10  Stauschleusen  (Nadelwehre)  aufgestaut.  Der  Oginskikanal 
hat  10  Schleusen  von  42,7  m  Länge  und  5,3  m  Breite.  Die  Scheitelhaltung  im  Wygonowskisee 
liegt  154  m  über  der  Ostsee.  Die  Wassertiefe  im  Kanal  ist  0,9  m  und  in  der  kanalisierten 
Szczara  0,6  m. 

Der  Kanal  wurde  im  Jahre  1 768  von  dem  polnischen  Wojwoden,  General  Og^inski  begonnen 
und  von  der  russischen  Regierung  in  der  Zeit  von  1799  bis  1804  fertig  gestellt.  Schon  im 
Jahre  1802  sollen  flach  gebaute  Schifie  vom  Dnjepr  nach  Königsberg  gekommen  sein.     Trotz 


3.  Von  der  Kammerschleuse  bis  zum  Dampfschiff.  77 

der  1846  ausgeführten  Verbesserungen  hat  der  Kanal  für  den  Schiffahrtverkehr  jetzt  keine 
Bedeutung.  (In  den  Jahren  1889  bis  1894  sollen  durchschnittlich  jährlich  von  dem  Kanal  zimi 
Dnjeprgebiet  131  Schiffe,  nach  dem  Njemengebiet  aber  nur  18  Schiffe  von  12  bis  13  m  Länge, 
3,6  m  Breite,  0,6  m  Tiefgang  und  etwa  5  t  Tragfähigkeit  gefahren  sein.) 

Der  Bug-Dnjepr-Kanal  verbindet  den  Dnjepr  durch  den  Bug,  einen  Nebenfluß  der  Weich- 
sei  mit  der  Ostsee.  Die  Wasserstraße  folgt  vom  Dnjepr  ebenso  wie  die  vorbeschriebene  zunächst  dem 
Pripet  und  der  Pina.  Während  die  Straße  zum  Njemen  nördlich  durch  die  Jasiolda  führt,  verfolgt 
diese  Straße  zur  Weichsel  in  westlicher  Richtung  die  Pina  weiter  aufwärts  bis  Pinsk,  wo  mittels 
einer  47  m  langen  Schleuse  der  79  km  lange  Königskanal  erreicht  wird.  Er  wurde  im  Jahre 
1786  unter  dem  polnischen  Könige  Stanislaus  August  angelegt  und  in  der  Zeit  von  1839  bis 
1843  wesentlich  verbessert.  Er  mündet  in  den  Muchawjec,  einen  bei  Brest- Litowsk  in  den 
Bug  einmündenden  Nebenfluß.  Bei  hohen  Wasserständen  besteht  außer  der  genannten  Schleuse 
in  der  ganzen  Wasserstraße  keine  künstliche  Staustufe.  Bei  niedrigen  Wasserständen  werden 
aber  Stauschleusen  (als  Nadelwehre  gebaut)  aufgerichtet,  von  denen  sich  auf  dem  Östlichen  Abstieg 
unterhalb  Pinsk  7  und  auf  dem  westlichen  14  befinden.  Die  Scheitelhaltung  liegt  X40  m  über 
der  Ostsee.  Der  Kanal  ist  für  Schiffe  von  40  m  Länge,  6  m  Breite  und  1,2  m  Tiefgang  einge- 
richtet: die  Sohlenbreite  soll  10,6  m,  die  Wassertiefe  2  m  betragen.  Auf  mehr  als  i  m  Tiefe 
kann  in  der  ganzen  Wasserstraße  aber  nicht  gerechnet  werden.  Es  verkehren  auch  nur  kleine 
Schiffe  in  geringer  Zahl.  (In  der  Zeit  von  1890  bis  1894  sollen  durchschnittlich  in  der  Richtung 
zur  Weichsel  etwa  90  Schiffe,  in  der  Richtung  zum  Dnjepr  nur  1 5  Schiffe  den  Kanal  durchfahren 
haben.) 

Der  Augustowskikanal  verbindet  die  Weichsel  mit  dem  Memelstrom  (Njemen).  Die 
Wasserstraße  geht  von  der  Weichsel  durch  die  Nebenflüsse  Bug,  Narew  und  Bjebrza  (Bobr)  zu 
dem  71,5  km  langen  Kanal,  der  in  die  Czarna-Hancza,  einen  Nebenfluß  des  Njemen  einmündet. 
Die  9,3  km  lange  Scheitelhaltung  liegt  126  m  über  der  Ostsee.  Auf  dem  östlichen  Abstieg  zum 
Njemen  befinden  sich  ii  Kammerschleusen,  auf  der  westlichen  zur  Weichsel  2.  Alle  Schleusen 
sind  in  Stein  gebaut  und  haben  47,6  m  Länge  und  6,4  m  Breite.  Die  Sohlenbreite  des  Kanals 
beträgt  11,5  m,  die  Wassertiefe  1,43  m.  Der  Schiffverkehr  ist  sehr  gering.  Außer  den  wenigen 
Berlinken  (ähnlich  den  Oderschiffen)  von  43  m  Länge,  4,9  bis  5,2  m  Breite  und  1,2  m  Tiefgang 
verkehren  meistens  nur  kleinere  Schiffe  von  40  bis  70  t  Ladung.  Der  Kanal  ist  in  den  Jahren 
von  1825  bis  1837  gebaut  worden.  (In  der  Zeit  von  1890  bis  1894  haben  den  Kanal  in  jeder 
Richtimg  26  Schiffe  befahren.) 

In  Finnland  bestand  auf  den  vielen  natürlichen  Wasserstraßen  seit  alters- 
her  eine  lebhafte  Schiffahrt,  die  aber  wegen  der  geringen  Wassertiefen,  bis 
höchstens  0,9  m,  gewöhnlich  nur  mit  kleinen  Schiffen  von  etwa  1 5  m  Länge, 
1,5  m  Breite,  0,8  m  Tauchtiefe  und  4  t  Tragfähigkeit  ausgeübt  werden  konnte. 
In  dem  südlichen,  besonders  entwickelten  Teile  des  Landes  hatte  man  früh- 
zeitig das  Bedürfnis  nach  leistungsfähigeren  Wasserstraßen,  namentlich  um 
die  große  Seenkette  mit  dem  finnischen  Meerbusen  zu  verbinden.  Am 
Ende  des  1 6.  Jahrhunderts  soll  ein  schwedischer  General  Pontus  de  la  Gardie 
von  dem  südlichsten  See,  Saimasee,  nach  der  Stadt  Wiborg  einen  Kanal  an- 
gelegt haben,  dessen  Spuren  als  »Pontusgraben«  noch  heute  vorhanden  sind. 
Doch  erst  im  Jahre  1826  wurde  ernstlich  angefangen,  daraus  eine  leistungs- 
fähige Straße  herzustellen,  und  der  Sa'imakanal  ist  schließlich  im  Jahre  1856 
eröffnet  worden.  Er  ist  59,3  km  lang  und  das  Gefälle  von  75,9  m  wird  durch 
28  Schleusen  von  35,6  m  Länge,  7,42  m  Breite  und  2,67  m  Wassertiefe  über- 
wunden. Die  jetzt  auf  diesem  Kanal  verkehrenden  Schiffe,  die  auch  für  die 
Küstenschiffahrt  geeignet  sind,  haben  31,2  m  Länge,  7,1  m  Breite  und  2,5  m 
Tauchtiefe.  (Es  wird  vorwiegend  Holz  befördert.  Im  Jahre  1906  wurde  der 
Kanal  von  6689  Schiffen  durchfahren.) 


78  Abschnitt  IL     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Schweden. 

Die  Bestrebungen,  die  vielen  Gewässer  des  Landes  mit  einander  zu 
verbinden,  reichen  bis  ins  16.  Jahrhundert  zurück  und  der  erste  mit  Kam- 
merschleusen ausgerüstete  Kanal  soll  in  den  Jahren  1596  bis  163g  bei  Tors- 
hälla  erbaut  sein,  um  Eskilstuna  und  den  Hjelmarsee  mit  dem  Mälarsee 
zu  verbinden.  Auch  der  Plan  zur  Verbindung  des  Wenern-  und  des  Wettem- 
sees  einerseits  mit  Gothenburg  und  der  Nordsee  und  andererseits  mit  Stock- 
holm und  der  Ostsee  soll  schon  aus  dem  Jahre  1516  stammen.  Die  TroU- 
hättaschleusen  wurden  1718  begonnen.  Die  berühmte  Schleuse  von  Pol- 
hem  wurde  später  zerstört  und  die  Fertigstellung  der  ganzen  großen  Wasser- 
straße, von  der  80  km  auf  den  TroUhättakanal  und  188  km  auf  den  Göta- 
kanal  entfallen,  erfolgte  erst  im  Jahre  1844.  Die  74  Kammerschleusen  sind 
35,64  m  lang  und  7,13  m  breit  und  die  Wasserstraße  hat  jetzt  die  bedeutende 
Tiefe  von  etwa  3  m.  Schon  diese  Abmessungen  weisen  darauf  hin,  daß  die 
Binnenschiffahrt  nicht  so  betrieben  wird  wie  in  anderen  Ländern:  Schwachge- 
baute, Nachgehende  Schiffe  können  auf  den  großen  Seen  nicht  verkehren;  sie 
müssen  vielmehr  kräftig  gebaut,  tiefgehend  und  seetüchtig  sein.  Die  künst- 
lichen Wasserstraßen  Schwedens  sind  daher  eigentlich  als  Seekanäle  und  die  auf 
ihnen  verkehrenden  Fahrzeuge  richtiger  als  Küstenschiffe  zu  bezeichnen.  Alle 
schwedischen  Kanäle  sind  von  Gesellschaften  mit  Staatsbeihilfe  gebaut  worden. 
Spanien. 

Auch  in  diesem  Lande  entwickelte  sich  die  Binnenschiffahrt  besonders  auf 
dem  Ebro  und  dem  Guadalquivir  so  gut,  daß  man  unter  der  Regierung  Kaiser 
Karl  V.  die  Absicht  hatte,  Schiffahrtkanäle  wie  in  anderen  Ländern  zu  erbauen. 
Erst  im  18.  Jahrhundert  wurde  das  verwirklicht.  Man  begann  1753  den  Kanal 
von  Kastilien,  von  AUar  nach  Serron,  der  im  Jahre  1835  bis  Valladolid  fort- 
gesetzt wurde.  Im  Jahre  1849  baute  man  von  ihm  aus  eine  Seitenstrecke  nach 
Rio  Secco.  Der  ganze  Kanal  ist  209  km  lang,  hat  5,8  m  Sohlenbreite,  1,9  m 
Wassertiefe  und  49  Schleusen.    Die  Schiffe  haben  eine  Tragfähigkeit  von  34,5  t. 

Der  Kanal  von  Arragonien  ist  in  der  Zeit  von  1770  bis  1790  als  Seiten- 
kanal des  Ebro  von  Tudela  nach  Saragossa  ausgeführt  worden.  Er  ist  102  km 
lang  .und  2  m  tief.     Die  Schiffe  haben  etwa  100  t  Tragfähigkeit. 

Der  erste  Kanal  wird  von  einer  Gesellschaft  betrieben  und  nebenbei  zum 
Mühlenantrieb  benutzt,  während  der  andere  auf  Staatskosten  hergestellt  ist 
und  außerdem  zur  Bewässerung  dient. 

4.  Die  Binnenschiffahrt  auf  dem  Wiener  Kongreß  von  1815 

und  die  Schiffahrtsakten. 

Unter  den  vielen  wichtigen  Beschlüssen  des  Wiener  Kongresses  sind  die 
Bestimmungen  über  die  staatsrechtlichen  und  öffentlich  rechtlichen  Verhältnisse 
der  sogenannten  internationalen  Ströme,  die  mehrere  Staaten  durchfließen  und 
vom  Meere  aus  schiffbar  sind,   für  die  Binnenschiffahrt  in  Deutschland- und 


4.  Der  Wiener  Kongreß  von  1815.  79 

Mitteleuropa  von  besonderer  Bedeutung.  Man  kann  die  Artikel  108  bis  117 
der  Kongreßakte  mit  Recht  als  die  Verfassungsurkunde  des  internationalen 
Flußschißahrtrechts  bezeichnen*).  Der  Artikel  109  betrifft  die  Freiheit  der 
Schiffahrt:  Die  Schiffahrt  auf  dem  ganzen  Laufe  der  Flüsse,  die  mehrere  Staaten 
durchfließen  oder  zwischen  ihnen  die  Grenze  bilden,  soll  von  dem  Punkte, 
wo  der  Fluß  schiffbar  wird,  bis  zur  Mündung  vollkommen  frei  sein  und  darf 
»in  bezug  auf  den  Handel«  Niemandem  untersagt  werden.  Dieser  Satz  ist 
dem  Artikel  5  des  ersten  Pariser  Friedens  vom  30.  Mai  1814  entnommen,  der 
sich  nur  auf  den  Rhein  bezieht.  Dort  ist  aber  die  Einschränkung  »in  bezug 
auf  den  Handel«  nicht  gemacht  und  zwischen  dem  Recht  der  Ufer-  und  Nicht- 
uferstaaten nicht  unterschieden  worden.  In  Wien  sollte  ein  solcher  Unterschied 
gemacht  werden,  was  durch  die  Erklärung  der  Schiffahrtkommission  des  Kon- 
gresses ausdrücklich  bestätigt  wird.  Über  diese  Frage  ist  seitdem  viel  ge- 
stritten worden  und  die  Ansichten  der  Staatsrechtslehrer  gehen  auseinander. 
Auch  ist  von  ihnen  untersucht  worden,  ob  nicht  die  nationalen  Flüsse  hin- 
sichtlich der  freien  Schiffahrt  den  internationalen  (und  dem  offenen  Meere] 
gleich  zu  stellen  wären.  Der  Kongfreß  hat  hierüber  keine  Entscheidung  ge- 
troffen. Die  später  auf  Grund  der  Kongreßbeschlüsse  vereinbarten  »Schiffahrts- 
akten« für  die  einzelnen  deutschen  Ströme  beschrankten  im  allgemeinen  die 
freie  Schiffahrt  auf  die  beteiligten  Uferstaaten.  Dagegen  ist  z.  B.  bei  der 
Scheide,  beim  Po  und  beim  Pruth  die  vollständige  Freiheit  festgesetzt  worden. 

Artikel  114  bestimmt,  daß  alle  Stapel-  und  Umschlagrechte  aufgehoben 
werden  sollen,  so  weit  sie  nicht  für  die  Schiffahrt  nützlich  und  notwendig  sind. 
Artikel  115  beschäftigt  sich  mit  den  Schiffahrtabgaben  (Flußzöllen).  Dabei 
wird  auf  die  Zustände  am  Rhein  Bezug  genommen.  Es  wurde  beschlossen, 
daß  diese  Abgaben  von  dem  sonstigen  Zollwesen  der  Uferstaaten  getrennt 
zu  behandeln  seien,  und  daß  sie  künftig  nicht  höher  sein  dürften  wie  bisher, 
vielmehr  »zur  Ermunterung  der  Schiffahrt«  möglichst  herabgesetzt  werden 
sollten.  Eine  Änderung  der  Tarife  dürfe  in  Zukunft  nur  mit  Übereinstimmung 
der  Uferstaaten  erfolgen. 

Durch  Artikel  1 13  wird  den  Uferstaaten  die  Verpflichtung  zur  Unterhaltung 
der  Leinpfade  und  zur  Ausführung  aller  anderen  nötigen  Arbeiten  zur  Frei- 
haltung des  Fahrwassers  auferlegt. 

Artikel  110  ordnet  an,  daß  die  schiffahrtpolizeilichen  Vorschriften  ein- 
heitlich für  den  ganzen  Strom  erlassen  werden  sollen,  auch  in  betreff  der  Ab- 
gabenerhebung. 

Artikel  108  verlangt,  daß  die  Uferstaaten  alle  auf  die  Schiffahrt  bezüg- 
lichen Angelegenheiten  gemeinschaftlich  ordnen. 

Diese  neun  Artikel  der  Kongreßakte  beziehen  sich  auf  alle  Ströme,  die 
mehrere  Länder  durchfließen.  Außerdem  wurden  fiir  den  Rhein  besondere 
Grundsätze  aufgestellt  und  der  Akte  beigefügt. 


i)  Holtzcndorf,  Rumäniens  Uferrechte  an  der  Donau.    Leipzig  1883. 


80  Abschnitt  ü.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Abweichead  von  dem  Oktroivertrage  (S.  58)  wurde  an  Stelle  des  General- 
direktors als  Vermittelungsbehörde  zwischen  den  Uferstaaten  und  als  oberstes 
Gericht  für  alle  Schiffahrtangclegenheiten  die  Zentralkommission  einge- 
setzt: Jeder  Uferstaat  entsendet  dazu  einen  bevollmächtigten  Vertreter,  alle 
Vertreter  sind  gleichberechtigt.  Der  Vorsitzende  wird  durch  das  Los  be- 
stimmt. Die  einfache  Mehrheit  der  Stimmen  entscheidet.  Die  Beschlüsse  sind 
für  den  einzelnen  Staat  nur  so  weit  bindend,  als  er  seine  Zustimmung  dazu 
erteilt.  Die  Kommission  und  die  von  ihr  zu  ernennenden  Inspektoren  (i  Ober- 
inspektor und  2  Unterinspektoren)  üben  nur  Aufsichtsbefugnisse  aus.  Der 
Vollzug  wird  ohne  Einschränkung  den  Uferstaaten  überlassen.  Bei  diesen 
Bestimmungen  lag  die  Absicht  vor,  einerseits  alle  Staaten  ohne  Unterschied 
der  Macht  und  der  Uferlänge  gleich  zu  behandeln  und  andrerseits  die  Hoheits- 
rechte der  einzelnen  Uferstaaten  möglichst  zu  schonen.  Hätte  man  die  Macht 
und  die  Länge  der  Uferstrecken  der  Staaten  berücksichtigt,  so  wäre  die  Kom- 
mission vielleicht  ein  politisches  Werkzeug  der  größeren  Staaten  geworden. 
Indem  man  aber  jeden  Grund  des  Mißtrauens  zwischen  den  Uferstaaten  be- 
seitigte, sicherte  man  der  Kommission  eine  erfolgreiche  Wirksamkeit. 

Hinsichtlich  der  Rheinzölle  wurden  im  allgemeinen  die  Bestimmungen 
des  Oktroi  Vertrags  von  1804  beibehalten.  Schon  bei  den  Vorverhandlungen  zu 
diesem  in  Rastatt  (1798)  hatte  Frankreich  die  vollständige  Abschaffung  der  Zölle 
angeregt,  aber  bei  den  deutschen  Staaten  Widerspruch  gefunden.  Durch  den 
Deputationshauptschluß  von  1803  wurden  alle  (32)  bestehenden  Zölle  aufge- 
hoben und  an  deren  Stelle  eine  Oktroigebühr  eingeführt.  Die  Einzelheiten 
sind  im  folgenden  Jahre  durch  den  Oktroivertrag  geregelt  worden:  Es  wurden 
12  Erhebungsämter  eingerichtet,  auf  jedem  Ufer  6.  Nach  dem  für  die  einzelnen 
Stromstrecken  von  Straßburg  bis  zur  holländischen  Grenze  berechneten  Tarif 
sollten  von  den  Waren  je  Zentner  nicht  mehr  als  ungefähr  2  Francs  bergwärts 
und  1,33  Francs  talwärts  (je  Tonne  also  38,4  Mark  und  25,6  Mark)  erhoben 
werden,  und  zwar  nach  dem  Gewicht  der  Ladung. 

Dies  waren  gegen  die  früheren  Zustände  sehr  bedeutende  Erleiphterungen  für  die  SchifT- 
fahrt,  besonders  auch  der  feste  Tarif,  weil  bis  dahin  die  >Zollrollen<  der  einzelnen  Zollstätten 
geheimgehalten  wurden  und  die  Schiffer  im  allgemeinen  am  besten  fortkamen,  wenn  sie  sich  mit 
den  Zollbeamten  gütlich  über   die  Höhe   der  Abgaben  und   die  vielen  Nebengebühren  einigten. 

Der  volle  Satz  wurde  aber  nur  von  der  ersten  Güterklasse  (besonders 
Kolonialwaren  und  Fabrikerzeugnisse)  erhoben;  die  zweite  Klasse  (besonders 
Getreide,  Salz,  Gußeisen)  zahlte  nur  ein  Viertel  und  die  dritte  Klasse  (besonders 
Kohlen,  Brennholz,  Baustoffe)  nur  ein  Zwanzigstel  davon.  Die  geringwertigen 
Waren  (z.  B.  Erde,  Steine,  Dung  und  Milch,  Eier,  Gemüse)  zahlten  nur  die 
doppelte  Schiffsgebühr  (Rekognition).  Diese  Abgabe  wurde  neben  dem  Oktroi 
von  allen  beladenen  Fahrzeugen  über  2,5  t  Tragfähigkeit  erhoben  und  betrug 
0,10  Francs  bis  15  Francs  (0,08  bis  12  Mark).  Der  höchste  Satz  trat  für  Schiffe 
von  125  t  (später  von  250  t)  Tragfähigkeit  ein.  Um  diese  Abgabenerhebung 
durchzufuhren,  wurde  die  Eichung  aller  Schiffe  angeordnet.     Die  einheit- 


4.  Der  Wiener  Kongreß  von  1815.  81 

liehen  Vorschriften  der  Oktroiverwaltung  von  1806  über  die  Eichung  sind 
später  nach  Beschluß  der  Zentralkommission  von-  181 8  fortgeführt  worden. 
Von  den  Einnahmen  der  Rheinzölle  sollte  die  Hälfte  auf  Verbesserungen 
des  Fahrwassers  und  der  Leinpfade  verwendet  und  der  Rest  an  die  beteiligten 
Staaten  verteilt  werden. 

Der  Wiener  Kongreß*)  änderte  diese  Einrichtungen  (im  Sinne  der 
Kleinstaaterei)  und  übertrug  den  Uferstaaten  die  Erhebung  der  nach  dem 
gleichen  Tarif  zu  erhebenden  Zölle  nach  Maßgabe  der  Uferlängen.  Alle  an- 
deren Vorschriften  wurden  aufrecht  erhalten. 

Bei  den  Beratungen  über  die  Stapel-  und  Umladerechte  kam  es  zu 
harten  Kämpfen,  da  sich  Köln  und  Düsseldorf,  Mainz  und  Frankfurt  sowie  Heil- 
bronn und  Mannheim  feindlich  gegenüber  standen:  Schließlich  siegten  doch 
die  freiheitlichen  Anschauungen  und  man  beschloß  einmütig  ihre  Abschaffung. 
Ebenso  wurden  alle  Monopole   und  die  Vorrechte  der  Gilden  aufgehoben. 

Über  die  Nebenflüsse  des  Rheins,  Neckar,  Main,  Mosel,  Maas  und 
Scheide  wurden  besondere  Verhandlungen  geführt.  Auf  diesen  Strömen 
sollte  gleichfalls  Verkehrsfreiheit  herrschen,  Stapelrecht,  Umschlagzwang  und 
andere  Vorrechte  sollten  aufgehoben  und  die  neuen  Zollsätze  nach  dem  Muster 
des  Rheinoktrois  festgesetzt  werden,  jedoch  nicht  höher  als  sie  am  Anfang 
des  Jahrhunderts  gewesen  waren. 

Es  lag  in  Wien  die  Absicht  vor,  für  alle  internationalen  Ströme  ähnliche 
Grundsätze  festzustellen,  aus  Mangel  an  Zeit  wurde  aber  davon  abgesehen. 
Die  Mächte  gaben  vielmehr  nur  die  ausdrückliche  und  verbindliche  Erklärung 
ab,  daß  sie  die  für  den  Rhein  allgemein  festgesetzten  Grundsätze  bei  den  von 
ihnen  künftig  abzuschließenden  Staatsverträgen  zugrunde  legen  würden. 

Es  wurde  beschlossen,  daß  sechs  Monate  nach  Schluß  des  Kongresses 
für  jeden  Strom  Bevollmächtigte  der  Uferstaaten  zusammentreten  sollten,  um 
die  erforderlichen  Verträge  zu  vereinbaren.  Es  hat  aber  lange  Zeit  gedauert, 
bis  namentlich  für  die  großen  deutschen  Ströme  die  betreffenden  Schiff- 
fahrtsakten zum  Abschluß  kamen.  Vor  allem  machten  die  Fragen  über 
die  Höhe  der  Abgaben  die  Verständigung  lange  Zeit  unmöglich. 

Es  wurden  vereinbart:  die  Elbeakte  182 1,  die  Weserakte  1823,  die  Rheinakte  1831,  die 
Douroakte  1835,  ^^^  Scheideakte  1839  und  1842,  die  Emsakte  1843,  die  Poakte  1849  und  die 
Pruthakte  1866.  Dazu  traten  noch  die  Verträge  zwischen  Preußen,  Österreich  und  Rußland 
über  die  Schiffahrt  auf  den  gemeinsamen  Flüssen  (Weichsel,  Memel  [Niemen],  Warthe  usw.)  von 
1815  und  1818. 

Für  den  Rhein  trat  in  Mainz  die  Zentralkommission  bereits  181 5  zu- 
sammen und  übernahm  181 7  vorläufig  die  Leitung  der  bestehenden  Oktroi- 
verwaltung, soweit  nicht  bereits  die  Zollerhebung  an  die  Behörden  der  ein- 
zelnen Uferstaaten  abgegeben  war.  Bis  zum  Abschluß  einer  Rheinschiifahrts- 
akte  wurde  eine  »provisorische  Verwaltungskommission  fiir  die  Rheinschiffahrt« 
eingerichtet     Die  Durchführung  der  in  Wien   aufgestellten  Grundsätze  stieß 

i)  Vgl.  Eckert  und  Gothein  a.  a.  O. 
Teubert,  Binnenschiffahrt.  6 


82  Absclinitt  n.     GeschicbÜicher  Rückblick  bis  1870. 

namentlich  hinsichtlich  der  Aufhebung  des  Umschlagzwanges  in  Mainz  und 
Köln  und  der  damit  verbundenen  Gilden  auf  Schwierigkeiten.  Holland 
wollte  die  vorläufigen  Einrichtungen  auf  Grund  des  alten  Oktroivertrags 
nicht  anerkennen,  bevor  nicht  eine  endgültige  Schiffahrtsakte  vereinbart  und 
vollzogen  wäre,  sondern  führte  im  Gegenteil  sehr  hohe  Durchfuhrzölle  (etwa 
3  V.  H.  des  Wertes  der  Güter)  ein,  erhöhte  seine  Wasserzölle  und  verbot  die 
Durchfuhr  einiger  wichtiger  Waren  (z.  B.  Gewürze,  Thee  und  Salz)  überhaupt 
(18 16),  so  daß  der  deutsche  Rheinhandel  sehr  gedrückt  und  geschädigt  wurde. 
Die  allgemeine  Entrüstung  war  ohne  Wirkung,  weü  diese  Zölle  bei  den  Be- 
schlüssen des  Wiener  Kongresses  ausdrücklich  unberücksichtigt  geblieben 
waren.  Köln  imd  seine  Handelskanuner  erstrebten  auf  Grund  der  Kongreß- 
akte freie  Schiffahrt  auf  dem  Rhein  bis  ins  Meer  und  verlangten  als  Ent- 
schädigung für  ihr  Umschlagrecht  die  Anerkennung  der  Stadt  als  Seehafen. 

So  blieben  die  Umschlagrechte  und  die  Gilden  in  Köln  imd  Mainz  vor- 
läufig bestehen,  mehr  zum  Schaden  des  deutschen  als  des  holländischen  Han- 
dels, und  die  Verhandlungen  zwischen  Preußen  und  Holland  sowie  im  Schöße 
der  Zentralkonmiission  zogen  sich  jahrelang  hin.  Unterdessen  entstanden  neue 
Handelswege  mit  Umgehung  Hollands  über  Hamburg,  Bremen  und  Havre  und 
schon  1 8 1 8  wurde  eine  Abnahme  des  Rheinverkehrs  festgestellt.  Schließlich 
sah  sich  Holland  veranlaßt,  im  Jahre  1822  sein  Zollgesetz  zu  mildern  und 
1829  den  Vorschlag  der  preußischen  Regierung  anzunehmen,  die  an  Stelle  der 
Durchfuhrzölle  eine  feste  Abgabe  nach  Gewicht  in  der  Form  eines  Tonnen- 
geldes, ähnlich  dem  Sundzoll,  zubilligen  wollte.  Als  die  belgische  Revolution 
ausbrach,  die  den  niederländischen  Staat  wieder  in  zwei  Hälften  zerlegte,  wurde 
der  Vertrag  zwischen  Preußen  und  Holland  unterzeichnet  und  im  März  1831 
von  der  Zentralkommission  genehmigt,  wodurch  die  erste  Rheinschiff- 
fahrtsakte  endlich  zum  Abschluß  gelangte. 

Die  in  Wien  aufgestellten  Grundsätze  kamen  in  vollem  Umfang  zur 
Einfuhrung:  die  Freiheit  des  Stromes,  einschließlich  Waal  und  Leck,  bis  ins 
Meer  für  alle  Rheinschiffe,  die  Aufhebung  aller  Stapel-,  Umschlag-  und  an- 
derer Vorrechte  der  Gilden,  Oktroi-  nebst  Schiffsgebühr  und  außerdem  für 
Holland  an  Stelle  der  hohen  Durchfuhrzölle  eine  feste  Abgabe  (droit  fixe)  von 
13  ^4  Centimes  je  Zentner  (2,06  Mark  je  t)  bergwärts  und  9  Centimes  je  Zentner 
(1,44  Mark  je  t)  talwärts,  die  für  viele  Waren  aber  bedeutend  ermäßigt  wurden. 
Auch  andere  Zollerleichterungen  wurden  von  Holland  zugestanden. 

In  einem  besonderen  Titel  (V)  wurde  festgesetzt,  daß  hinfort  die  Fracht- 
sätze lediglich  auf  der  freiwUligen  Übereinkunft  des  Schiffers  und  des  Ver- 
senders beruhen:  Der  letztere  ist  berechtigt,  den  Schiffer  auszuwählen,  der 
erstere  die  angebotene  Ladung  abzulehnen.  Rangfahrten  dürfen  einge- 
richtet werden,  bleiben  aber  für  die  nicht  daran  Beteiligten  unverbindlich. 
Zwei  oder  mehrere  Handelstädte  können  mit  einer  beliebigen  Anzahl  Schiffer 
Verträge  schließen,  die  Frachtsätze,  die  Zeit  der  Abfahrt  und  der  Ankunft 
sowie  andere  Bedingungen  vereinbaren,  um   den  Kaufleuten  billige  Frachten 


4.  Der  Wiener  Kongreß  von  1815.  83 

und  den  Schilfern  schnelle  Rückfahrt  zu  sichern;  doch  steht  es  an  diesen 
Orten  jedem  Kaufmann  und  jedem  Schiffer  frei,  ob  er  sich  dabei  beteiligen 
will  oder  nicht.  Femer  wurde  bestimmt,  daß  jedem  Schiffer,  der  seine 
Befähigung  vor  der  Behörde  seines  Landes  nachweist,  die  Befugnis  zur  Aus- 
übung der  Rheinschiffahrt  durch  ein  Patent  erteilt  werden  soll  und  daß  die 
Schiffe  auf  ihre  Tauglichkeit  untersucht  werden  müssen. 

Die  Uferstaaten  verpflichteten  sich,  an  ihren  Ufern  Freihäfen  anzu- 
legen, für  die  Instandhaltung  der  Leinpfade  zu  sorgen  und  die  nötigen  Maß- 
regeln zu  ergreifen,  daß  die  Schiffahrt  nicht  durch  Hindemisse  im  Fahr- 
wasser gehemmt  würde.  In  mangelhaften  Stromstrecken  mit  veränderlichem 
Fahrwasser  soUte  dieses  durch  Baaken  bezeichnet  werden. 

Zur  dauernden  Aufsicht  über  die  Schiffahrt  wurden  ein  Oberaufseher  und 
vier  Aufseher  bestellt,  die  auch  die  laufenden  Geschäfte  der  Zentralkommission 
führten.  Wichtig  war  die  Einführung  der  Rheinschiffahrtgerichte  und 
die  Einsetzung  der  Zentralkommission  als  Berufungstelle  in  Straf-  und 
Zivilsachen,  indem  es  jedem  freigestellt  wurde,  entweder  bei  ihr  oder  bei  dem 
Obergerichte  des  betreffenden  Uferstaats  die  Berufung  anzubringen. 

Nach  den  Vorschriften  des  Wiener  Kongresses  und  der  Schiffahrtsakte 
waren  die  Uferstaaten  nur  berechtigt,  die  Zölle  in  der  festgesetzten  Höhe 
zu  erheben,  aber  nicht  dazu  verpflichtet.  Es  kam  bald  dahin,  daß  einzelne 
Staaten,  namentlich  Preußen  mit  8  Erhebungsämtera,  zur  Begünstigung  ihrer 
Rheinstädte  die  Zollsätze  teilweise  erniedrigten  oder  gar  nicht  erhoben,  so 
daß  schließlich  ein  Wettbewerb,  gewissermaßen  ein  Zollkrieg,  zwischen  den 
einzelnen  Uferstaaten  entstand.  Auch  die  Einwirkung  der  Dampfschiffe  und 
der  Eisenbahnen  drängten  auf  Ermäßigung  der  Zölle.  Die  größeren  Staaten 
waren  allgemein  dazu  geneigt;  aber  die  kleineren,  namentlich  Nassau  und 
Hessen,  leisteten  Widerstand,  weil  sie  die  Einnahmen  nicht  entbehren  zu 
können  glaubten.  Holland,  gedrängt  durch  den  empfindlichen  Wettbewerb 
von  Antwerpen  und  durch  die  Eisenbahn  von  Köln  dorthin  (1843  vollendet), 
war  der  erste  Staat,  der  im  Jahre  1842  die  vollständige  Aufhebung  der  Zölle 
beantragte,  aber  bei  der  preußischen  Regierung  damals  kein  Entgegenkommen 
fand,  weil  diese  weitere  Handelsvorteile  von  Holland  erwartete.  Als  nach  den 
Ereignissen  von  1848  die  Rheinzölle  von  der  Zentralkommission  erheblich 
herabgesetzt  worden  waren,  änderte  Holland  seine  bisherige  Handelspolitik 
vollständig,  hob  1850  alle  Durchfuhr-  und  anderen  Wasserzölle  auf  und 
ermäßigte  seine  Einfuhrzölle  erheblich.  In  dem  mit  Preußen  für  den  Zoll- 
verein geschlossenen  Handekvertrag  von  1851  wurden  diese  Bestimmungen 
festgelegt.  (Dieser  Handelsvertrag  besteht  noch  heute  zu  Recht.)  Die  deut- 
schen Uferstaaten  ermäßigten  gleichfalls  immer  mehr  die  Zollsätze,  mit  Aus- 
nahme von  Nassau,  bis  der  Krieg  von  1866  und  der  darauffolgende  Friedens- 
schluß allen  Rheinzöllen  ein  Ende  machte').     (In  den  Jahren  1865  und  1866 


i)  Vgl.  Eckert  und  Gothein  a.  a.  O. 

6* 


84  Abschnitt  H.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1S70. 

betrug  der  ganze  Rheinzoll  von  der  holländischen  Grenze  bis  Mannheim  nur 
noch  2,27  Mark  je  Tonne.) 

In  der  »Revidierten  Rheinschiffahrtsakte«  von  1868  sind  die  frei- 
heitlichen Grundsätze  der  älteren  Akte  sämtlich  beibehalten  und  zum  Teil 
erweitert  worden.  Es  wird  die  völlige  Freiheit  der  Schiffahrt  auf  dem 
Rhein  und  seinen  Mündungen  von  Basel  bis  ins  offene  Meer  für  Schiffe  aller 
Völker  festgestellt,  sofern  sie  den  Vertrs^sbestimmungen  und  den  Polizei- 
vorschriften Genüge  leisten.  Waal  und  Leck  werden  als  zum  Rhein  gehörig 
betrachtet.  Die  zur  »Rheinschiffahrt  gehörigen  Schiffe»,  die  zur  Führung  der 
Flagge  eines  der  Rheinuferstaaten  berechtigt  sind,  dürfen  jeden  beliebigen 
Weg  durch  Holland  nach  dem  Meere  oder  nach  Belgien  einschlagen. 

»Abgaben,  die  sich  lediglich  auf  die  Tatsache  der  Beschiffung  gründen, 
dürfen  auf  dem  Rhein,  seinen  Nebenflüssen  und  seinen  Armen  im  niederlän- 
dischen Delta  weder  von  irgendwelchen  Schiffen  oder  deren  Ladungen,  noch 
von  den  Flößen  erhoben  werden.  Die  Erhebung  von  Gebühren  ist  künftig- 
hin nur  für  Benutzung  künstlicher  Wasserstraßen  oder  Anlagen,  wie  Schleusen 
u.  dgl.  gestattet.« 

Außer  den  genaueren  Bestimmungen  über  den  Befähigungsnachweis 
der  Schiffer  und  deren  Patente  ist  zu  erwähnen,  daß  der  früher  eingesetzte 
Oberaufseher  fortfiel  und  dafür  vereinbart  wurde,  daß  von  Zeit  zu  Zeit  ge- 
meinschaftliche Befahrungen  des  Stromes  durch  die  Wasserbaubeamten 
der  Uferstaaten  vorgenommen  werden  sollten,  um  die  Beschaffenheit  des 
Stromes,  die  Wirkungen  der  zu  dessen  Verbesserung  getroffenen  Maßregeln 
und  die  etwa  eingetretenen  neuen  Hindernisse  zu  untersuchen  und  festzu- 
stellen.   Solche  Bereisungen  waren  schon  1849  ^^^  ^86i  ausgeführt  worden. 

Weder  die  Schiffahrtsakte  von  1831,  noch  die  von  1868  enthält  eine  ansdriickliche  Ver- 
pflichtung der  Uferstaaten  zum  Ausbau  des  Stromes  (für  eine  gewisse  Fahrwasserbreite  und 
Tiefe)  und  besonders  Holland  weigerte  sich  1868,  eine  solche  zu  Übernehmen.  Dagegen  be- 
steht eine  solche  Verpflichtung  nach  dem  oben  erwähnten,  zwischen  Holland  imd  Preußen  (zu- 
gleich für  den  Zollverein)  im  Jahre  1851  abgeschlossenen  Handels-  und  Schiffahrtvertrage.  Im 
Artikel  23  dieses  Vertrags  ist  vereinbart:  »Um  sobald  als  möglich  die  Hindemisse  zu  entfernen, 
welche  der  Zustand  der  Ströme,  insbesondere  zwischen  Köln  und  Dordrecht  und  Rotterdam, 
der  Schiffahrt  in  den  Weg  legt,  verpflichten  sich  beide  Regierungen  gegenseitig  .  .  .,  den  Lauf 
desselben  berichtigen  und  das  Fahrwasser  vertiefen  zu  lassen,  um,  soweit  es  durch  künstliche 
Arbeiten  geschehen  kann,  zu  allen  Jahreszeiten  eine  für  beladene  Fahrzeuge  hinreichende  Fahr- 
tiefe zu  sichern*). 

Die  Zentralkommission,  mit  dem  Sitz  in  Mannheim,  entA^'irft  auch  die 
Schiffahrtpolizeiordnungen,  die  darauf  von  den  einzelnen  Uferstaaten 
amtlich  erlassen  werden.  Sie  tritt  alljährlich  zusammen  und  besteht  jetzt  aus 
je  einem  Vertreter  von  Baden,  Elsaß-Lothringen,  Baiern,  Hessen,  Preußen 
und  Holland. 

Die  Schweiz  ist  daran  nicht  beteiligt.  Zwischen  ihr  und  Baden  sind  besondere  Ver- 
träge in  den  Jahren  1867  und  1879  abgeschlossen  worden.  Dabei  wurden  auch  die  letzten 
»Ausschlußrechte«  der  Schifferschaft  zu  Laufenburg  und  der  Rheingenossen  zwbchen  Säckingen 
und  Grenzach  aufgehoben. 

i)  Peters,  Schiffahrtsabgaben.     Leipzig  1906,  S.  303. 


1 


4.  Der  Wiener  Kongreß  von  1815.  85 

Die  Emsschiffahrtsakte,  die  zuerst  1815,  dann  1820  und  endgültig 
im  Jahre  1 843  zwischen  Preußen  und  Hannover  abgeschlossen  wurde,  ist  in- 
folge der  Ereignisse  von  1866  als  aufgehoben  anzusehen. 

Die  Weserschiffahrtsakte  wurde  zuerst  im  Jahre  1823  vereinbart, 
1857  durch  eine  Additionalakte  ergänzt  und  besteht  mit  einigen  im  Jahre  1861 
vorgenommenen  Änderungen  noch  heute  zu  Recht.  Bei  dem  ersten  Ver- 
trage wurden  alle  Stapel-,  Umlade-  und  Gildenrechte,  sowie  alle  Abgaben 
aufgehoben,  mit  denen  die  Schiffahrt  stark  belastet  war,  mit  Ausnahme  der 
Zölle.  Die  Zollstätten  (früher  22)  wurden  ebenso  wie  die  Höhe  der  Zölle 
wesentlich  vermindert.  Ihre  endgültige  Aufhebung  erfolgte  durch  Vertrj^e 
zwischen  den  Uferstaaten  im  Jahre  1856. 

Abweichend  von  der  Rheinakte  ist  zwar  die  Schiffahrt  auf  der  ganzen 
Weser  (vom  Zusammenfluß  der  Werra  und  Fulda  bis  ins  Meer)  in  bezug  auf 
den  Handel  frei;  doch  bleibt  die  Schiffahrt  von  einem  Uferstaat  zum  anderen 
(Kabotage)  ausschließlich  den  Untertanen  dieser  Staaten  vorbehalten.  Der 
Berähigungsnachweis  der  Schiffer  und  die  SchifTuntersuchung  ist  ähnlich  wie 
auf  dem  Rhein  vorgeschrieben.  Zur  Einrichtung  von  Reihefahrten  ist  die 
Genehmigung  der  betrefTenden  Staatsregierungen  erforderlich.  Die  Staaten  ver- 
pflichten sich  gegenseitig  für  einen  guten  Zustand  der  Leinpfade  und  für  die 
Beseitigung  von  Schiffahrthindernissen  zu  sorgen.  Der  Additionalakte  von 
1857  war  eine  Schiffahrtpolizeiordnung  für  den  Weserstrom  beigefügt. 

Alle  diese  Vereinbarungen  gelten  nur  für  den  Hauptstrom  und  nicht  für 
die  Quell-  und  Nebenflüsse. 

Um  eine  Elbschiffahrtsakte  zu  vereinbaren,  traten  1819  in  Dresden 
10  Bevollmächtigte  zusammen.  Man  konnte  sich  schwer  über  die  Zölle 
einigen,  namentlich  über  den  Brunshauser  oder  Stader  Zoll,  von  dem  Han- 
nover behauptete,  es  wäre  ein  Seezoll  und  von  den  Wiener  Beschlüssen  nicht 
betroffen.  1821  kam  die  Akte  zustande.  Die  Zahl  der  Zollstätten  wurde 
von  35  auf  14  herabgesetzt.  Nach  dem  Gewicht  der  Ladung  wurde  ein 
ElbzoU  in  6  Klassen  und  außerdem  von  dem  Schiffe  eine  Schiffsgebühr 
(Rekognition)  in  4  Klassen  erhoben,  ähnlich  wie  am  Rhein.  Stapel-,  Gilden- 
berechtigungen u.  dgl.  wurden  aufgehoben,  die  Freiheit  der  Schiffahrt  jedoch 
wie  bei  der  Weser  mit  der  »Kabotage«  beschränkt  und  außerdem  die  Schiff- 
fahrt innerhalb  der  Grenzen  eines  Uferstaats  von  den  Vereinbarungen  über- 
haupt ausgenommen.  Befähigungsnachweise  der  Schiffer  und  Untersuchung 
der  SchifTe  wurden  allgemein  eingeführt  und  Reihefahrten  wie  an  der  Weser 
von  der  Genehmigung  abhängig  gemacht.  Außerdem  wurden  die  üblichen 
Vereinbarungen  über  Verbesserung  der  Leinpfade  und  die  Beseitigung  von 
Hindernissen  im  Fahrwasser  ausgesprochen.  Zur  späteren  Fortsetzung  der  Be- 
ratungen sollten  von  Zeit  zu  Zeit  Revisionskommissionen  zusammentreten. 

Diese  tagten  1824  und  1828  und  beschäftigten  sich  vorwiegend  mit  den 
2^11en,  deren  Höhe  allgemein  als  sehr  drückend  empfunden  wurde.  Kleine 
Milderungen  genügten  nicht.    Erst  im  Jahre  1842  brachte  die  Kommission  in 


86  Abschnitt  IL     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Dresden  eine  wirkliche  Verbesserung,  indem  sich  Hannover,  Dänemark  (fiir 
Lauenburg)  und  Mecklenburg  mit  Preußen  zu  einem  gemeinschaftlichen  Zoll- 
amte in  Wittenberge  vereinigten  und  die  Schifisgebühr  ganz  aufgehoben 
wurde.  (Der  Normalzoll  für  den  ganzen  Strom  wurde  je  Tonne  auf  34  Mark 
festgesetzt]  In  diesem  Jahre  fand  auch  die  erste  gemeinschaftliche  Befahrung 
des  Stromes  durch  die  Wasserbaubeamten  der  Uferstaaten  statt,  die  einheit- 
liche Grundsätze  für  die  künftige  technische  Behandlung  des  Stromes  auf- 
stellten. Sie  wurden  in  die  Additionalakte  von  1844  aufgenommen.  Hinsicht- 
lich der  Freiheit  der  Schiffahrt  enthält  die  neue  Akte  einige  Verbesserungen: 
»Die  Beförderung  von  Personen  und  Gütern  von  der  Nordsee  nach  jedem  Elb- 
uferplatze  und  von  jedem  Elbuferplatze  nach  der  Nordsee  steht  den  Schiffern 
aller  Nationen  zu.  J  Zum  Schiffahrtverkehr  zwischen  Eibuferplätzen  verschie- 
dener Staaten  sind  die  Fahrzeuge  sämtlicher  Uferstaaten  berechtigt.«  »Die 
Befugnis  zur  Beförderung  von  Personen  und  Gütern  von  einem  Elbuferplatze 
seines  Gebiets  nach  einem  anderen  Elbuferplatze  desselben  Gebiets  kann 
jeder  Staat  seinen  Untertanen  vorbehalten;  jedoch  dürfen  Schiffe  eines  Ufer- 
staats, wenn  sie  bei  Gelegenheit  g^röOerer,  vom  eigenen  Land  aus  oder  dahin 
zurückgehender  Fahrten  das  Gebiet  eines  anderen  Uferstaats  ganz  oder  teil- 
weise durchfahren,  in  der  Richtung  ihrer  Fahrt  auch  zwischen  den  Uferplätzen 
dieses  letzteren  Gebiets  Personen  und  Güter  befördern«  —  mit  Ausnahme 
auf  der  Unterelbe. 

Es  wurden  femer  ElbzoUgerichte  eingeführt,  die  auch  in  Strafsachen 
zuständig  sind. 

Dieser  Schiffahrtsakte,  die  noch  heute  zu  Recht  besteht,  wurde  eine  für 
die  ganze  Elbe  gültige  Schiffahrtpolizeiordnung  beigefugt. 

Weitere  Revisionskommissionen,  die  1850  bis  1854  und  1858  tagten, 
beschäftigten  sich  allein  mit  der  Herabsetzung  der  drückenden  Zölle,  hatten 
aber  wenig  Erfolg.  Österreich,  Preußen  und  Sachsen  waren  zu  einer  Herab- 
minderung bereit;  aber  die  anderen  Staaten,  namentlich  Hannover  sträubten 
sich  dagegen.  Im  Jahre  1863  erfolgte  eine  namhafte  Herabsetzung  des 
Zolls  auf  2,8  Mark  je  t,  und  dieser  Zoll  wurde  hinfort  nur  in  Wittenberge 
erhoben.  Von  den  Einkünften  entfiel  eine  Hälfte  auf  Oesterreich,  Sachsen, 
Preußen,  Anhalt  imd  Hamburg,  während  die  andere  unter  Hannover,  Mecklen- 
burg und  Dänemark  verteilt  wurde. 

Im  Jahre  1870  wurde  durch  den  norddeutschen  Reichstag  nach  Ab- 
schließung  eines  Staatsvertrags  mit  Österreich  endlich  der  Zoll  vom  i.  Juli 
an  aufgehoben.  Mecklenburg  wurde  durch  3000000  Mark  und  Anhalt  durch 
255000  Mark  abgefunden. 

Im  Jahre  1880  wurde  eine  neue  Schiffahrtsakte  zwischen  den  Uferstaaten 
vereinbart  und  dem  Deutschen  Reichstage  vorgelegt;  sie  kam  aber  nicht  zur 
Verabschiedung. 

Für  die  Donau  kam  es  zu  keiner  allgemein  als  rechtsgültig  anerkannten 
Schiffahrtsakte.     Im  Jahre   1851   schlössen  Österreich  und  Baiern  einen  Ver- 


4.  Der  Wiener  Kongreß  von  1815.  87 

trag,  durch  den  die  drückenden  Flußzölle  (in  Österreich  unter  der  Enns  be- 
standen z.  B.  77  Zollstätten)  fvir  alle  Güter,  die  aus  ihren  Staaten  kamen,  auf- 
gehoben wurden  und  in  dem  auch  die  Verpflichtung  enthalten  war,  den  Strom 
bis  nach  Ulm  in  stets  fahrbarem  Zustande  zu  erhalten.  Auf  Grund  dieses 
und  eines  zweiten  1855  geschlossenen  Vertrags  wollte  Österreich,  als  nach 
dem  Krimkriege  auf  dem  Pariser  Kongreß  von  1856  die  SchifTahrtangelegen- 
heiten  der  Donau  im  Sinne  der  Wiener  Kongreßakte  geregelt  werden  sollten, 
die  obere  Donau  von  den  Verhandlungen  ausschalten.  Aber  die  anderen 
Großmächte  waren  damit  nicht  einverstanden  und  es  wurden  zwei  Kommis- 
sionen eingesetzt :  Die  eine,  aus  Vertretern  der  Großmächte  zusammengesetzt, 
sollte  fiir  die  Ausführung  der  Verbesserungen  in  den  Donaumündungen  sorgen 
und  nur  einige  Jahre  lang  bestehen,  während  die  andere,  die  Uferstaaten- 
kommission, im  Sinne  der  Wiener  Kongreßakte  alle  Schiflahrtangelegenheiten 
des  ganzen  Stroms  einheitlich  dauernd  behandeln  und  später,  nach  Auflösung 
der  ersten  Kommission,  auch  die  Mündungen  überwachen  sollte').  Dabei 
wurde  für  die  Schiffahrt  die  Gleichberechtigung  aller  Völker  festgestellt.  Am 
Ende  des  Jahres  1856  trat  die  Uferstaatenkommission  zusammen,  beschloß 
die  Freiheit  des  Verkehrs,  hob  alle  Vorrechte  und  Durchgangzölle  auf  u.  dgl. 
Die  Freiheit  der  Schiffahrt  war  aber  keine  vollständige,  vielmehr  wieder  durch 
die  sogenannte  Kabotage  beschränkt,  d.  h.  der  Verkehr  von  Uferstaat  zu  Ufer- 
staat war  den  Nichtuferstaaten  verboten.  Diese  Vereinbarung  von  1857 
(»Donauschiffahrtsakte«  genannt)  wurde  von  den  Großmächten  bei  den  1858 
in  Paris  gepflogenen  Verhandlungen  nicht  anerkannt,  weil  sie  ihren  Beschlüssen 
von  1856  nicht  genügte,  während  Osterreich  den  übrigen  Großmächten  das 
Bestätigungsrecht  dieser  Akte  bestritt.  Die  Donauuferstaaten  gaben  schließ- 
lich in  gewissem  Grade  nach  und  unterzeichneten  1859  ui  Wien  eine  Ad- 
ditionalakte,  die  infolge  des  bald  beginnenden  Krieges  aber  nicht  von  den 
Mächten  anerkannt  worden  ist'). 

Auch  spätere  Verhandlungen  (z.  B.  1866)  fährten  zu  keiner  endgültigen 
Einigung.  Die  Uferstaatenkommission  ist  nicht  mehr  zusammengetreten  und 
auf  dem  Berliner  Kongreß  1878  gamicht  mehr  erwähnt  worden.  Dagegen 
sind  die  Befugnisse  der  europäischen  Donaukommission  fiir  die  Mündungen 
immer  wieder  (zuletzt  1883  in  London)  von  den  Großmächten  verlängert 
worden,  merkwürdigerweise  ohne  Hinzuziehung  von  Rumänien. 

An  dieser  Stelle  mag  noch  auf  die  großen  Vorteile  hingewiesen  werden, 
die  der  Binnenschiffahrt  durch  den  preußisch-deutschen  Zollverein  erwuchsen, 
der  am  i.  Januar  1834  mit  Beteiligung  von  zunächst  18  deutschen  Staaten 
ins  Leben   trat.     Außer   dem  Fortfall    der  meisten  Durchgangzölle  wurden 


1)  George  Radu,  Die Don&uschiffahrt  in  ihrer  völkerrechtlichen  Entwicklung.  Berlin  1909. 

2)  PeterSi  SchifTahrtsabgaben,  Leipzig  1906,  vertritt  auf  S.  329  die  Ansicht,  daß  die  Schiflf- 
fahrtsakte  von  1857  als  geltendes  Recht  anzusehen  ist,  da  sie  in  Österreich  und  Baiem  als  Gesetz 
veröffentlicht  worden  ist. 


88  Abschnitt  EL     Geschiehllicher  Rückblick  bis  1870. 

auch  die  Rhein-  und  Elbezölle  dadurch  insofern  gemildert,  als  die  am  Zoll- 
verein beteillgften  Staaten  sich  gegenseitig  die  FJußzölle  mehr  oder  minder 
erließen  oder  wieder  ersetzten. 

5.  Die  Binnenschiffahrt  von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs 
bis  zum  Jahre  1870. 

Wie  die  Kammerschleuse  die  Herstellung  künstlicher  Wasserstraßen  mög- 
lich machte,  so  gab  die  Dampfmaschine  zur  Fortbewegung  der  Schiffe  an 
Stelle  der  unzuverlässigen  Windkraft  und  der  schwachen  Muskelkraft  der 
Menschen  und  Tiere  eine  sichere,  ausreichende  Triebkraft.  Man  setzt  ge- 
wöhnlich die  Einführung  der  Dampfschiffahrt  in  das  Jahr  1807,  in  dem  am 
17.  August  Robert  Fuiton  mit  dem  Schiffe  »Oaremont«  (vom  Volke  »Narr- 
heit» genannt)  die  erste  erfolgreiche  Fahrt  auf  dem  Hudson  von  New-York 
nach  Albany  machte.  Aber  die  Erfindung  des  Dampfschiffs  und  der  Dampf- 
maschine hat  eine  mehr  als  hundert  Jahre  lange  Voi^eschichte, 


Abb.  9.     Jonathan  Hulls  Patent  auf  ein  Damp^chiff,  1736. 

Nachdem  von  Torieelü  die  Schwere  der  Luft  entdeckt  and  von  Otto  von  Guericte  im  Jahre  1654 
die  Luftpnmpe  erfunden  war,  bemilbte  man  sich  schon  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts,  diese 
Natnrkraft  nutzbar  zu  machen.  Professor  Papin  in  Marburg  versuchte  um  1690,  eben  Kol- 
ben in  einem  senkrecht  stehenden  Zylinder  durch  den  äußeren  Luftdruck  nach  unten  zu  bewegen, 
indem  er  unter  dem  Kolben  durch  Abkühlung  (Kondensation)  von  Wasserdampf  eine  Luft- 
verddnnung  fVakuum]  erzeugte.  Die  Enähluag,  daß  er  im  Jahre  1707  bereits  mit  einem  Dampf- 
boot auf  der  Fulda  gefahren  sei,  beruht  nach  den  neuesten  Forschungen  auf  einem  Irrtom']. 
Das  Boot  wurde  vielmehr  durch  SchanfelrSder  bewegt,  die  mittels  Kurbeln  von  Menschen 
gedreht  wurden.  Solche  Versuche  sollen  schon  im  Jahre  1543  im  Hafen  von  Barcelona  von 
BUsco  de  Gary  gemacht  worden  sein.  Fapin  hatte  die  Absicht,  die  vorbeschriebene  Luftdruck- 
[atinosph arische) Maschine  spiter  inr  Drehung  der  Schaufelräder  zu  benutzen;  das  ist  ihm  aber 
nicht  gelungen.  Die  Luftdruckmaschinen  sind  dann  in  England  von  Savery  (169S)  weiter  aus- 
gebildet und  zuerst  von  Newcomens  im  Jahre  1713  mit  Erfolg  zur  Vl^asserhaltung  in  Bergwerken 

l)  Dr.  E.  Gerland,  Leibniti  und  Huygens  Briefwechsel  mit  Papin,  nebst  Biographie 
Fapins.     Berlin  iSSl. 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870.  89 

ausgeführt  worden.  Im  Jahre  1736  nahm  der  Engländer  Jonathan  Hulls  ein  Patent  auf  ein 
Schiff,  dessen  Schaufelrad  am  Hintersteven  durch  Zugseile  bewegt  werden  sollte,  die  von  zwei 
Luftdruckmaschinen  angetrieben  werden  sollten.  Mit  diesem  Kraftschiffe  wollte  er  Segelschiffe 
schleppen.  Die  mitgeteilte  Abb.  9  stammt  aus  dem  Britischen  Museum ').  Die  Versuche  miß- 
glückten vollständig  und  es  kam  wohl  nie  zur  Fertigstellung  des  Schiffs.  In  Amerika  sollen  in 
der  2^it  zwischen  1770  bis  1780  Oliver  Evans  imd  im  Jahre  1773  auch  Christophe  CoUes  ähn- 
liche Versuche  ohne  Erfolg  gemacht  haben. 

Erst  James  Watt,  der  von  1736  bis  1819  lebte,  ist  es  gelungen,  an 
Stelle  des  Luftdrucks  den  Dampfdruck  als  bewegende  Kraft  einzuftihren  und 
im  Jahre  1774  seine  erste  brauchbare  Dampfmaschine  »Beelzebube  zubauen. 
Im  Jahre  1778  führte  er  die  Expansion  ein  und  1782  baute  er  die  erste 
Dampfmaschine  mit  Drehbewegung*). 

In  dieser  Zeit  wurden  überall  Versuche  gemacht,  ein  brauchbares  Dampf- 
schiff zu  bauen:  in  England,  Schottland,  Frankreich  und  Amerika.  In  Eng- 
land war  die  Sache  erschwert,  weil  die  Patente  von  Watt  erst  1800  abliefen 
und  man  sich  darum  meistens  auf  die  Verwendung  von  Luftdruckmaschinen 
beschränkte.  Auch  in  Frankreich  mißglückten  die  von  Auxiron  1774  und 
von  Perier  1775  angestellten  Versuche.-  Besseren  Erfolg  hatte  der  Marquis 
de  Jouffroy  mit  seinen  Versuchen  auf  der  Saone  im  Jahre  1783  unter  Ver- 
wendung einer  Wattschen  Maschine. 

William  Symington  nahm  1787  auf  ein  mit  einer  Luftdruckmaschine 
angetriebenes  Schiff  ein  Patent  und  baute  mit  Patrick  Miller  ein  kleines 
Dampfschiff,  das  1788  fertig  wurde.  Es  schien  so  gut,  daß  sie  im  fol- 
genden Jahre  ein  größeres  ausführten  und  auf  dem  Forth-  and  Clyde-Kanal 
in  Betrieb  setzten,  der  wegen  seiner  ziemlich  großen  Abmessungen  von  17m 
Wasserspiegelbreite  und  2,1  m  Wassertiefe  dazu  besonders  geeignet  schien. 
Aber  es  bewährte  sich  nicht,  weil  die  Schaufeln  u.  dgl.  zerbrachen,  so  daß 
die  Versuche  der  hohen  Kosten  wegen  wieder  eingestellt  wurden.  Zu  gleicher 
Zeit  hatten  in  Amerika  John  Fitch  ziemlich  gute  Erfolge  auf  dem  Shuylkill- 
flusse  und  James  Rumsey  in  Philadelphia ;  aber  beide  Erfinder  starben  frühzeitig. 

Auf  dem  Bridgewaterkanal  (vgl.  S.  72)  bemühte  man  sich  lange  Zeit, 
um  ein  kleines  Dampfboot  zu  bauen,  das  die  Kohlenschiffe  schleppen  sollte. 
Im  Jahre  1799  wurde  das  erste  Boot  »Bonaparte«  in  Betrieb  gestellt,  wovon 
hier  eine  Abbildung  (10)  mitgeteilt  wird^). 

Ob  der  berühmte  Fulton  etwa  beim  Bau  dieses  Schiffes  mitgewirkt  hat, 
ist  zweifelhaft.  Es  hatte  einen  stehenden  Dampfzylinder  und  die  Übertragung 
auf  die  Radwelle  wurde  durch  Kegelräder  bewirkt.  Das  Boot  war  imstande, 
mehrere  Kohlenschiffe  nach  Manchester  zu  schleppen.  Aber  die  starke 
Wellenbewegung  beschädigte  sehr  die  Kanalufei*  und  außerdem  erzielte  man. 
nicht  die  gleiche  Geschwindigkeit  wie  beim  Treideln  mit  Pferden.  Das  Boot 
wurde  daher  abgebrochen  und  die  Dampfmaschine  anderweit  verwendet. 


i)  Bericht  von  Bailey  zum  4.  internationalen  Binnenschiffahrt-Kongreß  1890  in  Manchester. 

2)  Matschoß,  Conrad,  Die  Entwicklung  der  Dampfmaschine.    1908. 

3)  Aus  Bailey  a.  a.  O. 


90  Abschnitt  n.     Geschichtlicher  RdckbUck  bii  1S70. 

Im  Jahre  1800  bekam  Symington  den  Auftrag,  für  den  Forth-  and  Clyde- 
Kanal  einen  Schleppdampfer  zu  bauen,  der  unter  dem  Namen  > Charlotte 
Dundas*  im  Jahre  1802  seine  Probefahrt  machte  (Abb.  11).  Die  Dampf- 
maschine mit  liegendem  Zylinder  war  neben  dem  Kessel  angeordnet  und  die 
Pleuelstange  [Schubstange)  verband   unmittelbar   die  Kolbenstange  mit  der 


Abb.  10.     Dampfboot  Booiparte,  1799. 

Kurbel  der  Radwelle,  die  ein  im  Hinterschiff  eingebautes  Schaufelrad  mit 
8  Schaufeln  trug.  Diese  Einrichtung  zeigte  einen  wesentlichen  Fortschritt. 
Das  Schiß*  schleppte  2  Boote  in  6  Stunden  gegen  heftigen  Wind  auf  eine 
Entfernung  von  36,1  km:  Das  war  also  eine  gute  Leistung.  Aber  die  heftigen 
Wellen  beschädigten  die  Kanalufer  so  sehr,  daß  man  den  Betrieb  wieder 
aufgab. 


Abb.  II.     Dunpfboot  Charlotte  Dundas,  1800. 

Der  Herzog  von  Bridgewater  soll  trotzdem  in  Anbetracht  der  guten  Er- 
folge Symington  den  Auftrag  für  die  Herstellung  von  8  Dampfern  für  seinen 
Kanal  gegeben  haben.  Doch  starb  der  Herzog  1803  und  sein  Erbe  schloü 
sich  der  Meinung  der  Aktionäre  des  Forth-  and  Clyde-Kanals  an,  die  nichts 
mehr  von  Dampferbetrieb  wissen  wollten. 


$.  Von  d«t  ErfiDdang  des  Damp^chilTs  bb  1870.  91 

Alle  diese  Versuche  fuhrtea  also  nicht  dazu,  das  Dampfschiff  zu  dauern- 
dem Gebrauch  einzufuhren.  Das  gelang  erst  Robert  Fulton').  Dieser  war 
1765  in  Amerika  geboren,  kam  1786  nach  Bioland  und  ging  von  dort  nach 
Paris,  wo  er  sich  mit  Robert  Livingston  verband  und  ein  Dampfschiff  baute. 
Im  Jahre  1803  machten  sie  auf  der  Seine  eine  erfolgreiche  Fahrt  von  mehreren 
Stunden,  an  der  auch  Camot,  Parier  und  Mitglieder  der  französischen  Aka- 
demie teilnahmen.  Aber  die  kriegerischen  Zustände  verhinderten  die  weitere 
Entwicklung  dieses  Unternehmens.  Fulton  bestellte  darauf  in  England  bei 
Boulton  und  Watt  eine  große  Dampfmaschine  von  609  mm  Zylinderdurch- 
messer  und  1,22  m  Hub,  die  er  nach  New-York  verladen  ließ.  Er  begab  sich 
1806  mit  Livingston  selbst  dorthin  und  sie  bauten  das  Schiff  >Ctaremont<, 
40,5  m  lang,  5,48  m  breit  und  2,74  m  hoch.    Der  Tiefgang  des  Schißes  soll 


Abb.  13.    DunpfscbifT  ClaremoDt,  1S07. 

0,70  m,  die  Stärke  der  Maschine  20  »nominelle«  Pferdestärken  betragen  haben. 
Sie  war  mit  stehendem  Zylinder  angeordnet.  Vom  Querhaupt  gingen  2  Schub- 
stangen zu  2  wagerecht  liegenden  Winkelhebeln,  von  denen  wieder  2  Schub- 
stangen zu  den  Kurbeln  der  Räderwelle  führten.  Von  dieser  Welle  wurde 
durch  ein  Zahnrad-Vorgelege  ein  Schwungrad  zum  Ausgleich  betrieben  und 
auch  die  Luftpumpe.  Der  Kessel  hatte  Wasserröhren  und  war  wie  bei  orts- 
festen Maschinen  eingemauert').  Die  beiden  Seilenräder  von  4,57  m  Durch- 
messer, mit  je  8  Schaufeln,  tauchten  0,61  m  ein  und  sollen  in  der  Minute 
20  Umdrehungen  gemacht  haben.     Bei  der  ersten  Fahrt  im  Jahre  1807  (am 

l)  Mstachol^,  Hundert  Jnhre  Dunpfschiifahrt  Zeitschrift  des  Vereins  Deutscher  In- 
genienre  1907,  S.  lzS6. 

1)  Eingemaaeite  Dampfkessel  sollen  auf  einigen  Mississippidampfem  noch  im  Jahre  1876 
im  Betrieb  gewesen  sein.     Anfangs  baute  ma.n  sogar  gemauerte  Schornsteine  (Matschoß). 


92  Abschnitt  II.     GeschJchÜicher  Rückblick  bis  1870. 

17.  August]  wurde  die  240  km  lange  Entfernung  von  New-York  bis  Albany 
stromauf  in  32  Stunden  zurückgelegt.  Zur  hundertjährigen  Feier  dieses  Ereig- 
nisses wurde  im  Jahre  igo;  in  New-York  ein  groDes  Fest  veranstaltet.  Dazu 
war  eine  möglichst  genaue  Nachbildung  des  Claremont  gebaut  worden,  die 
aus  der  Abb.  1 2  deutlich  sein  wird.  Nach  dem  günstigen  Verlauf  der  Probe- 
fahrt machte  Claremont  seit  1808  regelmäßige  Fahrten  und  nach  5  Jahren 
waren  in  Amerika  schon  etwa  50  Dampfschiffe  dieser  Art  im  Betrieb,  Im 
Jahre  1819  ging  das  erste  Dampfschiff  »Savannah«  von  New-Yoik  nach  Liver- 
pool.    Es  war  25  Tage  unterwegs;  davon  18  Tage  lang  unter  Dampf. 

In  Europa  hatte  zuerst  im  Jahre  1812  der  Schotte  Henry  Bell  mit 
seinem  Dampfschiff  >Comet<  dauernden  Erfolg.  Er  besaß  an  der  Mündung 
des  Clyde  eine  Badeanstalt,  zu  der  er  seine  Gäste  von  Gla^ow  beförderte. 
Das  von  Wood  &  Robertson  dort  gebaute  Boot  war  nur  12  m  lang.  Es 
bewährte  sich  gut  und  seine  Maschinenanordnung  wurde  auf  lange  Zeit  [etwa 
bis  1840)  für  Europa  vorbildlich. 

Ähnlich  wie  bei  Fultons  ClaremoDt  giogea  von  dem  Querhaupt  des  stehenden  Zylinders 
beiderseits  Schabstangen  za  unten  liegenden  doppelannigen  Hebeln  (Balanciers),  die  die  Kurbel- 
welle —  meistens  mit  Sehwungrad  —  antrieben.  Die  vier  Schaufclrilder  wurden  von  der  Kurbel- 
welle durch  Zahnräder  bewegt  Die  Ma- 
schine stand  neben  dem  Kessel  [Abb,  I3). 
Diis  boot  faßte  etwa  ao  FahrgKste  nnd 
hatte  eine  Geschwindigkeit  von  8  km  je 
Stunde.  Die  Maschine  befindet  sich  im 
Londoner  Museum'). 

Im  Jahre  1815  sollen  in  Eng- 
land und  Schottland  schon  20 
Dampfschiffe  verkehrt  haben,  1823 
mehr  als  160  und  im  Jahre  1824 
allein  im  Gebiet  des  Clyde  35. 

Im  Jahre  1816  erschienen 
auf  dem   europäischen  Festlande 

~~"l^~i:  ~~ die  ersten  wahrscheinlich  in  Eng- 

Abb.  13.    Bella  Comet,  1813,  land   gebauten    Dampfschiffe:    in 

Paris  auf  der  Seine  ein  unbe- 
kannt gebliebenes  Schiff,  in  Köln  auf  dem  Rhein  wahrscheinlich  die  >D^ 
fiance<  (mit  etwa  34  Pferdestärken)  und  in  Hambui^  auf  der  Elbe  die 
>Lady  of  the  Lake«.  Über  das  große  Aufsehen,  das  durch  das  Erscheinen 
des  ersten  Dampfschiffs  auf  dem  Rhein  entstand,  berichtete  die  Köhiische 
Zeitung  ausführlich  am  13.  Juni  1816.  Das  Schiff  hatte  die  Strecke  von 
Rotterdam  bis  Köln  (etwa  310  km)  in  4  Tagen  zurückgelegt.     Die  von  den 

t)  Nach  dieser  Anordnung,  die  übrigens  auch  von  Watt  in  Soho  angen-endet  wurde,  baute 
noch  im  Jahre  1841  Cockerill  in  Sening  eine  Maschine  für  den  Rheindampfer  >Germ>niai.  Sie 
blieb  bis  :9o;  im  Gebrauch  und  kam  dann  in  das  Deutsche  Museum  in  München.  —  Spftter 
wurden  an  Stelle  der  doppelarmigen  Hebel  einarmige  angewendet  —  Matschoß,  Die  Entwick- 
lung der  Dampfmaschine.     Berlin  1908. 


$.  Von  der  Erfindnng  des  Dampfs chifTs  bis  iS7a  93 

englischen  Unternehmern  beabsichtigte  Wdterfahtt  bis  Frankfurt  wurde  aur- 
gegeben. Es  wird  berichtet,  dass  diese  von  der  preuDischen  Regierung  die 
Verleihut^  eines  Monopols  fiir  die  RheindampfschifTahrt  verlangt  hätten;  da 
ihnen  dies  nicht  gewährt  wurde,  kehrte  das  SchifT  wieder  zurück.  Der  in 
Hamburg  etwa  zu  gleicher  Zeit  eingetroffene  Dampfer  eröffnete  am  19.  Juni 
einen  regelmäßigen  Verkehr  zwischen  Hamburg  und  Kuxhaven;  da  sich  aber 
weder  genügend  Personen  noch  Güter  fanden,  um  dies  Unternehmen  ein- 
träglich zu  machen,  wurde  der  Dampfer  wieder  nach  dem  Forth  zurückgeführt. 
In  diesem  Jahre  wurden  auch  in  Deutschland  die  beiden  ersten  Dampf- 
schiffe gebaut:  das  eine  »Weser*  von  einem  Bremer  Kaufmann  Friedrich 
Schröder  auf  der  Werft  von  Johann  Lange  in  Vegesack  und  das  andere 
»Prinzessin  Charlotte«  von  einem  Engländer  Humphrey  auf  einer  kleinen 
Werft  in  Picheisdorf  bei  Spandau. 


Abb.  14.     Dunpfschiff  Weser,  1816. 

Schröder  halte  vom  Bremer  Senat  ein  Privilegium  fUr  die  Dampfschiffahrt  auf  der  Weser 
für  15  Jahre  erhalten.  Das  Schiff,  welches  in  Abb.  14  dargestellt  ist,  war  mit  flachem  Boden 
gebaut,  hatte  eine  Lange  von  25,5  m,  eine  Breite  von  4,1  m  und  eine  Seitenhöhe  von  3,4  m'). 
Die  von  Boullon,  Watt  &  Co.  in  Soho  bei  Birmingham  gebaute  einzylindrige  Niederdruckmas chine 
mit  Seitenbalaacier  stand  mit  dem  Kondensator  auf  der  Backbordseite,  hingegen  der  4,2  m  lange, 
1,1  m  breite  und  1,9  m  hohe  Kofferkessel  auf  der  Steuerbordseite.  Die  Mascbinenleistung  be- 
trog  bei  za  Umdrehungen  in  der  Minnte  etwa  14  Pferdestärken,  womit  eine  Fahrgeschwindig- 
keit von  etwa  10  km  je  Stunde  erreicht  wurde.  Uer  Koblenverbrauch  soll  je  Stunde  und 
Pferdestärke  etwa  8,4  kg  betragen  haben.  Am  6.  Mai  1817  machte  das  Schiff  die  erste  Fahrt 
von  Vegesack  nach  Bremen  und  ist  bis  zum  Jahre  1833  dauernd  auf  der  Unterweser  im  Be- 
trielic  geblieben. 

Die  •Priniessin  Charlotte«  war  etwa  40  m  lang  und  5,8  m  breit.  Sie  verkehrte  längere 
Zeit  inbchen  Berlin,  Charlottenbnrg  und  Potsdam.  Humphrey,  der  in  Preußen  ein  Patent  auf 
seine  neuen  Dunpfschiffeinrichtungen  erhalten  hatte,  baute  noch  zwei  andere  Schiffe:  den 
»Courier«,  der  zwischen  Berlin  und  Ilambui^,  und  den  »Fürst  Blücher",  der  zwischen  Magde- 
burg und  Hamburg  fuhr.  Diese  drei  Dampfer  standen  im  Dienst  der  königlichen  Post,  die  bei 
dem  Betriebe  aber  nicht  auf  ihre  Rechnung  kam,  so  daß  sie  ihn  bald  einsleiite. 


i)  H.  Raschen,  Die  Weser.    Jahrbuch  der  SchifTbautechniachen  GeiellBchaft,  1907. 


94  Abschnitt  11.     GeschichÜicher  Rückblick  bb  1870. 

Im  Jahre  181 7  kam  das  erste  Dampfschiff  auf  der  Donau  in  Betrieb 
und  in  demselben  Jahre  das  erste  Dampfschiff  nach  Rußland  auf  den 
Fluß  Kama. 

Am  Rhein  wurden  mit  der  Dampfschiffahrt  die  ersten  wirtschafUichen 
Erfolge  erreicht').  Seit  1822  bemühte  sich  die  Handelskammer  von  Köln 
darum,  einen  Dampferverkehr  auf  den  Rhein  zu  bringen,  und  verhandelte 
mit  Rotterdam  und  Antwerpen.  Das  Unternehmen  der  letzteren  Stadt,  einen 
Güterdampfer  zum  Verkehr  mit  Köln  herzustellen,  schlug  fehl;  dagegen  ge- 
lang es  in  Rotterdam  dem  Hause  VoUenhoven,  Dutilh  &  Co.,  mit  einem 
Dampfschiffe  >der  Seeländer«  im  Jahre  1823  eine  regelmäßige  Verbindung 
zwischen  Rotterdam  und  Antwerpen  einzurichten.  Aus  diesem  Unternehmen 
entstand  im  folgenden  Jahre  die  »Nederlandsche  Stoomboot  Maatschappy« 
auf  Aktien,  an  der  sich  die  Kölnische  Handelskammer  mit  50  Aktien  be- 
teiligte. Die  vom  König  von  Holland  erteilte  Genehmigung  (von  1825)  ent- 
hielt die  Bedingung,  daß  die  Schiffe  auf  holländischem  Boden  erbaut  werden 
sollten.  Dort  war  in  Seraing  bei  Lüttich  von  dem  englischen  Maschinen- 
bauer Cockerill  eine  Schiffswerft  begründet  worden.  Im  Oktober  1824  wurde 
mit  dem  Dampfschiff  »der  Seeländer«  eine  Versuchsfahrt  rheinaufwärts  bis 
Bacharach  unternommen,  die  den  Beweis  erbrachte,  daß  der  Dampfer  auch 
starke  Strömimgen  überwinden  konnte. 

Das  Schiff  war  etwa  34  m  lang,  5  m  breit  und  mit  einer  Maschine  von  45  bis  50  Pferde- 
stärken ausgerüstet.  Der  Verbrauch  an  Lütticher  Kohle  betrug  stündlich  225  kg.  AngesteUte 
Versuche  zeigten,  daß  die  Saarkohle  für  den  Dampfer  unbrauchbar  war  und  die  Ruhrkohle  an 
Heizkraft  hinter  der  Lütticher  Kohle  zunickblieb.  Die  Maschinenanlage  des  Schiffes  kostete 
etwa  77000  Mark,  das  ganze  Schiff  105000  Mark;  die  später  gebauten  Schiffe  wurden  aber 
viel  teurer. 

Vor  Köln  wurde  auch  ein  erfolgreicher  Schleppversuch  mit  einem  Lastschiff  mit  100  t 
Ladung  gemacht. 

Im  September  1825  wurde  mit  dem  neu  erbauten  Dampfer  > Rheine  eine 
neue  Versuchsfahrt  gemacht,  an  der  zwischen  Koblenz  und  Köln  auch  der 
König  Friedrich  Wilhelm  III.  mit  seinen  Söhnen  teilnahm.  Das  SchifT  drang 
ohne  Schwierigkeiten  bis  Kehl  vor.  Es  war  46  m  lang,  5  m  breit  und  hatte 
60  bis  65  Pferdestärken.  Die  Fahrt  von  Köln  bis  Kehl  hat  bergwärts  74  und 
talwärts  27  Stunden  gedauert. 

Als  die  von  der  holländischen  Gesellschaft  betriebenen  wöchentlichen 
Fahrten  mit  Personen-  und  Güterbeförderung  zwischen  Rotterdam  und  Köln 
sich  bewährten,  empfand  die  Kölnische  Kaufmannschaft  (1825)  das  Bedürfnis, 
eine  besondere  preußische  Gesellschaft  zu  gründen.  Diese  Preußisch- 
Rheinische  Dampfschiffahrtgesellschaft  wurde  mit  einem  Kapital  von 
720000  Mark  errichtet,  das  in  1200  Aktien  von  nur  600  Mark  eingeteilt  war, 
um  auch  den  Mitgliedern  der  Schiffergilde  (S.  58)  Gelegenheit  zur  Beteiligung 
zu  geben.    Bei  der  königlichen  Genehmigung  (von  1826)  wurde  bestimmt, 


1}  Dresemann,    aus    der   Jugendzeit   der   Rheindampfschiffahrt,    Köln    1903.   —  Femer 
Eckert  und  Gothein  a.  a.  O. 


^5*  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870.  95 

daß  die  der  Gilde  vorbehaltenen  250  Aktien  vorzugsweise  preußischen  Unter- 
tanen überwiesen  werden  sollten.  Außerdem  wurde  jede  Übereinkunft  mit 
anderen  Gesellschaften  von  der  staatlichen  Zustimmung  abhängig  gemacht 
und  die  Benutzui^  der  Schiffe  für  die  königliche  Post  vorbehalten. 

Die  Niederländische  Gesellschaft  beteiligte  sich  gleichfalls  an  dem  preußi- 
schen Unternehmen  und  in  Berücksichtigung  der  damals  bestehenden  Um- 
schlagrechte von  Köln  und  Mainz  wurde  vereinbart,  daß  diese  Gesellschaft 
den  Verkehr  unterhalb  Köln  behalten  und  die  neue  den  Verkehr  oberhalb  bis 
Koblenz  und  Mainz  betreiben  sollte.  Am  i.  Mai  1827  begannen  die  regel- 
mäßigen Fahrten  nach  Mainz. 

Zu  gleicher  Zeit  wie  in  Köln  war  am  Oberrhein  in  Mannheim  die 
»Großh.  badische  Rheindampfschiffahrtgesellschaft  c  entstanden  und  ferner 
waren  Frankfurter,  Mainzer  und  Straßburger  Kaufleute  zusammengetreten  und 
hatten  die  »Dampfschiffahrt -Gesellschaft  vom  Rhein  und  Main«  gegründet. 
Diese  beiden  Gesellschaften  traten  in  ein  enges  Vertragsverhältnis  zuein- 
ander. (Die  Dampfschiffahrtgesellschaft  vom  Rhein  und  Main  hatte  keine 
wirtschaftlichen  Erfolge;  sie  wurde  beteits  1832  mit  der  preußisch-rheinischen 
verschmolzen.) 

Im  Jahre  1829  wurde  von  der  Gute-Hoffnungshütte  in  Oberhausen  der 
erste  deutsche  Rheindampfer  > Stadt  Mainz«  erbaut.  Er  war  45  m  lang,  5,7  m 
breit  und  hatte  0,9  m  Tauchtiefe. 

Trotz  der  den  freien  Verkehr  beschränkenden  Zustände  vor  Einführung 
der  Schiffahrtsakte  verkehrten  im  Jahre  1830  im  Rheingebiet  bereits  zwölf 
Dampfschiffe  regelmäßig:  davon  eines  zwischen  Schröck  (Leopoldshafen) 
und  Mainz,  drei  zwischen  Mainz  und  Köln,  vier  zwischen  Köln,  Rotterdam 
und  Antwerpen,  und  eines  zwischen  Dortrecht  und  Rotterdam.  In  diesem 
Jahre  nahm  auch  der  zur  Mainzer  Gesellschaft  gehörige  Dampfer  »Stadt 
Franidurt«  die  Fahrten  zwischen  Mainz  und  Frankfurt  auf  und  ersetzte  die 
alten  Marktschiffe. 

Im  Jahre  1832  wurde  mit  dem  vorgenannten  Dampfer  eine  dritte  Ver- 
suchsfahrt von  Kehl  aufwärts  bis  Basel  mit  gutem  Erfolge  durchgeführt') 
und  schon  im  folgenden  Jahre  dehnte  die  Kölnische  Gesellschaft  ihren  Be- 
trieb bis  Straßburg  aus. 

Infolge  der  durch  die  Schiffahrtsakte  erreichten  Freiheit  des  Verkehrs 
bildete  sich  1836  in  Düsseldorf  die  »Dampfschiffahrtgesellschaft  für  den 
Mittel-  und  Niederrhein«  und  trat  (1838)  in  empfindlichen  Wettbewerb  mit 
der  Niederländischen  und  besonders  mit  der  Kölnischen  Gesellschaft,  die  seit 
dem  Jahre  1835  zusammen  15  Dampfer  in  Dienst  gestellt  und  damit  fast 
allein  den  Verkehr  in  Händen  hatten. 


l)  AUe  3  Versuchsfahrten  (bis  Bacharach,  bis  Kehl  und  bis  Basel)  wurden  von  dem  in 
Neuwied  geborenen  Ingenieur  Röntgen  geleitet,  der  an  der  Spitze  der  Maschinenfabrik  und 
Werft  in  Rotterdam  stand  und  mancherlei  Verbesserungen  im  Bau  der  Dampfschiffe  und  Ma- 
schinen eingeführt  hat. 


96  Abschnitt  H.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Die  neue  Gesellschaft  brachte  das  erste  eiserne  Dampfschiff  auf  den  Rhein,  die 
>Viktoriac,  die  1838  in  London  gebaut  und  über  See  gebracht  wurde.  Das  Schiff  war  56,4  m 
lang,  7,05  m  breit,  2,9  m  hoch  und  hatte  einen  Tiefgang  von  etwa  i  m.  Es  war  mit  einer 
Wattschen  Balanciermaschine  versehen  und  ist  bis  1886  im  Betrieb  geblieben. 

Bald  entstand  ein  weiterer  Wettbewerb  durch  einige  kleinere  holländische 
Gesellschaften.  Ferner  bildete  sich  in  Straßburg  im  Jahre  1838  die  »Com- 
pagnie  Renouard  de  Boussi^re«,  die  mit  zwei  Schiffen  von  je  etwa  60  t  Trag- 
fähigkeit und  30  Pferdestärken  im  Anschluß  an  die  Kölnische  Gesellschaft 
nach  Basel  fuhr.  Bei  der  Bergfahrt  wurde  das  Dampfschiff  in  dem  1834 
fertig  gestellten  Rhein-Rhone-Kanal  mit  Pferden  bis  Hüningen  getreidelt. 
Diese  Fahrt  dauerte  etwa  30  Stunden.  Die  nur  7  Stunden  dauernde  Talfahrt 
bis  Straßburg  ging  auf  dem  Rhein.  Wenn  man  morgens  5  Uhr  von  Basel 
abfuhr,  war  man  abends  8  Uhr  in  Mannheim.  Am  folgenden  Tage  wurde  die 
Fahrt  von  da  um  6  Uhr  fortgesetzt  und  endete  um  8  Uhr  abends  in  Köln. 
Man  brauchte  also  von  Basel  bis  Köln  30  Fahrstunden.  Der  Verkehr  soll  leb- 
haft, aber  nicht  einträglich  gewesen  sein ;  denn  das  französische  Unternehmen 
erlosch  bereits  1842.  Nicht  besser  erging  es  einer  zweiten,  der  sogenannten 
»Adler «-Gesellschaft,  die  mit  einem  Schiffe  dieses  Namens,  das  in  Paris  ge- 
baut worden  war,  von  1840  bis  1843  die  Schiffahrt  zwischen  Straßburg  und 
Basel  betrieb.  Dann  hat  auf  dieser  Rheinstrecke  die  Dampfschiffahrt  bis  zum 
Ende  des  Jahrhunderts  geruht. 

In  den  15  Jahren  von  1823  bis  1838  hat  sich  somit  die  Dampfschiffahrt 
den  ganzen,  damals  und  jetzt  schiffbaren  Rhein  bis  Basel  hinauf  erobert  und 
einen  lebhaften  Güter-  und  Personenverkehr  vermittelt. 

Die  Personentarife  waren  (1827)  für  die  oberste  der  4  vorhandenen  Klassen  —  Pavillon, 
große  Kajüte,  mittlere  Kajüte  und  Matrosenkajüte  für  Bedürftige  —  28  Mark  und  für  die  unterste 
Klasse  7  Mark  fiir  die  Fahrt  zwischen  Köln  und  Mainz  (auf-  oder  abwärts],  während  man  auf 
dem  Marktschiff  von  Mainz  nach  Köln  9  Mark  zu  bezahlen  hatte. 

Die  Fracht  für  Güter  betrug  einschließlich  aller  Rheinzollgebühren  in  dieser  Strecke  für 
je  100  kg  abwärts  etwa  2  Mark  und  aufwärts  3  Mark. 

Aber  geschleppt  wurde  zunächst  noch  nicht.  Schon  bei  der 
Gründung  der  Niederländischen  Gesellschaft  hatte  die  Kölnische  Handels- 
kammer die  Notwendigkeit  und  Zweckmäßigkeit  des  Schleppbetriebs  er- 
wähnt. Doch  wollten  die  Schiffer  nicht  einmal  auf  der  holländischen  Strom- 
strecke sich  darauf  einlassen,  wo  bis  Lobith  aufwärts  (nahe  der  preußischen 
Grenze)  kein  Leinpfad  vorhanden  war.  Schon  1825  wurde  dort  der  Versuch 
gemacht;  aber  damals  war  der  Rheinverkehr  so  gedrückt,  daß  die  Schiffer 
den  Zeitgewinn  für  wertlos  erklärten,  da  sie  bei  der  Rangfahrt  doch  nur  je 
eine  Fahrt  jährlich  zwischen  Köln  und  Rotterdam  machten.  Dennoch  baute 
die  Niederländische  Gesellschaft  ein  kräftiges,  zum  Schleppen  geeignetes  Schiff, 
den  > Herkules €,  der  1829  in  Dienst  trat. 

Der  Dampfer  war  etwa  53  m  lang  und  7,3  m  breit,  über  den  Radkasten  14,6  m.  Die 
Räder  hatten  7,3  m  Durchmesser.  Die  beiden  Maschinen  von  80  und  100  Pferdestärken  sollen 
zusammen  240 1  gewogen  haben,  so  daß  auf  dem  Schiffe  kaum  noch  Platz  zur  MitfÜhrung 
einiger  Frachtgüter  war.     Die  Kosten  betrugen  etwa  312000  Mark. 


5-  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870. 


97 


Später  (nach  1839)  schleppte  er  gewöhnlich  von  Rotterdam  4  bis  6  Lastschiffe  mit  zu- 
sammen 250  bis  350  t  bis  Emmerich.  Dort  wurde  der  Zug  geteilt  und  in  zwei  Hälften  nach 
Düsseldorf  und  Köln  gebracht. 

Die  Schifferbevölkerung  begrüßte  die  Einfuhrung  der  DampfschifTe 
keineswegs  mit  Freuden.  Bei  der  Gründung  der  preußisch-rheinischen  Gesell- 
schaft beschwerte  sich  sogar  die  kölnische  Schiifergilde  beim  Könige  (allerdings 
vergeblich)  über  den  von  den  Kaufleuten  als  Aktionären  zu  erwartenden  Wett- 
bewerb, worin  sie  eine  Beeinträchtigung  ihrer  Rechte  erblickte.  Aber  solange 
noch  die  Gilden  bestanden  und  der  Schleppbetrieb  noch  nicht  eingeführt  war, 
blieb  die  Einwirkung  des  Dampferverkehrs  im  allgemeinen  unerheblich. 

Viel  gewaltiger  waren  die  Veränderungen  in  dem  gewerblichen  Be- 
triebe der  SchifTahrt,  die  1831  durch  die  Einfuhrung  der  Schiffahrtsakte 
hervorgerufen  wurden:  die  Abschaffung  der  Umschlag-  und  Gildenrechte, 
die  Gleichstellung  der  Gildeschiffer,  Rangschiffer,  Kleinschiffer  und  der  Schiffer 
von  den  Nebenflüssen,  sowie  die  freie,  ungebundene  Vereinbarung  der  Frach- 
ten. Zunächst  litten  darunter  die  alten  Stapelorte,  besonders  Köln,  wenn  es 
auch  von  der  Regierung  durch  eine  erhebliche  Geldsumme  entschädigt  wurde: 
Mit  Kummer  mußte  man  feststellen,  daß  im  Jahre  1832  nur  6  Schiffe  mit 
zusammen  1150  t  aus  Amsterdam  in  den  Kölner  Hafen  einkehrten,  während 
viele  Schiffe  mit  zusammen  etwa  4200  t  aufwärts  vorbeifuhren. 

Alle  Handelstädte  am  Rhein  bestrebten  sich  zunächst  im  Sinne  der 
neuen  Schiffahrtsakte  durch  Vereinbarung  von  freiwilligen  Beurt-  oder  Rang- 
fahrten (S.  50  u.  82)  untereinander  und  mit  den  Städten  an  den  Nebenflüssen, 
sowie  durch  Ermäßigung  ihrer  Hafen-,  Lagerhaus-  und  Krangebühren  die 
Schiffahrt  an  sich  zu  ziehen.  Besonders  tätig  war  in  dieser  Richtung  Köln, 
zumal  dessen  Hafen  damals  in  sehr  schlechtem  Zustande  war.  Es  schloß 
sogar  mit  Kitzingen  am  Main  und  mit  Heilbronn  am  Neckar  entsprechende 
Beurtverträge  ab.  Anfangs,  etwa  bis  1840,  waren  die  Erfolge  der  Rangfahrten 
gute;  aber  der  allgemeine  freie  Wettbewerb  besiegte  sie  allmählich,  namentlich 
nach  Einführung  der  Dampfschleppschiffahrt.  (Schon  1 844  hörten  die  nieder- 
ländischen auf  und  die  anderen  verschwanden  am  Anfang  der  sechziger  Jahre.) 

Wie  die  Frachten  von  1830  bis  1835,  ^^so  noch  vor  der  Einführung 
des  Dampfschleppbetriebs  und  der  größeren  eisernen  Schiffe,  gefallen  sind, 
zeigt  die  nachstehende  kleine  Tafel. 

Frachten  je  100  kg  in  Mark. 


Von  Köln 
nach 


Mainz 

Frankfurt  .  .  . 
Würzburg  .  .  . 
Mannheim.  .  . 
Rotterdam.  .  . 

T  e  u  b  e  r  t ,  Binnenschiffahrt. 


1830 

1833 

1835 

i»24 

0,88 

0,88 

1,62 

1,20 

1,20 

— 

3,66 

3,37 

— 

1,34 

1,25 

;  1,50 

0,73 

0,70 

Nach  Köln 
von 


1830 


1835 


Mainz  .  .  . 
Frankfurt  . 
Würzburg  . 
Mannheim. 
Rotterdam . 


0,98 


2,45 


0,51 

0,51 

0,80 

0,80 

2,27 

2,10 

0,69 

0,69 

«,35 

0,96 

7 

98  Abschnitt  IL     GeschichÜicher  Rückblick  bis  1870. 

Es  sind  dies  die  Durchschnittpreise  der  drei  Güterklassen  bei  Rangfahrten 
von  Köhi.  Die  Ursache  ist  zweifellos  in  der  Vermehrung  der  Schiffer  zu 
suchen,  deren  Zahl  sich  nach  Gothein,  dem  die  Tafel  entnommen  ist,  wahr- 
scheinlich in  dieser  Zeit  verdoppelt  hat. 

Im  Kampf  mit  der  Dampfschiffahrt  wurde  allmählich  die  Treidelei  be- 
schleunigt. Während  früher  die  Reisedauer  von  Rotterdam  bis  Mainz  4  bis 
5  Wochen  betrug  (während  die  Dampfschiffe  dazu  5  bis  6  Tage  brauchten), 
wurde  diese  auf  14  bis  16  Tage  verkürzt.  Die  Holländer  gingen  noch  weiter, 
indem  sie  Pferdewechsel  einführten  und  die  Fahrzeit  von  Rotterdam  bis  Köln 
von  14  Tagen  auf  5  bis  6  Tage  verkürzten.  Die  Reise  von  Köln  nach  Mainz 
konnte  man  in  gleicher  Weise  von  5  bis  6  Tagen  auf  4  Tage  verkürzen. 
Dabei  wurde  gleichzeitig  die  Zahl  der  Vorspannpferde  vermehrt.  Man  rech- 
nete am  Niederrhein  auf  je  25  t  Ladung  ein  Pferd. 

Der  Dampfschleppbetrieb  wurde  zuerst  auf  der  holländischen  Strom- 
strecke eingeführt.  Holland  hatte  bei  der  Vereinbarung  der  SchifTahrtsakte 
die  Herstellung  eines  Leinpfads  an  der  Waal  bis  Rotterdam  versprochen  und 
es  stellte  sich  bald  heraus,  daß  dies  kaum  möglich  war.  Auf  Drängen  der 
preußischen  Regierung  pachtete  daher  die  holländische  Regierung  von  der 
niederländischen  Gesellschaft:  einige  geeignete  Dampfer  und  ließ  1833  die 
Rangschiffe  (die  allerdings  vorwiegend  holländischen  Schiffern  gehörten)  für 
den  Preis  des  Pferdezugs  von  Rotterdam  nach  Lobith  und  Emmerich  schleppen. 
Sie  mußte  dabei  eine  beträchtliche  Summe  zulegen.  Die  niederländische  Ge- 
sellschaft beschaffte  außer  dem  genannten  »Herkulesc  bis  1838  noch  zwei 
andere  kräftige  Schlepper. 

In  Preußen  war  die  Regierung  anfangs  (1839)  ^^^  Meinung,  daß  man 
den  Schleppbetrieb  nicht  dem  Privatunternehmen  überlassen  könne,  wollte 
aber  nicht  allein  den  dazu  erforderlichen  Zuschuß,  auf  den  man  bestimmt 
rechnete,  hergeben.  Später  stellte  der  Oberpräsident  der  Rheinprovinz  den 
bestimmten  Antrag,  eine  staatliche  Schleppfahrt  einzurichten;  aber  man  kam 
in  Berlin  zu  keinem  Entschluß '].  Auf  Anregung  Camphausens  wurde  darauf 
in  Köln  im  Jahre  1841  eine  Schleppschiifahrtgesellschaft  gegründet,  die  nicht 
nur  das  Schleppen  der  Segelschiffe,  sondern  auch  die  Beförderung  von 
Waren  in  eigenen  Schiffen  übernehmen  sollte. 

Unterdessen  war  die  niederländische  Gesellschaft  in  derselben  Richtung 
tätig  gewesen  und  brachte  in  diesem  Jahre  das  erste  eiserne  Lastschiff 
auf  den  Rhein.  Es  war  54,9  m  lang,  7,3  m  breit,  3,3  m  hoch  und  hatte  bei 
1,14  m  Tauchtiefe  eine  Tragfähigkeit  von  244  t.  Es  wurde  in  38  Stunden 
von  Rotterdam  nach  Köln  geschleppt.  Das  war  ein  bedeutender  Fort- 
schritt 

Im  Jahre  1842  nahmen  beide  Gesellschaften  den  regelmäßigen  Betrieb 
auf:  Die  holländische  schleppte  im  ganzen  8008  t,  die  kölnische  7000  t.    Im 


i)  Gothein  a.  a.  O. 


5.  Von  der  Erfindung  des  Damp£schifis  bis  1870.  99 

nächsten  Jahre  überflügelte  die  letztere  die  erstere  und  schleppte  33  238  t, 
während  die  holländische  nur  7473  t  beförderte. 

In  Mainz  bildete  sich  1842  eine  gleiche  Gesellschaft  und  eröffnete  den 
Betrieb  nach  StraOburg.  Alle  drei  Gesellschaften  verkehrten  auf  dem  ganzen 
Rhein,  die  niederländische  namentlich  von  Rotterdam  bis  Mannheim.  Dort 
waren  die  Beurtleute  so  verständig,  sich  der  neuen  Zeit  anzupassen,  kauften 
1843  einen  Dampfer  und  verwandelten  die  »Rangschiffahrtgenossenschaft« 
in  die  »Mannheimer  Dampfschleppschiffahrtgesellschaft«.  Die  Zahl  der  Teil- 
nehmer wurde  auf  30  festgesetzt. 

In  den  nächsten  Jahren  entstanden  weitere  Gesellschaften  für  Schlepp- 
betrieb in  Frankfurt  (1845),  Ruhrort  und  Düsseldorf  (1846). 

Dazu  trat  eine  andere  Neuerung:  Die  Kohlenbergwerkbesitzer  Matthias 
Stinnes  in  Mühlheim  a.  d.  R.  und  Franz  Haniel  in  Ruhrort  fingen  an,  ihre 
Kohlen  in  eigenen  Schiffen  mit  eigenen  Schleppdampfern  zu  befördern  und 
der  erstere  ließ  sogar  einen  Schleppdampfer  bauen,  der  10  Schiffe  mit  2000  t 
bergwärts  brachte.  Die  Ruhrkohlen  wurden  damals  aus  Holland  durch  die 
belgischen  Kohlen  mehr  und  mehr  verdrängt  und  der  Hauptabsatz  mußte 
bei  der  Bergfahrt  gesucht  werden.  Die  alten  Kohlenschiffer  wurden  durch 
diesen  Großbetrieb  beiseite  gedrängt. 

Der  lange  gehegte  Groll  der  Schiffer  und  besonders  der  Treidler 
(Pferdehalfen)  gegen  den  Dampfschleppbetrieb  ging  in  dem  unruhigen  Jahre 
1848  schließlich  in  offene  Gewalttätigkeit  über.  Bei  Mainz  und  bei  Weißen- 
thurm  (nahe  bei  Neuwied)  wurden  die  Schleppdampfer  regelrecht  beschossen. 
An  den  letzteren  Ort  mußte  zur  Unterdrückung  des  Unfugs  sogar  eine  Kom- 
pagnie Soldaten  gesandt  werden.  In  Köln  kam  es  namentlich  bei  einer  großen 
Versammlung  der  rheinischen  Segelschiffer  zu  stürmischen  Auftritten.  Es 
wurde  eine  Eingabe  an  die  in  Frankfurt  tagende  Nationalversammlung  ge- 
richtet und  um  Schutz  gegen  das  Kapital  und  die  Geldaristpkratie  gebeten. 
Der  Fünfziger- Ausschuß  beschloß,  eine  Kommission  nach  Köln  zu  senden, 
um  die  gewaltsam  gestörte  Freiheit  der  Schiffahrt  wieder  herzustellen.  Die 
in  Koblenz  gepflogenen  Verhandlungen  zwischen  den  Vertretern  der  Schlepp- 
gesellschaften und  der  Segelschiffer  hatten  wenig  Erfolg.  Die  erstcren  ver- 
sprachen neben  anderen  weniger  wichtigen  Dingen  nur,  daß  einstweilen  die 
Kohlenschlepper  und  Kohlenschiffe  sich  der  Beförderung  von  Handelsgütern 
enthalten  sollten,  und  daß  sie  die  Zahl  ihrer  Dampfer  und  Lastschiffe  einst- 
weilen nicht  vermehren  würden.  Bei  der  eingetretenen  Stockung  von  Handel 
und  Verkehr  hatte  das  nichts  zu  bedeuten. 

Die  Gesellschaften  besaßen  damals  25  Schleppdampfer,  102  eiserne  und  4cx>  hölzerne  Last- 
schiffe, die  mit  2804  Mann  besetzt  waren.  Außerdem  gab  es  nur  61  deutsche  RheinsegelschifiTe  mit 
zusammen  15000  t  Tragfähigkeit,  wozu  noch  etwa  700  Schiffer  von  der  Mosel,  166  von  der  Lahn, 
100  vom  Main  usw.  zu  rechnen  waren  und  schließlich  noch  etwa  500  holländische  Schiffer. 

Es  ist  bemerkenswert,  daß  auch  die  Zentralkommission  für  die 
Rheinschiffahrt   um    die  Mitte    des  Jahres  1848    es    für   nötig  erklärte,    der 

7* 


100  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

weiteren  Vermehrung  der  Schleppdampfer  entgegenzutreten.  Aber  schon  in 
ihrem  nächsten  Jahresbericht  stellte  sie  fest,  daß  das  Schleppen  der  Segel- 
schiüer  allgemeiner  würde,  da  die  Gesellschaften  ihre  Preise  so  ermäßigt 
hätten,  daß  sie  die  Pferdekraft  unterboten.  Der  Schlepplohn  je  t  fiel  etwa 
von  1845  bis  1850  für  die  Strecke  Rotterdam — Köln  von  4,8  M.  auf  3,6  M. 
und  für  die  Strecke  Köln — Mannheim  von  3,5  M.  auf  2,9  M.  Auf  dem 
Mittelrhein  hörte  die  Pferdetreidelei  schon  um  die  Mitte  der  fünfziger  Jahre 
auf.  Mit  dieser  Veränderung  der  Fortbewegung  hob  sich  die  Bedeutung  und 
der  Wettbewerb  der  Einzelschiffer  (PartikulierschifTer).  Im  Jahre  1856  wurde 
festgestellt,  daß  die  Segelschiifahrt  sich  gegen  1848  auf  dem  Rhein  um  37,7  v.  H., 
auf  dem  Neckar  um  47,8  v.  H.,  auf  dem  Main  um  42,8  v.  H.,  auf  der  Ruhr  um 
43,1  V.  H.  vermehrt  hatte.  Nur  auf  der  Mosel  war  sie  um  10,2  v.  H.  und  im 
Elsaß  gar  um  76  V. H.  zurückgegangen'). 

Der  Jahresbericht  der  Zentralkommission  für  1857  gibt  den  Bestand 
der  Schiffe  und  Schiffer  an,  die  auf  dem  Rhein  berechtigt  waren.  Die 
Angaben  sind  dem  Werk  von  Eckert  entnommen  (s.  nebenstehende  Tafel). 

In  Preußen  wurde  durch  eine  ZIthlung  im  Jahre  1869  festgestellt,  dnß  sich  im  Verlauf  der 
letzten  20  Jahre  die  kleineren  Segelschiffe  unter  150  t  um  23,3  v.  H.  vermindert  und  die  größeren 
um  78,5  V.  H.  vermehrt  hatten.  Die  Zahl  der  Schleppdampfer  hatte  seit  1856  um  47,6  v.  H., 
ihre  Pferdestärken  um  34,5  v.  H.  zugenommen.  Am  Oberrhein  hatte  sich  dsunals  aber  eine 
Abnahme  der  Schiffe  ergeben:  in  Baden  von  370  auf  221,  aber  mit  ziemlich  unveränderter  Ge- 
samttragfähigkeit, —  in  Hessen  von  167  auf  74  — ,  in  Baiem  von  24  auf  20. 

Die  Schiffe  wurden  nicht  nur  größer  (bis  etwa  600  t),  sondern  bekamen 
nach  Einführung  des  Eisenbaues  auch  bessere  Formen,  selbst  die  hölzernen. 
Die  alten,  unbeholfenen  holländischen  Schiffe  verschwanden  allmählich.  Die 
Masten  und  Segel  wurden  bei  dem  zunehmenden  Dampfschleppbetrieb  einfacher, 
wenngleich  sie  noch  immer  gelegentlich  bei  gutem  Winde  benutzt  wurden. 

Seit  den  dreißiger  Jahren  wurden ')  fast  sämtliche  Kohlenschiffe  in  Preußen 
gebaut  und  die  deutschen  Werften  am  Rhein  waren  zahlreich ;  je  mehr  sich  mit 
den  sinkenden  Eisenpreisen  der  Eisenbau  einbürgerte,  zog  sich  der  Schiffbau 
nach  Holland.  Die  holländische  Sitte,  daß  die  Schiffer  ihre  Familien  an  Bord 
nahmen,  ging  schon  in  den  dreißiger  Jahren  auf  die  deutschen  Schiffe  über. 

Die  ersten  Eisenbahnen  im  Rheingebiet  waren  vorwiegend  Zufuhr- 
straßen zum  Strome  (Mannheim — Heidelberg  1840,  Düsseldorf — Elberfeld  1841, 
Deutz — Minden  1845,  Duisburg — Dortmund  1847  und  Ludwigfshafen — Kaisers- 
lautem 1853),  zum  TeU  auch,  wie  die  Linie  Köln — Antwerpen  und  die  Rhein- 
Weserbahn,  Verbindungen  des  Stromes  mit  Seehäfen  zur  Umgehung  der 
holländischen  Stromzölle.  An  Eisenbahnen,  gleichlaufend  mit  dem  Mittel- 
und  Niederrhein,  dachte  man  zunächst  nicht,  da  man  den  Wettbewerb  mit 
der  Schiffahrt  für  ausgeschlossen  hielt.  Die  1844  erbauten  Linien  Köln — 
Krefeld  und  Köln — ^Bonn  waren  für  den  Ortsverkehr  bestimmt  und  die  Tau- 
nusbahn (1840)  schädigte  nur  die  Marktschiffe. 


i)  Gothein  a.  a,  O. 


5.  Von  der  EHiiidimg  des  Dampfschiffs  bis  1870. 


101 


Bestand  an  Segel-Schiffern  und  -Schiffen  (ohne  Holland)  i.  J.  1857. 


Wasserstraße 


Schiffer 


Schiffe 


Tragfthig- 

keit 
zusammen 


t 


Darunter  Schiffe  mit  Trag- 
fähigkeit bis 


50  t 


175  t 


300  t 


Rhein !|  760 

Main 160 

Neckar j,  226 

Lahn '  274 

Mosel 120 

Ruhr 207 

Lippe  mit  Erft-  n.  Spoy-Kanal  21 

Zusammen  j;  1768 


2582        227  154        I170 


932 


466 


über 
300  t 


888 

90043 

370 

279 

191 

336 

19945 

184 

144 

8 

410 

18882 

291 

107 

II 

343 

17x17 

211 

127 

4 

229 

13894 

108 

118 

3 

338 

63419 

2 

127 

209 

38- 

3854 

4 

30 

40 

48 


I 
I 


50 


Die  große  Zahl  der  Lahnschiffe  erklärt  sich  daraus,  daß  Niederlahnstein  bei  der  Lahn  und 
nicht  beim  Rhein  gezählt  worden  ist. 


Bestand  an  Dampfschiffen  und  den  Gesellschaften  gehörigen 

Lastschiffen  (mit  Holland)  i.  J.   1857. 


Staaten 


Zahl 


Dampfschiffe 


Pferde- 
stärken 


Lastschiffe 


a)  Für  Personen  und  Güter 

Preußen  (2  Gesellschaften) 
Baiem  (Würzburg).    .    .    . 

Nassau 

Frankfurt 

Holland  [2  Gesellschaften) 


28 

2745 

3 

HO 

2 

54 

2 

70 

13 

1070 

Zusammen  1     48        4049 


b)  Für  Güterbeförderung: 
Preußen  (6  Gesellschaften)  .    .    .    . 
Baiem  (Pfalz  und  Würzburg)  .    .    . 

Baden  (Mannheim) 

Hessen  (Mainz) 

Nassau 

Frankfurt 

Württemberg  (Heilbronn) 

Holland  (Rotterdam  u.  Dortrecht) . 


Zusanmien 


50 


9720 


eiserne 

höl- 
zerne 

— 

— 

25 

6020 

1 
1357 

55 

19443 

3 

540 

248 

15 

4247 

5 

720 

238 

22 

7836 

3 

450 

216 

16 

5410 

I 

100 

160 

7 

500 

4 

550 

223 

34 

9127 

2 

60 

183 

— 

7 

I  280 

577 

5 

I  163 

54 

15 

gemietet 

16    I     — 


gemietet 
27 


3202        154        47726         116 


8 


Alle  Dampfschiffe  waren  mit  Seitenrädern  gebaut. 


102  Abschnitt  IL     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Anders  war  es  am  Oberrhein,  als  1844  die  Badische  Bahn  die  Linie 
von  Mannheim  nach  Basel  eröffnete.  Der  Güterverkehr  auf  dem  Strome 
hörte  bis  1847  fast  vollständig  auf  und  auch  die  preußisch-rheinische  Gesell- 
schaft stellte  1855  den  Verkehr  mit  Straßburg  ein.  Die  Gesellschaft  für  den 
Mittel-  und  Niederrhein  in  Düsseldorf  trug  den  Verhältnissen  Rechnung  imd 
schloß  1845  i^it  der  badischen  Staatsbahn  einen  Vertrag  über  die  gegen- 
seitige Zuleitung  des  Verkehrs. 

Mannheim  wurde  dadurch  der  obere  Endpunkt  der  Rheinschiffahrt  und 
der  Umschlagplatz  für  Süddeutschland  und  die  Schweiz.  Schon  1834  wurde 
der  Grundstein  zu  dem  ersten  Mannheimer  Hafen  gelegt,  der  1 840  fertig  wurde 
und  als  der  beste  am  Rhein  galt  In  den  Jahren  1866  bis  1871  wurden  dort 
weitere  bedeutende  Hafenanlagen  ausgeführt.  Gegenüber,  auf  dem  baierischen 
Ufer,  entstand  aus  der  alten  »Rheinschanze«  etwa  seit  1840  Ludwigshafen  als 
zweiter  Hafenort.   Diese  beiden  Häfen  entwickelten  sich  in  erstaunlicher  Weise. 

Auf  dem  elsässischen  Ufer  waren  es  nicht  allein  die  Eisenbahnen, 
die  der  Rheinschiffahrt  ein  Ende  bereiteten,  sondern  auch  die  von  Zöllen 
entlasteten  französischen  Kanäle:  der  Rhein-Rhone-Kanal  (S.  70),  der  fran- 
zösische Kohlen  von  St.  Etienne  über  Lyon  nach  Mühlhausen  brachte,  wo 
sich  ein  lebhafter  Umschlagverkehr  zur  Eisenbahn  entwickelte,  und  vor  allem 
der  1853  eröffnete  Rhein-Marne-Kanal,  der  in  Verbindung  mit  der  Seine  und 
Havre  eine  vortreffliche  Handelstraße  vom  Meere  nach  dem  Elsaß  bot.  Der 
Verkehr  in  Straßburg  hob  sich  im  Jahre  1867  noch  durch  den  Saarkanal, 
durch  den  die  Saarkohle  mit  der  von  St.  Etienne  in  Wettbewerb  trat.  Der 
Oberrhein  wurde  damals  für  Frankreich  wirklich  nur  ein  »Grenzgraben«. 

Auch  auf  dem  Mittel-  und  Niederrhein  machte  sich  seit  der  Mitte  der 
fünfziger  Jahre  der  Wettbewerb  der  Eisenbahnen  recht  bemerklich:  Der  Per- 
sonenverkehr und  die  Beförderung  der  wertvollen  Stückgüter  ging  auf  sie  über. 
Dagegen  blieben  die  Massengüter,  z.  B.  auch  das  Getreide,  der  Schiffahrt  er- 
halten und  vor  allem  nahm  infolge  der  entwickelten  Industrie  der  Kohlenver- 
sand stark  zu.    Hinzu  traten  noch  die  Eisenerze  und  seit  1867  das  Petroleum. 

Die  Frachten  fielen  im  allgemeinen  seit  Einführung  der  Dampfkraft,  also 
etwa  1835,  um  ungefähr  40V.  H.;  aber  die  Selbstkosten  verminderten  sich 
gleichzeitig  durch  den  Schleppbetrieb  und  durch  die  Verwendung  g^ut  ge- 
bauter großer  Schiffe,  die  eine  beträchtliche  Ersparnis  an  Bemannung  brachten. 
Ferner  erlaubte  das  verbesserte  Fahrwasser  einen  größeren  Tiefgang.  Schließ- 
lich wurde  die  Zahl  der  jährlichen  Reisen  durch  die  erhöhte  Schnelligkeit  der 
Fahrt  und  die  Verbesserung  der  Ein-  und  Ausladevorrichtungen  wesentlich 
vergrößert.  Auf  diese  Weise  hat  die  Schiffahrt  auf  dem  Rhein  den  Wett- 
bewerb der  Eisenbahnen  im  allgemeinen  erfolgreich  überstanden. 

Der  Güterverkehr  läßt  sich  für  die  Zeit  vor  1831  aus  den  Anschrei- 
bungen  der  Zollämter  ungefähr  beurteilen.  Für  Köln,  Mainz  und  Straßburg 
sind  nachstehend  einige  Zahlen  zusammengestellt;  sie  umfassen  den  ganzen 
jährlichen  Hafenverkehr  in  Tonnen,  berg-  und  talwärts,  Zu-  und  Abfuhr. 


5.  Von  der  Erfindung  des  D^unpfechiffs  bis  1870. 


108 


Jahr 

Köln 

Mainz 

Straßburg 

!           t 

t 

t 

1 
1807 

260999 

136068 

^^ 

1809 

131  462 

77232 

— 

1810 

— 

II  965 

1818 

125  503 

1819 

319048 

— 

1820 

158630 

2628 

1823 

315660 

122  605 

1825 

319820 

183442 

1830 

447621 

1847 

Die  Angaben  für  Köln  und  Mainz  sind  dem  Buche  von  Eckert  entnommen,  die  für  Straß- 
burg dem  Buche  von  Schwabe,  Die  Entwickelung  der  deutschen  Binnenschiffahrt,  Berlin  1899. 

Der  Rückgang  im  Hafenverkehr  von  Köln  und  Mainz  im  Jahre  1809  und  der  verhältnis- 
mäßig große  Verkehr  in  Straßburg  im  Jahre  1810  ist  auf  die  Kontinentalsperre  zurückzufUhren. 

Im  allgemeinen  war  der  Verkehr  auf  dem  Oberrhein  schwach.  Es  sind  z.  B.  im  Jahre  1823 
in  Mainz  vom  Oberrhein  talwärts  angekonmien  24405  t  und  bergwärts  abgegangen  35154  t; 
aber  sie  verteilen  sich  auf  den  Main,  den  Nekar  und  den  eigentlichen  Oberrhein  wie  "folgt: 


angekommen : 

Mainz 9  589  t 

Neckar 7  39^  t 

Oberrhein 7520  t 

zusammen  wie  oben  . 


abgegangen : 
18052  t 
7013  t 
10089  ^ 


24  505  t       und       35  154  t. 

Der  gesamte  Verkehr  von  Köln  von  1825  zerfällt  in  128798  t  Berg-  und  19x022  t  Tal- 
verkehr. Von  dem  Bergverkehr  entfielen  41 116  t  auf  Kolonialwaren  und  69587  t  auf  Kohlen. 
Der  Kohlenverkehr  war  also  schon  damals  die  Hauptsache.  Von  dem  Talverkehr  entfielen 
36517  t  auf  Getreide  und  andere  Feld-  und  Baumfrüchte,  53762  t  auf  Kohlen  und  54453  t  auf 
Bau-  und  Brennholz. 

Für  den  Verkehr  nach  1831  geben  von  1836  an  die  Anschreibungen  der 
Zollämter  und  die  Jahresberichte  der  Zentralkommission  Auskunft.  Die  nach- 
stehende Tafel  ist  aus  dem  Werk  von  Eckert  zusammengestellt. 


Jährlicher  Durchgang  von  Gütern  bei  den  Zollämtern,  in  Tausend 

Tonnen  (ohne  Flöße): 


1836 

1840 

1850 

1860 

x866 

Zollamt 

1 

( 

t 

zu          zu 

zu 

zu 

zu 

zu 

zu 

zu 

zu 

zu 

1  Berg       Tal 

Berg 

Tal 

:  Berg 

Tal 

1  Berg 

Tal 

Berg 

Tal 

Emmerich 87,8 

Koblenz 81,4 

Kaub I    76,3 

Mainz 70,4 

Mannheim 42,4 

Neuburg 1    14,0 

Straßburg  3,0 

(große  Brücke) 

Altbreisach    ....  1,0 


241,5 
72,9 
69,0 

54,0 
68,1 

7,3 
2,9 

4,6 


128,0 

1 

253,8  i 

173,7 

399,5 

300,5 

745,0 

163,2  128,3 

332,4 

262,9 

614,7 

449,0 

160,8 

"3^9 

336,8 

230,7 

600,9 

335,2 

135.5      79,9 

274,6 

175,6 

497,3    294,5 

43,0 

48,7 

58,8 

83,8 

49,6    171,8 

13,9 

8,5 

11,8        3,6 

2,4       4,8 

0,6 

2,2 

0,03      4,2 

0 

1 

0,8 

0 

1 

2,1 

0 

1,1 

0 

0,2 

273,0 

762,2 

630,0 
62,0 

1,1 


1307,3 

670,6 

272,4 
143,0 

.    7,7 
^4 


0,02 


\ 


104 


Abschnitt  n.     Geschichtlicher  Rückblick  bb  1870. 


Man  erkennt  aus  dieser  Tafel,  wie  gering  der  Verkehr  auf  dem  Ober- 
rhein war  und  wie  er  allmählich  aufhörte.  Der  Hauptverkehr  war  auf  dem 
Mittelrhein.  Die  Angaben  der  Zentralkommission  sind  [vgl.  die  unten  er- 
wähnte preußische  Denkschrift]  ^)  nicht  ganz  zuverlässig.  Nach  Aufhebung  der 
Zölle  bringt  sie  seit  1867  den  Verkehr  in  den  einzebien  Rheinhäfen  nach  den 
dort  gemachten  Anschreibungen.  Für  einige  besonders  wichtige  Orte  folgen 
kleine  Zusammenstellungen,  die  aus  verschiedenen  Quellen  entnommen  sind 
und  auf  Genauigkeit  nicht  durchweg  Anspruch  machen  können: 

Gesamter  Hafenverkehr  i^  Tausend  Tonnen  (Zu-  und  Abfuhr, 

berg-  und  talwärts,  ohne  Flöße): 


Düsseldorf: 

Köln: 

Mainz: 

Mannheim: 

1831 

71,1 

1835 

160,0 

1840 

195,4 

1836 

26,0 

1840 

64,8 

1840 

213,0 

1850 

218,8 

1843 

86,9 

1851 

86,5 

1843 

380,0 

1860 

205,6 

1846 

i39jO 

1860 

168,4 

1850 

223,4 

1870 

129,1 

1850 

142,6 

1868 

188,1 

1856 

366,7 

Ludwigsh 

lafen: 

1856 

252,0 

1870 

168,9 

1860 

266,5 

1843 

18,7 

1860 

241,9 

1863 

233,7 

1850 

23,0 

1868 

464,2 

■ 

1868 

227,8 

1867 

H7,9 

1869 

458,9 

1870 

216,5 

1868 

164,3 

1870 

415,1 

1871 

242,8 

1870 
1871 

135,0 
156,0 

1871 

401,8 

Noch  bedeutender  war  die  Zunahme  des  Verkehrs  in  den  Kohlenhäfen 
Ruhrort  und  Duisburg.  Dort  betrug  der  gesamte  Hafenverkehr  abgerundet 
in  Millionen  Tonnen: 

Ruhrort  Duisburg 


1860: 

0,9 

0,7  Millionen  t 

1865: 

1,36 

0,95   . 

1869: 

1,55 

0,8    »    » 

1870: 

1,4 

0,6    »    » 

Der  Kohlenversand  allein  nahm  in  beiden  Häfen  zusammen  nach  Auf- 
hebung der  Rheinzölle  von  1,7  Mill.  t  im  Jahre  1864  ^uf  etwa  2  Mill.  t  im 
Jahre  1867  zu;  1870  betrug  er  nur  1,5  Mill.  t. 

Der  Gesamtgüterverkehr  in  allen  deutschen  Rheinhäfen  war  1870: 
4,05  Mill.  t,  im  Jahre  1871:  4,3  Mill.  t,  während  er  in  allen  Rheinhäfen  über- 
haupt, einschließlich  Holland  1868:  6,09  Mill,  1869:  6,2  Mill.,  1870:  5,7  Mill. 
und  1871:  6,05  Mill.  t  betrug.  Der  Binnenschiffahrtverkehr  in  Rotterdam 
war  im  Jahre  1870  etwa  0,4  Mill.  t. 

Der  Verkehr  über  die  niederländische  Grenze  war  im  Jahre  1868:  berg- 
wärts  0,342  Mill.  t  und  talwärts  1,524  Mill.  t  nebst  43000  t  Flößen. 

i)  Amtliche  Denkschrift:  Der  Güter-  und  Schiffsverkehr  auf  dem  Rheine,  Berlin  1856.  Sie 
enthSlt  über  den  Rheinhandel  um  die  Mitte  der  fünfziger  Jahre  viele  Mitteilungen. 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffe  bis  1870.  105 

Im  Jahre  1817  wurde  in  Mainz  die  erste  deutsche  »Versicherungsanstalt  für  die 
Warentransporte  auf  dem  Rhein  und  Main«  als  Aktiengesellschaft  von  Kaufleuten  aus 
Mainz  und  Köln  gegründet.  Die  Versicherung  wurde  für  >das  gänzlich  Zugrundegehen,  die  Be- 
schädigungen oder  den  Verlust,  welche  die  Waren  während  der  Schiffahrt  durch  Untergehen, 
Schiffbruch,  Scheiterung,  Sturm  oder  durch  Feuer,  mit  oder  ohne  Schuld  des  Schiffers  erlitten«, 
angenommen.  Die  Prämien  waren  fiir  den  Winter  höher  als  für  den  Sommer  bemessen  und  be- 
trugen z.  6.  fiir  die  Strecken: 


im  Sommer 

im  Winter 

Köln— Koblenz: 

0,15 

0,2    0/0 

des  Werts 

Koblenz— Mainz : 

0,15 

0,3    % 

>        > 

Mainz — Mannheim : 

0,05 

0,1    0/0 

>        » 

Mannheim —Straßburg : 

0,4 

0,65  0/0 

»        » 

Franktfurt  -  Straßburg : 

0,55 

0,8    0/^ 

»        » 

Für  den  Oberrhein  waren  die  Sätze  recht  hoch.  Die  Versicllerung  der  Schiffe  war  ausge- 
schlossen. Da  anfangs  die  Versicherten  zugleich  die  Versichernden  waren,  galt  diese  Anstalt 
(Assekuranz-Gesellschaft)  zugleich  als  eine  Handelsgesellschaft,  die  sich  auch  in  anderer  Weise, 
z.  6.  später  bei  der  Einrichtung  der  Rangfahrten,  an  der  Rheinschiffahrt  beteiligte. 

Das  Fahrwasser  des  Rheins  ist  in  dem  Zeiträume  von  1815  bis  1870 
bedeutend  verbessert  worden.  Nachdem  Preußen  in  den  Besitz  der  heutigen 
Rheinprovinz  gekommen  war,  wurden  die  1794  unterbrochenen  Strombauten 
wieder  aufgenommen  und  namentlich  im  Regierungsbezirk  Düsseldorf  eine 
große  Zahl  von  Uferschutzbauten  und  Buhnen  ausgeführt.  Im  Regierungs- 
bezirk Koblenz  wurden  in  der  etwa  27  km  langen  Felsenstrecke  von  St.  Goar 
bis  Bingen  umfangreiche  Sprengungen  vorgenommen,  durch  die  es  in  den 
Jahren  1830  bis  1832  gelang,  die  frühere  Breite  der  Durchfahrt  im  Binger 
Loch  von  7  bis  9  m  auf  23  bis  30  m  zu  verbreitern.  In  den  Jahren  1839 
bis  1841  wurden  unterhalb  Bingen  bei  Lorchhausen  und  Bacharach  gleichfalls 
eine  Zahl  von  gefährlichen  Felsbänken  durch  Sprengung  beseitigt.  Überall 
wurden  am  preußischen  Rhein  die  Leinpfade  verbessert.  Als  infolge  des 
Schleppdampferbetriebs,  vom  Jahre  1841  an,  die  Treidelei  langsam  ver- 
schwand, wurde  der  Ausbau  des  Stromes  weniger  durch  die  Rücksichten  auf 
den  Leinpfad  behindert  und  man  konnte  die  erforderlichen  Einschränkungs- 
werke (Buhnen),  Streichlinien  und  Normalbreiten  leichter  durchführen.  Um 
die  nötige  Einheitlichkeit  bei  der  Ausfuhrung  der  Strombauten  zu  erreichen, 
wurde  im  Jahre  1850  die  Rheinstrom-Bauverwaltung  eingerichtet*).  Die  Fels- 
sprengungen wurden  seit  dem  Jahre  1857  mit  Hilfe  von  Taucherschächten  mit 
gutem  Erfolg  fortgesetzt,  das  »wilde  Gefahr«  oberhalb  Caub  ausgesprengt 
und  in  den  Jahren  1861  bis  1868  bei  Bingen  ein  zweites  Fahrwasser  her- 
gestellt. Große  Verdienste  erwarb  sich  um  die  preußische  Stromstrecke  der 
Strombaudirektor  Nobiling. 

Auch  die  anderen  Uferstaaten  (mit  Ausnahme  von  Holland)  bemühten  sich 
seit  1831  um  die  Verbesserung  des  Fahrwassers  und  der  Leinpfade.  Für  die 
gemeinsame  Ausfuhrung  der  Strombauten  in  der  Strecke  von  Bingen  bis  Mainz 
wurden  in  den  Jahren  1856  bis    1862   Staatsverträge  zwischen  Hessen  und 


I)  Es  ist  bezeichnend  für  die  Schwerfälligkeit  der  preußischen  Regierung,  daß  die  ehemals 
nassaubche  Uferstrecke  erst  im  Jahre  19 10  dieser  Verwaltung  unterstellt  wurde. 


106  Abschnitt  11.     Geschichtliclier  Rückblick  bis  1870. 

Nassau  abgeschlossen,  nach  denen  die  Normalbreite  des  ungeteilten  Stromes 
450  m  betragen  sollte.  Die  Arbeiten  kamen  nur  teilweise  zur  Ausführung,  weil 
von  selten  der  Anwohner,  namentlich  des  Weinbaus  wegen,  ernste  Bedenken 
gegen  die  Einschränkung  erhoben  wurden.  In  der  Strecke  zwischen  Mainz  und 
der  badischen  Grenze  wurde  im  Jahre  1828  ein  großer  Durchstich  von  4  km 
Länge  »am  Geyer«   ausgeführt  und   die  Normalbreite  auf  300  m  festgesetzt. 

Am  Oberrhein  waren  durch  den  verwilderten,  vielfach  gewundenen  und 
gespaltenen  Stromlauf  die  Zustände  am  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  unerträglich 
geworden.  Die  Sohle  des  Stromes  hatte  sich  im  Laufe  der  Zeiten  gehoben  und 
meilenbreit  war  eine  Versumpfung  des  Landes  eingetreten.  Fast  alljährlich  wur- 
den die  Niederungen  durch  Hochwasser  und  infolge  von  Eisstopfungen  über- 
schwemmt; die  Bewohner  litten  unter  Fieberkrankheiten;  in  den  Krümmungen 
riß  der  Strom  fort  und  fort  in  die  Ufer  ein  und  verwüstete  das  Ackerland;  im 
Laufe  der  Jahre  waren  selbst  mehrere  Ortschaften  weggerissen  worden  und 
es  herrschte  dort  auf  beiden  Ufern  ein  wirklicher  Notstand.  Die  von  den  an- 
grenzenden Staaten  in  früheren  Zeiten  ausgeführten  Verteidigungswerke  (auch 
einige  Durchstiche)  hatten  keinen  dauernden  Erfolg,  weil  sie  nicht  nach  ein- 
heitlichem Plane  und  mit  genügenden  Mitteln  hergestellt  waren. 

Der  badische  Oberbaudirektor,  Oberst  TuUa,  entwarf  im  Jahre  1812  einen 
umfassenden  Plan  zur  »Rektifikation«  des  Rheins  (wie  er  es  nannte).  Er  be- 
stand im  wesentlichen  in  einer  fast  vollständigen  Geradlegung  mittels  einer 
Reihe  von  Durchstichen,  die  zum  Teil  durch  über  das  Sommerhochwasser 
reichende  Dähime  begrenzt  wurden.  Durch  die  Verstärkung  des  Gefälles  sollte 
eine  erhebliche  Tieferlegung  des  Flußbetts  erreicht  werden.  Im  Jahre  1817 
wurden  die  ersten  Vereinbarungen  mit  Baiern  getroffen  und  mit  dem  Bau 
der  ersten  Durchstiche  begonnen.  Es  folgte  1832  ein  Staatsvertrag  zwischen 
Baden  und  Baiern  und  1840  ein  solcher  zwischen  Baden  und  Frankreich.  Bis' 
zum  Jahre  1866  konnten  zwischen  der  Schweizer  und  der  hessischen  Grenze 
18  Durchstiche  eröffnet  werden.  Die  vorher  353,6  km  lange  Strecke  wurde 
dadurch  um  80,8  km  verkürzt.  Die  Normalbreite  des  neuen  Stromlaufs  nahm 
von  der  Schweizer  Grenze  bis  zur  Neckarmündung  von  200  auf  250  m  zu. 
Die  Erfolge  waren  in  bezug  auf  die  gefahrlose  Abführung  des  Eises  und  des 
Hochwassers,  auf  die  Vorflut,  auf  die  Gewinnung  und  Verbesserung  des  Acker- 
landes, auf  die  Gesundheit  und  den  Schutz  der  Bewohner  und  auf  die  Ge- 
schiebefuhrung  des  Stromes  ausgezeichnet,  brachten  aber  der  Schiffahrt  keinen 
Vorteil.  Es  ist  später,  namentlich  von  badischer  Seite,  zuweilen  bestritten 
worden,  daß  man  damals  eine  Verbesserung  der  Schiffbarkeit  des  Oberrheins 
beabsichtigt  hatte.  Nach  den  Mitteilungen  von  Willgerodt  ^)  kann  das  aber 
nicht  bezweifelt  werden.  Er  weist  nach,  daß  sowohl  TuUa  als  auch  besonders 
die  beteiligten  französischen  Ingenieure  auf  einen  erheblichen  günstigen  Ein- 

i)  Wilgerodt,  Die  Schiffahrtverhältnisse  des  Rheins  zwischen  Straßburg  und  Lauterburg. 
Straßburg  1888  (ftir  den  HI.  Internat.  Binnenschiflf.- Kongreß  in  Frankfurt  a.  M.).  Vgl.  auch 
Becker,  Der  Wasserbau.     Stuttgart  1861.     S.  127. 


5.  Von  der  Erfindimg  des  Dampfschifis  bis  1870.  107 

fluß  der  Arbeiten  auf  das  Fahrwasser  gerechnet  hatten.  Neben  der  Verkür- 
zung des  Weges  und  der  leichteren  Herstellung  von  Leinpfaden  hofften  sie 
auf  eine  Vergrößerung  der  Fahrwassertiefe  bei  Niedrigwasser.  Aber  diese 
Hoffnung  ging  nicht  in  Erfüllung:  Während  vor  dem  Ausbau  des  Stromes  die 
geringsten  Wassertiefen  (nach  TuUa,  1825)  oberhalb  Breisach  0,75  m  betrugen 
und  dann  weiter  nach  unten  zwischen  Germersheim  und  Mannheim  bis  auf 
1,8  m  und  2,4  m  zunahmen '],  sind  sie  später,  am  Anfang  der  siebziger  Jahre, 
oberhalb  Straß  bürg  zu  0,4  m,  zwischen  Straßbui^  und  Lauterburg  zu  0,5  m 
und  zwischen  Lauterburg  und  Germersheim  zu  0,75  m  festgestellt  worden 
(1874).  In  dieser  Stromstrecke  konnte  mithin  nur  noch  bei  höheren  Wasser- 
ständen eine  nutzbringende  Schiffahrt  ausgeübt  werden,  die  aber  durch  das 
verstärkte  Gefalle  mehr  wie  früher  erschwert  wurde. 

Über  die  in  Zukunft  auf  dem  ganzen  schiffbaren  Rhein  anzustrebenden 
Fahrwassertiefen  wurde  bei  der  Befahrung  des  Stromes  durch  die  Wasser- 
baubeamten der  Uferstaaten  im  Jahre  1861  (S.  84)  eine  Verständigung  dahin 
erzielt,  daß  bei  dem  sogenannten  gemittelten  kleinsten  Wasserstande,  der  bei 
1,50  m  über  Null  des  Kölner  Pegels  angenommen  wurde,  folgende  geringsten 
Fahrwassertiefen  vorhanden  sein  sollten: 

Von  Straßburg  bis  Mannheim ^»5  ni 

>     Mannheim    >    Koblenz 2,0  > 

»     Koblenz        >    Köln 2>5  * 

»     Köln  »    Rotterdam  durch  die  Waal     3,0  > 

Diese  Tiefen  waren  jedoch  bis  1870  noch  nicht  erreicht. 

Hierzu  sei  bemerkt,  daß  bei  der  ersten  Befahrung  im  Jahre  1849  die  bei  dem  genannten 
Wasserstande  vorhandenen  Mindesttiefen  zu  1,66  m  zwischen  Koblenz  und  Köln,  zu  1,46  m 
zwischen  Köln  und  der  Grenze  und  zu  1,35  m  in  Holland  festgestellt  waren.  Das  anscheinend 
sehr  mutige  Vorgehen  der  Wasserbaubeamten  ist  dadurch  erklärt,  daß  in  der  Zeit  von  1849  bb 
1861  die  von  Preußen  ausgeführten  Verbesserungarbeiten  schon  za  einem  sehr  bemerkenswerten 
Erfolge  hinsichtlich  der  Vertiefung  gefUhrt  hatten. 

Im  Jahre  1861  wurde  auch  zwischen  den  Uferstaaten  vereinbart,  daß  die 
Höhe  der  künftig  über  den  Rhein  zu  erbauenden  Brücken  mindestens  8,84  m 
über  dem  höchsten  schiffbaren  Wasserstande  betragen  sollte.  Bei  der  Fest- 
setzung des  sehr  hohen  Maßes  ging  man  von  der  Höhe  der  damals  auf  dem 
Rhein  verkehrenden  Schiffe  aus,  die  gegen  die  auf  anderen  Strömen  üblichen 
Fahrzeuge  mit  sehr  hohen  Aufbauten  versehen  waren.  Die  geringste  Weite 
für  die  Schiffahrtöffnungen  wurde  zu  90  m  festgelegt.  Damals  bestand  nnter- 
halb  Basel  nur  die  Ende  der  fünfziger  Jahre  erbaute  Brücke  bei  Kehl.  Die 
Herstellung  einer  festen  Brücke  bei  Köln  war  in  Vorbereitung  und  alle  Schiffe 
auf  dem  Rhein  mußten  mit  umlegbaren  Masten  eingerichtet  werden,  woiiir 
eine  Entschädigung  geleistet  wurde. 

Es  möge  hier  noch  über  die  deutschen  Kanalpläne  im  Rheingebiet  berichtet  werden, 
die  besonders  infolge  der  Kontinentalsperre  und  infolge  der  hohen  holländischen  Durchgangzölle 

i)  Defontaine,  Annales  des  Fonts  et  Chauss6eS|  1883,  I^*  8.  ii,  gibt  die  Tiefe  zwischen 
Lauterbtirg  und  Germersheim  zu  2  m  an. 


108  Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

(S.  83)  während  der  Zeit  von  1815  bis  1 818  auftauchten').  Sie  sind  wohl  durch  die  großen  Pläne 
Napoleons  angeregt  worden,  der  nicht  nur  in  Frankreich  viele  neue  Kanäle  anlegen,  sondern  auch  in 
Deutschland  eine  große  Binnenwasserstraße  von  der  Scheide  über  Venlo  nach  Neuß  (S.  63)  und 
vom  Rhein  durch  die  Lippe  und  die  Ems  über  Oldenburg  und  Hamburg  nach  Lübeck  schaffen 
wollte.  Es  wurde  unter  anderem  vorgeschlagen,  die  Donau  mit  dem  Rhein  und  die  Elbe  mit 
dem  Main  zu  verbinden.  Femer  wurde  ein  Kanal  von  Magdeburg  durch  die  Aller  nach  Celle 
vermessen,  den  man  von  der  Weser  durch  die  Hunte  mit  der  Ems  verbinden  wollte.  Besonders 
die  Verbindung  der  Ems  mit  der  Lippe  wurde  sowohl  von  Hannover  wie  von  Preußen  eine  Zeit« 
lang  ernstlich  untersucht,  um  den  holländischen  Zöllen  zu  entgehen.  Von  allen  diesen  Entwürfen 
kam  nur  der  Rhein-Donau-Kanal  später  zur  Ausführung. 

Nebenflüsse. 

Die  111  nimmt  bei  Straßburg  von  Süden  den  schon  (S.  70)  erwähnten  Rhone-Rhein- 
Kanal  auf,  der  mit  dem  Rhein  durch  den  1824  bis  1834  erbauten  Kanal  von  Hüningen  zwischen 
Mühlhausen  und  Basel  (28,2  km  lang  mit  3  Schleusen  von  mindestens  31  m  Länge  und  5,25  m 
Breite  bei  2  m  Wassertiefe)  und  durch  den  1867  bis  1877  gebauten  Kanal  von  Breisach  (6,3  km 
lang  mit  einer  Schleuse  von  36,3  m  Länge  und  7  m  Breite  bei  1,6  m  Wassertiefe)  verbunden  ist. 
Nahe  bei  dem  letzteren  mündet  von  Westen  der  1860  bis  1864  erbaute  Kanal  von  Kolmar  ein, 
der  13,3  km  lang  ist  und  bei  2  m  Wassertiefe  eine  Schleuse  von  38,5  m  Länge  und  5,3  m  Breite  hat. 

Von  Westen  nimmt  die  111  bei  Straßburg  femer  den  Breuschkanal  auf,  der  1681  von 
Vauban  bei  der  Befestigung  der  Stadt  angelegt  sein  soll.  Er  ist  durch  Aufstau  der  Breusch 
mittelst  XX  Schleusen  von  47  m  Länge  und  4,5  m  Breite  entstanden  und  X9,8  km  lang.  Die  Wasser- 
tiefe ist  1,3  m.  Von  Norden  her  mündet  der  Rhein-Mame-Kanal  ein,  der  1838  bis  X853  erbaut 
wurde.  Das  Straßburger  Kanalnetz  besteht  aus  der  kanalisierten  111,  dem  Ill-Rhein-Kanal  und 
dem  Stadtgrabenkanal,  die  in  den  Jahren  1835  bis  1842  hergestellt  wurden;  der  letztere  wurde 
1868  wieder  umgebaut.  (1880  bis  X882  wurde  noch  der  »Umleitungskanal«.  5  km  lang  mit  einer 
Schleuse  von  38,5  m  Länge  und  5,3  m  Breite  angelegt,  der  den  Rhone-Rhein-Kanal  im  Süden 
der  Stadt  mit  dem  Ill-Rhein-Kanal  verbindet  und  als  Hafen  dient.) 

Der  in  Elsaß-Lothruigen  gelegene  104,5  ^^  lange  Teil  des  Rhein-Marne-Kanals  erhebt 
sich  von  der  französischen  Grenze  mit  13  Schleusen  zu  der  30  km  langen  Scheitelhaltung  (266,4  m 
über  dem  Meere),  an  deren  Beginn  bei  Gondrexange  der  Saarkohlenkanal  nach  Norden  abzweigt. 
Am  Ende  der  Scheitelhaltung  folgt  ein  2,3  km  langer  Tunnel ,  der  die  Wasserscheide  zwischen 
Mosel  und  Rhein  durchbricht.  Dann  fallt  der  Kanal  mit  16  Schleusen  in  das  Tal  der  Zorn,  wo 
er  in  die  Rheinebene  tritt,  und  mit  weiteren  36  Schleusen  in  die  111  bei  Straßburg.  Die  Schleusen 
sind  38,5  m  lang  und  5,2  m  breit.     Die  Wassertiefe  ist  2  m. 

Dieser  Kanal  vermittelt  besonders  den  Kohlenverkehr  zwischen  dem  Saargebiet  und  Straß- 
burg-Mühlhausen. Nach  dem  Kriege  von  1870  konnten  die  fraglichen  Kanäle  meistens  nur  mit 
einer  Tauchtiefe  von  1,4  m  befahren  werden.  Doch  betrug  im  Jahre  1872  der  Verkehr  auf  dem 
Rhein-Mame-Kanal  1122000  t,  auf  dem  Rhone-Rhein-Kanal  mit  seinen  Zweigkanälen  605000  t 
und  auf  dem  Breuschkanal  65  000 1.  Die  größten  Schiffe  (vorwiegend  aus  Holz  gebaute  Penischen) 
konnten  eine  Ladung  von  200  t  nehmen  und  zwischen  Straßburg  und  Saarbrücken  (mit  Pferdetrei- 
delei)  im  Jahre  etwa  8  Doppelreisen  ausführen.  Die  Kohlenfracht  je  Tonne  betrug  1869  zwischen 
diesen  beiden  Orten  bei  166  km  Entfernung  2,77  Mark  (je  tkm  1,66  Pfennig),  zwischen  Mühl- 
hausen und  Saarbrücken  bei  275  km  Entfemung  4,42  Mark  (je  t  km  1,61  Pfennig).  Die  Kanalab- 
graben waren  damals  aufgehoben.  Dampfschiffe  verkehrten  im  allgemeinen  nicht  auf  diesen  Wasser- 
straßen ;  über  das  Schleppen  der  Dampfer  von  Straßburg  nach  Basel  wurde  oben  (S.  96)  berichtet. 

Hinsichtlich  des  Neckars  waren  schon  bei  den  Verhandlungen  des  Wiener  Kongresses 
(S.  81)  Schwierigkeiten  zwischen  Württemberg,  dem  inzwischen  Heilbronn  zugefallen  war,  und 
Baden  entstanden,  weil  dieser  Staat  im  Jahre  x8o8  in  Mannheim  einen  Umschlagzwang  für  alle 
Neckargüter  eingeführt  hatte  >).  Wenn  auch  nach  den  Kongreßbeschlüssen  auf  dem  Neckar  ähn- 
liche Freiheiten  wie  auf  dem  Rhein  eingeführt  werden  sollten,  so  kam  es  doch  zunächst  nicht 
zum  Vertragsabschluß  zwischen  den  Uferstaaten,  weil  Baden  für  die  Aufhebung  des  Umschlags 
in  Mannheim  die  Bedingung  stellte,  daß  auch  der  Umschlag  in  Heilbronn  aufhören  und  der  durch 
die  Mühlen  dort  verbaute  Strom  für  die  durchgehende  Schiffahrt  geöf&et  würde.  Dies  letztere 
lag  durchaus  im  Vorteil  Württembergs.  In  den  Jahren  1818  bis  1819  wurde  deshalb  der  untere 
und  der  obere  Neckar  in  Heilbronn  durch  den  Wilhelmkanal  verbunden  und  1821  der  Hafen 


ij  Gothein  a.  a.  O.  2]  Heimann,  die  Neckarschiffer.     Heidelberg  1907. 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870. 


109 


daselbst  eröffnet  Gleichzeitig  wurden  die  Floßgassen  in  der  oberen  Strecke  zwischen  Heilbronn 
und  Kannstadt  mit  Schleusen  versehen.  (Zurzeit  bestehen  bei  Heilbronn  eine  Doppelschleuse 
und  oberhalb  noch  6  Schleusen  sowie  4  SchüTsgassen.)  Im  Jahre  1827  hob  darauf  Baden  den 
Mannheimer  Umschlag  auf.  Die  Verhandlungen  zwischen  den  Uferstaaten  Baden,  Hessen  und 
Württemberg  führten  nach  deren  Eintritt  in  den  Zollverein  endlich  zum  Vertrage  von  1835,  worin 
die  badischen  Neckarzölle  erheblich  herabgesetzt  wurden,  während  die  anderen  Staaten  auch  ferner- 
hin von  ihrem  Zollrecht  keinen  Gebrauch  machten.  1842  kam  die  Schiffahrtordnung  für  den 
Neckar  zustande,  in  der  sich  die  Uferstaaten  zur  Instandhaltung  des  Strombetts  verpflichteten. 

Die  Unterhaltung  des  Fahrwassers,  die  früher  von  der  Schiffsbruderschaft  (S.  63)  besorgt 
wurde,  ging  damit  auf  die  Landesregierungen  über,  wie  es  der  Wiener  Kongreß  bestimmt  hatte. 
Im  Unterlaufe  waren  an  der  Mündung  bei  Mannheim  schon  1784  zwei  große  Durchstiche  aus- 
geführt worden  und  vom  Jahre  1820  ab  machte  Baden  weitere  Strombauten,  namentlich  seit 
1863,  als  nach  einer  gemeinsamen  Strombereisung  die  Uferstaaten  die  Erzielung  einer  geringsten 
Fahrwassertiefe  von  0,6  m  vereinbart  hatten.  Es  wurden  Felssprengungen  ausgeführt,  Fischwehre 
angekauft  und  beseitigt,  femer  oberhalb  Mannheim  bis  Seckenheim  »Zeilenbauten  <  (Parallel werke) 
hergestellt  und  bis  1873  auch  die  Neckarmündung  verbessert.  Das  Fahrwasser  blieb  aber  mangel- 
haft, namentlich  in  den  oberen  Strecken. 

Im  Jahre  1839  bildete  sich  in  Heilbronn  eine  Dampf  Schiffahrt- Aktiengesellschaft.  Es 
wurde  in  Nantes  ein  Dampf  boot  von  35  cm  Tiefgang  bestellt,  das  1841  auf  dem  Neckar  eintraf. 
In  den  beiden  folgenden  Jahren  wurden  von  dort  noch  zwei  andere  Schiffe  von  20  und  30  Pferde- 
stärken beschafft.  Die  Dampfboote  fuhren  täglich  morgens  von  Heilbronn  bis  Mannheim  und 
an  demselben  Tage  bis  Heidelberg  zurück,  so  daß  sie  am  zweiten  Tage  abends  nach  Heilbronn 
zurück  kamen.  Die  Talfahrt  dauerte  etwa  7,5  Stunden  ohne  und  9  Stunden  mit  Aufenthalt, 
während  die  Bergfahrt  etwa  12  und  13  Stunden  in  Anspruch  nahm.  Der  Verkehr  war  anfangs 
ziemlich  gut,  so  daß  die  Gesellschaft  1847  ein  viertes  Dampfboot  beschaffte.  1854  ließ  sie  auch 
einen  Güterdampfer  bauen,   der  100  t  Tragfähigkeit  hatte  und  auf  dem  Rhein  verkehren  sollte. 

Aber  der  Wettbewerb  der  Eisenbahnen  bereitete  dem  Unternehmen  bald  ein  Ende;  da 
es  sich  nicht  halten  konnte,  übernahm  es  im  Jahre  1858  der  Württembergische  Staat  und  führte 
es  bis  1870  weiter,  ohne  einen  Gewinn  zu  erreichen.  Geschleppt  wurde  mit  Dampfschiffen  nicht. 
Der  Güterverkehr  hat  sich  nach  den  oben  erwähnten  Zollerleichterungen,  der  Beseitigung 
des  Umschlagzwangs  und  der  Herstellung  des  Wilhelmkanals  zunächst  gehoben,  besonders  durch 
die  Einführung  von  Rangfahrten  nach  Köln  (S.  97}  und  Rotterdam  (1840).  Im  Jahre  1841  kamen 
z.  B.  bis  nach  Kannstadt:  172  Schiffe  von  Mannheim,  70  von  Ludwigshafen,  27  von  Mainz  und 
22  von  Köln;  bis  nach  Heilbronn  63  Schiffe  von  Rotterdam  und  12  von  Amsterdam.  Die  größte 
damals  nach  Heilbronn  gelangte  Schiffladung  war  i  xo  t.  Obwohl  die  letztere  Stadt  allmählich 
ihren  Umschlaghandel  verlor,  stieg  der  Güterverkehr  doch  infolge  vermehrten  Eigenhandels. 

In  der  folgenden  Tafel  sind  einige  Zahlen  für  den  Güterverkehr  zusammengestellt.  Bei  der 
Abfuhr  aus  Heilbronn  ist  das  von  den  Salinen  (Wimpfen,  Rappenau,  Jaxtfeld-Friedrichshall  und 
Offenau)  versendete  Salz  einbegriffen. 

Güterverkehr  in  Heilbronn  und  Kannstadt  (berg- und  talwärts)  und  der  Durchgang- 
verkehr beim  Neckarzollamt  Mannheim  in  Tausend  Tonnen.     (Ohne  Flöße.) 


i 

r 

Mannheim  (ohne  Holz) 

1 
Heilbronn 

Kannstadt 

Jahr 

1 
1 

1 

zu  Berg 

zu  Tal 

Zufuhr 

Abfuhr    1 

Zufuhr 

Abfuhr 

1821 

! 

Durchgang -Verkehr  1 

1 

0,65 

1824 

— 

3,8z.Berg 

1,2 

1829 

8,8 

— 

2,2 

— 

1837 

13,5 

",5 

6,6 

7,0 

1840 

31,6 

21,7 

15,4 

",4 

9,7 

9,0 

1843 

1      39,7 

123,0 

17,9 

8,6 

16,2 

14,4 

1847 

60,2 

"3,8 

19,8 

9,7 

28,0 

16,0 

1850 

52,4 

85,8 

22,8 

21,7 

13,0 

10,7 

1852 

98,0            127,8 

62,7 

21,6 

14,2 

12,5 

1854 

75»2 

127,6 

40,3 

39,6    ; 

7,5 

9,2 

110  Abschnitt  n.     Geschichtlicher  Rackblick  bis  1870. 

In  späterer  2>it  wurden  an  dem  Zollamt  (bis  1866)  und  in  dem  Neckarhafen  von  Mann- 
heim noch  folgende •  Anschreibungen  gemacht: 


Es  gingen  durch: 

zu  Berg 

zu  Tal  (ohne  Flöße) 

im  Jahre  1860 

96,8 

137,0    Tausend  Tonnen 

»        »      1864 

77,6 

129,4          » 

•        >      1868 

12,5 

26,7          »              » 

>        >      1870 

6,8 

24,6          > 

>        »      1872 

4,8 

26,5 

Man  erkennt  den  starken  Rückgang  der  Schiffahrt  infolge  des  Wettbewerbs  der  Eisenbahnen. 

Für  den  Bergverkehr  kamen  in  erster  Reihe  Steinkohlen,  Kolonialwaren  und  Eisen,  für  den 
Talverkehr  Holz,  Steine  und  Salz  in  Frage,  während  der  Getreideverkehr  schwankte. 

Die  Zahl  der  Neckar- Schiffe,  die  Rhein  und  Neckar  befiihren,  wurde  im  Jahre  1857  zu 
410  festgestellt,  die  eine  Gesamt-Tragfähigkeit  von  18882  t  hatten.  Die  Mehrzahl,  etwa  300 
besaßen  nur  eine  TragOlhigkeit  unter  50  t,  während  eines  mehr  als  300  t  tragen  konnte.  Die 
Zahl  der  dazu  gehörigen  Schiffer  betrug  226.  Die  Berg^fahrt  wurde  wie  früher  (S.  64)  durch 
Fferdetreidelei  bewirkt.    Die  Fahrt  von  Mannheim  bis  Kannstadt  dauerte  etwa  10  Tage. 

Am  Main  sollte  nach  den  Beschlüssen  des  Wiener  Kongresses  (S.  81)  eine  ähnliche  Ord- 
nung wie  am  Rhein  eingeführt  werden;  aber  die  Uferstaaten  traten  zunächst  nicht  zusammen. 
Baiem  ging  darum  selbständig  vor  und  milderte  zunächst  die  Zölle,  indem  die  Zahl  der  Zoll- 
stätten von  24  auf  10  herabgesetzt  und  die  Nebengebühren  aufgehoben  wurden.  Dann  ver- 
handelten die  Uferstaaten  von  1829  bis  1846,  um  die  Verträge  über  die  Zolleinrichtungen  abzu- 
schließen, die,  nach  Art  der  Rheinzölle  geordnet,  eine  erhebliche  Verbesserung  brachten.  1861 
wurden  die  Zölle  weiter  ermäßigt  und  im  Sommer  1867  hörte  der  letzte  Mainzoll  von  Wertheim 
auf.     Auch  die  Wehrgebühren  u.  dgl.  wurden  1869  endgültig  beseitigt. 

Um  das  Fahrwasser  zu  verbessern,  wurden  in  der  Zeit  von  1 810  bis  1830  große  Auf- 
wendungen von  Baiem  gemacht,  indem  man  einzelne  Mühlen  ankaufte,  um  die  Wehre  zu  ent- 
fernen, mehrere  Durchstiche  anlegte,  den  Leinpfad  ausbesserte  und  Felssprengungen  vornahm. 
Im  Anschluß  daran  wurden  von  1836  bis  1842  beim  Wehr  zu  Eltmann  ein  Umgehungskanal  und 
bei  dem  zu  Schweinfurt  eine  Kammerschleuse  von  6  m  Weite  erbaut  (1837).  1843  wurde  die 
Mühle  in  Knetzgau  und  1849  die  in  Kitzingen  erworben,  um  die  Wehre  zu  beseitigen. 

1846  kam  mit  den  Uferstaaten  (ohne  Kurhessen  und  Baden)  eine  Übereinkunft  über  die 
künftige  einheitliche  technische  Behandlung  des  Stromes  zustande.  Als  geringste  Fahrwasser- 
tiefe bei  Niedrigwasser  (Null  am  Pegel  Frankfurt)  wurde  vereinbart:  0,6  m  oberhalb  Würzburg; 
0,6  bis  0,9  m  bis  zur  Einmüdung  der  Saale  und  0,9  m  bis  zur  Mündung  in  den  Rhein.  Bei  diesem 
Wasserstande  sollte  die  Fahrwasserbreite  betragen:  22  m  oberhalb  Würzburg,  22  bis  26  m  bis 
zur  Saale  und  von  Kostheim  bis  zur  Mündung  26  bis  37,5  m.  Dabei  war  für  die  Einschränkung- 
werke eine  von  Bamberg  bis  zur  Mündung  von  44  m  bis  auf  140  m  wachsende  Normalbreite 
angenonmien.  In  den  Jahren  1846  bis  1855  wurden  namentlich  in  der  unteren  Stromstrecke  viele 
Buhnen  u.  dgl.  gebaut,  aber  ohne  den  gewünschten  Erfolg  zu  erreichen.  Auch  die  späteren 
Arbeiten,  die  auf  Grund  einer  Vereinbarung  zwischen  Nassau  und  Hessen-Darmstadt  (1861] 
zwbchen  Frankfurt  und  dem  Rhein  bis  zum  Jahre  1870  ausgeführt  wurden,  haben  die  nötige 
Fahrwassertiefe  nicht  hervorgerufen.  Besonders  die  Mündungstrecke  war  oft  durch  große  Sand- 
ablagerungen versperrt. 

Die  1830  eingerichtete  Dampfschiffahrt  zwischen  Frankfurt  und  Mainz  wurde  wegen 
des  schlechten  Fahrwassers  bald  aufgegeben  und  der  Verkehr  ging  auf  die  im  Jahre  1840  er- 
öff'nete  Eisenbahn  über.  Nach  Aschaffenburg  kam  das  erste  Dampfschiff"  1841  und  in  demselben 
Jahre  wurde  in  Würzburg  die  Maindampfschiffiahrt-Gesellschaft  auf  Aktien  gegründet.  Das  mit 
allgemeiner  Begeisterung  und  Beteiligung  angefangene  Unternehmen  hatte  keinen  wirtschaftlichen 
Erfolg').  Der  Gnmd  lag  vor  allem  in  dem  schlechten  Fahrwasser,  weil  die  Fahrten  der  7  Per- 
sonendampfer, die  meistens  in  Frankreich  imd  Belgien  gebaut  waren,  oft  unterbrochen  und  ein- 
gestellt werden  mußten.  Auch  der  Versuch,  die  Dampfer  auf  dem  Rhein  nutzbringend  zu  ver- 
wenden, hatte  keinen  dauernden  Erfolg.  In  der  Furcht  vor  der  Eisenbahn,  die  1846  für  die 
Linie  Bamberg  -  Würzburg  -  Aschaffienburg  genehmigt  wurde,  beschloß  die  Gesellschaft,  einen 
Dampfschleppbetrieb  einzurichten,  der  den  Verkehr  zum  Rhein  und  bis  Köln  vermitteln  sollte. 
Bemerkenswert  ist,  daß  zu  diesem  Zweck  ein  Schleppdampfer  mit  4  eisernen  Lastschiffen  von 

i)  Schanz,  Die  Mainschiffahrt  im  19.  Jahrhundert.     Bamberg  1894. 


5.  Von  der  Erfiiidiuig  des  Dampfschiffs  bis  1870. 


111 


der  Loire  erworben  wurde,  wo  nach  Erbauung  der  Ebenbahn  Nantes-Orleans  dieser  Schlepp- 
betrieb zur  Verhütung  des  Wettbewerbs  von  der  Eisenbahngesellschaft  aufgekauft  und  still  gelegt 
worden  war.  Aber  auch  das  Schleppuntemehmen  glückte  nicht  und  nach  Fertigstellung  der 
Eisenbahn  (1854]  mußte  sich  die  Gesellschaft  im  Jahre  1858  vollständig  auflösen. 

Auf  dem  unteren  Main  hat  die  im  Jahre  1845  eingerichtete  Frankfurter  Schleppschiffahrt- 
gesellschaft bessere  Erfolge  gehabt,  sowohl  beim  Schleppen  auf  dem  Rhein  bis  nach  Holland, 
als  auch  im  Verkehr  mit  Bingen  und  Ludwigshafen. 

Den  Güterverkehr  (ohne  Floßholz  und  Steine)  am  Anfang  der  dreißiger  Jahre  schätzt 
Schanz  auf  Grund  der  Zolleinnahmen  auf  etwa  25000  t  Talverkehr  und  12500  t  Bergverkehr, 
die  bei  Hanau  vorbeigegangen  sind.  Nach  Einrichtung  der  Rangfahrten  (S.  97),  besonders 
zwischen  Würzburg,  Marktbreit,  Kitzingen,  Schweinfiirt,  Bamberg  einerseits  und  Köln,  Mainz, 
Frankfurt  andererseits  (1833,  1837,  1842)  entwickelte  sich  die  Schiffahrt  gut.  Der  wechselseitige 
Verkehr  zwischen  diesen  genannten  Orten  am  Main  und  am  Rhein  war: 

Talverkehr      Bergverkehr 


un  Jahre  1837 

5,28 

9,13 

Tausend  Tonnen 

»        >       1840 

5»46 

14,03 

»       >       1843 

5,02 

18,42 

>       >       1847 

6,65 

23,92 

>       »       1850 

6,99 

21,11 

>       •        1853 

8,52 

37,12 

Den  Hauptverkehr  hatte  dabei  anfangs  Würzburg,  später,  nach  Erbauung  des  Ludwig- 
kanals, Bamberg.  Am  meisten  verlor  Kitzingen,  wo  früher  die  Waren  für  Österreich-Ungam 
umgeladen  wurden.     Später  gingen  die  meisten  Waren  nach  Nürnberg. 

Der  gesamte  Mainverkehr  während  dieser  und  der  späteren  Zeit  läßt  sich  aus  den  An- 
Schreibungen  der  Zollämter  in  Höchst  und  Wertheim  übersehen: 


Durchgangverkehr  bei  Höchst  und  Wertheim 
in  Tausend  Tonnen  (ohne  Holz). 


t 

Höchst 

Wertheim 

Jahr 

1 

1 

1      zu  Tal 

zu  Berg 

zu  Tal 

zu  Berg 

1840 

zusammen  ss  127,6 

^^^^ 

1843 

=  124,5 

38,6 

23,4 

1847 

72,5 

93.3 

63,6 

33,1 

1850 

107,1 

92,4 

"3,7 

33,1 

1853 

84,1 

"4,3 

73,9 

47,3 

1856 

137,0 

131,7 

102,3 

29,1 

1860 

126,7 

115,6 

91,6 

20,3 

1864 

82,6 

"1,3 

58,9 

27,2 

1866 

68,5 

90,4 

64,4 

18,5 

Von  1857  an  geht  der  Verkehr  zurück.  Für  Frankfurt,  das  zwischen  Höchst  und  Wert- 
heim liegt,  sind  keine  Anschreibungen  bekannt  Man  kann  den  Verkehr  daher  nur  aus  diesen 
Zahlen  schätzen.  Im  Jahre  1864  soll  dort  der  gesamte  Güterverkehr  152,8  Tausend  Tonnen  be- 
tragen haben,  die  durch  6535  Schiffe  befördert  worden  sind. 

Nach  der  Reichstacistik  sind  im  Jahre  1874  '^^  Frankfurt 

angekommen:     5357  Schiffe  zu  Tal     mit  156,7  Tausend  Tonnen 


und 

zusammen 

abgegangen : 

und 

zusammen 


463  >       zu  Berg 

5820  » 

30  > 

165  > 


zu  Tal 
zu  Berg 


»95 


'7,3 
174,0 

2,19 
',37 


3,56 


Der  Durchgangverkehr  ist  nicht  angeschrieben  worden. 


112  Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

In  Würzburg  sind  im  Jahre  1872 

angekommen:       193  Schiffe  zu  Tal    mit     1,23  Tausend  Tonnen 


und     1522 

zu  Berg 

22,64 

zusammen     17 15 

23,87 

abgegangen:         671 

zu  Tal 

3.04 

und       X  xo 

zu  Borg 

0,06 

zusammen       781 

3,10 

durchgegangen:  67 x 

zu  Tal 

19,67 

und      477 

zu  Berg 

11,13 

zusammen     1148        >  >     30,80         >  » 

(Im  Jahre  x886  betrug  der  gesamte  Verkehr  an  der  Mainmündung:  etwa  30000  t  bergwärts 
und  206000  t  talwärts.) 

Die  Schiffer  und  die  Schiffe  sind  am  Main  im  Jahre  X857  gezählt  worden.  Es  waren 
321  Schiffer  mit  914  Schiffen  von  zusammen  38725  t  Tragfähigkeit  vorhanden,  von  denen  189 
unter  50  t  trugen  und  nur  eines  mehr  als  175  t.  Im  Jahre  1872  waren  nur  659  Schiffe  mit 
zusammen  38319  t  Tragfähigkeit  vorhanden;  sie  waren  also  im  Durchschnitt  erheblich  größer 
geworden. 

Der  Ludwigkanal  verbindet  den  Main  durch  die  Regnitz  und  die  Altmühl  mit  der 
Donau.  Dies  schon  vor  tausend  Jahren  (vgl.  S.  25)  geplante  Werk  wurde  am  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  von  König  Ludwig  von  Baiem  aufgenommen.  Es  ging  aber  leider  viel  Zeit 
verloren,  bis  man  endlich  (i  Jahr  nach  Eröffnung  der  ersten  deutschen  Eisenbahn  von  Nürnberg 
nach  Fürth}  den  Bau  beginnen  konnte,  der  von  1836  bis  1845  dauerte. 

Die  Wasserstraße  verläßt  bei  Bischberg  den  Main  und  folgt  zunächst  der  Regrnitz  bis  Bam- 
berg. In  dieser  5,2  km  langen  Strecke  liegen  2  Kammerschleusen  von  56  m  und  52  m  Länge  und 
8,5  m  und  7  m  Breite.  Dann  steigt  der  Kanal  mit  68  Schleusen  von  34  m  Länge  und  4,67  m 
Breite  x85,7  m  hoch  zur  24,4  km  langen  Scheitelstrecke  (418  m  über  dem  Meere),  berührt  Er- 
langen, Fürth  und  Nürnberg  und  fallt  mit  32  Schleusen  von  gleichen  Abmessungen  79,2  m  tief 
zur  Donau  bei  Kehlheim  hinab.  Der  unterste  Teil  dieser  Treppe  von  32,9  km  Länge  mit  13  Schleusen 
liegt  in  der  aufgestauten  Altmühl.  Die  ganze  Länge  der  Wasserstraße  von  Bamberg  bis  Kehl- 
heim beträgt  172,4  km.  Die  Wassertiefe  soll  1,46  m  betragen.  Die  Schiffe  haben  bei  einer  Ein- 
tauchung von  1,29  m  eine  Tragfähigkeit  von  127  t,  bei  einer  solchen  von  1,10  m  etwa  I30  t. 
In  den  ersten  3  Jahren  des  Bestehens  ist  der  Kanal  einträglich  gewesen,  da  durchschnittlich  etwa 
250000  t  Güter  befördert  wurden.  Im  Wettbewerb  mit  den  bald  gebauten  Eisenbahnen  ging 
der  Verkehr  schnell  zurück:  im  Jahre  1860  sind  165665  t  und  im  Jahre  1870  nur  noch  108927  t 
durch  den  Kanal  (82  347  t  zum  Main  und  26  580  t  zur  Donau)  gegangen.  In  den  anschließenden 
Flüssen,  namentlich  in  der  Regnitz  und  in  dem  oberen  Main,  war  die  Fahrwassertiefe  meistens 
ganz  ungenügend,  so  daß  ein  durchgehender  Verkehr  sich  nicht  entwickeln  konnte. 

Die  Schiffahrt  auf  der  Lahn  hob  sich  durch  den  aufblühenden  Bergbau  und  es  entstand 
das  Bedürfois,  an  den  Wehren  Kammerschleusen  zu  bauen.  Im  Jahre  1841  kam  ein  Staats- 
vertrag zwischen  Preußen,  Hessen  und  Nassau  zustande,  der  dahin  zielte,  den  Fluß  für  Schiffe 
von  75  t  Tragrfähigkeit  (31,39  m  lang,  5,02  m  breit  und  0,63  m  Tauchtiefe)  bis  Gießen  schiffbar 
zu  machen.  Dazu  wurde  eine  Wassertiefe  von  0,94  m  als  erforderlich  angesehen.  Man  baute 
20  Kammerschleusen  von  32,64  m  Länge  und  5,34  m  Breite,  befreite  das  Rußbett  von  den 
ärgsten  Unregelmäßigkeiten,  machte  einige  Durchstiche  und  legte  einen  3  m  breiten  Leinpfad 
an.  Die  Arbeiten  waren  1859  beendet  und  bis  zum  Jahre  1862  herrschte  auf  der  Lahn  ein 
lebhafter  Schiffahrtverkehr,  wenngleich  die  Schleusen  in  einzelnen  Strecken  viel  zu  weit  von- 
einander angeordnet  waren,  so  daß  die  nicht  aufgestauten  Stellen  häufig  nur  eine  sehr  geringe 
Tiefe  zeigten.  Nach  der  Eröffnung  der  Eisenbahn  hörte  die  Schiffahrt  im  oberen  Laufe  des 
Flusses  (oberhalb  Wetzlar)  fast  ganz  auf,  in  der  untersten  Strecke  (bei  Ems)  blieb  sie  bis  zum 
Jahre  1870  noch  recht  rege.  Der  größte  Verkehr  im  Jahre  1860  betrug  bei  Niederlahnstein 
33800  t  zu  Berg  und  148 041  t  zu  Tal. 

Dampfschiffahrt  hat  sich  auf  der  Lahn  nicht  entwickelt;  die  Schiffe  wurden  in  der  Regel 
durch  Pferde  getreidelt. 

(Im  Jahre  1886  —  als  noch  eine  Zwischenstaustufe  mit  Schleuse  erbaut  war  —  wurden 
den  Gruben  an  der  Lahn  und  Dill  Notstandtarife  auf  der  Eisenbahn  bewilligt,  die  dann  fast 
alle  Güter  an  sich  zog.    Der  gesamte  Wasserverkehr  betrug  1 886  nur  48  480  t,  während  in  diesem 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870.  HS 

Jahre  in  den  Gruben  des  Lahngebiets  zusammen  806924  t  Erze,  Phosphorit,  Marmor  und  Schiefer 
gefordert  wm-den.) 

Auf  der  Mosel  hat  von  Alters  her  eine  lebhafte  Schiffahrt  bestanden  (S.  26),  die  aber 
immer  unter  schlechten  FahrwasserzustSnden  litt,  wenngleich  von  der  Verbauung  des  Stromes 
durch  Mühlenwehre  nichts  bekannt  geworden  bt  Am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  bestand  z.  B. 
zwischen  Nancy  und  Metz  eine  regelmäßige  Wasserverbindung  durch  Marktschiffe. 

Im  Jahre  1836  begann  die  französische  Regierung  mit  der  Verbesserung  des  Fahrwassers 
von  Fronard,  bei  der  Einmündung  der  Meurthe,  abwSrts  bis  zur  preußischen  Grenze.  Diese 
Arbeiten  hatten  indessen  keinen  Erfolg  und  im  Jahre  1867  schritt  man  zum  Aufstau  des  Flusses 
bis  Metz  mit  gleichzeitiger  Anwendung  von  SeitenkanSlen ,  die  zusammen  48  km  lang  sind, 
während  die  ganze  Länge  der  Wasserstraße  58,5  km  beträgt.  Den  letzten  Teil  der  Arbeiten 
von  Amaville  bis  Metz  hat  nach  dem  Kriege  die  deutsche  Regierung  von  1872  bis  1876  fertig- 
gestellt. Die  Schleusen  in  dieser  Strecke  sind  38,5  m  lang  und  6  m  breit,  die  Wassertiefe  be- 
trägt 2  m,  so  daß  dort  Schiffe  von  300  t  Tragfähigkeit  verkehren  können. 

Von  Metz  bis  zur  luxemburgisch-preußischen  Grenze  bei  Perl  ist  die  Mosel  auf  60  km  Länge 
im  alten  Zustande  geblieben  und  hat  bei  niedrigem  Wasserstande  kaum  eine  Tiefe  von  0,5  nu 
Die  anschließende  35  km  lange  preußisch-luxemburgische  Strecke  von  Perl  bis  Wasserbillig,  ober- 
halb der  Einmündung  der  Saar,  ist  in  den  Jahren  1853  bis  1870  von  beiden  Staaten  verbessert 
worden,  so  daß  bei  Niedrigwasser  eine  Tiefe  von  etwa  0,7  m  vorbanden  ist. 

Die  untere  ganz  preußische  Stromstrecke  ist  seit  dem  Jahre  1839  von  Preußen  verbessert  und 
mit  Buhnen  ausgebaut  worden,  so  daß  bei  Niedrigwasser  eine  Tiefe  von  etwa  0,7  m  oberhalb  und 
0,9  m  unterhalb  Traben  erreicht  wurde.  Bei  den  von  1853  bis  1870  ausgeführten  Strombauten 
wurde  oberhalb  Trier  eine  Normalbreite  von  56  bis  75  m  und  unterhalb  von  75  bis  95  m  zugrunde 
gelegt.  Auf  diesem  Fluß  teil  hat  sich  in  den  vierziger  Jahren  eine  lebhafte  Dampfschiffahrt 
entwickelt;  die  Schleppschiffahrt  hat  aber  keine  Bedeutung  erlangt 

Der  Güterverkehr  in  Tausend  Tonnen  betrug»): 

zu  Berg  zusammen 

4,7  11,9  Tausend  Tonnen 

6,0  12,6         »  > 

106,2  147)4         *  * 

33,1  104,9 

8,5  i5»3 

8,4  14,8 

Später  ist  er  noch  weiter  herabgegangen. 

Von  den  Nebenflüssen  der  Mosel  hat  nur  die  Saar  einen  erheblichen  Schiffahrtverkehr, 
und  zwar  in  ihrem  oberen  Laufe  innerhalb  des  Kohlengebiets.  In  den  Jahren  1862  bis 
1866  baute  die  französische  Regierung,  um  der  elsäßischen  Industrie  billige  Kohlen  zu  ver- 
schaffen, den  66  km  langen  Saarkohlenkanal  von  Gondrexange  (am  Rhein- Marne -Kanal] 
nach  Saargemünd,  der  etwa  2  km  oberhalb  dieser  Stadt  im  Laufe  der  Saar  liegt.  Die  Wasser- 
straße hat  28  Schleusen  von  38,5  m  Länge  und  5,2  m  Breite  und  eine  Wassertiefe  von  2  m. 
Anschließend  daran  wurde  gleichzeitig  von  der  preußischen  Regierung  die  Saar  von  Saargemünd 
bis  Luisental  (unterhalb  Saarbrücken)  auf  25  km  Länge  in  5  Stufen  mit  Nadelwehren  aufgestaut, 
wobei  die  3  Schleusen  oberhalb  Saarbrücken  dieselben  Abmessungen  erhielten,  die  beiden 
unterhalb  liegenden  aber  40,8  m  lang  und  6,6  m  breit  gemacht  wurden.  Im  Jahre  1875  wurde 
unterhalb  Luisental  noch  eine  16,5  km  lange  Flußstrecke  bis  Ensdorf  durch  3  Stauwerke  von 
gleicher  Bauart  aufgestaut  und  auf  2  m  Wassertiefe  gebracht.  Der  unterste,  77  km  lange  Lauf 
der  Saar  bis  zur  Mündung  in  die  Mosel  ist  in  den  Jahren  1840  bis  1850  durch  den  Einbau  von 
Buhnen  ohne  großen  Erfolg  verbessert  worden.  Er  hat  bei  Niedrigwasser  nur  etwa  0,5  m 
Wassertiefe  und  kann  dann  nur  mit  leeren  Schiffen  befahren  werden. 

Der  Saarkanal  (vgl.  S.  xo8)  hat  im  Jahre  1872  einen  Verkehr  von  rund  900000  t  gehabt. 
Dampfschiffahrt  wurde  dort  nicht  betrieben,  sondern  es  wurde  mit  Pferden  getreidelt. 

Der  Erftkanal  (4,3  km  lang)  ist  nur  ein  alter  als  Hafen  benutzter  Rheinarm  bei  Neuß, 
in  den  die  Erft  mündete.  Da  er  allmählich  versandete,  wurde  er  1833  bis  1837  von  der  Stadt 
mit  Unterstützung  des  Staates  als  Hafen  ausgebaut.  (1905  bis  1908  wurde  daraus  ein  großer 
modemer  Rheinhafen  hergestellt.) 

l)  Schwabe,  Die  Entwicklung  der  deutschen  Binnenschiffahrt.   Berlin  1899. 
Teubert,  Binnenschiffahrt.  g 


zu  Tal 

im  Jahre  1834 

7,2 

»    >   1840 

6,6 

•      1850 

41,3 

»   1860 

71,8 

>   1864 

6,8 

*      1870 

6,4 

>       »      IÖ42    »      »      15,9,      »     »     39,o         » 

»  >         i86j.     >         >        II.2.        >       »       IQ.7  > 


114  Abschnitt  IL     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Bie  Schiffahrt  auf  der  Ruhr  entwickelte  sich  kräftig  weiter,  wie  schon  am  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  (S.  65),  und  gelangte  im  Jahre  1860  zu  ihrer  höchsten  Blüte.  Es  wurden  da- 
mals etwa  900000  t  auf  diesem  Flusse  verfrachtet,  wovon  allein  867740  t  Kohlen.  Die  Dampf- 
schifiiEÜirt  kam  nicht  dorthin;  es  blieb  bei  der  früher  üblichen  Pferdetreidelei.  Mit  dem  Bau  der 
Eisenbahnen  (1862)  ging  der  Verkehr  schnell  zurück,  zumal  die  Schiffe  nur  von  bescheidenen 
Abmessungen  und  die  Fahrwassertiefen  oft  sehr  gering  waren.  Im  Jahre  1840  wurde  ein  Ent- 
wurf zu  einem  besseren  Ausbau  des  Flusses  aufgestellt  und  in  den  Jahren  1855  bis  1865  auch 
eine  gründliche  Verbesserung  des  Fahrwassers  namentlich  in  der  Mündungstrecke  ausgeführt. 
Doch  half  dies  nichts  zur  Hebtmg  des  Verkehrs  und  ebenso  wenig  die  Aufhebung  der  Schleusen- 
abgaben im  Jahre  1868.  (Im  Jahre  1886  betrug  der  gesamte  Verkehr  nur  etwa  loooo  t  und 
erlosch  1890   voUtsändig.) 

Die  Lippe  hat  schon  in  alten  Zeiten  Verkehr  gehabt ;  aber  das  Fahrwasser  wurde  durch 
Mühlenwehre  so  behindert,  daß  die  Schiffahrt  zurückging.  König  Friedrich  Wilhelm  I.  soll 
einen  Entwurf  zur  Schiffl>armachung  haben  aufstellen  lassen;  aber  erst  auf  Anregung  des 
Ministers  von  Stein  kam  der  Bau  in  den  Jahren  1820  bb  1833  zur  Ausführung.  Es  wurden 
neben  den  Wehren  12  Kammerschleusen  (auf  der  unteren  Strecke  6  von  38,3  m  Länge  und 
6,43  m  Breite  und  oberhalb  Hamm  6  von  27,86  m  Länge  und  4,71  m  Breite)  angelegt,  mehrere 
Mühlen  beseitigt  und  das  Fahrwasser  einigermaßen  durch  Buhnen  verbessert,  so  daß  der  Fluß- 
lauf auf  190  km  von  Wesel  bis  nach  Lippstadt  hinauf  als  schiffbar  mit  etwa  l  m  Tauchtiefe 
angesehen  werden  konnte.  Aber  viele  stark  gekrümmte  und  seichte  Stellen  behinderten  den 
Verkehr  außerordentlich  und  besonders  die  Einmündung  in  den  Rhein  versandete  oft.  Es  sollen 
dort  etwa  100  Schiffe  von  70  bis  100  t  Tragfllhigkeit  verkehrt  haben. 

Der  Güterverkehr  betrug  bei  Wesel: 

im  Jahre  1840  zu  Berg  11,9,     zu  Tal  70,2  Tausend  Tonnen 
1842    »      >      15,9,      »     »     39,0 
1864    >      >      11,2,      >     »     19,7 

Diese  Zahlen  enthalten  anscheinend  auch  das  Floßholz.  Talwärts  wurde  viel  Salz  befördert. 
Nach  Erbauung  der  Eisenbahn  im  Jahre  1847  ging  der  Verkehr  stark  zurück. 

Auf  dem  Bodensee  entwickelte  sich  die  Dampfschiffahrt  im  Jahre  1824;  doch 
waren  zunächst  die  Vorrechte  der  Schiffergilden  hinderlich,  die  an  allen  Uferorten  des  Sees 
von  ortsfremden  Schiffern  >AbfuhrgeIder<  dafür  erhoben,  daß  sie  ihnen  die  Aufnahme  und 
Befördenmg  von  Personen  und  Gütern  erlaubten.  König  Wilhelm  I.  von  Württemberg  war  ein 
besonderer  Freund  der  Dampfschiffahrt  und  beseitigte  fUr  sein  Land  diese  Schwierigkeiten, 
indem  er  die  Ansprüche  der  Schiffer  mit  einer  lebenslänglichen  Rente  ablöste.  Dann  bestellte 
er  ein  Dampfschiff  und  rief  die  >Dampfschiffahrtgesellschaft  in  Friedrichshafen c  ins  Leben. 
Im  Dezember  1824  begann  der  erste  Dampfer  »Wilhelme  auf  dem  See  seine  Fahrten.  Gleich- 
zeitig betrieb  der  bekannte  Buchhändler  Cotta  in  Stuttgart  mit  dem  Amerikaner  Church  (der 
bereits  auf  dem  Genfer  See  eine  Dampfschiffahrt  eingerichtet  hatte)  ein  ähnliches  Unternehmen, 
zu  dem  ihm  die  baierische  Regierung  ein  Privilegium  erteilt  hatte  »unbeschadet  der  Rechte 
Dritter,  besonders  der  Lindauer  Schiffergesellschaft«.  Ihr  Dampfer  »Max  Josef«  erschien  gleich- 
falls im  Dezember  1824  auf  dem  Bodensee;  aber  das  Privilegium  war  wertlos,  das  Schiff  fand 
keine  Beschäftigung,  wurde  bald  stillgelegt  und  auf  Abbrach  verkauft.  Später  entstanden  die 
»Dampfschiffahrtgesellschaft  für  den  Bodensee  und  Rhein«  in  Konstanz  (1830)  und  die  Dampf- 
bootaktiengesellschaft in  Lindau  (1835).  Die  letztere  eröffnete  mit  dem  ersten  eisernen,  in 
England  gebauten  Dampfschiff  »Ludwig«  ihren  Betrieb  im  Jahre  1837. 

Zur  Hebung  des  Verkehrs  auf  der  an  den  Bodensee  angrenzenden  Rheinstrecke  von  Kon- 
stanz bis  Schaff  hausen  wurde  im  Jahre  1852  zwischen  Baden  und  der  Schweiz  ein  Vertrag  ge- 
schlossen, durch  den  die  Freiheit  der  Schiffahrt  gewährleistet  wurde. 

Die  Ems  war  am  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  fiir  die  Binnenschiffahrt 
nur  bis  Meppen  hinauf  einigermaßen  brauchbar,  während  der  obere  Flußlauf 
bis  Greven  (zwischen  Rheine  und  Münster)  zwar  für  schiffbar  galt,  aber  wegen 
des  schlechten,  seichten  und  gekrümmten  Fahrwassers  wenig  benutzt  werden 
konnte.  Zwischen  Preußen  und  Hannover  wurden  darum  in  den  Jahren  181 5 
und   1820  Verträge  über  den  gemeinschaftlichen  Ausbau  des  Stromes  abge- 


5*  Von  der  Erfindung  des  DampfschijSs  bis  1870.  115 

schlössen,  die  durch  die  Emsschiffahrtsakte  vom  Jahre  1843  bestätigt  wurden. 
Von  Meppen  aus  wurde  durch  die  dort  einmündende  Hase  ein  26  km  langer 
Seitenkanal  (Hanekenkanal)  aufwärts  bis  Hanekenfahr  angelegt,  um  den  schlech- 
testen Teil  deis  Stromes  auszuschalten.  Es  wurden  3  einfache,  eine  Koppel-  und 
eine  Abschlußschleuse  (bei  Hanekenfahr]  erbaut,  die  eine  Länge  von  mindestens 
26,4  m  und  eine  Breite  von  5,95  m  hatten.     Die  Wassertiefe  betrug  1,26  m. 

Außer  einem  Wehr  unterhalb  Hanekenfahr  wurden  im  oberen  Emslalife 
noch  die  Wehre  bei  Listrup  und  Bentlage  errichtet,  neben  denen  Kammer- 
schleusen von  28,9  m  und  31,3  m  Länge  und  5,95  m  Breite  angeordnet 
wurden.  Oberhalb  Bentlage  war  bei  Rheine  bereits  ein  altes  Wehr  aus  dem 
Jahre  1580  vorhanden,  das  mit  einem  i  km  langen  Seitenkanal  und  einer 
alten  Schleuse  umgangen  werden  konnte.  Diese  Anlagen  wurden  verbessert 
und  mit  einer  zweiten  Schleuse  (31,3  m  lang,  5,95  m  breit)  ausgerüstet.  Im 
Flußbette  selbst  wurden  mehrere  Durchstiche,  Einschränkungswerke  und  Ufer- 
schutzbauten, sowie  umfangreiche  Felssprengungen  ausgeführt,  so  daß  im  all- 
gemeinen durchweg  eine  Tiefe  von  i  m  bei  N.W.  erreicht  wurde.  (Auf  der 
unteren  Strecke  zwischen  Meppen  und  Papenburg  wurde  das  Fahrwasser  gleich- 
falls durch  Buhnen  und  andere  Bauten  verbessert.) 

Die  Arbeiten  sind  in  der  Zeit  von  1825  bis  1845  fertiggestellt  worden. 
Der  Erfolg  war  ziemlich  gut,  die  Schiffahrt  nahm  zu  und  der  Verkehr  er- 
reichte bei  Rheine  im  Jahre  1861  den  höchsten  Stand  von  32500  t.  Doch 
ging  die  Schiffahrt  nach  der  Eröffnung  der  Eisenbahn  Rheine — Emden  im 
Jahre  1854  langsam  zurück.  Bei  Meppen  verkehrten  1872  noch  1222  Schiffe 
mit  35  200  t  und  im  Jahre  1879  nur  459  Schiffe  mit  11  290  t. 

Die  die  Ems  befahrenden  Schiffe  sind  die  Pünten,  die  bei  etwa  25  m 
Länge  und  5  m  Breite  eine  Tragfähigkeit  von  etwa  85  t  haben. 

Ein  bemerkenswerter  Dampferbetrieb  hat  sich  oberhalb  Papenburg  nicht 
entwickelt. 

Aus  älterer  2^it  ist  zu  erwähnen,  daß  im  Jahre  1723  der  Fürstbischof  Clemens  August  zu 
Münster  die  Absicht  hatte,  die  Ems  mit  der  Vechte  durch  einen  Kanal  zu  verbinden.  Unterhalb 
Münster  wurde  dazu  eine  30  km  lange  Kanalstrecke  nebst  einer  Schleuse  hergestellt.  Dann  ruhten 
die  Arbeiten,  bis  sie  unter  dem  Fürstbischof  Max  August  1767  um  etwa  5  km  weiter  geiiihrt 
wurden.  Aber  es  fehlte  an  Speisungswasser  und  man  ließ  den  Kanal  unvollendet,  der  übrigens 
1844  durch  einen  Wassereinbruch  zum  Teil  zerstört  wurde.  Es  wird  auch  berichtet,  daß  Friedrich 
der  Große  die  Fortführung  dieses  Kanals  bis  Emden  in  Erwägung  gezogen  hat. 

Im  Jahre  1869  wurde  mit  dem  Bau  der  Moorkanäle  auf  dem  linken  Flußufer  (Ems- 
Vechte-Kanal,  Süd-Nord-Kanal  usw.)  begonnen,  die  mit  den  holländischen  Torfkanälen  (S.  71) 
in  Verbindung  stehen.  Auf  dem  rechten  Ufer  ist  das  Gebiet  der  Leda  durch  den  im  Jahre 
1855  '^^^  ^^^  oldenburgischen  Regierung  begonnenen  Hunte-Ems-Kanal  an  die  Hunte  bei 
Oldenburg  angeschlossen.  Der  44,2  km  lange  Kanal  zweigt  von  der  Sagter  Ems  ab,  hat 
9  Schleusen  von  29  m  Länge  und  5,2  m  Breite  und  eine  Wassertiefe  von  1,25  bis  1,5  m.  Die 
dort  verkehrenden  Schiffe  sind  meistens  nur  15  bis  16  m  lang  und  3  bis  3,5  m  breit.  Der 
Verkehr  ist  ebenso  unbedeutend  wie  auf  den  übrigen  Fehnkanälen  bei  Papenburg,  wo  die  so- 
genannten Muttschiffe  von  ähnlichen  Abmessungen  und  höchstens  30  t  Tragfähigkeit  zu  Hause  sind. 

Auf  die  Weser  kam,  wie  oben  (S.  93)  erwähnt,  im  Jahre  1817  das 
erste  Dampfschiff,  aber  es  verkehrte  nur  unterhalb  Bremen.     Es  dauerte 

8* 


116  Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

etwa  20  Jahre,  bis  ein  DampfschifT  nach  Minden  gelangte.  Dies  soll  von 
Harkort  (in  Harkorten  bei  Wetter  a.  d.  Ruhr)  im  Jahre  1835  erbaut  und  von 
ihm  selbst  im  Jahre  darauf  zu  Wasser  durch  Holland,  die  Zuidersee  und  das 
Wattenmeer  zur  Weser  geführt  sein.  1842  wurde  in  Hameln  die  > Vereinigte 
Weserdampfschiffahrt«  gegründet,  die  mit  dem  aus  Paris  bezogenen  Dampfer 
»Hermann«  im  folgenden  Jahre  die  erste  Fahrt  von  Hameln  nach  Münden 
unternahm.  In  demselben  Jahre  fuhr  auch  das  von  Henschel  in  Kassel  ge- 
baute Dampfschiff  »Eduard«  von  Münden  bis  Bremen.  Die  Hamelner  Ge- 
sellschaft stellte  noch  weitere  6  Dampfer  in  Dienst,  die  zum  Teil  aus  Paris 
kamen,  zum  Teil  in  der  Rheinprovinz  gebaut  und  mit  englischen  Maschinen 
ausgerüstet  waren.  Es  wurde  ein  regelmäßiger  Betrieb  zwischen  Münden  und 
Bremen  unterhalten  und  dabei  namentlich  eine  große  Zahl  von  Auswanderern 
befördert.  Die  Schwierigkeiten,  die  das  schlechte  Fahrwasser  und  die  un- 
bequemen Brücken  diesem  Unternehmen  bereiteten,  waren  außerordentlich. 
1857  übernahm  der  Norddeutsche  Lloyd  in  Bremen  den  Betrieb  und  hat  ihn 
bis  1873  geführt.  Er  war  dann  wegen  des  Wettbewerbs  der  Eisenbahn  und 
in  Anbetracht  der  großen  durch  das  mangelhafte  Fahrwasser  hervorgerufenen 
Störungen  nicht  mehr  einträglich  und  die  Schiffe  wurden  verkauft. 

Anfangs  der  ftinfziger  Jahre  machte  der  Norddeutsche  Lloyd  Versuche 
mit  dem  Schleppbetrieb  zwischen  Bremen  und  Hameln  und  1854  fuhr  der 
Dampfer  »Blücher«  zum  ersten  Male  mit  einem  Schiffe  im  Anhang  von 
Hameln  bis  Münden.  Aber  das  Unternehmen  war  nicht  erfolgreich;  denn 
das  Fahrwasser  war  so  schlecht,  daß  in  den  trockenen  Jahren  1857  ^'^  i^59 
die  Fahrten  auf  lange  Zeit  unterbrochen  werden  mußten.  Außerdem  erwies  sich 
die  Pferdetreidelei  als  billiger.  Im  Jahre  1860  wurde  der  Schleppbetrieb  ein- 
gestellt. Einige  Jahre  später  bildete  sich  die  »Mindener  Schleppschiffahrt- 
gesellschaft«, die  mit  2  Dampfern  unterhalb  Hameln  tätig  war.  Auch  sie 
mußte  sich  gegen  Ende  der  siebziger  Jahre  auflösen. 

Die  Beschlüsse  des  Wiener  Kongresses  hatten  auf  die  Weserverhält- 
nisse zunächst  keinen  Einfluß,  weil  die  Uferstaaten  nicht  zusammen  traten. 
Schon  im  Jahre  1815  wollte  Preußen  mit  den  anderen  Staaten  über  ein  ge- 
meinsames Vorgehen  zur  Verbesserung  des  Stromes  Vereinbarungen  ab- 
schließen; diese  Absicht  scheiterte  aber  an  dem  Widerstand  Hannovers, 
das  mehr  auf  die  Hebung  des  Verkehrs  auf  Aller  und  Leine  bedacht  war. 
Auch  nach  dem  Zustandekommen  der  Schiffahrtsakte  von  1823,  über  die 
oben  (S.  85)  berichtet  wurde,  war  es  wieder  Hannover,  das  nicht  geneigt  war, 
sich  an  einer  gemeinsamen  Befahrung  des  Stromes  durch  die  Wasserbau- 
beamten der  Uferstaaten  zu  beteiligen,  um  über  die  erforderlichen  Arbeiten 
zu  beraten.  Erst  1838  fand  die  erste  Strombefahrung  von  Münden  bis  Bremer- 
haven statt  und  wurde  später  etwa  alle  4  Jahre  wiederholt.  Nach  Gründung 
der  Hamelner  Dampfschiffahrtgesellschaft  (1842)  war  Hannover  bereit,  für 
die  Verbesserung  der  Wasserstraße  erhebliche  Arbeiten  auszufuhren.  Bei 
diesen  Beratungen  wurde   auf  Wunsch  der   1842  zusammengetretenen  Rcvi- 


5-  Von  der  Erfindung  des  Dampfschifik  bis  1870.  117 

sionkommission  der  Weserschiffahrtsakte  die  zu  erstrebende  mindeste  Fahr- 
wassertiefe beim  kleinsten  Wasserstande  auf  0,67  m  vereinbart,  von  der 
Feststellung  der  Normalbreiten  aber  mit  Rücksicht  auf  das  sehr  wechselnde 
Gefalle  abgesehen. 

Für  die  Verbesserung  des  Fahrwassers  geschah  seit  1823  mancherlei: 
Bis  zum  Jahre  1838  wurden  die  früher  so  hinderlichen  Fisch  wehre  im  oberen 
Laufe  beseitigt,  es  wurden  viele  Steine  und  Felsen  gesprengt,  alte  Arme 
verbaut  und  Buhnen  angelegt.  Die  Uferschutzbauten  wurden  vielfach  da- 
durch erschwert,  daß  nach  dem  bestehenden  Recht  die  Uferanlieger  dazu 
verpflichtet  waren,  ihrerseits  aber  wieder  über  den  durch  die  Wellen  der 
Dampfer  hervorgerufenen  Schaden  klagten.  Namentlich  auf  preußischem  Ge- 
biet wurden  seit  1852  einige  größere  Verbesserungsbauten  ausgeführt. 

Besondere  Sorgfalt  wurde  auf  den  Leinpfad  verwandt,  zumal  seit  18 18 
in  allen  Staaten  die  Pferdetreidelei  erlaubt  war.  In  den  zwanziger  Jahren 
soll  er  zwischen  Bremen  und  Münden  noch  2  4  mal  das  Ufer  gewechselt  haben. 
Man  hoffte,  nach  Durchfuhrung  der  Verbesserungen  in  etwa  18  Tagen  diesen 
Weg  zurücklegen  zu  können,  während  man  vorher  30  Tage  gebrauchte.  Aus 
dem  Jahre  1831  wird  berichtet,  daß  zur  Beförderung  von  6  Schiffen  mit 
400  t  Ladung  von  Bremen  nach  Münden  40  Pferde  und  vorübergehend  noch 
200  Arbeiter  zum  Treideln  nötig  waren.  (Die  letzteren  erhielten  allein  für 
3  Tage  558  Mark  Lohn.) 

Bis  zum  Ende  der  dreißiger  Jahre  waren  die  Schiffe,  namentlich  die 
Weserböcke,  plump,  schwer  und  mit  sehr  dickem  Boden  gebaut,  so  daß  sie 
leer  etwa  0,42  m  tief  eintauchten.  Dann  kam  eine  bessere  Bauart  auf  mit 
spitzerer  Form,  schwächeren  Hölzern  und  besseren  Verbindungen  der  ein- 
zelnen Teile.  Diese  Schiffe  waren  37,8  bis  38,3  m  lang,  5,35  bis  5,55  m 
breit  und  hatten  leer  eine  Tauchtiefe  von  nur  0,24  m.  Bei  voller  Ladung 
von  150  bis  168  t  hatten  sie  einen  Tiefgang  von  1,1  m  bis  1,2  m.  Am  Ende 
der  sechziger  Jahre  verkehrten  unterhalb  Minden  schon  Böcke  von  48  m 
Länge,  7,6  m  Breite  und  300  t  Tragfähigkeit  bei  1,4  m  Tauchtiefe. 

Sehr  störend  für  den  Verkehr  (namentlich  der  Dampfschiffe)  war  die  ge- 
ringe Breite  der  Schleuse  bei  Hameln  (S.  55)  von  nur  5,85  m.  Unter  der 
preußischen  Herrschaft  wurde  sie  in  den  Jahren  1868  bis  1871  durch  eine 
neue  von  56,7  m  Länge  und  ii,i  m  Torweite  ersetzt. 

Aber  diese  Bauten  konnten  nach  der  Einfuhrung  der  Eisenbahnen 
den  Niedergang  der  Schiffahrt  nicht  aufhalten,  zumal  die  fes^esetzte  Min- 
desttiefe von  0,67  m  bis  zum  Jahre  1870  noch  nicht  erreicht  und  das 
Fahrwasser  noch  immer  sehr  mangelhaft  war.  Auch  der  mit  Beteiligung  der 
Köln-Mindener  Eisenbahngesellschaft  in  den  Jahren  1856  bis  1859  angelegte 
Umschlaghafen  in  Minden  hob  den  Verkehr  nicht  merklich. 

Viele  genaue  Abschreibungen  darüber  sind  nicht  vorhanden:  Im  Jahre 
1823  hat  der  Durchgang^erkehr  bei  Minden  etwa  loooot  betragen.  Nach 
der  Bremer  Statistik   des  Oberweserverkehrs   war   die  Zu-   und  Abfuhr  im 


118  Abschnitt  n.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Jahre  1860  in  Bremen  220000  t  und  fiel  dann  bis  1878  auf  den  tiefsten  Stand 
von  93000  t.  Im  Jahre  1864  sind  von  Bremen  aufwärts  414  S^el-  imd 
62  Dampfschiffe  mit  zusammen  24025  t  abgegangen. 

Auf  der  Aller  war  die  Schiffahrt  bis  etwa  zum  Jahre  1850  ziemlich 
rege.  Der  Endpunkt  der  Schiffahrt  war  Celle,  wo  seit  alter  Zeit  ein  bedeu- 
tender Umschlag  stattfand.  Mit  dem  Bau  der  Eisenbahnen  g^ing-der  Ver- 
kehr zurück  und  erlosch  bis  1870  vollständig. 

Auf  der  Elbe  hatte  die  Dampfschiffahrt  bessere  Erfolge  als  auf  der  Weser, 
wenn  auch  die  ersten  oben  (S.  93)  erwähnten  Versuche  mißglückt  waren.  In 
Dresden  baute  sich  ein  Zuckersiedereibesitzer  Calbera  im  Jahre  1834  ^i^ 
Dampfschiff  mit  einer  in  Hamburg  gekauften  englischen  Maschine  von  etwa 
24  Pferdestärken.  E^  war  ein  Heckraddampfer  und  sollte  50  t  tragen.  Trotz 
der  durch  die  Elbeakte  geschaffenen  Freiheit  erhoben  die  Dresdener  Handels- 
und Schifferinnimgen  gegen  dieses  Unternehmen  lebhaften  Einspruch,  so  daß 
Calbera  weder  eine  Staatsunterstützung  noch  ein  Privileg,  schließlich  aber  mit 
Mühe  wenigstens  die  Erlaubnis  erhielt.  Das  Schiff  führte  vom  Jahre  1835  ^^ 
mehrfache  Fahrten  nach  Hamburg  aus,  um  Rohstoffe  fiir  die  Zuckersiederei 
herbeizuschaffen. 

Im  Jahre  1836  bildete  sich  in  Dresden  die  »königl.  privUegierte  säch- 
sische Dampfschiffahrtgesellschafl«,  die  im  folgenden  Sommer  den  »eisernen« 
Raddampfer  »Königin  Maria«  in  Dienst  stellte.  Das  Schiff  war  36  m  lang, 
3,9  m  breit  (über  den  Radkasten  7,85  m)  und  2,5  m  hoch.  Es  soll  leer  einen 
Tiefgang  von  0,48  m  und  eine  Maschine  von  40  Pferdestärken  gehabt  haben. 
Das  königl.  Privileg  wurde  zunächst  auf  5  Jahre  verliehen  mit  den  aus  der 
Elbschiffahrtsakte  sich  ergebenden  Beschränkungen.  Die  Gesellschaft  betrieb 
die  Personen-  und  Güterbeforderung  in  Sachsen  imd  Böhmen.  Bis  1846  stellte 
sie  noch  2  Schiffe  ein  und  der  Betrieb  wurde  so  geregelt,  das  zwei  Dampfer 
tägliche  Verbindungen  zwischen  Dresden  und  Tetschen  unterhielten,  während 
das  dritte  Schiff  täglich  zweimal  von  Dresden  nach  Pillnitz  und  zurück  fuhr. 
Von  den  3  Dampfern  waren  2  aus  Eisen  auf  einem  Platze  bei  Dresden  ge- 
baut und  in  Übigau  mit  den  zuerst  von  Egells  in  Berlin  gelieferten  Maschinen 
versehen.  Diese  bewährten  sich  nicht,  da  sie  zu  schwerfallig  waren  und  nicht 
rückwärts  bewegt  werden  konnten,  und  es  wurden  neue  Maschinen  bei  John 
Penn  in  Greenwich  bestellt,  die  schwingende  (oszQlierende)  Zylinder  besaßen 
und  sich  schon  auf  dem  Magdeburger  Dampfer  »Courier«  bewährt  hatten. 
Solche  Maschinen  von  Penn  fanden  damals  überall  Beifall  und  sind  von  der 
sächsischen  Gesellschaft  viele  Jahre  lang  bevorzugt  worden. 

Im  Jahre  1841  entstand  ihr  ein  gefahrlicher  Wettbewerb  durch  den  Eng- 
länder Josef  Ruston,  der  mit  einem  sehr  flachgehenden  Dampfer  in  Dresden 
eintraf  und  ein  PrivUeg  für  Böhmen  hatte.  Dabei  machten  sich  die  ein- 
schränkenden Bestimmungen  der  Elbeakte  (Kabotage)  recht  fühlbar.  Ruston 
beschaffte  noch  mehrere  Schiffe  und  fuhr  aufwärts  bis  nahe  nach  Melnik,  von 
wo  eine  gute  Stellwagenverbindung  bis  Prag  entstand.     Um  den   lästigen 


5*  Von  der  Erfindung  des  Dampfechiffs  bis  1870.  119 

Wettbewerb  zu  beseitigen,  kaufte  die  sächsische  Gesellschaft  1851  das  Ru- 
stonsche  Unternehmen  und  nannte  sich  dann  «Sächsisch-böhmische  Dampf- 
schiffahrtgesellschaft«. 

Gleichzeitig  mit  der  Dresdener  Gesellschaft  entstand  in  Magdeburg 
die  >  Magdeburger  Dampfschiffahrtgesellschaft«  für  den  Verkehr  zwischen 
dieser  Stadt  und  Hamburg  und  bald  noch  eine  zweite,  die  >  Hamburg- 
Magdeburger  Dampfschiffahrt -Kompagnie«  zum  gleichen  Zweck').  Diese 
beiden  Gesellschaften  vereinigten  sich  1840  zu  der  »Vereinigten  Hamburg- 
Magdeburger  Dampfschiffahrt-Kompagnie«.  Einer  ihrer  ersten  Dampfer  war 
der  vorerwähnte  > Courier«.  Im  Laufe  der  folgenden  10  Jahre  besaß  die  Ge- 
sellschaft zeitweise  8  bis  10  Dampfschiffe,  von  denen  aber  keines  mehr  als 
70  indizierte  Pferdestärken  hatte.  Sie  begründete  in  Buckau  bei  Magdebui^ 
eine  eigene  Schiffswerft  imd  Maschinenbauanstalt.  Der  Betrieb  war  so  ein- 
gerichtet, daß  wöchentlich  von  Magdeburg  zwei  Schiffe  nach  Hamburg  und 
eines  nach  Dresden  abgingen.  Schon  von  1841  an  betrieb  die  Gesellschaft 
den  Schleppdienst 

In  Prag  hatte  sich  gleich  nach  dem  Abschluß  der  Elbeakte  im  Jahre 
1822  die  »Prager  Schiffahrtgesellschaft«  gebildet,  die,  zunächst  ohne  eigene 
Lastschiffe  und  Dampfschiffe,  eine  regelmäßige  Güterbeförderung  zwischen 
Böhmen  und  Hamburg  einrichtete.  Im  Jahre  1857  beschaffte  sie  sich  5  Rad- 
dampfer und  betrieb  mit  eigenen  und  fremden  Lastschiffen  unter  dem  neuen 
Namen  »Prager  Dampf-  und  Segelschiffahrtgesellschaft«  einen  lebhaften 
Schleppverkehr  auf  der  ganzen  Elbe.  In  diesem  Jahre  entstand  in  Hamburg 
die  »Norddeutsche  Fluß-Dampfschiffahrtgesellschaft«,  die  mit  6  Dampfern  und 
40  Lastschiffen  einen  regelmäßigen  Verkehr  zwischen  dieser  Stadt  und  Berlin 
betrieb.     1863  geriet  sie  in  Schwierigkeiten  und  wurde  dann  neu  gegründet. 

Im  Jahre  1869  waren  etwa  20  Schleppdampfer  auf  der  Elbe. 

Die  Schiffer  betrachteten  die  Entwicklung  der  Dampfschiffahrt  mit 
mißgünstigen  Blicken,  weil  sie  darin  eine  Schädigung  ihres  Erwerbs  sahen. 
Auch  klagten  sie  viel  über  die  große  Geschwindigkeit  der  Dampfer  und  die 
starken  Wellen.  Von  dem  Schleppbetriebe  machten  sie  zunächst  keinen  Ge- 
brauch, zumal  die  wenigen  Dampfer  meistens  mit  dem  Schleppen  der  eigenen 
Lastschiffe  beschäftigt  waren. 

Trotz  der  Elbeakte  (S.  85)  litt  die  Schiffahrt  an  vielen  Übelständen. 
Zunächst  waren  die  Zölle  so  hoch,  daß  viele  über  See  eingeführte  Waren 
billiger  über  Stettin  als  über  Hamburg  zu  Wasser  nach  Magdeburg  befördert 
wurden^).  Das  erklärt  sich  daraus,  daß  auf  der  Oder  keine  Zölle  bestanden 
und  im  Jahre  1841  der  früher  sehr  drückende  Sundzoll  bedeutend  ermäßigt 
worden  war.  Die  Eibzölle  waren  im  Jahre  1847  erheblich  höher  als  auf 
anderen  Strömen.  Der  Normalzoll  betrug  für  je  100  kg  auf  dem  Rhein 
2,215  Mark  stromauf  und  1,49  Mark  stromab,  auf  der  Weser  0,67  Mark  und 

i)  Sieg  rot  h,  Aufsatz  im  Elbe-Schiffahrts-Kalender  1910. 

2)  Kurt  Fischer,  Studie  über  die  Eibschiffahrt  in  den  letzten  100  Jahren.     Jena  1907. 


120  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

auf  der  Elbe  3,40  Mark.  Auf  i  tkm  berechnet,  ergibt  das  für  den  Rhein 
2,644  Pf.  und  1,784  Pf.,  für  die  Weser  1,744  Pf  und  für  die  Elbe  5,664  Pf. 
Mit  der  Erhebung  der  Zölle  verloren  die  Schiffer  ferner  viel  Zeit:  Es  wird 
berichtet,  daß  sie  an  den  Zollstellen  oft  wochenlang  warten  mußten. 

Die  Leinpfade  waren  in  sehr  schlechtem  Zustande,  so  daß  nur  auf 
wenigen  Strecken  Pferde  benutzt  werden  konnten.  Wenn  an  schwierigen 
Stellen  die  eigene  Mannschaft  und  die  mitgenommenen  Zugknechte  (S.  53) 
nicht  ausreichten,  mußten  besondere  Schiffzieher  angenommen  werden,  die 
unter  dem  Namen  »Pomätscherc  (von  dem  böhmischen  Pomohacz  =  Helfer) 
wegen  ihrer  unverschämten  Forderungen  besonders  an  der  oberen  Elbe  be- 
rüchtigt waren.  Die  Durchfahrung  der  Brücken  wurde  dadurch  besonders 
erschwert  und  verteuert.  Als  deren  Zahl  bei  der  Erbauung  der  Eisenbahnen 
sich  stark  vermehrte,  fühlten  die  Schiffer  sich  geschädigt  und  verlangten  nicht 
nur  mit  Erfolg  Drehbrücken  oder  Mastenkrane,  sondern  wünschten  auch,  dass 
die  Eisenbahngesellschaften  für  das  Durchziehen  der  Schiffe  durch  die  Brücken 
die  nötigen  Mannschaften  und  Geräte  stellten.  Ein  besonderes  Hindernis 
war  die  Augustusbrücke  in  Dresden.  Der  im  Jahre  1846  dort  gegründete 
»Konzessionierte  sächsische  Schifferverein«,  der  sich  durch  die  Förderung  der 
Schiffahrt  an  dem  ganzen  Strome  ein  großes  Ansehen  erwarb  und  auch  bei  den 
Behörden  die  Wünsche  der  Schiffer  nachdrücklich  vertrat,  bestellte  zuerst  selbst 
im  Jahre  1854  die  zur  Durchfahrung  dieser  Brücke  erforderlichen  Lotsen,  die 
nach  mehreren  Jahren  der  staatlichen  Aufsicht  untergeordnet  wurden.  Auch 
für  die  Magdeburger  Strombrücke  sind  später  in  ähnlicher  Weise  von  den  Be- 
teiligten solche  Lotsen  bestellt  worden.  Im  Jahre  1859  hatte  ein  Schiffer  an 
der  Augustusbrücke  eine  Winde  erbaut,  mit  der  er  gegen  Entgelt  die  Schiffe 
bergwärts  zog.     Sie  bestand  bis  zur  Einführung  der  Kettenschiffahrt. 

Durch  die  beweglichen  Sandfelder  änderte  sich  das  Fahrwasser  an  den 
Brücken  sehr  häufig  imd  war  ohne  ortskundige  Führung  leicht  zu  verfehlen. 
Ein  lebhafter  Wunsch  der  Schiffer  ging  dahin,  daß  die  Strombehörden  nicht 
nur  an  diesen,  sondern  an  allen  schlechten  Stellen  das  Fahrwasser  im  Strome 
bezeichnen  {> vermalen«)  möchten.  Aber  bis  in  die  siebziger  Jahre  hinein  waren 
die  Schiffer  auf  Selbsthilfe  angewiesen.  Das  geschah,  indem  jedem  beladenen 
Schiffe  ein  mit  dem  Strome  vertrauter  »Haupter«  in  einem  Handkahne  vor- 
ausfuhr, die  Tiefen  untersuchte  und  durch  eingeschlagene  Pfahle  (»Maler«)  die 
Fahrrichtung  bezeichnete.  Hinter  dem  Schiffe  fuhr  in  einem  anderen  Hand- 
kahne der  »Malheber«,  um  die  Pfähle  wieder  auszuziehen. 

Die  Zahl  und  die  Größe  der  Schiffe  nahm  trotz  dieser  Schwierigkeiten 
und  des  Wettbewerbs  der  Eisenbahnen  infolge  der  zum  Schleppen  benutzten 
Dampfkraft  stetig  zu. 

Über  die  im  Königreich  Sachsen  vorhandenen  Schiffe  liegen  nähere  Angaben  vor:  im 
Jahre  1832  waren  250  hölzerne  Lastschiffe  vorhanden  mit  einer  durchschnittlichen  Tragfähigkeit 
von  46,1  t,  im  Jahre  1866  schon  404  Schiffe  von  durchschnittlich  60,4  t  und  im  Jahre  1873  nur 
397  Schiffe  (darunter  4  eiserne),  aber  mit  einer  durchschnittlichen  Tragfähigkeit  von  178,7  t 
Das  größte  im  Jahre   1832  vorhandene  Schiff  von   106  t  Tragfähigkeit  hatte  30,3  m  Länge, 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiff  bis  1870. 


121 


4,89  m  Breite  und  0,98  m  Tauchtiefe.  Auf  der  mittleren  Elbe  bei  Magdeburg  betrug  im 
Jahre  1842  die  durchschnitüiche  Tragfähigkeit  etwa  60  t  und  die  größten  Schiffe  von  150  t 
hatten  etwa  44  m  Länge,  4,7  bis  5  m  Breite  und  1,17  m  Tauchtiefe.  Im  Jahre  1871  gab  es 
dort  schon  Schiffe  von  350  t,  die  eine  Libige  von  58  m,  eine  Breite  von  7,4  m  und  eine  Tauch- 
tiefe von  1,24  m  hatten.  Dabei  ist  zu  beachten,  daß  diese  Tragfähigkeiten  nach  der  damaligen 
amtiichen  Vermessung  angegeben  sind,  die  von  der  wirklichen  Tragfähigkeit  meistens  erheblich 
ttbertroffen  wurde.     Die  Besatzung  der  größeren  Schiffe  bestand  aus  6  bis  7  Mann. 

Die  ersten  Eisenbahnen  im  Elbegebiet  wurden  eröffnet:  Dresden-Leipzig 
1839,  Magdeburg-Leipzig  1840,  Berlin-Köthen  1840,  Berlin-Hamburg  1846, 
Berlin-Magdeburg  1846,  Magdeburg-Halberstadt  und  Magdeburg- Wittenberge 
1849.  Diese  letzte  war  die  erste  am  Strom  entlang  führende  Eisenbahn, 
während  die  anderen,  ähnlich  wie  am  Rhein,  zunächst  als  Zubringer  für  die 
Schiffahrt  dienten.  Es  ist  bemerkenswert,  daß  diese  Bahn  zunächst  keinen 
wirtschaftlichen  Erfolg  hatte,  vielmehr  erst  nach  1863,  nachdem  sie  mit  der 
Magdeburg-Halberstädter  Eisenbahn  vereinigt  worden  war. 

Im  allgemeinen  machte  sich  aber  der  Wettbewerb  der  Eisenbahnen  fiir 
die  Schiffahrt  sehr  bald  fühlbar.  Alle  wertvollen  Güter  gingen  auf  die  Eisen- 
bahn über,  nicht  allein  wegen  der  Schnelligkeit  und  Pünktlichkeit  der  Lie- 
ferung, sondern  auch  wegen  der  Billigkeit;  denn  hochwertige  Waren  konnten 
den  NormalelbzoU  nicht  mehr  tragen.  Im  Jahre  1847  kostete  die  Beförderung 
von  I  t  solcher  Güter  von  Hamburg  nach  Magdeburg,  einschließlich  derZöUe, 
Gebühren,  Versicherung,  Ein-  und  Ausladen,  in  einem  Segelschiff  (bei  10  Mark 
Fracht)  zusammen  29  Mark,  in  einem  Dampfschiff  (bei  12,5  Mark  Fracht) 
30,5  Mark,  während  es  die  Eisenbahn  (einschließlich  des  Durchgangzolls  durch 
Lauenburg)  für  25  Mark  besorgte.  Es  blieben  also  für  den  Wasserverkehr  nur 
die  wohlfeUen  Waren  übrig,  die  nur  740  des  Normalzolls  zu  bezahlen  hatten. 

Um  an  Schnelligkeit,  Sicherheit  und  Pünktlichkeit  den  Schiffahrtbetrieb 
zu  verbessern,  wurden  von  leistungsfähigen  Unternehmern  zwischen  den  Haupt- 
handelplätzen Reihe  fahrten  eingerichtet.  Zwischen  Hamburg  und  Dresden 
bestanden  solche  seit  1822,  zwischen  Magdeburg  und  Dresden  seit  1844. 
Die  Unternehmer  besorgten  die  Verfrachtung  der  Güter  nach  bestimmten 
Tarifen  und  in  der  Regel  auch  innerhalb  gewisser  Lieferfristen. 

Einige  Mitteilungen  über  zwei  solche  Betriebe  liegen  uns  vor.     Es  wurden  befördert: 


Hamburg — Dresden 

1           Magdeburg — ^Dresden 

im 

bergwärts 

talwärts 

bergwärts 

talwärts 
Ladung 

zu- 

Jahre 

Ladung  in  t 

Schiffe 

Ladung  in  t 

Schiffe 

Ladung  in  t 

sammen 

Schiffe 

zusam- 

• 

je 

zusam- 

je 

zusam- 

je 

'     men    !  Schiff 

'     men 

Schiff 

men 

Schiff 

t 

t 

,1 
1844  ■      98 

6600 

67,4 

34 

1857 

54,7 

.     88 

6236 

70,9 

1304 

15997 

1845 

106 

7  737 

73,0 

29 

1809 

62,4 

127 

7265 

57,2 

1474 

18285 

1846 

154 

10405 

68,2 

37 

1834 

49,0 

160 

7706 

48,2 

»953 

21  898 

1847 

166 

II  872 

72,1 

39 

173" 

44,4 

123 

7912 

64,3 

2117 

23632 

1848 

"5 

6953 

60,5 

35 

1107 

31,2 

"3 

54S5 

48,3 

1252 

14767 

122  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Die  durchschnittliche  Dauer  der  Fahrt  (ohne  erhebliche  Sch\rankungen  zwischen  den  ein- 
zelnen Jahren)  war  von  Hamburg  nach  Dresden  29  bis  30  Tage,  von  Magdeburg  nach  Dresden 
15  bis  16  Tage  und  bei  der  Talfahrt  von  Dresden  nach  Hamburg  10  bis  15  Tage,  wobei  der  Auf- 
enthalt an  den  Zollstellen  mitgerechnet  ist  Der  Talverkehr  war  erheblich  kleiner  als  der  Berg- 
verkehr. Dabei  ist  zu  beachten,  daß  Massengüter  bei  diesen  Reihefahrten  selten  befördert 
wurden,  vielmehr  in  der  Regel  nur  Stückgüter. 

Diese  Unternehmungen,  die  z.  B.  von  dem  >£lbschifrahrt-Komitee  des  Dresdener  Handel- 
standes« warm  empfohlen  wurden,  hatten  etwa  im  Jahre  1850  einen  Tarif  aufgestellt,  aus  dem 
einiges  mitgeteilt  werden  soll: 

1.  Zwischen  Magdeburg  und  Dresden  (oder  Riesa,  Meißen)  wurden  bei  der  Bergfahrt 
für  I  t  einschließlich  aller  Nebenkosten  bei  einem  Wasserstande  bis  zu  0,29  m  unter  Null  am 
Dresdener  Pegel  für  Güter  der  ersten  Klasse  12,5  Mark,  der  zweiten  10  Mark  und  der  dritten 
7,5  Mark  berechnet.     Bei  niedrigeren  Wasserständen  traten  hierzu  folgende  Zuschläge: 

Bei  Wasserständen  von  0,3 1  bis  0,45  m  imter  Null :     2,5  Mark 

>  »  >  0,47  »  0,60  m  »  >  4,5  » 
»  »  »  0,78  >  0,92  m  >  »  10,0  > 
»                »                »     0,94    »    1,07  m      »         »  12,5      > 

>  >  >     1,10  m  und  mehr    >         >  15,0      > 

Güter,  die  von  Stettin  kamen,  hatten  von  Magdeburg  ab  nur  10  Mark  in  der  ersten  und 
7,5  Mark  in  den  beiden  anderen  Klassen  zu  zahlen. 

Für  die  Talfahrt  von  Dresden  nach  Magdeburg  wurden  die  Sätze  um  je  4,5  Mark  fiir 
die  Tonne  ermäßigt.  Femer  bestand  noch  ein  fester  Satz  für  die  Linie  Dresden-Halle  von 
20  Mark. 

2.  Zwischen  Hamburg  und  Dresden  (oder  Riesa,  Meißen)  war  für  die  Bergfahrt  der 
Normalsatz  20  Mark ;  doch  wurde  er  für  wenig  wertvolle  Güter  um  2  Mark,  ausnahmswebe  um 
4  Mark  ermäßigt.  Für  die  Talfahrt  war  der  Normalsatz  18  Mark,  der  unter  Umständen  bis  auf 
12  Mark  herabgesetzt  wurde. 

3.  Oberhalb  Dresden  wurden  bei  der  Bergfahrt  bis  Tetschen  ohne  Zölle  8  Mark 
und  nach  Prag  einschließlich  der  österreichischen  Elbe-  und  Moldauzölle  etwa  32  Mark  be- 
rechnet. 

4.  Von  Dresden  nach  den  östlichen  Wasserstraßen  wurden  bei  der  Tal  fahrt  bis 
Berlin  17  Mark,  bis  Goyatz  (am  Schwielochsee  im  Spreegebiet,  für  Kottbus)  29,5  Mark,  bis  Frank- 
furt a.  O.  25  Mark,  bis  Stettin  25  Mark,  bis  Posen  35  Mark,  bis  Breslau  37  Mark,  bb  Danzig 
48  Mark,  bis  Königsberg  i.  Pr.  48  Mark  und  bis  Warschau  60  Mark  berechnet. 

5.  Von  Stettin  bis  Magdeburg  betrug  die  Fracht  10  Mark  mit  Ausnahme  von  Kreide, 
für  die  nur  8,4  Mark  berechnet  wurden. 

Für  Steinkohlen  u.  dgl.  galt  dieser  Tarif  nicht. 

Einen  großen  Aufschwung  nahm  die  Eibschiffahrt  durch  die  Einführung 
der  Kettenschiffahrt.  Der  Ursprung  dieser  Erfindung  ist  in  der  Warp- 
schifTahrt  zu  suchen,  die  auf  der  Elbe  (S.  54)  und  anderen  Strömen  zeitweilig 
ausgeübt  wurde.  Zum  Einholen  des  Zugseils  vom  Schiffe  aus  benutzte  man 
später  Dampfwinden,  z.  B.  1822  auf  der  Rhone  zwischen  Lyon  und  Givors, 
sowie  in  Rußland  (S.  76)  an  Stelle  der  bis  dahin  verwendeten  Pferde.  Von 
durchschlagender  Bedeutung  war  die  Erfindung  von  E.  de  Rigny,  der  1825 
auf  einer  Strecke  der  Seine  zwischen  Paris  und  Ronen  zuerst  eine  durch- 
laufende, auf  dem  Flußboden  liegende  Kette  einführte.  Im  Jahre  1854  wurde 
auf  der  oberen  Seine  die  erste  Kettenschiffahrt  in  Betrieb  gesetzt. 

Da  diese  Einrichtung  sich  bewährte,  beschloß  die  Vereinigte  Hamburg- 
Magdeburger  Dampfschiffahrt-Kompagnie  im  Jahre  1863,  einen  Versuch  damit 
in  der  Stromelbe  bei  Magdeburg  zu  machen,  wo  an  der  im  Jahre  1862  neu 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870.  X23 

erbauten  Strombrücke  (S.  48)  ein'  starkes  und  fiir  die  Schiflfahrt  hinderliches 
Gefalle  vorhanden  war*).  Das  erste  Kettenschiff  wurde  1866  auf  der  5  km 
langen  Strecke  von  Buckau  bis  Magdeburg-Neustadt  in  Betrieb  gesetzt  und 
der  Erfolg  war  so  gut,  daß  man  sofort  daran  ging,  auf  der  unterhalb  an^ 
schließenden  Stromstrecke  eine  Kette  zu  verlegen.  Im  Jahre  1868  reichte 
sie  bis  Ferchland,  1872  bis  Wittenberge  und  1874  bis  Hamburg.  Gleichzeitig 
wurde  auf  Betreiben  von  Bellingrath  im  Jahre  1869  in  Dresden  die  »Ketten- 
Schleppschiffahrt-Gesellschaft  der  Oberelbe«  gegründet,  die  in  demselben 
Jahre  den  Kettenbetrieb  auf  der  44  km  langen  Strecke  von  Dresden  bis 
Merschwitz  und  im  Jahre  1870  auf  der  56  km  langen  Strecke  von  Dresden 
bis  zur  böhmischen  Grenze  und  von  Merschwitz  bis  zur  preußischen  Grenze 
einführte.  Im  folgenden  Jahre  wurde  das  fehlende  Verbindungstück  von 
Buckau  bis  zur  preußisch-sächsischen  Grenze  in  einer  Länge  von  205  km 
verlegt.  In  Böhmen  richtete  die  Prager  Dampf-  und  Segelschiffahrtgesellschaft 
im  Jahre  1872  den  Kettenbetrieb  von  der  deutschen  Grenze  bis  Aussig  ein. 
(Im  Jahre  1886  wurde  die  Kette  weiter  hinauf  bis  Melnik  verlegt.) 

Nach  der  Einfuhrung  der  Kettenschiffahrt  mit  etwa  30  Kettenschiffen  änderte 
sich  der  Schiffahrtbetrieb  vollständig,  weil  jetzt  jedem  Schiffer  die  Möglichkeit 
gegeben  war,  sich  nach  einem,  von  den  staatlichen  Behörden  geprüften  und 
genehmigften  Tarif  schleppen  zu  lassen.  Vorher  reichten,  wie  oben  erwähnt, 
die  wenigen  auf  der  Elbe  vorhandenen  Dampfschiffe  mit  den  verhältnismäßig 
schwachen  Maschinen  dazu  bei  weitem  nicht  aus.  Eine  weitere  Folge  war 
die  schnelle  Vergrößerung  der  Schiffe  (weil  die  durch  die  frühere  Treidelei 
gesteckte  Grenze  geschwunden  war)  und,  damit  zusammenhängend,  eine  Ver- 
minderung der  Selbstkosten  des  Betriebs,  wodurch  man  wieder  im  Wett- 
bewerb mit  den  Eisenbahnen  gestärkt  wurde.  Auch  an  den  Kosten  der 
Mannschaft  konnte  trotz  der  größer  gewordenen  Schiffe  gespart  werden: 
Da  die  Segel  nur  noch  selten  benutzt  wurden,  wurde  die  Besatzung  von  7 
bis  8  Mann  auf  3  herabgesetzt.  Durch  die  Beschleunigung  der  Fahrt  wurde 
die  Zahl  der  jährlichen  Reisen  vermehrt:  Während  der  Schiffer  früher  nur 
2  bis  3  große  Reisen  machte,  wurden  jetzt  deren  6  bis  8  ausgeführt. 

Die  Frachtsätze  fielen  merklich:  Während  für  i  t  wertvoller  Waren 
von  Hamburg  nach  Dresden  im  Jahre  1850  etwa  20  Mark  gezahlt  wurden, 
war  die  Fracht  187 1  im  Durchschnitt  auf  14,75  Mark  gesunken  und  nach 
Legung  der  Kette  bis  Hamburg  fiel  sie  1875  auf  11,40  Mark.  Außerdem 
konnte  sich  unter  diesen  Umständen  ein  großer  Verkehr  von  wohlfeilen 
Massengütern  entwickeln. 

Über  den  Güterverkehr  auf  dem  Strome  liegen  vom  Eibzollamt  in 
Wittenberge  nähere  Nachrichten  vor.  Es  gingen  dort  durch,  an  Schiffen 
und  Gütern  in  Tausend  Tonnen: 


i]  Bellingrath  und  Di  eckhoff,  Die  Fortbewegung  der  Schiffe  im  Gebiet  der  Elbe 
und  Oder.  Bericht  zum  5.  internationalen  Binnenschiffahrt-Kongreß  in  Paris  1892.  —  Schanz, 
Die  Kettenschleppschiffahrt  auf  dem  Main.    Bamberg  1893. 


124 


Abschnitt  IL    Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 


Bergverkelir 

Talverkehr 

Zasammen 

Jahr 

Güter 

Schiffe 

Güter 
Tausend  t 

Schiffe 

Güter 
Tausend    t 

Tausend  t 

1818 

^— . 

«^. 

^_ 

125,0 

1821 

1604 

— 

1764 

— 

— 

1838 

2533 

62,0 

2857 

146,1 

208,1 

1841 

— 

148,9 

— 

232,8 

381,7 

1844 

3232 

165,4 

3541 

202,7 

368,1 

1847 

— 

256,8 

151*5 

408,3 

1854 

2788 

264,0 

2935 

228,0 

492,0 

1858 

4526 

412,4 

4497 

150,9 

563,3 

1861 

3667 

338,2 

3650 

293,0 

631,2 

1864 

4200 

346,3 

— 

338,8 

— 

1867 

4094 

350,3 

4086 

338,8 

689,1 

1869 

5036 

418,1 

4976 

— 

806,9 

Ob  diese  Zahlen  zuverlässig  sind,  sei  dahingestellt.  Nach  anderer  Quelle  sind  z.  B.  im 
Jahre  1864  dort  bergwärts  270,9  und  talwärts  237,6,  zusammen  508,5  Tausend  t  Güter  abgefertigt 
worden.  Dabei  war  der  Schifiverkehr:  bergwärts  3406  beladene,  56  leere  Lastschiffe  und  10  be- 
ladene,  212  leere  Dampfer;  talwärts  2960  beladene,  553  leere  Lastschiffe  und  7  beladene,  211  leere 
Dampfer.  (Auf  jedes  beladene  Lastschiff  würden  etwa  80  t  entfallen.)  Bei  den  Zahlen  in  der 
Tafel  ist  anscheinend  das  Holz  mitberücksichtigt  worden. 

Über  die  österreichische  Grenze  gingen  im  ganzen  (berg-  und  tal- 
wärts) im  Jahre  1845:  143,8,  i.  J.  1850;  176,7,  i.  J.  1855:  301,0,  i.  J.  1860: 
437>2,  i.  J.  1865:  401,1  und  1.  J.  1870:  566,6  Tausend  t.  Dabei  ist  das  Floß- 
holz mitberechnet  Die  Zahl  der  über  die  Grenze  verkehrenden  Schiffe  war 
1855:  6383,  i.  J.  1860:  8187,  i.  J.  1865:  5218  und  i.  J.  1870:  5001.  Die  Zahl 
der  Schiffe  nahm  dort  mit  wachsendem  Güterverkehr  ab,  weil  sie  größer 
wurden.   (Die  Zahl  der  Flöße  nahm  unerheblich  zu:  etwa  von  1100  auf  1300.) 

An  der  Hamburger  Grenze  ist  folgender  Verkehr  angeschrieben 
worden : 

Es  betrug:  die  Zufuhr   die  Abfuhr         zusammen 

(talwärts)  (bergwärts) 

ImDurchschnitt  der  Jahre  1851 — 1860     270,6  212,9        A^3i5  Tausend  t 

»  »       »      1861 — 1870    337,9  322,1        660,0  Tausend  t 


Mit  dem  Ausbau  des  Fahrwassers  ging  man  nach  dem  Abschluß  der 
Schiffahrtsakte  von  1821  anfangs  langsam  vor.  In  Sachsen  üng  man  1822 
mit  größeren  Bauten  (Parallelwerken)  bei  Niedermuschütz  unterhalb  Meißen 
an  und  in  Preußen  wurden  seit  1824  zusammenhängende  Gruppen  von  Buhnen 
in  der  Strecke  oberhalb  der  Havelmündung  und  seit  1835  auch  unterhalb 
ausgeführt  Außerdem  wurde  ein  Teil  der  alten  Stromarme  (auch  unterhalb 
der  Havel)  abgeschlossen.  In  der  hannoverschen  Strecke  blieb  nach  wie  vor 
der  Uferschutz  durch  Buhnen  und  Deckwerke  den  Anliegern  überlassen. 


5.  Von  der  Erfindnng  des  Dampfschiffs  bis  1870.  125 

Bei  der  ersten  gemeinschaftlichen  Befahrung  des  Stromes  durch  die 
Wasserbaubeamten  der  Uferstaaten  im  Jahre  1842  wurden  allgemeine  Grund- 
sätze für  den  Ausbau  der  Elbe  aufgestellt,  die  bei  späteren  Zusammenkünften 
angemessen  ergänzt  und  erweitert  wurden. 

Über  die  anzustrebende  geringste  Fahrwassertiefe  einigste  man  sich, 
als  bei  der  Befahrung  im  Jahre  1842  ein  außergewöhnlich  niedriger  Wasser- 
stand eingetreten  war,  dahin,  daß  bei  einem  um  0,16  m  höheren  Wasserstande 
künftig  überall  eine  Wassertiefe  von  0,94  m  vorhanden  sein  sollte.  Im  Jahre 
1869  gab  man  diesen  Grundsatz  auf  und  verlangte  bei  dem  jeweilig  ein- 
tretenden niedrigsten  Wasserstande  überall  eine  geringste  Fahrwassertiefe  von 
0,94  m.  Ferner  wurden  für  den  Ausbau  und  die  Einschränkung  des  Stromes 
auch  Normalbreiten  bei  gewöhnlichem  Wasserstande  festgesetzt:  In  der 
sächsischen  Strecke  113  m,  von  der  sächsischen  Grenze  bis  zur  Schwarzen 
Elster  131  m,  bis  zur  anhaltischen  Grenze  151  m,  bis  zur  Havel  188  m,  bis 
Wittenberge  245  m,  bis  zum  Aland  264  m,  bis  zur  Eide  282  m  und  bis  zur 
Jeetzel  335  m.     Später  sind  diese  Maße  zum  Teil  verringert  worden. 

Die  Bauten  wurden  seit  1842  von  allen  Uferstaaten  aufgenommen,  am 
kräftigsten  in  Sachsen  und  Preußen.  In  Sachsen  waren  bis  zum  Jahre  1860 
bereits  mehr  als  13  km  Einschränkungsdämme  (Parallelwerke)  ausgeführt 
worden.  1846  wurde  der  erste  Dampfbagger')  beschafft,  dem  bis  zum 
Jahre  1861  noch  3  andere  folgten.  Von  diesem  Jahre  an  wurde  an  der 
Durchführung  des  vollständigen  Regulierungsplans  gearbeitet,  der  vom 
Wasserbaudirektor  Lohse  aufgestellt  war,  und  es  wurden  bis  1872  etwa  58  km 
Parallelwerke  gebaut.  Dadurch  erreichte  man  an  vielen  Stellen  des  Stromes 
eine  merkliche  (wenn  auch  zum  Teil  nur  vorübergehende)  Vertiefung  der 
Fahrrinne. 

In  Preußen  wurde  der  Bau  von  kräftigen,  widerstandfähigen  Buhnen 
am  ganzen  Strome  fortgesetzt.  Ferner  wurden  große  Durchstiche  bei  Elsnig 
(1850),  bei  Mühlberg  (1854)  und  bei  Gallin  (1868)  ausgeführt.  (Hierzu  kam 
später,  1873,  noch  der  Döbeltitzer  Durchstich;  durch  diese  4  Anlagen  wurde 
der  Stromlauf  um  41,7  km  verkürzt.) 

Um  für  Preußen  eine  einheitliche  Behandlung  des  Stromes  zu  erreichen, 
wurde  im  Jahre  1866  in  Magdeburg  die  Elbstrom-Bauverwaltung  errichtet. 
Diese  Einrichtung  hat  sich  vortrefflich  bewährt,  namentlich  nachdem  die  han- 
noversche und  lauenburgische  (früher  dänische)  Uferstrecke  zu  Preußen  ge- 
kommen waren.  Der  erste  Strombaudirektor  war  Kozlowski,  der  sich  um  die 
Verbesserung  des  Eibstroms  sehr  verdient  gemacht  hat.  (Die  dankbare  SchifT- 
fahrt  hat  ihm  im  Jahre  1900  in  Magdeburg  am  Ufer  des  Stromes  ein  Denkmal 
errichtet.)  Der  von  ihm  aufgestellte  Regulierungsentwurf  ist  fiir  lange  Zeit 
maßgebend  geblieben  und  hat  sich  im  allgemeinen  bewährt. 


i)  Der  erste  Dampf bagger  überhaupt  wurde  1802   in   Hull  gebaut.     In   Deutschland   soll 
Schichau  in  Elblng  1841  den  ersten  Dampf  bagger  hergestellt  haben. 


126  Abschnitt  H.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

In  diesen  beiden  Staaten  wurde  viel  zur  Beseitigung  der  vielen  Steine 
und  Baumstämme  im  IFahrwasser  getan  und  außerdem  eine  g^oße  Zahl 
von  Schiffmühlen,  die  den  Verkehr  sehr  behinderten,  meistens  durch  An- 
kauf entfernt. 

Seit  1843  hatte  man  auch  in  der  hannoverschen  Strecke  mit  dem  Bau 
von  Buhnen  und  Sperrdämmen  auf  Staatskosten  begonnen;  aber  erst  unter 
preußischer  Herrschaft  wurden  die  Arbeiten  kräftig  gefördert. 

In  Böhmen  wurden  bereits  1776  und  1777  einige  Verbcssenmgen  an 
der  Elbe  vorgenommen,  aber  keine  dauernden  Erfolge  erreicht  Nach  Ab- 
schluß der  Additionalakte  begann  man  ernstlich  mit  den  Arbeiten,  indem 
1850  der  Bau  eines  Leinpfads  (Treppelw^,  Hufschlag)  angefangen  wurde. 
Die  noch  vorhandenen  Wehre  bei  Berkowitz,  Raudnitz  und  Leitmeritz  wurden 
in  der  Zeit  von  1855  ^^^  i^^^  ^^  ^^^^  beseitigt,  daß  sie  ftir  die  Schiffahrt 
kein  erhebliches  Hindernis  mehr  waren.  Auch  wurde  der  Anfang  mit  Hafen- 
bauten gemacht:  1856  bei  Rosawitz  und  Lobositz,  1864  bei  Außig. 

An  der  Saale  wurde  in  den  Jahren  18x6  bis  1822  die  bis  dahin  noch  nicht  schiffbar^ 
Strecke  zwischen  Halle  und  Weißenfels  durch  den  Bau  der  Schleusen  bei  Halle,  BöUbei^, 
Plauena,  Menschau,  Merseburg,  Düirenberg  und  Weißenfels  fahrbar  gemacht,  so  daß  man  voü 
der  Elbe  bis  nach  Artem  an  der  Unstrut  gelangen  konnte  (S.  49).  Am  wichtigsten  war  die 
Strecke  unterhalb  Halle  bis  zur  Elbe  bei  Barby  (105  km).  Die  dort  vorhandenen  7  Schleusen 
waren  neben  älteren  Mühlen  erbaut,  deren  Stau  keineswegs  genügte,  um  überall  eine  ausreichende 
Wassertiefe  zu  sichern.  Zwischen  den  Schleusen  lagen  Gef&llstrecken,  die  bei  niedrigen  Wasser- 
ständen viele  seichte  und  außerdem  stark  gekrümmte  und  gefährliche  Stellen  hatten.  Um  die 
Mitte  des  19.  Jahrhunderts  wurden  sie  mittels  Durchstichen,  Buhnen  und  Baggerungen  etwas  ver- 
bessert, und  es  entwickelte  sich  in  den  fünfziger  Jahren  ein  ziemlich  reger  Verkehr. 

Die  Fahrwassertiefe  war  bei  mittlerem  Sommerwasserstande  etwa  0,78  m.  Die  durchschnitt- 
liche Tragfähigkeit  der  Schiffe  betrug  etwa  125  t;  doch  verkehrten  auch  Schiffe  von  250  t  In 
den  sechziger  Jahren  ging  der  Verkehr  stark  zurück,  weil  der  Wettbewerb  der  Eisenbahn  nicht 
überwunden  werden  konnte.  (Die  Schleuse  Kalbe  wnrde  im  Jahre  1864  von  2408  beladenen 
und  687  leeren  Schiffen  durchfahren.) 

Auf  den  Märkischen  Wasserstraßen  zwischen  Elbe  und  Oder,  mit 
dem  Mittelpunkt  Berlin,  hat  sich  die  Binnenschiffahrt  seit  dem  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  gut  fortentwickelt.  Nach  den  Freiheitskriegen  hob  sich  der 
Handel  schnell,  besonders  infolge  der  weisen  Zollgesetzgebung.  Nach- 
dem der  König  schon  im  Jahre  1805  die  Aufhebung  der  Binnenzölle  und 
die  Ermäßigung  der  Abgaben  auf  den  märkischen  Kanälen  angeordnet 
hatte,  brachte  das  Zollgesetz  von  1818  große  allgemeine  Verbesserungen, 
indem  an  Stelle  der  Binnenzölle  eine  klare  und  bestimmte  Grenzzolleinrich- 
tung trat*). 

Alle  kommunalen  und  Privatzölle  an  Havel,  Spree,  Oder,  Warthe  und  Netze  sowie  28  staat- 
liche Wasserzölle  bei  Zehdenick,  Liebenwalde,  Oranienburg,  Spandau,  Potsdam,  Brandenburgf, 
Plane,  Rathenow,  Havelberg — ^Beeskow,  Fürstenwalde,  Köpenick,  Berlin — Krossen,  Aurith,  Frank«* 
fürt,  Küstrin,  Hohensaathen,  Schwedt,  Graz,  Stettin — Driesen,  Landsberg  sowie  Uckermünde, 
Parey  und  Neuruppin  wurden  aufgehoben. 


i)  Schumacher,  H.,  Zur  Frage  der  Binnenschiffahrtabgaben.    Berlin  1901. 


5«  Von  der  Erfindung  des  DampfschifTs  bis  1870.  127 

Die  Schleusen-  und  Kanalabgaben  wurden  nicht  aufgehoben,  sondern  in 
ein  «SchifTgefäOgeld«  verwandelt,  das  von  dem  Schiffe  und  nicht  von  der 
Ladvmg  erhoben  wurde.  Der  Ertrag  aus  diesen  Abgaben  sollte  nach  der 
Vorschrift  von  1810  zur  Unterhaltung  der  Bauwerke  verwendet  werden. 

Die  Schiffahrt  auf  der  unteren  HavelwasserstraOe  im  Berlin — Ham- 
burger Verkehr  ist  für  Berlin  von  der  größten  Bedeutung.  Mit  der  oben 
(S.  51)  erwähnten  Aufhebung  der  Schiffergilde  war  die  Kaufmannschaft  an- 
fangs nicht  zufrieden  und  glaubte  auf  einen  Schifferverband  nicht  verzichten 
zu  können.  Sie  gründete  im  Jahre  1822  mit  etwa  80  SchifTem  einen  Verein 
»Die  Berliner  Elbschiffahrt-  und  Assekuranz-Gesellschaft c,  der  gleichzeitig  die 
Versicherung  der  Güter  übernahm  und  unter  der  Leitung  eines  Ausschusses 
der  Kaufmannschaft  in  Berlin  und  eines  Bevollmächtigten  in  Hamburg  stand. 
Jeder  Schiffer  wurde  vor  der  Aufnahme  auf  seine  Fähigkeit,  Zuverlässigkeit 
und  sein  Vermögen  geprüft  und  mußte  eine  Bürgschaft  von  2850  Mark  hinter- 
legen. Diese  Einrichtung  bewährte  sich  und  Ende  der  dreißiger  Jahre  wurden 
jährlich  damit  34000  bis  36000  t  Güter  zu  Wasser  nach  Hamburg  und  etwa 
ebensoviele  zurück  befördert.  Der  Verkehr  wäre  noch  größer  gewesen,  wenn 
nicht  der  drückende  Elbzoll  und  der  durch  dessen  Erhebung  in  Wittenberge 
verursachte  lange  Aufenthalt  hemmend  gewirkt  hätten.  So  kam  es,  daß  nach 
dem  Jahre  1838,  als  die  neue  Kunststraße  von  Berlin  nach  Hamburg  fertig 
war,  viele  Waren  auf  diesen  Weg  übergingen.  Es  wurden  dreimal  in  der 
Woche  EUfuhren  eingerichtet ').  Durch  die  Einfuhrung  der  Schleppschiffahrt 
auf  der  Elbe  stieg  der  Wasserverkehr  aber  dauernd  weiter  bis  zur  Eröffnung 
der  Berlin — Hamburger  Eisenbahn  im  Dezember  1846.  Die  Wirkung  war 
eine  gewaltige:  Während  der  Schiffahrtverkehr  mit  Stückgütern  in  der  Zeit 
vom  I.Januar  bis  30.  September  1846  noch  53000  t  betragen  hatte,  fiel  er 
in  demselben  Zeitraum  des  Jahres  1847  ^uf  20300  t,  ging  also  um  mehr  als 
die  Hälfte  zurück.  Die  Schiffergesellschafl  (die  >  Assekuranzschiffer  c)  suchte 
anfänglich  den  Wettbewerb  durch  Herabsetzung  der  Frachten  aufzunehmen. 
Im  Jahre  1846  betrug  die  Wasserfracht  für  eine  Tonne  wertvoller  Güter 
(Wolle,  Baumwolle,  Leinwand,  Kaffee,  Reis,  Zucker,  Farbhölzer  u.  dgl.)  von 
Hamburg  nach  Berlin  28,5  bis  39  Mark  im  Segelschiffe  und  30,5  bis  39  Mark 
im  geschleppten  Schiffe,  einschließlich  der  Zölle,  Schleusen-  und  Krangebühren. 
Da  die  Eisenbahnfracht  fiir  diese  Strecke  nur  28  Mark  betrug,  mußten  die 
Schiffe  ihre  Forderung  um  4  bis  7  Mark  herabsetzen,  sodaß  sie  kaum  be- 
stehen konnten.  Trotzdem  ließ  sich  nicht  verhindern,  daß  die  wertvollen 
Güter  auf  das  neue  Verkehrsmittel  übergingen.  Am  Anfang  der  fünfziger 
Jahre  konnte  sich  der  Schifferverband  nicht  mehr  halten.  Dann  entstand  in 
Hamburg  die  oben  (S.  119)  erwähnte  Norddeutsche  Flußdampfschiffahrtgesell- 
schaft,  die  den  Verkehr   zwischen   Berlin   und  Hamburg  besorgte.     Zu   er- 


i)  Beiträge  zur  Geschichte  des  Berliner  Handels  und  Gewerbefleißes  aus  der  ältesten  Zeit 
bis  auf  unsere  Tage.  Festschrift  zur  Feier  des  fünfzigjährigen  Bestehens  der  Berliner  Kaufinann- 
schaft  am  2.  März  1870. 


128 


Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bb  1870. 


wähnen  bleibt,  daß  vor  Erbauung  der  Hamburger  Eisenbahn  im  Jahre  1842 
die  Preußische  Seehandlung  eine  Dampfschiifahrtverbindung  zwischen  beiden 
Städten  einrichtete,  die  vorwiegend  dem  Personenverkehr  diente  imd  viel 
benutzt  wurde.  Die  Fahrt  dauerte  zu  Berg  3  Tage,  zu  Tal  2  Tage.  Im 
Jahre  1846  sollen  6000  Personen  talwärts  und  3500  bergwärts  befördert 
worden  sein.     Mit  Eröffnimg  der  Eisenbahn  hörte  der  Betrieb  auf. 

Das  Fahrwasser  der  unteren  Havel  befand  sich  damals  noch  im 
natürlichen,  sehr  verwilderten  Zustande:  Der  Strom  ging  in  vielen  Armen, 
war  stark  gekrümmt  und  an  einzelnen  Stellen  so  versandet,  daß  bei  niedrigen 
Wasserständen  nur  eine  Tiefe  von  0,78  m  vorhanden  war.  Für  die  Vor- 
flut wurden  einige  Anlagen  gemacht,  die  zugleich  der  Schiffahrt  förder- 
lich waren,  wie  die  Beseitigung  von  106  Fischwehren  (1837  bis  1842)  und 
die  Verlegung  der  Havelmündung  (1832  bis  1836).  Auch  wurde  die  Stadt- 
schleuse in  Rathenow  in  Stein  neu  gebaut  und  71,5  m  lang,  8,6  m  breit  ge- 
macht. Hin  und  wieder  wurden  Baggerungen  ausgeführt  und  einige  Buhnen 
angelegt. 

In  den  Jahren  1866  bis  1872  wnrden  auf  dem  linken  Havelufer  oberhalb  Brandenburg 
die  Emster-Gewässer  auf  15  km  Länge  bis  Lehnin  (ohne  Schleusen)  von  einer  AktiengeseU- 
Schaft  (Ziegeleibesitzer)  schiffbar  gemacht,  die  das  Recht  auf  Abgabenerhebung  erhielt 

Über  den  Verkehr  geben  die  Anschreibungen  des  Zollamts  Witten- 
berge  Auskunft,  wo  die  von  und  nach  der  Havel  bestimmten  Schiffe  und 
Güter  besonders  vermerkt  wurden. 


Havelverkehr  bei  Havelberg. 


Bergverkehr 

Talverkehr 

Zusammen 

Jahr 

Schiffe 

Güter 
Tausend  t 

Schiffe 

Güter 
Tausend  t 

Güter 

Tausend  t 

i 
1 

1824 

30,0 

~^. 

46,2 

76,2 

1838 

1124 

55»o 

1248 

50,9 

105,9 

1844   1 

1417 

60,2 

1595 

98,9 

159,1 

1846   i 

1504 

67,9 

1867 

56,2 

124,1 

1854 

1054 

86,3 

1x98 

154,8 

241,1 

1858 

13x8 

100,4 

1409 

92,4 

192,8 

1861    , 

1371 

i35»9 

1152 

123,5 

259,4 

1864   i 

1953 

164,0 

— 

— 

— 

1867   1 

1674 

139,5 

— 

145,4 

284,9 

1869   ; 

1 

2040 

161,5 

2018 

»49,7 

3",2 

Über  den  Schiffsverkehr  an  den  Schleusen  gibt  die  nachstehende  Tafel 
Aufschluß.  Dabei  ist  zu  bemerken,  daß  die  Zahlen  von  1847  l^is  1860  zu 
klein  sind,  weil  die  Schiffe,  welche  die  Abgaben  vorher  (für  mehrere  Schleusen 
zusammen)  entrichtet  hatten,  nicht  mitgezählt  sind. 


5«  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870. 


129 


Zahl  der  geschleusten  Schiffe. 


Jahr  = 

Schleuse  Rathenow 

Schleuse  Brandenburg 

1800 

1 
1905       1 

4217 

1805 

1266 

5  344 

1815 

1364 

44" 

1837 

3908 

7  934 

1844 

4705 

II  163 

1850 

3265 

8061 

X855 

3908 

9  599 

x86o 

4361 

1 

13087 

bergwärts 

talwärts 

bergwärts 

talwärts 

1865 

2824 

2873 

8375 

7954 

1869 

3063 

3043 

7493 

7294 

1870 

2397 

2377 

6532 

6247 

1871 

2597 

2577 

6803 

6323 

Man  erkennt  aus  den  Zahlen  ftir  Rathenow  den  Rückgang  des  Verkehrs  mit  Hamburg 
1805  und  1815  infolge  der  Kriege,  den  Aufschwung  der  Schiffahrt  bis  1844,  den  Rückgang  in- 
folge der  Eisenbahn,  den  erfolgreichen  Wettbewerb  seit  Ende  der  fUnfziger  Jahre  und  schließ- 
lich 1870/71  wieder  einen  Rückgang  infolge  des  Krieges.  Die  Zunahme  des  Verkehrs  seit  etwa 
1860  ist  noch  größer,  als  die  Zahl  der  Schiffe  es  angibt,  weil  deren  Größe  damals  erheblich 
wuchs.  Von  den  talwärts  gehenden  Schiffen  waren  in  Rathenow  etwa  0,35  und  in  Brandenburg 
etwa  0,5  unbeladen,  weil  der  Güterverkehr  sich  vorwiegend  bergwärts  bewegte. 

Bei  dem  Bergverkehr  von  Hamburg  nach  Havelberg  ist  die  Beförderung  englischer  Stein- 
kohlen bemerkenswert,  die  von  6x6  t  im  Jahre  18x8  sich  stetig  bis  auf  155426  t  im  Jahre  1869 
vermehrt  hat']. 

Die  große  Zahl  der  durch  Brandenburg  gegangenen  Schiffe  ist  durch  den  lebhaften  Ver- 
kehr des  unterhalb  einmündenden  Flauer  Kanals  (Magdeburger  Verkehr)  hervorgerufen  und 
außerdem  durch  den  Verkehr  mit  Ziegelsteinen  aus  den  Ziegeleien  zwischen  Rathenow  und 
Brandenburg. 

Die  obere  HavelwasserstraOe  wurde  in  diesem  Zeitraum  im  An- 
schluß an  die  mecklenburgischen  Wasserstraßen  erheblich  verbessert. 
Dort  hatte  sich  im  Jahre  1831  eine  Aktiengesellschaft  gebildet,  die  den  großen 
Müritzsee  mit  dem  nördlichsten  Endpunkt  der  preußischen  oberen  Havel- 
wasserstraße bei  Fürstenberg  i.  M.  in  Verbindung  brachte. 

Die  51  km  lange  Wasserstraße  verläßt  den  Müritzsee  am  östlichen  Ufer  bei  der  Bolter- 
mühle  und  fällt  in  drei  Haltungen  (Bolterschleuse,  Diemitzschleuse,  Kanowschleuse  und  Strasen- 
schleuse),  die  durch  Seen-  und  kurze  Verbindungskanäle  gebildet  werden,  bei  Priepert  in  die 
obere  Havel  (»Siggelhavel«),  deren  Mühlenstaue  bei  Steinhavel  und  Fürstenberg  durch  zwei 
weitere  Kammerschleusen  überwunden  werden,  die  alle  ungefähr  in  den  Abmessungen  der  Finow- 
kanal-Schleusen  erbaut  wurden.  Die  Arbeiten  wurden  im  Jahre  X836  fertig  gestellt.  In  den 
Jahren  X840  bis  X843  wurde  im  Anschluß  an  diese  Wasserstraße  der  bei  Priepert  nördlich  ein- 


i)  Li  man,  Die  Entwicklung  des  Verkehrs  auf  den  schiffbaren  Gewässern  des  Regierungs- 
bezirks Potsdam  einschl.  Berlin.     1873. 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  g 


130  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

mündende  24  km  lange  Kammerkanal  hergestellt,  der  zum  Teil  gleichfalls  in  den  oberen  Havel- 
seen liegt  und  mit  2  Schleusen  nach  Neu-Strelitz  ansteigt.  (In  den  Jahren  1889  bis  1894 
wurden  diese  Wasserstraßen  verbessert.)  Vom  westlichen  Ufer  des  Müritzsees  stellte  die  Ge- 
sellschaft im  gleichen  Zeitraum  eine  schiffbare  Verbindung  mit  dem  Flauer  See  her.  Von 
da  baute  sie  den  Fahrenhorstkanal  (2  Schleusen],  machte  die  Eide  schiffbar  bb  Eidenschleuse 
(5  Schleusen),  stellte  den  Friedrich-Franz-Kanal  (2  Schleusen)  her,  machte  wieder  die  Eide 
schiffbar  bis  Grabow  (4  Schleusen]  und  erreichte  durch  den  Kanal  von  Alt-Fresenbrügge  nach 
Güritz  (2  Schleusen)  schließlich  Eldena,  von  wo  schon  im  16.  Jahrhundert  der  Fluß  bb  zur 
Elbe  bei  Dömitz  notdürftig  schiffbar  gemacht  war  (S.  34).  In  dieser  unteren  Strecke  baute 
die  Aktiengesellschaft  die  nötigen  Kammerschleusen  unter  Einfügung  einer  neuen  Haltung 
(Malliß)  und  verbesserte  das  Fahrwasser.  Alle  diese  Arbeiten  waren  in  der  Hauptsache  bb 
1869,  die  letzten  Verbesserungen  bis  1873  fertig.  Die  ganze  Eidewasserstraße  von  der 
Elbe  bis  zum  Flauer  See  bt  134  km  lang  und  hat  19  Kammerschleusen.  (Die  Strecke  von 
Dömitz  bis  Farchim  bt  später,  im  Jahre  1884,  verbessert  und  für  den  Verkehr  von  Finow- 
schiffen  hergerichtet  worden.)  Der  von  Eldenschleuse  nördlich  zum  Schweriner  See  führende 
20  km  lange  Störkanal  (2  Schleusen)  ist  etwa  im  Jahre  1830  angelegt  worden. 

Diese  beschriebenen  Wasserstaßen,  die  1858  von  den  mecklenburgbchen  Regierungen  über- 
nommen wurden,  haben  niemals  einen  bedeutenden  Verkehr  gehabt.  Vor  der  Entwicklung  der 
Eisenbahnen  befanden  sie  sich  in  einem  ziemlich  dürftigen  Zustande  und  auch  nach  den  Ver- 
besserungen am  Ende  des  19.  Jahrhunderts  waren  ihre  Abmessungen  nicht  genügend,  um  im 
Durchgangverkehr  mit  den  Ebenbahnen  in  einen  erfolgreichen  Wettbewerb  zu  treten.  Für  den 
Ortsverkehr  werden  sie  aber  immer  einen  Wert  behalten. 

Im  Anschluß  an  die  mecklenburgische  obere  HavelwasserstraOe  wurde 
die  preußische  Strecke  der  oberen  Havel  von  Fürstenberg  i.  M.  abwärts  in 
den  Jahren  1866  bis  1868  durch  Aufstau  verbessert,  indem  die  Regowschleuse, 
die  Zaarenschleuse  und  eine  Zahl  von  Durchstichen  angelegt  wurden,  die  zu- 
sammen mit  den  vorhandenen  Schleusen  Bredereiche  und  Zehdenick  (seit 
181 9)  ein  ziemlich  ausreichendes  Fahrwasser  bis  Liebenwalde  schafften.  Von 
hier,  wo  auf  dem  linken  Ufer  der  Finowkanal  (S.  42)  einmündet,  wurden  bis 
Spandau  zur  Erleichterung  des  sehr  lebhaften  Verkehrs  nach  Stettin  eine 
Reihe  größerer  Bauten  ausgeführt,  indem  der  Staat  zur  Umgehung  der  stark 
gekrümmten  seichten  Havel  zwei  Seitenkanäle  anlegte:  Der  Malzer  Kanal 
wurde  1828  von  Liebenwalde  zunächst  bis  Malz  geführt  und  1836  bis  Frie- 
drichstal verlängert.  Er  ist  13,5  km  lang  und  hat  eine  Schleuse  bis  Malz. 
In  den  Jahren  1832  bis  1837  wurde  der  10,1  km  lange  Oranienburger 
Kanal  gebaut,  der  mit  der  Schleuse  Sachsenhausen  (Oranienburg)  aus  der 
Havel  abzweigt  und  unterhalb  der  Schleuse  Pinnow  sie  wieder  erreicht. 

Anschreibungen  über  den  Güterverkehr  auf  der  oberen  Havelwasserstraße  und  dem  Finow- 
kanal liegen  nicht  vor;  aber  über  den  Schiffsverkehr  an  den  Schleusen  sind  Aufzeichnungen 
vorhanden,  die  aber  (wie  schon  bemerkt)  zum  Teil  zu  niedrige  Zahlen  enthalten. 

Man  erkennt  bei  Zehdenick,  wie  in  den  vierziger  Jahren  infolge  der  Eisenbahnen  (und 
auch  der  Kunststraßen)  der  Verkehr  abt;inunt  und  wegen  des  mangelhaften  Zustandes  der  Wasser- 
straße auch  in  späterer  Zeit  nur  sehr  langsam  zunimmt.  Dagegen  lehren  die  Zahlen  von  Ebers - 
walde,  daß  der  Finowkanal  wegen  des  guten  Fahrwassers  in  dem  Wettbewerb  mit  den  Eisen- 
bahnen nicht  unterlegen  ist;  denn  sein  Verkehr  ist  stetig  gewachsen. 

Die  starke  Abnahme  in  dem  Schiffsverkehr  bei  Spandau  vom  Jahre  1846  zum  Jahre  1854 
ist  nicht  nur  auf  die  Eisenbahnen,  sondern  vorzüglich  auf  den  Bau  des  Spandauer  Kanals  zu- 
rückzuführen, der  die  Wasserstraße  der  oberen  Havel  und  die  Havel-Oder-Wasserstraße  unmittel- 
bar mit  Berlin  verbindet  (Schleuse  Plötzensee).  Der  Verkehr  auf  dieser  neuen  Linie  läßt  sich 
aus  der  nachstehenden  Tafel  übersehen. 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870. 


131 


Zahl  der  geschleusten  Schiffe. 


Jahr 


Zehdenick 


Eberswalde 


Spandau 


1800 
1804 
1805 
18x5 
1820 

1837 
184X 

1846 

1854 

1860 

1865 

1869 

1870 

1872 


"39 

1726 
2877 

3562 

4435 
3379 
1463 
1502 

«3x4 
1776 
1746 


5217 
5938 

9297 

12  044 
15  891 

"6599 
17  051 

17639 
16475 

19008 


XO686 
II  844 

"4  547 

20526 
24751 
29606 
19294 
II  469 
12033 
II  192 

9915 


Zahl  der  gc 

:schleu 

sten  S 

►chiffe 

• 

1 

1 

Schleuse  Plötzensee 

Schleuse  Pinnow 

Jahr 

bergwÄrts 

talwärts  I) 

zu- 

bergwärts 

talwärts 

1 

zu- 

beladen     leer 

1  beladen 

1 

leer 

sammen 

beladen 

leer 

beladen 

leer 

sammen 

1 

1860   j 

138 

4391 

"493 

26 

7 

16048 

__ 

.^ 

__ 

_^ 

__ 

1866 

864 

3263 

II  032 

43 

15   202 

2881 

1Ö394 

14  143 

103 

27521 

1869 

1292 

4346 

10956 

51 

16645 

271 1 

II  414 

14864 

53 

29042 

1870 

884 

3798 

10485 

35 

15  202 

2048 

10805 

13474 

43 

26370 

1871 

1025 

43  »9 

II  920 

28 

17292 

2108 

10  016 

12  190 

33 

24347 

Auf  der  Spree-Oder-Wasserstraße  von  Berlin  durch  den  Friedrich- 
Wilhelm-Kanal  (S.  39)  hat  sich  in  diesem  Zeitraum  die  Schiffahrt  nicht  so 
gut  entwickelt  wie  auf  der  Havel-Oder-Wasserstraße  und  dem  Finowkanal. 
Der  Wettbewerb  mit  den  Eisenbahnen  war  nicht  erfolgreich,  weil  namentlich 
das  Fahrwasser  in  der  Spree  und  in  der  Oder  zu  schlecht  war  und  die  Trag- 
fähigkeit der  Schiffe  nicht  ausgenutzt  werden  konnte.  Die  im  Jahre  1835 
von  Berliner  Kaufleuten  für  den  Verkehr  mit  Breslau  gegründete  »OderschifT- 
fahrt-  und  Assekuranzgesellschafl«  mit  80  Schiffen  ist  nach  der  Eröffnung  der 
Eisenbahn  (1846)  wieder  eingegangen. 

Die  an  der  Spree  an  vielen  Stellen  bis  hinauf  nach  Goyatz  (am  süd- 
lichen Ende  des  Schwielochsees)  und  bis  Leibsch  ausgeführten  Arbeiten  zur 
Verbesserung  des  Fahrwassers  blieben  ohne  Erfolg. 

Über  den  Schiffsverkehr  an  den  Schleusen  Fürstenwalde  und  Brieskow  liegen  einige 
Anschreibnngen  vor:  In  Brieskow  sind  im  Durchschnitt  von  1791  bis  1822  jährlich  6232 
Schi£fe  geschleust  worden.    Deren  Zahl  betrug  für  1837:  8337,  für  1841:  7639,  für  1844:  7381 

i)  d  h.  nach  Berlin. 


132 


Abschnitt  IL     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 


und  für  1846:  6980.  Also  schon  vor  Eröffiiung  der  Eisenbahn  ging  der  Verkehr  zurück.  Die 
Schiffahrt  von  Schlesien  (besonders  auch  mit  Kohlen)  zog  den  besseren  Weg  durch  den  Finow- 
kanal  vor.  Für  Fürstenwalde  sind  nachstehend  einige  Angaben  seit  1855  zusammengestellt. 
Auch  da  zeigt  sich  seit  1865  ein  Rückgang  des  Verkehrs. 


Zahl  der  geschleusten  Schiffe. 


Jahr 

bergwärts 
beladen    leer   , 

talwärts 
beladen    leer 

1855 

2638 

1084 

1 

2818 

375 

1860 

241 1 

1699 

2957 

851 

1865 

2392 

1656 

3104 

885 

1868 

2012 

1057 

2471 

621 

1869 

1899 

1029 

2638 

648 

1870 

H79 

IIOO 

2310 

613 

1871 

1439 

1206 

2184 

401 

zusammen 


6897 
7918 
8037 
6161 
6214 
5502 
5230 


In  Goyatz  sind  im  Jahre  1864  noch  260  beladene  Schiffe  eingetroffen.  Von  dort  wurden 
die  Güter  durch  eine  Pferdeeisenbahn  nach  Kottbus  geschafft. 

Die  Storkower  Gewässer  im  Gebiet  der  Spree  wurden  in  der  Zeit  von  1825  bis  1828 
und  von  1862  bis  1865  ausgebaut  und  mit  3  Kammerschleusen  versehen.  Die  33  km  lange 
Wasserstraße  reicht  von  der  Dahme  bis  zum  großen  Scharmützelsee.  Ein  anderer  Nebenfluß 
der  Dahme,  die  Notte  (vgl.  S.  35),  war  im  Jahre  1818  mit  3  neuen  Schleusen  versehen  worden 
und  wurde  später  (1856  bis  1864)  von  einer  Meliorationsgenossenschaft  gerade  gelegt,  wobei  die 
Schleusen  wieder  erneuert  werden  mußten.  Sie  erhielten  43^1  m  Länge  und  5,3  m  Breite.  Auch 
einige  neue  Entwässerungsgräben  wurden  dabei  schiffl>ar  gemacht.  Im  Rhingebiet  wurde  von 
einem  Torfgräbereibesitzer  der  Fehrbelliner  Kanal  mit  der  Schleuse  Hakenberg  angeleg^t  (1866). 

Die  Berliner  Wasserstraßen  hatten  in  dieser  Zeit  einen  stetig  wachsen- 
den Verkehr,  der  auch  nach  der  Eröffnung  der  Eisenbahnen  nach  Frankfurt 
(1842)  und  nach  Stettin  (1843}  sich  nicht  merklich  verminderte.  Da  dieser 
auf  dem  Wege  durch  die  Stadt  von  der  einzigen  dort  befindlichen  Schleuse 
(vgl.  Abb.  5,  S.  39)  nicht  bewältigt  werden  konnte,  wurde  in  der  Zeit  von 
1845  ^^  1B50  der  10,6  km  lange  Land  wehr  k  anal  an  Stelle  eines  bestehen- 
den Vorflutgrabens  gebaut  und  mit  2  Schleusen  (jetzt  50,2  m  lang  und  7,5  m 
breit)  versehen.  1852  wurde  der  2,2  km  lange  Luisenstädtische  Kanal  als 
Seitenkanal  dazu  mit  gleichfalls  2  Schleusen  (nur  5,65  m  breit)  angelegt 

Der  lebhafte  Verkehr  von  Berlin  zum  Finowkanal  gab  femer  Veran- 
lassung, in  den  Jahren  1848  bis  1850  den  Spandauer  Kanal  herzustellen, 
der  von  der  Spree  mit  Umgehung  der  Stadt  Spandau  durch  den  Tegeler 
See  zur  oberen  Havel  führt.  Er  war  12,1  km  lang  und  hatte  bei  Plötzensee 
eine  Schleuse  von  47,5  m  Länge  und  6  m  Breite.  (Später  wurde  dort  noch 
eine  zweite  Kammer  von  43,5  m  Länge  und  7,5  m  Breite  gebaut  und  [1872] 
der  Kanal  durch  den  sogenannten  »VerbindungskanaU  von  3  km  Länge  auf 
näherem  Wege  mit  dem  unteren  Ende  des  Landwehrkanals  verbunden,  um 
die  Spree  zu  entlasten.)  Im  Jahre  1861  wurde  die  Berliner  Stadtschleuse 
neu  in  Stein  erbaut  (50,2  m  lang,  7,5  m  breit). 


5-  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870. 


133 


Über  den  Wasserverkehr  von  Berlin  sind  seit  dem  Jahre  1840  genaue 
Nachrichten  vorhanden.  Im  Jahre  1839  ordnete  der  Generaldirektor  der  Kgl. 
Steuern  eine  Anschreibung  des  Verkehrs  ^  den  beiden  Wassertoren  der  Stadt, 
am  Oberbaum  und  am  Unterbaum  im.  Zu  dem  ersteren  trat  seit  1850 
noch  der  Verkehr  an  der  oberen,  zu  dem  letzteren  der  an  der  unteren  Schleuse 
des  Land wehrkanals.  Seit  1859  ist  zu  dem  letzteren  Verkehr  noch  der  durch 
die  Schleuse  Plötzensee  des  Spandauer  Kanals  hinzugefügt  worden.  (In  den 
Tafeln  nicht  unterschieden.) 

Schiffsverkehr  am  Oberbaum. 


Jiüir 

angekommen 

abgegangen 

durchgefahren 

Gesamter  Schiffsverkehr 

(Durchschnitt) 

[beladen 

leer 

beladen 

leer 

beladen 

leer 

beladen 

leer 

zusammen 

1840 — 1849 

7758 

263 

1 
I  212 

6830 

2  140 

1 

195 

II  HO 

7287 

18397 

1850— 1859 

7367 

352 

X028 

7860 

2320 

271 

;  10  715 

8483 

19  198 

1860—1869 

8978 

371 

720 

9963 

2788 

258 

12486 

10  592 

23078 

1870 

6  888 

316 

710 

8014 

2420 

227 

10018 

8557 

X8575 

1871 

7845 

3"9 

667 

8944 

!    2568 

290 

II 080 

9  553 

20633 

1872 

II  164 

410 

819 

13088 

i  3400 

263 

15389 

13  761 

29  150 

Schiffsverk 

ehr  am  Unterbaum. 

1 
Jahr            ; 

1 
angekommen 

abgegangen 

durchgefahren 

Gesamter  Schiffsverkehr 

^Durchschnitt) 

beladen 

leer 

1 

t  beladen      leer 

beladen !     leer 

beladen 

leer 

zusammen 

1840 — 1849 

13949 

1 

398 

1 

I  III 

12904 

934 

765 

15994 

14068 

30062 

1850— 1859 

15387 

502 

1315 

12  541 

1289 

826 

17  991 

13868 

31  861 

1860— 1869 

19733 

524 

1810 

15007 

»539 

1008 

23082 

»6539; 

39621 

1870 

17  541 

347 

1934 

13  741 

867 

873 

20342 

14  961 

35303 

1871 

18  591 

334 

1895 

14  021 

1028 

928 

1  21  514 

15283 

36797 

1872 

22819 

5«5 

2569 

17426 

I  219 

I  426 

26607 

19367 

45  974 

Die  durchschnittliche  Ladung  der  beladenen  Schiffe  betrug: 
im  Mittel  der  Jahre   1840  bis  1849  =  47     t 
>        >         »       >        1850    »     1859  =  36,5  t 
»        »         »       >        1860    »     1869  =  70     t 
»        »         >       >        1870    »     1872  =  84     t 
Der  gesamte  Güterverkehr  zu  Wasser  (Einfuhr,  Ausfuhr  und  Durch- 
fuhr) betrug  in  Berlin: 

im  Jahre  1840  =  i  178  990  t 

1840  bis  1849  *^  Mittel  =  i  274  940  t 

1850    >     1859    >         »      =  I  620  565  t 

1860    »     1869    »         »      =  2  493  495  t 

im  Jahre  1870  =  2  325  825  t 

>        >       1871  =  2  855  980  t 

»        »       1872  =  3  567  000  t 


134  Abschnitt  H.     Geschichtiicher  Rückblick  bis  1870. 

Der  Güterverkehr  von  Berlin  war  mithin  im  Jahre  1870  größer  als  der  von  Ruhrort  und 
Duisburg  zusammen. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  der  Verkehr  von  Kohlen.  Im  Durchschnitt  der  Jahre  von 
1866  bis  1872  sind  jährlich  zu  Wasser  im  ganzen  141  556  t  Steinkohlen  und  39  811  t  Brannkohlen 
nach  Berlin  gebracht  worden.  Von  den  Steinkohlen  kamen  aus  Schlesien  auf  der  Oberspree 
6570  t  und  aus  Sachsen  auf  der  Unterspree  625  t,  während  von  englischen  Kohlen  93553  t  über 
Stettin  durch  den  Finowkanal  und  40808  t  über  Hamburg  auf  der  unteren  Havel  eingeführt 
wurden.  Von  deutschen  Braunkohlen  sind  (meistens  auf  der  Oberspree)  im  Durchschnitt  30932  t 
und  von  böhmischen  Braunkohlen  (auf  der  Unterspree)  8879  t  nach  Berlin  gebracht  worden. 

Die  Zahl  der  im  Regierungsbezirk  Potsdam  einschl.  Berlin  heimatsberech- 
tigten Schiffe  und  ihre  Tragfähigkeit  ergab  sich: 

Zahl  der  Schüfe     Gesamte  Tragfähigkeit 

im  Jahre  1816  1283  50300  t 

>  >      1846  2881  151552t 

>  »      1858  2964  172760  t 

Für  die  Abmessungen  der  Schleusen  und  damit  auch  für  die  zu- 
lässige Größe  der  Schiffe  im  Gebiet  der  Märkischen  Wasserstraßen  wurde 
eine  Entscheidung  des  zuständigen  Ministers  vom  Jahre  1820  bedeutimgsvolL 
Es  wurde  bestimmt,  daß  hinfort  die  Schleusen  zwischen  Elbe  und  Oder  nur 
fiir  Schiffe  von  38,9  m  (124  Fuß)  Länge  und  4,25  m  (13  7a  FnQ)  Breite  ein- 
gerichtet werden  sollten,  »indem  sich  bei  sorgfaltiger  Ermittelung  aller  Um- 
stände ergeben  habe,  daß  dies  die  größte  Art  von  Schiffgefäßen  sei,  welche 
mit  Nutzen  auf  der  Havel  und  Spree  gebraucht  werden  könne  und  es  drin- 
gend nötig  ist,  der  fortschreitenden  Vergrößerung  ein  Ziel  zu  setzen  <.  Die 
nutzbare  Länge  der  Schleusenkammern  sollte  darum  höchstens  40,8  m 
(130  Fuß)  und  die  lichte  Torweite  wegen  der  mit  Heu  oder  Stroh  beladenen 
Schiffe  5,34  m  (17  Fuß)  betragen.  Für  zweischiffige  Schleusen  sollten  die 
Kammern  gleichfalls  mit  Rücksicht  auf  die  mit  Heu  oder  Stroh  beladenen 
Schiffe  eine  nutzbare  Breite  von  9,42  m  (30  Fuß)  erhalten.  Die  Anordnung 
der  »versetzten«  Häupter,  wobei  die  Schleusentore  nicht  in  der  Mittellinie  der 
Schleuse,  sondern  seitlich  angebracht  waren,  wurde  im  Jahre  18 17  eingeführt. 
Die  vorher  in  der  Mark  gebauten  Schleusen  hatten  sehr  verschiedene  Größen 
und  waren  oft  für  die  gleichzeitige  Aufnahme  von  mehreren  Schiffen  bestimmt. 
Auf  dem  Friedrich- Wilhelm-Kanäle  verkehrten  damals  z.  B.  einige  Oderschiffe 
von  etwa  44  m  Länge  einschl.  des  Steuers  sowie  Schuten  von  5,6  m  bis  6  m 
Breite.     Das  sollte  hinfort  nicht  mehr  zugelassen  werden. 

Es  ist  bemerkenswert,  daß  in  früheren  Zeiten,  wie  oben  erwähnt  wurde, 
gewöhnlich  die  Kaufmannschaft  die  zunehmende  Größe  der  Schiffe  bekämpfte 
und  jetzt  zum  ersten  Male  der  Staat  der  weiteren  Vergrößerung  einen  Riegel 
vorschob.  Die  neuen  Bestimmungen  wurden  seitdem  bei  den  Schleusen  der 
Havel- Oder- Wasserstraße  (Finowkanal  und  Zubehör)  und  der  Spree-Oder- 
Wasserstraße  (Friedrich -Wilhelm -Kanal,  Fürstenwalde)  und  den  Nebenwasser- 
straßen fast  ausnahmslos  genau  befolg^.  Dagegen  hat  man  bald  darauf  bei 
dem  Landwehrkanal,  dem  Spandauer  Kanal,  dem  Flauer  Kanal  und  in  Rathe- 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870.  135 

now  mit  Rücksicht  auf  die  schnell  wachsenden  Eibschiffe  größere  Abmessun- 
gen der  Schleusenkammern  ausgeführt.  Im  Odergebiet  und  auf  den  weiter 
östlich  gelegenen  Wasserstraßen  sind  im  allgemeinen  die  vorerwähnten  Be- 
stimmungen angewendet  worden,  besonders  beim  Bromberger  Kanal,  der 
früher  mit  etwas  größeren  Schleusen  versehen  war. 

Die  Größe  der  Schiffe  auf  den  Märkischen  Wasserstraßen  wuchs  aber 
schnell,  so  weit  es  die  Schleusenabmessungen  zuließen,  und  um  Verkehr- 
störungen zu  vermeiden  (z.  B.  durch  Festklemmen  der  Schiffe  in  den  Toren) 
mußte  die  Regierung  zu  Potsdam  im  Jahre  1845  vorschreiben,  daß  die  Schiffe 
vom  I.  Januar  1853  nicht  größer  sein  dürften,  als  40,2  m  (128  Fuß)  lang  und 
4,6  m  (14 7a  Fuß)  breit.    Dies  ist  das  sogenannte  Finowmaß. 

Auf  der  Oder  hat  sich  in  ihrem  unteren  Laufe  die  Dampfschiffahrt 
ziemlich  früh  entwickelt,  bis  Breslau  ist  der  erste  Dampfer  aber  erst  im  Jahre 
1856  vorgedrungen,  nachdem  in  diesem  Jahre  das  letzte  Wehr  unterhalb 
dieser  Stadt,  bei  Beuthen  (S.  42),  beseitigt  war.  Vor  dieser  Zeit  hat  die 
Erfindung  des  Dampfschiffs  fiir  den  Breslauer  Verkehr  keinen  Aufschwung 
herbeigeführt.  Aber  dank  der  Freiheit  von  allen  Zöllen  und  Abgaben  sowie 
von  jedem  Zunftzwange  hat  sich  die  Schiffahrt  doch  bis  etwa  zum  Jahre  1850 
ziemlich  gut  entwickelt.  Dann  ging  der  Verkehr  infolge  des  Wettbewerbs 
der  Eisenbahn  schnell  zurück,  z.B.  in  Breslau  von  92500t  im  Jahre  1851 
auf  28250  t  im  Jahre  1858. 

Im  Jahre  1864  gingen  durch  die  Breslauer  Unterschleuse  talwärts  804  mit  22201  t  be- 
ladene  und  141  leere  Schiffe ;  bergwärts  gingen  428  mit  1263  t  beladene  und  453  leere  Schüfe. 

Auf  der  oberen  Oder  durch^hren  im  Jahre  1863  die  Schleuse  Brieg  zusammen  IZ26  mit 
29327  t  beladene  Schiffe  und  die  Schleuse  Ohlau  1287  mit  35914  t  beladene  Schiffe. 

Über  die  Größe  der  Schiffe  wird  aus  dem  Jahre  18 19  berichtet,  daß 
solche  von  20  bis  25  t  Tragfähigkeit  für  groß  galten.  Man  unterschied 
> Oberländer«  (oberhalb  Breslau)  von  höchstens  35  m  Länge  und  3,7  m  Breite 
und  »Niederländer«  von  höchstens  39  m  Länge  und  4,4  m  Breite.  Im  Jahre 
1839  soll  es  Schiffe  von  75  t  Tragfähigkeit  gegeben  haben,  allerdings  bei 
einem  Tiefgange  von  1,26  m,  der  nur  selten  ausgenutzt  wurde.  Man  konnte 
in  der  Regel  nvir  mit  einer  zulässigen  Tauchtiefe  von  0,6  m  rechnen. 

Im  Jahre  1870  gab  es  Oderschiffe  von  125  t  Tragfähigkeit,  die  eine 
größte  Länge  von  38,5  m,  eine  Breite  von  4,25  m  und  eine  Seitenhöhe  von 
1,60  m  hatten.  Die  Fortbewegung  geschah  durch  Segeln  oder  durch  Schie- 
ben mit  Stangen,  da  brauchbare  Leinpfade  meistens  nicht  vorhanden  waren. 
Geschleppt  wurde  oberhalb  Frankfurt  sehr  selten. 

Das  Fahrwasser  befand  sich  in  traurigem  Zustande.  Als  Beispiel  sei 
erwähnt,  daß  eine  Kohlenladung,  die  im  November  1834  von  Gleiwitz  ab- 
ging, erst  im  Herbst  1836  in  Breslau  angekommen  ist'].  Das  lag  daran,  daß 
das  Schiff  während  des  ganzen  Jahres  1835  wegen  des  niedrigen  Wasser- 

i)  Festschrift  zur  Jubelfeier  der  Oberschlesischen  Eisenbahn,  1867.  (Aus  Schwabe, 
Die  Entwicklung  der  deutschen  Binnenschiffahrt,  Berlin  1899.) 


136  Abschnitt  n.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Standes  seine  Fahrt  nicht  fortsetzen  konnte  (sondern  »versommern«  mußte). 
Die  Kohlen  wurden  am  Ufer  ausgeladen  und  da  Frühling  und  Sommer  des 
Jahres  1836  wieder  keine  guten  Wasserstände  brachten,  wurden  die  Kohlen 
schließlich  im  Herbst  auf  mehreren  kleinen  Schiffen  nach  Breslau  gebracht. 
Ahnliche  Ereignisse  sind  damals  wohl  oft  voi^ekommen,  zumal  sie  in  be- 
sonders trockenen  Jahren  noch  heute  (z.  B.  1904  und  191 1)  zuweilen  eintreten. 
Früher  wurde  in  solchen  Zeiten  die  Oder,  selbst  in  ihrem  mittleren  Laufe,  so 
seicht,  daß  man  mit  Wagen  an  bestimmten  > Furten  c  sie  durchfahren  konnte, 
was  aus  dem  Jahre  181 9  bestimmt  berichtet  wird. 

Mit  dem  Ausbau  des  Stromes  wurde  nach  den  Freiheitskriegen  von 
der  Staatsreg^erung  fortgefahren,  so  weit  es  die  geringen  verfugbaren  Geld- 
mittel erlaubten-  Die  dabei  zu  beobachtenden  Grundsätze  wurden  18 19  fest- 
gel^t.  Von  der  weiteren  Herstellung  von  Durchstichen  sah  man  ab,  weil 
diese  sich  wohl  für  die  Vorflut,  aber  nicht  für  die  Schiffahrt  als  vorteilhaft 
erwiesen  hatten.  Dagegen  wurde  das  zu  breite  Flußbett  überall  durch  strom- 
auf gerichtete  Buhnen  auf  die  Normalbreiten  eingeschränkt.  Diese  sollten 
anfangs  (bei  Mittelwasser)  bei  Oderberg  57  m  betragen  und  bis  83  m  an  der 
Neißemündung  zunehmen.  Von  da  bis  zur  Weistritzmündung  (unterhalb 
Breslau)  war  eine  von  90  bis  98  m  wachsende  Breite  vorgesehen.  Doch  wurde 
das  Maß  bis  Breslau  etwa  im  Jahre  1850  schon  auf  83  m  vermindert,  um 
bessere  Fahrwassertiefen  zu  erreichen.  Auch  weiter  unterhalb  wurden  die 
zuerst  angenommenen  Breiten  später  teilweise  beschränkt  und  endgültig  auf 
87  m  oberhalb  der  Katzbach,  auf  94  m  an  der  schlesisch -brandenburgischen 
Grenze,  auf  120  m  oberhalb  des  Bobers,  auf  150  m  zwischen  der  Lausitzer 
Neiße  und  der  Warthe  und  auf  188  m  unterhalb  der  Warthe  festgesetzt 

Oberhalb  Glogau  wurde  in  den  Jahren  1844  bis  1848  eine  19  km  lange 
Versuchstrecke  mittels  Buhnen  bei  94  m  Normalbreite  ausgebaut.  Da  die 
Erfolge  zufriedenstellend  waren,  blieb  diese  Bauweise  vorbildlich  für  die  wei- 
teren Arbeiten.  Als  Ziel  der  Verbesserungsarbeiten  wurde  im  Jahre  1859 
die  Herstellung  einer  Fahrwassertiefe  von  0,94  m  unterhalb  und  von 
0,63  m  oberhalb  Breslau  aufgestellt,  bei  Wasserständen  von  etwa  19  und  10  cm 
über  dem  gemittelten  Niedrigwasser,  so  daß  sich  für  diesen  letzteren  Wasser- 
stand die  Ziele  zu  0,75  m  und  0,53  m  ergaben. 

Auf  Drängen  der  an  dem  oberschlesischen  Bergbau  Beteiligten  wurde  im 
Jahre  1867  dem  Landtage  eine  Denkschrift  vorgelegt  und  für  die  vollständige 
Regulierung  des  Stromes  eine  Summe  von  11  Millionen  verlangt,  weil  die 
bis  dahin  bewilligten  Mittel  nicht  ausreichend  waren.  Wenn  auch  bis  dahin 
schon  eine  große  Zahl  von  Buhnen  aus  Faschinen  nicht  nur  vom  Staate,  son- 
dern auch  von  den  Uferbesitzern  angelegt  war,  so  waren  die  Erfolge  doch 
nicht  von  Dauer,  weil  die  Werke  ohne  widerstandsfähige  Steinköpfe  in  kurzer 
Frist  verfielen  und  verschwanden. 

Von  der  Warthe  kam  der  größere  Teil  erst  im  Jahre  1793  anter  preußische  Herrschaft 
und  war  damals   in  sehr  verwildertem  Zustande.     Schon    im  Jahre   darauf   wurden   Verbesse- 


5-  Von  der  Erfmdong  des  Dampfschiffs  bis  1870.  137 

nmgsarbeiten  begonnen,  aber  erst  seit  1819  nachdrücklich  betrieben.  Auch  hier  hatte  man  es 
zunächst  mit  Durchstichen  versucht,  die  jedoch  während  der  polnischen  Herrschaft  von  1807  ^^^ 
1815  zu  neuen  Verwilderungen  gefuhrt  hatten,  und  man  ging  deshalb  zu  Buhnenbauten  über. 
Die  schlechteste  Strecke  war  oberhalb  der  Stadt  Posen;  aber  überall  im  Strome  war  das  Fahr- 
wasser durch  Steine,  Baumstämme  und  alte  Wehrreste  behindert.  Bis  zum  Jahre  1830  wurden 
die  noch  vorhandenen  Wehre  {2  oberhalb  und  i  unterhalb  Posen)  beseitigt  und  in  der  Zeit  von 
1839  bis  1847  besonders  bei  Schwerin  große  Verbesserungen  (Geradelegungen  und  Beseitigung 
der  Fischwehre)  ausgeführt. 

Die  besonders  aus  Rußland  kommende  Schiffahrt  soll  trotz  dieser  Hindemisse  nicht  uner- 
heblich gewesen  sein,  wurde  aber  in  der  Regel  nur  bei  höheren  Wasserständen  betrieben.  In- 
folge der  Verbesserungen  konnten  1865  bei  mittlerem  Sommerwasser  Schiffe  von  0,68  m  Tief- 
gang mit  50  t  Ladung  aufwärts  bis  Posen  gelangen.  Der  Verkehr  im  Jahre  1868  wird  dort 
auf  2500  Schiffe  angegeben.  Der  untere  in  der  Mark  Brandenburg  gelegene  Teil  des  Stromes 
war  in  besserem  Zustande  und  die  Einmündung  in  die  Oder  war  schon  1786  verbessert  worden 
(S.  41).  Im  Jahre  1869  wurde  dem  Landtage  eine  Denkschrift  überreicht  und  um  Bewilligung 
von  etwa  2,5  Millionen  Mark  zum  Ausbau  des  Stromes  gebeten.  Mit  der  Eröffnung  der  Eisen- 
bahn von  Frankfurt  nach  Posen  (1870)  ging  die  Schiffahrt  zurück. 

Die  gleichfalls  sehr  verwilderte  Netze  bekam  durch  den  Bromberger  Kanal  (S.  44)  seit 
1774  einen  lebhaften  Schiffahrtverkehr,  der  aber  durch  die  unaufhörlichen  Krümmungen  und  viele 
andere  Hindemisse  im  Fahrwasser  arg  zu  leiden  hatte.  Sehr  störend  waren  besonders  die  Mühlen- 
wehre bei  Ciszkowo,  Pianowko  und  Guhren,  die  einen  Stau  von  je  etwa  0,5  m  und  nur  eine 
Wehrlücke  von  15  m  Breite  hatten,  so  daß  die  Schiffe  mittels  einer  Winde  gegen  die  Strö- 
mung hinaufgezogen  werden  mußten.  In  den  Jahren  1841  und  1842  wurden  diese  Wehre  be- 
seitigt. Mit  den  zur  Verfügfung  stehenden  geringen  Geldmitteln  konnte  der  Strom  nicht  unter- 
halten, sondern  mußte  sich  selbst  überlassen  werden,  so  daß  er  namentlich  in  der  Nähe  von 
Nakel  immer  neue  störende  Krümmungen  bildete,  während  die  wenigen  Buhnen  und  anderen 
Werke  verfielen. 

Mit  dem  Bau  der  Eisenbahnen  ging  der  Schiffsverkehr  sowohl  auf  der  Netze  wie 
auf  der  ganzen  Oder -Weichsel -Wasserstraße  zurück,  während  dagegen  der  Flößereibetrieb  mit 
rassischem  Holz  einen  mächtigen  Aufschwung  nahm.  Dieser  bewirkte  wieder  eine  um  so 
schnellere  Zerstörang  der  Ufer  und  der  schwach  gebauten  Schutzwerke.  Die  Dampfschi  ff - 
fahrt  konnte  sich  auf  der  Netze  und  dem  Bromberger  Kanal  nicht  entwickeln;  aber  auf  der 
unteren,  12  km  langen  Brahe  bildete  sich  1869  eine  Ketten  Schiffahrtgesellschaft,  um  die 
Holzflöße  von  der  Mündung  in  die  Weichsel  stromaufwärts  nach  Bromberg  und  bis  zum  Anfang 
des  Kanals  zu  schleppen.  Der  Betrieb  wurde  1870  eröffnet  und  hat  sich  als  zweckmäßig  und 
vorteilhaft  erwiesen. 

Die  Weichsel  war  in  Preußen  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  noch  viel 
mehr  verwildert  als  alle  anderen  Ströme:  sie  floß,  in  viele  Arme  geteilt, 
zwischen  Inseln  und  wandernden  Sandbänken  und  wirkte  bei  jedem  Hoch- 
wasser verheerend  auf  die  angrenzenden  Ländereien.  Im  Jahre  1830  wurde 
der  erste  Entwurf  zur  Bändigung  und  Regelung  des  Stromes  aufgestellt.  Dabei 
wurde  eine  Normalbreite  von  377  m  (100  Ruten)  für  die  ungeteilte  Weichsel 
angenommen,  wovon  bei  der  Teilung  ein  Drittel  auf  die  Nogat  und  zwei 
Drittel  auf  die  geteilte  Weichsel  fallen  sollten.  Die  Arbeiten  begannen  im 
Jahre  1834,  mußten  aber  auf  die  Absperrung  der  vielen  Seitenarme  und  die 
Herstellung  der  dringendsten  Uferbefestigungen  beschränkt  werden. 

Bei  einer  Eisverstopfung  im  Jahre  1 840  bildete  sich  der  Strom  eine  neue 
Mündung  in  die  Ostsee  bei  Neufähr,  wodurch  der  Danziger  Arm,  der  bis 
dahin  bei  Neufahrwasser  ausmündete,  sein  Gefälle  verlor  (»Tote«  Weichsel) 
und  an  der  Abzweigung  vom  Hauptstrome  durch  die  Schleuse  Plehnendorf 
abgeschlossen  wurde. 


138  Abschnitt  TL     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Infolge  dieses  Darchbruchs  und  des  veränderten  GeflÜles  waren  in  dem  nach  Osten  ab- 
zweigenden Weichselarme,  der  Elbinger  Weichsel,  so  starke  Versandungen  eingetreten,  daß  die 
Schiffahrt  nach  Elbing  und  zum  Frischen  Haff  ganz  unterbrochen  wurde.  Es  wurde  deshalb  in 
den  Jahren  1846  bis  1850  der  Weichsel- Haff- Kanal  gebaut,  der  von  Rothebude  an  der 
Weichsel  nach  Plathenhof  am  Tiegeflusse  und  von  da  nach  Stobbendorf  am  Frischen  Haff  fuhrt. 
Er  ist  20  km  lang  und  hat  2  Schleusen  von  40,3  m  Länge  und  6,28  m  Breite.  Der  Verkehr 
durch  diesen  Kanal,  der  Danzig  mit  Elbing  und  Königsberg  verbindet,  hat  sich  gut  entwickelt. 
Namentlich  fuhren  dort  viele  Haffschiffe,  sogenannte  kurische  Reisekähne,  Jachten  und  Lommen. 
Auch  Dampfschiffe  verkehrten  schon  frühzeitig  auf  dieser  Linie.  In  den  Jahren  1873  bis  1875 
sind  durchschnittlich  jährlich  3914  Segelschiffe  und  471  Dampfschiffe  durch  die  Schleuse  Rothe- 
bude gefahren.     Die  Segelschiffe  hatten  eine  Tragfähigkeit  bis  zu  125  t. 

Da  die  geteilte  Weichsel  immer  mehr  versandete  (zumal  sie  ziemlich 
enge  eingedeicht  war)  und  die  Nogat  sich  allmählich  zum  Hauptstrom  auszu- 
bilden schien,  wurde  die  Teilung  von  der  Montaner  Spitze  (durch  den 
Weichsel-Nogat-Kanal)  im  Jahre  1853  um  4  km  abwärts  nach  Pieckel  verlegt, 
um  der  Nogat  weniger  Wasser  zuzuführen.  Dadurch  wurde  auch  der  starke, 
gefahrliche  Eisgang  mehr  in  den  Hauptstrom  gezogen.  Im  Jahre  1856 
wurde  in  beiden  Mündungsarmen  mit  dem  Bau  vieler  Buhnen  begonnen. 

Der  Schiffahrtverkehr  konnte  sich  wegen  des  schlechten  Fahrwassers 
nicht  entwickeln  und  der  Handel  suchte  wenigstens  innerhalb  Preußens  die 
allmählich  ausgebauten  Land-  und  Kunststraßen  auf.  Lebhaft  war  aber  der 
Verkehr  mit  russischem  Getreide,  das  allerdings  nur  bei  günstigen  Wasser- 
ständen vorteilhaft  befördert  werden  konnte.  Dazu  wurden  oft  russische 
Schiffe,  >  Wittinnen  €,  benutzt,  die  leicht  gebaut  und  nur  für  eine  Talfahrt  be- 
stimmt waren,  nach  deren  Beendigung  sie  in  Danzig  verkauft  oder  zerschlagen 
wurden.  Sie  hatten  bis  zu  150  t  Tragfähigkeit  bei  einer  Länge  von  etwa 
50  m,  einer  Breite  von  5,6  m  und  einem  Tiefgange  von  1,4  bis  1,5  m.  Die 
preußischen  Weichselschiffe  waren  kleiner  und  hatten  nur  eine  Tragfähigkeit 
von  IOC  bis  125  t.  Sie  pflegten  in  der  Regel  im  Monat  August  von  Danzig 
leer  hinauf  nach  Rußland  zu  fahren,  dienten  dort  den  Winter  über  als  Speicher 
und  kehrten  mit  Getreide  tief  beladen  im  Frühjahr  bei  hohem  Wasserstande 
nach  Danzig  zurück.  Es  wurde  gewöhnlich  nur  eine  Reise  jährlich  unter- 
nommen. Bei  niedrigen  Wasserständen  war  die  Fahrt  beladener  Schiffe  kaum 
möglich.  Aus  dem  Jahre  1828  wird  berichtet,  daß  diese  bei  solchen  Wasser- 
ständen von  Thorn  bis  Danzig  zwei  bis  drei  Monate  gebrauchten. 

Die  Fortbewegung  geschah  vorwiegend  durch  Segeln,  da  es  an  brauch- 
baren Leinpfaden  mangelte.  Der  Dampfschiffverkehr  war  gering,  geschleppt 
wurde  gar  nicht.  Nach  den  Anschreibungen  sind  berg-  und  talwärts  über 
die  russische  Grenze  gegangen: 

im  Jahre  1846:  bergwärts     428,  talwärts     805,    zusammen  1233  Segelschiffe 
>       >       1856:  *  —  »  —  >  1976  » 

und  39  Dampfer, 

»       »       1875:  >         1032,         >         1605,  »  2637  Segelschiffe 

und  27  Dampfer. 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870.  139 

Von  diesen  Schiffen  hat  aber  ein  Teil  seinen  Weg  durch  den  Bromberger 
Kanal  nach  Westen  genommen. 

Der  Elbing-Oberländische  Kanal  wurde  in  den  Jahren  1844  bis  1860  erbaut'), 
um  Elbing  mit  den  vier  oberländischen  Städten  Liebemühl,  Osterode,  Deutsch-Eylau  und  Saal- 
feld zu  verbinden.  Das  Unternehmen  war  schon  im  Jahre  1825  angeregt  worden,  hatte  aber 
große  technische  Schwierigkeiten,  weil  eine  Höhe  von  rund  100  m  zu  ersteigen  war.  Es  wurde 
darum  die  Ausführung  geneigter  Ebenen  von  je  etwa  20  m  Höhe  beschlossen,  auf  denen  die 
Kanalschiffe  trocken  mittels  eines  Wagens  von  einer  Haltung  in  die  andere  befördert  wurden. 
Solcher  Ebenen  wurden  4  erbaut  und  außerdem  noch  5  Kammerschleusen,  an  deren  Stelle 
später  eine  fünfte  geneigte  Ebene  trat.  Die  ganze  Wasserstraße  hatte  vom  Drausensee  bis  Liebe- 
mühl  eine  Länge  von  52  km,  von  da  bis  Saalfeld  34,  bis  Osterode  und  Baarwiese  30  km, 
zusammen  also  116  km,  von  denen  etwa  44  km  auf  Kanäle  und  der  Rest  zum  größten  Teil  auf 
Seestrecken  fielen.  Die  Schiffe  waren  24,5  m  lang  und  3  m  breit.  Wegen  der  Schiffswagen 
durften  sie  nur  mit  50  t  beladen  werden.  Das  Fahrwasser  war  mindestens  1,26  m  tief.  Die 
Fortbewegung  geschah  in  den  Kanälen  durch  Pferdetreidelei,  während  das  Segeln  nur  in  den 
Seestrecken  erlaubt  war. 

Der  Gesamtverkehr  auf  der  Wasserstraße  hat  im  Jahre  1878  (berg-  und  talwärts)  44210  t 
betragen,  soll  aber  vor  dem  Bau  der  Thom — Insterburger  Eisenbahn  größer  gewesen  sein.  Es 
wurde  vorwiegend  Getreide  talwärts  befördert. 

Auf  der  Pregel-Memel-Wasserstraße  von  Königsberg  durch  Pregel 
und  Deime  nach  Labiau  und  von  dort  entweder  über  das  Kurische  Haff  oder 
durch  den  Friedrichsgraben  (S.  46),  den  Seckenburger  Kanal  und  die  Gilge 
nach  dem  Memelstrom,  nach  Tilsit  und  zur  russischen  Grenze  bei  Schmalle- 
ningken  hat  sich  die  Schiffahrt  in  diesem  Zeitraum  im  allgemeinen  günstig 
entwickelt.  Sehr  lebhaft  war  der  Ortsverkehr,  nicht  nur  in  der  Nähe 
von  Königsberg,  dessen  Seehandel  damals  in  Blüte  stand,  sondern  auch 
bei  den  kleineren  Orten,  namentlich  im  Memeldelta,  weil  brauchbare  Land- 
straßen dort  nur  sehr  langsam  entstanden.  Zum  Teil  hatten  die  Wasser- 
straßen, z.  B.  die  Haffe,  auch  eine  genügende  Tiefe,  so  daß  neben  den  eigent- 
lichen Flußschiffen  besonders  die  Haffschiffe  {kurische  Reisekähne)  mit  größerem 
Tiefgang  ungehindert  verkehren  konnten.  Dies  war  auch  der  Grund,  daß  die 
Dampfschiffahrt  sich  verhältnismäßig  früh  entwickelt  hat.  Schon  im  Jahr  1840 
verkehrten  dort  Dampfschiffe  und  1850  bestanden  regelmäßige  Dampferlinien 
für  Personen-  und  Güterbeförderung  zwischen  Königsberg,  Tapiau  und  Tilsit, 
die  recht  einträglich  waren.  Auch  zwischen  Tilsit,  Schmalleningken  und 
Kowno  in  Rußland,  sowie  zwischen  Tilsit,  Ruß  und  Memel  wurden  solche 
Verbindungen  eingerichtet. 

Auf  dem  unteren  Pregel  sollen  gegen  Ende  der  sechziger  Jahre  zwischen 
Königsberg  und  Tapiau  jährlich  etwa  6000  Schiffe  verkehrt  haben.  Selbst  auf 
dem  oberen  Pregel  zwischen  Tapiau  und  Insterburg,  wo  die  Fahrt  allerdings 
durch  sehr  schlechtes  Fahrwasser  und  die  ungenügende  Schleuse  bei  Bubainen, 
die  nur  Schiffe  von  27  m  Länge  imd  6,1  m  Breite  durchfahren  konnten,  stark 
behindert  wurde,  war  der  Verkehr  ziemlich  lebhaft.  Von  Insterburg  sollen  im 
Jahre  1857  talwärts  17000  t,  im  Jahre  1861  20000  t,  im  Jahre  1863  12000  t 
und  im  Jahre  1871   9000  t  Güter  abgegangen  sein.     Der  starke  Rückgang, 

I)  Zeitschrift  für  Bauwesen  1861. 


140  Abschnitt  11.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

der  später  noch  bedeutender  wurde,  ist  auf  die  Eröffnung  der  Eisenbahn  zu- 
rückzufuhren. 

Die  Arbeiten  zur  Verbesserung  des  Fahrwassers  haben  am  unteren  Pregel 
schon  1817  begonnen.  Es  wurden  Buhnenbauten,  Durchstiche  und  Bagge- 
rungen ausgeführt,  durch  die  eine  Fahrwassertiefe  von  1,5  m  bei  mittlerem 
Niedrigwasser  erreicht  werden  sollte.  Am  oberen  Pregel  führte  man  von 
1848  bis  1850  ähnliche  Bauten  aus  und  wollte  eine  Fahrwassertiefe  von 
1,1  m  erzielen,  was  jedoch  nur  zum  Teil  gelungen  ist.  Der  Unterdrempel 
der  Bubainer  Schleuse  lag  nur  0,44  m  unter  N.W.,  bildete  also  ein  schlimmes 
Hindernis. 

Am  Memelstrom»  und  zwar  an  seinem  linken,  südlichen  Mündungsarm, 
der  Gilge,  die  für  den  Verkehr  mit  dem  Westen,  namentlich  mit  Königs- 
berg, besondere  Bedeutung  hat,  wurden  die  ersten  Verbesserungen  der  sehr 
gekrümmten  Fahrstraße  in  der  Zeit  von  161 3  bis  161 7  auf  Betreiben  der 
Königsberger  Kaufleute  vorgenommen.  Damals  wurde  in  diesem  Strom  ein 
13  km  langer  Durchstich  von  Sköpen  nach  Lappienen  ausgeführt.  Später 
wurden  auch  mehrere  Seitenarme  abgeschlossen  (16 18  bis  1620  die  Schalteik, 
1752  die  Alge  und  Kauke).  Die  Schwierigkeiten  an  der  Teilungspitze  bei 
Schanzenkrug  waren  ähnlich  wie  bei  der  Weichsel.  Um  dem  rechten  Mün- 
dungsarm, dem  Rußstrom,  den  größeren  Teil  des  Eisganges  zuzuführen, 
dem  Gilgestrom  aber  im  Sommer  eine  genügende  Wassertiefe  zu  sichern, 
wurde  die  Teilungstelle  im  Laufe  des  18.  Jahrhunderts  mehrfach  durch  er- 
hebliche Bauausführungen  verändert.  Schließlich  wurde  die  Teilung  um  etwa 
4  km  stromaufwärts  von  Schanzenkrug  nach  Kallwen  verlegt  (1847  bis  1853), 
wo  sie  sich  noch  heute  befindet.  Ähnliche  Schwierigkeiten  ergaben  sich  beim 
Orte  Ruß,  wo  der  Rußstrom  sich  wieder  in  zwei  Arme,  Skirwith  und  At- 
math  teilt.  Dort  waren  mancherlei  Anlagen  erforderlich,  um  den  nördlichen 
Arm,  die  Atmath,  als  Hauptstrom  auszubilden.  Durch  diesen  geht  die  Fahr- 
straße nach  dem  Kurischen  HafTe  und  nach  Memel. 

Im  ungeteilten  Memelstrom  waren  bis  zum  Anfange  des  19.  Jahrhunderts 
noch  gar  keine  Arbeiten  zur  Verbesserung  seiner  Schiflfbarkeit  ausgeführt 
worden.  Es  wurde  wohl  1801  ein  allgemeiner  Bauplan  aufgestellt,  aber  die 
bis  1840  ausgeführten  wenigen  Uferschutzwerke  waren  ohne  Bedeutung.  Von 
dieser  Zeit  an  wurde  bis  zum  Jahre  1870  eine  große  Zahl  von  Buhnen 
und  anderen  Strombauten  ausgeführt.  Dabei  wurde  für  die  Strecke  von 
der  russischen  Grenze  bei  Schmalleningken  bis  zur  Einmündung  der  Szes- 
zuppe  eine  Normalbreite  von  226  m  (60  Ruten)  und  für  die  untere  Strecke 
bis  Kallwen  eine  solche  von  241  m  (64  Ruten)  zugrunde  gelegt.  Besondere 
Erfolge  wurden  durch  diese  Arbeiten  nicht  erzielt ;  ebensowenig  am  Rußstrom 
und  noch  weniger  an  der  Gilge,  wo  man  in  ähnlicher  Weise  im  Jahre  1853 
mit  Buhnenarbeiten  begann. 

Schon  früher  ist  über  den  Friedrichsgraben  berichtet  (S.  46),  der  die  Gilge 
mit  Umgehung  des  Kurischen  Haffs  mit  der  Deime  und  dem  Pregel  verbindet. 


5.  Von  der  Erfindung  des  DampfschiSis  bis  1870.  141 

In  den  Jahren  1833  bis  1835  wurde  der  nördliche  Teil,  der  »kleine«  Friedrichs- 
grraben,  durch  den  etwa  5  km  langen  Seckenburger  Kanal  ersetzt.  Dieser 
schleusenlose  Kanal  wurde  zunächst  nur  18,8  m  breit  hergestellt  und  durch 
die  Strömung  allmählich  bis  auf  52,7  m  verbreitert.  Dann  befestigte  man  im 
Jahre  1857  seine  Ufer. 

Der  Verkehr  auf  dem  Memelstrom  war  ähnlich  wie  auf  der  Weichsel. 
Aus  Rußland  kamen  die  Wittinnen  mit  Getreide  beladen  und  gingen  meistens 
bis  Königsberg.  Aber  auch  nach  Memel  war  ein  ziemlich  reger  Verkehr. 
Von  preußischen  Schiffen  verkehrten  die  haiftüchtigen  kurischen  Reisekähne 
und  die  schwach  gebauten,  offenen  Boidacks.  Sehr  bedeutend  war  die  Holz- 
flößerei. Verkehrsanschreibungen  sind  aus  älterer  Zeit  nicht  bekannt  geworden. 
Im  Jahre  1864  haben  4733  Schiffe  und  1209  Flöße  die  Tilsiter  Schiffbrücke 
durchfahren;  1875  sollen  in  Tilsit  42853  t  angekommen  und  363250  t  abge- 
gangen sein.  Im  Jahre  1876  sind  durch  die  Tilsiter  Schiffbrücke  59642  t  zu 
Berg  und  1 19922  t  zu  Tal  (ohne  die  Flöße)  gegangen.  Über  die  russische 
Grenze  sind  in  demselben  Jahre  169850t  Güter  und  472000  t  Holzflöße  ge- 
gangen. Ein  Dampfschleppbetrieb  bestand  bis  1870  auf  dem  Strom  nicht. 
Die  Eisenbahnen  haben  in  dieser  Zeit  den  Verkehr  nur  wenig  beeinflußt. 

Kurz  vor  der  Einmiindimg  in  das  Kurische  Haff  nimmt  der  Atmathstrom  von  rechts  den 
Nebenfluß  Minge  auf,  die  in  den  Jahren  1863  bis  1873  durch  den  25  km  langen  König- 
Wilhelm-Kanal  mit  dem  Memeler  Hafen  verbunden  wurde,  um  mit  Umgehung  des  Kurischen 
Hai&  die  Memelwasserstraße  mit  der  Sadt  Memel,  besonders  für  die  russischen  Flöße,  zu  ver- 
binden. Nahe  bei  der  Abzweigung  des  Kanals  aus  der  Minge  ist  der  Kanal  bei  Lankuppen  durch 
eine  157  m  lange  und  um  breite  Schleuse  abgeschlossen. 

Auf  der  Donau  wurden  die  ersten  Versuche  mit  einem  Dampf- 
schiffe im  Jahre  18 17  gemacht  Zuerst  baute  der  aus  Esseg  gebürtige 
Anton  Bernhard  nach  eigenen  Plänen  in  Wien  ein  Dampfschiff  »Carolina«, 
das  im  März  181 7  die  erste  Versuchsfahrt  machte.  Es  wird  berichtet,  daß 
Bernhard  im  Juli  181 8  mit  einer  Ladung  von  20  t  bergwärts  mit  einer  Ge- 
schwindigkeit von  3,5  km,  talwärts  mit  einer  solchen  von  15  km  je  Stunde 
gefahren  ist.  Ebenso  schnell  soll  er  ein  mit  45  t  beladenes  Anhängeschiff 
bergwärts  geschleppt  haben.  Die  Fahrt  von  Wien  nach  PreOburg  (61  km) 
legte  das  Schiff  in  3  Stunden  zurück,  eine  Fahrt  von  Budapest  aufwärts  nach 
Komorn  (120  km)  mit  einem  Anhängeschiff  von  30  t  Ladung  in  71  Stunden. 
Bernhard  bekam  ein  Privilegium  für  die  Donau  und  ihre  Nebenflüsse;  die 
von  ihm  beabsichtigte  Gründung  einer  Aktiengesellschaft  scheint  aber  nicht 
gelungen  zu  sein'). 

Gleichzeitig  wurde  in  Wien  von  einem  Franzosen  Leon  ein  Dampfschiff 
>Duna«  gebaut  und  im  Jahre  18 18  in  Betrieb  gesetzt.  Es  soll  eine  Wasser- 
verdrängung von  50  t  gehabt  haben  und  war  größer  als  das  Schiff  von  Bern- 
hard.   Im  Herbst  1818  fuhr  es  von  Budapest  aufwärts  bis  Komorn,  wozu  es 


I)  y.  Gonda,  Die  ungarische  SchüTahrt     Budapest  1899. 


142  Abschnitt  IL     Geschichtiicher  Rückblick  bis  1870. 

5  Tage  brauchte.  Auch  dieser  Unternehmer  erhielt  eine  Genehmigung  zur 
Schiffahrt,  hat  aber  keinen  dauernden  Erfolg  erreichen  können. 

Das  gelang  erst  den  beiden  Engländern  Andrews  und  Prichard,  die  im 
Jahre  1828  ein  neues  ausschließliches  Privilegium  zur  Befahrung  der  Donau 
und  ihrer  Nebenflüsse  in  Österreich- Ungarn  bis  zum  Ende  des  Jahres  1880 
erhielten.  Sie  gründeten  im  Jahre  1829  die  »Erste  k.  k.  privilegierte  Donau- 
Dampfschiffahrt-Gesellschaft«,  die  noch  heute  besteht.  Der  Kaiser,  sowie  die 
Mitglieder  der  kaiserlichen  Familie,  Fürst  Metternich  und  andere  Staatsmänner 
und  Vertreter  der  Handelswelt  erwarben  die  ersten  Aktien.  Der  Staat  über- 
nahm eine  Zinsgarantie,  zunächst  bis  1880,  und  leistete  später  erhebliche 
Zuschüsse  von  verschiedener  Höhe. 

Im  Jahre  1830  machte  das  Dampfschiff  »Franz  I.«  (mit  in  England  von 
Bulton  und  Watt  gebauter  Maschine]  die  erste  Fahrt  von  Wien  nach  Buda- 
pest (291  km).  Die  Talfahrt  dauerte  14  Stunden  15  Minuten,  die  Bergfahrt 
nach  Wien  zurück  48  Stunden  20  Minuten.  Durch  diese  Gesellschaft  wurde 
die  Donauschiffahrt  wesentlich  gefordert. 

Auf  Veranlassung  des  baierischen  Königs  Ludwig  I.  bildete  sich  im 
Jahre  1837  in  Regensburg  die  »Baierisch- Württembergische  Donau -Dampf- 
schiffahrtgesellschaft«,  die  von  beiden  Staaten  mit  Privilegien  ausgestattet 
wurde.  Es  war  die  Befahrung  der  Donau  von  Ulm  bis  Linz  beabsichtigt; 
allein  der  mangelhafte  Zustand  des  Fahrwassers  führte  sehr  schnell  dazu, 
den  Verkehr  auf  die  Strecke  Regensburg-Linz  zu  beschränken.  Infolgedessen 
entstand  1844  eine  besondere  »Ulmer  Aktiengesellschaft  für  Dampf-  und 
Ruderschiffahrt«.  Aber  beide  Unternehmungen  hatten  keinen  wirtschaftlichen 
Erfolg. 

Als  der  Ludwigkanal  (S.  112)  fertig  gestellt  war,  entschloß  sich  1846  der 
baierische  Staat,  das  baierische  Unternehmen,  bestehend  aus  4  Dampfern 
und  einer  Schiffwerft,  zu  erwerben  und  zu  erweitern.  Im  Jahre  1858  bestand 
es  aus  II  Personenschiffen,  4  Schleppdampfern  und  19  Lastschiffen.  Mit 
besonders  flach  gebauten  Schiffen  wurde  auch  der  Verkehr  zwischen  Regens- 
burg und  Donauwörth  unterhalten.  Mit  der  österreichischen  Gesellschaft 
einigte  man  sich  fiir  die  Strecke  von  Passau  bis  Linz  dahin,  daß  diese  den 
Schleppdienst,  die  baierische  aber  den  Personendienst  besorgte.  Nachdem 
durch  den  Staatsvertrag  von  1857  (S.  87)  die  Freiheit  der  Donauschiffahrt 
entschieden  war,  hörte  diese  Vereinbarung  auf  und  die  baierische  Gesell- 
schaft litt  sehr  unter  dem  Wettbewerb  der  österreichischen.  Dazu  kam,  daß 
im  Jahre  1860  die  Eisenbahn  Passau -Regensburg  eröffnet  wurde  und  der 
baierischen  Schiffahrtgesellschaft  noch  mehr  Einnahmen  entzog.  Auch  der 
i86i  imternommene  Versuch,  den  Schleppbetrieb  bis  Budapest  auszudehnen, 
brachte  keinen  wirtschaftlichen  Erfolg.  Der  baierische  Staat  hatte  überhaupt 
aus  dem  Unternehmen  bis  dahin  keine  Überschüsse  erzielt  und  entschloß  sich 
darum  1862,  es  an  die  österreichische  Gesellschaft  zu  verkaufen.  Diese  ver- 
pflichtete sich,  den  Betrieb  bis  Donauwörth  wenigstens  so  lange  aufrecht  zu 


i862 

1874 

'35 

203 
17890 

529 
S7i,7 

729 
1188,8 

5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870.  143 

erhalten,  bis  die  Eisenbahn  von  Regensburg  dahin  fertig  gestellt  sein  würde. 
Als  dies  im  Jahre  1874  eintrat,  stellte  die  Gesellschaft  den  Betrieb  auf  der 
Strecke  Regensburg-Donauwörth  ein'). 

Die  erste  Donau-Dampfschiffahrtgesellschaft  hat  sich  schnell  entwickelt  und 
ihren  Betrieb  bis  zum  Schwarzen  Meere  ausgedehnt.    Nachstehende  Angaben  zeigen  ihr  Wachstum: 

in  den  Jahren:  1851 

Zahl  der  Flußdampfer.    ...  51 

Summe  der  Pferdestärken  .    .  5561 

Zahl  der  Lastschiffe    ....  200 

Beförderte  Güter  in  Tausend  t  216,5 

Unter  den  203  Dampfern  im  Jahre  1874  befanden  sich  viele  unbrauchbare,  die  beim  An- 
kauf anderer  Gesellschaften  übernommen,  später  aber  wieder  verkauft  wurden.  In  späterer  Zeit, 
1880  bis  1900,  betrug  die  Zahl  der  Dampfer  gewöhnlich  180  bis  190  mit  16000  bis  17000 
Pferdestärken.  Im  Jahre  1909  besaß  die  Gesellschaft  136  Dampfer  mit  5836$  Indizierten  Pferde- 
stärken, 827  Lastschiffe  und  24  Leichterschiffe,  zusammen  851  Lastschiffe  mit  einer  gesamten 
Tragfähigkeit  von  442249  t. 

Der  Personenverkehr  erreichte  ohne  den  Ortsverkehr  'z.B.  in  Budapest)  die  größte 
Zahl  von  rund  1,8  Millionen  jährlich  beförderter  Personen  im  Jahre  1887;  dann  nahm  er  ab 
und  betrug  1898  nur  noch  0,5  Millionen. 

Die  im  Jahre  1869  zwischen  Wien  und  Preßburg  versuchte  Ketten  Schiffahrt  bewährte 
sich  nicht. 

An  der  baierischen  Donau  wurde,  abgesehen  von  den  älteren  früher 
(S.  66)  erwähnten  Arbeiten,  im  Jahre  1837  mit  der  Verbesserung  des 
Stromes  begonnen  und  man  setzte  für  das  Mittelwasserbett  Normalbreiten 
fest,  die  von  Ulm  mit  75,9  m  bis  zum  Inn  auf  175,1  m  wachsen  und  unter- 
halb der  Innmündung  233,5  m  betragen  sollten.  Als  der  Ludwigkanal  fertig 
war,  wurden  zwischen  seiner  Einmündung  bei  Kehlheim  und  Regensburg  im 
Jahre  1845  einige  Durchstiche  ausgeführt;  aber  diese  Arbeiten  reichten  nicht 
aus,  um  bis  zu  dieser  Stadt  ein  genügendes  Fahrwasser  für  die  KanalschifTe 
zu  schaffen.  Bei  Regensburg  selbst  bietet  die  alte  steinerne  Brücke  mit 
ihren  kleinen  Öffnungen  und  dicken  Pfeilern  das  größte  Hindernis  für  eine 
durchgehende  Schiffahrt.  In  der  Strecke  bis  Passau  befand  sich  femer  eine 
sehr  gefahrliche  Felsenstrecke  zwischen  Hofkirchen  und  Vilshofen,  die  nur 
bei  höheren  Wasserständen  mit  beladenen  Schiffen  durchfahren  werden  konnte. 

Trotz  des  schlechten  Fahrwassers  hat  auf  der  baierischen  Stromstrecke 
am  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  eine  nicht  ganz  unbedeutende  Schiffahrt 
bestanden;  denn  im  Jahre  1830  wurden  in  Ulm  noch  57  Schiffmeister  gezählt 
Ebenso  viele  sollen  in  Regensburg  und  deren  1 2  in  Stadtamhof  gewesen  sein. 

In  der  oberösterreichischen  Strecke  wurden  nach  der  Einführung  der 
Dampfschiffahrt  die  Felssprengungen  am  Struden  (S.  66)  in  den  Jahren  1846 
bis  1867  fortgesetzt.  Ein  großer  Erfolg  wurde  aber  nicht  erreicht  und  diese 
Stelle  konnte  nur  unter  Beobachtung  vieler  Sicherheitsvorschriften  und  mit 
Hilfe  eines  starken  Vorspanns  von  Ochsen  und  Pferden  überwunden  werden. 
Selbst  die  Dampfschiffe  mußten  zuweilen  durch  25  bis  30  Paar  Ochsen  und 

i)  Schanz,  Einiges  über  den  Verkehr  auf  der  baierischen  Donau.  Zeitschrift  für  Binnen- 
schiffahrt, 1895. 


144  Abschnitt  ü.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Pferde  hinaufgezogen  werden,  wobei  z.  B.  die  Kosten  für  einen  Schlepp- 
dampfer mit  4  Anhängen  260  Kronen  betragen  haben  sollen.  Nachdem  in 
der  Zeit  von  1854  bis  1866  ein  zweites  im  sogenannten  Waldwasser  herge- 
stelltes Fahrwasser  sich  gleichfalls  bei  niedrigen  Wasserständen  als  ungeeignet 
erwiesen  hatte,  wurden  von  verschiedenen  hervorragenden  Ingenieuren  Ver- 
besserungsvorschläge aufgestellt,  über  die  man  viele  Jahre  lang  beraten  hat, 
ohne  zu  einem  Entschluß  zu  kommen.  Unter  anderem  wurde  auch  die  An- 
lage einer  Kammerschleuse  vorgeschlagen. 

Außer  diesen  Arbeiten  wurden  besonders  in  der  Nähe  von  Linz  eine 
Reihe  anderer  Strombauten  und  ferner  ein  5,7  m  breiter  Leinpfad  (»Treppel- 
weg«) ausgeführt.  Im  Jahre  1861  wurde  eine  Normalbreite  von  342  m  (180 
Klafter)  festgesetzt. 

In  Niederösterreich  war  der  Strom  noch  mehr  verwildert  und  bildete 
in  seinem  Laufe  viele  sich  stets  verändernde  Arme  und  Inseln.  Besonders 
im  Wiener  Becken  oberhalb  der  Hauptstadt  waren  die  Hochfluten  eine  dauernde 
Gefahr  für  die  Ufergemeinden  und  verursachten  oft  erhebliche  Schäden.  Nach 
mancherlei  vergeblichen  Versuchen  durch  örtliche  Schutzbauten  die  Verhält- 
nisse zu  bessern,  wurde  schließlich  nach  dem  gefährlichen  Hochwasser  von 
1862  die  Donau-Regulierungskommission  eingesetzt,  die  im  Jahre  1866  einen 
großen  Entwurf  aufstellte.  Dieser  bestand  darin,  daß  die  Donau  auf  der 
13,27  km  langen  Strecke  von  Nußdorf  bis  Fischamend  in  einem  großen 
Doppeldurchstich  zusammengefaßt  werden  sollte,  der  beiderseits  durch  hoch- 
wasserfreie Dämme  abgeschlossen  wurde.  Der  Abstand  der  Dämme  wurde 
zu  760  m  bestimmt,  von  denen  285  m  auf  das  Mittel  Wasserbett  fielen.  Das 
rechte  an  der  Stadt  Wien  gelegene  Ufer  wurde  bis  zur  Höhe  des  Dammes 
vollständig  von  der  oberen  bis  zur  unteren  Mündung  des  Donaukanals  auf- 
gehöht. Dieser  selbst  wurde  bei  Nußdorf  durch  ein  Sperrschiflf  gegen  Eisgang 
und  Hochwasser  abgeschlossen.  Am  unteren  Ende  des  Durchstichs  wurde 
gleichzeitig  ein  Schutzhafen  angelegt.  Die  Arbeiten  wurden  von  1869  bis 
1875  ausgeführt  und  haben  im  allgemeinen  den  erhof!len  Erfolg  gehabt. 

An  der  ungarischen  Donau  waren  die  bedeutendsten  Schiffahrthinder- 
nisse  die  vollständig  verwilderte  etwa  90  km  lange  Stromstrecke  zwischen 
Preßburg  und  Gönyö,  wo  bei  niedrigen  Wasserständen  zuweilen  der  Ver- 
kehr vollständig  unterbrochen  war,  und  die  etwa  136  km  lange  Felsen- 
strecke von  Bazias  durch  den  Kazanpaß  und  das  eiserne  Tor  bis  Turn- 
Severin.  Dort  war  die  Schiffahrt  fast  alljährlich  bei  niedrigen  Wasserständen 
für  beladene  Schiffe  unterbrochen  und  die  Waren  mußten  über  Land  be- 
fördert werden,  ähnlich  wie  früher  am  Rhein  zwischen  Bingen  und  St.  Goar. 
Während  einer  durchschnittlichen  jährlichen  Schiffahrtdauer  von  275  Tagen 
konnten  Schiffe  mit  1,5  m  Tiefgang  dort  nur  an  158  Tagen  fahren.  Schon 
seit  dem  Jahre  1823  wurde  von  der  Regierung  die  Verbesserung  dieser  so- 
genannten Katarakten -Strecke  in  Erwägung  gezogen  und  im  Jahre  1834 
durch  den  Ingenieur  Vasarhelyi  eine  Reihe  von  Felssprengungen  ausgeführt. 


5-  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffe  bis  1870.  145 

Dieser  hatte  die  Absicht,  einzelne  Stromschnellen  und  auch  das  eiserne  Tor 
durch  Schleusenkanäle  zu  überwinden.  Dazu  kam  es  nicht;  aber  es  wurde 
von  ihm  von  1834  bis  1837  auf  dem  linken  Stromufer  die  Szechenyi-Straße 
gebaut,  so  daß  wenigstens  eine  brauchbare  Landverbindung  hergestellt  war. 
In  den  Jahren  1855  und  1856  wurden  wiederum  bedeutende  Sprengungen 
am  eisernen  Tor  ausgeführt,  ohne  daß  eine  erhebliche  Verbesserung  der 
Fahrstraße  erreicht  wurde.  Die  ersten  Dampfschiffe  fuhren  1846  hindurch. 
Trotz  dieser  großen  Hindemisse  hat  sich  auf  der  unteren  Donau  besonders 
von  Budapest  ab  in  diesem  Zeiträume  ein  bedeutender  Schiffahrtverkehr 
nach  den  unteren  Donauländem  und  zum  Schwarzen  Meere  entwickelt,  zumal 
dort  vor  dem  Jahre  1870  die  Eisenbahnen  noch  nicht  in  Wettbewerb  traten. 

Ober  den  Umfang  des  Verkebrs  auf  der  Donau  kann  nur  wenig  mitgeteilt  werden: 
In  Regensburg  sind  angekommen  und  abgegangen: 

im  Jahre  1847  etwa  17,5  Tausend  t  Güter 
»       »       1850     >      19,9        >  t      » 

»       >       1872     >      69,4        »  t      > 

Über  die   baierisch-österreichische  Grenze  unterhalb  Pas  sau  (bei  Engelhartszell)   sind  ge- 
gangen: 


talwärts 

berg^ans 

zusammen 

im  Jahre  1850 

— 

— 

246,1  Tausend  Tonnen 

>       *       1860 

— 

299,6         » 

1866 

109,7 

32,7 

142,4         »              » 

»       »       1870 

230,5 

48,4 

278,9 

Der  Talverkehr  bestand  vorwiegend  aus  Holz,  der  Bergverkehr  vorwiegend  aus  Getreide. 
Der  Schiffsverkehr  über  die  Grenze  war: 

1866  1870 


■•>^B 


bergwärts 

talwärts 

bergwärts 

127 

»95 

194 

206 

239 

240 

286 

399 

412 

1846 

— 

talwärts 
Personendampfer         124 
Güterdampfer  205 

Geschleppte  Schiffe   273 
Ruderschiffe  1521 

In  Wien  soll  der  Güterverkehr  auf  der  Donau  im  Jahre  1874:  1048,6  Tausend  t  betragen 
haben  (?). 

Frankreich«  Nach  den  ersten  Versuchen  mit  Dampfschiffen  auf  der 
Seine  in  den  Jahren  1803  und  1816  (S.  91  u.  92)  entstanden  1823  auf  diesem 
Strome  drei  Gesellschaften,  die  mit  zusammen  12  Heckraddampfem  von  je  34  m 
Länge  und  etwa  100  t  Tragfähigkeit  einen  regelmäßigen  Betrieb  einrichteten. 
Doch  blieben  diese  Unternehmungen  zunächst  ohne  wirtschaftlichen  Erfolg. 
Etwa  10  Jahre  später  entwickelte  sich  die  Dampfschiffahrt  auf  vielen  FlüOen,  so 
weit  das  mangelhafte  Fahrwasser  es  irgend  erlaubte,  besonders  für  die  Personen- 
beförderung. Das  Reisebedürfnis  war  am  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  sehr 
groß  und  konnte  besonders  hinsichtlich  der  gewünschten  Schnelligkeit  weder 
durch  die  Posten  noch  durch  die  Marktschiffe  befriediget  werden.  In  den 
dreißiger  Jahren  legten  die  Eilposten  gewöhnlich  nur  9  km,  höchstens  1 5  km 
je  Stimde  zurück,  während  die  mit  Pferden  getreidelten  Postboote,  z.  B.  auf 
dem  Südkanal  (Toulouse  —  Cette)  ohne  Anrechnung  des  Schleusenaufenthalts 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  lO 


146  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

stündlich  11  km,  mit  diesem  Aufenthalt  im  Durchschnitt  8,5  km  zurück- 
legften.  Über  den  Personenverkehr  auf  dem  Ourcqkanal  (bei  Paris)  wird  aus 
späterer  Zeit  (1840  bis  1850)  berichtet,  daß  die  für  etwa  70  Personen  Platz 
bietenden,  vornehm  ausgestatteten  Kajütenboote  von  je  3  Pferden  im  Galopp 
gezogen  wurden,  die  man  alle  3  bis  5  km  wechselte.  Man  erreichte  dabei 
eine  stündliche  Geschwindigkeit  von  über  15  km  und  mit  Berücksichtigung 
des  Schleusenaufenthalts  13,4  km  ^« 

Seit  Mitte  der  dreißiger  Jahre  befuhren  Personendampfer  die  Seine  von 
Havre  bis  Paris  hinauf,  die  Loire  (seit  1837)  von  der  Mündung  bis  Orleans, 
die  Garonne  bis  hinauf  nach  Langon  (nahe  bei  Castets,  50  km  oberhalb 
Bordeaux),  die  Rhone  bis  Lyon,  die  Saone  von  dort  aufwärts  bis  Qialons 
und  die  Mosel  (seit  1839)  zwischen  Nancy  und  Metz.  Einige  Jahre  hindurch 
bestand  sogar  (nach  1852)  ein  Dampferverkehr  auf  dem  Rhein-Rhone-Kanal 
zwischen  StraOburg  und  Lyon.  Aber  nur  in  den  Mündungstrecken  der 
großen  Ströme,  wo  genügende  Tiefen  waren,  konnten  größere  Dampfschiffe 
verkehren  und  eine  Geschwindigkeit  von  etwa  25  km  je  Stunde  erreichen; 
auf  den  anderen  Strom  teilen  fuhren  kleinere  Schiffe  mit  etwa  30  cm  Tiefgang, 
die  60  bis  80  Menschen  aufnehmen  konnten  und  stromauf  8  bis  10  km, 
stromab  15  bis  25  km  je  Stunde .  zurücklegten.  Stärkere  und  größere  Güter- 
dampfer auf  der  Rhone  mußten  mit  ganz  besonderen  Vorrichtungen  (die 
»Grappins«)  versehen  werden,  um  die  starken  Gefalle  überwinden  zu  können. 

Anfangs  der  fünfziger  Jahre  wurde  auch  der  Schleppbetrieb  mit  eisernen 
Lastschiffen  eingeführt.  In  Lyon  entstanden  Gesellschaften  (vgl.  S.  7),  die  be- 
sonders vor  dem  Bau  der  Eisenbahnen  einen  lebhaften  Verkehr  nicht  nur  bis 
zum  Meere,  sondern  auch  weiter  bis  Marseille  und  zu  anderen  Küstenstädten 
unterhalten  haben.  Ein  solches  Unternehmen  in  Nantes,  das  mit  mehreren 
Schleppdampfern  und  22  eisernen  Lastschiffen  von  je  etwa  150  t  Tragfähig- 
keit die  Schiffahrt  auf  der  Loire  betrieb,  wurde  etwa  1852  von  der  Eisen- 
bahngesellschafl  Nantes-Lyon  gekauft,  um  den  unbequemen  Wettbewerb  zu 
beseitigen.  Der  Schleppbetrieb  wurde  eingestellt  und  der  Schiffspark  verkauft. 
(Ein  Teil  davon  kam  nach  Würzburg,  vgl.  S.  iii.) 

Die  Personendampfschiffahrt  verlor  mit  dem  weiteren  Bau  von  Eisen- 
bahnen überall  ihre  Bedeutung.  Auf  der  Rhone  hat  die  Güterschiffahrt  da- 
gegen, wenn  auch  mit  großer  Mühe,  den  Wettbewerb  der  Eisenbahn  aus- 
gehalten. 

Von  großer  Wichtigkeit  wurde  für  die  Seine  die  Kettenschiffahrt  (vgl. 
S.  122).  Es  wurden  genehmigt:  im  Jahre  1854  die  Kette  in  der  Seine  und 
Oise  (83  km),  1856  in  der  oberen  Seine  bis  Montereau  (104  km),  1860  in  der 
unteren  Seine  von  Conflans  bis  Rouen  (172  km)  und  1869  eine  kurze  Strecke 
von  2  km  in  der  Loire.  (Später,  1873,  noch  90  km  in  der  Yonne.)  Außer- 
dem wurden  vom  Staate  in  den  Scheitelhaltungen  mit  Tunneln  der  Kanäle  von 

i)  V.  Nördling,  Die  Selbstkosten  der  Eisenbahntransporte  und  die  Wasserstraßenfrage. 
Wien  1885. 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870.  147 

St.  Quentin  und  von  Burgund  in  den  Jahren  1865  und  1866  Ketten  von  20  und 
6  km  Länge  verlegt.    Diese  Betriebe  haben  sich  im  allgemeinen  gut  bewährt. 

Auf  den  wichtigsten  Teil  der  französischen  Binnenschiffahrt,  die  Kanal- 
schiffahrt, hat  die  Erfindung  der  Dampfschiffe  sonst  keinen  Einfluß  aus^ 
geübt.  Dort  blieb  es  bei  dem  seither  üblichen  Treidelbetrieb  mit  Pferden 
oder  Eseln,  seltener  mit  Menschen.  Der  Hauptverkehr  mit  Massengütern  legte 
auf  besondere  Schnelligkeit  damals  keinen  Wert.  Aus  dem  Jahre  1830  wird 
z.  B.  berichtet,  daß  die  mit  Kohlen  beladenen  Schiffe  von  Mons  nach  Paris 
(jetzt  376  km;  69  Schleusen)  viele  Monate  lang  unterwegs  waren.  Auf  anderen 
Kanälen  war  aber  für  wertvolle  Güter  ein  besserer  Betrieb  eingerichtet,  z.  B. 
auf  dem  Südkanal  von  Toulouse  nach  Cette.  Diese  250  km  lange  Strecke 
(jetzt  mit  65  Schleusen)  wurde  mit  Pferdetreidelei  im  Jahre  1836  in  etwa  6 
Tagen  zurückgelegft,  also  je  Tag  etwa  42  km  oder  mit  allen  Aufenthalten 
etwa  je  Stunde  3  km.  Außerdem  gab  es  dort  noch  besondere  Eilboote,  die 
diese  Strecke  in  der  halben  Zeit  zurücklegten,  was  eine  mittlere  Geschwindigkeit 
von  etwa  6  km  je  Stunde  ergibt.  Es  ist  erstaunlich  zu  erfahren,  daß  bei 
beschleunigtem  Betriebe,  besonders  bei  Personenbooten,  der  Aufenthalt  an 
jeder  Schleuse  nicht  mehr  als  5  Minuten  betragen  haben  soll. 

Mit  dem  Bau  von  Kanälen  wurde  in  der  Zeit  der  Restauration  fort- 
gefahren. Wie  früher  mi^eteilt  wurde  (S.  71),  waren  im  Jahre  18 14  bereits 
12 13  km  Kanäle  vorhanden.  Ein  im  Jahre  1820  veröffentlichter  Regierungs- 
entwurf erklärte  es  fiir  wünschenswert,  noch  10800  km  neue  Kanäle  anzulegen; 
doch  man  begnügte  sich  vorläufig  mit  kleineren,  aber  ziemlich  bedeutenden 
Unternehmungen:  Es  wurden  der  196  km  lange  Loire-Seitenkanal  von  Digoin 
bis  Briare  mit  37  Schleusen  (ohne  Zweigkanäle)  und  der  Ardennenkanal 
beschlossen,  der  88  km  lang  mit  44  Schleusen  die  Aisne  bei  Vieux-l^s-Asfeld 
mit  der  Maas  bei  Pont-ä-Bar  (zwischen  Sedan  und  Mezi^res)  verbindet.  Femer 
wurde  der  Deulekanal,  51  km  lang  mit  7  Schleusen,  der  von  Lille  nach 
Douai  fuhrt,  und  der  anschließende  Roubaixkanal  genehmigt,  der  20  km  lang 
mit  1 2  Schleusen  die  Wasserscheide  zwischen  der  Lys  und  der  Scheide  über- 
schreitet. Beide  Kanäle  verbinden  das  französische  Industriegebiet  mit  dem 
belgischen  Wasserstraßennetz.  Um  hierfür  und  zur  Fertigstellung  der  vorher 
begonnenen  Kanäle  die  erforderlichen  Geldmittel  aufzubringen,  wurden  durch 
die  Gesetze  von  1821  und  1822  Anleihen  im  Betrage  von  etwa  126  Millionen 
gemacht.  Dabei  wurde  beschlossen,  daß  die  Geldgeber  neben  der  Verzinsung 
auch  auf  eine  Reihe  von  Jahren  Anteil  am  Reingewinne  haben  und  bei  der 
Festsetzung  der  Tarife  mitwirken  sollten.  Dies  erwies  sich  später  als  ver- 
hängnisvoll, weil  man  zur  Ablösung  dieser  Berechtigungen  in  den  Jahren  1845 
bis  1870  große  Geldsummen  aufwenden  mußte. 

Unter  Louis  Philipp  wurde  eine  Reihe  von  früher  begonnenen  Bauten 
fertiggestellt  und  eine  Zahl  neuer  bedeutender  Kanäle  beschlossen:  1837  der 
Mame-Seitenkanal,  67  km  lang  mit  13  Schleusen,  von  Vitry-le-frangois  nach 
Epemay  (Dizy);  1838  der  Garonne-Seitenkanal,  193  km  lang  mit  60  Schleusen, 

lO* 


148  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bb  1870. 

von  Toulouse  bis  Castets  oberhalb  Bordeaux;  vor  allem  der  damals  320  km 
lange  Mame-Rhein-Kanal  mit  180  Schleusen,  der  von  Vitry-le-fran^ois  an 
der  Marne  nach  StraOburg  am  Rhein  fuhrt  und  mit  Maas,  Mosel  und  Saar 
in  Verbindung  steht.  (Von  diesem  Kanal  entfiel  im  Jahre  1871  eine  104,5  km 
lange  Strecke,  die  auf  S.  108  beschrieben  worden  ist,  auf  Deutschland.) 

Am  Ende  des  Jahres  1847  waren  4170  km  Kanäle  im  Betriebe  und  etwa 
600  km  im  Bau.  Zu  dieser  Zeit  betrug  die  Länge  der  genehmigten  Eisen- 
bahnlinien bereits  4042  km,  war  also  fast  so  groß  wie  die  Länge  der  fertig- 
gestellten Kanäle.  Damals  begann  der  Kampf  zwischen  Lokomotiven  und 
Schiffen,  in  dem  die  Franzosen  rasch  für  die  ersteren  Partei  nahmen.  Schon 
im  Jahre  1844  hatten  sich  Stimmen  erhoben,  die  verlangten^  man  solle  die 
überlebten  Kanalbauten  einstellen  und  auf  die  Unterbauten  des  Garonne-  und 
des  Marne-Rhein-Kanals  lieber  Schienen  legen.  Aber  die  Kanäle  wurden 
vollendet  und  wie  Malezieux')  mitteilt,  »inmitten  allgemeiner  Teilnahmlosig- 
keit«  in  den  Jahren  1855  und  1853  eröffnet 

Unter  Napoleon  III  wurden  die  angefangenen  Bauten  fertiggestellt,  neue 
Wasserstraßen  anfangs  aber  nur  in  sehr  geringem  Umfange  beschlossen,  da 
die  öffentliche  Meinung  ganz  mit  der  Entwicklung  der  Eisenbahnen  beschäftigt 
war.  Das  änderte  sich  beim  Abschluß  des  freihändlerischen  Handelsvertrags 
mit  England  im  Jahre  1860,  durch  den  die  Eingangszölle  bedeutend  herab- 
gesetzt wurden.  Zur  Unterstützung  der  klagenden  Eisenindustrie  sollten  auch 
die  Eisenbahntarife  ermäßigt  werden  und,  als  die  Bahngesellschaften  sich 
weigerten,  erinnerte  sich  die  Regierung  der  Binnenschiffahrt.  Es  wurden  die 
Kanalabgaben  herabgesetzt,  eine  große  Zahl  von  Privatkanälen  verstaatlicht 
und  wieder  eine  Reihe  neuer  Wasserstraßenlinien  genehmigt.  Unter  diesen 
ist  die  Fortführung  des  Mame-Seitenkanals  von  Vitry  nach  Donjeux  (jetzt 
67  km  mit  15  Schleusen),  des  Seine-Seitenkanals  von  Marcilly  nach  Troyes 
(44  km  mit  15  Schleusen)  und  der  Saarkohlenkanal  (66  km  mit  28  Schleusen), 
der  im  Jahre  1871  an  Deutschland  fiel  (S.  113),  besonders  zu  erwähnen.  Man 
erblickte  gegenüber  der  Macht  der  Eisenbahngesellschaflen  in  der  Binnen- 
schiffahrt einen  »mod^rateur  n^essaire«. 

Der  künstliche  Aufstau  (Kanalisierung)  der  Flüsse  war  seit  dem 
Beginn  der  Kanalbauten  in  Frankreich  nicht  mehr  beliebt,  weil  man  mit  den 
festen  Wehren  schlechte  Erfahrungen  gemacht  hatte.  Das  änderte  sich  mit 
der  Erfindung  der  Nadelwehre  durch  Poir^e  im  Jahre  1834,  als  das  erste 
in  der  oberen  Yonne  bei  Basseville  gebaut  war.  Es  wurde  dann  eine  Reihe 
von  Flüssen  aufgestaut,  z.  B.  die  obere  und  die  untere  Seine,  die  Marne, 
Oise,  Yonne,  Aisne,  Sambre,  Saone  usw.,  namentlich  unter  Napoleon  HI. 
Die  Schleusen  in  diesen  Strömen  erhielten  meistens  größere  Abmessungen 
als  in  den  Kanälen,  etwa  40  bis  50  m  Länge  und  6  bis  8  m  Breite;  die 
Schleusen  in  der  Seine  waren  noch  größer. 


1}  Cours  de  navigation  int^rieure. 


5*  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870. 


149 


Dem  Ausbau  der  natürlichen  Wasserstraßen  (der  offenen  Ströme) 
wurde  wenig  Sorgfalt  zugewendet.  Während  der  Restauration  wurde  die  Seine 
innerhalb  der  Stadt  Paris  verbessert  und  unter  Louis  Philipp  wurden  einige 
Geldmittel  für  Seine,  Marne  und  Lot  verausgabt.  Die  in  den  Jahren  1860 
bis  1870  unter  Napoleon  HL  ausgeführten  Verbesserungen  an  der  Rhone 
dienten,  abgesehen  von  Leinpfadbauten,  vorwiegend  zum  Uferschutz  und 
landwirtschaftlichen  Zwecken. 

Es  bleibt  hervorzuheben,  daß  vom  Jahre  1837  an  alle  Wasserstraßen  auf 
Staatskosten  gebaut  und  unterhalten  worden  sind. 

Vor  dem  Ausbruch  des  Krieges  von  1870  sind  die  Langen  und  die 
Baukosten  der  französischen  Wasserstraßen  die  folgenden  gewesen'): 


Wasserstraßen 


im  ganzen 
Mill.  Francs 


Baukosten 

je  km 
Francs 


ivan&ie  .....*.■• 
Kanalisierte  Flüsse  .... 
Andere  schiffbare  Flüsse.    . 


zusammen       11088 


1184 


165  000 

133000 

49000 


Nach  anderen  Mitteilungen  (von  Nördling)  betrug  im  Jahre  1870  die 
Länge  der  Kanäle  4560  km  und  die  der  Flüsse  6700  km,  zusammen  1 1  260  km. 
Die  Angaben  schwanken  auch  in  französischen  Quellen,  zumal  die  künstlich 
aufgestauten  Flüsse  zuweilen  zu  den  Kanälen  gerechnet  wurden.  Nach  der 
vom  französischen  Ministerium  der  öffentl.  Arbeiten  veröffentlichten  Statistik 
(1898)  betrug  die  Länge  der  Kanäle  im  Jahre  1870:  4888  km. 

Über  den  tonnenkilometrischen  Güterverkehr  auf  dem  französischen 
Wasserstraßennetz  liegen  Mitteilungen  seit  1847  vor.  Damals  betrug  er  bei 
zusammen  10450  km  Wasserstraßen  1813  Millionen  tkm  und  im  Jahre  1868 
bei  zusammen  11250  km  Wasserstraßen  2172  Millionen  tkm. 

Der  Frachtsatz  je  tkm  soll  auf  den  Kanälen  im  Jahre  1835  im  Durchschnitt  1,2  Pf. 
(1,5  Cts.)  betragen  haben,  wozu  noch  die  Kanalabgaben  traten,  die  damals  im  Durchschnitt 
je  tkm  zu  1,5  Pf.  (1,8  Cts.)  angegeben  wurden;  zusammen  also  2,7  Pf.  Im  Jahre  1872  betrug 
der  durchschnittliche  Frachtsatz  nach  amtlicher  Feststellung  1,26  Pf.  (1,47  Cts.)  auf  den  Kanülen 
und  1,6  Pf.  (2  Cts.)  auf  den  Flüssen. 

Die  Höhe  der  Kanalabgaben  schwankte  zu  verschiedenen  Zeiten  und  auf  den  verschie- 
denen Kanälen  erheblich.  Für  die  mit  der  oben  erwähnten  Anleihe  von  1822  gebauten  Kanäle 
wurden  zugunsten  der  Gläubiger  z.  B.  Abgaben  festgesetzt,  die  etwa  10  mal  so  hoch  waren  wie 
die  genannten  Durchschnittsabgaben  von  1835.  Sie  wurden  im  Jahre  1845  aber  bedeutend 
ermäßigt.     Die  wirklich  erhobenen  Abgaben  waren  im  Durchschnitt: 

in  den  Jahren  1847         1859         1861 

Pfennige  je  tkm  .     o,$4  0,38  0,21 

Centimes  je  tkm      0,67  0,48  0,26 


i)  Lucas,   Etudes  sur  les  voies   de  communlcation  de   la  France,  für  die  Wiener  Welt- 
ausstellung 1873  ^™  Namen  der  französichen  Regierung. 


150  Abschnitt  H.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Der  im  Jahre  1867  eingeführte  Tarif  bestimmte  die  Abgabe 

für  Güter  I.  Klasse  ü.  Klasse 

auf  Kanälen  zu    0,40  Pf.  (0,5  Cts.)        0,16  Pf.  (0,2  Cts.) 
auf  Flüssen  zu     0,16  Pf.  (0,2  Cts.)        0,08  Pf.  (0,1  Cts.) 

Der  durchschnittliche  Frachtsatz  würde  sich  also  für  das  Jahr  1870  imd  für  Güter  II.  Klasse 
ergeben:  1,26  +  0,16  =  1,42  Pf.  auf  Kanälen  und  1,60  -{-  0,08  =  1,68  Pf.  auf  Flüssen. 

Die  Frachten  waren  nach  anderen  Mitteilungen  höher:  Die  Kohlenfracht  war  z.  B. 
auf  der  Linie  vom  Pas -de -Calais  nach  Paris  und  von  Paris  nach  Lyon  im  allgemeinen 
1,6  Pf.  (2  Cts.),  während  sie  auf  dem  Rhein-Mame-Kanal  1,28  Pf.  (1,6  Cts.]  betrug  —  ohne 
Kanalabgaben.  Es  ist  beachtenswert,  daß  die  Frachten  auf  den  Strömen,  selbst  bei  der  Tal- 
fahrt, nicht  niedriger  waren  als  auf  den  Kanälen.  Cbrigens  soll,  nach  amtlicher  Angabe,  die 
Schiffsfracht  auf  der  Linie  Paris — Lyon  vor  Eröffnung  der  Eisenbahn  4,8  Pf.  (6  Cts.)  je  tkm  be- 
tragen haben.  In  dem  oben  (in  der  Fußnote)  genannten  Werke  von  Lucas  ist  gesagt,  daß  die 
Gesamtfracht  auf  den  französischen  Wasserstraßen  zwischen  1,6  Pf.  (2  Cts.)  und  4  Pf.  (5  Cts.) 
schwankte,  im  Durchschnitt  aber  2,4  Pf.  (3  Cts.)  betragen  hat. 

Der  staatlich  festgesetzte  Tarif  der  Kettenschleppschiffahrt  betrug  für  die  untere 
Seine  (1860)  je  tkm  0,8  Pf.  (i  Cts.)  bei  der  Bergfahrt  und  0,32  Pf.  {0,4  Cts.)  bei  der  Talfahrt. 
Leere  Schiffe  zahlten  je  nach  ihrer  Tragrfähigkeit  16  bis  40  Pf. 

Die  Größe  der  Schiffe  hat  bis  1870  insofern  zugenommen,  als  sie  völliger  gebaut  wurden. 
Die  größten  Kanalschiffe  waren  35  m  lang,  5  m  breit  und  hatten  bei  1,5  m  Tauchtiefe  eine 
Tragfähigkeit  von  230  t.  Die  Penischen  von  38  m  Länge  und  280  t  Tragfähigkeit  sollen  damals 
noch   selten  gewesen  sein. 

Die  Wasserstraßen  von  Belgien  (Mitteilauf  der  Maas  mit  der  Sambre 
und  die  Scheide  mit  ihren  schiflfbaren  Nebenflüssen  Rüpel,  Dendre,  Lys  mit 
Deule  und  Scarpe)  stehen  mit  den  nordfranzösischen  Wasserstraßen  in  viel- 
facher Verbindung.  Bei  der  Entstehung  des  belgischen  Staats  (1830)  waren 
1619  km  Wasserstraßen  vorhanden,  von  denen  156  dem  Staat,  1034  den  Pro- 
vinzen, III  den  Gemeinden  und  318  Gesellschaften  gehörten.  Durch  Neubau 
und  Erwerb  wurde  die  Länge  der  staatlichen  Straßen  schnell  vermehrt:  Sie 
betrug  1840  schon  808  km  und  1870  etwa  1630  km.  In  diesem  Jahre  war  die 
gesamte  Länge  der  belgischen  Wasserstraßen  etwa  2000  km.  Da  Antwerpen 
fiir  ganz  Belgien  der  Haupthafenpiatz  ist,  so  konnte  die  Binnenschiffahrt  erst 
aufblühen,  nachdem  diese  Stadt  durch  die  Vertrage  mit  den  Niederlanden 
(von  1795,  1835  ^"d  1842)  wieder  freien  Zugang  zum  Meere  erhalten  hatte. 

Über  einige  der  ältesten  künstlichen  Wasserstraßen  ist  schon  früher 
(S.  72)  berichtet  worden.  Durch  den  Kanal  von  Willebroeck  war  Brüssel  in 
nördlicher  Richtung  mit  dem  Rüpel  und  der  Scheide  verbunden  und  in  den 
Jahren  1827  bis  1832  wurde  auch  die  lange  erstrebte  Verbindung  nach  Süden 
mit  der  Sambre  und  dem  Maasgebiet  durch  den  Kanal  von  Brüssel  nach 
Charleroi  hergestellt.  Nachdem  1836  auch  die  Zweiglinie  nach  dem  Kohlen- 
gebiet bis  Roeuls  fertig  war,  wurde  der  ganze  Kanal  1839  vom  Staate  er- 
worben. Diese  für  Brüssel  sehr  wichtige  74  km  lange  Wasserstraße  war  nur 
für  Schiffe  von  kleinen  Abmessungen  erbaut;  denn  die  55  Schleusen  hatten 
nur  eine  nutzbare  Länge  von  19  m  und  eine  Breite  von  2,7  m.  (Seit  1854 
ist  man  mit  der  Erweiterung  des  Kanals  beschäftiget.) 

Die  Sambre  bUdet  eine  wichtige  Abfuhrstraße  fiir  die  Kohlen  von 
Charleroi,  sowohl  abwärts  nach  Lüttich  wie  aufwärts  nach  Frankreich.    Schon 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  187a  151 

im  17.  Jahrhundert  versuchte  man  das  Fahrwasser  zu  verbessern  und  die 
Mühlenstaue  zu  überwinden.  Im  Jahre  1825  wurde  mit  umfangreichen  Arbeiten 
zum  künstlichen  Aufstau  des  Flusses  sowohl  in  Belgien  wie  in  Frankreich 
begonnen:  1835  hatte  man  in  Belgien  i  m  Tiefe  erreicht  und  erzielte  durch 
die  weiteren  Arbeiten  von  1860  bis  1864  eine  durchgehende  Mindesttiefe 
von  2,1  m.  In  Frankreich  schloß  man  an  die  künstlich  aufgestaute  Fluß- 
strecke bei  Landrecies  den  67  km  langen  Kanal  zur  Oise  bei  La  Fere  nahe 
bei  Chauny,  der  1828  fertig  wurde. 

Im  Gebit  der  oberen  Scheide  ist  der  Nebenfluß  Lys  von  besonderer 
Wichtigkeit,  die  ihre  Quelle  im  französischen  Kohlengebiet  des  Pas-de-Calais 
hat  und  bei  Gent  in  die  Scheide  mündet.  Ihr  Oberlauf  war  in  Frankreich 
schon  in  früheren  Zeiten  durch  den  Kanal  von  Neufoss^  (S.  69)  mit  der  Aa 
bei  Omer  in  Verbindung  gebracht  worden.  Die  Schiffbarmachung  der  Lys 
hat  1723  mit  dem  Bau  mehrerer  Schleusen  begonnen,  1750  wurde  sie  not- 
dürftig schiffbar  bis  zu  dem  erwähnten  Kanal  bei  Aire  und  in  der  Zeit  von 
1863  bis  1869  wurde  der  künstliche  Aufstau  durch  Schleusen  von  41,5  m 
Länge  und  5,4  m  Breite  zum  Abschluß  gebracht. 

Die  Maas  hatte  innerhalb  Belgiens  und  der  Niederlande  von  jeher  ein 
seichtes  und  stark  gekrümmtes  schlechtes  Fahrwasser  bis  zur  Einmündung 
der  Dieze,  nahe  bei  Herzogenbusch.  Es  wurde  deshalb  durch  die  hollän- 
dische Regierung  von  diesem  Orte  aufwärts  bis  Maastricht  in  den  Jahren 
1823  bis  1826  ein  129  km  langer  Kanal  hergestellt,  der  auch  > Süd-Wilhelms- 
fahrt c  genannt  wird.  Die  22  Schleusen  dieses  für  die  Verbindung  mit  dem 
Rhein  wichtigen  Kanals  sind  50  m  lang  und  7  m  breit;  die  Tiefe  beträgt 
jetzt  2,3  m. 

Oberhalb  Maastricht  versuchte  man  in  der  belgischen  Strecke  seit  1840 
den  Fluß  durch  Längsdämme  einzuschränken  und  zu  vertiefen.  Da  dies  nicht 
gelang,  wurde,  im  Einvernehmen  mit  Holland,  im  Jahre  1850  ein  Seitenkanal 
von  Lütt  ich  bis  Maastricht  hergestellt.  1856  erbaute  man  darauf  bei  Lüttich 
die  ersten  Wehre  und  hat  in  den  Jahren  1862  bis  1867  den  Strom  aufwärts 
bis  Namur  künstlich  aufgestaut. 

Der  Kanal  von  Maastricht  nach  Herzogenbusch  liegt  zum  Teil  in  Belgien, 
zum  Teil  in  Holland.  Auf  belgischem  Gebiet  wurde  bei  Bocholt,  nahe  der 
Grenze,  im  Jahre  1858  ein  neuer  Kanal  in  westlicher  Richtung  nach  Ant- 
werpen abgezweigt,  der  »Verbindungskanal  zwischen  Maas  und  Scheide«  oder 
auch  »Kempenkanal«  genannt  wird  und  86  km  lang  ist.  An  diesen  Kanal 
wurden  mehrere  Seitenkanäle  (Beverloo,  Hasselt)  angeschlossen,  von  denen 
der  von  Turnhout  später  (1866  bis   1874)  bis  Antwerpen  fortgesetzt  wurde. 

Der  Schiffahrtbetrieb  war  in  dieser  Zeit  auf  den  belgischen  Wasserstraßen 
ebenso  wie  auf  den  französischen,  soweit  nicht  der  Verkehr  mit  dem  Rhein 
n  Betracht  kam. 

In  Holland  wurde  außer  dem  vorbesprochenen  Kanal  von  Herzogen- 
busch zwischen  18 19  und  1870  noch  eine  Reihe  anderer  künstlicher  Wasser- 


152  Abschnitt  H.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Straßen  angelegt,  z.  B.  der  48  km  lange  Overysselkanal  nach  Koevorden  (185 1 
bis  1855),  der  28  km  lange  Nord-Wilhelm-Kanal  nach  Gronii^en  (1856  bis 
1862]  und  anschließend  der  schon  (S.  71J  erwähnte  Emskanal.  Besonders  be- 
merkenswert sind  die  beiden  Kanäle  durch  die  beiden  Inseln  Süd-Bevdand 
und  Walcheren,  die  zwischen  der  Westerschelde  und  der  Osterschelde  liegen. 
Als  anfangs  der  sechziger  Jahre  die  Eisenbahn  nach  Vlissingen  gebaut  wurde, 
schien  es  billiger  und  zweckmäßiger,  die  beiden  stark  versandeten  Stromarme 
mittels  Dämmen  zu  überschreiten  und  an  ihrer  Stelle  Kanäle  durch  die  Inseln 
herzustellen').  Der  Kanal  durch  Süd-Beveland,  auch  Kanal  von  Hansweert 
genannt,  ist  besonders  für  den  Verkehr  von  Antwerpen  zum  Rhein  von  Be- 
deutung. Beide  Wasserstraßen  sind  6  bis  7,5  m  tief  und  dienen  zugleich  der 
Seeschiffahrt;  sie  wurden  in  den  Jahren  1867  und  1871  eröffnet. 

Der  Binnenschiffahrtbetrieb  auf  dem  Rhein  und  seinen  Seitenarmen  hat 
sich  während  dieser  Zeit  wie  in  Deutschland  entwickelt  und  ist  dort  besprochen 
worden. 

England.  Durch  Beils  »Comet«  (S.  92)  war  die  Dampfschiffahrt  auf 
dem  Clyde  eingeführt  und  hat  sich  schnell  auf  den  Strömen  Englands  entwickelt. 
Aber  der  Verkehr  auf  dem  größten  Teil  der  Binnenschiffahrtstraßen,  auf  den 
Kanälen  und  aufgestauten  Flüssen,  blieb  davon  unbeeinflußt,  seit  die  ersten 
Versuche  zum  Schleppen  der  Kanalschiffe  gescheitert  waren.  Man  blieb  dort 
bei  der  Treidelei  mit  Pferden. 

Mit  dem  Bau  von  Kanälen  wurde  fortgefahren.  In  der  Zeit  von  1800 
bis  1830  wurden  noch  30  neue  Unternehmungen  genehmigt").  Dann  hörte 
der  Kanalbau  auf  und  es  begann  die  Herrschaft  der  Eisenbahnen.  Die  ersten, 
etwa  in  der  Zeit  von  18 15  bis  1820  gebauten  Eisenbahnen  waren  von  ge- 
ringer Länge  und  lediglich  Zubringer  für  die  Wasserstraßen.  Das  änderte 
sich,  nachdem  im  Jahre  1825  die  erste  Verkehrslinie  von  Stockton  nach  Dar- 
lington eröffnet  war  und  die  Lokomotiven  größere  Geschwindigkeiten  er- 
reichten^). Die  schnell  gebildeten  Eisenbahngesellschaften  erleichterten  sich 
den  Wettbewerb  mit  den  Wasserstraßen,  indem  sie  wichtige  Teile  davon  käuf- 
lich in  ihre  Hände  brachten  und  sie  durch  entsprechende  Tarifgestaltung  lahm 
legten.  Das  war  um  so  leichter  durchfuhrbar,  als  die  großen  durchgehenden 
Wasserstraßen  meistens  im  Besitz  verschiedener  Kanalgesellschaften  waren, 
die  keine  Gemeinschaft  miteinander  hatten.  Als  diese  zur  Gegenwehr  sich 
im  Jahre  1844  vereinigten,  war  es  zu  spät.  Der  früher  sehr  hohe  Wert  des 
Kanaleigentums  ging  schnell  zurück  imd  soll  bis  zum  Jahre  1871  nur  noch 
ein  Drittel  betragen  haben.  Die  Eisenbahngesellschaften  erwarben  immer 
mehr  Kanäle,  stellten  den  Betrieb  auf  ihnen  sogar  zum  Teil  vollständig  ein 
und  bauten  sie  zu  Eisenbahnen  um,  bis  dies  durch  ein  Gesetz  von  1873  ver- 
boten wurde.    Nur  wenigen  Wasserstraßen  gelang  es,  den  Wettbewerb  aus- 


1)  Müller,  Friedrich,  Das  Wasserwesen  der  niederländischen  Provinz  Zeeland.    Berlin  1898. 

2)  Eger,  Die  Binnenschiffahrt  in  Europa  und  Nordamerika.     Berlin  1899. 

3)  Die  Lokomotive  »Rocket«  lief  im  Jahre  1829  schon  56  km  je  Stunde. 


5.  Von  der  Erfindung  des  Dampfschifis  bis  1870. 


153 


zuhalten  (z.  B.  der  Aire-  und  CalderschifTahrt),  besonders  durch  Einführung 
der  Dampfkraft.  Die  Versuche  zum  Bau  geeigneter  Schleppdampfer  wurden 
fortgesetzt.  Schon  im  Jahre  1831  hatte  Fairbairn  einen  Kanalschlepper  mit 
einem  innen  liegenden  Schaufelrade  hergestellt  nnd  im  Jahre  1835  wurden 
am  Kanal  von  Leeds  nach  Liverpool  weitere  Versuche  mit  anderen  SchifTen 
gemacht.  Vor  1860  kam  es  aber  nicht  zu  wirklichen  Erfolgen.  Erst  mit 
einem  Schraubendampfer  gelang  es  1879  ^^^  cl^™  Kanal  6  Schiffe  mit  je 
40  t  Ladung  zu  schleppen.  Bei  den  geringen  Breiten  der  Kanäle  von  10  bis 
15  m  im  Wasserspiegel  und  den  Tiefen  von  1,2  bis  1,5  m  war  es  außer- 
ordentlich schwer,  geeignete  Schleppdampfer  zu  bauen. 

Um  die  Binnenschiffahrt  zu  unterstützen,  griff  wiederholt  die  Gesetz- 
gebung ein,  indem  den  Kanalgesellschaften  erlaubt  wurde,  ihre  gesetzlich 
festgelegten  Tarife  beliebig  zu  ändern  und  auf  ihren  Kanälen  mit  eigenen 
Schiffen  und  eigenen  Pferden  das  Frachtgeschäft  zu  betreiben,  was  bis  dahin 
verboten  war.  Im  Jahre  1858  wurde  auch  der  weitere  Erwerb  von  Kanälen 
durch  Eisenbahngesellschaften  und  im  Jahre  1863  der  Abschluß  von  Betriebs- 
verträgen, durch  die  sie  Einfluß  auf  die  Wasserstraßen  erhielten,  von  der  Ge- 
nehmigung des  Parlaments  abhängig  gemacht. 

Nach  dem  amtlichen  Nachweis  des  Handelsamts  waren  im  Jahre  1888 
folgende  Wasserstraßen  vorhanden: 


Unabhängige 
km 

In  der  Hand 

von 
Eisenbahnen 

km 

Zusammen 
km 

In  England  u.  Wales 

>  Schottland 

>  Island 

3260 

"3 
826 

1648 
136 

155 

4908 
249 
981 

zusammen 

Es  wurden  LJ.  1888  befördert: 

Millionen  deutsche  Tonnen  .    . 

4199 
28,7 

1939 
8,15 

6138 
36,85 

(Aus  dem  Jahre  1870  standen  keine  Angaben  zur  Verfügung.) 

» 

Nordamerika.  Es  scheint  wichtig,  auch  einen  Blick  auf  Nordamerika 
zu  werfen,  wo  die  Binnenschiffahrt  in  der  Zeit  vom  Anfang  des  19.  Jahr- 
hunderts bis  zum  Jahre  1870  einen  bedeutenden  Aufschwung  genommen  hat. 
Wie  bei  der  Erschließung  aller  neuen  Erdteile  bildeten  zunächst,  in  Ermange- 
lung von  Landstraßen,  die  Ströme  die  wichtigsten  Verkehrstraßen.  Dazu 
kamen  nach  dem  glänzenden  Erfolge  Fultons  im  Jahre  1807  (S.  91)  die  Dampf- 
schifie,  die  in  Amerika  schnell  auf  allen  Wasserstraßen  heimisch  wurden.  Im 
Jahre  1812  sollen  in  Amerika  schon  50  Dampfschiffe  vorhanden  gewesen  und 
auch  das  erste  auf  den  Mississippi  gekommen  sein.  Dieser  Strom  mit  seinen 
Nebenflüssen  wurde  1822  von  70  und  1840  von  etwa  1000  Dampfern  be- 
fahren.   Neben  Fulton  haben  sich  besonders  die  beiden  Ingenieure  John  und 


154  Abschnitt  II.     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Robert  Stevens  um  die  Entwicklung  der  amerikanischen  Seitenraddampf- 
schiffe verdient  gemacht.  Von  ihnen  wurde  1822  die  Maschine  mit  oben 
liegendem  zweiarmigem  Balancier  eingeführt,  die  sich  dort  ziemlich  unver- 
ändert bis  in  die  neueste  Zeit  erhalten  hat.  Es  wurden  damals  mit  diesen 
Schiffen  Geschwindigkeiten  von  25  bis  30  km  je  Stunde  erreicht*).  Außer 
diesen  Seitenraddampfem  wurden  besonders  für  die  kleineren  Flüsse  mit 
schlechtem  seichtem  Fahrwasser  auch  Heckraddampfer  gebaut,  bei  denen  das 
Heckrad  durch  lange  hölzerne,  außenbords  liegende  Schubstangen  angetrieben 
wurde.     Diese  Bauweise  wurde  auf  dem  Ohio  allgemein  üblich. 

Auch  der  Schleppbetrieb  wurde  in  Nordamerika  sehr  bald  eingeführt, 
da  dort  im  Schiffahrtbetriebe  weder  alte  Gewohnheiten  und  Überlieferungen, 
noch  besondere  Vorrechte  zu  überwinden  waren,  wie  in  Europa.  Sowohl  im 
Flußgebiet  des  Mississippi  wie  auf  dem  Hudson  und  anderen  Strömen,  die 
in  das  Atlantische  Meer  münden,  wurde  dieser  Betrieb  schnell  allgemein 
üblich.  Bei  der  Verwendung  von  Heckraddampfern  wurden  die,  gewisser- 
maßen zu  einem  großen  Floß  verbundenen^  verhältnismäßig  kleinen  Last- 
schiffe durch  den  am  hinteren  Ende  befestigten  Dampfer  geschoben. 

Künstliche  Wasserstraßen  sind  seit  1816  in  großer  Zahl  in  Nord- 
amerika hergestellt  worden.  Die  ersten  wurden  zunächst  für  kleine  Schiffe 
(bis  50  t)  eingerichtet  und  bei  wachsendem  Verkehr  und  zunehmender  Be- 
völkerung des  Landes  erweitert  oder  umgebaut.  Die  später  (etwa  1840)  her- 
gestellten Kanäle  waren  schon  für  Schiffe  von  100  bis  150  t  und  darüber  be- 
stifnmt.  Sie  wurden  zum  Teil  von  den  Einzelstaaten,  zum  Teil  von  Gesell- 
schaften gebaut,  die  zuweilen  durch  Staat  oder  Gemeinde  unterstützt  wurden. 
Auch  trat  häufiger  Besitzwechsel  ein. 

Es  sind  in  den  Vereinigten  Staaten  drei  größere  Gruppen  von  Wasser- 
straßen zu  unterscheiden:  die  im  Staate  New- York,  die  von  der  atlantischen 
Küste  in  das  Kohlengebiet  von  Pennsylvanien  führenden  Straßen  und  die 
Wasserstraßen  im  Ohio-  und  Mississippigebiet.  Bei  der  ersten  Gruppe  handelt 
es  sich  um  die  Verbindung  von  New- York  durch  den  Hudson  mit  dem  Erie- 
und  Ontariosee,  um  namentlich  das  Getreide  aus  dem  Westen  nach  dem 
Hafen  von  New-York  zu  bringen;  die  zweite  Gruppe  dient  zur  Beförderung 
von  Kohlen,  Anthrazit  u.  dgl.  nach  den  Häfen  an  der  atlantischen  Küste  und 
die  dritte  Gruppe  verbindet  das  Kohlengebiet  auf  der  Westseite  des  Alleghany- 
gebirges  mit  den  großen  Seen  und  dem  Mississippibecken. 

Von  den  Kanälen  im  Staate  New-York  ist  der  Eriekanal  am  wichtigsten, 
der  den  Hudson  bei  Albany  mit  dem  Eriesee  bei  Buffalo  verbindet.  Im 
Jahre  1796  begann  eine  unter  Geoi^  Washingtons  Leitung  stehende  Gesell- 
schaft das  Werk  mit  dem  Aufstau  und  Ausbau  der  beiden  Flüsse  Mohawk 
und  Oneida  für  Schiffe  von  nur  16  t  Tragfähigkeit.    Der  Staat  übernahm  1816 


i)  Matschoß,  Hundert  Jahre  Dampfschiffahrt.  Zeitschr.  d.  V.  D.  I.  1907,  S.  1286,  wo 
auch  andere  Quellen  angeführt  sind.  Femer:  Die  Entwicklung  der  Dampfmaschine.  Von  dem- 
selben Verfasser.     Berlin  1908. 


Teuieri,  BinntHSchiffakri 


Verlag  -vca 


zu  S.  155 


■m  in  Leipzig 


5*  Von  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bis  1870.  155 

das  Unternehmen  und  vollendete  bis  zum  Jahre  1825  die  SchiffahrtstraDe,  die 
bei  einer  Länge  von  583  km  und  1,05  m  Wassertiefe  für  Schiffe  von  70  t  einge- 
richtet wurde.  Später  wurde  sie  wiederholt  verbessert  und  bis  1862  so  erweitert, 
daß  bei  2,1  m  Wassertiefe  Schiffe  von  225  t  verkehren  konnten.  Die  Zahl 
der  Schleusen  von  33,5  m  Länge  und  5,5  m  Breite  war  72,  die  Sohlenbreite 
des  Kanals  1 7  m.  Die  Fortbewegung  der  Schiffe  erfolgte  durch  Pferde-  oder 
Maultiertreidelei  in  ähnlicher  Weise  wie  in  Frankreich.  Der  Weg  von  Buffalo 
bis  Albany  wurde  im  Durchschnitt  in  243  Stunden  zurückgelegt.  (Bei  Tag-  und 
Nachtfahrt  in  etwa  1 1  Tagen ;  Eilboote  sollen  nur  7  Tage  gebraucht  haben.) 
An  den  Schleusen  war  nur  ein  Aufenthalt  von  etwa  10  Minuten,  weil  die 
Durchschleusung  selbst  in  4  bis  8  Minuten  bewirkt  werden  konnte.  Von  Al- 
bany bis  New-York  wurden  die  Schiffe  auf  dem  Hudson  meistens  in  großen 
Zügen  (50  bis  80  Stück)  durch  starke  Dampfer  stromab  geschleppt.  Jedes 
Schiff  soll  jährlich  etwa  6  Reisen  gemacht  haben.  Auf  der  45  km  langen 
Scheitelstrecke  wurde  etwa  um  das  Jahr  1870  Drahtseiltauerei  eingeführt,  die 
sich  aber  nicht  bewährt  hat;  ebensowenig  der  Betrieb  mit  Schleppdampfern. 

An  den  Hauptkanal  wurden  noch  7  Zweigkanäle  angeschlossen,  von  denen  die 
bedeutendsten  der  Oswegokanal  und  der  Champlainkanal  sind.  Der  erstere 
verbindet  mit  61  km  Länge  und  18  Schleusen  den  Hauptkanal  bei  Syrakuse 
mit  dem  Ontariosee  bei  Oswego,  während  der  zweite  nahe  bei  der  Einmündung 
des  Hauktkanals  in  den  Hudson  nach  Norden  abzweigt  und  mit  130  km  Länge 
und  32  Schleusen  zum  langgestreckten  Champlainsee  fuhrt.  (Dieser  See,  der 
wegen  seiner  geringen  Wassertiefe  (1,2  m)  nur  von  kleineren  Schiffen  befahren 
werden  konnte,  ist  von  der  kanadischen  Grenze  aus  durch  den  Chamblyka- 
nal  und  den  Richelieufluß  mit  dem  Lorenzstrom  bei  Montreal  verbunden.) 

Der  Erfolg  des  Eriekanals,  der  dem  Hafen  von  New-York  ein  gewaltiges 
Hinterland  erschloß,  war  bedeutend:  Die  Beförderungskosten  flir  eine  Tonne 
Getreide  von  den  großen  Seen  sanken  von  etwa  400  Mark  auf  40  Mark.  Damit 
gewann  dieser  Hafen  vor  allen  anderen  an  der  atlantischen  Küste  einen  großen 
Vorsprung. 

Der  Güterverkehr  auf  dem  Hauptkanal  und  den  beiden  erwähnten  Zwelgkanälen  war 
schwankend. 

Er  betmg  im  Jahre 

Hauptkanal     .     .    Millionen  Tonnen: 
Oswegokanal  .     .  »  • 

Champlainkanal  .  »  » 

Diese  Angaben  sind  in  englischen  Tonnen  (je  1016  kg)  gemacht 

Nachdem  zwischen  New-York  und  Buffalo  zwei  Eisenbahnlinien  erbaut  waren,  ging 
der  größte  Teil  des  gesamten  Güterverkehrs  allmählich  auf  diese  über  —  trotz  aller  Verbesse- 
rungen des  Kanals  und  der  Betriebsmittel  und  trotz  der  Herabsetzung  der  Kanalabgaben.  Von 
dem  ganzen  Güterverkehr  zwischen  diesen  beiden  Städten  wurden  in  den  Jahren  1856  bis  1860 
im  Durchschnitt  51,2  v.  H.  zu  Wasser  und  48,8  v.  H.  mit  der  Bahn  befördert;  dagegen  war  das 
Verhältnis  in  der  Zeit  von  1868  bis  1872  schon  28,8  v.  H.  zu  71,2  v.  H.').     Von  1880  ab  ging 


1837 

1847 

1857 

1867 

1871 

1880 

0,67 

1,66 

1,57 

2,92 

3,58 

4,15 

0,16 

0,44 

0,60 

0,94 

0,94 

0,43 

0,26 

0,31 

0,55 

1,05 

X,IO 

1,20 

i)   Mosler,    Die  Wasserstraßen    in  den  Vereinigten  Staaten.     Berlin   1877.     Eger,   Die 
Binnenschiffahrt  in  Europa  und  Nordamerika.     Berlin  1899. 


156  Abschnitt  U,     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

auch  die  Verkehrsmenge  auf  dem  Kanal  überhaupt  zurück.  Die  Fracht  kostete  im  Jahre  1872 
mit  der  Eisenbahn  je  tkm  etwa  4,1  Pfennig  und  zu  Wasser  2,6  Pfennig;  dabei  bt  aber  der 
Wasserweg  (rund  800  km)  um  etwa  1 10  km  länger,  sodaß  der  ganze  Frachtunterschied  nicht  er- 
heblich war.  (Die  niedrigsten  Frachtsätze  waren  infolge  des  zunehmenden  Wettbewerbs  im 
Jahre    1895:  1,03  Pfennig  auf   der  Eisenbahn  und  0,42  Pfennig  auf  dem  Wasserwege.) 

Die  von  BufFalo  beförderten  Güter  waren  Getreide,  Holz,  Leder,  Felle  und  Salz.  Als  Rück- 
fracht waren  nur  Kohlen  von  Bedeutung.  Infolge  des  Wettbewerbs  der  Eisenbahnen  und  der 
Dampfschiffe  aiif  den  großen  Seen  sind  aber  z.  B.  im  Jahre  1871  nur  103820  t  Kohlen 
auf  dem  Kanal  nach  Buffalo  befördert  worden,  während  auf  die  beiden  daneben  laufenden  Eisen- 
bahnen etwa  die  vierfache  Menge  entfiel. 

Das  Kanalnetz  in  Pennsylvanien  ist  in  den  Jahren  von  1816  bis  1840 
entstanden.  Zum  Teil  besteht  es  aus  Seitenkanälen,  zum  Teil  verbindet  es 
die  Ströme  Hudson,  Delaware  und  Susquehanna  mit  einander.  Der  letztere 
mündet  nebst  dem  Potomak  und  dem  Jamesflusse  in  die  Chesapeakebucht 
und  durch  diese  sowie  durch  die  Kanäle  ist  im  Binnenlande  eine  wertvolle 
Verbindung  zwischen  Richmond,  Washington,  Baltimore,  Philadelphia  und 
New- York  entstanden.  Die  pennsylvanischen  Kanäle  (etwa  680  km)  sind  sämt- 
lich von  den  Bergwerkgesellschaften  gebaut  worden.  Ihre  Abmessungen 
waren  verschieden;  doch  hatten  sie  meistens  Wassertiefen  von  1,4  m  bis 
1,9  m  und  wurden  mit  Schiffen  von  140  t  bis  190  t,  ausnahmsweise  von  280  t 
Tragfähigkeit  befahren.  Technisch  bemerkenswert  ist  der  1825  bis  1833  er- 
baute Morriskanal,  bei  dem  an  Stelle  der  Schleusen  > geneigte  Ebenen« 
angewendet  wurden.  Der  Güterverkehr  auf  den  Kanälen  war  zum  Teil  be- 
deutend und  erreichte  bei  einzelnen  1,5  Millionen  t.  Als  im  Jahre  1841  die 
erste  Eisenbahn  in  das  Kohlengebiet  kam,  ging  der  Wasserverkehr  allmäh- 
lich zurück.  Die  meisten  Kanäle  wurden  von  den  Eisenbahngesellschaften 
angekauft  und  in  eigenen  Betrieb  (mit  eigenen  Schiffen  und  Pferden)  genommen. 
Die  Hauptlinien  von  560  km  Länge,  die  1857  von  der  Pennsylvania-Eisen- 
bahngesellschaft gekauft  worden  waren,  wurden  im  Jahre  1867  eine  selbständige 
Pennsylvania-Kanal-Gesellschaft. 

Die  Kanäle  zwischen  der  Chesapeakebucht  und  New- York  (z.  B.  der 
Chesapeake-Delaware-Kanal  und  der  Delaware-Raritan-Kanal)  haben  den  Wett- 
bewerb mit  der  Eisenbahn  ausgehalten,  weil  sie  größere  Breiten,  Wassertiefen 
von  2  bis  2,7  m  und  wenige  Schleusen  hatten,  so  daß  größere  Schiffe  mit 
durchschnittlich  1 70  t  Ladung  verkehren  konnten.  Dort  hat  sich  auch  der 
Dampfschleppbetrieb  schnell  und  erfolgreich  eingebürgert.  Im  Jahre  1872 
entfielen  z.  B.  von  dem  gesamten  Güterverkehr  zwischen  New- York  und  Phila- 
delphia 85  V.  H.  auf  die  Wassersraße. 

Im  Ohiogebiet,  dessen  Mittelpunkt  Cincinnati  war,  entstand  in  den 
Jahren  1825  bis  1835  eine  Reihe  von  Kanälen  zur  Verbindung  mit  den  großen 
Seen,  um  namentlich  Getreide  auf  diesem  Wege  nach  den  östlichen  Seehäfen 
zu  befördern.  Besonders  zu  erwähnen  sind  der  Ohiokanal  (507  km  lang),  der 
von  Portsmouth  am  Ohio  nach  Cleveland  am  Eriesee,  der  Miamikanal 
(438  km),  der  von  Cincinnati  nach  Toledo  am  Erisee,  und  der  Wabash-Erie- 
Kanal  (300  km),  der  von  dem  Wabashflusse  (Nebenfluß  des  Ohio)  durch  den 


5.  Von  der  Erfindung  des  DampfschifTs  bis  1870.  157 

Staat  Indiana  zu  dem  vorgenannten  Kanäle  bei  Deiiance  und  somit  gleich- 
falls nach  Toledo  führte.  Die  beiden  .ersten  standen  im  Eigentum  des  Staats, 
der  letzte  gehörte  einer  vom  Staat  unterstützten  Gesellschaft.  Alle  diese 
Kanäle  haben  seit  der  Erbauung  der  Eisenbahnen  ihre  Bedeutung  vollkommen 
verloren,  zumal  sie  bei  kaum  1,2  m  Wassertiefe  nur  Schiffe  von  65  t  tragen 
konnten.  Einzelne  Seitenkanäle  wurden  sogar  zugeschüttet  und  zum  Bau  neuer 
Eisenbahnlinien  benutzt. 

Erwähnenswert  ist  noch  der  von  Chicago  nach  Lasalle  am  Illinois 
führende  Illinois-Michigan-Kanal  (163  km),  der  in  den  Jahren  1836  bis 
1848  in  größeren  Abmessungen  (12,8  m  Sohlenbreite,  1,8  m  Tiefe  und 
16  Schleusen)  erbaut  ist  und  eine  Verbindung  von  Chicago  mit  dem  oberen 
Mississippi  und  St.  Louis  herstellte.  Es  verkehrten  dort  Schiffe  bis  zu 
1 70  t  und  man  hat  auch  den  Verkehr  mit  Dampfbooten  versucht.  Der  Staat 
Illinois  übernahm  den  Kanal  im  Jahre  1871. 

Auf  den  natürlichen  Wasserstraßen  hat  die  Binnenschiffahrt  in 
Nordamerika  besonders  im  Mississippibecken  bis  1870  den  Wettbewerb  mit 
den  Eisenbahnen  gut  überstanden.  Der  Kohlenversand  von  dem  westlichen 
Abhänge  des  AUeghanygebirges,  von  Pittsburg  und  dem  Monongahelagebiet 
durch  den  Ohio  zum  Mississippi  und  auf  diesem  abwärts  bis  New-Orleans 
(etwa  3360  km)  hatte  schon  bis  1870  einen  ganz  bedeutenden  Umfang  er- 
reicht. (Diese  Stadt  hat  im  Jahre  1875  von  dort  etwa  2,5  Millionen  t  Kohlen 
erhalten  und  auf  dem  Ohio  sollen  1873  im  ganzen  1,875  Millionen  t  Kohlen 
verschifft  sein.) 

Der  für  die  Schiffahrt  wichtigste  Nebenfluß  des  Ohio  ist  der  bei  Pitts- 
burg einmündende,  künstlich  aufgestaute  Mono ngahela.  Im  Jahre  1836  be- 
gann eine  Gesellschaft  mit  den  Arbeiten  zur  Schiffbarmachung.  Später  hat  die 
Bundesregierung  das  Unternehmen  zu  Ende  gefuhrt.  Es  ist  eine  Flußstrecke 
von  163  km  in  9  Stufen  aufgestaut  und  eine  Wassertiefe  von  1,8  m  erreicht 
worden.  Die  Schleusen  haben  76  m  Länge  und  17  m  Breite  und  die  Last- 
schiffe (bis  zu  600  t  Tragfähigkeit)  wurden  durch  Schleppdampfer  fortbewegt. 
Der  Verkehr  hat  sich  gut  entwickelt.     Es  wurden  befördert  in  den  Jahren: 

1845         1855         1865         1870 
Millionen  t  Kohlen:       0,19         0,90  1,60         2,34 

Der  Wettbewerb  der  Eisenbahn  hat  diesen  Verkehr  mithin  nicht  geschädigt. 
An  Schiffahrtabgaben  wurden  im  Jahre  1870  etwa  430000  Mark  vereinnahmt. 

Im  übrigen  bestehen  auf  den  offenen  natürlichen  Wasserstraßen  in 
Amerika  keinerlei  Abgaben  und  die  Schiffahrt  wird  auch  nicht,  wie  in 
Europa,  durch  Mühlenstaue  behindert.  Die  Schiffe  auf  dem  Ohio  und  auf  dem 
Mississippi  waren  meistens  etwa  40  m  lang,  7,3  m  breit,  2,25  m  hoch  und 
hatten  eine  Tragfähigkeit  von  400  bis  500  t.  Die  größeren  Lastschiffe,  bis  zu 
55  m  Länge  und  8,5  m  Breite  mit  Tragfähigkeiten  von  800  bis  1000  t,  wurden 
in  der  Regel  nur  für  eine  einmalige  Talfahrt  bis  New-Orleans  aus  leichtem 
Fichtenholz  gebaut  und  am  Ende  der  Reise  verkauft  oder  zerschlagen. 


158  Abschnitt  IL     Geschichtlicher  Rückblick  bis  1870. 

Die  Fracht  von  Pittsburg  bis  New-Orleans  (etwa  3200  km)  betrug  um  die 
Mitte  der  siebziger  Jahre  im  Durchschnitt  4  Mark  je  t,  also  o,  1 25  Pfennig  je  tkm. 

Bis  zum  Jahre  1880  sind  in  den  Vereinigten  Staaten,  einschließlich  768  km  aufgestauter  Flusse,- 
im  ganzen  8301  km  künstliche  Wasserstraßen  hergestellt  worden.  Davon  wurden  3125  km  wieder 
voUstSndig  aufgegeben  und  zum  Teil  zugeschüttet,  sodaß  nur  5176  km  im  Betrieb  geblieben  sind. 

In  Kanada  wird  die  Hauptwasserstraße  von  dem  Lorenzstrom  gebildet 
und  von  den  mit  ihm  zusammenhängenden  großen  Seen,  die  bis  Duluth 
im  äußersten  Westen  3820  km  lang  ist.  Die  unterste  Strecke  von  Quebec 
bis  Montreal  ist  seit  1844  allmählich  bis  auf  8,3  m  vertieft  und  eine  See- 
wasserstraße geworden.  Von  Montreal  aufwärts  bis  zum  Ontariosee  sind  die 
Stromschnellen  durch  7  Seitenkanäle  von  70  km  Länge  mit  27  Schleusen  von 
82  m  Länge  und  13,6  m  Breite,  und  der  Niagarafall  zwischen  dem  Ontario- 
und  dem  Eriesee  ist  durch  den  43,5  km  langen  Wellandkanal  mit  26  Schleusen 
von  gleichen  Abmessungen  umgangen  worden.  Diese  Wasserstraße  wurde 
in  den  Jahren  1824  bis  1833  von  einer  Gesellschaft  hergestellt  und  1841  von 
der  Regierung  übernommen.  Ursprünglich  waren  die  Kanäle  mit  einer  Wasser- 
tiefe von  2,4  bis  2,7  m  angelegft;  sie  sind  allmählich  weiter  vertieft,  bis  zu 
4,27  m  im  Jahre  1888,  sodaß  jetzt  Schiffe  von  1500  t  Tragfähigkeit  darauf 
verkehren  können. 

Auch  in  den  großen  Seen  wurde  das  Fahrwasser  ursprünglich  sowohl  in 
Kanada  wie  in  den  Vereinigten  Staaten  nur  mit  einer  Tiefe  von  2,8  m  her- 
gestellt und  unterhalten;  seit  1857  ist  es  allmählich  bis  auf  6  m  vertieft  worden. 
Der  Schiffahrtbetrieb  hat  jetzt  fast  alle  Eigenschaften  der  Seeschiffahrt. 

Die  Verbindung  zwischen  dem  Oberen  See  und  dem  Huronsee  bei  Sault 
St.  Marie  hatte  bei  1,2  km  Länge  ein  Gefalle  von  5,3  m  und  war  daher  ein 
bedeutendes  Schiffahrthindernis.  Zur  Umgehung  wurde  von  der  Regierung 
der  Vereinigten  Staaten  1855  ^^^  2,4  km  langer  Kanal  mit  einer  Koppel- 
schleuse von  106,4  ni  Länge,  22,9  m  Breite  und  3,5  m  Tiefe  angelegt. 

Bei  dem  bedeutenden  Verkehr  und  der  wachsenden  Größe  der  SchifTe  genügte  diese  Schleuse 
bald  nicht  mehr  und  wurde  1881  durch  eine  neue  von  157  m  Länge,  24,4  m  Breite  und  4,9  m 
Tiefe  ersetzt.  Im  Jahre  1895  wurde  eine  dritte  Schleuse  von  244  m  Länge,  30,5  m  Breite  und 
6,4  m  Wassertiefe  erbaut  Zu  gleicher  Zeit  wurde  auch  auf  dem  kanadischen  Ufer  ein  1,2  km 
langer  Kanal  mit  einer  Schleuse  von  275  m  Länge,  18,3  m  Breite  und  6,1  m  Wassertiefe  gebaut, 
sodaß  zurzeit  außer  der  ersten  beseitigten  Schleuse  noch  deren  3  vorhanden  sind.  Der  Verkehr 
ist  dort  ganz  bedeutend:  Im  Jahre  1909  fuhren  durch  beide  Kanäle  13570  Schiffe  mit  etwa 
60000  Fahrgästen  und  59  MilUonen  t  Güter.  Von  den  letzteren  entfielen  30,6  Millionen  auf  die 
Vereinigten  Staaten  und  28,4  Millionen  auf  Kanada.  Im  Jahre  1889  war  der  gesamte  Güterver- 
kehr nur  7,5  Millionen  t.  Die  Wasserstraße  ist  jährlich  4  bis  5  Monate  lang  durch  Eis  gesperrt. 
Abgaben  werden  nicht  erhoben. 

Die  anderen  Kanäle  in  Kanada  am  Ontariosee  und  am  Lorenzstrom  sind  meistens  nach 
1870  erbaut  und  für  Schiffe  bis  su  690  t  Tragfähigkeit  eingerichtet,  die  entweder  mit  eigener 
Dampf  kraft  fahren  oder  geschleppt  werden.  Sie  haben  Wassertiefen  von  1,5  bis  2,7  m.  Außer 
dem  schon  erwähnten  (S.  155)  Chamblykanal  sind  der  202  km  lange  Rideaukanal,  die  Ottawa- 
kanäle und  die  Trentkanäle  zu  nennen.    Alle  kanadischen  Wasserstraßen  gehören  dem  Staate. 

Durch  den  Wellandkanal  wurden  an  Gütern  befördert: 


im  Jahre 

1867 

1872 

1882 

1892 

1896 

Millionen  t: 

0,93 

1,33 

0,79 

0,95 

1,28 

Abschnitt  IIL 

Die  Förderung  der  Binnenschiffahrt  durch  Vereine 

und  Kongresse. 

Etwa  im  Jahre  1870  waren  die  wichtigsten  Eisenbahnlinien  in  Mittel- 
europa gebaut.  Wenn  man  untersucht,  welchen  Einfluß  die  Einführung  der 
Dampfschiffahrt  und  der  Eisenbahnen  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  auf  die  Binnen- 
schiflahrt  ausgeübt  haben,  bemerkt  man  leicht,  daD  dieser  Einfluß  auf  den 
natürlichen  Wasserstraßen  ein  anderer  war,  als  auf  den  Kanälen.  Die  Dampf- 
schiffahrt hat  auf  allen  natürlichen  Wasserstraßen,  so  weit  sie  ihr  zu- 
gänglich waren,  einen  kräftigen  Aufschwung  der  Schiffahrt  herbeigeführt.  Mit 
der  Eröffnung  der  Eisenbahnen  ging  der  Verkehr  zunächst  überall  insoweit 
zurück,  als  die  Beförderung  von  Personen  und  von  besonders  wertvollen 
Gütern  aufhörte,  weil  die  Wasserstraße  in  bezug  auf  Schnelligkeit,  Sicherheit 
imd  Pünktlichkeit  hinter  den  gesteigerten  Ansprüchen  zurückblieb.  Im  übrigen 
hat  die  Binnenschiffahrt  nur  dort  den  Wettbewerb  mit  den  Eisenbahnen  er- 
folgreich ausgehalten,  wo  Massengüter  zur  Beförderung  vorhanden  waren  und 
wo  sie  bei  genügend  tiefem  oder  mindestens  genügend  breitem  Fahrwasser 
durch  Einstellung  g^rößerer  Schiffe  und  Einrichtung  eines  zweckmäßigen 
Schleppbetriebs  ihre  Selbstkosten  vermindern  und  mithin  die  Frachten  her- 
absetzen konnte.  Auf  diesen  Wasserstraßen  verdankt  die  Schiffahrt  ihren 
Aufschwung  und  die  Fortschritte  in  ihrem  Betriebe  gewissermaßen  den  Eisen- 
bahnen. Das  trifft  in  Deutschland  unbedingt  auf  den  Rhein  (mit  Ausnahme 
des  Oberrheins)  und  die  Elbe  zu,  vielleicht  in  gewissem  Sinne  auch  auf  die 
Havel,  die  untere  Oder  und  den  unteren  Pregel,  also  auf  den  Nahverkehr 
bei  den  großen  Städten  Berlin,  Stettin,  Königsberg.  Auf  den  anderen  Strömen 
hörte  die  Schiffahrt  entweder  ganz  auf,  wie  auf  dem  oberen  Rhein  und  der 
oberen  Donau,  oder  sie  wurde  sehr  unbedeutend,  wie  auf  Neckar,  Main, 
Mosel,  Weser,  Warthe  und  Netze. 

Anders  war  es  bei  den  Kanälen.  Dort  hat  die  Erfindung  des  Dampf- 
schiffs keine  Veränderung  des  Betriebs  und  des  Erfolgs  herbeiführen  können, 
höchstens  durch  Heranschleppen  der  Kanalschiffe  aus  den  benachbarten  offe- 
nen Strömen.  Die  in  England  und  in  Amerika  oft  angestellten  Versuche, 
auf  den  verhältnismäßig  schmalen  Kanälen  mit  Dampfbooten  zu  schleppen, 
führten  im  allgemeinen  zu  keinen  wirtschaftlichen  Erfolgen.  Die  Beschädi- 
gungen der  Kanalufer  und  der  Kanalsohle  waren  außerdem  so  bedeutend. 


130  Abschnitt  III.    Die  Förderung  der  Binnenschiffahrt 

daß  die  Versuche  bald  eingestellt  wurden.  Bei  der  Einfuhrung  der  Eisen- 
bahnen zeigte  es  sich  bald,  daß  im  allgemeinen  die  Kanalschiffahrt  mit  Fahr- 
zeugen von  weniger  als  etwa  loo  t  Tragfähigkeit  nicht  mehr  wirtschafdich 
war.  Die  mit  so  kleinen  Abmessungen  gebauten  Kanäle  in  England  und 
Amerika  wären  auch  ohne  den  gewaltsamen  Eingriff  der  Eisenbahngesell- 
schaften wettbewerbsunfähig  geworden.  In  Deutschland  zeigte  sich  das  z.  B. 
beim  Klodnitzkanal  und  beim  Stecknitzkanal,  während  der  Rückgang  auf  dem 
Ludwigkanal  mehr  auf  das  mangelhafte  Fahrwasser  in  den  anschließenden 
Stromstrecken  zurückzuführen  ist.  Andere  Kanäle  hingegen,  deren  Bauwerke 
und  Abmessungen  eine  Vergrößerung  der  Schiffe  bis  zu  Tragfähigkeiten  von 
150  t  und  mehr  zuließen,  haben  zwar  durch  die  Eisenbahnen  einen  Teil  ihrer 
wertvollen  Güter  verloren  und  zeitweilig  eine  gewisse  Verkehrsabnahme  ge- 
zeigt, später  aber  mit  Erfolg  den  Wettbewerb  ausgehalten.  Das  zeigt  sich 
z.  B.  bei  den  meisten  preußischen  Kanälen  in  der  Mark  und  bei  den  fran- 
zösischen Kanälen. 

Bei  den  durch  Wehre  aufgestauten  und  nur  durch  Schleusen  zugäng- 
lichen Strecken  der  natürlichen  Wasserstraßen  konnte  eine  Vergfrößerung  der 
Schiffe  meistens  nicht  eintreten  und  auch  die  Tauchtiefe  konnte  nicht  ver- 
mehrt werden,  weil  zwischen  den  Stauwerken  gewöhnlich  noch  Gefallstrecken 
von  ungenügender  Wassertiefe  lagen.  Aus  diesem  Grunde  hörte  z.  B.  der 
große  Verkehr  auf  der  Ruhr  fast  vollständig  auf  und  ähnlich  lagen  die  Ver- 
hältnisse bei  der  Lahn,  der  Lippe  und  der  Ems.  Die  Schleusen  in  der 
Havel  und  Spree  hatten  dagegen  verhältnismäßig  große  Abmessungen  und 
waren  für  die  Vergrößerung  der  Schiffe  damals  kein  Hindernis. 

Es  muß  darauf  hingewiesen  werden,  daß  diese  genannten  Flüsse  im  allgemeinen  nicht  zum 
Zweck  der  Schiffahrt  künstlich  aufgestaut  (kanalisiert]  waren.  Die  Schleusen  waren  vielmehr 
nur  zur  Überwindung  der  Mühlenstaue  angelegt.  Ebenso  lagen  die  Verhältnisse  an  der  Saale 
und  der  oberen  Oder.  Der  künstliche  Aufstau  der  Flüsse  zum  Zweck  der  Schiffbarmachung, 
also  der  Einbau  von  Wehren  und  Schleusen  in  bestimmten  Abständen,  hat  im  allgemeinen  in 
Deutschland  erst  nach  dem  Jahre  1870  begonnen  (Brahe,  obere  Netze,  unterer  Main,  obere 
Oder,  Fulda  usw.).  Einzelne  Zwischenstufen  wurden  allerdings  schon  früher,  z.  B.  an  der  Saar, 
der  Ems,  der  oberen  Havel,  der  Netze  und  den  mecklenburgischen  Wasserstraßen  ausgeführt. 

Bemerkenswert  ist  femer,  daß  kurze  Wasserstraßen  oder  kurze  Zweige  (Nebenflüsse)  von 
großen  Wasserstraßen,  wo  beim  Übergange  zur  Hauptwasserstraße  ein  Umladen  der  Güter  auf 
andere  Schiffe  nötig  war,  den  Wettbewerb  der  Eisenbahn  nicht  aushalten  konnten.  In  früheren 
Jahrhunderten  ^S.  24)  war  das  Umladen  von  geringer  Bedeutung;  in  der  Zeit  der  Eisenbahnen 
wurden  aber  bei  den  höheren  Arbeitslöhnen  die  Kosten  des  Umladens  oft  für  die  Feststellung 
der  Frachten  ausschlaggebend  und  bei  kurzem  Wasserwege  war  die  Beförderung  durch  die 
Eisenbahn  oft  billiger. 

Die  Einwirkung  der  Eisenbahnen  auf  die  Binnenschiffahrt  war  gewaltig. 
Die  öfTentliche  Meinung,  namentlich  der  Handelswelt,  verfolgte  die  Entwicke- 
lung  des  Eisenbahnnetzes  mit  größter  Aufmerksamkeit  und  hielt  im  all- 
gemeinen die  volkswirtschaftliche  Bedeutung  der  Binnenschiffahrt,  die  seit 
Jahrhunderten  den  Güterverkehr  vermittelt  und  auch  durch  den  Bau  der 
KunststraOen  ihre  Bedeutung  nicht  verloren  hatte,  jetzt  für  erloschen.  Auch 
die    Staatsregierungen   und   Landesvertretungen    schlössen    sich    mehr   oder 


durch  Vereine  und  Kongresse.  161 

minder  dieser  Ansicht  an.  Auf  der  anderen  Seite  gab  es  aber  namentlich 
in  Deutschland  eine  große  Zahl  von  weiterschauenden  Männern,  besonders 
von  Vertretern  der  Industrie,  der  Volkswirtschaft  und  des  Ingenieurwesens, 
die  in  Anbetracht  des  damals  beginnenden  großen  wirtschaftlichen  Auf- 
schwui^s  überzeugt  waren,  daß  die  Eisenbahnen  den  Anforderungen  von 
Handel  und  Verkehr  in  bezug  auf  Billigkeit  der  Güterbeförderung  auf  die 
Dauer  nicht  genügen  würden.  Sie  waren  der  Meinung,  daß  die  Binnen- 
schiffahrt auch  in  Zukunft  im  Verkehrsleben  ein  wichtiges  Glied  bleiben 
würde. 

Am  i8.  Juni  1869  erließen  32  solche  Männer,  an  deren  Spitze  Friedrich 
Harkort  stand,  einen  Aufruf  zur  Bildung  des  >Zentralvereins  für  Hebung^ 
der  deutschen  Fluß-  und  Kanalschiffahrt«.  Dieses  Vorgehen  hatte 
Erfolg.  Bei  der  ersten  im  Oktober  d.  J.  abgehaltenen  Hauptversammlung  in 
Berlin  waren  schon  825  Mitglieder,  darunter  51  Magistrate,  Handelskammern 
und  andere  Körperschaften  dem  Verein  beigetreten.  Die  nächstliegende  Auf- 
gabe war  die  Umstimmung  und  Aufklärung  der  öffentlichen  Meinung  über 
den  wirtschaftlichen  Wert  und  die  Bedeutung  der  Binnenschiffahrt.  Das  wurde 
erstrebt  durch  Vorträge  und  Verhandlungen  in  dem  monatlich  in  Berlin  zu- 
sammentretenden Großen  Ausschuß  und  in  Wanderversammlungen,  femer 
durch  die  Tagespresse  und  durch  besondere  Druckschriften.  Außerdem 
wurden  Zweigvereine  gegründet,  die  sich  über  ganz  Norddeutschland  aus- 
dehnten und  überall  die  Beteiligten  zu  gemeinschaftlichem  Vorgehen  in  gleichem 
Sinne  vereinten.  Aus  der  Erkenntnis  des  Werts  der  Binnenschiffahrt  folgte 
das  Bestreben  zur  Verbesserung  und  Vermehrung  der  natürlichen  und  künst- 
lichen Wasserstraßen,  zur  weiteren  Ausbildung  der  Betriebs-  und  Fortbewegungs- 
einrichtungen, zur  Verbesserung  der  Fahrzeuge,  zur  Hebung  des  Schiffer- 
standes usw.  Viele  Mitglieder,  die  den  Landesvertretungen  angehörten, 
sorgten  auch  in  diesen  bei  passenden  Gelegenheiten  für  die  Verbreitung  ihrer 
Überzeugung.  Diese  Bestrebungen  hatten  guten  Erfolg:  Auch  Bismarck  stimmte 
ihnen  zu  und  der  Generalfeldmarschall  Graf  von  Moltke  nahm  z.  B.  selbst  an 
einer  Ausschußsitzung  teil,  als  über  die  Frage  des  Nord-Ostsee-Kanals  ver- 
handelt wurde.  Der  Verein  gewann  bald  ein  großes  Ansehen  in  Deutsch- 
land. Die  Landesregierungen  ersuchten  ihn  öfters  um  Gutachten  in  Sachen 
der  Binnenschiffahrt  und  zogen  ihn  bei  Beratungen  über  solche  Fragen  hinzu. 
Die  gedruckten  Niederschriften  über  die  Verhandlungen  in  den  Sitzungen 
wurden  seit  1882  durch  andere  wertvolle  Aufsätze  erweitert  und  als  »Mit- 
teilungen des  Zentral  vereinst  an  alle  Mitglieder  versandt.  Im  Jahre  1894 
wurden  die  Drucksachen  in  die  Form  einer  monatlich  zweimal  erscheinenden 
»Zeitschrift  für  Binnenschiffahrt«  umgewandelt,  die  im  Buchhandel  erscheint 
und  auf  diese  Weise  auch  fernerstehende  Kreise  über  alle  wichtigen  Vor- 
gänge auf  dem  Gebiet  der  Binnenschiffahrt  unterrichtet.  Gelegentlich  einer 
Änderung  der  Satzung  wurde  der  Namen  des  Vereins  im  Jahre  1908  in 
»Zentral verein   für   deutsche   Binnenschiffahrt«    umgeändert.     Im  Jahre  19 10 

Teubert,  BinnenschifTahrt.  II 


162  Abschnit    IIL     Die  Förderung  der  Binnenschiffahrt 

gehörten  zu  ihm:  13  Zweigvereine,  etwa  230  körperschaftliche  Mitglieder 
(darunter  80  Stadtverwaltungen  und  68  Handelskammern)  und  etwa  800  Ein- 
zelmitglieder. 

Außer  den  Zweigvereinen  entstanden  in  Deutschland  noch  eine  Reihe 
selbständiger  Vereine  mit  gleichen  Zielen.  Hervorzuheben  ist  der  im  Jahre 
1892  gegründete  »Verein  fiir  Hebung  der  Fluß-  und  Kanalschiffahrt  in  Baiernc 
mit  dem  Sitze  in  Nürnberg,  der  sich  des  besonderen  Wohlwollens  des  Prinzen 
Ludwig  von  Baiern  erfreut.  In  Osterreich  entstanden  schon  früher  der  Elbe- 
verein  in  Aussig  und  der  Donauverein  in  Wien.  Der  letztere  nahm  später 
den  Namen  »Zentralverein   für  Fluß-  und  KanalschifTahrt  in  Osterreichc  an. 

Daß  auch  die  Fresse  zur  Unterstützung  der  Bestrebungen  des  Zentral- 
vereins herangezogen  wurde,  ist  schon  erwähnt  worden.  Besonders  ist  hier 
die  Wochenschrift  »Das  Schiff«  zu  nennen,  die  im  Jahre  1880  von  Dr.  von 
Studnitz  in  Dresden  begründet  wurde,  seit  mehreren  Jahren  aber  in  Berlin 
erscheint.  Das  von  den  meisten  an  der  Binnenschiffahrt  in  Deutschland  be- 
teiligten Behörden,  Gesellschaften  und  Einzelpersonen  gelesene  Blatt  hat  zur 
Verbreitung  aller  bemerkenswerten  Vorgänge  und  Ereignisse  auf  diesem  Ge- 
biete und  damit  zur  Förderung  der  Binnenschiffahrt  in  anerkennenswerter 
Weise  mitgewirkt. 

Andererseits  haben  die  geschUderten,  erfolgreichen  Bestrebungen  auch 
einen  gewissen  Gegendruck  hervorgerufen.  Sie  wurden  namentlich  aus  den 
der  Eisenbahn  nahestehenden  Kreisen  in  Wort  und  Schrift  bekämpft,  indem 
behauptet  wurde,  daß  die  Eisenbahnen  ebenso  wohlfeil  befördern  könnten, 
wie  die  Wasserstraßen  und  daß  der  Bau  neuer  Kanäle  unwirtschaftlich  wäre, 
weil  sie  die  Kosten  nicht  einbringen"). 

Auch  diese  Gegenschriften,  wenn  man  sie  so  nennen  darf,  dienten  zur 
Klärung  der  Wasserstraßenfrage,  indem  sie  sie  von  einem  anderen  Stand- 
punkte aus  untersuchten  und  zur  Widerlegung  der  angeführten  Beweisgründe 
Veranlassung  gaben. 

Von  gfroßer  Bedeutung  für  die  Entwicklung  der  Binnenschiffahrt  wurden 
die  internationalen  Schiffahrtkongresse.  Sie  verdanken  ihre  Ent- 
stehung einer  im  Jahre  1884  abgehaltenen  Wanderversammlung  des  West- 
deutschen Fluß-  und  Kanalvereins,  wo  in  einer  Sitzung  in  der  Börse  von 
Bremen  der  belgische  Ingenieur  Gobert  auf  die  Zweckmäßigkeit  des  inter- 
nationalen Gedankenaustausches  hinwies.  Da  sein  Vorschlag  den  Beifall  der 
anwesenden  deutschen,  belgischen  und  holländischen  Teilnehmer  fand,  be- 
mühten sich  Gobert  und  die  in  Brüssel,  in  Brügge,  in  Löwen  und  in  Mecheln 
bestehenden  Vereinigungen  zur  Hebung  der  Binnenschiffahrt  und  zur  Her- 
stellung von  Seekanälen  die  belgische  Regierung  dafür  zu  erwärmen.  Sie  er- 
reichten das  gewünschte  Ziel:  Der  Minister  für  Landwirtschaft,  Gewerbe  und 
öffentliche  Arbeiten,  v.  Moreau,  unterbreitete  dem  König  Leopold  11.  einen 

i)  Wir  erwähnen:  v.  Nördling,  Die  Selbstkosten  der  Eisenbahn -Transporte  und  die 
Wasserstraßen-Frage,  Wien  1885  und  Ulrich,  Staffeltarife  und  W^asserstraßen,  Berlin  1894. 


durch  Vereine  nnd  Kongresse.  163 

entsprechenden  Antrag  und  dieser  erklärte  sich  mit  der  Einladung  zu  einem 
internationalen  Binnenschiffahrtkongresse  nach  Brüssel  einverstanden. 
So  trat  der  erste  Kongreß  im  Mai  1885  in  dieser  Stadt  zusammen.  Der 
zweite  Kongreß  wurde  im  Jahre  1886  in  Wien  abgehalten,  der  dritte  1888 
in  Frankfurt  a.  M.,  der  vierte  1890  in  Manchester,  der  fünfte  1892  in  Paris, 
der  sechste  1894  im  Haag,  der  siebente  1898  wieder  in  Brüssel,  der  achte 
1900  gelegentlich  der  Weltausstellung  wieder  in  Paris,  der  neunte  1902  in 
Düsseldorf,  der  zehnte  1905  in  Mailand  und  der  elfte  1908  in  St.  Petersburg. 
Der  zwölfte  wird  19 12  in  Philadelphia,  in  Nordamerika,  zusammentreten.  Die 
ersten  6  Kongresse  haben  sich  nur  mit  der  Binnenschiffahrt  beschäftigt'). 
Im  Haag  wurde  im  Jahre  1894  jedoch  beschlossen,  auch  die  Seeschiffahrt 
aufzunehmen.  Die  daran  zunächst  beteiligten  Kreise  hatten  bereits  in  den 
Jahren  1889  in  Paris  und  1893  in  London  internationale  Kongresse  veran- 
staltet, hegten  aber  den  Wunsch,  sich  mit  der  Binnenschiffahrt  zu  gemein- 
samer Tätigkeit  zu  verbinden.  Der  siebente  Kongreß  in  Brüssel  vereinigte 
daher  zum  ersten  Male  beide  Arten  von  Schiffahrt  und  führte  ebenso  wie 
die  folgenden  den  Namen  »internationaler  Schiffahrtkongreß«.  Die  Ein- 
ladungen an  die  einzelnen  Staaten  und  alle  an  der  Schiffahrt  beteiligten 
Kreise  und  Personen  wurden  in  der  Regel  durch  Vermittelung  einer  soge- 
nannten Organisationskommission  von  den  betreffenden  Staaten,  Handelskam- 
mern oder  Städten  erlassen,  in  Manchester  au^ahmsweise  von  der  Direktion 
des  Manchester-Seekanals.  Diese  trugen  auch  im  allgemeinen  die  Kosten 
des  Kongresses,  soweit  sie  nicht  durch  die  Beiträge  der  Teilnehmer  gedeckt 
wurden.  Die  Beteiligung  war  von  vornherein  eine  große  und  stieg  immer 
mehr:  Die  Zahl  der  Teilnehmer  am  ersten  Kongresse  war  376,  sie  stieg  beim 
fünften  Kongresse  schon  auf  nahe  1000  und  überschritt  diese  Grenze  weiter- 
hin noch  um  mehrere  Hunderte*).  Fast  alle  an  der  Schiffahrt  beteiligten 
Kulturstaaten  der  Welt,  einschließlich  China  und  Japan,  haben  allmählich 
durch  Absendung  von  Vertretern  ihre  Teilnahme  an  den  Bestrebungen  der 
Kongresse  bewiesen. 

Die  große  Teilnehmerzahl  war  später  in  gewisser  Weise  nachteilig,  weil  die 
Veranstaltungen  zur  Aufnahme  des  Kongresses  mühevoller  und  kostspieliger 
wurden  und  die  persönliche  Bekanntschaft  und  der  mündliche  Gedankenaustausch 
zwischen  den  Teilnehmern  aus  den  verschiedenen  Ländern  erschwert  wurde. 

In  dem  Verlauf  der  einzelnen  Kongresse  entwickelte  sich  schnell  eine  gewisse  Regelmäßig- 
keit Die  Dauer  war  gewöhnlich  eine  Woche.  Zur  Eröffnung  und  zum  Schlüsse  wurden  Voll- 
versammlungen und  dazwischen  Abteilungssitzungen  abgehalten,  in  denen  über  die  einzelnen 
Fragen  beraten  wurde.  Die  Beschlüsse  der  Abteilungen  wurden  in  der  Schlußsitzung  vorgetragen 
und  dort  endgültig  verabschiedet.     Mit  diesen  Verhandlungen  waren  bei  einer  Reihe  von  Kon- 


i)  Weber  von  Ebenhof  berichtet  über  die  ersten  6  Kongresse  ausführlich  in  dem 
Buche  »Bau,  Betrieb  und  Verwaltung  der  natitrlichen  und  künstlichen  Wasserstraßen  auf  den 
internationalen  Binnenschißahrtkongressen«.     Wien  1895. 

2)  Von  den  auswärtigen  Gästen  entfiel  die  Mehrzahl  gewöhnlich  auf  Deutschland  und 
Frankreich. 

II* 


164  Abschnitt  m.     Die  Förderung  der  Binnenschiffahrt 

gressen  lehrreiche  Ausstellungen  aus  dem  Gebiet  der  Schiffahrt  verbunden  and  außerdem  wurden 
Ausflüge  veranstaltet,  bei  denen  die  auswärtigen  Teilnehmer  Gelegenheit  fanden,  die  Wasser- 
straßen des  Landes  und  den  Schiffahrtbetrieb  kennen  zu  lernen. 

Den  wichtigsten  Teil  des  Kongresses  bildeten  die  Beratungen  in  den  Abteilungen,  von 
denen  anfangs  vier  bis  fünf,  sp&ter  jedoch  nur  zwei  (für  Binnenschiffahrt  und  für  Seeschiffahrt) 
eingerichtet  wurden.  Auch  die  Zahl  der  zu  behandelnden  Fragen  wurde  allmählich  vermindert 
(von  i8  auf  6),  wodurch  die  Beratungen  eingehender  und  die  Ergebnisse  wertvoller  wurden. 
Die  Aufstellung  dieser  Fragen  lag  in  der  Regel  in  den  Händen  der  Organisationskommission, 
die  dabei  die  von  den  früheren  Kongressen  ausgesprochenen  Wünsche  berücksichtigte.  Dann 
wurden  in  den  besonders  an  den  Kongressen  beteiligten  Ländern  geeignete  Sachverständige  ge- 
beten, Berichte  <]  zu  verfassen  und  der  Kommission  einzusenden,  die  für  die  Übersetzung  in  die 
Kongreßsprachen  (deutsch,  französisch  und  englisch),  für  die  Drucklegung  und  für  die  Verteilung 
an  die  angemeldeten  Teilnehmer  schon  einige  Wochen  vor  dem  Beginn  der  Versammlung  soj^te. 
Auf  diese  Weise  kam  man  vorbereitet  in  die  Abteilungsitzungen  und  es  genügte  vor  dem  Ein- 
tritt in  die  Beratungen,  wenn  die  Berichterstatter  aus  ihren  Arbeiten  kurze  Auszüge  mitteilten. 
Seit  dem  Düsseldorfer  Kongresse  (1902)  wurde  eine  Verbesserung  dieses  Verfahrens  eingeführt, 
indem  für  jede  Frage  vor  Beginn  des  Kongresses  von  der  Organisationskommission  ein  General - 
berichterstatter  berufen  wurde.  Dieser  stellte  das  Ergebnis  der  aus  den  verschiedenen  Ländern 
eingelaufenen  Berichte  in  sachlicher  Weise  zu  einem  kurzen  Generalbericht  zusammen,  der  wie- 
derum in  die  drei  Kongreßsprachen  übersetzt,  gedruckt  und  vor  dem  Kongreß  den  Teilnehmern 
zugestellt  wurde.  Indem  allein  der  Generalberichterstatter  in  der  Abteilungsitzung  seinen  Bericht 
vortrug  und  Vorschläge  für  die  zu  fassenden  Beschlüsse  machte,  wurde  das  Verfahren  wesentlich 
und  ohne  Schaden  für  die  Sache  vereinfacht.  In  Düsseldorf  wurden  auch  zuerst  neben  den 
wenigen  Fragen,  deren  Beantwortung  die  Hauptaufgabe  des  Kongresses  bildete,  die  sogenannten 
»Mitteilungen«  eingeführt  Das  waren  in  gleicher  Weise  angefertigte  Berichte  über  Gegenstände 
von  augenblicklich  geringerer  Wichtigkeit  oder  über  Beobachtungen,  die  von  Einzelnen  auf 
Sondergebieten  gemacht  waren.  Über  diese  Mitteilungen  wurden  später  in  gleicher  Weise  Ge- 
neralberichte zusammengestellt  und  im  Kongresse  zur  Beratung  gestellt,  soweit  die  Zeit  dazu  aus- 
reichte.    Es  wurden  darüber  jedoch  keine  Beschlüsse  gefaßt. 

Die  Veranstaltung  der  Kongresse  durch  stets  neu  einzusetzende  Organi- 
sationkommissionen hatte  sich  als  umständlich  und  unzweckmäßig  herausge- 
stellt und  es  wurde  auf  dem  zweiten  Brüsseler  Kongreß  1898  ein  Ausschuß 
eingesetzt,  der  untersuchen  sollte,  ob  sich  nicht  eine  dauernde  Kommission 
einrichten  ließe.  Auf  dessen  Vorschlag  wurde  von  dem  zweiten  Pariser  Kon- 
gresse im  Jahre  1900  beschlossen,  eine  »ständige  Kommission  der  Schiffahrt- 
kongresse €  mit  dem  Sitz  in  Brüssel  und  gleichzeitig  einen  »internationalen 
ständigen  Verband  der  Schiffahrtkongresse«  (Association  internationale  per- 
manente des  congr^s  de  navigation)  zu  schaffen.  Dieser  Verband  setzt  sich 
nach  den  im  Jahre  1902  in  Düsseldorf  festgestellten  Satzungen  aus  den  Ver- 
tretern der  Staaten  imd  Körperschaften,  die  einen  jährlichen  Beitrag  zahlen, 
und  den  persönlich  beigetretenen  Mitgliedern  zusammen,  die  an  Stelle  des 
Kongreßbeitrags  von  25  Francs  nunmehr  einen  fortlaufenden  jährlichen  Bei- 
trag von  10  Francs  zahlen  und  dafür  alle  Drucksachen  des  Verbandes  er- 
halten. Die  Leitung  des  Verbandes  liegt  in  der  Hand  der  erwähnten  stän- 
digen Kommission,  die  aus  etwa  50  Vertretern  der  meistbeteiligten  Staaten 
besteht  und  für  die  Einberufung  und  die  obere  Leitung  der  Kongresse  sowie  für 
die  Aufstellung  der  Fragen  sorgt.  Die  Beschlüsse  dieser  mindestens  alljährlich 
zusammentretenden  Kommission  werden  durch  ein  ständiges  Bureau  und  einen 

i)  Es  wurde   auch   nötig,   die   Zahl   der  Berichte  zu   vermindern,    die   allmählich   beinahe 
hundert  erreicht  hat. 


durch  Vereine  und  Kongresse. 


165 


GeschäftsausschuO  in  Brüsser)  ausgeführt,  die  auch  die  laufenden  Verbands- 
geschäfte besorgen.  Für  die  Dauer  eines  jeden  Kongresses  wird  außerdem 
eine  örtliche  KongreOIeitung  mit  den  erforderlichen  Ausschüssen  bestellt 


Lfde. 

Nr. 


I 

2 

3 

4 

5 
6 

7 
8 

9 
lo 

II 

12 

»3 

14 

»5 
i6 

17 

i8 

»9 

20 
21 
22 

23 
24 

25 
26 

27 

28 

29 

30 

3« 

32 

33 

34 

3S 

36 

37 

38 

39 
40 

41 
42 

43 
44 

45 
46 

47 


Beteiligte  Staaten 


Betrag  der  jährlichen 
Beihilfe  der  Regierung 


Geldsorte 
des  Landes 


Francs 


Deutschland 

Belgien 

Frankreich 

Vereinigte  Staaten.    .    .    . 

Rußland 

Japan   

Italien 

Niederlande 

Österreich    ....... 

Spanien 

Portugal 

Großbritannien 

Argentinien 

Brasilien 

Ungarn 

Schweden 

Rumänien 

Dänemaric 

Norwegen 

Kanada . 

Chile 

Mexiko 

China 

Belgisch  Kongo 

Peru 

Schweiz 

Uruguay  

Bulgarien 

Algerien 

EuTop.  Donau  Kom. .    .    . 

Ekuador  

Griechenland 

Int.    Suez-Kanal-Gesellsch. 

Türkei 

Serbien 

Monako 

Franz.  West-Afrika     .    .    . 

Indochina 

Persien 

Slam 

Tunis 

Brit.  Indien 

Nied.  Indien 

Neuseeland 

Kapkolonie 

Ägypten . 

Marokko 


4000  Mark 


locx)  Dollar 

2000  Yen 
2500  Lire 
1200  Gulden 
2000  Kronen 


2000  Kronen 


750  Kronen 


5000 
80CX) 
5000 
5  000 
7000 
5090 
2500 

2  500 
2080 
3000 

3  000 
2500 
2000 
2000 
2080 
I  250 

I  500 
I  000 

I  070 

I  000 

I  000 

I  000 

I  000 

I  000 

I  000 

250 

500 

500 

500 

500 

500 

500 

500 

250 

250 

250 

250 

250 

250 

250 

250 


Beiträge 

der 
Körper- 
schaften 

Francs 


73320 


5285 

1300 

4520 

500 

350 
20 

1  080 

420 

590 

150 

30 

50 
20 

HO 

310 

200 


10 


270 
100 


10 
10 


15325 


Beiträge 

der 
Mitglieder 

Francs 


2  790 
2  190 
1870 
2  760 

550 

130 

1  320 

870 
920 
270 
100 
450 
640 
190 

90 
320 

90 
340 

30 

30 

30 
20 


160 
20 
20 


40 
20 
20 


70 
10 
20 
10 
10 
10 


16  400 


Gesamt- 
betrag 
nach 
Ländern 

Francs 


13075 
II  490 

II  390 

8260 

7900 

5240 

4900 

3780 

3590 
3420 

3130 
3000 

2660 

2300 

2  170 

1870 

1590 

1540 

1  100 

1030 

1030 

I  020 

I  010 

I  000 

I  000 

680 

620 

520 

500 

500 

500 

500 

500 

290 

270 

270 

250 

250 

250 

250 

250 

80 

20 

20 

10 

10 

10 


105  045 


I)  Der  Generalsekretär  dieses  Ausschusses  war  viele  Jahre  lang,   bis  1910,    der  Ingenieur 
en  chef,  Directeur  des  ponts  et  chauss^es,  A.  Dufourny. 


166  Abschnitt  XII.     Die  Fördenmg  der  Binaenschifiahrt 

Nach  diesen  neuen  Einrichtungen  sind  bereits  die  Kongresse  in  Mai- 
land und  St.  Petersburg  abgehalten  worden.  Der  Verband  hat  sich  sehr  gut 
entwickelt.  Die  Zahl  der  persönlichen  Mitglieder  betrug  im  Jahre  1911  schon 
1640.  Im  übrigen  gibt  die  vorstehende  Zusammenstellung  einen  Überblick 
über  die  Beteiligung  in  diesem  Jahre. 

Man  sieht  aus  dieser  Zusammenstellung,  wie  fast  alle  Staaten  der  Welt 
jetzt  an  diesen  Kongressen  beteiligt  sind.  Daß  von  den  wichtigsten  Kultur- 
staaten vorwiegend  dabei  die  Binnenschiffahrt  gefördert  werden  soll,  ergibt 
sich  daraus,  daß  auf  allen  Kongressen  die  bei  weitem  größere  Zahl  der  Teil- 
nehmer dieser  ersten  Abteilung  angehörten^). 

Der  Erfolg  der  Kongresse  ist  nicht  gerade  in  den  Beschlüssen,  sondern 
vielmehr  in  den  vorgelegten  Berichten  und  den  darüber  gepflogenen  Bera- 
tungen zu  finden.  Es  ist  selbstverständlich,  daß  die  Beschlüsse  meistens  nur 
ganz  allgemein  gehalten  werden  konnten.  Wenn  z.  B.  die  Frage  der  Zweck- 
mäßigkeit von  Abgaben  auf  Kanälen  behandelt  wird,  so  hat  es  keinen  Sinn^ 
wenn  der  Kongreß  einfach  mit  ja  oder  nein  entscheidet;  denn  in  jedem  Lande 
sind  die  politischen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  andere.  Der  Wert  der 
Verhandlungen  liegt  vielmehr  darin,  daß  in  den  Berichten  die  Einrichtungen 
und  die  gemachten  Erfahrungen  in  den  verschiedenen  Ländern  mitgeteilt  und 
ihre  Vorzüge  und  Nachteile  bei  der  Beratung  miteinander  verglichen  werden, 
so  daß  jeder  für  sein  Vaterland  daraus  die  entsprechenden  Folgerungen  ziehen 
kann.  Der  größte  Teil  der  in  den  Kongressen  vorgelegten  Berichte  ist  darum 
für  die  Entwicklung  der  Binnenschiffahrt  von  erheblichem  Wert  und  sie  werden 
in  den  folgenden  Teilen  dieses  Buches  an  entsprechender  Stelle  berücksichtigt 
werden.  Doch  scheint  es  zweckmäßig,  die  wichtigsten  Fragen  und  Berichte 
hier  kurz  aufzuführen,  soweit  sie  allein  die  Binnenschiffahrt  betreffen*). 

Der  erste  Kongreß  in  Brüssel  war  gewissermaßen  vorbereitend.  Von  den  vielen  auf- 
gestellten Fragen  kamen  nur  wenige  zur  Verhandlimg  und  noch  weniger  zu  einer  Entscheidung. 
Das  lag  an  der  Neuheit  der  Sache.  Es  fanden  aber  beachtenswerte  Beratungen  über  das  Ver- 
hältnis von  Schleusen  zu  Hebewerken  statt  und  es  wurde  femer  der  Wunsch  ausgesprochen,  daß 
durch  Versuche  die  zweckmäßigsten  Betriebsarten  für  den  Schiffzug  auf  Kanälen  erforscht  werden 
möchten. 

Der  zweite  Kongreß  in  Wien  war  in  einigen  Beziehungen  grundlegend.  Das  zeigen  die 
Fragen:  Welches  ist  der  wirtschaftliche  Wert  der  Wasserstraßen  ?  (Bericht  vonSympher),  Fest- 
stellung der  Normalprofile  fUr  Kanäle  und  Dimensionierung  (Abmessung)  der  Bauwerke  auf  Bin- 
nenwasserstraßen (Schlichting)  und  Organisierung  (Einrichtung)  des  Binnenschiffahrtbetriebs 
(Schromm). 

Vom  dritten  Kongreß  in  Frankfurt  a.  M.  sind  folgende  Fragen  zu  erwähnen:  Vervoll- 
kommnung der  Statistik  des  Binnenschiffahrtverkehrs  (Dr.  von  Studnitz);  Verbesserung  der 
Schiffbarkeit  der  Flüsse  oberhalb  der  Flutgrenze  des  Meeres  (Schlichting);  Welches  sind  die 
geeignetsten  Fahrzeuge  und  deren  Fortbewegungsmittel  auf  den  dem  großen  Verkehr  dienenden 
Binnenwasserstraßen  (Dill)? 

Im  vierten  Kongreß  zu  Manchester  wurden  wichtige  Berichte  über  »Zustand,  Betrieb 
und  Betriebskosten  der  Wasserstraßen«  in  den  einzelnen  Ländern  vorgelegt,  namentlich  von 
Frankreich  (Hol tz),  England  (Sauer,  Bartholomew,  Märten,  Wells),  Rußland  [Sytenko, 

i)  Vgl.  F.  B.  de  Mas,  Souvenirs  de  neuf  congres  de  navigation.     Brüssel  1907. 

2}  Diese  Berichte  und  andere  Drucksachen  des  Verbandes  sind  im  Buchhandel  nicht  erschienen. 


durch  Vereine  und  Kongresse.  167 

Timonoffy  Hoerschelmann),  Belgien  (Dufourny),  Niederlande  (van  der  Sleyden), 
Italien  (Bompiani  und  Luigi),  Schweden  (Lindgren),  Spanien  (Llaurado);  femer  »Ober 
die  Fortbewegungsmittel  auf  Kanälen  und  Flüssen«  (Wanderseil)  von  Dr.  Moritz  Levy.  Außer- 
dem erklärte  sich  der  Kongreß  mit  dem  Bericht  über  die  Verbesserung  der  Statistik  einver- 
standen, der  von  dem  in  Frankfurt  eingesetzten  Ausschuß  vorgelegt  wurde. 

Der  fünfte  Kongreß  in  Paris  beschäftigte  sich  zunächst  mit  dem  Bau  und  der  Unterhaltung 
der  Kanäle.  Dazu  gehörte  namentlich  die  Befestigung  der  Ufer  (Peslin- Frankreich,  van  der 
Sley  den -Holland,  Schlichting-Deutschland],  die  Anlage  von  Wasserbehältern  zur  Speisung 
(besonders  in  Frankreich)  und  die  Sperrung  der  Kanäle  zum  Zweck  der  Ausbesserungen  (Frank- 
reich, Belgien,  Deutschland).  Hinsichtlich  der  Fortbewegung  der  Schiffe  lagen  Berichte  vor  über 
den  Schleppbetrieb  auf  dem  Rhein  (Mütze),  der  Elbe  (Bellingrath),  der  Oder  (Dieckhoff), 
den  Märkischen  Wasserstraßen  (Thiem),  den  französischen  Wasserstraßen  (Cam6r4,  Der6me, 
LasmoUes,  Molinos,  de  Bovet)  und  auf  dem  Eriekanal  (Bogart).  Ober  die  Schiffahrtabgaben  lagen 
Berichte  vor  aus  Deutschland  (Sympher),  Frankreich  (Baurin-Gressier  und  Couvreur), 
England  (Clements),  Holland  (Deking-Dura)  und  Rußland  (Sytenko).  Ober  Binnenschififahrt- 
häfen  sind  nachstehende  Arbeiten  beachtenswert:  im  Gebiete  der  Elbe  und  Oder  (v.  Dömming), 
im  Rheingebiet  Qmroth)  und  in  Frankreich  (Delaunay-Belleville).  Außerdem  lagen  noch 
über  die  gegenseitigen  Beziehungen  der  Wasserstraßen  und  Eisenbahnen  Berichte  vor  aus  Deutsch- 
land, Österreich,  Ungarn  und  Nordamerika. 

Auf  dem  sechsten  Kongresse  im  Haag  wurden  zunächst  die  in  Paris  besprochenen  Fragen 
über  Bau  und  Unterhaltung  der  Kanäle,  Ausrüstung  der  Binnenhäfen,  Fortbewegung  der  Schifte 
und  Schiffahrtabgaben  weiter  behandelt.  Über  Kanalbau  waren  wichtige  Berichte  betreffend  die 
Widerstände  und  die  Uferbefestigungen  vorhanden  aus  Deutschland  (Gröhe),  Frankreich  (Der6me) 
und  Holland  (Wortmann].  Die  Ausrüstung  der  französischen  Kanalhäfen,  namentlich  mit  Kohlen- 
verladevorrichtungen  wurde  von  Monet  und  Dardenne  beschrieben. 

Ober  die  Fortbewegung  der  Schiffe  lagen  aus  Frankreich  beachtenswerte  weitere  Mitteilungen 
von  Hirsch  und  de  Bovet  (Tauerei)  vor,  außerdem  von  de  Mas  ein  Bericht  über  seine  Wider- 
standsversuche mit  Kanalschiffen.  Nähere  wichtige  Angaben  über  die  bestehenden  Schiffahrt- 
abgaben wurden  aus  Frankreich  (Ren au d),  Belgien  (Dufournay),  Holland  (Deking-Dura)  und 
Deutschland  (Hatschek)  gemacht 

Neu  war  die  Frage  über  die  Sperrung  der  Kanäle  durch  Frost  und  Über  Eisbrecherarbeiten. 
Dazu  lagen  Berichte  aus  Frankreich  (Cam6r^,  Rigaux,  Dibos)  und  Holland  (Schuurman, 
Burgdorfer,  Bekaar,  Nelemans,  Gramer)  vor. 

Der  Pariser  Kongreß  hatte  auf  Antrag  von  Fargue  beschlossen,  die  Aufmerksamkeit  der 
Ingenieure  bei  dem  Ausbau  der  Ströme  auf  die  Untersuchung  des  Verhältnisses  zwischen  der  Grund- 
form der  Krümmungen  und  der  Wassertiefe  zu  richten.  Zu  dieser  für  den  Kongreß  im  Haag 
gestellten  Frage  waren  bemerkenswerte  Arbeiten  aus  Deutschland  (J  asm  und),  Frankreich 
(Mengin-Lecreulx,  Guiard)  und  Holland  (Doyer,  Tutein-Nolthenius)  eingegangen.  Die 
weitere  neu  gestellte  Frage  über  die  Regulierung  der  Ströme  wurde  besonders  durch  einen  hervor- 
ragenden Bericht  von  Girardon  über  den  Ausbau  der  Rhone  beantwortet. 

Der  siebente  Kongreß  in  Brüssel  hat  sich  neben  verschiedenen  wasserbaulichen  Fragen 
wieder  besonders  mit  dem  Schiffswiderstand  und  dem  mechanischen  Schiffzug  beschäftigt.  Zum 
Schifiswiderstand  lagen  wichtige  Berichte  aus  Frankreich  (de  Mas),  Österreich  (Suppan)  und 
Deutschland  (Flamm)  vor.  Ober  die  verschiedenen  Arten  des  mechanischen  Schiffzuges  waren 
Mitteilungen  vorgelegt  aus  Belgien  (Chenu,  de  Schrijver,  Zone),  aus  Frankreich  (La  Riviere, 
Bourguin,  de  Bovet)  und  aus  Deutschland  (Gröhe).  Neu  war  die  Frage  über  die  einheitliche 
Eichung  der  Binnenschiffe.  Hierzu  waren  aus  Österreich  (Schromm)  und  aus  Frankreich  (Deröme) 
Berichte  erstattet. 

Der  achte  Kongreß  in  Paris  hat  sich  wiederum  mit  dem  Schiffswiderstand  und  dem 
mechanischen  Schiffzug  beschäftigt.  Zum  ersten  Punkt  lagen  Berichte  aus  Deutschland  (Engels, 
Thiele),  Ungarn  (Hotzpotzky)  und  Italien  (Rota),  zum  zweiten  solche  aus  Frankreich  (La 
Riviere,  Bourguin),  Belgien  (G6rard)  und  Deutschland  (Köttgen,  Rudolph)  vor.  Außer- 
dem sind  Mitteilungen  über  den  mechanischen  Schiffzug  auf  der  Rhone  (Lombard-G6rin) 
und  am  eisernen  Tor  der  Donau  (Egan)  gemacht  worden. 

Femer  wurde  über  den  Ausbau  großer  Ströme  für  Schiffahrtzwecke  und  die  Wirkung  solcher 
Arbeiten  auf  den  Abflußvorgang  verhandelt.  Dazu  waren  Berichte  über  viele  große  Ströme  vor- 
gelegt worden.     Auch  die  Baggerungen  wurden  besprochen. 


16g  Abschnitt  IQ.    Die  Förderung  der  Binnenschiffahrt 

Außerdem  war  eine  Frage  über  den  Schiffahrtbetrieb  auf  Wasserstraßen  von  geringer  Tiefe 
gestellt  worden,  wozu  aus  Frankreich  (Wahl),  Holland  (van  Bosse)  und  Österreich  (Suppan) 
Berichte  vorlagen,  die  namentlich  die  Anwendung  von  Schrauben  in  Tunnelhecks,  Schraubenräder 
und  Turbinenschrauben  behandelten. 

Neu  war  eine  Frage  über  Fürsorge,  Schutz  und  Fachunterricht  der  Schiffer,  zu  der  Beiträge 
aus  Österreich  (Schromm),  Frankreich  (Captier)  und  Deutschland  (Just)  geliefert  waren. 

Auf  dem  neunten  Kongreß  in  Düsseldorf  wurde  zunächst  die  Frage  der  Überwindung 
großer  Höhen  durch  Schleusen  oder  Hebewerke  behandelt.  Dazu  lagen  aus  8  Ländern  13  Berichte 
vor,  deren  Inhalt  in  einem  Generalbericht  von  Bubendey  zusammengefaßt  war.  Die  zweite 
Frage  betraf  die  Schiffahrtabgaben,  über  die  aus  5  Ländern  in  8  Berichten  Mitteilungen  gemacht 
waren.  Den  Generalbericht  erstattete  Freiherr  von  Biegeleben.  Die  dritte  Frage  behandelte 
die  Wertminderung  von  Kohle  und  Koks  bei  der  Schiffsbeförderung.  Hierzu  lagen  aus  Deutsch- 
land (Rischowski,  Stelkens)  und  Frankreich  (Grüner)  Berichte  vor.  Femer  waren  eine 
Reihe  wichtiger  Mitteilungen  gemacht  worden:  Über  Schiffswiderstand  aus  Deutschland  (Haack, 
Engels,  Thiele],  aus  Italien  (R o t a)  und  aus  Österreich  (Schromm);  über  mechanischen  Seh iff- 
zug  aus  Frankreich  (G^rard,  Mollard)  und  Deutschland  (Volkmann,  Köttgen,  Abshoff, 
BÜSS  er);  über  Flußschiffe  von  geringem  Tiefgang  aus  Deutschland  (Jskolski,  Jahnel,  Weiß) 
und  Rußland  (Merczyng).  Aus  der  Abteilung  fiir  Seeschiffahrt  ist  noch  die  Frage  Über 
den  Verkehr  mit  Seeprähmen  zu  erwähnen,  wozu  der  Generalbericht  von  Hermann  erstattet 
wurde  und  die  Mitteilungen  über  Schiffswiderstand  in  freiem  Wasser  aus  Deutschland  (Flamm, 
Schütte). 

Der  zehnte  Kongreß  in  Mailand  führte  die  Verhandlungen  betreffend  die  Überwindung 
großer  Höhenunterschiede  zwischen  den  Kanalhaltungen  weiter.  Es  lagen  dazu  ii  Berichte  vor, 
die  von  Crugnola  in  einen  Generalbericht  zusammengefaßt  waren.  Dann  war  die  Frage  der 
Binnenschiffahrt  mit  Schiffen  von  geringem  Tiefgange  auf  die  Tagesordnung  gesetzt,  wozu  be- 
achtenswerte Berichte  aus  P'rankreich  (Wahl)  und  Deutschland  (Blümcke)  vorlagen.  Neu  war 
die  Frage  über  den  Wert  und  die  Einrichtung  gemischter  Transporte,  d.  h.  mittels  Eisenbahnen 
und  Wasserstraßen.  Es  waren  4  Berichte  dazu  vorgelegt,  von  denen  die  französischen  von  Cap  tier 
und  Tavernier  hervorzuheben  sind.  Von  den  Mitteilungen  sind  die  über  den  mechanischen 
Schif&ug  (7  Arbeiten),  über  die  hypothekarische  Beleihung  der  Binnenschiffe  (3  Arbeiten)  und 
über  die  Wirkung  von  Baggerungen  auf  die  Stromsohle  (6  Arbeiten)  zu  erwähnen. 

Aus  der  Abteilung  Seeschiffahrt  hatten  die  Verhandlungen  über  den  Fortschritt  in  den 
Mitteln  zur  Fortbewegung  der  Schiffe  auch  für  die  Binnenschiffahrt  eine  gewisse  Bedeutung,  weil 
dabei  die  Versuche  mit  Schiffschrauben,  sowie  die  Erfahrungen  über  Tunnelheck,  Gasmaschine, 
ölfeuerung  nnd  Dampfhirbine  erörtert  wurden.  Über  die  6  vorgelegten  Berichte  wurde  durch 
Soliani  der  Generalbericht  erstattet  Über  die  Verwendung  fiüßiger  Brennstoffe  lag  eine  be- 
merkenswerte Mitteilung  von  Melville  (Vereinigte  Staaten)  vor,  die  zu  längerer  Besprechung 
Veranlassung  gab. 

Auf  dem  elften  Kongreß  in  St.  Petersburg  wurde  zunächst  die  Anlage  von  Stauwehren 
erörtert,  wozu  7  Berichte  vorlagen.  Es  folgten  die  Verhandlungen  über  den  mechanischen  Schiff- 
zug und  das  Schleppmonopol,  wozu  Berichte  aus  Frankreich  (Marlio  an  Stelle  des  verstorbenen 
La  Rivi^re),  England  (Sauer),  Rußland  (Tsionglinsky  und  Roundo)  und  Deutschland 
(Bredow  undTeubert)  eingegangen  waren,  während  Merczyng  den  Generalbericht  erstattete. 
Auch  war  ein  Bericht  über  die  Verhandlungen  eines  Sonderausschusses  des  Deutsch-Österreichisch- 
Ungarischen  Verbandes  für  Binnenschiffahrt  vorgelegt  worden,  der  die  gleichen  Fragen  untersucht 
hatte.  Die  dritte  Frage  bezog  sich  auf  die  Ausrüstung  der  Binnenhäfen,  wozu  nur  3  Berichte 
(aus  Rußland,  Ungarn  und  Nordamerika)  vorlagen.  Femer  wurde  noch  über  Kanäle  für  gemischten 
Betrieb  verhandelt,  die  gleichzeitig  der  Schiffahrt  und  der  Landwirtschaft  dienen  können.  Dazu 
waren  5  Berichte  eingelaufen.  Von  den  Mitteilungen  sind  zu  erwähnen :  Mitwirkung  der  Regierung 
und  der  Interessenten  bei  Maßnahmen  zur  Entwickelung  der  Binnenschiffahrt,  gegebenenfalls 
einschließlich  der  der  Regierung  zu  gewährenden  Möglichkeit,  einen  Teil  des  längs  der  neuen 
Wasserstraße  zu  verwertenden  Geländes  zu  erwerben  (3  Arbeiten)  und  die  Mitteilungen  über 
Gewässerkunde  und  Hochwassermeldedienst  (4  Arbeiten)  .• 

Aus  der  Abteilung  für  Seeschiffahrt  ist  die  Mitteilung  von  Boklevsky  über  die  besten 
Arten  von  Seeschiffen  zur  Güterbeförderung  auch  für  die  Binnenschiffe  von  gewisser  Bedeutung 
in  Rücksicht  auf  die  Besprechung  der  Dieselmotoren. 


durch  Vereine  und  Kongresse.  169 

Die  vorstehende  Zusammenstellung  läßt  erkennen,  daß  auf  den  ii  bis- 
her abgehaltenen  Kongressen  fast  über  alle  wichtigen,  die  Binnenschiffahrt 
betreffenden  Fragen  ein  internationaler  Gedankenaustausch  stattgefunden  hat. 
Außer  den  vorgelegten  Berichten  sind  noch  in  den  gedruckten  Niederschriften 
über  die  Beratungen  selbst  viele  schätzenswerte  Mitteilungen  enthalten.  Ferner 
sind  einzelne  bei  der  Eröffnung  der  Kongresse  von  den  Vertretern  der  ver- 
schiedenen Staaten^  gehaltene  Reden  von  Bedeutung.  Durch  diese  wurde 
man  zuweilen  über  die  politische  Lage  der  Wasserstraßenfrage  in  den  ein- 
zelnen Staaten  gut  unterrichtet.  Es  mag  hier  darauf  hingewiesen  werden, 
daß  in  manchen  Ländern  nicht  die  Überzeugung  der  Regierung  von  dem  wirt- 
schaftlichen Wert  der  Wasserstraßen  für  deren  Verbesserung  und  Vermehrung 
entscheidend  ist,  sondern  die  Macht  und  der  Wille  der  Mehrheit  in  der  Landes- 
vertretung, die  sich  leider  oft  durch  andere  Rücksichten  beeinflussen  läßt, 
wie  z.  B.  in  Preußen  und  Österreich. 

Die  großen  Erfolge,  die  die  ersten  internationalen  Kongresse  für  die 
Auiklärung  der  öffentlichen  Meinung  hinsichtlich  der  Bedeutung  imd  des 
Wertes  der  Binnenschiffahrt  hatten,  regten  zu  einem  weiteren  Unternehmen 
an.  Der  Geschäflsfiihrer  des  Vereins  für  Hebung  der  Fluß-  luid  Kanalschiff- 
fahrt in  Baiem,  Dr.  Zöpfl,  warf  in  einem  Vortrage  im  großen  Ausschusse 
des  deutschen  Zentralvereins  in  Berlin  im  April  1895  ^^^  Frage  auf,  ob  nicht 
eine  engere  Verbindung  der  Binnenschiffahrtfreunde  aus  Deutschland,  Öster- 
reich und  Ungarn  zweckmäßig  wäre.  Die  seit  langer  Zeit  geplanten  Kanal- 
verbindungen zwischen  dem  Rhein  und  den  großen  norddeutschen  Strömen 
einerseits  und  der  Donau  andererseits  hätten  für  diese  drei  Länder  und  auch 
für  die  Staaten  am  unteren  Laufe  der  Donau  eine  so  große  gemeinsame 
wirtschaftliche  Bedeutung,  daß  es  vorteilhaft  wäre,  diese  Ziele  auch  gemein- 
schaftlich zu  verfolgen').  Aus  dieser  Anregung  entstand  im  folgenden  Jahre 
der  Deutsch-Österreichisch-Ungarische  Verband  für  Binnenschiff- 
fahrt. In  den  Satzungen  wird  der  Zweck  in  folgender  Form  festgestellt: 
»Der  Verband  hat  den  Zweck,  die  Herstellung  leistungsfähiger  Wasserstraßen 
»zwischen  Deutschland  und  Österreich -Ungarn,  insbesondere  die  Kanalpro- 
»jekte,  welche  Verbindungen  der  Donau  mit  der  Oder,  der  Moldau,  der 
>Elbe  und  dem  Main  bzw.  Rhein  erstreben,  zu  fördern  und  durch  Hebung 
»des  Wasserstraßenverkehrs  zwischen  beiden  Reichen  auf  die  weitere  gedeih- 
»liche  Ausgestaltung  ihrer  wirtschaftlichen  Beziehungen  hinzuwirken.  Diesen 
»Zweck  sucht  der  Verband  zu  erreichen  durch  gemeinsames  Wirken  der  in 
»der  gleichen  Richtung  tätigen  Vereine  und  gegenseitige  Unterstützung  ihrer 
»bezüglichen  Bestrebungen,  durch  Abhaltung  von  Verbandstagen  mit  öffent- 


1)  Es  ist  bezeichnend  für  die  deutschen  Verhältnisse,  daß  an  der  Spitze  der  Vertretung 
der  deutschen  Staaten  niemals  ein  Ingenieur  stand,  wie  es  sonst  bei  fast  allen  Ländern  üblich 
war,  sondern  ein  rechtskundiger  Verwaltungsbeamter. 

2)  Es  wurde  auch  die  Befürchtung  ausgesprochen,  daß  die  internationalen  Kongresse  durch 
Aufnahme  der  Seeschiffahrt  vielleicht  die  Fragen  der  Binnenschiffahrt  etwas  zurückstellen  würden. 


170     Abschnitt  in.     Die  Förderung  der  Binnenschiffahrt  durch  Vereine  und  Kongresse. 

»liehen  Sitzungen,  durch  Wort  und  Schrift  behufs  Einwirkung  auf  die  öffent- 
> liehe  Meinung,  sowie  auf  die  Regierungen  und  Volksvertretungen«. 

Mitglieder  des  Verbandes  waren  im  Jahre  1910  zusammen  17  Binnen- 
schiffahrtvereine sowie  eine  große  Zahl  von  Körperschaften  und  Einzelper- 
sonen aus  den  drei  Verbandsländem.  Der  erste  Verbandstag  wurde  im  Jahre 
1896  in  Dresden  abgehalten.  Es  folgten  dann  die  Versammlungen  in  Wien 
(1897),  Nürnberg  (1898J,  Budapest  (1899],  Breslau  (1901),  Mannheim  (1903), 
Stettin  (1906),  Linz  (1909)  und  Berlin  (191 1).  Die  auf  diesen  Verbandstagen 
in  erster  Linie  behandelten  Fragen  betrafen  den  Stand  der  fraglichen  Kanal- 
entwürfe und  die  Aussichten  auf  ihre  Durchführung.  Außerdem  sind  andere 
Angelegenheiten  der  Binnenschiffahrt  mit  besonderer  Beziehung  auf  die  Ver- 
bandsländer besprochen  und  beraten  worden.  Die  gedruckten  Vorträge  und 
andere  geeignete  Ausarbeitungen  über  Binnenschiffahrtfragen  sind  als  »Ver- 
bandschriften« durch  den  Buchhandel  den  weitesten  Kreisen  zugänglich 
gemacht.  Auf  dem  Verbandstage  in  Berlin  wurde  die  Schweiz  in  den 
Verband  aufgenommen,  der  jetzt  den  Namen  trägt:  Deutsch-Osterreichisch- 
Ungarisch-Schweizerischer  Verband  für  Binnenschiffahrt. 

»Nationale«  Schiffahrtkongresse  sind  auch  in  anderen  Ländern 
eingeführt.  In  Rußland  wurde  im  Jahre  191 1  schon  der  dreizehnte  abge- 
halten. In  Frankreich  besteht  die  »Association  fran^se  pour  la  defense 
de  la  navigation  int^rieure«  seit  1907.  Die  dritte  Versammlung  wurde  191 1 
in  Lyon  abgehalten  und  es  ist  bemerkenswert,  daß  man  sich  dabei  beson- 
ders mit  der  Verbesserung  des  Rhein -Rhonekanals  (S.  70)  beschäftigte  und 
es  für  erforderlich  erklärte,  daß  dieser  in  ganzer  Länge,  entsprechend  den 
französischen  Normalabmessungen,  für  300  t-Schiffe  eingerichtet  würde.  In 
Italien  wurde  191 1  ein  »nationaler  Verband  für  Schiffahrtkongresse«  begründet, 
der  unter  dem  Ehrenpräsidium  des  Königs  steht  und  sich  zuerst  in  Turin 
versammelt  hat. 


Abschnitt  IV. 

Die  Verbesserung  und  Vermehrung  der  Binnen- 
schiffahrtstraßen seit  1870. 

Vorgänge  in  Deutschland« 

Die  Wirkungen  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  und  der  Eisenbahnen 
auf  die  Binnenschiffahrt  in  den  verschiedenen  Ländern  bis  zum  Jahre  1870 
haben  wir  geschildert  und  das  Ergebnis  am  Anfang  des  vorstehenden  Ab- 
schnitts (S.  159)  kurz  zusammengefaßt.  Seitdem  traten  neue  bedeutende  wirt- 
schaftliche Ereignisse  ein:  Infolge  des  in  Europa  und  in  Amerika  ausgebauten 
Eisenbahnnetzes  und  der  sehr  entwickelten  Seeschiffahrt,  deren  Frachtsätze 
durch  die  technischen  Verbesserungen  an  Schiffen  und  Maschinen  und  den 
dadurch  verminderten  Kohlenverbrauch  im  freien  Wettbewerb  schnell  herunter- 
gingen, trat  der  inländische  Handel  allmählich  hinter  dem  Welthandel  zurück. 
Einzelne  europäische  Staaten,  und  darunter  auch  Deutschland,  sahen  sich 
deshalb  am  Ende  der  siebziger  Jahre  veranlaßt,  ihre  einheimische  Landwirt- 
schaft und  Industrie  gegen  den  Wettbewerb  der  vom  Auslande  zu  billigeren 
Preisen  eingeführten  Erzeugnisse  durch  Eingangszölle  zu  schützen.  Dazu 
trat  die  Verstaatlichung  der  Eisenbahnen.  Bismarck  erklärte  1878, 
es  könne  auf  die  Dauer  den  verschiedenen  staatlichen  und  privaten  Eisen- 
bahnverwaltungen nicht  die  Berechtigung  verbleiben,  »der  wirtschaftlichen 
Gesetzgebung  des  Reiches  nach  eignem  Ermessen  Konkurrenz  zu  machen, 
die  Handelspolitik  der  verbündeten  Regierungen  und  des  Reichstags  nach 
Willkür  zu  neutralisieren  und  das  wirtschaftliche  Leben  der  Nation  den 
Schwankungen  auszusetzen,  welche  im  Gefolge  hoher  und  wechselnder  Ein- 
fuhrprämien fiir  einzelne  Gegenstände  notwendig  eintreten.«  Als  die  von 
ihm  erstrebte  Reichstarifreform  der  Eisenbahnen  scheiterte,  wurden  die  preußi- 
schen Privatbahnen  vom  Staate  erworben  und  ihre  Tarife  in  Einklang  mit 
den  Zielen  der  Schutzzollgesetzgebung  gebracht. 

Das  Verhältnis  der  Binnenschiffahrt  zu  den  Eisenbahnen  ist  hierdurch 
wesentlich  verändert  worden.  Während  früher  der  Wettbewerb  der  Schiff- 
fahrt  mit  einer  der  betreffenden  Wasserstraße  gleichlaufenden  Privatbahn 
durch  gegenseitiges  Drücken  der  Frachtsätze  bis  zu  einer  gewissen  Grenze 
möglich  war,  ist  dieser  dem  großen  Staatsbahnnetze  gegenüber  im  allgemeinen 
ausgeschlossen;  denn  die  Staatsbahn  kann  eintretenden  Falls  die  Frachtsätze 


172  Abschnitt  IV.    Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

auf  dieser  Strecke  in  beliebiger  Weise  bis  unter  die  Selbstkosten  herab- 
setzen und  den  Verlust  auf  anderen  Strecken  wieder  einbringen.  Andrerseits 
ist  nicht  zu  leugnen,  daß  unter  Umständen  die  Binnenschiffahrt,  namentlich 
auf  den  sogenannten  internationalen  Strömen,  an  die  Stelle  der  Privatbahnen 
treten  und  in  gewissem  Sinne  die  ZoUmaOregeln,  wie  Bismarck  sagte,  »neu- 
tralisieren« kann. 

Zunächst  ist  die  preußische  Staatsregierung  den  Grundsätzen  des  großen 
Kurfürsten  und  des  großen  Königs  treu  geblieben  und  hat  sich,  ohne  Rück- 
sicht auf  den  etwa  möglichen  Wettbewerb,  bemüht,  durch  Verbesserung  und 
Vermehrung  der  Binnenwasserstraßen  den  Verkehr  im  allgemeinen  und  da- 
durch den  Wohlstand  und  die  Steuerkraft  des  Landes  zu  heben.  Es  besteht 
kein  Zweifel,  daß  die  oben  geschilderten  Bestrebungen  des  Zentralvereins  für 
deutsche  Binnenschiffahrt  auch  auf  die  maßgebenden  Kreise  der  Regierung 
und  der  Volksvertretung  einen  gewissen  Einfluß  ausgeübt  haben. 

Im  Jahre  1877  l^g^^  d^^  preußische  Regierung  dem  Landtage  eine  Denk- 
schrift »betreffend  die  im  preußischen  Staate  vorhandenen  Wasserstraßen, 
deren  Verbesserung  und  Vermehrung«  vor,  in  der  der  Zustand  der  vorhan- 
denen Wasserstraßen  und  ihre  Schiffbarkeit  beschrieben  wurde.  Gleichzeitig 
wurden  darin  die  verschiedenen,  zur  Herstellung  eines  großen  preußischen 
Kanalnetzes  aufgestellten  Entwürfe  besprochen,  zu  denen  entweder  auf  Staats- 
kosten oder  durch  Gemeinden  und  Vereine  technische  Vorarbeiten  gemacht 
waren. 

Es  waren  dies  folgende  künstliche  Wasserstraßen:  i.  Der  schon  in  früheren  Zeiten  (S.  63) 
erstrebte  und  versuchte  Rhein-Maas-Kanal,  der  von  Uerdingen  am  Rhein  (14  km  oberhalb 
Ruhrort}  über  Krefeld  zur  Maas  bis  Venlo  führen  und  hier  eine  Verbindung  mit  dem  Kanal 
von  Maastricht  nach  Herzogenbusch  (S.  151}  bekommen  sollte.  Auch  Napoleon  I.  hatte  diesen 
Kanal  ausfuhren  lassen  wollen  (S.  108).  Im  Jahre  1874  wurden  die  Vorarbeiten  durch  ein  in 
Krefeld  und  Venlo  gebildetes  Komitee  gemacht.  Der  nur  47  km  lange  Kanal  sollte  1 1  Schleusen 
erhalten  und  auf  dem  linken  Ufer  der  Maas  um  32  km  weiter  zu  dem  genannten,  schon  be- 
stehenden Kanal  verlängert  werden.  Der  Hauptzweck  war  die  Beförderung  von  Ruhrkohlen 
nach  Antwerpen  und  nach  Vlissingen.  2.  Der  Rhein- Weser-Elbe-Kanal.  Hierzu  hatte  der 
Staat  in  den  Jahren  1863  bis  1866  Vorarbeiten  machen  und  die  günstigsten  Linien  feststellen 
lassen.  Im  Jahre  1874  bildete  sich  das  Emscher-Kanal-Komitee  und  stellte  fUr  diese  Linie  einen 
neuen  Entwurf  fiir  Schiffe  von  600  t  Tragfähigkeit  auf,  wobei  auch  der  Anschluß  des  Kanals 
an  die  Emshäfen  vorgesehen  war.  3.  Der  Ems-Jade-Kanal  sollte  Emden  über  Aurich  mit 
Wilhelmshaven  verbinden  und  neben  den  Vorteilen  für  die  kaiserliche  Marine  auch  zur  Hebung 
der  Landwirtschaft  in  Ostfriesland  dienen.  Der  73  km  lange  und  2  m  tiefe  Kanal  war  mit 
3  Schleusen  von  mindestens  33  m  Länge  und  6,5  m  Breite  entworfen  und  der  Bau  sollte  schon 
1874  beginnen.  (Er  verzögerte  sich  und  ist  erst  in  den  Jahren  1880  bis  1887  ausgeführt  wor- 
den.] Der  Kanal  hat  für  den  Handel  keine  große  Bedeutung.  4.  Der  Leipzig-Elbe -Kanal 
sollte  nach  den  von  der  Leipziger  Handelskammer  in  den  Jahren  1874  und  1875  veranstalteten 
Vorarbeiten  über  Bitterfeld  und  Dessau  nach  der  Elbe  bei  Wallwitzhafen  führen.  Dagegen  bil- 
dete sich  1874  ein  Verein  für  den  Elster -Saale -Kanal,  der  Leipzig  durch  die  Elster  mit  der 
Saale  bei  Merseburg  verbinden  wollte.  5.  Für  den  Elbe-Spree-Kanal,  der  die  Elbe  bei 
Grödel  (oberhalb  Riesa)  in  der  Richtung  des  bestehenden  Elsterwerdaer  Floßkanals  über  Teupitz 
mit  der  Dahme  bei  Königs- Wusterhausen  oberhalb  Berlin  verbinden  sollte,  hatte  sich  im  Jahre 
1871  ein  Komitee  in  Berlin  gebildet  und  die  Vorarbeiten  ausführen  lassen.  Die  Kanalstrecke 
von  Grödel  bis  Königs-Wusterhausen  betrug  135  km  und  der  Höhenunterschied  von  64  m  sollte 
durch  21  Schleusen  oder  durch  2  geneigte  Ebenen  überwunden  werden.     Der  Kanal  sollte  eine 


I.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme.  173 

Wassertiefe  von  2  m  erhalten  und  für  Schiffe  von  300  t  (70  m  lang,  7,75  m  breit  und  1,6  m 
Tauchtiefe)  eingerichtet  werden.  6.  Die  Zweckmäßigkeit  eines  Oder-Spree-Kanals,  d.h. 
einer  dritten  Verbindung  (außer  dem  Finowkanal  [S.  42]  und  dem  Friedrich-Wilhelm-Kanal  [S.  39]) 
von  Berlin  mit  der  Oder  an  der  Warthemündung  war  schon  im  Jahre  1S48  von  der  Staats- 
regierung untersucht  worden.  1875  bildete  sich  ein  Oder-Spree-Kanal- Verein,  der  den  Entwurf 
zu  einem  77  km  langen  Kanal  aufstellen  ließ,  der  von  Köpenick  durch  den  Dämmeritzsee  und 
den  Stienitzsee,  durch  das  rote  Luch  und  über  Wulkow  nach  der  Oder  bei  Kienitz  ( 1 7  km  unter- 
halb Kttstrin)  führen  sollte.  Ein  anderes  in  demselben  Jahre  gebildetes  Komitee  ließ  eine  Linie 
untersuchen,  die  bei  Treptow  die  Spree  verließ  imd  gleichfalls  durch  das  rote  Luch  über  Wul- 
kow nach  der  Oder  unterhalb  Küstrin,  gegenüber  der  Warthemündung  führte.  Bei  der  Be- 
sprechung dieser  Entwürfe  wurde  in  der  Denkschrift  darauf  hingewiesen,  daß  es  zweckmäßiger 
wäre,  wegen  der  mangelhaften  Tiefe  der  Oder  diesen  Kanal  von  Kienitz  ab  als  Seitenkanal  auf 
dem  linken  Stromufer  durch  das  Oderbruch  bis  Schwedt  zu  führen,  um  so  gleichzeitig  eine  gute 
Verbindung  mit  Stettin  zu  erhalten.  (Dieser  Plan  tauchte  1898  wieder  als  »Ostlinie«  auf,  als 
es  galt,  einen  neuen  Großschiffahrtweg  Berlin-Stettin  herzustellen.)  7.  Zu  einem  Rostock- 
Berliner-Kanal  hat  in  den  Jahren  1871  und  1872  der  Mecklenburgische  Kanalverein  Vor- 
arbeiten anfertigen  lassen.  Der  Kanal  sollte  von  Rostock  durch  die  Wamow  zu  den  Mecklen- 
burgischen Seen  und  über  Rheinsberg  zu  dem  Ruppiner  Kanal  (S.  45)  führen,  der  ebenso  wie 
die  weitere  Wasserstraße  nach  Berlin  in  größeren  Abmessungen  für  Schiffe  von  350  t  Trag- 
flUiigkeit  umgebaut  werden  sollte.  Eine  Kanallänge  von  etwa  100  km  wäre  neu  herzustellen 
gewesen.  Dieser  Kanal  würde  für  Berlin  Anschluß  an  einen  neuen  Seehafen  (außer  Hamburg 
und  Stettin)  und  sicherlich  erhebliche  Vorteile  für  Rostock,  aber  Nachteile  für  Stettin  gebracht 
haben,  wenn  der  letztere  Hafen  nicht  durch  eine  Wasserstraße  von  gleicher  Leistungsfähigkeit 
mit  Berlin  verbunden  worden  wäre. 

Bei  der  Beurteilung  dieser  und  anderer  Kanalentwürfe  in  der  Denkschrift  wird  vor  allem 
eine  von  Westen  nach  Osten  durch  den  ganzen  preußischen  Staat  hindurchgehende  leistungsfähige 
Wasserstraße  befürwortet.  Für  die  Bauwürdigkeit  anderer  Kanäle  wird  die  Sicherstellung  eines 
jährlichen  Güterverkehres  von  mindestens  0,5  Millionen  t  verlangt. 

Man  erkennt  aus  diesen  Mitteilungen,  daß  in  den  siebziger  Jahren  sowohl 
die  Staatsregierung  wie  die  Kanalvereine  und  andere  beteiligten  Kreise  des 
Handels,  der  Industrie  und  der  Landwirtschaft  mit  einer  gewissen  Begeisterung 
die  Herstellung  neuer  künstlicher  Wasserstraßen  verfolgten  und  schon  für  die 
Vorarbeiten  beträchtliche  Mittel  aufwendeten;  es  waren  aber  noch  manche 
Kämpfe  erforderlich,  um  wenigstens  einzelne  der  begehrten  Kanäle  zur  Aus- 
führung zu  bringen.  Wir  wenden  uns  zunächst  zur  Verbesserung  der  natür- 
lichen Wasserstraßen. 

I.  Der  Ausbau  der  grofien  deutschen  Ströme  ist  ein  Kulturwerk 
ersten  Ranges,  auf  das  Deutschland  und  besonders  Preußen  mit  gerechtem 
Stolz  blicken  kann.  In  keinem  anderen  Lande  hatte  man  es  vorher  unter- 
nommen, die  verwilderten  großen  Ströme  zu  zähmen,  die  Abführung  von  Eis 
und  Hochwasser  für  die  Anwohner  gefahrlos,  die  durchströmten  Täler  zur 
gesicherten  und  ertragreichen  landwirtschaftlichen  Benutzung  brauchbar  und 
die  festgelegten,  einheitlich  gestalteten  Flußbetten  zur  Ausübung  der  Schiff- 
fahrt geeignet  zu  machen.  Wenn  in  jüngster  Zeit  im  Auslande  an  einigen 
Strömen,  z.  B.  an  der  Rhone  und  an  der  Donau  (besonders  in  Ungarn)  zum 
Teil  glänzende  Erfolge  erreicht  sind,  muß  man  berücksichtigen,  daß  die  dabei 
beteiligten  Ingenieure  gewissermaßen  auf  deutschen  Schultern  standen.  Denn 
die  deutschen  Wasserbaumeister,  z.  B.  Eytelwein  und  Gotthilf  Hagen  sind  es 
gewesen,  die  durch  langjährige  Bemühungen  und  Versuche  diese  Wissenschaft 


174  Abschnitt  IV.    Die  Vermehrung  der  BinnenschifTahrtstraßen  seit  1870. 

begründet  haben.  Österreichische,  ungarische,  französische  und  amerika- 
nische Ingenieure  sahen  sich  deshalb  oft  veranlaßt,  die  deutschen  ausge- 
bauten Ströme  zu  besichtigen  und  die  dort  angewandte  Bauweise  zu  studieren. 
Die  Erfolge  sind  aber  mühsam  erkämpft  worden:  Es  muß  anerkannt  werden, 
daß  weder  die  preußische  Regierung  noch  ihre  Wasserbaubeamten  sich  durch 
die  vielen  Fehlschläge  imd  Mißerfolge,  die  anfangs  nicht  zu  vermeiden  waren, 
haben  abschrecken  lassen,  den  Kampf  mit  den  wilden  Strömen  immer  wieder 
von  neuem,  unter  Aufwendung  von  vieler  Mühe  und  erheblichen  Kosten, 
aufzunehmen. 

Rücksichtlich  der  Schiffbarkeit  lagen  für  den  Rhein,  die  Weser  und  die 
Elbe  völkerrechtliche,  zwingende  Verpflichtungen  (die  Schiffahrtsakten)  vor;  für 
die  Oder,  die  Weichsel  und  den  Memelstrom  folgte  die  Verpflichtung  aus  den 
Vorschriften  des  Allgemeinen  Landrechts  (S.  54).  Wie  früher  erwähnt  wurde, 
haben  schon  der  große  Kurfürst  und  der  große  König  mit  Strombauten  am 
Rhein,  an  der  Elbe,  an  der  Oder  und  selbst  im  Memeldelta  begonnen,  und 
diese  Arbeiten  wurden  von  181 5  bis  1870  an  allen  preußischen  Strömen,  so 
weit  die  verfügbaren  Mittel  es  erlaubten,  fortgesetzt.  Aber  erst  seit  1870 
wurde  der  Ausbau  in  großem  Umfange  und  mit  Aufwendung  erheblicher  Geld- 
summen kräftig  und  erfolgreich  gefordert.  Seit  dieser  Zeit  wurde  auch  eine 
ordnungsmäßige  Unterhaltung  der  Strombauwerke  sichergestellt,  die  gerade 
bei  diesen  von  der  größten  Wichtigkeit,  aber  mit  verhältnismäßig  größerem 
Kostenaufwand  auszuführen  ist  als  bei  anderen  Bauten;  denn  schlecht  unter- 
haltene Strombauwerke  werden  beim  Eintritt  eines  besonders  schweren  Eis- 
gangs oder  eines  ungewöhnlichen  Hochwassers  oft  vollständig  vernichtet.  Die 
von  der  preußischen  Staatsregierung  bei  dem  Landtag  auf  Grund  ausführlicher 
Denkschriften  beantragten  Geldmittel  wurden  in  den  siebziger  und  achtziger 
Jahren  ohne  Widerspruch  gerne  bewilligt.  Es  war  dabei  als  Hauptzweck  die 
Verbesserung  der  Schiflfbarkeit  hervorgehoben,  weil  man  die  große  Bedeutung 
der  Arbeiten  für  die  Landeskultur  damals  noch  nicht  ganz  übersah  oder  nicht 
genügend  zu  schätzen  wußte. 

Im  allgemeinen  ist  bei  allen  großen  Strömen  in  gleicher  Weise  vorge- 
gangen worden:  Zunächst  handelte  es  sich  um  die  Festlegung  der  Strom- 
betten beim  gewöhnlichen  Wasserstande,  denen  man  unter  Beseitigung 
zu  starker  Krümmungen  einen  angemessen  geschlängelten  einheitlichen  Lauf 
gab,  indem  die  Stromspaltungen  und  Inseln  möglichst  abgesperrt  und  die 
übermäßigen  Breiten  durch  widerstandsfähige  Einschränkungswerke  (meistens 
Buhnen,  seltener  Längsbauten)  vermindert  wurden.  Die  abbrüchigen  Ufer 
mußten  durch  besondere  Bauten  geschützt  werden,  so  weit  dies  nicht  den  Ufer- 
besitzem  überlassen  wurde.  Das  vom  Strome  mitgeführte  Geschiebe  (Sand 
und  Kies)  wurde  zur  Verlandung  der  Einschränkungswerke  hingeleitet  und  ver- 
hindert, im  Strome  selbst  neue  Inseln  oder  hohe  Bänke  zu  bilden.  Daneben 
bestand  für  alle  Ströme  die  gleiche  Aufgabe,  das  Fahrwasser  von  gefahrlichen 
Felsklippen,  Wehrüberresten,  Steinen  und  Baumstämmen  zu  befreien. 


I.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme.  175 

Nach  diesen  grundlegenden  Arbeiten  in  dem  gewöhnlichen  Bett  mußte 
für  die  Schiffahrt  auch  bei  niedrigen  Wasserständen  für  eine  Wassertiefe  ge- 
sorgt werden,  die  noch  eine  einträgliche  Beladung  der  Schiffe  erlaubte.  Zu 
diesem  Zweck  wurden  innerhalb  der  für  den  gewöhnlichen  Wasserstand  aus- 
gebauten Normalbreiten  die  Niedrigwasserbetten  durch  Grundschwellen  vor 
den  Buhnen  und  ähnliche  Anlagen  eingeschränkt  und  die  vorhandene  Niedrig- 
wassermenge auf  diese  Weise  in  einem  Querschnitt  von  geringerer  Breite 
aber  größerer  Tiefe  zusammengehalten.  Wichtig  war  hierbei,  daß  man  die 
Kraft  des  Stromes  selbst  zur  beabsichtigten  Bewegung  der  Geschiebemassen 
imd  zur  Vertiefung  der  Sohle  benutzte  und  nur  in  seltenen  Fällen  durch  Bag- 
gerungen nachhalf.  Dies  Vorgehen  hat  sich  im  allgemeinen  überall  bewährt. 
Bei  der  Festsetzung  der  Normalbreiten  und  der  bei  niedrigem  Wasserstande 
zu  erstrebenden  Mindesttiefen  fehlten  aber  anfangs  die  nötigen  wissenschaft- 
lichen Unterlagen:  Man  kaimte  in  den  meisten  Fällen  weder  die  Abfluß- 
mengen noch  die  Gefällverhältnisse  genau;  oft  waren  auch  die  Schwankungen 
der  Wasserstände  noch  unbekannt,  zumal  die  ersten  amtlichen  Pegel  in  Preußen 
erst  1810  eingeführt  worden  waren.  Man  war  deshalb  genötigt,  die  ersten 
Strombreiten  auf  Grund  mehr  oder  weniger  ungewisser  Schätzungen  anzu- 
nehmen und  später  auf  Grund  besserer  Unterlagen  zu  verbessern.  Ähnlich 
war  es  mit  der  Feststellung  der  erstrebten  geringsten  Fahrwassertiefen :  Auch 
sie  sind  meistens  nach  einer  Befahrung  des  Stromes  bei  kleinem  Wasser- 
stande nach  Gutdünken,  mehr  den  Wünschen  der  Schiffahrt  als  der  Natur  des 
Stromes  entsprechend,  vereinbart  worden,  und  man  kann  sich  deshalb  nicht 
wundem,  wenn  die  gesteckten  Ziele  nicht  immer  erreicht  wurden.  Wie  will- 
kürlich diese  Tiefen  zuweilen  gewählt  sind,  zeigt  sich  z.  B.  daraus,  daß  sie 
für  die  kleine  Warthe  zu  i  m  und  für  die  große  Elbe  selbst  im  unteren 
Laufe  nahe  oberhalb  Hamburg  nur  zu  0,94  m  festgesetzt  wurden. 

Der  Ausbau  der  Hochwasserquerschnitte  der  Ströme  ist  nicht  nur  für 
die  gefahrlose  Abführung  von  Eis  und  Hochwasser  erforderlich,  sondern  auch 
zur  Erhaltung  und  Sicherung  der  in  den  Mittel-  und  Niederwasserbetten  aus- 
geführten Strombauwerke  von  größter  Bedeutung.  Die  dazu  nötigen  Arbeiten  er- 
strecken sich  zvmächst  auf  die  Beseitigung  von  Abflußhindernissen  (z.  B.  enger 
Brücken  und  Straßendämme),  auf  die  Zurücklegung  von  Deichen,  auf  die  Ab- 
böschung  und  Bepflanzung  abbrüchiger  Hochufer  und  auf  die  Abgrabung 
der  zu  hoch  aufgelandeten  Talflächen  im  Überflutungsgebiet.  Sie  erfordern 
einen  großen  Kostenaufwand  und  sind  leider  erst  zum  Teil  in  Angriff  ge- 
nommen (z.  B.  an  der  unteren  Weichsel). 

Für  alle  Wasserbauten  war  es  von  Wichtigkeit,  daß  behufs  sorgfältiger  Ermittelung  des 
Gefälles  und  zur  Sicherung  der  Höhenlage  der  Pegel  an  den  Ufern  der  Ströme  eine  große  Zahl 
von  zuverlässigen  Höhenfestpunkten  eingerichtet  wurde,  die  durch  Feinnivellements  an  das 
Höhennetz  der  preußischen  Landesaufnahme  angeschlossen  worden  sind.  Um  die  einheitliche 
Durchführung  dieser  Arbeiten  und  die  fortlaufende  Überwachung  der  Pegel  und  Wasserstands- 
beobachtungen hat  der  Professor  Dr.  Seibt  im  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten  sich  be- 
sonders verdient  gemacht. 


176  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

Die  für  die  Verbesserung  der  Schiifbarkeit  an  den  einzelnen  Strömen 
bisher  erreichten  Erfolge  sollen  nachstehend  besprochen  werden. 

Der  Rhein.  Die  Mündungsarme  liegen  in  Holland;  die  für  die  Rhein- 
schiffahrt, die  in  der  Regel  bis  Rotterdam  geht,  wichtigen  und  in  die  Be- 
stimmungen der  Rheinschiffahrtsakte  eingeschlossenen  beiden  Arme  sind  die 
Waal  und  der  Leck,  die  sich  kurz  oberhalb  dieser  Stadt  wieder  vereinigen. 
Der  Hauptstrom  teilt  sich  wenige  Kilometer  unterhalb  der  preußischen  Grenze 
bei  Pannerden,  sodaO  nach  den  im  Jahre  1 745  getroffenen  Festsetzungen  die 
Waal,  der  südliche  Arm,  zwei  Drittel,  und  der  Leck,  der  nördliche  Arm,  ein 
Drittel  der  Wassermenge  abfuhren  soll.  Der  Ausbau  beider  Wasserstraßen 
begann  1850  und  namentlich  in  dem  Hauptstrom,  der  Waal,  wurden  bis 
1857  einige  Verbesserungen  erreicht,  indem  die  Inseln  an  die  Ufer  ange- 
schlossen und  die  Stromspaltungen  beseitigt  wurden.  Aber  die  vielen  Krüm- 
mungen und  Versandungen  behinderten  bei  niedrigen  Wasserständen  die  Schiff- 
fahrt. Obwohl  im  Jahre  1861  von  der  technischen  Befahrungskommission  für 
die  Waal  eine  Mindesttiefe  von  3  m  (S.  107)  vereinbart  worden  war,  konnte 
diese  mit  den  bis  1889  angewandten  Mitteln  nicht  erreicht  werden.  Als 
Normalbreiten  waren  bis  dahin  für  den  ungeteilten  Strom  oberhalb  Pannerden 
400  m,  für  die  Waal  von  da  bis  Zalt-Bommel  360  m  und  unterhalb  dieses 
Orts  400  m  angenommen.  Man  entschloß  sich  1 889,  die  Breite  von  360  m 
an  den  seichtesten  Stellen  des  Fahrwassers,  also  auf  den  Übergängen  des 
Talwegs,  bis  auf  310  m  einzuschränken.  Durch  diese  Bauten  und  durch 
Baggerungen  ist  es  gelungen,  eine  Mindesttiefe  von  etwa  2,7  m  bei  gemittel- 
tem  Niedrigwasser  zu  schaffen.  Die  Übergänge  waren  aber  in  der  oberen 
Strecke  noch  recht  scharf  und  lagen  zum  Teil  an  falscher  Stelle.  Im  unteren 
Laufe  (im  Noord)  fehlte  außerdem  (1908)  noch  die  erforderliche  Fahrwasser- 
breite. Um  eine  weitere  Verbesserung  zu  erreichen,  wurde  von  den  General- 
staaten im  Jahre  1909  ein  Entwurf  genehmigt,  nach  dem  die  Waal  von 
Pannerden  bis  St.  Andries,  oberhalb  Zalt-Bommel  (wo  die  Waal  nur  durch 
einen  mit  einer  Kammerschleuse  versehenen  Damm  von  der  Maas  getrennt 
ist]  bis  auf  260  m  eingeschränkt  und  die  Breite  unterhalb  allmählich  bis  auf 
350  m  vergrößert  werden  sollte.  Der  Ausbau  wird  durch  stromaufgerichtete 
Buhnen  im  Abstand  von  200  m  erfolgen,  wobei  das  Fahrwasser  überall  unter 
Vermeidung  von  geraden  Strecken  eine  Schlangenlinie  erhält. 

Der  Leck  trägt  bei  der  Abzweigung  aus  dem  Hauptstrome  zunächst  bis 
zu  der  nach  Norden  abzweigenden  Yssel  den  Namen  >Pannerdenscher  Kanal« 
(S.  71)  und  von  da  bis  Duurstede  den  Namen  Niederrhein;  er  ist  nach  einer 
Normalbreite  von  130  (bis  150)  m  ausgebaut  und  bis  zu  2,4  m  bei  gemitteltem 
Niedrigwasser  vertieft  worden.  Die  Länge  der  Wasserstraße  von  Rotterdam 
bis  zur  Reichsgrenze  beträgt  durch  die  Waal  128  km,  durch  den  Leck  132,4  km. 

In  Preußen  ist  der  im  Flachland  vielfach  gekrümmte  und  früher  stark 
verwilderte  Strom  von  der  Grenze  bis  Köln  (177  km)  vollständig  ausgebaut 
worden,   wodurch   in  einer  Fahrwasserbreite  von  mindestens   150  m  überall 


I.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme.  177 

• 

die  erstrebte  Mindesttiefe  von  3  m  erreicht  worden  ist.  Die  Normalbreite  von 
300  m  ist  vorwiegend  durch  den  Einbau  von  Buhnen  hergestellt;  daneben  sind 
an  vielen  Stellen  auch  Längsbauten,  Uferdeckwerke  und  Grundschwellen  aus- 
geführt worden.     Inseln  und  Stromspaltungen  sind  nicht  mehr  vorhanden. 

Ähnlich  sind  die  Verhältnisse  in  der  anstoßenden  Strecke  von  Köln  nach 
Koblenz  (97  km),  wo  der  Rhein  unterhalb  der  Sieg-Mündung  bei  Bonn  noch 
ganz  im  Flachlande  liegt  und  die  Normalbreite  von  300  m  in  gleicher  Weise 
mittels  Buhnen  ausgebaut  worden  ist.  Oberhalb  Bonn  mußten  mit  Rücksicht 
auf  die  an  den  Ufern  liegenden  Ortschaften  einige  Inseln  (z.  B.  bei  Honnef, 
Neuwied,  Vallendar)  im  Strome  erhalten  bleiben;  diese  Stromspaltungen  sind 
aber  so  geregelt  worden,  daß  auf  beiden  Seiten  ein  brauchbares  Fahrwasser 
entstand.  In  dem  einheitlichen  Stromlauf,  dem  eine  Normalbreite  von  280  m 
gegeben  wurde,  waren  außer  an  den  schwierigen  Mündungstellen  der  Neben- 
flüsse Sieg,  Aar  und  Mosel  besondere  Verbesserungsarbeiten  nicht  erforderlich. 
Die  erstrebte  Tiefe  von  2,5  m  ist  überall  in  einer  Fahrwasserbreite  von  150  m 
erreicht  worden. 

Die  Regierung  ließ  in  den  Jahren  1895  bis  1898  umfangreiche  Untersuchungen  darüber  vor- 
nehmen, ob  es  technisch  möglich  sein  wird,  die  Rheinstrecke  von  der  holländischen  Grenze  bis 
Koblenz  bei  einer  Fahrwasserbreite  von  150  m  bis  zu  3,5  m  zu  vertiefen').  iJas  Ergebnis  war 
ein  sehr  günstiges,  aber  an  die  Ausfuhrung  des  Entwurfs  ist  man  nicht  gegangen.  Das  scheint 
auch  zwecklos,  so  lange  in  Holland  die  Waal  nicht  einmal  auf  3  m  Tiefe  gebracht  worden  ist. 
Andernfalls  würde  eine  solche  Vertiefung  von  grof^em  Werte  sein,  besonders  für  die  Rhein-See- 
schiffahrt, zu  deren  Förderung  allerdings  Holland  keine  Veranlassung  hat. 

Oberhalb  Koblenz  liegt  der  Strom  im  Gebirge.  Auf  der  Strecke  bis 
St.  Goar  (35  km)  hat  es  im  allgemeinen  an  der  nötigen  Wassertiefe  nicht 
gefehlt;  doch  war  das  Fahrwasser  an  einzelnen  Stellen  enge,  stark  gekrümmt 
und  durch  Fels-  und  Kiesbänke  behindert.  Es  ist  überall  eine  nutzbare  Breite 
von  150  m  mit  2,5  m  Mindesttiefe  erreicht  worden. 

Am  schwierigsten  und  mühevollsten  war  es,  in  der  etwa  27  km  langen 
Gebirgstrecke  von  St.  Goar  (Lorelei-Hafen)  bis  Bingen,  die  durch  Felsen  und 
Stromschnellen  die  Schiffahrt  außerordentlich  behinderte  und  gefährdete,  ein 
sicheres  Fahrwasser  von  2  m  Tiefe  herzustellen.  Außer  den  vor  1870  aus- 
geführten Arbeiten  (S.  105)  am  »wilden  Gefahr«  und  im  »Binger  Loch«  mußten 
noch  viele  weitere  Sprengarbeiten  unter  Verwendung  von  besonderen  Maschinen 
(Taucherschächte  und  Felsenbrecher)  ausgeführt  werden,  bis  im  Jahre  1900 
auf  der  ganzen  Strecke  die  verlangte  Tiefe  in  einer  Fahrwasserbreite  von 
120  m  erreicht  wurde,  die  nur  an  wenigen  Stellen  z.B.  oberhalb  der  Lorelei 
auf  90  m  eingeschränkt  worden  ist.  Außer  den  Felssprengungen  waren  viele 
Längs-  und  Querbauten  zum  seitlichen  Abschluß  des  Fahrwassers  erforderlich, 
namentlich  bei  Caub  und  Niederheimbach,  wo  die  Anlage  von  zwei  getrennten 
Fahrwassern  nötig  wurde. 

1)  Diese  von  Jasmund  ausgeführten  Untersuchungen,  deren  Ergebnisse  in  einer  Denkschrift 
von  1898  zusammengestellt  wurden,  sind  mustergültig. 

Teubert,   BinnenschiflTahrt.  12 


178  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  BinnenschifTahrtstraßen  seit  1870. 

Im  Binger  Loch  ist  das  Fahrwasser  nur  30  m  breit  gemacht  worden, 
weil  man  befürchtete,  durch  eine  größere  Breite  den  Wasserspiegel  der  ober- 
halb liegenden  Rheingaustrecke  zu  senken.  Aus  demselben  Grunde  hat  man 
dem  daneben  Hegenden,  etwa  80  m  breiten  »zweiten  Fahrwasser«  nur  eine 
Mindesttiefe  von  1,5  m  gegeben.  Dieses  wird  daher  bei  niedrigen  Wasser- 
ständen gewöhnlich  nur  von  leeren  Schiffen,  namentlich  für  die  Talfahrt  be- 
nutzt. Auch  bei  höheren  Wasserständen  wird  bei  der  Bergfahrt  das  Binger 
Loch  bevorzugt.  Das  Gefälle  in  diesem  ist  zwar  erheblich  stärker,  aber  auf 
einer  nur  etwa  1 10  m  langen  Strecke  vereinigt,  so  daß  es  von  einem  Schlepp- 
zuge mit  sehr  langen  Schlepptrossen  leichter  überwunden  werden  kann,  indem 
sich  gleichzeitig  nur  ein  Schiff  in  dieser  Gefallstrecke  befindet. 

Für  den  Ausbau  der  von  Bingen  bis  Mainz  (30  km)  reichenden,  soge- 
nannten Rheingaustrecke  war  schon  früher  (S.  105)  zwischen  den  Uferstaaten 
(Hessen  und  Nassau)  eine  Vereinbarung  erreicht  worden;  doch  konnten  die 
beschlossenen  Arbeiten  wegen  des  Einspruchs  der  Uferanwohner  nicht  fertig 
gestellt  werden.  Im  Jahre  1884  wurde  durch  den  Reichskanzler  eine  genaue 
Untersuchung  der  Verhältnisse  unter  Oberleitung  eines  Reichskommissars  an- 
geordnet und  es  kam  dann  zum  Abschluß  eines  neuen  Vertrags  zwischen 
Preußen  und  Hessen.  Der  Ausbau  dieser  Stromstrecke  mit  beweglicher  san- 
diger Sohle  und  sehr  geringem  Gefälle  erfolgte  in  den  Jahren  1886  bis  1891 
in  der  Weise,  daß  die  vielen  Inseln  und  Stromspaltungen  beibehalten  und  die  er- 
forderlichen Einbauten  (meistens  Leitwerke  und  Grundschwellen)  so  niedrig 
gehalten  wurden,  daß  wenig  Verlandungen  entstanden  und  die  vorhandenen 
Wasserflächen  erhalten  blieben.  Um  die  verlangte  Mindesttiefe  von  2  m  zu 
schaffen  und  zu  erhalten,  waren  bei  diesem  Vorgehen  umfangreiche  Bagge- 
rungen unvermeidlich.  Um  diese  zu  vermindern,  wurden  nachträglich  (1894, 
1900  und  1904)  noch  eine  Anzahl  einschränkender  Werke,  namentlich  als 
Grundschwellen,  ausgeführt. 

Im  Jahre  1908  wurde  ein  im  preußischen  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten  aufgesteUter 
Entwurf  veröffentlicht,  der  bezweckte,  die  Rheinstreckc  von  St.  Goar  bis  zur  Mainmündung  von 
2  m  auf  durchweg  2,5  m  zu  vertiefen  und  so  für  die  Schiffahrt  von  Köln  bis  Mainz  und  Frankfurt 
ein  Fahrwasser  von  gleicher  Tiefe  zu  schaffen.  Grundsätzliche  technische  Bedenken  liegen  nicht 
vor,  zumal  die  vorhandene  Niedrigwassermenge  im  Verhältnis  zu  den  bestehenden  Gefällen  selbst 
in  der  Gebirgstrecke  dazu  ausreicht.  Auch  die  Schwierigkeiten  und  die  Kosten  würden  für  die 
Rheingaustrecke  nicht  erheblich  sein;  dagegen  sind  für  die  Überwindung  des  Binger  Lochs  be- 
sondere Einrichtungen  erforderlich.  Die  Verbreiterung  des  vorhandenen  alten  Fahrwassers  zu 
einem  etiva  iiom  breiten  und  2,5  m  tiefen  Kanal  wird  von  dem  Verfasser  des  Entwurfs  nicht 
empfohlen,  weil  der  Erfolg  des  erstrebten  Gef^leausgleichs  in  einem  solchen  Kanal  unsicher 
ist,  ferner  eine  Senkung  des  Wasserspiegels  in  der  oberen  Rheingaustrecke  nicht  mit  Bestimmtheit 
vermieden  werden  kann  und  außerdem  eine  Hebung  des  Wasserspiegels  am  unteren  Ende  des 
Kanals  (etwa  bei  Aßmannshausen)  durch  eingebaute  Grundschwellen  schwierig  und  vielleicht  nicht 
erfolgreich  sein  dürfte.  Diesen  Gründen  muß  man  beitreten.  Es  ist  deshalb  die  Überwindung 
eines  Gefälles  von  1,5  m  durch  einen  auf  dem  linken  Ufer  neben  dem  zweiten  Fahrwasser  ent- 
worfenen etwa  I  km  langen  Kanal  mit  einer  Kammerschleuse  von  400  m  Länge  und  26  m 
Breite  vorgeschlagen  worden,  die  bei  Hochwasser  geöffnet  und  durchströmt  werden  soll.  Das 
alte  Binger  Loch  und  das  zweite  Fahrwasser  sollen  in  unveränderter  Weise  dem  Verkehr  erhalten 
bleiben.     Die  Vertiefung  der  unteren  Stromstrecke  bis  St.  Goar  ist  zwar  mit  umfangreichen  und 


I.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme.  179 

kostspieligen  Felssprengungen  verbunden,  bietet  aber  sonst  keine  besonderen  technischen  Schwierig» 
keiten.  Der  großzügige  Entwurf  würde  die  Rheinschiffahrt  außerordentlich  fördern.  Auch  die 
Aufwendung  der  auf  etwa  31  Millionen  Mark  berechneten  Kosten  würde  sich  wirtschaftlich  viel- 
leicht rechtfertigen  lassen;  es  kommt  aber  darauf  an,  wie  sie  aufgebracht  werden  sollen. 

Die  in  erster  Linie  an  der  RheinschifTahrt  Beteiligten  haben  sich  im  allgemeinen  bisher 
ablehnend  gegen  den  Entwurf  verhalten.  Sie  befürchten,  daß  durch  die  Vertiefung  der  an  der 
Rheingaustrecke  liegenden  Häfen  und  Ladestellen  große  Kosten  entstehen  würden,  weil  die  Ufer- 
mauern  u.  dgl.  nur  für  2  m  Wassertiefe  bei  N.  W.  berechnet  sind.  Femer  würde  die  Leistungs- 
f^igkeit  eines  Teils  der  vorhandenen  Lastschiffe  und  dadurch  der  schon  jetzt  bestehende  Über- 
fluß an  Schiffsraum  vermehrt  werden,  während  die  Besitzer  des  anderen  Teils  der  Lastschiffe, 
die  nicht  so  hoch  gebaut  wären  und  die  gröbere  Wassertiefe  nicht  ausnutzen  könnten,  in  Zukunft 
nicht  mehr  wettbewerbsfllhig  sein  würden.  Schließlich  haben  sie  die  Durchfahrt  durch  die  Schleuse 
für  sehr  schwierig  und  gefährlich  erklärt. 

Diesen  Gründen  kann  nicht  beigetreten  werden:  Der  erste  ist  unwesentlich,  der  zweite  er- 
innert fast  an  den  früher  beschriebenen  Widerstand  der  Rheinschiffer  gegen  die  Einführung  der 
Dampfschiffahrt  und  der  dritte  ist  allein  auf  die  Furcht  der  Rheinschiffer  vor  dem  ihnen  bisher 
unbekannten  Durchfahren  von  Schleusen  zurückzuführen.  Es  ist  keine  Frage,  daß  die  Schiffs- 
fiihrer  es  bald  lernen  würden:  Die  in  der  ersten  Zeit  vielleicht  eintretenden  Unf^le  würden  später 
sicherlich  bei  der  nötigen  Vorsicht  vermieden  werden. 

Die  Vertiefung  der  Strecke  von  St.  Goar  bis  Mannheim  auf  2,5  m  ist  in  das  dem  Reichs- 
tage vorgelegte  Schiffahrtabgabengesetz  von  191 1  aufgenommen  worden. 

Zwischen  Mainz  und  Mannheim  (71  km]  hat  der  Rhein  ein  sehr 
schwaches  Gefälle.  Die  vielen  Krümmungen  waren  für  die  Schiffahrt  nicht 
besonders  störend;  daher  ist  außer  dem  bereits  früher  ausgeführten  Durch- 
stiche am  Geyer  (S.  106)  und  dem  noch  zur  Geradelegung  des  Oberrheins  ge- 
hörenden Friesenheimer  Durchstich  (gebaut  1828  bis  1862)  an  der  Neckar- 
mündung in  dieser  Strecke  nur  noch  ein  Durchstich  oberhalb  Worms  »am 
oberen  Busch«  im  Jahre  1878  hergestellt  worden.  Die  Normalbreite  von 
300  m  ist  durch  Längsdämme,  Querbauten  und  Buhnen  ausgebaut  und  es 
hat  sich  nicht  nur  die  vereinbarte  Mindesttiefe  von  2  m,  sondern  sogar  eine 
Tiefe  von  etwa  2,5  m  mit  leichter  Mühe  herstellen  lassen.  Man  hat  in  dieser 
Strecke  eine  Hebung  der  Flußsohle  bemerkt,  die  auf  die  Geradelegung  des 
Oberrheins  zurückzufuhren  sein  wird.  (Die  Spiegelsenkung  ist  im  Jahre  1908 
bei  Mainz  zu  0,25  m  und  bei  Worms  zu  0,49  m  festgestellt  worden.) 

Die  Schiffbarmachung  des  Rheins  oberhalb  Mannheim  hat  eine 
bemerkenswerte  Geschichte.  Bis  etwa  zum  Jahre  1890  blieben  Mannheim 
und  Ludwigshafen  die  oberen  Endpunkte  der  RheinschifTahrt;  die  beiden  Häfen 
entwickelten  sich  mit  staunenswerter  Schnelligkeit  und  die  anschließenden 
Eisenbahnen  hatten  aus  dem  Güterumschlag,  namentlich  auf  badischer  Seite, 
glänzende  Einnahmen;  denn  sie  verteilten  die  auf  dem  Rhein  angekommenen 
Güter  nach  Süddeutschland  und  der  Schweiz.  Aber  allmählich  strebten  die 
anderen  Städte  am  Oberrhein  und  besonders  Straßburg  dahin,  einen  Teil 
dieses  Verkehrs  an  sich  zu  ziehen.  Da  der  erste  Ausbau  des  Stromes  (S.  106) 
hinsichtlich  der  Verbesserung  des  Fahrwassers  erfolglos  geblieben  war,  glaubte 
man  allgemein,  daß  nur  durch  einen  Seitenkanal  das  erstrebte  Ziel  zu  er- 
reichen wäre,  und  die  Handelskammer  von  Straßburg  erbat  schon  1871  vom 
Fürsten  Bismarck  die  Herstellung  eines  Kanals  bis  Ludwigshafen  aufReichs- 

12* 


IgO  Abschnitt  IV.    Die  Vermelirung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

kosten.  Die  Verwirklichung  des  1887  fertig  gestellten  Entwurfs  wurde  aber 
vom  Reiche  mit  Rücksicht  auf  den  Widerspruch  von  Baiern  und  Baden  ab- 
gelehnt. Da  auch  der  LandesausschuO  von  Elsaß-Lothringen  1894  erklärte, 
auf  alleinige  Kosten  den  Kanal  nicht  ausführen  zu  wollen,  so  blieb  nur  seine 
Herstellung  als  Privatuntemehmen  möglich. 

Inzwischen  hatte  sich  auf  dem  Oberrhein  ein  Schiffsverkehr  in  kleinem 
Umfange  entwickelt.  Oberhalb  Mannheim  hatte  der  Strom  bis  Speyer  und 
selbst  bis  Germersheim  (43  km)  infolge  der  fortgesetzten  Bauten  eine  ge- 
nügende Tiefe,  und  weiter  oberhalb  konnte  während  einer  längeren  oder  kür- 
zeren Zeit  des  Jahres  bis  Maxau  und  Lauterburg  eine  nutzbringende  Schiff- 
fahrt betrieben  werden,  die  bei  günstigen  Wasserständen  zuweilen  bis  StraO- 
burg  ausgedehnt  wurde.  Diese  Stadt  hatte  unterdessen  einen  zweckmäßigen 
Hafen  am  Metzgertor  angelegt,  der  1892  eröffnet  wurde,  und  sie  bemühte 
sich  auf  jede  Weise  und  nicht  ohne  Erfolg,  die  Schiffahrt  dorthin  zu  ziehen. 

In  Baden  war  es  vor  allem  der  Oberbaudirektor  Dr.  ing.  Honseil  (der 
spätere  Finanzminister),  der  die  Herstellung  eines  elsässischen  Seitenkanals 
bekämpfte  und  dem  Druck  der  Verhältnisse  nachgebend,  für  die  Schiffbar- 
machung  des  Oberrheins  eintrat,  zumal  auch  die  in  Baden  in  der  Nähe  des 
Rheins  gelegenen  Städte,  wie  Karlsruhe  und  Kehl,  davon  erhebliche  Vorteile 
erhofften.  Nach  vielen  fruchtlosen  Verhandlungen  zwischen  den  beiden  Ufer- 
staaten kam  es  im  Jahre  1896  dazu,  daß  Honsell  einen  Entwurf  zum  Aus- 
bau der  87  km  langen  Strecke  von  Sondernheim  (4  km  oberhalb  Germers- 
heim) bis  Straßburg  aufstellte.  Innerhalb  des  vorhandenen  240  m  breiten, 
durch  gleichlaufende  Dämme  begrenzten  Sommerhochwasserbetts  sollte  zwi- 
schen den  Kiesbänken  ein  160  bis  180  m  breites,  geschlängeltes  Niederwasser- 
bett durch  Buhnen,  Grundschwellen  und  Leitwerke  festgelegt  werden,  wo- 
durch er  eine  Mindesttiefe  von  2  m  bei  dem  gemittelten  Niedrigwasserstande 
(=  1,5  m  am  Kölner  Pegel)  zu  erreichen  hoffte.  Erst  im  Januar  1907  kam 
es  zum  Beginn  der  von  beiden  Staaten  gemeinschaftlich  bewirkten  Bauaus- 
führung, die  nach  den  vorliegenden  Nachrichten ')  vom  Erfolge  gekrönt  werden 
wird.  In  Erwartung  dieses  sind  große  Hafenanlagen  in  Straßburg  (Rhein- 
hafen, 1900)  und  auf  badischem  Ufer  bei  Karlsruhe  (1901)  und  Kehl  (1900) 
entstanden,  die  schon  jetzt  einen  beträchtlichen  Verkehr  aufweisen.  Straß- 
burg und  Kehl  (134  km  oberhalb  Mannheim)  bilden  somit  zurzeit  die  oberen 
Endpunkte  der  Rheinschiffahrt. 

Seit  kurzem  bemüht  sich  auch  Basel  in  den  Wettbewerb  einzutreten, 
wodurch  die  Länge  der  Wasserstraße  um  127  km  vergrößert  und  von  Rotter- 
dam ab  zusammen  826  km  betragen  würde.  Nach  einem  Zeitraum  von  etwa 
50  Jahren  (S.  96)  fuhr  im  Sommer  1903  auf  Anregung  des  schweizerischen 
Ingenieurs  Gelpke  zum  ersten  Male  wieder  ein  Güterdampfer  bis  Basel.   Wenn 

i)  V.  Moro,  Ergebnisse  der  Rheinregulierung  auf  der  badisch-baierischen  Strecke  Son- 
demheim-Karlsruhc  und  wirtschaftliche  Folgeerscheinungen  für  die  Schiffahrt,  in  der  Zeitschrift 
für  Binnenschiff'ahrt  19 10,  S.  504. 


I.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme.  181 

auch  die  Schwierigkeiten  und  Hindernisse,  die  neben  dem  stark  geschlängelten 
Fahrwasser  in  der  niedrigen  Höhenlage  einiger  festen  Brücken  (Kehl)  und 
den  ungenügenden  Durchlaßeinrichtungen  der  Schiffbrücken  bestanden,  nicht 
unbedeutend  waren,  so  schienen  sie  doch  nicht  unüberwindlich,  und  diese 
Fahrten  sind  seitdem  mit  Schleppzügen  bei  günstigen  Wasserständen  oft  wie- 
derholt worden.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterligen,  daß  die  Stadt  Basel 
sich  zu  einem  wichtigen  Rheinhafen  ausbilden  würde,  wenn  der  jetzt  nur  bis 
Straßburg  beschlossene  neue  Ausbau  des  Stromes  bis  zur  schweizerischen 
Grenze  fortgesetzt  wird.  Der  genannte  Ingenieur  Gelpke')  hat  noch  weitere 
wichtige  Unternehmungen  angeregt,  die  voraussichtlich  in  absehbarer  Zeit 
zur  Verwirklichung  kommen  werden.  Das  sind  die  Weiterführung  der  Schiff- 
fahrtstraße bis  zum  Bodensee  und  der  Aufstau  des  letzteren,  um  zu  Zeiten 
niedriger  Wasserstände  den  Rhein  behufs  Gewinnung  ausreichender  Fahr- 
wassertiefen zu  speisen. 

Im  Jahre  1908  bildeten  sich  in  der  Schweiz  mehrere  Schiffahrtvereine,  um  diese  Unter- 
nehmungen weiter  zu  betreiben,  und  es  wurde  auch  ein  > internationaler  Rheinschiffahrtverband« 
in  Konstanz  gegründet,  an  dem  sich  außer  diesen  Vereinen  auch  die  am  Bodensee,  in  Baden, 
Württemberg,  Baiem  und  Österreich  gelegenen  Orte  beteiligten.  Die  betreffenden  Staatsregie« 
rungen  und  besonders  die  badische  standen  den  Bestrebungen  wohlwollend  gegenüber.  Diese 
waren  bis  zum  Jahre  191 1  soweit  gefördert,  daß  auf  Kosten  der  Verbände  die  nötigen  Unter- 
suchungen über  die  Abflußverhältnisse  des  Bodensees  eingeleitet  waren,  und  es  wurde  beschlossen, 
zur  Erlangung  tauglicher  Entwürfe  für  den  Ausbau  der  Wasserstraße  einen  internationalen  Wett- 
bewerb auszuschreiben.  Die  badische  und  die  schweizerische  Regierung  sind  zurzeit  damit  be- 
schäftigt, die  Unterlagen  für  diese  Ausschreibung  auf  ihre  Kosten  zu  beschaffen. 

Die  Rheinstrecke  von  Basel  bis  Konstanz  ist  etwa  167  km  lang,  wovon  rund  45  km 
zwischen  Schaffhausen  und  Konstanz  schon  heute  schiffbar  sind  und  regelmäßig  von  kleinen 
Dampfschiffen  befahren  werden.  Zwischen  Basel  und  Schaffhausen  müssen  die  vorhandenen 
Stromschnellen  und  der  große  Rheinfall  bei  Neuhausen  durch  kurze  Kanäle  umgangen  werden, 
die  zum  Teil  als  Tunnel  herzustellen  sein  werden.  Gleichzeitig  mit  dem  Ausbau  der  Schiffahrt- 
straße muß  die  Gewinnung  der  bedeutenden  Wasserkräfte  bearbeitet  und  untersucht  werden. 
Oberhalb  Basel  sind  solche  Kraftwerke  bei  Angst-Wyhlen  und  bei  Rheinfelden  bereits  vor- 
handen, bei  Laufenburg  genehmigt  und  werden  noch  an  anderen  Stellen  errichtet  werden  können. 
Mit  Rücksicht  hierauf  werden  11  bis  16  Wehranlagen  mit  Schleusen  erforderlich  sein.  Wichtig 
ist,  daß  diesen  von  vornherein  solche  Abmessungen  gegeben  werden,  daß  künftig  Rheinschiffe 
von  1800  bis   2000  t  Tragfähigkeit  verkehren  können. 

Als  Vorbild  wird  im  allgemeinen  die  große  Wasserkraftanlage  dienen  können,  die  in  neuerer 
Zeit  etwa  10  km  unterhalb  der  schweizerischen  Grenze  bei  Kembs  im  Elsaß  für  Mühlhausen  ent- 
worfen und  genehmigt  ist.  Dort  werden  etwa  45  600  Pferdestärken  gewonnen  werden.  Der  rund 
7  km  lange,  gleichlaufend  mit  dem  durch  ein  Wehr  aufgestauten  Rhein  angeordnete  Werkkanal  mit 
86  m  Sohlenbreite  wird  gleichzeitig  als  Schiffahrtkanal  dienen  und  am  unteren  Ende  unmittelbar 
neben  dem  Kraftwerke  eine  Kammerschleuse  erhalten,  die  nach  der  Vorschrift  der  Zentralkom- 
mission für  die  Rheinschiffahrt  90  m  Länge  und  25  m  Breite  hat,  so  daß  sie  einen  großen  Seiten- 
raddampfer oder  zwei  große  Rheinschiffe  aufnehmen  kann.  Wenn  man  annimmt,  daß  diese 
großen  Schleppdampfer  künftig  nur  bis  Basel  verkehren  werden,  dürfte  es  für  die  Strecke  ober- 
halb dieser  Stadt  genügen,  wenn  die  Schleusen  nur  ein  großes  Rheinschiff  aufnehmen,  also  bei 
90  m  Länge  nur  12  m  breit  gemacht  werden.  Das  entspricht  auch  den  Wünschen  der  schwei- 
zerischen Schiffahrtvereine. 

Die  Stromstrecke  von  Straßburg  bis  Konstanz  ist  bei  dem  Schiffahrtabgabengesetze  von 
191 1  bereits  in  den  sogenannten  Rheinverband  aufgenommen  worden. 

i)  Zur  Kritik  der  oberrheinischen  Binnenschiffahrtprojekte.     Basel  1904. 


182 


Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  BinnenschifTahrtstraßen  seit  1870. 


Die  vereinbarten  und  erstrebten  Mindesttiefen  (S.  107)  von  3  —  2,  5  —  2 
und  1,5  m  sollten  ursprünglich  bei  einem  gemittelten  Niedrig>\'asserstande 
erreicht  werden,  der  dem  Pegelstande  von  1,5  m  in  Köln  entsprach.  Man 
hatte  dabei  angenommen,  daß  dieser  Wasserstand  jährlich  im  Durchschnitt 
nur  an  10  eisfreien  Tagen  unterschritten  werden  würde.  Infolge  des  Ausbaues 
des  Stromes  veränderten  sich  die  Wasserstände  an  den  einzelnen  Pegeln  häufig 
in  ihrer  Lage  zueinander  und  am  Kölner  Pegel  wurde  eine  erhebliche  Senkung 
der  niedrigen  Wasserstände  bemerkt,  so  daß  z.  B.  in  dem  Zeitraum  von  1895 
bis  1904  der  Stand  von  1,5  m  durchschnittlich  an  72  Tagen  jährlich  unter- 
schritten wurde.  Die  im  Jahre  1908  angestellten  Untersuchungen  ergaben, 
daß  dem  gemittelten  Niedrigwasserstande  zurzeit  nicht  mehr  der  Pegelstand 
von  1,5  m,  sondern  der  Pegelstand  von  1,22  m  in  Köln  entsprach.  Man  be- 
schloß jedoch,  das  alte  Maß  von  1,5  m  am  Kölner  Pegel  für  die  weitere 
Beurteilung  und  Prüfung  der  Fahrwassertiefen  beizubehalten,  wenn  dieser 
Stand  auch  nicht  mehr  als  ein  niedriger  anzusehen  war.  Es  wurden  daher 
für  die  anderen  14  Hauptpegel  des  Stromes  die  zurzeit  dem  Stande  von 
1,5  m  in  Köln  entsprechenden  Wasserstände  ermittelt  und  man  bezeichnete 
diesen  Wasserstand  als  den  »gleichwertigen  von  1908«  (Gl.  W.  1908).  Er 
soll  künftig  alle  10  Jahre  von  neuem  ermittelt  werden.  Von  diesem  Wasser- 
stande woirde  angenommen,  daß  er  künftig  im  Durchschnitt  jährlich  an  47 
Tagen  unterschritten  werden  wird. 

Geringste  Fahrwassertiefen  in  den  Jahren  1907  bis  1911. 


Nr. 


Stromstreckc 


I 


Soll- 
Tiefe 

cm 


\\ 


I  ' 

2 

I 

4 

5: 
6 

7 
8 

9 

10  i 

11  I 

1  '' 

13  \ 


Straßburg — I^auterburg     .    .  150 

Lauterburg — Gemicrsheiui   .  150 

Gcnnersheim — Speyer  .    .    .  '  150 

Speyer — Mannheim  ....  150 

Mannh. — Hessische  Grenze.  I  200 

Hessische  Stromstrecke   .    .  i'  200 

Hessisch-Preußische  Strecke  200 

Bingen — St.  Goar 200 

St.  Goar — Koblenz   ....  250 

Koblenz — Köln 250 

Köln — Duisburg-Ruhrort .    .  300 

Duisburg — Holland.    Grenze  300 

Waal 300 


Es  fehlten  bei  X.  W.  an 

der  vereinbarten  Tiefe 

cm 

1907  1908  1909  I  1910  I  1911  |l  1907  '  1908  I  1909  I  1910  191 1 


Geringste  Fahrwassertiefen 
in  cm 


50 
90 

140 

220 

250 

160 

HO 

210 
200 
190 
260 
270 

195 


50 
90 

100 

170 

190 

170 

120 

170 

220 

180 

230 

190 

188 


50 
80 

210 

330 
380 

120 

»35 
160 

280 

210 

480 

330 

iSS 


100 

120 

200 

230 
300 

220 

195 

300 

260 
240 

320 
330 

240 


HO    50 

—   3» 

r 


56 
22 


34 
56 


140  !  37  i  36 


200 

"^^ 

II 

250 

— 

300 

170 

— 

202 

28 

17 

12 

6 


82  I  54 

48  !  - 


—   3 


18  I  47 


'%'* 
-j 


20 


Nach  den  Beobachtungen  der  letzten  4  Jahre  hat  sich  herausgestellt,  dab  an  den  15  Haupt- 
pcgcln  von  Straßburg  bis  Zait-Bommel  (an  der  Waal  zwischen  St.  Andries  und  der  Einmündung 
der  Maas  bei  Woudrichem)  der  (U.  W.  von  1908  im  Durchschnitt  im  Jahre  1908  an  100  Tagen, 


I .  Der  Ausbau  .der  großen  deutschen  Ströme.  183 

1909  an  70  Tagen  und  19 10  an  6  Tagen  unterschritten  wurde.  Wenn  man  nur  die  Hauptpegel 
von  Mannheim  bis  zur  holländischen  Grenze  in  Betracht  zieht,  wurde  an  diesen  der  Wasserstand 
durchschnittlich  im  Jahre  1908  an  iio  Tagen,  1909  an  77  Tagen,  1910  an  7  Tagen  und  191 1 
an  130  Tagen  unterschritten.  Das  Jahr  191 1  war  besonders  trocken  und  auf  vielen  deutschen 
Strömen  mußte  die  SchifTahrt  zeitweilig  eingestellt  werden.  Am  Rhein  hatten  die  niedrigen 
Wasserstände  namentlich  im  unteren  Laufe  eine  recht  lange  Dauer:  In  Köln  wurde  der  Gl.  W. 
von  1908  an  143  Tagen  und  in  Duisburg-Ruhrort  an  159  Tagen  unterschritten.  Aber  unge- 
wöhnlich niedrige  Wasserstände  traten  nicht  ein;  denn  die  niedrigsten  vom  Jahre  191 1  waren 
immer  noch  höher  als  in  den  Jahren  1908  und  1909. 

Auch  die  durch  Pellung  bei  niedrigen  Wasserständen  gefundenen  geringsten  Fahr- 
wassertiefen waren  im  Jahre  1911  nicht  kleiner,  als  in  den  vorhergehenden  Jahren.  In  vor- 
stehender Tafel  sind  die  Ergebnisse  dieser  Peilungen  aus  den  letzten  5  Jahren,  soweit  sie  bekannt 
waren,  zusammengestellt  worden.  In  Spalte  3  ist  die  vereinbarte  angestrebte  Solltiefe  beim  Gl.  W. 
von  1908  angegeben,  nach  der  in  Spalte  5  die  fehlende  Tiefe  nach  dem  Ergebnis  der  Peilung 
berechnet  wurde.  Bei  niedrigen  Wasserständen  vertiefen  sich  die  seichten  Übergänge  des  Tal- 
wegs :  Das  an  der  Tiefe  fehlende  Maß  wird  also  kleiner,  wenn  es  aus  den  Peilungen  bei  N.  W. 
berechnet  wird. 

Aus  der  Tafel  erkennt  man,  wie  weit  hinsichtlich  der  Mindesttiefen  das 
erstrebte  Ziel  bisher  erreicht  worden  ist.  Dabei  ist  zu  beachten,  daß  infolge 
des  veränderten  gemittelten  Niedrigwasserstandes  das  MaO  der  erstrebten 
Tiefen  um  0,28  m  heruntergesetzt  worden  ist. 

Die  Weser.  Die  Mündungstrecke  bis  zur  Kaiserbrücke  in  Bremen 
hinauf  (112  km),  die  »Unteru^eser«,  ist  eine  Seeschiffahrtstraße  und  in  der  Zeit 
von  1887  bis  1894  durch  den  Oberbaudirektor  Franzius')  mit  gutem  Erfolge 
ausgebaut  Das  Fahrwasser  des  Stromes  oberhalb  Bremen  (S.  117)  war  in 
den  siebziger  Jahren  so  mangelhaft,  daß  die  Schiffer  sich  beschwerdeführend 
an  den  Reichskanzler  wandten.  Von  der  preußischen  Regierung  wurde  darauf 
im  Jahre  1877  erklärt,  daß  man  durch  kräftige  Förderung  der  Bauten  sowie 
durch  Baggerungen  in  der  Strecke  von  Bremen  bis  Minden  (164  km)  eine 
geringste  Fahrwassertiefe  von  1,25  m,  von  Minden  bis  Karlshafen  (159  km) 
eine  solche  von  1,0  m  und  von  da  bis  Münden  (45  km)  eine  solche  von  0,7 
bis  0,8  m  bei  den  niedrigsten  Wasserständen  zu  erreichen  hoffte.  Diese  An- 
gaben gingen  im  allgemeinen  auch  in  den  im  Jahre  1879  dem  preußischen 
Landtage  vorgelegten  Entwurf  über;  nur  für  die  oberste  Strecke  wurde  eine 
Mindesttiefe  von  0,8  m  angenommen.  Die  Normalbreite  bei  mittlerem 
Sommerwasserstande  sollte  von  Bremen  bis  zur  Allermündung  (41  km)  von 
112  m  auf  103  m,  von  da  bis  Karlshafen  von  70  m  auf  50  m  und  bis  Münden 
auf  42  m  abnehmen  und  im  allgemeinen  durch  Buhnen  festgelegt  werden. 

Für  die  oberste  Strecke  von  Karlshafen  bis  Münden  mit  sehr  starkem 
und  wechselndem  Gefälle  wurde  ein  einheitlicher  genauer  Entwurf  aufgestellt 
und  in  den  Jahren  1878  bis  1888  ausgeführt.  Durch  ausgedehnte  Anwendung 
von  Grundschwellen  ist  ein  ziemlich  befriedigender  Ausgleich  des  unregel- 
mäßigen Gefälles  erreicht  worden.  In  den  übrigen  Stromstrecken  sind  die 
mangelhaften  Stellen  einzeln  nach  besonderen  Entwürfen  allmählich  verbessert 
worden.    Die  nutzbare  Fahrwasserbreite  wurde  auf  mindestens  25  m  bemessen; 

i)  Im  Jahre  1908  wurde  ihm  in  Bremen  ein  Denkmal  errichtet. 


184  Abschnitt  IV.    Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

doch  hat  sich  dies  Maß  nach  der  Einführung  der  Schleppschiffahrt  (1879)  ^s 
zu  klein  erwiesen.  >Im  Jahre  1896  wurde  in  Hannover  die  Weserstrom-Bau- 
verwaltung errichtet,  der  auch  die  unteren  Strecken  der  Fulda  und  der  Aller 
unterstellt  sind.« 

Die  erstrebten  Mindesttiefen  wurden  im  allgemeinen,  namentlich  oberhalb 
von  Minden,  erreicht,  wenn  nicht  sehr  trockene  Sommer  eintraten.  Im  Jahre 
1893  waren  die  Wasserstände  an  den  Pegeln  z.  B.  etwa  0,5  m  unter  die  im 
Jahre  1877  angenommenen  »niedrigsten«  Wasserstände  gesunken  und  es  er- 
gaben sich  geringste  Fahrwassertiefen  von  nur  0,48  m.  Die  Erfolge  der  fort- 
gesetzten Arbeiten  zeigten  sich  in  dem  ziemlich  ebenso  trockenen  Jahre  1904: 
Obwohl  die  Wasserstände  in  den  unteren  Strecken  etwa  0,4  m  und  in  den 
oberen  0,5  m  unter  die  im  Jahre  1877  angenommenen  Wasserstände  gefallen 
waren,  ergaben  sich  die  geringsten  Fahrwassertiefen  unterhalb  der  Aller  zu 
0,9  m  und  zwischen  der  Aller  und  Münden  zu  0,65  m.  Im  trockenen  Sommer 
191 1  fielen  die  Wasserstände  unterhalb  der  Allermündung  um  0,25  bis  0,3  m 
und  oberhalb  um  etwa  0,2  m  unter  den  Stand  von  1904.  Die  geringsten 
Fahrwassertiefen  betrugen  dabei  unterhalb  der  Aller  etwa  0,7  m,  zwischen 
der  Aller  und  Hameln  etwa  0,6  m  und  weiter  oberhalb  etwa  0,47  m.  Bei 
Veckershas^en  wurde  sogar  eine  geringste  Fahrwassertiefe  von  nur  0,3  m  fest- 
gestellt.   Die  Schiffahrt  mußte  fast  auf  dem  ganzen  Strome  eingestellt  werden. 

Durch  den  Bau  des  Rhein-Weser-Kanals,  der  bei  Minden  über  die  Weser  geführt  und 
durch  eine  Schachtschleuse  von  etwa  12,5  m  Gefölle  mit  ihr  in  Verbindung  gebracht  werden 
soll,  werden  die  Wasserstandsverhältnisse  des  Stromes  wesentlich  verändert.  Die  im  Quellgebiet 
der  Eder  und  Diemel  zu  erbauenden  Staubecken  sollen  zusammen  sekundlich  18  m^  Wasser  an 
den  Strom  abgeben,  von  denen  bei  Minden  (durch  ein  Pumpwerk)  7  m^  zur  Speisung  des  Kanals 
und  bei  Hoya  6  m^  zur  Bewässerung  der  Sykc-Bruchhausener  Meliorationsländereien  entnommen 
werden.  Das  Zuschußwasser  aus  den  Staubecken  soll  so  geregelt  werden,  daß  bei  Minden  (nach 
Entnahme  der  vorerwähnten  7  m^)  der  Strom  nicht  weniger  als  60  m^  je  Sekunde  abführt. 

Auf  Grund  dieser  Bestimmungen  sind  im  Jahre  1907  für  den  Strom  Normalquerschnitte 
berechnet  worden,  wobei  ein  »mittlerer  Kleinwasserstand <  zugrunde  gelegt  wurde,  der  im 
trockenen  Sommer  1904  der  mittleren  kleinsten  Abfiußmenge  während  des  Zeitraums  von  189 1 
bis  1900  entsprach.  (Dieser  Wasserstand  liegt  im  Durchschnitt  etwa  0,15  m  über  dem  N.W. 
von  1904.)  Durch  den  Wasserzuschuß  aus  den  Staubecken  wird  der  Wasserstand  von  Münden 
bis  Minden  um  0,33  bis  0,26  m  erhöht  werden,  von  da  bis  Hoya  um  0,15  m,  bis  zur  Allermün- 
dung um  0,10  m  und  unterhalb  um  0,05  m.  Bei  Mittelkleinwasser  sollen  demnach  künftig  die 
Mindesttiefen  betragen:  von  Bremen  bis  zur  Aller  und  bis  Hoya  1,65  m,  bis  Minden  x,S  m, 
bis  Hameln  1,26  m,  bis  Karlshafen  1,24  m  und  bis  Münden  1,08  m.  (In  dem  Schiffahrtabgaben- 
gesetz sind  die  Tiefen  zu  1,75  m,  1,25  m  und  i,i  m  angegeben.) 

Die  Normalbreiten  sollen  betragen:  unterhalb  der  Aller  1x5  m,  oberhalb  bis  Minden 
66  m,  bis  Hameln  74  m  und  oberhalb  Hameln  bis  Karlshafcn  von  63,5  bis  56  m  abnehmend. 

Die  Sohlenbreiten  (nutzbaren  Fahrwasserbreiten)  sollen  in  ähnlicher  Weise  folgende  Min- 
destmaße erhalten:  unterhalb  der  Aller  50  m,  oberhalb  bis  Minden  31,6  m,  bis  Hameln  29  m, 
oberhalb  Hameln  etwa  bis  Höxter  28,5  m  und  weiter  oberhalb  bis  Münden  25  m. 

Der  Bau  der  großen  Talsperre  bei  Hemfurt  (in  Waldeck)  im  Ederge- 
biet  ist  seit  einigen  Jahren  begonnen  worden. 

In  neuester  Zeit  sind  im  unteren  Laufe  des  Stromes  zwei  Wehr-  und 
Schleusenanlagen  entstanden.  Die  untere  auf  Bremer  Gebiet  ist  beiHe- 
melingen  vom  Bremischen  Staat  erbaut  worden,  um  die  Schädigungen  aus- 


I.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme.  135 

zugleichen,  die  infolge  der  Vertiefung  der  Unterweser  für  die  oberhalb  wohnen- 
den preußischen  Anlieger  entstanden  sind  oder  noch  entstehen  würden.  Die 
Schleusenanlage  besteht  aus  einer  Schleppzugschleuse  von  350  m  nutzbarer 
Länge  und  einer  kürzeren  Schleusenkammer  von  70  m  nutzbarer  Länge. 
Beide  haben  12,5m  Weite  und  eine  Tiefe  von  2,8  m  unter  N.W.  Die 
Schleuse  wurde  1910  eröffnet. 

Oberhalb  der  Aller  und  53  km  oberhalb  der  vorerwähnten  Wehranlage 
ist  eine  zweite  bei  Dörverden  erbaut,  die  den  Zweck  hat,  durch  Aufstau 
des  Stromes  die  Ländereien  des  Syke-Bruchhausener  Meliorationsverbandes 
zu  bewässern.  Nebenbei  soll  auch  elektrische  Kraft  gewonnen  werden.  Durch 
diesen  Bau  wird  eine  Stromkrümmung  von  3,7  km  Länge  abgeschnitten.  Ab- 
weichend von  der  Hemelinger  Anlage  ist  nur  eine  350  m  lange  Schleppzug- 
schleuse angeordnet  worden,  in  der  durch  ein  Zwischenhaupt  eine  Kammer 
von  85  m  Länge  abgeteilt  werden  kann.  Die  Weite  beträgt  12,5  m,  die  Tiefe 
2,5  m  unter  M.Kl.W.     Die  Anlage  ist  im  Jahre  191 1  eröffnet  worden. 

Die  Elbe«  Die  rund  140  km  lange  Mündungstrecke  bis  Hamburg 
die  »Unterelbe«,  ist  eine  SeeschiffahrtstraOe.  Etwa  10  km  oberhalb  Hamburg 
teilt  sich  an  der  Bunthäuser  Spitze  der  Strom  in  die  Norder-  und  Süderelbe, 
die  sich  etwa  5  km  unterhalb  Hamburg  (Köhlbrand)  wieder  vereinigen.  Ebbe 
und  Flut  reichen  gewöhnlich  bis  Geesthacht  (37  km  oberhalb  Hamburg) 
hinauf.  Die  zu  Preußen  und  Mecklenburg  gehörende  Strecke  von  Geesthacht 
bis  zur  Havelmündung  (152  km)  hat  sehr  schwaches  Gefalle  und  der 
Talweg  schlängelt  sich  in  unregelmäßiger,  wechselnder  Gestalt  zwischen  be- 
weglichen Sandfeldem.  Die  Strecke  von  der  Havel-  bis  zur  Saalemündung 
(141  km)  zeigt  bei  Magdeburg  (294  km  oberhalb  Hamburg)  einen  starken 
Gefallbruch  infolge  des  felsigen  Untergrundes  (vgl.  S.  48).  Der  Talweg  hat 
innerhalb  dieser  Stromlänge  eine  mehr  gestreckte  Gestalt  und  verändert  seine 
Lage  nur  selten.  Ähnlich  verhält  sich  der  Strom  zwischen  der  Saalemündung 
und  der  Mündung  der  schwarzen  Elster  (92  km).  Er  gehört  hier  zum  großen 
Teil  zum  Herzogtum  Anhalt  und  hat  viele  starke  Krümmungen.  Die  Strecke 
oberhalb  bis  zur  sächsischen  Grenze  (78  km)  ist  gleichfalls  stark  gekrümmt, 
aber  durch  die  früher  erwähnten  Durchstiche  (S.  125)  erheblich  verkürzt  und 
gerade  gelegt.  Sie  hat  ein  ziemlich  starkes  Gefälle,  führt  grobes  Geschiebe, 
aber  keine  beweglichen  Sandbänke,  sodaß  der  Talweg  im  allgemeinen  eine 
unveränderte  Lage  behält.  Die  sächsische  Elbe  bis  zur  österreichischen 
Grenze  (120  km)  hat  zum  Teil  den  Charakter  eines  Gebirgsflusses  mit  stark 
wechselnden  Gefällen.  Die  böhmische,  ganz  ähnliche  Stromstrecke  bis  zur  Ein- 
mündung der  Moldau  bei  Melnik  ist  108  km  lang  und  die  ganze  Binnenschiff- 
fahrtstraße von  Hamburg  ab  zusammen  727  km.  Die  Entfernung  Hamburg 
— Dresden  beträgt  567  km,  Hamburg — Außig  656  km. 

Durch  die  bis  1870  am  Strome  ausgeführten  Arbeiten  war  eine  gewisse 
Verbesserung  in  einzelnen  Strecken  herbeigeführt  worden;  der  Zustand  ge- 
nügte aber  nicht  den  Wünschen  der  aufblühenden  Schiffahrt.     Die  Vertreter 


186  Abschnitt  IV.     Die  Vennebrung  der  BinnenschifFabrtstraßen  seit  1870. 

der  beteiligten  Kreise  wandten  sich  darum  an  den  Reichskanzler  und  baten 
um  weitere  Verbesserung  des  Fahrwassers.  Dieser  veranlaOte  im  Jahre  1873 
die  deutschen  Uferstaaten  zu  einer  technischen  Befahrung  und  Untersuchung 
des  Stromes  von  Riesa  bis  Hamburg  und  ernannte  den  Wasserbaudirektor 
Grebenau  in  StraOburg  zum  Vorsitzenden  der  Kommission.  Die  Befahrung 
fand  namentlich  auf  der  oberen  Strecke  bei  einem  sehr  niedrigen  Wasserstande 
statt.  Die  Kommission  stellte  fest,  daß  oberhalb  der  Saaleeinmündung  bei 
Barby  die  Schiffe  mit  einer  Tauchtiefe  von  0,58  m  fahren  konnten,  daß  aber 
unterhalb  Barby  und  namentlich  auf  der  Strecke  zwischen  Magdeburg  und  Ham- 
burg die  Segelschiffe  mit  einer  Tauchtiefe  von  0,81  bis  0,82  m  und  die  Schlepp- 
züge mit  einer  solchen  von  0,73  m  verkehrten.  Das  Ziel  der  Vereinbarung  von 
1869,  daß  bei  dem  jeweiligen  niedrigsten  Wasserstande  überall  Schiffe  mit  einer 
Tauchtiefe  von  0,84  m  fahren  können,  daß  also  überall  eine  geringste  Fahrwasser- 
tiefe von  0,94  m  vorhanden  sein  sollte,  war  mithin  noch  nicht  erreicht.  Es 
wurde  vorgeschlagen,  die  Normalbreiten  des  Stromes  durch  Buhnen  und  andere 
Werke  weiter  einzuschränken,  damit  die  scharfen  Krümmungen  des  Talwegs 
und  die  schlechten  Übergänge  vermindert  würden,  sowie  das  Fahrwasser  von 
den  vielen  Hindernissen,  Steinen,  Baumstämmen,  Schiffmühlen  u.  dgl.  zu  be- 
freien. Auch  wurde  die  Beschaffung  und  Verwendung  von  Dampfbaggern 
empfohlen.  Zur  weiteren  Förderung  der  Schiffahrt  wurde  eine  dauernde  gute 
Bezeichnung  des  Fahrwassers  und  die  Anstellung  von  einer  ausreichenden 
Zahl  von  Schiffahrtpolizeibeamten  für  nötig  gehalten.  Bemerkenswert  ist,  daß 
dabei  auch  die  Notwendigkeit  hervorgehoben  wurde,  durch  sorgfaltige,  wissen- 
schaftliche hydrologische  Untersuchungen  und  Messungen  die  Gefälle  und  die 
Abflußmengen  festzustellen,  um  mit  diesen  sicheren  Unterlagen  dann  die  wirk- 
lich erforderliche  weitere  Einschränkung  des  Stromes  zu  ermitteln. 

Seit  1874  sind  die  Arbeiten  zur  Verbesserung  des  Stromes  kräftig  von  allen 
Uferstaaten  gefördert  worden.  Da  die  Beschaffung  der  wissenschaftlichen  Unter- 
lagen zunächst  nicht  möglich  war,  w^urden  die  Normalbreiten  auf  Grund 
der  bisherigen  Erfahrungen  vermindert  und  zwischen  der  sächsischen  Grenze 
und  Hamburg  folgende  Maße  in  Preußen  festgesetzt:  bis  zur  schwarzen  Elster 
100  m,  bis  zur  oberen  anhaltischen  Grenze  iiom,  bis  zur  Mulde  130  m,  bis 
zur  Saale  150  m,  bis  Tangermünde  170  m,  bis  zur  Havel  188  m,  bis  zum 
Aland  226  m,  bis  zur  Eide  245  m,  bis  zur  Jeetzel  256  m,  bis  zur  Sude  271  m, 
bis  Geesthacht  289,5  ^  und  bis  zur  Seeve  (4,7  km  oberhalb  der  Stromteilung) 
313  m.  In  diesen  Breiten  wurde  dem  Strom  allmählich  durch  Buhnen  ein 
festes  Bett  bei  gewöhnlichem  Wasserstande  gegeben,  das  besonders  für  die 
möglichst  gefahrlose  Abführung  von  Eis  und  Hochwasser  von  großem  Werte 
war.  Auch  die  Schiffahrt  fand  genügendes  Fahrwasser,  so  lange  keine  be- 
sonders trockenen  Jahre  (wie  1842  und  1874)  wieder  eintraten.  Als  dies  1892 
und  1893  geschah,  zeigte  es  sich,  daß  die  erstrebte  geringste  Fahrwasser- 
tiefe noch  nicht  erreicht  war.  Es  wurden  deshalb  im  Jahre  1893  fiir  die 
preußische  Elbe  ein  neuer  Verbesserungsentwurf,  namentlich  für  die  Strecken 


I.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme.  187 

von  der  sächsischen  Grenze  bis  Magdeburg  und  von  der  Havelmündung  ab- 
wärts, aufgestellt,  der  die  weitere  Ausbildung  eines  geeigneten  Niedrigwasser- 
bettes durch  Ausbau  der  einbuchtenden  Ufer  mittels  hinterfüllter  Deckwerke 
und  durch  Anlage  von  sanft  ansteigenden  Grundschwellen  vor  den  Buhnen- 
köpfen bezweckte.  Die  ausgeführten  Arbeiten  haben  zwar  eine  gute  Wirkung 
auf  die  Ausbildung  besserer  Querschnittsformen  ausgeübt;  aber  das  Fahr- 
wasser zeigte  besonders  unterhalb  der  Havelmündung  noch  immer  wandernde 
Sandbänke,  veränderliche  und  zum  Teil  falsche  Übergänge,  sowie  bei  niedrigen 
Wasserständen  unzureichende  Wassertiefen.  Trotz  der  etwa  im  Jahre  1890 
zusammengestellten  Ergebnisse  der  hydrologischen  Messungen  und  Unter- 
suchungen ist  eine  weitere  Einschränkung  der  zum  Teil  viel  zu  großen  Nor- 
malbreiten nicht  ausgeführt  worden.  In  dem  sehr  trockenen  Sommer  des 
Jahres  1904  gingen  die  geringsten  Fahrwassertiefen  im  oberen  und  mittleren 
Laufe  des  Stromes  bis  auf  0,55  m  (an  einzelnen  Stellen  bis  0,45  m)  und  unter- 
halb der  Havelmündung  bis  auf  0,70  m  hinunter,  sodaß  der  Schiffahrtverkehr 
vollständig  stockte.  In  der  sächsischen  Elbestrecke  sind  dieselben  betrübenden 
Erfahrungen  gemacht  worden,  obwohl  man  sich  auch  dort  besonders  seit  1899 
sehr  bemüht  hat,  durch  sorgfaltigen  Ausbau  des  Niedrigwasserbettes  das 
Wasser  zur  Erzielung  größerer  Tiefen  zusammen  zu  halten. 

In  dem  ebenso  trockenen  Sommer  des  Jahres  191 1  betrugen  die  gering- 
sten Fahrwassertiefen  von   der  böhmischen  Grenze  bis  zur  Einmündung  des 
Ihlekanals  unterhalb  Magdeburg  0,6  bis  0,7  m,  von  dort  bis  zur  Einmündung 
der  Eide  bei  Dömitz  0,75  bis  0,8  m   und  weiter  unterhalb  0,85  bis  0,9  m.  . 
Die  Schiffahrt  mußte  bis  zum  Herbst  eingestellt  werden. 

Deshalb  scheint  es  auffällig,  dafs  bei  der  bedeutenden  Entwickelung  der  Elbeschiffahrt  die 
beteiligten  Kreise  mit  diesen  oft  ungenügenden  Wassertiefen  zufrieden  sind  und  nicht  auf  eine 
gründlichere  Verbesserung  der  \Vasserstrabe  drängen,  zumal  es  keinem  Zweifel  unterliegt,  daß 
unterhalb  der  Saale-  und  namentlich  unterhalb  der  Havelmündung  durch  kräftiger  betriebene 
Arbeiten  und  weiter  gehende  Einschränkung  des  Xiedrigwasserbettes  größere  Tiefen  erreicht 
werden  können.  Der  Grund  dieser  Erscheinung  ist  ähnlich  wie  beim  Rhein  (S.  179)  in  einem 
gewissen  Brotneid  zu  suchen:  Die  vorhandene  grobe  Zahl  von  Eibschiffen  würde  bei  größeren 
Wassertiefen  und  tieferer  Beladung  wohl  im  einzelnen  besser  ausgenutzt,  aber  bei  der  beschränkten 
vorhandenen  Frachtenmenge  nicht  sämtlich  beschäftigt  werden  können,  und  die  Frachtsätze 
würden  daher  bei  dem  groben  Angebot  von  Schiffsraum  sinken.  Es  ist  eine  bekannte  Tatsache, 
daß  bei  niedrigen  Wasserständen  und  geringer  Ausnutzung  der  Tragftlhigkeit  der  Schiffe  die 
Frachtsätze  steigen  und  der  Gesamtertrag  der  Schiffahrt  in  trockenen  Jahren  im  allgemeinen 
größer  ist  als  in  wasserreichen  Jahren.     Das  sind  allerdings  ungesunde  Zustände. 

Im  Jahre  191 1  wurde  der  Schiffahrtabgabenkommission  des  deutschen  Reichtags  eine 
Denkschrift  über  den  weiteren  Ausbau  der  deutschen  Elbe  vorgelegt,  nach  der  dem  Strome 
selbst  bei  so  niedrigen  Wasserständen  wie  im  Jahre  1904  (in  Dresden  2,32  m  unter  Pegelnull), 
bei  einer  Fahrwasserbreite  von  40  m,  oberhalb  der  Saalemündung  eine  geringste  Wassertiefe  von 
1,1  m  und  unterhalb  eine  solche  von  1,25  m  gegeben  werden  soll.  Es  wird  darin  mitgeteilt, 
daß  auf  Grund  der  Berechnungen  und  Versuchsbauten  an  der  technischen  Möglichkeit,  dies  Ziel 
zu  erreichen,  nicht  gezweifelt  werden  kann.  Dabei  soll  auch  das  schwierige  und  enge  Fahr- 
wasser bei  Magdeburg  durch  die  Anlage  eines  schon  seit  längerer  Zeit  erwogenen  zweiten  Schiff- 
fahrtweges erheblich  verbessert  werden,  sodaß  eine  Trennung  des  Durchgangverkehrs  vom  Orts- 
verkehr vorgenommen  werden  könne.  Die  an  der  Schiffahrt  beteiligten  Kreise,  namentlich  die 
Handelskammer  Magdeburg,  haben  sich  im  allgemeinen  gegen  dies  Unternehmen  ausgesprochen, 


188  Abschnitt  TV.    Die  Vermehrung  der  BinnenschifTahrtstraßen  seit  1870. 

indem  sie  die  Möglichkeit  und  die  Zweckmäßigkeit  der  Vertiefung  bestritten.     Der  Hauptgrund 
dürfte  aber  in  dem  vorerwähnten  Überfluß  an  Lastschiffen  zu  suchen  sein. 

In  Österreich  bemühte  man  sich,  den  besonders  nach  Verlegung  der 
Kette  (S.  122)  aufblühenden  Elbeverkehr  durch  die  Moldau  bis  nach  Prag 
zu  bringen.  Bei  den  vorgenommenen  Verbesserungsarbeiten,  Einschränkung 
der  Strombreite  und  Baggerungen,  erkannte  man  jedoch,  daß  auf  diese  Weise 
höchstens  auf  der  Strecke  von  der  deutschen  Grenze  bis  Außig  die  erstrebte 
Mindesttiefe  erreicht  werden  könnte;  denn  in  dem  trockenen  Jahre  1893  sank 
die  Fahrwassertiefe  in  der  Elbe  bis  0,63  m  und  in  der  Moldau  bis  auf  0,2  m. 
Man  beschloß  daher  im  Jahre  1896  die  schon  seit  1883  vielfach  erwogene  Ab- 
sicht zur  Ausführung  zu  bringen  und  die  Elbe  oberhalb  Außig  bis  Melnik,  sowie 
die  Moldau  von  da  bis  Prag  durch  12  Stufen  künstlich  aufzustauen.  Diese 
Kanalisierung  der  Moldau  und  Elbe  ist  in  Österreich  die  erste,  aber  glänzende 
Leistung  auf  dem  Gebiet  des  Baues  von  Schiffahrtstraßen.  Es  sollte  in 
jeder  Jahreszeit  eine  Fahrwassertiefe  von  mindestens  2,1  m  geschaffen  werden, 
damit  Schiffe  von  800  t  Tragfähigkeit  ungehindert  verkehren  könnten.  Die 
Schleusen  haben  an  jeder  Staustufe  zwei  Kammern,  von  denen  die  eine  fiir 
Schleppzüge  147  m  lang  und  20  m  breit,  die  andere  78  m  lang  ist.  Die  Tor- 
weite beträgt  11  m,  ist  aber  bei  den  kleineren  Kammern  der  drei  untersten 
Staustufen  (von  Außig  bis  Lobositz)  mit  Rücksicht  auf  den  Verkehr  der  säch- 
sisch-böhmischen Personendampfer  auf  13  m  vergrößert  worden.  Die  beiden 
Kammern  sind  zum  Teil  hintereinander  (sodaß  eine  nutzbare  Länge  von  225  m 
entsteht)  und  zum  Teil  (namentlich  bei  den  untersten  Staustufen)  nebeneinander 
angeordnet  worden.  Im  Jahre  1897  wurde  mit  dem  Bau  begonnen  und  nach 
9  Jahren  die  5 1  km  lange  Strecke  der  Moldau  von  Melnik  bis  Prag  mit  5  Stau- 
stufen fertiggestellt  und  dem  Verkehr  übergeben.  Die  Arbeiten  in  der  Elbe- 
strecke werden  voraussichtlich  im  Jahre  1913  beendet  werden. 

Im  Anschluß  an  diese  Bauten  ist  in  Prag  ein  großer  Hafen  angelegt 
worden  und  es  wird  jetzt  die  Moldau  auch  innerhalb  der  Stadt  schiffbar  ge- 
macht, indem  die  dort  vorhandenen  4  Mühlenstaue  durch  2  Wehre  mit  Kammer- 
schleusen ersetzt  werden.  Auf  diese  Weise  wird  eine  Verbindung  mit  der 
oberen  Moldau  hergestellt,  auf  deren  unterster,  28  km  langer  Strecke  bis 
Stechowitz  seit  dem  Jahre  1865  ein  regelmäßiger  Personendampferverkehr 
besteht.  (Auf  dem  weiter  oberhalb  gelegenen  Teil  der  Moldau  bis  Budweis 
besteht  seit  alter  Zeit  ein  Verkehr  mit  »Budweiser«  oder  »nacktent  Zillen, 
die  etwa  40  bis  50  t  Tragfähigkeit  haben  und  die  dort  vorhandenen  Wehre 
mittels  Schiffdurchlässen  (S.  49)  überwinden.)  Prag  bildet  jetzt  den  oberen 
Endpunkt  der  von  Hamburg  ab  778  km  langen  Eibwasserstraße. 

Die  Oden  Die  etwa  30  km  lange  Mündungstrecke  vom  Stettiner  Haff 
bis  Stettin  ist  eine  Seeschiffahrtstraße.  Die  Binnenschiffahrt  endigt  im  all- 
gemeinen in  Stettin,  obwohl  sie  auch  noch  unterhalb  der  Stadt,  auf  dem 
Haffe  und  auf  den  in  dieses  einmündenden  Wasserstraßen  (Ücker,  Peene  und 
Dievenow)  in  kleinem  Umfange  betrieben  wird.   Die  Stromstrecke  von  Stettin 


I.  Der  Ausbau  der  großen  .deutschen  Ströme.  189 

bis  Schwedt  (53  km)  und  weiter  aufwärts  bis  Hohensaathen  (81  km),  wo 
auf  dem  linken  Ufer  die  Havel-Oder-WasserstraOe  (Finowkanal,  S.  43)  ein- 
mündet, liegt  in  einer  flachen  Niederung  und  zeigt  unterhalb  Schwedt  bei 
gewöhnlichem  Wasserstande  fast  kein  Gefalle  mehr.  Der  Strom  ist  auf  größeren 
Strecken  in  mehrere  Arme  gespalten  und  vielfach  gekrümmt,  bietet  aber  für 
die  Schiffahrt  beinahe  überall  ein  genügend  tiefes  und  breites  Fahrwasser. 
Einzelne  Krümmungen  sind  in  neuerer  Zeit  durchstochen  worden.  Die  Mittel- 
wasserbreiten wechseln  zwischen  100  und  250  m,  die  Tiefen  zwischen  3.5  und 
8  m.  Im  allgemeinen  waren  für  die  Schiffahrt  nur  wenig  Verbesserungen  aus- 
zuführen. 

Die  Strecke  von  Hohensaathen  bis  zur  VVarthemündung  bei  Küstrin 
(47  km  lang)  führt  im  unteren  Teil  durch  den  von  Friedrich  dem  Großen 
angelegten  großen  Durchstich  (S.  41)  und  zeigt  ein  schwaches  Gefälle.  Sie 
i§t  durchweg  (von  1874  bis  1894)  mit  Buhnen  ausgebaut,  ebenso  wie  die 
mittlere  und  obere  Oder.  Die  für  das  Mittelwasser  zugrunde  gelegten  Normal- 
breiten sind  schon  (S.  136)  mitgeteilt  worden.  Zur  Ausbildung  eines  engeren 
Niederwasserbettes  haben  die  Buhnenköpfe  Vorlagen  (Grundschwellen)  mit 
schwachen  Neigungen  erhalten.  Dabei  hat  man  sich  mit  Erfolg  bemüht,  die 
oft  sehr  kleinen  Krümmungshalbmesser  bis  auf  300  m  zu  vergrößern. 

Seit  1879  wurde  als  Ziel  für  die  Vertiefung  des  Fahrwassers  das  Maß 
von  I  m  unter  dem  gemittelten  niedrigsten  Wasserstande  erstrebt.  Neuer- 
dings ist  der  für  den  Ausbau  des  Stromes  maßgebende  Regulierungswasser- 
stand als  Mittel  aus  den  niedrigsten  Jahreswasserständen  der  6  wasserärmsten 
Jahre  des  Zeitraums  von  1889  bis  1899  festgelegt  worden.  In  der  Strecke 
unterhalb  der  Warthe  ist  diese  Mindesttiefe  im  allgemeinen  erreicht  worden; 
nur  in  den  sehr  trockenen  Sommern  der  Jahre  1904  und  191 1  ist  sie  bis  auf 
0,9  m  und  bis  auf  0,7  m  hinuntergegangen.  Sonst  kann  man  bei  gemitteltem 
Niedrigwasser  auf  eine  Tiefe  von  1,3  m  rechnen. 

Von  der  Warthemündung  bis  Breslau  (363  km)  ist  das  Gefälle  stärker, 
aber  ziemlich  gleichmäßig.  Bei  den  vielen  starken  Krümmungen  des  Stromes 
und  dem  zwischen  den  leicht  beweglichen  Sandfeldern  sich  unregelmäßig 
schlängelnden  Talwege  war  der  Ausbau  dieser  Strecke  mit  vielen  Schwierig- 
keiten verbunden,  so  daß  die  erstrebte  Mindesttiefe  trotz  der  weiteren  Ein- 
schränkung des  Niedrigwasserbettes  in  trockenen  Jahren  noch  nicht  erreicht 
werden  konnte.  Es  betrugen  die  geringsten  Fahrwassertiefen  im  Sommer  1903: 
0,9  m,  im  Sommer  1904  in  dem  unteren  Teile  0,65  m  und  in  dem  oberen 
Teile  sogar  nur  0,5  m  und  im  Sommer  191 1:  0,65  m.  Die  Schiffahrt  mußte 
1904  und  191 1  vollständig  eingestellt  werden. 

(In  dieser  Strecke  der  mittleren  Oder  liegt  das  Mittelwasser  ziemlich  genau 
I  m  über  dem  Regulierungswasserstande.) 

Zwischen  Breslau  und  der  Neißemündung  (74  km)  ist  das  Gefälle 
etwas  stärker,  aber  durch  die  Mühlenstaue  von  Breslau,  Ohlau  und  Brieg  be- 
einflußt.    In  den  nicht  im  Stau  gelegenen  Stromstrecken  konnte  durch  den 


190  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

Ausbau  mittels  Buhnen  und  Grundschwellen  die  erstrebte  Mindesttiefe  bisher 
nicht  erreicht  werden,  obwohl  man  die  Breite  des  Niederwasserbettes  durch  die 
Vorlagen  auf  53  m  und  an  einzelnen  Stellen  selbst  auf  45  m  eingeschränkt 
hat.  Im  allgemeinen  erreichte  man  auf  den  Übergängen  des  ziemlich  fest 
liegenden  Talwegs  nur  eine  Tiefe  von  0,5  bis  0,6  m  bei  Niedrigwasser,  und 
selbst  diese  Maße  wurden  in  dem  trockenen  Sommer  1904  oberhalb  Brieg 
noch  unterschritten,  wo  eine  geringste  Fahrwassertiefe  von  0,3  m  festgestellt 
wurde.     Im  Sommer  191 1  betrug  die  geringste  Tiefe  0,5  m. 

Oberhalb  der  Neißemündung  gelang  es  trotz  der  vermehrten  Ein- 
schränkung des  Flußbettes  (an  einzelnen  Stellen  bis  auf  35  m)  nicht,  die  ver- 
langte Fahrwassertiefe  herzustellen,  weil  die  vorhandene  Niedrigwassermenge 
im  Verhältnis  zu  dem  wachsenden  Gefälle  nicht  mehr  ausreichte.  Es  wurde 
daher  beschlossen,  in  der  (jetzt  70  km  langen)  Strecke  von  der  NeiOemün- 
dung  bis  zur  Einmündung  des  Klodnitzkanals  und  bis  Kosel  durch  künst- 
lichen Aufstau  mittels  Nadelwehren  eine  dauernde  Mindestwassertiefe  von 
1,5  m  herzustellen.  Durch  Gesetz  vom  Jahre  1888  wurden  die  erforder- 
lichen Geldmittel  bereit  gestellt.  Es  wurden  12  Staustufen  gebaut,  die  mit 
Schleusen  von  55  m  Länge  und  9,6  m  Breite  versehen  wurden,  so  daß  ent- 
weder 2  Schiffe  von  Finowmaß  (etwa  170  t)  sie  gleichzeitig  durchfahren 
konnten  oder  ein  größeres  Schiff  von  etwa  400  t  Tragfähigkeit.  Damit 
solche  größere  Schiffe  von  55  m  Länge  und  8  m  Breite  von  der  unteren 
und  mittleren  Oder  dahin  gelangen  konnten,  war  es  nicht  nur  nötig,  bei  Brieg 
und  Ohlau  neue  Schleusen  von  entsprechenden  Abmessungen  zu  bauen,  sondern 
auch  bei  Breslau  eine  angemessene  Durchfahrt  herzustellen;  denn  die  dort 
vorhandenen  Schleusen  genügten  nur  für  Schiffe  von  Finowmaß  (S.  42).  Es 
wurde  darum  unter  Benutzung  eines  alten  Stromarms  eine  neue  7,5  km  lange 
Schiffahrtstraße  auf  dem  rechten  Oderufer  um  die  Stadt  Breslau  herum- 
geführt und  am  oberen  und  unteren  Ende  durch  je  eine  Schleuse  von  gleichen 
Abmessungen  wie  in  der  oberen  Stromstrecke  abgeschlossen.  Am  obersten 
Ende  der  von  Stettin  ab  625  km  langen  Oderwasserstraße  wurde  bei  Kosel 
(unterhalb  der  Stadt  und  der  Mündung  des  Klodnitzkanals)  ein  großer  Um- 
schlaghafen, vorzugsweise  für  die  Verladung  oberschlesischer  Steinkohlen, 
angelegt.  Mit  diesen  Arbeiten  wurde  im  Jahre  1891  begonnen;  1895  wurde 
die  künstlich  aufgestaute  Strecke  und  1897  die  neue  Schiffahrtstraße  um  Breslau 
herum  dem  Verkehr  übergeben. 

Oberhalb  des  Klodnitzkanals  ist  die  Oder  bis  Ratibor  (48  km)  nur  bei 
günstigen  Wasserständen  schifTbar;  bei  mittlerem  Niedrigwasser  ist  nur  eine 
Mindesttiefe  von  etwa  0,5  m  vorhanden. 

Die  vorbeschriebenen  Bauten,  die  unter  der  Leitung  der  1874  in  Breslau 
eingerichteten  Oderstrom -Bauverwaltung  ausgeführt  wurden,  haben  einen 
großen  Aufschwung  der  Oderschiffahrt  herbeigeführt.  Aber  es  zeigte  sich 
bald,  daß  die  durch  die  künstlich  aufgestaute  Strecke  gewonnenen  Vor- 
teile nicht  genügend  ausgenutzt  werden  konnten,  so  lange  die  Strecke  unter- 


I.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme.  191 

halb  der  Neiße  und  unterhalb  Breslau  bis  Fürstenberg,  wo  die  inzwischen  neu 
hergestellte  Spree-Oder- Wasserstraße  einmündete,  in  trockenen  Jahren  noch 
so  ungenügende  Wassertiefen  zeigte.  Mit  der  dort  mangelnden  Fahrwasser- 
tiefe hing  es  zusammen,  daß  die  in  der  künstlich  aufgestauten  Strecke  erbauten 
Schleusen  sich  sehr  bald  als  nicht  genügend  leistungsfähig  erwiesen.  Denn 
um  mit  einer  einträglichen  Ladung  (also  mit  angemessener  Tauchtiefe  der 
Schiffe)  die  unteren  Strecken  durchfahren  zu  können,  müssen  die  Schiffer  von 
Kosel  aus  eine  Anschwellung  der  Oder,  eine  Hochwasserwelle,  abwarten  und 
die  dann  gleichzeitig  abfahrende  große  Zahl  von  Schiffen  konnte  durch  die  vor- 
handenen Schleusen  nicht  schnell  genug  befördert  werden.  Um  diesem  Übel- 
stande abzuhelfen,  wurden  in  den  Jahren  1905  bis  191 1  neben  den  bestehen- 
den Schleusenkammern  noch  1 2  Schleppzugschleusen  von  1 80  m  nutzbarer 
Länge  und  9,6  m  Breite  hergestellt. 

In  dem  Kanalgesetz  von  1905,  (worüber  später  gesprochen  werden 
wird)  ist  der  weitere  künstliche  Aufstau  des  Stromes  von  der  Neißemündung 
bis  Breslau  angeordnet,  um  auch  in  dieser  Strecke  bei  allen  Jahreszeiten  eine 
Wassertiefe  von  1,5  m  zu  sichern.  Zu  diesem  Zweck  ist  oberhalb  Breslau 
der  Bau  von  mehreren  Wehren  und  Schleusenkanälen  nebst  7  Schleppzug- 
schleusen (einschL  der  neu  zu  bauenden  Schleusen  bei  Brieg  und  Ohlau)  im 
Gange.  Außerdem  sollen  entweder  innerhalb  der  Stadt  Breslau  oder  in  einem 
neuen  Umgehungskanale  noch  2  Schleppzugschleusen  und  unterhalb  der  Stadt 
bei  Ransern  eine  dritte  hergestellt  werden.  (Es  steht  noch  nicht  fest,  ob  man 
den  drei  letzgenannten  Zugschleusen  etwas  größere  Abmessungen  geben  wird.) 

In  der  Stromstrecke  zwischen  Ransern  und  Fürstenberg  ist  von  weiterem 
künstlichem  Aufstau  abgesehen.  Die  Vertiefung  auf  mindestens  i  m  bei  N.  W. 
hofft  man  bei  einem  weiteren  Ausbau  durch  Einschränkungswerke  zu  erreichen, 
und  durch  Wasserzuschuß  aus  Staubecken,  die  im  Gebiet  der  Malapane  und 
der  Neiße  errichtet  werden  sollen,  glaubt  man  selbst  eine  Wassertiefe  von 
1,4  m  gewinnen  zu  können. 

Im  Jahre  1904  wurde  ein  Gesetz  betreffend  die  Verbesserung  der  Vor- 
flut in  der  unteren  Oder  erlassen,  um  das  Tal  zwischen  Hohensaathen 
und  Stettin  vor  Sommer-Überschwemmungen  zu  bewahren.  Der  Strom  be- 
kommt in  dieser  Strecke  zwei  getrennte  Läufe:  die  » Ostoder c  und  die  » West- 
oder c.  Die  erstere  wird  künftig  das  aus  dem  Oberlauf  kommende  Hoch- 
wasser, Eis  und  Geschiebe  abfuhren  und  den  Schiffahrtverkehr  zwischen  Stettin 
und  Breslau  aufnehmen.  Die  Westoder  am  linken  Höhenrande  bildet  die 
Vorflut  für  das  Oderbruch  und  die  anderen  dort  gelegenen  Flächen  und  ist 
von  Hohensaathen  abwärts  bis  Friedrichstal,  unterhalb  Schwedt,  durch  einen 
hochwasserfreien  Damm  von  der  Ostoder  getrennt.  Diese  Strecke  der  West- 
oder, die  in  ihrem  oberen  Teile  von  Hohensaathen  abwärts  (bis  Kriewen)  im 
Zi^e  eines  schon  bestehenden  Vorflutgrabens  liegt,  wird  als  Schiffahrtkanal 
ausgebaut  und  mit  der  Havel-Oder- Wasserstraße  (den  Oderberger  Gewässern) 
durch  eine  Schleppzugschleuse  von  215  m  nutzbarer  Kammerlänge,   10  m  Tor- 


192  Abschnitt  IV.     Die  Vermehning  der  BinnenschifTahrtstraßen  seit  1870. 

weite  und  19  m  Kammerbreite  in  Verbindung  gebracht.  Durch  die  Westoder 
wird  später  der  Schiffahrtverkehr  zwischen  Berlin  und  Stettin  gehen.  Bei 
Schwedt  und  bei  Greifenhagen  werden  schiffbare  Verbindungen  zwischen  den 
beiden  Oderläufen  (West-  und  Ostoder)  durch  kurze  Kanäle  mit  Schleusen  her- 
gestellt. Alle  diese  Arbeiten  sind  seit  dem  Jahre  1906  im  Gange  und  werden 
voraussichtlich  bald  beendet  werden. 

Die  Weichsel.  Die  Mündung  des  geteilten  Stromes  in  die  Ostsee  wurde 
in  den  Jahren  1895  bis  1899  künstlich  nochmals  verlegt,  um  eine  gefahrlose 
Abführung  von  Eis-  und  Hochwasser  zu  erreichen.  Die  früher  vom  Strome 
(1840)  selbst  geschaffene  Mündung  bei  Neufahr  (S.  137)  wurde  aufgegeben  und 
15  km  oberhalb  davon  ein  neuer  7  km  langer  Durchstich  zum  Meere  bei 
Schiewenhorst  angelegt  Oberhalb  dieser  neuen  Mündung  wurden  die  Hoch- 
wasserquerschnitte durch  Deichverlegungen  u.  dgl.  geregelt.  Zur  Verbindung 
des  neuen  Stromlaufs  mit  der  abgeschnittenen  Danziger  Weichsel  wurde 
bei  Einlage  eine  Schleuse  von  61  m  Länge  und  12,3  m  Breite  gebaut.  Von 
da  bis  Danzig  ist  die  2,5  m  tiefe  Wasserstraße  jetzt  20  km,  bis  Neufahrwasser 
28  km  lang.  Bis  zu  der  17  km  oberhalb  Thorn  gelegenen  russischen  Grenze 
(239  km  von  Danzig)  ist  der  ganze  Strom  mit  Buhnen  ausgebaut  und  dadurch 
überall  bei  gewöhnlichem  Wasserstande  ein  estes  Bett  geschaffen  worden. 
Die  früher  festgestellten  Normalbreiten  von  375  m  für  den  ungeteilten 
Strom,  250  m  für  die  geteilte.  Weichsel  und  125  m  für  die  Nogat  sind  vor- 
läufig beibehalten;  nur  die  oberste  10  km  lange  Strecke  von  der  Drewenz- 
mündung  bis  zur  Grenze  ist  mit  300  m  ausgebaut  worden.  Man  ist  sich 
darüber  klar,  daß  eine  weitere  Einschränkung  des  Stromes  künftig  nötig  sein 
wird,  wenn  der  Ausbau  des  Niedrigwasserbettes  vorgenommen  werden  soll. 
Dieser  wird  durch  die  großen  von  Rußland  bei  jedem  Hochwasser  einge- 
führten Sandmassen  außerordentlich  erschwert,  die  sich  im  Strome  in  Bänken 
ablagern  und  zwischen  denen  sich  der  Talweg  erst  bei  fallendem  Wasser  all- 
mählich ausbildet  und  vertieft. 

In  der  Denkschrift  von  1879  war  die  anzustrebende  Mindesttiefe  zu 
1,67  m  bei  einem  Wasserstande  von  0,5  am  Pegel  Kurzebrack  angegeben. 
Dieser  Wasserstand  entsprach  etwa  dem  gemittelten  niedrigsten  Wasserstande. 
Aber  diese  Tiefe  ist  noch  nicht  erreicht;  man  kann  vielmehr  zurzeit  bei  dem 
gemittelten  niedrigsten  Wasserstande  nur  auf  eine  Fahrwassertiefe  von  etwa 
I  m  in  der  ungeteilten  und  von  etwa  1,2  m  in  der  geteilten  Weichsel  rechnen. 
Im  trockenen  Sommer  19 11  betrug  die  geringste  Fahrwassertiefe  der  Weichsel 
0,8  m. 

Durch  die  im  Jahre  1884  in  Danzig  errichtete  Weichselstrombauverwaltung 
ist  die  einheitliche  technische  Behandlung  des  Stromes  wesentlich  unterstützt 
worden.  Dieser  Behörde  ist  auch  die  60  km  lange  Nogat  unterstellt,  über 
deren  künftige  Behandlung  seit  dem  Jahre  1883  die  Ansichten  auseinander 
gingen.  Man  konnte  sich  an  den  maßgebenden  Stellen  viele  Jahre  hindurch 
nicht  darüber  einigen,  ob  man  sie  gegen  Hochwasser  und  Eisgang  der  Weichsel 


I.  Der  Ausbau  der  großen  deutschen  Ströme.  193 

vollständig  abschließen  sollte  oder  nicht.  Im  Jahre  1 910  ist  durch  Gesetz  der 
Abschluß  der  Nogat  und  eine  entsprechende  Erweiterung  der  Weichsel  be- 
schlossen worden.  In  der  Nogat  werden  außer  dem  Abschlußwerke  3  Stau- 
stufen hergestellt  und  mit  Kammerschleusen  von  57  m  Länge  und  9,6  m  Breite 
versehen  werden,  so  daß  der  Strom  von  Schiffen  mit  400  t  Tragfähigkeit  be- 
fahren werden  kann;  die  Mindesttiefe  wird  1,5  m  sein.  Die  Arbeiten  sollen 
im  Jahre  1915  fertig  sein. 

Der  Meinelstrom.  Für  den  ungeteilten,  62,5  km  langen  Strom  von 
der  russischen  Grenze  bis  Kallwen  waren  die  früher  angenommenen  Normal- 
breiten (S.  140)  zu  gfroß  und  wurden  auf  Grund  sorgfältiger  Untersuchungen 
und  Messungen  (durch  Wasserbauinspektor  Schlichting,  dem  späteren  Pro- 
fessor an  der  technischen  Hochschule  von  Berlin)  im  Jahre  1874  auf  170  m 
von  der  Grenze  bis  zur  Einmündung  der  Nebenflüsse  Szeszuppe  und  Jura 
und  auf  185  m  von  da  bis  Kallwen  festgesetzt.  Dem  Entwürfe  zum  Ausbau 
des  Stromes  (vorwiegend  durch  Buhnen)  wurde  eine  geringste  Fahrwassertiefe 
von  1,4  m  beim  kleinsten  Wasserstande  von  0,76  m  am  Tilsiter  Pegel  zu- 
grunde gelegt.  Obwohl  die  Verhältnisse  hinsichtlich  der  bei  jedem  Hoch- 
wasser aus  Rußland  eingeführten  großen  Sandmassen  ebenso  ungünstig  lagen 
wie  bei  der  Weichsel  und  der  Strom  am  Anfang  der  siebziger  Jahre  nament- 
lich in  seinem  oberen  Teil  sich  in  noch  vollständig  verwildertem  Naturzu- 
stande befand,  haben  die  zielbewußt  durchgeführten  Arbeiten  doch  einen 
glänzenden  Erfolg  gehabt.  Bis  zum  Jahre  1892  war  es  gelungen,  in  der 
ganzen  Strecke  dem  Talwege  in  dem  festbegrenzten  Mittel-  und  Niedrig- 
wasserbette eine  sichere,  fast  unveränderliche  Lage  zu  geben  und  das  Fahr- 
wasser so  zu  vertiefen,  daß  in  diesem  trockenen  Jahre  bei  0,76  m  am  Tilsiter 
Pegel  fast  auf  allen  Übergängen  die  erstrebte  Tiefe  von  1,4  m  vorhanden 
war.  Seitdem  haben  sich  die  Niedrigwasserstände  gesenkt  und  in  dem  sehr 
trockenen  Jahre  191 1  fiel  der  Wasserstand  am  Pegel  zu  Tilsit  bis  auf  0,43  m. 
Trotzdem  wurde  in  dem  ungeteilten  Memelstrom  eine  geringste  Fahrwasser- 
tiefe von  1,43  m  festgestellt,  während  zu  derselben  Zeit  auf  Elbe  und  Oder 
wegen  unzureichender  Tiefe  die  Schiffahrt  eingestellt  war. 

In  dem  Rußstrome,  der  von  Kallwen  bis  Ruß  36  km  lang  ist,  wurden 
die  früher  angenommenen  Normalbreiten  von  210  bis  300  m  in  der  oberen 
Strecke  während  der  Jahre  1881  bis  1888  auf  180  m  und  weiter  unterhalb 
auf  185  m  mit  gutem  Erfolge  eingeschränkt.  Die  erstrebte  Mindesttiefe  von 
1,4  m  beim  kleinsten  Wasserstande  ist  aber  noch  nicht  überall  erreicht  worden. 
Im  Sommer  191 1  betrug  sie  nur  1,2  m. 

Für  die  Mündungstrecke,  den  von  Ruß  zum  Kurischen  Haffe  führenden, 
13  km  langen  Atmathstrom,  war  mit  Rücksicht  auf  den  Verkehr  von  Küsten- 
schiffen eine  Mindesttiefe  von  1,7  m  als  Ziel  gesetzt  worden.  Die  Bemühungen, 
diesem  bei  Mittelwasser  fast  gar  kein  Gefalle  zeigenden  Stromarme  durch  Ver- 
bauung des  linken  Skirwietharmes  mehr  Wasser  zuzuführen»  mißglückten 
ebenso  wie  die  in  den  Jahren  1856  bis  1868   durchgeführte  Einschränkung 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  I3 


194  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  BinnenschifTahrtstra&en  seit  1870. 

des  Mittelwasserbettes  auf  200  m  und  man  war  genötigt,  alljährlich  durch 
umfangreiche  Baggerungen  das  Fahrwasser  offen  zu  halten.  In  den  Jahren 
1890  bis  1895  versuchte  man  von  neuem,  durch  Einschränkung  der  Normal- 
breite bis  auf  1 40  m,  durch  Unterwasserbuhnen  und  Leitwerke  den  Strom  zu 
verbessern  und  diese  Arbeiten  hatten  so  guten  Erfolg,  daß  in  den  Jahren 
1897  u^d  1898  die  erstrebte  Tiefe  fast  überall  erreicht  war  und  seitdem  nur 
selten  kleine  Baggerungen  nötig  gewesen  sind.  Bei  der  Einmündung  in  das 
Haff  können  sie  bisher  allerdings  nicht  immer  entbehrt  werden. 

In  der  Gilge,  die  von  der  Teilung  bei  Kallwen  bis  zur  Abzweigung 
des  Seckenburger  Kanals  bei  Marienbruch  (38  km)  einen  Teil  der  wichtigen 
Wasserstraße  von  Tilsit  nach  Königsberg  bildet,  waren  die  bisher  ausgeführten 
Arbeiten  nicht  von  gleichem  Erfolge  gekrönt.  Man  erstrebte  eine  Mindest- 
tiefe von  1,25  m  unter  dem  kleinsten  Wasserstande  von  0,88  m  am  Pegel 
Schanzenkrug  und  versuchte  dies  auf  der  oberen  1 5  km  langen  Strecke  durch 
eine  Einschränkung  des  Bettes  bei  gewöhnlichem  Wasserstande  zuerst  auf 
56  m  und  später  auf  45  m  zu  erreichen.  Das  ist  aber  nicht  gelungen,  weil 
die  Wassermenge  im  Verhältnis  zu  dem  Gefalle  zu  klein  ist.  Man  kann 
beim  kleinsten  Wasserstande  jetzt  nur  auf  etwa  1,1  m  Tiefe  rechnen.  Der 
in  schwächerem  Gefalle  liegende  Flußlauf  unterhalb  Sköpen  hat  von  jeher 
die  gewünschte  Tiefe  ohne  Einschränkung  gehabt. 

Es  war  schon  oben  (S.  174)  darauf  hingewiesen,  dal>  der  preul>ische  Landtag  in  den  siebziger 
und  achtziger  Jahren  die  zum  Ausbau  der  groben  Ströme  geforderten  Geldmittel  anstandslos 
bewiUigte.  Am  Anfang  der  neunziger  Jahre  wurden  aus  landwirtschaltlichen  Kreisen  aber  im 
Hinblick  auf  die  verderblichen  Hochfluten  der  Jahre  1888  und  1889  Klagen  darüber  erhoben, 
daß  durch  den  Ausbau  der  Ströme  Nachteile  für  die  angrenzenden  Ländereien  hervorgerufen 
seien.  Der  König  sah  sich  dadurch  veranla£^t,  im  Jahre  1892  einen  »Ausschule  zur  Unter- 
suchung der  Wasserverhältnisse  in  den  der  Überschwemmungsgefahr  besonders  ausge- 
setzten Flußgebietenc  zu  berufen.  Es  wurden  ihm  die  beiden  Fragen  vorgelegt:  x.  »Welches 
sind  die  Ursachen  der  in  neuerer  Zeit  vorgekommenen  Überschwemmungen,  hat  namentlich  da^ 
System,  welches  bei  der  Regulierung  und  Kanalisierung  der  preuMschen  Flüsse  bisher  befolgt 
ist,  zur  Steigerung  der  Hochwassergefahr  und  der  in  neuerer  Zeit  beträchtlich  gesteigerten  Über- 
schwemmungschäden beigetragen,  und  welche  Änderungen  dieses  Systems  sind  bejahenden  Falls 
zu  empfehlenVc  —  2.  »Welche  anderweite  Mabregeln  können  angewendet  werden,  um  für  die 
Zukunft  der  Hochwassergefahr  und  den  Überschwemmungschäden  soweit  wie  möglich  vorzu- 
beugen ?€ 

Der  Ausschuß  hat  alle  preußischen  Stromgebiete  eingehend  untersucht  und  kam  zu  dem 
Ergebnis,  daß  der  Ausbau  der  Ströme  an  den  genannten  Unglücksfällen  unschuldig  wäre.  Die 
weiter  ihm  gestellten  Aufgaben:  »Ermittelung  der  Unterlagen,  welche  zur  Gewinnung  eines  über- 
sichtlichen Bildes  der  physikalischen  und  Wasserhaushalts-Verhältnisse  der  verschiedenen  Flu£>- 
gebiete  bereits  vorhanden  sind,  und  Anleitung  zur  Herbeischaffung  der  noch  fehlenden  Unterlagen«, 
sowie  »Bearbeitung  einer  übersichtlichen  hydrographischen,  wasserwirtschaftlichen  Darstellung 
der  einzelnen  Ströme  und  ihrer  Nebenflüsse  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  in  den  letzten 
Jahren  hervorgetretenen  Hochwasser-Erscheinungen  und  der  dabei  in  Betracht  kommenden  be- 
sonderen Umstände«  haben  unter  hervorragender  Beteiligung  des  Geheimen  Oberbaurats  Hermann 
Keller  zur  Herausgabe  der  umfangreichen,  vortrefflichen,  unten  genannten  Werke')  geführt, 
die  bei  der  vorliegenden  Arbeit  vielfach  benutzt  worden  sind. 

I)  Der  Oder  Strom,  sein  Stromgebiet  und  seine  wichtigsten  Nebenflüsse,  herausgegeben 
vom  Bureau  des  Ausschusses  1896.     Berlin  (D.  Reimer). 

Der  El b Strom,    desgl.    im  Auftrage   der   deutschen  Elbufcrstaaten  und   unter  Beteiligimg 


2.  Der  Ausbau  und  der  Aufstau  der  kleineren  deutschen  Strome.  195 

Noch  bevor  der  Ausschuß  seine  Tätigkeit  beendigt  hatte,  suchten  die  im  Landtage  zur 
Herrschaft  gelangten  konservativen  Agrarier  die  Binnenschiffahrt  auf  den  groben  Strömen,  »den 
Einfalltoren  für  ausländische  Getreidec,  dadurch  zu  beschränken,  daß  sie  die  Einfuhrung  von 
Schiffahrtabgaben  verlangten  (1894).  Dieser  Wunsch  wurde  damit  begründet,  daß  die  vielen 
zum  Ausbau  der  Ströme  verwendeten  Millionen  sich  doch  verzinsen  müßten;  an  die  großen 
Vorteile  für  die  Landwirtschaft  wurde  dabei  nicht  gedacht.  Die  von  der  konser\'ativen  Mehrheit 
im  Abgeordnetenhause  beeinflußte  Staatsregierung  hat  sich  seit  jener  Zeit  allmählich  mit  diesem 
Gedanken  befreundet,  so  daß  sie  im  Jahre  1905  keinen  Widerstand  leistete,  als  bei  der  Wasser- 
straßenfrage die  Einführung  von  Schiffahrtabgaben  auf  den  natürlichen  Wasserstraben  zur  Bedingung 
fiir  die  Annahme  des  Gesetzes  gemacht  wurde. 

2.  Der  Ausbau  und  der  Aufstau  der  kleineren  deutschen 
Ströme.  Auch  bei  der  Verbesserung  der  kleineren  Ströme  war  der  Haupt- 
zweck ursprünglich  die  Förderung  der  Schiffahrt;  aber  die  Rücksichten  auf 
die  Landwirtschaft,  auf  die  Verbesserung,  Ent-  und  Bewässerung  der  an- 
grenzenden Ländereien,  traten  in  Deutschland  und  besonders  in  Preußen 
im  Laufe  der  Zeit  allmählich  überall  in  den  Vordergrund.  In  einigen  Fällen 
gelang  es  durch  einen  ähnlichen  Ausbau  wie  bei  den  großen  Strömen  die 
erforderliche  Fahrwassertiefe  zu  schaffen;  oft  versagte  dies  Mittel  jedoch  und 
man  mußte  zum  künstlichen  Aufstau  übergehen. 

Die  wichtigeren,  seit  1870  für  die  Schiffahrt  erreichten  Erfolge  sollen 
in  der  Richtung  von  Westen  nach  Osten  aufgeführt  werden.  (Die  noch  nicht 
zur  Ausführung  genehmigten  Entwürfe  sind  in  kleinerem  Druck  mitgeteilt.) 

Mosel  und  Saar*  Die  durch  den  Ausbau  der  preuLsischen  Mosel  (S.  113)  erreichten 
Wassertiefen  genügten  nicht  fiir  einen  einträglichen  Schiffahrtbetrieb.  Als  am  Anfang  der  acht- 
ziger Jahre  die  rheinisch-westfälischen  Eisenwerke  grobe  Mengen  lothringischer  Erze  (Minette) 
verbrauchten,  entstand  der  Wunsch  nach  billigerer  Beförderung  auf  dem  Wasserwege,  zumal  der 
vom  Rhein  in  großen  Mengen  nach  Lothringen  gelieferte  Koks  eine  gute  Rückfracht  zu  sein 
schien.  Es  bildete  sich  ein  Verein  zur  Kanalisierung  der  Mosel  und  im  Jahre  1885  wurde  auf 
dessen  Kosten  von  dem  Bezirksingenieur  Friedel  zum  künstlichen  Aufstau  des  Stromes  bis  Metz  ein 
erster  Entwurf  aufgestellt,  der  in  den  Jahren  1889  bis  1893  ^^^ch  den  Baurat  Schönbrod  für  die 
preußische  und  luxemburgische  Strecke  umgearbeitet  wurde.  In  der  Zeit  von  1901  bis  1903  lieb 
die  preußische  Regierung  unter  Benutzung  der  vorhandenen  Vorarbeiten  einen  neuen  Entwurf  für 
die  Strecke  von  Koblenz  bis  zur  lothringischen  Grenze  bei  Perl  aufstellen,  während  die  elsah- 
lothringisehe  Regierung  die  anschließende  Strecke  bis  Metz  bearbeitete. 

Die  preußische  Regierung  verband  mit  diesem  Entwürfe  gleichzeitig  den  zum  künstlichen 
Aufstau  der  Saar  von  ihrer  Mündung  in  die  Mosel  bei  Conz  aufwärts  bis  zum  Anschluß  an 
die  bereits  aufgestaute  obere  Strecke  bei  Ensdorf  und  zur  Verbesserung  und  Erweiterung  der 
letzteren  über  Saarbrücken  bis  zur  elsaß-lothringischen  Grenze  bei  Brebach.  Hierdurch  sollten 
auch  die  im  Saargebiet  ansässigen  Eisenwerke  eine  leistungsfähige  Wasserstraße  erhalten,  wenn- 
gleich deren  Vertreter  (v.  Stumm)  früher  ein  Gegner  der  Wasserstraßen  gewesen  war.  Im  Jahre 
1907  waren  die  Verhandlungen  zwischen  den  beiden  Staatsregierungen  über  die  Durchführung 
der  Mosel-  und  Saarkanalisierung  zum  Abschluß  gebracht. 

des  Wasserausschusses  herausgegeben   von  der  Kgl.  Elbstrombauverwaltung  in  Magdeburg  1898. 
Berlin. 

Memel-  Pregel-  und  Weichselstrom,  desgl.  im  Auftrage  des  Wasserausschusses 
herausgegeben  von  H.  Keller  1899.     Berlin. 

Weser  und  Ems,  desgl.  wie  vor  herausgegeben  von  H.  Keller  1901.     Berlin. 

Gleichzeitig  mag  an  dieser  Stelle  das  entsprechende,  ältere,  viel  benutzte  Werk  angeführt 
werden,  das  unter  Leitung  von  Honseil  bearbeitet  ist  und  gewissermaßen  als  Muster  gedient  hat: 

Der  Rheinstrom  und  seine  wichtigsten  Nebenflüsse,  im  Auftrage  der  Reichskommission 
zur  Untersuchung  der  Rheinstromverhältnisse  herausgegeben  von  dem  Zentralbureau  für  Meteoro- 
logie und  Hydrographie  im  Großherzogtum  Baden,  1889.     Berlin  (Ernst  u.  Korn). 

1-.* 


196  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

Trotz  vieler  Anträge  aus  dem  Kreise  der  Beteiligten  legte  die  preußische  Regierung  jedoch 
dem  Landtage  keinen  bezüglichen  Gesetzentwurf  vor.  Die  zunächst  vorgeschobenen  Schwierig- 
keiten mit  Luxemburg  waren  1904  beseitigt;  der  Hauptgrund  war  aber  die  Furcht  vor  großen 
Einnahmeausfällen  der  Staatsbahnen.  Dazu  kam,  daß  die  frühere,  sehr  wasserstraßenfreund- 
liche Gesinnung  der  rheinisch-westfälischen  Eisenleute  aus  Furcht  vor  dem  zu  erwartenden 
Wettbewerb  der  südwestdeutschen  Eisenwerke  an  der  Saar  und  an  der  oberen  Mosel  in  das 
Gegenteil  umgeschlagen  war,  nachdem  durch  die  billige  Beschaffung  ausländischer  Erze  aus 
Schweden  und  Spanien  der  Bezug  lothringischer  Minette  entbehrlich  geworden  war.  Bei  allen 
Verhandlungen  im  Abgeordnetenhause  hat  sich  deshalb  die  Regierung  gesträubt,  die  Entwürfe 
zur  Ausfuhrung  zu  bringen,  obwohl  deren  Einträglichkeit  von  niemand  bezweifelt  wird.  Beide 
Flüsse  sind  191  x  in  den  sogenannten  Rheinverband  des  Reichsgesetzes  über  die  Schiffahrtabgaben 
aufgenommen  worden;  doch  ist  die  Ausfuhrung  der  Bauten  dabei  nicht  beschlossen  worden. 

Nach  den  Entn'ürfen  soll  die  Mosel  in  40  Stufen  aufgestaut  werden,  von  denen  8  in 
Lothringen  liegen.  Von  der  ganzen,  300  km  langen,  Wasserstraße  liegen  241  km  unterhalb  der 
elsaß-Iothringischen  Grenze;  von  dem  ganzen  Gefälle  von  102  m  entfallen  8x  m  auf  die  preußische 
Strecke.  An  jeder  Staustufe  soll  eine  Schleppzugschleuse  von  240  m  Länge,  10,6  m  Breite  und 
3  m  Tiefe  unter  N.  W.  errichtet  und  in  den  Haltungen  eine  Mindesttiefe  von  2,5  m  hergestellt 
werden,  so  daß  65  m  lange  und  8  m  breite  Schiff'e  von  600  t  Tragfähigkeit  zu  jeder  Zeit  unbe- 
hindert mit  einer  Tauchtiefe  von  1,75  m  verkehren  können.  Die  Krümmungen  des  mindestens 
40  m  breiten  Fahrwassers  sollen  mindestens  einen  Halbmesser  von  300  m  bekonmien.  Für  den 
Betrieb  sind  Schleppzüge  von  einem  Dampfer  mit  3  Lastschiffen  in  Aussicht  genommen. 

Für  die  Saar  ist  nur  ein  25  m  breites  und  2  m  tiefes  Fahrwasser  in  Aussicht  genommen. 
Von  der  Mündung  bei  Conz  bis  Ensdorf  (77  km)  sollen  16  neue  Schleußen  und  oberhalb  Ensdorf 
bis  Saarbrücken  (23  km)  an  den  bestehenden  Staustufen  4  neue  Schleusen  von  je  85  m  I.,änge, 
10,6  m  Breite  und  2,5  m  Tiefe  erbaut  werden,  die  gleichzeitig  einen  Schleppdampfer  mit  nur 
einem  Lastschiff*  aufnehmen  können.  Bis  zur  Grenze  würden  noch  2  weitere  Schleusen  erforder- 
lich werden. 

Lahn.  Die  Verhältnisse  liegen  ähnlich  wie  bei  der  Mosel.  Es  bildete  sich  zunächst  ein 
Verein,  der  1894  bis  1897  auf  seine  Kosten  einen  Entwurf  zum  vollständigen  künstlichen  Aufstau 
für  600  t -Schiff'e  ausarbeiten  ließ.  Die  Staatsregierung  hat  auf  Grund  dieser  Vorarbeiten  1905 
neue  Anschläge  für  kleinere  Schiffe  aufstellen  lassen,  ein  betreffendes  Gesetz  dem  Landtage  aber 
bisher  nicht  vorgelegt'].  Das  Schicksal  dieser  (142  km  langen]  Wasserstraße  ist  enge  mit  der 
Mosel  verbunden.  Auch  die  Lahn  ist  in  den  Rheinverband  aufgenommen,  ohne  daß  ihr  Ausbau 
vorläufig  beschlossen  wurde  (vgl.  S.  112). 

Main.  Die  Bemühungen,  den  unteren  Main  durch  Einschränkung  mittels 
Buhnen  auf  die  gewünschte  Tiefe  zu  bringen,  hatten,  wie  oben  (S.  110)  mit- 
geteilt, keinen  Erfolg  und  die  Handelskammer  von  Frankfurt  versuchte 
darum  seit  dem  Jahre  1867  auf  andere  Weise  eine  gute  Wasserverbindung  mit 
dem  Rhein  herzustellen.  In  den  Jahren  1869  bis  1873  ließ  sie  den  Entwurf 
zu  einem  Seitenkanal  auf  dem  linken  Mainufer  ausarbeiten,  den  sie  mit 
Beihilfe  des  preußischen  Staats  auf  eigene  Kosten  ausfuhren  wollte.  Da  die 
Beschaffung  der  Geldmittel  auf  Schwierigkeiten  stieß,  nahm  die  Regierung 
die  Sache  in  die  Hand  und  ließ  in  den  Jahren  1875  und  1876  einen  neuen 
Entwurf  zum  künstlichen  Aufstau  des  Stromes  von  der  Mündung  bis 
Frankfurt  aufstellen.  Nach  Abschluß  des  Staatsvertrags  mit  Hessen  im  Jahre 
1883  wurde  der  Bau  begonnen  und  im  Jahre  1886  beendigt. 

Die  33  km  lange  Strecke  hat  10,4  m  Gefälle,  die  auf  5  Staustufen  ver- 
teilt sind.  Die  Schleusen  wurden  zunächst  80  m  lang,  10,5  m  breit  und  bei 
Niedrigwasser  2,5  m  tief  gemacht,  aber  im  Jahre  1891  durch  Verlängerung  um 
255  m,  unter  Beibehaltung  der  Unterkanäle  von  20  m  Sohlbreite,  zu  Schlepp- 

i]  Vgl.  Zeitschrift  für  Binnenschiffahrt,  1908,  S.  288  und  Jahrgang  1912,  S.  113. 


2.  Der  Ausbau  und  der  Aufstau  der  kleineren  deutschen  Ströme.  197 

zugschleusen  umgebaut.  Die  neuen  Untertore  sind  12  m  weit.  Zwischen 
den  Schleusen  hat  das  Fahrwasser  eine  Mindesttiefe  von  2,5  m.  (Die  Mün- 
dungschleuse bei  Kostheim  hat  jetzt  bei  Niedrigwasser  infolge  der  Senkung 
des  Rheinspiegels  (S.  179)  nur  2,1  m  Wassertiefe  auf  dem  Unterdrempel ;  es 
ist  darum  der  Bau  einer  neuen  Schleuse  beabsichtigt.) 

Nach  dem  großen  Erfolg  dieses  Unternehmens  erstrebte  bald  auch 
Offenbach  und  die  hessische  Regierung  die  Fortsetzung  der  leistungsfähigen 
Wasserstraße,  was  im  Staatsvertrage  von  1883  bereits  vorgesehen  war.  In 
den  Jahren  1897  bis  1902  wurde  zu  diesem  Zweck  5,5  km  oberhalb  des 
Frankfurter  Hafens  die  Staustufe  Offenbach  (Oberrad)  von  Hessen  gebaut  und 
das  Fahrwasser  bis  dahin  durch  Felssprengungen  auf  2,5  m  vertieft.  Die 
neue  Schleusenanlage  unterscheidet  sich  von  den  älteren  dadurch,  daß  alle 
Tore  eine  Weite  von  12  m  erhalten  haben. 

Auch  in  Baiern  wünschte  man  an  den  Vorteilen  der  neuen  Wasserstraße  teilzunehmen. 
Schon  X89X  entwickelte  Prinz  Ludwig  in  der  Kammer  der  Reichsräte  den  Plan  einer  leistungs- 
fähigen Wasserstraße  durch  ganz  Baiem  vom  Main  durch  den  umzubauenden  Ludwigkanal  und 
durch  die  Donau  bis  zur  Keichsgrenze ;  aber  nach  Gründung  des  baierischen  Kanalvereins  im 
Jahre  1892  (S.  162)  dauerte  es  noch  10  Jahre,  bis  die  baierische  Regierung  einen  Entwurf  zum 
künstlichen  Aufstau  des  Stromes  von  Hanau  bis  Asch  äffen  bürg  (32  km)  aufstellen  ließ.  Es 
wurde  dabei  angenommen,  dal>  die  Fortsetzung  der  Wasserstraße  von  Offenbach  bis  Hanau  (17  km) 
von  Preußen  gebaut  werden  würde. 

Die  Verhandlungen  z wichen  Baiem  und  Preußen  zogen  sich  von  1901  bis  1906  hin,  weil 
der  letztere  Staat  aus  dem  baierischen  Unternehmen  Verluste  in  seinen  Eisenbahneinnahmen 
befürchtete.  Zuerst  hatte  Preußen  im  Jahre  1901  verlangt,  Baiem  solle  sich  verpflichten, 
>Tarifmaßnahmen  im  Aschaifenburger  Umschlagverkehr  mit  Baiem  und  darüber  hinaus,  die  ge- 
eignet seien,  landwirtschaftliche  oder  gewerbliche  Interessen  im  Bereich  der  preußisch-hessischen 
Staatsbahnen  durch  Verschiebung  der  Wettbewerbs  Verhältnisse  zu  benachteiligen,  nicht  ohne  Ver- 
ständigung mit  den  preußisch-hessischen  Staatsbahnen  auszufuhren«.  Auf  diese  Bedingung  konnte 
Baiem  nicht  eingehen  und  erst  nach  der  Annahme  der  großen  Wasserstraßenvorlage  im  preui>i- 
schen  Landtage  (1905),  bei  der  die  Einführung  von  Schiffahrt  abgaben  auf  den  natürlichen 
Wasserstraßen  beschlossen  war,  kam  es  zu  einer  Einigung  zwischen  beiden  Staaten:  Es  \nirde 
vereinbart,  daß  der  Beginn  der  Bauarbeiten  zum  künstlichen  Aufstau  des  Mains  bis  Aschaffenburg 
aufgeschoben  werden  sollte,  bis  die  Schiffahrtabgaben  gesetzlich  eingeführt  wären.  Hierdurch 
war  Baiem  für  diese  Sache  im  Bundesrat  gewonnen,  zumal  die  Kosten  für  den  Bau  der  Strecke 
von  Offenbach  bis  Aschaffenburg  aus  den  fraglichen  Abgaben  bestritten  werden  sollten.  Nach 
dem  zwischen  beiden  Staaten  und  mit  Hessen  vereinbarten  Entwürfe  soll  die  48  km  lange  Strom- 
strecke von  Offenbach  bis  Aschaffenburg  in  6  Stufen  aufgestaut  werden,  sodaß  durchweg  ein 
mindestens  36  m  breites  und  2,5  m  tiefes  Fahrwasser  entsteht.  Die  12  m  weiten  Schleusen  sollen 
als  Zugschleusen  entweder  (nach  preußischem  Vorschlage]  255  m  lang  mit  2  Häuptern  oder  (nach 
baierischem  Vorschlage)  300  m  lang  mit  3  Häuptern  angeordnet  werden.  Im  letzteren  Falle  soll 
durch  das  Mittelhaupt  eine  obere  100  m  lange  Kammer  abgeteilt  werden.  3  Staustufen  liegen 
in  Preußen  und  3  in  Baiem. 

Um  die  Schiffahrtstral^e  von  Aschaffenburg  aufwärts  bis  Bamberg  fortzusetzen,  ist  auf 
Kosten  des  baierischen  Kanal  Vereins  ein  Entwurf  durch  Faber  aufgestellt  worden  (1903).  Da 
zum  gleichartigen  Aufstau  des  Stromes  in  der  rund  306  km  langen  Strecke  etwa  55  Staustufen 
nötig  wären,  deren  Durchfahrung  eine  zu  lange  Zeit  erfordern  würde,  hat  Faber  204  km  Seiten- 
kanftle  (zum  Teil  mit  Tunneln)  vorgeschlagen,  wodurch  der  Weg  im  ganzen  nur  etwa  285  km 
lang  und  die  Zahl  der  Schleusen  auf  23  ermäßigt  werden  könnte.  Die  Abmessungen  sind  für 
Schiffe  von  1000  t  Tragfähigkeit  berechnet  worden.  Für  die  Kanäle  ist  eine  Tiefe  von  3,5  m, 
für  die  aufgestauten  Stromstrecken  eine  Mindesttiefe  von  3  m  vorgesehen.  (Die  beiden  in  neuerer 
2>it  gebauten  Schleusen  bei  Würeburg  und  Schweinfurt  haben  eine  Weite  von  je  10,5  m  erhalten. 
Die  Kammer  in  Schweinfurt  ist  130  m  lang,  in  Würzburg  aber  nur  55  m.) 


198  Abschnitt  IV.     Die  Vennehrung  der  Binncnschiffahrts trafen  seit  1870. 

Bei  der  Abneigung  des  baierischen  Landtags  gegen  den  Bau  von  WasserstralNen  ist  auf  die 
Ausführung  dieses  Entwurfs  in  absehbarer  Zeit  nicht  zu  rechnen,  wenngleich  die  Mainstrecke 
bis  Bamberg  in  den  Rheinverband  des  Reichs-Schiffahrtabgabengesetzes  aufgenommen  worden 
ist.  Man  hat  inzwischen  die  Arbeiten  zum  Ausbau  und  zur  Verbesserung  des  Fahrwassers  fort- 
gesetzt. Obwohl  dabei  endlich  die  letzten  Mühlwehre  beseitigt  wurden,  hat  sich  hinsichtlich 
der  Wassertiefe  herausgestellt,  dah  man  bei  Niedrigwasser  keine  grüf^ere  Tiefe  als  0,7  m  durch 
den  Ausbau  erreichen  kann. 

Zum  Umbau  des  Ludwigkanals  (S.  112)  sind  gleichfalls  auf  Veranlassung  des  Vereins  durch 
Faber  verschiedene  Entwürfe  aufgestellt  worden,  um  bei  2,5  m  Wassertiefe  und  bei  Abmessungen, 
die  denen  des  Dortmund-Ems-Kanals  entsprechen,  Schiffe  von  600  t  Tragfähigkeit  befördern  zu 
können.  Faber  gab  der  Scheitelhaltung  eine  doppelte  Länge  (48  km)  und  entwarf,  unter  An- 
wendung von  6  Hebewerken,  für  den  Donauabstieg  (79,2  m)  4  und  für  den  Mainabstieg  (186,8  ra) 
14  Stufen.  Ohne  Hebewerke  würden  33  Schleusen  von  je  etwa  10  m  Gefälle  erforderlich  werden. 
Es  sind  übrigens  verschiedene  Abkürzungslinien  (auch  vom  Main  aus)  vorgeschlagen,  die  aber 
von  zweifelhaftem  Wert  zu  sein  scheinen').  In  neuester  Zeit  ist  auch  ein  Kanal  von  München 
nach  Wertheim  am  Main  angeregt,  der  aus  der  Isar  imd  dem  Lech  gespeist  werden,  die  Donau 
kreuzen  und  durch  Zweigkanäle  mit  Augsburg  und  Nürnberg  verbunden  werden  soll. 

Im  Anschlüsse  mögen  die  Verhältnisse  der  baierischen  Donau  besprochen  werden. 
35  km  unterhalb  der  Kanalmündung  bei  Kehlheim  bildet  die  aus  dem  12.  Jahrhundert  stammende 
Regensburger  Brücke  das  größte  Hindernis  für  die  Schiffahrt.  Unterhalb  Regensburg  bis  Passau 
sind  die  fortgesetzten  Arbeiten  zur  Verbesserung  des  Fahrwassers  von  Erfolg  gewesen.  Bei  ge- 
mitteltem  Niedrigwasser  ist  fast  überall  eine  Mindesttiefe  von  1,3  m  erreicht  worden.  In  der 
schwierigen  Felsenstrecke  (Hofkirchener  Kachlet)  hat  man  eine  42  m  breite  Rinne  ausgesprengt, 
die  selbst  beim  niedrigsten  Wasserstande  eine  Tiefe  von  1,1  m  bis  1,2  m  hat.  In  Überein- 
stimmung mit  den  in  Österreich  neuerdings  verfolgten  Zielen  mül'^te  auch  in  Baiem  eine  Mindest- 
tiefe von  2  m  erstrebt  werden. 

Auf  Veranlassung  und  auf  Kosten  der  Handelskammer  von  Ulm  hat  der  baierische  Kanal- 
verein durch  Faber  auch  die  Durchführung  einer  Großschiffahrtstraße  von  Keblheim  aufwärts  bis 
zu  dieser  Stadt  untersuchen  lassen.  Dabei  hat  sich  ergeben  (1905),  dal>  von  dem  künstlichen 
Aufstau  dieser  Donaustrecke  abzusehen  und  besser  ein  Seitenkanal  herzustellen  wäre.  (Die  Länge 
dieser  Wasserstraße  beträgt  170  km  und  das  gesamte  Gefalle  127  m,  das  auf  13  Stufen  zu  ver- 
teilen wäre.)  In  Anbetracht  der  hohen  Kosten  eines  solchen  Unternehmens  hat  man  in  neuester 
Zeit  Versuche  zum  Ausbau  der  schlechtesten  Stellen  dieser  Stromstrecke  durch  Buhnen  u.  dgl. 
gemacht.  Es  scheint,  daß  man  vielleicht  eine  Wassertiefe  von  i  m  auf  diese  Weise  er- 
reichen wird. 

Neckar.  Nach  der  Vereinbarung  von  1863  (S.  109)  haben  die  Uferstaaten  Baden,  Hessen 
und  Württemberg  sich  bemüht,  das  Fahrwasser  des  Stromes  möglichst  zu  verbessern  und  durch 
die  Einfühnmg  der  Kettenschiffahrt  (1878  bis  Heilbronn,  1890  bis  Lauffen)  hat  sich  auch  ein 
nicht  unbedeutender  Verkehr  entwickelt.  Eine  leistungsfähige  Wasserstral^e  für  Rheinschiffe  kann 
aber  nur  durch  künstlichen  Aufstau  geschaffen  werden.  Württemberg  fand  in  diesem  W^unsche 
lange  Zeit  kein  Entgegenkommen  bei  Baden,  weil  dieser  Staat  den  einträglichen  Umschlag 
in  Mannheim  behalten  wollte.  Im  Jahre  1904  kam  es  zu  einer  Vereinbarung  mit  Hessen  und 
Baden,  sowie  zur  gemeinschaftlichen  Aufstellung  eines  Entwurfs  zum  künstlichen  Aufstau  des 
Stromes  von  Mannheim  bis  Heilbronn  (117,5  ^™)  durch  17  Staustufen,  die  zusammen  ein  Gefälle 
von  67  m  überwinden.  Das  Fahrwasser  soll  mindestens  30  m  breit  und  2,2  m  tief  werden,  so- 
daß  Schiffe  von  etwa  1000  t  Tragfähigkeit  (80  m  lang,  10,2  m  breit)  verkehren  können.  Die 
Schleusen  sind  10,5  m  weit,  2,5  m  tief  und  100  m  lang  entworfen,  damit  ein  Schleppzug,  be- 
stehend aus  einem  groi'^en  oder  zwei  kleinen  Schiffen  und  einem  Schleppdampfer,  darin  Platz 
findet.  Durchstiche  sind  nicht  beabsichtigt;  doch  sollen  an  3  Stellen  (oberhalb  Mannheim,  ober- 
halb Heidelberg  und  bei  Heilbronn)  kurze  Seitenkanäle  ausgeführt  werden,  wodurch  die  Wasser- 
straße um  X  km  verkürzt  wird. 

Nach  dem  Schiffahrtabgabengesetz  soll  dieser  Entwurf  aus  dem  Ertrage  der  Abgaben  her- 
gestellt werden;  auch  ist  die  weitere  Strecke  bis  Eßlingen  in  den  Rheinverband  aufgenommen 
worden. 

i)  Vgl.  das  eingehende  Werk  von  Stell  er:  Der  wirtschaftliche  Wert  einer  baierischen 
Großschiffahrtstrai^e.    1908.   Verlag  des  Vereins  für  Hebung  der  Flul^-  und  Kanalschiffahrt  in  Baiem. 


2.  Der  Ausbau  und  der  Aufstau  der  kleineren  deutschen  Strome.  199 

In  Stuttgart  hat  sich  femer  im  Jahre  1904  ein  Neckar-Donau-Kanalkomitee  gebildet, 
das  Vorarbeiten  für  eine  Schiffahrtstraße  zwischen  dem  Neckar  bei  Neckarrems  und  der  Donau 
bei  Lauingen  gemacht  hat.  Der  113  km  lange  Kanal  für  600  t- Schiffe  würde  vom  Neckar  293  m 
emporsteigen  und  52  m  zur  Donau  fallen,  sodaß  die  Scheitelhaltung  496  m  über  dem  Meere 
liegt.  £s  sind  1 5  Schleusen  und  3  Hebewerke  vorgesehen.  Auch  ist  die  Verbindung  der  Donau 
bei  Ulm  mit  dem  Bodensee  untersucht  worden.  Der  etwa  103  km  lange  Kanal  würde  eine 
Scheitelhöhe  von  595  m  über  dem  Meere  haben  und  im  Tal  der  Schüssen  in  den  Bodensee 
Östlich  von  Friedrichshafen  münden  ^). 

Um  die  Ruhr  für  große  Rheinschiife  bis  Mülheim  (12  km)  zugänglich  zu  machen,  ist  der 
künstliche  Aufstau  und  die  Erbauung  großer  Schleusen  von  beteiligten  Bergwerksbesitzem  ins 
Auge  gefaßt  worden. 

Die  Lippe  wird  im  Zusammenhange  mit  dem  Rhein-Weser-Kanal  ausgebaut  und  aufge- 
staut werden,  worüber  unten  berichtet  werden  wird. 

Fulda.  Die  Schiflfahrt  auf  diesem  Strome  war  um  die.Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts fast  ganz  verschwunden.  In  den  Jahren  1893  bis  1897  wurde  die 
Fulda  in  7  Stufen  von  Münden  bis  Kassel  (27  km)  künstlich  aufgestaut,  wobei 
die  alten  bestehenden  Wehre  (S.  55)  zum  Teil  benutzt  wurden.  Die  Fahr- 
wassertiefe beträgt  mindestens  1,5  m.  Die  Kammerschleusen  sind  60  m  lang 
und  8,6  m  breit  ^).  Die  ganze  Wasserstraße  von  Bremen  bis  Kassel  ist 
394  km  lang. 

Werra.  Es  war  früher  (S.  55)  berichtet  worden,  daß  die  Schiffahrt  auf  diesem  Strome 
durch  den  Bau  der  Schleuse  bei  Münden  im  Jahre  1877  nicht  mehr  lebensfähig  gemacht  werden 
konnte.  Sie  hörte  allmählich  ganz  auf  und  der  preußische  Minister  der  öffentlichen  Arbeiten 
entschied  1886,  daP»  »die  Frage  der  Regulierung  der  Werra  einstweilen  auf  sich  beruhen  bleibe«. 
Im  Jahre  1905  wurde  die  Verbesserung  der  Schiffahrtstral'^e  wieder  angeregt  und  1907  in  Han- 
nover ein  Verein  für  Schiffbamiachung  der  Werra  gegründet,  der  durch  Havestadt  und  Contag 
einen  Entwurf  zum  künstlichen  Aufstau  von  Münden  bis  Wemshausen  und  zu  einem  Stichkanal 
von  Hörschel  bis  Eisenach  ausarbeiten  ließ.  Die  Flußlänge  bis  Wemshausen  soll  von  195  km 
auf  181  km  abgekürzt  werden;  das  gesamte  zu  überwindende  Gefälle  beträgt  132,5  m.  Die 
48  Schleusen  sollen  die  Abmessungen  des  Rhein- Weser-Kanals  erhalten,  67  m  Länge  und  10  m 
Breite,  sodaß  Schiffe  von  600  t  Tragfähigkeit  verkehren  können.  Die  Fahrwassertiefe  soll  vor- 
läufig 2  m  betragen  und  eine  Vergrößerung  auf  2,5  m  ist  vorgesehen.  Der  6  km  lange  Zweig- 
kanal nach  Eisenach  mit  4  Schleusen  soll  einschiffig  hergestellt  werden.  Besondere  technische 
Schwierigkeiten  liegen  nicht  vor,  zumal  die  vorhandene  Wassermenge  auch  ohne  Anlage  von 
Staubecken  (die  aber  vorgesehen  sind)  genügen  dürfte. 

Der  Verein  reichte  1909  den  Entwurf  dem  preußischen  Ministerium  ein,  erhielt  aber  im 
März  191 X  die  Antwort,  daß  die  Minister  es  ablehnen,  dem  Gedanken  eines  Baues  auf  Staats- 
kosten näherzutreten^).  Es  ist  aber  die  Werrastrecke  von  Münden  aufwärts  bis  zur  weimarischen 
Grenze  bei  Falken  bei  dem  Schiffahrtabgabengesetz  wenigstens  in  den  Weserverband  aufge- 
nommen worden. 

Baurat  Contag  hat  im  Jahre  1910  die  Fortführung  der  Wasserstraße  von  Wemshausen  über 
Meiningen,  Römhild  und  Heldburg  zum  Main  bei  Bamberg  untersucht.  Der  117  km  lange  Kanal 
würde  von  Wemshausen  136  m  hoch  mit  12  Schleusen  und  3  Hebewerken  zur  Scheite] haltung 
steigen,  die  385  m  über  dem  Meere  liegt,  und  mit  5  Hebewerken  und  12  Schleusen  154  m  zum 
Main  fallen 4).  Diese  Wasserstraße  würde  für  den  Verkehr  zwischen  Baiem  und  Bremen  große 
Bedeutung  haben. 

Aller.  Seit  der  Erbauung  der  Eisenbahnen  hatte  der  Verkehr  auf  dem 
Strome  vollständig  aufgehört  (S.  118).    In  den  neunziger  Jahren  wurde  durch 

i)  Die  württembergischen  Grof^schiffahrtpläne  von  Gugenhau  und  Eberhardt.    Stuttgart  1908. 

2)  Zeitschrift  für  Bauwesen  1899. 

3)  Tourneau,  Die  Schiffbarmachung  der  Werra.     Zeitschrift  für  Binnenschiffahrt  191 1. 

4)  Zeitschrift  für  Binnenschiffahrt  1910,  S.  543. 


200  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

die  Kaufmannschaft  von  Celle  wieder  ein  regelmäßiger  Schiifahrtverkehr  mit 
Bremen  eingerichtet.  Das  Fahrwasser,  obwohl  durch  Buhnen  und  andere 
Bauten  verbessert,  genügte  aber  selbst  bescheidenen  Ansprüchen  nicht  und 
wegen  mangelnder  Wassertiefe  mußte  der  Betrieb  oft  eingestellt  werden.  Im 
Jahre  1908  entschloß  sich  die  Staatsregierung,  die  schlechteste,  52  km  lange 
Strecke  zwischen  Celle  und  der  Leinemündung  in  4  Stufen  künstlich  aufzu- 
stauen. Die  Schleusen,  für  Schleppzüge  eingerichtet,  haben  eine  Länge  von 
165  m  und  eine  Torweite  von  10  m.  Es  soll  bei  gemitteltem  Niederwasser 
eine  geringste  Fahrwassertiefe  von  1,5  m  geschaffen  werden').  Die  Stadt 
Celle  hat  dem  Staate  gegenüber  eine  Gewährleistung  übernommen,  falls  die  zu 
erhebenden  SchifTahrtabgaben  nicht  zur  Deckung  der  Betriebskosten,  sowie 
zur  Verzinsung  und  Tilgung  der  Baukosten  ausreichen.  Die  Stadt  hat  sich 
dabei  die  Unterstützung  durch  Bremen  und  Braunschweig  gesichert.  Im 
Jahre  191 1  war  die  oberste  Staustufe  fertig.  Die  Vertiefung  der  Strecke 
unterhalb  der  Leinemündung  auf  1,5  m  Tiefe  ist  in  das  Schiflfahrtabgaben- 
gesetz  aufgenommen. 

Saale.  Bei  den  in  den  achtziger  Jahren  ausgeführten  Verbesserungen 
wurde  eine  Mindesttiefe  bei  Niederwasser  von  0,93  m  in  der  Strecke  von  der 
Elbe  bis  zur  Elstermündung  und  von  0,7  m  in  der  oberen  Strecke  der 
Saale  und  der  Unstrut  bis  Artem  erstrebt  (S.  126).  In  der  Unstrut  wurden 
10  Schleusen  imd  zwischen  Naumburg  und  Weißenfels  noch  3  Schleusen 
gebaut,  sodaß  jetzt  im  ganzen  17  Schleusen  in  der  Saale  und  12  in  der 
Unstrut  vorhanden  sind.  1885  wurde  die  Schleuse  Alsleben  und  später 
(1888  bis  1890)  die  Schleusen  Kalbe  und  Bernburg  umgebaut.  Diese  neuen 
Bauwerke  bekamen  eine  Länge  von  56,5  m  und  eine  Breite  von  6,5  m, 
während  die  älteren  4  Schleusen  bis  Halle  nur  6,12  m  breit  sind.  Die  ge- 
ringsten Abmessungen  der  Schleusen  zwischen  Halle  und  Artem  sind  47  m 
Länge  und  5,65  m  Breite.  Die  Länge  der  Wasserstraße  von  der  Elbe  beträgt 
bis  Halle  105  km,  bis  zur  Unstrut  172  km  und  bis  Bretleben  oberhalb  Artern 
243  km.  Die  Gefallstrecken  zwischen  den  Stauwerken  sind  durch  den  Bau 
von  Buhnen  und  Deckwerken,  sowie  durch  Baggerungen  möglichst  ver- 
bessert worden;  die  Tiefen  sind  aber  besonders  in  den  unteren  Strecken  noch 
ungenügend.  Bei  mittlerem  Niedrigwasser  kann  man  zwischen  der  Elbe  und 
Halle  auf  eine  Mindesttiefe  von  höchstens  1,1  m,  oberhalb  Halle  bis  zur  Un- 
strut auf  1,2  m  und  in  der  Unstrut  selbst  auf  1,4  m  rechnen;  das  erstrebte 
Ziel  von  0,93  m  beim  niedrigsten  Wasserstande  ist  in  der  unteren  Strecke 
bisher  nicht  erreicht  worden. 

In  dem  Schiffahrtabgabengesetz  ist  vorgesehen  >der  Ausbau  der  Saale  von  der  Einmün- 
dung des  geplanten  Verbindungskanals  mit  Leipzig  in  der  Nähe  von  Kreypau  bis  Halle  für 
Schiffe  von  mindestens  400  t  Tragfähigkeit,  sowie  die  Verbesserung  des  Fahrwassers  von  Halle 
bis  zur  Elbe«.  In  der  von  der  preußischen  Regierung  dem  Reichstage  vorgelegten  Denkschrift 
ist  darauf  hingewiesen,   daß    die  Elbe   künftig  oberhalb  der  Saale   eine  Mindesttiefe  von    i,x  m 

i)  Zeitschrift  für  Binnenschiffahrt  1908,  S.  398. 


2.  Der  Ausbau  und  der  Aufstau  der  kleineren  deutschen  Ströme.  201 

und  unterhalb  von  1.25  m  erhalten  solle.  Für  die  Saale  wäre  die  Tiefe  von  1,25  m  daher  auch 
erstrebenswert;  aber  man  sei  bisher  in  gewissen  Strecken  nur  für  die  Vertiefung  auf  1,1  m  zu  be- 
stimmten Ergebnissen  gelangt.  Von  Kreypau  bis  Halle  müßten  außer  einem  Umgehungskanal 
bei  Merseburg  und  anderen  Erweiterungsbauten  5  neue  Schleusen  von  größeren  Abmessungen 
gebaut  werden,  und  es  werde  sich  dort  eine  Mindesttiefe  von  0,93  m  beim  niedrigsten  Wasser- 
stande von  1904  erreichen  lassen.  Auch  unterhalb  Halle  werde  sich  bis  zur  Elbe  durch  weiteren 
Ausbau,  Felssprengungen  und  Veränderungen  an  einigen  Schleusen  die  Tiefe  von  0,93  m  ergeben. 
Schwierig  sei  aber  in  der  anhaltischen  Strecke  die  Erreichung  einer  Tiefe  von  i,i  m,  und  um 
eine  solche  von  1,25  m  zu  gewinnen,  würde  man  wahrscheinlich  2  neue  Staustufen  dort  einlegen 
müssen.  In  der  untersten  preußischen  Strecke  bis  zur  Elbe  würde  zur  Erreichung  einer  Tiefe 
von  1,1  m  gleichfalls  eine  neue  Staustufe  bei  Gr.  Rosenburg  (unterhalb  Kalbe)  nötig  werden. 

Die  jetzigen  großen,  auf  etwa  400  t  geeichten  Saaleschiffe  können  bei  einer  Wassertiefe 
von  0,93  m  nur  etwa  95  t  laden,  bei  einer  Tiefe  von  1,1  m  etwa  150  t  und  bei  einer  Tiefe  von 
1,25  m  etwa  190  t.  Um  sie  voll  auszunutzen,  wäre  eine  Wassertiefe  von  mindestens  2  m  er- 
forderlich. 

Über  die  früheren  Kanalentwürfe,  um  Leipzig  mit  der  Elbe  zu  verbinden,  war  früher 
(S.  172)  berichtet.  Die  Linie  zur  Saale  bei  Merseburg  hat  sich  schließlich  als  zweckmäßigste 
herausgestellt  und  ist  auch  bei  dem  beabsichtigten  Ausbau  der  Saale  berücksichtigt  Von  Have- 
stadt  und  Contag  ist  im  Jahre  19 10  im  Auftrage  der  Leipziger  Kanalgesellschaft  und  der  preußi- 
schen Elster-Saale-Kanalgesellschaft  in  Merseburg  ein  neuer  Entwurf  für  diesen  Elster-Saale- 
Kanal  aufgestellt  worden.  Er  ist  von  Kreypau  bei  Merseburg  bis  zum  Kanalhafen  Plagwitz- 
Lindenau  bei  Leipzig  21,5  km  lang  und  in  seinen  Abmessungen  für  600  t- Schiffe  (65  m  lang, 
8  m  breit)  eingerichtet.  Dabei  ist  angenommen,  daß  zunächst  zwar  (wie  bisher  unterhalb  Halle) 
nur  Saaleschiffe  von  51,5  m  Länge,  6  m  Breite  und  400  t  Tragfähigkeit  dort  verkehren  können, 
daß  aber  die  unteren  Saaleschleusen,  falls  sich  infolge  des  erwarteten  starken  Verkehrs  eine  Ver- 
mehrung der  Kammern  oder  Neubauten  als  erforderlich  herausstellen,  voraussichtlich  gleichfalls 
für  600  t-Schiffe  eingerichtet  werden  würden. 

Der  Querschnitt  des  Kanals  hat  bei  einer  nutzbaren  Fahrwasserbreite  von  20  m  eine  Mindest- 
tiefe von  2  m.  Der  kleinste  Krümmungshalbmesser  beträgt  600  m.  Außer  der  Einlaßschleuse  im 
rechten  Saaledeich  bei  Kreypau  sind  noch  4  Kammerschleusen  von  je  5,33  m  Gefalle  vorgesehen, 
sodaß  der  Kanal  vom  Niederwasser  der  Saale  bis  Leipzig  eine  Höhe  von  21  m  zu  ersteigen  hat. 
Die  Einlaßschleuse  soll  als  Zugschleuse  165  m  lang  und  9  m  breit  werden,  während  die  anderen 
Schleusen  67  m  lang,  9  m  breit  und  3  m  tief  entworfen  sind. 

Havel  und  Spree.  In  der  unteren  Havelwasserstraße,  die  von 
der  Elbe  bis  zur  Spreemündung  bei  Spandau  reicht  und  jetzt  etwa  170  km 
lang  ist,  wurden  seit  Mitte  der  siebziger  Jahre  mancherlei  Verbesserungen 
für  die  Schiffahrt  gemacht.  Zur  Umgehung  der  Seenstrecke  bei  Potsdam 
(Potsdamer  Havel)  und  zur  Abkürzung  des  Wegs  (um  13,5  km)  wurde  in  den 
Jahren  1874  bis  1878  die  Sakrow-Paretzer  Wasserstraße  (17  km  lang) 
erbaut,  die  im  Jungfernsee  oberhalb  von  Potsdam  beginnt  und  im  Göttinsee 
bei  Ketzin  endigt. 

Der  als  Kanal  hergestellte,  etwa  7  km  lange  Teil  ist  10  Jahre  später  in  der  Sohle  auf  18  m 
verbreitert  und  vertieft  worden.  Bei  Nedlitz  wurde  1902  ein  neuer,  abkürzender  Durchstich  mit 
einer  nutzbaren  Fahrwasserbreite  von  20  ni  und  einer  nutzbaren  Tiefe  von  2  m  bei  Niederwasser 
gebaut.  Die  ältere  Kanalstrecke  hat  jetzt  ungenügende  Tiefen  und  Breiten;  im  Jahre  19 12  werden 
entsprechende  Erweiterungsbauten  ausgeführt  werden. 

Die  untere  Havel  (S.  128)  wurde  seit  1885  von  der  Elbe  aufwärts  unter 
Anwendung  von  Buhnen,  Deckwerken,  Durchstichen  und  Baggerungen  aus- 
gebaut, und  das  Ziel  von  1,25  m  Mindesttiefe  ist  im  allgemeinen  erreicht 
worden.  Diese  Tiefe  genügt  aber  für  den  zunehmenden  Verkehr  zwischen 
Hamburg   und  Berlin   nicht,    zumal  die  Niederwasserzeiten  auf  der  unteren 


202  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  BinncnschifTahrtstraiien  seit  1870. 

Elbe  und  der  unteren  Havel  nicht  immer  zusammenfallen.  Im  Jahre  1889 
wurde  in  Brandenburg  die  Vorstadtschleuse  mit  67  m  Länge,  16,6  m  Kam- 
merbreite und  8,6  m  Torweite  und  im  Jahre  1901  bei  Rathenow  in  einem 
Haveldurchstich  die  Hauptschleuse  von  220  m  Länge  und  9,6  m  Weite  dem 
Verkehr  übergeben. 

Durch  die  Ausfuhrung  des  Gesetzes  über  die  Verbesserung  der  Vorflut- 
und  Schiffahrtverhältnisse  in  der  unteren  Havel  vom  Jahre  1904  wurde  auch 
für  die  Schiffahrt  eine  bedeutende  Verbesserung  der  Strecke  von  Branden- 
burg bis  zur  Elbe  herbeigeführt.  Bei  Brandenburg  wurde  zur  Umgehung 
der  Stadt  ein  neuer  Schiffahrtweg,  der  5,5  km  lange  schleusenlose  Silokanal, 
gebaut  und  unterhalb  des  Flauer  Sees  wurden  3  neue  Staustufen  im  Strome 
angeordnet,  eine  oberhalb  und  zwei  unterhalb  Rathenow.  Zwischen  den  Stau- 
stufen und  unterhalb  der  letzten,  die  bei  Garz,  etwa  30  km  oberhalb  der  Mün- 
dung in  die  Elbe  liegft,  ist  der  Strom  verbreitert,  vertieft  und  zum  Teil  mittels 
Durchstichen  gerade  gelegt  worden.  Durch  die  Stauanlagen  kann  künftig 
oberhalb  Garz  jederzeit  die  Wassertiefe  von  2  m  gehalten  werden.  Neben 
den  3  neuen  Wehren  und  neben  der  bestehenden  Vorstadtschleuse  Branden- 
burg sind  4  neue  Schleppzugschleusen  von  220  m  Länge,  17,5  bis  19  m 
Kammerbreite  und  10  m  Torweite  erbaut  worden.  Die  Arbeiten  sind  im 
Jahre  191 1  beendet  worden.  Dadurch  ist  die  ganze  untere  Havelwasserstraße 
von  Garz  bis  Spandau  aufgestaut.  Unterhalb  Garz  ist  der  Strom  durch  Bagge- 
rung so  vertieft,  daß  er  bei  fast  wagerecht  liegendem  Spiegel  der  untersten 
Strecke  und  beim  niedrigsten  Wasserstande  dieselbe  Tiefe  hat  wie  die  Elbe 
an  seiner  Einmündung. 

Über  die  Veränderungen  am  Flauer  Kanal  war  schon  oben  (S.  43)  be- 
richtet worden. 

Die  Havel- Oder-Wasserstraße  von  Spandau  durch  den  Oranien- 
burger-, Malzer-  (S.  130)  und  Finowkanal  (S.  43)  nach  Hohensaathen  (103  km) 
ist  seit  den  siebziger  Jahren  durch  Anlage  doppelter  Schleusenkammern  an 
allen  19  Staustufen  und  durch  Vertiefung  auf  1,6  m  bei  16  m  nutzbarer  Fahr- 
wasserbreite bedeutend  verbessert  worden.  Der  Verkehr  zwischen  Berlin  und 
Stettin  ist  immer  recht  lebhaft  geblieben.  Aber  der  letzteren  Stadt  war 
durch  den  Bau  des  Kaiser- Wilhelm-Kanals  und  des  Elbe-Trave-Kanals  der 
Wettbewerb  mit  den  Seehäfen  Hamburg  und  Lübeck  sehr  erschwert  worden, 
zumal  auch  der  schlesische  Handel  nach  dem  (später  zu  besprechenden)  Ausbau 
der  Spree -Oder -Wasserstraße  immer  mehr  den  Weg  über  Berlin  und  durch 
die  untere  Havel  nach  Hamburg  bevorzugte.  Um  diesen  bedeutendsten  preußi- 
schen Seehafen  zu  unterstützen  und  zu  heben,  ließ  die  Staatsregierung  am 
Ende  der  neunziger  Jahre  den  Entwurf  zu  einem  neuen  Kanal  von  Berlin 
nach  Hohensaathen  in  Abmessungen  für  den  Verkehr  von  600  t-Schiffen 
aufstellen,  der  im  allgemeinen  in  der  Linie  der  bestehenden  Wasserstraße 
lag:  Von  Berlin-Flötzensee  führt  der  neue,  rund  100  km  lange  Kanal  durch 
den    verbesserten,    verkürzten    und    verbreiterten   Spandauer   Kanal    (S.  132) 


2.  Der  Ausbau  und  der  Aufstau  der  kleineren  deutschen  Ströme.  203 

nach  dem  Tegeler  See  und  folgt  der  Havel  aufwärts  bis  in  die  Nähe  von 
Pinnow.  Dort  verläßt  er  den  Fluß,  führt  durch  den  Lehnitzsee  und  steigt 
mit  einer  Schleuse  von  6  m  Gefalle  zur  50  km  langen  Scheitelhaltung,  die, 
zum  Teil  im  verbreiterten  Malzer  Kanal  liegend,  später  den  Finowkanal  an 
der  Einmündung  der  Werbelliner  Gewässer  (S.  43)  kreuzt  und  auf  der  Nord- 
seite des  Kanals  bis  in  die  Nähe  von  Liepe  führt.  Hier  fallt  der  Kanal 
mittels  4  Schleusen  von  je  9  m  Gefalle  zu  den  Oderberger  Gewässern 
hinab.  Bei  Hohensaathen  ist  die  neue  Wasserstraße  durch  je  i  neue  Schleuse 
mit  der  Westoder  (dem  alten  Vorflutkanal)  und  mit  der  Ostoder  (dem  bis- 
herigen Hauptstrom)  in  Verbindung  gebracht  (S.  191).  Gegen  diesen  Entwurf 
wurde  von  anderer  Seite  eine  Kanallinie  in  Vorschlag  gebracht,  die  von  Berlin 
nach  Osten  durch  die  Spree  und  den  Dämeritzsee  nach  dem  Oderbruch 
fuhren  sollte,  ähnlich  wie  schon  im  Jahre  1875  ein  Kanal  von  der  Spree  zur 
Oder  geplant  und  oben  (S.'i73)  erwähnt  wurde.  Der  Streit  zwischen  dieser 
sogenannten  Ostlinie  und  der  vorher  beschriebenen  Westlinie  wurde  zug^unsten 
der  letzteren  entschieden  und  der  neue  Großschiffahrtweg  Berlin — 
Stettin  im  Jahre  1905  mit  dem  großen  Wasserstraßengesetz  vom  Landtage 
genehmigt.  Seit  dem  Jahre  1906  ist  mit  dem  Bau  begonnen  worden.  Der 
Querschnitt  des  Kanals  bekommt  wie  der  Rhein-Wescr-Kanal  bei  einer  nutz- 
baren Fahrwasserbreite  von  20  m  eine  geringste  Tiefe  von  2,3  m  (in  der  Mitte 
3  m),  sodaß  Schiffe  von  65  m  Länge,  8  m  Breite  und  1,75  m  Tiefgang  mit 
600  t  Tragfähigkeit  verkehren  können.  Die  Schleusen  bei  Plötzensee,  bei 
Spandau  und  im  Abstieg  zu  den  Oderberger  Gewässern  bei  Liepe  (Nieder- 
finow)  haben  67  m  Länge  und  10  m  Breite.  Die  Schleuse  bei  Lehnitz  hat  bei 
gleicher  Breite  85  m  Länge  und  die  beiden  Schleppzugschleusen  bei  Hohen- 
saathen bei  gleicher  Torweite  eine  nutzbare  Kammerlänge  von  215  m  und 
eine  Kammerbreite  von  19  m.  Im  Frühjahr  1913  wird  die  neue  Wasserstraße 
voraussichtlich  eröffnet  werden. 

In  der  61  km  langen  oberen  Havel  Wasserstraße,  die  vom  Finow- 
kanal bei  Liebenwalde  nach  Norden  abzweigt  und  bei  Fürstenberg  an  die 
mecklenburgischen  Wasserstraßen  (S.  129)  anschließt,  wurde  am  Anfang  der 
achtziger  Jahre  der  von  Liebenwalde  zur  Havel  führende  Voßkanal  (S.  43) 
in  einen  15  km  langen  Seitenkanal  umgeändert,  der  neben  der  »schnellen« 
Havel  bis  Zehdenick  fuhrt  und  mit  2  Schleusen  bei  Bischofswerder  und  Krc- 
welin  versehen  ist.  Die  frühere  Voßschleuse  wurde  beseitigt.  Die  Schleuse 
Zehdenick  wurde  1907  durch  ein  neues  größeres  Bauwerk  ersetzt.  Auch 
oberhalb  Zehdenick  wurde  die  Wasserstraße  verbessert,  obwohl  ein  gründ- 
licher Ausbau  bisher  nicht  durchgeführt  werden  konnte,  weil  Mecklenburg 
sich  daran  nicht  beteiligen  wollte.  Aber  die  preußischen  Seitenwasserstraßen, 
die  Wentow-,  Templiner-  und  Lychener  Gewässer  sind  durch  neue  Schleusen 
und  andere  Anlagen  in  guten  Zustand  gebracht  worden. 

Oberhalb  Fürstenberg  sind  im  Anschluß  an  die  mecklenburgische  Havel- 
wasserstraße in   den  Jahren    1876   bis  1879   die  Rheinsberger   Gewässer 


204  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  BinnenschifFahrtstraßen  seit  1870. 

schiffbar  gemacht  worden.  Sie  sind  zusammen  etwa  24  km  lang  und  be- 
stehen aus  einer  Kette  von  Seen  und  Verbindungskanälen,  die  durch  die 
Schleuse  Wolfsbruch  mit  der  HavelwasserstraOe  verbunden  ist. 

Von  den  Oderberger  Gewässern  zweigen  südlich  die  Wasserstraßen  der 
alten  Wriezener  Oder  (25  km)  und  des  Freienwalder  Landgrabens 
(7,8  km)  ab,  die  seit  einigen  Jahren  in  guten  fahrbaren  Zustand  gebracht 
worden  sind. 

Alle  mit  der  Havel-Oder-Wasserstraße  oberhalb  von  Pinnow  in  Verbin- 
dung stehenden  Schiffahrtstraßen  sind  bisher  für  Schiffe  von  Finowmaß  ein- 
gerichtet. 

Die  Spree-Oder-Wasserstraße  führte  im  Jahre  1870  von  Spandau 
durch  die  untere  Spree,  durch  Berlin  (entweder  durch  den  Landwehrkanal 
oder  durch  den  Kupfergraben),  durch  die  Treptower,  die  Müggel-,  die  Fürsten- 
walder  und  die  Drahendorfer  Spree  nach  dem  Wergensee,  von  wo  die  Schiff- 
fahrt durch  den  Friedrich- Wilhelm-Kanal  (von  Neuhaus  bis  Brieskow)  zur  Oder 
gelangte.  Die  großen  Mängel  der  Straße  fS.  131)  und  die  Pläne  zur  Verbes- 
serung (S.  173)  sind  schon  erwähnt  worden. 

Seitdem  ist  die  Wasserstraße  in  der  Zeit  von  1883  bis  1891  durch  die 
»Kanalisierung  der  unteren  Spree«  und  durch  den  > Oder-Spree-Kanal«  wesent- 
lich verbessert  worden.  Die  untere  Spree  ist  von  Spandau  bis  Berlin  mittels 
Durchstichen  und  anderer  Bauten  gerade  gelegt,  vertieft  und  bei  Char- 
lottenburg (1885)  durch  ein  Wehr  aufgestaut  worden.  Die  Schleuse  hat 
2  Kammern  von  74,5  und  57,5  m  Länge  und  9,6  m  Breite  (und  Torweite). 
Innerhalb  Berlins  ist  nach  Umgestaltung  der  Stauanlagen  am  Mühlendamm 
die  Schiffahrtstraße  in  den  Spreelauf  selbst  gelegt  und  eine  Schleuse  von 
HO  m  Länge  und  9,6  m  Breite  gebaut  worden. 

Der  Ausbau  der  Spree-Oder- Wasserstraße  oberhalb  Berlins  wurde  durch 
Gesetz  vom  Jahre  1886  im  Landtage  genehmigt  und  bis  1891  zur  Ausführung 
gebracht.  Die  neue  Straße  verläßt  bei  Köpenick  die  Treptower  Spree  und 
geht  durch  die  Wendische  Spree  (Dahme)  nach  dem  Seddinsee,  von  wo  der 
23,9  km  lange  Kanal  Seddinsee-Gr.  Tränke  nach  der  Fürstenwalder 
Spree  führt.  Diese  Stromstrecke  ist  gerade  gelegt  und  vertieft  worden;  sie 
wird  auf  19,8  km  Länge  benutzt  bis  Fluthkrug,  von  wo  der  43,8  km  lange 
Kanal  Fluthkrug — Fürstenberg  zur  Oder  führt.  Die  Möggel-  und  die 
Drahendorfer  Spree  wurden  hierbei  für  den  durchgehenden  Verkehr  ausge- 
geschaltet.  Die  neue  Wasserstraße  von  der  Oder  bis  Berlin  (Mühlendamm) 
ist  115  km,  bis  zur  Havel  bei  Spandau  132,6  km  lang.  Der  letztgenannte 
Kanal  von  Fluthkrug  bis  Fürstenberg  liegt  zum  Teil  im  Zuge  des  alten 
Friedrich -Wilhelm- Kanals  (S.  40)  und  wird  durch  einen  anderen  TeU  von 
diesem,  den  Speisekanal  von  Neuhaus,  aus  der  Spree  gespeist.  Der  Haupt- 
kanal fallt  mit  3  Schleusen  von  je  etwa  4,5  m  Gefalle  bei  Fürstenberg  zur 
Oder  und  auf  der  Westseite  mit  i  Schleuse  von  etwa  3  m  Gefalle  bei  Kers- 
dorf  zur  Spree.     In  der  Fürstenwalder  Spree  wurde  bei  Fürstenwalde  neben 


2.  Der  Ausbau  und  der  Aufstau  der  kleineren  deutschen  Ströme.  205 

der  dort  bestehenden  Schleuse  (S.  37)  eine  zweite  Kammer  gebaut.  Der  Kanal 
Seddinsee-Gr.  Tränke  ist  gegen  die  Fürstenwalder  Spree  durch  eine  Schleuse 
bei  Gr.  Tränke  abgeschlossen,  die  jedoch  meistens  offen  steht,  weil  durch 
das  dort  in  der  Müggelspree  errichtete  Wehr  der  gewünschte  Wasserstand 
(mit  Ausnahme  bei  Hochwasser)  gehalten  werden  kann.  An  dem  Westende 
des  Kanals  liegt  die  Schleuse  Wernsdorf,  die  mit  etwa  4,5  m  Gefalle  auf 
den  Wasserstand  des  Seddinsees  hinabfuhrt,  der  dem  Spiegel  des  Berliner 
Staues  am  Mühlendamm  entspricht.  Die  neue  Wasserstraße  sollte  mit  einer 
Mindesttiefe  von  2  m  fiir  Schiffe  von  1,75  m  Tauchtiefe  hergestellt  werden; 
aber  schon  wenige  Jahre  nach  der  Eröffnung  mußte  die  zulässige  Tauchtiefe 
auf  1,6  m  und  später  selbst  auf  1,5  m  herabgesetzt  werden. 

Die  Schleusen  haben  (mit  Ausnahme  der  bei  Fürstenwalde,  die  eine  nutz- 
bare Kammerlänge  von  67  m  erhalten  hat)  eine  nutzbare  Länge  von  60,9  m 
und  eine  Torweite  von  8,6  m,  sodaß  sie  entweder  ein  großes  Schiff  von  55  m 
Länge  und  8  m  Breite  oder  zwei  Schiffe  von  Finowmaß  aufnehmen  können. 
Die  Kammerbreite  beträgt  daher  10,12  m. 

Der  trapezförmige  Kanalquerschnitt  hatte  anfänglich  nur  eine  Sohlen- 
breite von  16  m,  weil  man  keinen  großen  Verkehr  mit  8  m  breiten  Schiffen 
erwartete.  Als  dieser  aber  sehr  bald  eintrat,  wurde  zu  einer  Verbreiterung 
der  ganzen  Wasserstraße  geschritten,  die  von  1896  bis  1900  durchgeführt 
wurde,  wobei  eine  Sohlenbreite  von  19  m  erreicht  werden  konnte.  Die  weitere 
starke  Zunahme  des  Verkehrs  machte  eine  Verdoppelung  der  Schleusen- 
kammern an  allen  Stufen  erforderlich.  Die  zweiten  Kammern  wurden  57  m 
lang,  9,6  m  breit  und  mit  gleich  weiten  Toren  versehen.  Die  Arbeiten  sind 
1901  begonnen  und  191 1  fertig  geworden.  Bei  Fürstenwalde  waren  von 
vornherein  bereits  zwei  Schleusenkammern;  da  die  ältere  aber  nur  von  Schiffen 
mit  Finowmaß  benutzt  werden  kann,  ist  die  Herstellung  einer  dritten  Kammer 
beschlossen  worden. 

Durch  das  Gesetz  von  1904  zur  Verbesserung  der  Vorflut  wurden  auch 
die  Wasserstraßen  im  Spreegebiet  betroffen.  Der  Kanal  Seddinsee-Gr.  Tränke 
sollte  künftig  einen  Teil  des  Spreehochwassers  abfuhren  und  mußte  zu  diesem 
Zweck  vertieft  und  verbreitert  werden.  Die  in  den  Jahren  1906  bis  191 1 
ausgeführten  Arbeiten  haben  gleichzeitig  eine  wesentliche  Verbesserung  des 
Fahrwassers  für  die  Schiffahrt  herbeigeführt.  Um  aber  die  so  geschaffene 
größere  Tiefe  für  den  Durchgangverkehr  ausnützen  zu  können,  war  es  nötig, 
auch  die  Fürstenwalder  Spree  und  den  Kanal  Fluthkrug— Fürstenberg  in  ent- 
sprechender Weise  zu  verbreitern,  zu  vertiefen  und  mit  festen  Ufern  zu  ver- 
sehen.    Diese  Arbeiten  sind  seit  dem  Jahre  19 10  im  Gange. 

Von  noch  größerer  Bedeutung  wurde  das  Vorflutgesetz  für  die  obere 
Spreewasserstraße,  die  von  Neuhaus  am  Wergensee  bis  Leibsch  zwar 
dem  Namen  nach  schiffbar,  aber  wegen  ihrer  vielen  Krümmungen  und  seichten 
Stellen  von  der  Schiffahrt  seit  langer  Zeit  verlassen  war  (S.  131).  Zur  bes- 
seren Abführung  des  Hochwassers  ist  diese  67  km   lange  Flußstrecke  durch 


206  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnen>»chifrahrtätraC>en  seit  1870. 

Durchstiche  um  etwa  14  km  abgekürzt,  ferner  angemessen  verbreitert  und  ver- 
tieft worden.  Zur  sicheren  Haltung  des  für  die  angrenzenden  Ländereien  und 
für  die  Schiffahrt  nötigen  Wasserstandes  sind  (ähnlich  wie  bei  der  unteren 
Havel)  3  neue  Staustufen  errichtet  worden,  die  zusammen  mit  dem  bereits 
vorhandenen  Stau  bei  Kossenblatt  (S.  45)  und  einem  Wehr  in  der  Drahendorfer 
Spree  genügen,  um  jederzeit  für  die  Schiffahrt  eine  Mindesttiefe  von  1,5  m  zu 
gewährleisten.  Die  3  neuen  Schleusen  von  43,7  m  Länge  und  5,35  m  Breite 
sind  für  Schiffe  von  Finowmaß  eingerichtet  und  im  Jahre  191 1  fertiggestellt 
worden.  Es  ist  auf  diese  Weise  gleichzeitig  eine  gute  Wasserstraße  durch  den 
Schwielochsee  bis  Goyatz  geschaffen  worden. 

Von  den  Nebenwasserstraßen  sind  seit  1870  auch  die  Rüdersdorfer 
(S.  35)  und  die  Storkower  Gewässer  (S.  132)  durch  neue  Schleusen  und  andere  Ein- 
richtungen verbessert  worden.  Die  Dahme-Wasserstraße  mit  den  Staustufen 
Neuemühle  und  Prieros  ist  infolge  des  Vorflutgesetzes  von  1 904  erweitert,  vertieft 
und  aufwärts  durch  Errichtung  einer  neuen  Staustufe  mit  Schleuse  bei  Herms- 
dorf bis  Wendisch-Buchholz  verlängert  worden.  Alle  Nebenwasserstraßen 
sind  für  Schiffe  von  Finowmaß  eingerichtet,  mit  Ausnahme  der  Rüdersdorfer 
Gewässer,  die  für  Schiffe  von  65  m  Länge  und  8  m  Breite  zugänglich  sind. 

Um  für  das  große  Netz  der  Schiffahrtstraßen  im  Gebiet  von  Havel  und 
Spree  eine  einheitliche  technische  Behandlung  und  Verwaltung  zu  sichern, 
wurde  im  Jahre  1903  in  Potsdam  eine  besondere  Behörde  »Verwaltung  der 
Märkischen  Wasserstraßen«  errichtet,  der  alle  Wasserstraßen  zwischen 
Elbe  und  Oder  mit  Ausnahme  der  Berliner  Gewässer  unterstellt  worden  sind^). 

Warthe.  Nach  Bewilligung  der  nötigen  Geldmittel  ist  unter  Anwen- 
dung von  Buhnen  der  Strom  überall  eingeschränkt  worden,  um  beim  niedrig- 
sten Wasserstande  wenigstens  bis  Posen  und  Schrimm  eine  Mindesttiefe  von 
I  m  zu  erreichen  (S.  136).  Unterhalb  der  Einmündung  der  Netze  (bei  Zantoch) 
ist  dies  im  Laufe  der  Zeit  im  allgemeinen  gelungen;  in  der  oberen  Strecke 
der  Warthe  hat  jedoch  auch  die  Einschränkung  bis  auf  60  m  bei  Mittelwasser 
und  die  Hilfe  von  Baggerungen  bisher  nur  eine  Mindesttiefe  von  etwa  0,8  m 
bei  gemitteltem  niedrigstem  Wasserstande  hervorgebracht. 

Nach  dem  Wasserstraßengesetz  von  1905  soll  der  Strom  von  Zantoch 
bis  Posen  durch  weiteren  Ausbau  für  Schiffe  von  400  t  Tragfähigkeit  zugäng- 
lich gemacht  und  bei  gemitteltem  Niedrigwasser  eine  Mindesttiefe  von  i  m 
erreicht  worden.  Die  Arbeiten  sind  im  Gange.  Im  trockenen  Sommer  191 1 
war  die  geringste  Fahrwassertiefe  in  der  Warthe  unterhalb  der  Netzemündung 
0,8  m  und  oberhalb  0,65  m. 

Netze.  In  den  Jahren  1878  bis  1882  wurde  der  Oberlauf  des  Flusses 
vom  Goplosee  (russische  Grenze)  an  schiffbar  gemacht  und  durch  den  ver- 
breiterten und  vertieften  Speisegraben  mit  der  Scheitelhaltung  des  Bromberger 

i)  Leider  konnte  man  sich  nicht  entschliel^en,  die  Wirksamkeit  dieser  Behörde  auf  Berlin 
auszudehnen  und  dem  Oberpräsidenten  der  Provinz  Brandenburg  (an  Stelle  des  Regierungspräsi- 
denten) zu  unterstellen. 


2.  Der  Ausbau  und  der  Aufstau  der  kleineren  deutschen  Ströme.  207 

Kanals  verbunden  (S.  45).  Die  neue  Wasserstraße,  die  kanalisierte  obere 
Netze  hat  eine  Länge  von  105  km  und  ist  aus  See-,  Fluß-  und  Kanalstrecken 
zusammengesetzt,  die  durch  8  Stufen  mit  8  Schleusen  aufgestaut  sind.  Die  Fahr- 
wassertiefe beträgt  1,5  m,  in  wasserarmen  Zeiten  aber  nur  etwa  1,25  m.  Alle 
Abmessungen  der  Schleusen  und  Brücken  sind  für  Schiffe  von  Finowmaß  be- 
rechnet 

Der  mittlere  und  untere  Stromlauf  bildet  einen  Teil  der  großen,  etwa 
296  km  langen  Oder-Weichsel-Wasserstraße,  die  von  der  Oder  durch 
die  Wärthe  bis  Zantoch  (68  km),  durch  die  freie  Netze  bis  zur  Dragemündung 
(49  km),  durch  die  lebhafte  Netze  bis  zur  Küddowmündung  (72  km),  durch 
die  stille  Netze  bis  zum  Bromberger  Kanal  (68  km),  durch  diesen  bis  Bromberg 
(27  km)  und  durch  die  Unterbrahe  bis  zur  Weichsel  (12  km)  führt.  Über  den 
schlechten  Zustand  der  Netze-Wasserstraße  unterhalb  der  Einmündung  des 
Bromberger  Kanals  bei  Nakel  vor  1870  war  schon  (S.  137)  berichtet.  Besonders 
zeigte  die  wegen  des  verhältnismäßig  starken  Gefälles  als  lebhafte  Netze 
bezeichnete  Strecke  viele  störende  Krümmungen  und  mangelhafte  Tiefe.  1873 
und  1881  wurden  Entwürfe  zum  Ausbau  aufgestellt,  aber  wegen  der  Ein- 
sprüche der  angrenzenden  Landwirte  nicht  zur  Ausführung  gebracht.  In  der 
Zeit  von  1891  bis  1897  wurde  schließlich  ein  anderer  Entwurf  ausgeführt, 
wobei  4  Stauanlagen  errichtet  wurden,  die  jedoch  nicht  den  Zweck  hatten, 
der  Schiffahrt  die  nötige  Wassertiefe  zu  sichern,  sondern  vielmehr  im  Winter  zur 
Überflutung  der  Wiesen  dienen  sollten.  Der  Flußlauf  wurde  vertieft  und  gerade 
gelegft  und  bei  gemitteltem  Niedrigwasser  ist  eine  Mindesttiefe  von  etwa  i  m 
erreicht  worden.  In  dem  trockenen  Sommer  191 1  war  noch  eine  geringste 
Fahrwassertiefe  von  0,85  m  vorhanden.  Die  von  den  Schiffen  nur  ausnahms- 
weise bei  aufgerichtetem  Stau  benutzten  Schleusen  erhielten  eine  nutzbare 
Kammerlänge  von  57,4  m  und  eine  Breite  von  9,6  m;  nur  eine  wurde  nach 
der  Art  der  älteren  Schleusen  im  sogenannten  Oder-Spree-Kanal  mit  59  m 
Kammerlänge  und  einer  Torweite  von  8,6  m  erbaut.  Alle  Schleusen  können 
entweder  ein  großes  Schiff  von  55  m  Länge  und  8  m  Breite  oder  2  Schiffe 
von  Finowmaß  aufnehmen. 

Die  untere  Netzestrecke  bis  Zantoch  ist  durch  weiteren  Ausbau  auf  eine 
Tiefe  von  etwa  1,2  m  bei  gemitteltem  Niederwasser  gebracht  worden,  während 
in  der  oberhalb  gelegenen,  etwas  tieferen  stillen  Netze  seit  1888  eine  Reihe 
von  Durchstichen  zur  Ausführung  kam.  Die  Strecke  vom  Bromberger  Kanal 
bis  zur  Dragemündung  wurde  infolge  der  Durchstiche  um  rund  30  km  ver- 
kürzt, wodurch  die  Schiffahrt  viel  gewönnen  hat. 

In  das  Wasserstraßengesetz  von  1905  ist  auch  die  Verbesserung  der  Oder- 
Weichsel- Wasserstraße  aufgenommen  worden,  die  durchweg  für  den  Verkehr 
von  400  t-Schiffen  (55  m  lang  und  8  m  breit)  ausgebaut  werden  soll.  Der 
Ausbau  der  unteren  »freien«  Netze  soll  in  bisher  geübter  Weise  fortgeführt 
werden,  während  die  »lebhafte«  Netze  durch  Einschiebung  von  etwa  4  neuen 
Staustufen    fiir    die    Schiffahrt    vollständig    aufgestaut   werden    wird.     In    der 


208  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

> stillen«  Netze  sollen  neben  anderen  Verbesserungen  die  beiden  bestehenden 
Staustufen  bei  Bielawy  und  Gromaden  (S.  45)  für  die  größeren  Schiffsab- 
messungen  umgebaut  und  außerdem  unterhalb  Gromaden  eine  neue  Staustufe 
errichtet  werden. 

Der  Bromberger  Kanal  erfahrt  jetzt  einen  vollständigen  Umbau. 
Er  wird  durchweg  eine  Mindesttiefe  von  2  m  erhalten  und  eine  Breite,  die  für 
den  Verkehr  mit  8  m  breiten  Schiffen  ausreicht.  Die  Scheitelhaltung  soll  ge- 
senkt und  eine  Erneuerung  aller  9  Schleusen  für  die  größeren  Schiffsabmes- 
sungen vorgenommen  werden.  Bei  der  Aufstellung  des  endgültigen  Entwurfs 
für  den  Umbau  der  Brahetreppe  in  Bromberg  hat  es  sich  als  zweckmäßiger 
herausgestellt,  den  alten  Kanal,  abwärts  von  der  Schleuse  VI  an,  ganz  zu  ver- 
lassen und  auf  der  Nordseite  in  einer  neu  zu  bauenden  Linie  mit  nur  2  Schleusen 
von  je  7,6  m  Gefalle  nach  der  Oberbrahe  hinabzusteigen,  die  durch  eine  neu  zu 
erbauende  Stadtschleuse  (S.  45)  mit  der  Unterbrahe  in  Verbindung  gesetzt  wird. 
(Der  Aufstau  der  Oberbrahe  erfolgt  wie  bisher  durch  die  Bromberger  Mühlen.) 
Diese  neue  Straße  wird  zwar  um  400  m  länger  als  die  alte,  für  den  Schiff- 
fahrtverkehr aber  wegen  der  Verminderung  um  3  Schleusen  günstiger  werden. 
Alle  neuen  Schleusen  werden  57  m  lang  und  g,6  m  breit  gemacht 

Die  Brahe.  Nur  die  Unterbrahe  von  der  Weichsel  bis  Bromberg  hat 
für  die  Schiffahrt  Bedeutung  (S.  137).  Um  eine  Fahrwassertiefe  von  1,4  m  zu 
erzielen,  hatte  man  den  Strom  mit  Buhnen  auf  26,5  m  Breite  eingeschränkt; 
aber  in  trockenen  Sommermonaten  war  die  Mindesttiefe  oft  nur  0,8  m.  Um 
eine  Verbesserung  des  Fahrwassers  und  gleichzeitig  einen  Schutz  für  das  von 
der  Weichsel  in  die  Brahemündung  eingebrachte  Floßholz  zu  erreichen,  wurde 
1874  ein  Entwurf  zum  künstlichen  Aufstau  des  Flusses  mit  2  Nadelwehren 
bei  Brahnau  und  Karlsdorf  und  zur  Anlage  eines  großen  Holzhafens  bei 
Brahemünde  aufgestellt.  Zum  Bau  des  letzteren  und  der  damit  verbundenen 
Hafenschleuse  (von  60  m  Kammerlänge  und  9  m  Torweite)  bildete  sich  eine 
Aktiengesellschaft.  (Nachdem  diese  durch  die  erhobenen  Abgaben  ihre  Bau- 
kosten getilgt  hatte  [1898J,  gingen  Hafen  und  Schleuse  in  das  Eigentum  des 
Staats  über.) 

Alle  Arbeiten  wurden  in  der  Zeit  von  1877  bis  1879  fertig  gestellt.  Bei 
einer  Fahrwasserbreite  von  30  m  wurde  eine  Mindesttiefe  von  1,8  m  erreicht. 
Die  Schleuse  Karlsdorf  erhielt  eine  Länge  von  56  m  und  eine  Breite  von 
6,1  m. 

Als  sich  am  Anfang  dieses  Jahrhunderts  das  Bedürfnis  zu  einer  Erwei- 
terung des  Holzhafens  und  der  geschützten  Holzlagerplätze  herausstellte,  wurde 
in  den  Jahren  1903  bis  1905  der  Stau  von  Brahnau  so  weit  erhöht,  daß  der 
Spiegel  der  unteren  Haltung  den  der  oberen  Haltung  erreichte  und  der  Stau 
von  Karlsdorf  überflüssig  wurde.  Das  Wehr  und  die  Schleuse  daselbst  wurden 
daher  beseitigt  (1910). 

Pregel.  Die  Einschränkungswerke  sind  in  der  unteren  Strecke  zwischen 
Königsberg  und  der  Deimemündung  bei  Tapiau  (45  km)  fortgesetzt  worden, 


3-  Die  preußischen  Kanalbauten.  209 

sodaß  die  Normalbreite  bis  Zimmau  56,5  m,  von  da  bis  zur  Deime  47  m 
beträgt  und  bei  gemitteltem  Niedrigwasser  eine  Mindesttiefe  von  1,5  m  er- 
reicht worden  ist  (S.  140J.  In  der  Deime  sind  seit  1882  mehrere  Durchstiche  aus- 
geführt worden,  sodaO  ihre  Länge  bis  zum  Kurischen  Haffe  37  km  bei  1,3  m 
Tiefe  bei  gemitteltem  Niedrigwasser  beträgt.  Zwischen  Tapiau  und  der  Alle- 
mündung bei  Wehlau  (25  km)  ist  durch  weitere  Einschränkung  in  den  achtziger 
Jahren  bei  diesem  Wasserstande  eine  Tiefe  von  etwa    i  m  erreicht  worden. 

Im  Oberpregel,  zwischen  Wehlau  und  Insterburg  (50  km),  ist  bei 
Bubainen  der  dort  seit  1721  bestehende  Mühlenstau  im  Jahre  1887  nebst 
der  Schleuse  beseitigt  worden.  Aber  die  bisher  ausgeführten  Verbesse- 
rungsbauten haben  bei  niedrigen  Wasserständen  in  dieser  Stromstreke  nur 
eine  Wassertiefe  von  0,6  m  schaffen  können.  Seit  1890  sind  mehrere  Ent- 
würfe zum  künstlichen  Aufstau  aufgestellt,  aber  nicht  ausgeführt  worden. 
Im  Jahre  191 1  hat  die  Staatsregierung  von  neuem  die  Frage  untersuchen 
lassen. 

3.  Die  preußischen  Kanalbauten.  Von  allen  Kanalentwürfen  in 
Preußen  ist  die  Verbindung  des  Rheins  mit  der  Elbe  von  jeher  als  wichtigste 
Linie  anerkannt  worden.  Trotz  der  Verstaatlichung  der  Eisenbahnen  wurde 
die  Ausführung  dieses  »Mittellandkanals«  von  der  preußischen  Staatsregierung 
unter  Bismarcks  Führung  mit  ganzem  Ernst  erstrebt,  als  im  Jahre  1882  dem 
Landtage  eine  Denkschrift  über  »die  geschäftliche  Lage  der  preußischen 
Kanalprojekte  (S.  172)«  und  gleichzeitig  ein  Gesetzentwurf  »betreffend  den 
Bau  eines  SchifTahrtkanals  von  Dortmund  über  Henrichenburg,  Münster,  Be- 
wergern,   Dörpen  nach  der  unteren  Ems«  vorgelegt  wurde. 

Diese  Kanallinie  lag  von  Henrichenburg  bis  Bewergern  im  Zuge  des 
Mittellandkanals  und  sollte  nach  der  amtlichen  Begründung  »zwischen  den 
rheinisch -westfälischen  Kohlengebieten  und  den  Nordseehäfen  sich  dem  ur- 
sprünglichen Entwurf  anfügen,  andrerseits  mit  diesem  zusammen  ein  unent- 
behrliches Glied  des  jetzigen  und  künftigen  Netzes  der  preußischen  und  deut- 
schen Wasserstraßen  bilden.« 

Dank  der  Tätigkeit  der  Kanalvereine  herrschte  damals  in  ganz  Deutsch- 
land und  besonders  in  Preußen  eine  dem  Bau  des  Mittellandkanals  gün- 
stige Stimmung.  Wenn  trotzdem  die  preußische  Regierung  im  Landtage 
keine  Vorlage  fiir  diesen,  sondern  nur  für  einen  Teil  davon  mit  der  Richtung 
zu  den  Nordseehäfen  einbrachte,  so  lag  der  Grund  besonders  darin,  daß  sie 
den  aus  den  Kreisen  der  konservativen  Partei  befürchteten  Widerstand  gegen 
den  Mittellandkanal  mit  diesem  Kanäle  zuerst  und  am  leichtesten  zu  über- 
winden hoffte.  Ob  dies  Vorgehen  zweckmäßig  war  oder  ob  die  Vorlage  des 
ganzen  Mittellandkanals  damals  erfolgreich  gewesen  wäre,  läßt  sich  heute 
schwer  beurteilen:  Wir  begnügen  uns  mit  der  Mitteilung  der  Tatsachen. 

Der  erwähnte  Widerstand  hatte  seine  Ursache  in  der  am  Anfang  der 
achtziger  Jahre  nicht  nur  in  Preußen  und  Deutschland,  sondern  gleichzeitig 
fast  in  allen  europäischen  Kulturstaaten  entstandenen  »Agrarkrisis«,  wenn  wir 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  I^. 


210  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

mit  diesem  Wort  die  berechtigten  und  unberechtigten  Bestrebungen  zur 
Hebung  des  landwirtschaftlichen  Gewerbes  zusammenfassen.  Der  Ertrag  der 
Landwirtschaft  in  diesen  Staaten  und  besonders  im  östlichen  Deutschland 
(wegen  der  mangelhaften,  veralteten  Bewirtschaftungsart  der  großen  Land- 
güter) ging  infolge  des  Wettbewerbs  der  überseeischen  Länder,  der  durch 
die  großartige  Entwicklung  der  Seeschiffahrt  bedeutend  erleichtert  war,  zweifel- 
los zurück.  Die  davon  Betroffenen  wollten  aber  nicht  einsehen,  daß  die 
Ursache  in  den  veränderten  Verhältnissen  des  Weltmarkts  lag,  glaubten  viel- 
mehr, den  Wirkungen  durch  die  Bekämpfung  der  modernen  Verkehrsmittel, 
so  weit  sie  dem  freien  Wettbewerb  offen  standen,  entgegenarbeiten  zu  können: 
durch  Umwälzungen  in  der  Geldwährung,  durch  Erschwerung  des  Börsen- 
handels und  vor  allen  Dingen  durch  Verhinderung  von  neuen  billigen  Ver- 
kehrswegen im  eigenen  Lande,  also  von  Kanälen.  Man  kam  dabei  allmählich 
zu  einer  gewissen  Verbitterung  gegen  den  aufblühenden  Handel  und  das 
Großgewerbe.  Diese  Stimmung  übertrug  sich  auf  die  ganze  damals  schon  im 
Abgeordnetenhause  vorherrschende  konservative  Partei  und  zum  Teil  auch  auf 
das  Zentrum,  soweit  dessen  Nebenabsichten  es  vorteilhaft  erscheinen  ließen*). 

Es  ist  bezeichnend  dafür,  daß  die  Kanalvorlage  vom  24.  März  1882 
während  der  Frühjahrstagung  des  Landtags  gar  nicht  auf  die  Tagesordnung 
gesetzt  wurde.  Im  Dezember  legte  die  Regierung  den  Entwurf  wieder  vor 
und  erklärte  dabei  ausdrücklich,  daß  dieser  Kanal  nur  als  ein  vorläufiger  Teil 
des  großen  Mittellandkanals  anzusehen  wäre.  Es  kam  im  Februar  1883  zur 
ersten  Beratung.  Die  Konservativen  scheuten  sich,  der  von  Bismarck  ge- 
leiteten Regierung  offen  gegenüber  zu  treten  und  überließen  den  Angriff  auf 
die  Vorlage  ihren  Gesinnungsgenossen  vom  Zentrum  (v.  Schorlemer-Alst). 
Die  gegen  den  Kanal  angeführten  Gründe  waren  zum  Teil  ehrlich  gemeint, 
nämlich,  daß  man  nicht  auf  Kosten  der  Allgemeinheit  die  westfälische  In- 
dustrie unterstützen  wollte,  die  allein  von  diesem  Kanal  Vorteil  haben  würde, 
und  daß  dieser  durch  die  erleichterte  Einfuhr  von  ausländischem  Getreide  und 
Holz  für  die  preußische  Landwirtschaft  nachteilig  wäre.  Andrerseits  wurden 
Scheingründe  vorgebracht  und  besonders  immer  wieder  betont,  daß  man  eine 
Schädigung  der  Staatseisenbahnen  befürchtete.  Daß  dies  nur  ein  Scheingrund 
war,  ergibt  sich  daraus,  daß  dieselben  Agrarier  ohne  Bedenken  stets  für  den 
Bau  von  sehr  wenig  einträglichen  Nebeneisenbahnen  in  den  östlichen  Pro- 
vinzen gestimmt  haben,  wenn  sie  für  die  Landwirtschaft  vorteilhaft  waren. 

Die  zur  Prüfung  des  Gesetzentwurfs  gewählte  Kommission  beschloß,  den 
Kanal  abzulehnen  und  verlangte  auf  den  Antrag  v.  Schorlemers,  daß  die  Re- 
gierung einen  neuen  Entwurf  für  den  ganzen  Mittellandkanal  mit  einer  Ab- 
zweigung nach  Emden  vorlegen  sollte').   Das  Abgeordnetenhaus  folgte  seiner 


1)  V.  Eynern,  20  Jahre  Kanalkämpfe.     Berlin  1901. 

2)  Diesen  Antrag  v.  Schorlemers  nannte  dessen  Parteifreund  Windhorst,  der  aus  Rücksicht 
auf  seinen  Wahlkreis  Meppen  für  den  Kanal  war,  in  recht  bezeichnender  Weise  »eine  einge- 
wickelte Dynamitpatrone<. 


3-  Die  preußischen  Kanalbauten.  211 

Kommission  nicht,  sondern  nahm  das  Gesetz  mit  228  gegen  iii  Stimmen 
an.  Dagegen  stimmten  die  Konservativen,  ein  Teil  des  Zentrums  und  die 
Fortschrittspartei  mit  Ausnahme  von  Richter. 

Zur  allgemeinen  Verwunderung  und  wohl  nur  infolge  eines  Zufalls  wurde 
das  Gesetz  im  Herrenhause  mit  70  gegen  45  Stimmen  abgelehnt.  Die  Mehr- 
heit schloß  sich  der  Ansicht  v.  Stumms  an,  der  sich  grundsätzlich  gegen  den 
Bau  von  Kanälen  erklärte.  Merkwürdigerweise  nahm  das  Haus  aber  einen 
Antrag  an,  daß  die  Regierung  einen  Entwurf  für  einen  großen  durchgehen- 
den Kanal  vom  Osten  bis  zum  Westen  des  Staats  vorlegen  sollte. 

Die  Angelegenheit  ruhte  bis  zum  Mai  1886.  Da  legte  die  Regierung 
(v.  Maybach)  das  Gesetz  von  neuem  vor  und  außerdem,  um  gleichzeitig  etwas 
für  Schlesien  zu  tun,  den  Entwurf  zum  Ausbau  der  Spree-Oder-Wasser- 
straße (des  sogenannten  Oder-Spree-Kanals,  S.  204).  Sie  erklärte  ferner,  in 
nächster  Zeit  auch  ein  Gesetz,  betreffend  die  Kanalisierung  der  oberen  Oder, 
vorlegen  zu  wollen.  Aus  den  Verhandlungen  war  namentlich  die  Erklärung 
des  Führers  der  konservativen  Partei,  v.  Rauchhaupt,  bemerkenswert,  daß 
seine  Partei  einmütig  für  den  Oder-Spree-Kanal  stimmen  werde,  über  den 
Dortmund-Ems-Kanal  geteilter  Meinung  wäre,  aber  unter  allen  Umständen 
gegen  den  Mittellandkanal  stimmen  würde,  weil  dieser  die  Staatseisenbahnen 
schädigen  könnte. 

Das  Gesetz  für  den  Bau  der  beiden  ersten  Wasserstraßen  wurde  darauf 
vom  Landtage  angenommen.  Gleichzeitig  wurde  die  Regierung  ersucht,  den 
Entwurf  fiir  den  ganzen  Mittellandkanal  und  für  die  Kanalisierung  der  oberen 
Oder  vorzulegen. 

Zur  Erschwerung  des  Dortmund-Ems-Kanals  war  schon  im  Jahre  1883 
der  Zentrumsantrag  angenommen  worden,  daß  mit  dem  Bau  erst  begonnen 
werden  dürfte,  wenn  von  den  Beteiligten  der  erforderliche  Grund  und 
Boden  mit  allen  Nebenkosten  dem  Staate  zur  Verfugung  gestellt  sein  würde. 
Diese  Forderung  wurde  zum  ersten  Male  gestellt  und  ist  später  allge- 
mein üblich  geworden,  wenngleich  sie  von  verschiedenen  Seiten,  besonders 
von  der  nationalliberalen  Partei,  als  unberechtigt  bekämpft  worden  ist.  Im 
vorliegenden  Falle  wurde  die  Forderung  zunächst  von  den  Beteiligten,  be- 
sonders von  den  Provinzialverbänden  Westfalen  und  Hannover  abgelehnt, 
weU  sie  den  Umfang  der  Kosten  nicht  übersehen  könnten.  Die  Regierung 
brachte  daher  im  Jahre  1888  gleichzeitig  mit  der  Vorlage  zur  Kanalisie- 
rung der  oberen  Oder  (S.  190)  ein  Gesetz  ein  über  die  Bewilligung  eines 
Zuschusses  zu  den  Grunderwerbskosten  des  Dortmund-Ems-Kanals.  Beide 
Gesetze  wurden,  trotz  der  von  einzelnen  Konservativen  gemachten  Schwierig- 
keiten, zusammen  verabschiedet  und  im  Jahre  1890  konnte  mit  dem  Bau  des 
Dortmund-Ems-Kanals  begonnen  werden.  Die  Bauarbeiten  dauerten 
bis  1899. 

Vom  Hafen   Dortmund   erreicht  der  Kanal   nach    1 5  km  das  Schiff  hebewerk   bei   Hen- 
richenburg und  fällt  hier  14  m  hinunter.     Nach  Vereinigung  mit   dem   von  Herne  kommenden 

14* 


212  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

II  km  langen  Zweigkanal  reicht  diese  Kanalhaltung  bis  zur  Schleuse  Münster  (56  km),  womit 
einem  Fall  von  6,2  m  die  zweite  lange  Haltung  von  37  km  folgt.  An  ihrem  Ende  beginnt  der 
Abstieg  zur  Ems,  die  durch  7  Schleusenstufen  mit  einem  Gesamtgefälle  von  28,7  m  in  einer 
Entfernung  von  rund  30  km'  bei  Glesen  erreicht  wird.  Unter  Benutzung  des  alten  Hanekenkanals 
[S.  115)  ist  der  neue  Kanal  als  Seitenkanal  bis  Meppen  geführt.  In  dieser  27  km  langen  Strecke 
(von  Glesen)  fallt  der  Kanal  in  3  Stufen  um  zusammen  10,7  m.  Von  Meppen  aus  folgt  die 
Wasserstraße  der  Ems,  die  bis  Herbrum  (49  km)  in  5  Stufen  künstlich  aufgestaut  ist.  Hier  ist 
die  Grenze  von  Ebbe  und  Flut.  In  dem  durch  Ausbau  verbesserten  Emsbette  geht  die  Wasser- 
straße bis  Oldersum  (45  km),  von  wo  binnendeichs  eine  1 1  km  lange,  an  beiden  Enden  mit 
Schleusen  abgeschlossene  Kanalstrecke  zum  Binnenhafen  von  Emden  führt.  Die  Entfernung 
von  Dortmund  bis  Emden  beträgt  rund  270  km. 

Die  Wasserstraße  ist  für  den  Verkehr  von  600  t- Schiffen  (65  m  lang  und  8  m  breit) 
mit  einem  Tiefgang"  von  1,75  m  eingerichtet  worden.  Der  trapezförmige  Kanalquerschnitt  hat 
18  m  Sohlenbreite  und  2,5  m  Wassertiefe.  Die  Krümmungen  haben  im  allgemeinen  einen  Halb- 
messer von  mindestens  500  ni,  ausnahmsweise  350  m  und  sogar  200  m.  Die  oberen  8  Schleusen 
bis  zur  Ems  sind  einschiffig,  67  m  lang  und  8,6  m  breit,  während  die  folgenden  9,  die  aus  der 
Ems  gespeist  werden,  als  Schleppzugschleusen  mit  165  m  langen  und  10  m  breiten  Kammern 
angeordnet  sind,  so  daß  sie  einen  Schleppzug  von  einem  Schleppdampfer  mit  2  Lastschiffen 
aufnehmen  können.  Die  beiden  Schleusen  im  Kanal  von  Oldersum  sind  100  m  lang  und  10  m 
breit,  während  der  Trog  im  Schiffhebewerk  Henrichenburg  70  m  lang  und  8,8  m  breit  ist.  Die 
Speisung   der   oberen  Haltungen  des  Kanals   erfolgt  durch  Dampfpumpw^erke   aus  der  Lippe. 

Der  grundsätzliche  Widerstand  der  konservativen  Partei  gegen  neue 
Wasserstraßen  (wenn  sie  sich  nicht  gerade  in  den  östlichen  Provinzen  be- 
fanden) kam  auch  im  Jahre  1894  bei  der  Vorlage  des  Elbe-Trave-Kanals 
im  Landtage  zur  Erscheinung.  Die  freie  Hansestadt  Lübeck  hatte  seit  langer 
Zeit  sich  von  der  Notwendigkeit  überzeugt,  den  alten  Stecknitzkanal  (S.  28) 
zu  einer  zeitgemäßen  Wasserstraße  mit  großen  Abmessungen  umzubauen, 
wenn  ihr  Handel  und  der  Verkehr  in  ihrem  Seehafen  nicht  ganz  durch  Ham- 
burg unterdrückt  werden  sollte,  zumal  dieser  Hafen  durch  den  seit  1887  '"i 
Bau  begriffenen  Kaiser- Wilhelm-Kanal  voraussichtlich  auch  den  Ostseehandel 
immer  mehr  an  sich  ziehen  würde.  Seit  dem  Jahre  1878  waren  verschiedene 
Entwürfe  aufgestellt  worden,  die  von  Lauenburg  an  der  Elbe  im  Tal  der 
Delwenau  eine  Linie  durch  den  Ratzeburger  See  und  die  Wackenitz  in  Aus- 
sicht genommen  hatten.  Diese  Kanallinie  war  aber  wegen  der  Weigerung 
der  mecklenburgischen  Regierung,  die  Speisung  der  Scheitelstrecke  aus  dem 
Schalsee  zu  gestatten,  unausführbar  geworden  und  der  Wasserbaudirektor 
Rehder  machte  daher  (1892)  einen  neuen  Entwurf,  der  die  Richtung  der 
alten  Stecknitzfahrt  beibehielt.  Von  der  gesamten  Länge  des  neuen  Kanals 
von  67  km  sollten  etwa  52  km  in  Preußen  liegen  und  nach  dem  zwischen 
beiden  Staaten  vereinbarten  Vertrage  von  1893  wollte  Lübeck  die  ganze  Bau- 
ausführung übernehmen,  wenn  Preußen  einen  einmaligen  Beitrag  von  7,5  Mil- 
lionen Mark  (etwa  ein  Drittel  der  Baukosten)  leisten  würde. 

Die  Agrarier  in  Preußen  waren  damals  wegen  des  vom  Reichskanzler 
V.  Caprivi  im  Jahre  1892  mit  Rußland  abgeschlossenen  Handelsvertrags  in 
besonders  schlechter  Stimmung  und  zeigten  das  bei  dieser  Gelegenheit  wie- 
der im  Abgeordnetenhause,  indem  sie  diese  Vorlage  bekämpften,  sich  wieder 
gegen  Kanäle   überhaupt  erklärten  und  besonders  die  neue  Forderung  auf- 


3.  Die  preußischen  Kanalbauten. '  213 

Stellten,  daß  neue  Kanäle  künftig  auch  das  Anlagekapital  verzinsen  müßten. 
Das  Gesetz  wurde  aber  schließlich  in  beiden  Häusern  angenommen. 
Der  Bau  des  Kanals  wurde  1896  begonnen  und  1900  beendet. 

Der  Kanal  steigt  von  der  Trave  in  Lübeck  dem  Laufe  der  Stecknitz  folgend  (26,4  km) 
mit  5  Schleusen  von  zusammen  etwa  12  m  Gefälle  zur  rund  30  km  langen  Scheitelhaltung,  die 
/um  Teil  im  Bette  der  Delwenau  liegt  und  aus  den  Möllner  Seen  gespeist  wird.  Der  II  km 
lange  Abstieg  zur  Elbe  bei  Lauenburg  erfolgt  durch  2  Schleusen  von  zusammen  etwa  7  m 
Gefälle  bei  gewöhnlichem  Wasserstande.  Die  Länge  des  Kanals  zwischen  den  beiden  End- 
schleusen beträgt  56,6  km.  Der  Kanalquerschnitt  ist  vorläufig  mit  22  m  Sohlbreite  und 
2  m  Mindesttiefe  ausgeführt;  jedoch  hat  die  Scheitelhaltung  schon  eine  Tiefe  von  2,5  m  er- 
halten. Der  kleinste  Krümmungshalbmesser  des  Kanals  beträgt  600  m.  Die  Schleusen  haben 
eine  Nutzlänge  von  80  m,  eine  Kammerweite  (auf  59  m  Länge)  von  17  m  und  eine  Torweite 
von  12  m;  sie  können  entweder  einen  Schleppzug  von  einem  Schleppdampfer  mit  2  Kanal- 
schi'ffen  von  je  65  m  Länge  und  8  m  Breite  oder  ein  großes  Eibschiff  von  79,5  m  Länge  und 
II ,6  m  Breite  aufnehmen. 

In  demselben  Jahre  1894  legte  die  Regierung  einen  Gesetzentwurf,  be- 
treffend die  Fortführung  des  Dortmund-Ems-Kanals  von  Dortmund  bis 
zum  Rhein  und  die  Herstellung  eines  Zweig-  und  Seitenkanals  an  der  Lippe, 
von  Datteln  bis  Hamm,  dem  Landtage  vor.  Dieser  Kanal  sollte  eine  zweite 
Abteilung  des  großen  Mittellandkanals  darstellen  und  dem  Rhein  gewisser- 
maßen eine  neue  deutsche  Mündung  durch  die  Ems  bei  Emden  geben.  Bei 
dem  grundsätzlichen  Widerstand  der  Agrarier  war  es  nicht  zu  verwundern, 
daß  die  Vorlage  abgelehnt  wurde.  Die  Konservativen  erklärten  sich  offen 
dagegen  unter  Wiederanfuhrung  der  bekannten  Gründe  und  anderer  halt- 
loser, selbst  technischer  Einwendungen.  Außer  ihnen  stimmte  auch  die  Hälfte 
des  Zentrums  und  die  freisinnige  Partei  dagegen,  die  letztere,  weil  sie  endlich 
die  Vorlegung  des  ganzen  Mittellandkanals  wünschte.  Es  wurden  152  Stimmen 
dagegen,  116  dafür  abgegeben.  Aus  den  Verhandlungen  ist  bemerkenswert, 
daß  der  Finanzminister  Miquel  besonders  die  Befürchtungen  hinsichtlich  der 
Schädigung  der  Staatseisenbahnen  zu  zerstreuen  suchte,  und  daß  die  kon- 
servative Partei  zur  weiteren  Bedrückung  der  aufblühenden  Binnenschiffahrt 
damals  wohl  zum  ersten  Male  die  Erhebung  von  Abgaben  auf  den  natür- 
lichen Wasserstraßen  verlangte  (S.  195). 

Der  Widerspruch  und  der  Widerstand  der  Agrarier  gegen  die  Kanal- 
vorlage wuchs  seitdem  immer  mehr.  Mit  welcher  Rücksichtslosigkeit  sie 
damals  vorgingen,  beweist  z.  B.  eine  von  dem  Führer  des  1893  gegründeten 
Bundes  der  Landwirte  in  Leipzig  im  Juli  1898  öffentlich  abgegebene  Erklä- 
rung, daß  die  Ablehnung  der  Kanalvorlage  von  1894  die  erste  Quittung  für 
die  Annahme  des  russischen  Handelsvertrags  sei. 

Im  März  1899  entschloß  sich  die  Regierung  endlich,  ein  Gesetz  über  die 
Herstellung  des  ganzen  Mittellandkanals  vom  Rhein  bis  zur  Elbe  dem 
Landtage  vorzulegen.  Obwohl  Kaiser  Wilhelm  IL  großen  Wert  auf  die  Durch- 
bringung  des  Gesetzes  legte  und  die  Vertreter  der  Regierung,  der  Reichs- 
kanzler Fürst  Hohenlohe,  die  Minister  v.  Thielen  und  v.  Miquel  und  der  Oberst 
Budde  vom  großen  Generalstabe  sich  alle  Mühe  gaben,  wurde  die  Vorlage 


214  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

nach  langen  Kämpfen  im  Abgeordnetenhause  mit  275  gegen  134  Stimmen 
abgelehnt. 

Diese  Ablehnung  war,  wie  Richter  sagte,  eine  Kraftprobe  der  Agrarier 
oder  nach  dem  Ausspruch  v.  Eynerns  eine  Machtprobe  der  Konservativen 
gegenüber  dem  Königtum,  um  zu  beweisen,  daß  man  in  Preußen  ohne  die 
Konservativen  nicht  regieren  könnte. 

Sachlich  wurden  neue  Gründe  von  Bedeutung  nicht  dagegen  angeführt; 
aber  man  verlangte  Entschädigungen  für  andere  Landesteile,  besonders  eine 
Verbesserung  der  Oderwasserstraße  für  Schlesien,  den  Ausbau  der  unteren 
Lippe,  einen  Küsten kanal  nach  der  unteren  Elbe,  Verbesserungen  an  der 
Weichsel,  an  der  Mosel  usw.,  sogar  eine  Entschädigung  fiir  die  sächsischen 
Braunkohlengruben.  Das  alles  war  aber  nicht  ernst  gemeint,  ebensowenig  wie 
eine  Studienreise  der  Kommission  nach  den  Baustellen  des  Dortmund-Ems- 
Kanals;  denn  man  wollte  die  Vorlage  ablehnen  und  lehnte  sie  im  August 
1899  ab.  Die  Maßregelung  von  20  Abgeordneten,  die  höhere  politische  Ämter 
bekleideten,  erwies  sich  als  ein  Schlag  ins  Wasser. 

In  der  Thronrede  von  1900  erklärte  der  König,  daß  die  Regierung  an  dem 
Mittellandkanäle  festhalte  und  den  Entwurf  im  Verein  mit  Vorschlägen  zu 
anderen  Schiffahrtverbindungen  und  zur  Verbesserung  der  Vorflut  an  den 
natürlichen  Wasserstraßen  von  neuem  vorlegen  werde. 

Bei  den  Verhandlungen  im  Abgeordnetenhause  gelegentlich  einer  An- 
frage an  die  Regierung  wegen  einer  neuen  Wasserstraße  von  Berlin  nach 
Stettin  zeigte  sich  mit  erschreckender  Klarheit,  wie  die  agrarische  Mehrheit 
nur  auf  den  eigenen  Vorteil  und  den  ihrer  Wahlkreise,  namentlich  im  Osten, 
bedacht  war.  Einen  solchen  Kanal  hielten  die  pommerschen  Konservativen 
nicht  für  ein  »Einfalltor  für  ausländisches  Getreide«,  sondern  befürworteten 
ihn.  Ebenso  wünschten  sie  die  Verbesserung  der  Oder  und  der  Wasser- 
straßen zur  Weichsel  sowie  den  masurischen  Kanal:  Für  diese  Wasserstraßen 
im  Osten  erwärmten  sie  sich  und  scheuten  sich  nicht,  dabei  ausdrücklich  zu 
erklären,  daß  der  Mittellandkanal  aufgeschoben  werden  könnte. 

Am  4.  Februar  1901  brachte  der  Reichskanzler  v.  Bülow  die  angekündigte 
große  wasserwirtschaftliche  Vorlage,  die  außer  dem  Mittellandkanal 
einen  neuen  Großschiffahrtweg  Berlin-Stettin,  die  Verbesserung  der  Wasser- 
straße von  der  oberen  Oder  nach  Berlin,  die  Verbesserung  der  Oder-Weichsel- 
Wasserstraße  und  außerdem  die  Verbesserung  der  Vorflut  an  der  unteren 
Oder,  an  der  unteren  Havel  und  an  der  oberen  Spree  enthielt.  Man  sieht: 
Das  Land  östlich  der  Elbe  sollte  reich  bedacht  und  beglückt  werden,  um  die 
Zustimmui^  der  Konservativen  zum  Mittellandkanal  zu  erhalten.  Aber  auch 
das  war  vergebens;  denn  diese  erklärten  von  vornherein,  daß  die  Fragen  der 
Vorflut  und  der  Schiffahrt  besonders  behandelt  werden  müßten,  und  daß  sie 
gegen  den  Mittellandkanal  die  früheren  Bedenken  hinsichtlich  der  Schädigung 
der  Staatseisenbahnen  hätten.  Es  klang  fast  lächerlich,  daß  gegenüber  den 
beruhigenden  Erklärungen  des  Finanzministers  v.  Miquel  diese  Bedenken  von 


3.  Die  preußischen  Kanalbauten.  215 

dem  Abgeordneten  v.  Zedlitz  aufrecht  erhalten  wurden.  Die  Kommission 
tagte  bis  zum  Mai  in  zwanzig  Sitzungen;  aber  es  kam  zu  keiner  Einigung. 
Die  Ostelbier  wollten  nur  die  für  sie  vorteilhaften  Stücke  ans  der  Vorlage 
herausnehmen.  Im  übrigen  machten  die  Konservativen  wieder  Vorschläge 
für  einen  Küstenkanal  und  für  einen  Kanal  von  Ruhrort  (oder  Wesel)  nach 
der  unteren  Ems,  um  dem  Rhein  eine  neue  deutsche  Mündung  zu  geben. 
Das  Zentrum  verlangte  die  Kanalisierung  von  Mosel  und  Saar.  Beide  Par- 
teien waren  aber  in  betreff  der  Ablehnung  des  Mittellandkanals  einig.  Unter 
diesen  Umständen  schloß  die  Regierung  die  Sitzung  des  Landtags,  bevor  es 
in  der  Kommission  zur  Abstimmung  kam:  v.  Bülow  erklärte,  daß  die  Vorlage 
ein  Ganzes  bildete,  aus  dem  wesentliche  Bestandteile  ohne  Beeinträchtigung 
allgemeiner  wirtschaftlicher  Interessen  nicht  ausgeschaltet  werden  könnten; 
nach  dem  Gange  der  Verhandlungen  wäre  eine  Verständigung  ausgeschlossen, 
mithin  auch  die  Fortsetzung  der  Beratungen  zwecklos. 

Angesichts  dieser  beiden  Niederlagen  der  Regierung  fragt  man  sich, 
warum  damals  nicht  zu  dem  Mittel  der  Landtagauflösung  und  zur  Anordnung 
neuer  Wahlen  geschritten  wurde,  die  nach  der  Stimmung  im  Volke  voraus- 
sichtlich zu  einer  anderen  Mehrheit  im  Abgeordnetenhause  gefuhrt  haben 
würden.  Die  Antwort  ist:  Gegen  die  konservative  Partei  regiert  man  nicht 
in  Preußen.  Es  ist  erstaunlich,  wie  man  nicht  nur  in  den  Kreisen  der 
Agrarier,  sondern  auch  in  denen  der  Regierung  sich  über  die  innere  tiefere 
Bedeutung  dieser  Kanalkämpfe  mit  der  Redewendung  hinwegzutäuschen  suchte, 
der  Widerstand  der  Konservativen  beträfe  nur  wirtschaftliche,  aber  nicht 
politische  Fragen'). 

Im  Jahre  1902  wurden  im  deutschen  Reichstage  die  für  die  Landwirtschaft 
vorteilhaften  neuen  Zollgesetze  beschlossen,  und  im  April  1904  legte  die 
preußische  Regierung  (Minister  Budde)  dem  Landtage  fünf  neue,  gesonderte, 
wasserwirtschaftliche  Gesetzentwürfe  vor.  Der  erste  betraf  die  Herstellung 
von  Wasserstraßen,  während  die  vier  anderen  sich  auf  die  Verbesserung 
der  Vorflut  an  der  Oder,  Havel  und  Spree  u.  dgl.  bezogen.  Die  letzteren 
wurden  zum  größeren  Teile  bereits  im  Sommer  1904  ohne  Bedenken  von 
konservativer  Seite  angenommen,  da  sie  in  der  Hauptsache  ostelbische  Wünsche 
der  Agrarier  befriedigten.  Glücklicherweise  fielen  gleichzeitig  auch  einige 
Brocken  für  die  Binnenschiffahrt  ab.  Besonders  das  mangelhafte  Fahrwasser 
der  unteren  Havel  (S.  202)  wurde  bei  dieser  Gelegenheit  gründlich  verbessert. 


i)  Die  Verbitterung  gegen  den  Mittellandkanal  war  in  den  konservativen  Kreisen  so  groß, 
daß  man  mangels  durchschlagender  Gründe  für  die  Ablehnung  zu  ganz  törichten  Entschuldigimgen 
griff.  Ein  bekannter  Redner  dieser  Partei  erklärte  z.  B.  dem  Verfasser:  Der  König  sei  nur 
darum  ftir  den  Kanal,  um  die  Binnenschiffahrt  zu  heben  und  aus  dieser  die  nötigen  Mannschaften 
für  die  Kriegsmarine  zu  gewinnen.  Bekanntlich  wurde  damals  von  dieser  Partei  auch  die 
Schaffung  der  Flotte  mit  ungünstigen  Blicken  angesehen. 

Eine  Schilderung  der  politischen  Vorgänge  bei  der  Vermehrung  der  preußischen  Wasser- 
straßen in  neuester  Zeit  ist  notwendig,  um  den  Unterschied  gegen  die  Politik  des  großen  Königs 
und  des  großen  Kurfürsten  festzustellen. 


216  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

Über  die  Einwirkung  der  betreflfenden  Gesetze  auf  die  Wasserstraße  der 
unteren  Oder  (S.  191)  und  der  oberen  Spree  (S.  205)  wurde  bereits  oben 
berichtet. 

Die  Wasserstraßenvorlage  unterschied  sich  von  dem  Gesetzentwurf 
des  Jahres  1901  besonders  dadurch,  daß  die  Kanalisierung  der  Oder  von  der 
Neißemündung  bis  Breslau  (S.  191)  hinzugefügt  und  aus  dem  Mittelland- 
kanal die  Strecke  von  Hannover  bis  zur  Elbe  fortgelassen  war. 
Der  Grundgedanke  des  Rhein -Weser-Elbe-Kanals  war  aufgegeben;  dafür 
wurde  der  Bau  einer  neuen  Wasserstraße  vom  Rhein  bis  zum  Dortmund-Ems- 
Kanal  bei  Herne  und  einer  Wasserstraße  vom  Dortmund-Ems-Kanal  bei  Bever- 
gern  bis  nach  Hannover  beantragt.  Ferner  waren  Ergänzungsbauten  am 
Dortmund-Ems-Kanal,  ein  Lippe-Seitenkanal  (zugleich  als  Speisekanal)  von 
Hamm  nach  Datteln,  Zweigkanäle  nach  Osnabrück,  Minden  und  Linden  sowie 
die  Kanalisierung  der  Weser  von  Minden  bis  Hameln  oder  die  Herstellung 
von  Staubecken  im  oberen  Wesergebiet  vorgesehen. 

Trotz  der  für  die  Landwirtschaft  vorteilhaften  Vorflutgesetze,  trotz  der 
neuen  Wasserstraßen  östlich  der  Elbe  und  trotz  der  Verstümmelung  des 
Mittellandkanals  fand  diese  Vorlage  noch  nicht  die  Zustimmung  der  konservativ- 
klerikalen Landtagsmehrheit.  Es  wurde  vielmehr  eine  Reihe  erschwerender 
Bedingungen  aufgestellt,  die  sämtlich  von  der  Regierung  angenommen  werden 
mußten.  Zunächst  wurde  erstrebt,  bei  dem  Bau  des  sogenannten  Rhein- 
Weser-Kanals  möglichst  viele  Vorteile  für  die  Landwirtschaft  zu  erreichen 
und  es  wurde  verlangt,  »daß  bei  der  Aufstellung,  Ausarbeitung  und  Aus- 
führung der  Pläne  die  Organe  der  landwirtschaftlichen  Verwaltung  mitzu- 
wirken haben.«  Ferner  wurde  die  Schiffbarmachung  der  Lippe  unterhalb 
des  Dortmund-Ems-Kanals  von  Datteln  bis  Wesel  und  oberhalb  von  Hamm 
aufwärts  bis  Lippstadt  durch  künstlichen  Aufstau  oder  durch  Seitenkanäle 
dem  Gesetzentwurf  hinzugefugt. 

Von  besonderer  Bedeutung  ist  der  §  18  des  Gesetzes:  »Auf  dem  Kanäle 
vom  Rhein  zur  Weser,  auf  dem  Anschluß  nach  Hannover,  auf  dem  Lippekanal 
und  auf  den  Zweigkanälen  dieser  Schiffahrtstraßen  ist  einheitlicher,  staat- 
licher Schleppbetrieb  einzurichten.  Privaten  ist  auf  diesen  Schiffahrtstraßen 
die  mechanische  Schlepperei  untersagt.  Zum  Befahren  dieser  Schiffahrtstraßen 
durch  Schiffe  mit  eigener  Kraft  bedarf  es  besonderer  Genehmigung.«  Bei 
der  Einführung  dieses  »Schleppmonopols«  lag  nicht  allein  die  Absicht  vor, 
den  technischen  Betrieb  des  Kanals  zu  verbessern;  die  Landtagsmehrheit  sah 
vielmehr  in  dieser  Einrichtung  ein  Mittel  für  den  Staat,  »seine  Eisenbahntarif- 
politik auf  den  Kanal  auszudehnen;  er  kann  wirtschaftlichen  Verschiebungen 
durch  ausgleichende  Tarifgestaltung  vorbeugen;  er  kann  bewirken,  daß  die 
Vorteile  der  Transportverbilligung  der  Allgemeinheit  zugute  kommen«.  Nach 
der  Ansicht  dieser  Landtagsmehrheit  waren  die  »wirtschaftlichen«,  d.  h.  die 
agrarischen  Zwecke  des  Schleppmonopols  am  wichtigsten. 

Während  diese  Bedingungen  für  die  Annahme  der  Gesetzvorlage  wenig- 


3-  Die  preußischen  Kanalbauten.  217 

stens  mit  dem  Bau  der  fraglichen  Wasserstraßen  zusammenhingen,  wurde 
die  letzte  und  schwerste  ganz  gewaltsam  damit  verbunden.  Sie  ist  in  dem 
§  19  ausgesprochen:  »Auf  den  im  Interesse  der  Schiffahrt  regulierten  Flüssen 
sind  Schiffahrtabgaben  zu  erheben«  (S.  213).  Obwohl  diese  Bestimmung 
gegen  Artikel  54  der  Reichsverfassung  verstieß,  wurde  sie  doch  von  beiden 
Häusern  des  Landtags  und  von  der  Regierung  angenommen. 

In  ähnlicher  Weise  wie  bei  dem  Dortmund-Ems-Kanal  (S.  211),  aber  in 
größerem  Umfange,  sind  bei  den  Kosten  für  die  Ausführung  des  Wasser- 
straßengesetzes die  Beteiligten  herangezogen  worden.  Damit  ist  endgültig 
der  Grundsatz  aufgegeben,  daß  öffentliche  Wasserstraßen  allein  auf  Staats- 
kosten gebaut  und  unterhalten  werden.  Der  Baubeginn  ist  davon  abhängig 
gemacht  worden,  daß  die  betreffenden  Provinzen  oder  andere  öffentliche  Ver- 
bände sich  verpflichteten,  den  durch  die  Kanalabgaben  nicht  gedeckten  Fehl- 
betrag der  jährlichen  Betriebs-  und  Unterhaltungskosten  dem  Staate  zu  er- 
statten und  außerdem  einen  Baukostenanteil  (von  '/g  oder  7«  der  Anschlag- 
summen) mit  3  V.  H.  zu  verzinsen  und  mit  7^  v.  H.  zu  tilgen,  falls  und 
soweit  die  Einnahmen  aus  den  Kanalabgaben  nach  Deckung  der  Betriebs-  und 
Unterhaltungskosten  dazu  nicht  ausreichen.  Die  Vertreter  dieser  »Garantie- 
verbände« werden  als  Finanzbeiräte  an  der  Durchführung  des  Gesetzes  be- 
teiligt. Außerdem  sind  noch  besondere  »Wasserstraßenbeiräte«  eingesetzt 
worden. 

Mit  diesen  Zusätzen  und  Abänderungen  wurde  nach  langen  Verhand- 
lungen das  Wasserstraßengesetz  im  Frühjahr  1905  verabschiedet. 

Der  Kanal  vom  Rhein  nach  Hannover  oder,  wie  er  im  Gesetz  genannt  wird,  »der 
Rhein- Weser-Kanal  mit  Anschlußkanal  nach  Hannover«  besteht  aus  drei  Teilen:  der  Rhein-Herne- 
Kanal  (38  km),  der  obere  Teil  des  Dortmund-Ems-Kanals  von  Herne  bis  Bevergern  (loi  km)  und 
-der  Kanal  von  Bevergern  (oder  von  der  Ems)  nach  Hannover  (173  km).  Die  ganze  Wasserstraße 
wird  312  km  lang  werden  und  ist  wie  der  bestehende  Dortmund-Ems-Kanal  für  den  Verkehr  von 
600  t-SchUTen  (65  m  lang  und  8  m  breit)  eingerichtet.  Der  Rh  ein -Herne- Kanal  steigt  mit 
7  Stufen  vom  Rhein  bei  Ruhrort  bis  Herne  und  hat  ein  Gesamtgefälle  von  36  m.  Der  kleinste 
Krümmungshalbmesser  beträgt  700  m.  Der  Querschnitt  ist  mit  Rücksicht  auf  Bodensenkungen 
im  Bergwerksgebiete  in  der  Mitte  3,5  m  tief,  also  um  i  m  tiefer  als  bei  dem  Dortmund-Ems- 
Kanal;  die  nutzbare  Fahrwasserbreite  beträgt  bei  2,5  m  Tiefe  22,5  m,  bei  2  m  Tiefe  25,5  m. 
Es  werden  Zugschleusen  von  165  m  Länge  und  10  m  Breite  ausgeführt,  deren  Tiefe  mit  Rücksicht 
auf  Bodensenkungen  4  bis  5,5  m  beträgt. 

In  der  anschließenden  Strecke  des  bestehenden  Dortmund-Ems-Kanals  ist  bei  Münster 
neben  der  vorhandenen  Schleuse  eine  zweite  Kammer  mit  denselben  Abmessungen  (165  m  und 
10  m)  im  Herbst  1911  fertig  gestellt  worden. 

Der  Kanal  von  Bevergern  bis  Hannover  hat  keine  Schleuse,  sondern  die  ganze  Länge 
von  Münster  bis  Hannover  ist  eine  einzige,  209  km  lange  Haltung.  Die  Abmessungen  des 
Querschnitts  sind  etwa  die  gleichen  wie  beim  Dortmund-Ems-Kanal  und  bei  dem  Rhein-Hernc- 
Kanal  (3  m  Tiefe  in  der  Mitte  des  muldenförmigen  Querschnitts).  Der  Kanal  wird  bei  Minden 
über  die  Weser  geführt  und  dort  durch  einen  nördlich  abzweigenden  kurzen  Seitenkanal  und  eine 
Schleuse  mit  diesem  Strome  verbunden  (S.  184).  Auch  erfolgt  dort  die  Speisung  aus  der  Weser 
durch  ein  Pumpwerk. 

In  dem  Seitenkanal  nach  Dortmund  wird  neben  dem  vorhandenen  Schifthebewerk 
bei  Henrichenburg  eine  zweite  Verbindung  zwischen  den  beiden  Haltungen  durch  einen  etwa 
I  km  langen  Kanal  und  eine  Schachtschleuse  von  14,5  m  Gefälle  hergestellt,  die  eine  Länge  von 
95  m  und  eine  Breite  von  10  m  erhält.     Der  Bau  soll  im  Jahre  191 2  fertig  werden. 


218 


Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 


In  dem  alten  Kanal  von  Bevergern  nach  den  Emshäfen  wird  die  bbher  nur  mit  ein- 
schiffigen Schleusen  ausgerüstete  Emstreppe  (S.  212)  jetzt  gleichfalls  mit  Zugschleusen  von  165  m 
Länge  und  10  m  Breite  versehen,  deren  Kammern  neben  den  bestehenden  angelegt  -werden.  Von 
Bergeshövede  bis  Glesen  sind  jetzt  7  Stufen  vorhanden;  indem  die  beiden  obersten  zusammen- 
gezogen werden,  hat  man  künftig  nur  6  Stufen,  und  es  werden  auch  nur  6  neue  Zugschleusen 
gebaut,  die  Ende  191 3  fertig  gestellt  sein  sollen.  (Die  Kosten  f^r  diesen  Erweiterungsbau  sind 
nicht  in  dem  Wasserstraßengesetze  enthalten.) 


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Übersichtskarte  des  Rhein-Hannover-Kanals. 


Einen  neuen  Seitenkanal  stellt  die  Lippe-Wasserstraße  dar.  Es  ist  oben  (S.  114}  mit- 
geteilt worden,  daß  der  Verkehr  auf  diesem  Fluße  in  den  siebziger  Jahren  wegen  des  mangel- 
haften Fahrwassers  fast  ganz  aufgehört  hatte.  In  neuerer  Zeit  hat  sich  aber  im  Lippegebiet  der 
Kohlenbergbau  stark  entwickelt,  so  daß  eine  leistungsfähige  Wasserstraße  im  Abgeordnetenhause 
als  dringendes  Bedürfnis  erklärt  wurde.  Die  große  Wasserstraße  vom  Rhein  nach  Hannover 
wird  bei  Datteln  (vgl.  die  Karte)  mit  der  Lippe  in  Verbindung  gebracht  werden.  Der  Lippe- 
kanal von  Datteln  nach  Wesel  wird  etwa  66  km  lang  werden  und  bei  40,5  m  Gesamtgefölle 
10  Staustufen  erhalten,  die  mit  Schleppzugschleusen  von  165  m  Länge  und  10  m  Breite  über- 
wunden werden.  Die  Wassertiefe  wird  2,5  m  und  der  kleinste  Krümmungshalbmesser  600  m 
betragen.  Der  zur  Speisung  des  Hauptkanals  dienende  Lippekanal  von  Datteln  bis  Hamm 
von  39,2  km  Länge  wird  bei  gleicher  Tiefe,  aber  etwas  größerem  Querschnitt  keine  Schleuse  er- 
halten. Der  von  Hamm  aufwärts  bis  Lipp Stadt  führende,  38  km  lange  Lippe-Seitenkanal  hat 
ein  Gesamtgefälle  von  15  ^i  ^^^  '^^  4  Stufen  mit  Schleusen  von  85  m  Länge  und  10  m  Breite 
überwunden  wird.  Diese  Wasserstraße  wird  einschiffig  gebaut  und  bekommt  bei  2  m  Wasser- 
tiefe  eine  nutzbare  Fahrwasserbreite  von  12  m,  während  die  größte  Tiefe  in  der  Mitte  2,75  m 
betragen  wird. 


3.  Die  preußischen  Kanalbauten.  219 

Auch  der  Zweigkanal  nach  Osnabrück,  der  von  der  Hauptwasserstraße  zwischen  Bever- 
gem  und  der  Weser  bei  Bramsche  südlich  abzweigt,  wird  nur  einschiffig  angelegt  Er  ist  etwa 
15  km  lang. 

Der  Masurische  Kanal,  die  Verbindung  der  im  18.  Jahrhundert  (S.  46) 
ausgebauten  Wasserstraßen  zwischen  den  großen  Seen  im  südöstlichen  Teile 
der  Provinz  Ostpreußen  mit  dem  Pregel  und  der  Stadt  Königsberg  war  schon 
im  Jahre  1874  von  dem  preußischen  Landtage  beschlossen  worden.  Er  kam 
damals  aber  nicht  zur  Ausführung*).  In  den  neunziger  Jahren  wurde  dies  Unter- 
nehmen von  agrarischer  Seite  wieder  in  Anregung  gebracht  und  1897  von 
der  Staatsregierung  ein  Entwurf  aufgestellt.  Da  das  Gefalle  vom  Mauersee 
bis  zum  Pregel  etwa  116  m  beträgt,  wollte  man  dabei  große  Wasserkräfte 
gewinnen  und  für  Landwirtschaft  und  Großgewerbe  nutzbar  machen.  Es  war 
aber  schwer,  zwischen  den  Beteiligten,  besonders  den  Landwirten  im  Pregel- 
und  Deimetal  eine  Einigung  herbeizuführen  und  der  Kanal  konnte  darum  nicht 
in  die  große  wasserwirtschaftliche  Vorlage  von  1901  aufgenommen  werden. 
In  den  Jahren  1906  und  1907  wurde  ein  neuer  Entwurf,  in  dem  von  der  Nutz- 
barmachung der  Wasserkräfte  abgesehen  wurde,  aufgestellt  und  dem  Landtage 
vorgelegt.  Er  wurde  im  Jahre  1908  von  der  agrarischen  Mehrheit  ohne  Be- 
denken angenommen,  zumal  die  Beteiligten  nur  in  geringem  Umfange  zu  den 
Kosten  herangezogen  werden  sollten.  Da  auf  eine  Verzinsung  der  Baukosten 
nicht  gerechnet  werden  konnte,  wurde  von  dem  Provinzialverband,  von  der 
Stadt  und  der  Kaufmannschaft  Königsbergs  nur  die  lastenfreie  Hergabe  des 
zum  Bau  erforderlichen  Grund  und  Bodens  verlangt.  (Das  ist  etwa  der  fünf- 
zehnte Teil  der  gesamten  Kosten.) 

Die  Wasserstraße  benutzt  vom  Pregel  bei  Wehlau  zunächst  auf  22,5  km  die  dort  mün- 
dende Alle.  Dieser  Nebenfluß  ist  nahe  bei  seiner  Mündung  zum  Betrieb  der  Pinnauer  Mühle 
aufgestaut,  und  zur  Überwindung  dieses  Staues  von  etwa  3,6  m  ist  im  Jahre  19 10  eine  neue  Schleuse 
von  55  m  Länge  und  9,6  m  Breite  erbaut  worden.  Die  Alle  hat  bei  gemitteltem  Niedrigwasser 
etwa  1,5  m  Mindesttiefe. 

Bei  Dettmittcn  unterhalb  Allenburg  verläßt  der  50.4  km  lange  masurische  Kanal  die  Alle 
und  steigt  durch  10  Schleusen  von  45  m  Länge,  7,5  m  Breite  und  2,5  m  Tiefe  112  m  hinauf  bis 
zum  Mauersee.  Das  GeÜUle  der  einzelnen  Staustufen  schwankt  zwischen  6,5  m  und  17,2  m. 
Der  Kanal  hat  einen  kleinsten  Krümmungshalbmesser  von  400  m  und  bei  l,$  m  Wassertiefe  eine 
nutzbare  Fahrwasserbreite  von  12,4  m,  während  die  größte  Wassertiefe  in  der  Mitte  2  m  beträgt. 

Im  Anschluß  an  die  Ausführung  dieses  Kanals  werden  die  bestehenden  Wasserstraßen 
zwischen  den  masurischen  Seen  verbessert  und  zur  Regelung  ihrer  Wasserstände  einige  Staubecken 
hergestellt  werden.     Die  Arbeiten  sind  seit  19 10  im  Gange. 

Der  Teltowkanal,  der  im  Süden  von  Berlin  die  Havel  bei  Potsdam 
mit  der  Wendischen  Spree  bei  Grünau  (gegenüber  von  Köpenick)  verbindet, 
ist  im  Gegensatz  zu  den  vorher  besprochenen  Kanälen  nicht  vom  preußischen 
Staate,  sondern  auf  alleinige  Kosten  des  Kreises  Teltow  in  den  Jahren  1901 
bis  1906  gebaut  worden.  Ein  Südkanal  um  Berlin  war  bereits  in  den  sieb- 
ziger Jahren  als  Ergänzung  für  den  nicht  genügend  leistungsfähigen  Land- 
wehrkanal (S.  132)  und  den  mangelhaften  Wasserweg  durch  Berlin  mittels  des 


I)  Fritz  Simon,  Der  Masurische  SchüTahrtkanal.  Zeitschrift  für  Binnenschiffahrt  1908,  S.  24S. 


220  Abschnitt  IV.     Die  Vermehning  der  Binnenschififahrtstraßeii  seit  1870. 

Kupfergrabens  wiederholt  geplant  und  untersucht  worden;  er  kam  jedoch 
nicht  zur  Ausführung,  weil  er  nach  Durchfuhrung  der  Spreewasserstraße 
durch  Berlin  (bei  der  sogenannten  Kanalisierung  der  unteren  Spree,  S.  204) 
entbehrlich  schien.  In  den  letzten  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  nahm 
der  tatkräftige  Landrat  v.  Stubenrauch  den  Plan  wieder  auf.  Den  im  Kreise 
gelegenen  aufblühenden  Vororten  von  Berlin  (besonders  Lichterfelde,  Steglitz, 
Tempelhof)  fehlte  die  erforderliche  Vorflut  für  ihre  Entwässerung,  da  das 
Flüßchen  Beke  hierzu  nicht  genügte.  Die  aufgestellten  Entwürfe  ergaben, 
daß  ein  Vorflutkanal  von  der  Havel  in  den  nötigen  Abmessungen  nicht  er- 
heblich billiger  wäre,  als  wenn  man  den  Kanal  für  die  Schiffahrt  geeignet 
machen  und  bis  zur  Spree  führen  würde.  Außerdem  sollte  durch  einen 
SchifTahrtkanal  die  Bebauung  dieses  Teils  des  Kreises  namentlich  durch  ge- 
werbliche Anlagen  gefördert  werden. 

Der  37  km  lange  Kanal  hat  nur  2  Haltungen,  die  Havel-  und  die  Spreehaltung,  die  bei 
KI.  Machnow  durch  eine  Schleuse  von  etwa  2,7  m  Gefalle  verbunden  sind.  Die  Schleuse  hat 
2  Kammern  von  67  m  Länge  und  lo  m  Breite.  Der  Kanal  ist  für  den  Verkehr  von  600  t-Schüfen 
(65  m  lang  und  8  m  breit)  mit  1,75  m  Tauchtiefe  eingerichtet.  Er  hat  bei  einer  nutzbaren  Fahr- 
wasserbreite von  20  m  eine  Mindesttiefe  von  2  m  bei  N.W.  Die  Krümmungshalbmesser  sind  im 
allgemeinen  mindestens  1000  m  groß,  ausnahmsweise  500  m.  Vom  Hafen  Britz  führt  in  nord- 
östlicher Richtung  ein  3,5  km  langer  Zweigkanal  in  gleichen  Abmessungen  nach  der  Treptower 
Spree.  In  der  Havelhaltung  ist  zwischen  dem  im  Zuge  des  Kanals  gelegenen  Griebnitzsee  und 
dem  Wannsee  eine  schleusenlose  Verbindung,  der  Prinz-Friedrich-Leopold-Kanal  [3,8  km 
lang]  zu  gleicher  Zeit  hergestellt  worden. 

Von  dem  vorerwähnten  Hafen  Britz  in  der  Spreehaltung  wird  demnächst  eine  nördliche 
Kanalabzweigung  über  Rixdorf  nach  dem  Landwehrkanal  ausgeführt  werden,  die  durch  eine 
Schleuse  abgeschlossen  werden  soll.  Dieser  Bau  ist  von  der  Stadt  Rixdorf  unternommen  worden ; 
ein  Teil  davon  ist  bereits  fertig. 

Der  Teltowkanal  verkürzt  den  Weg  von  der  unteren  Havelwasserstraße  zur  Spree-Oder- 
Wasserstraße  um  16  km;  er  wird  daher  in  Zukunft  für  den  Durchgangverkehr  von  Hamburg  nach 
Schlesien  von  Bedeutung  sein. 

Die  Einführung  der  durch  das  preußische  Gesetz  von  1905  vorgeschriebenen 
Schiffahrtabgaben  auf  den  natürlichen  Wasserstraßen  stieß  auf  Schwierig- 
keiten. Man  kam  zu  der  Überzeugung,  daß  dazu  eine  Abänderung  der  Ver- 
fassung des  Deutschen  Reichs  erforderlich  war.  Um  den  dabei  sowohl  im 
Bundesrate  wie  im  Reichstage  erwarteten  Widerstand  zu  beseitigen,  beschloß 
die  Reichsregierung,  die  durch  die  Abgaben  innerhalb  der  einzelnen  Strom- 
gebiete aufgebrachten  Geldsummen  zum  Ausbau,  zur  Verbesserung  und  zur 
Unterhaltung  der  natürlichen  Wasserstraßen  in  diesen  Gebieten  zu  verwenden. 
Nach  langen  und  schwierigen  Verhandlungen  wurde  das  Gesetz  betreffend 
den  Ausbau  der  deutschen  Wasserstraßen  und  die  Erhebung  von 
Schiffahrtabgaben  angenommen  und  unter  dem  24.  Dezember  191 1  erlassen. 
Aus  den  an  den  Stromgebieten  des  Rheins,  der  Weser  und  der  Elbe  beteiligten 
Bundesstaaten  werden  Strombauverbände  gebildet,  die  durch  Verwaltungs- 
ausschüsse (aus  den  Vertretern  der  Staaten)  und  durch  Strombeiräte  (aus  den 
Vertretern  von  Handel,  Gewerbe,  Landwirtschaft  und  Schiffahrt)  die  Erhebung 
und  Verwendung  der  Abgaben  zu  besorgen  haben. 


4.  Vorgänge  im  Ausland.  221 

Die  Geldmittel  sollen  zunächst  für  folgende  Arbeiten  verwendet  werden: 

Im  Rheinverbande  zur  Herstellung  einer  Schiffahrtstraße  von  Konstanz  bis  Straßburg 
(S.  i8o\  zur  Vertiefung  des  Rheins  von  Straßburg  bis  Sondemheim  und  von  Mannheim  bis 
St.  Goar  (S.  178},  zum  Aufstau  des  Neckars  von  Heilbronn  bis  zum  Rhein  und  zum  Aufstau 
des  Mains  zwischen  Aschaffenburg  und  Offenbach  (S.  197). 

Im  Weserverbande  zur  Vertiefung  der  Weser  und  der  unteren  Aller. 

Im  Eibverb  an  de  zur  Vertiefung  der  Elbe  und  zum  Ausbau  der  Saale  von  Kreypau  bis 
zur  Elbe. 

Für  die  Erhebung  von  Abgaben  auf  dem  Rhein  und  auf  der  Elbe  ist  die  Zustimmung  von 
Holland  und  Österreich  erforderlich;  beide  Staaten  haben  sich  bisher  ablehnend  verhalten. 

4.  Vorgänge  im  Ausland. 

Osterreich.  Seit  1870  ist  die  Verbesserung  und  der  Ausbau  der 
350  km  langen  Donau  Wasserstraße  von  Passau  bis  Theben  sehr  gefördert 
worden').  (Die  Verbesserung  der  baierischen  Donau  ist  auf  S.  198  erwähnt.) 
In  der  oberösterreichischen  Strecke  war  der  Struden  (S.  143)  das  be- 
deutendste Schiffahrthindernis,  das  nach  vielen  Versuchen  und  Bemühungen 
durch  die  seit  1889  tatkräftig  betriebenen  Felssprengungen  und  anderen  Arbeiten 
so  weit  beseitigt  worden  ist,  daß  man  diese  Stelle  jetzt  ohne  Vorspann  selbst 
beim  niedrigsten  Wasserstande  mit  1,2  m  tief  gehenden  Schiffen  durchfahren 
kann.  Die  dort  geschaffene  Fahrrinne  ist  80  m  breit.  Im  übrigen  wurde 
der  Strom  zunächst  für  Mittelwasser  mit  verhältnismäßig  hohen  Längs- 
dämmen ausgebaut,  die  gleichzeitig  zum  Teil  als  Leinpfad  dienen.  Es  wurde 
dabei  die  Strombreite  an  einzelnen  Strecken  (z.  B.  bei  Linz)  auf  250  m  ein- 
geschränkt. Etwa  im  Jahre  1890  erkannte  man,  daß  diese  Art  des  Ausbaues 
für  die  Schiffahrt  nicht  die  nötige  Tiefe  bei  N.W.  hervorbrachte,  weil  sich 
der  Strom  in  dem  zu  breiten  Bette  schlängelte  und  den  Talweg  oft  verän- 
derte. Man  begann  damals  mit  der  »Regulierung  für  Niederwasser«,  indem 
man  (seit  1898)  als  Ziel  eine  Mindesttiefe  von  2,1  m  bei  N.W.  erstrebte,  um 
mit  Schiffen  von  1,8  m  Tauchtiefe  verkehren  zu  können.  Diese  Arbeiten, 
die  auf  die  Herstellung  eines  etwa  200  m  breiten  Niedrigwasserbettes  an  den 
schlechten  Stellen  ausgehen,  haben  eine  beträchtliche  Vertiefung  des  Stromes 
herbeigeführt  und  sind  noch  im  Gange.  Die  früher  und  noch  heute  sehr 
seichte  Stromstrecke  im  Aschacher  und  Brandstätter  Kachlet  ist  durch  Ein- 
schränkung bis  auf  150  m  in  den  Jahren  1900  bis  1910  mit  gutem  Erfolg 
verbessert  worden. 

In  Niederösterreich  erkannte  man  bald  nach  der  Ausführung  des 
großen  Durchstichs  bei  Wien  (S.  144),  daß  die  dadurch  gewonnenen  Vorteile 
nur  erhalten  und  von  der  Schiffahrt  ausgenutzt  werden  könnten,   wenn  der 


i)  Die  Donau  in  Oberösterreich,  vom  k.  k.  technischen  Departement  der  oberöster. 
Statthalterei  in  Linz  (Oberbaurat  Ritter  von  Mathes}.  Verbandschrift  1909.  Groß-Lichterfelde, 
A.  Troschel. 

Die  Regulierung  der  Donau  in  Niederösterreich.  Monographie,  verfaßt  von 
der  Strombaudirektion  der  n.-ö.  Donauregulierungskommission  zum  VIII.  Verbandstage  in  Linz, 
1909. 


222  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

Strom  auch  ober-  und  unterhalb  der  Stadt  ausgebaut  würde.  Von  der  »Nie- 
derösterreichischen Donauregulierungs-Kommissionc  wurde  1882  ein  Entwurf 
iiir  die  Verbesserung  der  ganzen  Stromstrecke  aufgestellt,  der  in  20  Jahren  auf 
gemeinsame  Kosten  des  Staats,  des  Kronlands  und  der  Stadt  Wien  ausgeführt 
werden  sollte.  Ähnlich  wie  in  Oberösterreich  sollte  der  Strom  fiir  Mittel- 
wasser durch  Einschränkung  auf  300  m  oberhalb  und  auf  380  m  unterhalb  Wien 
ausgebaut  werden.  Dazu  wurden  gleichfalls  Längsdämme  ausgeführt,  deren 
Kronen  etwa  2,5  m  über  Mittelwasser  lagen.  Wenn  auch  durch  diese  Bauten 
eine  Vertiefung  einiger  seichten  Stellen  von  etwa  i  m  auf  1,3  m  bei  N.W. 
erreicht  wurde,  so  erkannte  man  doch  im  Jahre  1898,  daß  man  eine  Niedrig- 
wasserregulierung  nach  anderen  Grundsätzen  durchführen  müOte.  Zunächst 
trat  dies  Bedürfnis  für  den  Wiener  Durchstich  ein.  Dort  lagerten  sich 
wegen  zu  großer  Breite  an  beiden  Ufern  Kiesbänke  ab,  der  Talweg  schlän- 
gelte sich  von  einem  zum  anderen  Ufer,  die  Wassertiefe  auf  den  Übergängen 
wurde  ungenügend  und  das  rechte  Stromufer  vor  Wien  konnte  nicht  als 
Lösch-  und  Ladestelle  benutzt  werden.  (Diese  Ereignisse  hatte  schon  1867 
Gotthilf  Hagen  vorhergesagt.) 

Nach  dem  Entwurf  des  Strombaudirektors  von  Weber  wurde  der  Durch- 
stich mittels  niedriger  Buhnen  mit  gutem  Erfolge  in  den  Jahren  1898  und 
1899  ausgebaut  und  diese  Bauweise  auch  in  den  anschließenden  Stromstrecken 
angewendet.  Im  Jahre  1901  stellte  der  Oberingenieur  Girardon  aus  Lyon 
fiir  den  weiteren  Ausbau  ein  Gutachten  auf,  nach  dem  1903  ein  neues  Bau- 
programm ausgearbeitet  wurde.  Die  seitdem  bei  dem  Ausbau  der  einzelnen 
schlechten  Stellen  damit  erreichten  Erfolge  sind  gut  gewesen  und  lassen  bei 
der  Fortführung  der  Arbeiten  eine  dauernde  Verbesserung  und  Vertiefung 
des  Stromes  erwarten.  Die  ganze  österreichische  Stromstrecke  hat  zurzeit 
bei  gemitteltem  Niedrigwasser  eine  Mindesttiefe  von  etwa  1,4  m. 

Durch  das  Gesetz  von  1892,  betreffend  die  Wiener  Verkehrsanlagen, 
wurde  auch  der  Wiener  Donaukanal  berührt.  Er  sollte  einen  noch 
besseren  Schutz  gegen  Hochwasser  erhalten,  zu  einer  stets  benutzbaren 
Schiffahrtstraße  und  gleichzeitig  zu  einem  Handels-  und  Schutzhafen  ausge- 
baut werden.  Seit  dem  Jahre  1904  sind  die  Arbeiten  im  Gange.  Bei  Nuß- 
dorf wurde  100  m  unterhalb  des  älteren  Sperrschiffs  (S.  144)  ein  neues  Wehr 
errichtet  und  daneben  in  einem  neuen  Verbindungskanale  eine  Kammer- 
schleuse von  85  m  Länge  und  15  m  Weite  angelegt  (1898  beendet).  Im 
unteren  Laufe  soll  der  Kanal  in  3  Stufen  aufgestaut  werden.  Die  oberste 
(Kaiserbadstufe)  wurde  im  Jahre  1908  fertig,  während  die  beiden  unteren  noch 
im  Bau  begriffen  sind.  Die  Schleusen  erhalten  die  gleichen  Abmessungen 
wie  bei  Nußdorf 

Die  zweite  große  Schiffahrtstraße  Österreichs  ist  die  Elbe,  über  deren 
Verbesserung  einschließlich  der  Moldau  bis  hinauf  nach  Prag  schon  früher 
{S.  188)  berichtet  worden  ist. 

Die  Bestrebungen,   die  Donau  mit  der  Elbe   und   mit  der  Oder  durch 


4*  Vorgänge  im  Ausland.  223 

Kanäle  zu  verbinden,  sind  sehr  alt  (S.  36  und  S.  40).  Sie  wurden  besonders 
seit  dem  zweiten  internationalen  BinnenschiffahrtkongreO  in  Wien  {1886) 
durch  Vereine  und  Parlamentarier  kräftig  gefördert  und  führten  bei  einer 
glücklichen  Wendung  der  hin  und  herschwankenden  Parteikämpfe  im  Reichs- 
rat im  Juni  1901  zu  der  unverhofften  Annahme  eines  umfangreichen  Wasser- 
straOengesetzes^).  Vielleicht  war  sie  nur  ein  Ausgleich  für  die  Bewilligung 
der  Eisenbahnen  durch  die  Tauern  und  durch  die  Karawanken,  um  den  See- 
hafen Triest  zu  heben:  Aber  die  Eisenbahnen  sind  längst  im  Betriebe  und 
mit  dem  Bau  der  großen  Kanäle  ist  noch  immer  nicht  ernstlich  begonnen 
worden.  In  dem  Gesetze  waren  die  folgenden  Wasserstraßen  vorgesehen, 
die  etwa  die  daneben  angegebene  Länge  haben  würden: 

1.  Donau- Oder-Kanal  von  Wien  über  Prerau  nach  Oderberg  mit  16  Schleusen 
Im  Aufstieg  von  der  Donau  (i6om  über  dem  Meer)  zu  der  275  m  über  dem  Meere 
liegenden  Scheitelhaltung  und    13  Schleusen   im  Abstieg  zur  Oder  (203,3  ^  über  dem 

Meer) 268  km. 

2.  Oder-Weich  sei -Kanal  in  Oderberg  anschließend  bis  Krakau  mit  8  Schleu- 
sen im  Aufstieg  zur  Scheitelhaltung  (267,7  ^)  ^^^  '^  Schleusen  im  Abstieg  zur  Weichsel 

(199,4  m) 132  km. 

3.  Weichsel-Dniester- Kanal  von  der  Weichsel  unterhalb  Krakau  über  Mielec 
-durch  Galizien   bis  zum  Dniester   etwa  bei  Zalesic,  ohne  den  Anschlußkanal  für  Lem- 

berg  ungefähr 350  km. 

4.  Donau-Moldau-Kanal  von  Wien  (Korneuburg)  nach  Budweis  (384  m 
Meereshöhe).  Nach  den  bisher  aufgestellten  Entwürfen  würde  der  Aufstieg  von  der 
Donau   zur   Scheitelhaltung   (etwa   530  m  Meereshöhe)   38  Schleusen   und   der  Abstieg 

15  Schleusen  erfordern.     Die  Länge  ist  ungefähr 205  km. 

6.  Kanalisierung    der    Moldau   von   Budweis    bis    Prag.     Das   Gefälle    von 

200  m  würde  durch  34  Staustufen  überwunden  werden 179  km. 

7.  Kanalisierung  der  Mittelelbe  von  Melnik  aufwärts  bis  Josefstadt  und 
•Jaromer.     Dies  Werk    ist  besonders   zu  Landeskulturzwecken   erforderlich.     Das   96  m 

betragende    Gefälle   soll   mit   29  Staustufen   überwunden   werden.     Der    Flußlauf  wird 
verkürzt  von  223  km  auf 180  km. 

8.  Oder-Elbe-Kanal,  als  Verbindung  zwischen  den  unter  i.  und  7.  aufge- 
führten Wasserstraßen,  zwischen  Prerau  und  Pardubitz  an  der  Mittelelbe.  Es  wird 
ein   Höhenunterschied   von   etwa   200  m   zu   überwinden  sein.     Die  Länge  des  Kanals 

würde  betragen 196  km. 

Zusammen   1 5 10  km. 

Zu  diesen  Wasserstraßen  sind  die  Entwürfe  zum  Teil  (für  i.,  2.  und  7.)  fertig  gestellt.  Die 
Abmessungen  sind  für  den  Verkehr  von  600  t-Schiffen  eingerichtet,  zumal  die  auf  der  Donau 
als  besonders  wirtschaftlich  geltenden  Lastschiffe  von  67  m  Länge  (einschließlich  des  Steuer- 
ruders) und  8,2  m  Breite  bei  1,8  m  Tauchtiefe  etwa  eine  solche  Tragfähigkeit  haben.  Für  die 
Kanäle  ist  eine  Wassertiefe  von  3  m  und  ein  kleinster  Krümmungshalbmesser  von  500  m  vor- 
gesehen, während  die  Schleusen  67  m  lang,  9,6  m  breit  und  3  m  tief  entworfen  sind.  Bei  der 
künstlich  aufgestauten  Mittelelbe  ist  eine  Mindesttiefe  von  2,1  m  vorgeschrieben  und  an  jedem 
Stau  wird  zunächst  eine  Kammerschleuse  von  73  m  Länge  und  um  Breite  erbaut;  doch  ist 
•die  spätere  Anlage  von  daneben  liegenden  Zugschleusen  mit  146  m  Länge  und  22  m  Breite 
vorgesehen. 


l)  Monographie  über  die  nach  dem  Gesetze  von  1901  projektierten  und  teilweise  in  Aus- 
führung begriffenen  österreichischen  Wasserstraßen.  Wien  19 10.  Von  der  k.  k.  Direktion  für 
den  Bau  der  Wasserstraßen. 

Suppan,  Wasserstraßen  und  Binnenschiffahrt.     Berlin- Grunewald  1902,  A.  Troschel. 


224  Abschnitt  IV.     Die  Vennehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

Für  den  Bau  des  Donau-Oder-Kanals  und  des  Oder-Weichsel-Kanals 
einschließlich  des  künstlichen  Aufstaus  der  Weichsel  bei  Krakau  sind  alle 
Vorbereitungen  fertig.  Ende  Dezember  191 1  wurde  zu  einer  74  km  langen 
Strecke  des  letzteren  Kanals,  von  der  schlesischen  Grenze  bis  Krakau,  der 
erste  Spatenstich  getan.  Sie  soll  bis  1920  fertiggestellt  sein  und  wird  das 
westgalizische  Kohlengebiet  mit  Krakau  verbinden. 

Inzwischen  ist  seit  1907  auch  mit  der  Kanalisierung  der  Mittelelbe  be- 
gonnen worden,  wo  außer  anderen  Arbeiten  der  Bau  der  beiden  untersten 
Staustufen  bei  Melnik  im  Gange  ist.  Mit  den  Arbeiten  zur  Kanalisie- 
rung der  oberen  Moldau  bis  Budweis  ist  insofern  der  Anfang  gemacht 
worden,  als  innerhalb  der  Stadt  Prag  der  Strom  schiffbar  gemacht  (S.  188) 
und  für  die  oberhalb  anschließende  28  km  lange  Strecke  bis  Stechowitz  in 
den  Jahren  1907  und  1908  ein  endgültiger  Entwurf  aufgestellt  worden  ist. 
Außer  dem  vorhandenen  festen  (Schitkauer)  Wehr  in  Prag  sollen  noch  3  Stau- 
stufen eingerichtet  und  mit  Schleusen  von  gleichen  Abmessungen  versehen 
werden,  wie  sie  unterhalb  Prags  erbaut  sind.  Die  Mindesttiefe  des  Fahr- 
wassers soll  ebenfalls  2,1  m  betragen. 

Ungarn.  Im  Jahre  1882  begann  die  ungarische  Regierung  zum  Aus- 
bau der  rund  970  km  langen  Donauwasserstraße  Entwürfe  aufzustellen 
und  auszuführen.  Namentlich  die  stark  verwilderte  Strecke  von  Preßburg 
bis  Gönyö  (S.  144)  ist  mit  sehr  gutem  Erfolge  verbessert  worden,  wobei  eine 
große  Zahl  von  Durchstichen  ausgeführt  wurde.  Die  Normalbreite  nimmt 
von  300  m  (an  der  oberen  Grenze  bei  Theben  [Deveny])  bis  auf  420  m  bei 
Gönyö  zu.  Auch  auf  den  unteren  Strecken,  besonders  bei  Budapest,  sind 
große  Verbesserungen  gemacht  worden,  sodaß  sich  jetzt  fast  überall  selbst 
bei  Niedrigwasser  eine  Wassertiefe  von  etwa  2  m  findet. 

Die  bedeutendste  Leistung  war  die  in  den  Jahren  1890  bis  1898  voll- 
endete Schiffbarmachung  des  eisernen  Tors  und  der  oberhalb  gelegenen 
Stromschnellen.  Diese  Arbeit  war  in  dem  Berliner  Friedenskongreß  von  1878 
an  Österreich-Ungarn  übertragen  und  1880  wurde  zwischen  Osterreich  und 
Ungarn  vereinbart,  daß  der  letztere  Staat  die  Ausführung  übernehmen  und 
dafür  später  Schiffahrtabgaben  erheben  sollte.  Die  sogenannten  Katarakte 
liegen  im  allgemeinen  in  der  Stromstrecke  zwischen  Alt-Moldova  und  der 
Grenzstadt  Orsova;  das  eiserne  Tor  selbst  liegt  10  km  unterhalb  der  unga- 
rischen Grenze  in  der  rumänisch-serbischen  Stromstrecke.  Der  oberste  Katarakt 
ist  bei  Stenka,  20  km  unterhalb  Alt-Moldova.  Es  folgen  die  Katarakte  Kozla- 
Dojke,  Jzlas-Tachtalia,  Greben  und  Jucz  (60  km  unterhalb  Alt-Moldova  und 
35  km  oberhalb  Orsova).  Zwischen  Jucz  und  Orsova  liegt  die  Stromenge 
von  Kazan,  wo  die  Donau  auf  180  m  Breite  und  50  m  Tiefe  eingeengt  ist. 
Die  Beseitigung  der  Schiffahrthindernisse  in  den  Katarakten  geschah  durch 
Ausspreng^mg  von  Rinnen  und  durch  Herstellung  von  anschließenden  Leit- 
dämmen in  verschiedener  Höhenlage.  Am  eisernen  Tor  wurde  das  auf  dem 
linken  Ufer  sich  durch  die  Felsen   windende   alte  Fahrwasser  unberührt  ge- 


4.  Vorgänge  im  Ausland.  225 

lassen  und  auf  dem  rechten  Ufer  ein  1720m  langer,  73  m  in  der  Sohle  breiter 
Kanal  angelegt,  der  mit  hochwasserfreien  Dämmen  eingefaßt  ist.  Ober-  und 
unterhalb  wurden  im  Flußbette  Zuiiihrungskanäle  und  Leitwerke  hergestellt. 

Der  Erfolg  der  Arbeiten  war  gut:  Nach  Eröffnung  des  Eisernen -Tor- 
Kanals  am  10.  Oktober  1898  fuhren  bei  Wasserständen,  die  in  früherer  Zeit 
die  Einstellung  der  Schiffahrt  verlangten,  viele  Schleppdampfer  mit  je  einem 
beladenen  Lastschiffe  von  1,6  bis  1,8  m  Tauchtiefe  unbehindert  durch.  Für 
die  Kataraktstrecke  war  eine  Mindesttiefe  von  2  m  beim  niedrigsten  Wasser- 
stande verlangt  und  ausgeführt  worden,  während  dem  Kanal  am  Eisernen  Tor 
eine  Tiefe  von  3  m  gegeben  wurde.  Aber  diese  Tiefen  haben  sich  nicht  in 
der  ganzen  Stromstrecke  erhalten:  Nach  Suppan  *)  kann  man  bei  Niedrig- 
wasser oberhalb  Orsova  nur  mit  Schiffen  von  0,6  m  Tauchtiefe  und  unter- 
halb mit  I  m  Tauchtiefe  verkehren;  aber  dieser  niedrigste  Wasserstand  soll 
während  der  Schiffahrtzeit  selten  eintreten,  vielmehr  dann  in  der  Regel  um 
0,5  m  höher  sein.     Unterhalb  Tum-Severin  ist  die  Mindesttiefe  2,5  m. 

Auch  die  Theiß  ist  für  die  Schiffahrt  verbessert  worden,  und  ihre  Neben- 
flüsse Bega  und  Koros  werden  zurzeit  in  ihrem  unteren  Laufe  künstlich  auf- 
gestaut. 

Neue  Kanäle  sind  in  Ungarn  seit  langer  2^it  geplant,  aber  nicht  ausgeführt.  In  erster 
Linie  handelt  es  sich  um  einen  Donau-Theiß-Kanalf  durch  den  Budapest  zum  Mittelpunkt 
der  ungarischen  Wasserstraßen  gemacht  werden  soll.  (Der  alte  Franzenskanal  [S.  6j\  entspricht 
den  Ansprüchen  nicht.)  Der  etwa  180  km  lange  Kanal  mit  nur  3  bis  4  Haltungen  zwischen 
Budapest  und  Szegedin  würde  eine  bedeutende  Abkürzung  des  Wasserwegs  hervorrufen.  Von 
diesem  Kanal  ist  eine  30  km  lange  Abzweigung  nach  Czongrad  geplant,  welche  Stadt  oberhalb 
von  Szegedin  an  der  Theiß  liegt. 

Andere  Entwürfe  gehen  darauf  aus,  die  Donau  bei  Vukovar  mit  der  Save  bei  Samacz  und 
außerdem  Szegedin  mit  Temesvar  durch  Kanäle  zu  verbinden.  Durch  den  ersteren  Kanal  würde 
der  Weg  nach  Fiume  um  etwa  400  km  abgekürzt  werden. 

Frankreich.  Infolge  des  Frankfurter  Friedens  (187 1)  fielen  401  km 
Kanäle  an  Deutschland;  die  neue  Grenzlinie  durchschnitt  den  Rhone-Rhein- 
Kanal,  den  Marne-Rhein-Kanal  und  die  Mosel  und  brachte  den  Saarkohlen- 
kanal ganz  in  deutschen  Besitz.  Es  schien  der  französischen  Regierung  des- 
halb nötig,  die  an  der  neuen  Ostgrenze  hochentwickelte  Industrie  von  der 
deutschen  Saarkohle  unabhängig  zu  machen  und  sie  einerseits  mit  den  bel- 
gischen Kohlenlagern,  andererseits  mit  den  französischen  im  Norden  und 
Süden  in  Verbindung  zu  bringen.  Zu  diesem  Zweck  sollte  die  Maas  von  der 
belgischen  Grenze  an  kanalisiert  und  mit  dem  Marne-Rhein-Kanal,  der  Mosel 
und  der  Saone  verbunden  werden.  Das  Gesetz  betreffend  diesen  Ostkanal 
wurde  1874  erlassen.  Die  ganze  Länge  beträgt  432  km.  Der  nördliche, 
272  km  lange  Teil  von  der  belgischen  Grenze  bis  zum  Marne-Rhein-Kanal 
bei  Troussey  hat  59  Schleusen,  die  unterhalb  Verdun  5,7  m  und  oberhalb  5,2  m 
weit  sind.  Von  Troussey  bis  Toul  wird  auf  18  km  der  Marne-Rhein-Kanal  be- 
nutzt, von  Toul  bis  Pont-St.  Vincent  auf  24  km  die  kanalisierte  Mosel.  Der 
ganze  südliche  Teil  des  Ostkanals  von  Toul  bis  Corre  mit  99  Schleusen  ist 

i]  Wasserstraßen  und  Binnenschiffahrt. 
Teubert,  Binnenschlflahrt.  I^ 


226  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

147  km  lang;  die  letzte  Strecke  liegt  in  der  kanalisierten  Saone.  2  Zweig- 
kanäle von  zusammen  13  km  Länge  verbinden  den  Hauptkanal  mit  Nancy 
und  mit  Epinal.     Seit  dem  Jahre  1892  ist  der  Kanal  im  Betrieb. 

Für  die  weiteren  Wasserstraßenbauten  ist  das  Freycinetsche  Pro- 
gramm maßgebend  gewesen,  das  im  Jahre  1879  Gesetz  wurde.  Es  hat 
drei  Ziele:  i.  Einheitliche  Abmessungen  für  die  Hauptwasserstraßen,  2.  die 
Verstaatlichung  der  noch  nicht  im  Staatsbesitz  stehenden  Hauptwasser- 
straßen und  3.  die  Herstellung  neuer  Wasserstraßen.  Zum  ersten  Punkte 
sei  bemerkt,  daß  infolge  ihrer  allmählichen  Entwicklung  die  Kanäle  sehr 
verschiedene  Abmessungen,  namentlich  in  den  Schleusen,  hatten  und  ein 
durchgehender  Verkehr  auf  große  Entfernungen  wie  bei  den  Eisenbahnen 
nicht  möglich  war.  Das  Gesetz  unterschied  zwischen  Haupt-  und  Nebenwasser- 
straßen, von  denen  die  ersteren  auf  solche  Mindestabmessungen  gebracht 
werden  sollten,  daß  die  flämische  Penische,  das  Normalschiff  von  300  t 
Tragfähigkeit  mit  einer  Länge  von  38  m,  einer  Breite  von  5  m  und  einer  Tauch- 
tiefe von  1,8  m  überall  unbehindert  verkehren  könnte.  Die  Wasserstraßen 
sollten  mindestens  eine  Wassertiefe  von  2  m,  die  Schleusen  eine  Länge  von 
38,5  m,  eine  Breite  von  5,2  m  und  die  Brücken  eine  lichte  Höhe  von  3,7  m 
über  dem  Wasserspiegel  haben.  Die  diesen  Maßen  nicht  entsprechenden 
Wasserstraßen  waren  also  umzuändern.  Außer  996  km  Flußläufen  entsprachen 
im  Jahre  1879  nur  235  km  Kanäle  diesen  Anforderungen.  Bis  zum  Jahre  1896 
waren  die  Arbeiten  so  weit  vorgeschritten,  daß  bereits  1991  km  natürliche 
und  2213  km  künstliche  Wasserstraßen  die  Normalabmessungen  und  im  ganzen 
5092  km  Wasserstraßen  eine  Mindesttiefe  von  2  m  hatten.  Dementsprechend 
hatten  in  diesem  Jahre  62  v.  H.  aller  Binnenschiffe  eine  Trag^fahigkeit  von 
300  t  und  die  Penische  konnte  Fahrten  bis  zu  600  km  unternehmen  (früher 
nur  im  Mittel  1 10  km)  und  fast  in  alle  Teile  Frankreichs  gelangen. 

Das  zweite  Ziel,  die  Verstaatlichung  der  Hauptkanäle  ist  gleichfalls 
beinahe  erreicht  Während  im  Jahre  1879  nur  3675  km  künstlicher  Haupt- 
wasserstraßen {von  4780  km  Gesamtlänge)  dem  Staate  gehörten,  waren  am 
Ende  des  19.  Jahrhunderts  noch  312  km  in  Privatbesitz.  Von  diesen  haben 
191  km  größere  Bedeutung,  nämlich  die  120  km  langen  Pariser  Kanäle,  die 
eine  ewige  Genehmigung  erhalten  haben^  und  der  7 1  km  lange  Sambre-Oise- 
Kanal,  dessen  Genehmigung  im  Jahre  1937  abläuft. 

Anders  steht  es  mit  seinem  dritten  Teile,  dem  beschlossenen  Neubau 
von  zehn  Wasserstraßen  mit  einer  Gesamtlänge  von  etwa  2400  km.  Wenn 
schon  bei  der  Erreichung  der  beiden  ersten  Ziele  ein  allmähliches  Nach- 
lassen des  im  Jahre  1879  gezeigten  Eifers  der  Regierung  und  der  Abgeord- 
netenkammer zu  bemerken  war,  so  trat  dies  noch  mehr  bei  der  Ausfuhrung 
der  Neubauten  zutage.  Tatsächlich  sind  von  den  geplanten  Wasserstraßen 
bisher  nur  wenige  gebaut  worden:  Zuerst  der  Kanal  vonTancarville, 
der  25  km  lang  und  mit  3,6  m  Tiefe  den  Binnenschiffen  auf  der  Seine  einen 
bequemeren  Zugang  zum  Hafen  von  Havre  verschafft  und  im  Jahre   1887 


4-  Vorgänge  im  Ausland.  227 

eröffnet  wurde.  Ferner  der  Oise- Aisne-Kanal,  der  48  km  lang  mit 
13  Schleusen  den  Verkehr  zwischen  den  Kohlenlagern  im  Norden  und  dem 
Industriebezirk  im  Osten  verbessert.  Außerdem  wurde  der  Marne-Saone- 
Kanal  von  Vitry-le-Frangois  an  der  Marne  über  Chaumont  nach  der  Saone 
bei  Heuilley  erbaut.  Dieser  224  km  lange  Kanal  mit  113  Schleusen  verbindet 
das  östliche  Industriegebiet  mit  den  Kohlenfeldern  von  St.  Etienne,  wohin  man 
früher  nur  auf  dem  großen  Umweg  über  Paris  gelangen  konnte.  Die  Wasser- 
straße ist  1907  fertig  geworden. 

Für  den  Bau  der  übrigen  Wasserstraßen  des  Freycinetschen  Programms 
ist  die  Lust  geschwunden,  namentlich  weil  die  günstigen  Verhältnisse  im 
französischen  Haushalte  am  Ende  der  siebziger  Jahre  sich  bald  änderten. 
Man  strebte  darum  nach  einer  Entlastung  des  Staats  und  nach  einer  Heran- 
ziehung der  Beteiligten,  Handelskammern,  Stadtgemeinden  u.  dgl.^  zu  den 
Kosten.  Dies  geschah  in  großem  Umfange  bei  den  Seehäfen  und  Seewasser- 
straßen, sowie  zum  Teil  bei  größeren  Stromverbesserungen. 

Der  von  Freycinet  geplante  und  auch  später  immer  wieder  angeregte 
Nordkanal,  der  etwa  in  der  Richtung  von  Compi^gne  nach  Douai  eine  zweite 
Verbindung  zwischen  Paris  und  den  Kohlenfeldern  von  Valenciennes  und  Mons 
herstellen  sollte,  kam  bisher  nicht  zur  Ausführung,  weil  es  nicht  gelang,  die  Be- 
teiligten zu  den  Kosten  heranzuziehen.  Unterdessen  bemühte  sich  die  Regie- 
rung, die  Leistungsfähigkeit  der  alten  Wasserstraße  (Kanal  von  St.  Quentin  usw.) 
durch  Verdoppelung  der  Schleusenkammern  und  durch  andere  Verbesserungen 
zu  erhöhen.     Diese  Arbeiten  kamen  etwa  im  Jahre  1907  zum  Abschluß. 

Im  Jahre  1903  wurde  ein  vom  Minister  Baudin  vorgelegtes  Gesetz  an- 
genommen, nach  dem  zu  neuen  Kanälen  von  den  Beteiligten  mindestens  die 
Hälfte  der  Kosten  aufgebracht  werden  sollte,  wofür  ihnen  der  Staat  auf  eine 
gewisse  Zeit  die  Erhebung  von  Abgaben  und  das  Schleppmonopol  zuge- 
stehen könnte.  Dabei  war  zunächst  der  Nordkanal,  ein  Kanal  von  Marseille 
zur  Rhone  und  die  Verbesserung  des  bestehenden  Kanals  von  Cette  zur  Rhone 
in  Aussicht  genommen.  Für  die  beiden  letzten  Kanäle  sind  die  Vorbedingungen 
erfüllt  und  der  Bau  des  Kanals  nach  Marseille  ist  seit  1908  im  Gange,  Er 
tritt  zum  Teil  an  die  Stelle  des  alten  Kanals  von  Arles  nach  Bouc  und  wird 
für  den  Verkehr  der  größten  Güterdampfer  der  Rhone  eingerichtet.  (Der 
einschiffige  Tunnel  bekommt  z.  B.  eine  Weite  von  22,5  m.) 

Für  die  Bauten,  deren  Kosten  zum  Teil  von  den  Beteiligten  getragen 
wurden,  hat  man  (1902)  Wasserstraßenbeiräte  (comitds  consultatifs  de  la  navi- 
gation)  wie  in  Preußen  eingesetzt. 

Die  Verbesserung  der  natürlichen  Wasserstraßen  hatte  schon  vor 
1870  begonnen  (S.  148),  indem  namentlich  der  künstliche  Aufstau  mehrerer 
Ströme  ausgeführt  worden  war.  Bei  der  unteren  Seine  war  man  mit  dem 
Erfolg  der  von  1837  ^*s  1868  ausgeführten  Arbeiten  nicht  zufrieden,  und  durch 
Gesetz  von  1878  wurde  ein  neuer  Aufstau  angeordnet,  der  eine  Mindesttiefe 
von  3,2  m  bis  Paris  ergeben  sollte. 

15* 


228  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

Unterhalb  der  Brücke  de  la  Toumelle  in  Paris  sind  9  Staustufen  angeordnet  und  bei  jeder 
z\^-ei  Schleusenkammern  erbaut,  von  denen  die  eine  151,7  m  lang,  17  m  breit  und  in  den  Toren 
ii,S  m  weit  und  die  andere  53,7  m  lang  und  8  m  breit  ist.  Bei  Bougival  ist  die  große  Schleusen- 
kammer sogar  230,7  m  lang.  Dazu  treten  die  älteren  Schleusenkammern  von  je  112,6  m  Länge 
und  ii,6m  Breite,  so  daß  an  jeder  Staustufe  3  Kammern  vorhanden  sind.  Die  Bauten  waren 
im  Jahre  1886  fertig.     Das  gesamte  Gefälle  bis  Ronen  beträgt  rund  26  m. 

Im  Jahre  1879  wurde  mit  dem  künstlichen  Aufstau  der  Saone  von  Lyon  aufwärts  bb 
Corre  begonnen.  Die  Strecke  ist  374  km  lang  und  hat  30  Staustufen.  Die  Schleusen  sind  in 
der  obersten  Strecke  38,5  m  lang  und  $,2  m  breit,  in  der  Strecke  von  Gray  bis  Cfaalons  39,5  m 
lang  und  8  m  breit  und  unterhalb  150,4  m  lang  und  16  m  breit.  Die  Mindesttiefe  ist  2  m.  Die 
Bauten  waren  am  Ende  der  achtziger  Jahre  beendigt. 

Die  früheren  Arbeiten  zum  Ausbau  der  Rhone  hatten  keinen  Erfolg 
gebracht  und  es  wurde  1878  ein  neuer  Entwurf  beschlossen,  der  seitdem  zur 
Ausführung  gekommen  ist  und  eine  bedeutende  Verbesserung  des  Fahrwassers 
herbeigeführt  hat*).  Im  Jahre  1893  war  bereits  eine  Mindesttiefe  von  1,6  m 
an  342  Tagen  und  eine  Tiefe  von  2  m  an  282  Tagen  erreicht. 

In  den  letzten  Jahren  ist  auch  mit  dem  Ausbau  der  Loire  der  Anfang 
gemacht  worden.  Freycinet  hatte  einen  Seitenkanal  von  Orleans  nach  Nantes 
vorgeschlagen;  die  seit  1896  von  der  Regierung  angeordneten  Untersuchungen 
iiihrten  aber  zu  dem  Entschluß,  die  nötige  Tiefe  allein  durch  Ausbau  zu  er- 
reichen. Zu  den  Kosten  der  Arbeiten  sind  die  beteiligten  Handelskammern 
herangezogen  worden.  Zunächst  soll  in  der  unteren,  84  km  langen  Strom- 
strecke von  Nantes  bis  Angers  eine  Mindesttiefe  von  1,2  m  bei  Niedrigwasser 
erreicht  werden. 

Belgien*  Das  WasserstraOennetz  wurde  seit  1870  erheblich  verbessert 
und  erweitert.  Die  untere  Scheide  zwischen  Antwerpen  und  Gent  ist  seit 
1880  mit  Erfolg  ausgebaut  und  mittels  13  Durchstichen  um  12  km  verkürzt 
worden.  Die  geringste  Wassertiefe  bei  N.  W.  beträgt  etwa  2  m.  Auch  die 
obere  Scheide  zwischen  Gent  und  der  französischen  Grenze  ist  seit  1880 
mittels  Durchstichen  um  etwa  25  km  (von  113  auf  88  km)  verkürzt  und  in  8 
Stufen  aufgestaut  worden.  Die  Schleusen  sind  46,5  m  lang  und  6,5  m  breit. 
Die  zulässige  Tauchtiefe  beträgt  im  Sommer  1,9  m,  im  Winter  2,1  m. 

Der  Aufstau  der  Maas  wurde  von  Namur  aufwärts  bis  zur  französischen 
Grenze  bei  Givet  fortgesetzt  (S.  151)  und  1880  fertiggestellt.  Die  113  km  lange 
Strecke  von  der  Grenze  bis  Lüttich  hat  2 1  Haltungen  und  eine  Mindesttiefe  von 
2,1  m.  Die  älteren  Schleusen  sind  56,75  m  lang  und  9  m  breit;  die  neueren 
oberhalb  Namur  100  m  lang  und  12  m  breit.  Bei  Lüttich  (1879)  hat  die  Schleuse 
zwei  Kammern  von  12  m  Breite,  von  denen  die  eine  (mit  Zwischenhaupt)  168  m 
und  die  andere  (für  Personendampfer)  55  m  lang  ist.  In  der  Sambre,  dem 
Nebenflusse  der  Maas,  wurden  seit  1879  (in  Übereinstimmung  mit  den  franzö- 
sischen Umänderungen  nach  Freycinet)  9  Schleusen  unterhalb  der  Grenze  bis 
Landelies  auf  40,8  m  verlängert.  Dies  Maß  für  die  Länge  und  5,2  m  fiir  die 
Breite  ist  allgemein  für  die  neuen  belgischen  Kanäle  eingeführt  worden, 

i]  Girardon,  Flußregulierung  bei  niedrigem  Wasserstande.  Bericht  zum  6.  internationalen 
BinnenschifT.-Kongreß  im  Haag,  1894. 


4.  Vorgänge  im  Ausland.  229 

die  außerdem  10,5  m  Sohlenbreite,  2,4  m  Wassertiefe,  5  m  Leinpfadbreite  und 
an  den  Brücken  mindestens  6  m  lichte  Weite  und  4  m  lichte  Höhe  erhalten. 

Außer  den  (S.  6)  erwähnten  Seekanälen  (von  Brüssel,  Gent  und  Brügge) 
ist  das  bedeutendste  neuere  Kanalunternehmen  der  Canal  du  centre,  der 
den  Kanal  von  Cond^  nach  Mons  (S.  70)  mit  dem  Kanal  von  Charleroi  nach 
Brüssel  verbindet  und  für  die  Ausbeutung  der  belgischen  Kohlenfelder  von 
großem  Werte  ist.  Die  Schwierigkeit  des  nur  2 1  km  langen  Kanals  von  Mons 
bis  Houdeng  liegt  in  der  großen  zu  überwindenden  Höhe  von  rund  90  m. 
Die  untere  13  km  lange  Strecke  steigt  von  Mons  mittels  6  Schleusen  23,3  m 
hinauf  und  ist  seit  längerer  Zeit  fertiggestellt.  Die  übrigen  66,7  m  sollen  durch 
4  Hebewerke  überwunden  werden.  Das  eine  davon  bei  La  Louviä-e  ist  seit 
dem  Jahre  1888  im  Betriebe  und  überwindet  eine  Höhe  von  15,4  m.  Die 
Arbeiten  dauern  noch  fort,  ebenso  die  zur  Erweiterung  des  Kanals  von 
Charleroi  nach  Brüssel.  Am  Rüpel  und  an  der  Lys  (bei  Courtrai)  sind 
Verbesserungen  im  Gange,  auch  an  den  Kanälen  zwischen  Gent  und  Brügge 
(seit  1904)  sowie  zwischen  Lüttich  und  Antwerpen  (über  Maastricht,  seit  1908), 
die  fiir  große  RheinschifTe  von  100  m  Länge,  12  m  Breite  und  2,5  m  Tief- 
gang zugänglich  gemacht  werden  sollen.  Abgesehen  von  diesen  beiden 
Linien  strebt  man  darnach,  die  Wasserstraßen  im  unteren  Belgien  für  Schiffe 
von  600  t  und  im  oberen  Belgien  für  solche  von  350  bis  400 1  fahrbar  zu  machen. 

Holland.  Von  den  vielen  dort  ausgeführten  Arbeiten  zur  Verbesserung 
der  Binnenwasserstraßen  ist  besonders  der  Merwedekanal  zu  nennen,  der 
Amsterdam  mit  der  Waal  bei  Gorinchem  verbindet.  Vor  dem  Jahre  1825 
ging  die  Fahrt  von  Amsterdam  über  die  Zuidersee  durch  die  Vechte  und 
durch  den  Vaartschen  Rhin  über  Utrecht  zum  Leck  (Keulsche  Vaart  =  Kölnische 
Fahrt);  dann  verlängerte  man  die  Wasserstraße  (Zederikkanal)  bis  zur  Waal, 
so  daß  Schiffe  von  7,5  m  Breite  und  2,1  m  Tiefgang  dort  verkehren  konnten. 
Diese  Abmessungen  genügten  gegenüber  der  schnell  zunehmenden  Größe  der 
RheinschifTe  im  Laufe  der  Jahre  nicht  mehr  und  außerdem  war  das  Fahrwasser 
sehr  gekrümmt  und  enge.  Im  Wettbewerb  mit  Rotterdam  und  Antwerpen 
um  den  Rheinverkehr  war  deshalb  eine  neue  bequeme  Wasserstraße  von 
großen  Abmessungen  dringend  für  Amsterdam  erforderlich. 

Der  Kanal  wurde  1881  begonnen,  1892  bis  zum  Leck  und  1893  bis  zur  Waal  eröffnet. 
Er  bt  rund  70  km  lang  und  hat  je  zwei  Haltungen  nördlich  und  südlich  vom  Leck,  zusammen 
6  Schleusen.  Die  Sohlenbreite  beträgt  20  m,  die  Wassertiefe  3,1  m.  Der  kleinste  Krümmungs- 
halbmesser ist  500  m,  ausnahmsweise  350  m.  Die  Schleusenkammern  sin4  120  m  lang,  25  m 
breit  und  in  den  Toren  12  m  weit.  In  Amsterdam  sind  doppelte  Kammern  von  je  14  m  Tor- 
weite  angeordnet. 

Über  die  Arbeiten  an  der  Waal  und  am  Leck  war  schon  beim  Rhein 
gesprochen  worden  (S.  176).  Die  Wasserstraße  der  Maas  ist  innerhalb  Hollands 
durch  die  in  den  Jahren  1883  bis  1910  ausgeführte  »Trennung  der  Maas  von 
der  Waal«  verändert  worden.  Beide  Ströme  vereinigten  sich  früher  bei 
Woudrichem  (3  km  oberhalb  Gorinchem),  von  wo  an  die  vereinigte  Wasser- 
straße gewöhnlich  Merwede  genannt  wird.    Schon  etwa  30  km  oberhalb  dieser 


230  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  Binnenschiffahrtstraßen  seit  1870. 

Vereinigung  liegen  beide  Ströme  bei  St  Andries  sehr  nahe  beieinander  und 
sind  für  den  Schiffahrtverkehr  1856  durch  einen  kurzen  Kanal  mit  Schleuse 
verbunden  worden,  so  daß  die  Maas  von  da  bis  zur  Einmündung  des  Kanals 
von  Maastricht  nach  Herzogenbusch  (S.  151)  und  weiterhin  bis  Woudrichem 
von  der  Schiffahrt  benutzt  wird.  Durch  die  vorerwähnten  Arbeiten  wurde 
der  Maas  durch  Grabung  eines  neuen  Laufes  ein  besonderer  Abfluß  zum  Meer 
(durch  den  Amer  und  das  Holländische  Diep)  gegeben,  während  sie  4  km  ober- 
halb Woudrichem  durch  das  Wehr  bei  Andel  abgeschlossen  wurde,  so  daß  sie 
nicht  mehr  in  die  Waal  mündet  Zur  Aufrechterhaltung  der  Schiffahrt  wurde 
neben  dem  Wehr  eine  Schleuse  von  120  m  Länge  und  13m  Breite  erbaut ' 

Von  den  übrigen  europäischen  Ländern  sind  in  Rußland  umfangreiche 
Arbeiten  zur  Verbesserung  des  Wasserstraßennetzes  ausgeführt  worden,  nach- 
dem in  der  Zeit  von  1875  bis  1884  ein  besonderer  staatlicher  Ausschuß 
mit  der  Untersuchung  aller  Wasserstraßen  beauftragt  worden  war.  Vor 
allem  ist  das  Fahrwasser  der  Wolga  durch  Ausbau  unter  starker  Ver- 
wendung von  Baggern  vertieft  und  verbessert  worden.  Das  Kanalnetz  war 
schon  früher  (S.  75)  beschrieben  worden.  Es  sind  viele  Entwürfe  zu  neuen 
Verbindungen  zwischen  dem  Weißen  Meer  und  der  Ostsee,  zwischen  dem 
Kaspischen  Meer  und  dem  Asowschen  Meer  sowie  zwischen  der  Wolga  und 
deren  Nebenfluß  Kama  mit  dem  Ob  und  den  anderen  sibirischen  Strömen 
aufgestellt  worden.  Besonders  ist  die  Frage  einer  großen  Wasserstraße 
zwischen  Riga  an  der  Ostsee  durch  die  Düna  und  den  Dniepr  nach  Cherson 
am  Schwarzen  Meer  häufig  untersucht  worden;  für  die  Schiffbarmachung  des 
Dniepr  ist  191 1  ein  Entwurf  fertig  geworden.  Aber  die  Ausführung  dieser 
Wasserstraßen  ist  wohl  nicht  bald  zu  erwarten  und  auch  an  dem  Weichsel- 
und  Memelstrom  merkt  man  in  der  Nähe  der  deutschen  Grenze  noch  immer 
nichts  von  gründlicher  Verbesserung. 

In  Norwegen  kann  sich  die  Binnenschiffahrt  wegen  der  vielen  Gebirge 
und  des  starken  Gefälles  der  Flüsse  schwer  entwickeln.  Eine  große  Be- 
deutung hat  die  Wasserstraße  von  Skien  nach  dem  Bandaksee  in  Telemarken. 

Skien  liegt  südwestlich  von  Christiania  am  Skienselo,  einem  Fluße,  der  von  seiner  Mün- 
dung in  den  Langesundsfjord  an  auf  8  km  Länge  bis  zu  dieser  Stadt  schiffbar  ist.  Von  Skien 
aufwärts  ist  der  Fluß  in  6  Stufen  bis  zum  Nordsjoesee  künstlich  aufgestaut.  In  diesen  See 
mündet  bei  Ulefos  der  17  km  lange  Abfluß  des  57  m  höher  gelegenen,  58  km  langen  Bandak- 
sees,  der  durch  15  Stufen  erstiegen  wird.  Die  ganze  Wasserstraße  vom  westlichen  Ende  des 
Sees  bei  Dalen  bis  zum  Langesundsfjord  ist  etwa  150  km  lang  und  das  ganze  Gefälle  beträgt 
72  m.  Die  Schleusen  sind  37,65  m  lang,  6,9  m  breit  und  2,6  m  unter  N.W.  tief.  Die  Wasser- 
straße wurde  1892  eröffnet. 

Bei  Fredrikshald  befindet  sich  ein  älterer  kleiner  Kanal  von  76  km  Länge,  der  zu  dem 
Skulemudrandsee  führt  und  mit  8  Stufen  eine  Höhe  von  25,9  m  überwindet.  Die  Schleusen 
sind  34,5  m  lang,  6,3  m  breit  und  1,9  m  tief. 

In  Schweden  ist  man  seit  1909  mit  dem  Umbau  des  TroUhättakanals 
(S.  78)  und  der  Ausnutzung  der  großen  Wasserkräfte  beschäftigt. 

In  Italien  hat  man  seit  Anfang  dieses  Jahrhunderts  der  Binnenschiffahrt 


4.  Vorgänge  im  Ausland.  231 

wieder  (S.  33)  Aufmerksamkeit  geschenkt  und  von  Seiten  des  Staats  Aus- 
schüsse eingesetzt,  die  umfangreiche  Entwürfe  zu  neuen  Wasserstraßen  auf- 
gestellt haben.  Vor  allem  handelt  es  sich  um  eine  gute  Wasserverbindung 
fiir  600  t- Schiffe  zwischen  Venedig  und  Mailand.  Die  Linie  soll  von  Venedig 
durch  die  Lagune  nach  Chioggia,  dann  unter  Benutzung  vorhandener  Kanäle 
über  Brendolo  zum  unteren  Laufe  des  Po  fuhren.  Dieser  wird  aufwärts  bis 
zur  Einmündung  der  Adda  verfolgt,  in  der  die  Straße  hinauf  bis  Pizzighettone 
geht,  von  wo  über  Lodi  ein  neuer  Kanal  bis  Mailand  hergestellt  werden  soll. 
Auch  einige  andere  bemerkenswerte  Arbeiten  sind  ausgeführt:  z.  B.  der  Tiber 
ist  bis  hinauf  nach  Rom  auf  2  m  Tiefe  gebracht  worden,  so  daß  sich  in  der 
Stadt  bereits  ein  lebhafter  Wasserverkehr  entwickelt  hat.  Ferner  sind  bei 
der  Gewinnung  von  Wasserkräften  einige  Stromstrecken  verbessert  und  kanali- 
siert worden:  So  ist  z.  B.  in  den  Jahren  1899  bis  1901  bei  Vizzola  ein  Seiten- 
kanal des  Tessin  entstanden. 

Auch  in  England  hat  man  in  jüngster  Zeit  von  Staats  wegen  die  Frage 
untersucht,  ob  und  in  welcher  Weise  die  Binnenschiffahrt  wieder  gehoben 
werden  könnte.  Im  Jahre  1906  wurde  durch  Gesetz  ein  Ausschuß  »Royal- 
Commission  on  Canals  and  Waterways«  eingesetzt.  Dieser  sollte  den  Zustand 
und  die  finanzielle  Lage  der  Binnenschiffahrt  untersuchen,  sowie  die  Möglich- 
keit ihrer  Verbesserung  und  der  Herstellung  eines  Netzes  von  Wasserstraßen 
zwischen  den  wichtigsten  Handelsplätzen.  Außerdem  sollte  er  die  Frage 
prüfen,  ob  und  auf  welche  Weise  neue  Kanäle  durch  öffentliche  Verwaltun- 
gen erbaut  werden  sollten. 

Vereinigte  Staaten  von  Nordamerika.  Von  den  natürlichen 
Wasserstraßen  ist  der  Mississippi  am  wichtigsten.  Nach  dem  Entwurf  von 
1872  sollte  er  von  der  Mündung  bis  Kairo  eine  Mindesttiefe  von  3m,  von 
da  bis  St.  Louis  eine  solche  von  2,44  m,  bis  zum  Illinois  1,83  m  und  bis 
St.  Paul  1,38  m  erhalten.  Aber  diese  Tiefen  sind  bisher  auch  nicht  ange- 
nähert erreicht  worden.  Seit  1905  hörte  man  mit  dem  Ausbau  auf  und 
führte  große  Baggerungen  aus.  Die  Nebenflüße  wurden  zum  Teil  auf- 
gestaut. Außer  dem  schon  (S.  157)  erwähnten  Monongahela  wurden  solche 
Arbeiten  am  Ohio,  am  Illinois,  am  Fox  sowie  an  kleineren  Flüssen  in  den 
Staaten  Kentucky  und  West- Virginia  ausgeführt.  Neue  Kanäle  mit  Schleusen 
sind  nach  dem  Jahre  1870  nur  wenige  gebaut  worden.  Außer  einigen 
kleineren  im  Staate  Tenessee,  die  in  einer  Länge  von  25  km,  1,8  m  Tiefe 
und  mit  11  Schleusen  in  der  Zeit  von  1872  bis  1889  hergestellt  wurden, 
ist  besonders  der  Mississippi-Illinois-Kanal  zu  erwähnen,  der  den  Illi- 
nois bei  Hennepin  mit  Rock-Island  am  Mississippi  verbindet'}.  Der  in  den 
Jahren  1892  bis  1906  gebaute  Kanal  ist  120  km  lang,  25  m  breit,  2,1  m 
tief  und  mit  31  Schleusen  zum  Verkehr  von  600  t-Schiffen  eingerichtet. 

An  Stelle  des  anschließenden  älteren  Illinois-Michigan-Kanals  (S.  157), 


i)  In  der  Wasserstraßenkarte  [S.  154)  noch  punktiert  dargestellt. 


I 


232  Abschnitt  IV.     Die  Vermehrung  der  BinnenschifTahrtstraßen  seit  1870. 

der  Lasalle  am  Illinois  mit  Chikago  verbindet,  beabsichtigt  man  eine  neue 
große  Wasserstraße  von  vorläufig  4,25  m  Tiefe  von  Chikago  zum  Mississippi 
herzustellen  und  dazu  als  Anfang  den  großen  Entwässerungskanal  von 
Chikago  zu  benutzen,  der  50  km  lang  mit  einer  geringsten  Sohlenbreite 
von  50  m  und  einer  Wassertiefe  von  7  m  in  den  Jahren  1892  bis  igoo  er- 
baut und  vorläufig  bei  Lockport  durch  ein  Wehr  abgeschlossen  worden  ist 

Von  den  älteren  Kanälen  sind  die  Schicksale  des  Eriekanals  am  wich- 
tigsten. Der  früher  (S.  155)  geschilderte  Wettbewerb  der  Eisenbahnen  (der 
häufig  durch  gewagtes  Börsenspiel  noch  verstärkt  wurde)  veranlaßte  die  Re- 
gierung des  Staates  New- York  zu  fortgesetzten  Verbesserungen  des  Kanals: 
1883  wurden  44  Schleusen  so  verlängert,  daß  sie  2  KanalschifTe  hinterein- 
ander aufnehmen  konnten;  1895  begann  man  den  Kanal  auf  2,74  m  zu  ver- 
tiefen und  die  Schleusen  für  je  2  Schiffe  von  370  t  Tragfähigkeit  umzubauen. 
Unterdessen  war  die  Frage  aufgetaucht,  ob  es  nicht  vorteilhafter  wäre,  von 
New-York  einen  Seekanal  von  8,5  m  Tiefe  bis  Buffalo  zu  bauen,  so  daß  die  Ge- 
treideschiffe von  Chikago  bis  Liverpool  ohne  Umladung  gehen  könnten.  Auf 
diese  Weise  würde  man  auch  den  kanadischen  Wasserweg  übertroffen  haben, 
der  seit  dem  Jahre  1888  fiir  Schiffe  von  1500  t  Tragfähigkeit  fahrbar  war. 

Die  in  den  Jahren  1895  bis  1897  von  der  Regierung  angeordneten 
Untersuchungen  führten  zunächst  zu  keinem  Entschluß  und  erst  im  Jahre 
1903  wurde  ein  Gesetz  über  den  Umbau  des  Kanals  erlassen.  Im  Jahre 
1905  begann  der  Bau.  Die  Hauptlinie  des  alten  Kanals  zwischen  Albany 
am  Hudson  und  dem  Niagarafluß  bei  Buffalo  ist  im  allgemeinen  beibehalten. 
Doch  liegt  sie  zwischen  dem  Hudson  und  Utica  im  Laufe  des  Mohawk- 
flusses,  verläßt  am  Ende  der  Scheitelhaltung  bei  Rome  die  alte  (über  Syra- 
cuse  führende)  Linie  und  geht  durch  den  Oneidasee,  um  sich  hinter  der 
Abzweigung  des  Oswegokanals  bei  Clyde  wieder  mit  dieser  zu  vereinigen. 
Die  Länge  dieser  Hauptlinie  beträgt  550  km.  Die  Mindestabmessungen  des 
Querschnitts  sind  22,8  m  Sohlenbreite  und  3,65  m  Tiefe.  Die  lichte  Höhe 
unter  den  Brücken  beträgt  4,56  m.  Die  53  Schleusen,  deren  größtes  Gefalle 
13,85  m  (an  Stelle  von  4  alten)  beträgt,  haben  eine  nutzbare  Länge  von  94  m 
und  eine  Breite  von  13,7  m.  Der  Kanal  ist  fiir  den  Verkehr  von  1000  t-Schiffen 
eingerichtet;  doch  will  man  die  Schleusen  so  vertiefen,  daß  künftig  auch 
Schiffe  von  2000  t  zugelassen  werden  können.  Leinpfade  werden  nicht  an- 
gelegt, da  der  Betrieb  künftig  durch  Schleppdampfer  besorgt  werden  soll. 

Im  Anschluß  an  die  Hauptlinie  wird  der  Oswegokanal  entsprechend 
umgebaut  und  der  Hudson  oberhalb  Albany  bis  Fort  Edward  am  Cham- 
plainsee  künstlich  aufgestaut,  um  die  Verbindung  mit  dem  kanadischen 
Chamblykanal  und  dem  Lorenzstrom  (S.  155)  zu  verbessern.  Auch  wird  Syra- 
cuse  durch  einen  Zweigkanal  mit  der  neuen  Hauptlinie  verbunden.  Die  Bau- 
zeit ist  auf  7  Jahre  bemessen'). 

i)  Zentralblatt  der  Bauverwaltung  1907,  S.  7  u.  508;  19 10,  S.  242.  Zeitschrift  für  Blnnen- 
schififahrt  1905,  S.  7;  19 10,  S.  407. 


ZWEITER  TEIL 


Die  Fahrzeuge  der  Binnenschiffahrt. 


Abschnitt  L 


Allgemeines  über 

Die  verschiedenen  Arten.  Mit  Rücksicht  auf  die  Fortbewegung 
unterscheidet  man  Binnenschiffe  mit  und  ohne  eigene  Triebkraft.  Die  an 
Bord  befindliche  Triebkraft  kann  von  Menschen  (seltener  von  Tieren)  oder 
von  Maschinen  geleistet  werden.  Es  bleibt  zu  beachten,  ob  die  Triebkraft 
das  Schiff  befähigt,  sich  auf  der  Wasserfläche  unabhängig  von  Ufer  und  Sohle 
der  Wasserstraße  zu  bewegen  oder  nicht.  Der  letztere  Fall  tritt  ein  beim 
Schieben  des  Schiffes  durch  Stangen,  bei  der  Warpschiffahrt  (S.  54)  und  bei 
der  Ketten-  und  Seilschiffahrt.  Die  Verwendung  von  Menschenkraft  zur  Hand- 
habung der  Riemen  (Remen,  Ruder)  war  vor  der  Erfindung  des  Dampfschiffs 
allgemein  üblich;  jetzt  hat  aber  die  Ruderschiffahrt  keine  wirtschaftliche 
Bedeutung  mehr.  Unter  Schiffen  mit  eigener  Triebkraft  oder  Kraftschiffen 
verstehen  wir  daher  nur  solche,  die  durch  Dampfmaschinen  oder  Gasmaschinen, 
oder  durch  aufgespeicherte  Elektrizität  fortbewegt  werden. 

Schiffe  ohne  eigene  Triebkraft  bedürfen  zu  ihrer  Fortbewegung  fremder, 
von  außen  wirkender  Kräfte:  das  Segelschiff  der  Kraft  des  Windes,  ein  ge- 
schlepptes oder  getreideltes  Schiff  der  im  Schlepptau  oder  in  dem  Treidel- 
seil wirkenden  Zugkraft. 

Für  die  gewöhnlich  geschleppten  Schiffe  hat  sich  in  neuerer  Zeit  die  schlechte  Bezeich- 
nung »Schleppkahn«  eingebürgert,  zuweilen  auch  »Schleppschiff«.  Diese  Wortbildungen  sind 
unrichtig;  denn  sie  bezeichnen  nicht  Schiffe,  die  geschleppt  werden,  sondern  Schiffe,  die 
schleppen.  In  diesem  richtigen  Sinne  wird  das  Wort  »Schleppschiff«  in  dem  Reichsgesetz  vom 
Jahre  1895,  betreffend  die  privatrechtlichen  Verhältnisse  der  Binnenschiffahrt,  ausschließlich 
gebraucht. 

Die  an  der  Donau  übliche  Bezeichnung  »Schlepp«  für  ein  Lastschiff,  das  geschleppt  wird, 
ist  gleichfalls  nicht  zu  empfehlen.  Da  heute  die  meisten  Lastschiffe  geschleppt  werden,  dürfte 
das  Wort  »Lastschiff«  in  der  Regel  ohne  jeden  weiteren  Zusatz  verständlich  sein. 

Mit  Rücksicht  auf  den  Zweck  unterscheidet  man  Personenschiffe 
und  Lastschiffe,  die  beide  entweder  eigene  Triebkraft  haben  können  oder 
nicht.  Im  ersteren  Falle  spricht  man  von  »Personenkraftschiffen«  (Personen- 
dampfer, Personenkraftboote)  und  von  »Güterkraftschiffenc  (Güterdampfer, 
Ladungsdampfer).  Personenschiffe  ohne  eigene  Triebkraft  finden  heute  selten 
Verwendung;  vor  der  Einfiihrung  der  Dampfschiffe  waren  sie  überall  ein 
beliebtes  Verkehrsmittel  (Marktschiffe,  Postschiffe,  Jachten,  Treckschuiten 
u.  dgl.).     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,   die  keine  Ladung  einnehmen,  son- 


236  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 

dem  zum  Schleppen  anderer  Schiffe  bestimmt  sind,  heißen  »Schleppschiffe« 
(Schleppdampfer,  Schlepper).  Ketten-  und  Seildampfer  sind  besondere  Arten 
von  Schleppschiffen. 

Hiermit  ist  die  Zahl  der  an  der  Binnenschiffahrt  unmittelbar  beteiligten 
Fahrzeuge  abgeschlossen.  Es  bleiben  aber  mehrere  Arten  von  Schiffen  zu 
erwähnen,  die  für  die  Nebenbetriebe  der  Binnenschiffahrt  erforderlich  sind. 
Dazu  gehören  zunächst  die  Bauschiffe  (einschließlich  der  Vermessungschiffe, 
Peilschiffe,  Wohnschiffe  für  Beamte  und  Arbeiter,  Taucherschächte,  Felsen- 
stampfer, Bohrschiffe,  Bagger,  Baggerprähme,  Spülschiffe,  Werkstattschiffe 
u.  dgl),  ferner  die  Aufsichtschiffe  (Bereisungschiffe,  Polizeiboote),  Eisbrech- 
schiffe, Schwimmkrane  und  ähnliche  zum  Löschen  und  Laden  der  Güter  be- 
stimmte schwimmende  Vorrichtungen.  In  größeren  Binnenhäfen  findet  man 
auch  besondere  Schiffe  mit  Feuerlöscheinrichtungen  und  selbst  für  gottes- 
dienstliche Zwecke.  Solche  »schwimmende  Kirchen«  sind  neuerdings  in 
Deutschland,  Österreich  und  Rußland  für  die  Schiffer  eingerichtet  worden. 

Auf  den  Binnenwasserstraßen  befinden  sich  noch  mancherlei  Fahrzeuge, 
die  mit  der  Binnenschiffahrt  nicht  zusammenhängen,  vielmehr  ihr  zuweilen 
hinderlich  sind.  Das  sind  die  Schiffmühlen,  Fähren,  Fischerboote  und  die  ver- 
schiedenen Fahrzeuge  des  Wassersports.  Ferner  sind  noch  die  Flöße  zu  er- 
wähnen, die  entweder  allein  schwimmen  oder  geschleppt  werden. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Wasserstraßen,  auf  denen  sie  zu  verkehren 
pflegen,  unterscheidet  man  Haffschiffe,  Flußschiffe  und  Kanalschiffe. 
Die  Einrichtungen  und  die  Abmessungen  der  Wasserstraßen  (Breite  und  Tiefe 
des  Fahrwassers,  Krümmungen,  Brücken  und  Schleusen)  bestimmen  mehr 
oder  minder  auch  die  Größe  und  Form  der  Schiffe.  Das  Kanalschiff  baut 
man  gewöhnlich  so,  daß  es  die  Abmessungen  der  Schleusen  und  die  unver- 
änderliche Wassertiefe  des  Kanals  möglichst  ausnutzen  kann.  Das  Flußschiff 
wird  mehr  für  wechselnde  Fahrwassertiefen  eingerichtet  und  bekommt  eine 
verhältnismäßig  größere  Länge  und  Breite,  um  auch  bei  niedrigen  Wasser- 
ständen noch  gewinnbringende  Ladung  einnehmen  zu  können. 

Die  Art  der  Wasserstraße  bedingt  femer  eine  verschiedene  Bauart  und 
Ausrüstung  der  Schiffe,  je  nach  den  Angriffen,  denen  sie  ausgesetzt  sind. 
Diese  sind  im  allgemeinen:  Wind,  Wellen,  Strömung,  Aufstoßen  auf  den 
Grund,  Anprall  an  Brücken  u.  dgl.  bei  der  Durchfahrt,  an  Ufern  und  Ufer- 
mauern beim  Anlegen,  sowie  Zusammenstoß  miteinander.  Haffschiffe  und 
Flußschiffe,  die  in  breiten  Strommündungen  verkehren,  werden  mit  festem, 
dichtem  Deck  gegen  überschlagende  Wellen  versehen  und  beide  Arten  von 
Schiffen  werden  fester  gebaut  und  besser  ausgerüstet  (z.  B.  mit  Ankern 
u.  dgl.)  als  Kanalschiffe. 

Die  Hauptteile  des  Binnenschiffs  und  ihre  Benennung.  In 
der  Richtung  der  Fahrt  heißt  das  vordere  Ende  des  Schiffes  der  Bug,  das 
hintere  das  Heck.  Die  rechte  Seite  nennt  man  Steuerbord,  die  linke 
Backbord. 


Benennungen.  237 

Diese  beiden  Bezeichnungen  werden  so  erklärt,  daß  in  alter  Zeit  die  Schiffe  durch  ein 
Streichruder  gelenkt  wurden,  das  an  der  rechten  Schiffseite  hinten  durch  ein  Tau  befestigt  war, 
■wie  es  z.  B.  heute  noch  bei  den  rußischen  Wittinnen  üblich  ist.  Der  Steuermann  faßte  den 
Ruderstiel  mit  beiden  Händen  und  kehrte  dabei  den  Rücken  (englisch:  back)  der  linken  Schiff- 
seite zu. 

Der  Schiffskörper  setzt  sich  aus  dem  Boden,   dem  Gerippe,   den  Bord- 
wänden und  dem  Deck  zusammen.     Der  Boden  ist  meistens  flach,  zuweilen 
aber  im  Vorschiff  und  auch  im  Hinterschiff  etwas  steigend  angeordnet:  Man 
nennt  das  den  Sprung  des  Bodens.    Senkrecht  zur  Mittellinie  wird  der  Boden 
durch  Bpdenwrangen  (bei  Holzschiffen  auch  Bodenschwellen,  Bänke,  Blätter 
oder  Bladen,  bei  Eisenschiffen  auch  Bodenstücke  oder  Sohlstücke  genannt), 
in  der  Richtung  der  Mittellinie  durch  Kielschweine  versteift.     Die  Rippen 
werden  durch  die  Spanten  (bei  Holzschiffen  auch  Kniee  oder  Krümmlinge 
genannt)  gebildet,   die  mit  den  Bodenwrangen  verbunden  sind.     Besonders 
verstärkte  Spanten  heißen  Rahmenspanten.     Auf  den  Spanten  liegt  die 
Außenhaut  (bei  Holzschiffen  die  Beplankung),  die  vorne  an  dem  Vorsteven 
und  hinten  an  dem  Hintersteven  befestigt  wird.     Das  geschieht  bei  Holz- 
schiffen durch  Einlassen  der  Planken  in  eine  am  Steven  ausgearbeitete  Nute, 
die  man  Sponung  nennt.     Die  Bauchkante  oder  der  Winkel,  den  die  Bord- 
wände mit  dem  Boden  bilden,  heißt  die  Kimm  (Kimmung).    Sie  ist  meistens 
bei  Holzschiffen  scharf,  bei  Eisenschiffen  abgerundet.    Die  Bordwände  stehen 
wenigstens  im  Mittelschiff  in  der  Regel  senkrecht,  namentlich  bei  Kanalschiffen ; 
zuweilen  haben  sie  eine  geringe  Neigung  nach  außen,   die  man  Lehnung 
nennt.     Meistens,  und  besonders  bei  Kanalschiffen,   sind  die  Bordwände  im 
Mittelschiff  gleichlaufend  (parallel)  zu  einander  angeordnet;  zuweilen  verjüngt 
sich  die  Schiffsbreite,  namentlich  nach  hinten,  mehr  oder  weniger  beträchtlich, 
was  man  Ablauf  nennt.     Die  Steven  sind  entweder  senkrecht  oder  nach 
außen  geneigt  oder  gekrümmt.    Bei  Eisenschiffen  wird  der  Vorsteven  zuweilen 
überhängend  (ausladend)  gemacht  und  der  Hintersteven,  der  das  Steuerruder 
trägt,  oft  von  dem  Heck  überbaut  (übergebautes  Heck),   so  daß  der  obere 
Teil  des  Ruderschaftes  durch  den  Überbau  hindurchgeht.     Ältere  Holzschiffe 
haben  zuweilen  keine  Steven,  sondern  sowohl  der  Bug  wie  das  Heck  sind  als 
Kaffen  ausgebildet.    Die  oberste  wagerechte  Abdeckung  der  hölzernen  Bord- 
wände heißt  das  Schandeck  (der  Schandeckel) ;  eiserne  Bordwände  werden 
oben   durch  den   Stringerwinkel  und  den  Stringer  (Deckstringer)  abge- 
schlossen, der  binnenbords  den  Bordgang  oder  Wassergang  (auch  Gangbord 
oder  Potdechsel  genannt)  bildet,  während  außenbords  sich  gewöhnlich   eine 
Scheuerleiste  (Bergholz,  Bei^platte,  Wallschiene)  um  das  Schiff  herumzieht'). 

i)  Die  Benennung  einzelner  Schiffsteile,  sowie  die  Kunstausdrücke  im  Binnenschiffahrtbetriebe 
überhaupt,  sind  in  Deutschland  und  Österreich  sehr  verschieden,  schwankend,  zuweilen  sich  wider- 
sprechend und  oft  falsch  gebildet.  Der  Verfasser  hat  überall,  soweit  es  ihm  möglich  war,  eine 
sorgfältige  Prüfung  vorgenommen.  Bordgang  ist  z.  B.  zweifellos  verständlicher  und  richtiger  als 
Gangbord. 

Vgl.  auch  Dunkelberg,  Rheinschiffahrt -Lexikon,  Erklärung  der  Fachausdrücke.  Duis- 
burg 19 10. 


238  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 

Zur  Abteilung  der  Räume  und  zur  Versteifung  des  Schiffskörpers  querschiffs 
dienen  die  Schotten  (Schottwände),  die  bei  Eisenschiffen  meistens  wasser- 
dicht gemacht  werden,  und  die  Duchten  (Raumbalken),  die  von  Holz  oder 
Eisen  oben  von  Bordwand  zu  Bordwand  gespannt  und  zuweilen  mit  Rahmen- 
spanten verbunden  werden. 

Das  Vorschiff  und  das  Hinterschiff  sind  gewöhnlich  bei  den  Binnenschiffen 
auf  größere  oder  geringere  Länge  mit  einem  festen  Deck  versehen,  während 
bei  den  Lastschiffen  die  mittleren  Laderäume  zuweilen  offen  bleiben;  andern- 
falls werden  sie  entweder  durch  ein  festes  oder  durch  ein  bewegliches  Deck 
geschlossen.  Das  feste  Deck  ruht  auf  Deckbalken,  die  an  Stelle  der  Duchten 
von  Bordwand  zu  Bordwand  reichen  und  mit  den  Spanten  fest  verbunden  sind. 
Gewöhnlich  wird  das  feste  Deck  querschiffs  gekrümmt,  damit  das  Wasser  nach 
den  Wassergängen  an  den  Bordwänden  abfließen  kann.  Diese  Krümmung 
heißt  Balkenbucht  oder  Deckbucht.  Zuweilen  gibt  man  dem  Deck  auch 
längsschiffs  eine  Krümmung,  indem  man  es  nach  vorne  und  nach  hinten  an- 
steigen läßt.  Diese  Krümmung  nennt  man  den  Sprung  des  Decks.  Beim 
festen  Deck  wird  der  Zugang  zu  den  Kajüten  durch  Niedergänge  mit  Trep- 
pen und  zu  den  Laderäumen  durch  Ladeluken  bewirkt,  die  mit  Luksüllen 
umrahmt  und  mit  Lukendeckeln  geschlossen  werden.  Luksülle,  die  die 
Laderäume  seitlich  auf  der  ganzen  Schiffslänge  abschließen,  nennt  man  am 
Rhein  Tennebaum. 

Das  bewegliche  Verdeck  ist  entweder  ein  Bretterdeck  oder  ein  Platten- 
deck. Das  Bretterdeck  besteht  aus  schmalen  losen  Brettern,  die  längsschiffs 
gleichlaufend  vermittelst  Decksparren  dachförmig  über  den  Laderaum  gelegt 
werden.  Beim  Platten-  oder  Tafel  deck  werden  die  einzelnen  Platten  oder 
Tafeln  (Lukendeckel)  querschiffs  über  den  Laderaum  gelegt  und  an  ihren 
Stößen  von  Rinnsparren  (Merklingen)  unterstützt. 

Den  vordersten  und  den  hintersten  Teil  des  Schiffsraums  bei  den  Steven 
nennt  man  Piek. 

Der  in  den  Kajüten  und  Laderäumen  über  den  Bodenwrangen  angeord- 
nete Fußboden  heißt  Wegerung  oder  Bühne  (auch  Flur,  Streck,  Streu, 
Strau  genannt).  Die  innere  Bretterbekleidung  der  Bordwände  heißt  gleichfalls 
Wegerung  oder  »Hängebühne«,  zuweilen  »Seitenausschlag«. 

Die  Außenhaut  wird  oft,  besonders  bei  Dampfschiffen,  über  Deck  hinauf- 
geführt, entweder  rings  um  das  ganze  Schiff  oder  nur  um  das  Vor-  und  Hinter- 
schiff, um  bei  starkem  Wellengange  das  Übernehmen  von  Wasser  zu  ver- 
hindern. Diese  Schutzwand  nennt  man  das  Schanzkleid  (Verschanzung); 
es  endigt  oben  mit  der  Reling  (wohl  aus  »Riegelung«  entstanden),  womit 
auch  zuweilen  ein  offenes,  um  das  Schiff  laufendes  Schutzgeländer  im  ganzen 
bezeichnet  wird. 

Zur  Lenkung  des  Schiffes  während  der  Fortbewegung  dient  das  Steuer- 
ruder oder  Ruder,  das  aus  dem  Ruderblatt,  dem  Ruderschaft  und  der  Ruder- 
pinne   (Helmstock)  zusammengesetzt  ist.      Das   feste  Ruder  ist  durch  am 


Das  Schwimmen.  239 

Schaft  befindliche  Fingerlinge  oder  Zapfen  drehbar  mit  dem  Hintersteven  ver- 
bunden. Wenn  ein  Teil  des  Ruderblatts  vor  dem  Schaft,  der  Drehachse, 
angeordnet  ist,  nennt  man  dies  ein  Schweberuder  [Balanceruder).  Wird  ein 
solches  Ruder  nur  mittels  eines  senkrechten  Steuernagels  mit  dem  oberen 
Ende  des  Hinterstevens  verbunden,  so  spricht  man  von  einem  Wippruder, 
das  an  den  östlichen  deutschen  Wasserstraßen  üblich  ist  und  aus  Holz  her- 
gestellt wird.  Dort  nennt  man  das  Ruderblatt  t Steuerdiele«,  den  Schaft 
tKrümmling«  und  die  Pinne  t Helmholz«  (Steuerholm). 

Das  Schwimmen.  Ein  Archimedischer  Grundsatz  lautet :  Ein  in  eine 
Flüssigkeit  eingetauchter  Körper  verliert  so  viel  an  seinem  Gewicht,  als  das 
Gewicht  der  von  ihm  verdrängten  Flüssigkeit  beträgt.  Das  Verhältnis  des 
Gewichts  eines  Körpers  zu  dem  Gewicht  einer  Wassermenge  von  gleichem 
Rauminhalt  nennt  man  sein  spezifisches  Gewicht. 

Dabei  ist  reines  (destilliertes)  Wasser  von  größter  Dichtigkeit,  also  bei  4  Grad  C.  zugrunde 
gelegt,  von  dem  ein  Kubikmeter  1000  kg  wiegt  DasSeewasser  ist  schwerer:  Sein  spezifbcbes 
Gewicht  wird  für  die  Ostsee  s=  1,015,  im  Übrigen  meistens  ^  1,025  angenommen. 

Die  von  einem  im  Wasser  schwimmenden  Schiffe  verdrängte  Wasser- 
menge ist  ebenso  schwer  wie  das  ganze  Schiff.  Diese  Wassermenge  heißt 
die  Verdrängung  (Deplacement).  Es  besteht  also  Gleichgewicht  zwischen 
dem  Schiffsgewicht,  das,  in  seinem  Schwerpunkt  angreifend  gedacht,  senk- 
recht nach  unten  wirkt,  und  dem  Auftrieb  des  Wassers,  der  die  Mittelkraft 
aller  auf  die  Oberflächenteile  des  Schiffes  wirkenden  Wasserdrücke  darstellt 
und,  im  Schwerpunkt  der  Verdrängung  angreifend  gedacht,  senkrecht  von 
unten  nach  oben  wirkt.  Man  hat  zwischen  dem  Gewichtschwerpunkt 
(auch  Systemschwerpunkt  genannt)  und  dem  Verdrängungschwerpunkt 
(oder  Formschwerpunkt)  zu  unterscheiden.  Wird  das  Gewicht  des  Schiffes 
durch  Belastung  bis  zum  völligen  Eintauchen  vermehrt,  so  nennt  man  das 
Gewicht  dieser  Zuladung  seine  Schwimmfähigkeit  (oder  Reserveschwimm- 
fahigkeit).  Diese  ist  der  Überschuß  an  Auftrieb,  den  das  ganz  eingetauchte 
Schiff  erfahren  würde,  über  sein  Gewicht  und  hängt  von  der  Form  und  dem 
spezifischen  Gewicht  des  Schiffes  ab.  Die  Schwimmfähigkeit  ist  eine  »un- 
bedingte«, wenn  das  spezifische  Gewicht  kleiner  oder  gleich  dem  des  Wassers 
ist,  wie  z.  B.  bei  hölzernen  Schiffen,  oder  eine  »bedingte«,  wenn  zwar  das 
spezifische  Gewicht  größer,  das  Schiff  aber  mit  einem  so  großen,  wasserdicht 
abgeschlossenen  Raum  versehen  ist,  daß  noch  ein  Überschuß  an  Auftrieb 
über  das  Gesamtgewicht  (also  Schiff  und  eingedrungenes  Wasser  zusammen) 
bestehen  bleibt.  Unterseebote  haben  z.  B.  keine  Schwimmfähigkeit,  wenn 
sie  nicht  durch  Entfernen  von  Ballast  ihr  Gewicht  vermindern  und  durch 
den  so  vergrößerten  Auftrieb  an  die  Oberfläche  kommen*). 

Die  Schwimmebene,  bis  zu  welcher  das  Schiff  eintaucht,  heißt  die 
Wasserlinie  und  man  unterscheidet  die  »leichte«  Wasserlinie,  d.  i.  die  Ein- 

i)  Johow,  Hilfsbuch  für  den  Schiffbau.  Berlin  1902  und  1910  (dritte  Auflage  von  Krieger). 
Hern  er,  Die  Theorie  des  Schiffes.    Hannover  1908. 


240  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 

tauchung  in  betriebsfertigem  Zustande  ohne  nützliche  Ladung,  und  die  »be- 
ladene«  Wasserlinie  (Tiefladelinie)  oder  »oberste«  Wasserlinie  bei  volle 
Ladung.  Weil  für  diese  Linie  das  Schiff  berechnet  wird,  nennt  man  sie 
auch  die  Entwurfswasserlinie  (Konstruktionswasserlinie).  Das  Gewicht 
der  Zuladung,  die  erforderlich  wird,  um  das  Schiff  von  der  leichten  Wasser- 
linie auf  die  beladene  zu  bringen^  ist  die  Tragfähigkeit  (Ladefähigkeit)  des 
Schiffes.  Das  Gewicht  des  fertigen,  leeren  Schiffes  ohne  Besatzung,  Aus- 
rüstung und  Zubehör  und  ohne  Maschinen,  Kessel,  Wasser  und  Kohlen  heißt 
das  Schiffseigengewicht  und  mit  der  Besatzung  und  den  übrigen  vor- 
genannten Stücken  das  tote  Gewicht,  d.  h.  ohne  nützliche  Ladung. 

Die  Tiefe  der  Eintauchung  von  der  Wasserlinie  bis  zum  untersten  Punkte 
des  Schifisbodens  ist  die  Tauchtiefe  oder  der  Tiefgang.  Leertiefgang 
ist  die  Eintauchung  von  der  leichten  Wasserlinie  bis  zum  untersten  Punkt 
des  Schiffsbodens,  und  die  diesem  Tiefgange  entsprechende  Verdrängung  nennt 
man  die  »leichte  Verdrängung«  zum  Unterschied  von  der  »beladenen  Ver- 
drängung«. Die  leichte  Verdrängung  entspricht  also  dem  toten  Gewicht 
des  Schiffes.  Der  Tiefgang  wird  an  den  »Tiefgangsanzeigern«  (Ahmings) 
gemessen,  die  an  den  beiden  Steven  oder  an  den  Bordwänden  angebracht 
werden.  Man  unterscheidet  den  hinteren  und  den  vorderen  Tiefgang  und 
legt  den  Berechnungen  den  gemittelten  Tiefgang  zugrunde.  Der  Unter- 
schied zwischen  dem  hinteren  und  dem  vorderen  Tiefgang  heißt  der  Trimm 
(englisch:  trim  =  Lage,  Ordnung).  Steuerlastig  ist  ein  Schiff,  wenn  der 
hintere  Tiefgang  größer  ist  als  der  vordere;  im  umgekehrten  Falle  ist  es 
kopflastig,  bei  gleichem  Tiefgange  gleichlastig.  Das  Schiff  hat  eine 
Krängung  (oder  Schlagseite),  wenn  es  nach  Steuerbord  oder  Backbord  ge- 
neigt lieget. 

Den  Widerstand,  den  das  aufrecht  schwimmende  Schiff  einer  Neigung 
entgegensetzt,  und  die  Fähigkeit,  wenn  es  in  eine  geneigte  Lage  gebracht 
ist,  sich  wieder  aufzurichten,  nennt  man  seine  Steifheit  (Stabilität).  Sie 
hängt  von  der  Form  und  von  der  GewichtsverteUung  im  Schiffe  ab.  Man 
unterscheidet  Neigungen  querschiffs,  d.  h.  um  eine  wagerechte  Längsachse, 
und  längsschiffs,  d.  h.  um  eine  wagerechte  Querachse. 

Bei  der  Neigung  bleibt  der  Gewichtschwerpunkt  [G)  in  seiner  Lage 
zum  Schiffe  unverändert;  aber  der  Verdrängungschwerpunkt  {F)  verschiebt 
sich,  weil  die  Verdrängung  eine  andere  Form  annimmt.  In  Abb.  1 5  herrscht 
Gleichgewicht:  Schwerkraft  und  Auftrieb  sind  gleich  groß,  entgegengerichtet 
und  wirken  in  derselben  Senkrechten,  der  Schwimmachse.  In  Abb.  16  wirkt 
das  Kräftepaar  an  dem  Hebelsarm  a  aufrichtend,  in  Abb.  1 7  dagegen  umstür- 
zend, d.  h.  das  Schiff  kentert.  Den  Schnittpunkt  {Afj  der  neuen  Auflriebs- 
richtung  mit  der  Schwimmachse  nennt  man  Metazentrum.  Bei  einem  steifen 
(stabilen)  Schiffe  liegt  das  Metazentrum  stets  über  dem  Gewichtschwerpunkt 
(Abb.  16);  andernfalls  (Abb.  17)  ist  das  Schiff  nicht  steif,  sondern  kentert,  falls 
es  auch   nur   um  einen  kleinen  Winkel  aus  der  wagerechten  Schwimmlage 


Das  Schwimmen. 


241 


kommt.  Zwischen  den  Abb.  i6  und  17  gibt  es  einen  Grenzfall,  wenn  die  Rieh* 
tungen  von  G  und  F  in  dieselbe  Senkrechte  fallen  und  der  Hebelsarm  a  zu 
Null  wird.  In  diesem  Falle  ist  auch  die  Steifheit  gleich  Null  und  das  Schiff 
befindet  sich  in  unsicherem  (indifferentem)  Gleichgewicht.  Die  Größe 
der  Steifheit  wird  durch  die  metazentrische  Höhe,  d.  1.  den  Abstand  MG^ 
gemessen. 

Für  die  Neigung  querschiffs  ist,  wie  vorstehend,  das  Breitenmetazentrum 
und  für  die  Neigung  längsschiffs  das  Längenmetazentrum  maßgebend.  Die 
Steifheit  eines  Schiffes  wird  um  so  größer,  je  tiefer  der  Gewichtschwerpunkt 
liegt  Rückt  er  bis  imter  den  Verdrängungschwerpunkt,  so  kann  das  Schiff 
überhaupt  nicht  kentern,  wie  z.  B.  bei  den  Wulstkieljachten,   die  tief  unter 


h6 


V 


Abb,  15. 


Abb.  16. 


Abb.  17. 


dem  Boden  ein  schweres  Bleigewicht  tragen.  Für  ein  Seeschiff  ist  es  an  sich 
nicht  zweckmäßig,  den  Gewichtschwerpunkt  sehr  tief  zu  legen;  denn  je 
größer  die  Steifheit,  um  so  heftiger  und  schneller  rollt  das  Schiff  im  See- 
gange. 

Man  unterscheidet  statische  und  dynamische  Steif heit.  Während  die  statische  Steifheit 
durch  das  statische  Moment  des  aufrichtenden  Kräftepaars  dargestellt  wird,  versteht  man  unter 
der  dynamischen  Steifheit  die  Arbeit,  die  beim  Übemeigen  (oder  Krängen)  eines  Schiffes 
verrichtet  wird,  um  den  Gewichtschwerpunkt  zu  heben  und  den  Verdrängungschwerpunkt  nieder- 
zudrücken. Sie  ist  also  die  Summe  der  mechanischen  Arbeiten  von  Auftrieb  und  Schwerkraft 
und  gibt  Aufschluß  über  die  voraussichtliche  Sicherheit  gegen  Winddruck  und  Wellen.  Für 
Binnenschüfe  ist  die  Anstellung  dieser  Untersuchungen  nur  in  Ausnahmefällen  erforderlich. 

Die  Bewegung  eines  Schiffes  um  seine  Längsachse  heißt  Rollen  oder 
Schlingern,  um  seine  Querachse  Stampfen  oder  Setzen  (das  erstere  Wort 
vom  Bug,  das  letztere  vom  Heck  gebraucht)  und  um  seine  senkrechte  Achse 
Gieren.  Wenn  ein  Schiff  leicht  in  Rollbewegungen  kommt,  nennt  man  es 
rank.  Die  Herbeiführung  eines  bestimmten  vorderen  oder  hinteren  Tief- 
gangs, also  die  Drehung  des  Schiffes  um  eine  wagerechte  Querachse,  geschieht 
durch  Trimmen,  indem  entweder  ein  Teil  des  Gewichts  von  vorne  nach 
hinten  oder  umgekehrt  verschoben  oder  ein  neues  Gewicht  vorne  oder  hinten 
hinzugefügt  oder  ein  Teil  des  Gewichts  aus  dem  Schiffe  entfernt  wird.  Wenn 
man  ein  Gewicht  von  hinten  nach  vorne  verschiebt,  so  verschiebt  sich  auch 
der  Gewichtschwerpunkt  von  hinten  nach  vorne,  und  es  entsteht  zwischen 
Auftrieb  und  Schwerkraft  ein  wagerechter  Abstand  (Hebelsarm)  und  ein  Kräfte- 
paar,  das   bestrebt  ist,   das  Schiff  so  lange  um  eine  wagerechte  Achse  zu 


T  e  u  b  e  r  t ,  Binnenschi fiahrt. 


16 


242  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenscbiffe. 

drehen,  bis  die  Gleichgewichtslage  wieder  erreicht  ist.  Das  Schiff  wird  vorne 
tiefer  eintauchen  und  sich  hinten  aus  dem  Wasser  heben :  Die  Verdrängung 
bekommt  eine  andere  Form,  ohne  ihren  Rauminhalt  zu  ändern,  und  ihr 
Schwerpunkt  rückt  gleichfalls  so  weit  nach  vom,  bis  die  Richtung  des  Auf- 
triebs wieder  mit  der  Richtung  der  Schwerkraft  zusammenfallt. 

Beim  Be-  und  Entladen  von  Lastschiffen  treten  stets  mehr  oder 
minder  erhebliche  Trimmänderungen  ein,  die  man  durch  geschickte  Vertei- 
lung der  Last  auf  die  einzelnen  Laderäume  möglichst  zu  vermindern  sucht. 
Bei  Dampfschiffen  werden  zuweilen  hinten  oder  vorne  besondere  Wasser- 
ballasträume angeordnet,  die  man  durch  Pumpen  bedient:  Auf  diese  Weise 
kann  der  gewünschte  Trimm  leicht  erreicht  werden. 

Unbeabsichtigte  Verdrängungen  der  Schwimmlage  treten  ein,  wenn  ein 
mit  wasserdichten  Schotten  ausgerüstetes  Schiff  ein  Leck  bekommt.  Wenn 
Wasser  in  das  Schiff  tritt,  wird  das  Gewicht  des  Schiffes  und  daher  sein 
Tiefgang  vergrößert.  Gleichzeitig  tritt  durch  die  Gewichtsverschiebung  eine 
Änderung  des  Trimms  ein  und  außerdem  wird  durch  die  flüssige  Ladung 
die  Steifheit  des  Schiffes  vermindert.  Wird  eine  durch  Schottwände  abge- 
schlossene leere  Abteilung  des  Schiffes  bis  zur  Schwimmebene  mit  Wasser 
gefüllt,  so  geht  ein  dieser  eingedrungenen  Wassermenge  gleicher  Teil  der 
Verdrängung  verloren,  und  da  das  Schiffsgewicht  unverändert  bleibt,  muß 
das  Schiff  tiefer  eintauchen,  um  die  erforderliche  Verdrängung  wieder  zu  er- 
langen. Dabei  wird  in  den  meisten  Fällen  eine  Trimmänderung  oder  auch 
eine  Krängung  (Schlagseite)  eintreten,  bis  Gewichts-  und  Verdrängungschwer- 
punkt wieder  in  derselben  Senkrechten  liegen.  Ist  die  fragliche  Abteilung 
nicht  leer,  sondern  mit  Ladung  gefüllt,  so  wird  letztere  an  ihrem  Gewicht  so 
viel  verlieren,  als  sie  Wasser  verdrängt,  und  das  ganze  Schiffsgewicht  wird 
entsprechend  vermindert  Besteht  die  Ladung  aus  Holz,  leeren  Fässern  oder 
anderen  Gegenständen,  deren  spezifisches  Gewicht  kleiner  als  i  ist,  so  kommt 
es  zuweilen  vor,  daß  ein  leckes  Schiff  »auf  seiner  Ladung  schwimmt«,  wenn 
das  Deck  hinreichend  stark  und  fest  genug  ist. 

Die  Schififeform.  Die  Hauptabmessungen  eines  Schiffes  sind  Länge, 
Breite,  Tiefgang  und  Seitenhöhe.  Die  Länge  wird  in  der  Höhe  der  obersten 
Wasserlinie  oder  Tiefladelinie  zwischen  den  beiden  Loten  gemessen,  die  bei 
Holzschiffen  durch  die  Sponungen  der  Steven,  bei  Eisenschiffen  durch  die  Hin- 
terkante des  Vorstevens  und  durch  die  Vorderkante  des  Hinterstevens  (Ruder- 
stevens) gelegt  werden  (Abb.  i8).  Die  größte  Länge,  Länge  über  alles, 
reicht  von  der  äußersten  Spitze  des  Vorstevens  bis  zum  äußersten  Punkte  des 
Hecks  und  wird  gleichlaufend  zur  obersten  Wasserlinie  gemessen.  Als  Breite 
gilt  die  Breite  im  Hauptspant,  die  bei  Holzschiffen  auf  der  Beplankung,  bei 
Eisenschiffen  auf  der  Außenkante  der  Spanten  unter  Vernachlässigung  der 
Dicke  der  Blechhaut  gemessen  wird.  Die  »größte  Breite«  wird  über  den 
Scheuerleisten  gemessen.  Die  Seitenhöhe  wird  in  der  Mitte  zwischen  den 
Loten  von  der  Unterkante  des  Bodens  bis  zur  Unterkante  des  Stringers  oder 


Die  SchU&form. 


244  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  BinnenschifTe. 

bis  zur  Oberkante  der  Deckbalken  an  der  Bordwand  gemessen.  Die  Höhe 
des  Decks  über  der  obersten  Wasserlinie  ist  der  Freibord;  die  Seitenhöhe 
vermindert  um  den  Freibord  ist  der  mittlere  Tiefgang  oder  die  »Berechnungs- 
tiefe«. In  den  Abbildungen  i8  und  19  sind  die  Linienrisse  oder  »die 
Linien«  eines  Schiffes  (eines  kleinen  Schraubendampfers)  mitgeteilt.  Zur  Dar- 
stellung der  Schiffsform  benutzt  man  gewöhnlich  drei  Gruppen  von  zueinander 
gleichlaufenden  Ebenen,  die  rechtwinklig  zueinander  durch  den  Längsriß, 
durch  den  Spantenriß  und  durch  den  Wasser linienriß  gelegt  werden.  Es 
sind  das  die  Ebenen  der  Spanten  (von  o  bis  12),  der  Wasserlinien  (von  O  bis  III) 
und  der  »Schnitte«  (von  a  bis  c)\  Die  ersten  erscheinen  im  Spantenriß,  die 
zweiten  im  Wasserlinienriß  und  die  dritten  im  Längsriß  als  gekrümmte  Linien. 

Für  die  Tragfähigkeit,  die  Steuerfähigkeit  und  den  Widerstand  des  Schiffes 
kommt  nur  allein  der  unter  der  obersten  Wasserlinie  liegende  Schiffsteil,  das 
sogenannte  »lebende  Werk«  in  Betracht,  während  die  Formen  des  darüber 
Uzenden  Teils  nach  anderen  Zweckmäßigkeits-  und  Schönheitsrücksichten 
entworfen  werden.  In  den  Abbildungen  erkennt  man  über  der  obersten 
Wasserlinie,  die  mit  O  undK.W.L.  bezeichnet  ist,  noch  eine  weitere  punk- 
tierte Hilfswasserlinie  sowie  die  Decklinie  und  die  Relinglinie.  Die  Abstände 
der  gleichlaufenden  Ebenen  wählt  man  nach  Belieben  und  nach  der  ge- 
wünschten Genauigkeit  der  Formen.  Bei  den  Spanten  hat  man  dabei  zwischen 
den  nur  für  die  Berechnung  eingezeichneten  Entwurfspanten  und  den  meistens 
viel  zahlreicheren  Bauspanten  zu  unterscheiden,  die  wirklich  zur  Ausführung 
kommen. 

Die  Form  eines  Schiffes  (und  zwar  des  lebenden  Werks  unter  der  obersten 
Wasserlinie)  wird  bestimmt: 

1.  durch  das  Verhältnis  der  3  Hauptabmessungen,  Länge,  Breite  und 
Tiefgang,  zueinander, 

2.  durch  die  Formen  der  Hauptschnittflächen,  Längenschnitt,  Hauptspant 
und  oberste  Wasserlinie,  sowie  durch  deren  VöUigkeitsgrade, 

3.  durch  den  VöUigkeitsgrad  der  Verdrängung. 

Wenn  man  vom  Tiefgange  ausgeht,  wählt  man  die  Breite  gewöhnlich 
2  bis  3 mal  so  groß;  man  findet  aber  Flußschiffe,  bei  denen  die  Breite  viel 
größer  ist  und  zuweilen  selbst  das  Zehnfache  des  Tiefgangs  erreicht.  Die 
Länge  ist  gleich  der  sechs-  bis  zwölffachen,  oft  gleich  der  achtfachen  Breite; 
doch  haben  einzelne  französische  Flußschiffe  das  Verhältnis  1:16  bis  i :  20. 
(Die  Länge  der  Seeschiffe  schwankt  zwischen  der  vier-  bis  achtfachen  Breite.) 

Für  die  Form  des  Längenschnitts  (unter  Wasser)  sind  die  Anordnung  der 
Steven  und  der  Bodenlinie  (Sprung)  bestimmend,  für  das  Hauptspant  die 
Stellung  der  Bordwände  und  die  Kimm,  für  die  oberste  Wasserlinie  die  Art 
der  Zuschärfung  im  Vorschiff  und  im  Hinterschiff  sowie  der  Ablauf. 

Unter  dem  VöUigkeitsgrad  der  obersten  Wasserlinie  (a)  und  des 
Hauptspants  (/?)  versteht  man  das  Verhältnis  ihrer  Flächen  zu  der  Fläche  der 
umschriebenen  Rechtecke  {L,B.  und  2".Ä). 


Die  Schiffsform.  245 

a  schwankt  bei  Seeschiffen  zwischen  0,7  und  0,8,  wird  aber  bei  Binnen* 
schiffen  oft  größer,  bis  0,9  und  darüber. 

ß  schwankt  bei  Seeschiffen  zwischen  0,7  und  0,9,  ist  aber  bei  Binnen- 
schiffen größer  und  wird  bei  manchen  Fluß-  und  Kanalschiffen  zu  i.  (Bei 
Segeljachten  ist  ß  häufig  nur  0,5.) 

Der  Völligkeitsgrad  der  Verdrängung  {d)  ist  das  Verhältnis  zwischen 
dem  Rauminhalt  der  Verdrängung  zu  dem  umschriebenen  rechteckigen 
Prisma  aus  Länge,  Breite  und  Tiefgang.  Der  Völligkeitsgrad,  der  im  all- 
gemeinen ein  Maßstab  für  die  Schärfe  des  Schiffes  ist,  schwankt  in  weiten. 
Grenzen,  bei  Seeschiffen  von  der  Jacht  bis  zu  den  großen  Güterschiffen  von 
0,30  bis  0,75,  bei  schnellen  Flußdampfem  von  0,60  bis  0,65,  bei  Radschlepp- 
dampfem  von  0,75  bis  0,85,  bei  Schraubenschleppdampfern  von  0,45  bis  0,65, 
bei  Binnenlastschiffen  ohne  eigene  Triebkraft  gewöhnlich  von  0,80  bis  0,90  und 
bei  einzelnen  Kanalschiffen  bis  zu  0,99.  Der  Schwerpunkt  der  Verdrängung 
ist  für  die  Lage  und  Steifheit  (Stabilität)  des  Schiffes  von  großer  Bedeutung 
und  wird  deshalb  meistens  genau  oder  wenigstens  nach  Näherungsformeln 
berechnet.  Er  muß  bei  Dampfschiffen  so  gelegt  werden,  daß  nach  Ver- 
brauch der  Kohlen  keine  kopflastige  Lage  des  Schiffes  eintritt,  die  sowohl 
die  Geschwindigkeit  wie  die  Steuerfahigkeit  vermindert  und  besonders  für 
Raddampfer  nachteilig  ist.  Die  VöUigkeitsgrade  (er,  ß^  d)  müssen  zueinander 
in  einem  gewissen  Verhältnis  stehen.     Man  setzt  gewöhnlich: 

worin  x  etwa  zwischen  0,83  und  0,85  für  schnell  fahrende  und  zwischen  0,9 
bis  0,95  für  langsam  fahrende  Schiffe  schwankt. 

Beim  Entwerfen  eines  Schiffes  werden  nach  Feststellung  von  Z,  jB^  T  und  von  « 
und  ^  der  Lttngenschnitt,  der  Hauptspant  und  die  oberste  Wasserlinie  (o)  aufgezeichnet.  Es  folgt 
die  Einteilung  der  Spanten  (o  bis  12),  der  Wasserlinien  (I  bis  III)  und  Schnitte  [a  bis  c).  Die 
Übertragung  der  Wasserlinien  in  den  Wasserlinienriß  und  der  Schnitte  in  den  Längsriß  kann  erst 
erfolgen,  wenn  die  Formen  der  einzelnen  Spanten  bestimmt  sind. 

Damit  die  Flächen  der  einzelnen  Spanten  von  dem  Hauptspant  (in  der  Mitte)  aus  sowohl 
nach  vorne  wie  auch  nach  hinten  in  gewünschter,  gleichmäßiger  Weise  abnehmen,  benutzt  man 
gewöhnlich  eine  Spantenskala  (Deplacementskurve),  wie  sie  in  Abb.  19  unter  dem  halben 
Wasserlinienriß  dargestellt  ist.  Die  Höhe  der  Ordinaten  (von  i  bis  11)  entsprechen  dem  Flächen- 
inhalt (in  m^)  der  betreffenden  Spantenflächen  (in  beliebigem  Maßstabe  aufgetragen).  Wenn  die 
Linie  6-m  die  Hauptspantfläche  darstellt,  sind  die  Flächen  der  übrigen  Spanten  durch  die  Ver- 
zeichnung der  gekrümmten  Linie  o,  f//,  12,  d.  h.  der  Spantenskala  bestimmt.  Zuweilen  wählt 
man  als  gekrümmte  Linie  eine  Parabel,  die  nach  dem  Geschmack  des  Ingenieurs  abgeändert 
wird.  Da  der  Schwerpunkt  der  Fläche  o,  6,  X2,  w,  o  zugleich  die  Lage  des  Verdrängung- 
schwerpunktes angibt  (in  Abb.  19  punktiert  links  von  6-m  angedeutet),  kann  man  durch  die  ge- 
wählte Form  der  Krümmung  den  Schwerpunkt  beliebig  nach  vorne  oder  nach  hinten  verschieben. 

Es  handelt  sich  femer  darum,  die  ermittelten  Flächeninhalte  der  Spanten  in  die  richtigen 
Formen  zu  bringen,  was  durch  Versuche  gelingt  Dazu  kennt  man  für  jede  Spantenfläche  die 
Höhe  in  der  Mitte  aus  dem  Längsriß  und  die  obere  Breite  in  der  Ebene  der  obersten  Wasser- 
linie aus  dem  Wasserlinienriß.  Wenn  die  Spanten  vorläufig  entworfen  sind,  werden  die  ent- 
sprechenden Wasserlinien  verzeichnet.  2^igt  es  sich,  daß  diese  nicht  hinreichend  gestreckt  und 
schlank  verlaufen,  so  müssen  die  Spantenlinien  geändert  werden.  Schließlich  überträgt  man  aus 
dem  Wasserlinienriß  die  Schnitte  in  den  Längsriß  und  siehe  zu,  ob  sie  nach  Wunsch  verlaufen ; 
andernfalls  müssen  die  Spanten  und  Wasserlinien  verändert  werden.     Dies  Verfahren  muß  sorg- 


246 


Abschnitt  L     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 


fUtig  wiederholt  werden,   damit  das  nach  diesen  Kissen  gebaute  Schiff  in  seiner  äußeren  Form 
keine  Buckel  oder  Beulen  zeigt. 

Will  man  sehr  große  Vorsicht  anwenden,  so  legt  man  zwbchen  die  bereits  angeordneten 
Gruppen  von  gleichlaufenden  Ebenen  noch  weitere  hinein,  oder  man  legt  andere  schräg  geneigte 
Flächen  durch  den  Schiffskörper,  die  man  Senten  nennt.  Solche  Senten  sind  in  dem  Spanten- 
risse (Abb.  i8),  wo  sie  sich  als  gerade  Linien  darstellen,  durch  die  Linien  SS  angedeutet.  Der 
Vorgang  der  Übertragung  in  die  Risse  ist  der  gleiche. 

Alle  Schiffslinien  sind  im  allgemeinen  rein  willkürliche  und  verlaufen  nicht 
nach  bestimmten  mathematischen  oder  mechanischen  Gesetzen.  Die  Theorie 
des  Schiffskörpers  ist  noch  wenig  entwickelt,  infolge  der  Schwierigkeit,  die 
Größe  und  Richtung  der  angreifenden  Kräfte  richtig  zu  erkennen  und  zu  be- 
messen. Das  trifft  besonders  für  das  See- 
schiff zu,  während  bei  dem  Binnenschiff 
die  Verhältnisse  einfacher  liegen,  weil  es 
nicht  dem  Anprall  der  Wellen  zu  wider- 
stehen hat.  Auch  ist  deshalb  die  Form 
der  Binnenschiffe,  namentlich  der  großen 
Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft,  ein- 
facher zu  bestimmen,  da  ein  großer  Teil 
des  Mittelschiffs  bei  ihnen  meistens  eine 
nahezu  prismatische  Gestalt  bekommt. 
Wichtig  und  notwendig  ist  eine  sorgfaltige  Berechnung  der  Ver- 
drängung. Man  kann  dabei  entweder  von  den  Spantenflächen  oder  von 
den  Wasserlinienflächen  ausgehen;  um  Irrtümer  zu  vermeiden,  führt  man 
oft  beide  Rechnungen  durch.  Zur  Ermittelung  der  einzelnen  Flächeninhalte 
benutzt  man  entweder  Annäherungsformeln  (meistens  die  Simpsonsche  Regel) 


Abb.  20.    Wasserlinienskala. 


EE 


3 


100 


too 


300 


«400 


Soo 


eoo        foocJtiM 


Abb.  21.     Lastenmaßstab. 


oder  ein  zeichnerisches  Verfahren  mit  Planimeter  oder  ähnlichen  Vorrich- 
tungen. Während  man  von  den  Spantenflächen  ausgehend  die  oben  erwähnte 
Spantenskala  verwendet,  bildet  man  für  die  Wasserlinienflächen  eine  ent- 
sprechende Wasserlinienskala  (Abb.  20).  Man  wählt  dabei  den  Tiefgang 
als  Abszissenachse,  während  die  Ordinaten  (I  bis  IV)  die  Flächeninhalte  der 
Wasserlinien  an  den  betreffenden  Stellen  angeben.    Die  durch  die  Endpunkte 


Die  Festigkeit. 


247 


gelegte  gekrümmte  Linie  umschließt  eine  Fläche,  deren  Inhalt  gleich  der 
Verdrängung  ist.  Der  Schwerpunkt  dieser  Fläche  gibt  die  Höhenlage  des 
Verdrängungschwerpunktes  an. 

Wenn  man  die  Verdrängungen  eines  Schiffes  bei  verschiedenen  Tauch- 
tiefen berechnet,  die  Ergebnisse  in  einem  ähnlichen  Liniensystem  wie  vorher 
als  Ordinaten  aufträgt  und  die  Endpunkte  durch  eingekrümmte  Linien  ver- 
bindet, so  erhält  man  den  Lastenmaßstab  dieses  Schiffes  (Abb.  21).  Er 
gibt  für  jede  Tauchtiefe  die  entsprechende  Verdrängung  (in  m^  oder  t)  an, 
mithin  auch  das  Gewicht  der  Ladung,  wenn  das  tote  Gewicht  des  Schiffes 
von  der  Verdrängung  abgezogen  wird.  (Das  tote  Gewicht  entspricht  dem 
Leertiefgang.) 

Die  Festigkeit.  Das  Schiff  ist  als  hohler  Balken  zu  betrachten, 
der  auf  Biegung  beansprucht  wird.  In  erster  Linie  kommt  die  Längsfestig- 
keit in  Betracht,  weil  die  Beanspruchung  der  Querverbände  bei  Schiffen  mit 
festem  Deck  verhältnismäßig  gering  und  bei  offenen  Schiffen  leicht  zu  er- 
mitteln ist.  In  ruhigem  Wasser  wird  die  Längsfestigkeit  durch  den  Unter- 
schied zwischen  Gewicht  und  Auftrieb  an  den  einzelnen  Stellen  des  Schiffes 
beansprucht*). 

Abb.  22. 


Abb.  23. 


Denkt  man  sich  das  Schiff  durch  senkrechte  Schnitte,  z.  B.  i  bis  9 
(Abb.  22)j  in  eine  Anzahl  von  Teilen  zerlegt,  so  daß  sich  jeder  Teil  selb- 
ständig in  senkrechtem  Sinne  bewegen  kann,  so  würden  sie,  je  nach  ihrem 
Gewichte,  verschieden  tief  eintauchen  und  zwar  die  am  Vor-  und  Hinterschiff 
gelegenen  Stücke  wegen  ihrer  unteren  schlankeren  Formen  tiefer  als  die  mitt- 
leren mit  völligeren  Querschnitten.  Wenn  es  sich  um  ein  Dampfschiff  handelt, 
dessen  mittlere  Abteile  Maschinen,  Kessel  und  Kohlen  enthalten,  oder  um  ein 
Lastschiff,  dessen  mittlerer  Laderaum  vielleicht  allein  gefüllt  ist,  so  würden 
diese  betreffenden  Teile  wieder  entsprechend  tiefer  einsinken  als  die  benach- 


i)  Rüblmann,  Allgemeine  Maschinenlehre,  Band  V,  bearbeitet  von  Flamm.   Berlin  1902. 


248  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 

harten.  Man  erkennt  leicht,  daß  in  diesen  Schnittflächen  selbst  bei  dem  still 
liegenden  Schiffe  infolge  der  Gewichtsverteilung  beträchtliche  Kräfte  auftreten, 
die  die  Längsfestigkeit  in  Anspruch  nehmen  und  auf  eine  Verbiegung  des 
Schiffskörpers  nach  oben  oder  unten  hinwirken. 

Um  diese  Kräfte  und  die  entsprechenden  Momente  zu  berechnen,  muß 
für  jeden  Schiflsabschnitt  das  Gewicht  ermittelt  werden,  und  zwar  sowohl  das 
Eigengewicht  des  entsprechenden  Schiffsteils  selbst  als  auch  das  Gewicht  der 
darauf  lastenden  Teile  von  Maschinen,  Kesseln,  Kohlen,  der  Ladung  usw.  Ist 
dies  geschehen,  so  trägt  man  (Abb.  23)  die  Gewichte  aller  Abschnitte  an  be- 
treffender Stelle  der  geraden  Linie  AB  in  einem  beliebigen  Maßstabe  senk- 
recht auf,  verbindet  die  Endpunkte  und  erhält  so  die  Gewichtslinie.  Wenn 
man  das  Schiff  als  Balken  betrachtet,  dann  zeigt  diese  Linie  die  Belastung  des 
Balkens  an.  In  ähnlicher  Weise  berechnet  man  fiir  jeden  Abschnitt  das  ent- 
sprechende Gewicht  der  Verdrängung,  trägt  es  ebenso  auf  der  geraden  Linie 
AB  in  gleichem  Maßstabe  auf,  verbindet  die  Endpunkte  und  erhält  eine  zweite 
gekrümmte  Linie,  die  Auftriebslinie,  die  übrigens  mit  der  früher  erwähnten 
Spantenskala  übereinstimmt. 

Der  Flächeninhalt  der  AuftriebsUnie  ist  gleich  dem  Gewicht  der  Ver- 
drängung und  muß  daher  mit  dem  Flächeninhalt  der  Gewichtslinie  genau 
übereinstimmen.  Auch  die  Schwerpunkte  beider  Flächen  müssen  senkrecht 
übereinander  liegen.  Es  zeigt  sich  (wie  in  Abb.  23),  daß  diese  Linien  sich 
niemals  decken,  sondern  sich  mehrmals  schneiden.  Ermittelt  man  zeichnerisch 
für  jede  Stelle  der  Schiffsachse  (AB)  die  Unterschiede  zwischen  Gewicht  und 
Auftrieb,  so  erhält  man  die  Differenzlinie,  die  je  nach  ihrer  Lage  ober- 
oder  unterhalb  von  AB  die  wirkliche  Größe  der  aufwärts  oder  abwärts  auf 
die  Schiffsverbände  wirkenden  Kräfte  darstellt.  In  den  Punkten  C  und  D 
werden  diese  Kräfte  zu  Null.  Hier  liegen  gewissermaßen  die  Stützpunkte  des 
als  Balken  gedachten  Schiffskörpers. 

Wenn  man  die  Differenzlinie  integriert,  d.  h.  eine  neue  gekrümmte 
Linie  so  bUdet,  daß  ihre  Ordinaten,  von  links  anfangend,  stets  die  Fläche 
der  bis  zu  der  betreffenden  Ordinate  enthaltenen  Flächen  der  integrierten 
Linie  darstellen,  so  ist  diese  neugebildete  gekrümmte  Linie  die  Scher- 
kraftlinie, die  bei  C  und  D  ihren  höchsten  und  niedrigsten  Punkt  hat. 
Die  ober-  und  unterhalb  der  Geraden  AB  liegenden  Flächen  der  Scher- 
kraftlinie sind  einander  gleich.  Die  Ordinaten  dieser  Linie  geben  für  jeden 
Querschnitt  des  Schiffes  die  Kraft  an,  die  dort  auf  Abscheren  wirkt. 
Wird  diese  gekrümmte  Linie  der  Scherkräfte  nochmals  in  gleicher  Weise 
integriert,  so  bekommt  man  die  Momentenlinie,  die  für  jeden  Querschnitt 
des  Schiffes  das  dort  wirksame  Biegungsmoment  angibt.  Das  größte  Moment 
liegt  dort,  wo  die  Scherkraftlinie  die  Achse  schneidet. 

Die  weitere  Berechnung  der  Beanspruchungen  wird  ebenso  wie  beim  Balken  vorgenommen. 

J 

Es  ist  dessen  Widerstandsmoment  ff^ss-,   wenn  J  das  Trägheitsmoment  des  Querschnitts 


Die  Festigkeit.  249 

an   der  beanspruchten  Steile  und  e  die  Entfernung  der  äußersten   gezogenen  oder  gedruckten 

Faser  von  der  Nullinie  (neutralen  Achse)  ist.     Da  das  Biegemoment  iT/  =  ^.  /:=«-■  >t , 

so  ergibt  sich  die  Spannung  in  der  äußersten  Faser 

M        M 

Da  M  aus  den  vorstehenden  Rechnungen  bekannt  ist,  so  fehlt  noch  die  Ermittelung  des  Träg- 
heitsmoments des  Schiffsquerschnitts,  bezogen  auf  seine  Schwerpunktsachse,  d.  i.  die  Nullinie 
(neutrale  Faser).  Bei  der  Ermittelung  des  nutzbaren  (widerstehenden)  Querschnitts  des  Schiffes 
sind  nur  die  Querschnitte  aller  längsschiffs  durchlaufenden  Verbände  zu  berücksichtigen,  also 
Bodenbleche,  Kielschweine,  Außenhautplatten,  Stringer,  Stringerwinkel  und  zutreffendenfalls  die 
Bleche  des  festen  Decks.  (Der  Querschnitt  eines  Holzdecks  kann  mit  4  v.  H.  mit  in  die  Rech- 
nung aufgenommen  werden.)  Auf  der  Seite  der  gezogenen  Fasern  sind  dabei  etwa  12,5  v.  H. 
für  Nietlöcher  abzuziehen  und  femer  die  etwa  vorhandenen  Öffnungen  im  Deck.  Man  verein- 
facht die  Rechnung,  wenn  man  für  jeden  Schiffsquerschnitt  durch  Zusammenschieben  der  ein- 
zelnen in  Betracht  kommenden  Verbandsteile  einen  gleichwertigen  Träger  entwirft,  der  aus 
wagerechten  und  senkrechten  Rechtecken  besteht,  deren  eigene  Schwerpunkte  ohne  weiteres 
bekannt  sind.  Man  berechnet  dann  die  Summe  der  Produkte  aus  diesen  einzelnen  Querschnitts- 
teilen imd  ihren  Schwerpunktsabständen  von  einer  beliebigen  wagerechten  Achse  (z.  B.  Boden- 
nnterkante)  und  teilt  sie  durch  die  Gesamtfläche  des  nutzbaren  Querschnitts:  So  erhält  man  den 
Abstand  des  Schwerpunkts  der  Gesamtfläche,  also  des  nutzbaren  Schiffsquerschnitts,  d.  i.  die 
Lage  der  wagerechten  Nullinie  (neutralen  Faser)  von  dieser  HUfsachse.  Wenn  man  ftir  eine 
Reihe  von  Schifisquerschnitten  diese  Rechnung  durchführt,  kann  man  die  Lage  der  Nullinie  des 
ganzen  Schiffes  in  den  Längsriß  (Abb.  22)  eintragen. 

Darauf  wird  das  Trägheitsmoment  des  Querschnitts  bestimmt:  Das  Trägheitsmoment  einer 
Teilfläche  auf  eine  beliebige  Achse  bezogen  (/i)  ist  gleich  seinem  Trägheitsmoment  ftir  die 
eigene  Schwerpunktsachse  (/),  vermehrt  um  das  Produkt  aus  dem  Quadrat  des  Abstandes  seines 
Schwerpunkts  von  jener  Achse  [b]  und  dem  Inhalt  der  Teilfläche  (/):  Ji  =s  J-\~  b^-f.  Die 
Summe   sämtlicher  /i  . . .   gibt   das  Trägheitsmoment  des  fraglichen  Schiffsquerschnitts  und  man 

M 

erhält  die  größte  Spannung  in  der  obersten  Faser:  ko  =  -y-  oo    und    in    der  untersten   Faser: 

M 
ku  sss  -~.au.     Diese   Spannungen  müssen  innerhalb  der  durch  den   gewählten  Baustoff  (Stahl 
(/ 

oder  Eisen)  gegebenen  Grenzen  bleiben.    Meistens  begnügt  man  sich  mit  der  Durchführung  der 

Rechnung    fUr   das    Hauptspant.     Das    größte   Biegungsmoment   im   ruhigen  Wasser    schwankt 

zwischen   0,0125  •/'•Z  und   0,0067  •/'•Z,   wenn  Z   die   Schiffslänge   und  P  das  Schiffsgewicht 

bedeuten. 

Bei  der  Untersuchung   der  wagerecht  wirkenden   Scherkräfte  findet  man,   daß  diese  ihre 

größten  Werte   etwa   bei    1/3   ^^^   V3  ^^^  Schiffslänge  und   in  der  Höhe  der  Nullinie  erreichen. 

An  diesen  Stellen  des  Schiffskörpers  stellen  sich  häufig  Brüche  in  der  Außenhaut  ein. 

Schwieriger  werden  die  Festigkeitsuntersuchungen  für  das  Schiff  im  be- 
wegten Wasser,  weil  sich  die  Form  der  Verdrängung  und  damit  auch  die 
Beanspruchung  des  Schiffskörpers  in  jedem  Augenblick  ändert.  Man  legt 
gewöhnlich  den  ungünstigsten  Fall  zugrunde,  daß  sich  das  Schiff  mit  seiner 
Mitte  über  dem  Scheitel  einer  Welle  von  gleicher  Länge  und  einer  Höhe  von 
etwa  7ao  ■  ^  befindet.  Die  Biegungsmomente  und  Scherkräfte  werden  unter 
diesen  Umständen  erheblich  größer  als  bei  dem  Schiffe  in  ruhendem  Wasser. 
Da  die  Binnenschiffe  aber  nicht  für  solche  Beanspruchung  gebaut  werden, 
kann  die  Mitteilung  der  Berechnungsart  hier  unterbleiben. 

Die  Festigkeit  der  leicht  gebauten  Binnenschiffe,  besonders  der  Last- 
schiffe ohne  eigene  Triebkraft,  wird  ferner  beansprucht  bei  den  ganz  unver- 
meidlichen Stößen  gegeneinander,  gegen  Ufer-  und  Schleusenmauem,  gegen 


250  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 

Brückenpfeiler  u.  dgl;  außerdem  beim  Schleppen  gegen  starke  Strömung, 
bei  Grundberührungen  und  bei  Fahrten  im  Eise.  Schiffe  mit  eigener  Trieb- 
kraft werden  durch  die  Kraftmaschinen  in  Schwingungen  versetzt,  die  wie- 
derum starke  Beanspruchungen  des  Schiffskörpers  hervorrufen.  Sie  können 
durch  zweckmäßige  Anordnung  und  Aufstellung  der  Maschinen  vermindert 
werden. 

Die  Eichung.  Die  Tragfähigkeit  eines  Schiffes  ist,  wie  oben  erwähnt, 
das  Gewicht  der  Zuladung,  die  erforderlich  wird,  um  das  Schiff  von  der  leich- 
ten Wasserlinie  (Leergäng,  Leerlinie,  Leerebene)  auf  die  beladene  Wasserlinie, 
d.  i.  die  Ebene  der  größten  zulässigen  Tauchtiefe  (Tiefladelinie)  zu  bringen. 
Die  Größe  dieses  Gewichts  stellt  fiir  alle  Lastschiffe  ihren  Nutzwert  dar 
und  die  einwandfreie  Ermittelung  und  Feststellung  der  Tragfähigkeit  ist  so- 
wohl für  den  Schiffseigner  und  den  Verfrachter,  wie  fiir  den  Schleppunter- 
nehmer, der  hiernach  den  Schlepplohn  berechnet,  ferner  fiir  die  Abgaben- 
erhebung auf  Kanälen  und  in  Häfen,  sowie  fiir  die  Schiffsversicherung  u.  dgl. 
von  großer  Bedeutung*).  Die  Tragfähigkeit  eines  Schiffes  hängt  von  der 
Feststellung  der  Tiefladelinie,  also  von  dem  Freibord  (S.  244)  ab.  Für  die 
Größe  des  Freibords  bestehen  meistens  schiffahrtpolizeiliche  Vorschriften,  die 
nachstehend  erwähnt  werden;  außerdem  werden  zuweilen  von  den  Gesell- 
schaften, die  die  Versicherung  der  mit  den  Schiffen  beförderten  Waren  über- 
nehmen, besondere  Bestimmungen  und  Bedingungen  fiir  dieses  Maß  vorge- 
schrieben. 

Die  Vermessung  oder  Eichung  der  Binnenschiffe  wurde  zuerst  durch  den 
Oktroivertrag  der  Rheinuferstaaten  vom  Jahre  1 804  eingefiihrt,  als  die  Rhein- 
zölle nach  dem  Gewicht  der  Ladung  erhoben  werden  sollten  (S.  80).  Später 
wurde  die  Vermessung  zum  gleichen  Zweck  auch  für  die  Schiffe  im  Elbe- 
gebiet vorgeschrieben.  Nach  Aufhebung  der  Flußzölle  blieb  der  Eichzwang 
in  einigen  Ländern,  z.  B.  in  Frankreich  und  Belgien,  bestehen,  in  anderen, 
namentlich  in  Preußen  und  Elsaß-Lothringen,  wurde  er  fiir  die  Erhebung  der 
Kanal-  und  Schleusenabgaben  usw.  erforderlich. 

Die  älteren  von  den  einzelnen  Staatsregierungen  erlassenen  Vorschriften 
waren  verschieden  und  mehr  oder  weniger  ungenau,  so  daß  auf  den  soge- 
nannten internationalen  Strömen  für  dasselbe  Schiff  in  dem  einen  Staate  eine 
größere  und  in  dem  anderen  Staate  eine  kleinere  Tragfähigkeit  berechnet 
wurde.  Die  Unterschiede  waren  zuweilen  sehr  erheblich,  bis  zu  30  v.  H.  Die 
Schiffer  erblickten  meistens  ihren  Vorteil  in  dem  kleineren  Ergebnis  wegen 
der  Abgaben  und  Schlepplöhne,  zuweilen  auch  in  dem  größeren,  wenn  sie 
ihre  Schiffe  vermieteten. 

Im  Rheingebiet  war  nach  Abschaffung  der  Zölle  der  Eichzwang  durch 
die  neue  Schiffahrtsakte  von  1868  aufgehoben  und  jedem  Schiffseigner  frei- 
gestellt worden,   ob  er  sein  Fahrzeug  eichen  lassen  wollte  oder  nicht     Da 

i)  Berichte  von  Schromm  und  Derome  zum  7.  internat.  Schiff. -Kongreß  in  Brüssel  1898. 


Die  Eichung.  251 

einzelne  der  beteiligten  Staaten  an  der  verlangten  Eichung  festhielten,  führte 
der  Wunsch  nach  einheitlichen  Vorschriften  auf  Anregung  der  belgischen  Re- 
gierung im  Jahre  1896  zu  internationalen  Beratungen  in  Brüssel,  an  denen 
sich  außerdem  Deutschland,  Frankreich  und  Holland  beteiligten. 

Man  einigte  sich  darüber,  daß  die  Eichung  nach  der  Wasserver- 
drängung des  Schiffes  vorzunehmen  sei.  Da  das  gesamte  Schiffsge wicht 
gleich  dem  Gewicht  des  von  ihm  verdrängten  Wassers  (in  m^  =  Gewichts- 
tonnen von  je  1000  kg)  ist,  so  erhält  man  das  Gewicht  der  Ladung,  wenn 
man  das  Gewicht  des  von  dem  leeren  Schiffe  verdrängten  Wassers  davon  ab- 
zieht. Die  Tragfähigkeit  ergibt  sich  aus  der  auf  der  Außenhaut  des  Schiffes 
vorzunehmenden  Berechnung  des  Raumes  zwischen  der  größten,  durch  die 
schiffahrtpolizeilichen  Vorschriften  zulässigen-  Tauchung  und  der  Tauchung  des 
leeren  Schiffes.  Im  Jahre  1898  wurde  ein  internationaler  Vertrag  dahin  ge- 
schlossen, daß  alle  bestehenden  Eichscheine  dieser  Länder  im  Jahre  1 904  ihre 
Gültigkeit  verlieren,  daß  die  betreffenden  Staaten  unterdessen  nach  den  ver- 
einbarten Grundsätzen  neue,  möglichst  übereinstimmende  Vorschriften  erlassen 
und  daß  die  hiernach  aufgestellten  Eichscheine  (certificats  de  jaugeage)  von 
den  anderen  beteiligten  Staaten  anerkannt  werden  sollten. 

Die  gleichzeitig  an  der  Elbe  zwischen  den  deutschen  Uferstaaten  und 
Österreich  gepflegten  Verhandlungen  führten  zu  einer  übereinstimmenden 
Eichordnung,  die  für  die  deutschen  Eibuferstaaten  nach  Zustimmung  des 
Bundesrats  im  Jahre  1899  erlassen  wurder  Das  Verfahren  besteht  darin,  daß 
die  Schiffskörper  außen  von  der  leichten  bis  zur  beladenen  Wasserlinie  mit 
mehreren  Eichpegeln  versehen  und  für  jede  Tiefertauchung  um  ein  Zenti- 
meter oder  um  ein  Doppelzentimeter  die  entsprechende  Mehrverdrängung  in 
m^  Wasser  oder  in  Gewichtstonnen  berechnet  wird.  Das  Ergebnis  der  Be- 
rechnungen wird  in  einem  Eichschein  niedergelegt  Es  sind  daher  folgende 
Arbeiten  auszuführen: 

1.  Die  Festsetzung  der  Leerlinie  (Leerebene), 

2.  die  Anbringung  der  Eichpegel  (Tiefgangsanzeiger), 

3.  die  Festsetzung  der  Freibordhöhe  und  der  oberen  Eichebene, 

4.  die  Berechnung  des  Eichraums  zwischen  beiden  Ebenen, 

5.  die  Berechnung  der  Eichschichten  von  je  2  cm  Höhe. 

Zur  Festsetzung  der  Le erlin ie  muß  das  Schiff  mit  allen  erforderlichen 
Ausrüstungstücken  sowie  der  erforderlichen  Mannschaft  und  deren  Vorräten 
beladen  sein.  Bei  Dampfschiffen  müssen  die  Kessel  bis  zur  vorgeschriebenen 
Höhe  mit  Wasser  gefüllt  und  die  Kohlenbunker  entleert  sein.  Nach  Nieder- 
legung der  Masten  und  Schornsteine  wird  das  Schiff  in  ruhiges  Wasser  und 
in  eine  genau  senkrechte  Schwimmlage  gebracht.  Sehr  steuerlastige  Schiffe 
sind  durch  Verschieben  der  an  Bord  befindlichen  Gewichte  möglichst  gleich- 
lastig  zu  machen.  Die  Höhe  des  Bodenwassers  im  Schiffsraum  soll  an  der 
tiefsten  Stelle  bei  hölzernen  Schiffen  nicht  mehr  als  5  cm,  bei  hölzernen 
Schiffen  mit  eisernen  Spanten  und  bei  eisernen  Schiffen  mit  hölzernem  Boden 


262  Abschnitt  I.     Allgemeines  Über  Binnenschiffe. 

nicht  mehr  als  3  cm  betragen.  Eiserne  Schiffe  müssen  möglichst  frei  von  jedem 
Bodenwasser  gemacht  werden.  Die  Leerlinie  wird  dann  an  jeder  Seite  des 
Schiffes,  vorne,  in  der  Mitte  und  hinten  durch  Leermarken  bezeichnet. 
Dazu  dienen  bei  hölzernen  Borden  verzinkte  eiserne  Klammem  (8  cm  lang, 
2  cm  hoch  und  2  bis  3  mm  stark],  die  so  eingeschlagen  werden,  daß  die 
Unterkanten  in  die  Leerlinie  fallen.  Bei  eisernen  Borden  dienen  je  5  Kömer- 
schläge  in  je  3  cm  Entfernung  dazu,  deren  Mittelpunkte  in  der  Leerlinie  liegen. 

Über  jeder  Leermarke  wird  ein  Eichpegel  angebracht  —  also  sechs 
Stück  — ,  deren  Nullpunkte  alle  in  einer  wagerechten  Ebene  liegen  sollen, 
die  durch  den  tiefsten  Punkt  des  Schiffsbodens  gelegt  wird.  Die  beiden  mitt- 
schiffs angebrachten  Eichpegel  reichen  bis  zur  oberen  Eichebene,  die  anderen 
20  cm  höher  hinauf  Die  Teilung  wird  nach  Metermaß  genau  senkrecht  über- 
tragen, wobei  zur  Markierung  jedes  zehnten  Zentimeters  an  hölzernen  Schiffen 
eiserne  Eichnägel  (2  cm  lang  mit  kegelförmigem  Kopf  von  1,2  cm  Durch- 
messer), bei  eisernen  Schiffen  dagegen  wieder  Kömerschläge  angewendet 
werden.  Die  Eichpegel  werden  später  mit  Ölfarbe  wie  andere  Pegel  schwarz 
auf  weißem  Grunde  mit  Einteilung  von  Doppelzentimetem  gemalt.  Die  vor- 
dersten und  hintersten  Eichpegel  sollen  etwa  um  '/e  der  Schiffslänge  vom 
Vor-  und  Hintersteven  entfernt  sein. 

Die  Freibordhöhe  soll  bei  Schiffen  bis  zu  15  Tonnen  Tragfähigkeit 
15  cm,  bei  allen  größeren  Schiffen  25  cm  betragen*).  Wenn  die  Tragfähig- 
keit eines  Schiffes  bei  25  cm  Freibord  nur  15  t  oder  weniger  beträgt,  bei 
15  cm  Freibord  aber  mehr  als  15  t,  so  soll  eine  Freibordhöhe  von  15  cm  als 
genügend  angesehen  werden.  Die  obere  Eichebene,  also  die  Ebene  der 
größten  zulässigen  Eintauchung,  ist  mithin  in  die  Freibordhöhe  zu  legen. 
Wichtig  ist  die  Frage,  von  welchem  Punkte  des  Schiffes  das  Maß  von  15 
oder  25  cm  abzusetzen  ist.  Im  allgemeinen  ist  dies  der  tiefste  Punkt  der 
Bordoberkante,  des  Schandecks,  des  Stringers  oder  des  etwa  noch  fest  auf- 
gesetzten durchlaufenden  Winkels.  Bei  Schiffen  mit  festem  Deck  wird  ein 
wasserdicht  aufgesetztes  Luksüll  oder  ein  Tennebaum  in  die  Bordhöhe  ein- 
gerechnet; jedoch  darf  die  obere  Eichebene  niemals  höher  liegen  als  der 
Stringer  oder  das  Schandeck.  Ein  »festes  Deck«  ist  bei  Luksüllen  nur  anzu- 
nehmen, wenn  der  Laderaum  mehr  als  zur  Hälfle  mit  einem  festen  Deck  ver- 
sehen ist.  Bei  Dampfschiffen  ist  die  Freibordhöhe  vom  tiefsten  Punkte  der 
am  tiefsten  liegenden  Fensteröffnung  abwärts  zu  messen. 

Als  Eichraum  gilt  der  Raum,  der  von  der  Leerebene,  der  oberen  Eich- 
ebene und  den  dazwischen  liegenden  Außenseiten  der  Bordwände  begrenzt 
wird.  Zur  Feststellung  seiner  Größe  wird  in  halber  Höhe  zwischen  den  vor- 
genannten Ebenen  noch  eine  dritte  wagerechte  Ebene,  die  »mittlere  Einsen- 
kungsebene«,  geleg^.     Zur  Berechnung  werden  durch  die  Enden  der  Leer- 


i)  Der  Verband  der  Vereinigten  Transportversicherungsgesellschaften  für  die  östlichen 
deutschen  Wasserstraßen,  über  den  unten  Näheres  mitgeteilt  werden  wird,  verlangt  eine  Freibord- 
höhe von  39  cm. 


Die  Eichung.  258 

ebene  vorne  und  hinten  zwei  senkrechte  Querschnitte,  rechtwinklig  zur  Längs- 
achse des  Schiffes  gelegt.  Es  werden  dann  zuerst  die  Flächeninhalte  der 
Einsenkungsebenen  des  so  gebildeten  mittleren  Eichraums  ermittelt.  Dazu 
wird  seine  Länge  zwischen  den  vorbezeichneten  Querschnitten  gemessen  und  in 
eine  gerade  Anzahl  gleicher  Teile  (m)  zer- 
legt, die  bei  einer  ganzen  Länge  bis  zu  20  m 
nicht  größer  als   3  m,  bei  einer  größeren    -^  .j\- — ^r^Äisi^Jin^^ ^^ 

.1 


Länge  nicht  größer  als  5  m  sein   sollen.      :    XjfmJ^eEidi^ene 

In  allen  diesen  Teilpunkten  sowie  an  den      ;     \ "^^ 

Enden  werden  die  Breiten  der  drei  Ebenen     ->-L_\ l^Jy^^m, 


senkrecht  zur  Mittellinie  gemessen,  indem  ,  " — 

man  außen  die  Längen  ;r,  /,  z  auf  einer 
Schiffseite  mißt  und  ihre  doppelte  Länge  von  der  Gesamtbreite  B  (Abb.  24) 
abzieht.    Der  Flächeninhalt  jeder  Ebene  in  m"*  ist  dann  nach  der  Gleichung: 

F  =  —  [a  -f-4-^-f-2-^  +  4-rf-f-  2  -^4-  ...  -f  2-/ 4- 4?  +  ^) 
3 

zu  berechnen,  wobei  a  bis  r  die  gemessenen  Breiten  und  m  den  Abstand  je 

zweier  Breiten  bezeichnen.    Es  bleibt  noch  der  Flächeninhalt  der  im  Vorder- 

und  Hinterteil  gelegenen  Abschnitte  der  oberen  und  der  mittleren  Einsenkungs- 

ebene  zu  berechnen.     Die   entsprechenden  Maße  x  und  y  werden  von  dem 

Vor-  und  Hintersteven  in  der  Mittellinie  des  Schiffes  gemessen,  gleichzeitig 

auch  die  Breiten  der  Steven,  falls  das  Schiff  nicht  scharf  gebaut  ist.    Wenn 

diese  Flächen  Dreiecke  oder  Trapeze  sind,  wird  ihr  Inhalt  nach  bekannten 

Regeln   ermittelt.     Sind   die  Seitenwände  gekrümmt,   so  wird   noch  je  eine 

mittlere  Breite  gemessen  und  dann  der  Flächeninhalt  wie  oben  nach  der  Glei- 

ffi 
chung  /^=  —  [a -^^  ä^b '\-  c)  berechnet.    Wenn  auf  diese  Weise  der  gesamte 

Flächeninhalt  der  oberen  Eichebene  ( ö),  der  mittleren  Einsenkungsebene  [M) 
und  der  Leerebene  [L]  ermittelt  ist,  ergibt  sich  der  kubische  Inhalt  des  ganzen 

Eichraums  [E]  in  m^  aus  der  Gleichung:  ^=         (Ö+  \M -\-  L)  =  Trag- 
fähigkeit*). 

Der  zwischen  der  oberen  Eichebene  und  der  mittleren  Einsenkungs- 
ebene gelegene  Teil  des  ganzen  Eichraums  oder  die  obere  Eichschicht 

ist=— (ö-f  J/)  und  die  untere  Eichschicht  =  £  —  —  (0  +  M) . 
4  4 

Für  jedes  geeichte  Schiff  ist  ein  Eichschein  auszufertigen,  der  für  jede 
zur  Leerebene  gleichlaufende  Eintauchung  um  je  2  cm,  von  der  Leerebene  bis 
zur  oberen  Eichebene,  das  Ladungsgewicht  in  Tonnen  angibt.  Zur  Ermittelung 
dieses  Gewichts  wird  sowohl  der  Rauminhalt  der  oberen  wie  der  unteren  Eich- 
schicht durch  die  halbe  Anzahl  der  Zentimeter  ihrer  Höhe  geteilt.     In  der 

i)  Diese  einfache  Formel  war  schon  1888  von  dem  Zentralverein  für  deutsche  Binnen- 
schiffahrt vorgeschlagen  worden. 


254  Abschnitt  I.    Allgemeines  über  BinnenschilTe. 

Regel  ist  also  das  Gewicht  einer  2  cm  hohen  Eichschicht  in  der  oberen  oder 
in  der  unteren  Eichschicht  von  einander  verschieden.  Wenn  die  Eintauchung 
nicht  mit  einer  Marke  des  Eichpegels  zusammenfallt,  sondern  zwischen  zwei 
Marken  liegt,  so  ist  sie  bis  auf  2  cm  festzustellen,  wobei  Maße  unter  i  cm 
unberücksichtigt  bleiben,  größere  aber  als  2  volle  Zentimeter  angenommen 
werden. 

Ist  die  Eintauchung  nicht  an  sämtlichen  sechs  Eichpegeln  gleich  groß,  so 
wird  die  Summe  der  Angaben  von  allen  6  Pegeln  durch  6  geteilt  und  gilt 
die  gefundene  Zahl  als  Eintauchung  des  Schiffes. 

Um  das  geeichte  Schiff"  unzweifelhaft  wiederzuerkennen,  werden  be- 
sondere Erkennungsmaße  aufgenommen  und  in  den  Eichschein  eingetragen. 
Dies  sind  die  senkrechten  Abstände  der  oberen  Bordkante,  von  den  obersten 
Marken  der  sechs  Eichpegel.  Ferner  wird  neben  jeder  Leermarke  und  neben 
dem  höchsten  Punkte  jedes  Eichpegels  das  Eichzeichen  angebracht.  Dies 
geschieht  durch  einen  Stempel,  der  bei  hölzernen  Schiffen  eingebrannt  und 
bei  eisernen  eingeschlagen  wird.  Er  ist  kreisrund,  enthält  oben  ein  E  als 
Abkürzung  fiir  den  Strom  (Elbe),  darunter  links  ein  P  oder  S  oder  H  usw. 
als  Abkürzung  für  den  Staat  (Preußen,  Sachsen  oder  Hamburg  usw.)  und  rechts 
den  durch  den  ersten  und  den  letzten  Buchstaben  abgekürzten  Ort  der  Eich- 
behörde (Dn  fiir  Dresden,  Mg  für  Magdeburg  usw.).  Die  Buchstaben  in  latei- 
nischer Schrift  sollen  i  cm  hoch  sein.  Außerdem  ist  außen  am  Schiffe  eine 
Inschrift  anzubringen  —  in  der  Regel  an  beiden  Seiten  des  Bugs  — ,  die 
in  deutlich  lesbarer  Schrift  von  mindestens  1 5  cm  Höhe  außer  den  Angaben 

des  Eichzeichens  die  Tragfähigkeit  (auf  ganze  Tonnen  ab- 
gerundet) und  darunter  die  Nummer  angibt,  unter  der  das 
Schiff  in  dem  Verzeichnis  der  Eichbehörde  eingetragen  ist, 
in  nebenstehender  Form. 

Diese  Inschrift  ist  schwarz  auf  weißem  Grunde  oder  weiß  auf  schwarzem 
Grunde  aufzumalen.  Um  die  Richtigkeit  der  Angaben  des  Eichscheins  wieder 
festzustellen,  sind  Eichprüfungen  vorgesehen,  die  bei  hölzernen  Schiffen 
alle  fünf  Jahre,  bei  eisernen  Schiffen  (mit  eisernen  oder  hölzernen  Böden)  alle 
zehn  Jahre  vorgenommen  werden  sollen.  Ferner  soll  eine  Eichprüfung  späte- 
stens drei  Monate  nach  Vollendung  jedes  Umbaus,  nach  jeder  größeren  Aus- 
besserung und  nach  jeder  Beschädigung  oder  Beseitigung  der  Leermarken 
oder  Eichzeichen  ausgeführt  werden. 

Die  Gebühren  fiir  die  Eichung  und  die  Ausstellung  des  Eichscheins  betragen: 

1.  Bei  der  ersten  und  jeder  wiederholten  vollständigen  Eichung  fiir  jede  Tonne  Tragfähigkeit 
5  Pfennig,  mindestens  aber  2  Mark.  Eichklammem  und  Nägel  liefert  die  Eichbehörde 
umsonst  und  bringt  auch  die  Inschrift  an,  während  die  Kosten  fUr  die  Anbringung  der 
Eichpegel  vom  Schiffseigner  zu  tragen  sind. 

2.  Bei  einer  nur  zur  Erneuerung  der  Eichklammem  oder  des  Eichscheins  führenden  Eich- 
prüfung ist  die  Hälfte  der  Gebühr  zu  zahlen. 

3.  Für  eine  weder  zur  Neueichung  noch  zur  Emeuemng  der  Eichklammem  oder  des  Eich- 
scheins führenden  Eichprüfung  ist  nichts  zu  zahlen. 


Die  Eichung.  255 

4.  Wenn  die  Eichang  oder  Eichprüfung  auf  Antrag  nicht  am  Sitz  der  Eichbehörde  vorge- 
nommen wird,  hat  der  Schiffseigner  einen  geeigneten  Platz  zur  Verfügung  zu  stellen  und 
außer  den  Gebühren  die  der  Eichbehörde  erwachsenden  baren  Auslagen  zu  zahlen. 

5.  Bis  die  Gebühren  und  Kosten  gezahlt  sind,  kann  die  Aushändigung  des  Eichscheins  ver- 
weigert werden. 

Als  Eichbehörden  sind  meistens  staatliche  Wasserbaubehörden,  als 
oberste  Prüfungsbehörde  für  die  deutschen  Eichbehörden  ist  das  Kaiserliche 
SchifTsvermessungsamt  in  Berlin  bestellt.  Dieses  ist  befugt,  den  Eichbehörden 
hinsichtlich  der  Handhabung  der  Eichordnung  technische  Anweisungen  zu 
geben,  die  Aufzeichnungen  und  Berechnungen  einzusehen  und  die  Abstellung 
der  gefundenen  Mängel  herbeizufuhren.  Sie  liefert  auch  die  zur  Eichung 
erforderlichen  Meßwerkzeuge. 

Der  Eichschein  enthält: 

1.  Hauptangaben:  die  Tragfähigkeit  in  Tonnen,  die  Zeitdauer  der  Gültigkeit  der  Eichung, 
die  Nummer  in  dem  Verzeichnis  der  Eichbehörde  und  die  Zeitdauer  der  Gültigkeit  der 
Eichprüfung. 

2.  Schiffsbeschreibung:  Bauart,  HauptbaustofT,  Art  der  Eindeckung,  die  größte  Länge 
des  Schiffes  (ohne  Steuer)  über  alles  gemessen  und  die  größte  Breite  einschließlich  der 
Scheuerleisten. 

3.  Erkennungsmaße:  die  senkrechten  Abstände  der  Bordoberkanten  von  den  obersten 
Marken  der  6  Eichpegel. 

4.  Grundmaße  der  Eichung:  die  Höhe  der  oberen  Eichebene  über  dem  Nullpunkt  der 
Eichpegel  (Ladetiefe),  die  Höhe  der  Leerebene  über  diesem  Nullpunkt  (Leertiefe)  und  die 
Höhe  des  Eichraums. 

5.  Ergebnisse  der  Eichprüfung:  den  Abstand  des  tiefsten  Punktes  des  Schiffsbodens 
unter  dem  Nullpunkt  eines  der  Eichpegel,  den  durchschnittlichen  senkrechten  Abstand  der 
Leermarken  von  der  wirklichen  Leerebene. 

6.  Aufgemessene  Längen  und  Breiten  der  mittleren  Abteilung  des  Eich raums  und  der 
vorderen  und  hinteren  Teile  der  mittleren  Einsenkungsebene  und  der  oberen  Eichebene. 

7.  Völligkeitsgrad  des  Eichraums. 

8.  Nachweis  der  Tragfähigkeit  filr  je  2  cm  Mehrtauchung  fortschreitend  von  der  Leer- 
ebene bb  zur  oberen  Eichebene  in  Tonnen. 

Diese  Eichordnung  ist  keine  Polizeivorschrift,  es  wird  kein 
Zwang  zur  Eichung  ausgeübt.  Es  ist  aber  darin  die  Bestimmung  enthalten, 
daß  die  älteren  Meßbriefe  und  Eichscheine  zwei  Jahre  nach  der  Einführung 
der  neuen  Ordnung  ungültig  werden  und  den  öffentlichen  Glauben  verlieren. 
Außerdem  ist  vorgesehen,  daß,  wenn  die  regelmäßige  oder  von  der  Polizei- 
behörde beantragte  Eichprüfung  unterbleibt,  die  bewirkte  Eichung  ungültig  und 
der  Eichschein  eingezogen  wird.  Wird  er  nicht  abgeliefert,  so  ist  die  Ungültig- 
keit bekannt  zu  machen.  Es  ist  also  jedem  Schiffseigner  überlassen,  bei  einer 
beliebigen  Eichbehörde  den  Antrag  auf  Eichung  oder  Eichprüfung  zu  stellen 
oder  nicht.  Andererseits  bestehen  aber  für  den  Verkehr  auf  Wasserstraßen, 
wo  Schiffahrtabgaben  erhoben  werden,  gewisse  Vorschriften,  nach  denen  die 
Eichung  für  den  Schiffer  notwendig  oder  doch  vorteilhaft  ist,  weil  die  Abgaben 
meistens  nach  der  Ladung  oder  nach  der  Tragfähigkeit  berechnet  werden. 

Die  vorstehend  mitgeteilte  Eichordnung  fiir  die  Elbe  ist  gleichlautend 
im  Jahre  1900  auch  fiir  die  Weser  und  alle  östlichen  preußischen 
Wasserstraßen  eingeführt  worden. 


256  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 

Im  Rheingebiet  wurde  im  Anschluß  an  den  Brüsseler  Vertrag  von 
1898  (S.  251)  von  den  Staaten  Baden,  Baiern,  Elsaß-Lothringen,  Hessen 
und  Preußen  im  Jahre  1900  eine  gleichlautende  »Eichordnung  fiir  die  Rhein- 
schiffe« erlassen,  die  1902  auch  von  Württemberg  angenommen  wurde. 
Die  wesentlichen  Unterschiede  von  der  Eichordnung  für  die  Elbe  sind  folgende: 
Die  Freibordhöhe  wird  von  der  »Schiffsuntersuchungskommission«  für 
jedes  Schiff  unter  Berücksichtigung  der  schiffahrtpolizeilichen  Vorschriften  fest- 
gesetzt, die  im  allgemeinen  für  Schiffe  ohne  festes  Deck  oder  ohne  festen 
Tennebaum  30  cm  Freibord  verlangen.  Die  so  bestimmte  oberste  Eichebene 
wird  durch  Einsenkungsklammern  bezeichnet,   während  die  Leermarken 

-ocm  ►       fortfallen.    Die  Klammern,  »Eichplatten«,  haben  die 

g    nebengezeichnete   Form  und    werden   über  jedem 
-*    Eichpegel  so  angebracht,  daß  ihre  Unterkanten  in 


Mz      117      D 


der  obersten  Eichebene  liegen.    Auf  den  beiden  hintersten  Eichplatten  werden 
mittels  Buchstaben  und  Zahlen  von  2  bis  2,5  cm  Höhe  eingeschlagen: 

1.  Die  Erkennungsbuchstaben  des  Eichamts  (Mm  =  Mannheim,  Sr  =  Speyer, 
A  =  Aschaffenburg,  W  =  Würzburg,  St.R  =  Straßburg,  Mz  =  Mainz, 
RS.Cz  =  Koblenz,  RS.C  =  Köln,  RS.D  =  Duisburg,  RS.R  =  Ruhrort 
und  Hn  =  Heilbronn). 

2.  Die  Ordnungsnummer  der  Eintragung  in  die  Liste  des  Eichamts. 

3.  Der  Erkennungsbuchstabe  des  Landes  (D  =  Deutschland). 

Diese  Angaben  sind  auch  in  die  Bordwand  des  Vorschiffs  auf  der  Steuer- 
bordseite, etwa  in  Höhe  der  Eichplatte,  einzuhauen  und  außerdem  auf  dem 
Hinterteil  steuerbordseits  in  mindestens  1 5  cm  hohen  lateinischen  Buchstaben 
und  arabischen  Ziffern  deutlich  erkennbar  aufzumalen. 

Die  Eichpegel  (Eichskalen)  werden  ähnlich  wie  bei  der  Elbe  an  der 
Schiffswand  bezeichnet;  aber  ihr  Nullpunkt  liegt  nicht  in  der  durch  den  tief- 
sten Punkt  des  Bodens  gelegten  wagerechten  Ebene,  sondern  in  der  Leer- 
ebene. Da  die  großen  eisernen  Rheinschiffe  meistens  im  leeren  Zustande 
steuerlastig  sind  und  durch  Verschieben  der  an  Bord  befindlichen  Ge- 
wichte nicht  in  eine  angenähert  wagerechte  Lage  gebracht  werden  können, 
so  wird  von  der  Schiffsuntersuchungskommission  die  zulässige  größte  Ein- 
tauchung dadurch  bestimmt,  daß  an  jedem  Eicbpegel  die  zulässige  »Lade- 
höhe« festgesetzt  und  durch  die  Eichplatte  bezeichnet  wird.  Diese  Lade- 
höben sind  bei  steuerlastigen  Schiffen  an  den  vorderen  Eichpegeln  meistens 
größer  als  bei  den  hinteren  und  die  oberste  Eichebene  (»tiefste  Einsenkungs- 
ebene«)  ist  nicht  gleichlaufend  (parallel)  mit  der  Leerebene.  Schiffe  von 
weniger  als  40  m  Länge  erhalten  nur  4  Eichpegel,  die  etwa  in  den  End- 
punkten des  ersten  und  zweiten  Drittels  der  Schiffslänge  angebracht  werden. 

Für  die  Berechnung  des  Eichraums  gibt  die  Brüsseler  Übereinkunft 
etwas  andere  Vorschriften.  Der  Eichraum  wird  (von  der  Leerebene  begin- 
nend) durch  wagerechte  Ebenen  in  Eichschichten  von  einem  Dezimeter 
Höhe  geteilt.     Wenn  es  jedoch  die  Formen  des  Schiffes  gestatten,  können 


Die  Eichung.  257 

mehrere  Schichten  für  die  Berechnung  vereinigt  werden.  Der  Rauminhalt 
jeder  Eichschicht  ergibt  sich  durch  Multiplikation  ihrer  Höhe  mit  der  halben 
Summe  der  Flächeninhalte  der  sie  begrenzenden  oberen  und  unteren  Ein- 
senkungsebenen.  Teilt  man  den  Inhalt  einer  Eichschicht  durch  die  ihre  Höhe 
bezeichnende  Zahl  von  Zentimetern,  so  erhält  man  die  Wasserverdrängung 
des  Schiffes  für  jedes  Zentimeter  der  Eintauchung  dieser  Eichschicht.  Ent- 
sprechend diesen  Anordnungen  wird  die  Tragfähigkeit  im  Eichschein  nur  für 
jedes  Dezimeter  Mehrtauchung  von  der  Leerebene  bis  zur  obersten  Eichebene 
angegeben  und  die  Tragfähigkeit  für  die  einzelnen  Zentimeter  ist  durch  einfache 
Berechnung  hinzuzusetzen. 

Der  Eich  schein  enthält  eine  ausfuhrliche  Zusammenstellung  des  Ge- 
wichts der  bei  der  Eichung  auf  dem  leeren  Schiff  befindlichen  Gegenstände 
(Ausrüstung,  Einrichtungsgegenstände,  Vorräte)  und  der  Bemannung.  Ferner 
sind  für  das  Vor-,  Mittel-  und  Hinterschiff  die  an  den  Eichpegeln  festgestellten 
Maße  für  die  » Bodentiefe  c  (Tauchtiefe  oder  Einsenkungstiefe  des  leeren  Schiffes), 
für  die  Ladehöhe  und  für  den  Freibord  aufgeführt.  Auch  ist  eine  Handskizze 
beigegeben,  aus  der  die  Form  des  Schiffes  und  die  Lage  der  Querschnitte 
mit  den  wichtigsten  Abmessungen  ersichtlich  ist. 

Eich  Prüfungen  in  bestimmten  Zeiträumen  sind  nicht  vorgeschrieben. 
Sie  finden  aber  auf  Antrag  des  Schiffseigners  statt.  Ein  neuer  Eichschein 
wird  nur  ausgestellt,  wenn  das  Ergebnis  über  i  v.  H.  von  der  ersten  Eichung 
abweicht.  Der  Eichschein  verliert  seine  Gültigkeit,  wenn  ein  Umbau  oder 
eine  wesentliche  Änderung  des  Schiffes  oder  eine  Veränderung  in  der  Höhe 
der  Leerebene  stattgefunden  hat. 

Auch  die  Gebühren  sind  anders  festgesetzt.     Es  sind  zu  zahlen: 


für  Schiffe  . 

• 

.     .     bis  i 

zu  50  t 

Tragfähigkeit 

6  Mark 

von 

50,1  bis 

100  > 

15     ' 

IOO,X     > 

200  > 

25     1 

200,1    > 

300  » 

30     1 

300,1    » 

400  > 

35     ' 

400,1    > 

500  » 

40    1 

500,1    • 

750  » 

50     ' 

750,1    * 

1000  » 

60    > 

1000,1    > 

1500  * 

70    . 

•     * 

.     ,  über 

1500  > 

80      : 

Dampfschiffe  haben  einen 

Zuschlag  von  10  Mark 

zu  zahlen 

.    Wenn  bei  der  Eichprüfung 

ein  neuer  Eichschein  nötig  ist, 

ist  die  volle  Gebühr,  i 

anderenfalls  nur  die 

halbe  zu  entrichten. 

In  Holland  ist  im  Juli  1899  eine  entsprechende  Verordnung  erlassen. 
Ein  Unterschied  besteht  gegen  die  deutsche  hinsichtlich  der  Festsetzung  der 
obersten  Eichebene  und  der  Freibordhöhe.  Während  bei  den  gedeckten 
Lastschiffen  ohne  eigene  Triebkraft  die  Bestimmungen  der  Rheinschiffahrt- 
polizeiordnung maßgebend  sind,  wird  bei  Dampfschiffen  die  oberste  Eichebene 
durch  die  Unterseite  der  Fensterlöcher  in  der  Bordwand  und  bei  offenen 
Schiffen  durch  den  niedrigsten  Punkt  der  festen  Bordwand  gelegt.  Dadurch 
ergibt  sich  im   letzteren  Falle   eine  verhältnismäßig    größere  Tragfähigkeit. 

Teubert,  Btnnenschiffahrt.  |m 


258  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 

Auch  die  Gebührenordnung  ist  etwas  anders  gestaffelt,  aber  nicht  wesent- 
lich verschieden. 

Die  an  den  niederländischen  Rheinwasserstraßen  gelegenen  Eichämter  sind 
Rotterdam  (R),  Amsterdam  (Am),  Utrecht  (U),  Dortrecht  (D)  und  Amhem  (Ah). 

Für  die  Kanalschiffe  in  Elsaß-Lothringen  ist  im  Jahre  1900 
eine  Eichordnung  erlassen,  die  der  Brüsseler  Übereinkunft  entspricht.  Ab- 
weichend von  den  Vorschriften  am  deutschen  Rhein  und  in  Holland  gilt  als 
Eichraum  »der  zwischen  den  Außenflächen  der  Schiffswandungen  liegende 
Raum,  der  oben  von  der  Ebene  der  tiefsten  zulässigen  Eintauchung  und  unten 
von  der  wagerechten  Ebene  begrenzt  wird,  die  durch  den  tiefsten  Punkt 
der  äußeren  Fläche  des  Schiffsbodens  geht«.  Der  Inhalt  dieses  Eich- 
raums ist  mithin  nicht  die  Tragfähigkeit,  sondern  die  ganze  Verdrängung, 
von  der  man  das  tote  Gewicht  (Eigengewicht,  Ausrüstung,  Bemannung  und 
deren  Vorräte,  Leckwasser  usw.)  oder  die  Verdrängung  beim  Leergang  ab- 
ziehen muß,  um  die  Tragfähigkeit  zu  erhalten.  Um  die  Eichschichten  in  be- 
quemer Weise  auch  im  untersten  Teil  zu  messen,  werden  alle  schweren  Aus- 
rüstungstücke u.  dgl.  vom  Schiffe  genommen,  damit  es  möglichst  flach 
schwimmt.  Die  Messungen  werden  dann  wie  am  Rhein  vorgenommen,  indem 
man  zwei  senkrechte  Ebenen  rechtwinklig  zur  Längsachse  durch  das  Schiff 
legt  und  so  jede  wagerechte  Schnittebene  in  Dezimeterabstand  in  drei  Teile: 
Vor-,  Mittel-  und  Hinterschiff  zerlegt,  deren  Flächeninhalte  einzeln  ermittelt 
werden.  Der  Inhalt  der  Eichschichten  wird  für  jedes  Dezimeter  Eintauchung 
berechnet,  sowie  auch  von  Zentimeter  zu  Zentimeter  für  einige  Zentimeter 
oberhalb  und  für  einige  Zentimeter  unterhalb  der  »normalen  Leerebene«.  Die 
letztere  wird  dazu  ebenso  wie  am  Rhein  ermittelt,  nachdem  das  ganze  tote 
Gewicht  wieder  hergestellt  ist.  Man  ist  auf  diese  Weise  in  der  Lage,  auch 
bei  verändertem  Leergang  die  Tragfähigkeit  genau  berechnen  zu  können. 

Die  Freibordhöhe  muß  bei  den  elsaß-lothringischen  Kanälen  0,1  m 
betragen.  In  dieser  Höhe  sind  die  Eichplatten  beiderseits  mittschiffs  anzu- 
bringen. Sie  entsprechen  genau  denen  am  Rhein  und  tragen  als  Abkürzung 
des  Eichamtes   die  Buchstaben  St.K    (Straßburg,   Kanalschiff).     Es   werden 

4  Eichpegel  angebracht,  deren  Nullpunkte  in  der  Ebene  des  tiefsten  Punktes 
des  äußeren  Schiffsbodens  liegen.     Bei  Holzschiffen  bestehen  die  Pegel  aus 

5  cm  breiten,  von  der  Verwaltung  gelieferten  Metallstreifen,  in  die  die  Teilung 
eingearbeitet  ist.  Diese  Pegelbänder  werden  um  einige  Millimeter  in  das  Holz 
eingelassen  und  mit  kupfernen  oder  verzinkten  eisernen  Nägeln  befestigt.  Bei 
eisernen  Schiffen  wird  die  Teilung  durch  Körnerschläge  in  20  cm  Höhenab- 
stand  bezeichnet  und  dann  in  Ölfarbe  gemalt. 

Die  Erkennungszeichen  (Eintragungsmarken)  werden  mit  Ölfarbe  auf 
dem  Schiffshinterteil  aufgemalt,  sowie  binnenbords  an  besonders  geeigneten 
Stellen  des  Stevens  eingebrannt  oder  eingeschlagen. 

Die  Eichscheine  und  die  Eintragungen  entsprechen  den  Vorschriften 
am  Rhein.     Im  Eichschein  ist  der  lotrechte  Abstand  zwischen  dem  tiefsten 


Die  Eichung.  259 

Punkt  des  SchifTsbodens  und  der  Leerebene  angegeben,  sowie  die  Zunahme 
der  Wasserverdrängung  von  Dezimeter  zu  Dezimeter  oder  von  Zentimeter  zu 
Zentimeter  über  der  Leerebene  und  einige  Zentimeter  unter  ihr. 

Durch  die  Polizeiordnung  ist  vorgeschrieben,  daO  alle  Schiffe  von 
mindestens  50  t  Ladefähigkeit  geeicht  werden  müssen. 

Die  in  Frankreich  im  Jahre  1899  entsprechend  der  Brüsseler  Überein- 
kunft eingeführten  Vorschriften  über  die  Eichung  (jaugeage)  und  Eintragung 
(immatriculation)  aller  SchifTe  weicht  von  den  Bestimmungen  in  Elsaß-Loth- 
ringen nur  wenig  ab.  Für  die  Freibordhöhe  besteht  kein  einheitliches 
Maß:  Es  schwankt  auf  den  einzelnen  Wasserstraßen.  Die  Bestimmung  der 
Leerebene  und  die  Berechnung  der  Eichschichten  ist  die  gleiche;  unter  der 
Leerebene  wird  die  Berechnung  noch  auf  i  Dezimeter  Höhe  durchgeführt  und 
in  dem  Eichschein  für  jedes  Zentimeter  angegeben.  Die  Eichpegel  für  Holz- 
schiffe bestehen  aus  Kupferstreifen.  Bei  Schiffen  über  40  m  Länge  sind  deren 
sechs  vorgeschrieben,  die  in  2— 5  und  10  cm  eingeteilt  sind.  Alle  Schiffe  sind 
zur  Eichung  und  Eintragung  verpflichtet;  es  werden  aber  von  französischen 
Schiffen  keine  Gebühren  erhoben.  Wenn  ausländische  Schiffe  neu  geeicht 
werden,  so  werden  die  Gebühren  nicht  höher  berechnet,  als  in  der  Heimat  des 
betreffenden  Schiffseigners.    Dorthin  wird  auch  die  Eichverhandlung  übersandt. 

Das  amtliche  Verfahren  ist  anders  als  in  Deutschland.  Die  84  in  Frank- 
reich bestehenden  Eichungstellen  sind  12  Oberingenieuren  (Ingenieur  en  chef) 
unterstellt,  bei  denen  die  Schiffsregister  gefuhrt  werden.  Der  Amtsitz  dieser 
Oberingenieure  wird  durch  bestimmte  Buchstaben  nebst  der  Eintragungs- 
nummer auf  den  Eichplatten  vermerkt.  Der  Antrag  auf  Eichung  geht  an  den 
Oberingenieur  und  dieser  bestimmt  die  für  das  Schiff  nächstgelegene  Eichung- 
stelle. Wenn  nach  größeren  Ausbesserungen  eine  neue  Eichung  nötig  ist, 
kann  sie  von  jeder  beliebigen  Eichungstelle  ausgeführt  werden;  der  neue 
Eichschein  wird  auf  Grund  des  übermittelten  Eichprotokolls  jedoch  wieder  von 
dem  Oberingenieur  ausgestellt,  bei  dem  das  Schiff  ursprünglich  eingetragen 
war.  Es  bleibt  mithin  stets  in  seinem  Register.  Dies  Verfahren  scheint 
zweckmäßiger  als  das  deutsche  zu  sein. 

In  Belgien  bestehen  annähernd  die  gleichen  Vorschriften  für  die  Eichung 
wie  in  Frankreich. 

Für  eine  unbeschränkte  Freizügigkeit  der  Schiffe  und  gegenseitige 
Anerkennung  der  Eichung  ist  nicht  nur  innerhalb  Deutschlands,  sondern  auch 
im  Verkehr  mit  den  benachbarten  Staaten:  Holland,  Belgien  und  Frankreich 
ausreichend  gesorgt.  Die  betreffenden  Zentralbehörden  und  die  Eichbehörden 
stehen  miteinander  stets  in  Verbindung  behufs  Berichtigung  ihrer  Eichregister 
und  der  Überwachung  der  Eichungen  und  Eichprüfungen. 

Für  den  Dortmund-Ems-Kanal  ist  im  Jahre  1901  eine  Eichordnung 
erlassen,  die  in  vielen  Funkten  mit  den  deutschen  Vorschriften  für  den  Rhein 
übereinstimmt,  in  mancher  Beziehung  aber  den  Anordnungen  der  Eichordnung 
für  die  östlichen  Wasserstraßen  entspricht.     Wie  am  Rhein  liegen  die 

17* 


260  Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 

Nullpunkte  der  Eichpegel  (Eichskalen)  in  der  Leerebene  und  die  Berechnung 
des  Eichraums  erfolgt  zunächst  in  Schichten  von  je  einem  Dezimeter  Höhe. 
Aber  die  Lage  der  oberen  Begrenzung  des  Eichraums  durch  die  oberste 
Eichebene  (»Ebene  der  zulässigen  größten  Einsenkung«)  wird  durch  die  poli- 
zeilich vorgeschriebene  Freibordhöhe  wie  auf  den  östlichen  Wasserstraßen 
bestimmt.  Sie  beträgt  für  offene  Schiffe  20  cm  und  für  gedeckte  15  cm. 
Mittschiffs  wird  diese  tiefste  zulässige  Einsenkung  auf  beiden  Seiten  durch  je 
eine  Eichplatte  bezeichnet,  die  wie  am  Rhein  eingerichtet  ist.  Die  Erken- 
nungsbuchstaben der  Eichbehörden  sind  D.E.K.,  mit  darunter  gesetztem  D 
(Dortmund),  M  (Meppen)  oder  E  (Emden).  Femer  ist  auf  den  Eichplatten 
außer  den  Ordnungsnummern  und  dem  Buchstaben  D  dir  Deutschland  noch 
die  ermittelte  Tragfähigkeit  (wie  auf  den  östlichen  Wasserstraßen)  vermerkt. 

Die  Leerebene  wird  am  Schiffe  durch  Leermarken  (Eichklammem  oder 
Kömerschläge)  wie  bei  der  Elbe  bezeichnet. 

Der  Eichschein  entspricht  vollkommen  den  Vorschriften  für  den  Rhein; 
die  Tragfähigkeit  wird  jedoch  wie  bei  der  Elbe  für  die  um  je  2  Zentimeter  zu- 
nehmende Eintauchung  berechnet.  Die  Eichprüfungen  und  Gebühren  sind 
wie  am  Rhein  geregelt. 

Während  bei  allen  nach  der  Brüsseler  Übereinkunft  erlassenen  Eichord- 
nungen einschließlich  der  für  den  Dortmund-Ems-Kanal  eine  sehr  sorgfaltige 
Berechnung  des  Eichraums  durch  Zerlegung  in  Schichten  von  je  o,  i  m  Höhe 
erfolgt,  hat  man  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  bei  der  Weser  und  allen  öst- 
lichen preußischen  Wasserstraßen  mit  der  Berechnung  von  nur  2  Schichten 
(obere  und  untere  Eichschicht)  begnügt.  Man  ist  dabei  von  der  Ansicht  aus- 
gegangen, daß  für  diese  verhältnismäßig  niedrigen  und  leicht  gebauten  Schiffe 
die  große  im  Rheingebiet  angewendete  Sorgfalt  besonders  in  Rücksicht  auf 
ihre  starke  Durchbiegung  in  beladenem  Zustande  entbehrlich  ist. 

Bei  der  für  die  österreichische  Donau  im  Jahre  1898  erlassenen  Eich- 
ordnung ist  man  in  der  Vereinfachung  der  Berechnung  noch  weiter  gegangen. 
Ähnlich  wie  bei  der  Eichordnung  für  die  Elbe  wird  die  Leerlinie  (»untere  Tau- 
chungsebene«)  durch  eiserne  Klammern  und  die  Freibordhöhe  (»obere  Tau- 
chungsebene«)  im  Abstände  von  24  cm  vom  niedrigsten  Punkte  der  Bordwand 
durch  die  10  cm  lange  Unterkante  eines  rechteckigen  Eichstempels  bezeichnet, 
der  abgekürzt  die  Eichbehörde,  die  Nummer  des  Eichscheins  und  das  Jahr 
der  Eichung  trägt. 

Die  Berechnung  des  Inhalts  des  Eichraums  zwischen  den  beiden  oben  ge- 
nannten Tauchebenen  geschieht  mittels  einer  mittleren  Schwimmebene,  die  in 
halber  Höhe  wagerecht  gelegt  wird.  Die  Länge  dieser  Ebene  wird  gemessen 
und  in  6  gleiche  Teile  zerlegt.  In  den  Teilpunkten  werden  die  Breiten  in  ähn- 
licher Weise  wie  bei  der  Elbe  (vgl.  die  Maße  y  auf  Abb.  24)  gemessen  und 
dann  der  Inhalt  des  Eichraums  oder  die  Tragfähigkeit  (7^  nach  der  Gleichung 

r=  v././^[^^+^,  +  4(^^  +  ^3  +  ^j  +  2(^,  +  ^j] 


Die  Eichung.  261 

berechnet,  worin  /  den  sechsten  Teil  der  Länge  der  mittleren  Ebene,  H  den 
Abstand  der  oberen  von  der  unteren  Tauchebene  und  b^  bis  b^  die  gemes- 
senen Breiten  bedeuten.  Eichpegel  werden  nicht  angebracht.  Auch  Eich- 
prüfungen werden  nur  nach  Umbauten  und  Ausbesserungen,  auf  behördliche 
Anordnung  oder  auf  Antrag  des  Schiffseigners  vorgenommen.  Die  Gebühren 
betragen  bei  einer  Tragfähigkeit  von  50  Tonnen  4  Kronen  und  steigen  auf 
14  Kronen  bei  300  Tonnen.  Schiffe  von  mehr  als  300  Tonnen  haben  20  Kronen 
zu  zahlen. 

Der  Eichschein  enthält  die  oben  erwähnten  Messungszahlen  und  die  er- 
mittelte Tragfähigkeit  in  Tonnen,  außerdem  Namen  und  Wohnort  des  Eigen- 
tümers und  Erbauers,  Zeit  und  Ort  der  Eichung,  sowie  die  Ausrüstung  und 
Bemannung  während  der  Eichung. 

Diese  sehr  einfache  Art  der  Vermessung  wurde  früher  im  Königreich 
Sachsen  angewendet  und  scheint  für  leichte,  offene,  hölzerne  Schiffe  von 
geringer  Größe  ausreichend  genau  zu  sein.  Die  österreichische  Eichordnung 
gilt  auch  nur  für  hölzerne  Donauschiffe.  Für  die  eisernen  Lastschiffe,  die 
ausschließlich  den  großen  Dampfschiffahrtgesellschaften  gehören,  hat  man  von 
einer  polizeilich  vorgeschriebenen  Eichung  abgesehen  und  begnügt  sich  mit 
den  beim  Bau  der  Schiffe  aufgestellten  Lasten maßstäben,  wie  sie  oben 
(S.  246)  beschrieben  wurden. 

Das  Gewicht  der  jeweiligen  Ladung  des  Schiffes  soll  aus  der  Ablesung 
der  Eichpegel  festgestellt  werden.  Wenn  man  selbst  annimmt,  daß  die  Leer- 
ebene, also  das  tote  Gewicht,  seit  der  Eichung  unverändert  geblieben  ist,  so 
wird  das  Schiff  doch  in  der  Regel  nicht  in  einer  wagerechten  Wasserlinie 
schwimmen,  d.  h.  die  Ablesungen  an  den  Eichpegeln  werden  verschieden  sein. 
Dazu  kommt  die  bei  allen  beladenen  Schiffen  mehr  oder  weniger  beträchtliche 
Durchbiegung  nach  unten.  Wenn  man  nach  deutscher  Vorschrift  aus  den 
Ablesungen  an  den  6  Pegeln  das  arithmetische  Mittel  bildet,  so  wird  nach 
dem  Eichschein  sich  die  Ladung  in  der  Regel  zu  klein  ergeben. 

Es  kommt  ferner  auf  die  Genauigkeit  der  Ablesung  an,  die  selbst  bei 
ruhigem  Wasserspiegel  an  den  nach  Doppelzentimetern  eingeteilten  Eichpegeln 
kleinere  TeUe  als  ein  Zentimeter  in  der  Regel  nicht  mit  Sicherheit  schätzen 
kann.  Der  einer  solchen  Schicht  von  i  cm  Höhe  entsprechende  Ladungsteil 
ergibt  sich  aus  der  nachstehenden  Tafel,  wobei  für  den  Völligkeitsgrad  der 
obersten  Wasserlinie  (a)  ein  durchschnittlicher  Wert  eingesetzt  worden  ist. 

Das  Gewicht  der  Ladung  kann  also  durch  Ablesen  der  Eichpegel  nur 
angenähert  festgestellt  werden  und  die  etwa  für  die  Erhebung  von  Abgaben 
und  Gebühren  hierauf  gegründeten  Tarife  müßten  innerhalb  dieser  Genauig- 
keitsgrenzen abgestuft  werden. 

Auch  bei  der  Verwendung  der  Gewichtsangaben  der  Eichscheine  zu  an- 
deren Zwecken  wird  es  sich  empfehlen,  stets  das  Ergebnis  angemessen  abzu- 
runden, damit  man  sich  und  andere  nicht  hinsichtlich  der  Genauigkeit  täuscht. 


262 


Abschnitt  I.     Allgemeines  über  Binnenschiffe. 


Art  des  Schiffes 


Flämische  Penische.    .    .    . 

Flnowschiff 

OderschifT 

Dortmund-Ems-Kanalschiff . 

Großes  Eibschiff 

Großes  Rheinschiff  .... 


Gewicht  einer 

I  cm  hohen 

Schicht 

t 


38,5 

S,o 

0,99 

40,0 

4,6 

0,9a 

55,0 

8,0 

0,90     . 

67,0 

8,2 

0,92 

75,0 

10,6 

0,91 

87,0 

11,0 

0,90 

1,90 
1,69 
4,06 

5,05 

7,23 
8,61 


Schließlich  kommt  man  mit  Seh ro mm')  rückwärts  zu  der  Überzeugung,  daß 
das  überaus  sorgialtige  aber  umständliche  Eichungsverfahren,  wie  es  im  Rhein- 
gebiet und  in  Frankreich  üblich  ist,  ohne  Nachteil  vereinfacht  werden  könnte. 
Die  Eichung  von  Schlepp-  und  Personendampfern  scheint  überflüssig. 
Es  muß  noch  auf  den  Unterschied  von  Flußwasser  und  Seewasser 
hingewiesen  werden.  Da  das  letztere  schwerer  ist,  so  ist  bei  gleichem  Schiffs- 
gewicht der  Rauminhalt  der  Verdrängung  kleiner  als  im  Flußwasser.  Schiffe 
mit  derselben  Ladung  werden  also  im  Seewasser  weniger  tief  eintauchen  als 
im  Flußwasser.  Unter  Umständen  ist  der  Unterschied  beträchtlich.  Ein  mit 
i8iot  beladenes  Rheinschiff  mit  2,27  m  Tauchtiefe  bei  Köln  wird  in  Ant- 
werpen nur  einen  Tiefgang  von  etwa  2,24  m  haben,  was  nach  der  Eichung 
einen  Gewichtsunterschied  von  etwa  28  t  ergeben  würde.  Auf  der  Rückfahrt  tritt 
das  Umgekehrte  ein:  Das  Schiff  wird  auf  dem  Rhein  etwa  3  cm  tiefer  eintauchen. 

Die  bisher  beschriebene  Vermessung  der  Schiffe  nach  der  Wasserver- 
drängung ist  heute  bei  der  Binnenschiffahrt  fast  allgemein  üblich,  während  die 
Vermessung  nach  dem  Raumgehalt  bei  allen  Seeschiffen  die  Regel  bildet 
Sie  war  früher  in  Holland  und  ist  wohl  heute  noch  in  Nordamerika  und  in 
einigen  anderen  Ländern  auch  bei  der  Binnenschiffahrt  im  Gebrauch.  Bei  dieser 
Vermessung  wird  der  zur  Verfügung  stehende  Schiffsraum  von  innen,  unter 
Deck  und  in  den  festen  Aufbauten  über  Deck  ermittelt.  Das  Ergebnis  in 
Körpermaß  heißt  der  Brutto-Raumgehalt.  Von  diesem  werden  die  Räume 
für  die  Schiffsmannschaft,  für  die  Lenkung  des  Schiffes,  für  die  Maschinen 
und  Kessel  in  Abzug  gebracht  und  man  erhält  dann  den  Netto-Raumgehalt. 
Über  diese  Abzüge  bestehen  in  den  verschiedenen  Ländern  abweichende  Vor- 
schriften, die  häufig  zu  Streitigkeiten  führen.  Vorteilhaft  ist  diese  Vermessung, 
weil  sie  auf  die  Freibordhöhe  keine  Rücksicht  zu  nehmen  hat.  Die  Berechnung 
erfolgt  nach  Kubikmetern,  die  dann  auf  Registertonnen  umgerechnet  werden: 
I  m^  =  0,353  Reg.-Ton.;  i  Reg. -Ton.  =  2,832  m^  (Für  Raumgehalt  sagt  man 
auch  Tonnengehalt  oder  Tonnage.) 


i]  a.  a.  O.  S.  2$o. 


Abschnitt  IL 

Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 

Im  allgemeinen  waren  in  alter  Zeit  die  Lastschiffe  auf  den  Binnengewässern 
mehr  oder  minder  roh  aus  Holz  in  ungeschickten  Formen  zusammengebaut, 
wenn  auch  die  Darstellungen  von  Nilbooten  (Abb.  i  und  2),  die  in  Ägypten 
auf  Steinbildwerken  gefunden  worden  sind,  bereits  eine  gewisse  ausgebildete 
Schiifsform  mit  erhöhtem  Bug  und  Heck  zeigen.  Nachdem  sich  bei  der 
Seeschiffahrt  die  gerundeten  Formen  mit  Kiel  und  stark  erhöhtem  Vorder- 
und  Hinterteil  im  Kampf  mit  Wind  und  Wellen  bewährt  hatten,  sind  Schiffe 
von  solcher  Bauart  auch  auf  den  großen  Strömen  verwendet  worden,  wie  man 
aus  alten  Bildern  ersehen  kann.  Auf  kleineren,  seichten  Flüßen  wird  man 
aber  frühzeitig  die  Vorteile  eines  flachen  Bodens  erkannt  haben,  der  sich  dann 
auch  auf  den  großen  Strömen  eingebürgert  hat.  Bestimmte  Nachrichten 
darüber  sind  uns  nicht  bekannt  geworden.  Der  Segelbetrieb  war  damals  von 
großer  Bedeutung  und  die  Masten  waren  fest,  weil  bis  zum  Anfang  des 
vorigen  Jahrhunderts  über  die  großen  Ströme  noch  keine  festen  Brücken 
führten  und  bei  den  kleinen  Strömen  die  wenigen  vorhandenen  Brücken  mit 
beweglichen  Durchlaßöffnungen  versehen  waren.  Mit  der  Entwickelung  der 
Eisenbahnen  kamen  aber  feste  Brücken:  Die  Masten  mußten  beweglich  gemacht 
werden,  die  Takelung  wurde  einfacher,  die  Schiffe  wurden  vorne  und  hinten 
niedriger  und  bekamen  allmählich  die  Form  eines  prismatischen,  an  den  Enden 
zugespitzten  Balkens,  wie  wir  sie  heute  vor  uns  sehen. 

Die  Größe  der  Lastschiffe  hat  im  Laufe  der  Zeit  immer  mehr  zugenommen, 
worauf  wir  bei  dem  geschichtlichen  Rückblick  im  ersten  Teile  wiederholt  hin- 
gewiesen haben.  In  früheren  Zeiten  genügten  kleine  Schiffe  für  die  Beförderung 
der  meistens  kostbaren,  aber  wenig  umfangreichen  Waren  und  brachten  auch 
guten  Verdienst.  Kleine  Schiffe  konnten  ferner  mit  menschlicher  und  tierischer 
Kraft  leicht  stromaufwärts  gezogen  werden.  Erst  die  Erfindung  der  Schlepp- 
dampfer machte  die  Schiffahrt  in  dieser  Beziehung  unabhängig,  so  daß  man 
größere  Schiffe  baute  und  auch  die  Beförderung  von  Massengütern  mit  Vorteil 
übernehmen  konnte.  Die  Größe  der  Schiffe  mußte  sich  aber  den  Verhält- 
nissen der  vorhandenen  natürlichen  Wasserstraßen  anpassen,  indem  der  Tief- 
gang von  den  Fahrwassertiefen,  die  Breite  durch  die  nutzbaren  Wasserbreiten 


264  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

und  die  Brückenweiten  und  die  Länge  durch  die  Krümmungen  des  Talwegs 
und  die  Möglichkeit  des  Wendens  begrenzt  waren.  Das  zeigte  sich  besonders 
nach  dem  Bau  von  Kanälen  und  es  entstand  das  Bestreben,  durch  recht  völlige 
SchifTsformen  namentlich  die  Schleusenabmessungen  möglichst  gut  auszunutzen. 

Innerhalb  der  voneinander  abgeschlossenen  Stromgebiete  hat  sich  die 
Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe  im  Laufe  der  Zeit  meistens  selb- 
ständig fortentwickelt,  weil  bis  zum  19.  Jahrhundert  infolge  des  Zunftwesens 
und  der  mangelhaften  Verkehrsmittel  die  Schiffer  ebensowenig  wie  die  Schiffe 
aus  ihrem  Stromgebiet  oder  gar  aus  ihrem  Stromabschnitt  herauskamen.  Das 
Handwerk  vererbte  sich  damals  allgemein  in  den  Familien,  also  auch  bei  den 
Schiffern  und  Schiffbauern.  Soweit  die  Stromgebiete  nicht  durch  Kanäle 
miteinander  in  Verbindung  gebracht  sind,  bestehen  daher  heute,  besonders  in 
Deutschland,  hinsichtlich  der  Form  sowie  der  Bau-  und  Betriebsweise  der 
Lastschiffe  auf  den  einzelnen  Wasserstraßen  große  Verschiedenheiten,  die  die 
Beteiligten  gerne  aus  der  verschiedenen  Natur  der  Ströme  zu  erklären  ver- 
suchen. Das  trifft  jedoch  nicht  immer  zu:  Es  sind  vielmehr  zum  Teil  nicht 
ganz  berechtigte  Eigentümlichkeiten,  die  lediglich  auf  Überlieferung  zurück- 
zufuhren sind.  Es  wird  sich  später  wiederholt  Gelegenheit  finden,  auf  diesen 
Umstand  zurückzukommen.  Es  ist  aber  beachtenswert,  daß,  wenn  auch  die 
Verschiedenheit  der  Seewege  viel  geringer  ist  als  die  der  natürlichen  Binnen- 
wasserstraßen, das  Seeschiff  bei  allen  Kulturvölkern  zu  gleichen  Zeiten  ziem- 
lich das  gleiche  gewesen  ist.  Und  auch  die  Dampfschiffe  der  Binnenschiff- 
fahrt zeigen  in  den  verschiedenen  Stromgebieten  im  wesentlichen  die  gleichen 
Formen  und  Einrichtungen,  weil  sie  zuerst  über  See  zu  uns  kamen  und  ihre 
Entwickelung  nicht  auf  Überlieferung  sondern  auf  dem  Fortschritt  der  Wissen- 
schaft beruht. 

Wo,  wie  in  Frankreich,  alle  Stromgebiete  seit  Jahrhunderten  durch  Kanäle 
verbunden  sind,  ist  die  Verschiedenheit  der  Lastschiffe  weniger  auffallig  und 
das  gleiche  gilt  für  die  östlichen  deutschen  Wasserstraßen. 

Die  Anforderungen,  die  man  an  ein  Lastschiff  von  bestimmter  Trag- 
fähigkeit oder  von  vorgeschriebenen  Abmessungen  für  Länge,  Breite  und 
Tiefgang  stellen  muß,  lassen  sich  «twa  in  folgenden  Sätzen  zusammenfassen: 

1.  Der  Leertiefgang  soll  möglichst  gering,  das  tote  Gewicht  also  mög- 
lichst klein  sein.  Da  das  tote  Gewicht  in  bestimmtem  Verhältnis  zum  Schiffs- 
eigengewicht und  dies  wiederum  in  bestimmtem  Verhältnis  zu  den  Herstellungs- 
kosten steht,  so  ist  bei  gleichen  Baustoffen  das  Schiff  mit  dem  kleinsten 
Leertiefgang  auch  das  billigste.  Es  ist  ferner  das  wirtschaftlichste,  weil  die 
vorhandene  Fahrwassertiefe  am  besten  ausgenutzt  werden  kann. 

2.  Die  Form  des  Schiffes  soll  möglichst  völlig  sein,  aber  doch  bei  der 
Fortbewegung  eine  gute  Steuerfahigkeit  und  einen  möglichst  geringen  Wider- 
stand zeigen.  Zur  guten  Steuerfahigkeit  gehört  neben  einer  ausreichenden 
Ruderfläche  und  einer  leicht  beweglichen,  empfindlichen  Steuervorrichtung  vor 
allem  eine  schlanke  Form  des  Hinterschiffs,  die  dem  Wasser  einen  gleichmäßigen, 


I.  Grolle,  Fonn  und  Einrichtxing  der  Lastschiffe.  265 

ruhigen  Zutritt  zum  Ruderblatt  gewährt.  Diese  Form  vermindert  gleichzeitig 
den  SchifTswiderstand,  der  an  anderer  Stelle  dieses  Buchs  behandelt  werden 
soll.  Schon  hier  sei  aber  erwähnt,  daß  er  durch  g^roße  VölHgkeit  und  durch 
die  Rauhigkeit  der  vom  Wasser  berührten  Schiifswände  besonders  bei  hölzer- 
nem Boden  vergrößert  wird. 

3.  Das  Schiff  soll  steif  und  fest  sein.  Im  allgemeinen  haben  die  üblichen 
Lastschiffe  der  Binnenschiffahrt  stets  die  nötige  Steifheit  (Stabilität);  bei  Ver- 
wendung von  besonderen  Formen  muß  das  aber  untersucht  werden  (S.  240). 
Die  Festigkeit  kann  ohne  Verschwendung  von  Baustoff  nicht  so  groß  gemacht 
werden,  um  den  Angriffen  bei  allen  möglichen  Unfällen  zu  widerstehen  (S.  236). 
Sie  soll  aber  in  dem  ganzen  Schiffskörper  eine  möglichst  gleichmäßige  sein, 
d.  h.  wo  die  größten  Angriffsmomente  auftreten,  sollen  die  größten  Widerstands- 
momente vorhanden  sein. 

4.  Die  Ladung  soll  in  dem  Schiffsraum  gut  und  sicher  untergebracht 
werden  können.  Güter,  die  durch  Wind,  Staub,  Regen  oder  Schnee  leiden, 
müssen  in  gedeckten  Schiffen  befördert  werden,  deren  Laderäume  außerdem 
bei  zollpflichtigen  Waren  verschließbar  herzustellen  sind.  Andererseits  muß 
der  Schiffskörper  dicht  sein,  damit  sowohl  das  Eintreten  von  Wasser  wie  das 
Austreten  von  Stoffen  verhindert  wird,  die  das  Wasser  in  gemeinschädlicher 
Weise  verunreinigen  könnten,  wie  z.  B.  Fabrikrückstände,  Abfallstoffe  u.  dgl. 
Unter  Umständen  dürfen  auch  die  Bordwände  nicht  zu  hoch  sein,  damit  ge- 
wisse Waren,  z.  B.  Steine,  möglichst  leicht  aus-  und  eingekarrt  werden  können. 

Von  den  zurzeit  auf  den  deutschen  Binnenwasserstraßen  verkehrenden 
Lastschiffen  soll  nachstehend  eine  Reihe  von  Beispielen*)  mitgeteilt  werden, 
aus  denen  man  erkennen  wird,  wie  sie  diesen  Anforderungen  entsprechen. 

Lastschiffe  auf  den  Wasserstraßen  Ostdeutschlands,  einschließ- 
lich des  Elbegebiets. 

I.  Der  Kurische  Reisekahn  (Abb.  25  bis  28)  ist  ein  hölzernes  Haffschiff, 
-das  auf  dem  Memelstrom,  Kurischen  Haff,  Deime,  Pregel,  Frischen  Haff,  bis 
Elbing,  auf  der  unteren  Weichsel  und  bis  Danzig  verkehrt.  Die  auf  diesen 
Wasserstraßen  vorhandenen  Brücken  sind  mit  Durchlaßöffnungen  für  die 
festen  Masten  dieser  Schiffe  versehen.  Sie  tragen  deren  einen  oder  zwei  (wie 
in  der  Abbildung),  zuweilen  noch  einen  kleineren  Treibermast  am  Heck.  Sie 
sind  gedeckt  und  zum  Segeln  mit  reichlicher,  fester  Takelung  ausgerüstet. 
Neuerdings  werden  nur  größere  Reisekähne  von  100  t  bis  250  t  Tragfähig- 
keit gebaut.  Sie  sind  über  alles  25  m  bis  35  m  (selten  bis  40  m)  lang,  5  m 
bis  6,4  m  breit  und  an  der  Seite  mittschiffs  1,8  m  bis  1,9  m  hoch.  Der 
Leertiefgang  beträgt  etwa  0,4  m,  der  größte  Tiefgang   1,6  bis   1,8  m.     Die 


i)  Die  Beschafiiing  der  nötigen  Zeichnungen  war  mit  Schwierigkeiten  verknüpft.  Der 
Verfasser  spricht  an  dieser  Stelle  allen  Behörden,  Vereinen,  Schiffahrtgesellschaften,  Schiff  bau - 
Anstalten  und  Freunden,  die  ihm  dabei  geholfen  haben,  seinen  Dank  aus. 


KnriscbcT  Reisekihn,  Abb.  35  Us  18. 


Abb.  15.     Ansicht  1 :  300. 


Abb.  26.     Grundriß  I  :  300. 


Abb.  z8.    Querschnitt  ■  :  100. 


I.  Gnjße,  Fonn  imd  Einrichtung  der  Lastschiffe.  267 

SchiiTe  sind  sehr  kräftig  gebaut  und  darum  schwer.     Die  Lebensdauer  kann 
30  Jahre  betragen. 

Der  mittschiffs  befindliche  Laderaum  hat  im  festen  Deck  auf  ganzer  Länge  eine  Luke,  deren 
Luksülle  nach  Art  eines  Tennebaums  angeordnet  und  »Rieswftndec  genannt  werden.  Der  vordere 
Teil  ist  0,4  m  hoch,  der  hintere  ist  höher  und  dient  im  hintersten  Stück  als  Küche  und  Kajüten- 
eingan^  (Abb.  25).  Ringsherum  läuft  ein  Bordgang  von  etwa  i  m  Breite.  Die  Luke  wird  durch 
gekrümmte  Lukendeckel  geschlossen,  die  auf  Rinnsparren  (>Rinnbogenc)  ruhen.  Zum  Löschen 
und  Laden  wird  die  Gaffel  und  eine  einfache,  am  vorderen  Mast  angebrachte  Winde  benutzt, 
die  auch  zum  Verholen  dient.  Am  Bug  ist  eine  hölzerne  Ankerwinde  zwischen  den  Bordwänden 
eingebaut,  die  mit  hölzernen  Handspeichen  bewegt  wird.  Für  den  Boden  wird  in  der  Regel 
Fichtenholz,  im  übrigen  Eichen-  oder  Kiefernholz  verwendet.  Das  kurze,  hohe  Ruder  ist  durch 
Fingerlinge  am  Hintersteven  befestigt. 

Die  Form  ist  aus  den  Linienrissen  (Abb.  27)  ersichtlich.  Das  Schiff  hat  viel  Lehnung  und 
Ablauf,  ist  am  Vorsteven  scharf  und  nach  dem  Hintersteven  stark  eingezogen,  sodaß  es  gut 
steuert. 

2.  Der  Boidack  (Abb.  29  bis  31)  ist  ein  offenes,  hölzernes  Flußschiff*,  das 
auf  den  meisten  Wasserstraßen  Ost-  und  Westpreußens  verkehrt,  aber  im  ali- 
gemeinen nicht  hafflüchtig  ist.  Es  hat  einen  oder  zwei  feste  Masten  und 
Sprietsegeltakelung  einfacher  Art.  Neuerdings  werden  nur  größere  Boidacks 
von  150  t  bis  350  t  Tragfähigkeit  gebaut,  die  über  alles  35  m  bis  50  m  lang, 
5,5  m  bis  7,5  m  breit  und  an  der  Seite  1,3  m  bis  2  m  hoch  sind.  Der  Leer- 
tiefgang beträgt  etwa  0,3  m,  der  größte  Tiefgang  i  m  bis  1,7  m.  Die  Schiffe 
sind  leicht  gebaut  und  haben  nur  eine  Lebensdauer  von  etwa  10  Jahren. 

Im  Hinterschiff  ist  eine  Kajüte  eingebaut,  an  die  sich  ein  kurzes  Hinterdeck  anschließt. 
Auf  dem  kurzen  Vordeck  ist  gewönlich  eine  kleine  eiserne  Ankerwinde  aufgestellt  und  darunter 
befindet  sich  ein  Schlaf-  oder  Geräteraum.  Bei  den  Masten  sind  gleichfalls  kleine  Brilckendecks 
angeordnet,  die  zur  Versteifung  dienen.  Außerdem  ist  der  Laderaum  in  Abständen  von  etwa  3  m 
durch  Duchten  versteift.  Zur  Längsversteifung  dient  ein  kräftiges  hölzernes  Kielschwein  (Abb.  31) 
ia  der  Mitte  des  Bodens,  das  >Kolsum<  (wohl  das  englische  Keelson  =  Kielschwein)  genannt 
wird,  und  zwei  hölzerne  innere  Seitenstringer  (»Weger«).  Es  wird  zum  Bau  der  Boidacks  in  der 
Regel  nur  Kiefern-  und  Fichtenholz  in  schwachen  Abmessungen  verwendet.  Das  Steuerruder 
ist  als  Schwebe-  und  Wippruder  angeordnet  und  recht  wirksam.  Die  vorne  und  hinten  stark  zu- 
geschärfte Form  ohne  Ablauf  ist  ziemlich  zweckmäßig,  abgesehen  von  der  starken  Lehnung.  In 
neuester  Zeit  baut  man  in  Ostpreußen  boidackartige  Schiffe  auch  aus  Eisen  oder  Stahl  bis  zu 
400  t  Tragfähigkeit. 

3.  Die  Wittinne  (Abb.  32)  ist  ein  roh  aus  Fichtenholz  gezimmertes  Schiff, 
das  aus  Rußland  stammt  und  ursprünglich  nur  zu  einer  einmaligen  Fahrt  auf 
dem  Memelstrom  und  dem  Pregel  abwärts  bis  Königsberg  oder  auf  der 
Weichsel  abwärts  bis  Danzig  bestimmt  war.  Die  Tragfähigkeit  geht  bis  zu 
300  t  Die  Abmessungen  schwanken  von  20  m  bis  65  m  Länge  und  von 
5  m  bis  7  m  Breite.  Die  Seitenhöhe  ist  1,5  m  bis  1,8  m  und  der  Tiefgang 
höchstens  1,2  m. 

Der  das  Mittelschiff  einnehmende  Laderaum  hat  ein  dachartiges  Verdeck  aus  losen  Brettern, 
die  auf  leichten  Sparren  und  Ständern  ruhen.  In  der  Mitte  ist  es  hoch  gehoben,  damit  das  dort 
am  Boden  in  der  »Gate«  reichlich  angesammelte  Leckwasser  durch  Wurfschaufeln  über  Bord 
geschafft  werden  kann.  Der  vorne  und  hinten  scharf  zugeschärfte  Schiffskörper  ist  nur  aus 
leichten,  dünnen  Brettern  gebaut,  deren  Fugen  gewöhnlich  mit  Moos  gedichtet  werden.  Das 
lange  Streichruder  ruht  in  einem  Ausschnitt  der  Bordwand  neben  dem  Hintersteven,  an  dem  es 
durch  Seile  locker  befestigt  ist.    Früher  wurden  die  Wittinnen  am  Ende  der  Reise  in  Königsberg 


Abschnitt  E.     Lutschlfie  ohne  eigene  Triebkraft. 
Boidack,  Abb.  ag  bis  31. 


und  Diniig  verkauft  und  meistens  lersehlagen;  mweilen  wurden  sie  aber  noch  llDgere  Zeit  im 
Ortsverkehr  tat  Beförderung  von  Baustoffen  u.  dgl.  benutit  In  neuerer  Zeit  kommen  nur  sehr 
wenig  SchifTe  dieser  Art  nach  Deutsciilnnd. 

4.  Der  Oberländer  Kahn  (Abb.  33  bis  35)  ist  das  Hauptverkehrsmittei 
auf  der  Wasserstraße,  die  von  Elbing  südlich  durch  den  Drausensee  mittels 
der  berühmten  geneigten  Ebenen  zur  Seenkette  von  Liebemühl,  Deutsch-Eylau, 
Saalfeld  und  Osterode  führt  und  den  allgemeinen  Namen  >  Oberländischer 
Kanal  •  (S.  13g)  trägt.  Wegen  der  Abmessungen  der  Schleusen  und  der  Wagen, 
die  die  Schiffe  im  Trocknen  über  die  geneigten  Ebenen  fahren,  dürfen  die 
Fahrzeuge  nur  eine  Länge  von  24,5  m,  eine  untere  Breite  von  2,5  m,  eine 
obere  von  3  m,   eine  Tauchtiefe  von  i  ,s  m,  eine  Ladungshöhe  über  Wasser 


.  Grolle,  Form  nod  EinrichtuDg  der  Listschiffe. 
Oberllnder  Ktlin,  Abb.  33  bb  3S- 


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Abb.  34.     Qaersebnitt 


Abb.  33.    Aniichl  i :  too. 


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Abb.  35.     Linienrisse  t :  loo. 

von  2,8  m  und  eine  gröOte  Ladung  von  50  t  haben.  Es  werden  aber  meistens 
SchifTe  von  60  t  bis  zu  70  t  gebaut,  weil  gewöhnlich  eine  dazu  ausreichende 
Wassertiefe  vorbanden  ist.  Die  Schiffe  bekommen  in  ihrem  Boden  einen  Sprung 
von  etwa  15  cm  in  der  Mitte  (nach  unten),  damit  sie  auf  dem  i  :  12  geneigten 
SchifTswagen  bei  der  Anfahrt  festen  Halt  finden.  Die  Schiffe  tragen  meistens 
einen  groOen  Mast  mit  Gaffelsegeltakelui^  und  noch  einen  kloneren  hinteren 
Mast,  die  beide  in  Köchern  zum  Umlegen  eingerichtet  sind.  Die  Mehrzahl 
der  Schiffe  ist  von  Holz;  neuerdings  werden  aber-  auch  solche  mit  stählernen 
Wänden  gebaut,  von  denen  hier  ein  Beispiel  mitgeteilt  ist, 

Die  RsamTcrteitimg  ist  ihnlich  wie  bei  den  Kurischen  reisekahnen:  eine  grolle  Lulte  auf 
dem  festen  Deck,  nach  Art  eines  Tennebaums  angeordnet  und  mit  Lulcendfckeln  auf  eisernen, 
gekrflmmtcn  Rinnsparren  gescblossen.  Der  Boden  besteht  aus  75  mm  starkem  Fichtenholz,  die 
Wrangen  sind  aus  100  •  4  mm  starken  Blechen,   die  Spanten  aus  Jo  -  50  '  ;  mm  starken  Winkeln 


270  Abschnitt  II.    Laatiehiffe  ohne  eigeae  Tliebkraft. 

hergestellt,  die  den  Bordgang  bildenden  Stringerbleche  450  •  4  mm  mit  zwei  45  •  45  •  5  mm  starken 
Winkeln  gesäumt.  Die  Bordwände  sind  4  mm  stark  und  durch  Kimmwinkel  mit  dem  Boden  Tcr^ 
bunden.  Die  Form  ergibt  sich  aus  den  Linienrissen  (Abb.  35).  Das  Schiff  hat  die  vorgeschriebene 
Lehnung,  aber  keinen  Ablauf  und  ist  recht  völlig. 

5.  Die  Zille  (Abb.  36  bis  42)  ist  ein  offenes,  leicht  gebautes,  hölzernes 
Fluß-  und  Kanalschiff,  das  im  Gebiet  der  Weichsel,  Oder  und  Elbe  verkehrt 
und  meistens   in  solchen  Abmessungen  gebaut  ist,  daß  es  auch  durch  den 
Finowkanal  (S.  135)  fahren  kann.     Es  hat  deshalb  in  der  Regel  eine  Länge 
bis  zu  40,2  m  und  eine  größte  Breite  von  4,6  m.     Es  gibt  aber  auch  Zillen 
mit  größeren  Abmessungen  bis  zu  50  m  Länge  und  6  m  Breite.   Die  kleinste 
Seitenhöhe  schwankt  zwischen  1,6  m  und  2  m.     Die  Zillen  nach  Finowmaß 
haben  eine  Tragfähigkeit  von   150  bis  220  t,  die  größten  bis  zu  300  t.    Sie 
stammen  aus  Böhmen.     An  der  oberen  Moldau  werden  sie  aus  6  bis  7  cm 
starken,  oft  waldkantigen  Brettern  aus  Fichten-  oder  Tannenholz  roh  mit  etwa 
I  m  hohen  Bordwänden  zusammengebaut  und  mit  Moos  gedichtet  (S.  1 88).  Ihre 
erste  Fahrt  machen  sie,  mit  einem  langen  Streichruder,  wie  bei  den  Wittinnen, 
versehen,  nach  Prag  und  von  dort  bis  Außig,  Tetschen  oder  Bodenbach,  wo 
die  sogenannten  »nackten«  Zillen  zu  »Marktzillen«  umgebaut  werden.     Man 
nimmt  sie  dort  aufs  Land,   gibt   ihnen  vorne  und  hinten  durch  Aufbiegen 
des  Bodens  bessere  »Kaffenformen«,  vernagelt  und  verspundet  die  schlechten 
Stellen,  versieht  sie  mit  meistens  1,6  m  hohen  Bordwänden  und  mit  einem 
Wippruder,  baut  eine  Kajüte  ein  und  teert  sie.     Mit  dürftigster  Ausrüstung 
versehen,  werden  sie  mit  Braunkohlen,  Basaltschotter  oder  Obst  beladen  und 
machen  eine  Reise  nach  Magdeburg,  Hamburg  oder  Berlin.   Dort  wurden  sie 
früher  zerschlagen  und  als  gebrauchtes  Holz  billig  verkauft,   da  durch  die 
verdiente  Frachtsumme  die  geringen  Anschaffungskosten  des  Schiffes  gedeckt 
waren.     Die  sogenannte  »Zillenschlächterei«   bildete   in   diesen  Orten  einen 
besonderen  Gewerbebetrieb,  da  jährlich  etwa  400  solcher  Zillen  nach  Deutsch- 
lang kamen.    Seit  vielen  Jahren  hat  sich  der  Betrieb  so  geändert,  daß  diese 
billigen,  leichtgebauten  Schiffe  von  deutschen  Kleinschiffern  gern  gekauft  und 
noch  3  bis  4  Jahre  lang  zur  Beförderung  von  Baustoffen  und  anderen  wenig 
wertvollen  Waren  benutzt  werden.     Zu  diesem   Zweck  werden  sie   meistens 
mit  einer  besseren  Ausrüstung  versehen,  die  gleichfalls  nicht  als  neu,  sondern 
als  schon  gebraucht  erworben  zu  werden  pflegt.   Die  kurze  Lebensdauer  dieser 
böhmischen  Zillen  erklärt  sich  aus   dem   schlechten,  bald  faulenden  Bau- 
stoffe und  aus  dem  mangelhaften  Verbände.   An  den  Biegestellen  des  Bodens 
zu  den  Kaffen  bleiben  kaum  4  cm  Holz  und  die  Kaffen  (»Scharstücke«  ge- 
nannt) werden  im  Schleppzuge  leicht  von  den  Steuerrudern  der  benachbarten 
Schiffe  eingedrückt.   Es  kommt  oft  vor,  daß,  wenn  man  eine  quer  im  Strome 
liegende  Zille  durch  einen  Schleppdampfer  aufrichten  will,  die  ganze  Seiten- 
wand abbricht  und  das  Schiff  in  den  Grund  geht.    Diese  Zillen  waren  vor 
20  Jahren  noch  sehr  billig:  Man  kaufte  sie  in  Berlin  für  etwa  1500  Mark  bei 
120  t  Tragfähigkeit.     In  neuerer  Zeit   werden  die  böhmischen  Zillen  besser 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


271 


Kaffenzille,  Abb.  36  bis  39.    i  :  300. 
Abb.  36.    Ansicht. 


Abb.  37.     Grundriß. 
Bugansicht. 


Abb.  38. 
ohne  Lehnung.  t 


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Abb.  39. 
mit  Lehnung. 


Stevenzille j  Abb.  40  bis  42. 


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Abb.  40.     Ansicht  und  Längsschnitt  i  :  300. 

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Abb.  41.     Grundriß  i  :  300. 


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Abb.  42.     Querschnitt  i  :  100. 

gebaut,  sodaO  ihre  Lebensdauer  länger  wird:  Man  unterscheidet  drei  Klassen, 
von  denen  die  erste  mit  eisernen  Spanten  hergestellt  wird,  die  zweite  je  zur 
Hälfte  mit  eisernen  und  hölzernen  und  die  dritte  nur  mit  hölzernen  Spanten. 
Außer  den  böhmischen  gibt  es  noch  sogenannte  Berliner  Zillen, 
die  in  der  Mark  gebaut  werden.   Sie  unterscheiden  sich  durch  bessere  Arbeit, 


272  Abschnitt -n.    Lastschiflfe  ohne  eigene  Triebkraft. 

besseren  Verband  und  durch  die  Verwendung  von  Kiefernholz  zu  den  Bord- 
wänden und  zum  inneren  Ausbau.  Infolgedessen  ist  ihre  Lebensdauer  2  bis 
4  Jahre  länger.  Beide  Arten  von  Zillen  werden  zur  Erreichung  größerer  Trag- 
fähigkeit (bis  225  t)  zuweilen  mit  einem  geraden,  geneigten  oder  gekrümmten 
Vorsteven  hergestellt,  während  am  Heck  die  Kaifenform  beibehalten  wird. 
Man  nennt  sie  dann  Stevenzillen  zum  Unterschied  von  den  gewöhnlichen 
Kaffenzillen. 

Abb.  36  bis  39  stellen  eine  gewöhnliche  böhmische  K äffen zille  nach  Fino'wmaß  dar. 
Der  8  cm  starke  Boden  ist  vorne  bis  auf  3  m  und  hinten  bis  auf  2,8  m  Breite  verjüngt  und  hebt 
sich  dann  zu  den  Kaffen  empor.  Die  12  zu  15  cm  starken  Bodenwrangen  liegen  in  Abständen 
von  je  0,9  m.  An  ihnen  und  am  Boden  sind  die  hölzernen  Kniee  von  etwa  gleicher  Stärke  be- 
festigt. Die  Bordwände  stehen  meist  senkrecht  (Abb.  38)  und  sind  6  cm  stark;  zuweilen  gibt 
man  ihnen  aber  auch  etwas  Lehnung  (Abb.  39).  Sie  sind  vom  und  hinten  mit  dem  dreieckigen 
»Scharstück«  durch  die  »Kaffenklötze«  verbunden.  Im  Vorschüf,  das  mit  einem  kurzen  Deck 
(von  den  Schiffern  »Pflicht«  genannt)  versehen  ist^  befindet  sich  ein  kleiner  Schlafraum  für  den 
Bootsmann  (im  Schiffermunde  »Butze«),  im  Hinterschiff  die  Kajüte  (von  den  Schiffern  »Bude« 
genannt)  und  dahinter  ebenfalls  ein  kurzes,  festes  Deck  (der  »Stand«).  Der  Steuermann  hat  hier 
aber  nicht  seinen  Stand,  sondern  auf  dem  Verdeck  der  Kajüte,  von  wo  er  das  Wipprader  bedient. 

Die  Abb.  40  bis  42  zeigen  eine  böhmische  Stevenzille  von  Finowmaß,  die  eine  größere 
VöUigkeit  (etwa  0,9)  und  Tragfähigkeit  (etwa  225  t)  besitzt.  Sie  ist  vorne  mit  einem  gekrümmten 
Steven,  hinten  mit  einer  Kaffe  versehen.  Der  Boden  zeigt  vorne  einen  ziemlich  beträchtlichen 
Sprung,  ist  um  25  cm,  wie  der  Schiffer  sagt,  »angehoben«.  Die  Spanten  bestehen  abwechselnd 
aus  Winkeleisen  imd  aus  Holz;  die  hölzernen  sind  aber  nicht  gewachsene  Kniee,  sondern  aus 
je  zwei  Teilen  zusammengesetzt  (Abb.  42).  Im  Anschluß  an  das  Vordeck  sind  beiderseits  bis 
zur  Mastbank  Bordgänge  von  0,4  m  Breite  angeordnet,  auf  denen  sich  die  Schiffer  beim  Vor- 
wärtsschieben der  Zille  bewegen.  An  den  mit  a  bezeichneten  Stellen  (Abb.  37  u.  41)  sind 
Duchten  mit  leichten  eisernen  Zugankem  zur  Querversteifung  des  Schiffes  angebracht  Wenn  die 
Zillen  zur  Beförderung  von  böhmischem  Obst  benutzt  werden,  erhalten  sie  ein  leichtes  Bretter- 
dach, das  durch  Sparren  und  Stiele  unterstützt  wird.  Alle  Zillen  führen  einen  kleinen,  umleg- 
baren Mast  mit  einfachem  Sprietsegel.  Der  Leertiefgang  neuer  böhmischer  Zillen  beträgt  nur 
20  bis  25  cm;  aber  das  leichte  Holz,  aus  dem  sie  bestehen,  nimmt  viel  Wasser  auf,  sodaß  die 
Schiffe  bald  6  bis  8  cm  tiefer  eintauchen. 

6.  Das  hölzerne  Oderschiff  mit  Kaffen  (Abb.  43  bis  49)  war  bisher 
unter  dem  Namen  »Oderkahn«  auf  allen  östlichen  Wasserstraßen  von  der  Saale 
bis  zum  Memelstrom  verbreitet.  Seine  Abmessungen  überschreiten  in  der 
Regel  nicht  das  FinowmaO.  Die  Seitenhöhe  betragt  1,6  m  bis  1,9  m  und  die 
Tragfähigkeit  100  t  bis  150  t.  Der  Oderkahn  unterscheidet  sich  von  der  Zille 
in  der  Form  besonders  durch  die  feinere,  schnabelähnliche  Ausbildung  der 
Kaffen,  die  in  der  Regel  aus  sorgfaltig  gebogenen  eichenen  Hölzern  herge- 
stellt werden. 

Die  Bauart  ist  im  ganzen  eine  viel  bessere  und  kräftigere.  Zu  den  ge- 
wachsenen Knieen  (Spanten],  zu  der  untersten  Bordplanke,  der  »Bruhne«,  sowie 
zu  den  obersten,  »Riesbord«  und  »Latte«,  wird  in  der  Regel  Eichenholz  ver- 
wendet. Die  übrigen  Teile  mit  Ausnahme  des  fichtenen  Bodens  sind  aus  gutem 
Kiefernholz  hergestellt. 

Der  vordere,  hoch  aufragende  Kaffenklotz  ist  oft  zum  Umklappen  eingerichtet,  wodurch  die 
Länge  und  unter  Umständen  auch  die  Höhe  des  Schiffes  bei  der  Durchfahrt  durch  Schleusen 
u.  dgL  verringert  werden  kann.  Die  meisten  Oderkähne  sind  mit  gutem  losem  Bretterdeek  (Spitz- 
deck), Zollverschluß-Einrichtung  und  innerer  Wandverkleidung  versehen,  weil  sie  in  der  Regel 
zur  Beförderung  wertvoller  Waren  benutzt  werden.    Die  Raumeinteilung  und  die  Anordnung  der 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastjcbifle. 
Höliemes  Oderschiff  mit  Kaflen,  Abb.  43  bis  46. 


Abb.  45.     Qucncbnitt 


Abb,  46,    Bugonsicht  t : 


Bordglnge   sowi«   des  Wipp- 
niders  ist  dieselbe  wie  bei  den 

^len.     Die  OderkUwe  wer- 
den mit  I,ehnuDg  und  stuicem 
Sprung  im  Boden  gebaut.    Sie 
sind  zum  Segeln  bestimmt  und 
fuhren     einen     großen     Mast 
mit    Sprietsegeltakelung,    der 
durch   Mastenkrsne   oder  an- 
dere   SehiRe    mit    stehendem 
Msst  gehoben  und   eingesetzt 
{im    Schiffermunde    >gestochen<)    »erden   kann.     Für   die 
Fahrt  auf  den  Kanilen  haben  sie  außerdem  einen  zweiten, 
leichteren  Matt,    der   tCa  ein  kleineres  Segel   beitimml  ist 
und   obne   Mastenkran   mittels  Scheneug  von  der  SchiRs- 
mannscbafl  allein  bewegt  werden  kann.    Infolge  der  vielen 
Abb.  49.  in  neuerer  Zeit  erbauten  festen  Brücken  Über  die  Wasser- 

straßen und  wegen  der  Schwierigkeit,  den  grauen  Mast  zu 
heben,  ist  dieser  altmtblicb  ganz  außer  Gebraucb  gekommen,  zumal  auch  die  Oderklhne  jetzt 
meistens  durch  Dampfscbifte  auf  den  Flüssen  geschleppt  werden.  Der  Leertiefgang  eines  gedeckten, 
festgebauten  Schiffes  betrigt  etwa  35  cm,  die  Lebensdauer  ao  Jahre.  Die  Stenerflhigkeit  ist  liern- 
lieb  gut,  aber  beim  Schleppen  rufen  die  Kaffen  einen  betrSehtlichen  \Viderstand  hervor.    In  den 

Tcubcrt,  BinHnicfaiir>hR.  l3 


274  Abschnitt  IL     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Abb.  47  bis  49  sind  das  Vorschiff  nnd  der  Querschnitt  eines  etwas  anders  gebauten  Kaffenkahns 
dargestellt.  Beachtenswert  ist,  daß  die  Bruhne  mit  dem  oberen  anschließenden  Plankengang 
nicht  bündig  sondern  »klinker«  gebaut  ist.  Dadurch  wird  auch  die  Form  der  Kaffe  eine  andere. 
Da  das  Bestreben  der  Schiffer  in  neuerer  Zeit  dahin  geht,  die  Schleusenabmessungen  durch 
völlig  gebaute  Schiffe  möglichst  auszunutzen,  werden  jetzt  keine  Oderschiffe  mehr  mit  Kaffen 
gebaut:  Diese  Schiffsform  wird  also  bald  verschwunden  sein. 

7.  Das  hölzerne  Oderschiff  mit  Steven  (Abb.  50  bis  52)  verkehrt 
auf  denselben  Wasserstraßen  wie  der  vorbeschriebene  Oderkahn.  Seit  etwa 
50  Jahren  ist  man  bemüht^  den  Bug  der  Oderschiffe  völliger  zu  gestalten,  in- 
dem man  einen  Vorsteven  anordnet,  der  meistens  gerade  und  senkrecht,  zu- 
weilen auch  etwas  gekrümmt  oder  nach  vorne  geneigt  gestellt  wird.  Auch 
am  Heck  ist  die  Kaffe  allmählich  fortgefallen  und  dafür  ein  Hintersteven 
angebracht,  der  ebenso  wie  die  frühere  Kaffe  stark  nach  außen  geneigt  ist, 
damit  das  Wippruder  mit  seinem  vorderen  Teile  darunter  Platz  findet.  Durch 
die  Zuspitzung  des  Bodens  im  Hinterschiff  erreicht  man  einen  gleichmäßigeren 
Zutritt' des  Wassers  zum  Ruderblatt  und  damit  eine  Verbesserung  der  Steuer- 
fähigkeit.  Die  hölzernen  Oderschiffe  mit  Steven  (»Stevenkahn«)  werden  in 
der  Regel  entweder  nach  Finowmaß,  40,2  m  lang  und  4,6  m  breit,  oder  nach 
Berliner  Maß,  46,6  m  lang  und  6,6  m  breit,  gebaut.  Das  letztere  fiir  den  Ver- 
kehr in  den  Berliner  Schleusen  passende  Maß  verschwindet  jetzt  aber,  da  es 
nach  der   Erbauung  der   Mühlendammschleuse   keine  Bedeutung  mehr   hat. 

Abb.  50  zeigt  ein  offenes  Oderschiff  mit  Steven  nach  Berliner  Maß  mit  2  m  Seitenhöhe. 
Auf  den  ersten  Blick  scheint  es  der  in  Abb.  40  dargestellten  böhmischen  Stevenzille  sehr  ähnlich ; 
es  unterscheidet  sich  aber  durch  den  Hintersteven,  weil  die  Zille  hinten  eine  Kaffe  hat,  und  be- 
sonders durch  die  festere  Bauart.  Wie  man  sieht,  liegen  die  Wrangen  und  Spanten  viel  dichter 
und  außerdem  sind  mit  Ausnahme  des  Bodens  alle  Bauteile  aus  starkem  Kiefernholz  hergestellt. 
Die  Duchten  sind  in  Abständen  von  3  bis  4  m  angeordnet.  Hölzerne  Spanten  werden  nicht  mehr 
ausgeführt,  weil  gewachsene  Kniee  selten  zu  billigen  Preisen  zu  haben  und  die  zusammengesetzten, 
wie  bei  den  Zillen  üblich,  nicht  genügend  fest  sind.  Man  verwendet  daher  Spanten  aus  Winkel- 
eisen oder  Winkelstahl.  Diese  Schiffe  bekommen  meistens  keine  Lehnung,  dagegen  einen  Sprung 
im  Boden.  Der  Bug  wird  oft  noch  völliger  gemacht,  so  daß  er  bei  senkrechtem  Steven  einem 
halben  Zilinder  ähnlich  wird.  Zuweilen  gibt  man  der  unteren  Hälfte  des  Vorstevens  eine  starke 
Krümmung  und  erhält  dann  unten  eine  löffelformige  Gestalt  des  Bugs,  auf  die  wir  noch  zurück- 
kommen werden.  Die  Formen  des  Vorschiffs  sind  also  ziemlich  mannigfaltig.  Im  übrigen  unter- 
scheidet sich  die  Raumeinteilung ,  Steuerruder,  Mast  und  Segel  nicht  von  der  vorbeschriebenen 
Schiffsform.  Viele  Schiffe  werden  mit  Bretterdeck  versehen.  Die  nach  Finowmaß  herge- 
stellten Fahrzeuge  haben  meist  eine  Tragfähigkeit >)  von  210  bis  235  t  bei  einer  Tauchtiefe  von 
1,6  m  bis  1,8  m.  Zuweilen  baut  man  sie  neuerdings  höher  bis  zu  2,17  m,  wodurch  sie  eine  Trag- 
fähigkeit bis  zu  250  t  bekommen.     Die  Lebensdauer  ist  15  bis  20  Jahre. 

8.  Das  Stählerne  Oderschiff  nach  Finowmaß  (Abb.  53  bis  55)  ver- 
kehrt gleichfalls  auf  allen  östlichen  Wasserstraßen.  Seit  etwa  20  Jahren  stellt 
man  nicht  nur  die  Spanten  sondern  auch  die  Bordwände  und  oft  auch 
Bodenwrangen,  Steven,  Duchten,  Vor-  und  Hinterdeck  sowie  die  Kajüten  aus 

i)  Hierfür  gilt  stets  das  Ergebnis  der  amtlichen  Eichung  (S.  250),  wenn  diese  Trag- 
fähigkeit auch  auf  den  Kanilen  meistens  nicht  ausgenutzt  werden  kann.  Auf  dem  Finowkanal 
ist  z.  B.  nur  eine  Tauchtiefe  von  1,4  m  zulässig,  wobei  diese  Schiffe  in  der  Regel  nur  170  t 
tragen.  Die  Ausnutzung  der  bei  der  amtlichen  Eichung  zugrunde  gelegten  größten  Tauchtiefe 
wird  femer  meistens  durch  die  Vorschrift  der  Versicherungsgesellschaften  verhindert,  die  nicht 
25  sondern  39  cm  Freibord  verlangen. 


1.  Gräl^e.  Form  uad  EinrichtuDg  der  LastschifTe. 


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276  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

FluOeisen  her,  während  der  Boden  selbst  in  der  Regel  aus  Holz  gefertigt 
wird.  Solche  Schiffe  werden  gewöhnlich  als  »eiserne«  bezeichnet.  Unsere 
Abbildungen  zeigen  ein  Beispiel,  bei  dem  nur  der  Boden,  die  Wegerung,  die 
Scheuerleisten,  das  Ruder  und  das  bewegliche  Verdeck  aus  Holz  beigestellt 
sind.  Abgesehen  von  dem  gekrümmten  Hintersteven  und  dem  neuerdings 
üblichen  eisernen  Mastköcher  ist  nichts  Besonderes  gegen  den  Holzbau  zu 
bemerken.  Die  Bodenwrangen  und  die  Duchten  sind  C  förmig,  die  Stringer 
l.förmig,  die  Spanten  und  Deckbalken  bestehen  aus  Winkeln.  4  stählerne, 
wasserdichte  Schotten  teilen  3  Laderäume  von  9,5  m  bis  10,8  m  Länge  ab. 
Rings  um  das  ganze  Schiff  läuft  eine  starke  hölzerne  Scheuerleiste.  Das  dar- 
gestellte Fahrzeug  wird  bei  1,7  m  Seitenhöhe  nur  eine  Tragfähigkeit  von 
170  bis  175  t  haben;  doch  baut  man  sie  neuerdings  oft  höher  bis  zu  Trag- 
fähigkeiten von  230  bis  240  t. 

9.  Das  Oderschiff  nach  Breslauer  Maß  (Abb.  56  bis  67)  ist  durch 
den  von  1887  bis  1891  erfolgten  Ausbau  der  Spree-Oder-Wasserstraße  (S.  204) 
hervorgerufen,  deren  Schleusen  von  Schiffen  mit  höchstens  55  m  Länge  über 
alles  (etwa  53  m  in  der  Wasserlinie)  und  8  m  Breite  durchfahren  werden 
dürfen.  Gleichzeitig  wurde  auch  die  obere  Oder  für  Schiffe  von  ähnlichen 
Abmessungen  künstlich  aufgestaut  und  der  Minister  der  öffentlichen  Arbeiten 
erließ  im  Jahre  1889  ein  Preisausschreiben  zur  Erlangung  geeigneter  Schiffs- 
entwürfe für  den  Verkehr  zwischen  Oberschlesien  und  Berlin'). 

Es  war  dabei  verlangt  worden:  >Bei  geringster  Masse  an  Baustoff  die  größte  Verdrängung, 
unbeladen  aber  die  geringste  Eintauchung,  in  jeder  Beziehung  die  größte  Festigkeit,  so  daß  das 
Schiff  unbeschadet  der  Völligkeit  niit  angemessener  Geschwindigkeit  und  SteuerfÜhigkeit  fort- 
bewegt werden  kann«.  Bei  den  Entwürfen  war  zu  berücksichtigen,  daß  die  Oder  bei  Niedrigwasser 
nur  I  m  Tiefe,  die  Brücken  über  die  KanSle  nur  eine  lichte  Höhe  von  3,2  m  und  die  Schleusen- 
kammern eine  nutzbare  Länge  von  55  m  und  eine  nutzbare  Breite  von  8,6  m  hätten.  Es  liefen 
13  Entwürfe  ein.  Die  in  Breslau  zusammengetretenen  Preisrichter  erklärten  keinen  für  vollständig 
gelungen,  verteilten  aber  drei  Preise.  Über  die  Entwürfe  selbst  muß  auf  die  unten  bezeichnete 
Veröffentlichung  verwiesen  werden.  Bemerkenswert  sind  aber  die  von  den  Preisrichtern  bei  dem 
Vorbeschlusse  ausgesprochenen  Grundsätze,  nach  denen  die  Prüfung  erfolgte :  i .  Ablauf  von  0,3  m, 
2.  Senkrechte  Bordwände,  3.  Löffelform  am  Bug,  4.  Holzboden  von  105  mm  Stärke  und  Bord- 
wände aus  Eisen,  unten  7  mm,  oben  6  mm  stark,  5.  Spantentfemung  500  mm,  Spantstärke 
75.50.9  mm,  6.  Steife  Schotte  von  3  mm  Stärke  in  Abständen  von  höchstens  10  m. 

Dem  Gutachten  waren  femer  noch  mancherlei  Bauregeln  beigegeben,  aus  denen  z.B. 
zu  erwähnen  ist,  daß  der  Ablauf  in  Engpässen,  Brücken,  Schleusen  u.  dgl.  fUr  sehr  nützlich  er- 
klärt wurde.  Der  eiserne  Boden  wurde  besonders  deshalb  verworfen,  weil  er  zu  teuer  wäre. 
Femer  sollte  sich  der  gerade,  scharfe  Steven  auf  Elbe  und  Oder  als  ungeeignet  gegenüber  der 
Löffelform  erwiesen  haben.  Als  zweckmäßiger  VöUigkeitsgrad  der  Verdrängung  wurde  0,84 
empfohlen.  Die  Bleche  der  Außenhaut  sollten  überlappt  werden.  Zur  Längsversteifung  sollten 
die  aus  Riffelblech  im  Vorschiff  anzuordnenden  Laufbänke  dienen,  an  die  sich  ein  25  bis  30  cm 
breites  Stringerblech  anschließt,  das  von  Konsolen  getiftgen  wird.  Außerdem  wurden  Stringer- 
winkel  für  nötig,  Kielschweine  aber  für  entbehrlich  erachtet.  Die  preisgekrönten  Entwürfe  (von 
Blümcke,  Klepsch  und  Nüske)  enthielten  viele  recht  beachtenswerte  Anordnungen,  so  daß  der 
Wettbewerb  nicht  als  erfolglos  bezeichnet  werden  darf.  \ 


i)  Zeitschrift  für  Bauwesen,  Jahrgang  1893.  Handbuch  der  Ingenieur-Wisäenschaften,  Wasser- 
bau, 5.  Band:  Sonne,  Binnenschiffahrt.     Leipzig  1906. 


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277 

Seit  jener  Zeit  haben  sich 
Form  und  Bauweise  dieser  so- 
genannten 400  t- Schiffe  weiter 
entwickelt.  Man  baut  sie  jetzt 
in  der  Regel  aus  Stahl,  jedoch 
meistens  mit  Holzboden,  weil 
die  großen  Vorteile  des  Stahl- 
bodens leider  noch  immer 
nicht  genügend  gewürdigt 
werden.  Wenn  die  Schiffe 
aus  Holz  gebaut  sind,  unter- 
scheidet sich  ihre  Anordnung 
nicht  von  dem  oben  beschrie- 
benen hölzernen  Oderschiff 
mit  Steven  (Abb.  50). 

Die  Abbildungen  56  bis  58  stel- 
len ein  offenes  stählernes  Schiff 
mit  Holzboden  dar,  dms  eine  kleinste 
Seitenhöhe  von  1,95  m  und  bei  1,7  m 
Eintauchung  eine  TragfUhigkeit  von 
500  t  besitzt.  Außer  dem  vorderen 
Sicherheitschott  {^  in  der  Zeichnung) 
sind  noch  4  wasserdichte  Schotte  [a] 
angeordnet,  durch  die  3  Laderäume 
von  13,5  und  14,5  m  Länge  abgeteilt 
werden.  Diese  werden  noch  durch 
je  zwei  hölzerne  bewegliche  Duch- 
ten fr)  versteift.     Die    75.50.7,5  mm 


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278  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

starken  Spanten  haben  einen  Abstand  von  je  500  mm.  Der  300  mm  breite,  8  mm  starke  Stringer 
ist  binnenschiffs  mit  einem  Winkel  in  der  Stärke  der  Spanten  gesäumt  und  durch  einen  60.60.  7  mm 
starken  Stringerwinkel  mit  der  Bordwand  verbunden,  die  in  den  beiden  oberen  Gängen  je  7  mm 
und  in  dem  unteren  Kimmgang  8  nmi  stark  ist.  Die  schwache  Scheuerleiste  von  220 .  45  mm 
Eichenholz  wird  von  zwei  Halbrundstahlen  (70.30  mm)  eingefaßt.  Die  Bodenwrangen  sind 
C formig  von  180.70.8  mm  Stärke.  Die  Kimm  ist  scharf  und  wird  durch  Kimmwinkel  von 
60.60.7  mm  Stärke  gebildet,  die  zur  weiteren  kräftigen  Verbindung  mit  dem  125  mm  starken 
Boden  aus  Fichtenholz  noch  an  zwei  durchlaufende  Blechplatten  von  350  und  200  mm  Breite 
und  5  mm  Dicke  angeschlossen  sind.  Das  Schiff  hat  weder  Lehnung  noch  Ablauf  im  Mittelschiff, 
aber  einen  Sprung  im  Boden.  Man  baut  diese  Schiffe  meistens  etwa  2,0  m  hoch,  zuweilen  aber 
auch  höher,  bis  zu  2,20  m  und  erreicht  dann  eine  Tragfthigkeit  von  etwa  600  t. 

Abb.  59  bis  63  zeigen  ein  g^t  und  fest  gebautes  offenes  Schiff  mit  Stahlboden  in 
größerem  Maßstabe.  Bei  einer  Seitenhöhe  von  2  m  hat  es  bei  1,5  m  Tauchtiefe  etwa  440  t, 
bei  1,6  m  etwa  480  t  und  bei  1,75  m  etwa  540  t  Tragfähigkeit.  Die  Form  des  Hecks  ist  löffel- 
fönnig  gerundet.  Der  Vorsteven  ist  oben  senkrecht,  unten  stark  gerundet,  so  daß  der  untere 
Teil  des  Bugs  Löffelform  bekommt.  Das  Mittelschiff  hat  scharfe  Kimm,  aber  weder  Lehnung 
noch  Ablauf  noch  Bodensprung.  Die  78.52.7.5  mm  starken  Spanten  sind  in  Abständen  von  je 
500  mm  zweiteilig  angeordnet  und  in  der  Mitte  des  Schiffes  gestoßen.  Im  Vorschiff  sind  auf  8  m 
Länge  noch  Zwischenspanten  in  gleicher  Stärke  angebracht.  Die  an  jedem  Spant  vorhandenen 
Bodenwrangen  sind  210  mm  hoch,  5,5  mm  stark  und  oben  mit  einem  Winkel  von  50.50.6  mm 
gesäumt.  Der  Kimmwinkel  ist  100. 100.10  nmi  stark.  Der  Boden  wird  durch  3  Kielschweine 
verstärkt,  von  denen  2  unvollständige,  je  aus  einem  X~ Stahl  von  100.50.7  mm  Stärke  bestehend, 
in  den  Laderäumen  über  die  Bodenwrangen  laufen,  während  in  der  Schiffsmitte  ein  vollständiges 
Kielschwein  angeordnet  ist,  das  aus  einem  senkrechten  260 . 5  mm  starken  Bleche  mit  zwei  oberen 
und  einem  unteren  Winkel  von  je  50.50.6  mm  Stärke  besteht.  Die  Außenhaut  ist  im  Boden 
durchweg  7  mm  stark,  während  die  Bordwände  mittschiffs  gleichfalls  7  mm,  an  den  Enden  aber 
nur  6  mm  stark  sind.  Die  Platten  am  Vorsteven  sind  jedoch  als  Eisverstärkung  7,5  und  8  mm 
stark.  Die  Vorderkajüte  liegt  unter  dem  festen,  stählernen  Deck,  während  die  Hinterkajüte  das 
feste  Hinterdeck  überragt.  Beide  Kajüten  sind  aus  Stahlblech  gebaut.  Der  550  mm  breite  6  mm 
starke  Stringer  aus  Riffelblech  läuft  beiderseits  vom  Vordeck  zum  Hinterdeck  und  in  gleicher 
Höhe  mit  ihnen.  Er  ist  durch  einen  60.60.7  mm  starken  Stringerwinkel  mit  der  Außenhaut 
verbunden  und  nach  den  Laderäumen  zu  mit  einem  100. 50. 6  mm  starken  Winkel  gesäumt,  der 
auch  auf  dem  Vordeck  an  der  Seite  des  Laderaums  herumgeführt  wird.  An  diesem  Randwinkel 
ist  ein  leichtes  losnehmbares  Handgeländer  mit  Drahtseildurchzug  aufgestellt  Mit  jedem  zweiten 
Spant  ist  der  Stringer  durch  kurze  Balkenstücke  von  50.50.6  mm  Stärke  und  300.300.6  mm 
starke  Eckbleche  verbunden.  Vor-  und  Hinterdeck  bestehen  aus  6  mm  staxkem  Riffelblech, 
das  auf  Deckbalken  von  75 .  50 . 6  mm  Stärke  befestigt  ist.  Außer  dem  vorderen  Sicher- 
heitschott f^)  sind  noch  4  wasserdichte  Schottwände  (0)  aus  3  bis  4  mm  starkem  Blech  und 
mit  guter  Versteifung  durch  Winkel  angeordnet,  wodurch  3  große  Laderäume  von  14  bis 
15  m  Länge  entstehen,  die  durch  je  2  bewegliche  Duchten  [c]  ausgesteift  werden.  Diese  Duchten 
und  die  obere  Säumung  der  Schotte  bestehen  aus  C- Stahl  von  180.70.8  mm  Stärke.  Die 
beweglichen  Duchten  sind  oben  noch  durch  Winkel  von  75 .  75  •  8  mm  verstärkt  und  an  den 
Enden  mit  senkrechten  6  mm  starken  Blechen  versehen,  durch  die  sie  mit  den  Rahmenspanten 
und  mit  dem  Stringer  losnehmbar  verbunden  sind.  In  der  Mitte  werden  sie  durch  einen  C-Stahl 
von  120.55.9.7  mm  Stärke  gegen  den  Boden  abgestützt.  Rings  um  das  Schiff  läuft  eine  eichene 
Scheuerleiste  von  150.40  mm  Querschnitt,  die  von  2  Halbrundstahlen  von  63.32.12  mm  Stärke 
begleitet  wird.  Im  Vorschiff  ist  außerdem  noch  eine  eichene  Schutzleiste  von  200.75  mm  Quer- 
schnitt zwischen  2  Winkeln  von  50 .  50 . 6  mm  auf  der  Außenhaut  angebracht.  Der  Schiffskörper 
wiegt  103  t,  der  Leertiefgang  beträgt  31  bis  32  cm. 

Abb.  64  bis  66  stellen  ein  Schiff  mit  Holzboden  und  losem  Bretterdeck  (Spitzdeck)  dar, 
das  1,95  mm  hoch  ist  und  bei  1,6  m  Tauchtiefe  eine  Tragfähigkeit  von  450  t  hat.  Die  Schiffs- 
formen entsprechen  dem  oben  beschriebenen  offenen  Schiffe  mit  Holzboden  (Abb.  59),  ebenso  im 
allgemeinen  die  Stahlstärken.  Außer  dem  Sicherheitschott  [/f)  sind  aber  noch  7  Schottwände  [a] 
und  zwei  bewegliche  Duchten  {c)  angeordnet,  durch  die  der  Laderaum  in  7  Abteile  von  5  bis 
6  m  Länge  und  in  den  Raum  für  den  Köcher  zerlegt  wird.  Die  3  Schotte  in  den  Laderäumen 
reichen  bis  zur  Stringerhöhe,  dagegen  die  4  an  den  Enden  und  am  Köcher  bis  unter  das  Verdeck 
hinauf.   Zu  den  Duchten  und  zur  Versteifung  der  Schotte  sind  C- Stahle  von  160.65.10,5.7,5  mm 


•     279 

verwendet.  Die  scharfe  Kimm  ist 
etwas  anders  gebaut,  indem  die 
Randhölzer  (Bruhnen)  des  sonst 
117  mm  starken  fichtenen  Bodens 
aus  stärkerem  Eichenholz  herge^ 
stellt  und  die  C  förmigen  Boden- 
wrangen an  den  Enden  aufgebogen 
sind.  Der  Boden  ist  vorne  um  15  cm, 
hinten  um  12,5  cm  angehoben.  Das 
Verdeck  ist  in  üblicher  Weise  aus 
Holz  gefertigt,  die  Rinnsparren  über 
den  Schotten  und  Duchten  aber  aus 
C- Stahl.  Die  Sparren  werden  in 
der  Mitte  durch  doppelte  Firstfetten 


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I.  GrötNe,  Form  und  Einrichtung  der  I.astschifTe.  281 

(Streichbäume]  unterstützt,  so  daß  der  niedergelegte  Mast  unter  dem  Verdeck  gelagert  werden  kann. 
Der  Schiffskörper  wiegt  132  t,  der  Leertiefgang  beträgt  37  bis  38  cm. 

Zum  Vergleich  ist  in  Abb.  67  der  Querschnitt  eines  ebenso  großen  und  ebenso  angeordneten 
Schiffes  mit  stählernem  Boden  und  runder  Kimm  mitgeteilt.  Diese  ist  nach  einem  Halbmesser 
von  200  mm  gekrümmt  und  besteht  aus  7  mm  starkem  Blech,  während  der  Boden  6  und  7  mm 
stark,  im  übrigen  aber  genau  wie  bei  dem  früher  beschriebenen  offenen  Schiff  mit  Stahlboden  ge- 
baut ist.  Das  Gewicht  dieses  Schiffskörpers  beträgt  nur  116  t,  also  16 1  weniger  als  mit  Holzboden. 
Daher  hat  dies  Schiff  nur  einen  Leertiefgang  von  33  bb  34  cm,  also  4  cm  weniger.  Das  be- 
deutet für  den  Schiffer  einen  beträchtlichen  wirtschaftlichen  Gewinn,  da  er  bei  jeder  Reise  16  t 
mehr  laden  kann.     Die  Mehrkosten  dieses  Stahlbodens  belaufen  sich  auf  etwa  1000  Mark. 

Nach  den  amtlichen  Eichungen  im  Gebiet  der  Oder  und  der  Mär- 
kischen Wasserstraßen  wurde  eine  Zahl  der  in  den  letzten  Jahren  neuerbauten 
Oderschiffe  miteinander  verglichen  und  es  ergaben  sich  nachstehende  Grenz- 
und  Durchschnittwerte: 

Schiffe  naeh  Flnowmaß,  rund  40  m  lang  und  4,6  m  breit: 

i.  Offene,  hölzerne*):  es  wurden  30  Schiffe  verglichen : 

Kleinste  Seitenhöhe 1,96  bis  2,1    m,  im  Mittel  2,01  m 

Leertiefgang 0,31     »    0,39  »      »       »       0,34 

Tiefgang  beladen 1,71     •»     1,85  >      »       >       1,77 

Tragfähigkeit 221     >     244 1       »       >        231  t 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums    .     .    0,883  »    0,901        «       >       0,894 

2.  Offene,  stählerne  mit  Holzboden:  es  wurden  xo  Schiffe  verglichen: 

Kleinste  Seitenhöhe 1,99  bis  2,13  m,  im  Mittel  2,07  m 

Lecrtiefgang 0,33    »    0,43  »      »       >       0,38 

Tiefgang  beladen 1,74    »     1,88  »      >       »       1,83 

TragfUiigkeit 224    »     249  t       >       »        237  t 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums    .     .    0,907  »    0.92         >       >       0,914 

3.  Gedeckte,  stählerne  mit  Holzboden:  es  wurden  15  Schiffe  verglichen: 

Kleinste  Seitenhöhe 2,11  bis  2,18  m,  im  Mittel  2,14  m 

I^eertiefgang 0,38    >    0,46  »      »       »       0,42  » 

Tiefgang  beladen 1,86    »     1,93  »      »        »       1,89  » 

Tragfthigkeit 236    »      249 1       »        »        242  t 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums    .     .  0,904  »    0.922        >       »       0,915 

Schiffe  nach  Breslauer  Mafi,  rund  55  m  lang  und  8  m  breit: 

1.  Offene,  hölzerne«):  es  wurden  6  Schiffe  verglichen: 

Kleinste  Seitenhöhe 1,96  bis  2,07  m,  im  Mittel  2,00  m 

Leertiefgang 0,30    >    0,32  >      »       >       0,31 

Tiefgang  beladen 1,71     >     1,82  »      »        »        1,75 

Tragfähigkeit 5*5    »     554 1       »       »       536  t 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums    .     .  0,862  >    0,885        *       "       0,876 
Diese  Schiffe  werden  selten  gebaut. 

2.  Offene,  stählerne  mit  Holzboden:  es  wurv^en  12  Schiffe  verglichen: 

Kleinste  Seitenhöhe 2,01  bis  2,1    m,  im  Mittel  2,05  m 

Leertiefgang 0,34    »    0,4    »      »       >       0,36 

Tiefgang  beladen 1.76    »     1,84  »      »       *        1,79 

Tragfähigkeit 532    >      570  t       >        »        547 1 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums    .     .    0,883   *    ^«9^5        *       *       0,896 

3.  Offene,  stählerne  mit  Stahlboden:  es  wurden  12  Schiffe  verglichen: 

Kleinste  Seitenhöhe 1,91  bis  2.02  m,  im  Mittel  1,95  m 

Leertiefgang 0,32    >    0,33  »       »        »       0,32  > 

Tiefgang  beladen 1.66    »     1,77  »      »       »       1,70  > 

Tragfähigkeit 518    >      564  t       »       »        533  t 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums    .     .  0,898  »    0,907        »       »       o,go^ 

i;  Aber  mit  Spanten  aus  Eisen  oder  Stahl. 


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282  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

4.  Gedeckte  stählerne  Schiffe:  a)  10  niedrigere  Schiffe: 

Kleinste  Seitenhöhe 1,97  bis  2,05  m,  im  Mittel 

Leertiefgang 0,36    >    0,48  >      »       » 

Tiefgang  beladen 1,72    >     1,78  >      «       > 

Tragfähigkeit 502    >      543  t       »        > 

VöUigkeitsgrad  des  Eichraums    .     .    0,883   *    ^i9^S        ^ 

b)  5  höhere  Schiffe: 

Kleinste  Seitenhöhe 2,21  bis  2,23  m,  im  Mittel 

Leertiefgang 0,35     »    0,43  »  -       » 

Tiefgang  beladen 1,96    >     1,98  *  *       » 

Tragfähigkeit 592    »     615  t  » 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums    .     .    0,889   >    0,915  •       » 
Die  Mehrzahl  der  gedeckten  Schiffe  hat  Holzboden. 

Klodnitz-Kanalschiff,  Abb.  68  bis  70. 
Abb.  68.     Längsschnitt  i :  300. 


2,02  m 
0,41   » 
1,76   » 

0,896 


2,22  m 

0,40   ' 

L97  > 
605  t 

0,903 


JD..VJ 


-l-'^ES 


Abb.  70.     Querschnitt  i  :  100. 


Abb.  69.     (Jrundrit  i  :  300. 

10.  Das  Klodnitz-Kanalschiff  (Abb. 
68  bis  70)  wird  in  seinen  Abmessungen  durch 
die  Größe  der  Schleusen  dieser  Wasserstraße 
(S.  45)  bestimmt,  von  denen  die  kleinste 
eine  nutzbare  Länge  von  35,33  m  und  eine 
nutzbare  Breite  von  4,08  m  hat').  Das  dar- 
gestellte, ganz  aus  Stahl  gebaute  Schiff  ist 
dementsprechend  34,28  m  über  alles  lang 
und  3,95  m  über  den  Scheuerleisten  breit. 
Die  kleinste  Seitenhöhe  ist  1,86  m  und  die  Tragfähigkeit  bei  1,4  m  Tauch- 
tiefe 136  t,  bei  1,6  m  Tauchtiefe  162  t. 

Die  Form  ist  ziemlich  völlig:  der  Vorsteven  oben  senkrecht,  unten  stark  gekrümmt,  so  daL> 
der  Bug  im  unteren  Teile  löfTelförmig  wird ;  der  Hintersteven  ist  senkrecht,  das  Heck  hat  ange- 
nähert die  Form  eines  halben  Zilinders.  Die  Kimm  ist  nach  einem  Halbmesser  von  200  mm 
abgerundet.  Das  Ruder  ist  fest  mit  dem  Hintersteven  verbunden  und  wird  durch  eine  Steuer- 
pinne (Helmholz)  bewegt.  Das  Ruderblatt  wird  in  der  Schleuse  zusammengeklappt;  auch  die  Pinne 
kann  durch  Abnahme  des  bewegliehen  Handgriffs  verkürzt  werden.  Die  65  •  50  •  6  mm  starken  Spanten 
stehen  in  500  mm  Abstand  und  sind  am  Boden  durch  78  •  72  -  5  mm  starke  Winkel  zu  Boden- 
wrangen verstärkt.  Der  Boden  wird  im  I^aderaum  durch  ein  unvoUständiges  Kielschwein  in 
X-Form   von  70  •  35  •  6  mm  Stärke   ausgesteift.     I>ie   Außenhaut   ist   im   Boden   und    Kimmgang 


i]  Die  Angaben  auf  S.  45  sind  nicht  ganz  genau. 


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283 

5  mm,  im  Seiten-  oder  Schergang  4  mm 
stark.  Der  400  mm  breite  Stringer  aus 
Riflfelblech  ist  durch  einen  50  •  50  •  6  mm 
starken  Stringerwinkel  mit  der  Außen- 
haut verbunden  und  an  der  Seite  des 
Laderaums  dtu'ch  einen  65  •  50  •  5  mm 
starken  Winkel  gesäumt,  der  die  Deck- 
stützen trägt.  Der  Laderaum  wird  durch 
3  Schotte  [a]  aus  versteiftem  Blech 
von  3  und  2,5  mm  Stärke  in  2  Teile 
zerlegt«  die  durch  je  4  Duchten  [c]  aus 
100  •  100  •  8  mm  starken  Winkeln  ver- 
steift werden.  Das  Gewicht  des  rohen 
Schiffskörpers  beträgt  33  t,  der  Aus- 
rüstung (einschließlich  der  Ankerwin- 
den u.  dgl.)  und  Mannschaft  4,2  t,  das 
tote  Gewicht  mithin  37  t  Die  Ver- 
drängung bei  If6  m  Tauchung  ergibt 
sich  zu  37  4-  162  ^  199  t.  Der  VöUig- 
keitsgrad  der  Verdrängung  ist  0,934. 
Der  Leertiefgang  ist  0,3  m  und  der 
Völligkeitsgrad  des  Eichraums  ^  0,937. 
Es  verkehren  auf  dem  Kanal  auch 
hölzerne  Schiffe  mit  ähnlichen  Ab- 
messungen. 

II.  Das  Weichselschiff 
(Abb.  71  bis  73).  In  neuerer 
Zeit  werden  auf  der  Weichsel 
Lastschiffe  in  größeren  Abmes- 
sungen  hergestellt,    die    nach 


8 


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284  Abschnitt  IL     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

dem  in  der  AusRihrung  begriffenen  Ausbau  der  Oder- Weichsel -Wasserstraße 
(S.  207)  und  namentlich  nach  der  Erweiterung  des  Bromberger  Kanals  auch 
bis  zur  Oder  und  nach  Berlin  werden  gelangen  können.  Das  abgebildete 
Schiff  hat  eine  Länge  über  alles  von  55  m,  eine  größte  Breite  von  8  m  und 
mithin  die  Größe  der  Oderschiffe  nach  Breslauer  Maß.  Ziemlich  völlig  ge- 
baut und  2  m  hoch  wird  es  bei  einer  Tauchtiefe  von  1,75  m  etwa  500  t 
tragen. 

Es  hat  hölzernen  Boden  und  stählerne  Wrangen,  Spanten,  Stringer  u.  dgl.  Außer  dem 
vorderen  Sicherheitschott  {d)  sind  noch  4  Schotte  [a]  eingebaut,  die  den  I^aderaum  in  drei 
Teile  zerlegen.  Jeder  Teil  wird  femer  durch  2  hölzerne  Duchten  (bei  c)  versteift.  Über  den 
beiden  mittleren  Schotti^'änden  sind  in  2,5  m  Breite  feste  stählerne  Decks  angeordnet,  die  seitlich 
auf  tennebaumartigen,  450  mm  hohen  Rieswänden  aus  Blech  ruhen.  Über  den  übrig  bleibenden 
Teilen  der  Laderäume  befinden  sich  hölzerne  Verdecke  aus  losen  Brettern  (Spitzdecks}.  Der 
400  mm  breite,  7  mm  starke  Stringer  reicht  beiderseits  von  der  hinteren  Kajüte  bis  zur  vorderen 
und  ist  im  Vorschiff  als  Bordgang  (Lauf  bank}  verbreitert.  Der  vordere  größere  Mast  steht,  wie 
im  Osten  üblich,  auf  dem  Boden,  während  der  kleinere,  hintere  auf  dem  eisernen  Mitteldeck  in 
eisernem  Köcher,  wie  auf  den  Rheinschiffen,  beweglich  ist.  Es  ist  Sprietsegeltakelung  vorgesehen. 
Die  Kimm  ist  scharf  und  durch  Kimmwinkel  verstärkt.  Lehnung  ist  nicht  vorhanden,  aber  ein 
Sprung  im  Boden. 

Außer  den  schon  beschriebenen  Wittinnen  (3)  verkehren  auf  der  Weichsel  auch  G  all  er, 
die  den  Wittinnen  ähnlich,  aber  mehr  prahmartig  nur  fUr  eine  Talfahrt  gebaut  sind  und  höch- 
stens eine  Tragfähigkeit  von  75  t  haben.  Andere  dort  vorkommende  Schiffe  von  etwa  40  m 
Länge  und  4,5  m  Breite  werden  Gabaren  genannt. 

12.  Das  Eibschiff  nach  Flauer  Maß  (Abb.  74  bis  76).  Für  die  von 
der  Elbe  durch  den  Flauer  Kanal  (S.  43)  und  durch  die  Havel  nach  Berlin 
führenden  Wasserstraßen  sind  als  größte  zulässige  Abmessungen  65  m  Länge 
über  alles  und  8  m  Breite  über  den  Scheuerleisten  festgesetzt.  Daraus  hat 
sich  diese  Schiffsform  entwickelt.  Sie  unterscheidet  sich  hinsichtlich  der  Völ- 
ligkeit nicht  von  den  Oderschiffen  nach  Breslauer  Maß,  übertrifft  sie  nur  in 
der  Länge  um  10  m.  Die  Schiffe  werden  ebenso  wie  die  vorbeschriebenen 
sowohl  aus  Holz,  wie  aus  Holz  und  Stahl,  als  auch  ganz  aus  Stahl  erbaut, 
offen  oder  gedeckt.  Das  dargestellte  Schiff  ist  beachtenswert,  weil  es  ganz 
aus  Stahl  erbaut,  mit  Plattendeck,  zwei  Masten,  übergebautem  Heck  und 
festem  Steuerruder  mit  wagerechtem  Handrad  versehen  ist,  mithin  Ähnlich- 
keit mit  den  Rheinschiffen  hat.  Diese  Neuerungen  im  Bau  der  Eib- 
schiffe, die  sonst  ebenso  gebaut  wurden  wie  die  Oderschiffe,  sind  nicht 
sehr  verbreitet:  Sie  finden  zwar  in  neuerer  Zeit  bis  auf  das  Steuerruder 
allmählich  Eingang;  gegen  dieses  haben  aber  die  Eibschiffer  eine  große  Ab- 
neigung. 

Das  Schiflf  hat  eine  Länge  von  65  m  über  alles  und  63,5  m  zwischen  den  I^oten,  eine  Breite 
von  8  m  Über  den  Scheuerleisten  und  7,88  m  auf  den  Spanten  und  eine  kleinste  Seitenhöhe  von 
2,2  m.  Bei  1,8  m  Tiefgang  ist  seine  Tragfähigkeit  etwa  660 1,  bei  2  m  etwa  750 1.  Die  78.  55 .8  mm 
starken  Spanten  stehen  in  500  mm  Abstand.  Die  Bodenwrangen  bestehen  im  Laderaum  ans 
C- Stahl  von  180.70. 11.8  mm  Stärke,  im  Vor-  und  Hinterschiff  sind  sie  aus  Blechen  nnd  Winkeln 
gebildet.  2  unvollständige  Kielschweine  in  j.-Form  von  90.45. 10  mm  laufen  Über  den  Boden- 
wrangen durch  den  ganzen  Laderaum.  Die  Außenhaut  ist  im  Boden  7  mm  stark,  in  der  Kimm 
nnd  in  den  Seitengängen  nimmt  die  Stärke  von  8  auf  7  und  von  7  auf  6  mm  ab,   während  am 


1  und  Ein  rieh  tUDg  der 


■tschiffe 


285 


am  Riffelblech  hr  joo  mm  breit,  8  mm  iUtV 
.9  mm  starken  Wiakel  faU  LukäüUl  gesXuml. 
Es  sind  im  ganzen  13  ScholtwSnde  ange- 
ordnet, vun  denen  je  ein  SicherheJtücboIt  [i, 
sowohl  im  Vorachiff  wie  im  Hinlerschitf  vor- 
handen ist.  s  Schone  (<i)  an  den  KajUlen  und 
bei  den  Masten  reichen  bis  unter  das  Ver- 
deck, die  anderen  6  (c)  nur  bis  zum  Slringer 
und  zerlegen  den  Laderaum  iu  9  Abteile  von 
5,5  m  und  6  m  Länge.  An  den  Enden  des 
Laderaums  und  an  den  Masten  sind  tenne- 
baumartige Rieswäode  aus  5  mm  starkem 
Blech  aafgcscCEl  und  mit  dem  Luksüll  ver- 
bunden, die  I  bis  3  m  lang  sind.  Die  da- 
zwischen liegenden  Teile  des  Verdecks  sind 
durch  hölzerne  Seite nverschlBge  abgeschlos- 
sen. Die  die  Lukendecke!  tragenden  Sparren 
nben  in  der  Scbiffsmittc  auf  2  hölzernen 
Balken  und  an  den  Seiten  auf  kurzen  höl- 
zernen Pfosten  (.Beislecksel.),  die  ähnlich 
wie  bei  dem  Bretterdeck  von  eisernen  am 
LuksUII  angebrachten  Schuhen  gehalten  wer- 
den. Für  die  beiden  Mäste  sind  Köcher  ans 
Blech  beigestellt.  Der  SehiflskoTper  wiegt 
etwa  150  L 

Die  meisten  Schiffe  naeh  Flauer  Mab 
werden  noch  mit  Holzboden  und  Wippruder, 
lum  Teil  mit  Platlendeck,  zum  Teil  mit  losem 


BreRerdeck  gebaut.   Aus  5  Denen  SchiffeD  dieser 
Art  ergaben  sich  nach  den  Eichungeil  folgende  - 
Grenz-  und  Durch  seh  nitCwerte: 
Kleinste  Seitenhöhe      .     .     .     1,01  bis  2,19  m, 

im  Mittel  3,30  m, 
LeertJcfgasg 0,34  bis  0,43  m, 

im  Mitlei  0,37  m, 
Tiefgang  beladen     ....     1,73  bis  j,2i  m, 

im  Mittel   1,89  m, 
Tragflhigkeil 635  bis  754  t, 

im  Mittel  692  C, 
Välligkeit^rad  des  Eicfaraums    o,SSl  bis  0.910, 

im  Mittel  0,894. 

13.  Das  Eibschiff  mit  Holz- 
boden und  Bretterdeck  (Abb.  77 
bis  79)  ist  jetzt  das  gebräuchlichste 
Fahrzeug  auf  der  Elbe  selbst.  Es 
wird  in  verschiedenen,  immer  wach- 
senden Größen  gebaut,   selten   unter 


I.  Grobe,  Form  und  Kinrichtung  der  Lastschiffe.  287 

600  t  Tragfähigkeit.  Das  in  den  Bildern  dargestellte  ist  76  m  über  alles  lang 
und  hat  eine  größte  Breite  über  den  Spanten  von  10,5  m.  Die  kleinste 
Seitenhöhe  bis  zum  Stringer  ist  2  m.  Bei  einem  Tiefgange  von  i  ,8  m  beträgt 
die  Tragfähigkeit  940  t.  Das  SchifT  hat  Lehnung  von  250  mm,  einen  Ablauf 
im  MittelschifT  von  0,6  m  und  scharfe  Kimm. 

Die  75  *  65  •  8  mm  starken  Spanten  stehen  in  Entfernungen  von  je  4$o  mm.  Die  C  förmigen 
Bodenwrangen  sind  200  ■  75  *  1 1}$  *  S,5  mm  stark  und  an  den  Enden  aufgebogen.  Der  270  •  10  mm 
starke  Stringer  läuft  vom  stählernen  Hinterdeck  bis  zum  vorderen,  etwa  900  mm  breiten  Bord- 
gang, ist  mit  der  Bordwand  durch  einen  80  •  80  •  10  mm  starken  Stringerwinkel  verbunden  und 
nach  dem  Laderaum  zu  mit  einem  80  •  65  •  8  mm  starken  Winkel  gesäumt.  Außer  dem  vorderen 
Sicherheitschott  [d)  sind  noch  13  Schotte  angeordnet,  von  denen  5  [a)  bis  unter  das  Verdeck 
und  die  übrigen  [c)  nur  bis  zum  Stringer  reichen.  Alle  Schotte  sind  in  Stringerhöhe  durch 
C  förmige  Duchten  von  gleicher  Stärke  wie  die  Bodenwrangen  und  durch  Winkel  versteift. 
Durch  die  beiden  Schotte  am  Mastköcher  werden  zwischen  diesem  und  den  Bordwänden 
2  sogenannte  Freiräume  abgetrennt^  die  durch  Blech  abgeschlossen  und  von  oben  durch  je  eine 
Luke  zugänglich  sind.  Im  übrigen  werden  durch  die  Schotte  3  große  oder  11  kleinere  Lade- 
räume (von  je  5,4  m  I^änge)  abgeteilt.  Der  Leertiefgang  des  Schiffes  wird  zu  39  cm  angegeben. 
Es  ist  im  allgemeinen  nicht  sehr  fest  gebaut.  Zuweilen  wird  neuerdings  der  Holzboden  durch 
vollständige  oder  unvollständige  Kielschweine  verstiLrkt,  wie  bei  Schiffen  mit  Stahlboden. 

14.  Das  Eibschiff  mit  Stahlboden  und  Plattendeck  (Abb.  80  bis 
83)  zeigt  gegen  das  vorbeschriebene  wesentliche  Unterschiede  und  scheint  in 
neuester  Zeit  sich  auf  der  Elbe  einzubürgern.  Es  ist  gleichfalls  76  m  über  alles 
lang  und  10,5  m  über  den  Spanten  breit,  dagegen  2,2  m  hoch,  ohne  Lehnung 
und  mit  runder  Kimm  gebaut.  Das  Mittelschiff  zeigt  einen  Ablauf  von  0,4  m. 
Bei  einem  Tiefgang  von  1,9  m  ist  die  Tragfähigkeit  etwa  1 000  t.  Da  für 
das  Schiff  ein  größter  Tiefgang  von  2,2  m  (bis  zum  Bordgang)  zulässig  ist, 
würde  bei  diesem  Tiefgange  eine  Tragfähigkeit  von  i  200  t  vorhanden  sein. 
Der  Bug  sowie  das  Heck  haben  angenäherte  Löffelformen,  wenigfstens  in  den 
unteren  Teilen. 

Die  75  •  6$  •  8  mm  starken  Spanten  haben  einen  Abstand  von  je  500  mm.  Die  300  •  7  mm 
starken  Bodenwrangen  sind  an  jedem  zweiten  Spant  angeordnet  Dort  haben  die  Spanten  am 
Boden  nur  die  Stärke  von  60  •  60  •  7  mm  und  ebenso  stark  sind  die  Gegenspanten,  die  die  Boden- 
wrangen oben  säumen.  Die  den  Fußboden  tragenden  Flurwinkel  an  den  Spanten  ohne  Boden- 
wrangen sind  50  •  50  •  5  mm  stark  und  durch  ebenso  starke  senkrechte  Winkelstücke  gegen  die 
Bodenspanten  abgestützt.  Der  Boden  wird  durch  3  vollständige  Kielschweine  aus  360  mm  hohen, 
7  mm  starken  Blechen  versteift,  die  oben  durch  je  2,  unten  durch  je  einen  Winkel  von  60  •  60  •  7  mm 
Stärke  gesäumt  sind.  Die  Außenhaut  ist  im  Boden  8,  im  Kimmgang  9,  im  Schergang  8,  im  Seiten- 
gang vorne  gleichfalls  8,  mittschiffs  und  hinten  aber  nur  7  mm  stark.  Der  500  mm  breite  Stringer 
ist  mittschiffs  8  nmi,  vorne  und  hinten  nur  7  mm  stark.  Er  ist  mit  der  Bordwand  durch  einen 
80  •  80  •  10  mm  starken  Stringerwinkel  verbunden  und  trägt  oben  an  der  Wasserseite  einen 
60  •  30  •  10  mm  starken  Fußschutzwinkel  und  an  der  Seite  des  Laderaums  einen  70«  70  •  7,$  mm 
starken  Winkel,  an  dem  der  durchlaufende  l  m  hohe,  6  mm  starke  Tennebanm  befestigt  ist.  Die 
den  Stringer  an  jedem  Spant  stützenden  60  •  60  •  7  mm  starken  Deckbalken  sind  aufgebogen  und 
versteifen  den  Tennebaum  bis  nahe  an  dessen  Oberkante.  Diese  ist  durch  einen  ebenso  starken 
wagerechten  Winkel  und  eine  Leiste  aus  Eichenholz  gesäumt,  auf  der  die  Sparren  und  Luken- 
deckel (Decktafeln)  ruhen.  Außer  dem  vorderen  Sicherheitschott  [d)  sind  noch  13  Schottwände 
eingebaut,  von  denen  5  {a)  bis  unter  das  Verdeck  und  die  anderen  8  [c)  nur  bis  zum  Stringer  rei- 
chen —  genau  wie  bei  dem  vorbeschriebenen  Schiffe.  Der  Tennebaum  ist  gegen  die  niedrigen 
Schotte  durch  starke  Eckbleche  abgesteift.  Durch  den  durchlaufenden  stählernen  Tennebaum, 
der  eine  bedeutende  Längsversteifung  darstellt,  unterscheidet  sich  dies  Schiff  wesentlich  von  dem 


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I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe.  289 

unter  Nr.  12  beschriebenen  Elbschiff  nach  Flauer  Maß;  noch  mehr  vielleicht  durch  die  stählernen 
mittleren  Deckstützen  und  Firstbalken.  Die  Sparren  und  Lukendeckel  ruhen  nämlich  in  der  Mitte 
auf  2  stählernen  Lukenbalken  (Firstbalken}  in  X-Form  von  160  •  70  •  ii  «'8,5  mm  Stärke,  die  gegen 
einander  durch  wagerechte  Winkel  und  die  1200  mm  breite  6,5  mm  starke  Firstplatte  (Deckstülpe) 
versteift  und  mittels  Knotenblechen  und  C  förmigen  Stützen  von  120  •  55  •  9  7  mm  Stärke  fest 
mit  den  Duchten,  Schottwänden  und  dem  SchüTsboden  verbunden  sind.  Diese  durchlaufenden 
Lukenbalken  bilden  also  mit  der  Firstplatte  eine  neue  iJlngsversteifung  des  Schiffskörpers,  die 
umso  wirksamer  ist,  weil  sie  sich  in  großem  Abstände  vom  Boden  befindet.  Abb.  83  zeigt  einen 
Teil  des  Längenschnitts,  aus  dem  die  Anordnung  ersichtlich  sein  dürfte.  Durch  diese  feste  Bau- 
art des  Decks  wird  allerdings  das  Eigengewicht  des  Schiffskörpers  vergrößert  Der  Leertiefgang 
dieses  Schiffes  wird  zu  38  cm  angegeben. 

Zurzeit  werden  die  Eibschiffe  mit  Plattendeck  vorwiegend  noch  mit  Holzboden  versehen. 
Aus  20  neuen  Schiffen  ergaben  sich  im  Jahre  1909  folgende  Grenz-  und  Durchschnittwerte: 

Länge  über  alles 7i)33    ^is  79,34  m,  im  Mittel  75,14  m 

Größte  Breite 9,98  >  11,88  >  >  »  10,59  > 

Kleinste  Seitenhöhe  bis  Stringer   .  2,00  >      2,17  >  >  >  2,10  > 

Leertiefgang 0,36  >      0,44  >  »  »  0,39   > 

Tiefgang  beladen     ......  1,85  »      2,13  >  »  >  2,00  > 

Tragfähigkeit 927  »1197  t  »  *  1094  t 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums  .     .  0,858    >      0,898  >  »  0,881. 

Die  vorbeschriebene  Anordnung  des  Plattendecks  wird  oft  so  abgeändert,  daß  man  zum  Zweck 
des  leichteren  Ladens  und  Löschens  den  Tennebaum  nicht  durchlaufen  läßt,  sondern  ihn  nur  an 
jeder  Schottwand  auf  i  bis  3  m  Länge  aus  festem  Stahlblech  herstellt,  die  Zwischenräume  aber 
durch  losnehmbare  Bretterverschläge  abschließt,  wie  das  ähnlich  bei  Nr.  ii  und  12  beschrieben 
wurde.  Da^loich  verliert  der  Tennebaum  seine  Bedeutung  als  Längsversteifung.  Auch  bei  der 
amtlichen  Eichung  (S.  252)  kann  dieser  unvollständige  Tennebaum  nicht  in  die  Freibordhöhe  ein- 
gerechnet werden,  wodurch  sich  für  das  betreffende  Schiff  unter  Umständen  eine  geringere  Trag- 
fähigkeit ergibt. 

15.  Das  Elbschiff  mit  Stahlboden  und  festem  Deck  (Abb.  84 
bis  86)  zeigt  eine  neuere,  seltene,  aber  beachtenswerte  Form.  Vor-  und  Hin- 
tersteven stehen  im  allgemeinen  senkrecht,  Bug  und  Heck  sind  im  unteren 
Teile  keilförmig,  ähnlich  wie  bei  Dampfschiffen  und  Seeschiffen.  Ein  wesent- 
licher Unterschied  gegen  das  vorbeschriebene  Schiff  beruht  darin,  daß  die 
Bordwände  um  die  Höhe  des  Tennebaums  erhöht  und  auf  dem  festen,  dar- 
über liegenden  Deck  große  mit  kräftigen  Luksüllen  umrahmte  Luken  ange- 
ordnet sind,  die  mit  den  üblichen  Lukendeckeln  geschlossen  werden.  Die 
Festigkeit  des  Schiffskörpers  wird  durch  dieses  hochliegende  feste  stählerne 
Deck  bedeutend  erhöht.  Das  Schiff  ist  69  m  zwischen  den  Loten  und  70,5  m 
über  alles  lang,  die  größte  Breite  beträgt  9,9  m,  die  Seitenhöhe  in  der  Mitte 
bis  zum  Deck  3  m.  Die  Tragfähigkeit  ist  bei  1,55  m  Tiefgang  700  t,  bei 
1,9  m  Tiefgang  900  t,  bei  2,05  m  Tiefgang  1 000  t,  bei  2,58  m  Tiefgang  i  298  L 
Das  Schiff  hat  weder  Lehnung  noch  Ablauf  und  runde  Kimm. 

Ein  besonderer  Stringer  fehlt  mit  Rücksicht  auf  das  feste  Deck  aus  $  und  6  mm  starkem 
Stahlblech.  Außer  dem  vorderen  Sicherheitschott  [d)  sind  noch  9  Schottwände  vorhanden,  von 
denen  5  wasserdichte  bis  unter  Deck  reichen  [a)  und  in  der  Mitte  der  4  Laderäume  4  Halb- 
schotte {c)  angeordnet  sind,  die  durch  bewegliche  Bretterverschläge  verbunden  werden  (Abb.  86). 
So  entstehen  8  Laderäume.  Die  Deckbalken  an  jedem  Spant  (in  500  mm  Abstand)  bestehen  aus 
Winkeln  von  75  *  $5  *  8  mm  Stärke,  an  den  Giebeln  der  Luken  aber  aus  C- Stahl  von  Normal- 
profil 20.  Die  vollen  Schottwände  werden  in  der  Höhe  der  äußeren  Wallschienen  (Scheuerleisten) 
durch  C  förmige  Duchten  von  gleichem  Querschnitt  versteift.  Die  4  Luken  sind  lo,5  •  6,5  m  groß 
und   durch  Luksülle   eingefaßt,   die  aus  Winkeln  und  Wulsteisen  von  200  •  9  mm  Stärke  gebildet 

Teubert,  BinnenschifTahrt.  ig 


290  Absciuütt  n.     Lastschiffe  ohae  eigeae  Triebkraft. 

vrerdea.  Die  0,8  bis  0,9  m  breiteo  Luken- 
deckel nlheo  miRachiffs  uif  einem  losnehm- 
baren  Balken  aus  Fichtenholz.  Die  Rinnsparren 
bestellen  aus  Stahl.  Die  beiden  hölicmen 
Lademaste  sind  in  eisernen  auf  dem  Deck 
befestigten  nnd  seitlich  abgesteiften  KöchCTn 
beireglich.  Das  Heck  ist  übergebant,  das  am 
Hinlersteven  befestigte  Steaemider  wird  durch 
ein  senkrechtes  Handrad  bewegt.  Der  Scbiffn- 
boden  ist  durch  zwei  unvollständige  Kiel- 
schweine in  J.-F'orni  von  100  -  50 . 9  mm  Stlrkc 
versteift.  Der  Lcerliefgang  wurde  bei  der 
Eichung  vorne  lu  36,  mittschiffs  zu  53,  hinten 
EU  48,  im  Mittel  zu  45  cm  festgestellt  Der 
Völligkeitsgrad  des  Eichraums  ist  0,899. 

Die  Größe  der  ElbschifTe  war 
£  bisher    nicht    beschränkt    und     tm 

^  Wachsen  bcgrifTen:  Im  Jahre    1908 


I.  Größe,  Fonn  und  Einrichtung  der  Lastschiffe.  291 

wurde  auf  einer  Tetschener  Werft  ein  Schiff  für  einen  deutschen  Schiffseigener 
gebaut,  das  eine  Länge  über  alles  von  84,5  m,  eine  größte  Breite  von  11,8  m 
und  eine  kleinste  Seitenhöhe  von  2,3  m  hat.  Bei  der  Eichung  ergab  sich  der 
Leertiefgang  zu  42  cm  und  bei  2  m  Tauchung  betrug  die  Tragfähigkeit  1434  t. 
Durch  die  preußische  Verordnung  vom  25.  November  191 1  ist  aber  bestimmt 
worden,  daß  künftig  neu  gebaute  Eibschiffe  höchstens  76  m  Länge  von  Vorder- 
kante des  Vorstevens  bis  Hinterkante  des  Hinterstevens  und  eine  größte  Breite 
von  1 1  m  haben  dürfen.  Dies  ist  die  erste  schiffahrtpolizeiliche  Beschränkung 
der  Schiffe  auf  offenen  Strömen. 

Die  Saale  schiffe  werden  durch  die  Abmessungen  der  Schleusen  bestimmt,  die  auf  der 
Strecke  von  der  Mündung  in  die  Elbe  bis  Halle  (S.  200)  eine  nutzbare  Länge  von  56,5  m  und 
eine  geringste  nutzbare  Breite  von  6,12  m  haben.  Die  Bauart  ist  dieselbe  wie  auf  Elbe  und 
Oder:  entweder  aus  Holz  mit  eisernen  Spanten  oder  aus  Stahl  mit  Holzboden;  entweder  offen 
oder  mit  Bretterdeck.  Aus  dem  Vergleich  von  20  neueren  Schiffen  ergaben  sich  folgende  Grenz- 
und  Durchschnittwerte: 

Länge  Über  alles 51,00  bis  51,58  m,  im  Mittel   51,30  m 

Größte  Breite 6,00 

Kleinste  Seitenhöhe  bb  Schandeck.  1,95 

Leertiefgang 0,36 

Tiefgang  beladen 1,66 

Tragfähigkeit 336 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums     .     .  0,836 

Lastschiffe  auf  den  Wasserstrafien  Westdeutschlands. 

Die  Wasserstraßen  im  Stromgebiete  des  Rheins,  der  Ems  und  der  Weser 
stehen  zurzeit  noch  nicht  mit  einander  in  Verbindung.  Diese  wird  erst  durch 
den  im  Bau  begriffenen  Kanal  vom  Rhein  zur  Weser  hergestellt  werden.  In- 
folge dieses  Umstandes  haben  sich  die  Schiffe  in  diesen  drei  Stromgebieten 
im  allgemeinen  unabhängig  von  einander  ausgebildet. 

Vom  Rheingebiete  sollen  zunächst  die  auf  dem  Hauptstrome  ver- 
kehrenden Lastschiffe  besprochen  werden,  die  sich  in  ihrer  Form  und  Ein- 
richtung erheblich  von  denen  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  unterscheiden'). 
Sie  haben  in  der  Regel  weder  eine  Lehnung  noch  einen  Sprung  im  Boden;  da- 
gegen zeigt  das  Deck  meistens  einen  sehr  beträchtlichen  Sprung.  Die  Kimm  ist 
rund.  Der  Hintersteven  steht  fast  immer  senkrecht  und  trägt  das  feste  Ruder, 
während  bei  den  Schiffen  aus  Eisen  und  Stahl  das  Heck  übergebaut  ist.  Alle 
gedeckten  Schiffe  haben  einen  durchlaufenden  Bordgang  und  einen  Tennebaum, 
der  die  Festigkeit  in  der  Längsrichtung  vermehrt  und  außerdem  als  Freibord 
dient.  Auf  diesem  Tennebaum  liegt  das  lose  Plattendeck,  dessen  Sparren 
(»Merklinge«)  und  Lukendeckel*)  in  der  Mitte  des  Schiffes  auf  einem  Luken- 
balken*) ihr  zweites  Auflager  finden.  Die  Schiffsform  ist  aus  Holland  über- 
nommen, wo  die  Mehrzahl  der  Lastschiffe  noch  heute  gebaut  wird. 


>      6,04  »      1 

6,02  » 

>     2,30  >     J 

2,16  > 

>      0,42  >     1 

o»39  » 

>    2,05  >    1 

1,90  > 

»    451 1     1 

412  t 

>  0,909 

0,895. 

1}  über  die  älteren  RheinschifTe  sind  in  dem  »Geschichtlichem  Rückblick«  einige  Mit- 
teilungen und  Bilder  gebracht  worden.     Vgl.  S.  60. 

2)  Der  Rheinschiffer  nennt  die  Lukendeckel  mißbräuchlich  »Luken«  und  den  Lukenbalken 
»Scherstock«. 

«9* 


292  Abschutt  II.     Ltstschiffe  ohne  eigene  TriebkrefL 

i6.  Die  holländische  hölzerne  Aak  (Abb.  87  bis  92)  wird  meistens 
in  Längen  von  25  bis  43  m  über  alles,  mit  gröOten  Breiten  von  5,5  bis  7  m 
[ohne  die  Schwerter)  und  kleinsten  Seitenhöhen  von  1,8  m  bis  2,25  m  gebaut 
Der  Leertiefgang  beträgt  0,$  bis  0,65  m,  die  Tragiahigkeit  schwankt  bei  Tauch- 
tiefen von  1,8  m  bis  2,25  m  zwischen  130  und  350  t.  Die  größeren  Ab- 
messungen werden  jetzt  selten  noch  aus  Holz  gebaut.  Der  stark  vorspringende 
Hintersteven  (»Kielholz«)  ist  etwas  geneigt  gestellt.  Die  Form  des  Hinter- 
schifls  ist  angenähert  kegelförmig;  der  Bug  wird  verschieden  geformt:  ent- 
weder nach  Abb.  89  kafFenartig  oder  mit  gekrümmtem  Vorsteven,  wie 
Abb.  90  darstellt.    Die  letztere  Form  ist  häuf^er.    Das  Mittelschiff  hat  starken 


Holllndische  hölienie  Aak,  Abb.  87  bis  92. 


Abb.Sg.  BugalsKaffe.  Abb. 90.  Bug mil Steven.       Abb. 9t.  QnerschDilt. 


Abb.  92.  Heck. 


Ablauf  {0,6  bis  i  m).  Das  Deck  zeigt  großen  Sprung,  trägt  2  Luken  und  die 
große  Kajüte.  Fast  alle  Aaken  tragen  zwei  Mäste,  die  zum  Uml^en  einge- 
richtet sind,  ihren  Drehpunkt  aber  (wie  bei  allen  Rheinschiflenj  2  bis  2,5  m 
über  Deck  in  festen  Köchern  haben.  Der  vordere  größere  Mast  steht  nahe  dem 
Hauptspant  im  Vorschiff,  während  der  kleinere  hinten  an  der  Kajüte  befestigt 
ist.  Diese  Schiffe  tragen  gute  Segeltakelung  und  verkehren  auf  dem  Nieder- 
rhein und  im  Mündungsgebiete  zwischen  Holland,  Belgien  und  den  Ruhrhäfeo. 

OD  6,6  m  (ohne 


1}  A.  Debem,  Ecude  sur  le  jnatinel  de  la  navigBtion  Interieure  circulant  en  Belgiqne  . . . 
Brüssel  J901,  Dieser  Schrift  sind  die  Zeichnungen  von  verschJeJeneo  belgischen,  holländischen 
und  fnmiöäischen  Schiffen  entnommen. 


I.  Größe,  Form  und  Eiorichniog  der  LtsCschifTe, 


weder  du  Helmholz  des  Steuerruder«  {Steaer- 
phme]  oder  der  Vorsteven  oder  der  MMtköcher 
und  liegt  bei  diesen  Schiffen  4  m  bis  4,5  m  über 
dem  Wasseispi^jel  beim  Leergang. 

17.  Die   holländische  eiserne 
Aak  voaetwa  400  t  Tragfähigkeit 
(Abb.  93  bis  95).     Seit  etwa  40  Jahren 
werden     die     gröüeren 
RheinschifTe     durchweg 
(dnschlieOlich  des    Bo- 
dens}   aus    Eisen    oder 
Stahl     gebaut.      Zuerst 
wurden  die  Formen  der 
hölzernen  Aak  in  Eisen 
nachgebildet;  bald  ver- 
feinerte   man  sie    aber 
namentlich  am   Hinter- 
schiff, dem  man  unter 
Wasser    Keilform     und    ^ 
Über  Wasser  ein  nahezu    .s 
halbkreisförmiges  über-    ^ 
gebautes     Heck     gab.    ^ 
Durch  die  Keilform  wird    ■< 
ein    gleichmäßiges    Zu-    -" 
strömen     des     Wassers    J. 
zum  Ruderblatt  und  da-    ^ 
mit   eine    gute   Steuer-    "^ 
fahigkeit         gewonnen.     5 
Die  Form  des  Bugs  ist     ^ 
ziemlich  unverändert  ge-    .g 
blieben,  ebenso  die  An-    ^ 
Ordnung  des  Decks,  der    s 
Luken,   der  Kajüte  und    S 
der  Mäste.    Da  die  Aak 
große  Segeltakelung  zu 
führen    pflegt,    ist    das 
Niederlegen  der  Mäste 
mit  gewissen  Schwierig- 
keiten   verbunden ,    die 
durch   das  in  Abb.  93 
dai^estellte     Verfahren 
erleichtert  werden  kön- 


294  Abschnitt  II.     ListschifTe  ohne  eigene  Triebkraft. 

D«s  dargestellte  Schiff  Ut  43,5  m  über  allcä  lang,  hat  eine  größte  Breite  (ohne  die  Schwerter] 
voD  7,1  m  und  eine  kleinste  Seitenhähe  von  2  m.  Der  Leertiefgang  betrigt  48  cm.  Bei  einer 
Eintanebnng  von  z  m  ist  die  Tragfähigkeit  etwa  400  i.  Der  höchste  Punkt  ist  bei  nmgeleglea 
Masten  die  Winde  auf  dem  kleinen  Most,  die  4,8  m  Über  der  Leerebene  liegt. 

iS.  Der  holländi- 
sche Käst  von  etwa 
460  t  Tragfähigkeit 
(Abb.  9 6  und  97)  hat 
sich  aus  der  vorbeschrie- 
benen  SchifTsform  ent- 
wickelt, indem  der  Vor- 
steven senkrecht  gestellt 
wurde  und  auch  der  Bug 
eine  Keilform  erhielt. 
Das  Schiff  ist  dadurch 
völliger  geworden.  Es 
^  ist  zwischen  den  Loten 

■0  48,3  m   und  über  alles 

°  49,4  m   lang,   hat  eine 

*  größte  Breite  (ohne  die 

*  3'  Schwerter)  von  6,7  m 
5^  "  und  eine  kleinste  Seiten- 
S                                                                                       =3   höhe  bis  zum  Bordgang 

"3  von  2,25  m.    Der  Leer- 

J  ^  tiefg^ng  beträgt  46  cm, 

t;  .  der     größte     Tiefgang 

J  *  2,25  ni, 

^  <  Das  Deck   hat   weniger 

'S  Spiiing  als  bei  der  Aale.    Der 

s  höchste   Punkt  ist  das  Dach 

J  derKajüte,  das;, 15  m  Über  der 

"Ö  Leerebene  liegt.     Der  Tenne- 

*  bäum  und  das  Tafeldeck  laufen 

vom  Vordeck  bis  zur  Hinter- 
kajiite.  Die  beiden  Msste 
dienen  nicht  mehr  zam  Segeln, 
sondern  nur  als  Ladekrane. 
Das  Schilf  hat  dämm  in  der 
Regel  keine  Takelung;  nur 
ausnahmsweise  werden  diese 
Fahrzeuge  mit  Segeln  ausge- 
rüstet']. Neuerdings  fllhren 
sie  meistens  keine  Schwerler 
mehr,  zumal  diese  bei  ge- 
schleppten Schiffen  ohne  Be* 

t)  In  Holland  daiinZ>eil- 
kast<  =  Segelkast  genannt. 


m 


deutung  sEnd.  Der  Ksst  ist  fUr  die 
neueren  großen  deutschen  Rhein- 
schiffe  vorbildlich  genesen. 

19.  Das  Rheinschiff 
von  etwa  700  t  Trag- 
fähigkeit (Abb.  98  bis  100) 
ist  58  m  zwischen  den  Loten 
und  59,5  m  über  alles  lang, 
hat  eine  größte  Breite  Über 
den  Spanten  von  8,3  m  und 
eine  kleinste  Seitenhöhe  bis 
zum  Stringer  von  2,1  m.  Bei 
einer  Tauchtiefe  von  2,05  m 
hat  es  eine  Tr^ähigkeit 
von  695  t.  Es  ist  ganz  aus 
Stahl  hergestellt. 

Die  65  '  50 '  6  mm  starken 
Spanten  haben  einen  Abstand  von 
je  500  mm.  Ad  jedem  Spant  ist  eine 
310 '5  mm  starke  Bodenwrange  (hol- 
llndlsch:  >Kattesporen<)  angeord- 
net, die  oben  mit  einem  50-50-6  mm 
starken  Winkel  gesSumt  ist.  Die 
Außenhaut  ist,  mit  Aosnahme  des 
8  mm  starken  Schergangs,  durch- 
weg 6  mm  stark.  Der  Boden  wird 
durch  3  onvollstindige  Kielsehweine 
Yon  J.-Querschnitt  verstärkt,  die 
Kimm  ist  nach  einem  Halbmesser 
von  350  mm  abgerundet.  Das  Mit- 
telschifT  hat  gleichlaufende  Winde, 
keinen  Ablauf.  Der  Stringer  (Bord- 
gangj  ist  700  mm  breit  und  5  mm 
stark,  mit  dem  Tennebaum  durch 
einen  Winkel  von  50-50-6  mm 
und  mit  der  Bordwand   sowie   der 


ff-t 

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1.  Größe,  Form  und  Einricfatung  der  Lastschiffe.  297 

350  •  8  mm  starken  Bergplatte  durch  einen  Stringerwinkel  von  60  •  60  •  8  mm  verbunden.  Der 
Tennebaom  ist  600  mm  hoch,  6  mm  stark  und  oben  mit  einer  120 '5  mm  starken  Platte  ver- 
steift, die  einen  Winkel  von  65  •  50  •  6  mm  zur  Auflagerung  der  Rinnsparren  (Merklinge)  trägt. 
Außer  dem  vorderen  Sicherheitschott  {Ifj  sind  noch  7  Schotte  aus  4  mm  starkem,  mit  Winkeln 
verstärktem  Blech  angeordnet.  Diese  Wände  reichen  bis  Stringerhöhe,  wo  sie  mit  festen  Decks- 
flächen, die  zwischen  die  Stringer  eingespannt  sind,  verbunden  werden.  Diese  Decksflächen  sind 
bei  den  Masten  je  2,5  m  breit  (a),  bei  den  3  anderen  mittleren  Schotten  {c)  je  i  m  breit.  Quer- 
schiffs werden  an  den  Seiten  dieser  Decksflächen  die  Schottwände  bis  zur  Höhe  der  Luken  fort- 
geführt. Die  so  gebildeten  Räume,  die  längsschiffs  durch  den  Tennebaum  und  oben  wieder  durch 
ein  festes  Verdeck  abgeschlossen  werden,  heißen  Herfte  (aus  dem  Holländischen).  Sie  dienen 
zur  Verstärkung,  des  Schiffes,  zur  Aufbewahrung  von  Schiffsgerät,  Lebensmitteln,  Brennstoffen  und 
anderen  Vorräten  und  außerdem  zur  Auflagerung  der  Lukendeckel,  wenn  die  Laderäume  zum 
Löschen  und  Laden  geöfinet  werden.  Außer  den  5  beschriebenen  Herften  befindet  sich  eine 
solche,  noch  über  dem  vordersten  Laderaum  {x)  auf  dem  Vordeck.  Die  letzten  beiden  Schotte  {d) 
schließen  die  Laderäume  von  den  Kajüten  ab.  Alle  festen  Decksflächen  sind  aus  geripptem 
Stahlblech  von  5  mm  Stärke  auf  Deckbalken  von  80  •  50  •  7  mm  Stärke.  Die  Decksbucht  be- 
trägt 170  mm.  Auf  dem  Hinterdeck  ist  noch  eine  besondere  Kajüte  aufgebaut,  die  auch  die 
Küche  enthält  (5  m  lang,  3  m  breit,  2  m  hoch)  und  durch  eine  verdeckte  Treppe  mit  den  unteren 
Wohnräumen  verbunden  ist.  Diese  besondere  Kajüte  heißt  auf  den  Rheinschiffen  die  Roef 
(sprich  Ruff,  holländisch).  Sie  wird  zuweilen  nicht  auf  dem  Hinterdeck,  sondern  auf  dem  Vor- 
deck oder  mittschiffs  aufgestellt  und  oft  zum  Teil  in  den  Laderaimi  vertieft  eingebaut.  Die  4 
mittleren  Laderäume  sind  noch  durch  je  eine  losnehmbore  Ducht  (auch  Gebinde  oder  Raum- 
balken genannt)  von  C-Querschnitt  ausgesteift,  an  denen  hölzerne  Teilungswände  nach  Bedarf 
befestigt  werden  können.  Die  Rinnsparren  und  Lukendeckel  ruhen  in  der  Schiffsmitte  auf  einem 
hölzernen  Lukenbalken,  der  mittels  eiserner  Schuhe  von  den  Schottwänden  (und  den  Seiten- 
wänden der  Herfte)  getragen  und  über  den  Duchten  durch  eiserne  Böcke  unterstützt  wird.  Diese 
ursprünglich  aus  Holz  in  Scherenform  hergestellten  Stützen  hießen  >Scherstöcke«  und  dies  Wort 
ist  auf  den  Balken  selbst  übergegangen,  der  nach  Art  einer  Fette  die  Sparren  wie  bei  einem 
Hause  trägt.  Das  Verdeck  ist  so  fest,  daß  es  im  Bedarfsfalle  eine  beträchtliche  »Decklast« 
tragen  kann.  Im  Vor-  und  im  Hinterschiff  ist  noch  je  eine  Deckstütze  {y)  aus  60  mm  starkem 
Schweißeisen  angeordnet.     Rings  um  das  ganze   Schiff  läuft  eine   250  mm  hohe,   8  mm   dicke 

Bergplatte,  die  mit  einem  Halbrundstahl  als  Scheuerleiste  verstärkt  bt. 

« 

20.  Das  Rheinschiff  von  etwa  1500  t  Tragfähigkeit  (Abb.  loi  bis 
104)  zeigt  trotz  der  verschiedenen  Größe  eine  ähnliche  Anordnung.  Es  hat 
zwischen  den  Loten  eine  Länge  von  82  m,  über  alles  von  84  m,  eine  größte 
Breite  von  10,3  m  über  den  Spanten  und  eine  kleinste  Seitenhöhe  bis  zum 
Stringer  von  2,5  m.  Bei  einer  Tauchtiefe  von  2,5  m  hat  das  Schiff  eine 
Tragfähigkeit  von  1520  t.     Es  ist  ganz  aus  Stahl  gebaut 

Die  75  'So* 7,5  mm  starken  Spanten  haben  einen  Abstand  von  500  mm;  bei  jedem  zweiten 
Spant  ist  eine  Bodenwrange  von  320 -6  mm  angeordnet,  die  oben  mit  zw^i  Winkeln  (50  •50*  6,5) 
gesäumt  ist.  In  den  Mitten  der  Laderäume  befindet  sich  je  eine  Bodenwrange  von  370  mm 
Höhe.  Unter  den  Mastköcherdecks  ist  jedes  Spant  mit  einer  Bodenwrange  versehen.  Die 
Spanten  ohne  Wrangen  haben  55  *  55  •  6  mm  starke  Flurwinkel  als  Auflager  für  die  Wegerung. 
Der  Bode^  ist  durch  drei  vollständige  Kielschweine  verstärkt,  die  aus  370  •  6  mm  starken,  oben 
mit  2  und  unten  mit  einem  Winkel  von  50  •  50  •  6  mm  Stärke  gesäumten  Blechen  bestehen. 
Außerdem  ist  nahe  der  Kimm  noch  je  ein  Winkel  von  50  •  50  •  6  mm  angeordnet.  Das  mittlere 
Kielschwein  reicht  durch  das  ganze  Schiff,  die  seitlichen  vom  vordersten  bis  zum  hintersten 
Schott.  Die  Kimm  ist  nach  einem  Halbmesser  von  500  mm  abgerundet.  Das  Mittelschiff  hat 
keinen  Ablauf.  Der  800  mm  breite  Stringer  hat  mittschiffs  eine  Stärke  von  9  mm,  die  nach  den 
Enden  allmählich  bis  auf  6  mm  abnimmt.  Ebenso  nehmen  die  Stärken  der  Seitengänge  und 
des  Tennebaums  von  9,  7,  12  und  8  mm  allmählich  bis  zu  den  Steven  auf  7,  6,  7  und  6  mm 
ab.  Außer  dem  vorderen  Sicherheitschott  {d)  sind  noch  13  verstärkte  Schotte  von  5  mm  Blech 
vorhanden,  durch  die  12  Laderäume  abgeteilt  werden.  Unter  den  3  Masten  sind  über  je  einem 
Schott  (a)  3  je  4  m  breite  feste  Decks  angeordnet.     Außerdem  sind  noch  4  Herfte  vorhanden. 


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von  denen  3  mit  den  Schottwänden  ver- 
bunden sind,  während  eine  am  vordersten 
Ende  des  Laderaums  liegt.  Die  festen 
Decks  von  5  mm  starkem  Riffelblech 
ruhen  im  Vor-  und  Hinterschiff  auf 
Deckbalken  von  80  -  50  •  8  mm ,  im  Mit- 
telschiff auf  solchen  von  90  •  60  •  8  mm. 
Die  Bordkante  ist  durch  einen  Halb- 
rundstahl von  75-26  mm,  die  Oberkante 
des  Tennebaums  durch  einen  solchen 
von  50  •  1 1  mm  gesäumt.  Kajüten  und 
Roef  sind  in  gleicher  Weise  wie  bei  dem 
vorbeschriebenen  Rheinschiffe  angeord- 
net, desgleichen  das  Plattendeck.  Die 
Rinnsparren  werden  hier  aber  durch  drei 
Holzbalken  unterstützt.  Duchten  sind 
nicht  vorhanden. 

21.  Das  Rheinschiff  von 
1700  t  Tragfähigkeit  (Abb.  105 
bis  107)  entspricht  den  in  neue- 
ster Zeit  besonders  zur  Kohlenbe- 
förderung gebauten  Lastschiffen. 
Die  früher  zum  Segeln,  später 
nur  zum  Löschen  und  Laden  be- 
nutzten Mäste  sind  verschwun- 
den; unser  Beispiel  zeigt  dafür 
leichte  auf  Deck  befestigte  Kö- 
cher für  3  Flaggenmaste.  Das 
Schiff  hat  eine  Länge  zwischen 
den  Loten  von  84  m,  über  alles 
von  85,5  m,  eine  größte  Breite 
auf  den  Spanten  von  11,15  m 
und  eine  kleinste  Seitenhöhe  bis 


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zum  Stringer  von  2,58  m.  Bei  einer 
Tauchtiefe  von  2,58  m  hat  es  eine 
Tragfähigkeit  von  1 700  t.  Es  ist  ganz 
aus  Stahl  erbaut. 

Die  6$  •  50  •  8  mm  starken  Spanten  haben 
einen  Abstand  von  450  mm ;  bei  jedem  Spant 
ist  eine  Bodenwrange  von  330  •  7  mm  ange- 
ordnet, die  oben  durch  doppelte  Winkel  von 
50  •  50  •  6  mm  gesXmnt  ist.  Der  Boden  ist  durch 
drei  unvollständige  Kielschweine  in  i-Form  und 
durch  2  Winkel  von  50  •  50  •  6  mm  nahe  den 
Kimmen  verstärkt.  Die  letzteren  sind  nach 
einem  Halbmesser  von  500  mm  abgerundet. 
Das  Mittelschiff  zeigt  keinen  Ablauf.  Der  Strin- 
ger ist  900  mm  breit,  der  Tennebaum  600  mm 
hoch.  Rings  um  das  Schiff  läuft  eine  stählerne 
Bergplatte  (Scheuerleiste)  von  350-16  mm 
Stärke,  die  außerdem  noch  eine  Halbrundleiste 
aus  Stahl  trägt.  Außer  dem  vorderen  Sicher- 
heitschott sind  noch  13  Schotte  angeordnet,  die 
12  Laderäume  abteilen.  Über  den  11  mittleren 
Schotten  befindet  sich  je  eine  Herft.  Die  Herfte 
mit  den  Köchern  für  die  Flaggenmaste  sind  je 
1)8  m  lang,  die  übrigen  je  0,9  m.  Die  frei- 
tragende Länge  der  Lukenbalken  zur  Untere 
Stützung  der  Lukendeckel  wird  dadurch  höch- 
stens 5  m,  so  daß  weitere  bewegliche  Duchten 
entbehrlich  sind.  Der  Leertiefgang  wird  zu 
48  cm  angegeben. 

Die  GröDe  der  Rheinschiffe  nimmt 
stetig  zu:  Schiffe  von  2000  t  sind  keine 


300  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Seltenheit  mehr  und  im  Jahre  1908   ist  zuerst  ein  Schiff  von  3500  t  Trag- 
fähigkeit gebaut  worden,  das  nachstehend  beschrieben  werden  soll. 

22.  Das  Rheinschiff  von  3500  t  Tragfähigkeit  (Abb.  108  bis  iio),  in 
Holland  fiir  das  Haus  Karl  Schroers  in  Duisburg  ganz  aus  Stahl  gebaut,  hat 
eine  Länge  über  alles  von  123  m  und  zwischen  den  Loten  von  120  m,  eine 
gröOte  Breite  von  14,08  m  und  auf  den  Spanten  von  14  m,  eine  kleinste 
Seitenhöhe  bis  zum  String^r  von  2,85  m  und  bei  gleichem  Tiefgang  nach 
der  Eichung  eine  Tragfähigkeit  von  3583  t  Es  ist  somit  das  größte  Bin- 
nenlastschiff in  Mitteleuropa.  In  Form  und  Einrichtung  unterscheidet 
es  sich  nicht  von  den  vorbeschriebenen  Rheinschiffen.  Der  Laderaum  ist 
durch  Schottwände,  die  oben  mit  größeren  oder  kleineren  Herften  verbunden 
sind,  in  17  Abteilungen  zerlegt. 

Beachtenswert  ist  die  Bauweise  des  Bodens :  Die  in  einem  Abstand  von  500  mm  (unter  der 
Vorkajüte  400  und  350  mm)  liegenden  Bodenwrangen  sind  Xförmig  (Normalprofil  20)  und  über 
ihnen  liegt  rechtwinklig  dazu  eine  zweite  Reihe  von  1-Trägem  (Normalprofil  17)  gleichfalls  in 
einem  Abstand  von  500  mm,  die  als  Ersatz  für  die  Kielschweine  die  Längsversteifimg  des 
Schiffes  bilden.  An  den  Kreuzungstellen  sind  die  Träger  durch  je  4  Niete  mit  einander  ver- 
bunden. Die  Kimm  ist  nach  einem  Halbmesser  von  500  mm  gerundet:  Entsprechend  geformte, 
6,5  mm  starke  und  oben  mit  2  Winkeln  (65  •  55  •  6,5)  gesäumte  Eckbleche  verbinden  die  Boden- 
wrangen mit  den  7S  *  ^5  *  S  mm  starken  Spanten.  In  ähnlicher  Weise  sind  die  Längstrftger  des 
Bodens  durch  Winkel  und  Eckbleche  mit  allen  Schottwänden  verbunden.  Die  Stärken  der 
Außenhaut  sind :  im  Boden  8  mm,  in  der  Kimm  und  im  Seitengang  1 1  mm,  nach  vom  auf  9  mm, 
nach  hinten  auf  8  mm  auslaufend,  im  1,2  m  hohen  Schergang  14  mm,  nach  vom  auf  12  mm,  nach 
hinten  auf  8  mm  auslaufend  und  im  0,9  m  breiten  Deckstringer  (Bordgang)  10  mm,  nach  vom 
und  hinten  auf  8  mm  auslaufend.  Der  ioo-ioo<i2  mm  starke  Stringerwinkel  verbindet  den 
Stringer  mit  der  Bordwand  imd  der  400  mm  hohen,  16  mm  starken  Bergplatte,  die  um  das  ganze 
Schiff  läuft.  Der  675  mm.  hohe  Tennebaum,  12  bis  10  mm  stark,  ist  an  dem  Bordgang  durch 
80 'So*  10  mm  starke  Winkel  befestigt,  oben  mit  einer  äußeren,  300  mm  hohen  und  12  mm 
dicken  Platte  und  mit  einem  inneren  X'Stahl  von  120  •  60*  10  mm  verstärkt.  Die  19  Schotte 
sind  unten  8  mm,  oben  6  mm  stark.  Der  Bordgang  ist  mit  einem  Schutzgeländer  an  der  Wasser- 
seite versehen,  das  aus  beweglichen  eisemen  Pfosten  und  durchgezogenen  Drahtseilen  besteht 

Bei  der  Eichung  wurde  der  Leertiefgang  hinten  zu  63  cm,  vom  zu  47  cm,  im  Mittel  zu 
53  cm  festgestellt.  Der  Völligkeitsgrad  der  Leerebene  ergab  sich  zu  0,908,  der  der  obersten 
Einsenkungsebene  (Wasserlinie)  zu  0,931  und  der  des  Eichraums  zu  0,910.  Der  Völligkeitsgrad 
der  Verdrängung  ist  mithin  zu  Oj90  anzunehmen.  Diesem  1908  gebauten  Schiffe  sind  im  Jahre 
19 10  zwei  von  gleicher  Größe  gefolgt. 

Nach  den  amtlichen  Eichungen  wurde  eine  Anzahl  der  neueren,  in  den  Jahren  1907 
bis  1909  erbauten  Schiffe  mit  einander  verglichen  und  es  ergaben  sich  dabei  die  folgenden 
Grenz-  und  Durchschnittwerte: 

Gruppe  I  —  aus  7  Schiffen: 
Länge  über  alles  ....     74,8  bis  80,2  m,.     im  Mittel  78,28  m 


Länge  zwischen  den  Loten  73,0  »  78,4  > 

Größte  Breite 9,9  »  10,3  » 

Kleinste  Seitenhöhe  .     .     .  2,33  •  2,46  » 

Mittlerer  Leertiefgang    .     .  0,46  »  0,52  » 

Tiefgang  beladen ....  2,33  »  2,46  > 

Tragfähigkeit 1232  »  1318 1 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums 0,885 

Gruppe  2  —  aus  8  Schiffen: 

Länge  über  alles  .     .     .     .     82,1  bis  83,$  m,  im  Mittel  82,74  ^ 

Länge  zwischen  den  Loten     80,0    »    81,3  >  »        »         80,7  > 

Größte  Breite 10,05     >     io,i  »  »        »       10,09  » 


76,48  > 
10,04  » 

2,38  • 
0,49  » 

2,38  » 
1279  t 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


301 


Kleinste  Seitenhöhe  .     .     .     2,57    bis    2,7  m,  im  Mittel  2,63  m 

Mittlerer  Leertiefgang    .     .     0,44    »    0,51  »  »        »  0,49  > 

Tiefgang  beladen ....     2,47     >    2,57  >         »        »  2,53  » 

Tragfähigkeit 1410     »    »497  *         »        *  »454  t 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums 0,879 

Gruppe  3  —  aus  5  Schiffen: 

Länge  Über  alles  ....    87,0  bis  87,1  m,  im  Mittel  87,0  m 


85,3  » 
11,08  > 

2,75  • 
0,50  » 

2,64  » 


85,2  > 
11,07  » 

2,73  » 

0,47  » 
2,60  » 

1755  t 


Länge  zwischen  den  Loten    85,2 

Größte  Breite 11,06 

Kleinste  Seitenhöhe  .  .  .  2,69 
Mittlerer  Leertiefgang  .  .  0,46 
Tiefgang  beladen  .     .     .     .    2,57 

Tragfähigkeit 1692     »    1797  t 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums 0,878. 

23.  Das  Oberrheinische  Holzschiff  von  160  t  Tragfähigkeit 
(Abb.  III  bis  113)  dient  vorzugsweise  dem  Verkehr  mit  Baustoffen  und  befahrt 
auch  die  elsaß-lothringisdien  Wasserstraßen.     Es  ist  ganz  aus  Eichenholz 

Oberrhemisches  Holzschiff  von  160  t,  Abb.  11 1  bis  113. 


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Abb.  III.     Ansicht  und  Längsschnitt  i  :  300. 


Abb.  112.    Bugansicht  i  :  100. 


Abb.  113.     Querschnitt  i  :  100. 


gebaut,  34  m  über  alles  lang  und  hat  eine  größte  Breite  von  5  m  oben  und 
von  3,6  m  im  Boden,  also  starke,  abgerundete  Lehnung.  Ablauf  im  Mittel- 
schiff ist  nicht  vorhanden;  der  Boden  ist  aber  an  den  Enden  angehoben.  Die 
kleinste  Seitenhöhe  beträgt  1,64  m,  der  zulässige  Tiefgang  also  etwa  1,5  m.  Der 
Leertiefgang  beträgt  30  bis  33  cm.  Am  Bug  ist  der  Boden  kaffenartig  auf- 
gebogen und  die  Spitze  schnabelförmig  gestaltet,  so  daß  angenähert  eine  Löffel- 
form entsteht.  Das  Heck  zeigt  halbzilindrische  Form  mit  senkrechtem  Hinter- 
steven (»Kielholz«),  an  dem  das  Steuer  durch  Fingerlinge  befestigt  ist.  Das 
Schiff  ist  offen  und  nur  am  Heck  mit  einem  überdachten  Schlafraum  versehen. 
24.  Der  Waidling  (Abb.  114  bis  11 6),  früher  auch  » Lauter tannen«  oder 
»Lurtannen«  genannt,  ist  meistens  ganz  aus  Tannenholz  erbaut,  21  m  übe^ 
alles  lang  und  hat  eine  größte  obere  Breite  von  2,5  m,  eine  untere  von  1,9  m, 
sowie  eine  kleinste  Seitenhöhe  von  0,95  m.  Die  Tragfähigkeit  ist  20  t.  Der 
Boden  ist  vorne  und  hinten  in  gleicher  Weise  prahmartig  aufgebogen,  sodaß 


302  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

die  Breite  am  Bug  1,5  m  und  am  Heck  i  m  wird.  Das  Schiff  wird  durch 
ein  etwa  12  m  langes  Streichruder  gelenkt,  das  am  Heck  in  einer  eisernen 
Gabel  ruht.  Diese  Schiffsform  ist  darum  beachtenswert,  weil  sie  in  alten 
Zeiten,  als  noch  am  Oberrhein  ein  großer  Schiffsverkehr  bestand,  wahrschein- 
lich vorherrschend  war.  Die  Schiffe  wurden,  wohl  auch  in  größeren  Abmes- 
sungen, damals  in  der  Regel  nur  fiir  eine  einmalige  Talfahrt  gebaut  und  am 
Ende  der  Reise  (entweder  in  Mainz  oder  Köln]  ähnlich  wie  die  Zillen  zum 
zerschlagen  verkauft.  Jetzt  werden  sie  am  Oberrhein  nur  im  Ortsverkehr 
benutzt. 

Von  den  SeitenwasserstraOen  des  Rheins  nehmen  die  elsaß-loth- 
ringischen  Wasserstraßen  (S.  108)  eine  besondere  Stellung  ein,  da  auf 
ihnen  vorwiegend  Kanalschiffe  verkehren,  die  selten  auf  dem  Rhein 
zu  finden  sind.  Es  kommen  allerdings  Fälle  vor,  daß  diese  Schiffe  Frachten 
von   der  Maas  durch   die   französischen  Kanäle  nach  Straßburg  und  Mühl- 

Waidling,  Abb.  114  bis  116. 


Abb.  114.     Ansicht  1:300. 


Abb.  115.  Bugansicht  i :  100.      Abb.  116.  Querschnitt  i  :  100. 

hausen  bringen  und  dann  den  Rückweg  auf  dem  Rhein  nehmen,  nament- 
lich wenn  sie  in  den  Ruhrhäfen  Kohlen  für  Belgien  laden  wollen.  Das  sind 
aber  Ausnahmen.  Die  Größe  der  Schiffe  wird  durch  die  Abmessungen  der 
Schleusen  bestimmt,  die  meistens  eine  nutzbare  Länge  von  38,5  m  uild  eine 
nutzbare  Breite  von  5,2  m  bis  5,3  m  haben.  Da  diese  Wasserstraßen  mit 
Frankreich  in  Verbindung  stehen,  findet  man  auf  ihnen  häufig  auch  die 
französischen  Kanalschiffe,  deren  größte  Abmessungen  38,5  m  in  der 
Länge  und  5  m  in  der  Breite  sind. 

25.  Die  Penische,  das  flämische  Kanalschiff,  auch  kurz  Flamänder') 
genannt  (Abb.  117  bis  119),  ist  das  auf  den  elsaß-lothringischen,  den  fran- 
zösischen und  den  belgischen  Kanälen  am  häufigsten  vorkommende  Schiff. 
Es  ist  meistens  38,5  m  über  alles  lang  und  hat  eine  größte  Breite  von  5  m 
bis  5,06  m.  Früher  baute  man  die  Penischen  nur  aus  Holz  und  bevor- 
zugte Eichenholz;  neuerdings  werden  sie  auch  aus  Eisen  und  Stahl,  aber 
meistens  mit  hölzernem  Boden  hergestellt.     Sie  werden  offen  oder  gedeckt 


i)  Im  Flämischen  auch  »WaaU  genannt. 


.  Große,  Fonn  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


303 


gebaut.   Der  Leertiefgang  ist  bei  hölzernen  Schiffen  28  bis  32  cm,  bei  stäh- 
lernen  32  bis  35  cm.     Die  kleinste  Seitenhöhe  ist   z,z    bis  2,6  m.     Bei  der 
auf  den  elsäOischen  und  französischen  Hauptkanälen  größten  zulässigen  Tauch- 
tiefe von  1,8  m   beträgt  die  Tragfähigkeit  meistens   280  bis 
300  t,  bei  einer  Tauchtiefe  von  2  m:   315  bis  350  t,  je  nach 
der  Völligkeit'].     Diese  ist  im  Verhältnis   zu    allen  anderen 
Binnenschiffen  auDerordentlich  groD.   Der  VöUigkeitsgrad  der 
Verdrängung  schwankt  zwischen  0,96  und  0,99,  ebenso  wie 
der  VöUigkeitsgrad  des  Eichraums. 

Unser  Beispiel  zeigt  eine  hälieme,  gedeckte 
Feniscbe  von  38,6  m  Länge,  S™  Breite  und 
1,6  m  Hühc.  Alle  Schiffe  haben  senkrechte 
WXnde ;  die  vier  senkrechten  Kanten  sind  nach 
einem  Kreisbogen  abgerundet.  Vorsteven  (»Naä- 
holn)  und  Hintersteven  (•KielboU-)  stehen  senk- 
recht. Der  Bug  ist  öfters  oben  nach  innen  ge- 
ItrUmmt:  Der  Steven  tritt  vor  und  bildet  eine 
Nase,  die  seitlich  durch  wagereehte  Hälier. 
die  der  Franzose  »Schnurrbart'  nennt,  versteift 
werden.  An  dem  Hintersteven  hingt  n-ittels 
Fingerlingen  das  große,  unten  4  bis  3  m  lange 
Stenerruder,  daa  nm  eine  senkrechte  Achse  ta- 
sainmengeklappt  wird,  wenn  das  Schiff  in  eine 
Schleuse  flUirt.  Das  zusammengeklappte  Ruder 
wird  dabei  nm  90°  gedreht.  Der  Boden  hat  in  - 
der  Regel  keinen  Sprung,  wird  aber  zuweilen  " 
vom   ein   wenig   angehoben;   dagegen  zeigt  das       '£  § 

Deck  meistens  einen  Sprung.    Ringsum  läuft  ein       ^  !? 

etwa   40  cm  breiter  Bordgaog,  an   den  sich  ein       '"  " 

30  cm    hoher   Tennebaum    anscbiiel^t,    der   dos       ^  -b 

Tafeldeck  trigt.   Dies  ist  ebenso  aageordoel  wie       <  'S 

bei  den  Kurischen  Reisek Urnen  (1)1  d.  h.  die  Rinn-        v  < 

Sparren  sind   gebogen   (Kinnbogeo)   und   e1>enso        u 
die  Lukendeckel,  während  l.ukenbalken  zur  Unter-       'g  t 

stutmog  in  der  Mitte  fehlen.     Meistens  ist  vom       1^ 
und  hinten  je  ein  großer  Laderaum  angeordnet,       _g  -a 

während  sieh   in  der  Mitte   eine  Kajüte  (wie   in        %  "^ 

der  Abbildung)  oder  der  Pferdestall  befindet,  der  J 
gewöhnlich  etwa  4  m  lang  ist  und  von  Bord-  tb 
gang  zu  Bordgang  reicht.  Zuweilen  ist  daim 
noch  eine  Kajüte  neben  den  Stall  gebaut;  mei- 
stens werden  aber  nur  die  Räume  unter  dem 
Vor-  und  Hinterdeck  dazu  benutzt.  Die  Schiffer 
fiibren  oft  ihre  eigenen  Treidelpferde,  eines  oder 
zwei,  mit  an  Bord;  ausnahmsweise  werden  Esel 
verwendet.  Znm  Ein-  und  Ansbringen  der  Pferde 
nach  dem  Leinpfade  dient  eine  hölzerne  Brücke, 
die  etwa  1,3  m  breit  aus  l  Balken  besteht  und 
mit  Brettern  und   aufgenagelten  Leisten   bedeckt 

1)  Wegen  der  Formen  der  französischen 
KanalscbifTe  vergleiche  De  Mas,  Recherches 
eipfrimentales  sur  le  matiriel  de  la  batellerle. 
Paris  1897. 


304  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

ist.  Nach  Gebrauch  "wird  diese  Brücke  auseinander  genommen  und  auf  Deck  gelegt.  Die 
Penische  ist  meistens  mit  einem  Mast  ausgerüstet;  der  selten  zum  Segeln,  gewöhnlich  nur  zum 
Treideln  benutzt  wird.  Anker  und  Ankerwinden  werden  in  der  Regel  nicht  gefuhrt,  dafür  aber 
oft  ein  hölzernes  Spill  im  Vorschiff.  Der  höchste  Punkt  des  Schiffes  ist  das  Helmholz  des 
Steuerruders,  das  3,5  m  bis  3)7  m  über  der  Leerlinie  liegt. 

Es  gibt  viele  Arten  von  Penischen,  die  zuweilen  nach  den  Orten  bezeichnet  sind,  wo  sie 
meistens  gebaut  werden,  z.  B.  die  Penischen  von  Tournai.  Wenn  die  Schiffe  weniger  Sprung  im 
Deck  und  Boden  haben  und  weniger  gewölbt  im  Bug  und  Heck,  also  noch  kastenförmiger  sind, 
nennt  man  sie  in  Belgien  >Chaland«.  Wenn  der  Bug  etwas  nach  vom  geneigt  ist,  ähnlich  wie 
beim  Waidling  (24),  aber  nicht  so  flach,  so  nennt  man  das  Schiff  >Biland«,  flämisch  >Bijlander<, 
französisch  >661andre«.  Wenn  das  Vorschiff  mehr  abgerundet  ist  und  in  einen  etwas  ge- 
neigten Vorsteven  ausläuft,  ähnlich  wie  bei  den  Oder-  und  Eibschiffen,  dann  nennt  man  das 
Schiff  in  Belgien  »Pointu«.  Diese  beiden  letzteren  Arten  sind  nicht  so  völlig  wie  die  eigent- 
liche Penische  und  werden  in  der  Regel  auch  in  etwas  kleineren  Abmessungen  mit  Tragfähig- 
keiten von  160  bis  280  t  gebaut. 

26.  Das  Straßburger  Kanalschiff')  wird  in  denselben  Abmes- 
sungen wie  die  Penische  gebaut,  aber  nicht  so  völlig.  Der  Boden  ist  an 
den  Enden  meistens  etwas .  gehoben  und  das  Deck  hat  wenig  Sprung.  Bug 
und  Heck  haben  nahezu  h^lbzilindrische  Formen  und  senkrechte,  vom  zu- 
weilen etwas  gekrümmte  Steven,  ähnlich  wie  der  Bug  der  Oder-  und  Elb- 
schifTe  (z.  B.  Abb.  53).  Der  Völligkeitsgrad  der  obersten  Wasserlinie  (bei 
1,8  m  Tauchtiefe)  ist  darum  kleiner  als  bei  den  Penischen:  etwa  0,97  gegen 
0,99,  und  der  Völligkeitsgrad  des  Eichraums  beträgt  nur  etwa  0,96.  Diese 
Schiffe  haben  aber  den  Vorzug,  daß  sie  besser  steuern  und  einen  kleineren 
Widerstand  bei  der  Fortbewegung  zeigen.  Sie  werden  neuerdings  häufig 
aus  Stahl  mit  Holzboden  hergestellt.  Der  Leertiefgang  ist  im  Durchschnitt 
30  cm.  Das  Steuer  bildet  nicht  ein  so  volles  Trapez  wie  bei  der  Penische, 
sondern  ist  in  gefälliger  Weise  ausgerundet,  aber  gleichfalls  zum  Zusammen- 
klappen eingerichtet.  Im  übrigen  unterscheiden  sich  die  Straßburger  Schiffe 
nicht  von  den  Penischen. 

27.  Die  Kadole  (Abb.  120  bis  122)  ist  ein  Kanalschiff,  dessen  Heck 
durch  eine  senkrechte,  ebene  Wand  gebildet  wird,  an  der  sich  in  der  Regel 
zwei  bis  drei  Steuerruder  befinden.  Die  Abmessungen  richten  sich  wie  bei 
den  übrigen  Kanalschiffen  nach  den  Schleusen.  Die  Kadolen  sind  meistens 
offene,  hölzerne  Schiffe,  deren  Boden  und  Wände  mit  Senteleisen  und  Moos 
gedichtet  sind.  Sowohl  der  Pferdestall  wie  die  Kajüte  sind  oft  nicht  fest  in 
das  Schiff  eingebaut,  sondern  bewegliche  Hütten,  namentlich  bei  den  fran- 
zösischen Kadolen  (»Toue«),  die  von  der  Saone  aus  dem  Departement  Doubs 
stammen  (Abb.  1 20).  Diese  Schiffe  haben  ein  prahmartig  aufgebogenes,  aber 
stärker  gekrümmtes  Vorschiff,  ähnlich  wie  die  Waidlinge  (24).  Die  darge- 
stellte Kadole  ist  36,85  m  über  alles  lang,  5,02  m  breit  und  in  der  Mitte 
2,08  m  hoch.  Die  Tragfähigkeit  ist  bei  1,8  m  Tauchtiefe  250  bis  270  t.  Der 
Leertiefgang  beträgt  28  cm,  der  Völligkeitsgrad  der  Verdrängunjg  0,97.  Der 
Boden  ist  am  Heck  etwas  angehoben.    Die  beiden  durch  eine  Stange  zwischen 


i]  Zuweilen  auch  »Champenois«  genannt. 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


305 


den  Helmhölzern  verbundenen  Ruder  werden  im  beladenen  Zustande  benutzt, 
während  bei  leerem  Schiffe  nur  ein  Mittelruder  gebraucht  wird. 

Wenn  die  Kadole  im  Vorschiff  zugeschärft  wird,  so  daß  sie  nahezu  halb- 
zilindrische  Form  bekommt,  und  mit  einem  meistens  etwas  gekrümmten  Vor- 
steven versehen  wird,  nennt  man  sie  Spitzkadole*)  (in  Frankreich  >Flüte«). 
Der  Boden  wird  vorn  ziemlich  stark  angehoben  (Abb.  121);  das  Hinterschiff 
ist  ebenso  wie  bei  den  anderen  Kadolen  gebaut.  Der  VöUigkeitsgrad  der 
Verdrängung  ist  dann  0,95. 

Kadolen,  Abb.  120  bis  122. 


Giiindriß.  Heck. 


Abb.  122.     St.  Dizier-Schiff  i  :  300. 


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5.0 
Heck. 


Bug. 


Abb.  121.     Spitzkadole  1:300. 


SO- 
Bug. 


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4. 


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Wenn  das  Hinterschiff  der  Spitzkadole  namentlich  im  unteren  Teile  stark 
zusammengezogen  und  nur  noch  ein  Steuerruder  an  einem  Hintersteven  an- 
geordnet wird  (Abb.  122),  nennt  man  sie  ein  St.  Dizier-Schiff,  weil  diese 
Schiffe  dort  an  der  Marne  meistens  gebaut  werden.  Der  Boden  wird  am  Heck 
in  der  Regel  stark  angehoben  und  der  VöUigkeitsgrad  sinkt  auf  0,94.  In 
Frankreich  werden  diese  Schiffe  oft  gleichfalls  Flute  genannt.  Eine  Eigentüm- 
lichkeit ihrer  Bauart  besteht  darin,  daß  die  Bordwände  durch  von  innen  auf- 
genagelte Leisten  gedichtet  werden. 

28.  Das  hölzerne  Neckarschiff  (Abb.  123  bis  125)  ist  35,2  m  über 
alles  lang,  hat  eine  größte  Breite  in  der  Mitte  von  5,2  m  und  eine   kleinste 


1)  Zuweilen  auch  »Rackette«  genannt. 
Teubcrt,  Binacnschiffahrt. 


20 


Abb.  124.    Gmudriß  i  1300. 


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Abb.  izj.     Querschnitt  1  :  100. 

Stihleraes  NeckancbilT,  Abb.  116  bb  138. 
Abb.  136.     Anseht  1:350. 


Abb.  127.     UrundriU  l  ;  350, 


Hölzernes  Mainschiff,  .Abb.  129  bis  131. 
Abb.  txg.     l.Sngsschnitt  i  :  zoo. 


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Abb.  130.     Grundriß  i 


Abb.  13c.     Querschniti   i  :  So. 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe.  307 

Seitenhöhe  von  1,02  m  bis  zum  Schandeck.  Der  Leertiefgang  ist  25  cm.  Bei 
einer  Tauchtiefe  von  i  m  ist  die  Tragfähigkeit  iio  t,  der  VöUigkeitsgrad  des 
Eichraums  also  0,83.  Die  äuDere  Form  hat  Ähnlichkeit  mit  dem  oberrheini- 
schen Holzschifr(23). 

Der  Boden  ist  vorne  kaifenartig  aufgebogen  und  läuft  in  einen  Schnabel  aus,  der  Boden 
hat  hinten  keinen  Sprung,  das  Heck  ist  abgerundet  und  mit  senkrechtem  Steven  versehen,  an 
dem  das  feste  Ruder  hängt.  Das  Deck  hat  großen  Sprung  wie  die  Rheinschiffe.  Das  Mittel* 
schiff  hat  Ablauf  nach  vorne  und  nach  hinten,  wo  die  größten  Breiten  nur  5,15  und  5  m  betragen. 
Die  Bordwände  sind  im  Querschnitte  stark  genmdet,  so  daß  die  Breite  im  Boden  vorne  und  in 
der  Mitte  3,45  m,  hinten  3,3  m  beträgt.  Rings  um  das  Schiff  läuft  ein  25  cm  breites  Schan- 
deck, an  das  sich  ein  30  cm  hoher  Tennebaum  anschließt;  das  Plattendeck  ist  nach  rheinischer 
Bauart  angeordnet.  Der  27,7  m  lange  Laderaum  ist  durch  7  Duchten  (Gebinde)  in  Abständen 
von  3,5  bis  4,5  m  versteift.  Im  Vorschiff  befindet  sich  unter  Deck  ein  Mannschaflsraum ,  im 
Hinterschiff  eine  höhere  Kajüte. 

29.  Das  stählerne  Neckarschiff  (Abb.  126  bis  128J  hat  eine  Länge 
zwischen  den  Loten  von  42  m,  eine  größte  Breite  von  6  m  und  eine  kleinste 
Seitenhöhe  bis  zum  Stringer  von  1,2  m.  Der  Leertiefgang  ist  30  cm.  Bei 
einer  Tauchtiefe  von  1,2  m  beträgt  die  Tragfähigkeit  etwa  200  t,  der  VöUig- 
keitsgrad des  Eichraums  also  0^90.  Die  äuDere  Form  ähnelt  durchaus  den 
neueren  Rheinschiffen. 

Das  Mittelschiff  hat  nach  beiden  Enden  etwa  20  cm  Ablauf,  der  Boden  zeigt  keinen,  das 
Deck  sehr  großen  Sprung,  das  Schiff  hat  keine  Lehnung  und  runde  Kimm.  Bug  und  Heck  sind 
unter  Wasser  keilförmig.  Das  übergebaute  Heck  trägt  den  Steuerstuhl,  genau  wie  bei  den  Rhein- 
schiffen. Durch  4  Schottwände  werden  3  Laderäume  abgeteilt,  vorne  und  hinten  sind  Kajüten 
unter  Deck  und  außerdem  eine  hinten  aufgebaute  Roef.  Bei  dem  Mastköcher  sind  geräumige 
Herfte  angebracht 

Die  Abmessungen  der  Neckarschiffe  sind  von  Mannheim  bis  Heilbronn  durch  keine  Schleusen 
begrenzt.  Die  größten,  jetzt  dort  verkehrenden  Schiffe  sind  48,5  m  lang,  7,5  m  breit  und  haben 
eine  Tragfähigkeit  von  400  t.  Oberhalb  Heilbronn  sind  die  Schiffe  meist  nur  36  m  lang  und 
4.2  m  breit,  weil  die  dort  vorhandenen  Schleusen  eine  nutzbare  Länge  von  39,5  m  und  eine 
nutzbare  Breite  von  4,58  m  haben. 

30.  Das  hölzerne  Mainschiff  (»Scheich«,  Abb.  129  bis  131)  hat  Ähn- 
lichkeit mit  dem  hölzernen  NeckarschifT,  aber  einen  etwas  anderen  Querschnitt. 
Es  ist  offen,  hat  eine  Länge  über  alles  von  25  m,  eine  größte  Breite  von 
3,56  m,  eine  kleinste  Seitenhöhe  in  der  Mitte  (einschließlich  der  Dicke  der 
Sohlbretter  und  des  Schandecks)  von  0,97  m  und  trägt  bei  einer  Tauchtiefe 
von  0,9  m  etwa  50  t.  Bug,  Heck  und  Steuer  entsprechen  dem  hölzernen 
Neckarschiff  und  dem  oberrheinischen  Holzschiff. 

Das  Mittelschiff  hat  nach  vom  15  cm,  nach  hinten  20  cm  Ablauf,  dort  also  nur  obere 
Breiten  von  3,35  m  und  3,3  m  über  den  Spanten.  Der  Querschnitt  zeigt  von  oben  bis  etwa 
zur  halben  Höhe  senkrechte  Bordwände,  dann  aber  nach  unten  eine  sehr  starke  Lehnung  (etwa 
40°  zur  wagerechten  geneigt),  so  daß  die  Breite  des  Bodens  nur  2,5  m  beträgt.  Dieser  besteht 
ebenso  wie  die  Bordwände  aus  35  mm  dicken  eichenen  Bohlen,  die  unten  durch  3  Sohlbretter 
und  seitlich  noch  durch  2  aufgenagelte  »Wangen«  verstärkt  sind.  Die  80—90  mm  starken  Spanten 
(Knie)  bestehen  aus  einem  Stück  mit  der  Bodenwange  und  werden  abwechselnd  auf  Backbord- 
und  Steuerbordseite  versetzt,  liegen  also  nicht  in  derselben  Querschnittsebene  wie  beim  Eisenbau 
oder  beim  Holzbau  an  den  östlichen  Wasserstraßen.  Rings  um  das  Schiff  läuft  ein  170  mm 
breites,  40  mm  starkes  Schandeck,  das  binnenschiffs  auch  über  das  Futter  oder  die  »Remme« 
reicht,  wie  man  am  Rhein  die  obere  innere  Bordverkleidung  nennt,  die  dem  Schiffe  eine  gewisse 
Längs  Versteifung  gibt.    Die  Duchten  sind  durch  Schraubenbolzen  mit  den  Bordwänden  verbunden. 

20* 


308 


Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


im  Vorschiff  befindet  sich  ein  festes  Deck,  unter  dem  Geräte  aufbewahrt  werden,  hinten  ist  eme 
kleine  Kajüte  angeordnet.  Die  größeren  Holzschiffe  sind  mit  Plattendeck  versehen.  Kleine 
Scheiche  werden  zuweilen  »Schlumper«  genannt,  und  größere  bis  zu  120  t,  aus  weichem  Holz 
und  leicht  gebaut,  heißen  Zillen.     Sie  befahren  auch  den  Ludwigkanal. 

31.  Das  Stählerne  Mainschiff  (Abb.  132  bis  134)  hat  eine  Länge  über 
alles  von  41  m,  eine  größte  Breite  von  6,4  m  über  den  Spanten,  eine  kleinste 
Seitenhöhe   bis   zum  Stringer  von    1,1  m   und  bei  gleicher  Tauchtiefe  eine 


Stählernes  Mainschiff,  Abb.  132  bis  134. 

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Abb.  133.     Grundriß  l  :  400. 


Abb.  134.     Querschnitt  i :  100. 


Tragfähigkeit  von  etwa  200  t. 
Der  Leertiefgang  ist  30  cm. 
Das  Schiff  ist  dem  stählernen 
Neckarschiffe  in  den  Abmes- 
sungen ziemlich  ähnlich.  Das 
Hinterschiff  nebst  dem  Steuer- 
ruder ist  aber  in  den  völlisreren 


Formen  des  vorbeschriebenen  Holzschiffs  ausgeführt,  wenngleich  neuerdings 
einige  stählerne  Schiffe  auch  in  dieser  Beziehung  genau  nach  Art  der  Rhein- 
sghiffe  gebaut  werden. 

Das  Mittelschiff  hat  nur  hinten  einen  Ablauf  von   30  cm,   die  Kimm   ist  rund,   der  Boden 

hat   keinen   Sprung,    dagegen    das  Deck    einen    bedeutenden.     Der  ringsum   laufende  Bordgang 

Stringer)  ist  0,4  m  breit,   der  Tennebaum  0,5  m   hoch.     Durch  3  Schottwände   sind  2  Kajüten 

und  2  Laderäume  abgeteilt,  die  durch  Duchten  versteift  werden.    Am  mittelsten  Schott  bei  dem 

Lademast  ist  eine  große,  vom  am  Ende  des  Laderaums  noch  eine  kleine  Herft  angeordnet. 

32.  Das  Lahnschiff  (Abb.  135  bis  137)  ist  in  seinen  Abmessungen  durch 
die  Größe  der  Schleusen  begrenzt,  die  eine  nutzbare  Länge  von  32,64  m  und 
eine  nutzbare  Breite  von  5,34  m  haben.  Aus  Abb.  136,  wo  das  Schiff  in 
der  Schleuse  liegend  dargestellt  ist,  erkennt  man,  wie  es  möglich  ist,  durch 
diese  Schleuse  mit  Schiffen  von  34,2  m,  über  alles  gemessen,  zu  fahren  und 
doch  noch  das  Steuerruder  in  die  Schleuse  zu  bringen.  Die  größte  Breite 
beträgt  5,2  m,  die  im  Hinterschiffe  auf  5,15  m  abnimmt.  Die  kleinste  Seiten- 
höhe ist  1,45  m,  der  Leertiefgang  30  cm,  die  größte  Tauchtiefe  1,25  m  mit 
190  t  Tragfähigkeit. 

Das  dargestellte  Schiff  ist  aus  Eichenholz  hergestellt.  Die  P^omien  von  Bug  und  Heck  sind 
ähnlich  wie  der  Bug  des  oberrheinischen  HolzschifTs  und  der  hölzernen  Neckar-  und  MainschifTe : 


I.  Grobe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


309 


halb  Kaffe,  halb  LöfTel.  Die  Schandecklinie  ist  mittschifTs  wagerecht  und  am  Bug  und  Heck 
aufgebogen.  Der  Querschnitt  zeigt  eine  Lehnung  von  20  cm,  so  daß  die  Bodenbreite  4,8  m  be- 
trägt. Die  hölzernen  Spanten  sind  gegeneinander  versetzt  und  besondere  Bodenwrangen  fehlen, 
wie  beim  hölzernen  Mainschiflf.  Die  Beplankung  ist  4  cm  stark,  besondere  Sohlbretter  und 
Wangen  fehlen.    Die  Wegerung  ist  gleichfalls  4  cm  stark  sowie  auch  das  24  cm  breite  Schandeck, 


Hölzernes  Lahnschüf,  Abb.  135  bis   137. 

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Abb.  136.     Grundriß  von  Schiff  und  Schleuse   i  :  300. 


an  dem  binnenschiffs  eine  30  cm  hohe,  ebenso 
starke  senkrechte  Windlatte  angeordnet  ist. 
Der  Laderaum  ist  offen  und  durch  7  Duchten 
versteift,  im  Vor-  und  Hinterschiffe  befinden 
sich  kleine  Kajüten.  Im  Laderaum  sind  außer- 
dem noch  2  Herfte  angeordnet.  Das  Ruder 
hat  eine  eigentümliche  Gestalt:  Der  senk- 
rechte Ruderschaft  ist  im  oberen  Teil  ab- 
gerundet und  durch  die  Hinterkaffe  hindurch- 
geführt; mit  dem  Helmstock  ist  eine  Ver- 
steifung aus  gebogenem  Holz  verbunden,  die 
zum  hinteren  Teil  des  Ruders  hinunterführt. 
Das  Ruderblatt  sowie  der  Helmstock  können 
mittels  je  eines  (ielenkes  umgeklappt  werden, 
wenn  das  Schiff  in  der  Schleuse  liegt. 


Abb.  137.     Querschnitt  i  :  100. 


33.  Das  Moselschiff  (Abb.  138  u.  139)  ist  innerhalb  Preußens  und 
Luxemburgs  bisher  in  seinen  Abmessungen  durch  Schleusen  nicht  beschränkt 
und  es  verkehren  jetzt  dort  Schiffe  bis  zu  55  m  Länge ^  5j35  ni  Breite 
und  800  t  Tragfähigkeit;  die  Mehrzahl  hat  aber  Tragfähigkeiten  von 
200  bis  300  t  und  ist  aus  Stahl  gebaut.  Unser  Beispiel  zeigt  ein  solches 
Schiff  von  43,4  m  Länge  über  alles,  5,64  m  größter  Breite,  1,9  m  Seiten- 
höhe und  24  cm  Leertiefgang,  das  bei  1,44  m  Tauchtiefe  eine  Tragfähigkeit 
von  218  t  hat. 

Die  Form  des  Bugs  ist  die  gleiche  wie  bei  dem  stählernen  Mainschiff  und  Neckarschiff, 
das  Heck  hat  unter  Wasser  Keilform,  ist  aber  nicht  übergebaut.  Der  Vorsteven  ist  geneigt,  der 
Hintersteven  senkrecht  und  trägt  das  feste  Ruder.  Das  Schiff  hat  keine  Lehnung,  runde  Kimm 
und  keinen  Sprung  im  Boden.    Auch  die  Decklinie  ist  nur  an  den  Enden  gehoben.    Das  Mittel- 


310 


Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


schiff  hat  Ablauf  nach  vom  und  hinten,  so  daß  dort  die  Breite  5,40  m  beträgt.  4  Schottwände 
teilen  3  Laderäume  von  je  11,6  m  Länge  und  2  Kajüten  ab.  Der  Tennebaum  und  das  Platten- 
deck sind  wie  bei  den  Rheinschiffen  angeordnet.  Bei  dem  Mastköcher  befinden  sich  2,  bei 
der  anderen  mittleren  Schottwand  noch  eine  dritte  Herft.  Mehrere  stählerne  Moselschiffe  sind 
auch  ganz  nach  der  Art  der  Rheinschiffe  mit  übergebautem  Heck  und  Steuerstuhl  gebaut 


Stählernes  Moselschiff,  Abb.  138  und  139. 


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Abb.  138.     Ansicht  mit  Querschnitt  1  :350. 


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Abb.  139.     Grundriß  1  :  350. 

Die  Zahl  der  hölzernen  Moselschiffe  nimmt  allmählich  ab.  Sie  sind  hinsichtlich  der 
Formen  des  Bugs,  des  Hecks  und  des  Steuers  wie  die  Lahnschiffe  (32)  gebaut.  Da  sie  aber  im 
allgemeinen  durch  keine  Schleusen  in  ihren  Abmessungen  beschränkt  werden,  sind  Vor-  und 
Hinterschiff  mehr  zugespitzt  und  höher  aufgebogen.  Auch  der  Querschnitt  ist  nicht  so  völlig  wie 
beim  Lahnschiff,  zeigt  vielmehr  eine  Muldenform  wie  das  oberrheinische  Holzschiff  (23).  Die 
Bauart  ist  sonst  dieselbe;  oft  wird  über  dem  Mittelschiff  noch  eine  halb  versenkte  Kajüte  (Roef) 
aufgebaut  und  der  Laderaum  mit  einem  Plattendeck  geschlossen. 


Hölzernes  Saarschiff,  Abb.  140  bis  142. 

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Abb.  142.    i:  150 


Abb.  141.   Bug  1 1300. 


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34.  Das  Saarschiff  (Abb.  140  bis  142).  Die  auf  den  Wasserstraßen  der 
Saar  verkehrenden  Holzschiffe  sind  im  allgemeinen  ebenso  gebaut  wie  die 
vorstehend  beschriebenen  hölzernen  Moselschiffe.  Auf  der  preußischen  kanali- 
sierten Saar  sind  die  Abmessungen  durch  die  Schleusen  begrenzt,  die  eine  nutz- 
bare Länge  von  40,8  m  und  eine  nutzbare  Breite  von  6,6  m  haben,  während 
in  Elsaß-Lothringen  die  Schleusen  sowohl  in  der  kanalisierten  Saar  als  auch 
im  Saarkanal  Abmessungen  von  38,5  m  und  5,2  m  haben  (S.  113).     Um  die 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


311 


Schleusen  vorteilhaft  auszunutzen,  ist  das  hölzerne  Moselschiff  völliger  gemacht 
worden,  indem  der  runde  Boden  durch  einen  flachen  mit  schwacher  Lehnung 
ersetzt  und  die  Aufbiegung  des  Bugs  und  des  Hecks  steiler  gemacht  wurde. 

Unser  Beispiel  zeigt  ein  hölzernes  Schiff  von  38,5  m  Länge  über  alles,  5  m  Breite  und  2  m 
Seitenhöhe.  Der  Leertiefgang  ist  30  cm;  bei  einer  Tauchtiefe  von  1,8  m  hat  es  eine  Tragfähig- 
keit von  270  t,  mithin  nicht  viel  weniger  als  die  Penische.  Die  Formen  des  Bugs  und  des  Hecks 
sind  beachtenswert,  wie  der  Spantenrib  (Abb.  142}  zeigt.  Es  sind  außerdem  auch  zur  Verdeutlichung 
einige  Wasserlinien  und  Schnitte  im  Grundriß  und  Aufriß  gezeichnet  worden'}.  Der  Bug  zeigt 
Löffelform,  das  Heck  eine  gerundete  Kaffe,  die  in  die  Löffelform  übergeht:  au$  dem  Spantenriß 
sind  die  Unterschiede  ersichtlich.     Der  Völligkeitsgrad  der  Verdrängung  ist  0.935. 

35.  Der  Maasspitz,  frz,  »Pointu«  (Abb.  143  bis  145)  ist  beim  Verkehr 
nach  dem  Rhein  in  seinen  Abmessungen  von  den  Schleusen  in  der  kanalisierten 
Maas,   im  Kanal  von  Lüttich  nach  Maastricht  und  im  Kanal  von  Maastricht 

Stählerner  Maasspitz,  Abb.   143  bis  145. 


Abb.  143.     Ansicht  i :  350. 


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Abb.  144.     Grundriß  i  :  350. 

nach  Herzogenbusch  (holl.  »Zuid — Willemsvaart«)  abhängig. 
Obwohl  diese  in  dem  letztgenannten  holländischen  Kanal  eine 
nutzbare  Länge  von  50  m  und  eine  nutzbare  Breite  von  7  m 
haben  (S.  151),  werden  nur  Schiffe  von  50  m  Länge  und  5  m 
Breite,  ausnahmsweise  6,6  m  Breite  zugelassen. 


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Abb.  145.    I  :  350. 


Das  dargestellte  Schiff  aus  Stahl  ist  41,2  m  über  alles  lang,  hat  eine  größte  Breite  von  5  m, 
eine  kleinste  Seitenhöhe  von  2  m,  einen  Leertiefgang  von  30  cm  und  trägt  bei  einer  Tauchtiefe 
von  1,9  m  etwa  300  t.  Der  Boden  ist  vorne  etwas  gehoben,  sonst  ohne  Sprung.  Auch  das  Deck 
zeigt  mittschiffs  wenig  Sprung.  Das  Schiff  hat  weder  Ablauf  noch  Lehnung  und  scharfe  Kimm. 
Die  Formen  von  Bug  und  Heck  sind  sehr  völlig,  das  Heck  hat'  fast  halbzilindrische  Gestalt. 
Der  Vorsteven  ist  etwas  geneigt,  der  Hintersteven  senkrecht  und  trägt  an  Fingerlingen  das  feste 
Ruder.  Das  Deck  ist  in  üblicher  Weise  mit  durchlaufenden  Bordgängen  und  Tennebaum  versehen, 
das  Plattendeck  hat  gebogene  Rinnsparren,  ohne  Lukenbalken.  Im  Hinterschiff  ist  auf  Deck  eine 
besondere  Kajüte  (Roef)  angeordnet. 

Die  älteren  eisernen  Maasspitze  haben  am  Bug  und  Heck  unter  Wasser  Keilform  und  sind 
damit  dem  stählernen  Moselschiff  (33)  ähnlich;  um  sie  aber  bei  Längen  unter  38,5  m  auch 
auf  den  französischen  Kanälen  vorteilhaft  verwenden  zu  können,  sind  sie  nicht  völlig  genug.  Man 
baut  für  diesen  Zweck  deshalb  eine  besondere  Art  Maasspitz  [von  den  Schiffern  »Fox-Terrier« 
genannt',  die  vorne  und  hinten  noch  stärker  abgerundet  ist  als  das  dargestellte  Schiff  und  deren 


l)  Es  ist   dies  ein  >preußisches  Schiff«,    das  De  Mas   bei  seinen  Versuchen   benutzt   hat. 
Vgl.  Anmerkung  auf  Seite  303. 


312 


Abschnit    TL,     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Heck  nahezu  kugelförmig  gestaltet  ist.  Diese  Art  ist  jetzt  sehr  verbreitet  und  verkehrt  auch  auf 
dem  unteren  Rhein.  Der  Maasspitz  ist  in  der  Regel  mit  Segeln  ausgerüstet,  größere  Schiffe  tragen 
auch  zwei  Mäste. 

Die  hölzernen  Maasschiffe  heißen  »Herna«  und  »Mignole«  (flämisch 
»Spitzbekc)  und  haben  mit  dem  oben  beschriebenen  LahnschifTe  (32)  Ähn- 
lichkeit hinsichtlich  der  Formen  des  Bugs  und  Hecks  sowie  des  Steuers.  Der 
Querschnitt  zeigt  meistens  starke  Lehnung,  ähnlich  wie  das  oberrheinische 
HolzschifT  (23).  Wenn  der  kaffenartig  rund  aufgebogene  Bug  vorne  abge- 
schnitten ist  wie  bei  der  Kadole  (27),  nennt  man  das  Schiff  Herna,  wenn  es 
aber  in  eine  Spitze  ausläuft,  wie  bei  dem  Lahnschiff,  nennt  man  es  Mignole. 

Das  Deck  dieser  Schiffe  ist  im  Übrigen  ebenso  angeordnet  wie  bei  dem  dargestellten  Maas- 
spitz ;  jedoch  pflegt  die  Kajüte  mittelschiffs  etwas  versenkt  aufgebaut  zu  werden.  Die  Abmessungen 
der  älteren  Schiffe  schwanken  zwischen  30  und  35  m  Länge,  4,2  m  und  5  m  Breite  und  1,6  m 
bis  1,7  m  Tauchtiefe.  Die  TragfUhigkeit  beträgt  100  bis  200  t.  Neuerdings  baut  man  sie 
meistens  38,5  m  lang,  5  m  breit  und  gibt  ihnen  völligere  Formen,  indem  namentlich  die  Lehnung 
fortfällt.  Dann  erreichen  sie  bei  1,9  m  Tauchtiefe  eine  Tragfähigkeit  von  280  t.  Zuweilen  werden 
in  neuester  Zeit  diese  Schiffe  auch  aus  Stahl  hergestellt. 

36.  Die  Tjalk  (Abb.  146  bis  148)  ist  von  allen  holländischen  und  Bra- 
banter  Segelschiffen,  die  in  dem  unteren  Rheingebiet  verkehren,  das  am  meisten 
verbreitete.     Man   findet 
die  Tjalk   auch    auf  der  ^jalk,  Abb.  146  bis  148. 

Ems  und  auf  dem  Dort- 
mund-Ems-Kanal,  wohin 
sie  durch  die  holländi- 
schen Kanäle  gelangt. 
Ihre  üblichen  Abmessun- 
gen  sind  20  m  bis  25  m 


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Abb.  146.     Ansicht  i  :  300. 


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Abb.  148.    I  :  300. 


Abb.   147.     Grundriß  i  :  300. 


Länge,  4,7  m  bis  5,5  m  Breite  (einschl.  der  Schwerter)  und  1,6  m  bis  2,2  m 
Seitenhöhe  mit  70  bis  1 50 1  Tragfähigkeit  Größere  Schiffe  sind  selten.  Der 
Leertiefgang  ist  bedeutend  und  schwankt  zwischen  60  und  75  cm'). 

Unser  Beispiel  zeigt  eine  Tjalk  von  20  m  Länge  über  alles,  5  m  Breite  (ohne  Schwerter) 
und  einer  kleinsten  Seitenhöhe  von  1,6  m.  Der  Boden  ist  flach  und  ohne  Sprung,  das  Deck  zeigt 
aber  einen  starken  Sprung.  Der  Querschnitt  hat  Lehnung  und  runde  Kimm.  Das  Mittelschiff 
hat  Ablauf  nach  vorne  und  nach  hinten.  Bug  und  Heck  zeigen  abgerundete,  aber  stumpfe  Form: 
Der  Vorsteven  ist  nach  vorne  geneigt,  oben  nach  innen  gebogen,  der  Hintersteven  ist  senkrecht 
und  trägt  mit  Fmgerlmgen  das  feste  Ruder.  Beide  Steven  (Nasholz  und  Kielholz)  sprmgen  unten 
weit  vor  dem  löffelförmigen  Bug  und  Heck  vor.  Auf  dem  festen  Deck  ist  vorne  eine  kleinere 
und  hinten  eine  größere  Luke  nebst  einer  Kajüte  angeordnet.    Die  größere  Luke  ist  mit  Tenne- 


i)  Diese   und    die    vorstehenden    Abbildungen    sind    dem  Werke    von    Dehem    entnommen. 
Fußnote  auf  Seite  292. 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  I^astschiffe.  313 

bäum  und  einem  Plattendeck  versehen,  dessen  Lukendeckel  in  der  Mitte  von  einem  Lukenbalken 
getragen  werden.  Der  Mast  ist  umlegbar  und  trägt  eine  reichliche  Takelung.  Auch  ist  das 
Schiff  mit  großen  Schwertern  ausgerüstet.  In  der  Regel  werden  die  Tjalken  aus  Eichenholz 
gebaut,  neuerdings  zuweilen  aus  Stahl. 

Ähnliche  holländische  Schiffe  sind  der  »Praam«,  der  völliger  und  mit 
weniger  Sprung  gebaut  wird,  ferner  die  kleineren  >Hoogaarts«  und  »Hengst«, 
die  aber  nur  lo  bis  12  m  lang,  3  m  bis  3,5  m  breit  sind  und  etwa  10 1  tragen. 
Von  Brabanter  Segelschiffen  sind  die  »Otter«,  die  »Schuit«  und  die  »Pleit« 
zu  erwähnen,  deren  Bauart  mit  der  der  Tjalk  ziemlich  übereinstimmt.  Die 
Otter  (20  bis  30  m  lang,  4  bis  5  m  breit  mit  70  bis  180  t  Tragfähigkeit)  ist 
davon  am  meisten  verbreitet.  Sie  zeichnet  sich  dadurch  aus,  daß  das  Heck 
über  das  Steuerruder  hochgefuhrt  ist  und  das  Helmholz  des  Ruders  durch 
diese  Wand  hindurchgeht  wie  bei  dem  kurischen  Reisekahn  (1),  mit  dem  diese 
Schiffe  auch  sonst  viel  Ähnlichkeit  haben.  Die  Pleit  hat  weniger  gekrümmte 
Formen,  fuhrt  auch  weniger  Takelung  und  erreicht  bei  35  m  Länge,  5  m 
Breite  und  2  m  Tauchtiefe  eine  Tragfähigkeit  von  270  t. 

Das  Emsgebiet  und  der  Dortmund-Ems-Kanal.  Mit  Ausnahme 
der  untersten  Strecke  der  Ems  (von  Emden  aufwärts  bis  Papenburg  und 
Herbrum)  und  der  Leda  wird  die  GröI3e  der  Schiffe  durch  die  Abmessungen 
der  Schleusen  begrenzt.  Diese  sind  in  der  aufgestauten  Ems :  165  m  nutzbare 
Länge  und  10  m  nutzbare  Breite,  in  dem  eigentlichen  Dortmund-Ems-Kanal: 
67  m  nutzbare  Länge  und  8,6  m  nutzbare  Breite,  im  Ems-Jade-Kanal: 
33  m  Länge  und  6,5  m  Breite,  in  den  Oldenburgischen  Kanälen  (z.  B. 
der  Ems-Hunte-Kanal):  29  m  Länge  und  5,2  m  Breite,  in  den  Papenburger 
Kanälen:  32  m  Länge  und  6,4  m  Breite.  Auf  dem  linken  Emsufer  haben 
die  mit  den  holländischen  Wasserstraßen  in  Verbindung  stehenden  ostfriesischen 
Kanäle,  wie  der  Haren-Rütenbrock-Kanal,  der  Süd-Nord-Kanal, 
der  Ems-Vechte-Kanal  usw.  ähnliche  Schleusenabmessungen:  33  m  nutzbare 
Länge  und  6,5  m  nutzbare  Breite.  Vor  Erbauung  des  Dortmund-Ems-Kanals 
verkehrten  auf  diesen  Wasserstraßen  die  Pünten,  Tjalken  und  andere  holländische 
Schiffe  sowie  außerdem  kleine  Küstenschiffe  und  verschiedene  Arten  von  kleinen 
Kanalschiffen,  wie  z.  B.  die  »Muttschiffe«  von  15,6  m  Länge,  4  m  Breite  und 
30  t  Tragfähigkeit  auf  den  Papenburger  Kanälen.  Wir  beschäftigen  uns  nur 
mit  den  Schiffen  auf  dem  Dortmund-Ems-Kanal. 

37.  Die  Pünte  (Abb.  149  bis  151)  ist  ein  leicht  gebautes,  in  der  Regel 
offenes  Holzschiff,  das  besonders  in  Haren  an  der  Ems  gebaut  wird.  Die 
dargestellte  Pünte  ist  eine  der  größten  mit  26,2  m  Länge  über  alles,  5,68  m 
Breite  und  2,1  m  kleinster  Seitenhöhe.  Sie  hat  einen  Leertiefgang  von  35  cm 
und  bei  einer  Tauchtiefe  von  1,75  m  eine  Tragfähigkeit  von  etwa  180  t.  Es 
sind  aber  viele  kleinere  vorhanden,  die  bei  einer  Tauchtiefe  von  1,1  m  nur 
90  t  Tragfähigkeit  besitzen. 

Die  zum  Segeln  eingerichteten  Schiffe  haben  flachen,  hinten  etwas  gehobenen  Boden  mit 
starkem  Ablauf  des  Mittelschiffe  nach  hinten  und  nach  vorne.      Der  Querschnitt  zeigt   Lehnung 


314 


Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


und  scharfe  Kimm.  Das  Hinterschiff  ist  zugespitzt  und  mit  senkrechtem  Steven  versehen,  an 
dem  das  Steuerruder  hängt.  Das  Vorschiff  ist  prahmartig  aufgebogen,  ähnlich  wie  der  Waidling  (24) 
und  am  Bug  auf  2,5  m  Breite  zusammengezogen.  Diese  Anordnung  wird  beim  Treideln  ver- 
wendet, um  das  Pferd  an  Bord  zu  nehmen  und  an  das  andere  Ufer  überzusetzen,  wenn  der 
Leinpfad  das  Ufer  wechselt.  Im  Hinterschiff  ist  eine  Kajüte  eingebaut.  Die  Lebensdauer  ist 
auf  22  bis  25  Jahre  anzunehmen. 

Pünte,  Abb.  149  bis   151. 


Abb.  149.     Ansicht  i  :  300. 


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1 


Abb.  151.  Querschnitt  i :  300. 


Abb.  150.     Grundriß   i  :  300. 

38,  Das  Kanalschiff  aus  Stahl  mit  keil- 
förmigem Bug  und  Heck  (Abb,  152  bis  154)  ist  jetzt 
die  bevorzugte  Schiffsform.  Das  dargestellte  Schiff 
hat  eine  Länge  von  65,1  m  zwischen  den  Loten  und 
von  66,5  m  über  alles,  eine  Breite  von  8,09  m  über 
den  Spanten  und  von  8,2  m  über  den  Scheuer- 
leisten, sowie  eine  kleinste  Seitenhöhe  bis  zum  Stringer  von  2,3  m.  Bei  einer 
Tauchtiefe  von  2  m  hat  es  eine  Tragfähigkeit  von  750  t.  Bei  2,3  m  Tauchung 
würde  sie  900  t  betragen.  Es  ist  nach  Art  der  großen  Rheinschiffe  ohne 
Lehnung,  ohne  Ablauf  im  Mittelschiff,  ohne  Sprung  im  Boden,  mit  runder  Kimm 
nach  einem  Halbmesser  von  500  mm,  mit  übergebautem  rundem  Heck  und 
mit  festem  Steuerruder  gebaut.  Der  Leertiefgang  beträgt  im  Mittel  45  cm, 
die  höchsten  Teile  des  Schiffes  ragen  nicht  mehr  als  3,8  m  darüber  hinaus. 

Die  65  •  50  •  6,5  mm  starken  Spanten  haben  im  Hinterschiff  und  Mittelschiff  einen  Abstand 
von  550  mm,  im  Vorschiff  von  350  mm.  An  jedem  Spant  befindet  sich  eine  240  •  6  mm  starke 
Boden  wränge,   die  oben  mit  einem  Winkel   von  55 -55 -6  mm  gesäumt   ist.     An  den   Rahmen- 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


315 


Spanten  haben  die  Bodenwrangen  doppelte  Winkel 
in  jedem  Laderäume,   sind  200  •  6  mm  stark  und 
gesäumt.     Der  Boden  wird  durch  3  vollständige 


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.  Diese  Rahmenspanten  befinden  sich  zu  zweien 
biunenschiffs  mit  2  Winkeln  von  SS  '  5S  '  ^  ^^^ 
Kielschweine  verstärkt,  die  aus  6  mm  starken, 
oben  mit  2  Winkeln  von  ^o  -  So  •  6  mm  und 
unten  durch  einen  von  65  •  So  ■  6,S  mm  ge- 
säumten Blechen  bestehen.  Der  7  So  mm  breite 
Stringer  (Bordgang)  ist  7  mm  stark,  mit  der 
Bordwand  durch  einen  80  •  80  •  8  mm  starken 
Stringerwinkel  und  mit  dem  senkrechten  Tenne- 
baum durch  einen  65  •  65  •  6.S  mm  starken  Win- 
kel verbunden.  Der  7  mm  starke  Tennebaum 
reicht  400  mm  über  Deck  und  i  So  mm  unter 
Deck,  wo  er  an  der  Unterkante  der  Deckbalken 
umgebogen  ist.  Oben  ist  er  durch  einen 
SS  •  50  •  6  mm  starken  Winkel  zum  Auflegen 
der  Rinnsparren  verstärkt.  Von  der  Außenkant 
sind  der  Kimmgang  9  mm,  der  Scher-  und 
Kielgang  8  mm,  die  übrigen  Boden-  und  Seiten- 
gänge 7  mm  stark.  Im  Vorschiff,  auf  9  m  Ent- 
fernung vom  Steven  sind  aber  die  letzteren  von 
200  mm  unter  dem  Leertiefgang  bis  200  mm 
über  der  Tief  ladelinie  auch  8  mm  stark.  Die 
Scheuerleiste  (Rergplatte)  besteht  aus  einem 
200  •  10  mm  starken  Bleche  mit  einem  Halb- 
run dstahl  von  78-26  mm.  Durch  4  wasser- 
dichte, mit  Winkeln  versteifte  Schotte  von  5  mm 
Stärke  i^)  werden  3  Laderäume  und  2  Kajüten 
abgeteilt.  Die  beiden  äußersten  Schotte  reichen 


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316 


Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


bis  unter  das  Vor-  und  das  Hinterdeck,  die  beiden  mittleren  tragen  schmale  Deckfiiichen  von  je 
1,1  m  Breite,  zwbchen  denen  ebenso  wie  auf  den  Rheinschiffen  Herfte  angeordnet  sind.  Femer 
sind  noch  2  solcher  Herfte  am  vorderen  Ende  des  vordersten  und  am  hinteren  Ende  des  hinter- 
sten Laderaums  angeordnet,  die  zur  Aufbewahrung  von  Geräten  und  dgl.  dienen.  Die  Herft- 
wände  aus  Stahl  tragen  Schuhe  zum  Auflegen  der  Lukenbalken.  Die  3  großen  Laderäume 
werden  durch  je  2  Duchten  (Gebinde)  in  je  3  Teile  zerlegt  (d\  die  durch  bewegliche  Holz- 
schotte abgeschlossen  werden  können.  Diese  Duchten  mit  X- Querschnitt  sind  gekrümmt,  seitlich 
in  Gleitbahnen  am  Tennebaum  beweglich,  werden  durch  2  Stützen  von  E-Querschnitt  mit  dem 
Boden  verbunden  und  tragen  oben  in  der  Mitte  den  Lukenbalken.  An  ihrer  unteren  Fläche  sind 
sie  mit  2  Winkeln  zur  Aufnahme  der  Holzwände  versehen.  Das  Plattendeck  mit  starkem  Sprung 
ist  wie  bei  den  Rheinschiffen  eingerichtet :  Die  etwa  530  mm  breiten  Lukendeckel  ruhen  auf 
hölzernen  Rinnsparren,  die  einerseits  von  dem  Tennebaum,  andererseits  von  dem  I^ukenbalken 
unterstützt  werden.  Das  Steuerruder  ist  gleichfalls  wie  auf  den  Rhein^hiffcn  angeordnet  und 
wird  durch  ein  wagerechtes  Handrad  bewegt.     Mast  und  Segel  fehlen. 

Aus  dem  Vergleich  nach  der   amtlichen  Eichung  von  9  Schiffen   ergeben   sich   folgende 
Grenz-  und  Durchschnittwerte: 


Länge  über  alles 

Länge  zwischen  den  Loten       .     .     . 

Größte  Breite     .     .     * 

Kleinste  Seitenhöhe  bis  Stringer  .     . 

Leertiefgang 

Tiefgang  beladen  (nach  der  Eichung) 

Tragftlhigkeit 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums      .     . 


66,80  bis  68,00  m.  im  Mittel  67,06  m 

65,34  » 
»  8,21  » 
»  2,50  » 
>         0.45   » 

2,42  » 
942  t 
»         0,899. 


65,00   * 

66,30  »     » 

8,20  » 

8,25  .     . 

2,35    • 

2,66  »     * 

0,34    • 

OA7  »      » 

2,30   » 

2,57  •      • 

911    » 

975  t.      * 

Dortmund-Ems-Kanalschiff  mit  Löffelformen,  Abb.  155  bis   157. 

Abb.  155.     Längsriß  1:250. 


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Abb.  156.     Wasserlinienriß   i  :  250. 


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f30 


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Abb.  157.     I  1250. 


39.    Das    Kanalschiff    aus    Stahl    mit 
löffeiförmigem   Bug    und    Heck    (Abb.  155 
bis  157)  wurde  nach  der  Eröffnung  des  Kanals 
zuerst  versuchsweise  gebaut  und  zu  den  »Schlepp- 
versuchen« benutzt*).     Unsere  Bilder  zeigen  die 
Linienrisse  des  Schiffes  »Emden«  für  das  Vor- 
schiff und  das  Hinterschiff.    Die  größte  Länge  über  alles  beträgt  66,95  ro>  die 
größte  Breite  über  den  Scheuerleisten  8,2  m  und  über  den  Spanten  8,1  m, 
die  kleinste  Seitenhöhe   2,4  m.     Ferner  war: 

i)  R.  Haack,   Schiffswiderstand   und   Schiffsbetrieb   nach   Versuchen  auf  dem  Dortmund- 
Ems-Kanal.     Berlin,  1900. 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


317 


I 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

Bei   einer 

Tauchtiefe 

von 

Länge  in 

derWasser- 

linie 

Größe  des 
Haupt- 
spants 

Wasserver- 
drängung 

Benetzte 
Oberfläche 

Tragfähig- 
keit 

VöUigkeitsgrad 
der  Ver-      des  Eich- 

m 

m 

m» 

m3 

m' 

t 

drängung 

raums 

1,50 

64,50 

12,10 

690 

612 

555  (551) 

0,880 

0,917 

1,75 

65,10 

14,10 

815 

646 

676 

0,883 

'      0,916 

2,00 

65,60 

16,13 

944 

678 

805 

0,887 

:    0,918 

2,25 

66,00 

18,20 

1070 

716 

935  (93  0 

0,889 

0,9  w 

Die  ersten  7  Spalten  dieser  Tafel  sind  dem  Werk  von  Haack  entnommen.  Aus  dem  Unter- 
schied der  Zahlen  in  den  Spalten  4  und  6  ergibt  sich  das  tote  Gewicht  bald  zu  135,  bald  zu 
139  t.  W>nn  man  die  letztere  Zahl  zugrunde  legt  und  einen  Leertiefgang  von  35  cm  annimmt, 
so  ergeben  sich  mit  Benutzung  der  in  Spalte  6  eingeklammerten  Zahlen  die  Werte  für  den  VöUig- 
keitsgrad des  Eichraums  in  Spalte  8.  Wenn  man  den  Leertiefgang  g^rößer  annimmt,  nehmen 
diese  Verhältniszahlen  zu. 

Zum  Vergleiche  mögen  noch  die  entsprechenden  Ergebnisse  der  Eichung  von  zwei  anderen 
ähnlichen  Kanalschiffen  mit  Löffelform  mitgeteilt  werden: 

Länge  über  alles 66,91m  65,10  m 

Größte  Breite 8,23  »  8,25   » 

Kleinste  Seitenhöhe  2,47  »  2,46  * 

Leertiefgang     ., 0,43  >  0,42  » 

Tiefgang  beladen 2,37  >  2,36  » 

Tragfähigkeit 949  t  922  t 

VöUigkeitsgrad  des  Kichraums 0,909  0,906. 

Das  dargestellte  Schiff  unterscheidet  sich  von  dem  vorher  beschriebenen 
Kanalschiffe  nur  durch  die  Formen  von  Heck  und  Bug,  sowie  durch  das  Steuer- 
ruder, das  als  Schweberuder  (mit  »Vorschneider«)  gebaut  ist.  Es  sind  im 
ganzen  10  Schottwände  angeordnet,  durch  die  2  Wohnräume  an  den  Enden 
und  9  Laderäume  abgeteilt  werden. 

Bei  dem  Schleppbetriebe  haben  sich  Schiffe  mit  Löffelformen  später  nicht 
bewährt  und  man  ist  zum  Bau  von  Schiffen  mit  Keilformen  übergegangen. 

Außer  diesen  großen  stählernen  Kanalschiffen  verkehrt  auf  dem  Kanal 
noch  eine  Anzahl  kleinerer,  ähnlich  gebauter  von  etwa  400  t  Tragfähigkeit, 
die  40  m  lang  und  7,5  m  breit  sind  und  eine  Tauchtiefe  von  1,9  m  haben. 
Auch  diese  Größe  hat  sich  unter  Umständen  als  vorteilhaft  erwiesen.  Ferner 
sind  noch  die  Seeprähme  zu  erwähnen  (S.  8). 

Im  Wesergebiet  werden  die  Abmessungen  der  Schiffe  im  Hauptstrom 
durch  die  Schleusen  Hemelingen,  Dörverden  und  Hameln  nicht  sehr  be- 
schränkt, da  selbst  die  kleinste  (Hameln)  eine  nutzbare  Länge  von  66  m  und 
eine  nutzbare  Breite  von  ii,i  m  hat.  Die  Schleusen  der  aufgestauten  Fulda 
haben  bis  Kassel  60.  m  nutzbare  Länge  und  8  m  nutzbare  Breite. 

40.  Der  hölzerne  Weserbock  (Abb.  158  bis  161)  hat  eine  Länge  über 
alles  von  47,12  m,  eine  größte  Breite  von  6,58  m,  eine  kleinste  Seitenhöhe 
bis  zum  Schandeck  von  1,6  m,  einen  Leertiefgang  von  30  cm  und  bei  einer 
Tauchtiefe  von  1,35  m  eine  Tragfähigkeit  von  250  t.  Er  ist  ganz  von  Eichen- 
und  Fichtenholz  gebaut. 


Abschnitt  H.     Ltstsehifie  ohne  eigene  Triel^kruft. 


Bag  und  Hecli  sind  Icaffen- 
förmig  >.ufgebogea  und  ot>eD  mit 
einem  kurzen  Stevenholz  versehen, 
das  etwas  holier  ist,  sls  der  sonst 
übiiche  KsffcQ-  oder  MaulkloH. 
Des  Steuerruder  Ut  Khnlich  wie  bei 
dem  Lahn  schiffe,  dem  Saarscbiff 
und  bei  dem  lüfFel förmigen  K^nil- 
schifte  des  Dortmund-Enis-K»oals 
angeordnet,  indem  der  Ruderschaft 
durch  das  Heck  faindurchge führt 
ist.  Das  Ruderblatt  ist  S,J  m  lang. 
TrotE  dieser  Lange  genUgt  es  nicht 
immer  in  starken  Krümmungen  des 
Stromes,  namentlich  bei  Hoch- 
wasser: Es  wird  dano  noch  em 
Vorderruder  benutzt,  das,  als  15  bis 
ao  m  langer  Riemen  geformt,  in 
einer  eisemea  Gabel  im  Vorsteven 
seine  FUhraog  hut,  ahnlich  wie  bei 
dem  Waidling  (34).  Das  Millel- 
schÜT  hat  keinen  Ablauf,  obwohl 
man  auch  Schiffe  mit  Ablauf  findet. 
Der  Querschnitt  zeigt  über  der 
Leerebene  senkrechte  Bordwlnde, 
darunter  ist  er  um  etwa  15  cm  ein- 
gezogen, so  daB  die  Bodenbrcile 
6,3  m  betragt.  Der  lo  cm  starke 
Holzboden  ist  an  der  Kimm  durch 
Sohlbreller  und  Wangen  v 
Die  Bordwände  sind  5  ci 
Knie  und  BodeDschwelleo  liegen 
in  Abständen  von  etwa  50  cnu 
Scbandeck  und  ianeie  ot>ere  Ver* 
kleidung  der  Bordwände  sind  wie 
bei  dem  hölzernen  MainschifT  (30) 
angeordnet.  Der  groQe  mittlere 
Laderaum  ist  in  Abständen  von  4 
bis  ;  m  durch  hölzerne  Duchten 
versteif)  und  durch  ein  loses  Bretter- 
verdeck (>Ze1t<  genannt]  ähnlich  wie 
bei  den  Elbschiffen  geschlossen. 
Im  vorderen  Teil  des  Laderaums 
ist,  halb  versenkt,  eine  ^roße  Kajüte 
eingebaut.  Anscblieüend  an  den 
Laderaum  sind  vorn  und  hinten 
feste  Deckflächen  angeordnet,  wäh- 
rend die  Spitzen  am  Bug  und  Heck 
offen  sind. 

41.  Das  Weserschiff 
aus  Stahl  (Abb.  162  bis 
164)  hat  eine  Länge  von 
59  m  zwischen  den  I-oten 
und  von  60,5  m  über  alles, 
eine  größte  Breite  von  8,5  m 


8 

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319 

im  Boden,  von  8,7  m  über  den 
Spanten  und  von  8,8  m  über  den 
Scheuerleisten,  sowie  eine  kleinste 
Seitenhöhe  bis  zum  Stringer  von 
2,1  m.  Bei  einer  Tauchtiefe  von 
1,9  m  hat  es  eine  Tragfähigkeit 
von  650  t  E^  ist  ganz  aus  Stahl 
gebaut,  einschließlich  des  losen 
Decks;  die  Wegerung  in  den 
Laderäumen  und  Kajüten  besteht 
aus  Holz.  (Bei  den  älteren  eisernen 
Schiffen  war  unter  dem  Eisen- 
boden noch  ein  dünner  Holzboden 
angebracht  (»gesohlt«),  der  das 
Schiff  bei  der  Berührung  mit  dem 
Geröll  der  Stromsohle  schützen 
sollte.) 

Ein  Sprang  im  Boden  ist  nicht  vor- 
handen. Der  Bug  und  der  untere  Teil 
des  Hecks  haben  Keilform.  Oben  ist  das 
Heck  übergebaut  und  trägt  ein  festes 
Steuerruder  mit  6,2  m  langem  Blatt,  das 
durch  ein  senkrecht  stehendes  Handrad 
bewegt  wird.    Der  Grundriß  zeigt  scharfe, 


8 


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320  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

vom  und  hinten  stark  verjüngte  Form,  ein  Ablauf  des  Mittelschiffs  ist  nicht  vorhanden.  Das 
Schiff  hat  loo  mm  Lehnung  und  scharfe  Kimm  und  ähnelt  in  dieser  Beziehung  dem  Eib- 
schiffe, während  es  in  bezug  auf  Bug,  Heck  und  Steuer  an  das  Rheinschiff  erinnert.  Die 
75  •  50  •  6  mm  starken  Spanten  haben  einen  Abstand  von  500  mm.  Im  Vorschiff  sind  auf  6,5  m 
Länge  Zwischenspanten  von  gleicher  Stärke  eingebaut.  An  jedem  Spant  befindet  sich  eine  Boden- 
wränge  von  C-Form,  1 80  •  70  •  8  •  11  mm  stark.  2  unvollständige  Kielschweine  von  X-Form, 
100  -50-8  mm  stark  laufen  über  die  Wrangen  hinweg  und  versteifen  nebst  den  beiden  außen 
liegenden  Kimmwinkeln  von  ico  •  100  •  10  mm  den  Boden.  Der  850  mm  breite,  6,5  mm  starke 
Stringer  aus  Riffelblech  reicht  vom  Vor-  zum  Hinterdeck  und  ist  durch  Stringerwinkel  von 
75  *  75  -  8  mm  mit  der  Bordwand  verbunden.  Außer  diesen  beiden  festen  Decks  sind  noch 
4  Quergänge  in  je  im  Breite  angeordnet,  die  gleichfalls  6,5  mm  dick  auf  75  •  50  •  6  mm  starken 
Deckbalken  ruhen.  Die  Beplattung  zeigt  im  Boden  und  im  Kimmgang  durchweg  8  mm  starke 
Bleche,  im  Scher-  und  Seitengang  vorne  8  mm,  in  der  Mittj  10  bzw.  7  mm  und  im  Hinterschiff 
7  bzw.  6,5  mm.  Als  Scheuerleiste  läuft  um  das  ganze  Schiff  ein  Halbrundstahl  von  75  •  37  mm 
Stärke.  6  wasserdichte  Schotte  von  4  mm  starken  Blechen  zerlegen  den  Schiffskörper  in  2  Ge- 
räteräume und  5  Laderäume:  Die  vorderste  und  die  hinterste  Schottwand  (a)  steht  unter  dem 
Vor-  und  Hinterdeck,  die  zweite,  vierte  und  fünfte  von  vom  [c]  stehen  unter  den  obengenannten 
I  m  breiten  Quergängen,  und  die  dritte,  nur  1,45  m  hohe  Wand  (^)  steht  unter  der  großen,  für 
7  Mann  ausreichenden  Kajüte  im  Mittelschiff,  deren  stählerne  Wände  und  Fußboden  fest  mit  den 
Bordwänden,  dem  Stringer  und  dem  Quergang  verbunden  sind.  (Bei  anderen  Weserschiffen  be- 
findet sich  diese  Kajüte  hinten.)  In  jedem  Laderäume  befinden  sich  an  jeder  Bordwand  zu  ihrer 
Versteifung  je  2  Rahmenspanten  aus  200  •  5  mm  starken  Blechen  mit  55  •  50-6  mm  starken 
Winkeln,  die  mit  dem  Stringer  durch  Eckbleche  verbunden  sind.  Solche  Eckbleche  befinden 
«ich  außerdem  an  allen  Spanten.  Die  5  Ladeluken  sind  durch  Wulst winkel  von  180  •  80  »  X2  mm 
eingefaßt,  die  oben  an  der  Außenseite  kleine  C-Eisen  (40  •40-4  mm)  zur  Auflagerung  der  Well- 
bleche und  zum  Schutz  gegen  Wellenschlag  tragen.  Die  Lukendeckel  aus  1,3  mm  starkem,  ver- 
zinktem Wellblech  sind  700  bis  750  mm  breit,  gut  schließend  und  oben  und  unten  an  den  Kanten 
mit  Winkeln  von  45  '  45  '  5  mni  gesäumt.  Die  Wellenhohlräume  sind  dahinter  mit  Eichenbolz- 
klötzen möglichst  dicht  abgeschlossen.  Die  Lukendeckel  mhen  oben  auf  einem  E  förmigen  Luken- 
balken von  140  •  60  •  7  •  10  mm,  der  durch  kräftige  Wulstwinkel  gegen  Durchbiegung  verstärkt  ist. 
Aus  dem  Vergleich  von  9  in  den  Jahren  1907  und  1908  erbauten  großen  Schiffen  ergaben 
sich  nach  amtlicher  Eichung  folgende  Grenz-  und  Durchschnittwerte: 

Länge  über  alles 59)26  bis  61,8    m  im  Mittel  60,93  ™ 

Länge  zwischen  den  Loten.     .     .  57,9  >  6i,ii   »  »  »  59,62  » 

Größte  Breite 8,64  *  8,82  •  »  *         8,74  * 

Kleinste  Seitenhöhe  bis  Stringer  .  2,11  >  2,28   »  »  >         2,18  > 

Leertiefgang 0,35  »  0,46  »  »  »  0,40  » 

Tiefgang  beladen 1,86  ►  2,03   >  »  »         1,93   > 

Tragfähigkeit 627  »  666  t  »  »          648  t 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums  .     .  o,8co  »  0,826  »  »  0,818. 

Es  gibt  auch  einige  größere  Schifife  bis  zu  796  t  Tragfähigkeit,  die  ähn- 
lich gebaut  sind. 

Zwischen  dem  alten  hölzernen  Weserbock  und  diesen  modernen  Schiffen 
bestehen  vielerlei  Übergänge:  hölzerne  Bockschiffe  mit  Wellblechzelt,  eiserne 
und  stählerne  Schiffe  mit  Holzboden,  die  in  ihren  Formen  zwischen  den  bei- 
den beschriebenen  schwanken.  Namentlich  findet  sich  das  lange  Helmholz 
von  dem  Steuerruder  der  Weserböcke  noch  an  vielen  eisernen  Schiffen. 

42.  Der  Seeprahm,  ein  Leichterschiff  der  Unterweser  (Abb.  165 
bis  167),  gibt  ein  Beispiel  von  den  früher  (S.  8)  erwähnten  Fahrzeugen,  die 
sowohl  auf  den  Binnenwasserstraßen  wie  auf  See  verkehren  können.  Das 
Schiff  hat  eine  Länge  von  50  m  zwischen  den  Loten  und  von  52  m  über 
alles,   eine    größte  Breite   von   8  m   über  den  Spanten  und  von  8,32  m  über 


.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschilfe. 


321 


den  Scheuerleisten,  sowie  eine 
kleinste  Seitenhöhe  von  3,4  m. 
Der  Leer  tiefgang  ist  etwa  70  cm. 
Bei  einer  Tauchtiefe  von  2,6  m 
hat  es  eine  Tragfähigkeit  von 
600  t. 

Es  ist  ganz  BUS  Stahl  gebaut, 
ohne  Sprung  im  Boden,  ohne  Lehnung, 
mit  Ubergebautcm  Heck,  einem  Deck- 
sprung von  37J  luin  und  einer  anch 
einem  Halbmesser  von  i  m  abgeiun- 
e  Ablauf  im  Mittel- 


schiff leigt 
Wasserliniei 
75  ■  65  ■  7  m 
mittschiffs  e 


1  starken  Spanten  haben 
nen  Abstand  von  540  mm, 
an  den  Enden  von  400  mm.  An  jedem 
Spant  befindet  sich  eine  Bodenwraoge 
von  330  ■  6  mm,  die  mit  emera  Winkel 
von  60-60-6,5  "^'■>  gesäumt  ist.  Der 
Boden  wird  durch  3  vollständige  Kiel- 
schweine verstirkt,  die  aus  je  einet 
41 S  ■  6,5  mm  staricen  Platte  l>eslehen,  die 
oben  mit  2  Winkeln  von  85  '  65  ■  S  mm 
und  unten  mit  einem  von  65-50-7  mm 
versehen  ist.      5  SchottwSnde   vaa  je 


Tcubcrt,  Eine 


322  Abschnitt  Tl.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

5  mm  Dick^  teilen  das  Schiff  in  2  Kajüten  und  4  Laderäume,  deren  Wände  durch  je  ein  Rahmen- 
spant, bestehend  aus  einem  Wulstwinkel  von  180 'So*  12  mm,  verstärkt  werden.  Das  feste  Deck 
ist  aus  6,5  mm  starkem  Riffelblech;  jedoch  sind  die  äußeren  Gänge  von  465  mm  Breite  neben 
den  Luken  10  mm  stark  und  dienen  als  Stringer.  Der  Stringerwinkel  ist  65  •  65  •  8  mm  stark: 
Über  ihm  läuft  ein  zweiter  Winkel  von  100  »75  •  10  mm  rings  um  das  Schiff  und  verhindert  mit 
seinem  hohen  aufstehenden  Schenkel  das  Herabrollen  loser  Gegenstände.  Es  sind  2  Scheuer- 
leisten aus  Holz  über  einander  angeordnet,  die  durch  Winkel  von  100  •75*  10  mm  Stärke  mit 
den  Bordwänden  verbunden  sind.  Die  100  •  75  •  8  mm  starken  Deckbalken  sind  durch  Eck- 
bleche mit  den  Spanten  verbunden.  An  den  Luken  liegen  stärkere  Balken  von  C-Fonn, 
200  •  75 -8,5  •  11,5  mm  stark.  Alle  Balken  werden  in  der  Mitte  durch  ein  Winkeleisen  getragen, 
das  gegen  den  Boden  abgestützt  ist  Die  -Stärke  der  Außenhaut  beträgt  im  Boden  7,5  mm,  im 
Kimmgang  9  mm,  im  Scher-  und  im  Kielgang  zo  mm,  in  den  Seitengängen  7,5  mm.  Nach  den 
Enden  nehmen  diese  Stärken  ab.  Jeder  Laderaum  hat  2  Luken  von  5,4  m  Länge  und  2,6  m 
Breite,  die  mit  je  7  Lukendeckeln  aus  Eichenholz  geschlossen  werden.  Die  6,5  mm  starken 
Luksülle  reichen  320  mm  über  Deck  und  200  mm  unter  Deck:  An  den  Bordseiten  werden  sie 
noch  etwas  weiter  hinabgeführt  und  umgebogen.  Sie  sind  außerdem  durch  Winkel  und  Halb- 
rundleisten verstärkt.     Auf  Deck  sind  2  Ladekräne  von  je  3  t  Tragkraft  aufgestellt. 

43.  Das  Allerschiff  (Abb.  168  bis  172)  ist  dem  Weserschiff  ähnlich. 
Es  hat  eine  Länge  von  47  m  zwischen  den  Loten  und  von  48,5  m  über  alles, 
eine  größte  Breite  von  7  m  über  den  Spanten  und  von  7,2  m  über  den 
Scheuerleisten,  sowie  eine  kleinste  Seitenhöhe  von  1,6  m  bis  zum  Stringer. 
Der  Leertiefgang  ist  etwa  32  cm.  Bei  einer  Tauchtiefe  von  1,5  rn  hat  es  eine 
Tragfähigkeit  von  etwa  330  t. 

Es  ist  ganz  aus  Stahl  gebaut,  ohne  Lehnung,  ohne  Sprung  im  Boden,  ohne  Ablauf  des 
Mittelschiffs,  mit  übergebautem  Heck  und  festem  Steuerruder  mit  5  m  langem  Blatt,  das  durch 
ein  wagerechtes  Handrad  bewegt  wird.  Der  Grundriß  zeigt  nur  im  Hinterschiff  scharfe  Keil- 
form (Abb.  170).  Die  Kimm  ist  scharf  und,  wie  Abb.  172  zeigt,  eigentümlich  gebildet,  indem 
über  dem  inneren  70 -70  »8  mm  starken  Kimmwinkel  von  112^  und  der  Blechhaut  außen  noch- 
mals ein  stumpfer  Winkel  von  80  •  80  •  7  mm  angeordnet  ist,  der  als  Schleifwinkel  dienen  soll. 
Die  65  •  50  •  6,5  mm  starken  Spanten  haben  einen  Abstand  von  500  mm,  der  im  Vorschiff  auf 
9  m  Länge  auf  400  mm  verringert  ist.  An  jedem  Spant  befindet  sich  eine  160 '6  mm  starke 
Bodenwrange,  die  oben  mit  einem  Winkel  von  45  *  45  *  5  mm  gesäumt  ist.  2  unvollständige 
Kielschweine  von  j.-Form,  90  •  45  •  9  mm  stark,  ziehen  sich  über  den  Boden  hin.  Der  700  mm 
breite  Stringer  ist  ebenso  wie  das  Vor-  und  Hinterdeck  und  wie  die  2  je  i  m  breiten  Quergänge 
zwischen  den  Luken  5  mm  stark.  Die  Deckbalken  von  75  •  50  •  7  mm  sind  durch  Eckbleche  mit 
jedem  Spant  verbunden.  Der  Boden  besteht  aus  6  mm,  die  Seitenwände  aus  5  mm  starken 
Blechen.  3  wasserdichte,  4  mm  starke  und  mit  Winkeln  versteifte  Schotte  teilen  das  Schiff  in 
2  Geräteräume  und  in  2  Laderäume.  Über  dem  mittelsten  Schott  ist  die  Kajüte  (für  6  Mann) 
versenkt.  Jeder  Laderaum  hat  2  Luken,  die  mit  Luksüllen  aus  200  •  6  mm  starken,  oben  mit 
Winkeln  verstärkten  Blechen  eingefaßt  sind.  Die  Lukendeckel  sind  wie  bei  dem  Weserschiff 
aus  I  mm  starkem  verzinktem  Wellblech  hergestellt  und  ruhen  oben  auf  Lukenbalken  in  C-Form. 
Diese  (nach  Xormalprofil  12}  sind  beiderseits  mit  schwachen  Winkeln  versehen,  auf  denen  die 
Lukendeckel  liegen,  und  werden  nach  Bedarf  durch  Säulen  aus  Gasrohr  unterstützt.  Der  Stringer- 
winkel ist  75  •  50  •  7  mm  stark.  Die  hölzernen  Scheuerleisten  werden  durch  je  2  Winkel  von 
50  «50 -6  mm  mit  den  Bordwänden  verbunden.  Aus  dem  Vergleich  von  5  in  den  Jahren  1906 
und  1907  gebauten  großen  Schiffen  ergaben  sich  nach  amtlicher  Eichung  folgende  Grenz-  und 
Durchschnittwerte : 

Länge  über  alles 49^35  bis  49,54  m 

Länge  zwischen  den  Loten    .     .     47,47 

Grüßte  Breite 7,05 

Kleinste  Seitenhöhe  bis  Stringer       1,61 

Leertiefgang 0,30 

Tiefgang  beladen 1,36 

Tragfähigkeit 307 

Völligkeitsgrad  des  Eichraums    .     0,834 


is  49,54  m 

im  Mittel 

49»35 

m 

>    49,24  » 

48,17 

»       7'28  > 

7,18 

1,8     » 

1,70 

»      0,34  » 

Oi3i 

»       1,48  * 

1,43 

»       335  t 

320 

t 

»    0,853 

0,844. 

.  Größe,  Form  und  Ehiricfatung  der  Lastschiffe. 


Lastschiffe  im  Ausland. 

Das  Donaugebiet  gehört 
zwar  zum  Teil  zu  Deutschland, 
aber  die  Schiffahrt  wird  vor- 
wiegend auf  den  Stromstrecken 
betrieben ,  die  in  Österreich- 
Ungarn,  Serbien  und  Rumänien 
li^en.  Die  Lastschiffe  der 
wenigen  großen  Schiffahrtgesell- 
schaften zeigen  große  Ähnlich- 
keit. Sie  sind  fast  ausscblieO- 
lich  aus  Stahl  gebaut  und  haben 
Tragfähigkeiten  von  200  t  bis 
1000  t.  Die  gebräuchlichsten 
Schiffe  sind  aber  nicht  die  gro- 
ßen, sondern  die  mit  einer  mitt- 
leren Tragfähigkeit  von  etwa 
650  t.  Die  meisten  Schifle  sind 
gedeckt,  offene  finden  sich  in 
Stahl  selten.  Es  verkehrt  aber 
aufier  diesen  Lastschiffen  der 
großen  Gesellschaften,  nament- 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe.  325 

lieh  auf  der  unteren  Donau,  noch  eine  Menge  von  Holzschiffen  verschiedenster 
Bauart. 

44.  Das  Donauschiff  von  650  t  Tragfähigkeit  (Abb.  173  bis  175) 
zeigt  die  bis  vor  wenigen  Jahren  übliche  Bauweise.  Es  hat  eine  Länge  von 
58  m  zwischen  den  Loten  und  von  59,5  m  über  alles,  eine  größte  Breite 
über  den  Spanten  von  8  m  sowie  eine  kleinste  Seitenhöhe  bis  zum  Deck 
von  2,4  m.     Bei  einer  Tauchtiefe  von  2,1  m  beträgt  die  Tragfähigkeit  650  t. 

Das  Schiff  ist  schlank  gebaut,  ohne  Sprung  im  Boden,  ohne  Ablauf  des  Mittelschiffs,  ohne 
Lehnung,  mit  nach  einem  Halbmesser  von  500  mm  abgerundeter  Kimm.  Bug  und  Heck  haben 
Keil  form.  Das  Heck  ist  übergebaut  und  das  feste  Steuerruder  mit  3  m  langem  Blatt  wird  durch 
ein  senkrechtes  Handrad  bewegt.  Die  65  •  50  •  7  mm  starken  Spanten  haben  einen  Abstand  von 
600  mm.  Bodenwrangen  befinden  sich  an  jedem  Spant  200  •  6  mm  stark,  an  jedem  dritten  Spant 
320  •  6  mm.  Die  letzteren  sind  mit  doppelten  Winkeln  von  50  •  50  •  6  mm,  die  ersteren  mit  einfachen 
gesäumt.  Der  Boden  wird  durch  4  unvoUstllndige  Kielschweine  von  j.-Form,  90  •  45  •  6  mm  versteift. 
In  den  Laderäumen  sind  deren  noch  zwei  in  der  Nähe  der  Kimm  angeordnet.  Durch  5  wasser» 
dichte,  4,5  mm  starke  Schotte  (<?)  wird  der  Schiffskörper  in  2  Kajüten  und  4  Laderäume  zerlegt. 
In  jedem  der  letzteren  werden  die  Bordwände  durch  je  3  Rahmenspanten  auf  jeder  Seite  verstärkt, 
die  aus  250  •  6  mm  starken  Blechen  und  einfachen  Winkeln  von  50  •  50  •  6  mm  bestehen.  Zur 
weiteren  Längsversteifung  des  Schiffes  sind  über  den  Spanten  binnenschiffs«  In  einem  Abstand  von 
etwa  500  mm  unter  Deck,  beiderseits  Seitenstringer  angeordnet,  die  vom  vordersten  bis  zum 
hintersten  Schott  reichen.  Sie  bestehen  ans  wagerechten  Blechen  von  185 -4  mm,  die  mit 
2  Winkeln  von  50  •  50  •  5  mm  gesäumt  sind,  und  an  den  Schotten  und  Rahmenspanten  mit  kurzen 
Winkelstücken  befestigt  werden.  Die  Außenhaut*  JXftd  Deckbleche  sind  5  mm  stark,  mit  Aus- 
nahme der  mittelsten  Bodenplatte,  die  mittschiffs  7  mm,  und  des  Schergangs,  der  mittschiffs 
8  mm  stark  ist.  Nach  den  Enden  nehmen  diese  Platten  bis  auf  5  und  6  mm  ab.  Am  Vor- 
steven sind  alle  Platten  6  mm  stark.  Mittschiffs  sind  die  seitlichen  Deckplatten  in  einer  Breite 
von  je  1200  mm  7  mm  stark  und  dienen  als  Stringer,  die  durch  60 -60 -8  mm  starke  Stringer- 
winkel  mit  den  Bordwänden  verbunden  sind.  Darüber  ist  eine  Bordleiste  in  Schienenquerschnitt 
mit  Holz  verkleidet  angeordnet.  Eine  Scheuerleiste  ist  nicht  vorhanden.  In  dem  festen  Deck 
befinden  sich  4  Luken  von  3,6  m  Länge  und  2.6  m  Breite.  Die  400  mm  hohen,  6  mm  starken 
Luksülle  reichen  270  mm  über  Deck  und  werden  durch  Lukendeckel  aus  glattem,  3  mm  starkem 
Blech  geschlossen.  Die  Deckbalken  werden  von  2  Unterzügen  in  C-Form  von  150  «65 -50 '6  mm 
Stärke  unterstützt,  die  von  Deckstützen  in  "L-Form,  60  •  50  •  6,5  mm,  getragen  werden.  Diese 
angemessen  verteilten  43  Stück  Stützen  sind  durch  Eckbleche  mit  den  Unterzügen  und  den  Kiel- 
schweinen verbunden.  Auf  Deck  sind  in  nächster  Nähe  der  Schottwände  zwei  Ladekrane  auf- 
gestellt und  hinten  ein  Kochraum,  der  durch  eine  Treppe  mit  der  unteren  Kajüte  in  Verbindung 
steht.     Der  Leertiefgang  ist  40  cm;  der  Völligkeitsgrad  des  Eichraums  ergibt  sich  zu  0,824. 

45.  Das  Donauschiff  von  675  t  Tragfähigkeit  (Abb.  176  bis  178) 
ist  erst  in  neuerer  Zeit  eingeführt  worden  und  zeigt  gegen  das  vorbeschriebene 
Schiff  wesentliche  Verbesserungen.  Es  hat  eine  Länge  von  63  m  zwischen 
den  Loten,  eine  größte  Breite  von  8,2  m  über  den  Spanten  und  eine  Seiten- 
höhe von  2,4  m  bis  zum  Deck.  Bei  1,9  m  Tauchtiefe  ist  seine  Tragfähigkeit 
675  t.  Sein  Leertiefgang  beträgt  nur  34  cm  (nach  anderen  Angaben  35  cmj. 
Dabei  beträgt  der  Völligkeitsgrad  des  Eichraums  0,838.  In  der  Form  weicht 
dies  Schiff  von  dem  vorbeschriebenen  nicht  viel  ab;  doch  ist  die  Kimm  nicht 
so  stark  abgerundet,  sondern  nur  nach  einem  Halbmesser  von  300  mm. 

Die  ebenso  starken  Spanten  stehen  in  gleichem  Abstände  von  600  mm;  ihre  Stärke  nimmt 
aber  an  den  Schiffsenden  von  7  auf  6  mm  ab.  Das  ist  auch  bei  den  anderen  Stahlstärken  be- 
folgt. Die  415  mm  hohen,  6  (5)  mm  starken  Bodenwrangen  sind  im  allgemeinen  nur  an  jedem 
dritten,  zuweilen  auch  am  zweiten  Spant  angeordnet  und  oben  mit  2  Winkeln  von  50*  50 «6  mm 


326 


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gesäumt  Neben  den  Spanten  sind 
im  Boden  überall  Gegenspanten  von 
65  •  50  •  7  (6)  mm  angebracht.  Zwi- 
schen den  Bodenwrangen  liegen 
über  den  Zwischenspanten  doppelte 
Flurwinkel  (50  •  50  •  6],  die  gegen  die 
Spanten  durch  senkrechte  Winkel 
versteift  sind.  Der  Boden  wird 
durch  2  kräftige  Kielschweine  in 
C-Form  von  300  •  65  •  6  mm  Stärke 
versteift,  die  vom  hintersten  bis 
zum  vordersten  Schott  zwischen 
den  Winkeln  der  Bodenwrangen 
durchlaufen  und  mit  ihnen  sowie 
mit  den  Flurwinkeln  verbunden 
sind.  An  diesen  Kielschweinen  sind 
auch  die  Deckstützen  in  C-Form, 
1 50  •  65  •  50  ■  6  mm  befestigt ,  die 
oben  die  beiden  Unterzüge  von  glei- 
chem Querschnitt  tragen.  5  Schotte 
von  4,5  bis  3,5  mm  starken  Blechen 
teilen  den  Schiffskörper  ebenso  wie 
bei  dem  vorbeschriebenen  Schiffe 
ein.  Zur  Versteifung  der  Wände 
in  den  Laderäumen  sind  auf  jeder 
Seite  im  ganzen  10  Rahmenspanten 
von  gleichen  Abmessungen  ange- 
ordnet. Die  Außenhaut  ist  im  Bo- 
den 4,5,  in  der  Kimm  5,5  (5),  in 
den  Seitengängen  5  (4,5)  und  im 
Schergang  7  bis  5  mm  stark.  Das 
Deck  besteht  aus  6  (5)  mm  star- 
kem Riffelblech  und  ruht  auf  Balken 


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in  C-Fonn  von  gieicheni  Querschnitte  wir  die 
Deckätiltien  und  Ünteriüge.  Die  nutzbare  Ueclt- 
flSchc,  oline  die  Luken,  betragt  240  ro'  und  kann 
je  m»  mit  500  kg  belastet  werden.  Der  Stringer- 
winkel  ist  yo-yo-Snim  stark:  Mit  ihm  ist  auf 
Deck  ein  ebenso  starker  Wulstwinkel  befestigt, 
wahrend  eine  Scheuerleiste  nicht  vorhanden  ist. 
i  4   Luker 


len 


'   lang. 


'    beiden    Hulier 


7,a  m.     Die  Luksillle  bestehen  aus  3 

00  mm  hohen, 

6  mm    starken   Blechen,    die    151)0 

m   über  Deck 

reichen.     Die   Übrige   .Anordnung    i 

t  gleich   dem 

vorbeschriebenen  Schiffe;   doch   i 
daß  das  Heck  anders  gestaltet  i^ 


1  erwOhne 
st  eigentlich 
nlcbl  äbergebaut.  sondern  es  ist  nur  das  Decke 
soweit  nach  hinten  und  nach  den  Seiten  verlUngert 
und  durch  Konsolen  unteratütit,  Aih  der  Steuer- 
stnhl  darauf  Flati  findet.  Der  wirtschaftliche  Vor- 
teil e^bt  sich  aus  dem  \'crgteich  der  Tragßhig- 


Tragfähigkeit:  t 

650  t-Schitf    I    675  t-Schift 


46.  Das  Donauschiff  von  looo  t 
Tragfähigkeit  (Abb,  179  u.  180)  ist 
beachtenswert  wegen  seiner  Lukenanord- 
nung, Es  ist  72  m  zwischen  den  Loten 
läng,  9,2  m  breit  und  2,6  m  hoch.  Bei 
einer  Tauchtiefe  von  2,3  m  trägt  es  1000 1. 
Das  Schiff  hat  5  Laderäume,  die  je  durch 
eine  Luke  von  5,8  m  Breite  und  6,5  m 
Länge  zugänglich  sind.  Diese  Luken  be- 
stehen aus  Wellblech.  Ladekräne  sind 
nicht  vorhanden. 

Auf  der  Donau  verkehren  außer- 
dem noch  viele  gute  stählerne  Schiffe 
in  anderer  Anordnung.  Man  hat  z.  B. 
auch  Schiffe  von  1000 1  Tragfähigkeit 
bei  2,3  m  Tauchtiefe  gebaut,  die  nur 
6j  m   lang,    9,25  m    breit   und   3,14  m 


Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


hoch  sind.    Diese  Schiffe  haben  einen 
Leertiefgang  von  nur  0,33  no'). 

47.  Das  Donauschiff  aus 
Holz  (Razin)  von  etwa  470  t 
Tragfähigkeit  (Abb.  181  bis  183) 
gibt  ein  Beispiel  von  den  vielen 
Arten  großer  Holzschiffe,  die  be- 
sonders auf  der  unteren  Donau  ver- 
kehren und  vorwiegend  zur  Beförde- 
rung von  Getreide  verwendet  wer- 
den. Das  Schiff  hat  eine  Länge  von 
51m,  eine  Breite  von  7,9  m,  eine 
geringste  Höhe  der  Bordwand  von 
1,85  m,  ist  aus  Eichenholz  gut  und 
fest  gebaut  und  trägt  bei  einer 
Tauchtiefe  von  1,8  m  470  t.  Zum 
Schutz  gegen  Wellenschlag  ist  der 
Aufbau  des  Verdecks  nach  Art  eines 
Tennebaums  angeordnet.  Diese  0,5 
bis  0,6  m  hohen  Aufbauten  werden 
dort  >  Windläden'  genannt.  Auf 
ihnen  ruht  das  aus  Schindeln  her- 
gestellte Dach.  Die  Schiflie  haben 
bei  guter  Unterhaltung  eine  Lebens- 
dauer von  mindestens  20  Jahren. 

48.  Der  Trauner  (Abb.  184 
bis  187]  ist  ein  auf  der  oberen  Donau 


l)  V.  Gonda,  B.,  Die  Ungarische 
Schiffahrt.  Budapest  1899.  Suppan,  C.  V., 
Wasserstraßen    und  BinnenscbiffahrL     Berlin 


rik»- 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


329 


sehr  gebräuchliches,  offenes  Holzschiff".  Das  dargestellte  Beispiel  hat  eine 
Länge  über  alles  von  25,6  m,  eine  Breite  über  den  Spanten  von  4,6  m  und 
eine  geringste  Seitenhöhe  von  1,09  m.  Es  ist  sehr  leicht,  ganz  aus  Holz  gebaut 
und  zwar  eigentlich  nur  für  einmalige  Talfahrt.  Die  Schiffe  werden  aber  jetzt 
oft  leer  zu  Berg  geschleppt  und  wieder  verwendet.  Das  Schiff  hat  einen 
Leertiefgang  von  0,06  m  und  taucht  mit  einer  Ladung  von  etwa  72  t  bis  auf 
0,85  m  ein.  Die  Schiffsform  ist  vorne  kaffenartig,  hinten  prahmartig.  Die 
Trauner  werden  bis  29  m  lang,  6  m  breit  und  1,5  m  hoch  gebaut  und  haben 
bei  1,3  m  Tiefgang  dann  etwa  112  t  Tragfähigkeit. 

Trauner,  Abb.  184  bis  187. 
Abb.  184.     Ansicht  i :  300. 


Abb.  185.     Grundriß  i  :  300. 


4». 


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2 


T 

1.09 

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Abb.  186.     1 :  150. 


Abb.  187.     Querschnitt  i :  150. 


Andere  Donauschiffe  sind  im  Oberlauf:  Ulmer  Schachteln,  bis  30  m  lang, 
7  m  breit,  1,2  m  hoch  mit  150  t  Tragfähigkeit  —  Tiroler  Plätten,  bis  30  m 
lang,  6  m  breit,  1,6  m  hoch  mit  112  t  Tragfähigkeit  —  Kehlheimer  Zillen 
(Gamsen)  bis  44  m  lang,  6  m  breit,  1,9  m  hoch  mit  196  t  Tragfähigkeit.  Im 
Unterlauf  sind  zu  erwähnen:  Girlaschen,  bis  36  m  lang,  11  m  breit,  2,6  m 
hoch  mit  355  t  Tragfähigkeit  —  Razinen.  bis  57  m  lang,  10  m  breit,  3,2  m 
hoch  mit  560  t  Tragfähigkeit. 

Von  den  benachbarten  Staaten  Deutschlands  sind  die  in  Belgien  und 
Holland  üblichen  Lastschiffe  schon  bei  dem  Rheingebiete  besprochen  worden, 
weil  man  sie  oft  auf  dem  deutschen  Rhein  antrifft.  Ebenso  sind  die  fran- 
zösischen Kanalschiffe  bei  den  elsaß.-lothringischen  Wasserstraßen  bereits 
zum  größten  Teil  erwähnt.  Ein  Kanalschiff,  das  dort  nicht  verkehrt,  aber  seiner 
Form  wegen  merkwürdig  scheint,  ist: 

49.  Der  Margot at  (Abb.  188  bis  190).  Dies  Schiff  ist  von  De  Mas  bei 
seinen  Versuchen  benutzt  worden*).   Es  ist  21,8  m  über  alles  lang,  5  m  breit 

l)  Vgl.  das  auf  S.  303  angeführte  Werk  dieses  Verfassers. 


330 


Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


und  in  der  Mitte  1,42  m  hoch.  Vor-  und  Hinterschiff  sind  prahmartig  gebaut 
und  um  je  i  m  zusammengezogen,  so  daß  die  Breite  an  den  Enden  4  m  beträgt. 
Der  Leertiefgang  ist  28cm;  bei  1,3  m  Tauchtiefe  beträgt  die  Verdrängung 
108  t  und  ihr  VöUigkeitsgrad  0,818.  Die  Tragfähigkeit  ist  etwa  85  t  und  der 
Völligkeitsgrad  des  Eichraums  0,821.  Dies  Holzschiff  ist  auf  den  französischen 
Kanälen  nicht  sehr  verbreitet;  häufiger  findet  man  die  Penische  (25),  die  Toue 
(Abb.  120)  und  die  Flute  (Abb.  121). 

Außer  diesen  Kanalschiffen  gibt  es  auf  einigen  französischen  Strömen  grö- 
ßere Flußschiffe  (MarnolsundChalands),  die  neuerdings  auch  aus  Eisen  und  Stahl 
gebaut  werden.  Auf  der  Seine  verkehren  von  Montereau  abwärts  viele  Schiffe 
von  40  bis  50  m  Länge  und  8  m  Breite,  die  Tragfähigkeiten  bis  zu  600 1  haben. 
Einige  auf  der  unteren  Seine  fahrende  Chalands  haben  bei  Längen  bis  zu  63  m, 
bei  Breiten  von  8,1  m  und  bei  einem  Tiefgange  von  2,5  bis  3  m  sogar  Trag- 


Französische  Margotat,  Abb.  i88  bis  190. 


2J.SO       

Abb.  188.     Ansicht  i :  300. 


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Abb.  189  und  190.     Grundriß- Querschnitt  1:300. 

fahigkeiten  bis  zu  iioot.  Auf  der  Rhone  sind  diese  großen  Tauchtiefen 
nicht  zulässig.  Die  älteren  dort  verkehrenden  Lastschiffe  mit  löffeiförmigem 
Bug  und  Heck  haben  bis  zu  60  m  Länge,  8,3  m  Breite,  und  bei  1,4  m  Tauch- 
tiefe eine  Tragfähigkeit  von  425  t;  die  neueren  Schiffe  sind  etwas  schärfer 
gebaut,  zeigen  am  Heck  unter  Wasser  Keilform  und  haben  bei  57,68  m  Länge, 
8,08  m  Breite,  2,54  m  Höhe  und  1,4  m  Tauchtiefe  eine  Tragfähigkeit  von 
388  t.  Der  Völligkeitsgrad  der  Verdrängung  ist  0,88  ').  Beide  Arten  haben 
einen  Leertiefgang  von  nur  30  cm,  sind  also  recht  leicht.  Bemerkenswert  ist, 
daß  diese  Schiffe  in  der  Regel  mit  festem  Deck  (ohne  merklichen  Sprung) 
versehen  sind,  in  dem  über  jedem  Laderaum  von  9  bis  12  m  Länge  eine 
Luke  von  etwa  7,2  m  Länge  und  3  m  Breite  angeordnet  ist. 

50.  Das  Rhoneschiff  als  Seeprahm,  »Barque  mixte«  genannt,  (Abb.  191 
bis  193)  ist  bereits  früher  (S.  8)  erwähnt  und  teilweise  beschrieben  worden. 
Diese  Schiffe  verkehren  aber  auf  der  ganzen  Rhone,  von  der  Mündung  auf- 
wärts bis  Chalon-sur-Sa6ne,  müssen  also  als  Flußschiffe  angesehen  werden. 
Sie  sind  übrigens  den  vorbeschriebenen  Rhoneschiffen  der  neueren  Art  sehr 


i)  Nach  Suppan,  Wasserstraßen  u.  Binnenschiffahrt,  S.  337. 


I.  Große,  Form  und  Einrichtung  äei  LastschiRe. 


331 


ähnlich,  abgesehen  von  der  grÖDeren  Höhe  und  dem  gröDeren  Lcertlefgang 
infolge  kräftigerer  Bauart.    Die  Abmessungen  sind  57,1  m  Länge,  7,65  m  Breite 
und  2,8  m  Höhe,    Der  Leertiefgang 
beträgt  52  cm;  bei  1,4  m  Tauchtiefe 
ist  die  Tragfähigkeit  425  t. 

r)«s  Schiff    isl   gani   aus  Stahl   gebaut 
und  mit  festem  Deck  versehen.    Das  Hiater- 
schilf  hat  unter  Wasser  Keilform;   da?  Heck 
ist  weil  ilbcrgebaut,  so  dab  ein  Seh  webe  rüder 
darunter  Plati   findet     Im  Vorschiff  ist  der 
Boden    stark   gehoben,    der    untere   Teil    des 
Bugs    Ist    löffel förmig,    der    obere    hat    einen 
nahem  senkrechten  Steven.     Das  Mittelschiff 
hat   keinen   Ablauf  und  keine   Lehnung,   die 
Kimm  ist  nach  einem  Halbmesser  von  600  mm 
abgerundet.   Das  Deck  hat  keinen  Sprung: 
Es    ist    durch   kräftige  UnterzUge    und  Säulen 
gegen   den    Boden   abgesteift.      Das  Vorschiff 
und  das  Hinterschiff  sind   zum  Schutz  gegen 
überschlagende    Wellen    mit    einem    Schanz-      S 
kleid  versehen,  wKbrend  das  Mittelschiff  eine      ~ 
leichte  Reling  erhalten  hat.    {Schanikleid  und     ^ 
Reling  fehlen  bei  den  vorbeschriebenen  Fluß-      ^ 
schiffen,)     Spanten   und   Bodenwrangen    sind      " 
in   Abstanden   von   je   600  mm   angeordnet:     :§ 
dies  Maß  scheint  bei  den  französischen  Fluß-      "^ 
schiffen  üblicb  zu  sein.    6  Schottuünde  teilen      S 
5  Laderäume  von  je  9  m  Lüngc  ab,  von  denen      n 
jeder  durch  eine  3  m  lange  und  1,6  m  breite      ^ 
Deckluke  roit   niedrigem   Luksüll   zugänglich     cn 
ist.    Vorne  ist  unter  Deck  ein  ^^'ohuraunl  fdr     ji 
die  Mannschaft,  hinten   ist  eine  Kajüte,   halb       g 
versenkt,    eingebaut,    deren    Dach    mit    dem     ^ 
Boden  des  Ruderstuhls  in  einer  Ebene  üegl.      '.ä 
Das  Ruder  wird  durch  ein  senkrecht  stehendes      ^ 
Handrad    bewegt.      Auf  Deck    sind  3  leichte       § 
eiserne  Drehkrane  autgestellt.  Es  gU.t  auch  ein-     g 
lelne  größere  Schilfe  bis  zu  500  t  Tragfähigkeit. 

Die  Lastschiffe  Rußlands  ver- 
dienen wegen  ihrer  Anzahl  und 
Größe  eine  Erwähnung,  wenn  sie 
auch  nur  selten  auf  deutsche  Wasser- 
straßen kommen.  Die  Form  und 
Größe  der  noch  immer  vorwiegend 
aus  Holz  hergestellten  Schiffe  ist 
sehr  verschieden.  Die  größte  Bedeu- 
tung haben  die  Wolgaschiffe'j. 

l)  Die  Wolga  und  Ihre  Wasserstraßen, 
Denkschrift  des  russischen  Verkehrs-Mlnlstc- 
riums  gewidmet  den  Mitgliedern  des  11.  Kon- 
gresses, Petersburg  1908. 


332 


Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


51.  Die  Barsche  (Abb.  194  bis  198)  ist  die  am  meisten  verbreitete  Form. 
Sie  hat  einen  flachen  Boden  ohne  Sprung,  keine  Lehnung  und  keinen  Ab- 
lauf im  Mittelschiff.  Die  Kimm  ist  in  der  Regel  rund.  Vor-  und  Hinterschiff 
haben  Keilform  und  senkrechte  Steven.  Das  eigentümlich  gebaute  Ruder 
hängt  mit  Fingerlingen  am  Hintersteven.  Das  mittschiffs  wagerechte  Deck 
ist  fest  und  gegen  den  Boden  gut  abgesteift.  Zwischen  dem  mittelsten  Unter- 
zug und  dem  mittelsten  Kielschwein  ist  hölzernes  Fachwerk  eingebaut,  das 
zur  Versteifung  des  Schiffes  dient.  Es  wird  meistens  Fichten-  und  Kiefern- 
holz verwendet.  Die  Abmessungen  der  Schiffe  sind  sehr  verschieden:  Man 
baut  die  Barschen  bis  zu  1 60  m  Länge,  1 9  m  Breite  und  7  m  kleinste  Seiten- 
Barsche,  Abb.  194  bis  196.    1 :  500. 


Abb.  194.     Teile  von  Vor-,  Hinterschiff  und  Längsschnitt. 


Abb.  196.     Querschnitt. 


Abb.  195.     Grundriß  von  Vor-  und  Hinterschiff. 

höhe.  Im  Jahre  1908  war  eine  Länge  von  etwa  105  m 
und  eine  Breite  von  10  bis  13  m  am  häufigsten.  Die 
Tragfähigkeit  geht  bis  zu  50CO  t,  beträgt  meistens 
aber  nur  1500  t.  Eine  solche  Barsche  in  Holz  soll 
im  Jahre  1908  etwa  22000  Mark  gekostet  haben.  Zur 
Beförderung  von  Naphtha  sind  in  neuerer  Zeit  2  besonders  große  hölzerne 
Barschen  gebaut  worden:  149  und  164  m  lang,  19  m  breit  und  5,4  m 
hoch,  die  bei  einer  Tauchtiefe  von  etwa  3  m  eine  Tragfähigkeit  von  6560  t 
haben. 

Es  werden  jetzt  auch  Barschen  aus  Eisen  und  Stahl  in  gleichen  For- 
men gebaut.  Die  größte,  zur  Beförderung  von  Naphtha  bestimmte,  hatte 
im  Jahre  1908  eine  Tragfähigkeit  von  8200  t  (nach  anderer  Angabe  sogar 
9184  t)  bei  153,4  m  Länge,  21,3  m  Breite,  4,6  m  Seitenhöhe  und  2,8  m  Tief- 
gang. Wegen  der  großen  Breite  ist  sie  mit  4  Steuerrudern  versehen.  Sie  ist 
mit  2  Masten  ausgerüstet  und  trägt  auf  Deck  ein  Maschinengebäude,  sowie 
eine  geräumige  Kajüte  iiir  die  aus  7  Mann  und  einem  Maschinisten  bestehende 
Besatzung.  Die  Kosten  dieses  Schiffes,  einschließlich  der  Ausrüstung  mit 
Rohrleitungen,  einer  Dampfpumpe  u.  dgl.  haben  etwa  252000  M.  betragen. 


I.  Größe,  Form  uad  EiarlchtuDg  der  Lasiscbilfe.  333 

Abb.  197  zeigt  zwei  hölzerne  Barschen,  die  von  einem  Dampfer  auf  der  Wolga 
geschleppt  werden. 

Viele  Barschen  werden  nur  für  eine  einmalige  Talfahrt  gebaut  und  be- 
kommen dann  ganz  besonders  große  Abmessungen,  namentlich  in  der  Hohe. 
Sie  werden  ausschlieOlich  zur  Beförderung  von  Bauholz  hergestellt  und  heißen 


Abb.  197.  Barschen 


Abb.  19S.     Beliima  (weiße  Barsche]  von  15000  t. 

>Beliana<.  Der  Name  kommt  von  >bely<,  deutsch  >weiO',  her,  weil  die 
Schiffe  keinen  Anstrich  erhalten,  also  weiQ  bleiben.  Unsere  kleine  Abbildung 
(198)  zeigt  das  Hinterschiff  einer  Beliana,  die  bei  etwa  5  m  Tiefgang  15000  t 
bis  16400  t  trägt '). 

52.  Die  Barke  (Abb.  199  bis  202)  ist  nächst  der  Barsche  am  meisten 
im  Gebiet  der  Wolga  verbreitet.   Sie  ist  offen,  hat  wagerechten  Boden,  wage- 

I)  VoIps  navignblcä  intiSricures  de  la  Russie,  vom  russi s eben  Verkehrsmini stefium  gewidmcl 
den  Mitgliedern  des  11.  internationalen  Schiflährtkongresses,  St.  Petersburg  1908. 


334 


Abschnin  II.     Luslschiffe  ohne  eigcDC  Triebkraft. 


rechtes  Schandeck,  ist  vorne  und  hinten  halbsylinderformig  gerundet  und  mit 
senkrechten  Steven  versehen.  Das  Steuer  ist  ebenso  wie  bei  den  Barschen  an- 
geordnet. Die  Längsversteifung  des  Schiffskörpers  wird  durch  ein  hölzernes 
Kielschwein  und  durch  je  2  an  den  inneren  Bordwänden  angeordnete  Balken 


Barke,  Abb.  199 


Abb.  3O0.     Grundriß  von  Vor-  und  Hioter^hifT. 


Abb.  aoi.     Bug«nsicht. 


Abb,  zoz.     QuerschoitL 


Kolomenka,  Abb.  203  bis  2a^.     i  :  500. 


Abb.  103.     Längsschnitt. 


Abb.  104.     GnindriB.   . 


Abb  205.     Querschnitt. 

in  Form  von  Seitenstringern  bewirkt.  Diese  Barken  werden  nur  aus  Holz 
hergestellt  und  meistens  in  Längen  bis  zu  85  m,  in  Breiten  bis  zu  iz  m 
und  darüber  und  in  Höhen  bis  zu  4  m. 

53.  Die  Kolomenka  [Abb.  203  bis  aoj)  hat  im  Grundriß  die  Form  der 
Barsche,  während  Bug  und  Heck  wie  bei  der  Barke  gebaut  sind:   durchweg 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  LastschifTe.  335 

mit  senkrechten  Bordwänden  ohne  jede  Lehnung.  Der  Boden  ist  wagerecht 
ohne  Sprung,  das  Deck  hingegen  mit  starkem  umgekehrtem  Sprung  versehen, 
sodaß  das  Schiff  in  der  Mitte  höher  ist  als  an  den  Enden,  was  den  Regeln 
der  Festigkeit  am  besten  entspricht.  Die  Längsversteifung  wird  ähnlich  wie 
bei  der  Barsche  durch  Kielschweine  und  die  das  Deck  tragende  Mittelwand  be- 
wirkt. Das  Deck  ist  fest,  aber  dachförmig  gebaut  wie  bei  den  Oderschiffen 
und  reicht  von  Steven  zu  Steven.  Im  Vorschiff  und  im  Hinterschiff  sind 
darüber  noch  besondere,  ebene  Deckflächen  angeordnet  zum  Verkehr  der 
Schiffmannschaft.  In  der  Mitte  des  Decks  ist  eine  große  hölzerne  Winde  (in 
Form  einer  sogenannten  Erdwinde)  aufgestellt,  die  zum  Verholen  und  Warpen 
dient  (S.  76).  Auch  diese  Schiffe  werden  ganz  aus  Holz,  aber  nicht  in  so 
großen  Abmessungen  hergestellt:  meistens  in  Längen  bis  zu  64  m,  in  Breiten 
bis  zu  II  m  (selten  bis  13  m)  und  in  Höhen  bis  zu  4  m;  Schiffe  unter  7,5  m 
Breite  werden  überhaupt  nicht  gebaut. 

Bei  allen  hölzernen  Wolgaschiffen  ist  sehr  beachtenswert,  wie  man  die 
Versteifung  des  Schiffskörpers  namentlich  in  der  Längsrichtung  erreicht  hat. 

Während  diese  Schiffe  in  der  Regel  mit  senkrechten  Steven  gebaut 
werden,  findet  man  auf  der  Newa  auch  Schiffe  mit  stark  gebogenem  Steven 
und  löffeiförmigem  Bug,  der  dem  des  Saarschiffs  (34)  ähnlich  ist. 

Die  von  der  Wolga  zur  Newa  durch  die  Kanäle  des  Mariensystems  ver- 
kehrenden Schiffe  dürfen  64  m  lang  und  9,6  m  breit  sein.  Bei  dem  zulässigen 
Tiefgange  von  1,8  m  haben  sie  eine  Tragfähigkeit  von  786  t.  Ausnahmsweise 
verkehren  dort  auch  Schiffe  von  72,5  m  Länge  und  etwa  900  t  Tragfähigkeit. 
Die  für  diesen  Verkehr  bestimmten  Barschen  werden  »Mariinka«  genannt. 

Zur  Beförderung  besonderer  Güter  eingerichtete  Lastschiffe. 

Die  bisher  beschriebenen  Schiffe  sind  im  allgemeinen  zur  Beförderung 
verschiedener  Güter  bestimmt,  wenn  auch  in  einzelnen  Fällen  auf  die  Ver- 
ladung besonderer  Gegenstände,  z.  B.  langer  eiserner  Träger  oder  Schienen, 
beim  Bau  Rücksicht  genommen  wird.  Zur  Beförderung  gewisser  Güter,  wie 
z.  B.  von  Flüssigkeiten,  sind  aber  ganz  besonders  eingerichtete  Schiffe  nötig, 
von  denen  hier  einige  Beispiele  mitgeteilt  werden  sollen. 

54.  Kastenschiffe,  auch  Tankschiffe  genannt  (Abb.  206  bis  217)  dienen 
zur  losen  Beförderung  von  Petroleum,  Naphtha,  Benzin,  Ol,  Säure  und 
ähnlichen  Flüssigkeiten.  Wir  erwähnten  solche  Schiffe  schon  bei  der  Bespre- 
chung der  Wolgabarsche.  In  Deutschland  werden  sie  zur  Beförderung  von 
Petroleum  aus  den  Seehäfen  nach  dem  Binnenlande  seit  Jahren  viel  benutzt. 
Sie  sind  in  der  Regel  ganz  au§  Stahl  gebaut  und  durch  eine  Längsschottwand 
sowie  eine  Reihe  von  Querschotten  in  mehrere  Kasten  (Tanks)  geteilt,  die 
durch  eine  auf  dem  festen  Deck  angeordnete  Rohrleitung  einzeln  gefüllt  und 
entleert  werden  können 

Für  die  Einrichtung  der  Kastenschiffe  bestehen  z.  B.  am  Rhein  besondere 
Vorschriften  (Ordnung  für   die  Untersuchung  der  Rheinschiffe  vom  i.  April 


336 


Abschnitt  IL     LastschifTe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Kastenschiff  für  Petroleum  (östliche  Wasserstraßen],  Abb.  206  bis  210. 


Abb.  206.    Längsschnitt  i :  400. 


Abb.  207.     Grundriß  i :  400. 


Abb.  210.   Längsschnitt  durch 
eine  Schottwand  i :  100. 


Abb.  208.     Querschnitt  in  der  Mitte 
eines  Kastens  i :  100. 


Abb.  209.     Querschnitt  an  einer  Luke 

I  :  100. 


1905),  von  denen  hier  mitgeteilt  werden  mag,  daO  der  Fassungsraum  eines 
Kastens  150  m^  nicht  übersteigen  darf  und  daO  die  Kasten  unter  sich  je  durch 
eine  Öffnung  oder  ein  Rohr  von  höchstens  200  cm'  lichter  Weite  verbunden 
sein  dürfen,  die  vom  Deck  aus  geschlossen  werden  können.  Weitere  Bestim- 
mungen betreffen  die  Lüftungseinrichtungen,  die  Anlage  eines  hölzernen  Über- 
decks usw. 

In  Abb.  206  bis  210  ist  ein  Petroleum-KastenschifF  dargestellt,  das  für  den  Verkehr  von 
Hamburg  nach  der  oberen  Elbe,  nach  Berlin,  Breslau  und  bis  Oberschlesien  bestimmt  ist.  Die 
größte  Länge  über  alles  beträgt  55  m  und  zwischen  den  Loten  53,5  m,  die  Breite  über  den  Scheuer- 
leisten 8  m  und  auf  den  Spanten  7,9  m,  die  kleinste  Seitenhöhe  1,6  m,  der  Tiefgang  mit  420  t 
Ladung  (gleich  500  m^  Petroleum)  i  ,45  m.  Die  Steven  sind  senkrecht,  das  Heck  ist  übergebaut 
und  trägt  ein  festes  Steuerruder,  das  durch  ein  senkrechtes  Handrad  und  Kettenübertragung  be- 
wegt wird.  Der  Boden  hat  keinen  Sprung,  das  Mittelschiff  keinen  Ablauf.  Die  Kimm  ist  nach 
einem  Halbmesser  von  300  mm  abgerundet.  Die  Bordwände  haben  eine  schwache  Lehnung  (je 
40  mm)  nach  oben,  so  daß  die  Schiffsbreite  in  der  Leerebene  größer  als  in  der  obersten  Wasser- 
linie ist.  Dadurch  wird  mit  Rücksicht  auf  die  hölzernen  Scheuerleisten  die  verfügbare  Breite 
von  8  m  besser  ausgenutzt.  Die  Anordnung  der  Räume  ist  die  übliche :  im  Hinterschiff  unter 
Deck  die  Kajüte  des  Schiffers,  im  Vorschiff  hinter  dem  Sicherheitschott  der  Mannschaftsraum 
und  dazwischen  der  Laderaum.  Dieser  wird  durch  je  0,6  m  breite,  mit  Wasser  gefüllte  Sicher- 
heitsräume (> Kofferdamm«)  von  den  Wohnräumen  getrennt  und  durch  4  Querschotte  und  eine 
Ivängsschottwand  in  10  Kasten  (»Tank«)  geteilt.  Das  Schiff  hat  somit  im  ganzen  9  Querschotte. 
Der  Boden  ist  nicht  wagerecht,  sondern  steigt  von  der  Mitte  nach  den  Borden  beiderseits  um 
40  mm  an,  damit  die  in  den  Kasten  enthaltenen  Flüssigkeitsreste  nach  der  Mitte  zusammen  - 
fließen.  Zum  gleichen  Zweck  sind  auch  alle  Blechstöße,  namentlich  im  Boden,  so  angeordnet, 
daß  nirgends  Flüssigkeitsreste  stehen  bleiben  und  schädliche  Gase  sich   bilden   können.     Die  in 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe.  337 

500  mm  Abstand  gestellten  Spanten  sind  im  allgemeinen  75  *  50  •  7  mm  stark,  an  den  Schott- 
wSnden  aber  ioq  •  100  •  8  mm.  Die  Bodenwrangen  (an  jedem  Spant}  sind  in  dem  Laderaum 
6  mm  stark,  170  mm  hoch  und  oben  als  Gegenspanten  auf  70  mm  Breite  umgebogen;  an  der 
Längsschottwand,  mit  der  sie  durch  Eckbleche  verbunden  werden,  sind  große  Zuflußlöcher  aus- 
geschnitten. Die  HauptlKng^versteifiing  des  Schiffes  wird  durch  die  mittlere,  7  mm  starke  Schott- 
wand bewirkt;  außerdem  sind  noch  zwei  unvollständige  Kielschweine  von  70  •  50  •  7  mm  starken 
Winkeln  vorgesehen.  An  jedem  Spant  ist  ein  75  *  50  •  6  mm  starker  Deckbalken  angeordnet, 
der  mit  den  Bordwänden  und  der  Mittelwand  durch  Eckbleche  verbunden  ist.  Das  Deck 
wird  außerdem  durch  zwei  Unterzttge  versteift,  die  aus  einem  125  •  6  mm  starken  Bleche  und 
zwei  Winkeln  von  50  •  50  •  6  mm  Stärke  zusammengesetzt  sind.  Bei  jeder  Luke  wird  das  Deck 
durch  einen  60  •  60  •  6  mm  starken  senkrechten  Winkel  gegen  den  Boden  abgestützt  (Abb.  209). 
Die  Außenhaut  hat  folgende  Blechstärken:  Boden  und  Kimm  8  bis  7  mm,  Seitengang  ein- 
schließlich Schanzkleid  8  bis  6,5  mm,  Deck  6  bis  5,5  mm.  Das  ringsum  laufende  350  und 
500  (vorne)  mm  hohe  Schanzkleid  ist  oben  mit  einem  Relingseisen  gesäumt  und  durch  kurze 
Winkel  gegen  das  Deck  abgestützt.  Der  Stringerwinkel  ist  65  •  65  .  8  mm  stark,  die  160  •  80  mm 
starke  hölzerne  Scheuerleiste  durch  zwei  65  •  50  •  6  mm  starke  Winkel  mit  der  Bordwand  ver- 
bunden. Von  den  Querschotten  laufen  die  beiden  äußersten  von  5,5  mm  Stärke  an  den  Kajüten 
durch,  während  die  6  anderen  von  5  mm  Stärke  an  der  Mittelwand  gestoßen  werden.  Sie  sind 
durch  wagerechte  und  senkrechte  Winkel  von  75  •  50  •  7  mm  Stärke  versteift  In  den  beiden 
mit  Wasser  gefüllten  Sicherheitsränmen  sind  die  Schotte  durch  je  2  wagerechte  Anker  abge- 
steift, während  in  der  Mitte  von  jedem  der  10  Petroleumkasten  noch  eine  wagerechte  Querver- 
steifhng  durch  Winkeleisen  zwischen  Bordwand  und  Mittelwand  vorgesehen  ist  (Abb.  208).  Die 
Deckunterzüge  und  Kielschweine  sind  mit  den  Schotten  durch  große  Eckbleche  verbunden 
(Abb.  210).  Ebenso  erhält  die  Mittelwand  in  den  Kajüten  große .  Eckbleche  zur  Verbindung  mit 
Deck  und  Boden;  im  letzteren  schließt  sieh  ein  starkes  vollständiges  Kielschwein  an,  das  bis 
zu  den  Steven  reicht  Man  ersieht  aus  der  Beschreibung,  daß  diese  Schiffe  mit  Rücksicht  auf 
den  Seitendruck  der  Flüssigkeiten  sehr  fest  gebaut  sein  müssen.  Vom  Deck  aus  sind  die  Koffer- 
dämme durch  Mannlöcher  zugänglich,  die  mit  Gummidichtung  und  Preßschrauben  geschlossen 
werden.  Von  den  Petroleumkasten  sind  je  2  mit  einer  gemeinsamen,  2,5  m  langen,  1,8  m  breiten 
Luke  (»Expansionsinke«)  versehen,  die  von  400  mm  hohen,  6  mm  starken  Luksüllen  umgeben 
ist  Die  Lukendeckel  sind  mit  Scharnieren,  Preßschrauben  und  Gummidichtung  ausgerüstet.  Die 
neben  den  Luken  liegende  schweißeiseme  Rohrleitung  hat  200  mm  Durchmesser,  ist  durch  guß- 
eiserne Formstücke  mit  den  einzelnen  Stutzen  verbunden  und  außerdem  durch  eingeschaltete 
Stopfbüchsen  in  sich  beweglich.  Die  in  jedem  Kasten  bis  nahe  an  den  Boden  (ohne  Rück- 
schlagventil) reichenden  Saugerohre  sind  auf  Deck  mit  besonderen  Absperrventilen  versehen,  so* 
daß  von  dem  Hauptrohr  aus  jeder  Kasten  einzeln  gefüllt  oder  entleert  werden  kann.  Sowohl 
jeder  Kasten  als  auch  die  Wasserräume  (Kofferdämme)  werden  durch  Einfüllen  von  Wasser 
unter  einem  Druck  von  i  m  über  Lukenoberkante  auf  der  Werft  rücksichtlich  ihrer  völligen 
Dichtigkeit  geprüft  und  die  Rohrleitung  wird  einem  Überdruck  von  etwa  3  Atmosphären  unter- 
worfen. 

Dies  Schiff  hat  am  Heck  unter  Wasser  Keilform  und  senkrechten  Steven,  am  Bug  ink 
unteren  Teile  Löffelform  und  darüber  gleichfalls  einen  senkrechten  Steven.  Die  Verdrängung: 
beträgt  bei  1,45  m  Tauchtiefe  547  t,  woraus  sich  das  tote  Gewicht  zu  547  —  420  =  127  t  er- 
geben würde,  während  es  nach  Angabe  der  Werft  einschließlich  der  Ausrüstung  (10  t)  zu  randi 
136  t  angegeben  wird.  Der  Preis  betrug  1909  ohne  Ausrüstung  (Winden,  Anker  u.  dgl.),  aber- 
einschließlich  der  Rohrleitungen  etwa  50000  Mark. 

In  den  Abbildungen  211  und  212  ist  ein  anderes  Petroleum-Kastenschiff  dargestellt,  das 
für  den  Rhein  bestimmt  ist.  Es  hat  eine  Länge  zwischen  den  Loten  von  75  m,  eine  Breite 
auf  den  Spanten  von  9,5  m,  eine  kleinste  Seitenhöhe  von  2,6  m  und  bei  2,5  m  Tauchtiefe  eine 
Tragföhigkeit  von  1200  t  bei  gefüllten  Wasserkasten  (Kofferdämme).  Nach  Art  der  Rheinschiffe 
haben  Bug  und  Heck  Keilformen.  Die  Anordnung  ist  im  übrigen  ähnlich  der  vorbeschriebenen: 
Außer  dem  vorderen  Sicherheitschott  sind  12  Querschotte  vorhanden,  die  mit  der  Längsschott* 
wand  18  Petroleumkasten  und  2  Wasserkasten  abteilen.  Die  Expansionsluken  sind  zylindrich  ge- 
staltet und  mit  besonderen  Entlüftungsrohren  versehen.  Auf  Deck  sind  2  Flaggenmasten  ange- 
ordnet. Es  verkehren  auf  dem  Rhein  noch  größere  Petroleum-Kastenschiffe,  die  bis  88  m  zwischen 
den  Loten  lang,  bis  um  breit  sind  und  Tragfähigkeiten  bis  1 500  t  haben. 

Solche  Schiffe  werden  auch  zur  Beförderung  von  Benzin  benutzt 
Teubert,  Binnenschiffahrt  22 


Die  AbbQdDiigeii  313  nnd  314  leigcn 
einen  Teil  von  einem  Kaitenschüf  zui  Be- 
fürdernng  von  Heiiöl  (schweres  Steinkohlen- 
tecTöt),  das  Zar  Kesselfeaenuig  der  Schicpp- 
dampfer  anf  dem  TeltowLuul  benntit  wird. 
Das  Schiff  ist  33,1  m  Ober  alles  Ung,  5,5  m 
breit,  1,8  m  hoch  und  hat  bei  1,47  m  Tauch- 
tiefe ebe  Tragfthigkeit  von  etwa  175  t.  Die 
Anordnung  der  Ütkasten  und  Wasserkuten 
Ist  im  allgeiiieiaen  die  gleiche  wie  bei  den 
vorbeschriebenen  Schiffen.  Das  Heizöl  [mit 
einem  speiifisclien  Gewicht  von  I  bis  1,1 
muß  abei  im  Winter  erwKimt  werden.  Dam 
dient  die  aus  den  Abbildungen  ersichtliche 
Warmwasseiheizung.  Der  Heizkessel  ist  im 
Hinterschiff    hinter   dem   Kofferdamm    ange- 

SchilTe  zur  Beförderung  von  Siuren 
oder  Gaswasser  (Abb.  315  bis  217]  werden 
zuweilen  in  gleicher  Weise  wie  die  Petroleum- 
KastenschiHe,  aber  in  kleineren  Abmessungen 
gebaut  Abbildung  aij  leigl  den  Querschnitt 
eines  in  der  Nihc  von  Berlin  zur  Beförderung 
von  Salz-  und  Schwefelstture  benutzten  SchifTcs, 
Es  ist  etwa  30  m  lang,  5  m  breit  und  1,7  m 
hoch.  Der  etwa  l  m  hohe  Laderaum  ist  nur 
durch  eine  Miltclwand  in  zwei  groL^e  Kasten 
geteilt,  Querschotte  sind  nicht  angeordnet. 
Die  LaderSnme  reichen  von  Steven  lu  Steven 
und  sind  gewissermalSen  als  doppeller  Scbiffs- 
boden  anzusehen.  Auf  dem  Deck  sind  als 
besondere  Aufbauten  vorne  und  hinten  kleine 
Kajüten  angeordnet.  Mittschiffs  sind  t  Ein- 
stogeluken  mit  den  nötigen  Rohranschiü&sen 
und  EntlUftungsbühnen  angebracht. 

Solche  Stoffe  werden  zuweilen  in  grobeu 
Blechzilindcrn  befördert,  wie  es  z.B.  in 
den  Abbildungen  316  bis  217  dargestellt  ist. 
Das  aus  Stahl  mit  Holzboden  gebaute  Schiff, 
von  dem  der  mittlere  Teil  gezeichnet  ist,  bat 
36  m  LSnge  und  3,8  m  Breite  über  den 
Spanten.  Es  trHgt  einen  11,4  m  langen, 
1,5  ni  iro  Durchmesser  weiten  Blechzilinder 
von  20  m'  Inhalt,  der  durch  Zwischenwinde 
in  3  Teile  zerlegt  und  durch  Mannlöcher  in- 
gXnglich  ist.  An  den  beiden  Enden  des 
Schiffs  befinden  sich  Ritume  für  die  Mann- 
schaft. Zuweilen  werden  auch  Schiffe  ge- 
baut,   die    mehrere    ZiUnder    nebeneinander 

55.  Schiffe  zur  Beförde- 
rung von  Sand  und  Mörtel.  Die 
vereinigten  Berliner  Mörtelwerke  be- 
sitzen eine  große  Zahl  von  Schiffen 
zu  diesem  Zweck.     Abbildung  218 


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340 


Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft 


zeigt  den  Querschnitt.  Die  Schiffe  sind  48  m  lang,  6,65  m  über  den  Spanten 
breit  und  2  m  hoch.  Der  Laderaum  ist  trapezförmig  gestaltet,  um  das 
mechanische  Entladen  durch  geneigte  Becherwerke  zu  erleichtem,  und  mit 
gespundeter,  50  mm  starker  Bretterverkleidung  versehen.  Die  oberen  seit- 
lichen Bretteraufsätze  sind  losnehmbar.  Im  übrigen  sind  die  Schiffe  aus 
Stahl  gebaut. 


etyßtäcn 
ßoaess 


GLuerscäniti 


27S 


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VS97 


§1 


«I»  — 


iOSOAS 


6.65 


Abb.  218.     Sand-  und  Mörtelschiff  i  :  80. 


SchifT  zur  Beforderang  von  Ziegelsteinen,  Abb.  219  und  220. 


2,00 

I 
I 
I 
I 


Abb.  219.     Querschnitt  i  :  60. 


Abb.  220.     Teil  des  Längenschnitts  i  :  60. 

56.  Schiffe  zur  Beförderung  von  Ziegelsteinen.  Auch  für  diesen 
sehr  lebhaften  Verkehr  auf  den  Märkischen  Wasserstraßen  sind  in  neuerer 
Zeit  besondere  Schiffe  gebaut  worden,  die  sich  von  den  gewöhnlichen  Last- 
schiffen dadurch  unterscheiden,  daß  die  Bühne  (die  Wegerung)  nicht  unmittel- 
bar auf  den  Boden  wrangen,   sondern  0,7  m  bis  i  m  über  dem  Schiffsboden 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe.  341 

liegt.  Das  hat  den  Vorteil,  daß  sowohl  beim  Laden  wie  beim  Löschen  die 
Überwindung  dieses  Höhenunterschieds  erspart  wird.  Bei  dem  groDen  Ge- 
wicht der  Mauersteine  liegt  der  Schwerpunkt  der  Ladung  noch  immer  so  tief, 
daß  die  nötige  Steifheit  (Stabilität)  gesichert  bleibt. 

Das  in  den  Abbildungen  219  und  220  dargestellte  ganz  aus  Stahl  gebaute  Schiff  zeigt 
noch  andere  Eigentümlichkeiten.  Es  ist  48  m  über  alles  lang,  7  m  auf  den  Spanten  breit,  2  m 
hoch  und  hat  bei  1,6  m  Tiefgang  eine  Tragfähigkeit  von  etwa  360  t.  Die  ^5  *  50  •  5,5  mm 
starken  Spanten  stehen  in  500  mm  Abstand.  Die  1 50  mm  hohen  Bodenwrangen  bestehen  aus 
dem  Spantwinkel  und  einem  oben  gegengenieteten  Winkel  von  130  •  65  •  6  mm.  Im  Laderaum 
sind  2  vollständige  Kielschweine  aus  225  •  5  mm  starken  Blechen  angeordnet,  die  oben  mit  einem 
Winkel  von  75  *  50  •  7  mm  nnd  unten  mit  einem  solchen  von  50  •  50  •  5,5  mm  gesäumt  sind. 
760  mm  über  dem  Boden  liegen  die  75  ■  50  •  7  mm  starken  Fußbodenwinkel,  die  durch  3  Stütz- 
winkel und  Eckbleche  mit  den  Bodenwrangen  verbunden  sind.  Durchgehende  hohe  Querschotte 
befinden  sich  nur  an  den  beiden  Enden  des  36,5  m  langen  Laderaums;  aber  6  niedrige  Halb- 
schotte von  760  mm  Höhe  zwischen  Boden  und  Bühne  sind  im  Laderaum  in  Entfernungen  von 
je  II  Spanten  angeordnet.  In  Verbindung  mit  den  letzteren  und  außerdem  in  den  Zwischen- 
räumen von  je  5  und  6  Spantenentfemungen  sind  zur  Versteifung  beiderseits  noch  ii  Rahmen- 
spanten von  550  mm  Breite  eingebaut,  die  den  ebenso  breiten  und  6,5  mm  dicken  Stringer  aus 
glattem  Blech  tragen.  Dieser  liegt  380  mm  unter  Bordoberkante,  ist  mit  der  Bordwand  durch 
einen  50  •  50  •  6  mm  starken  Winkel  verbunden  und  an  der  Seite  des  Laderaums  durch  2  Winkel 
von  75  •  50  •  7  und  50  •  40  •  5  mm  gesäumt.  Auf  dem  Stringer  liegt  der  Bordgang  aus  30  mm  starken 
Brettern.  Zur  weiteren  Bordverstärkung  liegt  auf  der  Oberkante  des  Schergangs  ein  C-Stahl  von 
140  •  60  •  7  •  10  mm  Stärke,  an  den  sich  binnenschlffs  ein  ebenso  breites,  45  mm  starkes  Brett  an- 
schließt, das  in  Längen  von  etwa  2  m  nach  unten  geklappt  werden  kann,  um  den  Bordgang 
frei  zu  machen.  In  der  Mittellinie  des  Laderaums  sind  bei  den  oben  erwähnten  Halbschotten 
6  »Stützkasten«  von  1,6  •  1,1  m  Größe  im  Grundriß  und  500  mm  Höhe  angeordnet.  Sie  dienen 
dazu,  um  zwischen  ihnen  und  dem  Ufer  bewegliche  Brücken  herzustellen,  auf  denen  mittels  einer 
Feldbahn  die  mit  Mauersteinen  beladenen  Wagen  bewegt  werden.  Diese  gut  gebauten  Schiffe 
haben  im  Jahre  1903  je  24000  Mark  gekostet. 

57.  In  den  Abbildungen  221  bis  224  ist  ein  Lastschiff  mit  Kühiein- 
richtungen  dargestellt,  das  in  neuerer  Zeit  zur  Beförderung  von  Bier  be- 
nutzt wird').  Solche  Schiße  sind  auf  der  Elbe  im  Betriebe  und  befördern 
meistens  entweder  böhmisches  Bier  von  Tetschen  oder  baierisches  Bier  von 
Riesa  nach  Hamburg.  Sie  haben  eine  größte  Länge  von  55  m  und  eine 
größte  Breite  von  7  m,  sind  aus  Stahl  mit  hölzernem  Boden  gebaut  und  mit 
festem  hölzernem  Deck  versehen. 

Aus  dem  Längsschnitt  (Abb.  221)  erkennt  man,  dal^  die  3  Laderäume  durch  je  eine  große 
Luke  zugänglich  sind.  Der  Boden,  die  Bordwände  und  das  Deck  sind  über  die  ganze  Länge 
der  Laderäume  ebenso  wie  die  vorne  und  hinten  sie  abschließenden  Schottwände  durch  Kork- 
stein gegen  Wärmedurchgang  gesichert.  Zu  diesem  Zweck  ist  zwischen  den  eisernen  Boden- 
wrangen ein  30  mm  starker  hölzerner  Zwischenboden  eingebracht,  auf  dem  der  50  mm  starke 
Korksteinbelag  befestigt  ist.  Dieser  Zwischenboden  ist  in  einzelnen  Tafeln  beweglich.  Außer- 
dem sind  die  Oberflächen  der  Wrangen  mit  Isolierpapier  belegt  und  hierauf  gleichfalls  eine  50  mm 
starke  Korksteinschicht  gekittet.  Dann  ist  über  den  ganzen  Boden  die  übliche  Bühne  aus  losen, 
gefugten  Brettern  gestreckt  Die  Bordwände  sind  innen  mit  einer  100  mm  starken  Korkstein- 
schicht belegt,  die  durch  Korksteinkitt  an  die  Bleche  geklebt  ist.  An  jedem  zweiten  Spant  sind 
Holzrippen  bündig  eingelegt,  an  denen  die  Seitenverschalung  befestigt  ist  Ebenso  sind  die  beiden 
Schottwände  mit  Korkstein  in  zwei  gegeneinander  versetzten  Lagen  von  zusammen  100  mm  Dicke 
bedeckt  und  dann  mit  einer  Verschalung  aus  30  mm  starken  Brettern  versehen.  Das  hölzerne 
Deck  trägt  in  ähnlicher  Weise  auf  seiner  Unterfläche  zwei  Lagen  Korkstein  von  zusammen  150  mm 

i)  Zeitschrift  für  Binnenschiffahrt,  1908,  Seite  226. 


Abschnitt  IL     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


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iiii 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe. 


343 


Dicke  und  darunter  eine  dünne  Bretterverschalung.  Zur  Erzeugung  der  Kälte  dient  eine  Anlage 
mit  Kohlensäurekompression,  die  in  dem  hinter  den  Laderäumen  angeordneten  Maschinenraum 
untergebracht  ist  (Abb.  223]  und  im  wesentlichen  aus  einem  Benzinmotor,  einem  liegenden  Kom- 
pressor, einem  Kondensator  und  einem  als  Dampfkühler  ausgebildeten,  in  die  Laderäume  ein- 
gebauten Verdampfer  besteht  Der  Benzinmotor  leistet  15  Pferdestärken,  macht  in  der  Minute 
350  Umdrehungen  und  verbraucht  stündlich  etwa  4,$  kg  Benzin,  wovon  ein  Vorrat  im  hintersten 
Schiffsraum  mitgenommen  wird  Das  Kühlwasser  wird  durch  eine  Kapselpumpe  (hinter  dem  Kom- 
pressor) der  Elbe  entnommen,  tritt  unten  in  den  Kondensator  ein  und  Hießt  oben  wieder  in  den 
Strom  zurück.  Der  Verdampfer  besteht  aus  einem  Rohmetz  von  28/38  mm  Durchmesser,  das 
an  der  Decke  der  Laderäume  in  Gruppen  aufgehängt  bt,  wie  sie  im  Grundriß  (Abb.  223]  punktiert 
angedeutet  sind.  In  der  Abbildung  225  ist  die  Rohrleitung  des  hintersten  Laderaums  in 
größerem  Maßstabe  dargestellt.  Es  ist  nur  ein  Regulierventil  im  Maschinenraum  vorhanden,  so 
daß  es  nicht  nötig  ist,  während  der  Reise  die  Laderäume  zu  betreten,  was  wegen  des  Zoll- 
verschlusses von  Wichtigkeit  ist.  Die  Behandlung  der  Maschinen  ist  einfach  und  kann  vom 
Schiffer  besorgt  werden.  Es  ist  fUr  das  meist  in  Fässern  verladene  Bier  eine  gleichmäßige  Wärme 
von  2  bis  4°  C  erforderlich;  die  Einrichtung  genügt  aber  auch,  um  dauernd  —  7°C  im  Lade- 
raum zu  erzeugen.  Die  beim  Bau  gestellte  Forderung  war  eine  stündliche  Kälteleistung  von 
16000  Wärmeeinheiten  bei  —  10®  Verdampfungstemperatur  im  Flußwasser  bis  zu  -f-  20®  C. 


Abb.  225.     Leichterschiff  mit  Laufkran,  Querschnitt  i :  75. 


58.  Abbildung  225  stellt  den  Querschnitt  durch  ein  Leichterschiff 
mit  Laufkran  dar,  wie  sie  in  neuerer  Zeit  häufig  auf  dem  Rhein  benutzt 
werden.  Das  Schiff  von  54  m  Länge,  7,5  m  Breite  und  2,1  m  Seitenhöhe  ist 
im  übrigen  wie  ein  gewöhnliches  Rheinschiff  gebaut.  Die  Bordgänge  haben 
jedoch  eine  Breite  von  i  m  erhalten,  um  auf  ihnen  die  Träger  für  die  Schienen 
anzubringen,  auf  denen  die  4  Räder  des  den  Dampfkran  tragenden  Wagens 
(von  2,8  m  Länge  und  5,5  m  Breite)  laufen.  Die  Länge  der  Schienenbahn 
ist  26,5  m.  Der  Dampfkran  von  gewöhnlicher  Bauart  trägt  an  dem  11  m 
weit  (von  der  Mitte)  ausladenden  Ausleger  einen  Greifer.  Mit  so  ausgerüsteten 
Schiffen  kann  man  während  der  Bergfahrt  sehr  bequem  und  ohne  Zeitverlust 


344  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

die  für  die  weitere  Reise  zu  tief  beladenen  Schiffe  leichtem.  Da  die  beiden 
Schiffe  dazu  fest  miteinander  verbunden  werden  müssen,  sind  an  dem  Leichter- 
schiffe nicht  nur  in  Höhe  des  Bordgangs,  sondern  auch  tiefer  unten,  an  der 
Nietreihe  des  Kimmgangs  Scheuerleisten  aus  Halbrundstahlen  (73  -  26  mm)  an- 
gebracht worden. 

In  Mannheim  befanden  sich  1909  bereits  10  bis  12  solcher  Schiffe,  die  namentlich  beim 
Leichtem  der  weiter  stromaufwärts  gehenden  Kohlenschi£fe  mit  Erfolg  benutzt  wurden.  Zum 
Leichtem  von  Getreideschiffen  mit  entsprechend  angeordnetem  Becherwerk  (Elevatoren)  ge- 
baute Schilfe  haben  sich  bisher  weniger  gut  bewährt. 

Ergebnisse. 

Die  mitgeteilten  Beispiele  von  Lastschiffen  zeigen  große  Unterschiede 
hinsichtlich  ihrer  GröDe,  Form  und  Einrichtung.  Diese  Unterschiede  sind  zum 
Teil  auf  die  Beschaffenheit  der  verschiedenen  Wasserstraßen,  zum  Teil  auf  die 
wirtschaftlichen  Verkehrsbedingungen,  zum  Teil  auch,  wie  früher  schon  be- 
merkt, auf  die  technisch  mehr  oder  minder  berechtigten  Gewohnheiten  und 
Überlieferungen  der  Schiffer  zurückzufuhren.  Alle  Schiffe,  die  für  das  Durch- 
fahren von  Kanälen  und  Schleusen  bestimmt  sind,  müssen  sich  in  ihrer  Größe 
nach  diesen  richten.  Dazu  gehören  in  Deutschland  besonders  die  Schiffe  auf 
den  Wasserstraßen  zwischen  Elbe  und  Weichsel,  auf  dem  Dortmund-Ems- 
Kanal  und  auf  den  elsaß- lothringischen  Kanälen.  Es  bleiben  zur  weiteren 
Untersuchung  die  Schiffe  auf  dem  Rhein,  der  Weser,  der  Elbe  und  der  Donau. 
Ihre  verschiedene  Größe  ist  nicht  allein  aus  der  Beschaffenheit  dieser  Ströme 
hinsichtlich  der  Gefalle,  Krümmungen,  Geschiebebewegung  und  Fahrwasser- 
tiefe zu  erklären;  denn  diese  Unterschiede  sind  gar  nicht  so  groß. 

Fast  überall  ist  das  Bestreben  zu  erkennen,  die  Tragfähigkeit  fortgesetzt 
zu  erhöhen.  Das  ist  erklärlich,  weil  die  auf  eine  Tonne  der  Tragfähigkeit 
fallenden  Kosten  für  den  Neubau,  die  Unterhaltung,  die  Bedienung  und  die 
Fortbewegung  im  allgemeinen  mit  der  Größe  des  Schiffes  abnehmen,  während 
die  anderen,  verhältnismäßig  geringeren  Kosten  des  Ladens,  des  Löschens, 
der  Abgaben  u.  dgl.  je  Tonne  mit  der  wachsenden  Schiffsgröße  ziemlich  un- 
verändert bleiben.  Diesem  wirtschaftlich  richtigen  Streben  wird  auf  den 
offenen  Strömen  durch  den  jeweiligen  Zustand  des  Fahrwassers  eine  Grenze 
gesetzt,  die  aber  durch  jede  Verbesserung  wieder  verschoben  wird.  Wieder- 
holt ist  darum  die  Frage  aufgeworfen  worden,  wie  weit  diese  Vergrößerung 
geb&n  wird  und  ob  es  nicht  Sache  der  staatlichen  Aufsichtspflicht  ist,  mit 
Rücksicht  auf  das  Gemeinwohl  für  die  einzelnen  Ströme  bestimmte  Grenzen 
vorzuschreiben.  Diese  Frage  ist  bisher  verneint  worden,  weil  aus  der  zimeh- 
menden  Größe  keine  Unzuträglichkeiten  für  die  Öffentlichkeit  festgestellt 
worden  waren.  Im  Gegenteil  sind  infolge  der  größeren  Schiffe  die  Frachten 
im  Laufe  der  Zeit  immer  niedriger  geworden,  was  als  ein  volkswirtschaftlicher 
Vorteil  zu  betrachten  ist  Besonders  bei  niedrigen  Wasserständen  zeigen 
große  Schiffe  ihre  Überlegenheit:  Die  Frachten  bleiben  für  sie  noch  lohnend, 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschüfe.  345 

während  die  Besitzer  von  kleinen  SchiiTen  den  Betrieb  einstellen  müssen, 
weil  sie  an  den  geringen  Gütermengen,  die  sie  befördern  könnten,  nichts 
verdienen  würden.  Gerade  die  EinzelschifTer  oder  sogenannten  KleinschifTer 
sind  darum  im  allgemeinen  bemüht,  immer  größere  Schiffe  zu  erwerben  und 
die  älteren  kleinen  zu  verkaufen,  die  allmählich  auf  die  NebenwasserstraOen 
gedrängt  werden').  An  der  Elbe  beschlossen  im  Jahre  191 1  die  Uferstaaten, 
die  Abmessungen  der  künftig  zu  erbauenden  Schiffe  polizeilich  zu  begrenzen 
(S.  291).  Es  bleibt  abzuwarten,  ob  man  auf  anderen  offenen  Strömen  diesem 
Beispiel  folgen  wird. 

Die  Vergrößerung  der  Lastschiffe  wird  außerdem  durch  die  Menge  der 
zur  Beförderung  bereitliegenden  Güter  begrenzt.  Wenn  die  Menge  nicht 
immer  genügt,  um  die  großen  Schiffe  binnen  kurzer  Frist  zu  beladen,  werden 
sie  unwirtschaftlich.  Auch  ist  für  große  Schiffe  ein  verhältnismäßig  schnel- 
leres Löschen  und  Laden  nötig,  damit  die  Zahl  der  jährlichen  Reisen  nicht 
zu  klein  wird.  Dem  Umstand,  daß  am  Rhein  fast  immer  größere  Güter- 
mengen (in  erster  Linie  Kohlen)  zur  Verladung  bereit  sind,  ist  es  zuzuschreiben, 
daß  die  Vergrößerung  der  Rheinschiffe  noch  stark  im  Wachsen  begriffen  ist. 
Ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  an  der  Elbe;  anders  hingegen  an  der  Donau, 
wo  man  seit  längerer  Zeit  Lastschiffe  von  650  t  bis  670  t  Tragfähigkeit  als 
die  vorteilhaftesten  erkannt  hat,  während  für  größere  Schiffe  von  etwa  1000  t 
nur  selten  die  nötige  Fracht  (Getreide)  vorhanden  ist.  Auf  der  unteren  Donau 
sollen  allerdings  einige  Lastschiffe  von  Tragfähigkeiten  bis  zu  2000  t  im  Be- 
triebe sein^.  Auf  der  Elbe  werden  jetzt  Schiffe  von  1000  t  für  vorteilhaft 
gehalten,  während  das  größte  1434  t  Tragfähigkeit  besitzt,  und  auf  dem  Rhein 
werden  Schiffe  von  rund  1700  t  bevorzugt,  während  das  größte  3583  t  Trag- 
fähigkeit hat  und  als  das  größte  Lastschiff  in  Mitteleuropa  anzusehen  ist.  Die 
Schiffe  auf  der  Wolga  sind  allerdings  viel  größer,  da  sie  Tragfähigkeiten  bis 
zu  8200  t,  ausnahmsweise  bis.  15 000  t  besitzen,  was  einerseits  in  der  guten 
Fahrstraße  des  gewaltigen  Stromes  und  andererseits  in  der  Menge  der  zu  be- 
fördernden Güter  seine  Erklärung  findet. 

Auch  bei  den  Schiffen,  die.  sowohl  auf  Strömen  als  auch  auf  Kanälen 
verkehren  und  deren  Längen  und  Breiten  durch  die  Abmessungen  der 
Schleusen  begrenzt  sind,  ist  das  Bestreben  nach  Vergrößerung  ihrer  Tragfähig- 
keit zu  bemerken.  Das  wird  durch  eine  größere  Höhe  erreicht,  die  bei  gün- 
stigen Wasserständen  eine  größere  Tauchtiefe  erlaubt.  Diese  Erscheinung 
zeigt  sich  namentlich  bei  den  Schiffen  auf  den  Wasserstraßen  zwischen  Elbe 
und  Weichsel.  In  früheren  Zeiten  genügte  es,  wenn  die  Höhe  der  Schiffe 
nach  den  zulässigen  Tauchtiefen  in  den  Kanälen  bemessen  wurde,  weil  diese 
für  die  Ströme,  selbst  bei  mittleren  Wasserständen,  ausreichend  waren.     Seit 


i)  Hinsichtlich  der  Zunahme  der  großen  Schiffe  vergl.  den  »Bestand  der  deutschen  Binnen- 
schiffe« am  Ende  dieses  Buches  sowie  den  Aufsatz  von  Sympher  im  Zetitralblatt  der  Bauver- 
Tvaltung  1900,  S.  265  (besonders  über  die  kleinen  Schiffe). 

2)  Suppan,  a.  a.  O. 


346  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

aber  Elbe,  Havel,  Oder,  Warthe  und  Netze  wesentlich  verbessert  worden  sind, 
ist  es  vorteilhaft  geworden,  die  Schiffe  für  einen  größeren  Tiefgang  einzu- 
richten, wenngleich  die  vermehrte  Tragfähigkeit  nicht  immer  ausgenutzt 
werden  kann. 

Die  Ergebnisse  aus  den  Untersuchungen  über  die  vorhandenen  Last- 
schiffe hinsichtlich  ihrer  Größe  und  Form  sind  für  einige  der  wichtigsten  und 
besten  zum  Teil  in  der  nebenstehenden  Tafel  zusammengefaßt. 

Die  Unterlagen  dazu  sind  zum  überwiegenden  Teile  den  amtlichen  Eichungsverhandlungen 
entnommen,  die  von  den  Eichbehörden  zur  Verfügung  gestellt  wurden.  Für  die  unter  Nr.  3,  19 
und  21  aufgeführten  Schiffe  stammen  die  Angaben  aus  den  Zeichnungen  und  Mitteilungen  der 
Schiffbauanstalten,  sowie  aus  anderen  zuverlässigen  Quellen.  Die  Ergebnisse  der  Eichungen  sind 
meistens  in  Gruppen  von  durchaus  ähnlicher  Bauart  und  angenähert  gleicher  Länge  und  Breite 
zusammengefaßt  und  die  Zahl  der  Schiffe,  die  für  die  Bildung  der  gemittelten  Werte  benutzt 
wurden,  in  Spalte  2  in  Klammem  mitgeteilt.  Die  in  den  Spalten  9,  11,  12  und  16  stehenden 
Zahlen  sind  berechnet  worden.  Es  handelte  sich  dabei  vor  allem  um  die  Ermittelung  des  toten 
Gewichts,  also  des  Gewichts  des  betriebsfähig  ausgerüsteten  und  bemannten  Schiffes  ohne 
nützliche  Ladung.  Das  wird  bei  der  Eichung  nicht  festgestellt,  konnte  aber  aus  dem  Flächen- 
inhalt der  Leerebene  und  dem  mittleren  Leertiefgang  unter  sorgflUtiger  Berücksichtigung  der 
Formen  des  Schiffskörpers  unter  dieser  Leerebene,  bei  Benutzung  der  entsprechenden  Linienrisse, 
mit  genügender  Genauigkeit  ermittelt  werden.  Es  zeigte  sich,  daß  dies  Gewicht  oft  kleiner  war, 
als  von  den  Schiffbauanstalten  angegeben  wurde,  weil  diese  mit  einem  Sicherheitszuschlag  zu 
rechnen  pflegen,  damit  das  fertige  Schiff  keinen  größeren  Leertiefgan^  hat,  als  verlangt  wird. 
Aus  dem  toten  Gewicht  (Spalte  9)  und  der  Tragfähigkeit  (Spalte  10)  ist  das  Verhältnb  beider  in 
Spalte  II,  die  ganze  Verdrängung  in  Spalte  12  und  der  VöUigkeitsgrad  der  Verdrängung  in  Spalte  16 
berechnet  worden. 

Zu  der  Spalte  3  bleibt  zu  ^bemerken,  daß  die  Länge  der  Schiffe  in  der  obersten  Wasser- 
linie oder  zwischen  den  Loten  je  nach  ihrer  Form  mehr  oder  minder  erheblich  kleiner  ist. 
Ebenso  ist  die  Breite  in  Spalte  4  über  die  etwa  vorhandenen  Scheuerleisten  gemessen,  muß 
also  entsprechend  vermindert  werden,  wenn  man  die  Breite  über  den  Spanten  oder  über  der 
Beplankung  haben  will.  Die  Zahlen  in  Spalte  6  geben  bei  steuerlastigen  Schiffen  (z.  B.  den 
Rheinschiffen)  den  gemittelten  Leertiefgang  an. 

Aus  der  Tafel  ergibt  sich,  daO  der  Leertiefgang  bei  sonst  nahezu 
gleichen  Abmessungen  bei  HolzschifTen  am  kleinsten  ist,  namentlich  bei  leicht 
gebauten  und  leicht  ausgerüsteten  KanalschifTen,  wie  bei  der  Penische.  Schiffe, 
die  ganz  aus  Stahl  gebaut  sind,  haben  aber  einen  geringeren  Leertiefgang 
als  solche  mit  Holzboden.  Außer  von  dem  Baustoffe  und  der  Bauweise  hängt 
der  Leertiefgang  von  dem  VöUigkeitsgrad  der  Leerebene  (Spalte  1 3)  und  der 
Gestalt  des  untersten  Teiles  des  Schiffes  ab.  Je  völliger  dieser  ist,  um  so 
geringer  wird  der  Leertiefgang:  das  zeigt  wieder  die  Penische.  Auch  sieht 
man,  daß  der  Leertiefgang  mit  zunehmender  Schiffsbreite  im  allgemeinen  ab- 
nimmt. Bei  sonst  gleichen  Verhältnissen  wächst  der  Leertiefgang  mit  der 
Höhe  des  Schiffes. 

Spalte  II  zeigt  das  Verhältnis  zwischen  der  Tragfähigkeit  und 
dem  toten  Gewicht:  das  tote  Gewicht  beträgt  im  allgemeinen  ein  Viertel 
bis  ein  Fünftel  von  der  Tragfähigkeit.  Nur  bei  den  leicbgebauten  Dortmund- 
Ems-Kanalschiffen  fallt  es  unter  ein  Fünftel  und  wird  bei  der  Penische  sogar 
zu  0,13.  Bei  der  Beurteilung  im  einzelnen  muß  man  die  bei  der  Ermittelung 
der  Tragfähigkeit  zugrunde  gelegte  Freibordhöhe  berücksichtigen  (S.  250), 


I.  Größe,  Form  und  Eimichtang  der  Lasiscbifie. 


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348  Abschnift  11.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

die  in  Spalte  8  aus  den  Spalten  5  und  7  angegeben  ist.  Je  geringer  der 
Freibord,  um  so  kleiner  wird  unter  sonst  gleichen  Umständen  der  Anteil  des 
toten  Gewichts.  Unter  den  Flußschiffen  ist  z.  B.  bei  dem  Donauschiff  ein 
Freibord  von  50  cm  zugrunde  gelegt;  würde  man  nur  10  cm  annehmen,  so 
würde  sich  die  Tragfähigkeit  zu  853  t  und  das  tote  Gewicht  je  Tonne  Trag- 
fähigkeit anstatt  zu  0,2  zu  0,16  t  ergeben.  Das  Donauschiff  ist  mithin  das 
leichteste  Flußschiff  Für  das  Aller-  und  das  Weserschiff  würde  sich  bei 
gleichem  Freibord  von  10  cm  das  tote  Gewicht  zu  0,22  ergeben.  Bemerkens- 
wert ist  die  Abnahme  des  toten  Gewichts  der  Rheinschiffe  mit  zunehmender 
Tragfähigkeit  (trotz  der  wachsenden  Freibordhöhe).  Daß  mit  zunehmender 
Tragfähigkeit  eines  Schiffes  das  tote  Gewicht  je  Tonne  der  Tragfähigkeit 
und  auch  die  Neubaukosten  je  Tonne  der  Tragfähigkeit  abnehmen^  ist  aber 
keine  allgemein  gültige  Regel.  Bei  der  späteren  Besprechung  der  Neubau- 
kosten werden  wir  darauf  zurückkommen. 

In  den  Spalten  13  bis  16  sind  die  VöUigkeitsgrade  zusammengestellt, 
die  für  die  Form  der  Lastschiffe  von  besonderer  Bedeutung  sind:  Zwischen 
der  Leerebene  und  der  obersten  Wasserlinie  liegt  der  Eichraum,  der  der  Trag- 
fähigkeit entspricht.  Seine  Völligkeit  hängt  also  von  dem  Völligkeitsgrad 
jener  beiden  Ebenen  ab.  Spalte  1 5  lehrt,  daß  der  Völligkeitsgrad  des  Eich- 
raums bei  den  Flußschiffen  zwischen  0,82  und  0,885  schwankt,  bei  den  Fluß- 
und  Kanalschiffen  zwischen  0,88  und  0,915  und  bei  den  Kanalschiffen  zwi- 
schen 0,94  und  0,99.  Der  Völligkeitsgrad  der  ganzen  Verdrängung  ist  durchweg 
kleiner,  und  zwar  meistens  um  0,01,  nur  bei  den  Schiffen  auf  dem  Dortmund- 
Ems-Kanal  um  0,02 ').  Wenn  man  von  den  Kanalschiffen  absieht,  scheinen 
die  VöUigkeitsgrade  der  Verdrängung  auch  bei  den  anderen  Schiffen  recht 
hoch  zu  sein,  höher,  als  man  gewöhnlich  annimmt  und  als  bei  den  Entwürfen 
manchmal  angegeben  wird.  Es  ist  aber  zu  berücksichtigen,  daß  es  sich  hier 
fast  ausnahmslos  um  Schiffe  aus  neuester  Zeit  handelt  und  wir  schon  oben 
auf  das  Streben  hingewiesen  haben,  die  Völligkeit  zu  vergrößern,  namentlich 
bei  den  Fluß-  und  Kanalschiffen,  deren  Länge  und  Breite  durch  die  Schleusen 
begrenzt  sind.  Ob  die  große  Völligkeit  bei  den  Elbe-  und  Rheinschiffen 
(Nr.  4  bis  7)  und  der  dadurch  hervorgerufene  größere  Schlepp  widerstand  etwa 
durch  die  billiger  gewordene  Schleppkraft  hervorgerufen  sind,  mag  dahingestellt 
bleiben.  Leider  haben  die  Einzelschiffer  (Kleinschiffer)  keine  besondere  Ver- 
anlassung, ihre  Schiffe  mit  möglichst  wenig  Widerstand  zu  bauen,  weil  die 
von  ihnen  zu  zahlenden  Schlepplöhne  ebenso  hoch  berechnet  werden.  Die 
von  dem  Verfasser  untersuchten  Schiffe  aus  älterer  Zeit,  namentlich  Rhein- 
schiffe, die  vor  15  bis  20  Jahren  in  Holland  gebaut  sind,  zeigen  meistens  ge- 


i)  Wenn  Herr  Dehem  in  seinem  auf  S.  292  angeführten  Buche,  Fußnote  auf  S.  75,  bemerkt 
daß  der  Völligkeitsgrad  der  Verdrängung  im  allgemeinen  größer  ist  als  der  Völligkeitsgrad  des 
Eichraums,  so  liegt  offenbar  ein  Irrtum  vor.  Dieser  läßt  sich  vielleicht  daraus  erklären,  daß 
Herr  Dehem  bezüglich  des  toten  Gewichts  die  Angaben  der  Schiffbauanstalten  benutzt  hat,  die 
oft  zu  hoch  sind,  wie  schon  erwähnt  wurde. 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe.  349 

ringere  Völligkeit,  oft  nur  0,8  bis  0,83.  Ferner  ist  in  Betracht  zu  ziehen, 
daß  der  VöUigkeitsgrad  der  Verdrängung  eines  Schiffes  mit  der  Tauchtiefe 
zunimmt,  und  die  in  Spalte  16  mitgeteilten  Zahlen  sich  meistens  (mit  Aus- 
nahme des  Donauschiffs)  auf  die  gröOte  zulässige  Tauchtiefe  beziehen,  die 
den  Bauentwürfen  nicht  immer  zugrunde  gelegt  wird.  Für  Tauchtiefen,  die 
etwa  um  0,25  m  kleiner  sind,  nimmt  der  VöUigkeitsgrad  zuweilen  (namentlich 
bei  Schiffen  mit  Keilformen)  schon  um  0,02  ab.  Da  die  neu  eingeführten 
Eichordnungen  im  allgemeinen  überall  die  größte  zulässige  Tauchtiefe  vor- 
schreiben, wird  man  sich  daran  gewöhnen  müssen,  auch  den  VöUigkeitsgrad 
der  Verdrängung  künftig  für  diese  Eintauchung  zu  berechnen  und  anzugeben. 

Mit  abnehmender  VölUgkeit  des  Schiffskörpers  nimmt  sein  Widerstand 
bei  der  Fortbewegung  ab  und  die  Steuerfähigkeit  zu,  die  letztere  nament- 
lich, wenn  das  Hinterschiff  eine  möglichst  schlanke  Form  hat.  Von  Wichtig- 
keit zur  Beurteilung  dieser  Frage  dürfte  der  VöUigkeitsgrad  der  Leerebene 
(Spalte  13)  sein,  zumal  sie  bei  der  Eichung  genau  gemessen  wird.  Deren 
VöUigkeit^rad  schwankt  im  allgemeinen  bei  den  Flußschiffen  zwischen  0,79 
und  0,86  (nur  das  Eibschiff  hat  0,9),  bei  den  Fluß-  und  Kanalschiffen  zwischen 
0,9  und  0,92  (nur  d^  Dortmtmd-Ems-Kanalschiff  mit  Keilform  hat  0,81):  Die 
ersteren  sind  also  in  der  Regel  fiir  die  Fortbewegung  vorteilhafter  gebaut, 
namendich  das  Donauschiff  und  das  Weserschiff.  Dies  ist  überhaupt  das  am 
schärfsten  gebaute  Schiff,  aber  hinsichtlich  des  toten  Gewichts  dem  Donau- 
schiff nachstehend. 

Die  Entwicklung  der  verschiedenen  Bug-  und  Heckformen  unter  der 
obersten  Wasserlinie  ohne  Rücksicht  auf  Lehnung,  Kimmung  und  Bodensprung 
ist  in  Abb.  226  dargestellt:  Die  Skizzen  auf  der  linken  Seite  sind  die  Grund- 
formen, die  auf  der  rechten  Seite  die  verfeinerten  Formen. 

Die  Grundform  I,  der  Kasten,  ist  ein  rechtwinkliges  Prisma,  das  durch 
eine  senkrechte,  ebene  Fläche  abgeschnitten  ist.  Man  findet  sie  als  Heck  bei 
der  Kadole  (27),  die  zwei  Steuerruder  fuhrt,  damit  das  strömende  Wasser  die 
Ruderblätter  erreichen  kann.  Verbessert  man  die  Form  (wie  im  Grundriß 
punktiert  angedeutet)  durch  Abrundung  der  senkrechten  Kanten  nach  einem 
VierteUcreis,  so  erhält  man  die  Penische  (25).  Eine  Verfeinerung  erhält  man 
durch  geringe  Zusammenziehung  der  Bordwände,  die  am  Boden  stärker  ist 
als  in  der  obersten  Wasserlinie:  das  ist  das  Spiegelheck  des  St.  Dizier-Schiffes 
(Abb.  122},  bei  dem  dann  ein  Ruder  genügt. 

Den  großen  Widerstand,  den  eine  senkrecht  zur  Strömung  oder  zur  Be- 
wegrungsrichtung  stehende  ebene  Fläche  erfahrt,  sucht  man  durch  Anordnung 
von  geneigten  Flächen  zu  vermindern,  die  entweder  zur  Wasserlinie  und  zum 
Boden  oder  zur  senkrechten  Mittelebene  und  zu  den  Bordwänden  geneigt 
sind.     So  erhält  man  neue  Formen. 

Die  Grundform  II,  der  Prahm,  entsteht,  wenn  das  prismatische  Mittel- 
schiff durch  eine  zur  Wasserlinie  und  zum  Boden  geneigte  ebene  Fläche  ab- 
geschnitten wird.    Die  Form  wird  durch  Abrundung  der  wagerechten  Knick- 


350 


Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


linie  des  Bodens  und  durch  geringe  Zusammenziehung  der  Borde  verbessert, 
wie  wir  es  bei  Fährprähmen  und  auch  bei  dem  Margotat  (49)  finden.  Wenn 
der  Boden  gekrümmt  aufwärts  geführt,  und  die  Bordwände  gekrümmt  etwas 


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Abb.  226.    Entwicklung  der  Bug-  und  Heckformen. 

zusammengezogen  werden,  entsteht  die  verfeinerte  Form,  die  man  als  Bug  der 
Kadole  (27),  als  Bug  und  Heck  des  Waidlings  (24),  als  Bug  der  Pünte  (37) 
und  als  Heck  des  Trauners  (48)  erkennt. 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe.  351 

Die  Grundfonn  III,  der  Keil,  entsteht,  wenn  man  das  prismatische 
Mittelschiff  durch  zwei  senkrechte  ebene  Flächen  abschneidet,  die  zur  senk- 
rechten Mittelebene  des  Schiffes  und  zu  den  Bordwänden  geneigt  sind.  Die 
senkrechte  Schnittlinie  dieser  Flächen  wird  als  Steven  ausgebildet.  Mit  Ab- 
rundung  der  beiden  seitlichen  Kanten  findet  man  diese  einfache  Keilform, 
z.  B.  am  Heck  der  Pünte  (37)  und  am  Bug  und  Heck  der  ruOischen  Kolo- 
menka  (53).  Durch  Vorschiebung  der  Ebene  der  obersten  Wasserlinie  gegen 
den  Boden  wird  die  Form  verbessert,  wobei  man  einen  geneigten  oder  etwas 
gekrümmten  Steven  erhält,  wie  man  ihn  z.  B.  beim  Bug  des  Reisekahns  (i), 
beim  Boidack  (2)  und  bei  der  Wittinne  (3]  sieht.  Durch  noch  weiteres  Hinaus- 
schieben der  obersten  Wasserlinie  kommt  man  zu  der  Heckform  der  hölzernen 
Oder-  und  Eibschiffe  (z.  B.  7),  unter  deren  schräg  gestelltem  Hintersteven  das 
Wippruder  seinen  Platz  findet. 

Die  Keilform  mit  senkrechtem  Steven  wird  namentlich  beim  Eisen-  und 
Stahlbau  dadurch  verfeinert  und  verschärft,  daß  man  der  obersten  Wasser- 
linie eine  größere  Völligkeit  gibt  als  der  mit  Gegenkrümmung  entworfenen 
Bodenlinie.  Die  auf  diesen  beiden  Linien  sich  bewegende  Leitlinie  (Spant) 
ist  in  der  Regel  etwas  gekrümmt  und  zwar,  wie  der  skizzierte  Querschnitt 
(Spantenriß)  zeigt,  beim  Bug  meistens  nach  innen  hohl  und  beim  Heck 
oft  mit  Gegenkrümmung.  Diese  scharfe  Form  ist  sehr  verbreitet:  Bei  den 
stählernen  Rhein-  Weser-  und  Allerschiffen,  beim  Donauschiff,  bei  den  keil- 
förmigen Schiffen  des  Dortmund-Ems-Kanals,  beim  Heck  des  Rhoneschiffs 
und  bei  der  sowohl  aus  Holz  wie  aus  Stahl  gebauten  russischen  Barsche  (51). 

Bei  der  Grundform  IV  wird  das  prismatische  Mittelschiff  durch  einen 
Halbzylinder  abgeschlossen,  wie  man  z.  B.  beim  Heck  des  Maasspitz  (35) 
und  am  Bug  und  Heck  der  russischen  Barke  (52)  erkennt.  Durch  leichte  Zu- 
spitzung und  Vorschiebung  des  senkrechten  Stevens  wird  die  Form  verbessert. 
Ein  Beispiel  dazu  bietet  der  Bug  des  hölzernen  Oderschiffs  (7).  Zuweilen 
verfeinert  man  die  Form,  ähnlich  wie  bei  der  Keilform,  indem  man  der  obersten 
Wasserlinie  eine  größere  Völligkeit  gibt  als  der  Bodenlinie.  Man  findet  dies 
beim  Heck  des  Klodnitz-Kanalschiffs  (10),  des  hölzernen  Neckarschiffs  (28)  und 
des  hölzernen  Mainschiffs  (30).  Oft  schiebt  man  auch  die  oberste  Wasserlinie 
etwas  verschärft  und  zugespitzt  weiter  über  die  Bodenlinie  hinaus  (siehe  linke 
Seite  der  Abb.)  und  bekommt  dadurch  einen  geneigten,  meistens  etwas  ge- 
krümmten Steven.  Dies  ist  eine  übliche  Bugform  bei  Oder-  und  Eibschiffen, 
die  aus  Holz  oder  aus  Stahl  mit  hölzernem  Boden  gebaut  sind  (z.  B.  8  und  9). 
Auch  der  Maasspitz  (35)  hat  einen  ähnlichen  Bug.  Wenn  man  den  Halbkreis 
durch  zwei  anders  gekrümmte  Linien  ersetzt,  die  sich  am  Steven  schneiden, 
dann  geht  diese  Form  in  die  Keilform  über. 

Die  Grundform  V,  die  Kaffe,  ist  durch  Vereinigung  der  Prahmform  mit 
der  Keilform  entstanden.  Mit  leichter  Abrundung  der  beiden  senkrechten 
Kanten  finden  wir  sie  bei  den  Zillen  (5),  mit  geringer  oder  starker  Abrundung 
der  wagerechten  Bodenkante  bei  dem  Oderkahn  mit  Kaffen  (6)  und  bei  dem 


352 


Abschnitt  IL     LastschifTe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Bug  des  Trauners .  (48).  Durch  Abrundung  der  beiden  Seitenwände  der  Kaffe 
(bei  a  im  Querschnitt)  wird  eine  weitere  Verbesserung  erreicht,  die  sich  beim 
Bug  der  hölzernen  Aak  (16),  des  oberrheinischen  Holzschiffs  (23),  des  hölzernen 
Neckarschiffs  (28]  und  des  hölzernen  Mainschiffs  (30},  beim  Bug  und  Heck 
des  Lahnschiffs  (32),  beim  Heck  des  Saarschiffs  (34)  und  beim  Bug  und  Heck 
des  Weserbocks  (40)  zeigt.  Durch  weitere  Verfeinerung  entsteht  die  Löffel- 
form, die  durchweg  gekrümmte  Flächen  hat  (Skizze  A),  und  oft  mit  einem 
gekrümmten  Steven  versteift  wird.  Wir  finden  sie  am  deutlichsten  am  Bug  des 
Saarschiffs  (34)  und  bei  dem  Dortmund-Ems-Kanalschiff  mit  Löffelformen  (39), 
Die  Linienrisse,  die  für  die  zuletzt  erwähnten  beiden  Schiffe  bereits 
früher  (S.  310  und  S.  316)  mitgeteilt  wurden,  sind  zur  vollständigen  Beurteilung 
der  Bug-  und  Heckformen  unbedingt  nötig.  Wie  sie  entworfen  werden,  ist 
bereits  (S.  244)  erklärt  worden.  Für  die  wichtigsten  Schiffsformen  sollen  einige 
Linienrisse  beschrieben  werden. 


Abb.  227.     Linienriß  eines  ElbschifFs  i :  200. 

a)  Linienriß  eines  Eibschiffs  (Abb,  227),  das  aus  Stahl  mit  hölzernem  Boden  gebaut 
ist.  Es  hat  scharfe  Kimm,  Lehnung  (20  cm),  Ablauf  des  Mittelschiffs  (20  cm)  und  Bodensprung 
(vorne  und  hinten  je  25  cm).  Die  Länge  über  alles  beträgt  55  m,  un  Boden  49,9  m;  bei  1,65  m 
Tauchtiefe  ist  die  Tragfähigkeit  450  t.  Der  Bug  zeigt  einen  stark  gekrümmten  Vorsteven  und  im 
oberen  Teile  angenäherte  Löfifelform  (verfeinerter  Halbzilinder) ,  das  Heck  hat  einen  schräg  ge- 
stellten Hintersteven  und  verbesserte  Keilform.  Das  Hinterschiff  ist  stark  zugeschärft,  so  daß  cme 
gute  Steuerfähigkeit  erreicht  wird. 

b)  Linienriß  eines  Weserschiffs  (Abb.  228),  der  zu  dem  unter  41  beschriebenen 
Lastschiff  gehört,  wo  die  Abmessungen  angegeben  sind.  Das  Schiff  hat  weder  Bodensprung  noch 
Ablauf,  aber  gleichfalls  scharfe  Kimm  und  schwache  Lehnung  (10  cm).  Vor-  und  Hmterschiff 
haben  scharfe  Keilformen.  Der  Entwurfs-Tiefgang  ist  1,88  m  angenommen.  Im  Spantenriß  sind 
5  Wasserlinien  in  Abständen  von  47  cm  angeordnet,  von  denen  die  unterste  im  Boden  liegt. 
Der  Völligkeitsgrad  der  Verdrängung  beträgt  bei  diesem  Tiefgange  etwa  0,8. 


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Abschnitt  II.    Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


c)  Linienriß  eines  Rheinschiffs 
(Abb.  229),  der  lu  dem  unter  zi  beschnebenea 
Lastschiff  gehört  Das  Schiff  bat  keinen  Boden- 
sprang,  keinen  Ablaof,  kerne  Lehnong  und  runde 
Kimm.  Vor-  und  HinterscbÜf  bal>ea  gleichfalls 
Keilformen,  die  hinten  besonders  scharf  ausge- 
bildet sind.  Im  ganzen  sind  die  Formen  aber 
völliger  als  beim  Weseiscbiff;  Der  Völligkeitsgnd 
der  Verdriüigung  ist  fUr  die  dem  Entwurf  zngrandc 
gelegte  Tauchtiefe  von  2,6  m  etwa  0,84.  Es  sind 
5  Wasserlinien  in  Abstlnden  von  je  SZ  cm  ge- 
zeichnet, von  denen  Nr.  IV  der  runden  Kimm 
wegen  5z  cm  Über  dem  Boden  liegt.  Um  aber  im 
Vorschiff  den  unteren  Verlauf  der  Spanten  deut- 
licher zu  machen,  ist  im  Abstände  von  26  cm  über 
dem  Boden  noch  eine  Hilfe  Wasserlinie  [IV»]  gelegt 
worden.  Zu  beachten  ist  der  aufbllend  grobe 
Sprung  im  Deck,  namentlich  am  Bug. 

d)  LSnienriQ  eines  Donauschiffi 
(Abb.  330),  der  zu  dem  unter  45  beschriebenen 
Schiffe  gehört.  Es  hat  gleichfalls  keinen  Bodeu- 
sprong,  keinen  Ablauf,  keine  Lehnung,  runde 
Kimm  und  im  Vor-  und  Hinterschiff  KeilformeD. 
In  Boden  ist  es  so  scharf  wie  das  Weserschiff,  io 
den  Spanten'  aber  völliger.  Bei  der  Tauchtiefe 
von  1,8  m  ist  der  VöIIigkeltsgrad  der  Verdrlngung 
etwa  0,8a.  Es  sind  S  Wasserlinien  geieichnet,  von 
denen  die  oberen  O,  I,  n,  m  einen  Abstand  von 
je  40  cm,  rv  einen  solchen  von  30  cm  hat  und 
30  cm  Über  dem  Boden  liegt.  Die  noch  im  Ab< 
Stande  von  15  cm  über  dem  Boden  angenommene 
Hilfe  Wasserlinie  ist  der  Deutlichkeit  wegen  in  dem 
Spanienriß  und  in  dem  LKngsriß  des  Vorschiffs 
fortgelassen.  Beachtenssert  ist  der  sehr  geringe 
Sprung  des  Decks  und  der  Ersatz  des  übetgebauten 
Hecks  durch  eine  auf  Konsolen  ausgekragte  Ver- 
längerung und  Verbreiterung  des  Decks. 

Linienrisse  von  Dortmund  -  Em  s- 
Kanalschiffcn:  e;  mit  Keilfoim  (Abb.  231)  und 
f }  mit  Löffelform  [Abb.  231).  Beide  Schiffe  haben 
zwischen  din  Loten  63  m  LSnge,  eine  größte  Breite 
von  E,l  m  und  bei  3,07  m  Tauchtiefe  eine  Wasser- 
verdrängung von  900  t,  also  einen  Völligkeitsgrad 
von  0,85.  Die  Formen  lassen  sich  mithin  gut 
vergleichen.  Dos  Schiff  mit  Keilform  weicht  von 
dem  oben  beschriebenen  Rheiuscbiff  nicht  wesent- 
lich ab.  Ein  löffeiförmiges  Schiff  ist  schon  bei 
39  in  seinen  Linienrissen  dargestellt  worden.  Ver- 
gleicht man  die  Wasserlinien,  so  erkennt  man, 
daß  das  hier  in  der  Abbildung  232  gezeichnete 
Schiff  viel  schlankere  Formen  zeigt  und  das  Ver- 
suchscbiff  >Emden<  nicht  ganz  mit  Unrecht  plump 
genannt  wird.  Jenes  Schiff  hat  bei  einer  Taach- 
tiefe  von  2  m  eine  etwas  gröbere  Llnge  [6;,ö  m), 
eine  grüDcre  Verdrängung  (944  tj  und  einen  Völlig- 
keitsgrad der  Verdrängung  von  rand  0,89.  Wen» 
auch  die  Löffelform  des  hier  gezeichneten  Schiffes 


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356  Abschnitt  U.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

etwas  abweicht,  indem  der  Löffel  gewissermaßen  etwas  tiefer  ist  als  bei  jenem,  so  stimmen  doch 
die  Wasserlinien  insofern  überein,  als  sie  in  beiden  Beispielen  die  senkrechte  Mittelebene  des 
Schiffes  (im  Spantenriß)  rechtwinklig  schneiden.  Klepsch^),  der  die  Einführung  der  Löffelform 
auf  der  Oder  und  der  Elbe  sehr  gefördert  hat,  gibt  seinen  Vor-  und  Hinterschiffen  etwas  ab- 
weichende Formen,  indem  er  die  Wasserlinie  sich  in  den  Stevenlinien  spitzwinklig  schneiden  läßt, 
wodurch  die  Löffel  unten  einen  Grat  bekommen.  (Vgl.  Querschnitt  B  der  Grundformen  in  Abb.  226.; 
g)  Linienriß  eines  Oderschiffs  mit  Löffelformen  nach  Klepsch  (Abb.  233}. 
Klepsch  verlangte  für  Vor-  und  Hinterschiff  eine  »Form,  welche  die  Stromföden,  sie  mögen 
kommen,  von  welcher  Richtung  sie  wollen,  in  den  möglichst  spitzen  Winkeln  aufnimmt  und  in 
den  Stumpfesten  Winkeln  abgleiten  läßt,  und  welche  der  Wassermasse  gestattet,  sich  möglichst 
ohne  Wirbel-  und  Kolkbildung  schnell  hinter  dem  Schiffe  zu  schließenc.  Er  empfiehlt  daher 
»die  ungefähre  Form  des  EUipsoids  oder  des  Paraboloids  am  Vor-  und  Hinterschiff,  welche  durch 
die  prismatische  Form  des  Mittelschiffs  tangiert  wird«.  Als  mittlere  Wasserlinie  zwischen  dem 
Boden  und  der  obersten  Wasserlinie  wählt  er  die  Form  einer  Antifriktionskurve.  Das  dargestellte 
Oderschiff  hat  50  m  Länge  über  alles,  6  m  größte  Breite  und  1,8  m  Seitenhöhe.  Der  gerade  Boden 
endigt  bei  etwa  >/i3  der  Länge  (3,85  m]  hinter  dem  vorderen  und  bei  etwa  Vx3  der  Länge  vor  dem 
hinteren  Lot  (4,15  m),  damit  das  Hinterschiff  schärfer  als  das  Vorschiff  wird.  Die  Bodenlänge  ist 
dann  42  m.  Der  vorderste  and  hinterste  Teil  des  Bodens  soll  auf  etwa  3  m  Länge  noch  um  100  mm 
gehoben  werden  und  an  diese  geneigten  Linien  schließt  sich  tangential  die  Krtbnmung  der  Steven 
an.  Es  ist  eine  runde  Kimm  mit  250  mm  Halbmesser  angeordnet,  die  auf  '/s  d^f  Schiffslänge 
gleichlaufend  entworfen  ist  und  dann  in  die  Zuschärfiing  des  Bodens  Übergeht  Der  I.inienriß 
ist  für  einen  Tiefgang  von  1,5  m  gezeichnet  und  unter  der  obersten  Wasserlinie  sind  in  gleichen 
Abständen  (von  37,5  cm)  noch  drei  angeordnet.  Zwischen  der  Wasserlinie  m  und  dem  Boden  ist 
eine  Hilfs Wasserlinie  Illa  eingeschaltet.  Die  Wasserlinie  UI  empfiehlt  Klepsch  von  V3  der  Schie- 
lauge ausgehen  zu  lassen  (etwa  bei  Spant  11)  und  ihr  eine  solche  Form  zu  geben,  daß  sie  im  Vor- 
schiff im  Abstände  von  3,85  m  vom  vorderen  Lot  um  V5  ^^^^  Schiffsbreite,  im  Abstände  6,25  m  um 
1/3  der  Schiffsbreite  von  der  Mittelebene  entfernt  ist  und  im  Hinterschiff  diese  Maße  in  Abständen 
von  4,4  m  und  von  7,2  m  vom  hinteren  Lot  erreicht.  Das  dargestellte  Schiff  hat  auf  diese  Weise 
bei  1,3  m  Tauchtiefe  einen  Völligkeitsgrad  der  Verdiibigung  von  0,8  m  und  bei  1,5  m  Tauchtiefe 
einen  solchen  von  etwa  0,81  bekommen.  Das  tote  Gewicht  dieses  Schiffs  wird  zu  57,5  t  und  der 
Leertiefgang  zu  27  cm  angegeben.    Schiffe  dieser  Form  verkehren  zahlreich  auf  Oder  und  Elbe. 

Die  Frage,  ob  die  Löffelform  oder  die  Keilform  den  Vorzug  verdient, 
ist  oft  erörtert  worden.  Da  ein  Schiff  mit  Löffelform  bei  allen  Wendungen 
am  Vor-  und  Hinterschiff  den  Wasserfaden  gekrümmte  und  geneigte  Flächen 
entgegensetzt,  so  ist  nicht  zu  bezweifeln,  daO  es  sich  leichter  dreht,  schneller 
dem  Ruder  folgt  und  daß  zur  Bedienung  des  Steuerruders  eine  geringere 
Kraft  aufzuwenden  ist.  Die  Erfahrung  hat  aber  gelehrt,  daß  solche  Schiffe 
in  Schleppzügen,  namentlich  wenn  sie  nicht  enge,  sondern  in  größeren  Ab- 
ständen gekuppelt  sind,  leicht  ins  Gieren  kommen  und  dadurch  den  Schlepp- 
widerstand vermehren.  Sie  sind  dann,  besonders  in  Kanälen,  schwer  in  der 
Fahrtrichtung  (im  Kurs)  zu  erhalten.  Die  am  Dortmund-Ems-Kanal  gemachten 
Erfahrungen  haben  dies  bestätigt.  Es  wird  sich  die  Löffelform  deshalb  für 
allein  fahrende  Schiffe  und,  bei  breitem  Fahrwasser,  auch  für  geschleppte 
Schiffe  empfehlen,  wenn  der  Schleppzug  so  wie  auf  dem  Rhein  ausgeübt 
wird,  daß  jedes  Schiff  an  besonderem  Schlepptau  seinen  eigenen  Kurs  steuert. 
Ob  die  Löffelform  oder  die  Keilform  an  sich  der  Fortbewegung  einen  größeren 
Widerstand  bietet,  kann  allgemein  nicht  entschieden  werden. 

i)  Klepsch,  Der  Flußschiff  bau,  Weimar  1893.  Nach  Mitteilung  von  R.  Haack  (Schifis- 
widerstand  und  Schiffsbetrieb)  sollen  Löffelformen  schon  vor  vielen  Jahren  in  England  bei  flach- 
gehenden Schiffen  für  indische  Flüsse  angewendet  worden  sein.  Auch  soll  der  Stettiner  Vulkan 
schon  im  Jahre   1863  solche  Schiffe  gebaut  haben. 


.  Grübe,  Form  und  Einrichtung  der  LastschilTe. 


358  Abschnitt  U.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

h)  Linienriß  eines  Fluß-  und  Kanalschiffs  mit  vereinigter  Löffel-  und  Zi- 
linderfo.rm  am  Bug  (Abb.  234].  Das  Bestreben,  eine  möglichst  große  Völligkeit  mit  geringem 
Widerstand  bei  der  Fortbewegung  und  mit  guter  SteuerßÜiigkeit  zu  verbinden,  hat  in  neuerer 
Zeit  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  zu  dieser  beachtenswerten  Form  gefUhrt.  Der  obere  Teil 
des  Bugs  zeigt  eine  schwach  zugeschärfte  zilindrische  Form  mit  geradem  Steven,  an  die  sich 
unten  eine  Löffelform  anschließt.  Der  dargestellte  Linienriß  gehört  zu  dem,  in  den  Abbildungen  35 
bis  39  mitgeteilten,  offenen  stählernen  Oderschiff  nach  Breslauer  Maß.  Das  Hinterschiff  hat  flache 
Löffelform.  Unter  der,  einer  Tauchtiefe  von  2  m  entsprechenden,  obersten  Wasserlinie  sind  noch 
4  Wasserlinien  in  Abständen  von  je  40  cm  angeordnet,  so  daß  die  Wasserlinie  IV  gleichfalls  40  cm 
über  dem  Boden  liegt.  Infolge  der  zilindrischen  Form  fallen  die  oberen  Wasserlinien  im  Vor- 
schiff (Decklinie,  O,  I  u.  II)  zusammen.  Etwa  von  der  Wasserlinie  11  abwärts  beginnt  die  Löffel- 
form. Im  Hinterschiff  bewirkt  die  flache  Löffelform  ein  sehr  gleichmäßiges,  ruhiges  Zuströmen 
des  Wassers  zum  Ruderblatt.     Diese  Schif&form  hat  sich  bewährt. 

Ob  die  Kimm  scharf  oder  rund  zu  machen  ist,  hängt  von  den  Um- 
ständen ab.  Durch  die  Abrundung  der  scharfen  Kanten  des  Schiffskörpers 
wird  zweifellos  der  Widerstand  vermindert  und  die  Steuerfahigkeit  verbessert. 
Allein  fahrende  Schiffe,  namentlich  Dampfer  und  auch  Segler  sollten  daher 
stets  mit  runder  Kimm  gebaut  werden.  Für  Schiffe  im  Schleppzuge  können 
diese  günstigen  Wirkungen  aber,  ebenso  wie  die  Löffelformen,  unter  Umständen 
dahin  führen,  daß  die  Schiffe  leicht  ins  Gieren  kommen.  Man  kann  das  be- 
sonders an  einem  Schleppzuge  von  leeren  Schiffen  beobachten,  wo  es  auch 
ohne  Seitenwind  schwer  ist,  genau  den  Kurs  einzuhalten  oder,  wie  der  Schiffer 
sagt,  die  Schiffe  »ständig«  zu  halten.  In  schmalem  Fahrwasser  und  in  einem 
Kanal  ist  das  Gieren  sehr  nachteilig  und  unter  Umständen  gefahrlich.  Man 
wollte  den  vorwiegend  dort  verkehrenden  Schiffen  deshalb  mittschiffs  eine 
scharfe  Kimm  geben,  die  an  dieser  Stelle  den  Schleppwiderstand  nicht  er- 
heblich vermehren  dürfte.  Eine  scharfe  Kimm  am  Bug  oder  Heck,  wie  man 
sie  bei  Schiffen  mit  Holzboden  antrifft,  ist  zu  verwerfen.  Das  Oderschiff, 
dessen  Linienriß  soeben  beschrieben  wurde  (Abb.  234)  hat  im  Mittelschiff  eine 
scharfe  Kimm,  im  Vor-  und  Hinterschiff  aber  am  Boden  Löffelformen  und 
scheint  deshalb  empfehlenswert.  Bei  runder  Kimm  darf  der  Halbmesser  der 
Rundung  nicht  zu  groß  gewählt  werden,  weil  man  sonst  zu  viel  Verdrängung, 
mithin  Tragfähigkeit  verliert  und  einen  größeren  Leertiefgang  bekommt. 
Das  ist  besonders  unwirtschaftlich  bei  Kanalschiffen.  Die  Anordnung  bei 
vielen  Schiffen  auf  dem  Dortmund-Ems-Kanal,  die  Kimm  mit  Halbmessern 
von  500  bis  800  mm  abzurunden,  ist  darum  nicht  zweckmäßig.  Bei  Kanal- 
schiffen dürften.  Halbmesser  von  200  bis  250  mm,  bei  großen  Rheinschiffen 
300  bis  400  mm  genügen. 

Die  Lehnung,  die  zuweilen  noch  in  einzelnen  Stromgebieten  (z.  B.  Elbe 
und  Weser)  vorkommt,  kann  nicht  befürwortet  werden.  Sie  ist  wohl  eine 
Erinnerung  an  die  älteren  Segelboote.  Der  Grundgedanke,  beim  Kreuzen  des 
Stromes  den  Wasserfaden  eine  geneigte  Fläche  entgegenzustellen,  die  weniger 
stark  angegriffen  wird,  ist  beim  Schleppbetriebe  ziemlich  bedeutungslos,  zu- 
mal in  Rücksicht  auf  die  Nachteile  dieser  Anordnung,  die  im  Verlust  an  nütz- 
licher Verdrängung  und  somit  an  Tragfähigkeit  bestehen.  Bei  Schiffen,  deren 
Abmessungen  durch  Schleusen  beschränkt  sind,  findet  man  selten  eine  Leh- 


I.  Größe,  Form  und  Einrichtung  der  Lastschiffe.  359 

nung;  auch  im  Rheingebiet  wird  sie  beim  Bau  in  Eisen  und  Stahl  nicht  mehr 
ausgeführt. 

Der  Ablauf  des  Mittelschiffs  dürfte  gleichfalls  flir  alle  Lastschiffe 
ohne  eigene  Triebkraft  zu  verwerfen  sein.  Er  ist  wohl  aus  der  Zeit  der 
Segelschiffahrt  zurückgeblieben:  Damals  gab  man  dem  Schiffe  dort,  wo 
der  Mast  stand,  (»Brust«)  einen  besonders  breiten  Querschnitt.  Wenn  es 
richtig  ist,  wie  bisher  allgemein  angenommen  wurde,  daß  der  Schiffswider- 
stand mit  der  Größe  des  eingetauchten  Hauptspant-Querschnitts  zunimmt, 
dann  muß  dieser  Ablauf  für  einen  Fehler  erachtet  werden,  weil  dadurch  die 
Querschnitte  verschieden  groß  werden.  Es  wird  zuweilen  behauptet,  daß 
Schiffe  mit  Ablauf  sich  namentlich  bei  der  Talfahrt  mit  der  Strömung  leichter 
steuern;  doch  ist  das  wohl  kaum  erwiesen  und  gleicht  den  Verlust  an  Schlepp- 
kraft bei  der  Bergfahrt  nicht  aus.  Am  Rhein  verschwindet  der  Ablauf  bei 
den  neuen  Schiffen  immer  mehr;  aber  auf  der  Elbe  findet  man  ihn  noch 
häufig.     (Vgl.  die  Bauregeln  für  die  Oder  von  1889,  Seite  276.) 

Auch  der  Sprung  im  Boden,  das  »Heben«  des  Bodens  im  Vor-  und 
Hinterschiff  um  100  bis  250  mm,  was  sowohl  bei  den  Lastschiffen  auf  den 
östlichen  deutschen  Wasserstraßen  als  auch  bei  den  elsässischen  und  franzö- 
sichen  Kanalschiffen  noch  üblich  ist,  kann  nicht  empfohlen  werden.  Vielleicht 
wird  dadurch  eine  kleine  Verbesserung  der  Steuerfähigkeit,  kaum  aber  eine 
Verminderung  des  Widerstandes  erreicht.  Dagegen  ist  der  Sprung  im  Vor- 
schiff nachteilig,  da  ein  solches  Schiff,  wenn  es  auf  eine  Untiefe  gerät,  sich 
leicht  daran  festsaugt  und  schwer  abzubringen  ist.  Im  Hinterschiff  verliert 
man  dadurch  unter  Umständen  an  nutzbarer  Höhe  für  das  Ruder.  Im  Rhein - 
gebiet,  an  der  Weser,  der  Aller,  der  Donau  und  am  Dortmund-Ems-Kanal 
macht  man  den  Schiffsboden  gerade  und  das  verdient  den  Vorzug. 

DerSprung  des  Decks  (und  des  Bordgangs)  wird  namendich  bei  den 
Rhein-  und  Eibschiffen  oft  übertrieben,  so  daß  die  Höhe  des  Vorstevens  fast 
gleich  der  doppelten  kleinsten  Seitenhöhe  im  Mittelschiffe  gemacht  wird. 
Während  die  Decklinie  bei  den  Lastschiffen  auf  den  östlichen  Wasserstraßen 
sowie  auf  der  Weser  meistens  auf  der  größten  Länge  des  Mittelschiffs  wagerecht 
verläuft  und  erst  am  Vor-  und  Hinterschiff  nach  den  Steven  ansteigt,  bleibt 
sie  bei  den  Rheinschiffen  kaum  auf  einem  Drittel  der  Länge  wagerecht.  Dies 
fallt  bei  den  letzteren  um  so  mehr  auf,  als  die  starke  Krümmung  auch  auf 
die  Luken  übertragen  wird,  während  bei  den  anderen  Lastschiffen  die  First- 
linie des  Verdecks  meistens  wagerecht  angeordnet  ist.  Die  Frage,  ob  dieser 
starke  Sprung  des  Decks  berechtigt  und  durch  Rücksichten  auf  die  Festigkeit, 
auf  den  Betrieb  oder  auf  die  Raumverwendung  begründet  ist,  muß  verneint 
werden.  Es  scheint  lediglich  eine  Erinnerung  an  das  Seeschiff,  an  das  alte 
Segelschiff  zu  sein.  Was  aber  im  Kampf  gegen  die  Meereswellen  vielleicht 
angebracht  ist,  paßt  nicht  für  das  Binnenschiff.  Wenn  man  etwa  die  Wohn- 
räume vergrößern  will,  so  sind  Aufbauten  auf  Deck  ein  bequemeres  und 
wohlfeileres  Mittel.    Um  die  Anker  genügend  hoch   über  Wasser  heben  zu 


360  Abschnitt  IL     LastschifTe  ohne  eigene  Triebkraft. 

könaen,  hat  man  die  Ankerkrane.  Um  dem  Steuermann  einen  erhöhten  Platz 
zu  schaffen,  braucht  man  nur  den  Steuerstuhl  höher  zu  machen.  Für  die 
sonstigen  Hantierungen  auf  dem  Vor-  und  Hinterdeck  mit  Schiebestangen, 
Schorrbäumen,  Schrecken  u.  dgl.  ist  eine  niedrigere  Lage  bei  weitem  zweck- 
mäßiger und  gegen  die  gelegentlich  überspritzenden  Wellen  bildet  das  Schanz- 
kleid einen  genügenden  Schutz.  Die  hohen  Vor-  und  Hinterdecks  bilden  nicht 
nur  eine  Verschwendung  an  Baustoffen,  sondern  sind  auch  für  die  Festigkeit 
des  Schiffskörpers  nachteilig.  Wie  bei  den  Betrachtungen  über  die  Festigkeit 
(S.  247)  im  allgemeinen  entwickelt  worden  ist,  werden  durch  die  großen  Ge- 
wichte des  Vor-  und  Hinterschiffs,  die  durch  die  entsprechenden  kleinen  Raum- 
teile ihrer  Verdrängung  nicht  ausgeglichen  werden,  große  Beanspruchungen 
des  Schiffskörpers  in  seiner  Längsachse  hervorgerufen,  die  noch  zunehmen, 
je  mehr  man  diese  Teile  durch  Aufbauten  u.  dgl.  belastet*).  Außerdem  ist 
es  ein  technischer  Fehler,  wenn  man  einem  Balken  von  gleicher  Festigkeit 
in  der  Mitte  eine  geringere  Höhe  gibt  als  an  den  Enden.  Tatsächlich 
haben  die  Rheinschiffe  und  zum  Teil  auch  die  Eibschiffe  gerade  in  der 
Mitte,  wo  die  Angriffsmomente  der  äußeren  Kräfte  am  größten  sind,  die 
geringste  Höhe.  Wenn  man  auch  die  Blechstärken  der  Außenhaut,  des 
Stringers  usw.  im  Mittelschiff  erheblich  stärker  wählt  als  an  den  Enden,  so 
ist  dies  doch  nur  ein  dürftiges  und  wieder  mit  Stoff-  und  Gewichtsverschwen- 
dung verbundenes  Mittel,  um  den  technischen  Fehler  wieder  gut  zu  machen. 
Ein  richtig  gebautes  Lastschiff  sollte  mittschiffs  die  größte  Höhe  haben,  min- 
destens aber  in  ganzer  Länge  eine  wagerechte  Decklinie:  Dann  könnte  bei 
guter  Berechnung  an  Baustoff,  Gewicht  und  Leertiefgang  eine  Verminderung 
erreicht  werden.  Der  Einwurf,  daß  die  geschwungene  Schiffsform  einen  ge- 
fälligen Anblick  gewähre,  daß  also  Rücksicht  auf  Schönheit  obwalte,  kann 
nicht  aufrecht  erhalten  werden;  denn  in  den  Augen  des  Ingenieurs  oder  des 
technisch  gebildeten  Laien  ist  nur  das  schön,  was  den  Gesetzen  der  Festig- 
keit und  Zweckmäßigkeit  entspricht.  Wenn  man  die  oben  dargestellten  Last- 
schiffe von  der  Donau  und  der  Rhone,  sowie  das  Eibschiff  mit  festem  Deck 
betrachtet,  die  alle  eine  ziemlich  wagerechte  Decklinie  zeigen,  so  kann  man 
nicht  sagen,  daß  diese  Schiffe  häßlich  sind.  Wenn  man  den  Rheinschiffen 
in  der  Mitte  eine  um  etwa  300  mm  größere  Bordhöhe  und  eine  durchlaufende 
ws^erechte  Decklinie  geben  würde,  so  wäre  bei  unveränderter  Tragfähigkeit 
und  bei  vermehrter  Festigkeit  auch  der  jetzige  Übelstand  beseitigt,  daß  bei 
der  Fahrt  das  Wasser  über  den  Bordgang  spült,  so  daß  der  Verkehr  der 
Schiffsmannschaft  durch  das  Wasser  stattfindet.  Dies  ist  auch  eine  überlieferte 
Eigentümlichkeit,  der  die  innere  Berechtigung  abgesprochen  werden  muß. 
Es  ist  übrigens  nicht  zu  verkennen,  daß  ein  Teil  der  in  neuester  Zeit  gebauten 
Rheinschiffe  einen  etwas  geringeren  Sprung  zeigt. 

Ob  das  weit  übergebaute  Heck,  wie  es  am  Rhein,  an  der  Weser  und 


i)  Vgl.  auch  R.  Haack,  Schiffswiderstand  und  Schiüahrtbetrieb,  S.  108. 


I.  Größe,  ('orm  und  Einrichtung  der  LastschifTe.  361 

am  Dortmund-Ems-Kanal  üblich  ist,  besondere  Vorteile  bietet,  ist  zweifelhaft. 
Es  dürfte  von  den  Seeschiffen  übernommen  sein,  wo  es  unter  anderem  auch 
den  Zweck  hat,  das  Ruder  vor  Beschädigungen,  besonders  in  den  Häfen,  zu 
schützen.  Bei  der  Binnenschiffahrt  kann  wegen  der  großen  Länge  der  Ruder- 
blätter dieser  Zweck  damit  nicht  erreicht  werden.  Man  erhält  außerdem  durch 
das  übergebaute  Heck  eine  bequeme  große  Deckfläche  im  Hinterschiff  zur 
Aufstellung  der  Ankerwinden  und  der  Steuervorrichtung.  Dagegen  wird  durch 
diesen  Bau  nicht  nur  eine  beträchtliche  Vermehrung  der  Kosten,  sondern  auch 
eine  für  die  Festigkeit  des  Schiffes  nachteilige  Belastung  des  Hecks  hervor- 
gerufen. Alle  diese  Schiffe  sind  steuerlastig.  Bei  dem  Donauschiff  (45) 
ist  eine  andere  Lösung  versucht  worden.  Es  ist  aber  zu  erwägen,  ob  die 
den  Decküberbau  tragenden  Konsolen  ohne  Blechverkleidung  nicht  Veran- 
lassung zu  gegenseitigen  Beschädigungen  der  Schiffe,  besonders  in  den  Häfen, 
geben  können. 

Die  Festigkeit  der  vorstehend  beschriebenen  Lastschiffe  würde  man 
in  endgültiger  Weise  nur  miteinander  vergleichen  können,  wenn  man  nach 
der  im  ersten  Abschnitte  dieses  Teils  gegebenen  Anleitung  für  jedes  eine 
genaue  Berechnung  durchiuhit  und  die  wirklich  eintretenden  Beanspruchungen 
der  einzelnen  Bauteile  ermittelt.  Diese  Rechnungen  durchzufuhren  und  mit- 
zuteilen, entspricht  jedoch  nicht  dem  Zweck  dieses  Buches.  Es  wird  ge- 
nügen, nach  allgemeinen  technischen  Grundsätzen  die  Festigkeit  der  ver- 
schiedenen Bauweisen  zu  beurteilen. 

Eine  ungenügende  Festigkeit  des  Schiffes  macht  sich  dadurch  bemerk- 
lich, das  es  bei  wechselnder  Belastung  und  Beanspruchung  (z.  B.  im  Schlepptau) 
seine  ihm  ursprünglich  gegebene  Form  vorübergehend  oder  dauernd  verliert. 
Daß  sich  z.  B.  der  Boden  der  beladenen  Lastschiffe  in  der  Mitte  nach  unten 
durchbiegt,  ist  eine  bekannte  Erscheinung.  Bei  guten  stählernen  Schiffen 
beträgt  diese  Durchbiegung  4  bis  8  cm,  bei  weniger  festen  bis  zu  10  cm 
und  bei  hölzernen  Schiffen  bis  zu  15  cm.  Es  kommt  dabei  auf  eine  vor- 
sichtige Art  der  Beladung  an,  d.  h.  auf  eine  richtige  Verteilung  der  Last  auf 
die  Länge  des  Laderaums.  Anderenfalls  treten  viel  größere  Durchbiegungen 
ein,  die  unter  Umständen  zum  Bruch  des  ganzen  Schiffes  iuhren  können. 
Vor  10  Jahren  ist  z.  B.  im  Ruhrorter  Hafen  ein  in  Holland  gebautes,  ziem- 
lich neues,  stählernes,  großes  Rheinschiff  von  675  t  Tragfähigkeit  bei  unge- 
schickter Entladung  mitten  durchgebrochen  und  zugrunde  gegangen.  Dies 
Schiff  war  offenbar  nicht  genügend  fest  gebaut.  Umgekehrt  kommt  es  vor, 
daß  leicht  gebaute  ältere  Holzschiffe  in  leerem  Zustande  eine  Durchbiegung 
in  der  Mitte  des  Laderaums  nach  oben  bis  zu  5  cm  und  auch  etwas  mehr 
zeigen.  Zur  Festigkeit  gehört,  außer  genügender  Stärke  der  einzelnen  Bau- 
teile und  guter  Verbindung  untereinander,  eine  zuverlässige  Quer-  und  Längs- 
versteifung, durch  die  erhebliche  Formveränderungen  des  Schiffskörpers  ver- 
hindert werden.  Die  Querversteifung  wird,  wie  wir  an  den  einzelnen 
Beispielen  gesehen  haben,  durch  die  Bodenwrangen,  die  Spanten  und  Rahmen- 


362  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft 

Spanten,  durch  die  Duchten   und  die  Schottwände  meistens  ausreichend  be- 
wirkt. 

Wichtiger  und  schwieriger  ist  die  Längsversteifung,  namentlich  bei 
offenen  Schiffen.  Sie  wird  bei  hölzernen  Fahrzeugen  oft  nur  allein  durch 
den  Boden  und  die  Bordwände  dürftig  hergestellt,  wie  z.  B.  bei  den  Zillen^ 
den  hölzernen  Oder-  und  Eibschiffen,  den  Pünten  usw.  Zuweilen  verstärkt 
man  den  obersten  Teil  der  Bordwände,  damit  sie  gewissermaßen  als  obere 
Gurtung  wirken,  durch  eine  innere  Bohlenverkleidung  (Weger  oder  Remme) 
und  ein  kräftiges  Schandeck  [z.  B.  beim  hölzernen  Mainschiff  (30)  und 
beim  Weserbock  (40)]  oder  durch  starke  Scheuerleisten  (Berghölzer).  Es 
kommen  aber  auch  hölzerne  Kielschweine  zur  Verstärkung  des  Bodens 
vor,  wie  z.  B.  beim  Boidack  (2)  und  bei  der  russischen  Barke  (52),  die 
außerdem  noch  mit  je  2  hölzernen  Seitenstringern  versehen  ist.  Eiserne 
und  stählerne  offene  Schiffe  werden  durch  Kielschweine  sowie  durch  starke 
Stringer  und  Stringerwinkel  versteift. 

Die  beste  Längsversteifung  haben  die  Lastschiffe  mit  festem  Deck: 
Dann  hat  man  einen  hohlen  Balken,  dessen  Festigkeit  leicht  nach  allgemeinen 
technischen  Regeln  beurteilt  werden  kann.  Sie  ist  bekanntlich  am  größten, 
wenn  mittschiffs  der  größte  Teil  der  wirksamen  Querschnittsflächen  oben 
(Stringer  und  Deck)  und  unten  (Boden  und  Kielschwein)  möglichst  weit  von 
der  durch  den  Schwerpunkt  des  Balkens  gelegten  Nullebene  (neutrale  Faser) 
angeordnet  werden,  d.  h.  die  Festigkeit  eines  solchen  Schiffes  wächst  mit 
seiner  Höhe  in  der  Mitte").  Die  Rücksicht  auf  die  Ladung  verlangt  eine 
Durchbrechung  des  festen  Decks  durch  Luken  und  damit  eine  Schwächung 
dieses  wesentlichsten  Teils  des  Querschnitts.  Den  Verlust  sucht  man  durch 
entsprechend  starke  Luksülle  und  durch  Verstärkung  des  Decks  und 
der  Unterzüge  neben  den  Luken  möglichst  zu  ersetzen.  Das  kann  aber 
nur  bei  Luken  von  geringer  Breite,  wie  z.  B.  bei  dem  Donauschiff  (45), 
erreicht  werden.  Mit  größerer  Breite  der  Luken  geht  das  Luksüll  in  den 
Tennebaum  über,  der  mithin  als  eine  wichtige  Längsversteifung  anzu- 
sehen ist,  da  er  einen  Teil  des  fehlenden  festen  Decks  ersetzen  soll.  Die  in 
neuerer  Zeit  an  den  östlichen  Wasserstraßen  eingeführten  tennebaumartigen 
Deckaufbauten  [z.  B.  beim  Weichselschiff  (11)  und  beim  Eibschiff  nach  Flauer 
Maß  (12)]  erfüllen  diesen  Zweck  nur  sehr  wenig,  weil  sie  mit  Rücksicht  auf 
bequemes  Löschen  und  Laden  nicht  durchlaufen,  sondern  zum  größeren  Teil 
bis  fast  zur  Stringerhöhe  durchbrochen  sind.  Es  hat  beinahe  den  Anschein, 
als  wenn  der  wichtige  Versteifungszweck  dieses  Bauteils  nicht  ganz  verstan- 
den worden  ist.  Die  zweckmäßige  Anordnung  des  rheinischen  Tennebaums 
kann  aber  die  wünschenswerte  obere  Längsversteifung  in  dem  First  des  Ver- 


i)  Seitenstringer,  wie  sie  bei  den  älteren  Donauschiffen,  eingebaut  waren  (44) ,  müssen  als 
unzweckmäßig  verwendeter  Baustoff  bezeichnet  werden,  weil  er  z.  6.  in  der  Deckfläche  vrirksamer 
wäre.  Diese  Seitenstringer  sind  deshalb  mit  Recht  bei  den  neueren  Donauschiffen  (45}  fort- 
gelassen worden. 


I.  Größe^  Form  vokd  Etnrichtung  der  Lastschiffe.  363 

decks  nicht  ersetzen.  Dazu  wäre  erforderlich,  die  jetzt  meist  beweglichen 
hölzernen  Lukenbalken  (Scherstöcke)  durch  stählerne  zu  ersetzen  und  fest 
durch  starke  Eckbleche  mit  den  Schottwänden  zu  verbinden.  Das  ist,  soweit 
bekannt,  bei  den  RheinschifTen  bisher  nicht  ausgeführt,  weil  man  dort,  wo 
das  Löschen  und  Laden  meistens  durch  Greifer  und  Kipper  bewirkt  wird,  die 
Laderäume  querschiffs  möglichst  vollständig  zu  öffnen  wünscht  und  feste 
Lukenbalken  für  hinderlich  hält.  Aber  an  neueren  Weserschiffen  findet  man 
zuweilen  die  eisernen  Lukenbalken  (Zeltträger)  fest  mit  den  Schotten  ver- 
nietet, wodurch  eine  obere  Längsversteifung  erreicht  wird.  Ähnliche  Bau- 
weisen wurden  bei  neuen  stählernen  Eibschiffen  (14)  ausgeführt  (vgl.  Abb.  83). 
Sollte  sich  bei  längerem  Betriebe  herausstellen,  daß  diese  festen  Lukenbalken 
oder  Firstbalken  beim  Laden  und  Löschen  nicht  hinderlich  sind,  so  wird 
man  einen  Schritt  weiter  gehen  müssen  und  zwischen  ihnen  und  dem  Mittel- 
kielschwein Dreiecksverbindungen  herstellen.  Man  bekommt  damit  einen 
hohen,  durch  das  ganze  Schiff  laufenden  Gitterträger,  der  ähnlich  wie  die 
Mittelschotte  der  Kastenschiffe  (54)  die  Längsversteifung  allein  übernehmen 
kann,  so  daß  bei  anderen  Bauteilen,  namentlich  der  Blechhaut,  dem  Stringer 
und  vielleicht  auch  bei  den  Bodenwrangen  beträchtliche  Ersparnisse  an  Bau- 
stoff eintreten  werden.  Das  wäre  als  eine  erhebliche  Verbesserung  der  Bau- 
weise der  Lastschiffe  zu  bezeichnen. 

Man  erkennt  hieraus,  wie  die  Anordnung  und  Einrichtung  der 
Laderäume  auf  die  ganze  Bauart  der  Lastschiffe  einwirkt.  Vor  allem  ist 
ihre  Länge  von  Einfluß:  Auf  den  östlichen  Wasserstraßen  sind  Laderäume 
von  je  10  bis  14  m  Länge  beliebt,  die  durch  bewegliche  Duchten  und  höl- 
zerne Zwischenwände  abgeteilt  werden  können.  Auf  den  neuen  Weserschiffen 
hat  man  vorwiegend  Laderäume  von  etwa  10  m,  auf  den  Schiffen  des  Dort- 
mund-Ems-Kanals  solche  von  etwa  18  m,  auf  dem  mitgeteilten  Allerschiffe 
sogar  solche  von  21m  Länge.  Die  Versteifung  der  langen  Bordwände  erfolgt 
neuerdings  besonders  durch  Rahmenspanten,  weil  die  beweglichen  Duchten 
schwer  zu  handhaben  und  in  ihrer  Wirkung  auch  nicht  ganz  zuverlässig  sind. 
Auf  den  neuen  Rhein-  und  Eibschiffen  verzichtet  man  oft  auf  diese  großen, 
langen  Laderäume  und  ordnet  die  Schotte  in  Abständen  von  5  bis  6  m  an. 
An  der  Elbe  fuhrt  man  nur  einen  Teil  dieser  Schotte  bis  unter  das  Ver- 
deck und  die  anderen  nur  bis  zur  Stringerhöhe,  so  daß  zwischen  ihren  Ober- 
kanten und  dem  Verdeck  Laderäume  von  16  bis  18  m  Länge  entstehen,  die 
erforderlichenfalls  zum  Verladen  besonders  langer  Gegenstände  benutzt  werden 
können.  Bei  Schiffen  mit  festem  Deck  ist  man  wegen  der  größeren  Festig- 
keit in  der  Länge  der  Laderäume  weniger  beschränkt.  Das  beachtenswerte 
stählerne  Eibschiff  (15)  hat  z.  B.  Laderäume  von  14,5  m,  die  allerdings  durch 
Halbschotte  versteift  sind.  Aber  diese  reichen  von  den  Bordwänden  beider- 
seits nur  bis  zu  den  Luken,  so  daß  besonders  lange  Gegenstände  in  der  Mitte 
gelagert  werden  können.  Auch  das  gute  Donauschiff  (45)  hat  Laderäume  von 
12  bis  14,4  m  Länge. 


364  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 

Bauvorschriften.  Selbst  die  auf  denselben  Wasserstraßen  verkehren- 
den Lastschiffe  sind,  wie  wir  gesehen  haben,  von  verschiedener  Güte  und 
besonders  von  verschiedener  Festigkeit.  Außer  den  mitgeteilten  Beispielen 
findet  man  viele  schlechte  und  unzweckmäßige  Fahrzeuge,  die  oft  kaum  den 
Namen  eines  Schiffes  verdienen  und  nicht  nur  unvorteilhaft  für  die  Ladung 
und  die  Fortbewegung,  sondern  auch  gefahrlich  für  die  eigene  Bemannung 
und  die  übrigen  auf  der  Wasserstraße  verkehrenden  Schiffe  sind.  Wenn  ein 
solches  Schiff  im  Fahrwasser  sinkt,  kann  leicht  eine  Unterbrechung  des  ganzen 
Verkehrs  eintreten.  Es  wäre  also  Sache  der  Schiffahrtpolizei,  dafür  zu  sorgen, 
daß  alle  auf  der  Wasserstraße  verkehrenden  Schiffe  sich  in  gutem,  sicherem 
Zustande  befinden.  In  Deutschland  bestehen  jedoch  nur  Rir  die  sogenannten 
internationalen  Ströme,  Rhein,  Elbe  und  Weser,  in  den  betreffenden  Schiff- 
fahrtsakten (S.  8i)  Vorschriften  darüber,  daß  jedes  neue  Schiff  vor  Antritt  der 
ersten  Fahrt  amtlich  auf  seine  Tauglichkeit  und  Ausrüstung  untersucht  werden 
muß.  Über  den  genügenden  Befund  wird  ein  Zeugnis  (Schiffspatent)  aus- 
gestellt. Für  andere  Wasserstraßen,  Havel,  Spree,  Saale,  Oder,  Warthe, 
Weichsel  usw.  gibt  es  keine  entsprechenden  Bestimmungen,  und  selbst  für 
die  Befahrung  der  Kanäle  sind  nur  ungenügende,  allgemeine  polizeiliche  Vor- 
schriften erlassen.  Auch  die  auf  Rhein,  Elbe  und  Weser  bestehenden  Schiffs- 
.  Untersuchungen  sind  zu  wenig  gründlich  und  werden  selten  oder  nie  wieder- 
holt, so  daß  sie  weder  fiir  die  Sicherheit  des  Fahrwassers,  noch  für  die 
Sicherheit  der  dem  Fahrzeug  anvertrauten  Waren  eine  Gewähr  leisten  können. 
Unter  diesen  Umständen  waren  die  Versicherungsgesellschaften  (S.  105) 
auf  SelbsthUfe  angewiesen. 

Im  Jahre  1850  traten  die  an  den  östlichen  Wasserstraßen  und  an  der 
Elbe  beteiligten  Versicherungsgesellschaften  zu  einer  Vereinigung  zusammen, 
um  alle  Schiffe,  für  die  sie  Versicherung  der  Ladung  annehmen,  nach  gleich- 
mäßigen Grundsätzen  in  bezug  auf  ihre  Tauglichkeit  regelmäßig  zu  unter- 
suchen (Fußnote  auf  S.  252).  Dies  Vorgehen  hatte  guten  Erfolg  und  wurde 
allmählich  weiter  ausgedehnt  und  verbessert.  Die  Geschäftstelle  der  Ver- 
einigten Transport-Versicherungsgesellschaften  (im  Jahre  1Q08  waren 
es  24  deutsche  und  5  ausländische)  befindet  sich  in  Berlin  und  verfugt  über 
28  Schiffs-Untersuchungskommissionen  in  26  deutschen  und  2  böhmischen 
Städten.  Nach  dem  Ergebnis  der  jährlichen  Untersuchungen  werden  die 
Schiffe  hinsichtlich  der  Waren,  die  in  ihnen  versichert  werden  dürfen,  in  drei 
Klassen  eingeteilt.  Die  erste  Klasse  hat  noch  zwei  Unterabteilungen,  je  nach- 
dem die  Schiffe  mit  Deck  versehen  sind  oder  nicht. 

Klasse  lA  (mit  Deck)  für  Waren  jeder  Art. 

Klasse  IB  (ohne  Deck)  für  alle  Waren,  die  gegen  Wasserbeschädigung  widerstands- 
fähiger sind. 

Klasse  II  fiir  minderwertige  W^aren  und  solche,  die  gegen  Wasserbeschädigung  wider- 
standsfähiger sind. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  365 

Klasse  III  nur  für  Bauholz ,  Brennholz,  Eisenbahnschwellen,  leere  Fässer,  Knochen, 
Kohlen,  Sand,  Stabholz  und  Steine  zulässig. 

Zillen  erhalten  nur  fUr  jede  einzelne  Reise  ein  besonderes  Tauglichkeitszeugnis  für  die 
betreffenden  Waren  ausgestellt  und  nur  für  die  Jahreszeit  vom  i.  März  bis  i.  Oktober.  Sie 
werden  im  allgemeinen  nur  für  die  Waren  der  Klasse  III  und  außerdem  für  Eisenbahnschienen, 
Erden  und  Erze,  Farbehölzer  in  Blöcken,  Harz,  Heringe,  gebrauchte  Knochenkohle,  Roheisen, 
Sirup,  Teer  zugelassen. 

Über  die  erfolgten  jährlichen  Untersuchungen  wird  zum  Gebrauch  der  Versicherungs- 
gesellschaften eine  Zusammenstellung  gedruckt,  die  mithin  ziemlich  alle  auf  diesen  Wasserstraßen 
verkehrenden  Schiffe  umfaßt  Von  jedem  Schiffe  ist  darin  die  Eichungsnummer,  der  Name  des 
Schiffseigners  und  des  Schiffers,  das  Baujahr,  der  Baustoff,  die  Deckart,  die  Tragfähigkeit,  der 
Tag  der  Untersuchung  und  die  erteilte  Klasse  angegeben.  In  einer  besonderen  Spalte  sind 
auch  die  Schiffe  erkenntlich  gemacht,  die  Unfälle  erlitten  haben,  sowie  die  mangelhaften  Schiffe, 
deren  Zeugnisse  nicht  erneuert  worden  sind.  Die  Zusammenstellung  enthält  femer  ein  nach 
Buchstaben  geordnetes  Verzeichnis  der  Namen  aller  Schiffseigner  und  Schiffer  nebst  deren  Wohn- 
orten, sowie  eine  Liste  aller  wegen  ihrer  Person  ausgeschlossenen  Schiffseigner  und  Schiffer, 
auf  deren  Schiffen  keine  Ladungen  zur  Versicherung  angenommen  werden.  Es  sind  z.  B.  im 
Jahre  1907  etwa  10450  Schiffe  untersucht  worden. 

Diese  Vereinigung  hat  nach  gemeinschaftlichen  Beratungen  mit  Werften, 
Schiffbauern,  Schiffahrtgesellschaften  und  Schiffern  Bauvorschriften  für 
FluOfahrzeuge  auf  dem  Stromgebiete  der  Elbe  und  den  östlich  davon  ge- 
legenen deutschen  Wasserstraßen  herausgegeben,  deren  letzte  Feststellung  im 
Jahre  1905  in  Kraft  getreten  ist.  Sie  sind  fiir  Holzschiffe  (mit  Ausnahme 
der  Zillen),  fiir  Lastschiffe  mit  Holzboden  und  eisernen  Borden  und  iiir  Last- 
schiffe mit  eisernem  Boden  und  eisernen  Borden  geteilt  und  enthalten  außer- 
dem Bestimmungen  über  Ausbau,  Deck,  Steuerruder  und  die  Ausrüstung. 

Für  die  im  allgemeinen  mit  der  Größe  der  Schiffe  zunehmenden  Abmessungen  der  ein- 
zelnen Bauteile  sind  8  Gruppen  gebildet  worden,  die  nach  dem  Produkt  aus  der  größten  Länge 
(Über  alles,  aber  ohne  Steuer)  und  der  größten  Breite  [über  Spanten)  bestimmt  sind. 

Gruppe  I  für  Schiffe,  deren  L*B     bis    150 

2  »  »  •         »      über  150  bis  250 

3  »  *  »         f         *      250    »    350 

4  »  »  .         »         »      350    >    450 

5  »  »  »         »         »     450    »    550 

6  »  »  .         »         .      550    »     700 

7  »  »  »  »  »       yoo    »     SjO 

8  »  »  »         »         >     850    »  1000 

Auch  für  die  Baustoffe  und  die  Art  der  Verbindungen  sind   ausführliche  Bestimmungen  aufge- 
nommen und  durch  klare  Skizzen  erläutert. 

Nach  den  vorbeschriebenen  Einrichtungen  der  Vereinigung  ist  es  klar,  daß 
fast  alle  auf  den  fraglichen  Wasserstraßen  verkehrenden  Lastschiffe  nach  diesen 
Bestimmungen  gebaut  werden.  Nach  Fertigstellung  des  Baues  wird  das  neue 
Schiff"  von  dem  Revisor  der  Vereinigung  untersucht  und  erhält  die  entsprechende 
Klasse,  die  iiir  die  Dauer  eines  Jahres  gilt,  bis  eine  neue  Prüfung  stattfindet. 

Am  Rhein  haben  sich  die  Verhältnisse  anders  entwickelt.  Nach  der 
älteren  Rheinschiffahrtsakte  vom  Jahre  1831  sollten  alle  Rheinschiffe  jährlich 
wenigstens  einmal  durch  eidlich  verpflichtete  Sachverständige  auf  ihre  Taug- 
lichkeit untersucht  werden.  Diese  Bestimmung  wurde  durch  die  neue  Akte 
vom  Jahre  1868  dahin  abgeändert,  daß  die  Untersuchung  nur  noch  vor  dem 


366  Abschnitt  n.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Antritt  der  ersten.  Fahrt,  nach  jeder  wesentlichen  Veränderung  oder  Aus- 
besserung sowie  auf  Verlangen  des  Befrachters  stattfinden  sollte. 

Dies  schien  den  Versicherungsgesellschaften  nicht  ausreichend  und  sie 
traten  im  Jahre  1877  zu  einem  Verbände  zusammen,  der  den  Namen  Rhein- 
schiffs-Register-Verband  trägt  und  dessen  Geschäftsführung  der  Ver- 
sicherungsgesellschaft Providentia  in  Frankfurt  a.  M.  übertragen  ist.  Er 
gab  zuerst  im  Jahre  1878  ein  Unfallregister  heraus,  das  2031  Unialle  aus 
den  Jahren  1873  bis  1877  enthielt.  Es  folgte  im  Jahre  1879  das  erste  Rhein- 
schiffsregister, das  bereits  die  kurzen  Beschreibungen  von  2 141  Schiffen 
brachte  und  eine  günstige  Aufnahme  bei  allen  Beteiligten  fand.  Das  Unter- 
nehmen hat  sich  allmählich  weiter  entwickelt  und  im  Jahre  1910  erschien 
schon  die  17.  Ausgabe,  die  10344  Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft  und 
15 14  Dampfschiffe  enthielt*). 

Von  den  Lastschiffen  wird  ihr  Namen,  sowie  der  des  Schiffseigners  und  des  Schiffers,  die 
Klasse,  der  Tag  der  Klassifikation  oder  der  letzten  amtlichen  Untersuchung,  Länge,  Breite,  Tief- 
gang und  Tragfähigkeit,  Ort  und  Jajtir  der  Erbauung  und  einer  Hauptausbesserung,  die  Flagge, 
Baustoff  und  Bauart,  die  2^hl  der  Mannschaft  und  der  angegebene  Wert  in  Mark  mitgeteilt,  bei 
den  Dampfschiffen  außerdem  die  Zahl  der  indizierten  Pferdestärken  und  ihr  Verwendungszweck. 
In  einer  besonderen  Abteilung  des  Buches  sind  alle  Schiffer  (17650  an  Zahl  im  Jahre  1908)  mit 
Namen,  Wohnort,  sowie  Ort  und  Tag  der  Ausstellung  ihres  Patents  aufgeführt. 

Der  große  Wert  dieses  zuverlässigen  Registers,  nicht  nur  für  die  Ver- 
sicherungsgesellschaften, sondern  für  alle  Schiffahrttreibenden  und  die  Ver- 
frachter ist  einleuchtend.  Aus  der  Satzung  des  Verbandes  vom  Jahre  1886 
ist  folgendes  zu  erwähnen: 

Zweck  des  Verbandes  ist  die  Wahrung  und  Förderung  des  Transport- 
Versicherungswesens  auf  dem  Rhein  und  seinen  Nebenflüssen,  sowie  auf  den 
damit  in  Verbindung  stehenden  holländischen  und  belgischen  Gewässern.  Der 
Verband  betrachtet  es  namentlich  als  seine  Aufgabe: 

1.  Ein  Register  über  die  diese  Gewässer  befahrenden  Schiffe  herauszu- 
geben, das  eine  möglichst  genaue  Beschreibung  und  das  den  einzelnen  Schiffen 
auf  Grund  einer  Untersuchung  durch  die  Sachverständigen  des  Verbandes  er- 
teilte Klassenzeichen  enthält; 

2.  für  eine  fortlaufende  Überw^achung  der  Schiffe  und  Schiffer  hinsichtlich 
ihrer  Tauglichkeit  und  Zuverlässigkeit  zu  sorgen; 

3.  in  Havariefallen  die  Verbandsgesellschaflen  namentlich  da  zu  vertreten, 
wo  diese  nicht  in  der  Lage  sind  oder  nicht  die  Absicht  haben,  selbst  ihre 
Vorteile  wahrzunehmen. 

Zu  2  ist  zu  bemerken,  daß  infolge  der  Tätigkeit  des  Verbandes  die  Zahl 
der  jährlich  ausgeschlossenen  Schiffe  und  Schiffer  allmählich  abgenommen 
hat.  Der  Verband  bestand  im  Jahre  1908  aus  24  Versicherungsgesellschaften, 
die  vorwiegend  in  Deutschland,  zum  kleineren  Teile  in  der  Schweiz  ihren 
Sitz  haben.  Die  bis  vor  kurzem  in  Holland  bestehende  ähnliche  »Vereeniging 
der  holländischen  Assecuradeure«  hat  sich  im  Jahre  1908  aufgelöst. 

1)  Vgl.  den  »Bestand  der  deutschen  Binnenschiffe«  am  Ende  dieses  Buches. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  367 

Der  Registerverband  hat  in  12  Städten  des  Rheingebiets  Sachverstän- 
dige aufgestellt,  die  nach  einer  genauen  Dienstanweisung  die  Untersuchung 
und  Einschätzung  der  Schiffe  vornehmen. 

Es  werden  folgende  Klassenzeichen  erteilt: 
Für  hölzerne  Schiffe: 

AI*  Für  Schiffe,  die  nicht  älter  als  8  Jahre  sind  und  sich  zur  Verladung  von  Waren  aller  Art 
eignen.  Ältere  Schiffe  können  diese  Klasse  wieder  erhalten,  wenn  sie  nach  einer  gründ- 
lichen Ausbesserung,  bei  der  Untersuchung  durch  die  Sachverständigen  auf  Trockenem,  in 
besonders  gutem  Zustande  befunden  werden. 

A^«  Für  Schiffe,  die  nicht  in  allen  Beziehungen  den  Erfordernissen  der  vorstehenden  Klasse 
entsprechen,  aber  doch  gut  gebaut,  gut  unterhalten  und  noch  geeignet  sind  fUr  Waren, 
die  der  Beschädigung  durch  Wasser  leicht  unterworfen  sind. 
B*  Für  Schiffe,  die  den  Vorschriften  für  Klasse  A  nicht  entsprechen  und  an  denen  die  nötigen 
Ausbesserungen  behufs  Verlängerung  oder  Wiederverleihung  der  Klasse  A  lücht  ausge- 
führt sind,  deren  Zustand  aber  doch  für  die  Beförderung  von  solchen  Waren  geeignet  ist, 
die  durch  Wasser  nicht  beschädigt  werden. 

(Schiffe  der  Klassen  A^  ^^^  A^  sollen  wenigstens  alle  4  Jahre,   die  der  Klasse  Q  alle 
3  Jahre  auf  Trockenem  einer  genauen  Besichtigung  unterworfen  und  kalfatert  werden.) 
Für  eiserne  Schiffe: 

^  Für  Schiffe,  die,  nicht  älter  als  12  Jahre,  das  höchste  Vertrauen  verdienen  und  zur  Ver- 
ladung von  Waren  aller  Art  geeignet  sind.  Ältere  Schiffe  können  diese  Klasse  wieder 
erhalten,  wenn  sie  nach  gründlicher  Ausbesserung,  bei  der  Untersuchung  durch  die  Sach- 
verständigen  auf  Troekenem,  in  besonders  gutem  Zustande  befunden  werden. 

^.  Für  Schiffe,  die  nicht  in  allen  Beziehungen,  namentlich  hinsichtlich  der  Stärke  und  Be- 
schaffenheit des  Baustoffs,  den  Erfordernissen  der  vorstehenden  Klasse  entsprechen,  aber 
doch  gut  gebaut,  gut  unterhalten  und  noch  geeignet  sind  für  Waren,  die  der  Beschädigung 
durch  Wasser  leicht  unterworfen  sind. 

^  Für  Schiffe,  die  geringeres  Vertrauen  verdienen,  als  die  beiden  vorgenannten  Klassen,  die 
aber  für  die  Beförderung  von  solchen  wertvolleren  Waren  noch  geeignet  sind,  die  durch 
Wasser  nicht  beschädigt  werden. 

[Alle  eisernen  Schiffe  sollen  wenigstens  alle  4  Jahre  auf  dem  Trockenen  einer  genauen 
Besichtig^g  unterworfen  werden.) 

Diesen  Klassenzeichen  werden  noch  besondere  Zeichen  beigefügt,  die  sich  auf  Deck  und 
Luken,  auf  den  Zustand  der  Takelung  und  der  Maschinen  beziehen  oder  erkennen  lassen, 
ob  die  Schiffe  unter  Aufsicht  der  Sachverständigen  des  Verbandes  gebaut  sind.  Femer  wird 
durch  Zeichen  ersichtlich  gemacht,  für  welche  Wasserstraßen  das  Schiff  geeignet  ist,  ob  für 
die  oberen  Fltlsse  und  Kanäle  (BR))  ob  auf  den  seeländischen  Strömen  und  der  unteren 
Scheide  (ZS)  o^^^  o^  ^  g^^^  Deutschland,  Belgien  und  Niederland  (CR)* 

Für  die  Main-  und  Neckar  schiffe  bestehen  besondere  Klassenzeichen:  MA^  ^^^ 
NAl  för  <lie  oberste,  MA^  und  NA^  <Ür  die  mittlere  und  MB  und  NB  ^lir  die  schlechteste 
Klasse  in  entsprechender  Unterscheidung. 

Alle  diese  Klassenzeugnisse  werden  nur  auf  die  Dauer  eines  Jahres  er- 
teilt und  müssen  dann  erneuert  werden.  Das  muß  auch  nach  einem  Schiffs- 
unfall geschehen. 

Im  Jahre  1908  befanden  sich: 

1.  Hölzerne  Lastschiffe  in  den  Klassen    .     . 
von  im  ganzen  3122  Schiffen     .... 

2.  Eiserne  Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft 

in  den  Klassen 
von  im  ganzen  6637  Schiffen     .... 

3.  Dampfschiffe  von  13 18 


AI     A2 

ß 

25      125 

I 

t^              ^ 

^ 

1299    177 

0 

39        5 

0 

368  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Das  ist  ein  verhältnismäßig  geringer  Teil  der  vorhandenen  Schiffe.  Es 
ist  aber  zu  bemerken,  daß  sich  allein  865  eiserne  Lastschiffe  und  365 
Dampfschiffe  im  Besitz  der  größeren  Gesellschaften  und  Reedereien  befanden, 
die  zum  Teil  nur  ihre  eigenen  Waren  (Kohlen)  verfrachten  und  darum  keiner 
Versicherung  bedürfen,  außerdem  aber  selbst  technisch  geschulte  Kräfte 
zur  Untersuchung  ihrer  Schiffe  besitzen.  Es  kommt  femer  in  Betracht,  daß 
im  Jahre  1906  eine  neue  amtliche  Untersuchungsordnung  für  den  ganzen 
Rhein  in  Kraft  getreten  ist,  durch  die  eine  nochmalige  gründliche  Untersuchung 
aller  vorhandenen  Rheinschiffe  vorgeschrieben  wurde.  Diese  Untersuchung  in 
Verbindung  mit  dem  Rheinschiffsregister  dürfte  einem  großen  Teil  der  Ver- 
frachter und  Versicherungsgesellschaften  wahrscheinlich  ausreichend  scheinen. 
Besondere  Bauvorschriften  sind  von  dem  Registerverbande  nicht  auf- 
gestellt, weil  ihm  dies  »bei  der  sehr  verschiedenen  Bauart  der  Rheinschiffe 
und  dem  internationalen  Charakter  der  Schiffahrt  zurzeit  noch  nicht  durch- 
führbar scheint«. 

In  neuerer  Zeit  hat  auch  der  Germanische  Lloyd  seine  Tätigkeit 
auf  die  Binnenschiffe  ausgedehnt.  Das  Bedürfnis  einer  glaubwürdigen  Unter- 
suchung der  Tauglichkeit  der  Seeschiffe  und  ihrer  Einschätzung  (Klassi- 
fikation) in  gewisse  Klassen  bestand  schon  länger  als  bei  der  Binnenschiffahrt. 
Die  erste  Gesellschaft  wurde  zu  diesem  Zweck  im  Jahre  1828  in  Paris  ge- 
grründet:  le  bureau  Veritas.  Dann  folgte  im  Jahre  1834  in  London  Lloyds 
Register  of  British  and  foreign  shipping.  Im  Jahre  1868  wurde  der  Germa- 
nische Lloyd  gegründet,  zuerst  mit  dem  Sitze  in  Rostock  und  seit  1889  in 
Berlin.  Er  ist  eine  Aktiengesellschaft,  aber  insofern  keine  eigentliche  Er- 
werbsgesellschaft, als  die  Aktionäre  keine  höhere  Jahresdividende  als  5  v.  H. 
erhalten,  während  weitere  Überschüsse  zu  wissenschaftlichen  Untersuchungen 
u.  dgl.  verwendet  werden.  Zweck  der  Gesellschaft  ist  die  Einschätzung  (Klassi- 
fizierung) von  Schiffen,  die  Herausgabe  von  Schiffsregistern,  die  Feststellung 
von  Vorschriften  für  Neubau  und  Ausbesserung  und  die  Förderung  der  Schiff- 
fahrt überhaupt.  Ihre  nutzbringende  Tätigkeit  ist  bekannt,  z.  B.  auch  bei  der 
Aufstellung  der  Freibordvorschriften  für  deutsche  Seeschiffe  im  Jahre  1903. 
Jetzt  übernimmt  der  Germanische  Lloyd  auch  die  Einschätzung  von  Binnen- 
schiffen und  hat  für  deren  Bau  und  Ausrüstung  Vorschriften  aufgestellt, 
die  am  i.  April  1909  in  Kraft  getreten  sind.  Er  hat  femer  im  Jahre  1908 
neue  Vorschriften  für  die  Prüfung  von  Schweißeisen,  Stahl  (Flußeisen)  und 
Stahlguß  sowie  von  Ankern,  Ketten  und  Tauwerk,  außerdem  auch  solche  für 
Maschinen  und  Kessel  sowie  für  elektrische  Anlagen  auf  Schiffen  heraus- 
gegeben. Nach  diesen  Vorschriften  untersuchen  die  von  ihm  angestellten 
Besichtiger  die  einzuschätzenden  Schiffe  oder  überwachen  deren  Neubau  und 
Ausbesserung. 

Als  Klassenzeichen  stählerner  (flußeisemer)  Schiffe  dient  der  Buchstabe  A  mit  Ein- 
schaltung von  Ziffern,  die  den  Zeitraum  der  zu  wiederholenden  Besichtigungen  in  Jahren  angeben. 
Dem  Klassenzeichen  werden  Klassennummem  loo,  90,  So  vorangestellt,   welche   den   Grad  der 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  369 

Stärke  des  Schiffes  bezeichnen.  Für  Binnenschiffe  wird  hinter  A  der  Buchstabe  J  hinzugefügt 
nnd  fUr  solche  Lastschiffe ,  die  stets  von  vorne  bis  hinten  gleichmäßig  beladen  sind ,  das 
Zeichen  «-.  Schiffe,  die  nach  den  Vorschriften  und  unter  Aufsicht  des  G.  L.  hergestellt  sind, 
erhalten  vor  der  Klassenbezeichnung  noch  das  Zeichen  »f«.  Die  beste  Klasse  der  Lastschiffe 
bekommt  also  das  Gesamtzeichen:  »f«100^X~~-  Schiffe,  bei  denen  der  Querschnitt  der  Längs- 
und  Querverbände  oder  des  hölzernen  Bodens  bis  lo  v.  H.  geringer  ist  als  vorgeschrieben,  erhalten 
die  Klasse  90  i^;  wenn  der  Querschnitt  um  lo  bis  20  v.  H.  geringer  ist,  die  Klasse  80^.  Bei 
noch  geringeren  Stärken  wird  keine  Klasse  erteilt.  Schiffe,  die  nach  ihrer  Bauart  oder  in  ein- 
zelnen Teilen  von  den  Vorschriften  abweichen,  können  ebenfalls  obige  Klassen  erhalten,  wenn 
bei  Prüfung  durch  den  Vorstand  des  G.  L.  die  Verbände  als  diesen  Klassen  entsprechend  ge- 
funden werden.  Bei  Feststellung  der  Klasse  wird  nicht  allein  auf  die  Anordnung  und  Stärke  der 
Verbände  Rücksicht  genommen,  sondern  auch  auf  die  Beschaffenheit  der  Baustoffe  und  der  Aus- 
fuhrung der  Arbeit. 

Bei  dem  Antrage  auf  Einschätzung  eines  unter  Aufsicht  zu  erbauenden  Schiffes  müssen 
genaue  Zeichnungen  vorgelegt  werden,  die  der  Prüfung  des  Vorstandes  unterliegen.  Femer  sind 
die  Hüttenwerke  zu  nennen,  denen  die  Lieferung  der  Baustoffe  übertragen  werden  soll.  Stahl 
nnd  Eisen  wird  dort  von  den  Beamten  des  G.  L.  sorgfältig  nach  den  besonderen  Vorschriften 
geprüft  und  jedes  Stück  mit  einem  Stempel  versehen.  Auf  der  Werft  wird  der  Bau  mehrmals 
besichtigt  und  überwacht.  Zwischen  den  besonderen  Besichtigungen,  die  nach  der  Klasse 
alle  2,  3  oder  4  Jahre  auf  dem  Trockenen  stattfindet,  wird  je  noch  eine  einfache  Besichtigung 
auf  dem  Wasser  vorgenommen,  wobei  namentlich  der  Zustand  des  Bodens  und  des  Decks  fest- 
gestellt wird.  Zeigt  sich  bei  der  besonderen  Besichtigung  eines  Binnenschiffs,  daß  seine  Durch- 
biegimg mehr  als  0,15  v.  H.  der  Länge  beträgt,  so  kann  ohne  Anbringung  von  Verstärkungen 
keine  Einschätzung  mehr  erfolgen.  Es  bestehen  femer  noch  genaue  Bestimmungen  über  die 
Untersuchungen,  namentlich  auch  der  Dampfschiffe^  über  Havarie,  Umbauten,  Ausbesserungen, 
Herabsetzung  und  Aufhebung  der  Klasse  usw. 

Die  Bauvorschriften  geben  die  Abmessungen  und  Stärken  der  einzelnen  Bauteile  ent- 
sprechend der  zunehmenden  Größe  der  Schiffe  an,  unter  Berücksichtigung  der  Länge  zwischen 
den  Loten  (Z),  der  größten  Breite  auf  Außenkante  Spanten  (B)  und  des  bis  zur  obersten 
Wasserlinie  (Tief  ladelinie)  eingetauchten  Umfangs  (6^^).  Es  sind  dazu  im  allgemeinen  zwei  Reihen 
von  Leitzahlen  eingerichtet,  die  Quemummem  [Q)  und  Längsnummem  [QL]  genannt  werden. 

Es  ist:  Q  =  £±I-     und     QL  =  -^^±^L. 

z  z 

Die  Abmessungen  der  Quemummem  steigen  also  mit  der  Zunahme  des  eingetauchten  Querschnitts. 
Aus  der  Quemummer  wird  die  Spantentferaung  und  die  Stärke  der  Bodenwrangen,  Spanten, 
Gegenspanten  und  Schotte  bestimmt.  Die  Ergebnisse  der  Längsnummem  sind  dagegen  nament- 
lich durch  die  Schiffslänge  bedingt  und  für  alle  zur  Längs versteifiing  erforderlichen  Bauteile 
maßgebend:  Steven,  Außenhaut.  Deckstringer,  Stringerwinkel,  Kimmwinkel  und  bei  Schiffen  mit 
höizemem  Boden  auch  für  dessen  Stärke.  Femer  ist  die  Länge  des  längsten  Balkens  Md  auf 
D^ck  auf  der  halben  Schiffslänge  (also  im  wesentlichen  die  Schiffsbreite)  bestimmend  für  die  Bau- 
teile des  Decks.    Auch  für  die  Anordnung  der  Kielschweine  ist  allein  die  Schiffsbreite  maßgebend. 

Die  Vorschriften  erstrecken  sich  nicht  nur  auf  Lastschiffe,  sondern  auch 
auf  Dampfschiffe  und  namentlich  auf  Personendampfer.  Sie  enthalten  ferner 
Bestimmungen  für  die  Vernietung,  für  die  Bauart  des  Steuerruders,  den  inneren 
Ausbau,  das  Abdichten,  Streichen  und  Zementieren,  sowie  für  die  Ausrüstung. 

In  dem  Register  des  G.  L.  waren  im  Jahre  1 908  nur  etwa  70  Flußschiffe 
eingetragen,  etwa  100  früher  eingetragene  dagegen  gestrichen,  weil  die  Schiffs- 
eigner es  oft  unterlassen,  die  vorgeschriebenen,  regelmäßigen  Besichtigungen 
zu  beantragen,  um  die  damit  verbundenen  Kosten  zu  ersparen. 

Für  die  Weser  und  den  Dortmund-Ems- Kanal  besteht  keine  be- 
sondere Vereinigung  von  Versicherungsgesellschaften.  Beim  Bau  der  dort 
verkehrenden  Schiffe  werden   häufig  ebenso  wie  auch  am  Rhein  die  Vor- 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  24 


370  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Schriften  des  Germanischen  Lloyd  zngrunde  gelegt  Dieser  ist  außerdem 
oft  in  der  Weise  bei  der  Binnenschiffahrt  tätig,  daß  er  für  den  Schiffseigner 
(z.  B.  auch  für  einen  Staat)  die  Prüfung  der  Schiffzeichnungen  und  der  Bau- 
stoffe sowie  die  Überwachung  der  Bauausführung  auf  der  Werft  übernimmt. 

Weder  die  Bauvorschriften  der  vereinigten  Versicherungsgesellschaften 
noch  die  des  Germanischen  Lloyd  beziehen  sich  auf  die  Form  und  die  da- 
von abhängigen  Eigenschaften  der  Schiffe.  Auch  hinsichtlich  der  Festigkeit 
werden,  vorwiegend  auf  Grund  der  Erfahrungen,  nur  die  Abmessungen 
und  Stärken  der  einzelnen  Bauteile  vorgeschrieben,  während  die  Verbindung 
und  Vernietung  der  einzelnen  Teile  untereinander  allein  in  genauen  Bau** 
Zeichnungen  und  durch  Überwachung  des  Baues  geprüft  werden 
können.  In  dieser  Beziehung  zeigen  die  Einrichtungen  des  Germanischen  Lloyd 
sich  weit  überlegen.  Die  anderen  haben  sich  aus  den  Zeiten  des  Holzbaues 
entwickelt;  sie  waren  dafür  auch  genügend,  entsprechen  aber  nicht  mehr  den 
Anforderungen  des  Eisenschiffbaues.  Die  Herstellung  von  Bauzeichnungen 
und  die  Überwachung  des  Baues  durch  sachverständige,  d.  h.  schiffbautechnisch 
gebildete  Mäimer  müßte  zum  Vorteil  sowohl  der  Schiffseigner  wi«  der  Ver- 
sicherungsgesellschaften allgemein  durchgeführt  werden. 

Auf  den  östlichen  deutschen  Wasserstraßen  gewinnen  die  schätzens- 
werten Einrichtungen  des  Germanischen  Lloyd  nur  langsam  Eingang,  weil 
die  Vereinigten  Gesellschaften  sich  mit  der  bisherigen  oberflächlichen  Prüfung 
begnügen  und  daftir  außerordentlich  niedrige  Gebühren  (etwa  3  bis  5  Mark 
je  Jahr  und  Schiff)  erheben.  Die  bei  dem  Germanischen  Lloyd  für  die  Prü- 
fung der  Baubeschreibungen,  die  Bauaufsicht,  die  Baustoffprüfungen,  die  Aus- 
stellung des  Zeugnisses  und  die  Eintragung  in  das  Register  zu  zahlenden 
Summen  betragen  0,6  bis  0,8  v.  H.  der  Neubaukosten,  wozu  noch  jährlich  6  bis 
9  Mark  für  Besichtigungen  kommen.  Diese  Kosten  sind  verhältnismäßig 
niedrig*). 

Es  bleibt  noch  die  Frage  zu  untersuchen,  ob  solche  Bauvorschriften 
überhaupt  vorteilhaft  oder  nachteilig  wirken.  Wenn  sie  nicht  fortlaufend,  ent- 
sprechend den  gewonnenen  Erfahrungen  und  den  Ergebnissen  der  Wissen- 
schaft, verbessert  und  verändert  werden,  entsteht  die  Gefahr,  daß  die  Schiff- 
bauten schablonenmäßig  ausgeführt  und  die  Schiffbauingenieure  von  weiteren 
guten  Erfindungen  und  Verbesserungen  zurückgehalten  werden.  Für  Dampf- 
schiffe scheinen  die  Vorschriften  im  allgemeinen  entbehrlich  zu  sein,  weil  der 
vorsichtige  Schiffseigner  seine  Bestellungen  nur  bei  zuverlässigen  Fabriken 
und  Werften  machen  wird.  Anders  ist  es  mit  Lastschiffen,  die  häufig  von 
kleinen  Schiffbauanstalten  hergestellt  werden,  bei  denen  man  nicht  auf  die 
fiir  den  Eisenbau  unumgänglich  nötigen  Kenntnisse  und  Erfahrungen  rechnen 
kann.  Dort  werden  die  Vorschriften  segensreich  wirken,  falls  die  Bauauf- 
sicht und  Untersuchung  durch  tüchtig  vorgebildete,  erfahrene  Leute  ausgeübt 

i)  Aufsätze  über  Bauvorschriften  in  der  Zeitschrift  fiir  Binnenschiffahrt:  1908,  S.  270  (von 
Flamm],   1909,  S.  13  (von  Green)  und  S.  131. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  371 

wird,  die  auch  verständige  und  zweckmäßige  Abweichungen  unbeanstandet 
lassen. 

Für  den  Bau  von  Kastenschiffen  fUr  Petroleum  u.  dgl.  bestehen  auch  amtliche  Bauvor- 
Schriften^  die  zum  Teil  schon  frtiher  (S.  335)  angeführt  worden  sind. 

Baustoffe.  In  früherer  Zeit  wurden  alle  Schiffe  aus  Holz  erbaut. 
Wenn  auch  im  Jahre  1787  das  erste  aus  Eisen  erbaute  Boot  (21  m  lang  und 
2  m  breit)  versuchsweise  für  einen  Kanal  bei  Birmingham  hergestellt  wurde, 
so  sind  die  Anfänge  des  Eisenbaues  doch  erst  vom  Beginn  des  vorigen 
Jahrhunderts  an  zu  rechnen.  Auf  dem  Clyde  in  Greenock  lief  im  Jahre  181 8 
das  erste  größere  eiserne  Seeschiff  von  700  Lastentonnen  vom  Stapel.  Dies 
Ereignis  erregte  Aufsehen  im  Volke,  weil  es  »Eisen  schwimmen«  sah.  Das 
erste  eiserne  Dampfschiff  wurde  1821  in  Staffordshire  erbaut  und  war  fiir 
Paris  bestimmt.  Die  umfangreiche  Verwendung  und  die  Erkenntnis  der  Vor- 
züge des  Eisens  trat  aber  erst  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ein. 
In  der  Binnenschiffahrt  wurden  in  Deutschland  zuerst  am  Rhein  eiserne  Last- 
schiffe (S.  98 j  seit  1841  gebaut  Die  Mängel  der  Holzschiffe  bestehen  in 
der  Schwierigkeit,  eine  genügende  Längsversteifung  herzustellen  und  das 
nötige  ausgetrocknete  gekrümmte  Bauholz  zu  den  Spanten  u.  dgl.  zu  be- 
schaffen, femer  in  der  kurzen  Lebensdauer  und  in  dem  großen  Gewicht.  Die 
Vorteile  des  Eisens  und  Stahls  sind  darin  zu  suchen,  daß  sich  diese  Stoffe 
unmittelbar  nach  der  Erzeugung  verwenden  und  durch  Walzen  und  Schmieden 
in  jede  gewünschte  Form  bringen  lassen  und  daß  die  einzelnen  Stücke 
durch  Nietung  so  gut  und  fest  verbunden  werden  können,  als  wenn  sie  aus 
einem  Stücke  beständen.  Dazu  kommt  die  längere  Lebensdauer  und  das 
geringe  Gewicht.  Der  letzte  Umstand  ist  gerade  für  die  Binnenschiffahrt  von 
großer  Bedeutung,  weil  die  Lastschiffe  die  verhältnismäßig  geringen  Fahr- 
wassertiefen  nach  Möglichkeit  ausnutzen  müssen. 

In  den  siebziger  Jahren  kam  das  Eisen  für  den  Bau  von  Lastschiffen 
auch  auf  der  Elbe  in  Aufnahme;  man  konnte  sich  aber  mit  dem  eisernen 
Boden  nicht  befreunden  und  macht  ihn  noch  heute  in  der  Regel  aus  Holz, 
weil  man  den  Holzboden  für  eine  gute  Versteifung  der  im  Verhältnis  zu  Länge 
und  Breite  sehr  niedrigen  Lastschiffe  und  außerdem  für  einen  Schutz  gegen 
Leckwerden  hält.  Das  Fahrwasser  war  allerdings  in  früheren  Zeiten  in  einzelnen 
Stromstrecken  recht  mangelhaft:  Es  fanden  sich  in  der  Sohle  Felsen,  lose 
Steine  und  Baumstämme,  wodurch  viele  Unfälle  hervorgerufen  wurden.  Der 
hölzerne  Boden  schien  deshalb  widerstandsfähiger  und  war  bei  Beschädigungen 
leichter  auszubessern.  Von  der  Elbe  kam  diese  Bauart  zur  Oder  und  den 
weiteren  östlichen  preußischen  Wasserstraßen.  Auf  der  Weser  schlug  man 
einen  anderen  Weg  ein,  indem  man  mit  Rücksicht  auf  die  steinige  Stromsohle 
(namentlich  im  Oberlauf)  unter  dem  eisernen  Boden  zuweilen  noch  einen 
hölzernen  Schutzboden  anordnete.  Diese  Bauart  gewährte  aber  keine  großen 
Vorteile  und  ist  wieder  verschwunden.  Es  werden  aber  viele  Schiffe  dort 
nach  Art  der  Elbschiife  mit  Holzboden  gebaut. 

24* 


372  Abschnitt  U.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

In  neuerer  Zeit  ist  man  zu  der  Überzeugung  gekommen,  daß  die  Gründe 
fiir  die  Anwendung  hölzernen  Böden  gegenüber  den  Vorteilen  der  eisernen, 
namentlich  wegen  Verbesserung  des  Fahrwassers  unserer  Ströme,  nicht  mehr 
gerechtfertigt  sind.  Seit  Einführung  des  Flußeisens  (1881)  sind  ganz  aus 
diesem  Stoff  gebaute  Schiffe  leichter  und  haben  einen  um  3  bis  5  cm  geringeren 
Leertiefgang.  Das  stellt  einen  erheblichen  wirtschaftlichen  Gewinn  dar.  Ein 
weiterer  Vorteil  besteht  darin,  daß  sie  der  Fortbewegung  einen  geringeren 
Widerstand  entgegensetzen,  was  durch  die  im  Laufe  der  letzten  Jahre  be- 
sonders auf  der  Donau  angestellten  Schleppversuche  bewiesen  ist.  Es  steht 
fest,  daß  die  Reibung  des  Wassers  an  der  rauhen  Oberfläche  des  Holzschiffs 
und  besonders  des  Holzbodens  den  Widerstand  bedeutend  vergrößert.  Es  ist 
bekannt,  daß  die  hölzernen  Böden  allmählich  bürstenartig  ausgefasert  werden, 
indem  der  Fflanzenleim  oder  das  Gummi,  das  die  Fasern  der  Jahresringe  des 
Holzes  aneinander  hält,  durch  das  Wasser  langsam  aufgelöst  wird.  Daß  diese 
ausgefaserten  Böden  der  Fortbewegung  einen  g^roßen  Widerstand  leisten,  liegt 
auf  der  Hand.  Wenn  auch  die  Schiffahrttreibenden  in  dieser  wie  in  mancher 
anderen  Hinsicht  schwer  von  ihren  Gebräuchen  und  Gewohnheiten  abzu- 
bringen sind,  so  muß  doch  festgestellt  werden,  daß  die  Erkenntnis  von  den 
Vorzügen  der  eisernen  oder  stählernen  Böden  in  neuester  Zeit  in  immer 
weitere  Kreise  dringt. 

Auf  der  Elbe  wurden  in  der  Strecke  Hamburg  ^Magdeburg  vergleichende  Schlepp  versuche 
mit  zwei  sonst  gleichen  Lastschiffen  angestellt,  von  denen  das  eine  mit  einem  hölzernen,  das 
andere  mit  einem  eisernen  Boden  versehen  war.  Der  Widerstand  wurde  als  Zugkraft  in  der 
Schlepptrosse  mit  dem  Dynamometer  gemessen.  Bei  der  Leerfahrt  waren  die  Widerstände  800  kg 
und  750  kg,  mit  je  625  t  Nutzlast  aber  2400  kg  und  1600  kg.  Das  Schleppen  des  Schiffes  mit 
hölzernem  Boden  erforderte  also  50  v.  H.  mehr  Kraft. 

Da  der  Holzschiffbau  auf  einzelnen  Wasserstraßen  und  in  einzelnen 
Ländern  auch  in  Zukunft  noch  eine  gewisse  Bedeutung  behalten  wird,  kann 
«r  hier  nicht  unerörtert  bleiben.  Die  namentlich  in  Europa  vorhandenen 
Hölzer  sind  in  verschiedener  Weise  für  den  Schiffbau  geeignet.  Für  den 
Boden  ist  am  besten  das  Fichtenholz,  wegen  des  geringen  Gewichts  und 
weil  die  oben  geschilderte  Auflösung  am  langsamsten  eintritt,  während  das 
z.  B.  bei  Eichenholz  sehr  schnell  geschieht.  ErfahrungsmäOig  verliert  ein 
eichener  Boden  in  10  Jahren  etwa  13  mm  an  seiner  Dicke,  ein  fichtener  kaum 
5  mm.  Für  die  Inhölzer  (Spanten,  Wrangen  und  Duchtbalken)  und  die  Be- 
planlamg  empfiehlt  sich  am  besten  Eichen-  und  Kiefernholz.  Das  Eichen- 
holz hat  die  angenehme  Eigenschaft,  sich  nach  dem  Kochen  im  Dampfkasten 
leicht  biegen  zu  lassen.  Man  verwendet  es  darum  gerne  zu  Bug-  und  Heck- 
planken sowie  zu  gekrümmten  Duchten.  Fichtenholz  darf  zur  Beplankung 
nicht  verwendet  werden,  da  es  durch  den  Wechsel  von  Nässe  und  Trocken- 
heit in  etwa  drei  Jahren  zerstört  wird.  Doch  kann  es  zum  innem  Aus- 
bau neben  Kiefern-  und  Tannenholz  benutzt  werden.  Zu  den  Bühnen  (Wege- 
rungen) wird  meistens  Fichten-  oder  Tannenholz,  zu  dem  beweglichen  Deck 
am  besten  Kiefernholz  verwendet.     Von   ausländischen  Hölzern  wird  Pitch- 


2.  Baa  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  373 

pine  vielfach  zu  den  Inhölzern,  zur  Beplankung  und  auch  zur  Wegerung 
benutzt. 

Von  Eisen  wird  zum  SchiiTbau  nur  Schweißeisen,  Stahl  (Flußeisen)  und 
Stahlformguß  verwendet.  Wegen  der  gleichmäßigen  elastischen  Veränderung 
bei  wechselnder  Wärme  oder  Beanspruchung  ist  es  zweckmäßig,  beim  Bau 
eines  Schiffes  denselben  Baustoff  überall  zu  benutzen,  also  entweder  nur 
Schweißeisen  oder  nur  Stahl.  Liegen  besondere  Gründe  dagegen  vor,  so 
sollen  wenigstens  die  Längsverbände  und  die  Querverbände  je  aus  dem  gleichen 
Stoff  hergestellt  werden.  Gewöhnlich  wird  in  neuerer  Zeit  Stahl  (Siemens- 
Martin-Flußeisen)  verwendet  und  die  nachstehenden  Angaben  über  Abmessun- 
gen beziehen  sich  auf  diesen  Stoff.  Auch  die  Bauvorschriften  des  Germanischen 
Lloyd  sind  dafür  aufgestellt;  es  ist  aber  vorgesehen,  daß  bei  Verwendung 
von  Schweißeisen  die  Stärke  der  Bleche  um  1 2  v.  H.  und  der  Winkel  und 
Stangeneisen  um  10  v.  H.  vergrößert  werden  soll.  Andererseits  kann  bei  be- 
sonders gutem  Stahl,  Nickelstahl  oder  Spezialstahl,  eine  Verringerung  der  vor- 
geschriebenen Stärken  eintreten. 

Für  die  Prüfung  des  Eisens  und  des  Stahls  auf  den  Walzwerken  vor 
der  Verarbeitung  sind  von  dem  Germanischen  Lloyd  genaue  Vorschriften  aus- 
gearbeitet worden,  die  in  gleichem  Umfange  für  Seeschiffe  und  Binnenschiffe 
zur  Anwendung  kommen.  Erwähnt  sei  nur  die  Zerreißfestigkeit,  die  bei 
Schweißeisen  mindestens  35  kg  längs  der  Faser  und  28,5  kg  quer  zur  Faser, 
bei  Stahl  41  bis  49  kg  und  bei  Stahlformguß  (Steven,  Ruderrahmen  u.  dgl.) 
mindestens  40  bis  45  kg  je  mm'  betragen  soll.  Außerdem  sind  Warm-  und 
Kaltbiegeproben  usw.  vorgeschrieben.  Zur  Nietung  ist  bestes  zähes  Eisen 
mit  einer  Festigkeit  von  mindestens  35  kg  je  mm'  zu  verwenden,  das  einer 
Biegeprobe,  einer  Stauchprobe  und  einer  Lochprobe  unterworfen  werden  soll. 

Um  das  Eigengewicht  möglichst  zu  vermindern,  hat  man  versucht,  Schiffe 
aus  Aluminium  zu  bauen;  doch  haben  die  Erfolge  bisher  nicht  zur  Nach- 
ahmung ermuntert. 

In  neuester  Zeit  hat  man  Schiffe  aus  Beton  hergestellt.  In  Italien  (Rom) 
und  in  Deutschland  (Frankfurt  a.  M.)  haben  sich  zu  diesem  Zweck  im  Jahre  1909 
besondere  Gesellschaften  gebildet.  Wenn  solche  Schiffe  auch  mancherlei  Vor- 
züge besitzen  sollen,  dürfte  das  große  Eigengewicht  in  der  Binnenschiffahrt 
ihre  weitere  Verbreitung  doch  verhindern').  Die  Erfahrungen  müssen  ab- 
gewartet werden. 

Der  Bau  hölzerner  Schiffe.  Ohne  Rücksicht  auf  die  zu  verwen- 
denden Baustoffe  werden  zum  Bau  eines  Schiffes  zunächst  die  Linienrisse  oder 
Baurisse  (S.  244)  auf  dem  Schnür-  oder  Mallboden  in  natürlicher  Größe 
aufgezeichnet  oder  »abgeschnürt«,  wobei  etwa  sich  noch  ergebende  Mängel 
im  Verlauf  der  einzelnen  Linien  sowohl  im  Spantenriß  wie  im  Wasserlinienriß 
beseitigt  werden. 

i)  Vgl.  2^itscfanft  für  Binnenschiffahrt,  Jahrgang  1909,  Seite  406  und  489  (Aufsatz  von 
F.  Meyer). 


374 


Abschnitt  IL     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Zur  Aufzeichnung  der  gekrümmten  Linien  benutzt  man  lange,  schwache 
Holzlatten  von  quadratischem  Querschnitt,  die  man  »Stracklatten«  nennt.  Für 
die  Spanten  und  Steven  werden  Modelle  aus  dünnen  Brettern,  die  »Spanten- 
malle« oder  »Stevenmalle«  angefertigt  Nach  diesen  Vorbereitungen  und  nach 
HerbeischafTung  der  Baustoffe  kann  auf  dem  Platze  (Helling)  mit  dem  Bau 
begonnen  werden. 

Bei  der  Beschreibung  der  Bauausführung  folgen  wir  im  allgemeinen  der  an 
den  östlichen  deutschen  Wasserstraßen  üblichen  Bauweise  und  den  Vorschriften 
der  Vereinigten  Transport- Versicherangs-Gesellschaften  (abgekürzt  »V.  V.  G.«). 
Wenn  die  Lager,  Streckhölzer  und  Pallklötze  verlegt  sind,  wird  der 
Boden  zusammengezimmert..  Die  Bodenplanken  sollen  mit  Ausnahme  der 
Endstücke  mindestens  lo  m  lang  und  20  cm  breit  sein.  Sie  werden  entweder 
durch  schräge  Wechsel  gestoßen,  die  je  nach  Bohlenbreite  über  2  oder 
3  Wrangen  reichen  (Abb.  235),  oder  stumpf  mittels  einer  5  bis  6  mm  starken, 

eisernen,  übergelegten,  einge- 
lassenen und  mit  Schrauben 
befestigten  Lasche  (Abb.  236). 
Die  schrägen  Wechsel  werden 
durch  4  bis  6  wagerecht  durch- 
getriebene, verzinkte,  eiserne 
Bolzen  verbunden.      Zwischen 

2  Stößen  unter  derselben 
Wränge     müssen     mindestens 

3  durchgehende  Plankengänge 
liegen.  Alle  »Nähte«  und  Stöße 
des  Bodens  werden  mit  minde- 
stens 2  zwischengelegten  Wergdrähten  gedichtet,  die  glatt  und  fest  zu  schlagen 
sind.  Der  untere  wird  etwa  i  cm  von  der  Kante  zurückgesetzt.  Die  Öffnung 
der  Nähte  (Fugen),  von  nicht  mehr  als  i  cm  Weite,  wird  verpicht. 

Nach  Einteilung  der  Spanten  auf  dem  Boden  werden  in  Abständen  von 
höchstens  50  cm  von  Mitte  zu  Mitte  die  Bodenwrangen  (Bodenstücke, 
Sohlen,  Bänke,  Blätter)  hochkantig  aufgelegt  und  durch  3  cm  starke,  hölzerne, 
verkeilte  Nägel  aus  Akazien-  oder  Kiefernholz  mit  dem  Boden  verbunden 
(Abb.  236).  Zur  Verhütung  von  Schwammbildung  sind  ihre  Unterflächen  und 
die  betreffenden  Teile  des  Bodens  mit  warmem  Steinkohlenteer  zu  bestreichen. 
Wenn  der  Boden  fertig  ist,  wird  er  belastet  und  man  hebt  das  Vorder-  und 
Hinterende  um  das  entsprechende  Maß  nach  dem  Längsrisse,  wenn  ein  »Sprung« 
vorgesehen  ist. 

Nach  den  V.  V.  G.  soll  die  Bodenstärke  bei  der  Gruppe  1  (S.  365)  minde- 
stens 8  cm,  bei  der  Gruppe  7  mindestens  12  cm  betragen,  also  mit  jeder 
Gruppe  um  5  bis  10  cm  wachsen.  Die  Stärke  der  Bodenwrangen  hängt 
allein  von  der  Schiffsbreite  ab,  soll  bei  Schiffen  bis  zu  5  m  Breite  12,5  •  12,5  cm 
und  bei  Schiffen  von  10  m  bis  11  m  Breite  23  •  18  cm  betragen. 


Abb.  235.      Wechsel    beim 

Stol^  der  Bodenplanken  unter 

eisernen  Wrangen  i :  40. 


Abb.  236.  Stumpfer  Stoß 
der  Bodenplanken  unter 
hölzernen  Wrangen  i :  40. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


375 


Im  Rheingebiet  wird  der  Boden  aus  Mangel  an  geeignetem  Holz  in 
der  Regel  viel  schwächer  hergestellt,  und  man  pflegt  unter  ihm  noch  einen 
dünneren  Schutzboden,  die  »Sohle«,  anzubringen.  Man  spricht  'dann  von 
»gesohlten«  Schiffen.  Beide  Böden,  zwischen  die  meistens  eine  Mooslage 
gebracht  wird,  werden  durch  eiserne  Nägel  miteinander  verbunden.  Zuweilen 
bekommt  nicht  der  ganze  Boden  eine  Sohle,  sondern  nur  seine  äußersten 
Teile,  die  Bruhnen,  einen  solchen  Schutz,  den  man  »Wange«  nennt  (vgl. 
Abb.  113,  116,  125  und  161  bei  der  Weser).  Unter  Umständen  wird  auch 
noch  in  der  Mitte  des  Bodens  eine  Schutzbohle  angebracht  (Abb.  131).    Zur 


Abb.  237.     Sentelnaht  (Querschnitt). 


Abb.  238.     Sentelnaht  (Grundriß). 


Dichtung  wird  in  der  Regel  eine  Sentelnaht  verwendet  Dabei  werden  die 
Nähte  der  Bodenplanken  von  unten  auf  etwa  ^j^  der  Holzstärke  durch  Ab- 
stemmen keilförmig  erweitert  (Abb.  237)  und  durch  in  zwei  Lagen  fest  ein- 
getriebenes Moos  gefüllt.  Dann  schließt  man  die  Nähte  durch  dünne,  eiserne, 
übereinander  reichende  Blechstücke  (Senteln),  die  mit  dem  Hammer  krumm 
geschlagen  und  in  die  beiden  benachbarten  Planken  eingetrieben  werden 
(Abb.  238).  Bei  gesohlten  Schiffen  wird  die  Sentelnaht  durch  die  darunter 
genagelte  Sohle  gedeckt,  deren  Nähte  nicht  gedichtet  werden^). 

Die  Bodenwrangen  werden  im  Rhein- 
gebiete oft  aus  einem  Stück  mit  den  Span- 
ten hergestellt,  und  zwar  abwechselnd  eine 
Wränge  zusammen  mit  einem  Spant  auf 
Backbord-  und  eine  Wränge  mit  einem  Spant 
auf  Steuerbordseite,  wie  aus  den  Abb.  1 1 1 
und  129  ersichtlich.  Sie  werden  mit  dem 
Boden  durch  eiserne  Nägel  verbunden. 

An  den  östlichen  Wasserstraßen  wer- 
den die  aus  entsprechend  krumm  ge- 
wachsenen Hölzern  bearbeiteten  Spanten 
oder  Knie  seitlich  mit  den  Wrangen 
und  unten  mit  dem  Boden  durch  Bolzen  verbunden  (z.  B.  Abb.  45).  Da 
solche  Hölzer  jetzt  selten  sind,  pflegt  man  die  Knie  aus  mehreren  Stücken 
zusammenzusetzen.  Man  zapft  einen  »Auf langer«  senkrecht  mit  Versatzung 
in  das  Ende  der  Bodenwrange  ein  und  verbindet  beide  Teile  durch  einge- 
lassene eiserne  Kniestücke.  Unter  den  Duchten  verstärkt  man  diese  zu- 
sammengesetzten  Spanten  gewöhnlich  durch  besondere  Streben  (Abb.  239). 


Abb.  239.  Abb.  240. 

Zusammengesetzte  Holzlcnie  i :  50. 


i)  Mylius  und  Isphording,  der  Wasserbau  an  den  Binnenwasserstraßen,  Teil  11^  S.  517* 
Berlin  1906I 


376  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Zuweilen  verbindet  man  den  Auflanger  durch  eine  eingesetzte  >Knagge<  und 
2  seitliche  Eisenschienen  mit  der  Wränge  (Abb.  240);  aber  alle  diese  Ver- 
bindungen sind  mangelhaft  (vgl.  auch  Abb.  42). 

Die  Steven  aus  Eichenholz  (je  nach  der  Gruppe  24  bis  32  cm  im  Quadrat 
stark)  werden  mit  dem  Boden  durch  ein  starkes  Holzknie  (Abb.  241)  oder 
durch  einen  Eisenwinkel  mit  Blechverstärkung  (Abb.  242)  verbunden. 

Die  Beplankung  wird  entweder  >klinker«  ausgeführt,  indem  die  ein- 
zelnen Plankengänge  sich  im  Querschnitt  überdecken,  oder  »karvehU,  wenn 
sie  in  derselben  Ebene  stumpf  aufeinander  stehen.  Die  letztere  Bauart  ist  bei 
den  Lastschiffen  der  östlichen  Wasserstraßen  üblich  und  verdient  im  allge- 
meinen den  Vorzug,  weil  sie  eine  glatte,  weniger  Widerstand  bietende  Schiffs^ 
wand  liefert;   die  Planken  müssen  aber  mindestens   7  bis  8  cm  stark  sein, 


Abb.  241.  Abb.  242. 

Stevenbefestigung  i  :  40. 

damit  man  dichte  Nähte  bekommt,  während  man  bei  Klinkerborden  aus 
dünnen  Brettern  durch  eine  entsprechende  Höhe  der  Überdeckung  die  nötige 
Dichtung  erreicht. 

Die  unterste  Planke  heißt  »Bruhne«  und  wird  in  der  Regel  aus  Eichen- 
holz gefertigft.  Die  nach  oben  folgenden  heißen  »Mittelbord«,  »Windlatte« 
(oder  Schwelle)  und  »Riesbord«.  Zuweilen  wird  zwischen  Mittelbord  und 
Windlatte  noch  ein  Gang  eingeschoben,  den  man  Wallschiene  nennt.  Die 
Bug-  und  Heckplanken  macht  man  gewöhnlich  aus  Eichenholz.  Um  sie  den 
Linienrissen  entsprechend  biegen  zu  können,  werden  sie  in  einem  langge- 
streckten, verschließbaren,  eisernen  oder  hölzernen  Kasten  mehrere  Stunden 
lang  mit  eingelassenem  heißem  Wasserdampf  gesättigt,  »gedämpft«.  Die 
Bordplanken  werden  in  die  »Sponung«  des  Stevens  eingefalzt,  zweireihig 
mit  ihm  vernagelt  und  dicht  hinter  seiner  Innenseite  durch  zwei  oder  drei 
Schraubbolzen  gegenseitig  miteinander  verbunden.  Die  Stöße  der  Bord- 
planken werden  mittels  Wechseln  bewirkt,  die  eine  Länge  von  mindestens  der 
dreifachen  Breite  der  Planken  haben  und  durch  je  4  senkrechte,  beide  Stoß- 
enden durchdringende,  starke,  eiserne  Bolzen  verbunden  sind.  Die  Wechsel 
benachbarter  f  lankengänge  müssen  versetzt  werden,  und  es  muß  möglichst  ver- 
mieden werden,  daß  überhaupt  zwei  Wechsel  übereinander  liegen,  besonders 
mittschiffs  und  in  der  Nähe  der  Segelducht.  Da  die  Planken  die  Hauptversteifung 
des  Schiffes  bilden,  ist  ihre  Verbindung  von  großer  Wichtigkeit.    Die  Wechsel 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschifie.  377 

im  Riesbord  und  in  der  Windiatte  sollen  daher  binnenschiifs  noch  durch  eiserne 
Laschenplatten  verstärkt  werden,  die  über  6  bis  7  Spanten  reichen.  Zur 
weiteren  Versteifung  der  Bordwände  wird  empfohlen,  sie  senkrecht  vom  Ries- 
bord bis  zur  Bruhne  zu  durchbohren  und  durch  i  o  bis  12  mm  starke,  eiserne, 
mit  großer  Kraft  durchgetriebene  Bolzen  zu  verbinden.  Etwa  je  2  Stück  sol- 
cher Bolzen  sollten  in  jeder  Abteilung  des  Laderaums  angeordnet  werden  (vgl. 
Abb.  239).  Klepsch  hat  damit  sehr  gute  Erfahrungen  gemacht  und  hält  sie  für 
besser  als  die  sonst  üblichen,  seitlich  eingetriebenen  > Stichnägel«  zur  Ver- 
bindung (zum  »Heften«)  zweier  benachbarter  Planken.  Es  ist  einleuchtend,  daß 
diese  Verbindung  die  Festigkeit  der  Bordwände  erhöht  und  das  Durchbiegen 
(> Durchspannen«)  des  Schiffskörpers  vermindert. 

Die  Stärke  der  Planken  soll  nach  den  V.  V.  G.  betragen : 

bei  der  Gruppe     1357 

Bruhne 6,5  8  g  10     cm 

Mittelborde 6,5  8  8,5  9,5    » 

Windlatte  und  Riesbord         8  10         11  12       > 

Die  Dichtung  der  Nähte  wird  wie  beim  Boden  am  besten  durch  2  ge- 
teerte Wergdrähte  erreicht,  die  mit  dem  meißelartigen  »Dichteisen«  unter 
Hammerschlägen  fest  eingetrieben  werden.  Dann  werden  die  Nähte  verpicht. 
Das  »Spunden«,  d.  h.  das  Einlegen  von  etwa  4  cm  breiten  dünnen  Brettchen 
aus  Eichenholz  über  die  Nähte,  ist  im  allgemeinen  weder  für  den  Boden  noch 
für  die  Borde  zu  empfehlen.  Denn  die  von  den  Spunden  bedeckten  Nähte 
faulen  leicht,  und  die  im  Boden  angeordneten  Spunde  verhindern  das  Zu- 
sammenquellen der  Nähte.  Dagegen  ist  diese  Bauweise  beim  Ausbessem  von 
alten  Schiffen  am  Platze,  wenn  deren  Nähte  vermodert  und  verwittert  sind. 

Da  im  Rheingebiet  ein  Mangel  an  geeignetem  Kiefernholz  zu  den  Bord- 
wänden besteht,  verwendet  man  Eichenholz  in  Stärken  von  3  bis  4  cm  und 
verbindet  die  Planken  klinker  miteinander.  Die  wagerechten  Stöße  werden 
zuweilen  noch  mit  Leisten  benagelt  (Abb.  112,  113,  125). 

Die  Bordwände  und  die  oberen  Enden  der  Spanten  werden  gewöhnlich 
durch  eine  rings  um  das  Schiff  laufende  Bordleiste,  das  Schandeck,  über- 
deckt,  an  das  sich  binnenschiffs  zuweilen  (am  Rhein)  das  »Futter«  oder  die 
»Remme«  in  einer  Höhe  von  etwa  30  cm  anschließt,  wodurch  eine  innere 
Verbindung  der  Spanten  und  eine  Längsversteifung  des  Schiffes  erreicht  wird 
(Abb.  113,  116,  131  und  161  an  der  Weser). 

Zur  Querversteifung  werden  in  Abständen  von  nicht  mehr  als  6  m 
Duchten  oder  Schottwände  angebracht.  Die  Stärke  der  Duchten  richtet 
sich  nach  der  Schiffsbreite:  Ihre  Breite  und  Höhe  soll  je  etwa  740  davon  be- 
tragen. Die  Duchten  verspannen  je  zwei  gegenüberliegende  Spanten,  mit 
denen  sie»  ebenso  wie  mit  dem  Riesbord,  fest  zu  verbinden  sind.  Außerdem 
ist  unter  jeder  Ducht,  wenn  keine  Schottwand  darunter  steht,  eine  Veranke- 
rung durch  20  bis  30  mm  starke  Rundeisen  vorzunehmen,  die  mittels 
Schraubenschlösser  zusammengezogen  werden. 


378  Abschnitt  11.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Unter  der  besonders  starken  und  festen  »Scgelduchtt  oder  Segelbank, 
die  durch  »Scherstöcke«  und  Streben  gut  abgesteift  ist,  befindet  sich  der 
»Spurklotz«  oder  die  Spurbank,  die  quer  oder  längs  auf  dem  SchifTsboden 
liegt  und  sicher  mit  ihm  verbunden  wird.  Es  ist  darfn  die  »Spur«  für  den 
Mast  eingearbeitet,  der  sich  oben  gegen  die  Segelducht  legt. 

Die  Schottwände  aus  gespundeten  Brettern  schließen  die  einzelnen  Teile 
des  Laderaums  gegeneinander  und  gegen  die  Kajüten  ab.  Bei-  größeren 
hölzernen  Schiffen  werden  einige  Schottwände  wasserdicht  aus  versteiftem 
Blech  hergestellt.  Namentlich  für  den  Zollverschluß  müssen  die  Schotte 
zwischen  dem  Laderaum  und  den  Kajüten  aus  Eisenblech  genietet  werden. 

Die  Bühne  wird  oft  nur  aus  losen  3  cm  starken  Brettern  hergestellt; 
besser  ist  es,  sie  aus  festen  Tafeln  zu  machen,  die  einzeln  aufgenommen 
werden  können.  Auch  die  Hängebühne  (Ausschlag)  macht  man  besser  be- 
weglich. 

Es  empfiehlt  sich,  alle  Holzteile  innen  und  außen  nach  Fertigstellung 
sauber  zu  hobeln  und  dann  mit  einem  Anstrich  von  fettem,  gelbem  Kien- 
teer zu  versehen,  zumal  die  Hölzer  nicht  immer  vollständig  ausgetrocknet  sind. 
Dieser  Anstrich  schützt  vorläufig  vor  den  Einflüssen  der  Witterung,  gestattet 
aber  zugleich  ein  langsames  Austrocknen.  Unter  Wasser  und  namentlich  für 
den  Boden  ist  ein  Steinkohlenteeranstrich  der  beste  und  dauerhafteste. 

Stahl-  und  Eisenbau.  Beim  Bau  von  hölzernen  Schiffen  hat  sich 
seit  langer  Zeit  das  Bedürfnis  herausgestellt,  die  hölzernen  Spanten  durch 
eiserne  oder  stählerne  zu  ersetzen,  die  aus  Winkeln  hergestellt  werden.  Die 
V.  V.  G.  verlangen  allgemein  bei  Holzschiffen  die  Verwendung  von  Spanten  aus 
Stahl  oder  Eisen,  wobei  sogar  etwas  stärkere  Abmessungen  vorgeschrieben 
werden   als  für  stählerne  Schiffe.     Die  Entfernung  der  Spanten  darf  nicht 

größer  sein  als  50  cm.  Der  auf  dem  Schiffsboden  liegende 
Teil,  der  mit  dem  Boden  durch  5  Schraubbolzen  und  mit 
den  Bodenwrangen  durch  4  bis  5  Spitzbolzen  oder  Kopf- 
schrauben verbunden  wird,  soll  i  m  bis  1,2  m  lang  sein. 
Die  Spanten  müssen  im  Knie  gebogen  werden  und  zwar 
bei  Schiffen  mit  senkrechten  Wänden  und  scharfer  Kimm 
in  einem  rechten  Winkel.  Dazu  erwärmt  man  das  Winkel- 
eisen vorher  in  einem  Glühofen  hellrot  und  biegt  es  auf 
versteiftes  Spant  1:40.     einer  eisemen  Richtplatte.    Wenn  das  nicht  vorsichtig  und 

sachkundig  gemacht  wird,  was  auf  kleinen  Schiff  bauanstalten 
für  Holzschiffe  nicht  immer  vorauszusetzen  ist,  bekommt  das  Eisen  an  dieser 
wichtigsten  Stelle  Risse,  die  seine  Festigkeit  beeinträchtigen.  Davon  kann 
man  sich  ofl  durch  den  Augenschein  überzeugen.  Es  scheint  daher  richtig, 
wenn  die  V.  V.  G.  das  Mittel  empfehlen ,  jedes  Spant  im  Knie  mit  einer 
4  bis  6  mm  starken  und  mit  wenigstens  4  Nieten  befestigten  Blechversteifung 
zu  versehen  (Abb.  243).  Die  Verbindung  der  eisemen  Spanten  mit  den  Bord- 
planken geschieht  durch  Schraubbolzen. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


379 


Die  so  gebauten  Schiffe  pflegt  man  allgemein  noch  als  Holzschiffe  zu 
bezeichnen ;  wenn  aber  außer  dem  Boden  alle  übrigen  Bauteile  aus  Stahl  oder 
Eisen  hergestellt  werden,  spricht  man  von  eisernen  oder  stählernen  Schiffen, 
deren  Herstellung  eine  andere  ist,  weil  die  Mehrzahl  der  Bestandteile  durch 
Nietung  miteinander  verbunden  wird. 

Die  Vorbereitung  auf  dem  Schnürboden  ist  die  gleiche;  man  pflegt  aber 
im  Maßstabe  i :  50  oder  i :  25  ein  halbes  Holzmodell  anzufertigen,  einerseits 
um  die  Risse  und  den  Verlauf  der  gekrümmten  Schiffslinien  nochmals  zu  prüfen 
und  andererseits,  um  darauf  die  Plattenteilung  der  Außenhaut  zu  entwerfen. 
Wenn  das  Schiff  einen  hölzernen  Boden  bekommt,  so  wird  dieser  wie  bei 
Holzschiffen  angeordnet.  Ebenso  besteht  kein  Unterschied,  wenn  die  Boden- 
wrangen aus  Holz  hergestellt  werden  und  auch  die  stählernen  Spanten  werden 
in  der  vorbeschriebenen  Weise  mit  dem  Boden  verbunden.  In  der  Regel 
werden  jedoch  stählerne  Bodenwrangen  verwendet,  die  meistens  aus  C förmigen, 
seltener  aus  1  förmigen,  gewalzten  Trägern  bestehen,  zuweilen  auch  aus  senk- 
rechten Blechen  gebildet  werden,  die  oben  (Gegenspant)  und  unten  (Spant) 
durch  je  einen  Winkel  gesäumt  sind.   Diese  stählernen  Wrangen  müssen  durch 


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Abb.  244.     Trapezförmige  Bruhne. 


Abb.  245.  Befestigung  durch  Kimmwinkel. 


13  bis  15  mm  starke  Schraubbolzen  mit  jeder  einzelnen  Planke  des  Bodens  ver* 
bunden  werden  (Abb.  235).  Die  Spanten  werden  mit  ihrem  senkrechten  (brei- 
teren) Schenkel  an  den  Bodenwrangen  durch  4  bis  5  Niete  und  mit  ihrem  wage- 
rechten (kürzeren)  Schenkel  am  Holzboden  durch  einige  Schraubbolzen  befestigt. 
Wichtig  ist  die  Bildung  der  Kimm,  besonders  die  Verbindung  der  Blechhaut 
mit  der  Bruhne,  zumal  hier  leicht  Undichtigkeiten  auftreten.  Es  werden  ver- 
schiedene Bauweisen  ausgeführt:  Am  besten  ist  die  Befestigung  der  Blech- 
haut durch  zwei,  bis  drei  Reihen  im  Zickzack  versetzter  Holzschrauben  ander 
mit  trapezförmigem  Querschnitt  angeordneten  Bruhne  (Abb.  244),  oder  durch 
doppelte  Zickzacknietung  an  einem  Kimmwinkel,  der  entweder  unmittelbar 
oder  .  mittels  einer  zwischengelegten  5  bis  7  mm  starken  Blechplatte  (Boden- 
stringer) durch  Schraubbolzen  mit  der  Bruhne  verbunden  ist  (Abb.  245).  Im 
ersten  Falle  wird  zwischen  Bruhne  und  Außenhaut,  im  anderen  zwischen  ihr 
und  dem  Kimmwinkel  oder  dem  Bodenstringer  ein  Streifen  Leinwand  oder 
ähnlicher  Stoff  gelegt,  der  mit  Farbe  oder  Teer  getränkt  ist.  Die  Verbindung 
mittels  Kimmwinkels,  besonders  mit  dem  Bodenstringer,  ist  die  festere,  aber 
auch  die  kostspieligere  und  schwerere,  zumal  der  Winkel  ziemlich  groD  gewählt 


380 


Abschnitt  IL     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


werden  muß,  um  die  Nietreihen  und  die  Schraubbolzen  bequem  anbringen 
zu  können.  Man  gibt  ihm  in  der  Regel  die  Abmessungen  des  Stringerwinkels. 
Zuweilen  ordnet  man  noch  einen  zweiten  5  bis  6  mm  starken,  200  bis  300  mm 
breiten  durchlaufenden  Blechstreifen  unter  der  Bruhne  an  (in  Abb.  245  punk- 
tiert), wodurch  die  ganze  Verbindung  noch  mehr  Festigkeit  bekommt.  Werden 
die  Bodenwrangen  aus  C-  oder  "Lförmigen  Trägem  gebildet,  so  bleibt  die 
Anordnung  der  Kimm  mittels  Kimmwinkels  dieselbe.  Bei  Anwendung  der 
trapezförmigen  Bruhne  werden  diese  stählernen  Träger  an  den  Enden  aufwärts 


Abb.  246.  Trapezbruhne  mit  eisernen 
Wrangen  i  :  30. 


Abb.  247.   Verbindung  ohne 
Biegung  der  Spanten  i  :  30. 


gebogen,  wie  in  Abb.  246  dargestellt.  Dabei  ist  zu  beachten,  daß  es  in  der 
Regel  genügt,  die  auf  dem  Boden  ruhende  Länge  des  Spants  500  bis  600  mm 
lang  zu  machen.  Man  findet  hier  oft  eine  gewisse  Verschwendung  von  Bau- 
stoff, durch  die  das  Gewicht  des  Schiffes  überflüssigerweise  vermehrt  wird. 
Um  den  vollen  Spantquerschnitt  an  die  stählerne  Bodenwrange  anzuschließen, 
genügen  4  bis  5,  ausnahmsweise  6  Niete,  die  in  verhältnismäßig  kleinen  Ab- 
ständen anzuordnen  sind,  und  es  ist  zweck- 
los, das  Spant  länger  zu  machen.  Empfeh- 
lenswert ist  bei  scharfer  Kimm  sowohl  bei 
hölzernem  wie  stählernem  Boden  auch  die 
in  Abb.  247  gezeichnete  Verbindung:  Zwi- 
schen den  gerade  abgeschnittenen  Spanten 
und  Wrangen  werden  5  bis  6  mm  starke 
Eckbleche  eingelegt.  Das  g^bt  den  Vor- 
teil, daß  weder  die  Spanten  noch  die 
Wrangen  zu  biegen  sind.  Namentlich  für 
Schiffe  von  geringer  Breite  und  niedrigen 
Wrangen  ist  dies  eine  zweckmäßige  Anordnung.  Bei  zusammengesetzten  Boden- 
wrangen werden  meistens  die  Seitenspanten  mit  dem  Bodenspant  aus  einem 
Stück  hergestellt,  das  in  der  Kimm  nach  einem  Halbmesser  von  150  bis 
200  mm  gebogen  wird  (Abb.  248).  Wenn  man  sie  aus  zwei  Stücken  macht, 
legt  man  den  Stoß,  der  durch  einen  Winkel  von  gleichem  Querschnitt  zu 
decken  ist,  in  die  Mitte.  Bei  sehr  breiten  Schiffen  werden  zuweilen  im  Boden- 
spant zwei  Stöße  angeordnet  und  man  pflegt  dann  dem  mittleren  Teil  des  Spants 
nur  den  kleineren  Querschnitt  des  Gegenspants  zu  geben.    Die  Bruhne  ist  in 


Abb.  248.    Zusammengesetzte  Wränge  mit 
Kimmwinkel. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiflfe. 


381 


allen  Fällen  mit  den  benachbarten  Bodenplanken  durch  lange  wagerechte 
Hackbolzen  zu  verbinden,  die  ebenso  wie  alle  anderen  Bolzen  und  Schrauben 
in  Eichenholz  verzinkt  sein  müssen.  Die  Stöße  der  Bruhne  sind  mit  ganz 
besonderer  Sorgfalt  anzuordnen.  Damit  das  Leckwasser  am  Boden  ungehindert 
zu  den  Pumpen  laufen  kann,  muß  am  Ende  jeder  Wränge  ein  Wasserlauf- 
loch vorgesehen  werden.  Bei  den  bisher  mitgeteilten  Verbindungen  läßt  sich 
das,  besonders  bei  scharfer  Kimm,  leicht  machen,  weil  der  Kimmwinkel  dazu 
die  beste  Gelegenheit  gibt.  Bei  stählernem  Boden  und  runder  Kimm  müssen 
aber  in  den  Boden  wrangen  dazu  besondere  Löcher  hergestellt  werden,  was 
bei   zusammengesetzten  Wrangen  durch  Kröpfen  des  Spantwinkels  und  bei 


Stahlboden  mit  vollständigem  Kielschwein, 
Abb.  249  und  250.     1:2$. 


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Querschnitt. 


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3 


000 


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^jßO/tU 


Längsschnitt. 


djpAnt 


C-  oder  "L  förmigen  Wrangen  durch  Aushauen  oder  besser  durch  Einpressen 
einer  halbkreisförmigen  Öffnung  geschieht  (Abb.  249).  In  neuerer  Zeit  werden 
von  einigen  Schiff  bauanstalten  mit  gutem  Erfolge  hydraulische  Pressen  benutzt, 
um  allgemein  den  Spanten  in  kaltem  Zustande  die  gewünschte  Form  zu  geben. 
Bei  Spantentfernungen  von  500  mm  und  darunter  ist  es  nach  den  deutschen 
Vorschriften  zulässig,  nur  an  jedem  zweiten  Spant  eine  vollständige  Boden- 
wrange  anzuordnen.  (Bei  dem  beschriebenen  Donauschiff  (45)  ist  bei  600  mm 
Spantentfernung  meistens  nur  jedes  dritte  Spant  mit  einer  vollständigen  Boden- 
wrange  versehen  und  das  scheint  sich  bewährt  zu  haben.)  In  diesem  Falle 
wird  an  den  dazwischen  liegenden  Spanten  in  der  Höhe  der  Wegerung  zur 
Unterstützung  ein  »Flurwinkel«  von  der  Stärke  der  Gegenspanten  angebracht. 


382  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Er  wird  in  Abständen  von  0,8  m  bis  i  m  durch  kurze,  senkrechte  Winkel  von 
gleichem  Querschnitt  unterstützt,  die  unten  mit  dem  durchlaufenden  Spant- 
winkel vernietet  werden  (Abb.  250). 

Für  alle  Schiffe  mit  stählernem  Boden  sind  zur  Längsversteifung  voll- 
ständige oder  unvollständige  Kielschweine  erforderlich').  Ein  vollstän- 
diges Kielschwein  besteht  aus  einer  senkrechten  Stahlplatte,  die  unten  durch 
einen  Winkel  von  der  Stärke  der  Gegenspanten  und  oben  durch  zwei  Kiel* 
Schweinwinkel  von  der  Stärke  der  Spantenwinkel  gegürtet  ist.  Diese  Platte 
wird  stückweise  zwischen  und  rechtwinklig  zu  den  Bodenwrangen  (interkostal) 
eingesetzt  und  durch  den  unteren  Winkel  mit  dem  Bodenblech  vernietet  Da 
das  Stehblech  höher  ist  als  die  Bodenwrange,  laufen  die  beiden  oberen  Kiel- 
schweinwinkel über  die  Bodenwrangen  hinweg  und  werden  an  den  Kreuzung- 
stellen mit  den  Gegenspanten  vernietet  Außerdem  wird  das  Stehblech  an 
jeder  Wränge  und  an  jedem  Ende  durch  kurze  senkrechte  Winkelstücke 
und  Niete  befestigt  (Abb.  249  u.  250).  ZuweQen  werden  die  Kielschweine 
auch  so  angeordnet,  daß  ihr  Stehblech  auf  der  ganzen  Länge  zwischen  je 
zwei  Schottwänden  in  einem  Stück  durchgeführt  wird,  während  die  Boden- 


Abb.  251.     Unvollständiges  Kielschwein. 

wrangen  geteilt  und  durch  senkrechte  Winkel  an  das  Stehblech  angeschlossen 
werden.  Wenn  die  Bodenwrangen  nur  bei  jedem  zweiten  Spant  angebracht 
sind,  muß  das  Stehblech  des  Kielschweins  zur  Durchfühnmg  der  Flurwinkel, 
mit  denen  die  Kielschweinwinkel  vernietet  werden,  entsprechende  Öffnungen 
erhalten  (Abb.  250).  Unvollständig  nennt  man  ein  Kielschwein,  wenn  Steh- 
blech und  unterer  Gurtwinkel  fortfallt,  und  nur  die  oberen  beiden  Kielschwein- 
winkel, zusammengerückt  und  miteinander  vernietet,  über  alle  Bodenwrangen 
hinweggefuhrt  werden.  Diese  Winkel  werden  ofl  durch  ein  ±-Eisen  von 
gleichem  Querschnitt  ersetzt  Die  Versteifung  durch  unvollständige  Kiel- 
schweine ist  lange  nicht  so  kräftig  als  durch  vollständige  und  darf  daher  in 
der  Regel  nur  angeordnet  werden,  wenn  bei  jedem  Spant  eine  Bodenwrange 
liegt.  Um  die  unvollständigen  Kielschweine  mit  jeder  Bodenwrange  durch 
4  Niete  zu  verbinden,  müssen  an  diesen  kurze  Gegenwinkel  an  der  anderen 
Seite  des  Stehblechs  angebracht  werden  (Abb.  251).  Die  erforderliche  Zahl 
der  vollständigen  und  unvollständigen  Kielschweine  richtet  sich  im  allgemeinen 
nach  der  Schiflfsbreite.     Der  Germanische  Lloyd  schreibt  folgendes  vor: 

i)  In  seltenen  Fällen  werden  auch  hölzerne  Böden  an  der  Elbe  mit  unvollständigen  stählernen 
Kielschweinen  verstärkt. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


383 


I.  Bodenwrangen 

n.  Bodenwrangen 

SchifTsbreite : 

an  jedem  Spant 

an  jedem  zweiten  Spant 

Voll- 

Un- 

Voll-                  Un- 

• 

ständige 

vollständige 

ständige      1  vollständige 

bis  5,5  m 

— 

I 

1 
—                       I 

5,5  m  bis  unter  7,0  m 

2 

I 

— 

7,0  m    >       »       8,5  m 

— 

3 

2 

— 

8,5  m    »       »     10,5  m 

I 

2 

3 

10,5  m    >       »     12,5  m 

2 

2 

4. 

12,5  m  und  darüber 

3 

2 

5 

— 

Im  Falle  I  dürfen  aber  die  vollständigen  Kielschweine  auch  durch  unvoll- 
ständige ersetzt  werden.  Die  V.  V.  G.  lassen  eine  etwas  geringere  Anzahl 
zu.  Sämtliche  Kielschweine  müssen  sich  über  die  ganze  Schiffslänge  er- 
strecken, soweit  dies  die  Form  des  Bodens  zuläßt.  Außer  den  Kielschweinen 
empfiehlt  es  sich,  noch  beiderseits  nahe  der  Kimm  je  einen  Winkel  (ä)  über 
die  Bodenwrangen  zur  Begrenzung  der  Wegerung  zu  legen  (Abb.  249). 

Die  Steven  werden  entsprechend  der  Bug-  und  Heckform  angeordnet 
Bei  scharfen  Formen  werden  beide  Steven  in  der  Regel  aus  Flachschienen 
hergestellt,  die  je  nach  der  Größe  der  Schiffe  70  bis  150  mm  breit  und  15 
bis  40  mm  stark  sind.  Bei  abgerundeten  Formen  werden  sie  zuweilen  aus 
einem  Winkel  oder  auch  aus  einer  gebogenen  Blechplatte  gebildet,  die  durch 
doppelte  Winkel  mit  einer  innen  liegenden,  rechtwinklig  dazu  gestellten 
Trägerplatte  verbunden  wird.  Für  den  Hintersteven  wird  oft  auch  ein  Flför- 
^tg^t  Querschnitt  gewählt.  Der  unter  den  Boden  reichende  Teil  des  aus 
einer  Flachschiene  hergestellten  Stevens  soll  wenigtens  i  m  lang  sein  und 
muß,  um  einen  rechten  Winkel  gedreht,  flach  auslaufend  geschmiedet  werden. 
Zur  besseren  Versteifung  des  Bugs  (auch  gegen  Eis)  werden  Spanten  und 
Wrangen  zwischen  dem  Vorsteven  und  dem  Sicherheitschott  meistens  in 
halben  Spantentfemungen  angeordnet.  Den  Wrangen  gibt  man  dabei  auch 
eine  größere  Höhe  bis  zu  600  mm.  Die  Vernietung  der  Blechhaut  mit  den 
Steven  muß  in  der  Regel  mindestens  eine  doppelte  Zickzacknietung  sein, 
wobei  meistens  Niete  von  3  mm  größerer  Stärke  verwendet  werden,  als  sonst 
vorgeschrieben  ist. 

Die  Außenhaut  und  deren  gute  Vernietung  ist  für  die  Festigkeit  und 
Dichtigkeit  von  großer  Bedeutung.  Ihre  Stärke  hängt  wesentlich  von  der 
Schiffslänge  ab.  Die  Bodenplatten  von  Schiffen,  die  oft  den  Grund  berühren, 
sollten  um  i  bis  2  mm  verstärkt  werden.  Die  Bordwände  bestehen  aus  dem 
Kimmgang,  den  Seitengängen  und  dem  (obersten)  Schergang.  Schiffe  von 
geringer  Höhe  (etwa  2  m)  bekommen  oft  nur  2  Gänge.  Die  Blechstärke  ist 
bei  größeren  Schiffen  im  allgemeinen  zu  6  bis  8  mm  für  den  Boden-  und 
Kimmgang,  zu  5  bis  7  mm  für  die  Seitengänge  und  zu  6  bis  9  mm  für  den 
Schergang  zu  wählen.    Aber  diese  Stärken  sind  nur  für  das  MittelschiflT  nötig, 


384 


Abschnitt  TL.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


WO  die  größten  Biegemomente  auftreten.  Der  Germanische  Lloyd  verlangt 
daher  diese  Stärken  nur  auf  0,6  der  Länge,  während  sie  an  den  SchifTsenden 
beim  Boden-  und  Kimmgang  sowie  bei  den  Seitengängen  um  ein  halbes, 
beim  Schergang  um  ein  ganzes  mm  schwächer  sein  dürfen.  Die  V.  V.  G. 
lassen  diese  Verminderung  nur  auf  0,2  der  Länge  am  Hinterschiff  zu.  Im 
allgemeinen  kann  die  Stärke  der  Außenhaut  um  so  geringer  sein,  je  stärker 
die  Längsversteifung  des  Schiffes  ist.  In  der  Regel  werden  die  einzelnen 
Gänge,  wo  sie  in  ihrer  Längsrichtung  zusammentreffen,  »überlappt«  (man  sagt 
hier  nicht  »klinker«)  und  in  einfacher  Reihe  genietet.  Wenn  die  Dicke  aus- 
nahmsweise aber  10  mm  überschreitet,  wird  doppelte  Nietung  nötig.  Die 
Stöße  in  der  Querrichtung  werden  am  besten  durch  »Laschen«  bewirkt. 
Alle  Nälite  und  Stöße  müssen  dicht  zusammengepaßt  und  verstemmt  werden. 

Für  die  verschiedenen  Blechstärken  sind  die  nachstehend  aufgeführten  Nie t durch messer 
in  mm  zu  wählen: 

Blech  =  3  — 3,5—  4  -  4,5—  5  —  6  —  7  —  8  —  9  —10— II  — 12mm 
Niet    =8 — 10  —  10 —  12  —  12 — 14—  16 — 16 — 16 — 18 — 18  —  20  mm 
Für  die  nötige  Breite  der  Überlappungen  und  der  Stoßbleche  mag  folgende  kleine  Tabelle 
einen  Anhalt  bieten: 


bei  einem  Nietdurchmesser  von  mm 


8 


10 


12 


14       16       18 


20 


Breite  der  Überlappung  bei  einfacher  Nietung     .    . 
»         »  »  »    Zickzack-Nietung  .    ,    . 

»         »  »  »    Ketten-Nietung .... 

>  des  Stoßblechs  bei  doppelter  Zickzack-Nietung 

>  »  *  »  »  Ketten-Nietung 


Dicke 
Breite 

» 

Dicke 


» 
> 


»  Nietung   .    .    . 

dreifacher  Zickzack-Nietung 
Ketten-Nietung 
Nietung   .    .    . 


» 

9 


28 
48 

56 
96 

112 

3,5 
136 

168 
4,0 


35 
60 

70 

120 

140 

4,5 
170 

210 
5,0 


42 
72 

84 
144 

168 

6,0 

204 

252 

7,0 


50 
84 

98 
168 

196 

7,0 

238 
294 
8,0 


56 
96 

112 
192 
224 
9,0 
272 

336 
10,0 


62 

70 

108 

120 

126 

140 

216 

240 

252 

280 

11,0 

13,0 

306 

340 

378 

420 

12,0 

14,0 

Die  Länge  der  Platten  soll,  mit  Ausnahme  der  Enden,  mindestens  sechs 
Spantentfernungen  betragen.  Die  Stöße  nebeneinander  liegender  Gänge  der 
Außenhaut,  sowie  die  der  Schergänge  und  Deckstringer  dürfen  nicht  näher  zu- 
sammenliegen als  zwei  Spantentfemungen.  Die  Stöße  zweier  durch  einen 
zwischenliegenden  Gang  getrennter  Plattengänge  dürfen  einander  nicht  näher 
liegen  als  eine  Spantentfernung.  Zwischen  zwei  in  demselben  Querschnitte 
liegenden  Stößen  müssen  stets  zwei  Plattengänge  durchlaufen.  Wo  einzelne 
Platten  an  den  Spanten  und  Bodenwrangen  nicht  dicht  anliegen,  müssen  »Füll- 
streifen« dazwischen  gelegt  werden.  Die  dadurch  hervorgerufene  Verschwen- 
dung von  Baustoff  und  Vermehrung  des  Eigengewichts  wird  neuerdings  da- 
durch beseitigt,  daß  die  Überlappungstreifen  der  Platten  durch  besondere 
Maschinen  geflanscht  werden  (»joggein«  genannt,  engl.),  wie  in  Abbildung  247 
dargestellt.  Zuweilen  werden  auch  die  Spanten  gekröpft,  um  die  Füllstreifen 
zu  vermeiden  (vgl.  Abb.  261).     Für  die  Stöße  der  Außenhaut  genügt  in  der 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


385 


Regel  doppelte  Nietung.  Bei  Schiffen^  die  im  Verhältnis  zu  ihrer  Höhe  aber 
eine  bedeutende  Länge  (etwa  30 fache)  haben,  müssen  die  StöOe  des  Scher- 
gangs und  Kimmgangs  im  Mittelschiff  dreifach  genietet  werden. 

Die  Niet t eilung,  also  die  Entfernung  der  Niete,  soll  bei  einfach  genieteten  Nähten  3.5  d 
betragen,  wenn  d  der  Nietdurchmesser  bt,  der  Abstand  der  Nietmitten  vom  Rande  der  Platten 
oder  Winkel  möglichst  1,75  d  (Abb.  252}.  Die  Zeichnungen  entsprechen  den  V.  V,  G,  und  der 
oben  mitgeilten  Tabelle,  während  der  G.  L.  etwas  kürzere  Nietteilung  mit  etwas  schmäleren 
Stoßplatten  empfiehlt. 

Bei  Verbindungen  von  Blechen  mit  Formstahlen  schreibt  der  G.  L.  vor,  daß  die  Nietteilung 
höchstens  betragen  soU: 

Außenhaut  mit   Spanten,   Bodenwrangen   mit  Spanten  und  Gegenspanten,  Schott- 
platten mit  ihren  Versteifungen  und  Deckbeplattung  mit  Deckstringem  und  Deckbalken 

(wenn  an  jedem  Spant] 8  d 

Deckstringer  und  Lukenstringer  mit  Deckbalken  (wenn  an  jedem  zweiten  Spant)  .    5,5  d 
Außenhaut  mit  den  Steven,  Kielschweinbleche  mit  ihren  Winkeln  und  bei  den  ein- 
gesetzten Stringerwinkeln 5  d 

Außenhaut  mit  Stringerwinkel ...  .    4,5  d 

Schottbleche  mit  Schottspanten  und  Außenhaut 4  d 

Bei  Kastenschiffen,  namentlich  fiir  Petroleum  muß  die  Nietung  im  Bereich  der  Ölräume 
und  Wasserschutzräume  noch  sorgfältiger  und  dichter  sein.  Die  Nietteilung  soll  bei  einfacher 
Nietung  nicht  über  3  d,  bei  doppelter  nicht  über  3,5  d  gehen.  Alle  Nähte  und  Stöße  der  Außen- 
haut sind  doppelt  zu  nieten,  falls  nicht  schon  an  sich  eine  dreifache  Nietung  erforderlich  ist. 
Der  G.  L.  gibt  noch  eine  Reihe  weiterer  Vorschriften  darüber. 

Alle  Nietköpfe  in  der  Außenhaut  müssen  versenkt  werden,  wobei  die  Höhe  des  im  Blech 
versenkten  Kopfes  gleich  0,5  d  sein  soll  (Abb.  253). 

Der  Stringer  (Deckstrin- 
ger)  bildet  mit  dem  Stringer- 
winkel den  oberen  Abschluß 
der  Bordwand  und  gewisser- 
maßen die  obere  Gurtung  der  als 
Blechträger  wirkenden  Außen- 
haut.   Bei  Schiffen  ohne  festes 

4 — f^a. 


Abb.  252.     Nietteilung  bei  Stößen. 


Abb.  253.    Versenkter  Niet  in  der 
Außenhaut. 


Deck  sind  diese  beiden  Teile  die  einzige  obere  Längsversteifung,  also  von  beson- 
derer Wichtigkeit.  Die  Stringerplatten  bilden  bei  allen  guten  Schiffen  gleich- 
zeitig den  vom  Vordeck  zum  Hinterdeck  reichenden  Bordgang.  Da  bei  den 
älteren  Holzschiffen  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  in  der  Regel  kein  durch- 
laufender Bordgang  vorhanden  war  und  die  obere  Längsversteifung  nur  durch 
die  starken  Bordwände  bewirkt  wurde,  hat  man  beim  Übergang  zum  Eisenbau 
zunächst  nur  den  Stringerwinkel  allein  eingeführt,  der  in  Verbindung  mit  einer 
kräftigen  hölzernen  Scheuerleiste  und  zuweilen  mit  einem  zweiten  unter  dieser 

Teubert,  BinneDschiflTahrt.  25 


386 


Abschnitt  IL     Lastschifife  ohne  eigene  Triebkraft. 


angeordneten  Winkeleisen  die  Längsversteifung  übernehmen  soll.  Die  V.  V.  G. 
verlangen  darum  bei  Schiffen  der  Grupppen  i  und  2,  also  einschließlich  der 
Schiffe  nach  Finowmaß,  keinen  Stringcr.  Besser  ist  die  Anordnung  eines 
Stringers  bei  jedem  Schiffe,  wie  es  der  G.  L.  vorschreibt.  Will  man  bei 
kleineren  Schiffen  von  einem  besonderen  Bordgang  absehen,  so  empfiehlt  sich 
ein  Stringer  in  H  -Form,  wie  er  z.  B.  bei  dem  mitgeteilten  stählernen  Oderschiff 
nach  Finowmaß  (8)  angebracht  ist  (Abb.  254).  Da  die  Längsversteifung  im 
Mittelschiff  am  nötigsten  ist,  kann  sowohl  die  Breite  wie  die  Stärke  der  Stringer- 
platten  nach  den  Schiffsenden  abnehmen.  Weil  glatte  Bleche  beim  Begehen 
gerährlich  sind,  verwendet  man  in  der  Regel  zu  den  Bordgangplatten  ebenso 
wie  bei  den  festen  Decks  geriffelte  Bleche.  Diese  werden  aber  bei  Schnee-  und 
Frostwetter  gefahrlich,  weil  die  innerhalb  der  Riffeln  zurückbleibende  dünne 
Wasserschicht  leicht  zu  Eis  gefriert.  Besser  sind  die  in  neuester  Zeit  in  den 
Handel  gebrachten,  sogenannten  > Warzenbleche«,  weil  das  Wasser  zwischen 
den   7  bis  8  mm  im  Durchmesser  großen   und  i  bis  2  mm  hohen   Warzen 


Abb.  254.  Stringer  aus 
H -Eisen  i  :  30. 


Abb.  255.  Warzenblech 
I  :  2. 


Abb.  2$6.     Stringerwinkel   mit 
hökemer  Scheuerleiste. 


schnell  abfließen  kann  (Abb.  255).  Bei  der  Bemessung  der  Blechstärken 
pflegt  weder  die  Höhe  der  Warzen  noch  die  der  Riffeln  mitgerechnet  zu 
werden.  Die  Stöße  der  Stringerplatten  (durch  untergelegte  Laschen)  müssen 
in  der  ganzen  Länge  der  Laderäume  dreifach  genietet  werden.  Die  Stöße 
der  Stringerwinkel  und  der  ähnlich  wirkenden  Scheuerleistenwinkel  sind  gleich- 
falls mit  größter  Sorgfalt,  am  besten  durch  Winkel  von  gleichem  Querschnitt 
und  genügender  Länge  herzustellen,  eine  Vorschrift,  die  nicht  immer  aus- 
reichend beachtet  wird.  In  der  Regel  wird  die  Stringerplatte  binnenschiffs 
noch  durch  einen  zweiten  Winkel,  den  > inneren  Stringerwinkel«  gesäumt,  der 
etwas  schwächer  wie  der  äußere  sein  kann,  sonst  aber  ebenso  zu  behandeln 
ist.  Bei  verdeckten  Laderäumen  dient  er  zugleich  zur  Befestigung  des  Tenne- 
baums oder  des  Luksülls. 

Die  Verbindung  der  Stringerplatten  mit  Stringerwinkel,  Außenhaut  und 
Spanten  wird  verschieden  ausgeführt.  Zu  beachten  ist,  daß  Kröpfungen  imd 
Füllstreifen   möglichst  vermieden  werden.     Wenn  das  Schiff  starke  hölzerne 


2.  Bau  und  Aosrfistung  der  Lastschiffe. 


387 


Abb.  257. 


Abb.  258. 


Abb.  259. 


Scheuerleisten  bekommt,  legt  man  den  äußeren  Stringerwinkel  außenbords 
(Abb.  256)  und  darüber  die  Stringerplatte,  die  durch  einen  kurzen  Deckbaiken 
von  der  Stärke  der  Spanten  und  durch  ein  zwischengelegtes  Eckblech  von 
der  Stärke  der  Bodenwrangen  mit  dem  Spant  verbunden  wird.  Wenn  der 
Schiffskörper  außen  glatt  oder  nur  mit  Halbrundstahlen  versehen  wird,  muß 
der  Stringerwinkel  innen  angebracht  werden:  entweder  unter  oder  über  die 
Stringerplatte.  Im  ersteren  Falle  kann  man  den  senkrechten  Winkelschenkel 
außenbords  über  die  Blechhaut  legen  (Abb.  257)  oder  besser  ganz  hinein, 
wobei  man  die  Spanten  an  der  Unterkante  des  senkrechten  Winkelschenkels 
aufhören  läßt,  um  keine  Verkröpfungen  zu  bekommen  (Abb.  258).  Am  Rhein 
ist  es  üblich,  den  Stringerwinkel  über  die  Stringerplatte  zu  legen.  Dies  hat 
den  Vorteil,  daß  der  Bordgang  nach  außen  fest  begrenzt  wird  und  ein  Ab- 
gleiten und  Herunterfallen  der  auf  ihm  verkehrenden  Mannschaft  verhütet 
wird,  besonders  wenn  an  dem 
Stringerwinkel  noch  Pfosten 
für  ein  leichtes  Handgeländer 
aus  DrahtseUen  befestigt  wer- 
den (Abb.  259).  Es  muß  in 
diesem  Falle  aber  für  die 
Entwässerung  des  Bordgangs 
durch  »Speigaten«  gesorgt 
werden. 

Die  Scheuerleisten  (Berghölzer,  Reibhölzer)  werden  an  den  östlichen 
Wasserstraßen  meistens  aus  Eichenholz,  Pichpine  oder  Kiefernholz  in  Quer- 
schnitten von  25  bis  32  cm  Höhe  und  8  bis  10  cm  Breite  hergestellt  und, 
wie  aus  Abb.  256  ersichtlich,  in  der  Regel  mit  dem  außenbords  angeordneten 
Stringerwinkel  und  einem  zweiten  unterhalb  angebrachten  Winkel  von  ge- 
ringerer Stärke  durch  dünne  Schraubbolzen  oder  Nietbolzen  verbunden.  Das 
Verbot  des  G.  L.,  Befestigungsbolzen  für  Scheuerleisten  unter  dem  Deck  durch 
die  Außenhaut  zu  ziehen,  ist  sehr  zu  billigen.  An  der  Elbe  verwendete  man 
früher  sehr  starke  Hölzer  und  legte  öfters  vor  die  8  cm  starke  Eichenbohle 
noch  ein  kiefernes  Holz  von  10  bis  12  cm  im  Quadrat. 

In  dem  Bestreben,  die  Abmessungen  der  Schiffe  zu  vergrößern,  ist  man 
auf  den  Wasserstraßen  mit  Schleusen  durch  die  polizeilichen  Vorschriften 
über  die  größte  zulässige  Gesamtbreite  beschränkt  und  man  hat  deshalb  die 
Dicke  der  Scheuerleisten  in  neuerer  Zeit  mehr  und  mehr  verringert,  um  eine 
größere  Nutzbreite  zu  gewinnen.  Man  hat  sie  schließlich  ganz  fortgelassen 
und  an  ihrer  Stelle  ein  oder  zwei  Halbrundschienen  (meist  60-25  ^^  stark) 
angebracht.  Das  ist  offenbar  keine  Verbesserung;  denn  einerseits  geben 
diese  Schienen  nicht  den  früheren  elastischen  Schutz,  andererseits  wird  durch 
die  vielen  dabei  erforderlichen  Nietlöcher  der  Schergang  geschwächt,  ohne 
wesentlich  an  Festigkeit  zu  gewinnen.  Außerdem  ist  auf  vielen  Wasserstraßen 
mit  Schleusen  zum  Schutz  dieser  Bauwerke  die  Anbringung  hölzerner  Scheuer- 

2<* 


388. 


Abschnitt  11.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


leisten  für  alle  Schiffe  polizeilich  vorgeschrieben.  Diese  Schwierigkeit  sucht 
man  zuweilen  dadurch  zu  beseitigen  oder  zu  umgehen,  daß  man  zwischen 
beiden  Rundschienen  noch  eine  etwa  15  cm  hohe  und  4  cm  starke  hölzerne 
Scheuerleiste  befestigt,  die  sich  aber  bald  abnutzt,  so  daO  später  doch  die 
eisernen  Schutzschienen  hervortreten.  Am  Rhein  und  an  anderen  Wasser- 
straßen, wo  solche  Vorschriften  nicht  bestehen,  werden  in  der  Regel  keine 
hölzernen  Scheuerleisten  angewendet,  dafür  aber  sogenannte  Bergplatten 
oder  »Bergschienen«.  Das  sind  Stahlplatten  von  2co  bis  400  mm  Höhe  und 
10  bis  20  mm  Stärke,  die  mit  dem  Stringerwinkel  und  dem  Schergang  ver- 
nietet werden  und  eine  gute  Verstärkung  des  Stringers  bilden  (vgl.  Abb.  259). 
Zuweilen  wird  auf  dieser  Bergplatte  noch  ein  Rundstahl  befestigt. 

Schottwände  (Schotte)  sollen  zur  Querversteifung  des  Schiffes  in  der 
Regel  in  Abständen  von  höchstens  10  m  angeordnet  werden.  Außerdem  ist  im 
Vorschiff,  etwa  in  0,05  -L  Entfernung  vom  Vorsteven,  stets  ein  Sicherheits- 
schott (Kollisionschott)  anzuordnen.  Das  vom  G.  L.  für  alle 
Schiffe,  die  gewöhnlich  geschleppt  werden,  verlangte  Sicher- 
heitschott im  Hinterschiffe  wird  nur  selten  angetroffen.  Alle 
Schottwände  sollen  in  der  Regel  wasserdicht  genietet  werden. 

Die  Blechdicke  ist  je  nach  der  Schiffsbreite  3  bis  5  mm.  Zur  senk- 
rechten Versteifung  dienen  Winkel  in  Stärke  der  Spanten  und  in  Spantent- 
femung  (nach  den  Vorschriften  der  V.  V.  G.  in  Abständen  von  600  bis 
750  mm  und  in  geringeren  Stärken).  Eine  wagerechte  Versteifung  wird  vom 
G.  L.  nur  bei  Höhen  über  3,3  m  durch  einen  Winkel  (auf  der  anderen  Seite) 
vorgeschrieben,  der  etwa  in  ^/^  der  Höhe  über  dem  Boden  angebracht  wird, 
während  die  V.V.  G.  in  allen  Fällen  diesen  Winkel  in  halber  Höhe  und  in 
der  Stärke  der  Spanten  für  nötig  halten.  Zur  Verbindung  der  Schotte  mit 
der  Außenhaut  genügt  ein  Spantwinkel,  der  aber  mindestens  um  i  mm 
dicker  sein  soll.  Der  obere  Abschluß  der  Schottwände  in  den  Laderäumen 
—  wenn  die  Wände  nur  bis  zur  Stringerhöhe  reichen  —  wird  durch  einen 
E  förmigen  Balken  vom  Querschnitt  der  Bodenwrangen  gebildet,  dessen  hohe 
Seite  meistens  wagerecht,  seltener  senkrecht  gelegt  wird  (Abb.  260).  Er 
wird  in  Abständen  von  etwa  2,5  m  durch  Winkelstücke  und  Eckbleche  gegen 
die  Wand  abgestützt,  um  das  Kanten  zu  verhindern.  Diese  Balken,  auch 
Duchtbalken  oder  Duchten  genannt,  müssen  auch  angeordnet  werden,  wenn 
die  Schottwände  über  Stringerhöhe   hinaus  bis   unter  das  Verdeck  reichen. 


Abb.  260.  Schnitt 
durch  eine  Schott- 
wand. 


Wenn  mit  Rücksicht  auf  die  Ladung  die  Schottwände  in  größeren  Ab- 
ständen als  10  m  (bis  höchstens  12,5  m,  V.V.  G.)  eingebaut  werden  sollen, 
muß  der  Schiffskörper  dazwischen  entweder  durch  feste  oder  bewegliche 
Duchten  (»Raumbalken«)  oder  durch  mehrere  Rahmenspanten  versteift 
werden.  Duchten  aus  C-Stahl  von  der  Stärke  der  Bodenwrangen  werden 
meistens  senkrecht  gestellt  und  oben  auf  ganzer  Länge  noch  durch  einen 
Winkel  verstärkt.  Sic  müssen  mit  dem  Stringer  und  den  Spanten  durch  Eck- 
bleche verbunden  werden.  Diese  Verbindung  kann  bei  losnehmbaren  Duch- 
ten gewöhnlich  nur  durch  Schraubbolzen  gemacht  werden  und  die  damit  zu- 
sammenhängenden Arbeiten  sind  schwierig  und  umständlich,  zumal  bei  breiten 
Schiffen  die  Duchten  noch  in  der  Mitte  gegen  den  Boden  abgestützt  werden 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  .   389 

müssen  und  auch  diese  Verbindungen  jedes  Mal  zu  lösen  sind.  Neuerdings 
wird  deshalb  die  Versteifung  größerer  Laderäume  durch  Rahmenspanten  be- 
vorzugt, die  man  in  Abständen  von  2,5  bis  3,5  m  anordnet.  Sie  bestehen 
aus  Blechen  von  der  Stärke  der  Bodenwrangen,  werden  oben  mit  dem  Stringer, 
seitlich  mit  dem  Spant  und  unten  mit  der  Bodenwrange  verbunden  und  nach 
dem  Räume  zu  durch  einen  oder  zwei  Winkel  von  der  Stärke  der  Gegen- 
Spanten  gesäumt.  Die  Breite  des  Blechs  betragt  je  nach  Höhe  und  Abstand 
200  bis  400  mm.  Würde  man  die  Breite  noch  größer  machen,  so  würde  man 
zu  den  senkrechten  Halbschotten  kommen,  wie  sie  z.  B.  bei  dem  Elbschifif 
mit  Stahlboden  und  festem  Deck  (15)  ausgeführt  worden  sind.  Die  Anwen- 
dung der  Rahmenspanten  ist  auch  bei  Abständen  der  Schottwände  von  weni- 
ger als  10  m  zu  empfehlen,  besonders  wenn  der  Abstand  größer  ist  als  die 
Schiffsbreite.  Oft  werden  die  Duchten  mit  Rahmenspanten  verbunden,  vgl. 
Abb.  63  (Oderschiff)  und  Abb.  154  (Dortmund-Ems-KanalschiflQ. 

In  der  letzterwähnten  Abbildung  bemerkt  man  binnenschiffs  an  den  Bord- 
wänden in  halber  Höhe  über  dem  Boden  zwei  wagerecht  angeordnete  Winkel 
von  65  •  50  •  6,5  mm  Stärke,  die  über  die  Spanten  hinweglaufen  und  mit  ihnen 
sowie  mit  den  Rahmenspanten  durch  Winkelstücke  verbunden  sind.  Man 
nennt  sie  Raumstringer  oder  Seitenstringer.  Die  Vorschriften  derV.  V.  G. 
verlangen  sie  nicht;  aber  der  G.  L.  schreibt  sie  für  alle  Schiffe  von  mehr  als 
2  m  Seitenhöhe  vor.  Sie  werden  in  der  Binnenschiffahrt  selten  ausgeführt, 
sind  auch  bei  den  großen  Rheinschiffen  nicht  üblich.  Die  Donauschiffe  (44) 
hatten  sie  früher.  Da  diese  Winkel  in  der  wagerechten  Nullebene  des  als 
Balken  gedachten  Schiffes  liegen,  haben  sie  auf  die  Längsversteifung  keinen 
Einfluß  und  können  bei  Schiffen  mit  dem  Zeichen  I—  wohl  fortgelassen 
werden. 

Um  die  für  die  wichtigsten,  die  Festigkeit  bedingenden  Bauteile  von  den  V.V.  G.  und 
vom  G.  L.  vorgeschriebenen  Abmessungen  zu  vergleichen,  sind  sie  für  drei  Schiffe  mit  Stahl- 
boden ermittelt  und  in  einer  Tafel  zusammengestellt  worden.     Es  wurden  dazu  gewählt: 

1.  Ein  Oderschiff  nach  Breslauer  Maß,  Länge  über  alles  55  m,  zwischen  den  Loten  53,3  m, 
Breite  über  den  Scheuerleisten  8  m,  auf  den  Spanten  7,88  m,  geringste  Seitenhöhe  2  m,  Tauch- 
tiefe 1,75  m. 

2.  Ein  Eibschiff  nach  Planer  Maß,  Länge  über  alles  65  m,  zwischen  den  Loten  63,5  m. 
Breite  über  den  Scheuerleisten  8  m,  auf  den  Spanten  7,88  m,  geringste  Höhe  bis  Stringer  2,2  m, 
Tauchtiefe  1,95  m. 

3.  Ein  großes  Eibschiff,  Länge  über  alles  76  m,  zwischen  den  Loten  74,15  m,  Breite  über 
den  Scheuerleisten  10,58  m,  auf  den  Spanten  10,5  m,  geringste  Höhe  bis  Stringer  2,2  m,  Tauch- 
tiefe 2,2  m. 

Nach  den  Vorschriften  des  G.  L.  ist  die 

Quemummer  der  3  Schiffe,   Q     9,6     9,8      12,7 
Längsnummer,  QL     .     .     .     .     512     652       942 

Nach   den  Vorschriften  der  V.  V.  G.  gehören  die 

3  Schiffe  zu  den  Gruppen         45  7 

Bei  allen  3  Schiffen  ist  vorausgesetzt,  daß  die  Bodenwrangen  an  jedem  Spant  angeordnet 
werden.  Nach  den  Vorschriften  des  G.  L.  müssen  Stringerplatte,  Scher-  und  Kimmgang  verstärkt 
werden,  wenn  die  Schiffslänge  mehr  als  das  20fache  der  Höhe  beträgt  und  zwar  um  je  i  mm, 
wenn  QL  unter  600,  und  um  1,5  mm,  wenn  QL  über  600  ist. 


390 


Abschnitt  II.     Lastschi£fe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Bauteile 


Alle  Maße  in  Millimeter 


Schiff  nach 
Breslauer  Maß 


G.L. 


V.  V.  G. 


Schiff  nach 
Flauer  Maß 


Eibschiff 


G.L 


V.V.G. 


*Spantentfer&ung 

^Spanten  ...        

*Bodenwrangen 

*Gegenspanten 

Boden  (mittschiffs  u.  an  den  Enden] 
Kunmgang  » 
Seitengang  > 
Schergang  > 
Deckstringer-Breite  (mitt.  u.  Enden) 
»  -Stärke    »      >       > 

Stringerwinkel  (äußerer) 

*SchottwSnde  (Dicke  unten  u.  oben] 


»    > 


>    > 


»    > 


540 

500 

550 

65.50.6,5 

75  50 -7,5 

65.50.6,5 

210. 5,5 

210. 5,5 

210. 5,5 

50.50.6 

50.50*6 

50. 50. 6 

7,5  7 

6 

7,5-7 

8,5-7 

7 

9-7 

6,5-6 

6-5,5 

6,5-6 

8,5-6,5 

7—6,5 

9,5  7- 

485—320 

250^200 

575—390 

8—6 

7-6 

9-6 

70.70.8 

60.60.7 

70.70.8,5 

3,5—3,0 

3,5 

4,0—3,5 

500 

75.50.8 

210. 5,5 
50  •  50 .  6 

6,5 
7 

6,5-6 

7-6,5 
300 — 240 

8-7 
60  •  60 . 8 

3,5 


G.L. 

V.V.G. 

580 

500 

75.65.7 

80. 60. 8,5 

260.6,5 

250. 7 

55-55-7 

60.60.7 

8-7,5 

7.5 

9,5-7,5 

8 

7—6,5 

7—6,5 

10,5-8 

8-7 

725—490 

350—280 

10,5—7,5 

10—9 

80. 80 '9,5 

80.80*10 

4,5—4,0 

4 

Bei  Betrachtung  dieser  Tafel  muß  daran  erinnert  werden,  daß  die  Gruppen  der  V.  V.  G. 
nach  dem  Produkt  aus  Länge  und  Breite  eingeteilt  sind,  während  bei  den  Abmessungen  des 
G.  L.  die  oben  mit  *  bezeichneten  von  der  Schiffs  länge  ganz  unabhängig  sind  und  nur  nach 
Breite  und  eingetauchtem  Umfange  zunehmen.  Die  Außenhaut  soll  im  Boden,  Kimm-  und  Scher- 
gang nach  dem  G.  L.  erheblich  stärker  sein  als  bei  den  V.  V.  G.  Infolge  dieser  größeren  Stärke 
können  die  Spantentfemungen  größer  und  die  Spanten  selbst  wieder  schwächer  gewählt  werden ; 
denn  es  ist  einleuchtend,  daß  die  letzteren  um  so  schwächer  sein  därfen,  je  stärker  die  Außen- 
haut ist.  Die  Erspamb  an  Stahl  bei  den  Spanten  und  Wrangen  wird  beim  G.  L.  durch  die  er- 
heblich größeren  Abmessungen  und  Stärken  des  Stringers  und  zum  Teil  des  Stringerwinkels  aus- 
geglichen. Das  sind  die  zur  Versteifung  der  nicht  mit  festem  Eisendeck  versehenen  Schiffe 
wichtigsten  Teile.  Die  stärkeren  und  schwereren  Abmessungen  des  G.  L.  werden  gemildert  und 
einer  Eisenverschwendung  dadurch  vorgebeugt,  daß  alle  Bleche  nur  auf  0,6  *L  mittschiffs  in 
diesen  Stärken  ausgeführt  werden,  nach  beiden  Schiffsenden  zu  aber  wesentlich  abnehmen.  Auf 
diese  Weise  wird  angenähert  eine  gleiche  Festigkeit  des  Schiffskörpers  erreicht  Man  beachte 
z.  B.,  daß  bei  dem  großen  Eibschiff  der  Deckstringer  von  725  mm  Breite  und  10,5  mm  Stärke 
nach  den  Enden  zu  bis  auf  490  mm  und  7,5  mm  abnimmt  Nach  den  Vorschriften  der  V.  V.  G. 
ist  die  Verminderung  der  Stärken  nach  den  Enden  zu  geringer,  bei  den  Boden-  und  Kimm- 
blechen gar  nicht  und  beim  Seiten-  und  Schergang  nur  beim  Hinterschiff  zulässig.  Das  Gesamt- 
gewicht der  Schiffe  dürfte  nach  den  Vorschriften  des  G.  L.  im  allgemeinen  größer  ausfallen. 

Für  das  Gebiet  der  Weser  und  Ems  bestehen  keine  besonderen  Vor- 
schriften: Die  Mehrzahl  der  neueren  stählernen  Schiffe  wird  aber  im  allgemeinen 
nach  den  Regeln  des  G.L.  gebaut.  Im  Rheingebiet  hat  sich  dagegen  eine 
eigene  Bauweise,  zuerst  in  Holland  und  dann  in  Deutschland,  ausgebildet. 

Zum  Vergleich  der  dort  üblichen  Abmessungen  der  Hauptbauteile  mit  den  Vorschriften  des 
G.  L.  ist  die  folgende  Tafel  aufgestellt.  Es  wurden  drei  in  neuester  Zeit  gebaute  Rheinschiffe 
von  annähernd  gleicher  Tragfähigkeit  (1700  bis  1800  t)  ausgewählt,  wie  sie  jetzt  mit  Vorliebe 
beschafft  zu  werden  pflegen.  Das  erste  ist  auf  einer  holländischen,  die  beiden  anderen  auf 
deutschen  Werften  hergestellt.     Sie  haben  nachstehende  Hauptmaße: 

Länge  zwischen  den  Loten  .     .     . 

Größte  Breite  auf  den  Spanten .     . 

Kleinste  Seitenhöhe  bis  Stringer 

Quemummer  nach  G.  L.     .      Q  = 

Längsnummer  nach  G.  L.  .   QL  «= 

Im  Mittel 1136 


I 

II 

in 

82,5 

85,0 

83,0  m 

11,0 

11,0 

11,0  > 

a,5 

2,6 

2,7  . 

13,5 

13.6 

13,7  » 

II 14 

1156 

"37 

2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


391 


Alle  Schiffe  haben  gleiche  Formen,  runde  Kimm  und  Bodenwrangen  an  jedem  Spant.    Alle 
Maße  in  Millimeter. 


Bauteile 


In  Holland 

In  Deutschland  gebaute 

Nach  den 

gebautes 
Schiff 

I 

Schiffe 
II                    m 

Vorschriften 
des  G.L. 

1 

500          1 

450 

1 
500 

590 

80 . 50 . 8 

75-55-7 

85.55.8 

85.65.7,5 

320-7 

350. 6 

350  •  6,5 

270 . 6,5 

2  •  50  •  50  •  6 

2. 50. 50. 5,5 

2. 50. 50.6,5 

60  .  60  •  7 

7,5 

7,5 

8 

8,5-8 

9—7,5 

10 — 7 

10-8       j 

10—8 

7,5 

7 

8 

7,5—7 

14—8       1 

12—7 

13-8    ; 

II— 8 

800 

800 

850 

850—570 

10—8 

10—7 

12-10,5 

10,5—7,5 

ioo«75  •  12 

90.75  .  12 

90. 75. 12,5 

90  «90. 10 

75 .  50  . 7 

60  •  60  •  8 

65 •65*  10 

600 

620 

650 

10—8 

8-7 

8 

7-6 

300. 9 

250-  10 

250 -8 

2 .  75 .  50 .  7 

75  •  55  •  7 

85.55.8 

6 
100 •50-  8 

3 
100 .  50  •  8,5 

3 
100 .  50-  7 

4,  davon 
2  vollständige 

50  • 50  •  6 

50-50-5 

50.  50 -6,5 

■ 

1     7-5     : 

6 

6 

4,5—4 

Spantentfemung 

Spanten 

Bodenwrangen 

Gegenspanten .    . 

Boden  (mittschiffs  und  an  den  Enden) 
Kimmgang     »  »      »      »         > 

Seitengang     »  »       »       .         » 

Schergang     »  »      »      »         » 

Deckstringer-Breite 

»  -Stärke 

Stringerwinkel,  äußerer 

»  innerer 

Tennebaum-Höhe 

>  -Stärke  (mitt.  u.  an  den  Enden) 

>  obere  Verstärkungsplatte. 

>  oberer  Winkel 

Unvollständige  Kielschweine,  Zahl .    . 

»  >     Querschnitt  X 

dazu  2  Winkel  an  der  Wegerung  .    . 
Schotten-Dicke  (unten  und  oben)    .    . 

Beim  Vergleich  beachte  man,  daß  am  Rhein  die  Bodenwrangen  in  der  Regel  oben  mit 
2  Gegenspanten  versehen  werden.  Die  Verwendung  von  vollständigen  Kielschweinen  ist  neuer- 
dings nicht  sehr  häufig;  sie  konrnit  nur  vor,  wenn  die  Bodenwrangen  an  jedem  zweiten  Spant 
angebracht  werden. 

Es  ergibt  sich  ohne  weiteres,  daß  die  nach  den  Vorschriften  des  G.  L.  gebauten  Schiffe 
erheblich  leichter  sein  würden:  Die  von  ihm  verlangten  Abmessungen  sind  fast  durchweg  kleiner. 
Besonders  kräftig  gebaut  ist  das  Schiff  I,  besonders  wenn  man  beachtet,  daß  nach  dem  G.  L. 
für  seine  Längsnummer  11 14  noch  kleinere  Abmessungen  verlangt  werden  würden,  als  nach 
dem  Mittel  von  Z136.  Man  könnte  fast  sagen,  daß  hier  eine  Verschwendung  von  Baustoff  vor- 
liegt. Wenn  zuweilen  gesagt  wird,  daß  die  in  Holland  gebauten  Schiffe  weniger  fest  sind  als 
die  deutschen,  so  kann  sich  das  im  vorliegenden  Falle  nicht  auf  die  Abmessungen  der  Bauteile 
beziehen.  Eine  andere,  nicht  minder  wichtige  Frage  ist  aber,  ob  die  Zusammensetzung,  beson- 
ders die  Nietung  von  entsprechender  Güte  ist.  Darauf  sollte  man  überall  während  des  Baues 
und  bei  der  Abnahme  ein  wachsames  Auge  haben.  Die  später  in  Tätigkeit  tretende  Unter- 
suchungskommission oder  der  Beamte  der  Einschätzungs-(Klassifikations-j Gesellschaft  kann  wenig 
mehr  ändern,  muß  sich  vielmehr  mit  der  vollendeten  Tatsache  abfinden. 

Deck  und  MastkOcher.  Die  meisten  Lastschiffe  haben  feste  Vor- 
und  Hinterdecks  (auch  »Pflicht«  und  »Stand«  genannt),  die  bei  hölzernen 
Schiffen  in  der  Regel  und  bei  eisernen  oder  stählernen  Schiffen  zuweilen  aus 
Holz  hergestellt  werden,  fast  immer  jedoch  auf  eisernen  oder  stählernen 
Deckbalken  ruhen.  Für  diese  genügt  bis  zu  einer  Schiffsbreite  von  6  m 
der  Querschnitt  der  Spantwinkel,  wenn  an  jedem  Spant  ein  Deckbalken  durch 
ein  Eckblech  befestigt  wird.    Bei  größeren  Schiffsbreiten  und  weiteren  Ab- 


392  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Ständen  sind  stärkere  Balken  oder  besondere  Deckstützen  (Säulen)  erforderlich. 
Die  Stärke  der  Deckplanken  aus  Kiefernholz  soll  50  bis  60  mm  betragen. 
Diese  Planken  dürfen  nur  in  ganz  ausgetrocknetem  Zustande  verwendet 
werden,  weil  sie  andernfalls  in  der  Sonne  nachtrocknen,  sich  zusammenziehen 
und  die  Fugen  öffnen.  Am  besten  ist  Teakholz,  weil  es  die  g^te  Eigen- 
schaft hat,  beim  Austrocknen  seinen  Raum  fast  gar  nicht  zu  verändern, 
Feuchtigkeit  sehr  wenig  aufzunehmen  und  die  eisernen  Deckbalken  nicht  an- 
zugreifen. Für  solche  Planken  genügt  eine  Dicke  von  40  bis  45  mm.  Die 
Breite  soll  nicht  mehr  als  die  doppelte  Dicke  betragen.  Man  befestigt  sie 
auf  jedem  Balken  entweder  durch  verzinkte  Holzschrauben,  die  von  unten 
eingesetzt  werden  oder  besser  durch  verzinkte  Schraubbolzen,  die  von  oben 
mit  eingelassenem  Kopf  eingebracht  werden.  Das  20  bis  30  mm  tiefe  Loch 
im  Deck  muß  nachher  durch  genau  passende,  in  Bleiweiß  getauchte  Holz- 
pfropfen (in  gleichlaufender  Faserrichtung)  ausgefüllt  werden.  Bei  Schiffen 
mit  eisernem  Stringer  läßt  man  das  Deck  nicht  bis  zur  Bordwand  reichen,  son- 
dern nur  bis  zu  einem  dicht  auf  den  Stringer  genieteten  » Wasserlaufwink eU 
(oder  Rinnsteinwinkel)  in  einem  Abstand  von  200  bis  300  mm  von  der  Bord- 
wand. Zum  besseren  Ablauf  des  Wassers  bekommt  das  Deck  eine  »Bucht« 
von  etwa  0,02  der  Schiffsbreite.  Das  sich  im  Wasserlauf  sammelnde  Wasser 
muß  durch  Knierohre  oder  Speigaten  nach  Außenbord  geführt  werden.  Wird 
dabei  ein  Stringerwinkel  durchbrochen,  so  muß  er  durch  eine  Lasche  oder 
ein  anderes  Winkelstück  verstärkt  werden. 

An  den  östlichen  Wasserstraßen  werden  Vor-  und  Hinterdeck  sowie  der 
kurze  anschließende  Bordgang  (Lauf  bank)  besonders  bei  hölzernen  Schiffen 
meistens  300  bis  400  mm  tiefer  als  das  Schandeck  (Oberkante  Riesbord)  ge- 
legt, so  daß  der  überstehende  Teil  der  Bordwände  der  Schiffsmannschaft 
als  Schutz  dient.  Wenn  die  Schiffe  aber  einen  Stringer  haben,  werden  die 
Decks  mit  diesem  in  gleicher  Höhe  (zuweilen  etwas  ansteigend)  angeordnet 
und  mit  einem  stählernen  Schanzkleid  von  400  bis  500  mm  Höhe  umgeben. 
Dies  wird  an  den  östlichen  Wasserstraßen  häufig  innen  mit  Holz  ausgefuttert. 
In  der  Regel  bleibt  dies  Holzfutter  aber  fort  und  die  Oberkante  des  Schanz- 
kleids wird  mit  einem  Reling  eisen  (oder  einer  hölzernen  Relingleiste  mit 
schwachem  Winkel)  gesäumt  und  durch  runde  Relingstützen  gegen  den 
Wasserlaufwinkel  (in  Abständen  von  2  bis  3  Spanten)  abgesteift. 

Vorzuziehen  und  neuerdings  fast  allgemein  üblich  sind  stählerne  Decks, 
namentlich  bei  Schiffen  mit  vollständigem  festem  Deck  (z.  B.  das  Eibschiff  15, 
das  Donauschiff  45  und  das  Rhoneschiff  50).  Die  Dicke  eines  stählernen 
Decks  soll  nach  dem  G.  L.  für  die  Längsnummern  100  bis  1000  von  4  mm 
bis  zu  6  mm  zunehmen.  Dabei  kann  aber  die  obenerwähnte  Verstärkung 
der  Stringerplatten  an  Schiffen  von  besonders  großer  Länge  und  geringer 
Höhe  fortfallen.  Die  Deckbalken  werden  am  besten  bei  jedem  Spant  ange- 
ordnet und  müssen  an  den  Luken  besonders  stark  sein,  wogegen  die  Stärke 
der   halben  (von   den  Luken   durchschnittenen)   Balken,   die  von   den  Bord- 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  LastsctLiffe.  393 

wänden  bis  zur  »Schlinge«  reichen,  entsprechend  geringer  sein  kann.  Unter 
den  Deckbalken  sind  bei  Schiffen  bis  zu  9  m  Breite  ein,  darüber  zwei  kräftige 
Unterzüge  anzubringen,  die  aus  C- oder  T förmigen  Trägern  bestehen  und 
durch  Deckstützen  an  jedem  fünften  bis  dritten  Spant  gegen  den  Boden 
abgesteift  werden.  Wenn  die  Schiffe  mit  Decklast  fahren  sollen,  sind  die 
Balken,  Unterzüge  und  Stützen  angemessen  zu  verstärken.  Zu  den  Deck- 
platten wird  meistens  Riffelblech  und  neuerdings  das  oben  beschriebene 
Warzenblech  verwendet.  Da  namentlich  das  erstere  bei  nassem  Wetter  glatt 
wird  und  alle  stählernen  Decks  die  schlechte  Eigenschaft  haben,  daß  sich  auf 
der  Unterseite  Schwitzwasser  ansammelt,  das  der  Ladung  nachteilig  sein  kann, 
so  verwendet  man  bei  guten  Personen-  und  Güterdampfern  meistens  ein 
Stahldeck  mit  Holzbeplankung.  Man  wählt  dazu  glattes  Blech,  auf  dem  eine 
Beplankung  von  Teakholz  befestigt  wird,  die  aber  in  diesem  Falle  um  10 
bis  1 5  mm  schwächer  als  sonst  sein  darf.  Die  Stahlbleche  werden  dabei  am 
besten  überall  durch  untergelegte  Streifen  (Laschen)  gestoßen. 

Durch  die  Luken  wird  die  Festigkeit  des  festen  Decks  und  des  ganzen 
Schiffskörpers  stark  vermindert:  Der  Verlust  muß  durch  entsprechend  starke 
Luksülle  möglichst  ersetzt  werden.  Nach  dem  G.  L.  soll  die  Höhe 
der  Sülle  über  Deck  mindestens  200  mm  betragen,  wobei  die  Stärke  gleich 
der  der  Bordwände  zu  wählen  ist.  Die  Süllwinkel  zur  Verbindung  mit  dem 
Deck  sollen  von  gleicher  Stärke  sein.  Die  Längswände  des  Sülls  läßt  man 
am  besten  unter  Deck  reichen,  wo  sie  umgebogen  gleichzeitig  als  Schlinge 
zur  Befestigung  der  unterbrochenen  halben  Deckbalken  dienen.  Die  Ober- 
kante der  Sülle  wird  mit  Winkeln  oder  besonders  gewalzten  Profilleisten 
gesäumt.  Der  Verschluß  der  Luken  erfolgt  durch  hölzerne  oder  stählerne 
Lukendeckel,  die  in  der  Mitte  auf  einem  (oder  auf  3)  Lukenbalken 
ruhen,  der  längsschiffs  in  Schuhen  an  den  Süllplatten  gelagert  ist.  Bei  sehr 
weiten  Luken  werden  diese  Lukenbalken  (auch  »Längsbalken«  genannt]  noch 
durch  einen  eisernen  »Schiebebalken«  unterstützt,  der  querschiffs  in  Führungen 
an  den  Süllplatten  liegt  und  von  oben  mit  Hebegeschirr  eingesetzt  und  aus- 
gehoben werden  kann.  Diese  Einrichtung  kommt  aber  bei  den  eigentlichen 
Binnenschiffen  nur  selten  zur  Ausführung.  Bei  dem  Eibschiff  (15)  sind  die 
Luken  10,5  •  6,5  m  groß  und  mit  nur  einem  starken  hölzernen  Lukenbalken 
versehen,  der  mittels  stählerner  Rinnsparren  die  hölzernen  Lukendeckel  trägt. 
Die  etwa  7  •  7,5  m  großen  Ladeluken  des  Weserschiffs  (41)  sind  mit  einem 
gegen  Durchbiegung  versteiften  C  förmigen  stählernen  Lukenbalken  ausge- 
rüstet. Dort  bestehen  die  Lukendeckel  aus  gekrümmten  Wellblechtafeln,  die 
ohne  Rinnsparren  einerseits  auf  dem  Lukenbalken,  anderseits  auf  dem  nur 
180  mm  hohen  Süll  ihre  Auflage  finden.  Diese  Lukenbalken  waren  ursprüng- 
lich (wie  überall)  losnehmbar ;  neuerdings  werden  sie  zuweilen  durch  Eckbleche 
mit  den  Giebelwänden  (Schotten)  fest  vernietet  und  bilden  eine  Längsverstei- 
fung des  Schiffes,  deren  weitere  Entwicklung  und  Verbesserung  bereits 
(Seite  363)  besprochen  wurde. 


394 


Abschnitt  II.     LastschifTe  ohne  eigene  Triebkraft. 


In  anderer  Weise  hat  sich  das  Verdeck  der  Rhein  schiffe  entwickelt. 
Das  Vorbild  waren  die  hölzernen  Decks  der  Aak  (i6),  der  Tjalk  (36)  und 
anderer  holländischer  Schiffe,  wie  man  sie  außerdem  auch  bei  der  Penische  (25) 
und  bei  dem  Kurischen  Reisekahn  (1}  findet:  Ein  ringsum  laufender  Bordgang 
und  ein  den  Laderaum  (die  große  Luke)  begrenzender  Tennebaum,  auf  dem  mittels 
der  Rinnsparren  die  Lukendeckel  (Tafeln)  ruhen.  Dies  ist  das  alte  holländische 
Tafeldeck,  das  heute  meistens  Plattendeck  (aus  einzelnen  »Platten«  ge- 
bildet) genannt  wird.  Die  Rinnsparren  wurden  ursprünglich  nicht  durch  einen 
mittleren  Lukenbalken  gestützt,  sondern  reichten  von  Tennebaum  zu  Tenne- 
baum über  den  ganzen  Laderaum.  Das  findet  sich  heute  noch  bei  den 
Penischen  und  bei  den  Reisekähnen:  sie  sind  gekrümmt  und  heißen  dann 
»Rinnbogen«.  Bei  breiteren  Schiffen  (Aak  und  Tjalk)  wurde  eine  Unterstützung 
durch  den  Lukenbalken  nötig  und  es  mußte  auch  die  obere,  dadurch  ent- 
stehende Längsfuge  durch  einen  »Kappdeckel« 
aus  Blech  gedeckt  werden.  Dafür  wurden  die 
Lukendeckel  zu  ebenen  Platten.  Ihre  Herstel- 
lungsweise ist  noch  überall  ziemlich  gleich: 
Man  verfertigt  jede  Tafel  in  einer  Breite  von 
600  bis  900  mm  aus  je  3  bis  5  Stück  gespun- 
deten Brettern  aus  Tannen-  oder  Fichtenholz 
von  etwa  30  mm  Stärke,  die  auf  3  bis  5  Leisten 
(Klampen)  genagelt  werden.  Die  Fugen  wer- 
den oben  durch  ein  eingelassenes,  aufgenagel- 
tes Gurtband  gedichtet  und  meistens  werden 
die  ganzen  Platten  mit  wasserdichter  Leinwand 
überzogen  (persennigt).  Die  Fuge  zwischen  je 
2  zusammenstoßenden  Tafeln  wird  durch  den 
Rinnsparren  geschlossen,  der  meistens  aus  Holz 
von  rechteckigem  Querschnitt  gebildet  wird,  auf  dessen  Oberfläche  eine  Rinne 
ausgehobelt  ist,  die  das  Wasser  über  den  Tennebaum  nach  dem  Bordgang 
abfuhrt.  Oft  fertigt  man  neuerdings  die  Rinnsparren  ganz  aus  U  förmigem 
Stahl  oder  unterstützt  die  sehr  leicht  gewählten  stählernen  U  förmigen  Rinnen 
durch  hölzerne  Sparren.  Bei  der  Einführung  des  Eisens  und  des  Stahls  in 
den  rheinischen  Schiffbau  blieb  das  Tafeldeck  sonst  selbst  ziemlich  unver- 
ändert. Aber  der  Tennebaum  wurde  aus  diesem  Stoff  hergestellt  und  bildete, 
unten  fest  mit  dem  Stringer  verbunden  und  oben  durch  Winkel  und  Platte 
verstärkt,  eine  wesentliche  Längsversteifung  des  ganzen  Schiffskörpers.  In 
Abb.  261  ist  die  Anordnung  bei  einem  größeren  neuen  Schiffe  (11  in  der  vor- 
stehenden Tafel,  Seite  391)  dargestellt.  Das  kleinere  Eckblech  verbindet  jedes 
einzelne  Spant  mit  dem  Stringer,  das  größere  durch  einen  Kniewinkel  ver- 
stärkte Eckbiech  unterstützt  Stringer  und  Tennebaum  an  jedem  dritten  Spant, 
wo  auch  der  kurze  Deckbalken  rechtwinklig  aufwärtsgebogen  den  Tennebaum 
versteift.     Das  Blech  des  Tennebaums  hat  über  der  vorderen  Verstärkungs- 


'» 


Abb.  261.      Querschnitt 
durch   Tennebaum  und 
Bordgang  eines   Rhein- 
schiffs I  :  30. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


395 


^^^t 


platte  Ausschnitte  für  jeden  einzelnen  Rinnsparren  (Merkling),  der  außerdem 
innen  auf  dem  durchlaufenden  obersten  Winkel  ruht. 

Wenn  die  Bordwände  durch  Duchten  (Gebinde)  gegeneinander  versteift 
sind,  wird  auch  der  Tennebaum  durch  ein  Eckblech  mit  Winkeln  gegen  jede 
Ducht  gestützt,  wie  aus  Abb.  262  (von  einem  kleineren  Schiffe)  ersichtlich  ist. 
In  der  Mitte  der  Ducht  ruht  der  Lukenbalken  auf  einem  Bock.  Man  erkennt 
dies  aus  Abb.  263,  wo  auch  die  Auflagerung  der  Rinnsparren  und  Luken- 
deckel und  die  Abdeckung  des  Grats  durch  den  auf  dem  Lukenbalken  be- 
festigten Kappdeckel  dargestellt  ist.  Wie  schon  erwähnt,  werden  bei  den 
Rheinschiffen  neuerdings  die  Duchten  oft  vermieden,  indem  man  die  Schotte 
in  Abständen  von  5  bis  6  m  bis  zu  den  Lukendeckeln  hinauffuhrt.  In  diesem 
Falle  ruhen  die  Lukenbalken  in  Schuhen  aus  Winkeln,  die  an  den  Schotten 
befestigt  sind  (vgl. 
Abb.  107).  Bei  großen 
Schiffsbreiten  werden 
drei  Lukenbalken  in 
ähnlicher  Weise  ange- 
ordnet (Abb.  103). 

Mittels  dieses  stei- 
fen Tennebaums  hatte 
man  die  Möglichkeit, 
die  Luke  über  den 
ganzen  Laderaum  und 
fast  über  die  ganze 
Schiffslänge  auszudeh- 
nen,  wenn  man  nicht 

auf  die  Mäste  hätte  Rücksicht  nehmen  müssen.  Ursprünglich  hatten  die 
Rheinschiffe  feste  Mäste.  Die  Entwicklung  des  Eisenbaues  fiel  aber  un- 
gefähr mit  dem  Bau  der  ersten  festen  Rheinbrücken  zusammen  und  man 
gab  daher  schon  den  ersten  eisernen  Schiffen  bewegliche  (> streichende«) 
Mäste.  Den  Drehpunkt  legte  man  etwa  3  m  über  Deck  und  befestigte  die 
bis  auf  das  Deck  reichenden  Mäste  in  einem  Köcher,  der  aus  zwei  mit 
Winkeln  versteiften  Blechen  bestand,  die  mit  dem  Deck,  der  Schottwand  und 
dem  Boden  fest  verbunden  und  durch  große  Eckbleche  längsschiffs  unten 
gestützt  waren  (vgl.  Abb.  98).  Die  beiden  Hauptbleche  des  Köchers  haben 
eine  Stärke  von  6  bis  10  mm  und  sind  über  und  unter  Deck  durch  ebenso 
starke  Bleche  und  Winkel  fest  zu  einer  hohlen  Säule  von  quadratischem 
Querschnitt  miteinander  verbunden.  Ihr  Abstand  richtet  sich  nach  der  Mast- 
dicke und  beträgt  300  bis  450  mm.  Am  oberen  Ende  ist  der  Drehpunkt 
angebracht:  Ein  45  bis  50  mm  starker  Stahlbolzen,  der  durch  beide  Köcher- 
teile und  durch  den  Mast  geht,  dessen  Durchbohrung  durch  ein  eisernes  Rohr 
gesichert  ist.  Darunter,  nahe  über  Deck  ist  die  Mastwinde  angebracht,  durch 
die  der  Mast  in  bequemer  Weise  gestrichen  und  gehoben  wird  und  die  gleich- 


Abb.  262.     Abstiltznng 
des  Tennebaums  i :  30. 


Abb.  263.    Unterstützung  von  Platten- 
deck und  Lukenbalken  i :  30. 


396  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

zeitig  beim  Laden  und  Löschen  benutzt  werden  kann.  Am  Boden  des  Schifies 
ruht  der  Köcher  auf  2  Mastköcherbalken  (meist  in  C-Form),  die  längsschifis 
über  3  bis  6  Bodenwrangen  reichen  und  mit  diesem  fest  verbunden  sind. 

Die  meisten  großen  Rheinschiffe  haben  zwei,  oft  auch  drei  Mäste,  die 
nicht  nur  zum  Segeln,  sondern  besonders  auch  als  Lademaste  zum  Löschen 
und  Laden  benutzt  werden.  An  diesen  Stellen  muß  mithin  das  Tafeldeck 
unterbrochen  werden,  und  man  ordnete  früher  dort  ein  festes  eisernes  Deck 
von  2  bis  4  m  Breite  an,  das  in  Stringerhöhe  auf  starken  Deckbalken  be- 
festigt wurde.  Damit  war  auch  eine  Unterbrechung  des  Tennebaums  ver- 
bunden, was  eine  gewisse  Schwächung  der  Längsversteifung  des  Schiffs- 
körpers bewirkte.  Um  diese  zu  verhüten,  läßt  man  jetzt  allgemein  den  Tenne- 
baum durchlaufen  und  verbindet  bei  den  Mastdecks  die  Oberkanten  des 
Tennebaums  durch  ein  zweites  eisernes  Deck  in  der  Höhe  der  Lukendeckel. 
Dieser  so  entstandene  Raum  zwischen  beiden  Decks,  der  seitlich  durch  die 
Schilder  (Giebelwände)  der  anstoßenden  Laderäume  begrenzt  und  abge- 
schlossen wird,  heißt  eine  Herft  und  wird  zur  Aufbewahrung  von  Aus- 
rüstungsgegenständen, Vorräten  u.  dgl.  benutzt.  Das  oberere  Deck  wird  mit 
Lukendeckeln  aus  Holz  oder  Eisen  versehen,  um  die  Herft  zugänglich  zu 
machen.  Solche  Herfte  werden  oft  auch  noch  an  den  Enden  der  Laderäume 
angelegt.  In  neuester  Zeit  gibt  man  den  großen  Rheinschiffen  keine  Mäste 
mehr,  hat  aber  die  Zahl  der  Herfte  darum  nicht  vermindert,  sondern  vielmehr 
vermehrt.  Wie  die  Beschreibungen  der  Rheinschiffe  und  die  Abb.  98  bis  107 
zeigen,  pflegt  man  über  jeder  Schottwand  eine  Herft  anzuordnen.  Auf  ihrer 
oberen  festen  Deckfläche  werden  dann  die  kleinen  Köcher  für  die  Flaggen- 
maste,  die  Poller  und  die  Pumpenöffhungen  angebracht.  Dort  werden  auch 
während  des  Löschens  und  Ladens  die  abgehobenen  Lukendeckel  der  an- 
schließenden Laderäume  aufgestapelt. 

Dies  Plattendeck  ist  in  ziemlich  unveränderter  Weise  bei  den  Schiffen  auf 
dem  Dortmund-Ems-Kanal  zur  Anwendung  gekommen  (Abb.  152   bis  154). 

Auch  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  ist  es  seit  etwa  10  Jahren 
beliebt  geworden.  Die  Bauweise  ist  aber  etwas  verändert.  Am  ähnlichsten 
der  rheinischen  Ausfuhrung  ist  das  Deck  des  Eibschiffs  mit  Stahlboden  (14), 
wie  es  die  Abb.  80  bis  83  zeigen:  Der  Bordgang  ist  nicht  so  breit  wie  bei 
den  Rheinschiffen,  der  durchlaufende  Tennebaum  ist  erheblich  höher  (i  m), 
aber  nur  6  mm  stark;  auch  fehlt  ihm  oben  die  Verstärkungsplatte.  Dafür  ist 
man  bei  dem  mittleren  Lukenbalken  einen  Schritt  weiter  gegangen  und  hat 
ihn  aus  kräftigen,  mit  Blech  versteiften  Trägern  gebildet.  Wie  schon  S.  363 
erwähnt,  kann  diese  neu  eingeführte  Längsversteifung  der  Schiffe  noch  ver- 
bessert werden,  wenn  sie  durch  gute  Dreiecksverbindungen  an  den  Boden 
angeschlossen  wird.  Anderenfalls  muß  man  die  schweren  eisernen  Firstbalken 
und  Firstbleche  für  eine  gewisse  Verschwendung  an  Baustoff  und  eine  über- 
flüssige Vermehrung  des  Gewichts  ansehen.  Die  Sparren  und  Lukendeckel 
unterscheiden   sich   im   übrigen  nicht  wesentlich   von  der  rheinischen  Bau- 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  397 

weise.     Häufig  wird   das  Plattendeck  an  den  östlichen  Wasserstraßen  in  An- 
lehnung an  die  dort  bisher  übliche  Bauweise  des  Verdecks  ausgeführt 

Es  ist  diese  das  lose  Bretterdeck  auf  hölzernem  Unterbau,  dessen  all- 
gemeine Anordnung  aus  den  Abb.  45,  55,  66,  67,  79  ersichtlich  ist.  Die 
Decksparren  werden  in  der  Schiffsmitte  von  einem  durchlaufenden  Firstbalken 
(auch  Deckträger,  Streckbaum  oder  kurz  >Baum«  genannt)  und  an  den  Bord- 
wänden je  von  einem  kurzen  Bordständer  (»Beistecksel«)  getragen,  auf  dem 
sie  aufgezapft  sind.  Diese  Bordständer  sind  durch  zwei  übereinander  ange- 
ordnete >Halseisen«  gesteckt,  die  bei  hölzernen  Schiffen  am  Riesbord,  bei 
stählernen  (als  Schuhe)  an  dem  inneren  Stringerwinkel  (Abb.  254,  257  und 
258)  und  zuweilen  außerdem  noch  an  dem  Eckblech  befestigt  sind,  das  den 
Stringer  mit  dem  Spant  verbindet  (Abb.  79). 

Der  mittlere  Firstbalken  wird  durch  hölzerne  »Deckständerc  unterstützt, 
die  unten  auf  den  Bodenwrangen  stehen  und  oben  mit  Kopfbändern  ver- 
sehen sind.  Die  V.  V.  G.  haben  für  alle  diese  Bauteile  besondere  Stärken 
je  nach  den  Gruppen  vorgeschrieben.  Auf  den  Sparren  liegen  lose  die  etwa 
3  cm  starken  und  28  bis  30  cm  breiten  Deckbretter,  die  mindestens  6,5  cm 
übereinander  greifen  sollen.  Sie  erhalten  in  Entfernungen  von  4  bis  6  m  einen 
Stoß,  der  auf  einem  Rinnsparren  angeordnet  wird,  dessen  Breite  2  bis  3  cm 
größer  ist  als  die  der  anderen  Sparren.  Über  jeden  Rinnsparren  wird  über 
die  Deckbretter  ein  genau  passender  Gegensparren  (auch  Schandeckel  ge- 
nannt) gelegt,  der  die  Deckbretter  festhält  und  mit  dem  Rinnsparren  ver- 
bunden wird. 

Da  die  Holzschiffe  in  der  Regel  keinen  durchlaufenden  Bordgang  haben 
und  auch  bei  vielen  stählernen  Schiffen  der  Stringer  oft  so  schmal  ist,  daß 
er  zur  Benutzung  als  Bordgang  nicht  geeignet  ist,  vollzieht  sich  der  Verkehr 
der  Schiffsmannschaft  längsschiffs  über  das  Verdeck,  und  zwar  meistens  auf 
der  Deckstülpe,  dem  mittelsten,  die  Firstfuge  deckenden  Brett  von  30  bis 
40  cm  Breite.  Wenn  diese  Stelle  durch  den  niedergelegten  Mast  eingenommen 
ist,  muß  die  Mannschaft  auf  dem  schrägen  Bretterdeck  verkehren,  wobei  be- 
sonders bei  feuchtem  Wetter,  Schnee  oder  Frost  Unglücksfalle  vorkommen. 
Von  der  Unfall-Berufsgenossenschaft  wird  deshalb  verlangt,  daß  längs  des 
ganzen  Verdecks  entweder  ein  wagerechter  Brettergang  (vgl.  Abb.  70)  oder 
eine  feste  Schutzleiste  beim  zweiten  Brettergang  von  unten  (vgl  Abb.  79)  an- 
gebracht wird.  Die  Seitenöffnungen  zwischen  dem  untersten  Deckbrett  und 
dem  Riesbord  (oder  dem  Stringer  bei  stählernen  Schiffen)  wird  von  außen 
durch  den  »Verschlag«  (auch  Seitenverschlag  genannt)  geschlossen,  der  aus 
wagerechten,  durch  innere  Leisten  verbundenen  Brettern  besteht,  die  an  den 
Beisteckseln  durch  Haken  und  Ösen  befestigt  sind. 

Der  Mast  steht  bei  den  Schiffen  der  östlichen  Wasserstraßen  in  der 
Regel  auf  dem  Boden  in  einem  Spurklotz,  der  entweder  querschiffs  zwischen 
den  Bodenwrangen  oder  längsschiffs  auf  ihnen  gelagert  ist.  Im  ersten  Fall 
reicht  er  entweder  über  die  ganze  Schiffsbreite,  wie  eine  Bodenschwelle  von 


398  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

etwa  doppelter  Breite,  oder  er  muß  2,5  bis  3  m  lang  sein  und  mit  dem  Boden 
und  den  benachbarten  Bodenschwellen  durch  Nägel  und  Schraubbolzen  ver- 
bunden werden.  Längsschiffs  soll  er  mindestens  mit  3  Wrangen  verkämmt 
und  an  jeder  durch  3  Schraubbolzen  von  15  mm  Stärke  befestigt  werden 
(V.  V.  G.). 

Bei  offenen  Schiffen  lehnt  sich  der  Mast  in  Stringerhöhe  gegen  die 
Segelbank  (oder  Segelduchtj,  die  nach  hinten  halbkreisförmig  ausgeschnitten 
ist.  Zu  beiden  Seiten  dieses  Ausschnitts  werden  kräftige  Streben  nach  hinten 
und  nach  dem  Boden  angebracht,  die  früher  aus  gekrümmtem  Eichenholz 
hergestellt  und  -»Scherstöcke«  (auch  Mastenstuhl)  genannt  wurden.  Zuweilen 
wurde  auch  von  der  Segelbank  noch  eine  Strebe  nach  vorne  zum  Boden  ge- 
führt. Mangels  gekrümmter  Hölzer  werden  diese  Streben  jetzt  aus  einzelnen 
Hölzern  mit  eisernen  Schienen  und  Bolzen  zusammengesetzt  und  bei  stäh- 
lernen Schiffen  aus  großen  mit  Winkeln  verstärkten  Eckblechen  gebildet  (vgl 
die  Abb.  50,  51,  56,  57,  68,  69).  Im  letzteren  Falle  wird  auch  die  Segel- 
bank aus  Blech  und  Formeisen  hergestellt.  Der  Mast  wird  in  der  Bank  durch 
ein  vorgelegtes,  verkeiltes  Holzstück  (»Fisch«)  festgehalten. 

Um  bei  einem  losen  Bretterdeck  den  Mast  niederlegen  (streichen)  zu 
können,  muß  bei  dieser  Befestigung  in  dem  Verdeck  ein  ziemlich  langer 
Schlitz  von  50  bis  60  cm  Weite  hergestellt  werden.  Auf  dieser  Strecke  werden 
statt  der  einfachen  Firstbalken  (Deckträger)  doppelte  in  entsprechendem  Ab- 
stände angeordnet  und  durch  je  eine  besondere  Reihe  von  Deckständern  unter- 
stützt (z.  B.  in  Abb.  70).  Zuweilen  fuhrt  man  diese  Ständer  seitlich  neben 
den  Deckträgern  durch  das  Verdeck  hindurch,  verbindet  sie  oben  durch  ein 
Querholz  und  bildet  dadurch  den  sogenannten  »Galgen«,  in  dem  der  nieder- 
gelegte Mast  ruht  und  der  auch  noch  anderen  Zwecken  des  Segeins  dient'). 
Wenn  der  Mast  gelegt  werden  und  der  Drehpunkt  im  Spurklotz  bleiben  soll, 
muß  man  stets  einen  großen  Teil  des  Verdecks  öffnen  und  das  führt  zu  Un- 
zuträglichkeiten, besonders  wenn  das  Schiff  unter  Zollverschluß  fahren  soll. 
Man  hat  daher  seit  längerer  Zeit  diese  Einrichtung  aufgegeben  und  ordnet 
jetzt  in  der  Regel  eiserne  Köcher  vor  dem  Mäste  an,  in  ähnlicher  Weise, 
wie  es  bei  der  Penische  (25),  dem  Maasspitz  (35)  und  bei  anderen  elsäßischen, 
belgischen  und  französischen  Schiffen  üblich  ist.  Die  Abb.  264  bis  266  zeigen 
die  in  neuester  Zeit  übliche  Bauweise. 

Der  feste  Drehpunkt  des  Mastes  befindet  sich  etwa  um  seine  halbe  Dicke  über  dem  First 
oder  der  Deckstülpe  des  Schiffes^  so  daß  der  umgelegte  Mast  mit  seinem  längeren,  oberen  Teile 
auf  der  Deckstülpe  ruht.  Die  lichte  Weite  des  an  einer  hohen  Schottwand  befestigten  Köchers 
wird  $0  mm  größer  gemacht  als  der  untere  Durchmesser  des  Mastes,  schwankt  daher  bei  Schiffen 
von  300  bis  1000  t  Tragfähigkeit  gewöhnlich  zwischen  400  und  480  mm.  Die  Stärke  der  Blech- 
wände beträgt  in  der  Regel  4  mm.  Sie  werden  nach  allen  Richtungen  durch  6  bis  8  mm  starke 
Winkel  von  60  •  40  bis  80  •  60  mm  Schenkellänge  versteift.  Besonders  hohe  Köcher  werden  zu- 
weilen außen  noch  durch  besondere  Streben  aus  Winkeleisen  gegen  die  Bodenwrangen  gestützt. 
In  der  Regel   werden   die  Längswände   des  Köchers   durch   zwei  besondere  Halbschotte  gegen 


i)  Vgl    auch  Düsing,  Lehrbuch  für  Eibschiffer-Fachschulen.    Magdeburg  1906. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


399 


die  Bordwände  versteift  (b  im  Grundriß),  die  bis  unter  das  Verdeck  reichen  und  im  Abstände 
von  1,3  bis  i,$  m  vor  dem  Hauptschott  angeordnet  sind.  Durch  diese  Schotte,  sowie  durch 
die  Köcher-  und  Bordwände  werden  zwei  Räume  abgetrennt,  die  man  »Freiraum«  nennt,  weil 
sie  vom  Zollverschluß  nicht  betroffen  werden,  sondern  ähnlich  wie  die  Herfte  beim  Rheinschiff 
zur  Unterbringung  von  Geräten  und  Vorräten  dienen  (vgl.  die  Abb.  53,  64,  74  und  77).  Über 
diesen  Freiräumen  wird  entweder  das  lose  Bretterdeck  durchgeführt  oder  man  verschließt  sie 
durch  ein  besonderes  Deck  aus  Holz  oder  Blech  mit  besonderen  Einsteigeluken.  Zuweilen 
werden  die  Mäste  und  auch  die  Köcher  nicht  bis  zum  Schiffsboden  heruntergeführt,  besonders 


Eiserner  Mastköcher  auf  den  östlichen  Wasserstraßen,  Abb.  264  bis  266. 


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Abb.  265.     Längsschnitt. 


Schn2ttA.B. 
Abb.  264. 

wenn  die  Mäste  lediglich 
zum  Löschen  und  Laden  be- 
nutzt und  darum  kürzer  und 
unter  Umständen  doppelt 
angeordnet  werden,  wie  bei 
dem  mitgeteilten  Eibschiffe 
nach  Flauer  Maß  [12}  in 
Abb.  74  dargestellt.  Oft 
reicht  der  Köcher  oben  über 
die  Deckstülpe  hinaus  bis 
zum  Drehpunkt  des  Mastes 
und  trägt  auf  seinen  ober- 
sten Winkeln  die  Lager  für  den  Drehzapfen,  z.  B.  in  Abb.  80.  Der  niedergelegte  Mast  liegt  dann 
zum  Teil  innerhalb  des  Köchers,  und  es  ist  unbequem,  im  Bedarfsfalle  ihn  wegzubringen.  Dieser 
Aufbau  vermehrt  außerdem  die  gesamte  Höhe  des  Schiffes  um  etwa  200  mm,  was  beim  Durch- 
fahren niedriger  Brücken  nachteilig  ist.  Man  macht  deshalb  neuerdings  den  Köcher  so  hoch, 
daß  er  nicht  über  die  Deckstülpe  hervorragt  und  legt  die  Mastlager  auf  besondere  Böcke,  die 
mit  den  obersten  Winkeleisen  durch  Schraubbolzen  verbunden  sind  und  nach  Erfordern  abge- 
nommen werden  können  (Abb.  265).  Zuweilen  befestigt  man  die  Böcke  auch  mittels  Scharnieren 
an  dem  Köcher,  so  daß  sie  nach  den  Bordwänden  zu  umgeklappt  werden  können. 


Abb.  266.     Grundriß. 


400  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Das  Plattendeck  zeigt  gegenüber  dem  losen  Bretterdeck  mancherlei 
Vorteile :  Es  kann  eine  geringere  Neigung  bekommen,  wodurch  der  Verkehr 
der  Mannschaft  leichter  und  gefahrloser  und  außerdem  das  Aufnehmen  von 
leichter  Decklast  möglich  wird.  Ferner  lassen  sich  durch  das  Abheben  ein- 
zelner Platten  leicht  einzelne  Stellen  des  Laderaums  öffnen  und  schließen, 
was  besonders  während  des  Löschens  und  Ladens  bei  Regenwetter  wichtig 
ist.  Diese  und  andere  Gründe  haben,  wie  oben  bemerkt,  das  Plattendeck 
auch  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  beliebt  gemacht.  Anfangs  erwies  sich 
der  hohe  Tennebaum  für  die  Gewohnheiten  der  Schiffahrt  auf  der  Elbe  und 
Oder  als  hinderlich,  weil  dort  das  Löschen  und  Laden  oft  durch  Karren  oder 
Tragen  bewirkt  wird.  Es  werden  die  neueren  Schiffe  daher  zuweilen  so  ge- 
baut, daß  nur  an  den  Schottwänden  tennebaumartige  Blechwände  von  i  bis 
3  m  Länge  angeschlossen  und  die  Zwischenräume  in  der  bisher  üblichen 
Weise  durch  hölzerne  Seitenverschläge  geschlossen  werden,  die  beim  Löschen 
und  Laden  fortgenommen  werden  können.  Die  Rinnsparren  (Merklinge)  werden 
bei  dieser  Bauweise  ebenso  wie  bei  dem  losen  Bretterdeck  von  Bordständern 
getragen,  die  in  Schuhen  stecken,  die  an  den  inneren  Stringerwinkeln  des 
Bordgangs  befestigt  sind  (Abb.  257  u.  258).  Diese  inneren  Stringerwinkel 
bekommen  dazu  meistens  einen  besonders  hohen  senkrechten  Schenkel  und 
werden  zuweilen  noch  mit  einem  kleineren  Winkel  versehen,  der  den  höl- 
zernen Vorschlag  trägt  (Abb.  258).  Bei  dieser  Anordnung  verliert  man  selbst- 
verständlich die  durch  den  Tennebaum  bewirkte  gute  Längsversteifung.  Zu- 
weilen sucht  man  den  Verlust  zum  Teil  dadurch  zu  ersetzen,  daß  man  an 
den  sogenannten  senkrechten  Schenkel  des  inneren  Stringerwinkels  noch  eine 
etwa  300  mm  hohe  Blechplatte  nietet,  die  nach  unten  in  den  Raum  hinein- 
ragt und  gleichzeitig  Gelegenheit  gibt,  für  die  Bordständer  unten  noch  einen 
zweiten  Schuh  anzubringen.  Dasselbe  suchen  einzelne  Schiffbauer  dadurch 
zu  erreichen,  daß  sie  unter  der  Stringerplatte  und  unter  dem  wagerechten 
Schenkel  des  inneren  Stringerwinkels  einen  durchlaufenden  starken  Gegen- 
winkel anordnen.  Besonders  ist  man  bei  Anwendung  des  Plattendecks  auf 
den  östlichen  Wasserstraßen  bemüht,  durch  Einbau  kräftiger,  doppelter,  stäh- 
lerner Lukenbalken  in  C-  oder  1-Form  und  breiter  Deckstülpen  aus  ver- 
steiften Blechen  (bis  zu  1,5  m  Breite)  eine  obere  durchlaufende  Längsverbin- 
dung herzustellen.  Über  den  Wert  dieser  Bauteile  ist  schon  gesprochen 
worden. 

Die  Mastköcher  der  Schiffe  mit  Plattendeck  werden  an  den  östlichen 
Wasserstraßen  genau  so  angeordnet  wie  bei  losem  Bretterdeck ;  doch  werden 
die  Freiräume  meistens  mit  Blech  fest  abgedeckt.  Die  Einführung  der  rhei- 
nischen Köcher  ist  dort  nicht  zulässig  wegen  der  geringen  lichten  Höhen 
unter  den  Brücken. 

Steuerruder.  Bau  aus  Holz.  Aus  den  mitgeteilten  Beispielen  von 
Lastschiffen  erkennt  man,  daß  die  Anordnung  des  Steuerruders  verschieden 
ist.    Abgesehen  von  dem  losen  Streichruder  oder  langem  Riemen,  das  bei 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  401 

der  Wittinne  (3)  und  bei  dem  Waidling  (24)  (zuweilen  auch  zur  Aushilfe 
am  Bug  der  Weserböcke  (40))  benutzt  wird,  kann  man  zwei  Arten  unter- 
scheiden: Entweder  ist  es  an  dem  senkrechten  Rudersteven  so  befestigt,  daß 
nur  eine  Drehung  in  wagerechter  Ebene  möglich  ist,  was  wir  als  »festes« 
Ruder  bezeichnet  haben,  oder  es  ist  am  Heck  mittels  eines  »Rudernagels« 
so  aufgehängt,  daß  auch  eine  Bewegung  in  senkrechter  Ebene  möglich  ist, 
was  wir  »Wippruder«  nennen.  Auch  hinsichtlich  des  Ruderblatts  ist  zu  unter- 
scheiden, ob  es  von  dem  Ruderschaft  aus  nur  nach  hinten  gerichtet  ist  oder 
ob  sich  ein  Teil  davon  vor  dem  Schaft  befindet.  In  letzterem  Falle  sprechen 
wir  von  einem  Schweberuder  (Balanceruder),  bei  dem  sich  die  auf  die  beiden 
Flächenteile  wirkenden  Kräfte  beim  Ausdrehen  des  Ruders  zum  Teil  aus- 
gleichen und  dadurch  die  zur  Drehung  erforderliche  Kraft  kleiner  wird. 

Das  Wippruder  (auch  »Hakenruder«  genannt)  ist  ein  Schweberuder  und 
auf  den  östlichen  Wasserstraßen  allgemein  bei  Lastschiffen  üblich.  Seine 
Form  ist  überall  die  gleiche  und  von  Alters  her  unverändert.  Es  besteht  aus 
dem  Ruderblatt,  das  gewöhnlich  »Steuerdiele«  genannt  wird,  dem  Ruderschaft, 
dem  Helmholz  und  dem  Rudernagel. 

Nach  den  V.  V.  G.  soU  die  ganze  untere  Länge  des  Ruderblatts  0,09  bis  0,12  der 
Schiffslänge  (in  der  obersten  Wasserlinie)  betragen  und  1/3  davon  (höchstens  0,4)  vor  dem  Ruder- 
schafte, d.  h.  vor  der  Senkrechten  durch  die  Mitte  des  Rudemagels  liegen.  (Nach  anderen 
Schiffbauregeln  soU  die  ganze  Länge  0,75  der  größten  Bodenbreite  nicht  überschreiten  oder 
um  0,$  m  kleiner  als  diese  sein.)  Bei  Schiffen^  deren  Abmessungen  durch  die  zu  durchfahrenden 
Schleusen  beschränkt  sind,  darf  der  hinter  der  Senkrechten  durch  den  Rudemagel  befindliche 
Teil  des  Ruderblatts  nicht  länger  als  die  halbe  Schiffsbreite  sein,  damit  das  Ruder  in  der  Schleuse 
um  einen  rechten  Winkel  ausgedreht  werden  kann.  Andernfalls  muß  der  äußerste  Teil  des  Blattes 
gelenkartig  zum  Umklappen  eingerichtet  (Abb.  267)  und  oben  durch  einen  Überfall  aus  C-Eisen 
oder  Winkeleisen  in  ausgestreckter  Stellung  festgehalten  werden.  Die  Unterkante  des  Ruderblatts 
legt  man  in  der  Regel  in  die  Höhe  der  untersten  Fläche  des  Schiffsbodens,  auch  wenn  dieser 
einen  Sprung  hat,  also  am  Heck  gehoben  ist.  Die  Höhe  des  Blattes  macht  man  mebtens  gleich 
der  gewöhnlichen  Tauchtiefe  des  Schiffes.  Das  Blatt  wird  aus  einer  Reihe  wagerechter  Bohlen 
von  70  bis  100  mm  Stärke  zusammengesetzt,  von  denen  die  unterste  zuweilen  aus  Elchenholz 
gefertigt  wird.  In  dem  Winkel  zwischen  Krümmling  und  Hintersteven  pflegt  man  das  Ruderblatt 
noch  hinaufzuziehen:  Dies  dreieckige'  Stück  nennt  der  Schiffer  den  »Spiegel«  und  das  darunter 
liegende,  nahe  dem  Schiffsboden  zugespitzte  oder  besser  abgerundete  Stück  den  »Haken«  der 
Steuerdiele. 

Der  Ruderschaft  wurde  früher  mit  dem  Helmholz  aus  einem  krunmi  gewachsenen 
Stück  Eichenholz  hergestellt,  wobei  zuweilen  der  obere  Teil  des  Knies  durch  Ansetzung  eines 
besonderen  Stücks  zum  Helmholz  verlängert  wurde.  Da  solche  Hölzer  selten  zu  haben  sind, 
werden  Schaft  und  Helmholz  jetzt  immer  aus  zwei  gerade  gewachsenen  Hölzern  zusammengepaßt ; 
der  Schaft  wird  aber  noch  heute  gewöhnlich  »Krümmling«  genannt.  Die  Erfahrung  hat  übrigens 
gelehrt,  daß  diese  zusammengesetzten  Hölzer  im  allgemeinen  fester  sind  als  die  alten  Krümm- 
linge.  Der  Ruderschaft  bekommt  quadratischen  Querschnitt,  dessen  Seitenlänge  je  nach  den 
Gruppen  (V.  V.  G.)  250  bis  420  mm  betragen  soll.  Er  Ist  unten  aufgeschlitzt  und  über  das  Blatt 
geschoben,  mit  dem  es  durch  Klinkbolzen  oder  Schraubbolzen  verbunden  wird.  Oft  werden  die 
Winkel  des  über  das  Blatt  hervorragenden  Krümmlings  durch  dreikantige  Holzleisten  ausgefüllt 
und  darüber  beiderseits  wagerechte  Bänder  oder  Winkeleisen  zur  weiteren  Verbindung  des  Krümm- 
lings mit  dem  Blatt  gelegt  (Abb.  267). 

Das  Helmholz  hat  am  hinteren  Ende  die  gleiche  Form  und  Stärke  wie  der  Schaft,  ver- 
jüngt sich  aber  nach  vorne  zu  kreisförmigem  Querschnitt  von  120  bis  130  mm  Durchmesser  am 
Ende,  wo  es  oft  mit  einem  metallenen  Handgriff  (»Daumen«)  versehen  wird.  Es  wird  ebenso 
wie  der  Schaft  aus  Eichenholz  hergestellt   und  mit  diesem  meistens   unter  einem  Winkel  von 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  26 


402 


Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


iio"  verbunden.  Nach  vorne  reicht  es  etwa  bis  Über  die  Mitte  der  Hinterkajüte,  auf  deren 
Deck  der  Steuermann  seinen  Stand  hat.  Bei  großen  Eibschiffen  (70  bis  80  m  Länge]  wird  es 
bis  8  m  und  mehr  lang.  Wenn  das  Schiff  durch  enge  Schleusen  f^rt  und  das  Ruder  recht- 
winklig gestellt  werden  muß,  darf  das  Helmholz  nicht  länger  als  die  halbe  Schiffsbreite  sein  oder 
muß  ziun  Umklappen  oder  zum  Verkürzen  eingerichtet  werden  (vgl.  Abb.  68).  Das  Helmholz 
wird  mit  einem  Zapfen  in  den  Schaft  eingelassen  und  über  diese  Verbindung  wird  von  oben  und 
von  unten  je  ein  entsprechend  gebogenes  starkes  Blech  gelegt  Beide  Bleche  werden  durch 
Schraubbolzen  verbunden  und  erhalten  die  Löcher  für  den  Rudemagel.  Das  Loch  im  unteren 
Blech  ist  kreisrund^  mit  einem  Randwulst  verstärkt,  während  das  im  oberen  Blech  länglich  in 
der  Richtung  des  Helmholzes  gemacht  wird,   damit  das  Ruder  sich  in  dieser  senkrechten  Ebene 


Querschnitte  durch  das 
Ruderblatt. 


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Obere  Ansicht  vom  Helmholz. 


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'  T  ^^^  Längsschnitt. 

Abb.  267.     Wippruder  eines  Oderschiffs  i :  60. 

bewegen  (wippen)  kann.  Das  im  Holz  hergestellte  Loch  erweitert  sich  in  gleichem  Sinne  von 
unten  nach  oben.  Diese  Bewegung  des  Ruders  tritt  mit  der  Veränderung  des  Tiefgangs  des 
Schiffes  ein :  Je  tiefer  das  Ruderblatt  in  das  Wasser  taucht,  um  so  größer  wird  der  Auftrieb  und 
umgekehrt  wird  sein  Gewicht  um  so  größer,  je  mehr  es  aus  dem  Wasser  kommt.  Bei  tief  be- 
ladenem  Schiff  hat  das  hinterste  Ende  des  Ruderblatts  das  Bestreben,  sich  zu  heben,  und  muß 
deshalb  entsprechend  belastet  werden,  um  nicht  an  Wirksamkeit  zu  verlieren.  Bei  älteren  Schiffen 
ist  zuweilen  auf  der  Oberkante  des  hinteren  Ruderblatts  ein  Kasten  angebracht,  der  die  Be- 
lastungsstücke (Eisen  oder  Steine)  aufnimmt.  Die  Verbindung  zwischen  Helmholz  und  Schaft 
wird  außer  durch  die  oben  und  unten  angebrachten  Bleche  noch  an  den  Seiten  durch  winkel- 
förmige Eisenschienen  oder  besser  durch  aufgelegte  Bleche  verstärkt,  die  gleichfalls  durch  durch- 
gezogene   Schraubbolzen    (Klepsch    bevorzugt   Niet-    oder    Klinkbolzen)    miteinander   verbunden 


E 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


403 


werden.  Diese  winkelig  gestalteten  Bleche  von  etwa  lo  mm  Dicke  werden  entweder  aus  vollem 
Blech  geschnitten  oder  aus  zwei  Stücken  zusammengenietet  (Abb,  268).  Die  Länge  der  Bleche 
soll  auf  jedem  Holzteil  mindestens  das  2,5  fache  der  Schaftstärke,  ihre  Dicke  nach  den  Gruppen 
6  bis  10  mm  (V.  V.  G.)  betragen. 

Der  aus  Eisen  oder  Stahl  in  zilindrischer  Form  hexgestellte  Rudernagel  bekommt  mindestens 
einen  Durchmesser  von  0.3  der  Schaftstärke.  Oben  wird  er  mit  einem  losnehmbaren  Ring  versehen 
und  unterhalb  von  diesem  mit  einem  Ansatz,  dessen  untere,  zuweilen  etwas  konisch  abgedrehte 
Fläche  auf  dem  länglichen  Nagelloch  in  dem  oberen  Bleche  ruht  und  das  Durchfallen  verhindert 
Dieser  Ansatz  wird  oft  als  besonderer  Ring  geschmiedet  und  nur  mit  zwei  Schrauben  mit  dem  Nagel 
verbunden,  so  daß  dieser  im  Notfall  nach  Lösung  des  Ringes  von  unten  aus  dem  Nagelloche 
herausgezogen  werden  kann.  Der  Nagel  wird  senkrecht  und  fest  am  Schiffskörper  angebracht 
und  zwar  entweder  durch  die  Spitze  des  Hintersteyens  oder  durch  zwei  besondere  eiserne,  aul^en 
am  Hintersteven  befestigte  »Ruderösenc  hindurch  gesteckt  (Abb.  269).    In  diesem  Falle  ruht  das 

untere  Helmholzblech  unmittelbar 
auf  der  oberen  Öse,  im  ersteren  auf 
einer  zwischengelegten  dreieckigen 
Eisenplatte,  die  auf  dem  hintersten 
Schißsende  befestigt  wird  (Ruder- 
nagelbuchse). Unterhalb  des  Ruder- 
nagels wird  häufig  zwischen  dem 
Krümmling  und  dem  Hintersteven 
eine  Sicherheitskette  angebracht 
(Abb.  267). 


Abb.  268.     Wippmdcr  an  einem  stählernen  Eibschiffe 

I  :  40. 


Abb.  269.    Wippruder  an  Ösen 
befestigt  1  :  75. 


Die  Vorzüge  des  Wippruders  als  Schweberuder  waren  schon  erwähnt; 
es  wird  femer  sein  Gewicht  zum  großen  Teil  durch  den  Auftrieb  des  Wassers 
getragen,  es  läßt  sich  weit  ausdrehen  und  bei  der  Bewegung  ist  nur  die 
Reibung  im  Nagelloch  zu  überwinden.  Aber  hierin  liegt  auch  eine  Schwäche 
dieser  Anordnung;  denn  Brüche  des  Rudernagels  kommen  ziemlich  häufig 
vor  und  dann  ist  das  Schiff  sofort  steuerlos.  Andere  Unfälle  treten  ein, 
wenn  das  Ruder,  dessen  Helmholz  bisher  meistens  nur  durch  die  Hände  ge- 
halten wurde,  von  der  Welle  eines  vorbeifahrenden  Dampfers  einen  Seitenstoß 
erhält,  dem  die  Kraft  des  Steuermanns  nicht  gewachsen  ist:  Das  herum- 
schlagende Helmholz  beschädigt  dann  nicht  nur  diesen  oder  wirft  ihn  über 
Bord,  sondern  es  trifft  zuweilen  auch  das  daneben  fahrende  Schiff  und  richtet 
dort  Unheil  an.  Solche  Unglücksfälle  treten  auch  ein,  wenn  das  Schiff  still 
liegt  und  das  Helmholz  nicht  festgebunden  ist. 

Das  feste  Steuerruder  hängt  entweder  ganz  außenbords  an  dem  Hinter- 
steven   oder  sein  Schaft  geht  durch  das  Hinterschiff  hindurch.     In  diesem 

26* 


404 


Abschnitt  IL     L4istschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Falle  ist  es  meistens  als  Schweberuder  angeordnet.  Während  das  Wippruder 
auf  den  östlichen  Wasserstraßen  heimisch  ist,  findet  man  im  Rheingebiete 
meistens  feste  hölzerne  Steuerruder,  die  aus  Holland  stammen. 

Abbildung  270  seigt  das  Ruder  einer  Tjalk  (36).  Das  hölzerne  Ruderblatt  bt  oben  aus- 
geschnitten und  hängt  mit  drei  Fingerlingen,  die  an  langen  eisernen  Bändern  befestigt  sind,  in 
drei  Ruderösen,  die  in  ähnlicher  Weise  an  dem  Hintersteven,  dem  >Kielholzc  angebracht  sind. 
Dies  Kielholz  springt  weit  hinter  dem  Heck  vor  und  gibt  dem  Wasser  eine  gute  Führung  zum 
Ruderblatt,  das  dadurch  auch  bei  verhältmsmäßig  geringer  Länge  eine  gute  Steuerfähigkeit  des 
Schiffes  gewährleistet.  Die  untere  Länge  beträgt  0,09  bis  0,12  der  Schiifslänge.  Das  Helmholz  (dort 
»Helmstock  c  genannt]  ist  gekrümmt  und  zur  Verbindung  mit  dem  Ruderblatt  aufgeschlitzt  Ein 
besonderer  Ruderschaft  ist  nicht  vorhanden.  Wir  finden  dies  Steuerruder  bei  aUen  hölzernen 
holländischen  Schiffen,  z.  B.  bei  der  hölzernen  Aak  (z6),  und  auch  bei  vielen  Schiffen  im  deutschen 


' 2.T 


Abb.  270.     Steuerruder  einer  Tjalk 
1 :  120. 


Abb.  271.     Steuerruder  eines  kurischen 
Reisekahns  i :  120. 


<-f U  J,4. 


t_«. 


Rheingebiet,  bei  dem  ober- 
rheinischen Holzschiff  (23), 
beim  hölzernen  Neckarschiff 
(28)  und  bei  den  Mainschiffen 
(30  u.  31).  Diese  Ruderfonn 
ist  auch  zur  unteren  Ems 
gekommen,  wo  wir  sie  bei 
der  Ptinte  (37)  finden,  und 
Über  See  wahrscheinlich  bis 
nach  Ostpreußen.  Die  Ab- 
bildung 271  zeigt  das  sehr 
ähnliche  Steuerruder  des  ku- 
rischen Reisekahns  (i), 
wenngleich  dort  der  Hinter- 
steven geneigt  steht  und  das 
vorspringende  Kielholz  fehlt 
Die  Eigentümlichkeit,  daß  der  Helmstock  durch  das  hoch  hinaufgeführte  Heck,  den  »Spiegel«, 
hindurchreicht,  findet  sich  übrigens  auch  bei  der  als  »Otter«  bezeichneten  holländischen  Schiffsart. 
Abbildung  272  stellt  das  Steuerruder  eines  hölzernen  Maas  spitz  dar.  Die  untere  Länge 
des  Ruderblatts  beträgt  0,09  der  Schiffslänge,  dürfte  mithin  genügen.  Um  aber  dem  Schiffe  in 
leerem  Zustande  eine  bessere  Steuerfähigkeit  zu  geben,  ist  im  unteren  Teile  des  Blattes  ein  be- 
weglicher Flügel  angeordnet,  der  mittels  eines  Seils  vom  Schiffe  aus  gehoben  oder  gesenkt 
werden  kann. 

Die  auf  den  elsäßischen,  belgischen  und  französischen  Kanälen  sehr  verbreiteten  Peni- 
schen brauchen  wegen  ihrer  breiten  völligen  Heckform  g^anz  besonders  lange  Ruderblätter, 
weil  der  vordere,  nahe  am  Kielholz  hängende  Teil  des  Blattes  für  die  Ruderwirkung  ziemlich 
bedeutungslos  ist.  Die  untere  Länge  beträgt  in  der  Regel  0,12  bis  0,13  der  Schiffslänge.  Da 
die  Penischen  meistens  38,5  m  lang  gebaut  werden,  so  müssen  die  Steuerruder  beim  Durchfahren 
der  Schleusen  von  gleicher  nutzbarer  Länge  um  einen  rechten  Winkel  ausgedreht  werden.    Wenn 


Abb.  272.     Steuerruder  eines  Maasspitz  i :  120. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


405 


die  Länge  des  Ruders  4,5  bis  5  m,  die  halbe  Schleusenbreite  aber  nur  2,6  m  beträgt,  so  muß 
das  Ruderblatt  etwa  in  der  Mitte  zusammengeklappt  -werden.  Die  Abbildungen  273  bb  275 
zeigen  einige  der  gebräuchlichsten  Einrichtungen  dieser  Ruder.  Das  Blatt  ist  in  der  Regel  trapez- 
förmig, aus  senkrechten  Bohlen  zusammengesetzt  und  etwa  in  der  Mitte  (der  unteren  Länge)  in 
2  senkrechte  Flügel  geteilt,  die  durch  ebeme  Scharniere  zusammengehalten  werden.  Die  Auf- 
hängung an  dem  Kielholz  geschieht  gewöhnlich  durch  Ösen,  die  sowohl  an  diesem  wie  an  dem 
Ruderblatt  angebracht  sind  und  durch  eine  senkrecht  durchgesteckte  runde  Ebenstange  (etwa 
40  mm)  zusammengehalten  werden.  Der  starke,  schwere  Helmstock  ist  in  seiner  hinteren  Hälfte' 
mit  einer  tiefen  Nut  versehen,  in  die  beide  Ruderflügel  von  unten  eingreifen.  Wenn  die  Flügel 
zosanunengeklappt  werden  sollen,  muß  der  Helmstock  vorgeschoben  werden,  wobei  seine  Unter- 
fläche auf  4  Rollen  läuft,  die  seitlich  an  dem  vorderen  Ruderflügel  angebracht  sind.  Er  wird 
in  den  Schleusen  in  der  Regel  ganz  fortgenommen  und  beiseite  gelegt  und  man  bewegt  das 
Ruder  dann  durch  eine  leichte  Stange.  Der  übergeschobene  Helmstock  genügt  aber  nicht,  um 
die  beiden  Teile  des  Ruderblatts  in  ausgestreckter  Stellung  steif  zu  erhalten.  Man  hatte  darum 
früher  mebtens  noch  2  ebeme  wagerechte  Riegel,  von  denen  der  eine  etwa  in  Höhe  der  Leer- 
ebene und  der  andere  in  Höhe  der  tiefsten  Einsenkung  an  dem  Ruderblatt  angeordnet  war, 
so  daß  .man  gewöhnlich  nur  einen  mit  der  Hand  erreichen  und  benutzen  konnte.  Das  war  lästig 
und  umständlich.  Es  sind  darum  bequemere  Vorrichtungen  eingeführt  worden.  Abb.  273  zeigt 
einen  Verschluß  mittels  3  senkrechter  Riegel,  die  gemeinschaftlich  an  einer  Stange  a  angebracht 
sind   und   durch  3  wagerechte  Ösen  b  gehen,  die  an  jedem  Ruderflügel  angebracht  sind  und  in 


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Abb.  273.      Umklappbares    Ruder    einer  Penische  mit  senk- 
rechten Riegeln  i :  120. 


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Abb.  274.  Verbindung  durch 
Feder  und  Haken. 


ausgestrecktem  Zustande  übereinander  liegen.  Die  Stange  a  wird  durch  einen  zweiarmigen  Hebel 
bewegt,  der  bei  c  seinen  Drehpunkt  hat  imd  durch  einen  Zug  oder  Stoß  d  vom  Schiffe  aus  in 
Wirksamkeit  gebracht  werden  kann.  Eine  andere  Vorrichtung  (»ä  ressort«)  ist  in  Abb.  274  dar- 
gestellt: Es  sind  2  Haken,  die  übereinander  greifen.  Der  eine  am  hinteren  Ruderflügel  bt  fest, 
der  andere  am  vorderen  Flügel  federt  in  wagerechtem  Sinne.  Um  die  Feder  anzuspannen  und 
den  Haken  zu  lösen,  ist  hinter  der  Feder  eine  um  eine  senkrechte  Achse  drehbare  Platte  ange- 
ordnet, die  durch  den  Zug  an  einer  Kette  a  yom  Schiffe  aus  aufgerichtet  werden  kann.  Dann 
bt  der  hintere  Ruderflügel  frei  und  kann  umgeklappt  werden.  Bei  dieser  Bewegung  zieht  die 
an  ihm  befestigte  kürzere  Kette  b  die  oben  erwähnte  Platte  wieder  zurück  und  die  Spannung 
der  Feder  hört  auf.  Wenn  später  der  hintere  Ruderflügel  wieder  in  die  ausgestreckte  Stellung 
gedreht  wird,  schnappen  die  Haken  von  selbst  ineinander  und  die  steife  Verbindung  ist  wieder 
hergestellt.     (Nach  Dehem,  S.  292.) 

Diese  Vorrichtungen  sind  sinnreich  ausgedacht,  aber  umständlich  zu  handhaben  und  ver- 
ursachen im  Betriebe  (namentlich  bei  den  zahlreichen  Schleusen  der  französbchen  Kanäle) 
oft  Störungen.  Man  bevorzugt  neuerdings  deshalb  die  in  Abb.  275  gezeichnete  Anordnung  des 
Ruders,  die  in  Frankreich  und  Belgien  »ä  lunettec,  im  Elsaß  »Seefang«  genannt  wird,  und  im 
wesentlichen  nur  eine  bewegliche  Verlängerung  des  Ruderblatts  darstellt.  Der  Seefang  kann 
vom  Schifiie  aus  durch  einen  Zug  a  mittels  Rollen  leicht  aufgeholt  oder  herabgelassen  werden. 
Damit  das  letztere  erleichtert  wird,  ist  der  Drehpunkt  des  Seefangs  nicht  in  seine  Mittellinie, 
sondern  mehr  nach  vorne  gelegt.    In  herabgelassenem  Zustande  ruht  dieser  Ruderflügel  auf  einem 


406 


Abschnitt  IL     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


eisernen  Haken.  Man  erreicht  bei  dieser  Einrichtung  noch  den  Vorteil,  daß  der  Helmstock 
nicht  bei  jeder  Schleuse  abgenommen  werden  muß,  sondern  durch  Schraubbolzen  mit  dem  Blatt 
fest  verbunden  werden  kann.  Wenn  dabei  aber  der  vordere  Teil  des  Helmstocks  länger  als 
2,6  m  wird,  muß  er  durch  ein  Gelenk  imiklappbar  gemacht  werden. 

Wie  schon  erwähnt,  bildet  bei  den  Penischen  und  ähnlichen  Kanalschiffen  die  Oberkante 
des  Helmstocks  den  höchsten  Punkt  der  Fahrzeuge.  In  dem  Bestreben,  möglichst  viel  leichte 
Ladung  einnehmen  zu  können,  baut  man  die  Schiffe  sehr  hoch  und  nimmt  beim  Durchfahren 
von  Brücken  nötigenfalls  den  Helmstock  ab,  womit  man  etwa  loo  mm  Höhe  gewinnt  Um  aber 
noch  mehr  Höhe  zu  gewinnen,  wird  oft  eine  Aufhängung  des  Ruders  gewählt,  die  in  Abb.  276 
dargestellt  ist  und  es  ermöglicht,  das  ganze  Ruder  um  etwa  250  mm  zu  senken.  Es  sind  die 
Ruderösen  an  eine  quadratische  Eisenstange  (40  mm]  geschmiedet,  die  selbst  wieder  in  Führungen, 
die  am  Kielholz  befestigt  sind,  senkrecht  beweglich  und  oben  mit  Schraubengewinde  und 
Schraubenmutter  versehen  ist  Durch  Nachlassen  der  Mutter  kann  nach  Beseitigung  des  Helm- 
stocks das  ganze  Ruderblatt  gesenkt  werden. 

Die  Straß  burger  Schiffe  haben  ein  mehr  abgerundetes  Heck  und  gewähren  dadurch 
dem  Wasser  einen  besseren  Zugang  zum  Ruderblatt.  Es  genügt  deshalb  eine  geringere  Länge 
für  dieses  und  ein  kleinerer  Ruderfiügel  (Seefang],  wie  aus  Abb.  276  ersichtlich.  Das  Ruderblatt 
wird  bei  diesen  Schiffen  in  der  Regel  in  der  dargestellten  Weise  oben  in  einer  geschwungenen 
Linie  ausgeschnitten. 


y 


y 


m 


T    "IMTmUiTaV 


Abb.  275.    Ruder  einer  Penische  mit 
»Seefang«   i  :  120. 


Abb.  276.     Senkrecht  bewegliches   Ruder  eines 
Straßburger  Schiffes  mit  Seefang  i  :  120. 


Zu  den  hölzernen  Steuerrudern,  die  am  senkrechten  Hintersteven  auf- 
gehängt werden,  gehören  auch  die  der  Wolgaschiffe  (vgl.  Abb.  194  bis  203). 
Das  Ruder  der  großen  hölzernen  Don  au  schiffe  (47)  ist  diesen  sehr  ähnlich 
(Abb.  181). 

Wenn  das  Heck  der  Schiffe  kaffenförmig  oder  löffeiförmig  ist,  wird 
an  den  westlichen  Wasserstraßen  der  senkrechte  Ruderschaft  durch  das  Hinter- 
schiff hindurchgeführt,  wobei  man  gleichzeitig  in  der  Regel  das  Blatt  als 
Schweberuder  ausbildet. 

Solche  Ruder  führen  z.  B.  die  Weserböcke  (Abb.  277).  Die  untere  Länge  des  Blatts 
ist  8,5  m,  d.  i.  0,18  bb  0,19  der  Schififelänge,  also  außerordentlich  groß.  Mehr  als  ein  Drittel 
dieser  Länge  (0,38)  befindet  sich  vor  der  Mitte  des  Ruderschafts.  Die  Höhe  des  Ruderblatts 
beträgt  0,7  m,  die  Dicke  80  bis  100  mm.  Der  320  mm  starke  Ruderschaft  ist  unten  geschlitzt 
und  über  das  Blatt  geschoben.  Oben  ist  er  rund  gearbeitet  und  durch  das  Heck  geführt,  wo  er 
zwei  Führungen  findet:  Die  untere  besteht  in  einem  eisernen  Bügel,  der  an  einem  kielholzartigen 
Klotz  befestigt  ist,  die  obere  in  einer  eisernen  Platte  und  einer  starken  Bohle,  die  auf  der  hinteren 
Spitze  des  Schiffes  angebracht  sind.  Der  rohrartige  Raum,  in  dem  der  Schaft  durch  das  Schiff 
gefuhrt  wird,  heißt  allgemein  der  >Kokerc.  Er  wird  gegen  den  übrigen  Schiffskörper  abgeschlossen, 
damit  kein  Wasser  in  das  Schiff  dringen  kann.  Vom  oberen  Ende  des  Schafts  ist  nach  dem 
hintersten  Ende  des  Ruderblatts  ein  gekrümmtes  Holz  zur  Versteifung  geführt,  das  auf  dem  einen 


:.  Bau  QDd  Ausrüstung  der  LastscbifTe. 


407 

1  Ende   aufgeseblitxC 


Ende   durch  Scbraubbolien   mit   dem  Helmholz  verbuDdcn  tmd   ai 
Über  das  Blatt  gescboben  ist. 

Diese  Ruderform  ist  auch  ara  Rhein  und  seiaen  Nebenflüsseo  [Lahn,  Mosel,  Sau)  sehr 
verbreitet,  meistens  in  der  Art,  wie  in  Abb.  »78  daigestellt  ist.  Während  sonst  das  Ruder  hioten 
mit  dem  Versteifungsbügei  endigt,  ist  in  diesem  Falle  noch  dahinter  ein  beweglicher  Flügel  an- 
gebracht, der  z.  B.  beim  Durchfahren  der  engen  Labnschleusen  umgeklappt  wird.  In  gestrecliter 
Stellung  whd  er  durch  einen  Riegel  gehalten.  Der  in  dem  Koker  gelührte  Ruderschaft  hat  nur 
eine  obere  feste  Führung.  Die  ganze  untere  LSage  des  Ruderblatts  ist  0,14  der  Schiffälänge, 
die  Höhe  gleich  0,8  m. 

Das  in  Abbildung  279  dai^stellte  Rnder  eines  hölzernen  Maasschiffs  (Hema)  zeigt 
etwas  andere  Verhaltnisse:  Die  ganze  ontere  Länge  des  Blatts  ist  0,16  der  Schiffslange, 
wahrend  die  Höhe  vom  Schaft  nach  hinten  ia  zweckmäßiger  Weise  von  1,7  m  bis  auf  3  m  zu- 
nimmt.   Beachtenswert  ist  der  hintere  bewegliche  Flagel  des  Blatts,  der  durch  einen  besonderen 


.Abb.  377.     Schweberudel 


Abb.  379.     Scbwebemder  mit  FIQgel  1 
schiffe  t :  izo. 


Helrastock  vom  Schiffe   aus   bewegt  werden   kann,   wenn   die   beiden   Riegel   gelöst  sind.     Der 

runde  Koker  ist  über  Deck  bis  nahe  unter  das  Helmholz  geführt.    Alle   diese  Schweberuder  mit 

senkrechtem  Schaft  und  nur   einem,  hochangebrachlen   Halslager   sind  empfehlenswert,   da   sie 
leicht  zu  handhaben  sind. 

Eiserne  Steuerruder  wurden  am  Rhein  gleichzeitig  mit  den  eisernen 
Schiffskörpern  eingeführt  und  haben  sich  allmählich  zu  einer  guten  einheit- 
lichen Form  cntwicltelt,  wie  sie  in  Abb.  280  fiir  ein  großes  Schiff  von  etwa 
1800  t  Tragfähigkeit  dargestellt  ist.  Der  Rahmen  des  Ruderblatts  ist  mit 
dem  Ruderschaft  zusammengeschweißt  und  hat  bei  großen  Schiffen  noch 
einen  bis  drei  wagerechte  Stege,  die  gleichfalls  eingeschweißt  sind.  Auch 
der  Rahmen  selbst  wird  aus  2  bis  3  Stucken  zusammengeschweißt.  Seine 
Stärke  nimmt  nach  hinten  allmählich  ab.  Die  Form  ist  im  allgemeinen  recht- 
eckig; doch  wird  der  vordere  Teil  wegen  des  übergebauten  Hecks  meistens 


408 


AbschniR  H.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


etwas  niedriger  gemacht.  Der  Rahmen  wird  beiderseits  mit  Blechplatten  be- 
legt, die  mit  durchg^ehenden  Nieten  befestigt  werden.  Der  Zwischenraum 
wird  in  der  Regel  durch  Fichtenholz  au^efüllt. 

Ähnlich  wie  bei  den  vorbeschriebenen  hölzernen  Rüdem  sind  auch  bei 
den  eisernen  meistens  Einrichtungen  vorhanden,  um  die  Fläche  des  Blatts 
und  damit  sowohl  seine  Wirksamkeit  als  auch  die  zur  Bewegung  des  Ruders 
erforderliche  Kraft  nach  Bedarf  zu  verändern.  Das  geschieht  durch  Schieber, 
die  entweder,  wie  in  unserer  Abbildung,  auf  Rollen  wagerecht  verschieblich 
sind  oder  senkrecht  aus  ihren  Führungen  herausgezogen  werden  können. 
Rnder  eines  großen  Rbelnschüfs,  Abb.  180  bis  sSs. 


Abb.  aSo.    Ansicht  des  Ruders  I  :  60. 

Der  Rud  ersch  aft  wurde  anfangs  mit  mehreren  Fingerlingen  in  Ruderösen 
eingehängt,  die  an  dem  Hintersteven  angeschweißt  waren.  Man  legt  jetzt  aber 
den  Hauptwert  auf  den  untersten  Fingerling,  der  als  Spurzapfen  in  der  >Hack:e< 
des  Hinterstevens  gelagert  wird,  und  nur  bei  besonders  hohen  Rudern  wird 
noch  oberhalb  ein  Fingerling  angeordnet,  wie  in  unserer  Abbildung.  Neuer- 
dings werden  diese  Fingerlinge  nicht  mehr  an  den  Ruderschaft  geschweiOt, 
sondern  als  besonders  abgedrehte  stählerne  Zapfen  hergestellt,  die  dann  'm 
den  Schaft  fest  eingesetzt  werden.  Der  untere  Spuizapfen  bewegt  sich  auf  einer 
eingelegten,  al^erundeten  Stahlplatte  [Abb.  281).  Der  obere  Fingerlii^  wird 
in  neuester  Zeit  oft  fortgelassen  und  durch  eine  einfache  Schelle  ersetzt 
(Abb.  282],  die  sich  um  einen  abgedrehten  Teil  des  Schafts  legt  und  mit  dem 
Steven  durch  Schraubbolzen  verbunden  ist.   Im  Falle  eines  Bruchs  des  Spur- 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschüfe. 


409 


Zapfens  gibt  sie  dem  Ruder  noch  eine  notdürftige  Befestigung.  Oberhalb  des 
Blatts  bekommt  der  Schaft  einen  kreisrunden  Querschnitt  und  wird  in  dem 
zilindrischen  » Koker c  durch  das  übergebaute  Heck  bis  auf  Deck  geführt, 
wo  er  in  einem  Lager  gehalten  wird,  das  mit  einer  rechteckigen  Platte  auf 
dem  Deck  und  an  den  Deckbalken  durch  Schraubbolzen  befestigt  ist.  Der 
Koker  ist  an  den  Hintersteven  genietet  und  dieser  wieder  durch  2  Winkel  mit 
der  senkrechten  » Heckbalkenplatte  c  verbunden.  Oben  auf  dem  Ruderschaft 
befindet  sich  die  Nabe  des  Zahnkranzes,  der  durch  die  später  zu  besprechende 
Steuermaschine  bewegt  wird. 

Hinsichtlich  der  Abmessungen  des  Ruders  ist  zu  erwägen,  daß  seine  Wirksamkeit  von 
der  Geschwindigkeit  des  Schiffes  abhängt.  Bei  Schiffen,  die  für  größere  Geschwindigkeiten  be- 
stimmt sind,  braucht  man  deshalb  verhältnismäßig  kleinere  Ruderflächen.  Der  G.  L.  gibt  für 
die  Länge  des  Blatts  keine  Vorschrift,  die  V.  V.  G.  verlangen  aber,  daß  diese  Länge  nicht  größer 
als  0,06  bis  höchstens  0,08  der  Schiffslänge  sein  soll.  Bei  den  großen  Rheinschiffen  ist  dies 
Verhältnis  0,05  bis  0,06,  bei  den  Schiffen  des  Dortmund-Ems-Kanals  und  den  Donauschiffen 
etwa  0,06  und  bei  den  Schiffen  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  etwa  0,075.  ^^^  Höhe  des 
Ruderblatts  wird  meistens  so  gewählt,  daß  wenigstens  der  hinterste  Teil  bei  der  größten  Ein- 
tauchung des  Schiffes  noch  50  bis  150  mm  über  Wasser  reicht.  Wichtig  ist  die  Stärke  des 
Ruderschafts.     Nach   den  Vorschriften   der  V.  V.  G.  soll   der  Durchmesser  je  nach  den  Gruppen 

75  bis  150  mm  betragen.     Der  G.  L.  hat  dafür  die  Formel  0,3  V/'r-  V^  in  cm  aufgestellt,  worin 

/  die  ganze  Fläche  des  Ruderblatts  in  m^,  r  den  Abstand  des  Schwerpunkts  dieser  Fläche  von 
der  Drehachse  in  cm  und  V  die  Schiffsgeschwindigkeit  in  Knoten  bedeuten.     Für  Binnenschiffe 


soll  V  bei  Dampfern  angenähert  nach  der  Formel   V 


=  3,o.|7  — 


berechnet  werden,   worin 


PSi   die    indizierten   Pferdestärken    der   Maschine   und  F  den   Flächeninhalt    des    eingetauchten 

Hauptspants  bedeuten.   Im  übrigen  gibt  der  G.  L.  für  die  Längsnummem  von  35  bis  1 500  in  einer 

Tafel  die  Größe  des  Schaftdurchmessers  zu  38  bis  185  mm  an.     Die  großen  Rheinschiffe  zeigen 

Durchmesser  von  140  bis  170  mm,  das  größte 

von  3500  t  Tragfähigkeit  hat  einen  solchen  von 

180  mm.     Der   Durchmesser    der    Fingerlinge 

oder  des  Spurzapfens  soll  0,6  vom  Durchmesser 

des  Ruderschafts  betragen,  die  Ösen  sollen  eine 

Höhe  von  1,5  und  eine  Wandstärke  von  s/s  des 

Durchmessers  des  Fingerlings  haben.    Die  Be- 

plattung  des  Ruderrahmens  soll  halb   so  stark 

sein,    wie   die   Seitengänge   des   Schiffskörpers. 

Nach  einer  anderen  Regel   soll  die  Stärke  des 

Ruderschafts  =  0,044  *  1//  ^^  i^am  sein. 

Abb.  283  zeigt  Ruder  und  Hinter- 
steven von  einem  Dortmund  -  Ems- 
Kanal schiff.  Der  Ruderrahmen  und 
der  Steg  sind  100  mm  hoch;  doch 
ist  das  Ruderblatt  nur  auf  einer  Seite 
beplattet.  Auch  ist  nur  ein  Spurzapfen  vorhanden.  Die  ganze  Anordnung 
ist  sonst  den  Rheinschiffen  entsprechend.  Bei  leicht  gebauten  oder  kleineren 
Schiffen  wird  übrigens  der  Koker  und  das  oberste  Lager  zuweilen  fort- 
gelassen. 

Zuweilen  werden    eiserne   Steuerruder   ohne   übergebautes  Heck   ange- 


Abb.  283.     Ruder  eines  Dortmund-Ems-Kanal- 

Schiffs  I  :  80. 


410 


Abschnitt  II.    Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


ordnet,  wie  z.  B.  bei  den  neueren  Donauschiffen  (45)  und  bei  dem  Klodnitz- 
kanalschiff  (10). 

Bei  der  Weser  wird  das  Ruderblatt  auch  bei  den  neuesten  stählernen 
Schiffen  noch  immer  aus  Holz  hergestellt,  besonders  wegen  der  bedeutenden 
Länge.  Diese  beträgt  dort  und  an  der  Aller  bei  den  neueren  Schiffen  0,10 
bis  0,11  der  Schiffslänge,  ist  mithin  schon  erheblich  kleiner  als  bei  den  alten 
Weserböcken.  In  Abb.  284  ist  das  Steuerruder  von  einem  der  neuesten  Weser- 
schiffe dargestellt. 


Abb.  284.     Ruder  eines  Weserschiffs  (von  veränderlicher  Länge)   i  :  80. 

An  den  Raderschaft  von  140  mm  Durchmesser  sind  zwei  starke  Arme  geschmiedet,  zwischen 
denen  das  aus  doppelten,  je  55  mm  dicken  Bohlen  gebildete  Blatt  sitzt.  Auf  dem  vordersten 
2,7  m  langen  Teile  sind  über  die  Bohlen,  die  Arme  und  den  Schaft  beiderseits  8  mm  starke 
Bleche  gelegt  und  mittels  Schraubbolzen  befestigt.  Die  Bohlen  bestehen  aus  Fichtenholz,  mit 
Ausnahme  der  obersten  von  doppelter  Stärke,  die  aus  Eichenholz  gemacht  ist.  Das  hinterste 
Stück  des  Blatts  von  2  m  Länge  kann  zurückgeschoben  werden.  Der  3  m  lange  und  1,5  m 
hohe  Schieber  aus  70  mm  starken  Fichtenbohlen  wird  in  Winkeln  von  78  •  52  •  6  mm  Stärke  ge- 
führt, die  durch  gleich  starke  Winkel  mit  dem  festen  Blatte  verbunden 
sind.  Sowohl  der  Schieber  wie  der  übrige  Teil  des  Blatts  sind  noch 
durch  senkrechte  Bleche  von  100  bis  150  mm  Breite  und  6  mm 
Dicke  und  durch  Winkel  von  gleicher  Stärke  versteift.  Die  Anord- 
nung des  Sparzapfens  ist  ähnlich  wie  bei  den  Rheinschiffen.  Das 
fragliche  Weserschiff  hat  im  Boden  einen  hinteren  Sprung  von  120  mm. 
Die  Schieber  in  dem  Ruderblatt  sind  eigentlich  eine  Eigentüm- 
lichkeit der  rheinischen  Bauweise,  werden  aber  in  neuerer  Zeit  nicht 
nur  an  der  Weser,  sondern  zuweilen  auch  an  der  Elbe  angewendet 
(Abb.  84). 

Viele  neue  stählerne  Weserschiffe  haben  zwar,  wie  beschrieben, 
einen  eisernen  Ruderschaft,  führen  aber  nach  alter  Überlieferung 
noch  den  wagerechten  langen  Helmstock  aus  Holz,  der  durch  einen 
gußeisernen  oder  schweißeisemen  Schuh  mit  dem  Ruderschaft  ver- 
bunden ist.     Diese  Einrichtung  scheint  nicht  nachahmenswert 

Eiserne   Schweberuder    werden  bei   Schiffen 
^^sernes^Scht'^ebem^^  ™t   löffelförmigem   oder    kaffenartigem   Heck    ange- 

wendet. Zuweilen  gibt  man  dem  Ruderschaft  unten 
noch  einen  Spurzapfen,  der  in  einem  durch  seitliche  Arme  gehaltenen  Schuh 
ruht.  Oft  verzichtet  man  aber  darauf  und  ordnet  das  Ruder  hängend  an, 
ähnlich  wie  bei  den  hölzernen  Schweberudern  der  Lahn-,  Ruhr-  und  Mosel- 
schiffe. In  Abb.  285  ist  die  Aufhängung  eines  eisernen  Schweberuders  bei 
einem  kleineren  Schiffe  dargestellt. 


2.  Bau  und  Ausrüstong  der  Lastschiffe.  411 

Die  3  Anne  des  Ruderrahmens  sind  mit  dem  senkrechten  Schaft  zusammengeschweißt,  der 
abgedreht  und  in  einem  eisernen  Rohr  durch  das  Heck  bis  auf  Deck  gefUhrt  ist,  wo  er  mittels 
einer  starken  aufgeschraubten  Tragmutter  auf  einer  gui^eisemen  Lagerplatte  ruht,  die  durch 
Schraubbolzen  mit  dem  Deck  verbunden  ist.  Oberhalb  der  Mutter  ist  die  Pinne  aufgekeilt,  die 
von  der  Steuermaschine  bewegt  wird,  und  darüber  befindet  sich  noch  eine  vierkantige  Fort- 
setzung des  Schafts,  auf  die  eine  Notpinne  gesetzt  werden  kann.  Der  Ruderschaft  wird  von 
unten  eingesetzt  und  hat  unten  einen  größeren  Durchmesser  als  oben.  Er  wird  in  zwei  guß- 
eisernen Lagern  senkrecht  gefUhrt,  die  oben  und  unten  in  das  schweißeiseme,  oben  erwähnte 
Rohr  eingeschraubt  und  an  dem  Schiffskörper  befestigt  sind.  Das  obere  Lager  ist  mit  der  oben 
erwähnten  Lagerplatte  aus  einem  Stück  hergestellt.  Die  Tragmutter  ist  mit  Schmierlöchem  ver- 
sehen, um  die  Reibung  auf  der  Lagerplatte  zu  vermindern.  Bei  gp-oßen  Schiffen  genügt  das  aber 
nicht,  und  es  muß  zwischen  Lagerplatte  und  Mutter  noch  ein  Kugellager  angeordnet  werden. 

Aufgehängte  Schweberuder  haben  z,  B.  die  Schiffe  mit  Löffelformen  auf 
dem  Dortmund-Ems-Kanal  (Abb.  155).  Bei  anderen  Schiffen  mit  Schwebe- 
rudern, wie  z.  B.  bei  dem  Eibschiff  in  Abb.  84  und  dem  Rhoneschiff  in 
Abb.  191^  steht  der  Ruderschaft  am  unteren  Ende  in  einem  Spurlager,  das 
in  der  zurückgeschobenen  Hacke  des  Hinterstevens  angebracht  ist.  Die  aus 
Abb.  84  ersichtliche  Form  des  Schweberuders  mit  verhältnismäßig  kleiner 
Ausgleichfläche  wird  auch  bei  Dampfschiffen  häufig  angetroffen. 

Ausstattung,  AusrQstung,  Anstrich.  Wir  verstehen  unter  der  Aus- 
stattung den  inneren  Ausbau  nebst  Zubehör,  soweit  die  Teile  bei  der  Bestellung 
und  der  Lieferung  der  Lastschiffe  gewöhnlich  in  die  Kaufsumme  einbegriffen 
werden.  Dagegen  umfaßt  die  Ausrüstung  die  übrigen  für  den  Betrieb  des 
Schiffes  erforderlichen  Stücke,  die  der  Besteller  sich  in  der  Regel  selbst 
beschafft.  Die  Grenzen  dieser  Einteilung  schwanken  mit  den  örtlichen  Ge- 
wohnheiten. So  werden  z.  B.  die  Ankerwinden  im  Rheingebiet  stets  zum 
Schiffskörper  gerechnet  und  mitgeliefert,  während  sie  an  den  östlichen  Wasser- 
straßen gewöhnlich  zur  Ausrüstung  gehören.  Beim  Vergleich  der  Neubau- 
kosten ist  dies  zu  beachten.  Zuweilen  wird  die  Lieferung  des  Schiffes  ein- 
schließlich aller  Ausrüstungstücke  vereinbart. 

Zur  Ausstattung  gehören  gewöhnlich  folgende  Teile: 

Die  Wegerung  (Bühne,  Streck,  Strau,  Püddeling)  wirkt  mit  zur  Längs- 
versteifung des  Schiffes  und  der  G.  L.  schreibt  darum  ihre  Holzstärke  je  nach 
der  Längsnummer  zu  25  bis  40  mm  vor.  Bei  hölzernen  Boden  wrangen  darf 
die  Stärke  um  5  bis  10  mm  kleiner  gewählt  werden,  weil  die  freitragende 
Länge  der  Bretter  geringer  ist.  Im  allgemeinen  wird  die  Stärke  im  ersteren 
Falle  zu  mindestens  35,  im  letzteren  zu  mindestens  30  mm,  bei  den  großen 
Rheinschiffen  gewöhnlich  zu  50  nun  gewählt  Die  einzelnen  Bretter  (aus 
Fichten-  oder  Tannenholz)  müssen  dicht  gefugt,  gefalzt  oder  gespundet  sein. 
Sie  werden  am  besten  zu  einzelnen  Tafeln  verbunden,  damit  sie  sich  leicht 
aufnehmen  lassen.  Bei  den  Rheinschiffen  sind  meistens  in  jedem  Laderäume 
besondere  bewegliche  Konsolen  aus  Rundeisen  angeordnet,  die  zur  Auflagerung 
der  aufgenommenen  Bodenplatten  dienen. 

Die  Seiten  Verkleidung  (Hängebühne,  Seitenausschlag)  wird  in  gleicher 
Weise  aus  25  bis  35  mm  starken  Brettern  dicht  und  leicht  abnehmbar  hergestellt. 


412  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Der  innere  Ausbau  der  Kajüten  und  Küchen,  Fußböden,  Wände, 
Decken,  Türen,  Fenster,  Oberlichte,  Treppen,  Niedergänge  mit  Kappen  (aus 
Holz  oder  Blech)  sowie  die  Ausstattung  mit  Bettstellen  (Kojen),  Schränken, 
Tischen,  Bänken,  Ofen,  Kochherden  u.  dgl.  richtet  sich  nach  der  Größe  der 
Schiffe,  den  Gewohnheiten  der  Schiffer  und  den  Wünschen  des  Bestellers. 
Die  Unterschiede  sind  sehr  groß.  Bei  den  großen  Rheinschiffen  besteht  die 
für  den  Schiffer  bestimmte  Hinterkajüte  oft  aus  einem  Wohn-  und  zwei  Schlaf- 
räumen nebst  Abort  unter  Deck,  wozu  noch  Küche  und  Speiseraum  in  der 
Roef  (Aufbau  über  Deck)  treten,  die  durch  eine  besondere  Treppe  mit  den 
unteren  Räumen  verbimden  ist,  die  aufs  behaglichste  ausgestattet  sind.  Die 
im  Vorschiff  nur  unter  Deck  angeordneten  Räume  für  die  Mannschaft  sind 
einfacher  gehalten.  Auf  einigen  der  neuesten  großen  Rheinschiffe  findet  man 
in  den  Wohnräumen  sogar  Warmwasserheizung. 

Die  Einrichtung  der  Geräteräume.  Dazu  gehören  bei  allen  Last- 
schiffen der  Raum  im  Hinterschiff  hinter  der  Kajüte,  die  Piek,  und  der  ent- 
sprechende Raum  im  Bug,  Vorpiek  oder  »Kabelgatt«,  wo  sich  die  Kästen 
für  die  Ankerketten  befinden.  Außerdem  dienen  zu  solchen  Zwecken  die 
Herfte  auf  den  Rheinschiffen  und  die  Freiräume  auf  den  Eibschiffen,  die 
außerdem  zur  Lagerung  von  Vorräten,  Lebensmitteln  und  Brennstoffen  benutzt 
werden.  Alle  diese  Räume  werden  mit  innerer  Bretter-  oder  Lattenverkleidung, 
sowie  mit  verschließbaren  Luken  und  Lukendeckeln  versehen.  Die  Anord- 
nung der  aus  Brettern  hergestellten  Ställe  und  der  Landebrücken  für  die 
auf  den  westlichen  Kanalschiffen  oft  mitgeführten  Zugtiere  ist  bei  der  Penische 
(25)  beschrieben  worden.     (Vgl.  auch  Abb.  120.) 

Steuervorrichtungen.  An  den  östlichen  Wasserstraßen,  auf  den 
Weserschiffen,  auf  den  westlichen  Kanalschiffen  und  auf  den  Schiffen,  die  die 
Nebenflüsse  des  Rheins  befahren,  wird  das  Steuerruder  gewöhnlich  unmittel- 
bar durch  Menschenhand  mittels  des  langen  Helmholzes  oder  Helmstocks 
bewegt.  Die  Gefährlichkeit  dieser  Handhabung  ist  beim  Wippruder  be- 
sprochen worden.  Bei  den  neuen  großen  Schiffen  auf  den  östlichen  Wasser- 
straßen und  auf  der  Weser  gehört  aber  zur  sicheren  Bewegung  des  Ruders 
eine  große  Kraftleistung,  und  andererseits  kommt  es  besonders  im  Schlepp- 
zuge darauf  an,  daß  das  Ruder  möglichst  fest  in  der  bestimmten  Lage  ge- 
halten wird,  weil  durch  das  Hin-  und  Herpendeln  des  Ruderblatts  der  Schlepp- 
widerstand erheblich,  vermehrt  wird.  Bei  kleineren  Schiffen  hilft  man  sich 
durch  ein  an  beiden  Bordkanten  befestigtes  Seil,  das  nach  Bedarf  um  den 
Helmstock  geschlungen  wird.  Zuweilen  legt  man  auch  zur  Erleichterung  der 
Bewegung  Taljen  (Blöcke)  ein.  Bei  den  größeren  Schiffen  ist  es  jetzt  üblich, 
am  Helmholz  zwei  Seile  anzubringen,  die  beiderseits  durch  nahe  den  Borden 
befestigte  Rollen  zu  einer  oder  zwei  Trommeln  einer  besonderen  Steuerwinde 
führen,  die  meistens  in  der  Mitte  der  hinteren  Abschlußwand  des  Laderaums 
angeordnet  ist  und  durch  ein  senkrecht  stehendes  Steuerrad  bedient  wird. 
Abb.  286  zeigt  eine  Einrichtung  einfachster  Art  bei  einem  Weserschiffe.    Die 


.  Bau  nnd  AusrOstni^  der  Lastschiffe. 


413 


Führungsrollen  sind  dort  zum  Teil  auf  den  Pollern  angebracht.  Die  Winde 
hat  nur  eine  Trommel,  um  die  das  Drahtseil  umgeschlungen  ist,  dessen  beide 
Enden  auf  diese  Weise  dauernd  mehr  oder  weniger  gespannt  bleiben.  Diese 
Anordnung  findet  man 
in  ähnlicher  Weise  auf 
vielen  Oder-  und  Elb- 
schiffen.  Besser  und 
mehr  beliebt  sind  jetzt 
Winden  mit  2  Trom- 
meln, wodurch. ein  Rut- 
schen des  Seils  auf  der 
Trommel  vermieden  wird 
(Abb.  287  bis  289). 

Aar  der  WeUe  des  Steuer- 
»dl  siöen  2  »RiUeU  (Rnndsel, 
Getriebe),  die  in  die  mit  den 
beiden  Trommeln  verbundenen 
Zahnbrinze  greifen.  Wird  das 
Seil  der  einen  Trommel  aafge- 


Abb.  3S6.     Steaervorrichtung  auf  einem  Weserscbiff 


Steuerwinde  auf  den  östlichen  Wasserstraßen,  Abb,  3S7  bis  289. 

Abb.  i88.       n      Ansicht 


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Abb.  187.     Querschnill. 


Abb.  »89.     Grundriß. 


414 


Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


wickelt,  so  wickelt  sich  das  auf  der  anderen  Trommel  ab.  Die  Übersetzung  der  Zahnräder  bei 
dieser  für  ein  großes  Eibschiff  bestimmten  Winde  ist  12:32.  Der  Durchmesser  der  Trommeln 
beträgt  140  mm.  Beide  Ritzel  sind  auf  der  Welle  des  Handrads  verschieblich  und  können  durch 
je  einen  Hebel  {a)  ausgerückt  werden.  Löst  man  eines  der  zum  Helmholz  fuhrenden  Drahtseile, 
so  kann  man  durch  Einrücken  des  betreffenden  Ritzels  die  Trommel  auch  zum  Verholen  des 
Schiffes  in  den  Häfen  benutzen  und  zwar  entweder  nach  Backbord  oder  nach  Steuerbord.  Die 
dargestellte  Winde  wird  wie  ein  Kasten  an  der  Hinterwand  des  Laderaums  durch  3  Schraubbolzen 
befestigt,  die  als  Verlängerungen  der  Traversen  angeordnet  sind.  Oben  befindet  sich  bei  6  eine 
umklappbare  Gabel  zum  Feststellen  des  Handrads.  Diese  Steuerwinden  geben  auch  den  Vorteil, 
daß  der  Steuermann  nicht  dauernd  stehen  muß,  sondern  vor  dem  Rade  sitzen  kann. 

Bei  festen  eisernen  Steuerrudern  wird  gewöhnlich  auf  dem  oberen  Ende 
des  Ruderschafts  über  Deck  ein  wagerechter  Zahnkranz  angebracht,  der  durch 
einen  Ritzel  an  einer  davorstehenden  senkrechten  Welle  bewegt  wird.  Diese 
Welle  trägt   an  ihrem  oberen  Ende  entweder  unmittelbar   ein  wagerechtes 


Abb.  290.     Steuervorrichtung  eines  großen  Rheinschiffs  l  :  30. 

Steuerrad  oder  wird  mittels  Kegelradübersetzung  durch  ein  senkrechtes  Hand- 
rad gedreht.  Die  erstgenannte  Bauweise  mit  wagerechtem  Steuerrad  ist 
besonders  am  Rhein  überall  verbreitet  imd  gut  ausgebildet.  Die  Abbildung  290 
zeigt  die  Steuermaschine  eines  großen  Rheinschiffs  mit  allen  Verbesserungen. 

Der  Zahnkranz  (Quadrant)  bt  doppelt  übereinander  angeordnet.  Ebenso  ist  ein  zweiter 
oberer  Ritzel  vorhanden,  der  auf  der  Welle  des  Steuerrads  verschieblich  und  für  gewöhnlich 
nach  oben  ausgerückt  ist.  In  dieser  Lage  wird  er  durch  den  Ausrückhebel  a  gehalten,  der  am 
Hinterende  des  Schiffs  durch  eine  senkrechte  Stange  und  einen  Splint  am  Geländer  des  Steuerstuhls 
befestigt  ist.  Tritt  bei  der  Fahrt  der  Bruch  eines  Zahns  im  unteren  Zahnkranz  oder  im  unteren 
Ritzel  ein,  so  fällt  durch  Lösen  des  Splints  der  obere  Ritzel  hinunter  und  greift  in  den 'oberen 
unverletzten  Zahnkranz.  Zuweilen  sind  an  nur  einem  Zahnkranze  zwei  Reihen  Zähne  überein- 
ander angeordnet,  so  daß  der  obere  Ritzel  für  die  obere  Reihe  Zähne  bestimmt  ist.  Bei  einigen 
Schiffen  werden  auch  die  Zähne  in  einzelnen  Stücken  auswechselbar  eingerichtet  und  Ersatzteile 
mitgefuhrt  Neuerdings  wird  der  Zahnkranz  in  einem  Umfange  von  180^  angeordnet,  so  daß 
das  Ruder  beiderseits  um  90°  ausgedreht  werden  kann;   früher  begnügte  man   sich   mit  'einem 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  415 

kleineren  Ausschlagwinkel.  Diese  sogenannten  Quadranten  wurden  früher  aus  Gußeisen  oder 
Stahlguß  hergestellt,  werden  in  neuerer  Zeit  aber  oft  geschmiedet.  Die  Ritzel  macht  man  aus 
Rotguß,  Phosphorbronze  oder  Stahlguß.  Auch  das  auf  Deck  befindliche  Lager  für  den  Ruder- 
schaft, die  Ruderbüchse,  wird  oft  aus  Bronze  gefertigt 

Etwa  750  mm  über  Deck  ist  die  »SteuerbrUcke«,  der  Fußboden  des  St  euer  Stuhls  an- 
geordnet: Der  mittlere  Teil,  der  das  Lager  der  senkrechten  Welle  (Königstange)  von  meistens 
80  mm  Durchmesser  trägt,  ist  aus  Blech  und  darüber  ist  ein  30  mm  starker  Fußboden  angeordnet. 
Er  ist  rings  mit  einem  festen  eisernen  Handgeländer  umgeben  und  meistens  durch  zwei  Treppen 
vom  Deck  zugänglich.  Etwa  900  mm  über  dem  Fußboden  Ist  (oft  in  der  Höhe  verstellbar) 
das  wagerechte  Steuerrad  (Haspel)  aus  Schmiedeeisen  angebracht,  das  hier  einen  Durchmesser 
von  2,75  m  hat  Eine  seit  längerer  Zeit  hinzugefugte  Verbesserung  ist  die  Bremse  {d),  mit  der 
das  Steuerrad  festgehalten  wird.  Sie  wird  vom  Steuermann  mit  dem  Fuß  gelöst,  wenn  das 
Ruder  bewegt  werden  soll.  Die  Bremsscheibe  sitzt  auf  der  Königstange  nahe  über  der  Steuer- 
brücke. Zuweilen  wird  zum  Feststellen  des  Quadranten  noch  eine  besondere  Bremse  mit  Schrauben- 
spindel vorgesehen.  Zum  Schutz  gegen  Sonne  und  Regen  ist  über  dem  Steuerstuhl  in  der  Regel 
ein  Zelt  (Sonnenzelt)  angebracht,  das  oft  bis  an  die  Roef  ausgedehnt  wird.  Trotz  der  einfachen 
Obersetzung  kann  bei  dem  großen  Durchmesser  des  Handrads  leicht  eine  bedeutende  Kraft 
ausgeübt  werden.  In  unserem  Beispiele  betragen  die  Durchmesser  der  Teilkreise  von  Ritzel  und 
Zahnkranz  115  und  1 108  mm,  wobei  der  Ritzel  9  Zähne  hat 

Aber  für  alle  Verhältnisse  genügt  diese  Kraftübertragung  nicht.  Bei  der 
Weser  z.  B.  hat  sich  die  Anwendung  von  sehr  großen  Ruderblättern  (vgl. 
Abb.  284)  als  erforderlich  gezeigt,  zu  deren  Bewegung  trotz  der  kleineren 
Schiffe  doch  unter  Umständen  eine  größere  Kraft  nötig  ist.  Bei  der  Ein- 
führung der  rheinischen  Steuermaschine  war  man  deshalb  dort  gezwungen, 
zwischen  der  Welle  des  Handrads  und  dem  Quadranten  noch  ein  Vorgelege 
an  einer  besonderen  seitlich  aufgestellten  Welle  einzufügen  und  zwar  so,  daß 
es  nach  Bedarf  auch  ausgeschaltet  werden  kann. 

«  

Bei  Lastschiffen,  die  am  Heck  nicht  so  große  Breiten  haben  wie  die 
Rhein-  und  Weserschiffe,  kann  man  diese  Steuermaschinen  nicht  verwenden, 
zumal  der  Raum  auf  dem  Hinterdeck  zur  Handhabung  der  Anker-  und  Ver- 
holwinden, der  Schlepptaue,  Fahrbäume  u.  dgl.  gebraucht  wird.  Die  rhei- 
nische Einrichtung  erfordert  außerdem  auch  eine  große  freie  Höhe  über  dem 
Hinterdeck,  die  nicht  auf  allen  Wasserstraßen  zur  Verfügung  steht.  Zuweilen 
hat  man  wohl  die  Königstange  nahe  über  der  Steuerbrücke  durchschnitten  und 
durch  eine  lösliche  Kupplung  verbunden,  so  daß  man  den  oberen  Teil  mit  dem 
Handrad  beim  Durchfahren  niedriger  Brücken  vorübergehend  abnehmen  kann; 
aber  diese  Anordnung  ist  nicht  empfehlenswert.  Bei  den  neuen  stählernen 
Schiffen  auf  dem  Dortmund-Ems-Kanal  ist  es  gelungen,  diese  Steuermaschine  bei 
ziemlich  beschränkter  Höhe  anzuwenden,  so  daß  der  oberste  Punkt  des  Hand- 
rads beim  Leergang  des  Schiffes  nur  etwa  3,7  m  über  dem  Wasserspiegel  liegt. 

Bei  der  Anordnung  eines  senkrechten  Steuerrads  braucht  man  im 
Grundriß  weniger  Raum.  Bei  den  Donauschiffen,  wo  man  rücksichtlich  der 
Höhe  nicht  sehr  beschränkt  ist,  baut  man  wie  auf  dem  Rhein  einen  hohen 
Steuerstuhl,  der  dem  Steuermann  einen  freien  Ausblick  gewährt,  und  über- 
trägt die  Bewegung  der  doppelten,  2  m  im  Durchmesser  großen,  senkrechten 
Handräder  durch  Kegelradübersetzung  auf  die  Königstange,  die  unten  wie 
am  Rhein  mit  einem  Ritzel  den  Quadranten  antreibt  (Abb.  173  u.  176). 


416 


Abschnitt  11.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Wenn  man  die  Kraftübertragung  von  dem  Steuerrad  auf  den  Ruderschaft 
durch  eine  Kette  oder  ein  Drahtseil  bewirkt,  kann  man  die  Steuermaschine 
weiter  vorrücken  und  ist  weniger  beschränkt.  Ein  Beispiel  dieser  sehr  ver- 
breiteten und  namentlich  auf  Dampfschiffen  ziemlich  allgemein  üblichen  Ein- 
richtung ist  in  den  Abbildungen  291  und  292  dargestellt. 

Auf  das  obere  Ende  des  Ruderschafts  ist  eine  eiserne  Ketten-  oder  Seilscheibe  von  1,5 
bis  2  m  Durchmesser  aufgekeilt.  Diese  Scheibe  hat  2  übereinanderliegende  Rillen,  in  denen  je 
ein  Ende  der  Kette  oder  des  Seils  befestigt  ist,  die  in  einem  Bogen  von  etwa  180^  die  Scheibe 

Steuervonrichtung  mit  Kettenübertragung,  Abb.  291  und  292.    i :  40. 


Abb.  291.     Längsschnitt. 


K.-^ 


Abb.  292.     Grundriß. 


umspannen  und  dann  zur  Steuerwinde  gehen.  Sie  werden  dabei  durch  je  3  Rollen  gefiihrt,  von 
denen  die  hinterste  eine  wagerechte,  die  vordere  seitliche  eine  senkrechte,  und  die  vordere 
mittlere,  unter  der  Steuerwinde,  wieder  eine  wagerechte  Achse  hat.  Für  die  Stärke  der  Steuerketten 
und  für  den  Durchmesser  der  Kettenscheibe  (Quadrant)  sind  vom  G.  L.  Vorschriften  erlassen 
worden.  Die  Steuerwinde  bestand  früher  meistens  aus  einem  auf  der  wagerechten  Welle  des 
Handrads  befestigten  Ritzel,  der  in  die  Zähne  eines  mit  einer  Kettentrommel  verbundenen  Zahn- 
rads eingriff,  um  welche  die  Steuerkette  herumgeschlungen  war.  Die  Kette  blieb  somit  immer 
gespannt  und  bestand  aus  einem  Stück.  Neuerdings  verwendet  man  häufig  2  besondere  Ketten 
und  Winden  mit  2  Trommeln,  wie  sie  oben  in  den  Abbildungen  287  bis  289  dargestellt  worden 
sind.    Dem  Handrad  gibt  man  nach  Bedarf  einen  Durchmesser  von  0,8  bis  1,5  m  und  ordnet 


.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


417 


bei  groüen  Schiffen   die  SteuermaschiDe  so   an,   daß  die   ganze  Übersctmng  uageföhr  das  Vet- 
hiltnis  I  :  SO  bekommt. 

Zum  Schutz  des  Steuermanns  gegen  Regen,  Wind  und  Sonne  errichtet 
man  zuweilen  ein  besonderes  Steuerhäuschen  (»Ruderhaus*),  das  ganz  oder  teil- 
weise seitlich  und  hinten  geschlossen  und  mit  Fenstern  versehen  wird.  Dabei 
wird  auch  für  einen  beweglichen  Sitzplatz  für  den  Steuermann  gesorgt  Auf 
Wasserstraßen  mit  niedrigen  Brücken  muß  der  obere  Teil  oder  das  ganze 
Hauschen  abnehmbar  eingerichtet  werden.  Im  Falle  der  Not  wird  dann  zu- 
weilen selbst  das  Steuerrad  abgeschraubt  und  man  behilfl  sich  voriibet^ehend 
mit  einer  auf  den  Ruderschaft  gesetzten  eisernen  Notpinne.  Soweit  es  die 
Verhältnisse  erlauben,  gibt  man  dem  Steuermann  durch  einen  hölzernen  Auf- 


193  und  194.     Patentsteuer 


bau  (Gräting)  einen  erhöhten  Standpunkt,  damit  er  eine  möglichst  unbehinderte 
Aussicht  hat.  Diesen  Aufbau  verlängert  man  auch  nach  hinten  und  überdeckt 
damit  die  groQe  Kettenscheibe  und  die  Kettenleitungen.  Man  ist  bei  dieser 
Anordnung  in  der  Lage,  die  Steuerwinde  in  beliebigem  Abstände  von  dem 
Ruder,  mittschiffs  oder  auf  dem  Vordeck  aufzustellen.  Das  ist  namentlich 
bei  Dampfschiffen  von  Wicht^keit,  um  zu  verhüten,  daß  der  freie  Ausblick 
des  Steuermanns  durch  den  Schornstein  behindert  wird. 

Damit  der  Steuermann  jederzeit  die  Stellung  des  Ruderblatts  kennt,  wird 
an  der  Winde  durch  eine  besondere  Übersetzung  ein  Zeiger  bewegt. 

Um  die  zum  schnellen  Ausdrehen  des  Ruders  erforderliche  Kraft  zu  ver- 
mindern und  eine  ruhige,  gleichmäßige  Bewegung  zu  erzielen,  ist  seit  mehreren 
Jahren  an  der  Donau  ein  sogenanntes  Patentsteuer  im  Gebrauch,  das  in 
Abb.  293  und  294  daigestellt  ist.    Es  beruht  auf  der  Einschaltung  eines  Gegen- 


418  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

gewichts  in  die  Steuermaschine,  das  entsprechend  dem  wechselnden  Wasser- 
druck auf  dem  Ruderblatt  mehr  oder  weniger  wirksam  wird'). 

Zwischen  den  Rahmen  a  ist  unten  die  Trommel  d  gelagert,  auf  der  sich  die  Steuerkette  d^ 
aufwickelt.  Die  Trommel  wird  mittels  der  Kettenscheibe  d^,  der  Kette  i^  und  der  auf  der 
Welle  c  befestigten  Kettenscheibe  c^  durch  die  senkrechten  Steuerräder  ^  angetrieben.  Auf  der 
Welle  c  befindet  sich  ein  Zahnrad  ^3,  das  mittels  der  Vorgelege  ä  und  d^  und  des  Kurvenrfider- 
paares  ä^  und  d^  eine  Welle  /^  antreibt,  auf  der  ein  Hebel  /  mit  dem  Gegengewicht  /"»  auf- 
gekeilt ist.  Wenn  das  Steuerruder  in  der  Mittellinie  des  Schiffes  liegt,  befindet  sich  der  Hebel  y 
in  senkrechter  Stellung  und  übt  auf  die  Welle  c  und  die  Handräder  £^  kein  Verdrehungsmoment 
aus.  W^ird  jedoch  das  Ruder  mittels  der  Handräder  nach  der  einen  oder  der  anderen  Bordseite 
gedreht,  so  neigt  sich  das  Gewicht  /*  nach  der  entgegengesetzten  Seite  und  übt  ein  Drehungs- 
moment aus,  das  dem  des  Ruderdrucks  entgegengesetzt  ist  und  mit  diesem  wächst  oder  abnimmt. 
Das  Gewicht  kann  an  dem  Hebel  entsprechend  der  Fahrgeschwindigkeit  verschoben  werden. 

Sowohl  auf  den  Lastschiffen  wie  auf  den  Dampfern  der  k.  k.  privilegierten  Donau-Dampf- 
schiffahrts-Gesellschaft sollen  diese  Patentsteuer  sich  bewährt  haben,  so  daß  nur  i  Mann  in 
6  Sekunden  das  Ruder  um  37°  ausdrehen  kann,  wozu  früher  3  bis  4  Mann  und  16  Sekunden 
nötig  waren. 

Poller,  Klüsen  und  Klampen  (Knaggen)  sind  zum  Führen  und  Fest- 
legen (Belegen)  der  Taue,  Trossen,  Stränge  und  Seile  erforderlich.  Jedes 
Lastschiff  bekommt  Poller  sowohl  auf  dem  Vordeck  wie  auf  dem  Hinter- 
deck an  beiden  Borden.  Auch  auf  den  Bordgängen  pflegen,  wenigstens  bei 
großen  Schiffen,  einige  Poller  aufgestellt  zu  werden.  Gewöhnlich  ordnet  man 
sie  doppelt  an,  damit  man  das  Tau  gekreuzt  herumschlingen  und  dadurch 
leichter  die  erforderliche  Reibung  zum  Führen  und  Festlegen  erreichen  kann. 
Bei  den  großen  Rheinschiffen  ist  es  üblich,  auf  dem  Vordeck  beiderseits  je 
3  Poller  hintereinander  anzubringen,  die  zur  Befestigung  der  Schleppstränge 
bestimmt  sind.  Auf  dem  Hinterdeck  werden  gewöhnlich  je  2  Poller  beider- 
seits und  außerdem  ein  solcher  hinter  dem  Steuerruder  in  der  Mitte  des 
Hecks  angeordnet  (Abb.  280).  Man  stellt  sie  aus  Eichenholz,  aus  Guß-  oder 
Schweißeisen  her.  Hölzerne  Schiffe  bekommen  in  der  Regel  auch  hölzerne 
Poller,  die  aus  quadratischen  Hölzern  (20  bis  30  cm  stark)  hergestellt,  durch 
Schraubbolzen  mit  den  Bordwänden  verbunden  und  oben  mit  abgerundeten 
Kanten  versehen  werden.  Auch  bei  stählernen  Schiffen  sind  hölzerne  Poller 
(zuweilen  mit  2  mm  starkem  Messingblech  beschlagen)  viel  im  Gebrauch, 
namentlich  an  der  Elbe,  wo  man  besonders  die  zum  Schleppen  bestimmten 
gern  aus  Eichenholz  fertigt.  Sie  werden  (30  bis  35  cm  stark)  mittels 
Winkeleisen  und  Schraubbolzen  gut  mit  dem  Deck,  mit  der  Bordwand  und 
oft  auch  mit  der  Schottwand  verbunden.  Gußeiserne  Poller  werden  mit  der 
Bodenplatte  aus  einem  Stück  gegossen  und  bieten  den  Vorteil,  daß  man  ihnen 
eine  zum  Führen  der  Taue  günstige  Form,  namentlich  oben  eine  Wulst  oder 
einen  vorspringenden  Rand  geben  kann,  wodurch  das  Abgleiten  der  Taue 
verhindert  wird.  Zum  Schleppen  können  sie  bei  großen  Schiffen  nicht  ver- 
wendet werden,  weil  sie  nicht  genug  Sicherheit  bieten  und  oft  brechen.  Zu 
anderen  Zwecken  sind  sie   aber  wohl  geeignet,   zumal  sie  überall  leicht  an 

i)  Suppan,  Über  das  Steuern  der  Schiffe   und   das   sogenannte  Patentsteuer.     Zeitschrift 
für  Binnenschiffahrt,  1899,  S.  312. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  419 

den  Deckbalken  oder  auf  dem  Stringer  befestigt  werden  können.  Am  zuver- 
lässigsten sind  aus  Stahlblech  geschweißte  oder  genietete  Poller.  Die  großen 
auf  dem  Vordeck  der  Rheinschiife  angebrachten  Poller  haben  gewöhnlich  350 
bis  450  mm  Durchmesser,  550  bis  650  mm  Höhe  über  Deck  und  reichen 
ebenso  weit  unter  Deck,  wo  sie  auf  einem  Blech  stehen,  das  durch  starke 
Konsolen  mit  der  Bordwand  verbunden  ist.  Ihre  Blechstärke  beträgt  10  bis 
12  mm  und  sie  werden  mit  kräftigen  Winkelringen  sowohl  an  dem  Deck 
(von  unten)  wie  auf  der  unteren  Blechplatte  befestigt.  Der  vorderste  Poller 
auf  jeder  Seite  bekommt  meistens  noch  einen  Schutzmantel  von  10  mm 
Stärke,  weil  er  durch  die  Schleppstränge  am  meisten  beansprucht  wird.  Es 
ist  zweckmäßig,  die  Poller  rechtwinklig  zur  Deckfläche  zu  stellen,  so  daß  sie 
auf  dem  Vor-  und  Hinterdeck  infolge  des  üblichen  Sprungs  etwas  geneigt 
zur  Senkrechten  stehen.  Zuweilen  bekommen  die  Poller  oben  einen  durch- 
gesteckten eisernen  Querstock,  der  das  Abgleiten  der  Taue  verhindern  soll 
(z.  B.  an  der  Weser).  Die  Ansichten  über  die  Zweckmäßigkeit  dieser  Ein- 
richtung sind  aber  geteilt.  An  der  Donau  werden  die  Poller  »Büffel«  ge- 
nannt und  erhalten  zum  gleichen  Zweck  einen  etwas  überstehenden  Deckel. 
An  der  Rhone  (vgl.  Abb.  191)  werden  die  doppelten  Poller  oben  mit  einem 
dahinter  gelegten  starken  Querbalken  verbunden. 

Klüsen  sind  kreisförmige  Öffnungen  in  den  Bordwänden  oder  in  den 
Schanzkleidern  zum  Durchführen  von  Ketten  oder  Tauen.  Bei  stählernen 
Borden  bekommen  sie  meistens  ein  Futter  aus  Gußeisen  oder  hartem  Holz, 
in  hölzernen  Borden  einen  Eisenbeschlag.  Bei  hohem  Bug  oder  Heck  müssen 
zur  Durchführung  der  Ankerketten  besondere  Klüsrohre  aus  Eisenblech 
hergestellt  werden,  die  von  den  Ankerwinden 

in  geneigter  Richtung  (30  bis  45^  zur  Wage-  c         >^  /^         1 

rechten)  durch    das   Deck,  den  Schiffsraum 
und  die  Außenhaut  gehen. 

Den   Klüsen   ähnlich   sind   die   »Nagel-  /^ gv 

löcher«,  die  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  ^-         '^q  ^  d^ ^ 

üblich   sind.      Sie    haben    80   bis    120  mm  Abb.  295.    Klampe. 

Durchmesser  und  dienen  dazu,  senkrecht  zur 

Bordwand  hölzerne  Pflöcke  (Nägel)  von  gleicher  Dicke  und  300  bis  400  mm 

Länge  nach  Bedarf  hindurchzustecken,  an  denen  Taue  und  Seile   festgelegt 

werden. 

Die  Klampen  (Belegklampen)  dienen  dem  gleichen  Zweck.  Sie  werden 
auch  Knaggen  genannt,  aus  Eisen  hergestellt  und  mit  Schrauben  oder  Nieten 
an  den  Schiffswänden,  den  Kajüten  oder  dem  Deck  befestigt  (Abb.  295). 
»Verholklampen«  dienen  zum  Führen  der  Taue  beim  Verholen  des  Schiffes. 

Pumpen  zum  Entfernen  des  Wassers  aus  dem  Schiffsraum  sind  nicht 
bei  allen  Lastschiffen  angebracht.  Bei  offenen  Schiffen  begnügt  man  sich 
damit,  einen  Teil  der  Wegerung  (Bühne)  zu  beseitigen  und  das  angesammelte 
Wasser  mit  Schaufeln  u.  dgl.  über  Bord  zu  werfen.    An  den  östlichen  Wasset- 

27* 


420  Abschnitt  ü.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft 

Straßen  richtet  man  zuweilen  eine  besondere  Stelle  dazu  ein,  mittschiffs  oder 
mehr  nach  dem  Hinterschiff  zu,  wo  man  in  doppelter  Spantenentfernung  mittels 
hölzerner  Schottwände  einen  besonderen  Raum  (die  »Gate«)  abteilt,  der  beim 
Laden  freigelassen  wird.  Alle  besseren  gedeckten  Schiffe  erhalten  aber  in  jedem 
Laderaum  mindestens  einen  Pumpenkasten  oder  ein  Pumpenrohr,  in  die  man 
eine  tragbare  Handpumpe  einsetzen  kann.  Besonders  bei  Schiffen,  die  imter 
Zollverschluß  fahren,  ist  dies  notwendig,  weil  die  Mannschaft  während  der 
Reise  die  Laderäume  nicht  öffnen  und  betreten  darf.  Die  Pumpenkasten 
werden  aus  Holz  oder  aus  Eisenblech  von  3  bis  4  mm  Stärke  hergestellt 
Auf  den  Rheinschiffen  werden  gewöhnlich  in  jedem  Laderaum  2  Pumpen- 
rohre aus  Blech  angeordnet,  die  mit  den  Schotten  vernietet  werden  und  diese 
versteifen.  Oben  münden  sie  zuweilen  im  Bordgang,  besser  aber  in  dem 
Verdeck  der  Herfte  und  werden  durch  Deckel  verschlossen.  Sie  haben  in 
der  Regel  eine  Weite  von  200  bis  230  mm. 

Schutzgeländer  werden  neuerdings  bei  größeren  Schiffen  oft  an  den 
Bordgängen  angeordnet,  namentlich  bei  den  Rheinschiffen.  Sie  werden  immer 
losnehmbar  eingerichtet  und  bestehen  aus  700  bis  800  mm  hohen  eisernen 
Pfosten  (Szepter),  die  in  Abständen  von  etwa  2  m  in  eisernen  Schuhen  stecken 
und  oben  ein  durchgezogenes  angespanntes  Drahtseil  von  12  bis  15  mm 
Durchmesser  oder  eine  Kette  von  5  mm  Dicke  tragen.  Auf  offenen  stählernen 
Schiffen  der  östlichen  Wasserstraßen  setzt  man  die  Geländer  zuweilen  auf  die 
innere  Seite  des  Bordgangs  nach  dem  Laderaum  zu. 

Die  Einrichtungen  für  den  Zollverschluß  der  Laderäume  müssen  im  all- 
gemeinen nach  den  Forderungen  der  betreffenden  Behörden  getroffen  werden. 
Bei  Anwendung  eines  losen  Bretterdecks  werden  vor  allem  die  Gegensparren 
(auch  Schandeckel  genannt)  durch  Eisenstangen  u.  dgl.  fest  mit  dem  Bord- 
gang oder  der  Bordwand  verbunden,  beim  Plattendeck  dagegen  Eisenstangen 
durch  Ösen  gezogen,  die  fest  mit  den  Lukendeckeln  und  mit  dem  Tenne- 
baum verbunden  sind. 

Aborte  sind  erst  in  neuerer  Zeit  bei  den  großen  Lastschiffen  eingefilhrt. 
Sie  bestehen  meistens  aus  kleinen  Blechhäuschen,  die  auf  dem  Hinterdeck 
um  einige  Stufen  vertieft  neben  dem  Steuerrad  eingebaut  werden. 

Zur  Verständigung  zwischen  dem  Schiffer  und  der  Mannschaft  werden 
zwischen  dem  Stand  des  Steuermanns  auf  dem  Hinterdeck  und  der  vorderen 
Mannschaftskajüte  unter  dem  Vordeck  bei  großen  Schiffen  Sprachrohre 
oder  elektrische  Klingeln  angebracht. 

Femer  werden  gewöhnlich  zur  Ausstattung  gerechnet:  die  Treppen  und 
Leitern  für  die  Laderäume,  die  Landstege  und  Laufbohlen,  die  Kettenkasten 
und  Kettenbänke  und  die  später  noch  zu  erwähnenden  Ankerkrane.  Außer- 
dem werden  an  den  östlichen  Wasserstraßen  meistens  noch  Mast  und  Stange 
sowie  ein  Handkahn  (Rettungskahn)  mit  dem  Schiffskörper  mitgeliefert,  wäh- 
rend es  im  Rheingebiet,  wie  schon  erwähnt,  üblich  ist,  die  Ankerwinden 
nebst  Zubehör  bei  der  Bestellung  und  Lieferung  einzuschließen. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  LastschifTe. 


421 


Zur  Ausrüstung  werden  gewöhnlich  folgende  Teile  gerechnet: 
Das  Ankergeschirr  umfaßt  Anker,  Ankerketten,  Ankerwinden,  Anker- 
krane, Kettenstopper  usw.  Nicht  alle  Schiffe  führen  Anker:  Die  auf  den  west« 
lichen  Kanälen  im  EbaO,  in  Belgien  und  Frankreich  verkehrenden  Kanal- 
schiiTe  sind  meistens  damit  nicht  ausgerüstet,  weil  sie  auf  den  Kanälen  davon 
keinen  Gebrauch  machen  können  und  aus  schifTahrtpolizeilichen  Gründen  nicht 
dürfen.  Für  alle  auf  Strömen  verkehrende  Lastschiffe  sind  aber  die  Anker 
unentbehrlich.  In  der  Binnenschiffahrt  werden  zweiarmige  (Abb.  296  u.  297) 
und  vierarmige  Anker  (Abb.  298)  verwendet,  die  letzteren  besonders  auf  den 
östlichen  Wasserstraßen,  während  im  Rhein-  und  Wesergebiet  nur  zweiarmige 
vorkommen.  Diese  sind  stets  mit  einem  »Ankerstockc  versehen,  der  recht- 
winklig zur  Ebene  der  Arme  steht  und  beim  ausgeworfenen  Anker  auf  dem 
Boden  liegt,   so  daß  der  eine  Arm  mit  seiner  Schaufel  (auch  »Flunke«  oder 


-  »-  - 


db 


Abb.  296  und  297. 


r  t 


-/ 


Zweiarmiger  Anker. 


Abb.  298.    Vierarmiger  Anker. 


Hand  genannt)  in  den  Grund  eindringt.  Vierarmige  Anker  brauchen  keinen 
Stock,  weil  bei  der  Benutzung  stets  zwei  Flunken  in  den  Boden  greifen.  Zum 
Lichten  des  Ankers  wird  beim  vierarmigen  Anker  eine  besondere  Kette  mit 
Ring  und  Schelle  an  einer  der  Flunken  befestigt,  während  der  zweiarmige 
Anker  dazu  einen  Ring  am  unteren  Ende  des  Schafts,  im  Ankerkreuz,  trägt, 
an  dem  diese  Kette  angebracht  wird.  Am  Rhein  nennt  man  diesen  Ring 
>Öhr«  und  diese  Kette  »Öhringskette«.  An  den  östlichen  Wasserstraßen 
nennt  man  sie  »Boberkette«,  was  eigentlich  Bowerkette,  obere  Kette  bedeutet. 
Früher  führten  die  Lastschiffe  nur  Buganker,  wie  das  auch  heute  noch 
bei  kleineren  Schiffen,  z.  B.  beim  Kurischen  Reisekahn  (i),  bei  der  Tjalk  (36) 
und  anderen  üblich  ist.  Die  Schiffe  konnten  daher  im  Strom  nur  vor  Anker 
gehen,  wenn  sie  stromrecht,  also  mit  dem  Bug  stromauf  gerichtet  lagen.  Auf 
den  östlichen  Wasserstrassen  wurden  vor  etwa  30  Jahren  die  Heckanker 
eingeführt,  die  am  Rhein  schon  früher  im  Gebrauch  waren.  Sie  ermöglichen 
es,  auch  bei  der  Talfahrt  zu  ankern,  ohne  »umzugeben«  oder  »aufzudrehen«. 


422 


Abschnitt  11.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Jetzt  sind  die  großen  Lastschiffe  auf  Rhein,  Elbe  und  Oder  in  der  Regel 
mit  2  Bugankern  und  2  Heckankern  ausgerüstet,  die  bei  der  Fahrt  stets  klar 
zum  Werfen  gehalten  werden.  Außerdem  werden  noch  einige  Anker  zur 
Aushilfe  mitgeführt,  die  Stromanker,  Fahranker,  Wurfanker  oder  Landanker 
genannt  werden. 

Die  Wirksamkeit  der  Anker  hängt  in  erster  Linie  von  ihrem  Gewicht  ab, 
das  in  einem  gewissen  Verhältnis  zu  der  Größe  des  Schiffes  stehen  muß.  Nach 
dem  Gewicht  des  Ankers  ist  auch  die  Stärke  der  Ankerketten  zu  bemessen. 

Die  V.  V.  G.  berechnen  das  Gewicht  nach  der  Tragfähigkeit  des  Schiffes  und  verlangen 
für  je  100  t: 

in  der  Gruppe      i       3       5 


2  Anker  von  je 80     60     50 


I 
I 


und  an  Ketten: 


2  Ankerketten  (30  m  lang)  von  . 

1  Ankerkette       »    >       »         »     . 

2  Bowerketten  (35  m  lang)    »     . 


70 

13 
8 


50    45 
—    40 


18 


12 


21 
H 


7 
40  kg 

35  * 
35  » 

25  mm  Stärke 

22    * 

16    »  * 


Der   G.  L.    bestimmt    diese   Stücke    nach   dem   Inhalt    des   Schiffskörpers   in   m^,    der  zu 
o,8-L-B'H  angenommen  werden  kann.     Er  schreibt  dann  vor: 


Bis  zum  Inhalt  von 200 

Gewicht  der  beiden  Buganker  je  80 

Gewicht  des  Stromankers  ...  — 

Gewicht  des  Wurfankers    ...  — 

Für  den  Rhein  dagegen: 

Gewicht  des  ersten  Bugankers     .  100 

Gewicht  des  zweiten  Bugankers  .  60 

Gewicht  des  Heckankers    ...  40 

Gewicht  des  Stromankers  ...  30 

Gewicht  des  ersten  Wurfankers  .  20 

Gewicht  des  zweiten  Wurfankers  — 

Die  Kettenstärken  allgemein: 

Erste  Kette  (30  m) 13 

Zweite  Kette  (30  m) 13 

Für  den  Rhein  dagegen: 

Erste  und  zweite  Kette  ....  15 

in  Längen  von  50 

Dritte  Kette — 

in  Längen  von  — 


400  600 
150  200 


135 


165 
25 


190  270 
140  220 


100 
70 
40 


15 
H 

18 
70 

H 
50 


160 

HO 

50 
20 

17 
15 

20 
70 
16 

50 


1000 

280 

225 

40 

500 
380 
240 
190 
70 
40 

21 
18 

24 
80 
20 
60 


1500  m^ 
390  kg 
290 
60 

740 
580 
360 
270 

90 

60 

25  mm 

22  » 

28    > 
90  m 

23  mm 
70  m 


Für  die  amtliche  Untersuchung  der  Rheinschiffe  wird  das  erforderliche  Gewicht 
des  ersten  Bugankers  in  kg  aus  der  Fläche  des  eingetauchten  Hauptspants  und  einem  Er- 
fahrungswert ermittelt.  Dieser  ist  bei  Schiffen  über  400  t  =s  27  und  bis  400  t  &=  21.  Für  ein 
Schiff  von  10  m  Breite  und  2,5  m  Tauchtiefe  muß  dieser  Anker  also  ein  Gewicht  von  27  •  10-2,5 
=  Ö75  leg  haben.  Der  zweite  Buganker  (Notanker)  soll  mindestens  2/3  so  schwer,  ein  Heck- 
anker halb  so  schwer  sein  und  die  Fahranker  sollen  das  Gewicht  des  Notankers  zum  ersten 
Buganker  ergänzen,  also  zusammen  mindestens  ^3  von  dem  ermittelten  Gewicht  des  ersten  Bug- 
ankers haben.  Die  Länge  jeder  Bugankerkette  soll  10  m  mehr  als  die  Schiffslänge,  mindestens 
aber  40  m  betragen.  Die  Öhringsketten  sollen  um  5  m  länger  sein.  Das  Gewicht  einer  Bug- 
ankerkette soll  gleich  0,03  mal  dem  Gewicht  des  Ankers  mal  der  Länge  der  Kette  sein,  das 
Gewicht  einer  Öhringskette  gleich  1/3  des  Gewichts  der  Bugankerkette.  Es  sind  jedoch  auch 
Drahtseile  von  gleicher  Zugfestigkeit  zulässig.  Das  Verhältnis  zwischen  dem  Gewicht  und  den 
Abmessungen  ergibt  sich  angenähert  aus  folgender  Zusammenstellung,  worin  die  Buchstaben  sich 
auf  die  Abb.  296  bis  298  beziehen. 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


423 


Abmessungen  in  cm 


Gewicht 
kg 


Vierarmiger  Anker 


Zweiarmiger  Anker 


g 


g 


lOO 

i6o 
200 

350 
500 

800 


HO 

HO 

40 

8 

6,5 

HO 

120 

40 

xo 

7,7 

120 

130 

45 

10,5 

8,7 

155 

160 

75 

12,2 

>o,5 

— 

^^ 

I2S 

95 

158 

120 

164 

128 

186 

136 

230 

174 

250 

190 

39 

48 

49 

55 
72 

90 


9,8 

9,5 

II 

10,8 

12 

12 

14 

H 

18 

17,6 

20 

17,5 

135 

170 
180 

190 
250 
276 


6,5 

7,3 
8 

9,2 

11,9 

12,5 


Bug-  und  Heckanker  hängen  während  der  Fahrt  an  den  Öhrings-  oder 
Böwerketten,  die  gewöhnlich  durch  Rollen  an  den  über  Bord  reichenden 
Anker  kr  an  en  zu  den  Ankerwinden  fuhren,  während  die  am  Ankerring  be- 
festigten Ankerketten  in  loser  Bucht  durch  die  Klüsrohre  oder  einfachen 
Klüsen  auf  Deck  gehen.  Am  Rhein  findet  man  noch  oft  den  ersten  Bug- 
anker an  einem  durch  Ketten  und  Drahtseile  gegen  den  Schiffskörper  ver- 
steiften Bugspriet  hängen,  der  noch  aus  der  Zeit  des  Segelbetriebs  über- 
nommen ist.  Da  er  besonders  beim  Verkehr  in  den  Häfen  hinderlich  ist, 
verschwindet  er  allmählich.  Auch  an  den  östlichen  Wasserstraßen  findet  man 
zuweilen  ein  zum  Aufhängen  des  Ankers  bestimmtes  kurzes  Bugspriet,  das 
meistens  zum  Aufklappen  eingerichtet  ist.  Die  eisernen  drehbaren  Krane 
verdienen  aber  den  Vorzug. 

Die  Ankerketten  werden  verschieden  gehandhabt.  Auf  den  Rhein- 
schiffen werden  sie  vom  Anker  durch  das  Klüsrohr  und  den  Stopper  über 
die  Kettenscheiben  der  Winde  geführt  und  fallen  dahinter  meist  durch  Deck- 
klüsen in  den  Schiffsraum  und  in  den  auf  dem  Schiffsboden  angeordneten 
Kettenkasten  (Abb.  300  u.  301).  Sie  werden  mit  ihrem  Ende  am  Schiffs- 
körper (Kielschwein)  befestigt.  Will  man  den  Anker  werfen,  so  werden  die 
Kettenscheiben  der  Winde  ausgerückt,  so  daß  sie  sich  frei  bewegen  können, 
und  beide  Ketten  (Anker-  und  Ohringskette)  laufen  (durch  die  Bremsen 
etwas  gehemmt)  ab,  bis  der  Anker  faßt  und  die  Ankerkette  straff  ist, 
wobei  die  längere  Ohringskette  schlaff  bleibt.  Beim  Lichten  (Hieven)  des 
Ankers  wird  zuerst  die  Ankerkette  (auch  Kabelkette  genannt)  mit  der  Winde 
angeholt  und  die  Ohringskette  nachgeholt,  bis  das  Schiff  nahe  an  dem  Anker 
ist.  Dann  wird  mit  der  Ohringskette  der  Anker  aus  dem  Grunde  gelöst  und 
bis  zum  Kran  aufgewunden.  Schließlich  wird  noch  die  lose  Ankerkette  mit 
der  Winde  nachgeholt.  Auf  den  östlichen  Wasserstraßen  und  auf  der  Donau 
wird  in  der  Regel  die  Ankerkette  gar  nicht  über  die  Winde  geführt.  Sie  liegt 
vielmehr  auf  Deck  auf  der  Kettenbank  und  ist  mit  ihrem  Ende  oder  in  einer 
bestimmten  Länge  an  Pollern  festgelegt.  Die  Bowerkette  dagegen  ist  auf  der 
Trommel  der  Winde  aufgewickelt.  Zum  Ankerwerfen  wird  die  Trommel  aus- 
gerückt und  die  Bowerkette  läuft  ab,  wobei  die  auf  der  Trommel  angebrachte 


424  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Bandbremse  die  Geschwindigkeit  mäßigt.  Der  fallende  Anker  nimmt  die 
Ankerkette  mit,  bis  sie  abgelaufen  ist  und  straff  wird,  so  daO  der  Anker  an 
den  Poüern  wirkt.  Beim  Lichten  wird  nur  die  Bowerkette  mit  der  Winde  auf- 
gewickelt und  dann  die  Ankerkette  mit  der  Hand  nachgeholt. 

Die  Ankerwinden  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  zeigen  daher  keine 
weiteren  wesentlichen  Abweichungen  von  gewöhnlichen  Bockwinden,  Sie  and 
meistens  mit  doppeltem  Vorgelege  und  schweiÜeJsemen  Wangen  versehen. 
Außer  der  oft  aus  Holz  gefertigten  Trommel  werden  sie  gewöhnlich  noch  mit 
dnem  oder  zwei  >Köpfen<  ausgerüstet,  die  als  kleinere  Trommeln  außerhalb 
der  Wai^n  auf  der  Kurbel-  oder  Vorgelegewelle  sitzen  und  zu  anderen 
Zwecken,  z,  B.  zum  Verholen  des  Schiffs,  gebraucht  werden.  Auf  den  Rhein- 
schiffen  hat  man  eine  sehr  zweckmäßige  Anordnung  der  Ankerwinden,  die  in 
Abb.  299  dargestellt  ist. 


Abb.  299.      Ackeminde  emes  RheinscbiflTs   1:15. 

Die  Winden  haben  doppeltes  Vorgelege  sowie  ein  Schwungrad.  Auf  der  Hauptwelle 
«itzen  2  Kettenscheiben  a,  genau  passend  filr  die  AakerketCen,  und  aulierhalb  der  Wangen  z  eben- 
solche Kettenscheiben  h  für  die  Übringäketten,  die  zugleich  mit  2  Köpfen  c  vereinigt  sind.  Diese 
4  Scheiben  sind  frei  auf  der  Welle  beweglich  und  mit  je  einer  Bremsscbeibe  d  fest  verbunden, 
auf  der  ein  stählernes  Bremsband  gleitet,  das  mittels  Hebels  oder  Schraub  Spindel  angezogen 
werden  kann.  Die  Kupplung  der  4  Kcltenschciben  mit  der  Welle  geschieht  durch  Reibungs- 
kegel, die  durch  in  Schraubengewinde  laufende  Stellräder  y  nach  Bedarf  eingerückt  oder  ge- 
löst werden  können.  Die  S  mittleren  StellrSder  für  die  Ankerketten  sind  mit  HandgrÜTen  ver- 
sehen, die  auch  in  die  beiden  außen  Hegenden  im  ßedürfnisfall  eingesteckt  werden.  Zuweilen 
werden  an  der  Vorgelege »elie  noch  z  weitere  Köpfe  angebracht.  Diese  Winde  hat  sich  seit  langer 
Zeit  bewährt. 

Das  Verholen  der  Lastschiffe  muß  in  den  Häfen,  deren  Tiefe  den  Ge- 
brauch von  Schiebestangen  nicht  erlaubt,  durch  Taue  bewirkt  werden,  die  am 
Lande  oder  an  besonderen  Pfählen  (Dalben)  befestigt  sind.  Zum  Anholen 
dieser  Taue  benutzt  man  auf  dem  Schiffe  entweder  die  Köpfe  der  Anker- 
winden oder  besondere  Verholwinden.     Die  Taue  werden  dazu  in  Verhol- 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe. 


425 


Vorschiff  eines  großen  Rheinschiffs,  Abb.  300  und  301.    i  :  80. 


Abb.  300.     Längsschnitt. 


426 


Abschnitt  U.     Lastschiffe  ohoe  eigeoc  Triebkraft. 


klampen  oder  in  besonderen  Rollen  geführt,  die  auf  der  Reling  oder  den 
Bordwänden,  zuweilen  auch  auf  den  Pollem  angebracht  ^nd.  Man  benutzt 
als  Verholwinden  auch  kleine  an  den  Masten  angebrachte  Winden,  die  außer- 
dem beim  Löschen  und  Laden  Verwendung  finden  fz.  B.  beim  Rcisekahn, 
Abb.  25).  Auf  einigen  Schiffen  hat  man  auch  Spills  (Winden  mit  senkrechter 
Trommelwelle),  die  auf  der  Mitte  des  Verdecks  angeordnet  und  z.  B.  bei  den 
Penischen  {Abb.  117)  aus  Holz,  bei  den  Donauschiffen  (Abb.  173  u.  179)  aus 
Ejsen  hergestellt  sind. 

In  den  Abb.  300  und  301  ist  das  Vorschiff  eines  großen  Rheinschiffä  in  grüQcrem  MnSi- 
stabe  dargestellt,  woraus  die  Stellung  der  Ankerwinde,  die  Führung  der  Ketten,  die  Ankerkrane, 
sowie  aacb  die  Übrige  Aasrüstung  mit  Polleni  und  der  besonderen  Vcrhotwinde  ersichtlich  sind. 


Abb.  303.     Hinterdeck  eines  großen  Rheinschiffs 


Zwischen  beiden  Abbildungen  ist  noch  ein  Grundriß  der  4  Kettenkasten  eingeschaltet,  die  im  unteren 
vordersten  Schiffsraum  eingebaut  sind.  Bei  älteren  Schiffen  war  die  Ankerwinde  oft  mehr  nach 
hinten  gerückt,  so  daß  die  Ketten  durch  den  Manns chaftsraun)  frei  hindurchgingen  und  in  die 
unter  dessen  Futbodcn  angeuidneten  Kasten  fielen.  Das  war  unbequem,  und  man  schiebt  jetil 
mebtens  die  Ankerwinde  bis  über  das  Sicherheitsc  holt  vor,  wie  dargestellt.  In  der  Abb.  301 
ist  auch  der  Grundrili  vom  Hinterdeck  eines  groÜen  Rheinschiffs  mitgeteilt.  Man  erkennt  das 
große  Steuerrad  auf  dem  Steuerstubl,  zu  dem  zwei  kleine  Treppen  führen,  femer  die  beiden 
Heckanker  winden  (a)  mit  den  beiden  Kranen  (i',  7  Poller  (fj,  den  Abort  (i/|  und  das  Oberlicht  (/) 
fiSr  die  nntere  Kajüte.  —  Auf  neueren  großen  Rheinschiffen  sind  zum  Bewegen  der  Ankerwinden 
luweUen  im  Vor-  und  Hinterschiff  Beniingasmaschinen  aufgcütelll. 

Mäste    mit  Segelstangen    oder    Sprieten  werden  nicht  auf  allen 
Lastschiffen  geführt.    Schiffe,  die  ausschlieDlich  auf  Kanälen  verkehren,  tragen 


2.  Bau  und  Ausrüstung  der  Lastschiffe.  427 

in  der  Regel  keinen  Mast,  zumal  das  Segeln  dort  oft  verboten  ist.   So  fuhren 
z.  B.  die  westlichen  Kanalschiffe,  Penischen  u.  dgl.,  häufig  nur  einen  Treidelbaum 
mit.   Auch  die  großen  stählernen  Schiffe  auf  dem  Dortmund-Ems-Kanal,  auf 
der  Weser  und  auf  der  Donau  werden  ohne  Mast  gebaut.   Auf  den  östlichen 
Wasserstraßen  haben  sich  die  Mäste  noch  erhalten:   Der  kurische  Reisekahn 
und  auch  der  Boidack  führen  meistens  sogar  feste  Mäste,  die  übrigen  Schiffe 
bewegliche,   umlegbare.     Die  früher  auf  der  Elbe  und  der  Oder  üblichen, 
bis  40  m  hohen  Mäste,  die  für  große  Segel  bestimmt  waren,  sind  allmählich 
verschwunden,  und  jetzt  werden  nur  kleine  Mäste  benutzt,  die  bei  Schiffen 
von   300  bis  1000  t  Tragfähigkeit   22  bis  30  m   lang  und  unten  im  Durch- 
messer 350  bis  430  mm  stark  sind.     Sie  werden  aus  Fichtenholz  hergestellt 
und  haben  ein  Gewicht  von  850  bis  1850  kg  im  frischen,  von  550  bis  1200  kg 
in   lufttrockenem  Zustande.     Wie  schon  (S.  398)  erwähnt,  wird  für  ihre  Auf- 
stellung und  Bewegung  bei  guten,  gedeckten  Schiffen  ein  Köcher  eingebaut, 
der  oben  über  der  Deckstülpe  die  Mastlager  trägt  (vgl.  Abb.  265).    Der  Mast 
wird   am  besten  an  dieser  Stelle  durchbohrt  und  mit  einem  durchgesteckten 
eisernen  Drehzapfen  von  50  bis  65  mm  Stärke  versehen.     Er  wird  in   senk- 
rechter Stellung  durch  das  »Vorstag«    (das  von  seiner  Spitze  zum  Vorsteven 
gezogene  Drahtseil)  gehalten  und  außerdem  gewöhnlich  durch  einen  an  seiner 
Vorderseite  unten  angebrachten  starken  eisernen  Riegel,  der  in  der  erwähnten 
Abbildung  dargestellt  ist.   Er  wird  zum  Niederlegen  des  Mastes  hochgezogen 
und  der  gelöste  Vorstag   mit   einem  Tau  verbunden,    das   durch   einen  am 
Vorsteven  befestigten  Block  zur  Ankerwinde  geführt  wird,  so   daß  mit  Hilfe 
der  Bremse  der  Mast  langsam  herabgelassen  wird  und  die  in  der  Abbildung 
punktierte  Lage  einnimmt.     Er  liegt  dann  mit  dem  längeren  hinteren  Teile 
auf  der  Deckstülpe.   Wenn  er  hier  etwa  beim  Durchfahren  niedriger  Brücken 
hinderlich  wird,   löst  man   die  Schrauben  des  Mastlagers,   beseitigt  auch  die 
beiden  Lagerböcke  und  kann  so  den  Mastbaum  auf  der  geneigten  Deckfiäche 
nach  Bedarf  hinunterrollen.     Zum  Bewegen  des  Mastbaums   längsschiffs  be- 
dient man  sich  einer  hölzernen  »Mastenwalze«  von  300  bis  400  mm  Durch- 
messer.    Zum  Aufrichten  des  Mastes  benutzt  man  die  sogenannte  »Mücke*, 
das  ist  eine  3  bis  4  m  lange  Stange  aus  Holz  oder  Eisen,  die   oben  eine 
Rolle  trägt  und  unten  rechtwinklig  zum  Mäste  an  dessen  unterstem  Ende  be- 
festigt wird.   Bei  der  in  Abb.  265  dargestellten  Bauweise  ist  hierzu  bei  a  eine 
besondere  Vorrichtung  angebracht,  wo  die  Mücke  mittels  eines  Bolzens  fest- 
gemacht und  dann  seitlich  abgesteift  wird.    Ofl  wird  ihr  unteres  Ende  in  ein- 
facher Weise  in  ein  im  Mäste  ausgebohrtes  Loch  gesteckt.    Wenn  das  Vorstag 
mit  dem  daran  befestigten  Tau  über  die  obere  Rolle  der  Mücke  und  durch  den 
Block  am  Vorsteven  zur  Ankerwinde  gefuhrt  wird,   bekommt  man  ein  gutes 
Hebelverhältnis  und  kann  mit  der  Winde  den  Mast  ohne  große  Anstrengung 
aufrichten,  bis  er  wieder  im  Köcher  steht.    In  ähnlicher  Weise  wird  der  Mast 
der  holländischen  Aak  gehandhabt,  wie  aus  Abb.  93  ersichtlich  ist;  doch  wird 
dort  die  Hilfstange  (Mücke)  nicht  unten  am  Mast,  sondern  auf  Deck  befestigt. 


428 


Abschnitt  IL     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Am  Rhein  werden  die  Mäste,  wenn  sie  überhaupt  noch  angeordnet 
werden,  meistens  nur  zum  Löschen  und  Laden  benutzt  (vgl.  Abb.  96  u.  loi). 
Die  zur  Befestigung  dienenden  einfachen  Köcher  sind  schon  oben  beschrieben 
worden.  Die  Bewegung  durch  die  am  Köcher  angebrachte  Mastwinde  ist  in 
Abb.  303  dargestellt:  Das  Seil  ist  am  unteren  Ende  des  Mastes  fest,  fuhrt 
über  eine  unten  am  Köcher  und  über  eine  unten  am  Mast  angebrachte 
Rolle  zur  Windetrommel.  Beim  Niederlegen  wird  diese  Trommel  ausgerückt 
und  gebremst.  Die  Mäste  der  großen  RheinschifTe  sind  im  Durchschnitt 
etwa  20  m  lang,  die  Ladespriete  etwa  15  m;  sie  werden  aus  Fichtenholz  an- 
gefertigt. Zuweilen  macht  man  sie  aus  Stahlblech  von  4  bis  6  mm  Stärke,  be- 
sonders wenn  sie  als  Lademaste  dienen  sollen.  Bei  18  m  Länge  bekommen 
sie  unten  einen  Durchmesser  von  350,  oben  einen  solchen  von  200  mm.    Die 

einzelnen  2,5  bis  3  m  langen  Teile 
werden  versenkt  genietet  und  durch 
innere  Laschen  miteinander  ver- 
bunden. Zur  Versteifung  werden 
innen  noch  zwei  durchlaufende  Win- 
kel von  etwa  50 -40 -5  mm  Stärke 
angebracht. 

Fahrbäume,  Bundstaken, 
Schor bäume  (auch  Schoore  oder 
Schurbäume  genannt,  vom  hollän- 
dischen »schooren«,  d.  i.  stützen, 
stemmen)  oder  Schrecke  (auch 
Schricke)  sind  3  bis  5  m  lange,  15 
bis  20  cm  starke  Rundhölzer,  die 
unten  einen  eisernen  Schuh  mit 
einer  oder  zwei  kräftigen  Spitzen 
(»Forke«)  und  oben  ein  30  bis  40  cm  langes  aufgezapftes  Querholz  tragen. 
Sie  dienen  zum  kräftigen  Abdrücken  des  Schiffes  von  der  Flußsohle  zur 
Unterstützung  der  Steuerwirkung  oder  zur  Hemmung  der  Fahrt  Man  setzt 
sie  während  der  Fahrt,  vom  Vordeck  oder  vom  Hinterdeck  aus,  etwas  seit- 
wärts voraus  (in  der  Fahrtrichtung)  schräg  gegen  den  Grund  und  schlingt 
schnell  um  das  obere  Querholz  ein  kräftiges  Tauende,  das  an  einem  starken 
Ringe  (Pötting)  nahe  den  Pollern  auf  Deck  befestigt  ist.  Das  Schiff  hebt 
sich  dann  etwas  und  wird  kräftig  zur  Seite  gedrängt.  Beim  »Umgeben«  oder 
»Aufdrehen«  eines  Lastschiffs  oder  Dampfschiffs  leisten  diese  Fahrbäume  sehr 
gute  Dienste.  Sie  werden  auch  zum  Stützen  eines  vor  Anker,  besonders  vor 
dem  Heckanker,  liegenden  Schiffes  angewendet  und  sind  fast  auf  allen 
Wasserstraßen  gebräuchlich. 

Die  Schleppkette  (lang  und  schwer)  dient  gleichfalls  zur  Hemmung 
der  Fahrt  imd  zur  Unterstützung  der  Steuerwirkung,  besonders  bei  großen 
Wassertiefen,  die  die  Anwendung  von  Fahrbäumen  und  Schiebestangen  nicht 


Abb.  303.    Mastwinde  auf  einem  RheinschifT  1:75. 


3.  Die  Kosten  der  Lastschüfe.  429 

t 

erlauben.    Häufig  benutzt  man  sie  beim  Rückwärtstreiben  zu  Tal  (»Sacken«), 
besonders  beim  Durchfahren  enger  Brückenöffnungen. 

Zur  Ausrüstung  gehören  ferner  noch:  Schiebestangen  (auch  Schiebruder 
genannt],  Bootshaken,  Peilstangen,  Taue  und  Trossen  (zum  Schleppen,  Ver- 
holen, Landfestmachen  u.  dgl.),  Reibhölzer  und  Korkballen  (auch  Fender  ge- 
nannt,  zum  Schutz  des  Schiffes  gegen  Stöße),  Signallaternen  und  Flaggen. 

Alle  größeren  Lastschiffe  fuhren  auch  einen  Handkahn  (Rettungsboot 
oder  «Flieger«)  mit  sich  und  andere  Hilfsmittel  bei  Unfällen:  Rettungsringe, 
geeignete  Stoffe  zum  Verstopfen  eines  Lecks,  wasserdichte  Leinwand  (Per- 
senning) zum  Unterziehen  unter  dem  Schiffsboden,  am  Rhein  Leckkleider 
oder  Rettungskleider  genannt;  femer  Windeheber,  Scherzeug  und  andere 
Geräte.  Schließlich  sind  noch  Behälter  (Kasten  oder  Fässer)  für  Trinkwasser 
und  einzelne  Ersatzteile  für  die  Steuervorrichtung  zu  erwähnen. 

Anstrich.  Über  die  Behandlung  der  hölzernen  Schiffe  ist  oben  (S.  378) 
gesprochen  worden.  Noch  wichtiger  ist  ein  guter  Anstrich  bei  eisernen  und 
stählernen  Schiffen,  wenn  sie  nicht  in  ganz  kurzer  Zeit  dem  Rost  zum  Opfer 
fallen  sollen.  Schon  beim  Bau  müssen  die  »Landungen«,  das  sind  die  inneren 
Flächen  der  zusammen  zu  nietenden  Teile,  gut  gereinigt  und  mit  Öl  oder 
Mennige  gestrichen  werden.  Das  fertige  Schiff  wird  sauber  gereinigt  und 
getrocknet  und  in  der  Regel  zuerst  mit  einem  Anstrich  von  Mennige  und  dann 
mit  einem  zweimaligen  von  Ölfarbe  versehen.  Dieser  erste  Anstrich  pflegt  nicht 
lange  zu  halten,  weil  die  Stahlbleche  beim  Walzen  eine  ganz  dünne,  feine  Haut 
(Walzhaut,  Zunder)  bekommen,  die  sich  bald  mit  der  Farbe  ablöst.  Man  soll  des- 
halb jedes  neue  Schiff  nach  dem  ersten  Winter  mit  einem  neuen  Anstrich 
versehen,  nachdem  der  erste  und  die  etwa  entstandenen  Roststellen  entfernt 
sind.  Der  Anstrich  muß  überhaupt  alle  2  bis  3  Jahre  über  Wasser  und  alle 
1 7a  bis  2  Jahre  unter  Wasser  erneuert  werden.  Man  ist  seit  Jahren  bemüht, 
für  den  Boden  und  die  unter  Wasser  befindlichen  Teile  einen  dauerhafteren 
Anstrich  zu  finden.  Die  besten  Erfolge  hat  man  bisher  mit  Steinkohlenteer 
gemacht,  der  mit  Petroleum  (^/j),  neuerdings  auch  mit  Zement  gemischt  wird. 
Gut  soll  sich  auch  der  Anstrich  mit  Blackvarnish  bewährt  haben. 

Schwer  zugängliche  innere  Teile  des  Bodens,  besonders  an  den  Steven 
in  der  Piek,  werden  mit  Zementmischungen  (i  Teil  Zement,  2  Teile  grober 
Sand)  ausgefüllt.  Man  macht  bei  Binnenschiffen  davon  aber  weniger  Ge- 
brauch als  bei  Seeschiffen,  um  das  Eigengewicht  nicht  zu  vergrößern. 

3.  Die  Kosten  der  Lastschiffe. 

Die  Beschaffung  der  Lastschiffe  erfolgt  in  der  Regel  auf  Grund  eines  mit 
der  SchifTbauanstalt  abgeschlossenen  Vertrags.  Dieser  enthält  die  Ver- 
einbarungen über  die  Lieferfrist  (bei  guten  stählernen  Lastschiffen  6  bis 
8  Monate),  den  Kaufpreis,  die  Zahlungsbedingungen  und  die  Haftpflicht  des 
Unternehmers  für  die  Mängel  infolge  schlechten  Baustoffs  oder  fehlerhafter 


430  Abschnitt  II.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

Bauweise,  die  sich  meistens  auf  6  bis  8  Monate  erstreckt.  Ein  wesentlicher 
Teil  des  Vertrags  ist  die  beigefugte  Beschreibung  des  zu  erbauenden  Schiffes 
(auch  »Besteck«  genannt),  in  der  die  einzelnen  Bauteile  mit  ihren  Abmessungen 
und  Stärken  mehr  oder  minder  vollständig  aufgeführt  und  besonders  auch  der 
Leertiefgang  und  die  Tragfähigkeit  festgesetzt  werden.  Femer  gehört  dazu 
eine  Zusammenstellung  der  mitzuliefernden  Ausstattungs-,  Ausrüstungs-  und 
Ersatzstücke.  Der  Besteller  behält  sich  im  Vertrage  oft  noch  das  Recht 
vor  auf  Prüfung  der  zu  verwendenden  Baustoffe  und  auf  Überwachung  des 
Baues  durch  seine  Beauftragten.  Auch  wird  wohl  die  Lieferung  genauer 
Bauzeichnungen  vereinbart,  falls  diese  nicht  schon  dem  Vertrage  beigefugt 
wurden. 

Manche  Schiflfbauanstalten  erbauen  zuweilen  aus  Mangel  an  genügenden 
anderen  Aufträgen  auf  eigene  Rechnung  Lastschiffe  in  den  üblichen  Ab- 
messungen und  Einrichtungen  und  verkaufen  sie  während  oder  nach  Voll- 
endung des  Baues.  Dies  Verfahren  bietet  unter  Umständen  dem  Käufer  ge- 
wisse Vorteile. 

Der  Nutzwert  eines  Lastschiffs  wird  für  den  Besteller  außer  anderen 
schon  (S.  264)  erwähnten  Anforderungen  in  erster  Linie  durch  die  Tragfähig- 
keit bestimmt,  die  sich  aus  der  amtlichen  Eichung  ergibt.  Die  Her- 
stellungskosten werden  außerdem  durch  die  Baustoffe  (Holz  oder  Eisen), 
die  Festigkeit  (mehr  oder  minder  gute  Versteifung  u.  dgl.),  die  Einrich- 
tung (von  Deck,  Laderaum  und  Kajüten)  und  die  Ausstattung  (namentlich 
der  Kajüten)  bedingt.  Die  SchifTbauanstalt  ermittelt  den  Verkaufspreis 
auf  Grund  einer  genauen  Berechnung  der  erforderlichen  Baustoffe  (die  schon 
bei  der  Aufstellung  des  Entwurfs  zur  Feststellung  der  Verdrängung  und  des 
Leertiefgangs  nötig  ist,  vgl.  S.  246),  aus  den  Kosten  dieser  Baustoffe,  aus 
den  Arbeitslöhnen  und  aus  den  allgemeinen  Unkosten  einschließlich  des 
Unternehmergewinns. 

Zur  Schätzung  und  zum  Vergleich  der  Neubaukosten  von  ähnlich  ge- 
bauten und  eingerichteten  Lastschiffen  verschiedener  Größe  empfiehlt  sich 
ihre  Tragfähigkeit.  Die  Menge  der  erforderlichen  Baustoffe  kann  man  nach 
dem  toten  Gewichte  schätzen.  In  der  Tafel  auf  Seite  347  waren  für  eine 
Reihe  der  gebräuchlichsten  Lastschiffe  die  Wasserverdrängungen  in  leerem 
und  beladenem  Zustande  (Spalte  9  und  10)  zusammengestellt  und  aus  Spalte  11 
ergab  sich,  daß  das  tote  Gewicht  zwischen  0,13  (bei  der  Penische)  und 
0,27  (bei  dem  gedeckten  Oderschiff  nach  Finowmaß  mit  Holzboden)  der 
Tragfähigkeit  schwankte.  Das  tote  Gewicht  umfaßt  den  Schiffskörper 
mit  allen  festen  Teilen  (Schiffseigengewicht),  die  Ausstattung  der  Kajüten, 
die  Ausrüstung  (Anker,  Ketten,  Trossen,  Tauwerk,  Segel,  Stangen  u.  dgl.), 
die  Bemannung  und  deren  Vorräte  und  Lebensmittel.  Wenn  man,  wie 
meistens  üblich,  zu  dem  Schiffskörper  auch  die  Ankerwinden  (was  für  die 
ostdeutschen  Wasserstraßen  allerdings  nicht  zutrifft)  sowie  die  Ausstattung 
der  Kajüten  rechnet,  so  entfallt  von  dem  toten  Gewicht  auf  die  Ausrüstung, 


3.  Die  Kosten  der  Lastschiffe.  431 

Bemannung  und  deren  Zubehör  ein  Anteil  von  0,03  bis  0,06,  gewöhnlich 
0,05,  je  nach  dem  mehr  oder  minder  reichlichen  Maß  der  Ausrüstung  und 
der  Bemannung.  Bei  Kanalschiffen  ist  der  Anteil  am  kleinsten:  z.  B.  bei  den 
Penischen,  die  weder  Anker,  noch  Winden,  noch  Mäste,  noch  Segel  fuhren, 
zuweilen  noch  etwas  kleiner  als  0,03. 

Wenn  man  diesen  geringfügigen  Anteil  0,03  bis  0,06  vernachlässigt,  ent- 
fallen vom  toten  Gewicht  bei  stählernen  Schiffen  mit  Holzdeck  etwa  0,75  auf 
Stahl  und  Eisen  und  0,25  auf  Holz  (nebst  Werg,  Teer,  Farbe,  Glas  u.  dgl.), 
bei  solchen  mit  hölzernem  Boden  dagegen  etwa  0,5  auf  Stahl  und  Eisen.  Bei 
genauer  Ermittelung  der  Gewichte  werden  bei  Eisen  und  Stahl  5  bis  7  v.  H. 
für  Niete  und  Stöße  hinzugerechnet.  Für  die  Kostenberechnung  werden 
ferner  Zuschläge  für  Verschnitt  gemacht,  etwa  für  Holz  30  v.  H.  und  für 
Eisen  10  v.  H. 

Die  Preise  der  Baustoffe  schwanken  nach  Ort  und  Zeit. 

Die  Holzpreise  sind  im  allgemeinen  nicht  sehr  veränderlich,  wenn  man 
von  ungewöhnlichen  Holzarten  absieht.  Man  zahlt  je  m^  für  Pichpine-  oder 
Eichenholz  120  bis  130  Mark,  für  Kiefernholz  (an  den  östlichen  Wasser- 
straßen] 60  bis  70  Mark,  für  Fichtenholz  50  bis  55  Mark  und  für  Teakholz 
270  bis  290  Mark.  (Bei  der  Gewichtsberechnung  wird  mit  Rücksicht  auf  den 
schwankenden  Wassergehalt  gewöhnlich  i  m^  Eichenholz  mit  0,9  t  und  i  m^ 
Kiefern-  oder  Fichtenholz  mit  0,7  t  angesetzt.) 

Die  Preise  von  Stahl  und  Eisen  sind  selbst  für  denselben  Ort  zeitlich 
sehr  verschieden,  namentlich  für  Bleche  und  Formeisen  (Winkel  u.  dgl.).  Für 
Schmiedestücke  zahlt  man  je  Tonne  250  bis  350  Mark,  je  nachdem  es  sich  um 
kleine  oder  größere,  schwierigere  Teile  handelt,  und  für  Niete  und  Gußeisen- 
stücke kann  man  230  bis  260  Mark  rechnen.  Die  von  diesen  Eisenteilen  nötigen 
Mengen  sind  unbedeutend  gegenüber  dem  Bedarf  an  gewalztem  Blech  und 
Formstahl.  In  Deutschland  schwanken  die  Preise  für  die  Tonne  Schiffbau- 
stahl zeitlich  bei  Blech  zwischen  iio  und  150  M.  und  bei  Formstahl  zwischen 
95  und  130  Mark  (frei  Werft).  Zu  diesen  Grundpreisen  treten  noch  Überpreise 
für  besonders  dünn  und  schwierig  zu  walzende  Bleche  und  Formstahle  (z.  B. 
Relingeisen),  die  unter  Umständen  bis  300  Mark  je  t  betragen  können.  Diese 
Unterschiede  der  Grundpreise  beeinflussen  wesentlich  den  Preis  der  Schiffe. 
Auf  eine  Tonne  Tragfähigkeit  entfallt  z.  B.  bei  einem  gedeckten  Oderschiff 
mit  Holzboden  etwa  0,13  t  Blech  und  Formstahl  und  bei  einem  Rheinschiff 
etwa  0,16  t.  Der  Preis  des  Schiffes  kann  daher  allein  aus  diesem  Grunde 
im  ersten  Beispiele  um  5  Mark,  im  zweiten  um  6  Mark  je  Tonne  Tragfähigkeit 
schwanken. 

Dazu  treten  noch  örtliche  Unterschiede.  In  Deutschland  werden  die 
Preise  dieser  Baustoffe  von  den  Syndikaten  festgesetzt,  die  unter  Umständen 
nach  dem  Auslande  dieselben  Waren  billiger*)  verkaufen.    Aus  diesem  Grunde 


i)  Es  wird  behauptet,  daß  der  Preisunterschied  je  Tonne  bis  zu  30  M.  betragen  hat. 


432  Abschnitt  n.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft 

können  z.  B.  die  holländischen  Werften  nicht  nur  Rheinschiffe,  sondern  auch 
Schiffe  für  den  Dortmund- Ems- Kanal  und  selbst  für  die  Weser  (mit  Beför- 
derung über  See)  aus  gleichem  Baustoffe  unter  Umständen  erheblich  billiger 
liefern  als  die  deutschen  Schiffbauanstalten  an  diesen  Wasserstraßen;  denn 
in  Deutschland  besteht  kein  Einfuhrzoll  auf  Schiffe,  während  für  in  Deutschland 
gebaute  Schiffe  beim  Verkauf  nach  Rußland,  Osterreich  und  Frankreich 
bedeutende  Einfuhrzölle  zu  entrichten  sind.  Hierunter  leidet  der .  deutsche 
Schiffbau. 

Die  erheblichen  Unterschiede  und  Schwankungen  der  Arbeitslöhne 
nach  Ort  und  Zeit  sind  bekannt.  Auch  in  dieser  Beziehung  treten  die  hol- 
ländischen Werften  mit  den  deutschen  in  empfindlichen  Wettbewerb,  weil  dort 
(besonders  in  der  Provinz  Groningen)  die  Arbeitslöhne  erheblich  billiger  sind, 
ziunal  es  dort  keine  Arbeiterversicherung  gibt^).  Man  veranschlagt  die  Arbeits- 
löhne für  alle  Stahl-,  Eisen-  und  Schmiedearbeiten  zu  etwa  i  lo  Mark  je  Tonne 
und  für  die  Holzarbeiten  zu  iio  bis  115  Mark  ie  m^'). 

Die  allgemeinen  Unkosten  umfassen  die  Verzinsung  der  Werftanlage, 
die  Abnutzung  der  Maschinen  und  Geräte,  die  Arbeiterfiirsorge,  die  Aufstellung 
des  Entwurfs,  die  Aufsicht,  Verwaltung  imd  Leitung  sowie  sonstige  Geschäfts- 
unkosten. Bei  einer  kleinen  SchifTbauanstalt  ist  dieser  Kostenanteil  vielleicht 
geringer  als  bei  einer  großen ;  diese  wird  aber  durch  zweckmäßigeren  Maschinen- 
betrieb an  Arbeitslöhnen  sparen  und  oft  auch  bessere  Arbeit  leisten.  Die 
allgemeinen  Unkosten  werden  geringer,  wenn  mehrere  Lastschiffe  nach  dem- 
selben Entwurf  gebaut  werden;  sie  schwanken  sehr,  jenachdem  die  Werft 
beschäftigt  ist.  Man  veranschlagt  die  allgemeinen  Unkosten  zu  50  bis  70  v.  H. 
der  Arbeitslöhne  (etwa  50  bis  60  v.  H.  bei  Eisenarbeiten,  55  bis  65  v.  H.  bei 
SchifTbauarbeiten  m  Holz  und  60  bis  70  v.  H.  bei  Tischlerarbeiten).  Den  Unter- 
nehmergewinn stellt  man  mit  10  v.  H.  der  Summe  in  den  Anschlag  ein. 

Im  Durchschnitt  kann  man  annehmen,  daß  von  den  gesamten  Kosten 
0,5  auf  die  Baustoffe  (nebst  Ausstattung),  0,25  auf  die  Arbeit,  0,15  auf  die 
allgemeinen  Kosten  und  0,1  auf  den  Gewinn  entfallen.  Von  Einfluß  auf  die 
Höhe  des  Preises  sind  auch  die  Zahlungsbedingungen,  die  verschieden 
vereinbart  werden.  Zuweilen  werden  von  dem  Kaufpreise  15  v.  H.  bei  dem 
Vertragsabschluß,  30  v.  H.  nach  der  Beplattung,  30  v.  H.  nach  der  Ablieferung 
und  25  V.  H.  nach  Ablauf  der  Haftzeit  gezahlt.  Wenn  der  Besteller  einen  er- 
heblichen Teil  des  Preises  lange  Zeit  schuldig  bleibt  oder  die  Restsumme 
als  Hypothek  auf  das  Schiff  eintragen  läßt,  wird  von  der  Schiffbauanstalt 
in  der  Regel  ein  höherer  Preis  gefordert  werden  müssen. 

Die  im  Laufe  der  Jahre  1905  bis  1910  wirklich  bezahlten  Preise  für 
Lastschiffe  sind  in  der  nachstehenden  Tafel  zusammengestellt  In  Spalte  2 
ist  die  Nummer  mitgeteilt,  unter  der  das  betreffende  Schiff  früher  beschrieben 


i)  Es   wird   behauptet,   daß   die   Arbeitslöhne   für  ein  großes  Rheinschiff  in  Holland   um 
5000  bis  7000  Mark  niedriger  sind. 

2)  Vgl.  Hern  er,  Das  Veranschlagen  von  Schiffen.     Hannover  1906.     (Seeschiffe.) 


3.  Die  Kosten  der  LastschifTe. 


433 


worden  ist.  Die  Ergebnisse  der  Umfragen  bei  den  Schiffseignern  und  Schiff- 
bauanstalten sind,  auf  eine  Tonne  der  amtlich  geeichten  Tragfähigkeit  bezogen, 
in  der  Spalte  6  aufgeführt,  während  in  Spalte  5  der  durchschnittliche,  mittlere 
Preis  fiir  das  Schiff  angegeben  ist.  In  diesen  beiden  Preisen  sind  die  Kosten 
der  Ausrüstung  nicht  mit  enthalten,  sondern  in  der  Spalte  7  besonders  mitgeteilt. 


I      2 


Nr. 


Des  SchifTes 


Nr. 


Art  des  Schiffes 


Trag- 
mhigkeit 


Mittlerer 
Preis 

Mark 


Boidack 


I.  Hölzerne,  offene  Schiffe. 

1     150 


3  I     7 

4  i  37  |! 

5  i  48  , 


Zille,  böhmische  mit  hölzernen  Spanten 
»  >  »     gemischten      > 

>  »  >     eisernen  » 

'       Berliner,  aus  Kiefernholz  .... 

Oderschiff,  Finowmaß 

»  Breslauer  Maß 

Emspünte 

Trauner 


350 
200 

200 

200 

200 

210 

500 

180 

72 


3300 
6300 
2  600 
3800 
4600 
4400 
5700 
15  000 
4500 
400 


II.  Hölzerne,  gedeckte  Schiffe. 


6  !     I  ';  Kurischer  Reisekahn,  Kiefernholz  . 


Eichenholz 


7 

4  " 

8 

6 

9 

7 

1 

9 

10 

II 

25 

12 

35  : 

13 

8 

9: 

14 

12 

15 

8 

9 

16 

II 

17 

12 

13 

> 

Teube 

Oberländer  Kahn 

Oderkahn  mit  Kaffen  .    .        .    . 
Oderschiff,  Finowmaß,  Steven 


»  Breslauer  Maß    .    . 

Eibschiff,  Bretterdeck   .... 
Penische,  Tafel  deck,  Eichenholz 
Maasspitz,         »  » 


100 
250 
100 
250 
76 
150 
200 
250 
500 
800 
300 
280 


6500 

15000 

9500 

20000 

5700 

7000 

8000 

9500 

18000 

30000 

10  000 

II  000 

Preis  je 
I  Tonne 
der  Trag- ' 
fähigkeit 

Mark 


Kosten 

der 

Ausrüstung 

Mark 


20—25 
16—21 
12—14 
18— ao 
22 — 24 
20—24 
20—34 
28—32 
24^-26 
5-6 


55—75 
50—70 

80—110 

70—90 

70—80 

45—50 

33—44 
33—40 

33—38 

34—39 

32—35 
38—42 


III.  Stflhleme,  offene  Schiffe  mit  Holzboden. 


Oderschiff,  Finowmaß 


>  Breslauer  Maß 

Eibschiff,  Planer  Maß  .    . 


'     200 

10  000 

240 

II  000 

500 

25  000 

700 

32000 

44—52 
42—50 

46—53 
42—50 


IV.  Stählerne,  gedeckte  Schiffe  mit  Holzboden. 

Oderschiff,  Finowmaß,  Bretterdeck 

»  Breslauer  Maß      » 

Weichselschiff* 

Eibschiff,  Planer  Maß,  Bretterdeck 

»  großes,  Bretterdeck     .    . 

rt,  BinneaschiflTahrt. 


'    240 

13000 

55-60 

500 

30000 

52—62 

500 

28500 

57 

700 
1000 

^6000 

48-58 

54000 

50 — 60 

1 500 

2000 
I  400 

1500 

I  600 
I  800 
2000 

3500 

I  500 

50 

I  600 
2200 
I  800 
2500 
I  000 
I  800 
2000 
aooo 
4000 
5000 
800 
I  600 


2000 
2000 
4000 
4500 

2500 
4500 

5000 

5000 

6000 


28 


434 


Abschnitt  H.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 


Nr. 


21 


22 


23 
34 


«5 

26 


27 

28 
29 


Nr. 


Art  des  Schiffes 


8 
9 

12 

"4 
15 
4« 

38 


18 

19 
21 

20 


22 

25 
35 
44 
45 
46 


4 

5 

6 

Des  Schiffes 

Trag-     Mittlerer 
fähigkeit      Preis 

t             Mark 

Preis  je 
I  Tonne 
der  Trag- 
fähigkeit 

Mark 

18 

8 

9 

19 

10 

20 

12  i 

.  Kosten 

der 
Ausrüstung 

Mark 


y.  stählerne,  offene  Schiffe  (mit  Stahlboden). 

Oderschiff,  Finowmaß 

>  Breslauer  Mab 

Klodnitzkanalschiff* 

Eibschiff,  Flauer  Maß 


Oderschiff,  Finowmaß,  Bretterdeck     .    . 

»  Breslauer  Maß,  Bretterdeck. 

Eibschiff,  Flauer  Maß,  Bretterdeck     .    . 

»  großes,  Bretterdeck 

*  >  festes  Stahldeck*  .  . 
Weserschiff,  mit  Wellblech- Verdeck  .  . 
Dortmund-Ems-Kanalschiff,  in 

Deutschland  gebaut 

Dgl 

Holländischer  Käst,  Tafeldeck    .    .    . 

Rheinschiff,  Tafeldeck 

»  mittlere  Größe,  Tafeldeck. 

Besondere  Lieferungen  in  größerer  Zahl: 
im  Jahre  1898  in  Holland  gebaut   .... 

»        »       1909    *         *  *         .... 

>       »       1900    >    Deutschland  gebaut  .    . 

»       »       1910    »    Holland*  »        .    . 

Penische  aus  Stahl,  Tafeldeck 

Maasspitz  »         »  »  

Donauschi  ff,  fest.  Stahldeck,  Freibord  0,5 

>  >  >         0,5 

»  »  »  »       0,84 

Für  das  Schiff  Nr.  45  würde  sich  ergeben: 
bei  einem  Freibord  von  0,25  m   .    .    . 

*  >  »  »     0,10  »    .    .    . 


Bei  den  gedeckten  Schiffen  der  ostdeutschen  Wasserstraßen,  besonders 
in  den  Gruppen  IV  und  VI,  sind  die  Preise  nur  für  den  Bau  mit  Bretter- 
deck angegeben.  Diese  Schiffe  werden  aber  häufig  mit  Tafeldeck  (Platten- 
deck) versehen  und  der  Preis  je  Tonne  stellt  sich  dann  um  etwa  2  Mark 
höher. 

Fast  alle  Angaben  der  Spalte  6  sind  aus  einer  größeren  oder  kleineren 
Zahl  ähnlich  gebauter  Schiffe  ermittelt,  bei  den  mit  einem  *  bezeichneten 
Schiffen  lag  dagegen  nur  eine  zuverlässige  Mitteilung  vor. 


240 

12000 

50-56 

2500 

500 

27000 

52-58 

4000 

162 

9500 

59 

2400 

700 

34000 

45—53 

4500 

fe  (mit  Stahlboden). 

240 

14000 

54-64 

3000 

500 

31  000 

56-66 

4500 

700 

38000 

50—60 

5000 

1 000 

58000 

54-62 

6000 

1300 

75000 

58 

7000 

625 

35000 

54-60 

3000 

750 

47000 

64—71 

3000 

920 

50000 

52-58 

3000 

460 

31000 

63—70 

4000 

700 

38000 

50—60 

6000 

I  700 

76  500 

40—50 

xoooo 

I  500 

67500 

45 

10  000 

I  670 

65x30 

39 

xoooo 

I  Soo 

79200 

44 

10  000 

3583 

173  000 

48,3 

14000 

300 

13  000 

42     45 

I  OOG 

280 

15500 

54—57 

2000 

650 

41  000 

63 

4000 

675 

44800 

66 

4500 

X  000 

65  000 

65 

5500 

786 

44800 

57 

853 

44800 

52,5 

3.  Die  Kosten  der  Lastschiffe.  435 

Innerhalb  der  einzelnen  Gruppen  der  Tafel  erkennt  man,  daß  bei  ähnlich 
gebauten  Schiffen  der  Einheitspreis  je  Tonne  Tragfähigkeit  mit  zunehmender 
Tragfähigkeit  im  allgemeinen  etwas  abnimmt.  Besonders  ist  das  bemerkbar, 
wenn  Länge  und  Breite  des  Schiffes  unverändert  bleiben  und  die  Zunahme  nur 
nach  der  Höhe  erfolgt  (z.  B.  Oderschiff  nach  Finowmaß,  Nr.  9  und  Nr.  13 
und  Dortmund-Ems-Kanalschiff,  Nr.  24).  Wenn  die  Länge  und  besonders 
die  Breite  dagegen  zunehmen,  wird  der  Einheitspreis,  wenigstens  bei  gut  ver- 
steiften stählernen  Schiffen,  höher:  Das  Oderschiff  nach  Breslauer  Maß  zeigt 
höhere  Preise  als  das  nach  Finowmaß;  dagegen  ist  der  Einheitspreis  bei  dem 
Eibschiffe  nach  Flauer  Maß  niedriger  als  bei  dem  Oderschiff  nach  Breslauer 
Maß,  weil  die  Breite  dieselbe  bleibt.  Eibschiffe  von  größerer  Breite  (z.  B. 
bei  Nr.  17  und  Nr.  22)  erfordern  wegen  der  nötigen  Versteifung  wieder  höhere 
Einheitspreise.  Bei  den  Rheinschiffen  zeigt  sich  ähnliches:  Der  Einheitspreis 
nimmt  mit  der  Größe  im  allgemeinen  ab,  aber  bei  dem  größten  Schiffe  von 
3583  t  wächst  er  wieder  wegen  der  erforderlichen  Versteifung,  namentlich  des 
Bodens.  Die  Kosten  nehmen  also  nicht  immer  in  umgekehrtem  Verhältnis 
der  Tragfähigkeiten  ab. 

Auch  ist  das  leichteste  Schiff  nicht  immer  das  billigste.  Es  war  oben 
(S.  348)  festgestellt,  daß  z.  B.  von  allen  in  der  Tafel  aufgeführten  Fluß-  und 
Kanalschiffen  das  Dortmund-Ems-Kanalschiff  am  leichtesten  war,  weil  sein 
totes  Gewicht  nur  0,19  t  je  Tonne  Tragfähigkeit  betrug;  nach  der  Preistafel 
ergeben  sich  aber  (wenigstens  für  in  Deutschland  gebaute  Schiffe)  sehr  hohe 
Einheitsätze.  Auch  das  sehr  leicht  gebaute  Donauschiff  (45)  von  675  t  Trag- 
fähigkeit, dessen  totes  Gewicht  0,2  t  und  bei  einem  Freibord  von  0,1  m  sogar 
nur  0,16  t  betrug,  kostet  je  Tonne  66  Mark  oder  52,5  Mark  und  kann  daher  nicht 
als  außerordentlich  billig  bezeichnet  werden.  Dagegen  nehmen  bei  den  Rhein- 
schiffen innerhalb  der  erwähnten  Grenzen  die  Einheitspreise  im  Verhältnis 
zum  toten  Gewicht  ab. 

Die  Kosten  der  Ausrüstung  sind  in  Spalte  7  der  Tafel  in  runden  Summen 
angegeben  worden.  Auf  die  Mitteilung  von  Einzelpreisen  muß  verzichtet 
werden;  doch  ist  zu  erwähnen,  daß  i  kg  Anker  und  Ankerkette  0,45  bis 
0,48  Mark,  i  kg  Hanftrosse  etwa  i  Mark  und  i  kg  Takelung  1,5  bis  2  Mark 
kosten. 

Die  Unterhaltungskosten  der  Lastschiffe  sind  sehr  verschieden,  je 
nach  den  Unfällen,  die  sie  erleiden,  nach  der  Behandlung  durch  die  Mannschaft 
und  nach  der  Güte  der  ersten  Herstellung*).  Für  stählerne  Schiffe  ist  in  erster 
Linie  auf  die  Erhaltung  eines  guten  Anstrichs  (S.  429)  zu  achten,  der  am 
besten  alle  i  7a  bis  2  Jahre  unter  Wasser  und  alle  2  bis  3  Jahre  über  Wasser 
zu  erneuern  ist,  nachdem  alle  Roststellen  sorgfaltig  abgekratzt  sind.  Auch 
der  innere  Anstrich  sollte  alle  2  bis  3  Jahre  erneuert  werden.  Die  Unter- 
suchung des  Bodens  und  die  Erneuerung  des  Anstrichs  wird  leider  mit  Rück- 

l)  Wegen  der  Lebensdauer  der  Lastschiffe  vgl.  den  »Bestand  der  deutschen  Binnen* 
schiffe c  am  Ende  dieses  Bandes. 

28* 


436  Abschnitt  11.     Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft. 

sieht  auf  die  Schwierigkeit  und  die  Kosten  des  Aufschleppens  gewöhnlich  nur 
in  längeren  Zeiträumen  ausgeführt.  Große  Schiffe  dürfen  überhaupt  nur  mittels 
eines  Schiffswagens  auf  Land  gebracht  werden,  weil  sie  sonst  an  Festigkeit 
verlieren  würden. 

Die  Kosten  des  Aufschleppens  auf  die  Hellinge  und  des  Zuwasserlassens  mittels  Wagen 
betragen: 

An  den  ostdeutschen  Wasserstraßen: 

fiir  Schiffe  von  250  bis  300  t  Tragfähigkeit     80  bis  100  Mark 
»         »  »     400    >    500»  >  110    »    120      » 

3»         »  »     600    »    700  »  »  130    »    140      » 

Am  Rhein  wird  bezahlt: 

für  Schiffe  bis       500  t  Tragfähigkeit  34  bis  50  Mark  je  100 1 
»         »        über    500 »  >  24    »    34      >       »    100 » 

Ältere  Schiffe  mit  Holzboden  müssen  alle  4  bis  5  Jahre  und  neuere 
alle  7  bis  8  Jahre  auf  Land  genommen  werden,  um  die  Nähte  des  Bodens 
zu  dichten  und  zu  spunden.  Der  Boden  schleift  sich  allmählich  ab.  Wenn 
er  mehr  als  ein  Viertel  der  Dicke  verloren  hat,  muß  er  entweder  erneuert 
oder  mit  4  cm  starken  Brettern  besohlt  werden.  Im  letzteren  Falle  müssen 
die  Bruhnen  erneuert  werden. 

Die  Vorschriften  des  Germanischen  Lloyds,  des  Rheinschiff-Register- 
Verbandes  und  der  Vereinigten  Transport- Versicherungs-Gesellschaften  über 
die  regelmäßigen  Untersuchungen  der  Lastschiffe  sind  schon  (S.  365) 
erwähnt  worden. 

Die  durchschnittlichen  jährlichen  Unterhaltungskosten 
schwanken  sehr.  Nach  den  eingezogenen  Mitteilungen  ergibt  sich  aber  mit 
ziemlich  guter  Übereinstimmung,  daß  sie  je  Tonne  der  Tragfähigkeit  auf 
I  bis  2  Mark  veranschlagt  werden  können. 


Abschnitt  III. 

Schifife  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiflfe. 

I.  Die  Fortbewegungsmittel. 

Allgemeines.  Um  die  Arbeit  der  an  Bord  eines  Schiffes  befindlichen 
Triebkraft,  die  von  einer  Dampf-  oder  Gasmaschine,  durch  Elektrizität  oder 
durch  die  Muskelkraft  von  Menschen  und  Tieren  geliefert  werden  kann,  zur 
unabhängigen  Fortbewegung  des  Schiffes  (S.  235)  in  ruhendem  Wasser  zu 
verwenden,  sind  Fortbewegungsmittel  (Propeller)  nötig,  durch  die  diese  Kraft 
auf  das  Wasser  einwirken  kann.  Es  sind  das:  Schaufelräder,  Schrauben  und 
ähnliche  mechanische  Vorrichtungen.  Die  Verwendung  der  Muskelkraft  kommt 
heute  nicht  mehr  in  Frage'). 

Die  Wirkung  aller  Fortbewegungsmittel  beruht  darauf,  daß  sie  auf  das 
Wasser  einen  Druck  oder  Stoß  ausüben  und  der  dadurch  hervorgerufene 
Gegendruck  (Reaktion)  des  Wassers  das  Schiff  vorwärts  schiebt.  Wenn  sich 
das  Schiff  mit  einer  Geschwindigkeit  v  vorwärts  bewegt,  erhalten  die  mit 
dieser  Geschwindigkeit  in  das  Fortbewegungsmittel  eintretenden  Wasserfaden 
eine  Beschleunigung,  so  daß  sie  mit  einer  größeren  Geschwindigkeit  u  aus- 
treten. Die  Beschleunigung  beträgt  also  (//  — z/).  Der  ausgeübte  Druck  ist 
gleich  dem  Gegendruck  und  gleich  dem  Schiffswiderstand  ( W]  und  nach  dem 
dynamischen  Grundgesetz  gleich  der  Masse  mal  der  Beschleunigung.  Wenn 
der  Querschnitt  des  beweg.ten  Wasserstroms  mit  F^  das  Gewicht  des  Wassers 
mit  G  und  die  Beschleunigung  der  Schwere  mit  g  bezeichnet  wird,  so  ist 

die  sekundlich  zurückgeworfene  Masse  des  Wasserstroms  =—  -  u  -  F  und  der 

g 
Gegendruck') : 

R=W=—-F'U(u  —  v).  (i) 

Der  von  dem  Bewegungsmittel  (z.  B.  einer  Schaufel  des  Schaufelrades)  in  der 

Zeiteinheit  zurückgelegte  Weg  ist  =  z^  +  j ^j  und  die  dabei  geleistete  Arbeit 

i)  Auf  den  chinesischen  Strömen  gibt  es  allerdings  noch  große  Schiffe  mit  einem  am  Heck 
angebrachten  Schaufelrad,  das  von  Menschen  mittels  eines  auf  dem  Hinterschiff  befindlichen  Tret- 
rades angetrieben  wird. 

2)  Nach  Rankine,  Busley,  die  Schiffsmaschine  II.     Kiel,  1886. 


438  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  KraftschifTe. 


ist 


=  Wlv-\ j  oder  =W  -  v  -j-  Wl j.    Der  erste  Teil  1^    v  ist  die 

zur  Fortbewegung  des  Schiffes  nutzbar  gemachte  Arbeit  (Kraft  mal  Weg)  und 
der  zweite  Teil  ist  die  lebendige  Kraft  (Masse  mal  dem  halben  Quadrat  der 
Geschwindigkeit)  des  austretenden  Wasserstroms  oder  der  unvermeidliche 
Arbeitsverlust : 

Die  zum  Antrieb  des  Fortbewegungsmittels  erforderliche  Maschinenleistung  [L) 
ist  mindestens  gleich  der  Summe  der  Nutzarbeit  und  des  Arbeitsverlustes, 
wenn  alle  nebenbei  auftretenden  Verluste  durch  Reibung  und  Stöße  unberück- 
sicht  bleiben: 


L=  W'V+  w\^ — -\ 


oder  mit  Einsetzung  der  vorbestimmten  Werte: 

L=~'F'U[u^-v%  (3) 

Der  Wirkungsgrad  eines  Fortbewegungsmittcls  (ly)  ist  das  Verhältnis  der  Ge- 
samtarbeit zur  Nutzarbeit  (Widerstandsarbeit  des  Schiffes)  also 

F -  u(u  —  v)  -v 

ri  ==  ^^ oder  17  =    -        .  (4) 

F '  uiu   —  V  ] 

^g 

Dies  ist  der  größte  überhaupt  mögliche  Wirkungsgrad,  weil  alle  Reibungs- 
und Stoßverluste  unberücksichtigt  geblieben  sind  und  femer  vorausgesetzt  ist, 
daß  alles  von  dem  Fortbewegungsmittel  bewegte  Wasser  nach  hinten  ge- 
worfen wird.    Diese  Voraussetzungen  treffen  niemals  zu. 

Für  u  =  v  wird  rj^zj.  Es  wird  dann  die  Beschleunigung  (u  —  v)  =  0 
und  auch  der  Gegendruck  und  der  Schub  =^. 

Die  Beschleunigung  (u  —  v)^  also  der  Unters<:hicd  der  Geschwindigkeit 
des  austretenden  Wassers  (oder  des  Fortbewegungsmittels)  und  der  Geschwin- 
digkeit des  Schiffes  nennt  man  den  Schlüpf  (Slip  oder  Rücklauf).  Es  ergibt 
sich  aus  den  vorstehenden  Erörterungen,  daß  er  niemals  zu  Null  werden  kann. 
Man  gibt  ihn  in  der  Regel  im  Verhältnis  zu  u  an: 

U  —  2'  .    . 

•y  = 5 

u 

Bei  demselben  Fortbewegungsmittcl  und  demselben  Schiffe  wächst  der  Schlüpf 
mit  dem  Schiffswiderstande,  ist  also  beim  Schleppen  in  begrenztem  Fahrwasser 
am  größten.  Im  übrigen  ist  sein  Verhalten  bei  den  einzelnen  Fortbewegungs- 
mitteln verschieden. 

Aus  der  Gleichung  (i)  erkennt  man,  daß  die  Größe  des  Gegendrucks 
des  Wassers  oder  des  Schubs  unter  sonst  gleichen  Umständen  wesentlich  von 
(F  •  u)  abhängt:  je  kleiner  «,  um  so  größer  muß  mithin  F  werden,   um  die- 


X.  Die  Fortbewegungsmittel. 


439 


selbe  Wirkung  zu  erreichen.  Da  der  Wirkungsgrad  nach  Gleichung  (4)  mit 
abnehmendem  u  wächst,  ist  es  bei  jedem  Fortbewegungsmittel  vorteilhaft,  für 
einen  möglichst  großen  Querschnitt  (F)  des  Wasserstroms  zu  sorgen^  damit 
seine  Geschwindigkeit  (u)  so  klein  wie  möglich  wird. 

Unter  der  Geschwindigkeit  des  Schiffes  [v]  ist  die  Bewegung  des 
Schiffes  gegen  das  Wasser  zu  verstehen.  Für  die  Gesetze  der  Fortbewegung 
ist  es  ziemlich  gleichgültig,  ob  das  Wasser  sich  bewegt  und  das  Schiff  still 
liegt  oder  umgekehrt.  Wenn  in  einem  Strome  beide  sich  fortbewegen,  muß 
man  bei  dem  Schiffe  die  scheinbare  Geschwindigkeit  gegen  das  Ufer  von  der 
wirklichen  Geschwindigkeit  (v)  gegen  das  Wasser  unterscheiden.  Wenn  v^ 
die  Geschwindigkeit  des  strömenden  Wassers,  v^  die  scheinbare  Geschwindigkeit 
des  Schiffes  bei  der  Bergfahrt  und  v^  bei  der  Talfahrt  bedeuten,  so  ist  bei 
der  Bergfahrt  v=v^  +v^  und  bei  der  Talfahrt  v  =  v^  — v^. 

Wird  das  Schiff  in  stillem  Wasser  fest  vertäut,  so  daß  seine  Geschwin- 
digkeit zu  Null  wird,  so  wird  durch  den  Antrieb  des  Fortbewegungsmittels 
dem  Wasser  eine  gewisse  Geschwindigkeit  erteilt,  indem  die  zurückgeworfene 
Wassermenge  stets  durch  eine  ebenso  große  neu  hinzufließende  Menge  er- 
setzt wird.  Die  Ge- 
schwindigkeit V  kann  Ql  ]^  ^  y 
in  diesem  Falle  sehr 
klein,  aber  niemals  zu 
Null  werden. 

Schaufelräder. 
In  dem  geschichtlichen 
Rückblick  wurde  mitge- 
teilt (S.  88),  daß  die  Ver- 
suche zur  Benutzung 
von  Schaufelrädern,  die 
anfangs  durch  Men- 
schenkraft bewegt  wur- 
den, sehr  alt  sind.  Der 
mechanische  Vorgang 
ist  folgender:  In  der  Abbildung  (304)  stellt  MN  die  Oberfläche  des  ruhenden 
Wassers  und  0  den  Mittelpunkt  der  Radwelle  eines  sich  gleichmäßig  mit  der 
Geschwindigkeit  v  fortbewegenden  Schiffes  dar.  Wenn  die  Radwelle  in  der 
Pfeilrichtung  gedreht  wird,  schlagen  die  mit  den  Radarmen  fest  verbundenen, 
ebenen  Schaufeln  Aa^  Bb^  Cc  usw.  gegen  das  Wasser  und  der  dadurch  hervor- 
gerufene senkrecht  zu  den  Schaufeln  gerichtete  Gegendruck  R  des  Wassers 
schiebt  das  Schiff  vorwärts.  Da  die  Geschwindigkeit  der  sich  auf  der  Kreis- 
linie bewegenden  Außenkanten  der  Schaufeln  [A^  B  usw.)  größer  ist  als  die 
Geschwindigkeit  der  Innenkanten  (a,  b  usw.),  nimmt  der  Druck  und  auch  der 
Gegendruck  von  der  Innenkante  zur  Außenkante  zu.  Die  Mittellinie  des  Drucks 
liegt  etwa  0,4  •  A  von  der  Außenkante  entfernt,  wenn  //  die  Schaufelhöhe  be- 


-•:z!l...,- 


B 

Abb.  304. 


440  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschifife. 

zeichnet.  Es  ist  aber  üblich,  die  Mittellinie  des  Drucks  in  halber  Schaufel- 
höhe und  den  durch  sie  gelegten  Kreis  als  Raddurchmesser  {d)  anzunehmen. 
Wenn  das  Rad  in  der  Minute  n  Umdrehungen  macht,  so  ist  die  mittlere  Um- 
fangsgeschwindigkeit 

n  '  d  '7t       -Ol      j 

u  =  — m  je  bekunde, 

60 

worin  jt  die  bekannte  Kreiszahl  3,14  bedeutet.  Diese  Umfangsgeschwindig- 
keit ist  zugleich  die  Austrittsgeschwindigkeit  des  durch  den  Stoß  beschleu- 
nigten Wassers,  und  der  durch  die  Schaufel  hervoi^ebrachte  nutzbare  Schub  (R) 
ist  nach  der  allgemeinen  Gleichung  (i),  wenn  man  unter  /  den  Flächeninhalt 
einer  Schaufel  versteht'): 

Q 

R  =  —  '  fu(u  —  7.'), 
g 

Wie  man  aus  der  Zeichnung  erkennt,  wirkt  dieser  Schub  nur  bei  der  mittel- 
sten, senkrecht  stehenden  Schaufel  in  voller  Größe  in  wagerechtem  Sinne. 
Bei  den  benachbarten  Schaufeln  sind  nur  die  wagerechten  Seitenkräfte  für  die 
Fortbewegung  des  Schiffes  wirksam,  während  die  senkrechten  Seitenkräfte  bei 
der  eintauchenden  Schaufel  C  das  Schiff  zu  heben  und  bei  der  austauchenden 
Schaufel  A  das  Schiff  herunterzudrücken  bestrebt  sind.  Dadurch  entstehen 
Arbeitsverluste,  sowie  lästige  und  schädliche  Schwankungen  des  Schiffes,  die 
man  bei  älteren  Raddampfern  mit  festen  Schaufeln  sogar  mit  dem  Auge  deut- 
lich wahrnehmen  kann.  Sie  werden  kleiner,  wenn  der  Winkel  a,  den  die  ein- 
oder  austauchende  Schaufel  mit  der  Wasserlinie  bildet,  größer  wird,  d.  h.  wenn 
I  der  Raddurchmesser  größer  wird.  Erfahrungsmäßig  wählt  man  bei  festen 
I  Schaufeln  diesen  Winkel  nicht  kleiner  als  40  °  oder  besser  42  °.  Räder  mit 
/*  großem  Durchmesser  haben  also  einen  besseren  Wirkungsgrad,  und  in  Amerika 
sind  häufig  Räder  von  lo  bis  12  m  und  selbst  bis  13  m  Durchmesser 
gebaut  worden,  mit  denen  gute  Leistungen  erreicht  wurden.  In  Deutschland 
und  in  anderen  Ländern  ist  man  auf  den  Binnenwasserstraßen  meistens  in 
der  Höhe  des  Schiffes  beschränkt  und  kann  daher,  namentlich  wenn  man  die 
Maschine  unter  Deck  anordnen  will,  den  Rädern  kaum  halb  so  große  Durch- 
messer geben. 

Zur  Beseitigung  der  großen  Arbeitsverluste  bemühte  man  sich  schon  bald 
nach  der  Erfindung  des  Dampfschiffs  bewegliche  Schaufeln  einzuführen, 
die  möglichst  senkrecht  ein-  und  austauchten.  Im  Jahre  1813  erfand  Robert 
Buchanan  in  Glasgow  eine  solche  Einrichtung,  bei  der  die  um  wagerechte 
Achsen  drehbaren  Schaufeln  durch  eine  exzentrische  Scheibe  auf  der  Rad- 
welle stets  in  einer  senkrechten  Stellung  erhalten  wurden.  Doch  bewährte 
sich  diese  Anordnung  zunächst  nicht:  Wenn  auch  der  Schlüpf  solcher  Räder 


i)  Nach  Marestier  undRiehn  (Zeitschr.  d.  V.  D.  J.  1884,  S.  349Hst  ^  »  —  •/(«  — t/]», 

wobei/  die  wirksame  Fläche  aller  überhaupt  gleichzeitig  eingetauchten  Schaufeln  und  R  die  ganze 
Triebkraft  bedeuten. 


I.  Die  Fortbewegungsmittel. 


441 


geringer  wurde,  so  war  doch  ihr  Wirkungsgrad  weniger  günstig  als  bei  festen 
Schaufeln.  Durchschlagenden  Erfolg  hatte  erst  die  Erfindung  von  Galloway 
{1829),  dessen  Patent  von  Morgan  gekauft  und  seit  dem  Jahre  1842  allge- 
mein in  England  verbreitet  wurde.  Gallowey  ließ  die  Schaufeln  nicht  senk- 
recht, sondern  stoßfrei  eintreten,  wofür  nachstehende  Erwägungen  maßgebend 
waren: 

Wenn  in  Abb.  305  MN  die  Wasserlinie  und  B  C  einen  Teil  des  durch 
die  Mittelpunkte  der  Schaufeln  gelegten  Radkreises  darstellen,  so  wird  die 
eintauchende  feste  Schaufel  A  in  der  Richtung  der  Tangente  die  Umfangs- 
geschwindigkeit u  und  in  der  Richtung  des  Wasserspiegels  die  Geschwin- 
digkeit V  des  Schiffes  haben,  in  Wirklichkeit  also  in  der  Richtung  x  gegen 
das  Wasser  schlagen.  Wenn  die  bewegliche  Schaufel  stoßfrei  eintreten  soll, 
muß  sie  in  die  Richtung  x  'gedreht  werden.  Ähnlich  verhält  es  sich  mit 
der  austauchenden  Schaufel  B  in  Abb.  306.  Auch  sie  kann  nur  stoßfrei 
austreten,   wenn   sie   in    die   Richtung  y    gedreht  wird.      Die    so    gebauten 


/  v^ 


Abb.  305. 


Abb.  306. 


Schaufeln  der  Morgan-Räder  (auch  Patenträder  genannt)  wurden  gleichfalls 
durch  exzentrische  Scheiben  bewegt.  Sie  wurden  im  Jahre  1847  ^^f  dem 
Rhein  bekannt  und  fanden  etwa  seit  1860  allgemeine  Verbreitung  in  Deutsch- 
land. Es  zeigte  sich  später,  daß  die  Schubwirkung  der  Schaufeln  eine 
noch  günstigere  wird,  wenn  man  auf  den  völlig  stoßfreien  Eintritt  verzichtet 
und  den  Schaufeln  beim  Ein-  und  Austauchen  eine  mehr  zur  Senkrechten 
geneigte  Stellung  gibt.  Man  kam  dabei  zu  der  in  Abb.  307  dargestellten 
Anordnung:  Die  austretende  Schaufel  A  bekommt  die  Richtung  AD^  die  ein- 
tretende Schaufel  C  die  Richtung  CD.  Wenn  man  im  Mittelpunkt  der 
Schaufeln  senkrecht  die  Schaufelhebel  einzeichnet,  deren  Länge  man  etwa 
gleich  0,6  •  h  (Schaufelhöhe)  wählt,  und  durch  die  Punkte  ä,  b^  c  einen  Kreis 
legt,  so  ist  der  Mittelpunkt  [P]  dieses  Kreises  der  Mittelpunkt  des  exzentri- 
schen Zapfens  Tür  das  Bewegungsgetriebe  der  Schaufeln.  Diese  Einrichtung 
ist  heute  am  meisten  verbreitet.  Es  kommen  aber  Fälle  vor,  wo  man  von 
dieser  Regel  abweicht.  Bei  den  neueren  Radschleppdampfem  mit  großen 
Leistungen  kommt  es  darauf  an,    das  Maschinengewicht  möglichst  zu  ver- 


442 


Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


mindern,  und  man  erreicht  dies  durch  die  Wahl  von  schneller  laufenden  Ma- 
schinen, die  wieder  größere  Umlaufzahlen  für  die  Räder  ergeben.  Während 
man  diesen  früher  in  der  Minute  20  bis  30  Umdrehungen  gab,  ist  man 
heute  auf  30  bis  40,  ausnahmsweise  bis  50  gekommen,  und  weil  eine  zu 
große  Umfangsgeschwindigkeit  («)  unvorteilhaft  ist,  wird  man  genötigt,  kleinere 
Raddurchmesser,  also  auch  eine  kleinere  Schau  fei  zahl  zu  nehmen.  Die 
großen  amerikanischen  Raddampfer  mit  äußeren  Raddurchmessern  von  10  bis 
12  m  hatten  etwa  24  bis  36  feste  oder  14  bis  16  bewegliche  Schaufeln; 
Rädern  von  4,5  bis  8  m  äußerem  Durchmesser  gab  man  10  bis  12  beweg- 
liche Schaufeln,  während  man  heute  bei  starken  Schleppdampfern  bis  auf  die 
Hälfte  der  Schaufeln  hinabgeht.  An  Stelle  der  früher  üblichen  hölzernen, 
ebenen  Schaufeln  vermendet  man  in  der  Regel  aus  Stahlblech  schwach  ge- 
krümmte Schaufeln,  und  es  wird  bei  ihrer  kleinen  Anzahl  meistens  nötig,  für 

jede  Schaufel  sorgfaltig  die  gün- 
stigste Ein-  und  Austauchstellung 
im  einzelnen  Falle  zu  ermitteln. 
Es  ergibt  sich  dabei  zuweilen,  daß 
der  für  die  Richtung  der  Schaufeln 
maßgebende  Punkt  D  (Abb.  307) 
etwas  weiter  nach  rechts  gerückt 
werden  muß.  Die  geringe  Schau- 
.  feizahl  von  5  wird  übrigens  selten 
angewandt  und  noch  seltener  ist 
man  bis  auf  4  herunter  gekom- 
men. Die  neueren  starken  Rad- 
schlepper auf  Rhein  und  Elbe  haben 
bei  Zapfenkreisdurchmessem  von 
2,7  m  bis  3  m  in  der  Regel  7  bis 
8  Schaufeln  mit  36  bis  40  Um- 
drehungen und  auf  der  Donau  zuweUen  Durchmesser  von  2,5  m  mit  6  Schau- 
feln und  50  Umdrehungen.  Die  großen  Schnelldampfer  auf  dem  Rhein  für 
Personen  machen  bei  4  m  Durchmesser  und  9  Schaufeln  45  Umdrehungen. 
Der  Raddurchmesser  hängt  auch  von  der  Seitenhöhe  des  Schiffes  ab, 
und  man  läßt  die  Schaufeln  bis  nahe  an  die  Linie  des  Schiffsbodens  her- 
unterreichen. Die  Schaufelzahl  wird  nicht  nur  nach  dem  Raddurchmesser, 
sondern  auch  nach  dem  Abstand  der  Schaufeln,  d.  i.  der  Teilung  des 
Zapfenkreises,  bestimmt.  Sie  darf  nicht  zu  klein  sein,  damit  die  Schaufeln 
sich  frei  bewegen  und  nicht  gegenseitig  ihre  Wirkung  behindern,  und  wird 
einerseits  mit  der  Schaufelhöhe,  andererseits  mit  der  Schiffsgeschwindigkeit 
wachsen  müssen.  Bei  den  oben  erwähnten  Beispielen  von  Schleppdampfern 
mit  Schaufelhöhen  von  0,8  bis  0,9  m  beträgt  die  Teilung  1,2  m  bis  1,5  m. 
Man  macht  sie  oft  größer  bis  zu  1,8  m;  doch  nehmen  dann  die  Stöße  und 
Erschütterungen  zu. 


I.  Die  Fortbewegungsmittel.  443 

Wenn  bei  starken  Schleppdampfern  die  nötige  Breite  der  Schaufeln 
größer  wird  als  etwa  3,5  •  ä,  pflegt  man  sie  zu  teilen  und  ordnet  Doppel- 
räder an.  Man  erreicht  dabei  den  Vorteil,  daß  die  Bewegungsvorrichtung 
leichter  und  sicherer  arbeitet,  wenn  für  jedes  der  beiden  Räder  eine  besondere 
exzentrische  Scheibe  vorhanden  ist.  Femer  ist  es  schwer,  sehr  breite  Schau- 
feln vor  Rissen  durch  Verdrehung  zu  schützen  und  außerdem  lassen  sich 
einzelne  beschädigte  Schaufeln  leichter  auswechseln,  wenn  sie  kleiner  und 
leichter  sind. 

Als  die  gekrümmten  beweglichen  Schaufeln  in  Deutschland  eingeführt 
wurden,  sind  viele  ältere  Schiffe  mit  solchen  neuen  Rädern  versehen  worden, 
und  durch  den  Umbau  soll  die  Nutzleistung  um  0,1  bis  0,2  erhöht  worden 
sein.  Daraus  ergibt  sich  der  bedeutende  Vorteil  dieser  Einrichtung  nament- 
lich für  Räder  von  verhältnismäßig  kleinen  Durchmessern.  Als  Nachteil  muß 
das  bedeutende  Gewicht  solcher  Räder  aufgeführt  werden.  Nach  dem 
Taschenbuch  der  »Hütte«  soll  angenähert  das  Gewicht  eines  Rades  mit  festen 
Schaufeln  14  •  ^  •  rf  •  ^ Nt  und  mit  beweglichen  26  '  b  -  d  -  VWi  betragen, 
wenn  man  unter  b  die  Radbreite  und  unter  Ni  die  indizierte  Leistung  der 
Dampfmaschine  in  Pferdestärken  versteht.  Die  beweglichen  Räder  würden 
also  etwa  doppelt  so  schwer  sein.  Ferner  sind  sie  entsprechend  kostspieliger 
in  der  Beschaffung  und  Unterhaltung,  sowie  sehr  empfindlich  gegen  Beschä- 
digungen. 

In  den  Abbildnngen  308  und  309  ist  ein  Doppelrad  von  einem  starken  Seitenradschlepp- 
dampfer mit  I  m  Tiefgang  dargestellt,  der  auf  der  Werft  von  Gebrüder  Sachsenberg  in  Roßlau 
gebaut  ist.  Diese  Firma  hat  ganz  besondere  Verdienste  um  die  Entwicklung  der  Flußraddampfer. 
a  ist  die  Radwelle,  die  an  der  Schiffswand  im  Lager  b  und  auf  der  Wasserseite  im  Lager  c  ruht. 
Das  letztere  ist  wegen  der  geringen  Höhe  der  Welle  über  dem  Wasserspiegel  als  Hängelager 
angeordnet.  Die  7  gekrümmten  Schaufeln  d  aus  Stahlblech  sind  ihrer  großen  Länge  wegen 
geteilt.  An  der  Schiffs-  und  an  der  Wasserseite  sind  sie  durch  einen  Winkel  e  verstärkt,  der 
gleichzeitig  das  gefaßte  Wasser  mehr  zusammenhalten  soll.  Jede  halbe  Schaufel  trägt  2  Schaufel- 
stühle oder  Schaufelböcke  /  und  /,  die  mit  je  4  Schraubbolzen  befestigt  sind,  wobei  zur  Ver- 
stärkung des  Schaufelblechs  an  diesen  Stellen  noch  Versteifungsbleche  untergelegt  sind.  Die 
beiden  äußeren,  Schaufelböcke  f  haben  2  Drehzapfen:  den  einen  bei  g  nahe  der  Schaufel, 
wo  die  Radarme  h  angreifen  und  den  anderen  am  Ende  des  Schaufelhebels  bei  *,  wo  die  Lenk- 
stangen k  angreifen.  Die  Radarme  sind  stark  gekrümmt,  damit  die  Schaufeln  sich  frei  drehen 
können,  aus  Blech  geschnitten  und  etwa  in  ihrer  Mitte  fest  (durch  Schrauben  oder  Schweißung) 
mit  dem  Ringe  /  verbunden,  der  das  ganze  Rad  zusammenhält.  Das  andere,  innere  Ende  der 
Radarme  ist  an  der  gußeisernen  Radnabe  angeschraubt,  die  fest  auf  der  Welle  a  sitzt.  Die  Lenk- 
stangen k  führen  von  den  Drehzapfen  i  zu  dem  Ringe  m^  der  in  seitlichen  Führungen  auf  dem 
Umfange  einer  Scheibe  n  gleitet,  welche  exzentrisch  fest  mit  dem  Lager  b  und  dadurch  mit  dem 
Schiffskörper  verbunden  ist.  6  Lenkstangen  sind  in  Zapfen  drehbar  mit  dem  Ringe  m  verbunden, 
die  siebente  aber,  o,  ist  fest,  besonders  kräftig  und  heißt  Mitnehmer  oder  Königslenker.  Die 
inneren  Schaufelböcke  /  tragen  nur  die  Dreh-  und  Angriffspunkte  für  die  Radarme.  Durch  die 
Stangen  q  werden  die  4  Radarme  in  ihrer  Stellung  zueinander  gesichert. 

Zuweilen  ordnet  man  die  Drehzapfen  g  nicht  genau  in  der  Mitte  der  Schaufelhöhe  an, 
sondern  einige  cm  weiter  nach  der  Außenkante  hin,  weil,  wie  schon  erwähnt,  der  Gegendruck 
des  Wassers  auf  den  unteren,  äußeren  Teil  der  Schaufel  etwas  größer  ist.  Die  Lenkstangen 
sind  in  diesem  Beispiel  gekrümmt,  damit  die  Schaufel  S  (links)  sich  noch  frei  bewegen  kann. 
Zuweilen  läßt  man  die  Lenkstangen  gerade  und  macht  in  der  Schaufel  an  der  betreffenden  Stelle 
einen  kleinen  Ausschnitt.  Doch  kann  man  denselben  Zweck  auch  erreichen,  wenn  man  den 
Schaufelhebel  [ig]  nicht  senkrecht,  sondern  etwas  geneigt  stellt,  wie  z.  B.  in  Abb  310. 


■  Die  FortbeweguDgsniittel. 


üb 


Leichteren  Rüdem  mit  weniger  langen  Schanf^ln  gibt  Tn:in  gewöhnlich  nicbt  l,  sODiIeni 
nur  eine  Nabe,  nn  der  die  Radarme  noch  der  in  Abb.  311  dargi- stellten  Welse  befestigt  werden. 
I>ie  eingeschriebenen  Bnchstsben  haben  in  den  Abb.  310  und  311  dieselbe  Bedeutnng  wie  in 
den  Abb.  30S  und  309, 

Um  die  Schaufeliüder  beim  Stillstaad  der  Maschine  behufs  Aasbessemogen  u.  dgl.  drehen 
zu  kÖDoen,  muß  bei  schweren  Rädern  eine  Drehvorrichtung  angeordnet  werden.  Diese  be- 
steht meistens  aus  einem  auf  der  Welle  befestigten  gußeisernen  Schneckenrade  mit  ausrUchbarer 
Sohnecke  (aas  Gußstahl),  die  mittels  einer  Ratsche  und  Aufsteckhandhebel  bewegt  wird. 


Schaufelrad  eines  Personend impfers,  Abb.  310  und  31t.     I  :  3S. 


Abb.  311.     Querschnitt. 


Der  Schlüpf  (Slip,  Rücklauf  ist  nach  der  allgemeinen  Gleichung  (5)  (S.  438)  j=  -  ' 
worin  für  Schaufelrider  <(=  -  '  .    Der  Schlüpf  betrügt  bei  Rldem  mit  festen  Schaufeln  o, 

bis  0,3,  bei  beweglichen  Schaufeln  0,1  bis  0,2,  im  Mittel  etwa  0,15,  Er  steigt  aber  b< 
Schleppschiffen  bis  in  0,3  und  0,5.  Für  Binnenschiffe  in  begrenztem  Fahrwasser,  besonders  b' 
geringer  Wassertiefe  unter  dem  Schiffsboden  vergrößert  sich  der  Schlüpf  noch  um  etwa  0,1. 

Gegenilljer  den  Schrauben  und  Heckridem  ist  der  Schlüpf  der  Seitenräder  in  begrenitei 
Fahrwasser  verbaltnismtliig  größer,  weil  das  neben  dem  Schiffe  befindliche  Wasser  durch  di 
Rückströmung  der  durch  das  Schiff  verdrängten  Wassermenge  eine  gewisse  Geschwindigkeit  b« 
kommt,  die  der  Fahrtrichtung  entgegengesetil  ist. 


446  Abschnitt  Ul.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Die  Größe  der  Schaufeln  kann  man  theoretisch  aus  dem  Gegendruck  des  Wassers  [X; 

Q 

oder  dem  Schiffswiderstand  ( W)  nach  der  Gleichung  (i)  berechnen  R=  IV  s=  —  F'u[u  —  z')  m  kg. 

Da  (7=  looo  kg  und  ^=9,81,  so  ergibt  sich,  wenn  man  z.  B.  bei  Seitenrftdem  annimmt, 
daß  in  jedem  Rade  nur  eine  Schaufel  mit  der  Fläche/  wirksam  ist: 

JFes  102  •  2  •/•  «{«  —  v) 

oder  f^°.^:%. 

u[u  —  v) 

Man  muß  für  den  Schlüpf  eine  Annahme  machen :  Setzt  man  z.  6.  für  bewegliche  Schaufeln 
j  SS 0,16  und  abgerundet  »  =  1,2  •  r,  so  bekommt  man'): 

IV 

=  0,02  • 

Um  diese  Formel  zu  benutzen,  muß  man  H''  kennen  oder  nach  irgend  einer  Formel  be- 
rechnen. Besser  geht  man  von  der  Maschinenstfirke  aus:  Wenn  S  die  gesamte,  gleichzeitig  wirksame 
Fläche  der  eingetauchten  Schaufeln  bedeutet  und  /  den  Druck  auf  die  Flächeneinheit  (der  mit 
der  Beschleunigung  des  Wassers  zunimmt),  so  ist  /  •  5  der  gesamte  Schub  und  p  •  S '  u  die  ge- 
samte Arbeitsleistung  des  Rades  oder  der  beiden  Seitenräder.  Diese  muß  gleich  der  Leistung 
der  Maschine  an  der  Rad  welle  sein,  die  mit  Nm  in  Pferdestärken  (von  je  75  mkg  in  der  Sekunde) 
ausgedrückt  wird : 

p  -  S  •  u  =  7$  '  Nm. 

ft  '  d '  fi 

Wenn  man  für  n  den  Wert  u  =  — einsetzt,  erhält  man : 

60  ' 


m 


^      c        1^  '  ^^       Nm  Nu. 

p  'S===^ =  1433  .    .- — 

Will  man  für  /  nur  einen  bestimmten  Druck  zulassen,  so  ergibt  sich 

p  •  d  •  ft 
Die  nötige  Fläche  der  Schaufeln  wächst  mithin  mit  der  Maschinenstärke  und  nimmt   mit  wach- 
sendem  Durchmesser   oder   wachsender   Umlaufzahl    oder  wachsendem    spezifischen    Druck    ab. 
Nach  den  neueren,  oben  erwähnten  Beispielen  kann  man  p  zu  800  bb  1000  kg  je  m>  annehmen 
und  es  wird  z.  B.  für  /  =  900 

c  _  Li 9  •  Nm 
d  •  n 
Bei  flachgehenden  Binnenschiffen  kann  man  die  Zahl  der  gleichzeitig  eingetauchten,  wirk- 
samen beweglichen  Schaufeln  bei  2  Seitenrädern  von  je  5  Schaufeln  nur  zu  2,  bei  je  6  bis 
8  Schaufeln  etwa  zu  3  bis  4  und  bei  je  9  bis  xo  Schaufeln  etwa  zu  4  bis  5  annehmen;  doch 
wachsen  diese  Zahlen  (m)  mit  zunehmender  Wassertiefe.  Setzt  man  S  ^  m  -  f,  so  bekommt 
man  für  die  Fläche  einer  Schaufel 

1,;;^  ■  Nm 

fn  •  d  •  n 
Der  Engländer  Seaton  hat  seine  Formel  auf  die  Zahl  der   indizierten  Pferdestärken  (A7) 
bezogen : 

worin  bei  beweglichen  Schaufeln  k  erfahrungsmäßig  zwischen  0,0085  und  0,01  liegt.  Der  letztere 
Wert  soll  für  Schlepper  gelten.  Für  N'fu  =  0,8  •  A^/,  für  1«  =  4,  für  if  s=»  30  (oder  für  iw  ^  3 
und  n  =  40)  und  für  k  =  0,01  geben  beide  Formeln  etwa  gleiche  Werte. 

Die  Höhe  (//)  der  Schaufel  ist  von  dem  Tiefgang  des  Schiffes  abhängig  und  man  wählt  sie 
bei  flach  gehenden  Schiffen  meistens  etwa  100  mm  kleiner  als  diesen.  Hinsichtlich  der  Festigkeit 
müssen  alle  Teile  der  Räder  nach  dem  auf  die  einzelnen  Schaufeln  entfallenden  Druck  be- 
rechnet werden. 


I)  Nach  der  Formel  von  Riehn  (S.  440,  Fußnote)  bekommt  man/i  =0,12  — ;  dabei  ist  aber 
unter  /i  die  wirksame  Fläche  aller  gleichzeitig  eingetauchten  Schaufeln  eines  Rades  verstanden. 


I.  Die  Fortbewegungsmittel. 


447 


Der  Wirkungsgrad  der  Schaufelräder  ist  das  Verhältnis  der  Gesamtarbeit  zur  Nutsarbeit 
(vgl.  die  Gleichung  4).  Die  Gesamtarbeit  ist  =  JV  •  u  und  die  Nutzarbeit  ss  JV  *  v.  Es  ist 
theoretisch: 

W  •  u       u 
In  Wirklichkeit  liegt  rj  zwischen  0,6  und  0,7  und  nimmt  außerdem  sowohl  mit  der  tieferen 
Eintauchung  wie  mit  der  abnehmenden  Wassertiefe  schnell  ab,  namentlich  in  begrenztem  Fahr- 
wasser.   Bei  Flußdampfem  kann  man  bei  mittleren  Wasserständen  nur  auf  einen  Wirkungsgrad 
von  0,57  bis  0,62  rechnen. 

Die  Befestigung  der  Seitenräder  am  Schiffe  ergibt  sich  im  all- 
gemeinen bereits  aus  den  Abb.  308  bis  311.     Leichtere  Räder  (Abb.  311) 

Radkasten  eines  Personendampfers,  Abb.  312  und  313.    i  :  75. 

rn 


Abb.  312.     Querschnitt. 


Abb.  313.     Grundriß^ 

sind  nur  durch  die  inneren  Lager  b  mit  dem  Schiffskörper  verbunden  und 
stehen  in  keiner  Berührung  mit  den  sie  umschließenden  Radkästen  [r  und  s\ 
die  häufigen  Stößen  und  Beschädigungen  ausgesetzt  sind.  Es  genügt  in 
diesem  Falle,  daß  die  Radkästen  auf  der  Wasserseite  durch  leichte  Bleche 
und  Scheuerleisten  (/)  abgeschlossen  werden.  Wenn  die  Räder  breiter  wer- 
den, ist  es  wichtig,  die  Lager  möglichst  nahe  an  die  Radnaben  zu  legen  und 


448 


Schüfe  mit  eigener  Triebkraft,  KraflschiiTe. 


man  ordnet  dazu  an  den  äußeren  Schiffswänden  weit  ausladende  Konsolen  (a) 
aus  verstärkten  Blechen  an,  die  auch  in  wagerechtem  Sinne  gut  abgesteift 
werden  müssen  [Abb.  312  u.  313).  Der  Radkasten  aus  Blech  muß  überall 
reichlichen  Spielraum  für  die  Bewegung  der  Räder  lassen  und  namentlich 
nach  hinten  stark  erweitert  werden,  um  das  mitgerissene  Wasser  unbehindert 
abfließen  zu  lassen.  Zur  Unterstützung  des  Kastens  sind  2  starke  Blechträger 
(^)  an  die  Schiffswand  genietet,  die  auf  der  Wasserseite  durch  eine  Blechwand, 
den  Radkastenbalken,  verbunden  sind.  Dieser  hat  außen  eine  kräftige  Scheuer- 
leiste und  wurde  früher  auch  dazu  benutzt,   die    exzentrische  Scheibe  für  die 

Bewegung    der    Lenker- 
stangen der  .Schaufeln  zu 
tragen.      Dies    war     un- 
zweckmäßig, weil  gerade 
der  Kadkastenbalken   bei 
Zusammenstößen        und 
auch   t>etm   Anlegen    am 
meisten  gefährdet  ist.  Man 
mußte  deshalb  zur  Siche- 
rung   der    empfindhchen 
Lenkvorrichtung  den  Bal- 
ken sehr  kräftig  machen 
und    auch   die   Träger  6 
seitlich  gut  versteifen.  Das 
wird  erspart,   wenn   man 
die   exzentrische  Scheibe 
an  der  Schiffseite  befestigt 
(Abb.  311),  wo  sie  gut  ge- 
schützt und  leicht  zu  er- 
reichen ist.   Diese  Anord- 
nung  ist  jetzt   allgemein 
üblich.     Die    Radkasten- 
trommel muß  vom  Schill 
aus   durch   eine  Tür  zu- 
gänglich gemacht  werden. 
Wenn  bei   breiteren  Rädern  auch   auf  der  Wasserseite  Wellenlager  an- 
gebracht werden  müssen,  werden  die  angemessen  verstärkten  Radkastenträger 
und  Balken  durch  kräftige  Schrägstäbe  [c]  und  Winkelbleche  gegen  die  Schiffs- 
wände  abgesteift,   wie  in  Abb.  313   mit  gestrichelten  Linien  angedeutet  ist 
Bei  besonders  starken  Kraftschififen  von  über  goo  Pferdestärken  genügt  diese 
Einrichtung  nicht  mehr.    Man  macht  die  aus  Eisenfachwerk  gebildeten  Träger 
dann  an  den  Bordwänden  so  hoch  wie  die  Radkästen  und  verbindet  sie  über 
Deck  in  der  Höhe  der  Befehlbrücke  miteinander.     Die  Abb.  314  zeigt  diese 
Bauweise   an   einem  großen  Elbschleppdampfer  von   700  Pferdestärken   und 


Abb.  314.     Rndkasten 


s  Elbeschleppers  i  :  25a. 


Abb.  3t;.     Radkasti 


I.  Die  Fortbewegungsmittel. 


449 


I  m  Tiefgang,  Abb.  315  bei  einem  großen  Donauschleppdampfer  von  gleicher 
Stärke  und  gleichem  Tiefgange  ^).  Diese  hohen  Radkastenträger  werden  längs- 
Schiffs  gegen  die  Bordwände  durch  Schrägstäbe  in  senkrechter  Ebene  abge- 
steift.    In  Abb.  316  sind  die  Radkastenträger  eines  großen  Seitenradschlepp- 


Abb.  316.     Radkastenträger  eines  großen  Schleppschiffs  i  :  50. 

Schiffs  dargestellt.  Die  Ansicht  ist  von  vorne  gezeichnet:  Die  ausgezogenen 
Linien  stellen  den  hinteren,  die  punktierten  den  vorderen  Träger  (a)  dar,  der 
besonders  an  der  Schiffseite  tiefer  herunterreicht.  Der  hintere  Träger  reicht 
nicht  so  tief,  um  das  aus  dem  Rade  nach  hinten  austretende  Wasser  nicht 
zu  behindern. 


1}  Aus  Suppan  a.a.O. 
T  e  u  b  e  r  t ,  Binnenschiffahrt. 


29 


450  Abschnitt  m.     SchifTe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Der  Schiffskörper  wird  durch  die  Anbringung  von  Seitenrädern  in 
seiner  Form  nicht  beeinflußt.  Bug  und  Heck  können  daher  beliebig  feine 
Formen  erhalten,  wie  sie  dem  geringsten  Widerstände  und  der  besten  Steuer- 
fahigkeit  entsprechen.  In  der  Regel  wählt  man  Keilformen.  Diese  Schiffe 
zeigen  stets  eine  gute  Steuerfähigkeit  und  verhältnismäßig  gute  Nutzleistung, 
weil  das  Wasser  leicht  in  die  Räder  eintritt  und  ohne  Hindernis  wieder  aus- 
tritt.    Auch  die  Rückwärtsbewegung  erfolgt  ohne  Schwierigkeit. 

Eine  Eigentümlichkeit  bleibt  zu  bemerken:  Wenn  der  Widerstand  z.  B. 
infolge  schweren  Anhangs  so  groß  wird,  daß  das  Schiff  sich  kaum  vorwärts 
bewegt,  dann  tritt  durch  das  Arbeiten  der  Schaufeln  an  den  Seiten  des 
Schiffes  eine  Wasserspiegelsenkimg  ein.  Infolgedessen  tauchen  bei  geringem 
Tiefgang  die  Schaufeln  nicht  mehr  vollständig  ein  und  die  Leistung  nimmt 
schnell  ab. 


Abb.  317.     Heckraddampfe t  für  den  Kongo. 

Das  Heckrad  ist  schon  vor  etwa  100  Jahren  besonders  in  Kanälen  und 
anderen  schmalen  Wasserstraßen  angewendet  worden  (S.  90),  Aber  es  bewährte 
sich  nicht,  weil  weder  die  Steuerfähigkeit  noch  die  Nutzleistung  befriedigten. 
Auf  Kanälen  führten  außerdem  die  Wellen  starke  Beschädigungen  der  Ufer 
herbei.  Um  das  Rad  auf  den  Verläi^erungen  der  Bordwände  lagern  zu  können, 
muß  das  Heck  eine  genügende  Breite,  also  große  Völligkeit  haben.  Dadurch 
wird  der  Zufluß  des  Wassers  zu  dem  meistens  hinter  dem  Rade  an  einem 
besonderen  Ausbau  befestigten  Ruder  erschwert.  Ferner  vermehrt  das  breite, 
völlig  gebaute  Heck  den  sogenannten  »Sog«,  d.  h.  die  Menge  des  von  jedem 
fahrenden  Schiffe  mitgeschleppten  Wassers.  Die  eintauchenden  Schaufeln 
treffen  daher  den  sogenannten  Vorstrom,  also  auf  Wasser,  das  bereits  eine 
gewisse  Geschwindigkeit  in  der  Bewegungsrichtung  des  Schiffes  besitzt,  und 
der  Schlüpf  wird  größer,  die  Nutzleistung  gerii^er.  Infolge  der  Wirkung 
der  Schaufeln  wird  ferner  das  Wasser  unter  dem  Heck  fortgezogen,  wodurch 


I.  Die  Fortbewegungsmittel,  451 

dieses  nach  unten  sinkt.  Bei  sehr  seichtem  Fahrwasser  »saugt  das  Schiffsich 
fest«.  Außerdem  ist  die  Rückwärtsbewegung,  abgesehen  von  der  schlechten 
Steuerfahigkeity  dadurch  behindert,  daß  das  von  den  Schaufeln  gegen  die 
gekrümmte  Heckwand  geworfene  Wasser  schwer  austreten  kann. 

Erst  seit  etwa  20  Jahren  wurden  wieder  neue  Versuche  mit  dem  Heck- 
rade gemacht,  um  geeignete  Kraftschiffe  für  schmale  Flußläufe  mit  geringer 
Wassertiefe,  namentlich  auch  für  ungeregelte .  Flüsse  in  außereuropäischen 
Ländern  zu  gewinnen.  Abb.  317  zeigt  ein  kleines  Schiff  mit  Heckrad.  Es  ist 
1898  von  Cockerill  in  Seraing  für  den  Kongo  erbaut  worden.  Das  Rad  ist 
mit  10  festen  Schaufeln  aus  Holz  versehen.  Das  Steuerruder  befindet  sich 
zwischen  dem  Heck  und  dem  Rade,  also  vor  dem  letzteren. 

Für  die  Kolonien  sind  in  England,  Frankreich,  Belgien  und  auch  in 
Deutschland  eine  große  Zahl  ähnlicher  Schiffe,  selbst  als  Kanonenboote,  her- 
gestellt worden ').  Sie  haben  den  Vorteil  der  Einfachheit,  können  auch  leicht 
in  zerlegftem  Zustande  (in  zwei  bis  vier  Stücken)  in  großen  Seeschiffen  über 
das  Meer  befördert  und  an  Ort  und  Stelle  zusammengestellt  werden.  Man 
hat  sie  zuweilen  mit  verstellbaren  oder  auswechselbaren  Schaufeln  ausgerüstet, 
damit  die  Höhe  der  Schaufeln  und  ihre  Eintauchung  nach  dem  Tiefgang  des 
beladenen  oder  unbeladenen  Schiffes  eingerichtet  werden  kann. 

Während  die  Heckradschiffe  auch  in  Amerika  eine  ziemlich  große  Ver- 
breitung fanden,  konnten  sie  sich  in  Europa  schwer  einbürgern.  Man  baute 
sie  hier  mit  festem  Radkasten  aus  Blech  und  brachte  an  dessen  Hinterseite 
das  Steuerruder  an,  das  zuweilen  noch  durch  ein  zweites  Ruder  zwischen  Rad 
und  Heck  unterstützt  wurde.  Aber  die  außen  liegenden  Kurbeln  der  Rad- 
welle und  die  oft  ganz  freiliegenden  Schubstangen  der  Maschine  blieben  häu- 
figen Beschädigungen  ausgesetzt.  Ferner  wurde  der  Schiffskörper  durch  die 
hinten  liegenden  Maschinen  und  das  schwere  Rad,  besonders  wenn  man  es 
mit  beweglichen,  gekrümmten  Schaufeln  aus  Stahlblech  herstellte,  sehr  un- 
günstig auf  Durchbiegung  beansprucht  und  verlangte  kräftige  Längsver- 
steifungen, die  wieder  das  Gewicht  und  die  Tauchtiefe  vergrößerten. 

Eine  erhebliche  Verbesserung  der  Bauart  wurde  erst  dadurch  erreicht, 
daß  man  nicht  ein,  sondern  zwei  Heckräder  anordnete,  zwischen  denen 
man  den  Schiffskörper  schwanzartig  hindurchfiihrte.  Dieser  Schwanz  gab 
der  Radwelle  gute  Lagerung  imd  günstigere  Gelegenheit  für  die  Anordnung 
der  Kurbeln  der  Maschine,  die  jetzt  in  die  Mitte  des  Schiffes  verlegt  werden 
konnte.  Auch  wurde  dadurch  am  Hinterende  des  Schwanzes  ein  fester  Ruder- 
steven möglich. 

In  den  Abb.  318  und  319  ist  die  Anordnung  der  Heckräder  bei  einem  1899  gebauten 
Elbe-Schleppdampfer  von  300  Pferdestärken  dargestellt,  der  bei  40  m  Länge,  7,8  m  Breite  und 
2,1  m  Höhe  einen  Tiefgang  von  0,85  m  hat.    Der  Schwanz  hat  eine  Breite  von  2,5  m  und  bietet 

i)  Wahl,  Benutzung  der  natürlichen  Wasserstraßen  mit  geringer  Tauchtiefe.  Bericht  zum 
8.  Internat  SchifT.-Kongreß.  iParis  1900.  Auch  Liebrechts  (Embarcations  k  vapeur  pour  la 
navigation  en  eau  peu  profonde)  machte  dem  Düsseldorfer  Kongreß  1902  die  Mitteilung,  daß 
sich  diese  Schiffe  auf  dem  oberen  Kongo  gut  bewähren. 

29* 


452 


Abschnitt  HI.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


genügend  Raum  fOr  die  3  Kurbeln  der  Dreifach-Expansionsmaschine  und  filr  2  Wellenlager, 
während  2  weitere  Lager  ausgekragt  sind.  Die  Räder  von  2,7  m  äußerem  Durchmesser  sind  mit 
7  beweglichen  Schaufeln  von  2,35  m  Länge  und  0,65  m  Breite  versehen  und  an  den  beiden 
äußeren  Bordwänden  nochmals  gelagert.  Die  exzentrischen  Scheiben  zur  Bewegung  der  Schaufeln 
sind  auf  der  inneren  Seite  der  Räder  nahe  an  den  Wänden  des  Schwanzes  angeordnet.  Die 
Radkasten  reichen  über  Deck  bis  zur  Höhe  der  Reling  und  sind  in  dieser  Höhe  querschifis 
durch  ein  Oberdeck  verbunden.  Der  Schwanz  ist  hinter  den  Kurbellagern  nach  hinten  ver- 
längert,  um   dort  etwas  mehr  Wasserverdrängung  zu  gewinnen.     Zum  gleichen  Zweck  hat  man 

Heckrad- Anordnung  eines  Elbeschleppers,  Abb.  318  und  319.    i  :  120. 


Abb.  318.     Längsschnitt. 


Abb.  319.     Grundriß. 

ein  »Schwimmruder«  angeordnet,  dessen  Schaft  und  Blatt  aus  wasserdicht  genieteten  Blech- 
körpem  besteht.  Der  Schaft  ist  ein  Blechzilinder  von  0,8  m  Durchmesser,  durch  den  der  eigent- 
liche Schaft,  d.  h.  die  Drehwelle  hindurchgeführt,  oben  und  unten  fest  gelagert  und  gut  gegen 
Auftrieb  gesichert  ist.     Ähnlich  ist  auch  der  hintere  Teil  des  Ruderblatts  ausgebildet. 

Diese  (zuweilen  auch  bei  Raddampfern  angewandte)  Form  des  Ruders  hat  sich  nicht  sehr 
bewährt,  weil  es  schwer  zu  handhaben  ist  imd  leicht  ein  Leck  bekommt.  Der  Gewinn  an 
Wasserverdrängung  ist  auch  nicht  erheblich;  selbst  wenn  man  dem  Ruderblatt  eine  sehr  völlige 
Form  bis  nach  hinten  zu  gibt,  erreicht  man  nur  3  bis  4  t.  Man  ist  neuerdings  davon  abge- 
gangen und  gibt  dem  Ruder  und  dem  Heck  meistens  die  in  den  Abb.  320  imd  321  dargestellte 


I.  Die  Fortbewegimgsmittel. 


453 


Anordnung.  Dies  ist  eine  Ausftihrung  aus  dem  Jahre  1909.  Das  Schiff  ist  50  m  lang,  8  m 
breit,  2,15  m  hoch  und  hat  0,9  m  Tiefgang  bei  500  Pferdestärken.  Die  Radkasten  ragen  oben 
noch  über  das  Deck  des  erhöhten  Maschinenraums  hinaus.  Die  Räder  haben  einen  äußeren 
Durchmesser  von  3,1  m.  Ihre  inneren  Wellenlager  werden  nicht  mehr  ausgekragt,  so  daß  sie 
außerhalb  des  Maschinenraums  liegen,  sondern  der  letztere  wird  durch  zwei  in  das  Innere  der 
Räder  hineingebaute  Erker  [d)  erweitert,  so  daß  die  Wellenlager  unmittelbar  neben  den  Kurbeln 
im  Maschinenraum  selbst  liegen.  In  den  Abb.  322  bis  324  sind  die  Anordnungen  der  Radkasten 
und   der  Räder  dargestellt,   wie   sie  im  Jahre  19 10  für  einen  Schleppdampfer  von  715  Pferde- 


Heckrad- Anordnung  eines  Oderschleppers,  Abb.  320  und  321.    i :  150. 


^-r    .     !     I— 1— i-TT-r-r-r-T-T-r 


"- r~i — r — r — r 


5  io 

Abb.  320.    Ansicht 


Abb.  321.     Grundriß. 


stärken  auf  der  Werft  von  Cäsar  Wollheim  in  Breslau  ausgeführt  wurden.  Bei  Spant  O  ist 
ein  starker  Träger  querschiffs  angeordnet,  an  dem  nach  hinten  zu  das  übergebaute  Heck  und 
das  Steuerruder  (bei  a]  befestigt  ist,  während  er  nach  vom  an  seinen  beiden  Enden  die  Seiten- 
träger unterstützt,  die  in  der  Flucht  der  Bordwände  die  Radkasten  und  die  Außenlager  der  Rad- 
welle tragen. 

Den  Heckrädem  bei  neueren  Schleppdampfern  gibt  man  40  bis  45  Umdrehungen  je  Minute. 

In  neuester  Zeit  (191 1)  hat  man  auf  der  Weser  dem  Schwanz  des  Hinter- 
schiffs eine  etwa  doppelte  Breite  gegeben  und  ihn  nach  hinten  um  6  bis  7  m 


454 


Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


Radkasten  eines  Heckradschieppers,  Abb.  322  bis  324.    i  :  60. 


Abb.  322.     Qnerschnitt 


Abb.  323.     Grundriß. 


I.  Die  Fortbewegungsmittel. 


455 


^SMepr^U 


Abb.  324.     Längsschnitt. 

verlängert.  Dadurch  erreicht  man  die  sehr  erwünschte  größere  Wasserver- 
drängung am  Heck;  man  kann  die  Räder  dann  aber  vielleicht  richtiger  als 
Seitenräder  bezeichnen,  die  am  Hinterschiff  befestigt  sind.  Es  ist  das  eine 
Ubergangsform.  (Ein  solches  Schiff  wird  unten  dargestellt  und  beschrieben 
werden.) 

Schrauben.  Wenn  eine  Schraube,  d.  h.  eine  auf  einem  zilindrischen 
Schaft  angebrachte  Schraubenfläche  in  einer  Mutter  oder  einem  weichen 
Körper,  z.  B.  Holz,  gedreht  wird,  bewegt  sie  sich  in  der  Richtung  der  Zilin- 
derachse  je  nach  dem  Sinn  der  Drehrichtung  vorwärts  oder  rückwärts.  Der 
bei  einer  Umdrehung  zurückgelegte  Weg  oder  der  »Fortgang«  der  Schraube 
heißt  die  Steigung  oder  die  Ganghöhe.  So  bewegt  auch. eine  mit  wage- 
rechter Welle  am  Heck  eines  Schiffes  unter  Wasser  befestigte  Schraube  bei 
der  Drehung  sich  und  das  Schiff  vorwärts  oder  rückwärts.  Die  Schrauben- 
fläche gibt  dem  in  der  Richtung  der  Fahrt  in  die  Schraube  eintretenden 
Wasser  eine  Beschleunigung  (Schlüpf),  wodurch  ebenso  wie  beim  Schaufel- 
rade eine  gewisse  Wassermenge  zurückgeworfen  wird,  und  der  Gegendruck 
des  Wassers  in  der  Richtung  der  Welle  schiebt  das  Schiff. 

Schon  im  18.  Jahrhundert  hat  man  versucht,  die  Schrauben  zur  Fortbewegung  von  Schüfen 
zu  verwenden  und  die  Franzosen  schreiben  die  Erfindung  Charles  Dallery  aus  Amiens  zu,  der 
im  Jahre  1803  Patente  anmeldete,  aber  keinen  Erfolg  hatte.  Dies  gelang  zuerst  im  Jahre  1829 
einem  Österreicher  Josef  Ressel  in  Triest.  Er  machte  mit  dem  Schiffe  »Civetta«  von  etwa 
20  m  Länge,  3,6  m  Breite  und  2  m  Höhe,  das  mit  einer  Maschine  von  6  Pferdestärken  ausgerüstet 
war,  eine  erfolgreiche  Versuchsfahrt,  bei  der  eine  Geschwindigkeit  von  etwa  1 1  km  je  Stunde  er- 
reicht sein  soll.  Die  von  ihm  benutzte  Schraube  hatte  1,5  Umgänge  und  lag  ganz  unter  Wasser, 
vor  dem  Rudersteven,   wie  man  es  auch  heute  macht.     Ressel   erreichte  aber  keinen  Wirtschaft- 


456 


Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  KraftschifTe. 


liehen  Erfolg,  obwohl  er  sich  Mühe  gab,  sein  Patent  in  Frankreich  und  England  lu  verwerten. 
Erst  im  Jahre  1836  tancbte  die  Schraube  wieder  in  England  auf.  Es  wurden  dort  ziemlich 
gleichzeitig  zwei  Patente  an  F.  F.  Smith  und  an  J.  Ericsson  verliehen. 

Smith  baute  zuerst  ein  Versnchsboot  von  etwa  10  m  L&nge,  6  I  Tragfähigkeit  und  6  Pferde- 
stärken,  wobei  er  der  ebenso  wie  von  Rcaset  angeordneten  Schraube  zwei  ganze  Umgftngc  gab. 
Während  einer  Probefahrt  ereignete  sich  der  Unfall,  daß  etwa  die  Hälfte  der  Schraube,  die  aus 
Holz  gefertigt  war,  abbrach  und  es  leigte  sich,  daß  die  Geschwindigkeit  des  Schiffes  dadurch 
größer  geworden  war.  Nach  kühnen  Versuchsfahrten  mit  diesem  kleinen  Schiffe  an  der  eng- 
lischen Küste  im  Jahre  1837  veranlabte  die  Ad- 
miralität im  folgenden  Jahre  den  Bau  eines  groi^n 
Schiffes  »Archimedes«  von  etwa  42  m  1-ängc, 
7  m  Breite,  4,3  m  Höhe  und  90  Kerdestirken. 
Die  Schraube  hatte  bei  3,1  m  Tiefgang  des  Schiffes 
einen  Durchmesser  von  1,9  m,  eine  Steigung  von 
2,7  m  und  einen  vollen  Umgang  (Abb.  jstj,  a-b  ist 
die  Steigung).  Das  Schiff  ging  1839  in  See  und 
hatte  großen  Erfolg,  namentlich  nachder 


Stelle    des   1 


i    Schraubenm 


.    halbe 


Umginge  angeordnet  hatte,  die  auf  entgegenge- 
setzten Seiten  der  Na1>c  angebracht  waren.  So 
entstand  die  >zweigangige<  Schraube  (weil  beide  Teile  zwei  verschiedenen  Schraul>enfllchen 
angehören).  Die  Kurbetwelle  der  Maschine  machte  aj  Umdrehungen,  die  durch  Zahnradvor- 
gelege angetriebene  Schrauben  welle  133,5  Umdrehungen  in  der  Minute.  Es  wurde  eine  Ge- 
schwindigkeit von  aS  km  je  Stunde  erreicht. 

Die  Schraube  von  Smith  fand  in  England  schnelle  Verbreitung.  Man  teilte  sie  bald  in 
4  Teile  von  je  '/t  Umgang,  die  man  in  derselben  Ebene  auf  der  Nabe  anordnete  und  kam 
so   zur   1  viergängigen  •   Schraube.     Daim   verkitate  man  noch  jeden  Flöget  von  '/,  auf  '/<  L'm- 

Schraube  von  Ericsson  1836,  Abb.  3a7  und  338. 


Abb.  327.     Heck-Ansicht. 


Abb.  32S.     Längsschnitt. 


gang  und  so  entstand  allmShUch  die  vierllUgeiige  und  viergängige  Schraube,  wie  sie  z.  B.  im 
Jahre  1843  das  berühmte  >ei3erne«  Schiff  »Great  Brilain«,  der  erate  Ozeandampfer  mit  Schraulx, 
erhielt  (Abb.  326)').     Die  heute  angewandten  Schrauben  sind  uicht  sehr  verschieden  davon. 

Ericsson,  ein  Schwede  von  Geburt,  ging  von  einer  anderen  Bauweise  aus  (Abb.  327 
und  32S).  Er  ordnete  zwei  Schrauben  hintereinander  auf  derselben  Achse  an,  die  sich  in 
eutgegengeselilera  Sinne  drehten,  und  zwar  hinler  dem  Ruder.  Die  hintere  Schraube  drehte 
sich  schneller  als  die  vordere  und  beschleunigte  so  das  von  der  vorderen  Schraube  in  Bewegung 

i;  Vgl.  Aeheobach,  Die  Schiffschraube.  Kiel.    Diesem  Buche  sind  ancb  mehrere  Zeich- 


I.  Die  Fortbewegungsmittel.  457 

gesetzte  Wasser.  Jede  Schraube  bestand  eigentlich  aus  einem  Rade,  auf  dessen  Umfang  spiral- 
förmig gebogene  Platten  befestigt  waren,  bei  beiden  Schrauben  entgegengesetzt  gerichtet.  In 
England  erreichte  Ericsson  keinen  Erfolg;  aber  mit  dem  ersten  größeren  Schiffe,  das  mit  seiner 
Schraube  ausgerüstet  war,  begab  er  sich  nach  Amerika  und  dort  fand  seine  Erfindung  Beifall 
und  Verbreitung.  Im  Jahre  1843  sollen  schon  41  amerikanische  Schiffe  mit  solchen  Schrauben 
gefahren  sein.  Auch  in  Frankreich  bürgerte  sich  diese  Form  ein,  bis  später  die  einfachere  An- 
ordnung von  Smith  sie  überall  verdrängte.  Die  Bauweise  von  Ericsson  hat  darum  eine  gewbse 
Bedeutung,  weil  man  in  neuester  Zeit  wieder  auf  den  Gedanken  zurückgekommen  ist,  zwei 
Schrauben  auf  derselben  Welle  in  verschiedenem  Sinne  drehend  anzuordnen,  um  damit  eine  er- 
höhte Leistung  zu  erreichen,  worüber  später  berichtet  werden  wird. 

Die  Form  der  Schraube  ist  seit  Smith  teils  nach  Erfahrungen,  teils 
nach  Versuchen  vielfach  verändert  worden;  aber  die  meisten  in  Vorschlag 
gebrachten  und  versuchten  Abänderungen  haben  weder  zu  befriedigendem 
Erfolge  noch  zu  dauernder  allgemeiner  Verwendung  geführt. 

In  Abb.  329  ist  die  einfache,  mathematische 
oder  gemeine  Schraube  dargestellt,  wie  sie  im 
Jahre  1858  auf  dem  preußischen  Aviso  »Grille« 
benutzt  wurde.  Abgesehen  davon,  daß  man 
heute  alle  scharfen  Ecken  daran  abrundet,  um 
die  Reibungswiderstände  zu  vermindern,  ist 
diese  Form  noch  immer  die  gebräuchlichste '). 

Die  wichtigsten  Teile  und  Abmessungen  einer  ^^^  32^  iS^Thematische  Sc^be. 
Schraube  sind:  der  Durchmesser,  die  Anzahl, 

Form  und  Stärke  der  Flügel,  die  Gangrichtung  (rechts-  oder  linksgängig)  die 
Ganghöhe  (Steigung)  sowie  die  Neigung  und  Form  der  Erzeugungslinie. 

Der  Durchmesser  (D)  hängt  von  der  Tauchtiefe  des  Schiffes  ab  und 
sollte  in  der  Regel  nicht  größer  sein,  wenn  auch  während  der  Fahrt  das  Heck 
gewöhnlich  tiefer  einsinkt  und  die  im  Ruhezustande  etwas  über  den  Wasser- 
spiegel hervorragenden  Flügelspitzen  dann  eingetaucht  werden.  Wenn  die 
Schraube  nicht  ganz  unter  Wasser  arbeitet,  saugt  sie  Luft  ein,  wodurch  ihre 
Wirkimg  schlechter  wird.  In  der  Binnenschiffahrt  muß  man  in  der  Regel 
mit  geringen  Tauchtiefen  rechnen  und  dadurch  ist  auch  der  Durchmesser  der 
Schraube  gegeben.  Bei  großem  Tiefgange  des  Schiffes  ermittelt  man  die 
angemessene  Größe  des  Durchmessers  nach  Erfahrui^sätzen,  legt  die  Schraube 
aber  möglichst  tief  unter  Wasser,  so  daß  die  Spitzen  noch  30  bis  60  cm  unter 
dem  Wasserspiegel  bleiben.  Zur  überschläglichen  Rechnung  wählt  man  die 
Fläche  des  Schraubenkreises  (der  von  den  Flügelspitzen  beschrieben  wird) 
etwa  gleich  einem  Drittel  des  eingetauchten  Hauptspant-Querschnitts. 

Es  muß  darauf  hingewiesen  werden,  daß  man  mit  einem  möglichst 
großen  Durchmesser  nicht  immer  die  größte  Wirkung  erreicht;  viele  Ver- 
suche haben  ergeben,  daß  man  mit  kleineren  Durchmessern  zuweilen  bessere 
Erfolge  hat. 


I)  Horace  See -New- York  erklärt  sie  in  dem  Bericht  über  den  >Fortschritt  in  den  Mittteln 
zur  Fortbewegung  der  Schiffe«  für  den  10.  Intern.  Schiff. -Kongreß  in  Mailand  1905  fiir  die  noch 
immer  geeignetste  Form. 


458  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Wenn  man  die  Fläche  der  Flügel  in  der  Richtung  der  Welle  auf  die 
Schraubenkreisfläche  projiziert,  erhält  man  die  projizierte  Flügelfläche  [Fp), 
die  man  auch  als  wirksame  Flügelfläche  bezeichnet.  Der  normal  zu  jedem 
Punkt  des  Flügels  wirkende  Gegendruck  des  Wassers  zerlegt  sich  in  eine  Kraft 
gleichlaufend  mit  der  Achse  der  Schraubenwelle  und  in  eine  senkrecht  dazu 
gerichtete,  in  der  Ebene  der  Schraubenkreisfläche  wirkende  Kraft,  Tangential- 
kraft. Die  erstere  in  der  Richtung  der  Welle  ist  die  Schubkraft,  die  das  Schiff 
fortbewegt,  und  sie  wächst  unter  sonst  gleichen  Umständen  mit  der  Größe  der 
wirksamen  Flügelfläche.  Die  »Völligkeit«  dieser  Flügelfläche,  d.  h.  ihr  Ver- 
hältnis zur  Schraubenkreisfläche  muß  umgekehrt  um  so  größer  gewählt  werden, 
je  größer  der  Schub  und  je  kleiner  der  Schraubendurchmesser  ist,  also  am 
größten  bei  Schleppschiffen  der  Binnenschiffahrt,  wo  sie  zu  0,6  bis  0,8,  zu- 
weilen auch  zu  I  wird. 

Der   gesamte   nutzbare  Schub   der  Schraube   ist   gleich   dem  Widerstand  (f'V)  des  Schiffes 

und  auf  die  Flächeneinheit  der  wirksamen  Flügelfläche  entfällt  daher  der  Druck  /  =  —= —  •    Die 

Größe  von  p  (in  kg  je  cm^)  schwankt  zwischen  0,15  und  0,53  (atlantische  Schnelldampfer)  und 
wird  bei  Torpedobooten  selbst  zu  i',i.  Völlige,  langsam  fahrende  Schiffe  mit  hoher  Umlaufzahl 
haben  ein  kleines  /,  Schlepper  und  Güterdampfer  der  Binnenschiffahrt  etwa  0,15  bis  0,2. 

Wichtiger  ist  noch  für  die  Wirkung  der  Schraube  die  Größe  der  abgewickelten  Flügel- 
flächen {Fa).  Erfahrungsmäßig  wählt  man  das  Verhältnis  zwischen  der  abgewickelten  Gesamt- 
flügelfläche  und  der  Schraubenkreisfläche  zu  0,39  bis  0,45 ,  aber  bei  flachgehenden  Schiffen 
mit  kleinen  Schrauben  und  besonders  bei  Schleppern  zu  0,45  bis  0,8.  Den  auf  die  Flächenein- 
heit der  abgewickelten  Flügelfläche  zulässigen  Druck  je  cm^  nimmt  man  zu  0,3  bis  0,9  kg  an, 
wobei  der  stärkere  Druck  für  sehr  schneU  fahrende  Schiffe  (Torpedoboote)  gilt.  Große  atlan- 
tische Schnelldampfer  zeigen  einen  Druck  von  0,6  bis  0,7  kg. 

Die  Anzahl  der  Flügel  schwankt  im  allgemeinen  zwischen  2  und  4. 
Zweiflügelige  Schrauben  haben  zwar  in  ruhigem  Wasser  einen  guten  Wirkungs- 
grad, ergeben  aber  ungünstige  Beanspruchungen  der  Wellen  und  starke  Er- 
schütterungen des  Hinterschiffs.  Sie  werden  darum  gewöhnlich  nur  bei  kleinen 
Booten  angewendet.  Dreiflügelige  Schrauben  geben  etwas  weniger  Stöße  und 
werden  namentlich  bei  schnell  laufenden  und  bei  Zweischraubenschiffen  mit 
Vorliebe  benutzt.  Auch  bei  Schlepp-  und  Güterdampfern  der  Binnenschiffahrt 
werden  sie  bevorzugt.  Vierflügelige  Schrauben  werden  bei  Seeschiffen  fast 
allgemein  verwendet,  aber  auch  häufig  in  der  Binnenschiffahrt.  Sie  arbeiten 
am  ruhigsten,  weil  die  beim  Vorübergehen  an  dem  Steven  eintretenden  Stöße 
sich  gegenseitig  aufheben.  Ihr  Wirkungsgrad  soll  aber  etwas  geringer  sein 
als  bei  dreiflügeligen  Schrauben. 

Die  Schraube  kann  rechtsgängig  oder  linksgängig  sein.  Wenn  man 
hinter  dem  Schiffe  stehend  einen  aufwärts  gerichteten  Flügel  betrachtet  und 
erkennt,  daß  er  von  hinten  links  (Backbord)  nach  vorne  rechts  (Steuerbord) 
gerichtet  ist,  so  ist  dies  eine  rechtsgängige  Schraube.  Bei  einer  linksgängigen 
ist  der  Flügel  von  hinten  rechts  (Steuerbord)  nach  vorne  links  (Backbord) 
gerichtet.  Man  unterscheidet  an  dem  Flügel  die  »eintretende«  und  die  »aus- 
tretende«  Kante.     In  unserem  Falle  liegt  bei  der  rechtsgängigen  Schraube 


.  Die  Fortbewegungamittel. 


459 


die  eintretende  Kante  beim  Vorwärt^ang  auf  der  Steuerbordseite,  bei  der 
link^ängigen  auf  der  Backbordseite.  Ob  man  rechts-  oder  linksgängige 
Schrauben  anwendet,  ist  für  den  Erfolg  gleichgültig;  jedoch  ist  die  Einwirkung 
auf  das  Ruder  etwas  verschieden.  Gewöhnlich  werden  rechtsgängige  benutzt. 
Die  Form  der  abgewickelten  Flügelfläche  wird  nach  den  Umständen 
und  der  Geschwindigkeit  des  SchilTes  verschieden  gewählt.  Im  allgemeinen 
gibt   man   namentlich    bei   tief  gehenden   SchifTen    dem  Flügel  eine   nahezu 


C  D 

Abb.  330.     Forme 


E 

der  Scbraubenflügel. 


elliptische  (Blatt-)  Form  (Abb.  330,  ä\.    Die  mittlere  Breite  darf  in  der  Regel 
nicht  zu  groD  sein,  weil  die  Reibungswiderstände  (des  Wassers)  mit  der  Größe 
der  Flügelfläche   zunehmen.     Sie  sind  am  Umfang  infolge  der  größeren  Ge- 
schwindigkeit größer  als  an  der  sogenannten  Wurzel  des  Flügels,  an  der  Nabe. 
Andererseits  sind  die  Flügelteile  nahe  der  Wurzel  aber  unwirksamer.   Zuweilen, 
namentlich  bei  Kriegschiffen,   wird  die  Flügelbreite  nach  dem  Umfange,  der 
Spitze   zu,   stark  verkleinert   und  zu- 
geschärft (5),    wodurch    die    Flügel- 
spitzen weniger  Druck  bekommen  und 
weniger    leicht    zerbrechlich    werden. 
Umgekehrt    werden,    namentlich   bei 
langsamer     laufenden     Schiffen,     die 
Flügelflächen   nach   dem   Umfang  zu 
verbreitert  [C],  weil  sie  trotz  des  ver- 
mehrten    Reibungswiderstandes     auf 

diese  Weise  wirksamer  werden.  Häufig  ..  . 

wird  neuerdings  eine  Verkleinerung  Schrauben '  für  langsam  fihreode  Bmne'nschiffe. 
der  Flügelfläche  an   der   eintretenden 

Kante  und  eine  entsprechende  Vergrößerung  nach  der  austretenden  vorge- 
nommen, was  man  die  > Beschneidung •  des  Flügels  nennt  (/>].  Bei  flach 
gebauten,  langsam  gehenden  Schiffen  von  verhältnismäßig  großer  Maschinen- 
leistung ist  man  wegen  der  beschränkten  Größe  des  Schraubendurchmessers 
zu  einer  bedeutenden  Verbreiterung  der  Flügelfläche  nach  dem  Umfange  zu 
gekommen  [E).  Versuche  von  Sachsenberg  haben  für  solche  Formen  bei 
Schleppschiflfen  günstige  Wirkungsgrade  ergeben.  Bei  Schleppschiffen  und 
Güterschiflen  von   sehr  geringem  Tiefgang  haben  sich  die  noch  mehr  ver- 


460  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

breiterten  Formen  {F)  in  der  Binnenschiffahrt  gut  bewährt.  Sie  zeigen  große 
Völligkeit  und  werden  in  der  Regel  dreiflügelig  angeordnet  (Abb.  331  u.  332). 
Für  Schnellfahrten  sind  sie  ganz  ungeeignet. 

Bauart  und  Baustoff  der  Flügel  sind  gleichfalls  von  Wichtigkeit  für 
den  Wirkungsgrad  der  Schraube.  Die  hintere  Fläche  der  Flügel,  die  soge- 
genannte Druckfläche,  wird  bis  jetzt  in  der  Regel  als  Hauptfläche  angesehen 
und  meistens  als  genaue  Schraubenfläche  besonders  gut  hergestellt.  Die 
vordere  Fläche  ist  dann  keine  Schraubenfiäche,  weil  die  Dicke  des  Flügels 
von  der  Nabe  zur  Spitze  allmählich  abnimmt.  Diese  Dicke  oder  Stärke 
des  Flügels  muß  so  bemessen  werden,  daß  sie  den  angreifenden  Kräften 
(Drehmoment  und  Fliehkraft)  widersteht  und  richtet  sich  nach  dem  verwen- 
deten Baustoff.  Je  dünner  die  Flügel  gehalten  werden,  um  so  geringer  sind 
die  Widerstände.  Am  besten  ist  also  Bronze  (Phosphorbronze,  Manganbronze, 
Spezialbronze  der  Marine).  Doch  verwendet  man  auch  Stahlguß  (für  Eis- 
brecher und  Schlepper),  geschmiedeten  Stahl  und  Gußeisen.  Der  letzte  Stoff 
wird  am  häufigsten  benutzt,  weil  er  billig  ist  und  beim  Aufschlagen  der 
Schraube  den  Vorteil  bietet,  daß  wohl  leicht  ein  Flügel  abbricht,  die  kost- 
barere Welle  aber  unbeschädigt  bleibt.  Am  besten  ist  graues,  weiches  Guß- 
eisen, dem  man  zuweilen  einen  Zusatz  von  Stahlspähnen  g^bt  (»Spezialeisen«). 
Zur  Verminderung  der  Reibungswiderstände  ist  es  von  Bedeutung,  daß  die 
Flügelflächen  sauber  und  glatt  bearbeitet  werden.  Bronzeflügel  pflegt  man 
neuerdings  zu  polieren.  Die  Kanten  der  Flügel,  namentlich  die  eintretenden, 
müssen  zur  Verminderung  der  Widerstände  so  scharf  wie  zulässig  gemacht 
werden. 

Die  Flügel  werden  entweder  an  die  Nabe  angegossen  oder  angeschraubt 
oder  angenietet.  Das  erste  ist  namentlich  bei  den  kleineren  Schrauben  der 
Binnenschiffahrt  üblich,  wenn  sie  einheitlich  aus  Guß  hergestellt  werden.  Bei 
großen  Seeschiffen  werden  die  Flügel  angeschraubt,  was  den  Vorteil  bietet, 
einen  etwa  abgebrochenen  leicht  erneuern  und  unter  Umständen  allen  eine 
andere  Stellung  zur  Nabe,  also  eine  andere  Steigung  geben  zu  können.  Zwei- 
flügelige Schrauben  für  Boote  werden  zuweilen  mit  beweglichen  Flügeln 
versehen,  deren  Steigung  man  während  der  Fahrt  beliebig  verändern  und  so 
umstellen  kann,  daß  der  Vorwärtsgang  des  Schiffes  in  Rückwärtsgang  über- 
geht, ohne  daß  die  Welle  eine  andere  Drehrichtung  annimmt. 

Angenietet  werden  oft  die  Flügel  von  der  Form  E  und  F  bei  langsam 
fahrenden  Schiffen  auf  seichten  Binnenwasserstraßen.  Diese  Flügel  sind  ge- 
wöhnlich aus  Stahlblech  (Flußeisen)  hergestellt,  und  man  befestigt  sie  durch 
Niete  an  besonderen  Lappen  der  aus  Stahlguß  oder  Gußeisen  gefertigten 
Nabe.  Solche  zuerst  von  R.  Wolf  in  Buckau-Magdeburg  in  den  Handel  ge- 
brachten Schrauben  bieten  den  Vorteil,  daß  die  Flügel  widerstandsfähig  sind 
und,  falls  sie  sich  beim  Aufschlagen  verbiegen,  leicht  wieder  in  die  richtige 
Form  gebracht  werden  können  Sie  erfreuen  sich  besonders  auf  den  seichten 
östlichen  deutschen  Wasserstraßen  großer  Verbreitung,   zumal  sie  unter  sonst 


I.  Die  Fortbewegungsmittel.  461 

gleichen  Umständen  einen  größeren  Wirkungsgrad  zeigen,  der  vielleicht  auf 
die  gleichmäßige  und  verhältnismäßig  geringe  Blechstärke  der  Flügel  zurück- 
zuführen ist  (Abb,  333). 

Die  Steigung  der  Schraube  [H]   wird  im  Verhältnis   zum  Schrauben- 
durchmesser bestimmt.     Das   >Steigungsverhältnis<   j-^j  wird  meistens  nach 

der  Erfahrung  festgesetzt  und  schwankt  im  allgemeinen  zwischen  0,9  und  1,5. 
Für  kleine  Schrauben  unter  2  m  Durchmesser  und  mäßige  Umdrehungszahlen 
wählt  man  1,3  bis  1,5,  bei  kleinen,  schnell  fahrenden  Booten  etwa  1,2.  (Große 
atlantische  Schnelldampfer  haben  0,6  bis  0,7,]  In  der  Binnenschiffahrt  wählt 
man  gewöhnlich  Tiir  GüterschitTe  das  Verhältnis  zu  r  bis  1,1,  fiir  Schlepp- 
schiffe zu  1,2  bis  1,3. 


Abb,  333.     Prüfung  von  Schrauben  bei  Wolf  in  Buckso, 

Bei  der  gewöhnlichen,  einfachen  Schraube  hat  die  mathematische 
Schraubenfläche  eine  unveränderliche  Steigung,  d.  h.  die  von  den  einzelnen 
Punkten  beschriebenen  Schraubenlinien  haben  dieselbe  Steigung.  Um  einen 
besseren  Wirkungsgrad  zu  erreichen,  laßt  man  die  Steigung  im  Verhältnis  zu 
der  dem  Wasser  erteilten  Beschleunigung  zunehmen,  was  besonders  bei  den  ver- 
hältnismäßig breiten  Flügeln  der  Binnenschiffahrt  vorteilhaft  Ist,  wo  die  einzelnen 
Wasserteiichen  einen  beträchtlichen  Weg  an  der  Fläche  entlang  machen  und 
erhebliche  Reibungsverluste  erleiden.  Die  Steigung  kann  entweder  in  der  Rich- 
tung von  der  Nabe  zum  Umfang  zunehmen,  radial  veränderliche  Stei- 
gung, oder  von  der  Eintrittskante  zur  Austrittskante,  axial  oder  peripherial 
veränderliche   Steigung.     Neuerdings  läßt  man  bei   veränderlicher  Stel- 


462 


Abschnitt  HI.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


gung  diese  gewöhnlich  nach  beiden  Richtungen  hin  wachsen.  Solche  Flügel 
haben  dann  keine  richtigen  Schraubenflächen  mehr.  Über  den  Wert  der  ver- 
änderlichen Steigung  stimmen  die  Ansichten  noch  nicht  ganz  überein. 

Die  Erzeugungslinie  (oder  Erzeugende)  einer  mathematischen  Schrauben- 
fläche ist  gerade  und  steht  senkrecht  zur  Schrauben-  und  Welleilachse  (Abb.  334, 
A),  Die  so  gebauten,  gewöhnlichen  Schiffschrauben  werden  in  der  Binnen- 
schiffahrt am  häufigsten  angewendet,   besonders  bei  Schiffen,  die  möglichst 


MB  C  J>  £  F 

Abb.  334.     Schrauben  mit  verschiedenen  Erzeugungslinien. 

gleich  gut  vorwärts  und  rückwärts  fahren  sollen  (Schlepper,  Hafendampfer, 
Fährschiffe).  Wenn  es  auf  besondere  Schnelligkeit  in  längerer  Fahrt  an- 
kommt, gibt  man  der  Erzeugungslinie  eine  kleine  Neigung  nach  hinten  [B\ 
um  das  mitgerissene,  durch  die  Fliehkraft  nach  außen  geschleuderte  Wasser 
mehr  nach  hinten  zu  werfen  und  dadurch  den  Wirkungsgrad  zu  erhöhen. 
Dieser  Neigungswinkel  nach  hinten  beträgt  gewöhnlich  etwa  8°,  bei  Schiffen 

mit  großen  Geschwindigkeiten  bis  15° 
(bei  Torpedobooten  bis  25°).  Bei  ein- 
zelnen Schrauben  hat  man  gekrümmte 
oder  geknickte  Erzeugungslinien  in  ver- 
schiedener Art  verwendet.  Bei  der 
Griffith-Schraube  (1860)  ist  die  Erzeu- 
gende nach  vorn  gekrümmt  (C),  und 
in  ähnlicher  Weise  ist  eine  von  den 
Schiffswerften  in  Roßlau  und  Übigau 
für  Flußschiffe  benutzte  Form  [D]  durch  eine  geneigte  und  an  der  Spitze 
nach  vorne  geknickte  Erzeugungslinie  gebildet.  Beiden  Formen  liegt  die  Ab- 
sicht zugrunde,  dem  der  Schraube  zuströmenden  Wasser  eine  gewisse  Füh- 
rung zur  Druckfläche  zu  geben.  Die  Thornycroft-Schraube  (1870)  hat 
eine  in  der  Achsenebene  gekrümmte  Erzeugende  [E],  Sie  wird  bei  schnell 
laufenden  Schiffen,  z.  B.  bei  Torpedobooten,  gern  angewendet  (Abb.  335). 
Zuweilen  gibt  man  der  geraden,  nach  hinten  geneigten  Erzeugungslinie  nach 
dem  Umfang  zu  eine  stärkere  Krümmung  nach  hinten,  wie  bei  F  dargestellt 
(von  Klawitter-Danzig). 


Abb.  335.     Thornycroft-Schraube. 


.  Die  Foitbeweguogstoittel. 


463 


Für  schaell  fahrende  Schiffe  ist  heute  die  Zeise- Schraube  beliebt 
geworden.  Sie  hat  eine  schwach  nach  hinten  gekrümmte  Erzeugungsiinie 
(ähnlich  wie  die  Thornycroft-Schraube)  und  eine  vom  Umfang  zur  Nabe, 
radial,   zunehmende   Steigung,   um  den  Druck  mehr   nach  der  Nabe  hin  zu 


Abb.  336.    Zeise-Scbraube. 


Abb.  337.     Zcise-Schreube. 


Abb.  338.     NikL-Zeise-Schraobe 


verlegen.  Die  Wandstärke  der  meistens  aus  Bronze  beigestellten  Flügel  ist 
verhältnismäßig  gering,  wodurch  die  Schraube  leicht  wird.  Die  projizierte 
Flügelfläche  zeigt  eine  geringe  Völligkeit  {Abb.  336  u.  337).  Man  hat  mit 
dieser  Schraube  recht  gute  Wirkungsgrade  erzielt. 


464  Abschmit  ni.     Scbiffe  mit  eigener  Triebkraft,  KrafbebilTe. 

Die  Niki-Schraube  ist  eine  Erfindung  des  GroOherzogs  Friedrich  August 
von  Oldenburg.  Es  lag  hierbei  die  Absicht  vor,  den  bei  Schrauben  mit  hoher 
Umlaufzahl  und  starkem  spezifischem  Druck  auf  der  projizierten  Flügelfläche 
(^  ^  I  kg  je  cm'  und  mehr)  eintretenden  Ubelstand  der  sogenannten  ■Kavi- 
tation« zu  vermeiden,  d.  h.  die  Bildung  von  Hohlräumen,  Lufbäumen  an  der 
Saugfläche  .der  Flügel   nahe   der  Nabe.     Solche  Hohlräume  entstehen  durch 


Abb.  339.     Niki'Zeise-SchraubeD  eines  ZwebcbraubenscbilTs  (tinks  und  recbts^ngig), 

ungenügenden  Wasserzufluß  zur  Schraube  und  verringern  in  hohem  MaOe 
ihre  Wirkung.  Bei  der  Niki-Schraube  sind  die  Wurzeln  der  Flügel  nicht  wie 
sonst  in  derselben  zur  Achse  senkrechten  Ebene  angeordnet,  sondern  in  der 
Richtung  der  Achse  gegeneinander  versetzt,  so  daß  sie  nacheinander  ein- 
greifen. In  Abb,  338,  die  wie  Abb.  339  dem  Werke  von  Achenbach  ent- 
nommen ist,  kann  man  deutlich  erkennen,  wie  die  drei  Flügel  um  je  40  nam 
gegeneinander  versetzt  sind.  Die  Wurzeln  sind  auf  einer  Schraubenlinie  an- 
geordnet. Im  übrigen  sind  die  Flügelflächen  nebst  Steigung  u.  dgl.  nach 
Zeises  Patent  angeordnet,  so  daß  man  diese 
Art  von  Schrauben  »Niki-Zeise«  nennt. 
Abb,  33g  zeigt  ein  Lichtbild  von  einer 
links-  und  einer  rechtsgängigen  Schraube, 
die  auf  einem  kleinen  Doppel  schrauben- 
dampfer  der  Nordsee  benutzt  werden.  Aus 
,        j  der  Abb.  340    erkennt    man    deutlich    den 

■j^  Unterschied     gegen    die     Zeise  -  Schraube 

Abb.  340.    Niki-Zeiao-Scbraube.         (Abb.  336)  Und  die  Thomycrofl- Schraube 

(Abb.  335)- 
Bei  den  angestellten  Versuchen  und  auf  längeren  Fahrten  hat  sich  heraus- 
gestellt, daß  mit  diesen  Niki-Zeise-Schrauben,  besonders  bei  kleinen  Durch- 
messern und  großen  Umlaufzahlen,  höhere  Geschwindigkeiten  und  Wirkungs- 
grade als  mit  anderen  guten  Schrauben  erreicht  werden.  Femer  werden 
die  Entstehung  von  Hohlräumen,  das  Niedersaugen  des  Hecks  und  die  Er^ 
schütterung  des  Hinterschiffs   bedeutend    vermindert.     Die   Anbringung   von 


Q^^ 


I.  Die  Fortbewegungsmittel.  465 

solchen  Schrauben  an  alten  Schiffen  wird  durch  die  um  etwa  ein  Drittel 
längere  Nabe  etwas  erschwert.  Für  Güter-  und  Schleppschiffe  der  Binnen- 
schiffahrt sind  diese  Schraubenformen  nicht  geeignet. 

Der  Schlüpf  (Rücklauf,  Slip)  der  Schraube  ist  nach  der  allgemeinen 
Gleichung  5  (S.  438): 

u — V 

s  = , 

u 

worin  v  die  Geschwindigkeit  des  Schiffes  und  u  die  Geschwindigkeit  der 
Schraube,  d.  h.  ihren  Fortgang  je  Sekunde  bedeuten.  Abweichend  von  der 
Erscheinung  bei  den  Seitenrädern  ist  bei  der  Schraube  zu  beachten,  daß  sie 
hinter  dem  Schiffe  stets  in  dem  »Vorstrom«  arbeitet,  also  in  dem  von  dem 
Schiffshinterteil  mitgerissenen  Wasser,  das  bereits  eine  gewisse  Geschwindig- 
keit in  der  Richtung  der  Fahrt  besitzt.  Über  diese  Erscheinung  ist  schon 
bei  dem  Heckrade  (S.  450)  gesprochen  worden. 

Der  Unterschied  der  Geschwindigkeit  des  Wasserstroms  beim  Eintritt  in  die  Schraube  und 
beim  Austritt,  also  der  wirkliche  oder  tatsächliche  Schlüpf,  ist  mithin  größer  als  der 
nach  der  vorstehenden  Gleichung  berechnete  sogenannte  scheinbare  Schlüpf.  Wenn  za<  die 
Geschwindigkeit  des  Vorstroms  bedeutet,  ist  der  wirkliche  Schlüpf: 

u  —  [v — Z'') 


s 


u 


Bei  langsam  fahrenden  großen  Schiffen  ist  der  Vorstrom  zuweilen  sehr  bedeutend  und  es  kann 
vorkommen,  daß  der  bei  der  Fahrt  berechnete  scheinbare  Schlüpf  zu  Null  und  unter  Umständen 
sogar  negativ  wird.  Daher  die  Bezeichnung  »scheinbar«.  Der  wirkliche  Schlüpf  kann  nach  der 
allgemeinen  Erörterung  (S.  438)  selbstverständlich  nie  zu  Null  werden,  weil  dann  keine  Fortbe- 
wegung mehr  stattfönde.  Der  wirkliche  Schlüpf  gibt  also  an,  um  wie  viel  die  Schraube  im 
Vorstrom  zurückgleitet.  Der  Wert  von  r^  ist  schwer  zu  ermitteln.  Wilda  gibt  in  seinem  Buche 
über  Schiffsmaschinen  Erfahrungsformeln  an,  die  aus  der  Völligkeit  des  Schiffes  hergeleitet  sind. 
Bei  kleinen  Schiffen  mit  schlanken  Formen  soll  z/i  =  0,12  bis  0,2  •?/  sein.  Übrigens  ist  7/1  an 
der  Oberfläche  des  Wassers  und  nahe  am  Schiffe  größer  als  tiefer  unter  W^asser  und  weiter  nach 
hinten.  Auch  ist  v^  größer  bei  Einschrauben-  als  bei  Zweischraubenschiffen.  Zur  Berechnung 
wird  der  wirkliche  Schlüpf,  der  am  günstigsten  zwischen  0,15  und  0,2  m  liegt,  nicht  benutzt, 
sondern  nur  der  scheinbare.  Wenn  n  die  Zahl  der  Umdrehungen  der  Schraube  je  Minute  be- 
deutet und  H  die  Steigung,  so  bestehen  die  Gleichungen 

«  =  — ^        und  da  ferner  u  = ,   so  ist: 

60  I— j  ' 

60  •  f  n '  H  60  •  V 

II  =  — :    und   V  SF=  — ;r —  (i — s)     und    s  s=  i . 

«(I— j)  60  n-H 

Die  Größe  des  Schlupfs  hängt  somit  von  n- H  ikh  und  nimmt  mit  wachsendem  Wert  von  n  •  H 
zu.  Sie  wächst  ferner  mit  der  Schärfe  des  Hinterschiffs,  nimmt  dagegen  im  allgemeinen  ab 
mit  w^achsendem  Scbraubendurchmesser  und  mit  tieferer  Lage  der  Schraube  unter  Wasser.  Vor 
allem  nimmt  der  Schlüpf  mit  dem  Schiffswiderstande  zu  und  schwankt  in  weiten  Grenzen 
zwischen  0,1  und  0,5.     Gut  gebaute  Schiffe  sollen  mindestens  einen  Schlüpf  von  0,1  haben. 

Scharf  gebaute  Kriegschiffe  und  atlantische  Schnelldampfer  haben  einen  Schlüpf  von  0,14 
bis  0,2,  kleine  scharf  gebaute  Schiffe  von  0,2  bis  0,3,  flach  gehende,  langsam  fahrende  Güter- 
und Schleppschiffe   auf  Binnenwasserstraßen  von  0,35  bis  0,45  und  bis  0,5. 

Bei  langsamer  und  mittlerer  Fahrt  ist  der  Schlüpf  verhältnismäßig  am  kleinsten  und  wächst 
bei  weiterer  Ab-  oder  Zunahme  der  Geschwindigkeit.  Beim  Schleppen  auf  engbegrenzten, 
seichten  Binnenwasserstraßen  wächst  der  Schlüpf  bei  schwerem  Anhang  bis  zu  0,7  und  0,8  und 
mehr,  bis  die  Geschwindigkeit  fast  zu  Null  wird. 

Teubert,  Binnenschiflfahrt.  <2o 


466  Abschnitt  HI.     Schiflfe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Die  Umlaufzahl  n  (je  Minute)  nimmt  im  allgemeinen  mit  wachsendem 
Schraubendurchmesser  ab.  Sie  schwankt  in  weiten  Grenzen  zwischen  70  und 
80  bei  den  größten  atlantischen  Schnelldampfern  und  300  bis  350  bei  Tor- 
pedobooten. Neuere  Turbinendampfer  machen  sogar  650  Umdrehungen.  In 
der  Binnenschiffahrt  sind  für  langsam  fahrende  Schiffe  mit  verhältnismäßig 
starken  Maschinen  180  bis  200  Umdrehungen  angemessen,  für  Personenschiffe 
und  Barkassen  200  bis  300. 

Bei  großen  Schrauben  ist  darauf  zu  achten,  daß  die  Umfangsgeschwindigkeit  der  Flügel- 
spitzen nicht  zu  groß  wird.  Nach  Wilda  soll  sie  höchstens  gleich  der  dreifachen  Schiffsge- 
schwindigkeit  sein.  Bei  Kriegschiffen  findet  man  aber  Geschwindigkeiten  bis  45  m,  bei  Tor- 
pedobooten  bis  60  m.  Dagegen  schwankt  die  Umfangsgeschwindigkeit  bei  großen  Seedampfem 
im  allgemeinen  zwischen   14  m  und  30  m. 

Der  Wirkungsgrad  der  Schraube,  also  das  Verhältnis  der  Nutzleistung 
des  Schiffes  (der  zur  Überwindung  des  gesamten  Schiffswiderstandes  W  mit 
der  Geschwindigkeit  v  geleisteten  Arbeit  N'n  =  W-  v)  zu  der  von  der  Maschine 
an  der  Welle  abgegebenen  Leistung  (der  nutzbaren  Maschinenleistung  N^) 
beträgt  bei  den  besten  Schrauben  0,65  bis  höchstens  0,75.  Genaue  Mes- 
sungen sind  übrigens  schwierig,  weil  sich  die  Widerstände  nicht  genau  er- 
mitteln lassen.  Bei  flach  gehenden  Schiffen  der  Binnenschiffahrt  in  begrenztem 
Fahrwasser  kann  man  den  Wirkungsgrad  nur  zu  0,5  bis  0,55  annehmen  und 
er  sinkt  bei  geringer  Wassertiefe  unter  dem  Schiffe  und  bei  Barkassen  mit 
hoher  Umlaufzahl  bis  0,45  und  darunter. 

Wie  bei  den  ältesten  Schrauben  ist  man  auch  zu  den  jetzt  gebräuch- 
lichen und  beliebten  Formen  nur  durch  Versuche  und  Erfahrungen  ge- 
leitet worden  und  man  ist  noch  immer  bestrebt,  neue  Formen  zu  erfinden, 
die  einen  besseren  Wirkungsgrad  geben.  Wie  wir  gesehen  haben,  hängt 
dieser  zunächst  vom  Schlüpf,  vom  Steigungsverhältnis  im  Zusammenhange 
mit  der  Umlaufzahl,  sowie  von  der  Form,  der  Völligkeit  und  der  Art  der 
Befestigung  der  Flügel  an  der  Nabe  ab.  Ferner  sind  die  Form  des  Hinter- 
schiffes und  die  Befestigungsweise  der  Schraube  an  ihm  von  großer  Be- 
deutung. 

Wir  wissen,  daß  der  Wirkungsgrad  einer  Schraube  unter  sonst  gleichen  Umständen 

1 .  bei  einem  gewissen  Steigungsverhältnis   |      I   seinen  größten  W>rt  erreicht  und  bei  Zu- 

oder  Abnahme  von      -  kleiner  wird, 

2.  bei  einem  gewissen  Schlüpf  ebenso  seinen  größten  Wert  erreicht  und  mit  zu-  oder  ab- 
nehmendem Schlüpf  kleiner  wird, 

3.  auch  bei  einer  gewissen  Umlaufzahl  [oder  Fortgangsgeschwindigkeit}  seinen  größten 
Wert  erreicht  und  mit  wachsender  Umlaufzahl  nur  wenig  abnimmt  und 

4.  bei  gleicher  Umlaufzahl  und  abnehmender  Schiffsgeschwindigkeit  schnell  abnimmt,  z.  B. 
bei  einem  Schlepper  mit  schwerem  Anhange.  Wenn  die  Geschwindigkeit  angenähert  zu  Null 
wird,  erreicht  der  Schub  (und  auch  das  Drehmoment)  den  höchsten  Wert.  (Dieser  Fall  tritt  z.  B. 
ein,  wenn  man  die  Zugkraft  eines  Schleppers  an  einem  festen  Pfahl  prüft.)  Aus  neueren  Ver- 
suchen hat  sich  ergeben,  daß  in  diesem  Falle  (der  gleichen  Umlaufzahl)  mit  wachsender  Schiffs- 
geschwindigkeit der  Schub  etwa  nach  dem  Gesetz  einer  geraden  I^inie  abnimmt. 


I.  Die  Fortbewegungsmittel.  467 

Es  ist  darum  nicht  auffallend,  wenn  es  der  Wissenschaft  bisher  weder 
gelungen  ist  auf  theoretischem')  Wege  das  Zusammenwirken  dieser  verschie- 
denen Faktoren  zu  ergründen  und  in  mathematische  Formen  zu  fassen,  noch 
aus  den  Ergebnissen  der  sehr  zahlreichen  Versuche  im  großen  und  im  kleinen 
einen  befriedigenden  gesetzmäßigen  Zusammenhang  zu  erkennen  und  mit 
Erfahrungsbeiwerten  in  allgemein  brauchbare  Formeln  zu  bringen.  In  jüngster 
Zeit  sind  jedoch  bemerkenswerte  Fortschritte  gemacht  worden,  namentlich 
durch  Modellversuche  unter  Beihilfe  von  Lichtbildaufnahmen.  Bei  diesen 
Versuchen  hat  man  zunächst  die  Wirkung  der  Schrauben  allein,  ohne  Ver- 
bindung mit  Schiffen,  untersucht,  um  die  durch  den  Vorstrom  eintretenden  ver- 
wickelten Erscheinungen  auszuschalten.  Flamm  und  Gebers  haben  z.  B.  fest- 
gestellt, daß  der  Wasserspiegel  über  der  Schraube  stets  eine  Einsenkung  zeigt, 
woraus  man  schließen  kann,  daß  die  Schraube  zum  großen  und  vielleicht  zum 
größten  Teil  saugend  wirkt  und  nicht  nur  drückend,  wie  bisher  angenommen 
wurde.    Daraus  würden  sich  auch  noch  andere  Erscheinungen  erklären  lassen. 

Die  Befestigung  der  Schrauben  am  Schiffskörper  wird  bei  Ein- 
schraubenschiffen in  der  Regel  so  angeordnet,  daß  die  Schraube  sich  un- 
mittelbar vor  dem  Rudersteven  bewegt.  Durch  den  das  Ruderblatt  treffenden 
Schraubenstrom  wird  die  Steuerfahigkeit  begünstigt;  die  Einwirkung  der 
Schraube  auf  das  Ruder  ist  aber  bei  rechts-  und  linksgängigen  Schrauben 
verschieden. 

Bei  dem  in  Fahrt  befindlichen  Schilfe  wirft  eine  rechtsgängige  das  Wasser  schräg 
nach  hinten  gegen  das  Ruderblatt  und  zwar  von  links  nach  rechts  in  dem  oberen  und  von 
rechts  nach  links  in  dem  unteren  Viertel  ihres  Kreislaufs.  Da  die  Wirkung  der  unteren  Strom- 
fäden gröber  ist,  erföhrt  ein  Ruder  mit  rechteckig  geformtem  Ruderblatt  unten  auf  der  Steuer- 
bordseite einen  stärkeren  Druck  als  oben  auf  der  Backbordseite.  Infolge  dessen  wird  der  Bug 
des  Schiffes  nach  Steuerbord  gedrückt.  Will  man  das  Schiff  drehen,  so  wird  man  dies  also 
leichter  über  Steuerbordbug  ausführen,  weil  der  Drehkreis  kleiner  wird  als  über  Backbordbug. 
Um  das  Schiff  auf  geradem  Kurs  zu  halten,  muß  das  Ruder  stets  etwas  nach  Backbord  über- 
gelegt sein. 

Dadurch  entsteht  ein  gewisser  Arbeits-  und  Geschwindigkeitsverlust,  und  um  diesen  zu  ver- 
meiden, gibt  man  oft  dem  Ruderblatt  oben  eine  größere  Länge  als  unten.  So  entsteht  eine 
hinten  durch  eine  gekrümmte  Linie  begrenzte  Ruderffäche,  die  man  an  Torpedobooten  und  auch 
bei  schnell  fahrenden  Vergnügungs-  und  Rennbooten  findet  (vgl.  Abb.  341).  Bei  linksgängiger 
Schraube  ist  der  Vorgang  umgekehrt. 

Bei  der  Rückwärtsbewegung  trifft  die  Schraube  stets  auf  ruhendes  Wasser  und  der 
von  rechts  nach  links  wirkende  Wasserwiderstand  gegen  die  Flügel  einer  rechtsgängigen 
Schraube  dreht  bei  mittschiffs  liegendem  Ruder  das  Heck  nach  Backbord,  den  Bug  also  nach 
Steuerbord  —  ebenso  wie  beim  Vorwärtsgang. 

Einschraubenschiffe  haben  gewöhnlich  unter  Wasser  ein  keilförmiges 
Heck  und  an  ihm  wird   vor  dem  Rudersteven  in  entsprechendem  Abstände 


i)  Ältere  Theorien  sind  die  von  Rcdtenbacher,  Riehn  und  Rankine,  neuere  z.  B.  die  von 
H.  Lorenz,  Zeitschr.  d.  Ver.  d.  Ingenieure  1907,  S.  19  und  329,  sowie  die  von  D.  W.  Taylor,  Re- 
sistance of  ships  and  screw  propulsion.  London  1908.  Die  Jahrbücher  der  schiffbautechnischen 
Gesellschaft  enthalten  viele  Mitteilungen  über  neuere  Forschungen,  z.  B.  1905«  Wirkung  der 
Schraube  von  Fr.  Ahlborn;  1906,  Sehr.  Versuche  von  Rudolf  Wagner;  1908,  Schnelllaufendc 
Motorboote  von  M.  H.  Bauer  und  die  Wirkungsweise  der  Schiffschrauben  von  O.  Flamm;  1910, 
Versuche  von  Fr.  Gebers. 

30* 


468 


Abschnitt  m.     Schilfe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


ein  senkrechter  Schraubensteven  angeordnet,  der  unten  einerseits  mit  dem 
Schiffsboden  und  andererseits  mit  der  Hacke  des  Ruderstevens  durch  die 
>  Kielsohle  €  verbunden  wird,  die  in  der  Regel  unter  der  Schraube  in  wage- 
rechtem Sinne  flach  geschmiedet  wird,  um  den  durch  das  Ruder  hervor- 
gerufenen wagerechten  Drehmomenten  besser  widerstehen  zu  können.  Das 
obere  Ende  des  Schraubenstevens  wird  nach  hinten  gekrümmt  und  mit  dem 

Rudersteven  verbunden.  Alle  diese 
Steventeile  (der  Schraubenrahmen) 
werden  in  der  Regel  in  ein  Stück 
zusammengeschmiedet. 

Dem  vorderen  Teil  des  Schrau- 
benstevens unter  dem  Heck  gibt 
man  oft  eine  langgestreckte,  drei- 
eckige, mit  großen  Öffnungen  ver- 
sehene Form,  die  man  »Schleusen- 
Idelc  nennt  (Abb.  341).  Diese  An- 
ordnung*) ist  für  die  leichte  Lenkbarkeit  des  Schiffes  vorteilhaft,  weil  beim 
Wenden  das  Wasser  durch  die  Öffnungen  (wie  durch  Schleusen)  frei  hin- 
durchströmt. 

Der  Schraubensteven  wird  zum  Durchlassen  der  Welle  durchbohrt,  die  von 
hier  aus  bis  zur  nächsten  Schottwand  des  Schiffes  (das  » Stopf büchsenschottc) 
in  dem  >  Stevenrohr  €  gelagert  und  geführt  wird  (Abb.  342).  Die  hintere 
Führung  in  dem  Rohre  wird  oft  nur  durch  gußeiserne  Buchsen,  besser  aber 


Abb.  341.     Schraubenrahmen  mit  Schleusenkiel. 


Schrauben  - 
Nabe  I 


Abb.  342.     Stevenrohr  mit  Schwanzwelle. 

durch  Weißmetall  bewirkt.  Im  vorderen  Ende  des  Stevenrohrs  sitzt  die  Stopf- 
büchse zum  wasserdichten  Abschluß  gegen  den  Schiffsraum.  Oft  wird  die 
hintere  Buchse  mit  Rillen  versehen,  so  daß  das  Wasser  in  das  Stevenrohr 
eintreten  kann  und  schmierend  wirkt.  Bevorzugt  wird  aber  eine  Ölschmierung. 
Von  der  Stopfbüchse  aus  geht  die  Welle  zur  Betriebsmaschine,  nachdem 
sie  vorher  in  dem  »Drucklager«,  das  besonders  fest  mit  den  Kielschweinen 


i)  Abbildung  aus  Rühl  mann -Flamm. 


I.  Die  Fortbewegungsmittel. 


469 


und  Boden  wrangen  verbunden  ist,  den  Schub  der  Schraube  auf  den  Schiffs- 
körper übertragen  hat.  Zuweilen  ist  das  Drucklager  mit  der  Grundplatte  der 
Maschine  vereinigt.  Bei  größerer  Länge  wird  die  Welle  zwischen  Stopfbüchse 
und  Drucklager  noch  durch  ein  oder  zwei  Traglager  unterstützt  und  aus 
mehreren  Teilen  hergestellt,  die  durch  Kupplungen  verbunden  sind.  Zweck- 
mäßig ist  eine  Anordnung,  bei  der  das 
hinterste  Stück  der  Welle  (Schwanz- 
welle) bei  Ausbesserungen  und  dgl. 
nach  hinten  aus  dem  Schiff  gezogen 
werden  kann.  Dann  müssen  »ab- 
nehmbare« Kuppelungen  verwendet 
werden. 

Die  Achse  der  Schraubenwelle 
wird  beim  Bau  gewöhnlich  wagerecht, 
gleichlaufend  mit  der  obersten  Wasserlinie  angeordnet;  durch  die  Saugewirkung 
der  Schraube  senkt  sich  aber  während  der  Fahrt  fast  immer  das  Heck,  so 
daß  die  Welle  eine  nach  hinten  geneigte  Lage  erhält.  Die  Wirkung  der 
Schraube  wird  dadurch  besonders  bei  flachgehenden  Binnenschiffen  etwas 
günstiger,  vorausgesetzt  daß  die  nötige  Fahrwassertiefe  vorhanden  ist.  Um 
das  Eintauchen  der  Schraube  und  den  Trimm  (S.  240)  des  Schiffes  nach  Be- 
lieben regeln  zu  können. 


Abb.  343.     Geneigte  Schraubeo welle. 


baut  man  im  Hinterschiff 
und  zuweilen  auch  im 
Vorschiff  wasserdichte 
Abteile  ein,  die  durch 
eine  von  der  Haupt- 
maschine getriebene 
Pumpe  nach  Bedarf  mit 
Wasser  gefüllt  oder  ent- 
leert werden.  Um  die 
bessere  Schraubenwir- 
kung zu  erreichen,  gibt 
man  zuweilen  schon 
beim  Bau  der  Schrau- 
benachse eine  nach  hin- 
ten geneigte  Lage.  Das 
ist  besonders  bei  Hafen- 


Boot  mit  Doppelkeilform  und  geneigter,  freihängender 
Schraubenwelle,  Abb.  344  und  345. 


i 


jfe^ 


Abb.  344.     Ansicht. 


Abb.  345.     Grundriß. 


Schleppern,  Eisbrechern  und  Vergnügungsbooten  in  tiefem  Wasser  üblich.  In 
letzterem  Falle  pRegt  man  das  Heck  stark  zu  unterschneiden  (Abb.  343)  und 
legt  bei  Rennbooten  mit  der  neuerdings  beliebten  Doppelkeilform  (Tetraeder- 
form) die  Welle  sogar  ganz  frei  unter  den  Schiffsboden  (Abb.  344  bis  346). 
Zuweilen  werden  dabei  auch  zwei  Ruder  angeordnet,  die  dann  vor  der 
Schraube  liegen  (Abb.  347). 


470  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Um  nach  Bedarf  und  nach  der  vorhandenen  Wassertiefe  die  Schraube 
eintauchen  zu  lassen,  hat  man  auch  die  Schwanzwelle  durch  eine  sogenannte 
Universal kiippelung  mit  dem  vorderen  Wellenteil  verbunden,  so  daü  man  die 
Schraube  heben  und  senken  kann.  Diese  Erfindung  der  Gasmotorenfabrik  in 
Köln-Deutz  kann  unter  Umständen  bei  kleinen  Schiffen  vorteilhaft  sein;  doch 
entstehen  durch  die  Drehung  in  der  Kupplung  erhebliche  Reibungsverluste. 

Zweischrauben- 
schiffe  bieten  gegenüber 
den  Schiffen  mit  nur  einer 
Schraube  mancherlei  Vor- 
teile. Zunächst  können  sie 
sich  notdürftig  noch  wei- 
ter bewegen,  falls  durch 


.Abb.  346.     Doppclkeil  form  mit  geneigter  Seh  rauben  weiie. 


einen     Unfall     die     eine 


Schraube  infolge  Wellen- 
bruchs oder  aus  anderen  Gründen  den  Dienst  versagt.  Dieser  Umstand  ist 
besonders  für  Seeschiffe  von  Bedeutung  und  seit  längerer  Zeit  werden  sowohl 
Kriegschiffe  wie  große  atlantische  Personenschiffe  mit  zwei  Schrauben  aus- 
gerüstet. Ferner  erleichtern  sie,  besonders  in  stillem  Wasser,  das  Wenden  des 
Schiffes,  verursachen  weniger  starke  Heckwellen  und  weniger  Erschütterungen 
des  Schiffes  und  erlauben  die  Verwendung  von  Schrauben  mit  kleinerem 
Durchmesser,  was  in  der  Binnenschiffahrt  von  großem  Vorteil  ist. 

In   der  Regel    wählt 

man  dreiflügelige  Schrau- 
ben und  macht  am  besten 
die  Steuerbordschraube 
rechtsgängig,  die  Back- 
bordschraube linksgängig, 
so  daD  beide  oben  nach 
I  außen  schlagen.    Bei  der 

umgekehrten  Anordnimg, 
wenn  die  Schrauben  oben 
nach  innen  schlagen,  wer- 

Abb    347.     Schraube  hinler  den  <lüppe]len   Rudern.  ^^"'  namentlich  auf  seich- 

ten Binnenwasserstraßen, 
der  Wirkungsgrad  und  die  Drehfahigkeit  geringer;  auch  sollen  dadurch  stärkere 
Erschütterungen  des  Hinterschiffs  hervorgerufen  werden'].  Um  schnelle,  kurze 
Wendungen  des  Schiffes  zu  machen,  läßt  man  die  eine  Schraube  voraus  und 
die  andere  zurück  gehen.  Die  Richtung  der  Schraubenwellen  macht  man 
gewöhnlich  wagerecht  gleichlaufend  mit  der  Wasserlinie,  zuweilen  hinten  etwas 

l)  Walter,   M.    Einflub   der  Drebrichtung   der  Schraitbea  bei  Doppel  seh  raubendampfem, 
Jahrbuch  der  Schilf baulvc ha.  (ieäcllschaft  igiz  und  Hansa,  deutsche  nautische  Zeitschrift  1911, 


I.  Die  Fortbewegungsmittel.  471 

nach  unten  geneigt.  Auch  in  der  wagerechten  Ebene  kann  die  Anordnung 
der  beiden  Wellen  verschieden  sein:  Gewöhnlich  legt  man  sie  gleichlaufend 
zueinander;  anderenfalls  erhält  man  nach  den  Versuchen  von  Pecoraro*) 
einen  besseren  Wirkungsgrad,  wenn  sie  nach  hinten  auseinander  gehen,  als 
wenn  sie  hinten  sich  zueinander  neigen.  Es  hat  sich  auch  gezeigt,  daß  es 
vorteilhaft  ist,  die  Schrauben  möglichst  weit  nach  hinten,  jedoch  wiederum 
recht  nahe  an  dem  Schiffskörper  anzubringen. 

Die  Befestigung  der  Schrauben  erfolgt  bei  Binnenschiffen  am  besten  in 
der  Weise,  daß  man  die  Stevenrohre  (am  besten  aus  Mannesmannrohr)  seit- 
lich aus  dem  Schiffskörper  treten  läßt  und  sie  am  hinteren  Ende  kurz  vor 
der  Schraube  durch  Böcke  unterstützt,  deren  Tatzen  an  dem  Rudersteven  oder 
bei  löffeiförmigem  Heck  an  dem  Schiffskörper  selbst  befestigt  sind.  Bei  großer 
Länge  der  Stevenrohre  unterstützt  man  sie  nötigenfalls  nochmals.  Bei  See- 
schiffen gibt  man  dem  Schiffskörper  am  Wellenaustritt  besondere  zweckmäßige 
Formen  (Wellenhosen),  in  denen  die  Wellen  geschützt  und  jederzeit  zugänglich 
sind.  Die  löffeiförmige  Heckform  eignet  sich  für  Binnenschiffe  recht  gut  für 
die  Anbringung  von  zwei  Schrauben,  besonders  in  Verbindung  mit  einem 
Schweberuder.  Übrigens  wird  das  Ruder  durch  zwei  Schrauben  nicht  so 
beeinflußt,  wie  oben  für  nur  eine  Schraube  auseinandergesetzt  wurde. 

Drei  und  mehr  Schrauben  werden  in  der  Kriegsmarine  und  neuerdings 
bei  schnell  fahrenden,  mit  Dampfturbinen  ausgerüsteten  Schiffen  angewendet. 
In  der  Binnenschiffahrt  sind  von  Flamm  in  neuester  Zeit  für  die  Wolga  große 
Lastschiffe  mit  drei  Schrauben  entworfen  worden.  Damit  die  Wirkungen  der 
einzelnen  Schrauben  sich  gegenseitig  nicht  behindern  und  abschwächen,  (was 
bei  den  Dreischraubenschiffen  der  Kriegsmarine  beobachtet  worden  ist)  hat 
Flamm  eine  jede  Schraube  in  einer  schwachen  Wölbung  des  Hecks  angeordnet, 
wodurch  sie  gewissermaßen  voneinander  abgeschlossen  werden.  Diese  be- 
achtenswerte Einrichtung   ähnelt  dem   später  zu  beschreibenden  Tunnelheck. 

Die  großen  Vorzüge  der  Schrauben  gegenüber  den  Schaufel- 
rädern haben  auf  dem  Meere  schon  seit  1860  die  Raddampfer  endgültig 
verdrängt,  wenigstens  für  die  große  Fahrt  über  den  Ozean.  Die  Radkasten 
sind  nicht  nur  unbequem  beim  Anlegen,  Löschen  und  Laden,  sondern  auch 
häufigen  Beschädigungen,  besonders  durch  starke  Wellen,  ausgesetzt.  Sie 
erfordern  auch  hohe  Aufwendungen  an  Gewicht  und  Kosten.  Der  Wirkungs- 
grad der  Räder  nimmt  ferner  schnell  ab,  wenn  die  Tauchtiefe  des  Schiffes,  für 
die  sie  berechnet  sind,  größer  oder  kleiner  wird.  Außerdem  sind  zu  ihrem 
Betriebe  schwerere  und  daher  kostspieligere  Maschinen  nötig,  die  mehr  Raum 
erfordern  als  bei  Schraubenschiffen.  Für  Kriegschiffe  tritt  noch  der  Umstand 
hinzu,  daß  die  Schrauben  unter  Wasser  vor  feindlichen  Geschossen  gesichert 
sind.  Die  Schaufelräder  haben  dagegen  den  Vorzug,  daß  sie  auf  Binnenwasser- 
straßen von  sehr  geringer  Tiefe  (bis  hinunter  auf  0,5  m)'noch  mit  Erfolg  be- 

i)  Fortschritt  in  den  Mitteln  zur  Fortbewegung  der  Schiffe,  Bericht  zum  10.  intern.  Schiff- 
fahrts-Kongreß.     Mailand  1905. 


472  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

nutzbar  sind.  Die  RadschifTe  beherrschen  daher  die  Binnenschiffahrt  heute  noch 
auf  fast  allen  großen  Strömen.  Die  Schraube  ist  seit  etwa  1870  auf  den  Binnen- 
wasserstraßen heimisch  geworden,  zuerst  nur  an  kleinen  Booten,  Fähren,  Auf- 
sichts-  und  Vergnügungsschiffen,  dann  an  leichten  Schleppern  auf  Kanälen, 
ruhigen  oder  aufgestauten  Gewässern  und  Landseen:  aber  zum  gewerblichen 
Betriebe  in  größerem  Umfange  an  Lastschiffen  und  Stromschleppem  ist  sie 
erst  mit  der  fortschreitenden  Verbesserung  und  Vertiefung  der  Wasserstraßen 
in  neuerer  Zeit  innerhalb  ziemlich  enger  Gr-enzen  brauchbar  geworden,  weil 
sie  nicht  nur  eine  gewisse  Mindest-Tauchtiefe  des  Schiffes  von  etwa  i  m,  son- 
dern zur  Entwickelung  einer  angemessenen  Leistung  unter  dem  Schiffsboden 
noch  eine  geringste  Wassertiefe  von  etwa  0,5  m  braucht  Bei  der  Anwendung 
von  Zweischraubenschiffen  werden  die  Verhältnisse  günstiger.  Allerdings  ist 
(bei  kleineren  Schiffen)  die  Leistung  von  zwei  Schrauben  nicht  so  groß  wie 
von  einer  mit  der  doppelten  Maschinenstärke,  und  umgekehrt  sind  die  Kosten 
eines  Zweischraubenschiffs  etwas  höhere;  aber  gegenüber  dem  Radschiffe 
bleibt  doch  ein  beträchtlicher  Gewinn..  Neben  den  schon  oben  aufgeführten 
Vorzügen  des  Zweischraubenschiffs  kommt  noch  beim  Verkehr  auf  Binnen- 
wasserstraßen der  Umstand  hinzu,  daß  die  durch  die  Schrauben  erzeugten 
Wellen  geringer  sind  als  bei  einem  Einschraubenschiff  von  gleicher  Stärke. 
Dadurch  werden  die  Beschädigungen  der  Ufer  und  der  Sohle  der  Wasser- 
straßen vermindert  und  man  kann  mit  einem  solchen  Schiffe  unter  Umständen 
auch  auf  Kanälen  verkehren,  ohne  großen  Schaden  anzurichten. 

Aber  das  Bestreben  geht  dahin,  auch  für  seichte  Wasserstraßen  mit 
Tiefen  von  etwa  i  m  und  darunter,  z.B.  für  ungeregelte  Ströme  in  den 
Kolonien,  die  Schraube  nutzbar  zu  machen.  Über  Schiffe  mit  entsprechend 
kleiner  Tauchtiefe  ist  auf  den  internationalen  Schiffahrtkongressen  wiederholt 
verhandelt  und  die  in  den  verschiedenen  Ländern  mit  verschiedenen  Einrich- 
tungen gemachten  Erfahrungen  sind  dabei  mitgeteilt  worden'). 

Die  Bestrebungen  gingen  nach  zwei  Richtungen:  Einerseits  suchte  man 
die  Schrauben  selbst  umzugestalten,  andererseits  wurde  die  Art  ihrer  Befesti- 
gung am  Schiffe  verändert.  Auf  dem  ersten  Wege  versuchte  man  zuerst  die 
Schraubenwelle  ganz  über  Wasser  zu  legen  und  nach  hinten  mit  einer 
größeren  Zahl  von  Flügeln  (Schraubengängen)  auszurüsten.  Femer  ging  man 
auch  auf  den  Gedanken  von  Ericsson  zurück  und  ordnete  auf  der  über  Wasser 
liegenden  Schraubenachse  zwei  große  Schrauben  mit  entgegengesetzt  gerich- 
teten Flügeln  hintereinander  an,  die  sich  in  verschiedenem  Sinne  drehten. 
Diese  von  Suppan  in  seinem  Buche  »Wasserstraßen  und  Binnenschiffahrt« 
beschriebene  und  dargestellte  Einrichtung  wurde  Schraubenrad  genannt, 
weil  die  einzelnen  Schraubenflügel  mit  verhältnismäßig  langen  Armen  an  den 


i)  Besonders  zu  erwähnen  sind  vom  8.  Kongresse  (Paris  1900)  die  Berichte  von  Wahl  und 
Suppan,  vom  9.  Kongresse  (Düsseldorf  1902)  die  Berichte  von  Jahnel,  Weiß,  Merc23mg,  Lieb- 
rechts und  Iskolski,  vom  10.  Kongresse  (Mailand  1905)  die  Berichte  von  Blttmcke,  Wahl 
und  Rota. 


I,  Die  Fonbewegungsmiltci,  473 

Naben  befestigt  waren  und  ihre  Wirkungsart  ähnlich  wie  bei  einem  Schaufel- 
rade war.  Mit  eiaem  Versuchsboote  sollen  (etwa  im  Jahre  1901)  gute  Erfolge 
erzielt  worden  sein;  es  ist  aber  bisher  nichts  mehr  darüber  bekannt  geworden. 
Beide  beschriebene  Anordnungen  haben  besonders  den  Nachteil,  daß  die 
Schrauben  offenbar  sehr  viel  Luft  ansaugen,  wodurch  ihr  Wirkungsgrad  stark 
gemindert  werden  muO. 

In  umgekehrter  Richtung  gingen  andere  Bemühungen  dahin,  möglichst 
kleine  Schrauben  zu  verwenden  und  ihre  Leistungsfähigkeit  dadurch  zu  er- 
höhen, daß  man  sie  mit  einem  Mantel 

umgab  und  hinter  ihnen  Leitschaufeln        ^    '\'""~---..  t  ^  i    ö"^!     x\ 
wie   bei   einer  Turbine    anordnete,   so       '^'-vicr'x'^/       lA    ""  ■      '^    '  > 
daü  dem    ausströmenden  Wasser   eine  's^   'j.'  1     l^^yl       //^~ 

möglichst     axiale     Richtung     gegeben  '-yj^^^^^^^^::^ 

wurde.   Diese  Einrichtung  wurde  darum      ...       o  t-   u-        1.     ■.         tm.  » 

°  Abb.  348.  Turbinensch raube  von  Thornycroft. 

Turbinenschraube  genannt    Sie  ist 

zuerst  von  Parsons  erdacht  und  dann  von  Thornycroft ')  verbessert  und 
wiederholt  ausgeführt  worden. 

Abb.  34S  It&C  die  altgemelne  Anordnung  erkenneD.  Der  zilindrische  Mantel  {iii\  ist  fest 
mit  dem  Scbifle  verbunden.  Hinter  der  mit  sehr  starker  Nabe  versehenen  Schraube  (o)  sind  in 
dem  Mantel  feste  LeiCschaufeln  {b)  aus  Blech  angebracht,  die  entgegengesetzt  gekrUmmt  sind. 
Um  eine  noch  bessere  axiale  Filhrung  der  Bustretenden  Wasserftden  zu  erreichen,  is(,  ent- 
sprechend der  dicken  Nabe,  zwischen  den  LeiCschaufeln  ein  weit  nach  hinten  reichender  FUh- 
ningskörper  {!)  angeordnet. 

Mit  dieser  Erfindung  hat  Thomycroft  gute  Erfolge  erzielt.  Noch  bessere  Leistungen 
wurden  bei  der  Anwendung  von  zwei  Turbinen  seh  rauben  gewonnen,  die  in  schwachen  Aushöh- 
lungen unter  dem  Schiffäboden  angebracht  waren"]  (Abb.  349). 

Beim  Betriebe  zeigte  sich  der 
Nachteil,  daß  eingesaugte  Holistücke, 
Gras,  Schmutz  u.  dgl.  den  Raum  zwi- 
schen Schraube  und  Mantel  sehr  leicht 
verstopften  und  die  Wirkung  vermin- 
derten oder  ganz  aufhoben.  Femer  war 
der  Rackwttrlsgang  mangelhaft.  Dafür 
erfand  Thornycroft  eine  neue  Einrich- 
tung. Er  machte  den  hinteren  Füh- 
ningsliürper  in  einer  Schnittebene  \x-x] 

uro   180"   drechbar,    so    daß    die    hintere  ,„,  ,   ^  ,        ,. 

Spitze    von    z.    nach   y   kam.      Gleich-  ^^'°-  349-     Heck  mil  %   Thomycroft- Schrauben. 

zeitig  wurde  dabei  durch  eine  vorge- 
schobene Biechwand  \p<i)  die  Ausströmung  des  Wassern  nach  hinten  verhindert,  und  es  mußte 
seinen  Weg  zuerst  nach  oben  in  das  übergebaute  Heck  und  von  dort  in  besonderen  Kanälen 
so  bis  zur  Schiffswand  nehmen,  daß  es  in  der  Richtung  nach  dem  Bug  austrat.  Bei  unver- 
ändertem Gange  der  Schraube  wurde  das  Schiff  infolge  des  nach  vome  gerichteten  Wasser- 
stoßes rückwärts  bewegt,  wie  bei  einem  Strahlschiffe.  Wir  werden  später  auf  ähnliche  Ein- 
richtungen von  Zeuner  zurückkommen.  Diese  Erfindung  von  Thornycroft  ist  im  Jahre  1889  in 
»Naval  mobilisation  ond  improvement  in  material,  Washington«  veröffentlicht  worden.  Ob  sie 
sich  bewährt  hat,  ist  nicht  bekannt  geworden. 


1)  Transactions  of  the  Institution  of  Naval  Architects,     London  18S3. 
a)  Engineering   18.  Man  1883,   10.  April  1885   und  Juni  1891;   femer  Bai 
propellers.     London  18S5. 


474 


t  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe, 


In  Deutschland  ist  die  Turbinenschraube  von  Thornycroft  auf  der  Schiffs- 
werft von  Holtz  in  Harburg  eingeführt  und  mit  Abänderungen  und  Verbesse- 
rungen versehen  worden,  so  daß  namentlich  ein  genügender  Rückwärtsgang  bei 
Umsteuerung  der  Betriebsmaschine  erreicht  wurde.    Das  liegt  in  der  anderen 

Gestaltung  und  Steigung 
der  Schraubenflügel  und 
der  Leitschaufeln. 

^  In    der    Abb.  350   isl    die 

AnordDUDg  mitgeteilt;  a  sind 
die  Schrauben  Hagel,  1/ die  Nabe, 
i  die  Leitächaufeln,  i  der  Maniel 
und  o  die  FühruDgskörper.  Aus 
Abb.  351  ist  die  Anbringung  an 
eineni  Einschraube  oachilT  und 
Abb.  350.    Turbinensch raube  von  Hottz.  aus    Abb.   352    die    an    einem 

Zw  eisch  raubenschilT  ersi  cht  lieh  ■' . 
Holtz  verweodet  gewüholich  an 
der  Schraube  nur  3  Flügel,  die 
je  nach  dem  Zweck  des  Schiffes 
entweder  angegossen  oder  nach 
Art  der  Buckauer  Schrauben 
aus  Stahlblech  bestehen  und  an- 
geschraubt oder  angenietet  wer- 
den. Die  Zahl  der  nur  schwach 
gekrürnciten  Leitsch aufein  be- 
trägt 4  bis  8.  Die  Wirkung  der 
in  Deutschland  vielfach  benuti- 
n-  ten  Holtischen  Turbinenschrau- 

ben ist  eine  gute,  namentlich  in 
genügend  tiefem  Wasser.  In 
seichten  Strecken  zeigen  sie 
aber  die  Mängel  der  Thomy- 
croftschen  Schraube,  die  auf  die 
Verwendung  des  Mantels  zurüek- 
lufiihren  sind.  Dieser  sowie  die 
Leitschaufcln  verbiegen  sich 
leicht  beim  Anstoßen  an  ii^nd- 
w eiche  feste  Hindemisse  und 
hemmen  unter  Umstünden  die 
Bewegung.  Wie  rann  ans  dem 
Bilde  erkennt,  sind  filr  die 
2  Schrauben  in  diesem  Falle 
auch  z  Ruder  vorgesehen. 

Um  die  mit  dem  Man- 
tel    verbundenen     Übel- 
stände  zu  vermeiden,  hat 
man  in  neuester  Zeit,  zunächst  bei  kleinen,  schnell  fahrenden  Personenschiffen, 
fest  mit  dem  Schiffskörper  verbundene  Leitschaufeln   (auch  >  Gegen  pro  peller« 
genannt]  ohne  Mantel  hinter  der  Schraube  angeordnet  und  damit  den  Wirkungs- 


Iskolskl,  Bericht  ZI 
)B,  S.  551. 


1  Düsseldorfer  Kongrelh  1902,  und  Müll 


I.  Die  Fortbewegungsmittel. 


475 


grad  der  einfachen  Schraube  verbessert.  Ob  diese  Einrichtung  (von  Dr.  Wagner 
und  Bauer)  sich  auch  bei  größeren  Schiffen  bewähren  wird,  bleibt  abzuwarten'). 
Nach  der  Theorie  von  GreenhilP)  müßten  die  Erfolge  günstig  werden  und 
noch  günstiger,  wenn  man  diese  Leitschaufeln  als  zweite  Schraube  sich  in 
entgegengesetztem  Sinne  drehen  läßt,  wie  bereits  die  erste  Schraube  von 
Ericsson  im  Jahre  1836  angeordnet  war.  Rota  hat  hierüber  dem  Mailänder 
Kongreß  besondere  Mitteilungen  gemacht  und  dabei  erwähnt,  daß  ein  Dampf- 
boot der  italienischen  Marine  von  14  m  Länge  versuchsweise  mit  solchen 
Schrauben  ausgerüstet  worden  ist,  wie  von  ihm  in  Abb.  353  dargestellt  wurde. 
Über  die  erreichten  Erfolge  hat  Rota  im  April  1909  der  Institution  of  Naval 
Architects  einen  Vortrag  gehalten.  Wenn  es  gelingt,  eine  Kraftübertragung 
von  der  Antriebsmaschine  auf  die  beiden  ineinander  liegenden  Wellen  zu  er- 
finden, die  mit  verhältnismäßig  geringen  Reibungsverlusten  arbeitet,  kann 
diese  Anordnung  besonders  für  die  Binnenschiffahrt  in  Zukunft  von  Bedeu- 
tung werden. 


Abb.  353.     Zwei  Schrauben  auf  einer  WeUe. 

Der  andere  Weg,  den  man  anscheinend  bis  jetzt  mit  mehr  Erfolg  ein- 
schlug, um  bei  sehr  geringen  Wassertiefen  die  Schraube  nutzbar  zu  machen, 
war  auf  ihre  Anbringung  am  Schiffskörper  gerichtet  und  hat  zu  dem  Tunnel- 
heck geführt  Man  versteht  darunter  eine  Wölbung  im  Schiffsboden,  deren 
Scheitel  über  der  obersten  Wasserlinie  liegt.  Der  Durchmesser  der  Schraube 
kann  bei  dieser  Anordnung  erheblich  größer  als  die  Tauchtiefe  des  Schiffes 
gemacht  werden;  denn  die  Erfahrung  hat  gelehrt,  daß  die  in  der  Ruhelage 
über  dem  Wasserspiegel  in  der  Wölbung  vorhandene  Luft  schon  nach  wenigen 
Umdrehungen  der  Schraube  verschwindet  und  die  Wölbung  sich  ganz  mit 
Wasser  füllt,  so  daß  darin  die  Schraube  fast  mit  einem  ebenso  großen  Wir- 
kungsgrad arbeitet,  wie  in  einer  Wassertiefe  gleich  der  ganzen  Höhe  der 
Wölbung. 

i)  Nach  dem  neuesten  Bericht  von  Wagner  in  der  Schiffbautechnischen  Gesellschaft 
Jahrbuch  191 2)  haben  die  angestellten  Versuche  bisher  g^te  Erfolge  gehabt.  Der  Wirkungs- 
grad soll  dadurch  bei  Einschraubenschiffen  um  0,08  bis  0,12  und  bei  Zweischraubenschiffen  um 
0,1  bis  0,15  größer  werden. 

2'  Transaction  of  the  Institution  of  Naval  Architects.  1888. 


476 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


In  den  Abb.  354  und  355  ist  eine  solche  Wölbung  im  Längenschnitt  und 
im  Querschnitt  dargestellt.  Man  erkennt,  daß  der  Zutritt  von  neuer  Luft  voll- 
ständig verhindert  ist:  Das  Wasser  tritt  in  der  Pfeilrichtung  a  in  die  Schraube 
ein  und  in  der  Richtung  b  wieder  aus.  Im  Scheitel  der  Wölbung  befindet 
sich  eine  dicht  schließende  Klappe  (c\  durch  die  man  leicht  zur  Schraube 
kommen  kann.  In  dieser  Anordnung  läßt  sich  die  Wölbung  mit  der  Schraube 
an  jede  Stelle  des  SchifTsbodens  legen,  und  man  hat  sie  auch  bei  den  ersten 
Versuchen  zuweilen  mittschiffs  angebracht. 

Ob  diese  Erfindung  zuerst  in  England  oder  Frankreich  mit  Erfolg  aus- 
geführt worden  ist,  mag  dahingestellt  bleiben.  Es  soll  schon  im  Jahre  1856 
ein  Engländer,  John  Buchanan,  ein  Patent  auf  eine  solche  Wölbung  etwa  in 
der  Mitte  des  Schiffes  genommen  haben.  Die  ersten  Ausfuhrungen  sind  wohl 
aber  in  England  durch  Thornycroft,  in  Frankreich  durch  Labat  auf  der  Gi- 
ronde  und  von  Oriolle  auf  der  Loire  gemacht  worden.  Es  zeigte  sich  bald,  daß 
die  Anbringung  der  Wölbung  im  Heck  erhebliche  Vorteile  hatte,  und  man 
gab  diesem  die  in  den  Skizzen  mit  gestrichelten  Linien  angedeutete  Form, 


Abb.  354  und  355.     Anordnung  eines  Tunnelhecks. 


wobei  die  Wölbung  hinten  und  auch  an  den  Seiten  nicht  mehr  bis  zum  SchifTs- 
boden,  sondern  nur  um  einige  Zentimeter  unter  die  oberste  Wasserlinie  reichte. 
Das  war  für  den  Luftabschluß  genügend,  gab  aber  dem  Wasser  einen  bes- 
seren Eintritt  und  Austritt.  Thornycroft  baute  zuerst  1884  ein  solches  Schiff 
für  den  Nil  (mit  102  PSi.,  0,38  m  Tiefgang  und  29,6  km  Geschwindigkeit  im 
tiefen  Wasser),  das  sich  gut  bewährte,  und  da  er  diese  Form  des  Tunnel- 
hecks mit  Schwanz  (Start)  später  besonders  ausbildete,  fand  sie  unter  dem 
Namen  Thornycroftheck  allgemeine  Verbreitung. 

Besonders  in  Frankreich  wurden  in  den  Jahren  1890  bis  1894  für  die  »Compagnie  des 
Messageries  fluviales  de  Cochinchina«  auf  der  Werft  von  Dubigeon  in  Nantes  eine  größere  Zahl 
von  Personendampfem  (30  m  lang,  0,7  m  Tauchtiefe  und  20  km  je  Stunde  Geschwindigkeit  in 
tiefem  Wasser)  und  Güterdampfem  (50  m  lang,  40  t  Ladung  und  gleiche  Tauchtiefe  und  Ge- 
schwindigkeit] gebaut,  die  sich  gut  bewährt  haben  %  Auch  Schleppschiffe  von  300  bis  400  Pferde- 
stärken haben  bei  0,7  m  Tauchtiefe  und  mit  Schrauben  von  1,3  m  Durchmesser  gute  Erfolge 
erzielt.   Kleinere  Schiffe  waren  noch  bei  viel  geringerer  Wassertiefe  brauchbar:  Für  Madagaskar 


1}  Bulletin  de  TAssociation  technique  maritime  von  1896  mit  einem  Vortrage  von  Piand 
und  von  1903  (oder  1904)  mit  einem  solchen  von  Berlhe  de  Berihe,  beide  Ingenieure  des  Bureau 
Veritas.  Es  sind  dort  die  verschiedenen  Bauarten,  namentlich  von  französischen  Werften,  be- 
sprochen worden. 


I.  Die  Fortbewegimgsmittel. 


477 


bestimmte  Dampfer  von  15  m  Länge  und  2,8  m  Breite  konnten  mit  2  Schrauben  von  0,7  m 
Durchmesser  imd  50  Pferdestärken  bei  nur  0,35  m  Tauchtiefe  bei  Versuchen  auf  der  Seine  ein 
etwa  ebenso  großes  Lastschiff  mit  10  km  Geschwindigkeit  schleppen  und  erreichten  mit  80  Pferde- 
stärken frei  fahrend  eine  solche  von  18  bis  19  km  je  Stunde.  Aus  den  Skizzen  356  und  357 
ist  die  Anordnung  dieser  Schiffe  ersichtlich.  Sie  sind  aus  dem  Bericht  von  Wahl  für  den  Pariser 
Kongreß  von  1900  entnommen.  Wahl  gibt  dort  und  im  Bericht  für  den  Mailänder  Kongreß  von 
1905  umfangreiche  Zusammenstellungen  von  flach  gehenden  Kraftschiffen. 


Zwischenschraubenschiffe  mit  Tunnelheck  für  Madagaskar,  Abb.  356  und  357. 


2Am  7^ny 


Abb.  356.    Längsschnitt. 


Abb.  357.     Querschnitt. 


Linienrisse  von  einem  Thomycroftheck  mit  2  Schrauben,  Abb.  358  bis  360.     i :  100. 


Abb.  358.     Längsriß. 


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Abb.  359.     Halber  Spantenriß. 


Abb.  360.     Wasserlinien. 


Auch  ia  Deutschland,  ist  seit  dem  Jahre  1900  das  Tunnelheck  mit 
Schwanz  oft  gebaut  worden.  Die  Abbildungen  358  bis  360  stellen  das  Heck 
eines  Zweischraubenschiffs  dar,  das  im  Jahre  19 10  in  Danzig  erbaut  wurde. 
Es  hat  eine  Länge  von  40,7  m,  eine  Breite  von  8,7  m  und  einen  Tiefgang 


478 


Abschnitt  III.     Schüfe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


von   i,o8  m.     Der  Durchmesser  der  Schrauben   ist    1,7  m.     Abbildung  361 
zeigt  einen  Querschnitt  durch  beide  Tunnel '). 

Zu  den  Vorzügen  des  Tunnelhecks  mit  Schwanz  bleibt  zu  erwähnen, 
daß  sich  bei  solchen  Schiffen  das  Heck  sehr  wenig  während  der  Fahrt 
senkt,  was  bei  anderen  Schraubenschiffen,  besonders  in  seichtem  Fahrw^asser, 
sehr  unangenehm  ist.  Nach  den  Beobachtungen  betrug  die  Senkung  des 
vorbeschriebenen  Tunnelhecks  in  voller  Fahrt  nur  10  bis  15  cm.  Das  wird 
zum  Teil  darauf  zurückgeführt,  daß  das  von  der  Schraube  gegen  den  Scheitel 
des  Tunnels  aufjgeworfene  Wasser  einen  senkrechten  Druck  nach  oben  aus- 
übt. Ferner  ist  darauf  hinzuweisen,  daß  das  aus  der  Schraube  austretende 
Wasser  wegen  der  Tunnelwände  weniger  seitlich  als  nach  hinten  austritt.  Da- 
durch wird  der  Wasserstrom  mehr  zusammengehalten  und  die  Heckwellen 
werden  nicht  so  nachteilig  für  die  Ufer  u.  dgl. 


Abb.  361.     Querschnitt  durch  ein  Tunnelheck  für  2  Schrauben  1:100. 


Aber  es  sind  auch  Nachteile  zu  erwähnen:  Der  hinten  eintauchende 
Schwanz  hemmt  zweifellos  in  gewissem  Maße  den  freien  Abfluß  des  Wassers 
nach  hinten,  zumal  wenn  infolge  vermehrter  Belastung  des  Schiffes  die  Tauch- 
tiefe zunimmt.  Der  Trimm  muß  also  stets  entsprechend  verändert  werden, 
was  unter  Umständen  schwierig  ist.  Im  allgemeinen  soll  der  Schwanz,  wenig- 
stens hinten,  nur  etwa  5  bis  8  cm  tief  eintauchen.  Um  diesem  Übelstand 
abzuhelfen,  läßt  man  den  Schwanz  neuerdings  am  hintersten  Ende  in  der 
Ruhelage  überhaupt  nicht  mehr  bis  zur  obersten  Wasserlinie  herunter  reichen, 
sondern  etwas  früher  endigen,  wie  in  Abb.  354  mit  punktierten  Linien  ange- 
deutet ist.  Es  besteht  dabei  allerdings  die  Gefahr,  daß  der  Rückwärtsgang 
des  Schiffes  etwas  behindert  wird,  weil  durch  diese  Öffnung  von  der  Schraube 
Luft  eingesaugt  wird.  Doch  teilt  Blümcke"*)  mit,  daß  an  den  von  ihm  so 
gebauten  Schiffen  dieser  Übelstand  nicht  bemerkt  worden  ist.  Auch  A.  F. 
Yarrow,  der  Vizepräsident  der  »Institution  of  naval  architects«,  hat  in  einem 
Vortrage  vor  dieser  Gesellschaft  im  Jahre  1903  diese  Bauart  empfohlen. 


i)  Die  Österreich-ungarische  Regierung  hat  neuerdings  für  die  Donau  2  gepanzerte  Kanonen- 
boote >Temes«  und  »Badrog«  mit  Tunnelheck  gebaut.  Bei  einer  V'erdrängung  von  440  t,  einer 
Länge  von  $$  m  und  einer  Tauchtiefe  von  1,22  m  erreichen  sie  bei  700  Pferdestärken  in  jeder 
der  beiden  Maschinen  18,5  km  Geschwindigkeit. 

2)  Bericht  zum  Mailänder  Kongreb. 


I.  Die  Fortbewegungsmittel. 


479 


Ein  anderes  Mittel,  den  erwähnten  Mangel  zu  beseitigen,  besteht  darin, 
daß  man  den  hinteren  Teil  der  Tunnelwölbung  [d-f  in  Abb.  354)  beweglich 
und  um  eine  wagerechte  Achse  bei  ^  als  Klappe  drehbar  macht.  Diese 
Einrichtung  war  schon  in  früherer  Zeit  von  Labat  versucht  und  ist  etwa  um 
1902  von  Yarrow  wieder  aufgenommen  worden.  Durch  eine  höhere  oder  tiefere 
Einstellung  des  unteren  Endes  (/)  der  Klappe  kann  man,  der  Tauchtiefe  des 
Schiffes  entsprechend,  dem  abströmenden  Wasser  eine  weitere  oder  engere 
Öffnung  geben.     Es   zeigte   sich  im  Betriebe,   daß  bei  voller  Fahrt  der  Wir- 

Tunnelheck  mit  Klappe,  Abb.  362  bis  364.    i  :  40. 
Abb.  362.     Längsschnitt.  Abb.  364. 


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kungsgrad  der  Schrauben  bei  ganz 
gehobener  Klappe  am  günstigsten, 
und  die  geschlossene  Klappe  nur 
beim  Anfang  der  Bewegung  und  be- 
sonders beim  Rückwärtsgange  von 
Vorteil  war.  Im  letzteren  Falle  wird 
bei  gehobener  Klappe  von  der 
Schraube  viel  Luft  eingesaugt  und 
nur  eine  mäßige  Wirkung  erreicht. 
In  den  Abbildungen  362  bis  364 
ist  eine  im  Jahre  1910  von  der  Werft 
Übigau  ausgeführte  Anlage  mit 
Klappe  dargestellt"). 

Das  Schiff  verkehrt  auf  Elbe  und  Moldau,  ist  19,8  m  über  alles  und  17,2  m  zwischen  den 
Loten  lang,  4  m  breit  und  1,35  m  hoch.  Der  Tiefgang  beträgt  betriebsfertig  mit  1,4  t  Kohlen 
0,65  m,  wobei  die  Verdrängung  27,3  t  ist.  Der  Völligkeitsgrad  der  Verdrängung  ist  0,608,  der 
der  obersten  Wasserlinie  0,759  und  der  des  Hauptspants  0,96.  Der  Schraubendurchroesser  be- 
trägt I  m.  Wie  man  aus  den  Abbildungen  erkennt,  bewegt  sich  die  i  m  breite  und  1,1  m  lange 
Klappe  in  einem  Schacht  mit  senkrechten  seitlichen  Wänden  und  kann  durch  eine  Schrauben- 
spindel nach  Bedarf  höher  öder  tiefer  eingestellt  werden. 


Abb.  363.     Grundriß. 


i)  Von   Oberingenieur   Jahnel    erfunden   und    durch   Deutsches   Reichs  -  Gebrauchsmuster 
geschützt. 


480  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftscbiffe. 

Daß  durch  solche  Klappen  beim  Rückwärtsgange  die  Geschwindigkeit 
und  die  Lenkbarkeit  des  Schiffes  erhöht  wird,  weil  die  Schraube  stets  in 
vollem  Wasser  arbeitet,  kann  nicht  bezweifelt  werden.  Bei  vielen  Schiffen 
kommt  es  aber  nicht  darauf  an,  ob  sie  beim  Rückwärtsgange  eine  besonders 
gute  Wirkung  haben,  und  dann  dürfte  die  Klappe  und  damit  auch  fast  der 
ganze  Schwanz  des  Hecks  überhaupt  entbehrlich  sein.  Darauf  weist  auch 
Horace   See-New-York  in  seinem  Berichte  zum  Mailänder  KoogreO   1905 


Linie nriüse  vom  Tunnelheck  ohne 
Abb.  365.     Spaotenriß. 


s  Eiascbraubenschiffs,  Abb.  365  bl^  368. 
Abb.  366.     Längsriß. 


Abb.  367,     Querschnitt  l>ei  Spam  O. 


hin  und  erklärt  das  Tunnelheck  zur  Erhöhung  des  Wirkungsgrades  nur  dann 
für  vorteilhaft,  wenn  der  Tunnel  sich  hinter  der  Schraube  erweitert. 

Nach  dieser  Richtung  hin  sind  von  der  Werft  Cäsar  Wollheim-Breslau 
Versuche  angestellt  worden,  die  zum  Bau  von  Tunnelhecks  ohne  Schwanz 
geführt  haben.  In  den  Abbildungen  365  bis  371  sind  die  Linienrisse  von 
den  Hecks  zweier  Schleppdampfer  mitgeteilt,  die  in  dem  Jahre  1910  auf  jener 
Werft  gebaut  sind. 

Das  eine  Schiff  35  m  zwischen  den  Loten  lang  und  6  m  breit)  ist  mit  einer  und  das  andere 
f37  m  zwischen  den  Loten  lang  and  6,5  m  breit)  mit  l  Schrauben  ausgerüstet.  Der  Tiefgang 
beider  beträgt  1,1  m,  der  Schraubendurchmciser  1,5$  und  ii4  ">.  Durch  den  Fortfall  des  Schwanics 


482  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

bekommen  die  Schiffe  sehr  zweckmäßige  Heckformen.  Beachtenswert  ist  die  Nenening,  daß  die 
Seitenwände  des  Tunnels  nicht  mit  einer  Abrundmig,  sondern  mit  einer  Schneide  ^ei  A^  in  das 
Wasser  tauchen.  Femer  ist  die  Tunnelleibung  so  nahe  an  die  Schraubenkreisfläche  gelegt,  daß 
im  Scheitel  nur  ein  Spielraum  von  50  mm  und  in  der  obersten  Wasserlinie  ein  solcher  von  150  mm 
bleibt.     In  der  Ruhelage  tauchen  die  Schneiden  bei  A  nur  etwa  10  mm  tief  ein '). 

Bei  den  so  gebauten  Zwebchraubenschiffen  hat  man  später  dem  Trennungskörper  zwischen 
den  beiden  Tunneln  eine  schlankere  Gestalt  gegeben,  wie  in  Abb.  370  und  371  bei  S  punktiert 
augedeutet  ist.  Man  hoffte  dadurch  den  Austritt  des  Wassers  aus  den  Schrauben  zu  erleichtem 
und  einen  höheren  Wirkungsgrad  zu  erreichen.  Zuverlässige  Erfahrungen  liegen  darüber  noch 
nicht  vor. 

Es  hat  sich  gezeigt,  daß  die  Rückwärtsbewegung  dieser  Schiffe  eine  ge- 
nügende ist,  wenngleich  nicht  eine  so  gute  wie  bei  einer  Klappe  oder  bei 
einem  Heck  mit  Schwanz.  Es  fragt  sich  aber,  ob  sie  ausreichend  sein  wird, 
wenn  der  Schraubendurchmesser  im  Verhältnis  zur  Tauchtiefe  noch  größer 
gewählt  wird,  was  an  sich  als  zulässig  bezeichnet  werden  kann.  Dagegen 
ist  die  Wirkung  der  Schrauben  in  dieser  Anordnung  bei  vollem  Vorwärts- 
gang ohne  Zweifel  günstiger,  weil  das  Wasser  aus  der  Schraube  ohne  irgend 
welche  Hemmung  nach  hinten  austreten  kann.  Der  oben  eng  schließende 
Tunnel  gibt  dem  Wasserstrahl  eine  axiale  Führung,  die  in  ähnlicher  Weise 
wirkt  wie  der  Mantel  der  Turbinenschraube  von  Thomycroft  und  ohne  deren 
Mängel.  Denn  das  Festklemmen  von  schwimmenden  Gegenständen  ist  bisr- 
her  nicht  bemerkt  worden  und  auch  nicht  zu  befürchten.  Durch  eine  im 
Tunnelscheitel  angebrachte  Klappe  kann  man  übrigens  jederzeit  leicht  an  die 
Schraube  herankommen.  Daß  der  Tunnelscheitel  geradlinig  und  nicht  wie 
früher  hinten  nach  unten  gekrümmt  ist,  muß  gleichfalls  als  Verbesserung  an- 
gesehen werden.  Wenn  auch  über  die  Wirkungsweise  der  Schraube  in  solchen 
Tunneln  wissenschaftliche  Untersuchungen  noch  fehlen,  scheint  es  doch  wahr- 
scheinlich, daß  der  Schraubenstrom  durch  einen  gekrümmten  Scheitel  in  senk- 
rechtem Sinne  nach  der  Sohle  zu  abgelenkt  wird,  wodurch  diese  namentlich 
in  Kanälen  vielleicht  beschädigt  werden  könnte.  Bei  der  Bauart  mit  wage- 
rechtem Scheitel  ist  das  weniger  zu  befürchten. 

Die  guten  Erfolge  solcher  Wölbungen  unter  dem  Hinterschiff  führten  zu 
dem  Versuch,  durch  ähnliche  Einrichtungen  auch  ältere  Schiffe  mit 
Schrauben  von  großem  Durchmesser  nach  entsprechender  Trimmung  für 
geringen  Tiefgang  vorteilhaft  zu  verwenden.  Das  erreichte  man  durch  An- 
bringung eines  Schraubenschirms,  wie  er  in  Abb.  372  mit  gesenkter  und 
in  Abb.  373  mit  gehobener  Klappe  dai^estellt  ist.  Bei  gesenkter  Klappe  er- 
gibt sich  ziemlich  dieselbe  Wirkung  wie  bei  einem  Thornycroftheck.  In 
anderen  Fällen  hat  man  diesen  Schirm  ohne  Klappe  angewendet,  wie  aus 
den  AbbSdungen  374  und  375  ersichtlich  ist,  und  hat  damit  sehr  gute  Er- 
folge gehabt. 

Bei  dem  abgebildeten  Schiffe  hatte  die  Schraube  einen  Durchmesser  von  1,7  m  und  brauchte 
hinten  einen  großen  Tiefgang,  um  vorteilhaft  arbeiten  zu  können.  Nach  Anbringung  des  Schirms 
wurde  der  Trimm  so   veribidertf   daß  hinten  nur  eine  Tauchtiefe  von    1,1  m  vorhanden  war, 


i)  Durch  Reichs-Gebrauchsmuster  geschützt. 


.  Die  Fortbewegungsinittel. 


s. 


I 


484  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

während  die  seitlichen  Ränder  des  Schirms  etwa  i  cm  tief  in  das  Wasser  tauchten.  Es  zeigte 
sich  darauf  (durch  Messung  der  Zugkraft  am  Pfahl),  daß  die  Schleppkraft  des  Schiffes  ebenso 
groß  war  wie  vorher.  Der  Schirm  war  mit  geringem  Spielraum  um  die  Schraube  gelegt: 
Im  Scheitel  war  ein  Zwischenraum  von  50  mm  und  seitlich  im  Wasserspiegel  beiderseits  ein 
solcher  von  je  150  mm. 

Diese  letztere  Anordnung  ist  von  der  Werft  Cäsar  Wollheim  gewählt 
worden  und  die  guten  Erfolge  haben  dann  zu  der  vorbeschriebenen  Bauart 
des  Tunnelhecks  ohne  Schwanz  mit  wagerechtem  Scheitel  und  scharfen 
Schneiden  gefuhrt.  Es  sind  auch  neue  Schiffe  mit  solchen  Schirmen  aus- 
gerüstet worden.  Das  bietet  den  Vorteil,  daß  man  später  bei  dauernder  Ver- 
wendung in  tiefem  Wasser  den  Schirm  leicht  entfernen  kann. 

Überhaupt  mag  noch  darauf  hingewiesen  werden,  daß  sowohl  Tunnel 
wie  Schirme  eine  unveränderte  Tauchtiefe  des  Hecks  verlangen.  Sie  werden 
daher  nur  in  seltenen  Fällen  bei  Lastschiffen  Verwdhdung  finden  können, 
wenn  diese  bei  verschiedener  Beladung  sich  entsprechend  trimmen  lassen. 
Schirme,  deren  Höhenlage  nach  Bedarf  verändert  werden  kann,  sind  an- 
scheinend noch  nicht  gebaut  worden  und  dürften  sich  auch  kaum  bewähren. 


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Abb.  376.     Kanalquerschnitt,  durch  die  Schraubenwirkung  stark  verändert,  i  :  250. 

Die  Einwirkung  der  Schraube  auf  die  Sohle  der  Kanäle  ist  fiir 
die  Verwendung  von  Schraubenschiffen  in  der  Binnenschiffahrt  von  großer 
Bedeutung,  Bei  den  preußischen  Kanälen  wurde  festgestellt,  daß  der  Angriff 
ein  äußerst  schädlicher  und  unter  Umständen  selbst  gefährlicher  ist.  In 
Abb.  376  ist  ein  Kanalquerschnitt  dargestellt,  dessen  ursprünglich  wagerechte 
Sohle  (feine  Linie)  infolge  des  Schraubendampferverkehrs 'allmählich  eine  pa- 
rabolische Form  angenommen  hat  (starke  Linie),  indem  der  Boden  aus  der 
Mitte  in  Bewegung  gesetzt  und  seitlich  abgelegt  wurde,  wo  er  fiir  den  Schiffs- 
verkehr sehr  hinderlich  ist. 

Wenn  ein  Schraubenschlepper  aus  irgend  einem  Grunde,  z.  6.  um  ein  fes^efahrenes  Last- 
schiff wieder  flott  zu  machen,  an  einer  und  derselben  Stelle  des  Fahrwassers  mit  voller  Kraft 
arbeitet,  entstehen  leicht  tiefe  Löcher  in  der  Sohle,  die  unter  Umstanden  gefährlich  sind  und 
auf  deren  hoch  aufgeworfenen  Rändern  andere  Schiffe  bei  geringer  Wassertiefe  sich  wieder 
festfahren  können.  Dies  kommt  auch  in  aufgestauten  Stromstrecken  vor,  während  in  offenen 
Strömen  bei  großer  Geschwindigkeit  des  Wassers  die  vorübergehende  Vertiefung  meistens  un- 
schädlich ist. 

Wenn  man  die  Ursachen  dieser  nachteiligen  Einwirkung  der  Schraube 
auf  die  Sohle  untersuchen  will,  muß  auf  die  frühere  Erörterung  über  die  Be- 
wegung der  Schraube  zurückgegriffen  werden.  Auf  S.  458  war  darauf  hin- 
gewiesen, daß  der  Gegendruck  des  Wassers  auf  die  Schraubenflügel  sich  in 
eine  Schubkraft  und  in  eine  Tangentialkraft  zerlegt.   Während  die  erstere  die 


I.  Die  Fortbewegungsmittel.  485 

Fortbewegung  des  Schiffes  bewirkt,  ruft  die  andere  eine  drehende  Bewegung 
des  die  Schraube  umgebenden  Wassers  hervor.  In  der  Abb.  377  sind  auf 
der  linken  Seite  (A)  die  hinter  der  Schraube  entstehenden  Spiralwirbel  der 
Wasserteilchen  durch  Pfeile  deutlich  gemacht.  Der  Durchmesser  des  in  Be- 
wegung befindlichen  Wasserdrehkörpers  und  die  Geschwindigkeit  der  Wasser- 
teilchen ist  weniger  von  dem  Durchmesser  der  Schraube,  als  vielmehr  von 
der  Größe  der  Tangentialkraft  abhängig.  Es  muß  mithin  eine  solche  Form 
der  Schraubenflügel  und  besonders  ein  solches  Steigungsverhältnis  gewählt 
werden,  daß  die  Tangentialkraft  im  Verhältnis  zur  Schubkraft  möglichst  klein 
wird,  oder,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  daß  die  Schraube  möglichst  wenig 
»streute.  Die  Wirbel  werden  ferner  um  so  weniger  die  Sohle  angreifen,  je 
weiter  die  Schraube  von  ihr  entfernt  arbeitet.  Gefahrlich  werden  sie  bei 
geringer  Wassertiefe,  wenn  ihre  Kreisbewegung  durch  das  Ruderblatt  ge- 
stört wird,  wie  in  der  vorstehenden  Abbildung  rechts  [B]  dargestellt  ist. 
Dann  werden  die  in  Bewegung   befindlichen  Wasserteilchen    abgelenkt   und 


Abb.  377.     Einwirkung  von  Schraube  und  Ruder  auf  die  Sohle. 

greifen  in  verstärktem  Maße  die  Sohle  an.  Diese  Erscheinungen  sind 
zuerst  von  Gebers')  in  neuester  Zeit  durch  Modellversuche  bestätigt  worden : 
Die  Ausspülungen  der  Sohle  in  dem  Modell  des  oben  dargestellten  Quer- 
schnitts hörten  beinahe  auf,  nachdem  das  hinter  der  Schraube  angeordnete 
Ruder  beseitigt  oder  durch  zwei  seitliche  in  einem  Abstände  von  etwa  1,5  •  /^ 
ersetzt  worden  war.  Die  starke  Beschädigung  der  Sohle  ist  also  vorwiegend 
auf  die  Wirkung  des  Ruders  zurückzufuhren,  und  es  ist  leicht  zu  erklären, 
daß  bei  Verwendung  von  Zweischraubenschiflen  mit  einem  mittleren  Ruder 
nur  geringfügige  Ausspülungen  bei  den  Modellversuchen  bemerkt  wurden. 
Der  Vorschlag  von  Gebers,  EinschraubenschifTe  für  den  Verkehr  in  Kanälen 
mit  2  Rudern  auszurüsten,  scheint  beachtenswert,  und  man  würde  solche  Ein- 
schraubenschifTe   auch    auf  Kanälen   von   geringer  Tiefe   neben    den   Zwei- 


x)  Die  Entwicklung  einer  neuen  Schleppdampferart  für  Schiffahrtkanäle,  Vortrag  in  der 
Schiffbautechnischen  Gesellschaft  im  November  1910.  —  Im  Jahrbuch  von  191 1,  S.  420.  Zeit^ 
Schrift  für  Binnenschiffahrt  191 1,  S.  566. 


486  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschifie. 

schraubenschiffen  zulassen  können'].  Die  letzteren  bleiben  aber  für  den  Ver- 
kehr auf  Kanälen  und  in  aufgestauten  Strömen  in  erster  Linie  geeignet  wegen 
der  Vorzüge,  auf  die  schon  oben  (S.  470)  hingewiesen  wurde. 

Sehr  beachtenswert  sind  die  1910  und  191 1  von  dem  Kgl.  Hauptbauamt  In  Potsdam 
veranstalteten  Schraubenversuche,  durch  die  die  Zulässigkeit  von  Sckraubenschleppem 
auf  dem  Großschiffahrtweg  Berlin — Stettin  untersucht  worden  ist.  Die  Modellversuche  von 
Gebers  sind  dabei  im  allgemeinen  bestätigt  worden.  Um  die  Beschädigung  der  Sohle  zu  ver- 
hüten, wurden  unter  anderm  auch  Versuche  gemacht  mit  einer  unter  der  Schraube  an  der 
Kielsohle  befestigten,  schalenförmig  gewölbten  Blechplatte.  Die  Ergebnisse  sind  in  der  amtlichen 
Druckschrift  »Schlepp-  und  Schraubenversuche  im  Oder- Spree-Kanal  und  im  Großschiffahrtweg 
Berlin-Stettin <  (Verfasser:  Mattern  und  Buchholz)  zusammengestellt  und  sollen  auch  im 
Buchhandel  erscheinen. 

Man  erkennt  aus  diesen  Mitteilungen,  daß  die  Verwendung  von  Schrauben 
in  der  Binnenschiffahrt  im  Laufe  der  letzten  1 5  Jahre  bedeutende  Fortschritte 
gemacht  hat.  Es  steht  zu  erwarten,  daß  dies  Fortbewegungsmittel  sich  all- 
mählich auch  auf  den  großen  Strömen  einbürgern  und  das  Schaufelrad  ver- 
drängen wird. 

Fortbewegung  durch  Wasserstoß  (Reaktions-  oder  richtiger  Pumpen- 
oder Turbinenpropeller).  Bei  den  auf  diese  Weise  fortbewegten  Strahl- 
schiffen oder  Prall  schiffen  wird  der  Gegendruck  (Reaktion)  des  Wassers, 
der  das  Schiff  vorwärts  schiebt,  nicht  durch  den  Schlag  einer  Schaufel  oder 
durch  den  Druck  einer  Schraubenfläche,  sondern  unmittelbar  durch  den  Stoß 
eines  Wasserstrahls  hervorgerufen.  Dazu  ist  eine  Pumpvorrichtung  erforder- 
ich,  die  das  Wasser  vorne  ansaugt  und  nach  hinten  (entweder  am  Heck  oder 
an  beiden  Schiffseiten)  mit  entsprechender  Krafl  ausstößt. 

Auch  der  Grundgedanke  dieses  Fortbewegungsmittels  ist  sehr  alt.  Schon  Daniel  Bemouilli 
hat  in  seinem  Buche  » Hydro dynamica«  im  Jahre  1738  diesen  Vorschlag  gemacht.  Der  Ameri- 
kaner Rumsey  soll  in  Philadelphia  im  Jahre  1787  mit  einem  so  eingerichteten  Boote  Fahrten 
auf  dem  Potomak  und  im  Jahre  1823  ^  England  mit  einem  ähnlichen  Boote  auf  der  Themse 
ausgeführt  haben,  wobei  eine  gewöhnliche  Kolbenpumpe  benutzt  wurde.  Die  Versuche  hatten 
ebenso  wenig  Erfolg,  wie  die  späteren  in  Frankreich  von  Cav^  auf  der  Seine  (1843)  und  in  Eng- 
land von  Ruthven  (1844).  Im  Jahre  1855  baute  Seydel  in  Stettin  das  PrallschifT  »Albert«,  das 
einige  Jahre  lang  auf  der  Oder  im  Betriebe  war=},  und  von  1866  bis  1867  wurden  auf  dem  eng- 
lischen Kanonenboot  »Waterwich«  umfangreiche  Versuche  vorgenommen,  wobei  eine  Geschwin- 
digkeit von  etwa  16  km  je  Stunde  erreicht  sein  soll.  In  diesen  letzterwähnten  Fällen  wurden 
seit  Ruthven  Kreiselpumpen  benutzt,  die  auch  als  getriebene  Vollturbinen  angesehen  werden 
können.  Man  bezeichnete  daher  diese  Kraftschiffe  als  Turbinenschiffe.  Das  Betriebswasser  wurde 
im  Boden  des  Schiffes  angesaugt,  durch  eine  Rohrleitung  wagerecht  im  Innern  des  Schiffes  zum 
Kreisel  und  aus  dessen  Mantelraum  nach  den  beiden  hinteren  Ausflußöffhungen  geführt  Diese 
und  andere  spätere  Versuche  hatten  keinen  wirtschaftlichen  Erfolg,  namentlich  nicht  für  die 
Binnenschiffahrt. 

Im  Jahre  1891  erfand  Zeuner  in  Dresden  eine  neue  Vorrichtung.  Er 
erklärte  die  Mißerfolge  der  früheren  Anordnungen  durch  die  großen  Wider- 


1)  Vgl.  H.  Krey,  Modellversuche  über  den  Schiffahrtbetrieb  auf  Kanälen  und  die  dabei 
auftretende  Wechselwirkung  zwischen  Kanalschiff  und  Kanalquerschnitt.  Heft  107  der  Mit- 
teilungen über  Forschungsarbeiten  auf  dem  Gebiete  des  Ingenieurwesens,  Berlin  191 1  und  Ver- 
suche mit  Kanalmodellen.     Zentralblatt  der  Bauverwaltung  191 1,  S.  529. 

2)  Zeitschrift  für  Bauivesen   1859,  S.  535. 


I.  Die  Fortbewegungsmittel.  487 

Stände,  die  das  Betriebswasser  in  den  Röhren  und  den  Krümmungen  fand, 
besonders  beim  Austritt  aus  dem  Kreisel,  und  erwartete  bessere  Erfolge,  wenn 
man  ohne  Röhren  das  Wasser  möglichst  stoßfrei  in  wagerechtet  Richtung  in 
die  Pumpe  eintreten  und  ebenso  austreten  lassen  könnte.  Er  wählte  daher 
als  Pumpe  eine  » Henschel-Jonval«  sehe  Axial vollturbine,  die  er  außerhalb  des 
Schiffes  an  der  Stelle  der  Schraube  anordnete.  Das  Wasser  durchströmt  das 
Laufrad  dieser  Turbine  gleichlaufend  zur  Achse  mit  gleichmäßiger  Geschwin- 
digkeit und  erfahrt  also  im  Innern  des  Laufrades  keine  Beschleunigung  in 
axialem  Sinne.  Um  eine  solche  als  treibende  Kraft  zu  erreichen,  ordnete 
Zeuner  hinter  der  Turbine  ein  Gehäuse  mit  festen  Leitschaufeln  an,  den 
»Kontraktor«,  in  dem  das  aus  dem  Turbinenrade  tretende  Wasser  den  erfor- 
derlichen Druck  erhält  *).  (In  dieser  Beziehung  ist  der  hydraulische  Vorgang 
ein  wesentlich  anderer  als  bei  der  oben  erwähnten  Turbinenschraube  von 
Thomycrofl.)  Für  den  Rückwärtsgang  wird  die  Betriebsmaschine  nicht  um- 
gesteuert, die  Turbine  läuft  vielmehr  in  gleichem  Sinne  weiter.  Es  wird  aber 
vor  die  Ausflußöffnung  ein  »Rückstrahler«  gebracht,  wodurch  der  austretende 
Wasserstrahl  geteilt  und  beiderseits  um  etwa  120^  abgelenkt  wird.  Nach  den 
Entwürfen  von  Zeuner  sind  seit  1892  auf  der  Schiffswerft  Übigau  bei  Dresden 
mehrere  Schiffe  erbaut  worden. 

In  den  Abb.  378  and  379  bt  die  Fortbewegungsvorrichtong  eines  Strahlschüfs  mitgeteilt, 
das  x6,3  m  lang  und  3,5  m  breit  bt  und  einen  Tiefgang  von  0,48  m  hat  Die  Betriebsmaschine 
lebtete  bei  300  Umdrehungen  40  indizierte  Pferdestärken,  a  bedeutet  die  aus  Bronze  hergestellte 
Turbine,  b  den  Kontraktor  aus  Gußeisen,  c  den  in  den  Führungstangen  g  und  h  senkrecht  be- 
weglichen Rückstrahler  aus  Kupfer.  Seine  Bewegung  erfolgt  durch  ein  Seil  vom  Steuerruderstand 
aus.  Der  mitttere  Halbmesser  der  Turbine  (r)  betrügt  253,5  mm,  die  radiale  Durchflußweite  146  mm, 
der  gesamte  äußere  Durchmesser  654  mm  und  der  Durchmesser  der  Ausflußöffhung  des  Kontraktors 
{/)  400  mm.  Im  Laufrade  befinden  sich  13,  im  Kontraktor  12  Leitschaufeln  von  5  und  4  mm 
Stärke.  Um  das  Eintreten  von  Luft  in  die  Turbine  zu  verhüten,  ist  eine  Blechhaube  angeordnet, 
die  bis  in  das  Wasser  reicht,  und  unter  ihr  ein  Drahtnetz,  um  das  Eintreten  von  fremden  Körpern 
zu  verhindern.  Bei  günstigem  Wasserstande  hat  das  Schifif  bei  einem  stündlichen  Kohlenverbrauch 
von  56  kg  eine  mittlere  Geschwindigkeit  von  etwa  3,78  m  je  Sekunde  erreicht.  Beim  Aufwärts- 
schleppen entwickelte  es  eine  Zugkraft  im  Schlepptau  von  450  kg. 

Es  wurde  im  Jahre  1893  auch  ein  größeres  Strahlschiff  von  33,5  m  Länge,  3,7  m  Breite 
und  0,65  m  Tiefgang  erbaut,  das  mit  2  Turbinen  versehen  war,  die  seitlich  am  Schiffskörper, 
etwa  in  der  Mitte  der  Länge,  angebracht  waren  (Abb.  380).  Dies  Schiff  zeigte  gleichfalls  sehr 
beachtenswerte  Leistungen,  die  von  Busley  an  der  erwähnten  Stelle  beschrieben  und  gewürdigt 
sind.  Busley  macht  dabei  den  Vorschlag,  bei  Verwendung  von  nur  einer  Turbine  diese  ganz  in 
das  Innere  des  Schiffes  zu  legen,  wobei  man  den  Vorteil  gewinnt,  ohne  Rücksicht  auf  den  Tief- 
gang des  Schiffes  dem  Laufrade  eine  beliebige  Größe  geben  zu  können.  Solche  Strahlschiffe 
würden  dann  besonders  für  sehr  geringe  Fahrwassertiefen  geeignet  sein. 

Dieser  Gedanke  ist  von  dem  Ingenieur  £.  Marchand  in  Paris  im  Jahre  1901  weiter  ver- 
folgt worden  3).  Bei  dieser  Anordnung  tritt  das  durch  die  Turbine  angesaugte  Wasser  radial  aus 
ihr  heraus  und  wird  dahinter  wieder  in  einem  gemeinschaftlichen  Ausflußrohr  vereinigt.  Marchand 
verwendet  zwei  hinter  einander  liegende  Laufräder,  von  denen   das   hintere  für  den  Rückwärts- 


i)  Busley,  Turbinenpropeller  mit  Kontraktor.  Zeitschrift  des  Vereins  Deutscher  Ingenieure 
1894,  S.  I.     Grosch,  Das  Strählschiff  »Dresden«.    Civilingenieur  1895,  Heft  5. 

2)   Schromm,  Hydraulischer  Turbinenpropeller.    Zeitschrift  des  Österr.  Ingen.-  u.  Arch.- 
Vereins  1901,  nach  dem  G^nie  civil,  Paris  1901. 


488 


Abschnitt  HE.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschüfe. 


Strahlschifif  »Dresden«  mit  Zeonerscher  Turbine,  Abb.  378  und  379. 


Abb.  378.     Längsschnitt. 


Abb.  379.     Grundriß. 


Abb.  380.     Querschnitt  durch  ein  Strahlschiff  mit  2  seitlichen  Turbinen. 


.  Die  Fortbewegungsmittel. 


489 


g«ng  benutzt  wird,  wUirend  die  Wtlle  ihre  Drehrlchtang  behült.  Aus  Abb.  381  bt  die  Anord- 
nung der  Vorrichtung  im  Schiffe  ersichtlich.  Bei  den  Versuchen  a.uf  der  Seine  sollen  gute  Er- 
folge erreicht  sein;  doch  liegen  keine  genaueren  Angaben  yor,  und  es  ist  »ucb  über  die  weitere 
Verfolgung  dieser  Erfindung  nichts  beliannt  geworden.  Es  ist  tu  vermuten,  dt&  die  Widerstände 
in  den  Rohren  und  besonders  bei  dem  radialen  Austritt  des  Wassers  aus  den  Leitschaufeln  des 
Laufrades  recht  bedeutend  sind. 


Abb.  381.     Turbioenanordnung  von  Marchand. 
Turbinen  auf  den  Kettendanpfem  des  Mun,  Abb.  382  bis  384. 


Abb.  38a.     Quersehniit  de»  Schiffes. 


Abb.  383.     LSngsscbnitt  mit  Ansicht  einer  Turbine. 


Abb.  3E4.     Grundriß  einer  Turbine. 


Die  Werft  Übigau  hat  ferner  eine  beachtenswerte  Anordnung  bei  Ketten- 
dampfe rn  mit  Erfolg  versucht.  Es  hatte  sich  das  Bedürfnis  herausgestellt, 
diese  Schiffe  für  die  Talfahrt  ohne  Benutzung  der  Kette  mit  eigenen  Fortbe- 
wegungsmitteln zu  versehen,  und  da  die  Verwendung  von  Schrauben  mit  Rück- 


490  Abschnitt  m.     Schifife  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

sieht  auf  die  geringe  Wassertiefe  unzweckmäßig  schien,  voirden  Turbinen  ein- 
gebaut. Jedes  Schiff  erhielt  deren  zwei,  die  vollständig  innerhalb  des  Schiffs- 
körpers an  den  Bordwänden,  etwa  in  der  Mitte  der  Länge  angebracht  wurden 
(Abb.  382  bis  384).  Die  WasserzufluDkanäle  (6)  liegen  so  tief  in  der  Kimm, 
daß  sie  stets  von  Wasser  bedeckt  sind  und  das  Ansaugen  von  Luft  vermieden 
wird.  Außen  sind  sie  mit  Schutzgittern  [d]  versehen.  Ebenso  sind  die  von 
dem  Kontraktor  kommenden  Ausflußrohre  {c)  so  durch  die  Schiffswände  ge- 
führt, daß  die  Wasserstrahlen  unter  Wasser  gleichlaufend  mit  den  Schiffs- 
wänden ausfließen.  Bemerkenswert  ist  der  Rückstrahler  (A),  durch  den  für  den 
Rückwärtsgang  der  Wasserstrom  senkrecht  gehoben  und  an  der  Schiffswand 
entlang  durch  ein  besonderes  Rohr  (^)  nach  hinten  geführt  wird.  Der  Rück- 
strahler ist  um  eine  wagerechte  Achse  in  senkrechtem  Sinne  drehbar.  In 
Abb.  383  ist  er  fiir  den  Rückwärtsgang  eingestellt;  wird  er  um  etwa  90*^  gedreht, 
so  strömt  das  Wasser  durch  das  Rohr  c  frei  aus  und  das  Schiff  geht  vorwärts. 

Mit  solchen  Turbinen  sind  in  den  Jahren  1894  und  1896  zwei  Ketten- 
dampfer auf  der  Elbe  und  in  den  Jahren  1898  bis  1900  fünf  Kettendampfer 
auf  dem  oberen  Main  ausgerüstet  worden.  Bei  den  ersteren  größeren  Schiffen 
(52,25  m  lang,  8^2  m  breit,  0,7  m  Tauchtiefe)  wurden  Turbinen  von  1,1  m 
lichter  Durchfluß  weite,  300  mm  radialer  Radweite  und  190  Umdrehungen 
angebracht,  die  von  zwei  Dampfmaschinen  mit  zusammen  220  PSi  angetrieben 
wurden,  wobei  eine  Geschwindigkeit  von  3,25  m  je  Sekunde  erreicht  wurde. 
Die  auf  den  Kgl.  Baierischen  Kettendampfern  des  Main  (46  m  lang,  6,4  m 
breit  und  0,56  m  Tauchtiefe)  verwendeten  Turbinen,  denen  die  Abbildungen 
282  bis  284  entsprechen,  haben  lichte  Durchmesser  von  850  mm,  radiale 
Radweiten  von  206  mm  und  machen  250  Umdrehungen.  Sie  werden  durch 
2  Maschinen  von  zusammen  130  PSi  angetrieben  und  bewirken  eine  Ge- 
schwindigkeit von  3,1  m  je  Sekimde'). 

Die  eingezogenen  Erkundigungen  darüber,  wie  sich  diese  Zeunerschen 
Turbinen  in  dauerndem  Betriebe  bewährt  haben,  ergaben  im  allgemeinen  für 
die  Anwendung  bei  Kettendampfem  ein  günstiges,  im  übrigen  ein  ziemlich 
ungünstiges  Urteil.  Auf  der  Elbe  sind  die  beiden  Kettendampfer  seit  1 5  Jahren 
im  Betriebe  und  man  ist  mit  den  Leistungen  der  Turbinen  zufrieden.  Die 
baierische  Main-Kettenschiffahrt  hat  außer  den  5  oben  erwähnten  in  neuester 
Zeit  noch  4  Kettendampfer  (bis  191 1)  eingestellt,  die  wieder  mit  Turbinen 
ausgerüstet  worden  sind,  und  das  Kgl.  Baierische  Verkehrsministerium  ist  mit 
der  Leistung  der  Turbinen  sehr  zufrieden.  Anders  ist  es  mit  den  für  den 
staatlichen  Baudienst  auf  der  Elbe  gelieferten  Schiffen. 

Die  beiden  Schüfe  fiir  die  sächsische  Wasserbauver waltung  sind  mit  den  Zeuner- 
schen Turbinen  nur  etwa  10  Jahre  lang  gelaufen,  weil  sich  mancherlei  Mängel  im  Betriebe 
herausstellten:  Zunächst  genügte  die  Rückwärtsbewegung  nicht  und  dies  beeinträchtigte  die 
Sicherheit  des  Betriebes.    Femer  zeigte  sich  der  Kontraktor  unzweckmäßig  bei  treibendem  Eise, 


1}  August  Jahnel,  Flußfahrzeuge  von  weniger  als  75  cm  Tiefgang.  Bericht  zum  9.  Intern. 
Schiff.-Kongreß  in  Düsseldorf,  1902.     Auch:  Zeitsch.  d.  V.  D.  Ing.  1901.    Aufsatz  von  Ed.  Weiß. 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfimaschinen,  Dampfschüfe.  491 

da  sich  dies  in  ihm  festsetzte  mid  ihn  verstopfte;  auch  mußten  die  Turbinen  stets  vor  dem 
Einfrieren  besonders  geschützt  werden,  wozu  es  nötig  wurde,  die  Schiffe  im  Winter  aufs  Land 
zu  nehmen.  Aber  nicht  nur  Eisstücke,  sondern  auch  andere  im  Wasser  schwimmende  Gegen- 
stände, Holzstücke  u.  dgl.  wurden  häufig  durch  die  Turbinen  angesaugt  und  verstopften  sie. 
Außerdem  ergab  sich  ein  großer  Kohlenverbrauch  und  es  wurde  über  die  starken  Erschütte- 
rangen  der  Schiffe  geklagt.  In  den  Jahren  1902  und  1906  wurden  daher  die  beiden  Schiffe  um- 
gebaut, indem  man  das  kleinere  mit  einer  gewöhnlichen  Schraube  und  das  größere  mit  Seitenrädern 
ausrüstete.  Damit  wurde  eine  ebenso  große  Schnelligkeit  bei  geringerem  Kohlenverbrauch  und 
verminderten  Unterhaltungskosten  erreicht.  Allerdings  hat  der  Tiefgang  des  größeren  Schiffes 
dabei  von  65  cm  auf  73  cm  zugenommen. 

Auch  eine  im  Jahre  1893  für  die  preußische  Elbstrom-Bauverwaltung  gebaute 
Dampf  barkasse  mit  einer  solchen  Turbine  hat  sich  auf  die  Dauer  nicht  bewährt,  weil  sich  etwa 
dieselben  Obelstände  herausstellten.  Dazu  kam  noch,  daß  der  Kontraktor  beim  Anstoßen  an 
Steine  oder  andere  Hindemisse  häufig  starke  Verbiegungen  erlitt,  durch  die  zuweilen  das  Lauf- 
rad festgebremst  wurde,  so  daß  die  Maschine  zum  Stillstand  kam.  Die  Barkasse  wurde  daher 
im  Jahre  1899  mit  einer  Schraube  versehen. 

Nach  einer  Mitteilung  von  Merczyng')  sollen  Turbinen  auch  in  Rußland  vielfach  ange- 
wandt worden  sein,  wobei  sich  in  ähnlicher  Weise  herausgestellt  hat,  daß  sie  allerdings  in  tiefem 
Wasser  sehr  gut  arbeiten,  in  seichten  Flüssen  mit  lehmiger  oder  sandiger  Sohle  aber  nicht 
brauchbar  sind,  weil  von  diesen  Stoffen  zu  viel  in  die  Turbine  eingesaugt  wird.  Ob  diese  Tur- 
binen nach  der  Zeunerschen  Form  gebaut  waren,  ist  nicht  bekannt. 

Nach  einer  Zeitung^snachiicht  soll  im  Herbst  1910  auf  der  Loire  bei  Nantes  ein  Herr 
Math^  aus  La  Rochelle  erfolgreiche  Versuche  mit  einem  neuen  Strahlschiffe  gemacht  haben; 
doch  ist  nichts  näheres  darüber  bekannt  geworden. 

2.  Kraftschiflfe  mit  Dampfmaschinen^  Dampfschiflfe. 

Heizstoffe  und  Verbrennung. 

Zur  Heizung  der  Dampfschtffskessel  werden  sowohl  feste  Heizstoffe, 
Holz,  Torf,  Braun-  und  Steinkohlen,  als  auch  flüssige,  rohes  Erdöl,  Erdöl- 
rückstände und  Teeröle  verwendet. 

Holz  wurde  in  den  ersten  Zeiten  der  DampfschüTahrt  vielfach  zur  Heizmig  benutzt,  be- 
sonders in  Amerika,  wo  bis  zum  Jahre  1836  fast  nur  Kiefernholz  verbrannt  wurde.  Jetzt  wird 
es  noch  zuweilen  in  Rußland,  Sibirien  und  in  anderen  Ländern  verwendet,  wo  man  keine 
besseren  Brennstoffe  hat.  Torf  wird  selten  benutzt.  Ganz  ungeeignet  ist  der  'üngste,  der  Rasen- 
torf; der  darunter  liegende  schwerere  Erdtorf  und  der  älteste  und  schwerste,  der  Pechtorf,  sind 
besser  und  entsprechen  in  ihrer  Leistung  etwa  dem  Nadelholz ^j.  Braunkohlen  werden  im 
Gebiet  der  Elbe  oft  verwendet.  Man  unterscheidet  die  jüngeren,  die  faserigen  und  erdigen,  von 
den  Slteren,  den  muscheligen  in  Stücken.  Die  ersteren  sind  für  Schiffskessel  nicht  geeignet. 
Frisch  geforderte  Braunkohlen  haben  zwar  einen  hohen  Wassergehalt  (30  bis  50  v.  H.})  sind 
aber  den  abgelagerten  vorzuziehen,  weil  diese  an  der  Luft  eine  langsame  Zersetzung  erleiden, 
wodurch  sie  an  Heizwert  verlieren.  Steinkohlen  bilden  den  wichtigsten  Heizstoff  für  Schiffs- 
kessel. Nach  ihrem  Verhalten  auf  dem  Rost  unterscheidet  man:  trockene  oder  Sandkohlen, 
die  beim  Verbrennen  in  kleinere  nicht  aneinander  haftende  Stücke  zerspringen;  Sinterkohlen, 
die  in  größeren  Stücken  verbrennen,  ohne  zu  zerfallen,  während  die  kleineren  Stücke  lose  an- 
einander haften,  ohne  sich  aufzublähen;  Backkohlen,  die  sich  beim  Verbrennen  aufblähen 
und  zu  einem  Brei  zusammenschmelzen.  Mit  dem  Alter  der  Steinkohlen  nimmt  ihr  Gehalt  an 
Sauerstoff  ab.  Die  sauerstoffireichsten  Kohlen,  die  mit  langer  Flamme  verbrennen,  nennt  man 
zuweilen  Flammkohlen.  Das  sind  gasreiche  Backkohlen  mit  10  bis  14  v.  H.  Sauerstoff,  gas- 
reiche Sinterkohlen  mit  14  bis  17  v.  H.  und  gasreiche  Sandkohlen  mit  über  17  v.  H.  Sauerstoff. 
Anthrazit  ist  eine  sehr  sauerstoffarme  Kohle  mit  nur  etwa  3  v.  H. 

i)  Flußschiffe  von  weniger  als  75  cm  Tiefgang.  Bericht  zum  9.  Intern.  Schiff. -Kongreß  in 
Düsseldorf.    1902. 

2)  Busley,  Die  Schiffsmaschine.     Kiel  u.  Leipzig.     1901. 


492  Abschnitt  HI.     Schüfe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschüfe. 

Nach  dem  Verhältnis  des  Bitumens  (d.  h.  der  die  Flamme  bildenden  Stoffe)  za  dem  zu- 
rückbleibenden Koks  unterscheidet  man  bituminöse  Kohlen  mit  über  30  v«  H.  Bitumen,  halb- 
bituminöse mit  30  bis  15  V.  H.,  wenig  bituminöse  mit  15  bis  10  v.  H.  und  nicht  bituminöse 
mit  weniger  als  10  v.  H.  Am  meisten  Bitumen  haben  die  gasreichen  Sand*  und  jüngeren  Sinter- 
kohlen sowie  die  backenden  Gaskohlen  (48  v.  H.  bis  44  v.  H.  bis  33  v.  H.).  Bei  den  Back- 
kohlen schwankt  der  Gehalt  zwischen  15  y.  H.  bis  33  v.  H.,  während  gasarme,  ältere  Sinter- 
kohlen 10  V.  H.  bis  15  V.  H.  und  magerer  Anthrazit  nur  5  v.  H.  bis  10  v.  H.  Bitumen  enthalten. 
Man  unterscheidet  femer  langflammige  und  kurzflammige  Kohlen.  Zu  den  ersteren 
werden  die  Sandkohlen  (trockene  bituminöse  K.),  die  Sinterkohlen  (sinternde  bituminöse  K.) 
und  die  Gaskohlen  (backende  bituminöse  K.)  gerechnet;  zu  den  letzteren  die  Fettkohlen 
(backende  halbbituminöse  K.),  die  Eßkohlen  (sinternde  wenig  bituminöse  K.)  und  die  Anthra- 
zite (magere  nicht  bituminöse  K.). 

Die  oberschlesischen  Kohlen  sind  meistens  Sandkohlen;  es  werden  bei  Waidenburg 
aber  auch  Gas-  und  Sinterkohlen  gefördert.  Die  Saarkohlen  sind  größtenteils  Sand-  und 
Sinterkohlen,  außerdem  schwach  backende  Gaskohlen.  Die  Kohlen  im  oberen  westfälischen 
Becken  sind  Gaskohlen.  An  kurzfiammigen  Kohlen  kommen  Fett-  und  Eßkohlen  im  mittleren 
und  unteren  westfälischen  Becken,  im  Wurmrevier  bei  Kohlscheid  und  im  Inderevier 
bei  Eschweiler  vor. 

Die  schottischen  Bogheadkohlen  sind  sehr  bituminös  und  den  Cannelkohlen  verwandt, 
die  wieder  den  muscheligen  Braunkohlen  oder  Pechkohlen  sehr  nahe  stehen.  Die  schottischen 
Splintkohlen  sind  größtenteils  Sandkohlen,  die  New-Castlekohlen  meistens  Backkohlen  und 
die  Welsh kohlen  gleichen  den  Eßkohlen. 

Alle  festen  HeizstofTe  enthalten  außer  den  brennbaren  Bestandteilen 
(besonders  Kohlenstoff,  Wasserstoff  und  Sauerstoff)  noch  unverbrennliche 
Teile,  die  Asche  und  einen  gewissen  Wassergehalt,  dessen  Menge  den 
Heizwert  beeinflußt. 

In  der  nebenstehenden  aus  Busley  entnommenen  Zusammenstellung  sind  in  den  Spalten  i 
bis  7  die  Bestandteile  der  verschiedenen  festen  Heizstoffe  in  Mittelwerten  angegeben: 

In  den  Spalten  3  bis  5  ist  die  chemische  Zusammensetzung  in  Gewichtsteilen  des  völlig 
reinen  Brennstoffs  nach  Abzug  des  Wasser-  und  Aschegehalts  angegeben. 

In  Spalte  6  bezieht  sich   der  Wassergehalt   auf  den   lufttrockenen  gewöhnlichen  Znstand. 

In  Spalte  7  ist  der  Aschegehalt  nach  dem  Ergebnis  der  Untersuchung  im  Laboratorium 
angegeben,  mithin  nicht  mit  den  Verbrennungsnickständen  in  den  Feuerungen  der  Schiffskessel 
zu  verwechseln. 

Die  Heiz  kraft  eines  Brennstoffs  ist  die  Anzahl  von  Wärmeeinheiten,  die 
bei  der  Verbrennung  (d.  h.  bei  der  Verbindung  mit  Sauerstoff  unter  Feuer- 
erscheinung) von  1  kg  entwickelt  werden.  Der  Verbrennungsvorgang  ist  ein 
gleichzeitig  stattfindender  doppelter  und  besteht:  erstens  in  dem  Entgasen 
des  Brennstoffs,  Mischen  der  Gase  mit  der  Verbrennungsluft  und  Verbrennen 
der  Gase  als  Flamme;  zweitens  in  dem  Verbrennen  der  bei  der  Vergasung 
zurückbleibenden  festen  Teile  (z.  B.  Koks  oder  Holzkohle)  durch  nur  an  der 
Oberfläche  stattfindende  Verbrennung  (Oxydation). 

Wärmeeinheit  (WE)  nennt  man  die  Wärmemenge,  die  man  braucht, 
um  I  kg  Wasser  von  o"  auf  1°  C  zu  erwärmen  (Kalorie). 

Nach  Joule  und  anderen  Forschem  ist  wahrscheinlich  WE  =  424  mkg  und  diese  Arbeit 
von  424  mkg  heißt  der  Arbeitsgleich  wert  der  Wärmeeinheit  oder  das  mechanische  Wärme- 
äquivalent. 

Die  absolute  Heizkraft  oder  Verbrennungs wärme  kann  nur  durch 
kalorimetrische    genaue    Versuche    oder   auf   chemischem   Wege    bestimmt 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


493 


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494  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

werden.  Für  die  Ausführung  nach  letzterwähnter  Art  sind  von  dem  Verein 
deutscher  Ingenieure  und  von  dem  Verband  der  Dampfkessel-Überwachungs- 
vereine im  Jahre  1884  bestimmte  Vorschläge  gemacht*).  Mittlere  Zahlen- 
werte sind  in  der  Spalte  8  der  Tabelle  angegeben. 

Die  nutzbare  Heizkraft  ist  die  Anzahl  der  Wärmeeinheiten,  die  i  kg 
des  fraglichen  Brennstoffs  in  einer  Dampfkesselfeuerung  an  das  Kesselwasser 
abgfibt.  Sie  ist  erheblich  kleiner,  weil  bei  der  stets  unvollkommenen  Ver- 
brennung unverbrannte  Bestandteile  durch  den  Schornstein  entweichen.  Bei 
vollkommener  Verbrennung  würden  nur  Stickstoff,  Kohlensäure,  schweflige 
Säure  und  Wasserdampf,  also  farblose  Gase,  entweichen.  Der  oft  entstehende 
Rauch  ist  ebenso  wie  der  Ruß  unverbrannter  Kohlenstoff.  Sie  entstehen 
besonders  beim  Beschicken  des  Feuers.  Durch  die  geöffnete  Feuertür  dringt 
dann  plötzlich  viel  kalte  Luft  ein  und  entzieht  dem  Feuer  so  viel  Wärme, 
daß  ein  Teil  der  in  den  Brenngasen  enthaltenen  Teerdämpfe  niedergeschlagen 
(kondensiert)  wird.  Diese  schwer  brennenden  niedergeschlagenen  Teerdämpfe 
vermischen  sich  mit  dem  Ruß,  der  aus  reinem  Kohlenstoff  besteht,  zu  Rauch. 
Während  Ruß  fast  geruchlos  und  nicht  klebrig  ist,  bekommt  Rauch  den  be- 
kannten scharfen  Geruch  und  seine  Klebrigkeit  durch  die  Teerdämpfe.  Das 
Fehlen  von  Rauch  ist  aber  noch  kein  sicheres  Zeichen  einer  vollkommenen 
Verbrennung;  denn  auch  unverbranntes  Kohlenoxydgas  ist  farblos.  Der 
wirklich  in  einer  Feuerung  erreichte  Verbrennungsgrad  ist  nur  durch  eine 
chemische  Rauchanalyse  festzustellen. 

Man  ermittelt  die  nutzbare  Heizkraft  in  folgender  Weise:  Wenn  während  eines  be- 
stimmten Zeitraums  dem  Kessel  eine  Speise  wassermenge  (Z^kg)  von  der  Wärme  /^.mgeführt 
wurde  und  dabei  ATkg  Brennstoff  verbraucht  sind,  so  ist  die  gesamte  in  dieser  Zeit  von  dem 
Kesselwasser  aufgenommene  Wärmemenge  =  D(X  —  t)  W£,  worin  X  die  der  Dampfspannung  ent- 
sprechende Gesamt  wärme  ist.     Es  entfallen  also  auf  i  kg  Brennstoff: 

Für  Steinkohlen  schwankt  dieser  Wert  zwischen  4500  imd  5500  W£  nach  der  Güte  der  Kohlen 
und  der  Feuerungen. 

Die  Verbrennungswärme  (pyrometrische  Heizkraft)  ist  die  bei  der  Verbrennung  von 
I  kg  Brennstoff  erzeugte  Wärme  in  Graden  C.  Da  die  Pyrometer  zur  genauen  Messung  dieser 
Wärme  nicht  genügen,  muß  sie  aus  den  bei  der  Verbrennung  entwickelten  Gasen,  aus  deren 
Wärme  und  aus  der  absoluten  Heizkraft  berechnet  werden.  Da  die  Wärme  der  Verbrennungs- 
gase nicht  genau  bekannt  ist,  kann  die  Berechnung  nur  angenähert  gemacht  werden.  Mittlere 
Werte  sind  in  der  Spalte  9  der  vorstehenden  Tabelle  mitgeteilt. 

Die  Verdampfungskraft  eines  Brennstoffs  ist  die  Anzahl  kg  Wasser 
von  o®,  die  durch  die  Verbrennung  von  einem  kg  Brennstoff  in  Dampf  von 
100°  C  verwandelt  werden  können. 

Da  die  Wärmemenge  des  aus  Wasser  von  0°  entstandenen  Dampfes  bei  100^  637  W£  be- 

tritgt  und  die  nutzbare  Heizkraft  — —  WE,  so  ist  die  nutzbare  Verdampfungskraft 

AT 

=  -^ — ^  kg  Wasser.      (Spalte  10  der  Tabelle  gibt  mittlere  Werte.) 


i)  Zeitschrift  des  Vereins  deutscher  Ingenieure«     1884,  S.  860. 


2.  KraftschifTe  mit  Dampfmasehmen,  Dampfschiffe.  495 

■pu  •  *  j»    *!,  *.•      u    IT      j  r  1      r.       Theoretische  Heizkraft .     ___ 

Ebenso  ist  die  theoretische  Verdampfuneskraft  =» ke  Wasser. 

^  637  ^ 

Sie  ergibt  sich  zu  11,4  bis  1 1,6  kg  Wasser,   die  von  einem  kg  mittlerer  Steinkohlen  verdampft 

werden.    Bei  den  besten  Kohlenarten  steigt  der  Wert  bis  beinahe  15  kg  Wasser. 

Die  für  Schiffsfeuerungen  benutzten  Steinkohlen  müssen  große 
Heizkraft,  Gewicht  und  Festigkeit  haben,  wenig  Rückstände  und  Rauch  geben, 
leicht  entzündlich  sein  und  schwach  backen.  Der  Heizwert  und  die  von  der 
Güte  der  Feuerung  abhängige  Verdampfungskraft  beträgt  (nach  Busley) 
bei  gewöhnlichem  Betriebe  etwa: 

bei  geringen  Kohlen  und  verschmutzten  Kesseln  6  kg  Wasser 

>  mittleren  Kohlen  und  nicht  ganz  reinen  Kesseln  7    »         > 
»    guten  Kohlen  und  reinen  Kesseln 8    >         » 

>  besten  Kohlen  und  neuen  Kesseln 9    »         » 

Eine    9  fache  Verdampfung   ist   nur   bei  Probefahrten   unter   sehr  günstigen 
Bedingungen  zu  erreichen. 

Grolles  Gewicht  ist  darun  von  Wert,  weil  man  dann  in  den  Bunkern,  deren  Größe  oft 
aus  Mangel  an  Raum  beschränkt  werden  muß,  einen  möglichst  großen  Vorrat  von  Brennstoff 
unterbringen  kann.  Große  Festigkeit  ist  nötig,  um  beim  Einladen  und  Herausholen  aus  den 
Bunkern  nicht  zu  viel  Grus  zu  erhalten.  Die  Rückstände,  Schlacken  auf  dem  Rost,  Asche,  Flug- 
asche und  Ruß  in  der  Rauchkammer  und  den  Feuerröhren  schwanken  nach  den  angestellten 
Ermittelungen  zwbchen  0,03  bis  0,20.  Kohlen  mit  Rückständen  von  mehr  als  0,08  bis  0,10 
sind  für  Schiffszwecke  nicht  geeignet.  Leicht  entzündliche  Kohlen  verbrennen  schnell  und  das 
ist  ein  Vorteil.  Leichte  Kohlenarten  verbrennen  im  allgemeinen  schneller  als  schwere  und 
Stückkohlen  schneller  als  mit  Grus  gemischte.  Unter  sonst  gleichen  Umständen  hängt  die 
Schnelligkeit  von  der  Stärke  des  Luftzugs  ab.  Als  Maßstab  dient  die  stündlich  auf  i  m'  Rost- 
iläche  verbrannte  Gewichtsmenge,  die  außerdem  sehr  von  der  Geschicklichkeit  des  Heizers 
abhängt. 

Bei  den  gebräuchlichsten  Schiffskesseln  mit  rückkehrender  Flamme  verbrennen  bei  natür- 
lichem Zuge  stündlich  auf  i  m^  Rostfläche :  bei  langsamem  Heizen  40  bis  60  kg  und  bei  starkem 
Heizen  80  bis  100  kg  Kohlen.  Bei  künstlichem  Luftzug  oder  Unterwind  verbrennen  bei  schwachem 
Zuge  (bis  30  mm  Wassersäule}  120  bis  150  kg  und  bei  starkem  Zuge  (über  50  mm  Wassersäule) 
150  bis  180  kg.  Der  Kessel  wird  bei  schwachem  Heizen  geschont  imd  bei  starkem  Heizen  an- 
gestrengt. 

Zum  Belegen  einer  Feuerung  braucht  man  je  m^  Rostfläche  100  bis  120  kg  Kohlen  und 
zum  Unterhalten  des  Feuers  5  bis  8  kg  je  Stunde  und  m^  Rostfläche.  Stark  backende  Kohlen 
verkleben  die  Roste. 

Die  besten  Kohlen  für  Schiffskessel  sind  die  wenig  bituminösen  kurzflammigen  Eßkohlen, 
zu  denen  auch  die  Welshkohlen  zu  rechnen  sind.  Sie  haben  aber  einen  hohen  Preis.  Am 
meisten  werden  namentlich  für  Seeschiffe  die  halb  bituminösen  kurzflammigen  Fettkohlen  benutzt, 
zu  denen  viele  bessere  westfälische  Arten  gehören.  Namentlich  die  leicht  backenden  sind  sehr 
brauchbar.     Bituminöse  langflammige  Kohlen  eignen  sich  fUr  Schiffskessel  nicht. 

Äußerlich  sind  Steinkohlen  schwer  zu  beurteilen:  Sie  dürfen  nicht  verwittert,  naß  oder 
grushaltig  sein,  sollen  dagegen  ein  schwarzglänzendes  Aussehen  haben  und  beim  Zerdrücken  und 
Zerreiben  einen  glänzenden  Staub  hinterlassen.  Kohlen  von  braunem  oder  grauem  Aussehen, 
schieferigem  Bruch  und  erdigem  Staub  sind  von  geringer  Güte. 

Die  ziu"  Verbrennung  erforderliche  Luft  menge  ergfibt  sich  aus  der 
nötigen  Sauerstoifaienge,  weil  i  kg  Luft  etwa  0,23  kg  Sauerstoff  enthält.  Die 
nötige  Sauerstoifmenge  berechnet  man  aus  den  zur  Verbrennung  der  einzelnen 
chemischen  Bestandteile  des  Brennstoffs  (Kohlenstoff,  Wasserstoff,  Schwefel 
usw.)  erforderlichen  Sauerstoffmengen. 


496  Abschnitt  HL     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

In  der  Spalte  ii  der  vorstehenden  Zusammenstellung  sind  die  für  je  i  kg  Brennstoff  er- 
forderlichen theoretischen  Luftmengen  mitgeteilt  Diese  Luftmengen  sind  aber  fUr  Dampfkessel 
mit  natürlichem  Zuge  nicht  ausreichend,  man  braucht  vielmehr  zu  guter  Verbrennung  das  1,5- 
bis  2  fache,  je  nachdem  die  Kohlen  wenig  oder  stark  bituminös  sind.    Man  gibt  für 

bituminöse  Kohlen    .     .     .     das  1,7  bis  2  fache  bs  etwa  13  bis  14  m^  =  16  bis  18  kg 
halb  bituminöse  Kohlen     .       >     1,5     »     1,7  >     ^     >      12    »     13    >    =  14    >     17   » 
wenig  bituminöse  Kohlen  .       >    i)3    *     i}5  *     =     *      11    >    12   »    =  14    »    16  > 
Bei  künstlichem  Zug  oder  Unterwind  genügt  beinahe   die  theoretische  Luftmenge  und 
man  braucht  nur  wenig  Überschuß  zu  geben. 

Nicht  nur  die  Menge  der  Luft,  sondern  auch  die  Art  und  Weise  ihrer 
Zuführung  ist  zur  guten  Verbrennung  von  Bedeutung.  Hell  vom  Feuer  be- 
leuchtete Aschenfalle  und  sehr  wenig  rauchende  Schornsteine  sind  im  allge* 
meinen  günstige  Zeichen,  wenn  auch  jedesmal  während  des  ÖfTnens  der 
Feuertür  die  Luftmenge  zu  groß  und  während  des  Beschickens  des  Feuers 
vorübergehend  zu  klein  ist  Die  Luftmischung  ist  ungenügend,  wenn  einzelne 
Teile  des  Rostes  fteiliegen,  so  daß  ein  Teil  der  Luft  entweichen  kann,  ohne 
die  Kohlen  zu  durchdringen.  Dann  bleibt  ein  Teil  des  Kohlenstoffs  unver- 
brannt und  geht  als  Rauch  davon.  Infolge  des  zu  starken  Zuges  pflegen  auch 
die  Kessel  zu  »brummen«. 

Wenn  die  Luftmenge  entweder  infolge  des  verschlackten  Rostes  oder 
der  durch  Witterungseinflüsse  verminderten  Luftgeschwindigkeit  zu  klein  wird, 
steigt  die  Verbrennungswärme,  die  Roste  glühen,  biegen  sich  durch  und  man 
empfindet  im  Heizraume  größere,  drückende  Wärme.  Sehr  oft  ist  die  Luft- 
menge zu  groß,  weil  die  Rostfläche  zu  groß  ist.  Dann  geht  viel  Brennstoff 
ohne  äußere  Anzeichen  durch  den  Schornstein  verloren. 

Der  künstliche  Zug,  d.  h.  die  ununterbrochene  Zuführung  der  erforderlichen  Luftmenge 
auf  mechanischem  Wege  läßt  sich  entweder  durch  Saug-  oder  durch  Preßluftanlagen  bewirken. 
Man  benutzt  in  der  Regel  Flügelgebläse,  deren  Räder  250  bis  300  Umdrehungen  je  Minute 
machen.  Bei  einer  Saugluftanlage  (künstlicher  Zug)  wird  das  Flügelrad  gewöhnlich  in  der  Rauch- 
kammer angebracht)  während  bei  einer  Preßluftanlage  (Unterwind}  die  Verbrennungsluft  mit  dem 
nötigen  Oberdruck  durch  die  Roste  in  das  Feuer  gepreßt  wird.  Die  sehr  geringe  Höhe  dieses 
Drucks  wird  nicht  in  kg  je  cm',  sondern  in  mm  Wassersäule  ausgedrückt  (10  000  mm  Wasserdruck 
=s  X  kg  je  cm').  Starker  Unterwind  von  mehr  als  30  mm  wird  nur  bei  Kriegschiffen  verwendet. 
Für  die  Binnenschifiahrt  kann  nur  schwacher  Unterwind  von  5  bis  15  mm  in  Frage  kommen. 
Die  Preßluft  wird  entweder  in  den  Heizraum  oder  unmittelbar  in  den  Aschfall  oder  in  die 
Feuerung  geleitet.  Schwachen  Unterwind  pflegt  man  teils  in  den  Aschfall,  teils  In  die  Feuerung 
zu  führen.  Wenn  man  die  Preßluft  in  den  Heizraum  führt,  muß  dieser  möglichst  luftdicht  ab- 
geschlossen werden.  Die  Heizer  leiden  unter  dem  geringen  Druck  nicht,  zumal  der  Raum  lufdg 
und  kühl  wird.  Die  geschlossenen  Aschfälle  erfordern  kaum  besondere  Einrichtungen.  Die  vom 
Flügelrade  in  den  Aschfall  getriebene  Luft  tritt  durch  den  Rost  in  die  Feuerung  und  hat  dort 
noch  einen  gewissen  Überdruck,  so  daß  beim  Offnen  der  Feuertür  die  Flammen  in  den  Heiz- 
raum schlagen  würden,  wenn  man  nicht  die  Preßluft  vorher  absperrt. 

Mit  Preßluftanlagen,  die  nicht  nur  in  den  Aschfall,  sondern  auch  in  die  Feuerung  selbst  Luft 
einführen,  ist  in  der  Regel  eine  besondere  Vorwärmung  der  Luft  innerhalb  der  Rauchkammer  ver- 
bunden. Man  hat  beobachtet,  daß  die  Feuerrohre  der  mit  Saugluft  betriebenen  Kessel  in  geringerem 
Maße  verschleißen  als  bei  Preßluft.  Aber  in  jedem  Falle  werden  die  Kessel  stark  angeg^riffen. 
Aus  diesem  Grunde  hat  man  die  Verwendung  künstlichen  Zuges  bei  der  Binnenschiffahrt 
wieder  aufgegeben,  nachdem  man  vor  etwa  20  Jahren  damit  Versuche  gemacht  hatte. 

Außer  dem  künstlichen  Zuge,  dem  Unterwinde  und  der  Vorwärmung  der 
Luft  dienen  bewegliche,  verstellbare  Aschfalltüren  und  Schieber  in  den  Feuer- 


2.  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  497 

türen  dazu,  die  Luftzufiihrung  zu  regeln  und  Wärmeverluste  zu  verhüten. 
Auch  eine  angemessene  Höhe  des  Feuerraums  ist  dazu  von  Bedeutung.  An 
Stelle  der  Walzenkessel  mit  drei  Feuerungen  ordnet  man  deshalb  oft  nur  zwei 
an,  um  geräumigere  Feuerungen  zu  bekommen. 

Eine  sorgfältige  Bedienung  des  Feuers  ist  zur  Minderung  der 
Wärme  verluste  und  zur  Ersparnis  von  Brennstoff  von  der  größten  Wichtigkeit. 

Da  eine  mechanische  Zuführung  von  festen  Brennstoffen  auf  Schiffen  nicht  gut  ausführbar 
ist,  müssen  die  Heizer  ordentlich  ausgebildet  werden.  Ein  häufiger  Fehler  ist  die  verspätete 
Beschickung,  nachdem  das  Feuer  fast  niedergebrannt  ist.  Bei  den  großen  Mengen  von  Brenn- 
stoff, die  dann  auf  den  Rost  geworfen  werden,  entwickelt  sich  soviel  Kohlenwasserstoffgas,  daß 
die  zum  Feuer  gelangende  Luft  zur  Verbrennung  nicht  genügt  und  es  entweicht  dann  sowohl 
Kohlenoxyd  wie  Kohlenwasserstoff  und  besonders  ausgeschiedener  Kohlenstoff  als  Ruß  und  Rauch. 
Außerdem  tritt  während  der  längeren  Zeit  des  Beschickens  viel  kalte  Luft  in  die  Feuerung,  wo- 
durch wieder  die  Rußbildung  gefördert  wird  und  auch  die  heißen  Kesselteile  nachteilig  betroffen 
werden. 

Durch  Zurückschieben  der  entgasten  glühenden  Kohlen  (Koks)  nach  der  Feuerbrücke  hin 
und  durch  Aufschütten  des  frischen  Brennstoffs  auf  den  freigemachten  vorderen  Teil  des  Rostes 
wird  zwar  die  Rauchbildung  sehr  vermindert,  aber  diese  Arbeit  erfordert  wieder  längere  Zeit, 
in  der  viel  kalte  Luft  in  die  Feuerung  tritt.  Auch  fallen  dabei  viele  unverbrannte  Koksstücke 
in  den  Aschfall. 

Bei  einem  angestellten  Wett-Heizversuche  hat  «ich  herausgestellt,  daß  an  demselben  Kessel 
von  1 1  geübten  Heizern  der  beste  mit  i  kg  Steinkohlen  6,89,  der  schlechteste  nur  4  kg  Wasser 
verdampfte,  d.  i.  also  ein  ungeheurer  Unterschied  von  0,44.  in  der  Ausnutzung  der  Kohlen. 

Es  ist  eine  bekannte  Erfahrung,  daß  bei  Probefahrten  eines  neu  gelieferten  Dampfschiffs 
unter  Leitung  des  Fabrikanten  meistens  ein  viel  geringerer  stündlicher  Kohlenverbrauch  fest- 
gestellt wird,  als  man  später  im  regelmäßigen  Betriebe  wieder  erreichen  kann. 

Selbst  bei  den  besteingerichteten  Schiffskesseln  und  bei  sorgfältiger  Be- 
handlung des  Feuers  betragen  die  Wärmeverluste  nach  den  bisher  ange- 
stellten genauen  Untersuchui^en  im  günstigsten  Falle  noch  immer  0,15  bis 
0,20  der  absoluten  Heizkraft  und  steigen  bei  schlechten  Kesseln  und  unge- 
schickter Behandlung  bis  auf  0,50. 

Man  kann  daher  die  nutzbare  Heizkraft  der  bei  Schiffskesseln  gebräuch- 
lichen Steinkohlenarten  von  etwa  7500  Wärmeeinheiten  in  günstigsten  Fällen 
nur  zu  6000  WE,  in  ungünstigen  zu  etwa  4000  WE  veranschlagen,  im 
Mittel  zu  5000. 

Flüssige  Brennstoffe.  Für  die  Binnenschiffahrt  kommen  natürliches, 
rohes  Erdöl  (Petroleum),  Erdölrückstände  und  Kohlenteeröl  in  Frs^e,  von 
denen  die  beiden  ersten  Brennstoffe  die  wichtigsten  sind,  weil  sie  in  großen 
Mengen  zu  haben  sind.  Die  nachstehende  Tafel  gibt  die  Förderung  von 
rohem  Erdöl  auf  der  Erde  in  den  Jahren  1901  und  1902  an. 

Sie  ist  von  dem  Geologischen  Amt  der  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  aufgestellt 
und  dem  Bericht  des  Konteradmiral  G.  Melville  für  den  X.  Internationalen  Schiffahrtkongreß  in 
Mailand  1905  entnommen.  Unter  der  Leitung  dieses  Herrn  sind  von  der  amerikanischen  Kriegs* 
marine- Verwaltung  in  den  Jahren  1902  und  1903  umfangreiche  und  sorgföltige  Untersuchungen 
über  die  Verwendung  von  Erdöl  zur  Kesselheizung  vorgenommen  worden. 

Die  Mengen  sind  nach  Hektolitern  angegeben.  Da  die  Dichtigkeit  (spezifisches  Gewicht) 
des  Erdöls  etwa  0,92  beträgt,  ergibt  sich  die  Gesamtförderung  im  Jahre  1901  zu  rund 
24  Millionen  t  und  im  Jahre  1902  zu  rund  27  Millionen  t  Die  Zunahme  beträgt  mithin  0,12 
und   gegen  das   Jahr  1900   (nach  Melville)  0,25.     Die  beiden  wichtigsten  Länder  sind  die  Ver- 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  32 


498 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


einigsten  Staaten  und  Rußland,  die  im  Jahre  1901  rund  0,93  und  im  Jahre  1902  rund  0,91  der 
gesamten  Ausbeute  gefördert  haben.  Im  letzteren  Jahre  haben  die  Vereinigten  Staaten  Rul^land 
übertroffen.  Gegenüber  der  Gesamtforderung  von  27  Millionen  t  Erdöl  veranschlagt  das  Geo- 
logische Amt  der  Vereinigten  Staaten  die  Gesamtförderung  von  Kohlen  auf  etwa  853  Millionen  t 
jährlich,  die  Menge  des  Erdöls  beträgst  mithin  nur  0,03  davon. 


Erdöl-Förderung  auf  der  Erde. 

■ 

Länder 

i 

I9OI 

1902 

hl 

°/o 

1          hl 

% 

Vereinigte  Staaten.    .    .    . 

Kanada 

Peru.  

Rußland 

Galizien 

Sumatra,  Java  und  Bomeo 

Rumänien        

Indien 

Japan 

Deutschland 

Italien 

Andere  Länder  .... 

Zusammen 


II03I8000 

41,84 

910200 

0,35 

1 14  887 

0,04 

"35  406  500 

5^38 

5  169  500 

1,96 

4  830  890 

1,84 

2  235  630 

0,85 

2  274  630 

0,86 

I  748  840 

0,67 

498  630 

0,19 

16057 
31796 

1       0,02 

263  555  560 


X41  120670 
826720 

95392 
128044 120 

6  585  500 

9316600 

3  275  080 

2571294 

I  896  696 

562  287 

19078 

41336 


47,94 
0,28 

0,03 

43,50 
2,24 

3,17 
1,11 

0,87 
0,64 
0,20 

0,02 


100,00 


294  354  773 


100,00 


Das  Erdöl  wird  entweder  in  natürlichem  Zustande  als  Rohöl  zur  Heizung 
verwendet  oder  man  nimmt  dazu  nur  die  Rückstände  (Masut,  Astatki  oder 
Naphthalin  genannt  ^),  welche  bei  der  Brennöl-  oder  Schmieröldestillation  übrig 
bleiben.  Das  Rohöl  ist  in  der  Regel  mit  leichtflüssigen  und  leichtentzünd- 
liehen  Ölen  gemischt,  wodurch  es  einen  niedrigen  Entflammungsgrad  be- 
kommt und  für  den  Gebrauch  feuei^efährlich  wird. 

Die  Beimischung  von  solchen  leicht  entzündlichen  Ölen  beträgt  z.  B.  bei  den  kaukasischen 
Erdölen  0,05  bis  0,06  und  der  Entflammungsgrad  liegt  über  20®  C.  Diese  Öle  verflüchtigen  sich 
in  oflenen  Gefäßen  leicht  und  verlieren  in  2  bb  3  Tagen  dadurch  0,1  bis  0,15  ihres  Gewichts. 
Von  den  amerikanischen  Rohölen  hat  das  wertvollere  aus  Pennsylvanien  eine  Beimischimg  von 
etwa  0,2  leichter  Öle,  wodurch  der  Entflammungspunkt  auf  15''  C  heruntergedrückt  wird.  Dies 
Öl  ist  also  sehr  gefährlich.  Es  kommt  übrigens  schon  wegen  seines  hohen  Preises  für  die 
Heizung  kaum  in  Betracht.  Anders  verhält  es  sich  mit  den  Rohölen  aus  Kalifornien  und  aus 
Texas  (und  zum  Teil  auch  mit  Ölen  aus  Ohio  und  Indiana),  die  sich  wegen  ihrer  Zusammen- 
setzung zur  Destillation  nicht  eignen,  ein  größeres  Gewicht  und  besonders  hohe  Entflammungs- 
punkte haben,  die  bei  dem  Rohöl  aus  Texas  bei  93^  und  bei  dem  aus  Kalifornien  sogar  bei 
155**  liegen.  Diese  Öle  sind  wohlfeil  und  daher  sehr  geeignet  als  Brennstoff.  Das  Rohöl  aus 
Texas  hat  allerdings  eine  erhebliche  Beimengung  von  Schwefel,  der  aber  durch  eine  leichte  teil- 
weise Reinigung  beseitigt  werden  kann  (Bericht  von  Melville).  Dadurch  steigt  der  Entflammimgs- 
punkt  auf  etwa  1x5^,  liegt  mithin  immer  noch  so  hoch,  daß  die  Verwendung  des  Öls  zur  Heizung 
keine  Gefahr  bringt. 

Weil  bei  der  Verwendung  von  kaukasischem  Rohöl  früher  häufig  UnglücksfUlle  vorge- 
kommen sind,  hat  die  russische  Regierung  vorgeschrieben,  daß  Öle  mit  einem  Entflammungspunkt 

i)  In  Rußland  pflegt  sowohl  das  Rohöl  wie  die  Rückstände  allgemein  Naphtha  genannt 
zu  werden. 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  499 

unter  70 '^  C  nicht  zur  Heizung  benutzt  werden  dürfen.  In  Amerika  ist  diese  Grenze  bei  60®, 
vom  englischen  Lloyd  bei  84^  (gleich  200^  Fahrenheit),  in  der  deutschen  Kriegsmarine  bei  78^ 
imd  bei  anderen  Kriegsmarinen  bei  80^  bis  100^  C  festgesetzt  worden.  Die  letzte  Zahl  scheint 
angemessen.  Die  vor  8  bis  10  Jahren  auf  See  vorgekommenen  großen  UnglücksfiUle  mit  Erdöl 
sind  darauf  zurückzuführen,  daß  dies  einen  sehr  niedrigen  Entflanmiungspunkt  von  30  bis  40*^  C 
hatte,  was  besonders  in  den  Tropen  sehr  bedenklich  bt'). 

Die  Erdölrückstände  sind  verschieden,  je  nachdem  sie  bei  der  Brennöl- 
oder  bei  der  Schmieröldestillation  übrig  bleiben. 

Im  ersteren  Falle  betragen  die  Rückstände  des  pennsylvanischen  Öls  0,05  bis  0,1,  die  des 
kaukasischen  0,4  bis  0,6  des  Gewichts,  im  letzteren  Falle  bei  kaukasischem  Öl  nur  0,2  bis  0,3. 
Der  Entilammungspunkt  dieser  Rückstände  liegt  fast  immer  über  100^  C,  bei  dem  Astatki  (aus 
dem  Kaukasus)  zwischen  120^  bis  140°  C.  Die  Rückstände  sind  zähflüssig  und  sirupartig  und 
werden  bei  abnehmender  Wärme  (unter  o)  leicht  hart.  Es  hat  sich  als  nötig  herausgestellt,  bei 
etwa  —  12^  C  in  den  Vorratsbehältem  Erwärmungsvorrichtungen,  Dampfschlangen  u.  dgl.  an- 
zulegen. 

Bei  steigender  Wärme  dehnen  sich  die  Heizöle  aus,  und  der  Ausdehnungs- 
beiwert beträgt  0,0007  bis  0,0009.  Z.  B.  bei  einer  Wärmezunahme  von  22^ 
auf  23®  wächst  ihr  Volumen  um  0,015  bis  0,02.  Alle  Aufbewahrungsräume 
und  Bunker  müssen  darauf  eingerichtet  werden.  Ferner  entwickeln  sich  aus 
dem  Öl  bei  wechselnder  Wärme  Gase  und  Dämpfe,  für  deren  gefahrlose  Ab- 
führung alle  Behälter  mit  Lüftungsrohren  versehen  werden  müssen  (vgl.  S.  336). 
Außerdem  ist  zu  berücksichtigen,  daß  fast  alle  Heizöle  einen  kleinen  Gehalt 
von  Wasser  besitzen,  der  im  allgemeinen  gleich  0,02  ist,  bei  Astatki  aber  nach 
den  Mitteilungen  von  Renn  er 'J  nur  0,002  betragen  soll.  Da  das  Wasser 
schwerer  ist  als  das  Ol,  sondert  es  sich  am  Boden  der  Behälter  ab  und  muß 
von  dort  zeitweise  beseitigt  werden. 

In  der  nachfolgenden  Tafel  sind  die  wichtigsten  Angaben  über  die  che- 
mische Zusammensetzung,  den  Heizwert  und  das  Gewicht  der  bekanntesten 
Heizöle  zusammengestellt.  Sie  sind  vorwiegend  für  Amerika  den  Mitteilungen 
von  Melville,  für  Rußland  denen  von  Rennert  entnommen  worden. 

Ein  Vergleich  mit  der  früher  mitgeteilten  Tafel  (S.  493)  zeigt  sofort  die 
großen  Vorzüge  der  flüssigen  Brennstoffe  gegen  die  festen.  Während  selbst 
die  beste  Steinkohle  nur  7800  WE  besitzt,  haben  die  Erdöle  und  ihre  Rück- 
stände 10300  bis  11500  WE.  Die  mittlere  nutzbare  Verdampfungskraft  (von 
I  kg  Brennstoff)  beträgt  bei  der  besten  Steinkohle  8,  bei  diesen  Ölen  12,7 
bis  16  kg  Wasser.  Das  Verhältnis  ist  etwa  wie  4  zu  7^).  Man  braucht  für 
die  gleich  lange  Reise  also  weniger  Vorrat  mitzunehmen  und  auch  der  für 
I  t  Ol  erforderliche  Raum  von  1,1  m^  ist  kleiner  als  der  für  i  t  Kohle  er- 
forderliche von  1,25  m^  Dazu  kommt  der  große  Vorteil,  besonders  für  die 
Binnenschiffahrt,  daß  es  bei  der  Olfeuerung  weder  Rauch  noch  Asche, 
noch  Ruß,  noch  Kohlenstaub  gibt. 


i)  Ancona,  Generalbericht  zum  Mailänder  Kongreß  1905. 

2)  Naphthaheizung   auf  Dampfschiffen.    Verbandschrift  des  Deutsch-Österreichisch-Ungaii- 
schen  Verbandes  für  Binnenschiffahrt,  1899.     Berlin,  Siemenroth  &  Troschel. 

3)  Melville  ist   der  Meinung,   daß   nach    den   angestellten  Versuchen   dies  Verhältnis   in 
gleichmäßigem  Betrieb  sich  wie  10  zu  17  ergeben  würde,  also  etwa  ebenso. 

32* 


500 


Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


Flüssige  Brennstoffe. 


Nr. 


Art  und  Herkunft  des  Brennstoffs 


2 

Erdöl  aus  Pennsylvanien 

>  »    Texas,  roh 

>  >         >      teilweise  gereinigt 

»        »    Kalifornien 

»        »    Java  

>  >    dem  Kaukasus,  leichtes. 

>  >       »            >          schweres 
Rückstände :  Astatki  I 

»      n 

»    m 

Steinkohlenteer,  roh 

Steinkohlenteeröl 


Bestandteile 


des  Brennstoffs  im  Durchschnitt 
in  Gewichtsteilen 


Kohlen- 
stoff 


Wasser- 
stoff 


Sauer- 
stoff 


Schwefel 


in  Hundertsteln 


Heizwert 


5 


Mittlere 
absolute 
Heizkraft 

WE 


Mittlere 

nutzbare 

Verdamp- 

fungs- 

kraft 


8 


Dichte 
(Spezifi- 
sches 
Gewicht) 


I 

2 

3 


5 
6 

7 
8 

9 

lO 

II 

12 


«4,9 

13,7 

1,4 

84,6 

10,9 

2,87 

1,63 

83,3 

",4 

3,8 

0,50 

81,5 

11,0 

jmitN 
l6,95 

|o,55 

87,2 

12,0 

0,9 

86,3 

13,6 

0,1 

— 

86,6 

",3 

«,i 

— 

86,8 

12,8 

0,5 

,^_ 

86,3 

12,8 

1,0 

— 

87,1 

12,7 

0,1 

87,2 

5,3 

7,5 

— 

89,0 

7,5 

2,5 

(mitN 

90,0 

6,5 

3,5 

1 

II  500 
10590 

10320 

10370 

10700 
10800 

II  500 
10600 
10640 
10600 
8600 
8800 

u.  mehr 


15,0 

14,0 

13,5 

12,7 

16,0 

15,5 

0,88 
0,924 

0,926 
0,966 

0,923 
0,884 

0,938 
(0,91 

13,75  l'j  ^is 

1'  '0,93 
10,0     I    1,20 

—     i    1,0 


Da  das  Ol  aus  dem  gewöhnlich  über  dem  Kessel  angeordneten  Behälter 
von  selbst  ausfließt  und  in  dem  Feuerraum  durch  einen  Zerstäuber  verteilt 
wird,  braucht  man  keine  fortwährende  Bedienung  des  Kessels.  Die  Stellung 
des  Zuflußhahns  ist  so  einfach,  daß  dazu  kein  geschulter  Heizer  nötig  ist. 
Auf  kleinen  Schiffen  kann  diese  geringfügige  Arbeit  von  dem  Maschinisten 
mitbesorgt  werden,  so  daß  eine  bedeutende  Ersparnis  an  Löhnen  für  die 
Heizer  eintritt.  Auch  können  der  Heizraum  und  die  Bunker  verkleinert 
werden,  da  man  das  Ol  an  beliebigen  Stellen  aufbewahren  kann,  die  sonst 
keine  gute  Verwendung  finden. 

Auf  den  Wolgadampfem  ist  es  üblich,  den  Ölvorrat  in  den  beiden  SchifTsenden  (in  der  Piek) 
unterzubringen.  Beide  Räume  werden  durch  ein  am  Schif&boden  liegendes  Rohr  (etwa  100  mm 
weit)  verbunden,  und  von  diesem  Rohr  wird  durch  eine  Hand-  oder  Dampfpumpe  nach  Bedarf 
entweder  der  auf  dem  Kessel  angeordnete  Ölbehälter  oder   der  Zerstäuber  immittelbar  gespeist. 

Das  Reinigen  des  Kessels  und  das  Ausfegen  der  Feuerrohre  fallt  fort. 
Der  Kessel  selbst  hält  länger,  weil  die  Feuertür  während  des  Betriebs  nicht 
geöffnet  wird,  so  daß  die  Kesselbleche  und  die  Röhren  durch  Einströmen 
von  kalter  Luft  nicht  geschädigt  werden.  Dabei  werden  auch  die  sonst  bei 
der  Beschickung  unvermeidlichen  Schwankungen  der  Dampfspannung  ver- 
hütet, was  namentlich  bei  Kesseln  mit  hohem  Druck  sehr  wichtig  ist.  Die 
vollständige  und  plötzliche  Abstellung  des  Feuers  beim  Stillstand  der  Ma- 
schine oder  in  Fällen  der  Gefahr  erfolgt  durch  einen  Handgriff  an  einem 
Hahn,  der  den  Olzufluß  absperrt. 


2.  Kraftschi£fe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


501 


Zu  diesen  sehr  erheblichen  Vorteilen  wird  von  Renner  noch  angeführt,  daß  durch  die  gleich- 
mäßige Verbrennung  des  Öls  in  fein  zerstäubter  Form  eine  bessere  Ausnutzung  der  Kesselheiz- 
fläche erfolgt  und  man  diese  darum  kleiner  machen  kann.  Aber  die  sorgfUltigen  amerikanischen 
Untersuchungen  haben  im  Gegenteil  ergeben,  daß  es  vorteilhafter  ist,  die  Heizfläche  bei  öl- 
feuerung  zu  vergrößern  und  auch  für  einen  reichlichen  Feueiraum  zu  sorgen,  damit  eine  innige 
Vermischung  zvirischen  dem  ölstaub  und  dem  Sauerstoff  der  zugefiihrten  Luft  erreicht  wird  und 
der  erstere  nicht  unverbrannt  nach  dem  Schornstein  getrieben  wird.  Zur  Herbeiführung  einer 
vollständigen  Verbrennung  ist  es  auch  zweckmäßig,  den  Feuerraum  ganz  mit  Chamottesteinen 
auszumauern  und  außerdem  durch  geeignete  Einbauten  den  Weg  der  Hebgase  zu  verlängern, 
namentlich  bei  Anwendung  von  Wasserrohrkesseln.  Wichtig  ist  es  nach  Melville,  daß  eine 
kurze  Flamme  erreicht  wird.  Als  sehr  vorteilhaft  hat  sich  auch  die  Vorwärmung  der  Ver- 
brennungsluft erwiesen.  Die  theoretisch  erforderliche  Luftmenge  beträgt  für  x  kg  flüssigen 
Brennstoff  il  bis  11,5  m3;  doch  wird  die  Zuführung  einer  um  0,3  bis  i  m^  vermehrten  Menge 
für  erforderlich  gehalten.  Melville  weist  auf  die  Wichtigkeit  hin,  die  Luftmenge  sorgfältig  zu 
regeln,  weil  bei  zu  starker  Luftzuführung  die  Verbrennung  unvollständig  wird. 

Einer  der  wichtigsten  Teile  der  Ölfeuerung  ist  der  Zerstäuber.  Man 
hat  die  verschiedensten  Anordnungen  erfunden,  die  sich  als  Schlitz-,  Rohr- 
und Düsenzerstäuber  unterscheiden  lassen.  Die  letzteren  dürften  den  Vorzug 
verdienen.  Ferner  unterscheidet  man  Luftstrahl-  und  Dampfstrahlzerstäuber, 
je  nachdem  das  Öl  durch  Preßluft  oder  durch  Dampf  zerstäubt  wird.  In 
jedem  Falle  wird  dazu  eine  gewisse  Kraft,  also  ein  gewisser  Dampfverbrauch 
erforderlich,  der  je  Stunde  und  Pferdestärke  bei  den  besten  Düsenzerstäubern 
0,5  bis  I  kg  (je  nach  der  Dampfmaschine)  beträgt  oder  etwa  0,03  von  dem 
gesamten  Dampfverbrauch.  Für  die  beste  Vorrichtung  wird  das  neueste  Patent 
von  Körting  gehalten. 

Anordnung  des  Körtingschen  Zerstäubers,  Abb.  385  bis  387.    I  :  40. 


Abb.  385. 


Abb.  386. 


Abb.  387.     Zerstäuber  l  :  6. 


Dabei  wird  das  Öl  durch  eine  von  der  Maschine  betriebene  Pumpe  unter  Druck  gesetzt 
und  in  einem  Vorwärmer  [d]  gerade  so  weit  erhitzt,  daß  es  beim  Austritt  in  das  unter  atmosphä- 
rischem Luftdruck  stehende  Flammrohr  plötzlich  durch  innere  Dampfbildung  sich  in  Ölnebel 
auflöst.  Das  Ölrohr  {/}  mündet  durch  die  Feuertür  und  eine  Streudüse  mit  Schraubenführung  (/) 
in  den  Feuerungsraum;  dabei  reißen  die  Öldämpfe  gleichzeitig  die  durch  verstellbare  Öffnungen  (1) 
in  der  Feuertür  [h]  eintretende  Luft  mit  sich.  Mit  diesem  Zerstäuber  werden  durch  i  kg  Öl  14 
bis  15  kg  Wasser  verdampft. 

Die  Abb.  385  bis  387  stellen  die  Einrichtung  der  Ölfeuerung  auf  den  Dampfschiflfen  der 
Tel  towk  anal -Verwaltung  dar.  Dort  wurde  diese  Feuerung  gewählt,  um  die  Anwohner  des 
Kanals  vor  der  Rauchplage  zu  schützen.  Es  wird  Steinkohlenteeröl  (Nr.  12  der  Tafel)  mit 
einem  über  86°  liegenden  Entflammungspunkt  benutzt,  das  zurzeit  von  der  Deutschen  Teerpro- 
dukten-Vereinigung  aus  der  in  Erkner  bei  Berlin  gelegenen  Fabrik  (für  den  Preis  von  34  Mark 
je  t)  geliefert  wird.  Zur  Beförderung  nach  dem  Teltowkanal  ist  ein  Kastenschiff  mit  Heizvor- 
richtung vorhanden,   von   dem   die  Hauptteile  in  den  Abb.  213  und  214  mitgeteilt  worden  sind. 


502  Abschnitt  DL     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Auf  dem  Dampfer  wird  das  Öl  in  aus  Stahlblech  genieteten  Kasten  untergebracht,  die  an  Stelle 
der  Kohlenbunker  neben  dem  Kessel  liegen.  Eine  von  der  Maschine  betriebene  Pumpe  drückt 
das  Öl  durch  das  Rohr  a  in  den  Vorwärmer  b.  Das  damit  verbimdene  Rohr  c  fuhrt  zu  dem 
Bunker  zurück  und  ist  mit  einem  Sicherheitsventil  versehen,  so  daß  der  Druck  im  Vorwärmer 
mittels  eines  Manometers  genau  geregelt  werden  kann.  Der  Vorwärmer  ist  in  einem  Abstand 
von  280  mm  vor  dem  Kessel  aufgestellt  und  wird  durch  dessen  Wärmestrahlen  genügend  erhitzt. 
Von  d  aus  wird  das  Ölrohr  in  Schlangenwindungen  zu  dem  Zerstäuber  (Abb.  387)  geführt,  in 
den  es  bei  e  eintritt.  Die  Streudüse  (/)  kann  durch  eine  Schraubenspindel  und  das  Handrad  [g] 
verstellt  werden.  Da  beim  Anheizen  des  Kessels  der  Vorwärmer  noch  kalt  ist,  wird  der  Zer- 
stäuber durch  eine  Ölflamme  erwärmt,  die  in  einer  halbzilinderförmigen  Wärmepfanne  k  ent- 
zündet wird.  Wenn  beim  Durchfahren  von  Brücken  der  Schornstein  umgeleg^t  werden  muß,  wird 
die  Verbrennung  während  dieser  Zeit  ungenügend,  und  die  unverbrannten  Öldämpfe  belästigen 
die  Fahrgäste  durch  üblen  Geruch  oder  selbst  durch  Ölflecken.  Diesem  Übelstande  läßt  sich 
aber  leicht  abhelfen,  wenn  man  durch  einen  kurzen  Handgriff  während  dieser  Zeit  die  Ölzu- 
föhrung  vom  Vorwärmer  zu  der  Düse  absperrt.  Der  seit  dem  Jahre  1905  eingerichtete  ölbetrieb 
hat  sich  bisher  gut  bewährt.  Es  ist  bemericenswert,  daß  sich  zu  den  Ölleitungen  eiserne  Rohre 
dauerhafter  gezeigt  haben  als  kupferne. 

Für  Rußland  und  das  Wolgagebiet  hat  die  ölfeuerung  sehr  große  Bedeutung.  Ohne 
das  gereinigte  Naphtha  (Petroleum)  wurden  im  Jahre  1905  an  Naphtha  und  Rückständen  allein 
4,115  Millionen  t  zu  Wasser  verfrachtet.     Es  betrug: 

im  Jahre  1884 — iqoo— 1906 

die  Zahl  der  Dampfer  mit  ölfeuerung 262 — 1633 — 1990 

die  verbrannte  Menge  von  Naphtharückständen  in  tausend  Tonnen     216 — 1047 — 11 50 
An  der  Wolga  sind  in  angemessenen  Entfernungen   in  am  Ufer  befestigten  Lagerschiffen 
Vorräte  an  Heizöl  aufgespeichert,  das  mittels  Pumpe  und  Schlauch  in  schnellster  Weise  an  Bord 
der  Dampfer  befordert  wird.     Etwa  im  Jahre  1897  wurden  in  Rußland  folgende  Preise  ftir  eine 
Tonne  von  1000  kg  Astatki  bezahlt: 

In  Nischni-Nowgorod.     .     .      18  bis  20  Mark 
»   St.  Petersburg    .     .     .     .  51,2    >  61,5     » 

Nach  anderen  Quellen  kostete  die  Tonne  im  Jahre  1905  an  der  mittleren  Wolga  etwa 
46  Mark.  Für  dieses  Jahr  wurden  von  Anco  na  auf  dem  Mailänder  Kongreß  die  nachstehenden 
Preisangaben  gemacht.     Es  kostete  eine  Tonne  Heizöl: 

Im  südlichen  Rußland 16  bis  57  Mark 

In  Nordamerika 24  »    65      > 

In  England,  Belgien,  Dänemark  und  Schweden,  wo  keine  Einfuhrzölle  be- 
stehen, wird  Erdöl  aus  Texas  geliefert  fUr 24  >    32      > 

In  Ägypten,  im  Kapland,  in  Indien  und  Australien  gleichfalls  Lieferung  aus 

Texas,  Kalifornien  und  Bomeo  fiir 26  >    35      » 

In  den  anderen  europäischen  Ländern  bestehen  zum  Teil  recht  hohe  Einfuhrzölle  (z.  B.  in 
Italien  48  Lire  je  Zentner),  wodurch  die  Verwendung  dieser  Heizöle  erschwert  wird,  soweit  sie 
nicht  selbst  solches  fördern,  wie  z.  B.  Rumänien  und  Galizien. 

Auf  den  Seeschiffen  aller  Art  im  Kaspischen  und  im  Schwarzen  Meere  ist  die  Ölfeue- 
rung seit  Jahren  üblich.  In  neuerer  Zeit  sind  auch  bei  fast  allen  Kriegsmarinen  umfangreiche 
Versuche  damit  angestellt,  die  teilweise  zu  dauernden  Einrichtungen  geführt  haben.  Die  Handels- 
marine hat  sich  länger  zurückhaltend  gezeigt,  aber  zum  Teil  sehr  gute  Erfolge  erzielt,  nament- 
lich in  Amerika  und  im  Mittelländischen  Meer,  wo  sich  in  einigen  Häfen,  z.  B.  in  Alexandria, 
Niederlagen  von  amerikanischem  Erdöl  befinden.  Der  Verbrauch  je  Stunde  und  Pferdestärke 
ergab  sich  bei  guten,  großen  Schiffen  im  Mittel  zu  0,45  kg.  Auf  dem  Mailänder  Kongreß  wurde 
darüber  berichtet.     Die  deutsche  Marine  verwendet  auch  Braunkohlenteeröl. 

Dampf. 

Der  gesättigte  Wasserdampf,  den  wir  in  einem  Dampfkessel  finden, 
besteht  nur  im  Zusammenhang  mit  dem  Wasser,  aus  dem  er  sich  entwickelt. 
Er  befindet  sich  stets  in  einem  Grenzzustande:  Bei  eintretender  Abkühlung 


In  Baku 3)2  bis     5,8  Mark 

>   Astrachan 7,7    >     10,1      » 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


503 


verwandelt  sich  ein  Teil  von  ihm  wieder  zu  Wasser  (kondensiert),  bei  zu- 
nehmender Wärme  verdampft  eine  neue  Menge  von  Wasser. 

Die  Spannung  des  Dampfes  ist  der  Druck,  den  er  auf  die  ihn  ein- 
schließenden Gefaßwände  ausübt.  Dieser  Spannung  entspricht  ein  bestimmter 
Wärmegrad  des  Dampfes,  die  Sättigungswärme.  Die  Spannung  ist  allein 
von  der  Sättigungswärme  abhängig  und  unabhängig  von  der  Größe  des  dampf- 
erfüllten Raumes  (Volumens).  Wenn  die  Wärme  zunimmt,  so  wächst  auch 
die  Spannung  uud  umgekehrt. 

Die  Spannung  wird  in  kg  je  cm'  ausgedrückt  (spezifischer  Druck)  und 
von  Null  an  gezählt  (daher  absolute  Spannung  genannt).  Früher  drückte 
man  sie  in  Atmosphären  aus,  als  Überdruck  über  den.  gewöhnlichen  Luft- 
druck, wie  sie  von  den  Manometern  angezeigt  wird,  [i  Atm.  ist  gleich  einer 
Quecksilbersäule  von  760  mm  Höhe  oder  gleich  einer  Wassersäule  von 
10,334  m  Höhe  über  dem  Meeresspiegel  =  1,0334  kg  je  cm".  Der  Unter- 
schied ist  mithin  nicht  erheblich.] 


Tafel  für  gesättigt 

:en  Wasserdampf. 

I 

1 

2 

3 

4 

5 

I 

2 

3 

4 

5 

Ge- 

Ge- 

1 

Gewicht 

Raum 

samt- 

Gewicht 

Raum 

samt- 

Spannung 

Wärme 

von  I  m^ 

1 

von  I  kg 1 

1 

wärme 
X 

Spannung 

Wärme 

von  I  m3 

von  I  kg 

wärme 

kg  je  cm« 

Grade  C 

kg 

m^ 

WE 

kg  je  cm« 

Grade  C 

kg 

m3 

WE 

0,006 

0,00 

0,0047 

210,652 

606,50 

7,00 

164,03 

3,654 

0,2737 

656,53 

0,02 

17,0 

0,0142 

70,254 

611,68 

8,00 

169,46 

4,141 

0,2415 

658,18 

0,04 

29,0    1 

0,0284 

35,149 

615,34 

9,00 

174,38 

4,625 

0,2162 

659,69 

0,06 

36,0 

0,0414 

24,137 

617,48 

10,00 

178,89 

5,107 

0,1958 

661,06 

0,083 

42,0 

0,0563 

17,764 

619,31 

11,00 

183,05 

5,583 

0,1791 

'  662,33 

0,102 

46,0 

0,0685 

14,590 

620,53 

12,00 

186,93 

6,061 

0,1650 

663,5 1 

0,152 

54,0 

0,0999 

10,009 

622,97 

13,00 

190,57 

6,532 

0,1531 

664,62 

0,202 

60,0 

:   0,1307 

7,6535 

624,80 

14,00 

194,00 

7,003 

0,1428 

665,67 

0,409 

76,0 

;  0,2535 

3,9454 

629,68 

15,00 

197,24 

7,474 

0,1338 

666,66 

0,600 

85,0 

'  0,3570 

2,8013 

632,42 

16,00 

200,31 

7,724 

0,1295 

.667,59 

0,800 

93.0 

;  0,4763 

2,0994 

634,86 

17,00 

203,24 

8,176 

0,1223 

668,49 

I1O33 

100,0 

'  0,6058 

1,6508 

637,00 

18,00 

206,05 

8,627 

0,1159 

'  669,34 

2,00 

"9,57 

1   1,1265 

0,8877 

642,97 

19,00 

208,75 

9,076 

0,XI02 

:  670,1 7 

3,00 

132,80 

'   1,6485 

0,6066 

647,00 

20,00 

211,34 

9,527 

0,1049 

670,96 

4,00 

142,82 

2,160 

0,4630 

650,06 

25,00 

222,96 

".745 

0,0854 

674,50 

5,00 

150,99 

2,664 

0,3754 

652,55 

30,00 

232,95 

13,938 

0,0718 

677,55 

6,00 

157,94 

3,161 

0,3164 

654,67 

l 

1 
1 

1 

(Die  Werte  fiir  die  Spannungen  über  15  kg  sind  unsicher.) 

Das  Abhängigkeitsgesetz  zwischen  Spannung  und  Sättigungswärme  ist  theoretisch  noch 
nicht  ermittelt.  Regnault  hat  aus  Versuchen  eine  Formel  gebildet,  nach  der  von  ihm  und  anderen 
Gelehrten  eine  Tafel  berechnet  worden  ist.     Vorstehend   ist   ein  Auszug   daraus  i)   mitgeteilt :  in 


1)  Nach  Busley,  SchifTsmaschine. 


504  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Krafitschiffe. 

Spalte  I  ist  die  Spannung  des  Dampfes  in  kg  angegeben  und  in  Spalte  2  die  entsprechende 
Sättigungs wärme  in  C^.  Man  erkennt,  daß  bei  o°  (Gefrierpunkt)  der  Dampf  noch  eine  Spannung 
von  0,006  kg  hat,  bei  100°  C  (Siedepunkt)  eine  solche  von  1,033  ^S  (=^  7^  °^^  Quecksilber- 
säule sss  einer  Atmosphäre)  und  bei  200°  C  eine  solche  von  rund  x6  kg  (=  17  Atmosphären). 

Das  Gewicht  von  x  m^  gesättigten  Wasserdampfes  (/)  in  kg  oder  seine  Dichte  (spezi- 
fisches Gewicht)  ist  gleichfalls  allein  von  der  Spannung  (/)  abhängig.    Nach  Zeuner  und  Pinzger 

besteht  dafür  die  Gleichung: 

y  =  o,5877/°'939kg. 

Der  Raum,  den  i  kg  gesättigten  Wasserdampfes  in  m^  einnimmt  (spezifisches  Dampf  volumen), 
steht  in  umgekehrtem  Verhältnis  zur  Dichte. 

Hiemach  sind  die  Spalten  3  und  4  der  Tabelle  berechnet  worden.  Man  erkennt,  daß  ein 
Kubikmeter  Dampf  bei  o^  0,0047  kg  wiegt,  bei  100®  C  0,6058  kg  und  bei  200®  C  7,724  kg. 
Umgekehrt  nimmt  i  kg  Dampf  bei  0°  einen  Raum  von  rund  2x1  m^  ein,  bei  loo^  einen  solchen 
von  1,65  m3  imd  bei  200®  einen  solchen  von  nur  0,13  m^. 

Um  Wasser  von  0°  in  gesättigten  Dampf  von  t**  zu  verwandeln,  muß  ihm  eine  Gesamt- 
wärme  von  X  Wärmeeinheiten  zugeführt  werden.  Regnault  hat  aus  Versuchen  die  Formel  auf- 
gestellt: 

X  =  606,5  -f-  0,305  .  t. 

Für  t  =  xoo**  C  ergibt  sich  X  «=  637  WE.  In  der  Spalte  5  der  Tafel  sind  die  entsprechen- 
den Werte  für  X  bei  verschiedenen  Dampfspannungen  enthalten. 

Es   sei   noch   bemerkt,    daß  Watt  seinerzeit  annahm,   die   erforderliche  Gesamtwärme  [X]^ 

um  Wasser  von  o^  in  Dampf  zu  verwandeln,   sei   unabhängig  von  der  Spannung  des  Dampfes 

und  stets  gleich  650  WE.    Dies  trifft  nach  Reg^naults  Versuchen  (im  Jahre  X847)  allerdings  nicht 

zu ;  aber  die  Unterschiede  sind  innerhalb  der  gebräuchlichen  Spannungsgrenzen  nicht  groß.    Darin 

liegt   auch  zum   Teil   der  Vorteil   der  Verwendung  hochgespannter  Dämpfe.     Um   z.  B. 

I  kg  Wasser  von  o®  in  Dampf  von  3  kg  Spannung  zu  verwandeln,  gebraucht  man  X  «=  647  WE, 

um  es  in  solchen  von  6  kg  Spannimg  zu  verwandeln,  654,67  WE,  also  nur  7,67  WE  mehr.    Von 

I  kg  guter  Steinkohlen  kann  man,   wie  früher  mitgeteilt,   etwa  5500  WE  nutzbar  machen;   man 

_                                           647  •  100 
braucht  daher,  um  100  kg  Wasser  in  Dampf  von  3  kg  Spannung  zu  verwandeln, =  11,76  kg 

Steinkohlen,  und  um  diesen  Dampf  in  die  Spannung  von  6  kg  überzufuhren  — =  0,14  kg 

Steinkohlen,  also  x,X9  v.  H.  mehr.  Das  ist  ein  verhältnismäßig  kleiner  Mehraufwand.  Ein 
weiterer  Vorteil  des  hochgespannten  Dampfes  liegt  darin,  daß  sein  Gewicht  nicht  in  gleichem 
Verhältnis  mit  der  Spannung  wächst,  sondern  in  kleinerem  Verhältnis.  Nach  Spalte  3  der  Tafel 
wiegt  X  m^  Dampf  von  3  kg  Spannung  1,6485  kg,  von  6  kg  Spannung  3,161  kg  und  von  12  kg 
Spannung  6,061  kg.  Wenn  das  Gewicht  in  gleichem  Verhältnis  mit  der  Spannung  wachsen 
würde,  müßte  ein  Kubikmeter  Dampf  von  3  kg  Spannung  3,297  kg  und  von  6  kg  Spannung 
6,594  kg  wiegen.  Die  Ersparnis  an  Dampfgewicht  ist  mithin  beträchtlich.  Noch  bedeutender 
ist  der  Vorteil  der  größeren  Expansivkraft  des  hochgespannten  Dampfes,  weil  er  größere  Arbeit 
leistet.  Wenn  man  die  bei  3  kg  Dampfspannung  und  0,35  Füllung  im  Zilinder  geleistete  Arbeit 
ermittelt,  so  findet  man,  daß  die  gleiclie  Arbeit  von  Dampf  mit  6  kg  Spannung  schon  bei  o,  1 1 
Füllung  und  von  Dampf  mit  X2  kg  Spannung  schon  bei  weniger  als  0,02  Füllung  unter  sonst 
gleichen  Umständen  geleistet  werden  kann.  Eine  Dampfmaschine  ist  daher  bei  hoher 
Dampfspannung  und  kleiner  Füllung  am  wirtschaftlichsten. 

Wenn  der  Dampf  aus  dem  Kessel  strömt,  ist  er  niemals  trocken, 
sondern  er  reißt  einen  Teil  Wasser  mit,  der  bei  guten  Kesseln  zu  etwa  0,05 
des  Gewichts  anzunehmen  ist.  Auf  dem  Wege  zum  Dampfzilinder  erfahrt 
der  Dampf  eine  Abkühlung,  die  um  so  größer  ist,  je  länger  der  Weg  und 
um  so  kleiner,  je  besser  das  Dampfrohr  durch  Umwicklung  mit  schlecht 
leitenden  Stoffen  geschützt  ist.  Mit  dieser  Abkühlung  ist  ein  Druckverlust 
verbunden,  der  auf  etwa  0,5  kg  im  Durchschnitt  anzunehmen  ist.  Weitere 
Wärme-  und  Druckverluste  entstehen  im   Schieberkasten  und  besonders  im 


2.  Kraftschiffe  nüc  DamptmaschineD,  Dimpfscbiffe.  505 

Zilinder,  wenn  dieser  nicht  durch  besondere  Vorrichtungen  entsprechend 
warm  gehalten  wird.  Eine  solche  ist  der  Dampfmantel,  über  dessen  Wert 
man  aber  verschiedener  Meinung  bt.  Wirkungsvoll  und  dampfsparend  ist 
er  nur,  weun  er  von  heißem  Dampf,  am  besten  unmittelbar  von  Kesseldampf, 
durchströmt  wird.  Dadurch  geht  eine  Menge  Dampf  verloren,  die  allerdings 
später  zur  Erwärmung  des  Speisewassers  teilweise  Verwendung  finden  kann. 
In  der  Binnenschiflahrt  wendet  man  selten  Dampfmäntel  (auch  Dampfjacke 
oder  Dampfhemd  genannt)  an,  sondern  b^niigt  sich  damit,  die  Dampfzilinder 
mit  schlecht  leitenden  Stoffen  gut  zu  umkleiden. 

Vor  dem  Eintritt  in  den 
Schieberkasten  geht  der  Dampf 
durch  die  Drosselklappe 
oder  das  Drosselventil,  womit 
die  Menge  und  die  Geschwin- 
digkeit des  zuströmenden  Damp- 
fes geregelt  werden  kann. 

Zur  Prüfung  und  Beurtei- 
lung der  Wirksamkeit,  der  Ver- 
teilung und  Ausnutzung  des 
Dampfes  im  Zilinder  dient  der 
Indikator. 

Diese  Votricbtung  wird  bei  der 
Benutzimg  an  dem  einen  oder  anderen 
Ende  des  Zilinders  befestigt  und  be- 
steht im  wesentlichen  aus  einem  kleinen 
Kolben,  auf  den  der  Dsrapf  drückt, 
und  ans  einer  Schreibeeinrichtung,  die 
die  Schwankungen  der  Dampfspannang 
aaf  einem  BUCt  Papier  aufzeichnet.   Die 

Erfindung   stammt   schon    von  Watt,  Abb.  3 88.     Indikator. 

ist  aber  vielfach  verändert  und  ver- 
bessert worden.  Die  in  Abbildung  388  da^^stellte  Anordnung  ist  eine  der  neuesten  -von  Mftibak: 
Rechts  unten  tritt  der  Dampf  aus  dem  Zilinder  ein  und  drückt  auf  einen  kleinen  Kolben,  der 
durch  eine  starke  am  oberen  Ende  der  Kolbenstange  angebrachte  Feder  belastet  ist.  An  der 
Kolbenstange  ist  durch  Lenker  [zur  Geradttlhmng]  eine  schwingende  Stange  befestigt,  die  an 
ihrem  linken  Ende  den  Schreibstift  trügt.  Das  Blatt  Papier  ist  um  die  auf  der  linken  Seite  dar- 
gestellte senkrechte  Trommel  gewickelt,  auf  der  es  durch  Federn  festgehalten  wird.  Die  Trommel 
wird  durch  eine  um  ihren  unteren  Kand  gelegte  Schnur  bewegt,  deren  Ende  an  einem  hin-  und 
hergehenden  Punkt  der  Kolbenstange  des  Dampf lil Inders  [Kretukopf  z.  B.)  befestigt  ist.  Beim 
Hingang  des  Maschine okolbeos  wird  die  Schnur  angezogen  und  dadurch  die  im  Innern  der 
Papiertrommel  beündliche  Feder  angespannt,  die  beim  RUekgang  des  MBschinenkolbens  die 
Drehung  der  Trommel  bewirkt.  Bei  Maschben  mit  groüem  Kolbenhub  reicht  der  kleine  Um- 
fang der  Fapiertrommel  zur  Aufzeichnung  nicht  aus.  Es  muß  daher  der  Langenmaßstab  ver- 
kleinert werden,  was  durch  eineo  Hubverminderer  (Reduklions rolle)  geschieht,  der  in  die  Schnur 
eingeschaltet  wird.  Wenn  der  Dampfhahn  geschlossen  ist  und  auf  Kolben  und  Feder  kein 
Dampfdruck  wirkt,  beschreibt  der  Sehreibstift  auf  dem  Papier  eine  wagerechte  Linie,  die  soge- 
nannte atmosphärische  Linie,  Nach  Öffnung  des  Hahns  schnellt  der  Schreibstift  in  die  Höhe 
nnd  verzeichnet  die  wlhrend  des  Hin-  und  Rückgangs  des  Maschinenkolbens  auf  der  betreffen- 
den Seite  des  Kolbens  eintretenden  Druckverlndernngen  als   >  Indikator-Schaulinie   [Diagramm;. 


506 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


In  Abbildung  389  ist  die  Schaulinie  für  den  Zilinder  einer  einfachen  Expansionsmaschine 

dargestellt. 

Im  Punkt  ö  hat  der  Dampfdruck  beim  Beginn  des  Kolbenhubs  seinen  größten  Wert  sofort 
erreicht.  Während  der  Kolben  den  Weg  von  B  nach  C  zurücklegt,  wird  der  Dampfdruck  durch 
die  »Füllungslinie«  de  dargestellt.  Bei  den  besten  Steuerungen  sollte  diese  Linie  möglichst 
gleichlaufend  mit  der  atmosphärischen  Linie  sein;  das  ist  aber  bei  Schiffsmaschinen  mit  Schieber- 
steuerungen nicht  zu  erreichen,  weil  der  Dampfeintrittskanal  allmählich  geschlossen  wird.  Wemi 
der  Kolben  den  Punkt  C  erreicht,  ist  der  Eintrittskanal  ganz  geschlossen  und  es  beginnt  die 
Expansion:  Die  Linie  cd  ist  die  >£xpansionsIinie<.  Wenn  der  Kolben  den  Punkt  D  erreicht, 
öffnet  sich  der  Dampfaustrittskanal:  Die  Linie  äe  ist  die  >VorausstrÖmungslinie<.  Im  Punktet 
hat  der  Kolben  den  Hub  beendet:  Der  Druck  nimmt  weiter  ab  und  bleibt  dann  beim  Rückgang 
ziemlich  imverändert,  entsprechend  dem  Gegendruck  im  Kondensator:  Die  Linie  e/  heißt  darum 
die  > Gegendrucklinie«.  Wenn  der  Kolben  beim  Rückgang  den  Punkt  F  erreicht  hat,  ist  der 
Ausströmungskanal  ganz  geschlossen  und  es  beginnt  die  Kompression:  /a  ist  die  > Kompressions* 
linie«.  Bei  hohen  Füllungsgraden  (großer  Füllung)  bekommt  diese  die  in  der  Abbildung  punk- 
tierte Form.  Wenn  der  Kolben  beim  weiteren  Rückgang  den  Punkt  A  erreicht,  öfihet  sich  in 
der  Regel  bereits  der  Dampfeintrittskanal  ein  wenig:  Die  Linie  ao  ist  die  »Voreinströmungs- 
linie«. Die  eigentliche  Einströmungslinie  od  ist  meistens  ziemlich  senkrecht,  weil  der  Kolben 
fast  still  steht  und  der  Schieber  sich  rasch  vorwärts  bewegt,  so  daß  der  Dampf  schnell  eintritt 
und  bei  6  die  höchste  Spannung  erreicht. 


*  - /tmun^——*^ 


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JG>lb«n7utb'£00*lu 


OSO 

jBtrnoanhariaoheLinix 


Abb.  389.     Schaulinie  einer  einfachen 
Expansionsmaschine. 


Abb.  390.     Schaulinien  von  einer 
Verbundmaschine. 


Der  Abstand  der  einzelnen  Punkte  der  Schaulinie  von  der  Nullinie  gibt  die  Dampfspan- 
nung in  kg  je  cm'  an  —  unter  Berücksichtigung  des  Indikatormaßstabs,  der  sorgföltig  (meist  mit 
Berücksichtigung  des  Barometerstandes)  geprüft  und  festgestellt  werden  muß. 

Man  erkennt  aus  der  Schaulinie  nicht  nur  die  von  der  eingelassenen  Dampfmenge  wirklich 
geleistete  Arbeit,  sondern  auch  die  Dampfverteilung  im  einzelnen  und  kann  daraus  feststellen, 
ob  sie  dem  Entwurf  entspricht  und  ob  die  Steuerung  nach  Wunsch  arbeitet.  Auch  ergibt  sich 
aus  der  Schaulinie  die  Größe  der  inneren  Kondensation  und  des  Feuchtigkeitsgehalts  des 
Dampfes  im  Zilinder. 

Man  pflegt  sowohl  an  der  Kurbelseite  wie  an  der  Deckelseite  des  Zilinders  eine  Schaulinie 
aufzunehmen  und  daraus  das  Mittel  zu  bilden.  Wenn  die  Maschine  mehrere  Zilinder  hat, 
müssen  die  Untersuchungen  für  einen  jeden  angestellt  werden.  In  der  Abb.  390  sind  die  Schau- 
linien einer  Verbundmaschine  (mit  überhitztem  Dampf)  dargestellt:  Die  obere  ist  aus  dem  Hoch- 
druck-, die  untere  aus  dem  Niederdruckzilinder.  Die  Dampfspannung  im  Kessel  war  ii  kg, 
der  Gegendruck  im  Kondensator  0,35  kg  je  cm^. 

Der  gemittelte  Abstand  der  Schaulinie  von  der  Nullinie  gibt  den  mittleren  Druck  [pm] 
des  Dampfes  auf  den  Kolben  während  eines  Doppelhubs  in  kg  je  cm'  an.  Wenn  O  (in  cm') 
die  wirksame  Kolbenfläche  und  c  (in  m  je  sek.)  die  Kolbengeschwindigkeit  bedeuten,  so  ist  die 
Arbeit  des  Kolbens  s pm  •  C'  0  in  mkg.  Wenn  die  Maschine  mehrere  Zilinder  hat,  muß  man 
die  in   allen  Zilindem  geleistete  Arbeit  zusammenrechnen,   um   die  Gesamtleistung  zu   erhalten. 


2.  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


507 


Teilt  man  diese  Smnme  durch  75,  so  ergibt  sich  die  Gesamtleistung  der  Maschine  in  Pferde- 
stärken (von  je  75  mkg  je  sek.}.  Da  dieses  Ergebms  aus  der  Benutzung  des  Indikators  folgt, 
nennt  man  es  die  indizierte  Leistung  (A^/)  und  spricht  von  »indizierten«  Pferdestärken  (FSi). 
Bezieht  man  die  gesamte  Leistung  Ni  auf  den  Niederdruckzilinder  und  versteht  unter  On  die 
wirksame  Fläche  des  Niederdruckkolbens,  so  folgt: 

pi-e-  On 


Ni 


75 


imd   man  nennt  pi  den  indizierten  mittleren  Druck,   den  mittleren  Spannungsunterschied  hinter 
und  vor  dem  Kolben,  bezogen  auf  den  Niederdruckzilinder. 

Das  Verhältnis  von  pi  zu  po  (Dampfdruck  im  Kessel)  kann  man  auch  auf  Grund  von 
Theorie  und  Erfahrung  angenähert  für  bestimmte  Füllungsgrade  oder  Expansionsverhält- 
nisse berechnen,  wobei  noch  der  Wirkungsgrad  der  Steuerung,  die  Größe  der  Abkühlungs- 
verluste u.  dgl.  zu  berückrichtigen  sind,  was  nachstehend  durch  den  Beiwert  k  geschieht  Bei 
Mehrfach-Expansionsmaschinen  ist  der  Gesamt füllungsgrad 

Füllung  des  Hochdruckzilinders 


B  = 


Raumverhältnis  der  Zilinder  zu  einander 


und   das   Ezpansionsverhältnis   daher 


I 

£ 


Der  vorteilhafteste  Füllungsgrad  ist  allgemein  der,  bei  dem  der  Dampf-  oder 
Wasserverbrauch  je  Stunde  und  Pferdestärke  am  kleinsten  ist.  Das  hängt  besonders  von  der 
Eintrittspannung  des  Dampfes  in  den  Zilinder  und  von  dem  Gegendruck  im  Kondensator  ab. 
Die  Füllungsgrade  der  einzelnen  Zilinder  werden  meistens  so  bemessen,  daß  die  Anfangskolben- 
drucke einander  ziemlich  gleich  sind.  Wird  ein  Füllungsgrad  angewandt,  der  größer  ist  als  der 
vorteilhafteste,  so  nimmt  die  Leistung  der  Maschine  (Ni)  und  auch  der  Kohlenverbrauch  zu. 
Im  umgekehrten  Falle,  wenn  man  einen  kleineren  Füllungsgrad  anwendet,  nimmt  die  Leistung 
der  Maschine  ab  und  der  Kohlenverbrauch  nimmt  dennoch  zu.  Man  wählt  £  etwa  nach  fol- 
gender Tafel: 


Wenn  im  Hochdruckzilinder 
0,5  Füllung        0,7  Füllung 


Für  Verbundmaschinen  in  kleinen  Booten.    .    .    . 
»  >  »    größeren  Schiffen.    .    . 

>  Dreifach  Expansionsmaschinen 

>  Vierfach  »  


0,12 — 0,14 
0,09 — o,  10 
0,07—0,09 
0,06 — 0,07 


0,17 — 0,20 
0,12 — 0,14 
0,10 — 0,12 
0,08 — 0,09 


Den  Dampfern  der  Binnenschiffahrt  gibt  man  meistens  aus  Sparsamkeitsrücksichten  nur 
Füllungen  von  0,50  bis  0,60  im  Hochdruckzilinder,  ausnahmsweise  0,45  oder  0,70.  (Der  letztere 
Wert  wird  bei  neueren  3-  imd  4fach-Expansionsmaschinen  zuweilen  angewendet.) 

Es  besteht  die  Formel:  /«=>&■/<?•  £|i  -f-  /«  —j  . 

Für  fiji  4-/»— )  bestehen  bequeme  Tafeln,  aus  denen  sich  findet: 

f Ür  £  =  0,06  —  0,08  —  0,10  —  0,12  —  0,14  —  0,16  —  0,18  —  0,20, 
£  1 1  -h  /»  -1  =  0,229  —  0,282  -  0,330  —  0,374  —  0,415  —  0,453  —  0,489  —  0,522 . 

Der  Beiwert  k,  von  dem  schon  gesprochen  wurde,  schwankt  zwischen  0,52  bis  0,54  bei 
4Zilindern  und  0,65  bb  0,70  bei  2  Zilindem;  für  3  Zilinder  kann  man  0,55  bis  0,60  annehmen. 

Der  Dampfverbrauch  je  Stunde  und  indizierte  Pferdestärke  setzt 
sich  aus  der  nutzbar  gemachten  Dampfmenge  und  den  Dampfverlusten  zu- 
sammen.    Die  letzteren  sind  schwer  zu  ermitteln. 


506  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Den  nutzbaren  Dampfverbrauch  kann  man  theoretisch  aus  der  Expansionsarbeit  ermitteln 
unter  Berücksichtigung  des  Gegendrucks  im  Kondensator  (/x  gewöhnlich  ==  0,2  kg  je  cm'  bei 
Einspritzkondensatoren).  Aber  der  theoretische  Dampfverbrauch  kann  nie  erreicht  werden,  weil 
der  Dampf  nicht  trocken  ist  und  die  Verluste  durch  Abkühlung  und  Undichtigkeit  dazu  kommen. 
Genauer  werden  die  Ergebnisse,  wenn  man  den  Verbrauch  aus  den  gemittelten  Indikatorschau- 
linien  aller  Zilinder  berechnet.    Aber  auch  hierbei  sind  die  Verluste  nicht  genügend  berücksichtigt. 

Der  wirkliche  Dampfverbrauch  {D)  kann  nur  durch  Messung  des  ver- 
brauchten Speise  Wassers  bestimmt  werden.  Busley  gibt  nach  Erfahrungs- 
zahlen folgende  Werte  je  Stunde  und  Pferdestärke  bei  höchster  Maschinen- 
leistung an: 

Bei  Einfach-Expansionsmaschinen  und  fio  =    3  ist  Z?  =  1 2,0  kg 

>  Zweifach-               >                       >     /^  =    6  »  Z>  =    9,0   > 
*    Dreifach-               >                      >^^=:i3  >  D  =    j^^ 

>  Vierfach-  *  >     /^=  16  >  D=    7,0 

Bei  sehr  sorgfältig  gebauten  Maschinen  werden  diese  Werte  namentlich 
bei  Probefahrten  etwas  unterschritten.  Als  mittlere  Betriebsergeb- 
nisse können  nach  Busley  bei  günstigen  Füllungsgraden  folgende  Werte  an- 
gesehen werden: 

Bei  älteren  Verbundmaschinen  und      ^«  =    5  bis    6  kg  ist  Z^  =  9,5  bis  1 1    kg 
»    neueren  >  >         ^^  =    7    » 

>  älteren  Dreif.-Expans.-Masch.  und  /^  =    9   v 

>  neueren  >  ^    ^^  =  1 1    » 

>  Vierfach-Expansions-Maschin.    >    ^^=15    » 

Bei  den  neueren  Vierfach-Expansionsmaschinen,  die  mit  einem  Kessel- 
druck von  20  kg  arbeiten,  kann  ein  Dampfverbrauch  von  5,5  bis  6  kg  an- 
genommen werden.  Bei  der  Benutzung  überhitzten  Dampfes,  worüber  unten 
gesprochen  werden  wird,  kann  eine  weitere  Ersparnis  von  o,i  bis  0,2  er- 
reicht werden. 

Die  vorstehenden  Angaben  beziehen  sich  im  allgemeinen  auf  große  See- 
schiffe mit  sehr  starken  Maschinen.     In  der  Binnenschiffahrt,   wo  durch- 
schnittlich viel  schwächere  Maschinen  angewendet  werden,  ist  der  Damphrer- 
brauch  etwas  größer. 

Überhitzter  Dampf  (Heißdampf).  Wenn  der  gesättigte  Dampf  mit 
dem  Wasser,  aus  dem  er  sich  entwickelt  hat,  nicht  mehr  im  Zusammenhang 
steht,  wenn  er  also  den  Dampfkessel  verlassen  hat,  kann  er  auf  einen  höheren 
Wärmegrad  gebracht  werden,  ohne  daß  sich  neue  Mengen  Wasser  in  Dampf 
verwandeln.  Dieser  »überhitzte«  Dampf  hat  ein  kleineres  spezifisches  Ge- 
wicht und  umgekehrt  daher  ein  größeres  spezifisches  Volumen  als  gesättigter 
Dampf  von  gleicher  Spannung.  Man  braucht  also  zu  derselben  Zilinder- 
fiillung  weniger  Dampfgewicht,  mithin  weniger  Speise wasser  und  weniger 
Brennstoff.  Der  letzte  Vorteil  wird  allerdings  nur  erreicht,  wenn,  wie  üblich, 
die  zur  Überhitzung  erforderliche  Wärmemenge  aus  den  abziehenden  Ver- 
brennungsgasen der  Kesselfeuerung  gewonnen  wird.     Ferner  kann  der  über- 


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II 

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.  D  — 

8 

> 

9 

13 

» 

.  D  — 

6,5 

> 

8 

16 

> 

>  D  = 

6 

» 

7 

2.  Kraftschifife  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  509 

bitzte  Dampf  auf  dem  Wege  vom  Kessfei  zum  Zilinder  eine  gewisse  Ab- 
kühlung erfabren,  obne  an  Spannung  zu  verlieren.  Besonders  werden  bei 
Heißdampf  im  Zilinder  selbst  die  Kondensation  und  die  damit  verbundenen 
Verluste  an  Wärme  und  Spannung  vermieden. 

Schon  bei  den  älteren  Niederdruckmaschinen  war  aus  diesem  Grunde  eine  überhitzung 
des  Dampfes  um  30^  bis  50^  C  angewandt  worden  und  es  sollen  damit  Ersparnisse  an  Brenn- 
stoff von  0)i,  bei  stärkerer  Oberhitzung,  um  etwa  50 '^  C,  selbst  solche  bis  zu  0,2  erreicht 
worden  sein.  Mit  der  Einführung  der  Hochdruckmaschinen  und  der  damit  verbundenen  kleinen 
Füllungsgrade  schwand  der  Vorteil  des  geringeren  Dampfgewichts  allmählich,  zumal  man  die 
Oberhitzung  nicht  weit  genug  trieb,  um  noch  wesentliche  Ersparnisse  zu  erreichen.  Das  ist 
darauf  znrfickzuführen,  daß  man  den  nachteiligen  Einflüssen  des  stark  überhitzten  Dampfes  auf 
Schieber,  Stopfbüchsenpackungen  und  Schmieröl  noch  nicht  zu  begegnen  wußte.  Dazu  kam, 
daß  bei  heißem,  trockenem  Dampfe  viel  Schmieröl  im  Zilinder  verbraucht  wurde,  was  zum  Teil 
durch  den  Kondensator  wieder  in  den  Kessel  kam,  wo  es  nachteilig  wirkte,  während  man  bei 
nassem  Dampf  fast  ganz  auf  die  Ziliaderschmierung  verzichten  konnte.  Die  Oberhitzung  hatte 
somit  keinen  wirtschaftlichen  Wert  mehr,  sie  wirkte  höchstens  noch  als  »Dampftrockener«  und 
wurde  allmählich  ganz  aufgegeben  und  vergessen. 

In  neuerer  Zeit,  als  es  im  allgemeinen  wirtschaftlichen  Wettbewerb 
darauf  ankam,  die  Beförderungskosten  und  Selbstkosten  nach  Möglichkeit 
herunter  zu  drücken  und  an  Kohlen  zu  sparen,  war  es  namentlich  Dr.  ing.  Wil- 
helm Schmidt  in  Kassel,  der  um  die  Mitte  der  neunziger  Jahre  mit  seiner 
»Heißdampfmaschine«  gerechtes  Aufsehen  machte.  Nach  den  großen  Er- 
folgen bei  landfesten  Maschinen  und  Lokomotiven  kam  seit  dem  Jahre 
1898  auch  in  der  Binnenschiffahrt  (zuerst  auf  den  Schweizer  Seen)  die  Über- 
hitzung zur  Anwendung.  Sie  ist  nach  den  gemachten  Erfahrungen  um  so 
wirksamer,  je  höher  der  Wärmegfrad  getrieben  wird  und  je  größer  das  Wärme- 
oder Druckgefalle  innerhalb  der  Dampfzilinder  ist.  Aus  dem  letzteren  Grunde 
erreicht  man  bei  Zweifach-Expansionsmaschinen  eine  Ersparnis  von  0,2  bis  0,25 
und  noch  mehr,  bei  Dreifach-Expansionsmaschinen  eine  solche  von  0,15  bis  0,2. 
Das  gilt  aber  nur  von  neuen  Anlagen,  bei  denen  man  die  Überhitzung  un- 
bedenklich bis  auf  350®  und  400°  C  treiben  kann.  Bei  dem  Einbau  in  be- 
stehende Anlagen  muß  man  sich  mit  250^  bis  280^  C  begnügen  und  kann 
nur  auf  eine  Ersparnis  von  0,1  bis  höchstens  0,2  (bei  Verbundmaschinen) 
rechnen '). 

Die  Wirkung  des  überliitzten  Dampfes  läßt  sich  aus  den  Indikatorschaulinien  übersehen 
(vgl.  Abb.  390).  Bei  einer  Überhitzung  um  150°  beträgt  die  V.olumenvergrößerung  des  Dampfes 
etwa  0,38.  Z.  B.  Dampf  von  10  kg  absoluter  Spannung  hat  in  gesättigtem  Zustande  (vgl.  Tafel 
auf  S.  503)  eine  Wärme  von  179°,  und  i  kg  nimmt  den  Raum  von  216  1  ein.  Wenn  man  ihn  um 
150^  überhitzt  und  von  179°  auf  329°  C  bringt,  so  gibt  l  kg  dieses  ebenso  hoch  gespannten 
Dampfes  298  1,  wogegen  der  gesättigte  Dampf  infolge  der  Abkühlung  und  Kondensation  im 
ZUinder  erheblich  weniger  als  216  1  ergibt. 

Bei  Verbundmaschinen  für  große  Rheinschlepper  ist  der  Dampfverbrauch 
je  Stunde  und  Pferdekraft  durch  Gebrüder  Sachsenberg  bis  unter  6  kg 
durch  Überhitzung  herabgedrückt  worden. 


i)  Vgl.  auch  die  Untersuchungen  von  Berner.   Zeitschr.  d.  V.  Deutsch.  Ing.  1905,  S.  1069. 


510  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Der  Kohlenverbrauch  erg'ibt  sich  aus  dem  Dampfverbrauch.  Wie 
schon  bemerkt,  braucht  man  zur  Verwandlung  von  i  kg  Wasser  von  t°  in 
Dampf  von  t,°  eine  Wärmemenge  l  —  t,  =  606,5  +  0,305  t  —  t,  WE.  Da 
die  nutzbare  Heizkraft  guter  Steinkohlen  4000  bis  6000,  im  Mittel  5000  WE 

beträgt,  sind  für  i  kg  Wasser:  J^^>5  +  0,305  t  -  t,  ^^  Steinkohlen  erfor- 
derlich.  Also  für  einen  stündlichen  Dampfverbrauch  von  D  kg  werden 
stündlich  -  ^  ll^°-^5  +  0,305  t  -  t. )    ^^  Kohlen  nötig.    Überschläglich  setzt 

man  X  =  640  WE  und  t,  bei  Frischwasserspeisung  =  15°,  bei  Kondensator- 
speisung =  40°,  bei  Speisung  aus  Vorwärmern  =  90®.  Auch  für  die  nutzbare 
Heizkraft  nimmt  man  nach  der  Güte  der  Kohlen  und  der  Güte  und  Reinheit 
des  Kessels  entsprechende  Werte  zwischen  4000  und  6000  WE  an. 

Meistens  wird  der  wirklich  fes^estellte  Kohlenverbrauch,  der  erheblich 
größer  ist  als  der  vorher  berechnete,  als  Maßstab  für  die  Güte  einer  Kessel- 
und  Maschinenanlage  betrachtet,  und  man  ermittelt  ihn  für  Stunde  und  Pferde- 
stärke während  einer  Probefahrt  durch  Wägungen  und  Indikatorversuche. 
Aber  zum  Vergleich  verschiedener  Maschinen  ist  der  Vergleich  des  festge- 
stellten Dampf  Verbrauchs  doch  ein  besseres,  wenn  auch  nicht  so  einfaches 
Mittel.  Der  wirkliche  Kohlenverbrauch  im  gewöhnlichen  Betriebe 
ist  immer  höher.  Nach  Busley  hat  sich  im  allgemeinen  folgender  Kohlen- 
verbrauch in  kg  je  Stunde  und  indizierte  Pferdestärke  bei  günstigen  Füllungs- 
graden ohne  Überhitzung  herausgestellt: 

1,0  bis  1,25  bei  älteren  Verbundmaschinen  mit  5  bis  6  kg  Kesselspannung, 
0,9      »1,0      >     neueren  »  »     7    »    8  >  » 

0,8      >    0,9      »     älteren  Dreifach-Expansionsmaschinen  mit  9  bis  11  kg  Span- 
nung, 
0,75     »    0,85     >     neueren  Dreifach-Expansionsmaschinen   mit    11   bis  13  kg 

Spannung  und 
0,7      »    0,75     »     bei  Vierfach-Expansionsmaschinen  mit  15  bis  16  kg  Span- 
nung. 

Neue  Vierfach-Expansionsmaschinen  mit  1 7  bis  2 1  kg  Spannung  haben 
nur  einen  Kohlenverbrauch  von  0,6  bis  0,7  kg. 

Diese  Angaben  beziehen  sich  im  allgemeinen  auf  Versuche  mit  großen 
Seeschiffen.  Für  die  viel  schwächeren  Dampfmaschinen  der  Binnenschiff- 
fahrt ergibt  sich  meistens  ein  größerer  Kohlenverbrauch.  Die  nachstehen- 
den Zahlen  sind  aus  Probefahrten  von  neueren  Dampfschiffen  gewonnen, 
die  im  regelmäßigen  Betriebe  stets  überschritten  werden.  Der  Dampfverbrauch 
für  die  in  der  Regel  angewandten  Dampfsteuerwinden  (durch  die  ein  Mehr- 
verbrauch an  Kohlen  von  etwa  0,02  bis  0,03  kg  je  Stunde  und  Pferdestärke 
der  Hauptmaschine  herbeigeführt  wird)  ist  dabei  ausgeschlossen.  Ohne  Über- 
hitzung  und  mit  natürlichem  Zug  beträgt  jetzt  etwa  der  geringste  Kohlen- 
verbrauch in  kg: 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  511 

I.  Bei  kleinen  Maschinen  unter  200  PS i: 
1,0    bis  1,2     bei  Verbundmaschinen  mit  9  bis  12  kg  Kesselspannung, 
0,85     »    0,90    >    Dreifach-Expansionsmaschinen  mit  13  bis  1 6  kg  Spannung. 

2.  Bei  mittelgroßen  Maschinen  von  200  bis  800  PS  i: 
0,95  bis  1,0    bei  Verbundmaschinen  mit  9  bis  12  kg  Spannung, 
0,80    >    0,85    >    Dreifach-Expansionsmaschinen  mit  14  bis  1 7  kg  Spannung, 
0,68    »    0,72    >    Vierfach-Expansionsmaschinen  mit  21  kg  Spannung. 

3.  Bei  großen  Maschinen  von  800  bis  i70oPSi: 
0,90  bis  0,95  bei  Verbundmaschinen  mit  10  bis  12  kg  Spannung, 
0,76    >    0,80    »    Dreifach-Expansionsmaschinen  mit  14  bis  1 7  kg  Spannung, 
0,68    »    0,72    »    Vierfach-Expansionsmaschinen  mit  21  kg  Spannung. 

Bei  Anwendung  von  Überhitzung  vermindert  sich  der  Kohlenverbrauch 
in  der  oben  angegebenen  Weise.  Es  ist  bemerkenswert,  daß  der  geringste 
Kohlenverbrauch  bei  vierfacher  Expansion  von  0,68  kg  je  Stunde  und  Pferde- 
stärke auch  durch  dreifache  Expansion  und  Überhitzung  auf  280  bis  300^ 
imd  durch  Verbundmaschinen  imd  Überhitzung  auf  300  bis  340°  erreicht  wird. 
Gebrüder  Sachsenberg  sind  bei  neueren  Rheinschleppern  mit  Überhitzung 
auf  0,65  kg  gekommen,  und  Gebrüder  Sulzer  sollen  durch  eine  Verbund- 
maschine mit  Ventilsteuerung  bei  Überhitzung  sogar  einen  Kohlenverbrauch 
von  0,61  kg  erreicht  haben  ').  (Zweischraubendampfer  verbrauchen  etwas  mehr 
Kohlen  als  Einschraubendampfer  und  etwas  mehr  als  Raddampfer  von  der- 
selben Maschinenleistung.) 

Zmn  Vergleich  des  Kohlenverbrauchs  verschiedener  Schiffe  benutzt  man  zweckmäßig  das 
sogenannte  Ähnlichkeitsgesetz,  worüber  später  bei  den  Leistungen  der  Dampfschiffe  gesprochen 
werden  wird. 

Dampfkessel. 

Die  Walzenkessel  mit  Feuerrohren  werden  zurzeit  auf  den  Dampf- 
schiffen der  Binnenschiffahrt  fast  ausschließlich  verwendet.  Man  unterscheidet 
Kessel  mit  > rückkehrender«  und  mit  > durchschlagender«  Flamme.  Bei  den 
letzteren  (Abb.  391)  tritt  die  Flamme  aus  dem  Flammrohr  durch  die  zwischen 
der  Hinterwand  der  Feuerkammer  und  der  Hinterwand  des  Kessels  einge- 
zogenen Feuerrohre  unmittelbar  in  den  Schornstein.  Diese  Kessel  erfordern 
eine  verhältnismäßig  geringe  Höhe  und  werden  auf  Kriegschiffen  viel  ver- 
wendet. Man  nennt  sie  daher  »Marinekessel«.  In  der  Binnenschiffahrt  be- 
nutzt man  sie,  wenn  man  den  Kessel  ganz  unter  Deck  legen  will  und  nur 
wenig  Raumhöhe  zur  Verfügung  hat,  z.  B.  bei  Kettendampfern.  Zu  dieser 
Kesselart  gehören  auch  die  »Lokomotivkessel«,  die  oft  auf  kleinen  Dampf- 
booten verwendet  werden.  Sie  erzeugen  bei  verhältnismäßig  geringem  Ge- 
wicht viel  Dampf  von  hohem  Druck. 

Sowohl  in  der  Handelsmarine  wie  in  der  Binnenschiffahrt  werden  zurzeit 
in  der  Regel  Walzenkessel  mit  rückkehrender  Flamme  (Schottische  Kessel) 


i]  Zeitschrift  des  Vereins  Deutscher  Ingenieure  1903,  S.  1025. 


512 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


benutzt,  die  mit  einem,  zwei  oder  drei  Flammrohren  versehen  sind  (Abb.  392 
u.  393).  Die  Flamme  geht  von  dem  Rost  über  die  mit  Schamottemauerung 
bedeckte  Feuerbrücke  in  die  Feuerkammer  und  kehrt  durch  die  zwischen 
deren  Vorderwand  und  der  Vorderwand  des  Kessels  eingezogenen  Feuerrohre 


•♦— 


•^00 


Abb.  391.     Kessel  mit  durchschlagender  Flamme  (Marine-Kessel),  Heizfläche  56  m^ 

Spannung  11  kg  je  cm^. 


-3AA5      -- 


Abb.  392  und  393.    Dampfkessel  fUr  eine  Spannung  von  21  kg  je  cm^,  Heizfläche  124  m',  i  :  60. 


zur  vorderen  Rauchkammer  und  zum  Schornstein  zurück.  Die  aus  den  ver- 
schiedenen Feuerungen  kommenden  Flammen  vereinigen  sich  in  der  Regel 
erst  in  der  Rauchkammer.  Man  baut  diese  Kessel  als  >Einender<,  wie  in 
unserem  Beispiel,  oder  als  Doppelkessel,  >Zweiender«  genannt  (Abb.  394),  die 
in  der  Mitte  eine  gemeinschaftliche  Feuerkammer  haben  und  von  beiden  Seiten 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


513 


beschickt  werden.  Sie  sind  leichter  als  2  einfache  Kessel  und  brauchen  weniger 
Raum;  in  der  Binnenschiffahrt  werden  sie  selten  verwendet. 

Die  Größe  der  Rost  fläche  für  ein  Schiff  hängt  von  dem  gesamten 
stündlichen  Dampfverbrauch  (S.  508)  der  Hauptmaschine  und  der  Hilfs- 
maschinen ab,  aus  dem,  je  nach  dem  gewählten  Heizstoff,  die  Menge  der 
stündlich  zu  verbrennenden  Kohlen  oder  dergleichen  unter  Berücksichtigung 
der  Wärme  des  Kesselspeisewassers  zu  berechnen  ist. 


Abb.  394.    Doppelkessel,  Zweiender. 

Ober  die  Heizkraft  der  Brennstoffe  ist  bereits  (S.  492)  gesprochen  worden.   Das  Verhältnis 
der  absoluten  Heizkraft   zur   nutzbaren  Heizkraft   heißt  der  Wirkungsgrad   der   Kesselan- 
lage.   Er  setzt  sich  aus  dem  Wirkungsgrad  der  Feuerung  (etwa  0,8)  und  dem  Wirkungsgrad  der 
Heizfläche  (0,77  bis  0,8)  zusammen  und  kann  etwa  zu  0,62  angenommen  werden. 
Unter  mittleren  Verhältnissen  liefert  (nach  der  »Hütte«): 


I  kg  Steinkohlen . 

.     5,5  bis  10,0  kg  Dampf 

I  kg  Torf      .     . 

.     .     1,5  bis  3,0  kg  Dampf 

I    »    Koks  .     .     . 

.     4,5    »      8,0    » 

I    »    Holz     .     . 

•     •     2,5    »    3,5    » 

I    »    Braunkohlen 

.     2,0    »      4,5    » 

1    »    Stroh    .     . 

1,5    »    2,0    »         » 

Die  Brennstofimenge,  die  stündlich  auf  i  m^  Rostfläche  verbrannt  werden  kann,  hängt  von 
der  Menge  [L]  der  zugeführten  Luft  (S.  495),  ihrer  Geschwindigkeit  [v]  und  der  Weite  der  Rost- 
spalten ab.  Die  letztere  ergabt  sich  aus  dem  Verhältnis  {m)  der  freien  zur  gesamten  Rostfläche. 
Wenn  die   zu  verbrennende  Brennstofimenge  mit  B  und  die  erforderliche  Rostfläche  mit  ^  be- 

L'B 
zeichnet  wird,   gilt  die  Gleichung:    ^  «=  — — • 

*     ^  ^  4680  'PIV 

Die  Geschwindigkeit  v  schwankt  bei  Steinkohlen  und  natürlichem  Zuge  je  nach  dem  An- 
strengungsgrade und  der  Schichtendicke  zwischen  0,8  m  und  1^6  m  je  Sekunde,  wird  aber  bei 
künstlichem  Zuge  bedeutend  größer,  (bis  3  m).  Für  m  wählt  man  bei  Steinkohlen  das  Verhältnis 
zu  0,25  bis  0,5,  bei  Braunkohlen  0,2  bis  0,33,  bei  Koks  0,33  bis  0,5  und  bei  Holz  oder  Torf 
0,15  bis  0,2. 

Von  guten  Steinkohlen  pflegt  man  auf  i  m^  Rostfläche  85  bis  95-kg  bei 
natürlichem  und  120  bis  130  kg  bei  künstlichem  Zuge  anzunehmen  (S.  496). 

Teubert,  Binnenschiffahrt  3^ 


514  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Wenn  man  die  nötige  Rostfläche  aus  der  indizierten  Maschinenleistung 
ermitteln  will,  kann  man  bei  natürlichem  Zuge  annehmen,  daß  ein  Quadrat- 
meter Rostfläche  bei  einer  Dampfspannung 

von  8  bis  lo  oder  lo  bis  12  oder  12  bis  14  oder  14  bis  16  kg  je  cm' 
für  je     80  »  83  »  90  »  95         PSi 

vollkommen  genügt. 

Die  berechnete  gesamte  Rostfläche  muß  auf  eine  angemessene  Zahl  von 
Kesseln  und  Feuerungen  verteilt  werden.  Mit  Rücksicht  auf  ein  bequemes 
Beschicken  macht  man  in  der  Regel  die  Länge  des  einzelnen  Rostes  nicht 
über  2  m  und  die  Breite,  gleich  der  Weite  des  Flammrohrs,  nicht  über  i  m.  Die 
Zahl  der  Flammrohre  in  einem  Kessel  wählt  man  in  der  Binnenschifliahrt  mit 
Rücksicht  auf  die  oft  beschränkte  Bauhöhe  gewöhnlich  nicht  über  2.  Neuer- 
dings zieht  man  es  aber  vor,  bei  großen  Schleppdampfern  an  Stelle  von 
4  Kesseln  mit  je  2  Flammrohren  lieber  2  Kessel  mit  je  3  Flammrohren  an- 
zuordnen 

Die  Heizfläche  ist  die  Summe  aller  von  den  Heizgasen  berührten 
Flächen,  die  die  Wärme  an  das  Kesselwasser  abgeben  sollen.  Das  sind  die 
oberen  Hälften  der  inneren  Flächen  der  Flammrohre,  die  Flächen  der  Feuer- 
kammern und  besonders  die  äußeren  Flächen  der  Feuerrohre.  (Von  dieser 
»feuerberührten«  Heizfläche  ist  die  »wasserberührte«  Heizfläche  zu  unter- 
scheiden. Die  erstere  ist  kleiner,  etwa  0,95  der  letzteren.)  Die  Größe  der 
Heizfläche  soll  bei  Walzenkesseln  mit  natürlichem  Zuge  das  30-  bis  3  5  fache, 
mindestens  das  2  8  fache  der  Rostfläche  betragen.  Auf  eine  indizierte  Pferde- 
stärke kommen  etwa  0,4  bis  0,5  m'  Heizfläche,  bei  Heißdampf  etwa  0,3  m*. 
(Neuere  Kessel  auf  Binnenschiffen  haben  bis  zu  270  m'  Heizfläche.) 

Unter  der  Anstrengung  oder  Beanspruchung  eines  Kessels  versteht  man 
die  mit  i  m'  der  Heizfläche  stündlich  erzeugte  Dampfmenge.  Sie  beträgt  bei 
natürlichem  Zuge  20  bis  23  kg,  bei  schwachem  Unterwind  23  bis  25  kg. 

Der  über  dem  Wasserstande  bleibende  Dampfraum  soll  eine  Höhe  von 
0,23  bis  0,25  des  Kesseldurchmessers  haben,  damit  der  Dampf  nicht  zu  feucht 
in  die  Maschine  gelangt.  Dem  gleichen  Zweck  dient  der  Dampfdom  (0,6 
bis  0,9  m  hoch),  von  dem  der  Dampf  zur  Maschine  geleitet  wird.  Er  trägt 
gleichzeitig  das  Mannloch  (30-40  bis  35  -45  cm)  und  die  Sicherheitsventile. 
An  Stelle  des  Dampfdoms  wählt  man  auch  einen  zilindrischen  »Dampf- 
sammler«, der  durch  besondere  Rohrstutzen  mit  dem  Kessel  verbunden  wird; 
von  zwei  nebeneinanderliegenden  Kesseln  wird  der  Dampf  zuweilen  in  einem 
solchen  Sammler  vereinigt. 

Die  an  der  Vorderwand  des  Kessels  befestigte  Rauchkammer  (Rauch- 
busen) trägt  oben  den  Schornstein.  Ihre  Vorderwand  über  den  Feuertüren 
ist  losnehmbar  (mit  Türen  oder  Klappen)  eingerichtet,  damit  man  zu  den 
Feuerrohren  gelangen  und  sie  ausfegen  kann. 

Zum  Bau  der  Walzenkessel  wird  nur  bestes  Stahlblech  (Siemens-Martin- 
Flußeisen)  verwendet.     Da  man  jetzt  sehr  große  Bleche  walzen  kann,  erhält 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  51Ö 

der  äußere  Mantel  oft  nur  eine  Längsnietnaht  und  die  Nietverbindungen  mit 
den  beiden  Kopfblechen,  die  in  der  Regel  gleichfalls  aus  je  einem  Stück 
hergestellt  und  zur  Befestigung  des  Mantelblechs  sowie  der  Flammrohre  um- 
gebördelt werden.  Da  die  vordere  Kopfwand  und  die  vorderen  Wände  der 
Feuerkammern  durch  die  Feuerrohre  sehr  geschwächt  werden,  erhalten  sie 
größere  Stärken.  Damit  die  Flammrohre  dem  äußeren  Druck  besser  wider- 
stehen können,  werden  sie  in  der  Regel  aus  gewelltem  Blech,  meistens  nach 
der  Form  von  Fox  oder  der  von  Morris  (wie  in  Abb.  391  u.  392)  hergestellt. 
Bei  der  letzteren  Form  soll  sich  die  Asche  besser  beseitigen  lassen. 

Die  Wände  der  Feuerkammern  (zuweilen  auch  Rauchkammern  ge- 
nannt) werden  hinten  gegen  die  hintere  Kesselwand  und  seitlich  gegen  den 
äußeren  Kesselmantel  sowie  gegen  die  benachbarten  Feuerkammern  durch 
Stehbolzen  abgesteift.  Ihre  obere  Decke  wird  entweder  nach  dem  Dampf- 
raum gekrümmt  (Abb.  391)  oder,  wenn  sie  eben  bleibt,  durch  aufgesetzte 
sogenannte  Brückenträger  (Abb.  392  bis  394)  versteift.  Zwischen  den  Flamm- 
rohren und  dem  Mantel  sowie  hinter  und  neben  den  Feuerkammern  müssen 
Zwischenräume  von  120  bis  150  mm  bleiben.  Geringere  Maße  erschweren 
die  Reinigung,  größere  schwächen  die  Wirkung  der  Stehbolzen. 

Die  Feuerrohre  (auch  Heizrohre,  Rauchrohre  oder  fälschlich  Siederohre 
genannt)  aus  Schweißeisen  oder  Flußeisen,  geschweißt  oder  gezogen,  werden 
gewöhnlich  in  Längen  von  1,7  bis  2,3  m  mit  einem  äußeren  Durchmesser 
von  70  bis  83  mm  und  in  einer  Wandstärke  von  3  bis  4  mm  verwendet. 
Ein  Drittel  bis  ein  Viertel  ihrer  Zahl  dient,  je  nach  der  Größe  des  Kessels, 
zur  Verankerung  der  beiden  Rohrwände  und  heißen  Ankerrohre.  Sie  er- 
halten 7  bis  10  mm  Wandstärke  und  werden  in  die  Rohrwände  eingeschraubt 
und  vernietet,  während  die  übrigen  Feuerrohre  eingewalzt  werden.  Die  Vorder- 
und  Hinterwand  des  Kessels  werden  über  und  unter  den  Feuerkammern 
durch  eiserne  Anker  versteift,  die  durch  Muttern  auf  Unterlagscheiben 
von  beiden  Seiten  an  jeder  Wand  befestigt  sind  (in  Abb.  393  sind  es 
Ti  Anker). 

Der  Feuerraum  in  dem  Flammrohr  wird  nach  außen  durch  das  »Feuer- 
geschränk«  mit  der  Feuertür  abgeschlossen,  die  mit  einer  Schutzplatte  und 
verschließbaren  Luftlöchern  versehen  ist.  Nach  innen  schließt  sich  daran 
eine  Vorplatte,  auf  der  die  Roststäbe  mit  einem  Ende  liegen,  während  das 
andere  Ende  bei  kleinen  Rosten  sein  Auflager  an  der  Feuerbrücke  findet. 
Bei  längeren  Rosten  geben  besondere  Rostbalken  ein  Auflager  in  der  Mitte. 
Die  Form  der  gußeisernen  Roststäbe  hängt  von  der  Art  des  Brennstoffs  ab. 

Zur  Verminderung  der  Wärme  Verluste  werden  sowohl  die  Kessel  wie 
die  Dampfleitungsrohre  mit  Wärmeschutzmasse  (Asbest,  Filz  aus  Kuhhaaren, 
Kieseiguhr  u.  dgl.)  umkleidet.  Über  den  Kessel  wird  dann  noch  eine  dünne 
I  mm  starke  verzinkte  Blechhaut  gelegt.  Auch  die  äußeren  Wände  der 
Rauchkammer  werden  oft  durch  Asbest  und  ähnliche  Stoffe  oder  durch  dop- 
pelte Wände  gegen  Abkühlung  geschützt.    Wenn  die  Kessel  nicht  ganz  unter 

33* 


Abaehnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


2.  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  517 

Deck  Platz  finden,  werden  sie  über  Deck  mit  einer  besonderen  Ummantelung 
aus  leichten  Blechen  und  Winkeln  versehen. 

Kessel  mit  Überhitzern.  Über  die  Vorzüge  des  überhitzten  Dampfes 
ist  schon  (S.  508)  gesprochen  worden.  Man  unterscheidet  Flammrohrüber- 
hitzer und  Feuerrohrüberhitzer.  Eine  Einrichtung  der  ersten  Art  ist  in  den 
Abb.  395  bis  397  dargestellt.  Sie  wurde  im  Jahre  1903  an  einem  kleinen 
Schleppdampfer  mit  2  Schrauben  von  90  PSi  nach  der  Anordnung  von  Wil- 
helm Schmidt  angebracht  und  hat  sich  bewährt.  Der  Kessel  hat  35  m*  Heiz- 
fläche und  13  m'  Überhitzerfläche. 

Ein  über  dem  Flammrohr  liegendes  Feuerrohr  (<z)  ist  zu  einem  Durchmesser  von  450  mm 
erweitert  und  nimmt  die  Bündel  der  Dampfschlangen  auf.  Damit  diese  Überhitzerrohre  nicht 
den  heißesten  Feuergasen  ausgesetzt  sind,  reichen  die  Bündel  nicht  bb  zur  Rohrwand  der  Feuer< 
kammer;  es  findet  vielmehr  dort  (bei  b]  eine  Einschnürung  des  Rohrs  von  450  auf  320  mm  statt. 
Die  U  förmig  gebogenen  Überhitzerrohre  sind  ziemlich  gleichmäßig  über  den  Querschnitt  des  großen 
Rohrs  verteilt  und  werden  durch  Schellenbänder  [c)  festgehalten.  Die  Enden  der  Rohre  sind 
in  die  Bodenplatte  einer  Dampfverteilungskammer  (</)  eingewalzt,  die  in  verschiedene  Ringräume 
so  eingeteilt  ist,  daß  der  eintretende  nasse  Dampf  zuerst  die  äußeren  Rohrschlangen  durch- 
streichen muß.  Der  Austritt  der  Heizgase  aus  dem  großen  Feuerrohr  (a)  erfolgt  durch  seitliche 
Öffnungen  (e\  die  durch  einen  Ringschieber  (Abb.  397)  abgeschlossen  oder  verstellt  werden 
können.  Dadurch  wird  die  Überhitzung  geregelt.  Der  nasse  Dampf  geht  vom  Dampfdom  durch 
die  Rauchkammer  (/)  in  die  Verteilungskammer  und  der  heiße  Dampf  geht  aus  dieser  durch  das 
Rohr  g  zur  Maschine.  Bei  h  sind  Vorrichtungen  angebracht,  um  zur  Messung  der  Dampf  wärme 
Thermometer  und  Pyrometer  zu  benutzen. 

Der  Dampf  von  183^  (bei  einer  Spannung  von  11  kg  ss  10  Atm.  Überdruck)  wird  auf  250" 
bis  280®  C  überhitzt,  wobei  die  Gase  in  der  Rauchkammer  eine  Wärme  von  370°  bis  380^  und 
im  Schornstein  von  270°  bb  290^  haben. 

Der  stündliche  Verbrauch  an  oberschlesischen  Steinkohlen  beträgt  für  die  Pferdestärke 
0,93  kg,  was  bei  den  kleinen  Verbundmaschinen  von  je  45  PSi  als  gering  bezeichnet  werden  muß. 

Das  in  der  Mitte  des  Überhitzers  eingezeichnete  Dampfrohr  i  mit  2  Blasköpfen  k  dient 
zur  Reinigung  der  Überhitzerschlangen  von  Ruß  und  Asche.  Es  wird  bei  Bedarf  von  der  Haupt- 
dampfleitung gespeist.  Diese  Reinigung  braucht  nicht  häufiger  vorgenommen  zu  werden  als 
sonst  bei  Kesseln  mit  nassem  Dampf.  In  diesem  Falle  (wie  auch  auf  großen  Rheindampfem)  ge- 
nügte ein  Ausblasen  der  Rohre  jeden  zweiten  Tag.  Die  vielen  Dichtungstellen  der  dünnen  Über- 
hitzerrohre haben  zu  keinen  Klagen  geführt 

Nach  Wilhelm  Schmidt  soll  das  Verhältnis  der  Überhitzerfläche  zur 
Kesselheizfläche  bei  einer  Überhitzung  auf  280°  0,3  bis  0,35  und  bei  einer 
Überhitzung  auf  360°  0,4  bis  0,45  betragen,  wobei  die  unteren  Werte  bei 
starker  und  die  oberen  bei  schwacher  Anstrengung  des  Kessels  zu  wählen 
sind.  (Man  rechnet  auch  0,12  bis  0,5  m"  Überhitzerfläche  auf  je  eine  indi- 
zierte Pferdestärke.) 

Für  die  gute  Wirkung  ist  ein  kräftiger  Zug  im  Kessel  nötig,  der  in  der 
Rauchkammer  mindestens  6  bis  8  mm  Wassersäule  beträgt.  Es  ist  aber 
keineswegs  die  Einrichtung  von  künstlichem  Zug  erforderlich.  Es  empfiehlt 
sich  nicht,  die  Rostfläche  und  die  Heizfläche  kleiner  zu  wählen  als  bei  Naß- 
dampf. 

Bei  der  Feuerrohrüberhitzung  wird  in  jedes  einzelne  Feuerrohr  des 
Kessels  ein  Überhitzungsrohr  eingelegt.  Dies  dünne  Dampfrohr  tritt  von  einer 
kleinen  Dampfsammeikammer  a  in  Abb.  398  zunächst  in  ein  Feuerrohr  ein, 


518  Abschnitt  lU.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraflschiffe. 

WO  es  in  einer  Entfernung  von  etwa  o,2  der  Länge  von  der  hinteren  Rohr- 
wand (bei  b]  umgebogen  wird  und  wieder  zurückgeht,  um  ebenso  in  ein 
zweites,  drittes  und  viertes  Feuerrohr  einzutreten.  Nach  genügender  Er- 
hitzung kehrt  es  in  eine  zweite  Sammelkammer  [c)  zurück.  Die  Einlegung 
der  Dampfrohre  in  die  Feuerrohre  (Querschnitt  ä)  muß  in  sorgfältigster 
Weise  erfolgen.  Es  genügt  für  diese  Anlage  die  übliche  Weite  der  Feuer- 
rohre von  76  bis  83  mm  und  man  kann  die  Überhitzung  auf  diese  Weise 
mit  geringen  Kosten  auch  in  alte  Kessel  einbauen. 

Im  Jahre  1^5  vrurde  ein  Uterer 
Rheindampfcr  von  900  PSi   und    11  kg 

Dampfepannung  mit  neuen  Kesseln  und 
dieser  Überhitiung  vereehen:  Der  fräberc 
stündliche  Kohlenverbrauch  von  1 100  kg 
sank  dadurch  auf  S^o  kg. 

Die  Verwendung  von  über- 
hitztem Dampf  hat  sich  sehr 
langsam  bei  der  Binnenschiffahrt 
eingebürgert,  namentlich  auf  den 
östlichen  deutschen  Wasser- 
straßen. Im  Jahre  1905  war  im 
Gebiet  der  Elbe  und  Oder  (außer 
dem  oben  erwähnten  staatlichen 
Schleppdampfer)  kaum  ein  Schiff 
damit  versehen.  Im  Januar  1910 
sollen  im  ganzen  143  Kessel 
der  Binnenschiffahrt  damit  aus- 
gerüstet gewesen  sein. 

Es  gibt  aoch  Rauchkammer- 
Überhitzer,  bei  denen  die  Dampf- 
schlangen in  der  Rauchkammer  ange- 
bracht sind;  doch  werden  diese  in  der 
Binnenschiffahrt  selten  verwendet. 

Abb.  398.    Feuerrohr-UberhitMr.  Rauchvermindcrung. 

über  die  Entstehung  des  Rauchs 


ist  schon  (S.  494)  gesprochen  und  daraufhingewiesen  worden  [S.  497),  daü  bei 
soi|[faItiger  Bedienung  des  Feuers  durch  gut  geschulte  Heizer  eine  übermäßige 
Rauchentwicklung  verhütet  und  an  Brennstoff  gespart  werden  kann.  Immer- 
hin läßt  sich  bei  dem  jedesmaligen  Beschicken  und  bei  dem  Schüren  [Durch- 
Idauen)  des  Feuers  die  Rauchbildung  nicht  ohne  besondere  Vorrichtungen 
verhüten.  Günstig  wnrkt  eine  große  Rostfläche;  dabei  wird  aber  leicht  die 
zugefiihrte  Luftmenge  zu  grofJ  und  es  geht  viel  Brennstoff  verloren  (vgl. 
S.  496).  Da  gerade  die  Binnenschiffahrt,  die  sich  meistens  innerhalb  be- 
bauter und  bewohnter  Gegenden  und  Städte  vollzieht,  durch  den  Rauch  eine 
große  allgemeine  Belästigung  hervorruft,  hat  man  sich  seit  Jahren  bemüht, 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  519 

geeignete  Vorrichtungen  zu  erfinden,  durch  die  während  und  nach  dem  jedes- 
maligen Beschicken  des  Feuers  die  gerade  fehlende  Luflmenge  dem  Brenn- 
stoffe oder  dem  Rost  zugeführt  wird.  Ein  auf  Veranlassung  der  Rheinstrom- 
Bauverwaltung  eingesetzter  Ausschuß  prüfte  in  den  Jahren  1904  bis  1906 
eine  Zahl  von  solchen  Erfindungen  und  fand  sie  fast  alle  ungeeignet  oder 
wirkungslos*).  Nur  die  Rauchverbrennungs- Vorrichtung  von  Marcotty  zeigte 
gute  Wirkungen.  Diese  besteht  aus  zwei  Teilen:  Zunächst  ist  die  Klapp- 
oder Kippfeuertür  mit  einem  verstellbaren  Schließer  {Kataraktsteuerung  ge- 
nannt) verbunden,  der  nach  Beendigung  der  Beschickung  ein  plötzliches 
vollständiges  Schließen  der  Luftöffnungen  in  der  Tür  verhindert,  vielmehr 
in  den  Luftöffnungen  eine  Spalte  offen  läßt,  durch  die  noch  eine  ent- 
sprechende Luftmenge  eintreten  und.  zur  Vergasung  des  Brennstoffs  bei- 
tragen kann.  Allmählich  schließen  sich  dann  selbsttätig  diese  Öffnungen. 
Der  zweite  Teil  der  Vorrichtung  besteht  aus  einem  Dampfschleier,  der 
durch  eine  über  der  Feuertür  im  Scheitel  des  Flammrohrs  angebrachte  Düse 
so  hervorgebracht  wird,  daß  die  feinen  Dampfstrahlen  schräg  zur  Rostebene 
gerichtet  sind.  Durch  diesen  Dampfschleier  wird  die  Luft  an  zu  schnellem 
Entweichen  gehindert  und  mit  den  Rauchgasen  gemischt,  so  daß  die  Ver- 
brennung beschleunigt  und  die  Wärme  im  Flammrohr  erhöht  wird.  Der 
Dampfschleier  wird  durch  zwangläufiges  Öffnen  eines  Dampfhahns  beim 
Öffnen  der  Feuertür  hervorgerufen  und  hört  nach  vollständigem  Abschluß 
der  Türöffnungen  wieder  auf.  In  den  Abb.  399  bis  402  ist  diese  Einrich- 
tung dargestellt"). 

Beim  Schließen  der  Feuertür  [A]  wird  durch  das  auf  der  Drehachse  (C)  befestigte  kleine 
Zahnrad  eine  wagerechte  Welle  gedreht,  die  die  Drehschieber  (5)  in  der  Feuertür  (die  Luft- 
öfTnungen}  öffnet.  Femer  wird  gleichzeitig  durch  eine  auf  dem  oberen  Ende  der  Drehachse  an- 
gebrachte kleine  exzentrische  Scheibe  und  Hebelübersetzung  das  Dampfventil  {A")  geöffnet,  so 
daß  der  Dampf  zur  Schleierbildung  durch  die  Düse  D  austreten  kann.  Zum  Abschluß  der  Tür- 
öffnungen und  des  Dampfventils  tritt  der  Schließer  [P)  in  Tätigkeit.  Er  ist  in  Abb.  402  be- 
sonders dargestellt  und  besteht  aus  einem  Kolben  {ß},  einem  Saugventil  (F)  und  einem  mit  Öl 
gefüllten  Behälter  (T),  Beim  öffnen  der  Feuertür  wird  durch  eine  Hebelübersetzung  {£]  der 
Schließer  gespannt,  d.  h.  der  Kolben  wird  gehoben  und  das  öl  dadurch  angesaugt  Nach 
Schluß  der  Feuertür  geht  der  Kolben  selbständig  wieder  zurück  und  drückt  das  Öl  durch  eine 
feine  Öffnung,  die  durch  das  Nadelventil  (iV)  nach  Bedarf  vergrößert  oder  verkleinert  werden 
kann,  langsam  wieder  in  den  Behälter  hinein.  Dabei  werden  durch  die  Hebelleitung  {£)  und 
die  Zahnradübersetzung  die  Schieber  [S)  in  der  Feuertür  allmählich  vollständig  abgeschlossen 
und  außerdem  durch  die  am  oberen  Ende  der  Drehachse  (C)  befindliche  Hebelleitung  das  Dampf- 
ventil (A^)  abgesperrt.     Durch  das  Nadelventil  [N]  kann  man  die  Zeitdauer  regeln. 

Von  dem  Ausschuß  wurden  mit  dieser  Einrichtung  genaue  und  andauernde 
Versuche  an  einem  Raddampfer  von  etwa  1000  PSi  gemacht.  Bei  ihrer  An- 
wendung brannten  die  Feuer  hell  und  weiß,  beim  Beschicken  und  Schüren 
war  kaum  irgend  welcher  Rauch  wahrnehmbar.  Beim  Abstellen  des  Dampf- 
schleiers war  eine  Zunahme  der  Rauchbildung  sofort  zu  bemerken,  nament- 

i)  J.  Schnell,  Erfahrungen  auf  dem  Gebiet  der  Rauchverminderung.  Z.  f.  Binnensch. 
1910,  S.  31. 

2)  Aus  dem  Zentralblatt  der  Bauverwaltung  1905,  Aufsatz  von  Düsing. 


320  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

lieh  beim  Beschicken  und  Schüren  entwickelte  sich  schwarzer  Rauch  und 
dieser  wurde  noch  stärker,  sobald  die  Luftzufiihning  durch  die  Feuertüren 
abgestellt  wurde.  Es  wurde  einen  Tag  lang  mit  der  Vorrichtung  und  einen 
zweiten  Tag  ohne  sie  gefahren,  wobei  am  ersten  Tage  stündlich  i,cx)5  t,  am 
zweiten  1,0045  ^  Kohle  verbraucht  wurden.  Die  Einrichtung  bringt  mithin 
keine   Kohlenerspamis,   aber   auch    keinen   beachtenswerten   Mehrverbrauch. 

RMchvenjiinderungs-Eiorichtnng  von  Maccotty.     Abb.  399  bis  40a. 
Abb.  399.     Ansicht  des  Kessels.  Abb.  400.    Schnitt  durch  FiammroliT  and  Feoeitül. 


Abb.  401.     Ansicht  der  FeaertUr.  Abb.  40».     Der  Schließer. 

Der  fiir  den  Dampfschleier  nötige  Brennstoffverbrauch  wird  durch  die  bessere 
Verbrennung  wieder  ausgeglichen.  Es  zeigte  sich  femer,  daD  bei  verstärkter 
Fahrt  mit  voller  Zilinderiullung  die  Rauchentwicklung  bei  der  Marcottyschen 
Einrichtung  zwar  etwas  zunahm,  aber  doch  in  zulässigen  Grenzen  blieb. 

Der  preuOische  Minister  der   öffentlichen   Arbeiten  hat   im  Jahre  1903 
und  wiederholt  im  Jahre  1905  die  Staatsbauverwaltung  beauftr^,  diese  Vor- 


2.  KraftschilTe  mit  DunpfmaschincD,  DBinpfschifTe.  521 

richtungen  auf  ihren  Dampfschiffen  anzubringen  und  auch  bei  den  Privat- 
reedereien auf  ihre  Einführung  hinzuwirken.  Die  Anordnung  von  Marcotty 
ist  im  Jahre  1909  durch  den  Oberingenieur  Schnell  vereinfacht  und  ver- 
bessert worden.  Auch  sind  in  neuester  Zeit  noch  andere  Vorrichtungen  er- 
funden, die  sich  gleichfalls  bewährt  haben  sollen. 

Die  WassetTOhrkessel   unterscheiden    sich   von  den  Walzenkesseln 
mit  Feuerrohren  dadurch,   daO  bei   ihnen  sich  das  Wasser  in  engen  Rohren 
befindet,  die  allseitig  von  den   Feuergasen   bestrichen  werden,  während  bei 
jenen  die  von  den  Feuergasen  erfüllten   engen  Feuer-  oder  Heizrohre  durch 
den  Wasserraum   geführt  werden.     Daraus  erkennt   man   sogleich,   daü  der 
Wasservorrat     eines     Wasserrohrkessels 
verhältnismäßig  kleiner  ist  als  bei  einem 
Walzenkessel,    daß    die  Dampfentwick- 
lung daher  schneller  vor  sich  gehen  wird 
und  daO  die  ICesselspeisung  darum  sehr 
vorsichtig  und  aufmerksam  besorgt  wer- 
den muß,  damit  das  Wasser  weder  über- 
kocht noch  der  Wasserstand  sinkt.  Ferner 
ist  nicht  nur  das  im  Kessel  vorhandene 
Wassergewicht,  sondern  auch  das  Eigen- 
gewicht des  Kessels  und  der  Raumbedarf 
für  seine  Aufstellung,  namentlich  die  er- 
forderliche  Grundfläche    kleiner  als   bei 
einem   Walzenkessel   von    gleicher   Lei- 
stungsfähigkeit.     Das     sind     für    einen 
Schiffskessel  große  Vorzüge  und  es  ist 
erklärlich,  daß  man  sich  seit  vielen  Jahren 
bemüht  hat,  zweckmäßige  Kesselformen 
zu  erfinden.    Erst  seit  1850  sind  einiger- 
maßen brauchbare  Anordnungen  zur  Aus- 
führung  gekommen,    und  zwar   zunächst        Abb.  403,    Wssaerrobrlieäsel  n«ch  DUrr. 
bei  der  Kriegsmarine,  weil  die  Vorteile 

für  sie  ausschlaggebend  waren.  Die  Handelsmarine  und  besonders  die  Binnen- 
schiffahrt haben  sich  bisher  im  allgemeinen  ablehnend  verhalten,  da  selbst 
die  verhältnismäßig  besten  Kesselarten  sich  noch  nicht  in  langjährigem, 
dauerndem  Betriebe  bewährt  haben. 

Man  unterscheidet  Kessel  mit  geraden  und  weiten  (60  bis  90  mm)  Rohren 
und  solche  mit  krummen  und  engen  [30  bis  60  mm]  Rohren.  Ferner  unter- 
scheidet man  Kessel  mit  und  ohne  Wasserkammem.  Bei  den  letzteren,  zu 
denen  die  älteste  Bauart  Belleville  gehört,  besteht  der  Kessel  aus  einer 
Zahl  von  wenig  zur  Wagerechten  geneigten  geraden  Röhren,  die  im  Zick- 
zack von  unten  bis  oben  geführt  sind  und  in  einem  ztlindrischen  Dampf- 
sammler endigen.    Bei  den  Wasserkammerkesseln  mit  geraden,  weiten  Rohren 


522 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigeaer  Triebkraft,  Krifrschiffe. 


sind  diese  ebenso  etwas  geneigt  und  endigen  auf  einer  Seite  sämtlich  in  einer 
vorderen,  senkrecht  oder  etwas  geneigt  stehenden  Wasserkamm er,  über  welcher 
dann  der  Dampfsammler  oder  Oberkessel  liegt.  Die  andere  Seite  der  Rohre 
ist  in  der  Regel  geschlossen.  Um  in  ihnen  eine  lebhaftere  Wasserbewegung 
hervorzurufen,  sind  sie  (nach  Fieldscher  Art)  mit  dünneren  Einsteckrohreo 
versehen.  Zu  diesen  Kesseln  gehören  z.  B.  die  französische  Bauart  Niclausse 
(seit  iSgo)  und  die  deutsche  Bauart  Dürr  (seit  1893  von  der  Düsseldorf- 
Ratinger  Röhre nkesselfabrik  gebaut].  Von  der  letzteren  ist  in  Abb.  403  ein 
Beispiel  mitgeteilt: 

a  ist  die  durch  eine  senkrechte  Wand  in  zwei  Teile  lerlegte  Wasserkammer.  Die  engen 
Einsteckrohre  münden  in  ihren  vorderen,  die  weiteren  Rohre  [i]  in  ihren  hinteren  Teil.  Das 
Speisewasser  tritt  zuerst  durch  die  vordere  Wasserkammer  in  die  Einsfeckrohre  und  durch  deren 
hinlere  Öffnung  in  die  Hauptrohre,  in  denen  die  eigentliche  Dampfe ntwicklung  vor  sich  geht 
Troti  des  verhältnismäßig  großen  Oberkessels  [c]  bleibt  der  Dampf  ziemlich  naß,  wenn  er  nicht 
getrocknet  oder  Überhitzt  wird.  Zu  diesem  Zweck  sind  vom  Dom  (^'l  den  Wasserrohren  Uinliehe 
Damp&ohre  [A)  durch  die  Rauchkammer  [li]  gefUhrt.  /  ist  die  Feuertür  und  e  der  Rost,  von 
dem  die  Feueigase  die  Rohre  umspulen  und  bei  ä  inm  Seborastein  gelangen.  Der  Heizraum 
wird  ringsum  durch  Eiscnplatten  abgeschlossen,  die  mit  WSrmeschutzmasse  u.  dgl.  versehen  sind. 


Abb.  404  und  405.     Wasserrohrkessel  nach  Thomycroft. 

Die  amerikanische  Bauart  Babcock-Wilcox  ist  mit  zwei  Wasserkam- 
mern (an  beiden  Enden  der  Rohre]  ausgerüstet. 

Bei  den  Kesseln  mit  krummen  und  engen  Rohren  liegen  die  zilindrischen 
Wasserkammern  oder  Unterkessel  {2  oder  3)  wagerecht  unten,  während  oben, 
ihnen  gleichlaufend,  der  Oberkessel  oder  Dampfsammler  angeordnet  ist.  Von 
den  Wasserkammern  zum  Dampfsammler  sind  die  engen,  stark  gekrümmten 
Rohre  in  Bündeln  gefuhrt  und  zwischen  diesen  sind  die  Roste  angeordnet,  so 
daß  die  Heizgase  die  Rohre  umspülen.  Außerhalb  des  Feuerraums  ist  der 
Oberkessel  durch  besondere  Rohre  mit  den  Unterkesseln  verbunden,  so  daß 
eine  lebhafte  Wasser-  und  Dampfbewegung  hervoi^erufen  wird. 

Thomycroft  erfand  diese  Bauart  im  Jahre  1886.  Zuerst  waren  nur  a  Unterkessel  ange- 
ordnet i  doch  ist  diese  Zahl  später  auf  3  gebracht  worden,  wie  die  Abbildungen  404  und  405 
zeigen ');  a  ist  der  Oberkessel  und  Dampfsammler,  i,  c  und  d  sind  die  Unterkesset  und  Wasser- 

1]  Aus  Rühlmann-FUrom. 


2.  Kraltschlfie  mit  Dsmptniasehiiieii,  Dtmpfsebifle.  52t 

Icimmem,  zwischen   denen   die   beiden   Roste   liegen.     Das   Speisewasser   gelangt  zuerst   in  dei 
Oberkessel,  durch  die  Abfallrohre  in  die  Untetkesset  uod  dann   in  die  engen  Wasserrohre,   »t 
sieb  der  Dampf  entwickelt.     Bei  der  sehr  lebhaften  Bewegung  des  Wassers  kenn  ein  Absetze] 
von  Kesselstein   in   den  dünnen  Rohren   gar  nicht  eintreten,   so   daD   deren  Reinigung  nicht  ei 
forderlich  wird.    Eine  besondere  Eigenttlmiichkeit  dieser  Erfindung  besteht  darin,  dab  bei  jeden 
Rohrbiindet  die  Rohre  aus  den  zweiten 
Reihen  (innen  und  aul^en)  in  die  ersten 
Reihen    hineingebogen   sind   und    mit 
diesen   nahezu  dichte   Wände   bilden, 
durch  die  den  Heizgasen  eine  Führung 
gegeben  wird,   so  daß  sie  sich   in  der 
Richtung  der  Pfeile    bewegen  müssen. 
Dadurch  legen  die  Gase  einen  weiteren 
Weg   zurück  und   werden   besser  aus- 
genutzt. 

Diese  Absicht  ist  bei  dem  Schulz- 
Kessel  (Patepl  von  i394)  noch  weiter 
durchgeführt  (Abb.  406J  und  dadurch 
eine  noch  größere  Wärmeabgabe  von 
den  Hei^asen  an  das  zu  verdampfende 

Wasser    erreicht   worden.     R.   Schulz  

(Direktor  der  Germania  in  Berlin-Kiel)  **>*>■  4°6-     Wasserrohrkessel  nach  Schuld. 


Abb.  407  nnd  408.     Wasserroh  rkessel  filr  kleine  Schifte. 

hat  durch  das  Zusammenbiegen  der  Rohre  noch  mehrere  Wände  geschaffen,  die  in  der  Abbildung 
durch  doppelte  Linien  ersichtlich  gemacht  sind.  Die  zusammengebogenen  Wände  lassen  femer 
durch  die  Spalten  bei  .r  von  dem  Rost  frische  Feuergase  nnd  Luft  in  die  einzelnen  Feuerzüge 
eintreten,  um  die  dort  etwa  noch  vorhandenen  unverbrannten  BrennsIolDeile  vollstlndiger  zu 
verbrennen.  Auch  können  bei  r  noch  Rohre  eingesetzt  werden,  um  von  außen  durch  die  Vorder- 
oder Rückwand  des  Kessels  weitere  Luft  zuzuführen. 


524 


Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


Solche  Kessel  haben  sich  auf  den  Schiffen  der  deutschen  Kriegsmarine 
gut  bewährt.  Erwähnenswert  bleibt,  daß  bei  diesen  Kesseln  wegen  der  engen 
Rohre  und  der  kleinen  Durchmesser  der  Oberkessel  und  Dampfsammler  kaum 
eine  Explosionsgefahr  besteht.  In  den  neuen  polizeilichen  Bestimmungen  des 
Bundesrats,  die  weiter  unten  erwähnt  sind,  werden  darum  in  §  3,  3  in  betreff 
der  Höhenlage  der  Feuerzüge  besondere  Ausnahmen  fiir  solche  Kessel  zuge- 
lassen, zumal  die  Gefahr  des  Erglühens  bei  der  im  Verhältnis  zur  Rostfläche 
meistens  sehr  groO  gewählten  Heizfläche  als  ausgeschlossen  angesehen  werden 
kann.  Bei  Wasserrohrkesseln  mit  weiten  Rohren  macht  man  die  Heizfläche 
mindestens  30  bis  40,  bei  solchen  mit  engen  Rohren  45  bis  60  mal  so  groß 
wie  die  Rostfläche. 

In  den  Abbildungen  407  und  408  ist  ein  Wasserrohrkessel  nach  der  Bauart  von  Holtz 
dargestellt,  der  bei  Barkassen  und  kleineren  Schiffen  zuweilen  angewandt  wird.  Die  Heizgase 
umspülen  die  wagerechten  Wasserrohre,  die  an  ihren  Enden  mit  einem  darüber  gelegenen  zilin- 
drischen  Kessel  in  Verbindung  stehen,  der  den  Dom  trägt. 

Vergleich  zwischen  Walzenkesseln  und  Wasserrohrkesseln. 


I.  Kriegschiffe  mit  künstlichem  Zug. 


Walzenkessel       Wasserrohrkessel 
mit 


Feuerrohren 


nach 
Dürr 


nach 
Schulz 


Pferdestärken PSi 

Dampfspannung kg  je  cm^ 

Äußerer  Rohrdurchmesser mm 

Heizfläche m» 

Rostfläche m» 

Verhältnis  beider 

Erzeugter  Dampf  je  Stunde  und  i  m^  Heizfläche     .    .     kg 
Verbrannte  Kohlen  je  Stunde  und  i  m^  Rostfläche.    .     kg 

Grundfläche  des  Kesselraums m« 

Gewicht  des  Kessels  mit  Ausrüstung  und  Bekleidung .    .    t 

Gewicht  des  Wassers t 

Gewicht  des  Kessels  mit  Wasser t 


1000 

1000 

1000 

13-15 

bis  15 

15—23 

— 

I          80 

1 

36 

280 

240 

225 

8,4 

5,7 

4t7 

33 

42 

46 

28,6 

33.3 

34.8 

119 

175 

212 

31 

27 

,8 

49 

22 

16 

19 

6 

3 

68 

28 

19 

Walzenkessel 


2.  Binnenschiffe  mit  natürlichem  Zug.      1   ^^  ^^^' 

kehrender 

Flamme 


Dampfspannung ^S  je  cm^ 

Heizfläche m« 

Gewicht  des  Kessels t 

>  >     Wassers t 

>  »     Kessels  mit  Wasser  .    .    .    t 

Hieraus  das  Gewicht  je  i  m'  Heizfläche: 

Gewicht  des  Kessels kg 

»  •     Wassers kg 

»  >     Kessels  mit  Wasser  .    .     kg 


10 
60 
12,7 
6,1 
18,8 

101,7 
211,7 

313,4 


mit  durch- 
schlagender 
Flamme 


Wasserrohrkessel 


nach 

nach  Schulz 

Dürr 

größerer 

kleinerer 

II 

60 
10,5 

6,0 

16,5 

100 

175 
275 


II 

50 

6,3 
1,2 

7,5 


126,1 

23, » 
»49,2 


II 

50 

3,75 
0,85 

4,6 

75 
17 
92 


II 

36 
2,8 

0,7 
3,5 

77,8 
I9i5 
97,3 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


525 


Von  den  beiden  vorstehenden  Tafeln  ist  die  erste  (für  Kriegschiffe)  nach  Angaben  von 
R.  Schulz  aus  dem  Jahre  1907  zusammengestellt  und  dem  Werke  von  C.  Matschoß  (Entwicklung 
der  Dampfmaschine)  entnommen.  Sie  bezieht  sich  auf  Linienschiffe  und  Kreuzer  bei  angestrengter 
Maschinenleistung  von  6  stündiger  Dauer  mit  künstlichem  Zug.  Die  zweite  Tafel  von  Blümcke 
(für  Binnenschiffe)  ist  in  seinem  Bericht  zum  Mailänder  Kongreß  von  1905  enthalten. 

Bei  diesen  großen  Gewichtsunterschieden  bleibt  es  schwer  verständlich, 
daO  die  Wasserrohrkessel  bisher  selten  in  der  Binnenschiffahrt  Anwendung 
gefunden  haben.  Blümcke  führt  das  auf  den  kleinen  Wasserraum  zurück, 
der  gerade  für  die  Binnenschiffahrt  nicht  geeignet  sei.  »Je  größer  der  Wasser- 
raum, umso  größer  der  Wärmespeicher,  so  daß  bei  vorübergehend  größerem 
Dampfverbrauch  sogleich  eine  Selbstverdampfung  des  Wassers  erfolgt,  und 
umgekehrt  eine  Wärmeaufspeicherung  bei  geringerem  Dampfverbrauch,  wie 
z.B.  bei  zeitweiligem  Langsamfahren  oder  Anhalten.«  Dem  kann  nicht  ganz 
zugestimmt  werden;  denn  die  Dampfentwicklung  kann  gerade  in  einem  Wasser- 
rohrkessel besonders  leicht  verändert  und  dem  Bedürfnis  angepaßt  werden. 
Selbstverständlich  verlangt  er,  wie  schon  oben  erwähnt,  eine  sorgfaltigere  Be- 
handlung und  Bedienung.  Nach  Sachsenberg  erfordert  die  Reinigung  der 
Wasserrohrkessel  auf  Binnenschiffen  mit  Einspritzkondensation  mehr  Zeit  und 
Kosten  als  bei  Walzenkesseln  *).  Bei  seinen  sonstigen  großen  Vorzügen  wird 
der  Wasserrohrkessel  in  Zukunft  aber  auch  für  die  Binnenschiffahrt  eine  ge- 
wisse Bedeutung  bekommen. 

Das  Gewicht  der  Dampfkessel  setzt  sich  nach  der  Hütte  (20.  Auflage,  IIi  S.  742)  all- 
gemein aus  a-If-{-d'^-{-C'R-\-ä»/?-\-e-\-Ifmkg  zusammen,  worin  J/  die  Heizfläche 
und  i?  die  Rostflttche  in  m«  bedeuten.     Für  die  Werte  a  bis  e  gilt  folgende  Tafel: 


a 
b 


Walzenkessel 
mit  Überdruck  von 

7  bis  10  Atm.      10  bis  15  Atm. 


Engrohrige 
Wasserrohr- 
kessel 


Kessel  mit  Bekleidung je  m'  // 

Grobe  Armatur  mit  Mauerwerk       .    je  m^  ^ 

(Bei  künstlichem  Zug  Howden) 1 

Feine  Armatur  und  innere  Rohre  .    je  m»  ^ ! 

Rauchkammer  und  Schornstein  .    .    je  m^  ^ 

Kesselwasser je  m»  // 


H5— »93 
800 — IIOO 

1500 — 1800 

190—200 

800—1000 

100 


193—235 

800 — IIOO 

1500 — 1800 
/  200 — 230  \ 

\bei  künsd.  Zug/ 

I     1000 — 1800    \ 

\sehr  große  Schiffe  / 

100 


50—60 
500—700 

HO — 150 

700—1000 
12  —  16 


Das  Gewicht  des  Kessels  mit  Ausrüstung  und  Schornstein  ohne  Wasser  kann  man  bei 
Binnenschiffen  mit  Dreifach- Expansionsmaschinen  je  indizierte  Pferdestärke  zu  75  bis  85  kg  an- 
nehmen, das  Gewicht  des  W^assers  zu  25  bis  30  kg. 

Im  Anschluß  an  die  Vorschriften  der  Reichsgewerbeordnung  {1869  und 
1873)  sind  unter  dem  17.  Dezember  1908  von  dem  deutschen  Bundesrat 
»Allgemeine  polizeiliche  Bestimmungen  über  die  Anlegung  von 
Schiffs  dam  fk  essein«    erlassen   worden,    die  sich   auf  den  Bau,  die  Aus- 


1}  Jahrbuch  der  Schiffbautechn.  Gesellschaft  1908,  S.  319. 


526  Abschnitt  LEI.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

rüstung,  die  Prüfung  und  die  Aufstellung  der  Kessel  beziehen.  Diesen  Be- 
stimmungen sind  ausführliche  »Material Vorschriften«  und  »Bauvorschriften« 
beigefügt,  die  über  alle  Blechstärkeni  Nietungen  u.  dgl.  genaue  Angaben  ent- 
halten, von  deren  Mitteilung  an  dieser  Stelle  abgesehen  werden  muß. 

Aus  den  polizeilichen  Bestimmungen  sollen  hingegen  einige  wichtige  Punkte  angeführt 
werden : 

Nach  §  3  müssen  die  Feuerzüge  oder  die  von  den  Heizgasen  berührten  Bleche  an  ihrer 
höchsten  Stelle  mindestens  loo  mm  unter  dem  festgesetzten  niedrigsten  Wasserstande 
liegen,  auch  wenn  das  Schiff  sich  imi  4°  nach  der  Seite  neigt.     (Bei  Seeschiffen  1 50  mm.) 

Nach  §  4  müssen  mindestens  2  voneinander  unabhängige  Speisevorrichtungen  vor- 
handen sein,  deren  jede  dem  Kessel  doppelt  soviel  Wasser  zuführen  kann,  als  beim  gewöhn- 
lichen Betriebe  erforderlich.  Bei  den  von  der  Hauptmaschine  angetriebenen  Pumpen  genügt  das 
i'/a  fache.  Handpumpen  sind  nur  zulässig,  wenn  das  Produkt  aus  der  Heizfläche  in  m^  und  der 
Dampfspannung  in  Atmosphären  Überdruck  die  Zahl  120  nicht  übersteigt. 

Die  nach  §  5  erforderlichen  beiden  Speiseleitungen  müssen  durch  ein  Rückschlagventil 
möglichst  nahe  am  Kessel  abgeschlossen  werden  und  femer  mit  je  einem  Sicherheitsventil  ver- 
sehen sein,  wenn  sie  mit  einer  von  der  Hauptmaschine  angetriebenen  Pumpe  zusammenhängen. 
§ie  müssen  ferner  möglichst  so  angeordnet  werden,  daß  auch  bei  undichtem  Rückschlagventil  eine 
Entleerung  des  Kessels  ausgeschlossen  ist. 

Nach  §  6  muß  zwischen  dem  Speiseventil  und  dem  Kessel  noch  eine  besondere  Absperr- 
vorrichtung vorhanden  sein  und  außerdem  eine  Vorrichtung  zum  Entleeren  des  Kessels. 

Im  §  7  werden  zur  Erkennung  des  Wasserstandes  mindestens  3  Vorrichtungen  verlangt, 
von  denen  2  Wasserstandsgläser  sein  müssen.  Diese  sind  in  einer  zur  Längsrichtung  des 
Schiffs  senkrechten  Ebene  in  gleicher  Höhe  und  Entfernung  von  der  Kesselmitte,  möglichst  weit 
von  ihr  nach  rechts  und  links  abstehend  anzubringen.  Die  Lichtweiten  der  Gläser  und  die  Boh- 
rungen der  Vorrichtungen  müssen  mindestens  8  mm  betragen.  Hähne  müssen  zum  Durchstoßen 
während  des  Betriebes  eingerichtet  sein.  Der  unterste  Probierhahn  (oder  Ventil)  muß  in  der 
Höhe  des  niedrigsten  Wasserstandes  liegen.  An  allen  Hähnen  muß  die  Durchgangsrichtung  deut- 
lich angezeichnet  sein.  Die  Gläser  sind  so  anzubringen,  daß  der  höchste  Punkt  der  Feuerzüge 
(§  3)  mindestens  30  mm  unterhalb  der  unteren  sichtbaren  Begrenzung  des  Glases  und  der  nied- 
rigste Wasserstand  nicht  höher  als  in  der  Mitte  des  Glases  liegt. 

Nach  §  8  ist  der  niedrigste  Wasserstand  an  der  Kesselwand  durch  eine  etwa  30  mm  lange, 
feste  Strichmarke,  die  durch  die  Buchstaben  N.  W.  begrenzt  wird,  zu  bezeichnen.  Femer  ist 
neben  oder  hinter  jedem  Wasserstandsglase  in  Höhe  der  Strichmarke  ein  Schild  mit  der  Auf- 
schrift »Niedrigster  Wasserstand«  nebst  einem  bis  nahe  an  das  Glas  reichenden  wagerechten 
Zeiger  anzubringen. 

Nach  §9  müssen  an  jedem  Kessel  wenigstens  2  Sicherheitsventile  angebracht  werden, 
die  jederzeit  zugänglich  sind  und  leicht  gelüftet  und  gedreht  werden  können.  Sie  dürfen  höch- 
stens so  belastet  werden,  daß  sie  beim  Eintritt  der  höchsten  Dampfspannung  den  Dampf  entweichen 
lassen  und  ihr  gesamter  Querschnitt  muß  so  viel  Dampf  abführen  können,  daß  die  fortgesetzte 
Spannung  höchstens  um  0,1  ihres  Betrages  überschritten  wird. 

§  10  verlangt  zwei  Manometer,  die  nach  Atmosphären  eingeteilt  sind  und  eine  deutliche 
Marke  der  höchsten  zulässigen  Spannung  tragen.  Das  eine  muß  sich  im  Gesichtskreise  des 
Kesselwärters,  das  andere  auf  Deck  befinden. 

In  §  II  ist  die  Anbringung  eines  Fabrikschilds  vorgeschrieben,  auf  dem  die  höchste 
Dampfspannung,  der  Name  und  Wohnort  des  Fabrikanten,  die  Fabriknummer,  das  Jahr  der  An- 
fertigrung  und  der  geringste  Abstand  des  niedrigsten  Wasserstandes  von  der  höchsten  Stelle  der 
Feuerzüge  in^mm  deutlich  angegeben  sind. 

Nach  §  12  muß  jeder  neue  oder  neu  zu  genehmigende  Kessel  von  dem  zuständigen  Sach- 
verständigen einer  Bauprüfung,  einer  Prüfung  mit  Wasserdruck  und  einer  Abnahme- 
prüfung unterzogen  werden.  Die  Wasserdruckprobe  erfolgt  bei  Kesseln  bis  zu  10  Atm.  Über- 
drack  mit  dem  i'/a  fachen  Druck,  bei  Kesseln  über  10  Atm.  mit  einem  um  5  Atm.  höheren 
Druck,  als  beabsichtigt  ist.  Unter  dem  Atmosphärendruck  wird  der  Dmck  von  i  kg  je  cm"  ver- 
standen. Nach  der  Prüfung  werden  die  Niete  des  Fabrikschilds  von  dem  Sachverständigen  mit 
einem  amtlichen  Stempel  versehen. 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  527 

§   13   ordnet  die  Dnickproben  nach  Hauptausbesserungen  des  Kessels  an. 

Nach  §  14  muß  an  dem  Manometerrohre  ein  Stutzen  zur  Befestigung  des  amtlichen  Doppel- 
manometers mit  bestimmten  Abmessungen  des  Flansches  angebracht  werden. 

§  15  schreibt  vor,  daß  die  Kessel  sorgfältig  im  Schiffe  zu  lagern,  sowie  gegen  seitliche 
Verschiebung  oder  Drehung  und  gegen  Verschiebung  nach  vom  oder  hinten  ausreichend  zu 
sichern  sind. 

Schließlich  sind  noch  Bestimmungen  über  die  Aufbewahrung  der  Kesselpapiere  und 
über  das  Kesselrevisionsbuch  erlassen  worden. 

Durch  die  Vereinbarung  der  verbündeten  deutschen  Regierungen  vom  3.  Juli  1890  ist 
außerdem  für  die  Freizügigkeit  der  Dampfkessel  innerhalb  des  Deutschen  Reiches  gesorgt  und 
gleichzeitig  bestimmt,  daß  jeder  Dampfschiffskessel  mindestens  alljährlich  einer  äußeren  und 
alle  zwei  Jahre  einer  inneren  amtlichen  Untersuchung  unterworfen  werden  soll.* 

Für  Preußen  gilt  ferner  das  Gesetz  vom  3.  Mai  1872  und  die  Ministeranweisung  vom 
9.  März  1900.  Diese  gibt  nähere  Vorschriften  über  das  Verfahren  bei  der  Genehmigung  und  bei 
der  regelmäßigen  technischen  Untersuchung  der  Dampfkessel.  Von  Wichtigkeit  ist,  daß  die  Zu- 
ständigkeit der  betreffenden  Behörden  von  dem  Heimathafen  des  Schiffes  abhängt.  Außerdem 
bezieht  sich  die  Anweisung  auf  die  Wirksamkeit  der  Dampfkessel-Überwachungsvereine  und  auf 
die  Gebühren. 

Zur  Sicherheit  des  Kesselbetriebs  sind  Unfallverhütungsvorschriften 
von  den  Binnenschiffahrt- Berufsgenossen  Schäften  erlassen  worden  und  ge- 
druckte Vorschriften  für  die  Kesselwärter  werden  im  Kesselraum  aufgehängt. 

Dampfmaschinen. 
Die  Entwickelung  der  modernen  Mehrfach-Expansionsma- 

schinen.  Bei  den  ersten  Kraftmaschinen,  den  Luftdruckmaschinen 
(atmosphärische  Dampfmaschinen,  vgl.  S.  88)  wirkte  auf  die  Abwärtsbewe- 
gung des  Kolbens  allein  der  natürliche  Luftdruck  (eine  Atmosphäre  =  760  mm 
Quecksilberhöhe)  mit  etwa  i  kg  auf  i  cm'*.  Unter  dem  Kolben  wurde 
durch  Kondensation  von  Wasserdampf  eine  Luftverdünnung  (Vakuum)  erzeugt, 
die  höchstens  bis  zu  0,8  ging,  so  daß  unter  dem  Kolben  ein  Gegendruck 
von  etwa  0,2  kg  blieb  und  die  wirksame  Kraft  also  1  —  0,2  =  0,8  kg  je  cm' 
betrug.  Diese  Maschinen  wirkten  allein  durch  Kondensation.  Watt  setzte 
an  die  Stelle  des  Luftdrucks  den  Dampfdruck  und  ließ  diesen  nicht  nur  auf 
eine  Seite  des  Kolbens,  sondern  abwechselnd  auf  beide  Seiten  wirken.  So 
erfand  er  die  doppelt  wirkende  Dampfmaschine.  Anfangs  trat  der  Dampf 
während  der  ganzen  Dauer  des  Kolbenhubs  in  den  Zilinder  ein  und  das 
Zuleitungsrohr  wurde  erst  geschlossen,  wenn  der  Hub  beendigt  war  und  der 
Dampf  auf  die  andere  Kolbenseite  wirken  sollte.  Watt  erfand  1778  die  Ex- 
pansion, indem  er  den  Dampf  nur  während  eines  Teils  des  Kolbenhubs 
(bis  auf  ein,  zwei  oder  drei  Viertel  seines  Weges)  durch  den  Schieber  eintreten 
ließ.  Der  Dampf  dehnt  sich  dann  im  Zilinder  bei  dem  weiteren  Fortschreiten 
des  Kolbens  aus  (expandiert)  und  verläßt  den  Zilinder  mit  möglichst  nied- 
riger Spannung.  Durch  diese  Erfindung  wird  die  Spannung  des  Dampfes 
mehr  ausgenutzt  und  eine  erhebliche  Ersparnis  an  Brennstoff"  herbeigeführt. 
Die  Vorrichtungen  zur  Regelung  des  Dampfeintritts  und  -austritts  nennt 
man  die  Steuerung  der  Dampfmaschine.  Sie  wird  bei  den  Schiffsmaschinen 
in  der  Regel  durch  Schieber  (Flachschieber,  Muschelschieber,  Kolbenschieber) 


528  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschüfe. 

bewirkt,  ausnahmsweise  durch  Ventile  (z.  B.  von  Gebrüder  Sulzer  in  Winter- 
thur).  Zur  Bewegung  der  Schieber  werden  meistens  exzentrische  Scheiben 
auf  der  Kurbelwelle  benutzt.  Doch  kommen  auch  andere  Steuerungen  vor, 
z.  B.  bei  Raddampfern  die  Joy-Steuerung,  die  von  den  Schubstangen  der 
Kurbel  ausgeht.  Zur  Regelung  der  veränderlichen  Expansion  (des  Füllungs- 
grrads  S.  507)  dienen  oft  noch  besondere  Expansionsschieber  in  verschie- 
denen Anordnungen.  Ein  besonders  fiir  Schiffsmaschinen  wichtiger  Teil  ist 
die  Umsteuerung,  d.  i.  die  Vorrichtung,  um  der  Kurbelwelle  eine  andere 
Drehrichtung  zu  geben,  das  Schiff  also  vorwärts  oder  rückwärts  gehen  zu 
lassen.  Meistens  verwendet  man  dazu  Kulissensteuerungen  (von  Stephenson, 
Gooch,  Heusinger  usw.),  wie  sie  auch  bei  den  Lokomotiven  üblich  sind.  Zur 
Bewegung  der  Kulisse  ist  fast  immer  noch  eine  zweite  exzentrische  Scheibe 
auf  der  Kurbelwelle  erforderlich.  Es  werden  aber  auch  Lenkersteuerungen 
angewendet  (z.  B.  von  Klug  und  Marshall),  die  nur  eine  Exzenterscheibe 
brauchen. 

Die  älteren  Maschinen  seit  Watt  hatten  Einspritzkondensation,  die 
noch  heute  am  meisten  verbreitet  und  in  der  Binnenschiffahrt  fast  ausschließ- 
lich benutzt  wird.  Der  verbrauchte  Dampf  wird  aus  dem  Zilinder  in  einen 
Behälter,  den  Kondensator,  geleitet,  wo  er  durch  Einspritzen  von  kaltem 
Wasser  kondensiert,  also  wieder  zu  Wasser  gemacht  wird.  Das  hierzu  nötige 
Kühlwasser  wird  unmittelbar  durch  ein  Ventil  im  Schiffsboden  aus  dem  Fahr- 
wasser entnommen.  Das  aus  dem  Dampf  gewonnene  Wasser  wird  mit  dem 
verbrauchten  Kühlwasser  (Kondenswasser)  durch  die  Luftpumpe  über  Bord 
geschafft,  so  weit  es  nicht  zur  Kesselspeisung  verwendet  wird.  Diese  Pumpe 
wird  meistens  stehend  angeordnet  und  entweder  von  der  Kurbelwelle  oder 
von  einer  Schubstange  angetrieben. 

Bis  etwa  zum  Jahre  1850  kannte  man  nur  Niederdruckmaschinen,  die 
mit  einer  Dampfspannung  von  2  bis  3  kg  je  cm*  arbeiteten.  Sie  hatten  einen 
hohen  Kohlenverbrauch  von  2,5  bis  3  kg  Kohlen  je  Stunde  und  Pferde- 
stärke. Eine  Steigerung  des  Dampfdrucks  war  bei  der  Anwendung  der  Ein- 
spritzkondensation auf  den  Seeschiffen  nicht  ausführbar,  weil  dabei  viel  Salz 
mit  dem  Speisewasser  in  den  Kessel  gelangte  und  zu  starker  Kesselstein- 
bildung führte,  sobald  die  Wärme  des  Kessel wassers  über  144°  C  stieg.  Der 
Kesselstein  in  stärkerer  Schicht  führt  aber  zu  großer  Betriebsgefahr,  weil 
die  damit  bedeckten  Blechteile  leicht  glühend  werden  können.  Durch  den 
Oberflächenkondensator  (Halls  Patent  von  1834,  etwa  seit  1860  allgemein 
eingeführt)  wurden  diese  Bedenken  beseitigt,  und  es  konnten  Hochdruck- 
maschinen (S.  504)  nicht  nur  auf  Flußschiffen,  sondern  auch  auf  Seeschiffen 
Verwendung  finden.  Ein  Oberflächenkondensator  besteht  aus  einer  großen 
Zahl  enger  Rohre,  die,  ähnlich  wie  ein  Dampfkessel,  von  einem  Mantel  um- 
schlossen sind.  Man  läßt  das  Kühlwasser  entweder  durch  die  Rohre  oder 
durch  die  Zwischenräume  gehen.  Da  hierbei  weniger  Luft  als  bei  der  Ein- 
spritzung in  den  kondensierten  Dampf  gelangt,  kann  man  auch  eine  größere 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  529 

Luftverdünnung,  bis  zu  0,95,  erreichen,  so  daß  im  Zilinder  der  Gegendruck 
auf  0,05  kg  sinkt.  Damit  ist  eine  merkliche  Ersparnis  an  Brennstoff  verbunden. 
Die  Hochdruckmaschinen  mit  5  und  6  kg  Dampfspannung  und  Expan- 
sion in  einem  Zilinder  brachten  nur  eine  Verminderung  des  Kohlenverbrauchs 
um  0,1  bis  0,12,  weil  bei  dem  stärkeren  Wärmegefalle  im  Zilinder  eine  be- 
deutende Kondensation  eintrat,  zumal  man  bei  diesen  Maschinen  die  Überhitzung 
(S.  509)  wieder  aufgegeben  hatte.  Der  Übelstand  wurde  durch  die  Expansion 
in  2  Zilindem  bei  der  Verbundmaschine  beseitigt,  die  durch  Eider  in 
Gla^ow  in  der  Mitte  der  fünfziger  Jahre  eingeführt  wurde. 

Diese  Maschine  war  schon  im  Jahre  1829  von  Roentgen  in  Rotterdam  (vgl.  S.  95,  Fuß- 
note) erfunden  und  bei  einigen  Raddampfern  ausgeführt  worden.  Auch  die  «Gute  Hoffnungs- 
Hütte«  hatte  im  Jahre  1838  für  >König  von  Preußen«  die  erste  deutsche  Verbundmaschine  mit 
schwingenden  Zilindem  gebaut,  und  auf  der  Wolga  waren  im  Jahre  1903  noch  3  Schiffe  mit 
solchen  Maschinen  im  Betrieb,  die  1845  gebaut  waren').  Aber  diese  Erfindung  war  in  Ver- 
gessenheit  gekommen,  bis  sie  von  England  etwa  1860  wieder  nach  Deutschland  kam. 

Die  Einrichtung  besteht  darin,  daß  der  frische  Dampf  zuerst  mit  geringer 
Expansion  in  dem  kleinen  Zilinder  arbeitet,  dann  in  einen  Behälter  tritt,  der 
Aufnehmer  (Receiver)  genannt  wird,  und  aus  diesem  in  den  großen  Zilinder 
gelangt,  wo  er  unter  weiterer  Expansion  fortarbeitet.  Beide  Kolbenstangen 
wirken  an  derselben  Welle;  aber  ihre  Kurbeln  sind  um  90°  gegeneinander 
versetzt,  so  daß  es  keinen  toten  Punkt  gibt.  Damit  war  eine  gut  fiir 
Schiffe  geeignete  Maschine  geschaffen.  Man  hatte  sich  bis  dahin  mit  Zwil- 
lingsmaschinen beholfen,  die  beide  ganz  gleich  angeordnet  und  ange- 
trieben wurden,  aber  mit  versetzten  Kurbeln  an  derselben  Welle  wirkten. 
Sie  haben  einen  größeren  Kohlen ver brauch ').  Vom  Jahre  1875  an  wurden 
die  Verbundmaschinen  überall  eingeführt,  und  man  baute  sie  fiir  Schrauben- 
dampfer stehend,  als  sogenannte  Hammermaschinen  (wegen  der  Ähn- 
lichkeit mit  dem  Dampfhammer).  Das  Verhältnis  der  Durchmesser  der 
beiden  Zilinder  war  anfangs  1:3,  später  i  :  4.  Ende  der  siebziger  Jahre 
kam  man  auf  eine  Dampfspannung  von  6  kg  je  cm*  und  auf  einen  Kohlen- 
verbrauch von  1,25  bis  I  kg  je  Stunde  und  Pferdestärke.  Bei  der  wachsenden 
Größe  der  Maschinenleistungen,  die  in  dieser  Zeit  schon  bis  zu  5000  Pferde- 
stärken gingen,  bekamen  die  Niederdruckzilinder  sehr  bedeutende  Abmes- 
sungen, die  wegen  der  starken  Kondensation  zu  hohen  Dampfverlusten  fiihrten. 
Man  teilte  darum  den  Niederdruckzilinder  und  baute  seit  1881  Verbund- 
maschinen mit  drei  Zilindern,  deren  Kurbeln  man  unter  120^  versetzte. 
Bei  einem  Dampfdruck  von  7  bis  8  kg  erreichte  man  damit  einen  Kohlenver- 
brauch von  0,87  kg.     Der  Dampfdruck  wurde   weiter  gesteigert,   sobald  es 


1}  Matschoss,  Entwickelung  der  Dampfmaschine.     Berlin  1908. 

2)  Die  sogenannte  W  o  o  1  fs  c  h  e  Maschine,  die  am  Anfang  der  fünfziger  Jahre  eingeführt 
wurde,  darf  mit  der  Verbundmaschine  nicht  verwechselt  werden.  Auch  bei  ihr  tritt  zwar  der 
Dampf  aus  dem  kleinen  Zilinder  behufs  weiterer  Expansion  in  den  großen  Zilinder,  aber  un- 
mittelbar, ohne  den  zwischenliegenden  Aufoehmer.  Die  Kurbeln  stehen  um  i8o<*  gegeneinander, 
so  daß  die  Maschine  einen  toten  Punkt  hat.  Sie  ist  auch  als  Schiffsmaschine  versucht  worden, 
aber  nur  als  Zwillingsmaschine  mit  4  Zilindem. 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  24. 


530  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

gelang,   einwandfreie  Dampfkessel  dazu  herzustellen.     In  neuerer  Zeit  ist  es 
üblich,  bei  Verbundmaschinen  einen  Druck  von  lo  bis  12  kg  anzuwenden. 

Die  vorbeschriebene  Maschine,  deren  3  Kurbeln  einen  ruhigeren,  gleich- 
mäßigen Gang  bewirkten,  war  die  Vorläuferin  zu  der  Dreifach-Expansions- 
maschine,  die  eine  weitere  Verteilung  der  Expansion,  also  eine  bessere  Aus- 
nutzung des  Dampfes  ermöglichte.  Solche  Maschinen  waren  schon  in  den 
siebziger  Jahren  in  Frankreich  und  England  gebaut  worden,  fanden  aber 
wenig  Nachahmung,  weil  sie  bei  dem  geringen  Dampfdruck  von  7  bis  8  kg, 
den  die  damals  gebauten  Kessel  erlaubten,  keinen  wirtschaftlichen  Fortschritt 
ergaben.  Am  Anfang  der  achtziger  Jahre  gelang  es,  Kessel  für  Spannungen 
von  10  bis  II  kg  herzustellen  und  hiermit  erhielt  auch  die  Dreifach-Expan- 
sionsmaschine  ihre  wirtschaftliche  Berechtigung.  In  Deutschland  wurden  die 
ersten  Maschinen  dieser  Art  von  Schieb  au  in  den  Jahren  1882  imd  1883 
gebaut.  Ihre  großen  Vorzüge,  die  in  größerer  Leistung,  geringerem  Dampf- 
verbrauch und  kleinerem  Gewicht  bestehen,  veranlaßten  seit  1883  ihre  An- 
wendung auf  den  Torpedobooten. 

Im  Jahre  1887  wurden  Schiffe  mit  solchen  Maschinen  von  etwa  1000  Pferde- 
stärken versehen,  die  bei  einer  Dampfspannung  von  1 1  kg  nur  0,78  kg  Kohlen 
verbrauchten,  und  schon  Mitte  der  neunziger  Jahre  erreichte  man  mit  Dampf- 
spannungen von  13  bis  14  kg  in  großen  Maschinen  von  etwa  1 0000  Pferde- 
stärken unter  Benutzung  von  Dampfmänteln  und  großer  Luftleere  bei  Probe- 
fahrten einen  Kohlenverbrauch  von  0,65  kg.  Ähnlich  wie  früher  bei  den 
Verbundmaschinen  wird  auch  bei  den  Dreifach-Expansionsmaschinen  der 
Niederdruckzilinder  von  sehr  starken  Maschinen  wegen  der  unbequemen, 
nachteiligen  Größe  geteilt,  so  daß  man  4  Zilinder  bekommt  Man  geht  bei 
diesen  Maschinen  heute  bis  zu  einer  Dampfspannung  von  17  kg  je  cm*. 

Gegenüber  der  Verbundmaschine  gibt  die  Dreifach-Expansionsmaschine 
bei  sonst  gleichen  Umständen  eine  mittlere  Kohlenerspamis  von  0,17;  ob- 
wohl dieser  ein  höheres  Anlagekapital  und  kostspieligere  Unterhaltung  und 
Bedienung  gegenüber  stehen,  baut  man  sie  heute  zuweilen  schon  fiir  1 50  Pferde- 
stärken. 

Die  erste  Vierfach-Expansionsmaschine  wurde  im  Jahre  1884  in 
Amerika  gebaut,  fand  aber  erst  gegen  Ende  der  neunziger  Jahre  Verbreitung, 
als  man  Kessel  für  15  bis  16  kg  Spannung  herstellen  konnte.  Gewöhnlich 
ordnet  man  sie  mit  4  Zilindem  und  4  Kurbeln  an,  die  man  entweder  unter  90° 
oder  dem  Schlickschen  Massenausgleich  entsprechend  gegen  einander  ver- 
setzt, um  die  Schwingungen  des  Schiffskörpers  zu  vermindern.  Oft  muß  man 
bei  starken  Maschinen  auch  hier  den  Niederdruckzilinder  teilen,  so  daß  man 
5  Zilinder  bekommt,  die  entweder  auf  3  oder  auf  4  Kurbeln  verteilt  werden. 
Die  mit  diesen  Maschinen  etwa  bis  zum  Jahre  1903  erreichten  Kohlenerspar- 
nisse waren  im  Verhältnis  zu  der  Dreifach-Expansionsmaschine  nicht  so  be- 
deutend wie  der  Vorteil  jener  gegen  die  Verbundmaschine.  Selbst  bei  den 
besten   und   größten  Ausführungen   kam    man   bei    den  Probefahrten   nicht 


2.  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  531 

unter  etwa  0,6  kg.  Das  Wärmegefälle  war  bei  16  kg  Dampfspannung  für  die 
vierstufige  Expansion  noch  zu  klein,  um  bei  kleineren  Maschinen  merkliche 
Kohlenersparnisse  hervorzubringen  und  dadurch  die  erhöhten  Beschaffungs- 
und Unterhaltungskosten  zu  rechtfertigen.  Gegenüber  den  Dreifach-Expan- 
sionsmaschinen  wird  auch  Gewicht  und  Raumbedarf  gröOer.  Anders  liegen 
heute  (191 1)  die  Verhältnisse,  nachdem  es  gelungen  ist,  aus  haltbarem  Stahl 
zuverlässige  Kessel  für  eine  Dampfspannung  von  2 1  kg  zu  bauen  und  es  steht 
zu  erwarten,  daß  die  Vierfach-Expansionsmaschine  noch  größere  wirtschaft- 
liche Vorteile  bieten  wird,  wenn  man  noch  höhere  Dampfspannungen  an- 
wenden kann.  Es  scheint  nicht  unwahrscheinlich,  daß  man  in  Zukunft  mit 
Dampfiiberhitzung  noch  auf  einen  geringeren  Dampfverbrauch  als  0,435  ^S 
je  Stunde  und  Pferdestärke  kommen  wird,  wie  im  Jahre  1905  über  die 
Dampfschiffe  der  »Inch« -Linie  berichtet  wurde').  Dabei  war  außer  Über- 
hitzung auch  eine  sorgfältige,  weitgehende  Vorwärmung  des  Speisewassers 
und  der  Verbrennungsluft  vorgesehen. 

Die  vorstehenden  Mitteilungen  beziehen  sich  vorwiegend  auf  die  verhält- 
nismäßig großen  und  starken  Maschinen  der  Seeschiffe.  Bei  der  Binnen- 
schiffahrt kommen  teilweise  andere  Umstände  in  Frage,  die  nachstehend  für 
die  einzelnen  Arten  von  Dampfschiffen  untersucht  werden  sollen. 

Die  Dampfturbinen  werden  voraussichtlich  wegen  ihrer  hohen  Umlaufzahlen  in  abseh- 
barer Zeit  für  die  Binnenschiffahrt  keine  Bedeutung  erhalten.  Es  ist  deshalb  von  ihrer  Be- 
schreibung abgesehen  worden. 

Die  Schraubendampfer  der  Binnenschiffahrt  werden  allgemein 
mit  Hammermaschinen  versehen.  Bei  kleinen  Schiffen,  wo  es  weniger  auf 
Ersparnis  an  Brennstoff  als  auf  geringen  Tiefgang  ankommt,  vermindert  man 
das  Maschinengewicht,  indem  man  die  Kondensationseinrichtungen  fortläßt 
und  die  Hochdruckmaschine  mit  Auspuff  arbeiten  läßt.  Dies  ist  be- 
sonders bei  Dampfbarkassen  (Aufsichtsbooten  u.  dgl.)  üblich.  In  diesem 
Falle  wendet  man  zuweilen  auch  nur  einen  Zilinder  an  und  setzt  auf  die 
Kurbelwelle  ein  kleines  Schwungrad.  Häufiger  und  zweckmäßiger  ist  aber 
die  Wahl  einer  Verbundmaschine.  Schraubendampfer  von  erheblicher  Größe 
(mit  einer  oder  zwei  Schrauben)  zum  gewerblichen  Betriebe  werden  in  der 
Regel  mit  Verbundmaschinen  und  Kondensation  ausgerüstet. 

In  den  Abb.  409  bis  411  ist  eine  solche  Maschine  von  45  Pferdestärken  dargestellt,  die 
etwa  200  Umdrehungen  je  Minute  macht.  Über  der  1,06 -0,88  m  großen  gußeisernen,  mit  Rippen 
verstärkten  Grundplatte  a  sind  mittels  2  gußeiserner  Frame  d  und  2  stählerner  Säulen  c  die 
beiden  Dampfzilinder  d  angeordnet.  Der  Hochdruckzilinder  hat  160  mm,  der  Niederdruck- 
zilinder  280  mm  Durchmesser;  der  Hub  ist  200  mm,  der  Dampfdruck  10  kg  je  cm^.  Die 
Zilinder  werden  mit  den  beiden  Schieberkästen  und  dem  Aufnehmer  (Receiver)  zusammen  aus 
zähem,  feinkörnigem  Gußeisen  hergestellt  und  vor  dem  Einbau  in  der  Werkstatt  gewöhnlich 
einer  Wasserdruckprobe  unterworfen,  um  die  Dichtigkeit  und  Widerstandsfähigkeit  zu  prüfen. 
Um  sie  gegen  Abkühlung  zu  schützen,  umwickelt  man  sie  mit  Filz  oder  Kieseiguhr  und  legt 
meistens   noch  Glanzstahlblech  darüber.     Die  Zilinder  werden  mit   Hähnen  {v)   zum  Ausblasen 


I)  Tee  hei  und  N  arten,   Fortschritt  in   den  Mitteln  zum  Fortbewegen  der  Schiffe.     Be- 
richt zum  10.  Int.  Schiff.-Kongreß  in  Mailand,  1905. 

34* 


Absetinitt  in.     Schiffe  mit  eieeuer  Triebkraft,  KrafCschiffe. 


Verbimdiiuschiiie  von  4;  PSi,  Abb.  409  bis  411.    1:20. 
Abb.  40g.  Abb.  410. 


Abb.  411.     Grundriß.  den  NiederdruckzUinder  und   geht  zu  der 

Laftpumpe  /,  um  nach  Vennischong  mit 
dem  Eiospriti Wasser  durch  das  Rohr  /  über  Bord  geschafft  eu  werden,  so  weit  es  nicht  lut 
Kessel speiäung  gebraucht  wird. 

Die  Luftpumpe  wird  in  der  Reget  einfach  wirkend  angeordnet  and  aus  einem  goßeisemcD 
Gehtiuse  mit  einem  Eiusatzziliiider  aus  Metall  versehen,   in  dem   sich  der  metallene  Kolben  mit 


3,  Krnftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschifle.  633 

Hanflidening  bewegt.  Die  Ventilsitze  werden  aus  Metall,  die  Ventile  aua  Gummi  hergestellt. 
Die  Kolbenstange  wird  bei  m  gerade  gefilhrt  und  durch  ein  Qaerhaupt  and  doppelte  iweiarmlge 
Hebel  ri  (Balancier;  von  dem  Kreuzkopf  g  angetrieben. 

Die  Umsteaenmg  erfolgt  durch  den  Handhebel  x  nach  der  Anordnung  von  Klug  durch  je 
ein  auf  der  Weite  sitzendes  Exzenter,  die  Steuerwelle  y  und  die  gekrümmten  Exzenterstangen  z, 
die   mit   den   Schiebers taogen   verbunden  siod.     Durch    die    in  der  Regel   angewandten   Flach- 


Abb.  41a.     Verbundmaschine  von  etwa  60  FSi. 

Schieber  kann  im  Hochdruckzilinder  eine  Füllung  von  0,4  bis  0,7  gegeben  werden.  Gewähn- 
lich arbeitet  die  Maschine  mit  0,5  Füllnng  und  mit  überhitztem  Dampf.  Auf  S.  506  waren  die 
dazu  gehörenden  Indikatorscbaulinien  mitgeteilt  worden.  Am  Ende  der  Welle  (rechts  in  Abb.  411) 
ist  eine  Schraubenrad  Übersetzung  bei  y  [nicht  sichtbar)  angeordnet,  wodurch  die  Welle  r  ge- 
dreht wird,  die  an  ihren  beiden  Enden  durch  kleine  Kurbeln  1  die  Speisepumpe  (  und  die 
Lenzpumpe  u  antreibt.  Der  Kohl  env  erb  rauch  bei  Überhitiung  iit  0,9  kg.  In  Abb.  4II  ist  ein 
Übersichtliches  Bild  einer  Verbundmaschine  ohne  Kondensation  mitgeteilt. 


534 


Abschnitt  Dl.     SchiiTe  mit  elgeoer  Tiieblcraft,  Krefiscbiffe. 


Schon  bei  etwa  150  indizierten  Pferdestärken  wendet  man  heute  mit 
Erfolg  die  Dreifach-Expanstonsmaschine  an.  In  nachstehender  Tafel 
sind  die  Abmessungen  von  einigen  neueren  Schraubenschiffsmaschinen  zu- 
sammengestellt, die  mit  gewöhnlichem  feuchtem  Dampf  arbeiten. 


1 

1      ludUierte 

1  Pferdeätlrlien 

SpuiDUDg  in 
kg  je  cm» 

Umdrehungen 
je  Minute 

Hoch-    1    Mittel-    1   Nieder- 

Kolben- 

Nr. 

hub 

I 

* 

3 

4         !         5         ■         6 

7 

>50 

lÖ 

SM 

,90 

190 

450 

aSo 

16 

230 

MO 

3SO 

Sao 

3»o 

100 

'3 

■  So 

»45 

380 

600 

3SO 

250 

17 

Z3.0 

110 

350 

S40 

3»» 

300 

"5 

iSo 

a7o 

4SO 

700 

400 

6 

j          300 

"7 

300 

ISO 

390 

61a 

320 

7 

4SO 

>5 

iSo 

3'o 

475 

780 

4SO 

Abb.  413.     Dreiftcta-Eipansionsmaschine,  Lingeoschnitt 


I.  Kraftschifie  mit  Dampfinaschinen,  Dsmpfschiife.  535 

Mit  Ausnahme  der  unter  3  aufgeführten  Maschine,  die  sich  auf  einem 
Eisbrecher  befindet,  sind  die  übrigen  sämtlich  für  Schleppdampfer  erbaut 
worden.  Gewöhnlich  gibt  man  den  Hochdruckzilindern  dieser  Maschinen 
0,6  Füllung. 

In  dcD  Abb.  413  UDd  414']  sind  sealirechte  Schnitte  durcli  die  Mitte  der  Zilinder  einer 
Dreiracb-Expnnsionsmaschine  dargestellt,  die  sehr  anschaulich  sind.  Die  Anordnung  ist  im  vresenl- 
licben  dieselbe,  wie  bei  der  vorbeschrie- 
benen Verbundmaschine.  Aber  hier  ist  an 
Stelle  der  Einspiitzkondensation  Oberflachen- 
kondensation angewandt,  was  bei  Binnen- 
schiffen erforderlich  wird,  wenn  sie  in  Fluß- 
mündungen oder  in  den  Watten  verkehren, 
wo  sie  das  für  die  Kessel  schädliche  See- 
wasser nicht  benutzen  können.  Zuweilen 
bekommen  solche  Schiffe  die  Einrichtung, 
daß  sie  nach  Bedarf  entweder  mit  Ein- 
spritzUDg  oder  mit  OberflHchenkondensation 
arbeiten.  In  den  Zeichnungen  stellt  O  den 
Oberfllehenkondensator  und  /.  die  Luft- 
pumpe dar,  die  auch  hier  durch  einen 
Doppelhehel  von  dem  Kreuzkopf  des  Nieder- 
dmckiilinders  angetrieben  wird. 

Der  Schieber  filr  den  Hochdrack- 
zilinder  loben,  rechts]  ist  als  Kolbenschieber 
ausgebildet,  der  vom  Dampfdruck  entlastet 
ist,  und  bei  hohem  Druck  und  bei  über- 
hitztem Dampf  gewöhnlich  angewendet 
wird.  Die  Umsteuerung  der  Maschine  wird 
durch  Kulissen  bewirkt.  Für  jeden  Schieber 
sind  1  Exzenter  auf  der  Welle  angebracht. 

Durch    das    etwa    in    der   Mitte    sichtbare  Abb.  414.     Querschnitt. 

Handrad   wird   diese   Umsteuerung   bedient. 

Bei  der  weiteren  Entwickelung  der  kräftigen  Schraiibenschleppdampfer  mit 
Tunnelheck  und  bei  der  Anwendung  höherer  Dampfspannungen  ist  man  auch  in 
der  Binnenschiffahrt  schon  zur  Vierfach-Expansionsmaschine  gekommen. 

Die  in  Abb.  415  dargestellte  Maschine  arbeitet  mit  einer  Dampfspannung  von  ji  kg  je 
cm'  und  entwickelt  bei  0,65  Füllung  im  Hochdnickiilinder  373  PSi.  Die  Zilinderdurchmesser 
betragen  260 — 335 — 550— 710  roro.  der  Hub  320  mm.  Die  Umdrehungszahl  ist  195.  Die  Ma- 
schine i^t  im  Jahre  1910  von  Cäsar  Wollheim  in  Breslau  für  einen  EInschraubenscblepper  auf 
der  Elbe  gebaut.     Der  geringste  Kohlen  verbrauch  ist  o.bj^  kg. 

Die  Maschinen  der  Seitenraddampfer  sind  im  geschichtlichen 
Rückblick  (S.  91)  lur  die  ersten  Dampfschiffe  besprochen  worden.  Dort  ist 
auch  erwähnt  (S.  ii8j,  daD  die  von  John  Penn  in  Greenwich  gebauten 
schwingenden  Maschinen  (oszillierende)  am  Anfang  der  vierziger  Jahre 
auf  der  Eibe  bekannt  wurden. 

Die  Erfindung  dieser  Maschinenanordnnng  reicht  bis  in  das  Jahr  1S20  zurück  und  ist  schon 
im  Jahre  iSiä  mit  2  Ziltndem  zur  Ausfuhrung  gelangt.  Die  Einführung  auf  Dampfschiffen  wurde 
jedoch  erst  dureh  Penn  erreicht.  Auf  der  Themse  fuhren  die  ersten  damit  ausgerüsteten  Schiffe 
1S40,  auf  dem  Rhein  1845.     (Die  Zitinder  standen  meistens  senkrecht.] 

1)  Alls  Meyers  Konversalions-Lexikon  entnommen.     [Band  IV,  S.  454,) 


536  Abschnitt  UL     Schiffe  mit  eigeaer  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

In  der  Abb.  416  ist  eine  solche  MaschineoBDlage  (aus  Matschoss)  dargestellt,  die  1855  id 
Buckau-Magdeburg  gebaut  wurde.  Die  Luftpumpe  ist  seokrecht  io  der  Mitte  angeordaet.  Ein 
Vorzug  dieser  Maschinen  besteht  darin,  daß  die  Kolbenstangen  UDmitlelbar  an  dervribcn 
Kurbel  der  Radwelle  angreifen.  Sie  beanspruchen  auch  wenig  Raum,  was  filr  Personen'  und 
Gütcrdampfei  von  Bedeutung  i^t.  Aber  die  Zuführung  des  Dampfs  durch  die  Schwungzapfen- 
lager  bereitet  Schwierigkeiten.  Auberdem  wird  fdr  stärkere  Maschinen  eine  große  Höhe  des 
Raumes  unter  Deck  erforderlich  »od  eine  Hüberlegung  der  Radtvelle,  wodurch  man  zu  groben 
Raddurcbmessem  kommt.     Trotz  dieser  MSngel  fanden  die  schirtugenden  Maschinen  uamenllich 


Abb.  415.     Vierfach-Eipaosionsmaschine  von  370  PSi. 

in  Europa  allgemeine  Verbreitung  und  haben  sich  auf  schnell  fahrenden  Feraoaendampfem  mit 
sehr  kleinem  Tiefgang  besonders  um  ihres  geringen  Gewichts  willen  lange  erhalten.  Noch  heute 
laufen  solche  Personen  schiffe  auf  der  oberen  Elbe  and  auf  den  italienischen  Seen,  und  im  Jahre 
1S97  wurde  fiir  den  neu  gebauten  Personendampfer  •I^anyfalui  auf  der  Donau  von  der  Schichauer 
Werft  eine  schwingende  Verbundmaschine  von  300  Pferd estSrken  geliefert. 

Seit  dem  Jahre  1870  ist  die  schrägliegende  Maschine  ebenso  herr- 
schend geworden  für  die  Raddampfer,  wie  die  Hammemiaschine  fiir  die 
Schraubendampfer.  Im  Jahre  1830  soll  diese  Anordnung  in  Amerika  versucht 
sein;  sie  kam  aber  in  Europa  erst  im  jähre  1853  mit  dem  in  London  gebauten 


2.  Krftftscfaifle  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


537 


Rheindampfer  »Hohenzollem«  zur  Einführung.  In  Deutschland  war  es  nament- 
lich die  Werft  von  Gebrüder  Sachsenberg  in  Roßlau,  die  diese  Maschine 
gut  entwickelte,  Sie  baute  sie  im  Jahre  1873  zuerst  als  Verbundmaschine, 
bei  der  sich  die  beiden  Zilinder  gegenüberlagen.  Die  Maschine  hatte  760  mm 
Hub  und  leistete  bei  einer  Dampfspannung  von  6  kg  je  cm'  130  Pferdestärken. 
Bei  den  später  gebauten  Maschinen  wurden  die  Zilinder  nebeneinander  ge- 
legt, und  diese  Anordnung  ist  bis  heute  beibehalten. 

In  den  Abb.  417  und  418»)  ist  eine  solche  Maschine  von  1250  Pferdestärken  dargestellt: 
<Ji  und  Oi  sind  die  äußeren  Teile  der  Welle,  welche  außenbords  die  Räder  tragen,  b  ist  die 
Kurbelwelle.  Zur  Unisteuerung  dienen  Stephensonsche  Kulissen  r,  die  durch  eine  kleine  Um- 
steuerungsdampfmaschine d  mittels  Schneckenradgetriebe,  Steuerwelle  und  Hebeln  bewegt  werden. 


T"'<'''j'"/ 


Abb.  416.     Maschine  mit  schwingenden  Zilindem  i  :  37. 


Oft  wird  die  Umsteuerung  allein  durch  ein  Handrad  und  eine  Schraubenspindel  bewirkt.  (Früher 
hatte  man  auch  hydraulische  Umsteuervorrichtungen.)  Am  Hochdruckzilinder  (unten  in  der  Zeich- 
nung) bemerkt  man  noch  ein  drittes  Exzenter,  das  einen  besonderen  Expansionschieber  bewegt. 
Der  Abdampf  gelangt,  nachdem  er  den  Vorwärmer  e  für  das  Speisewasser  durchströmt  hat,  in 
den  Einspritzkondensator  /*,  dessen  wagerecht  liegende  Luftpumpe  durch  Hebelübersetzung  von 
dem  Kreuzkopf  des  Niederdnickzilinders  getrieben  wird. 

Etwa  im  Jahre  1885  war  man  mit  diesen  Maschinen  bis  zu  einem 
Dampfdruck  von  10  kg  je  cm'  gekommen  und  ging  dann  bei  größeren 
Maschinen  über  700  Pferdestärken  zu  höherem  Dampfdruck  und  zur  Dreifach- 
Expaasion  über.  Gebrüder  Sachsenberg  bauten  im  Jahre  1883  die  erste 
schräg  liegende  Maschine  nach  dieser  Anordnung,  zunächst  fiir  einen  Dampf- 
druck von  11,5  kg.  Da  wegen  ungenügender  Breite  des  Schiffes  die  3  Zilinder 
nicht  nebeneinander  Platz  fanden,  teilte  man  den  Niederdruckzilinder  in  zwei, 

i)     Aus  Meyers  Konversations-Lexikon.     (Band  IV,  S.  454) 


Abschnitt  m.     Schüfe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 
Schrllgliegendc  Verbundmaschine  von  iz^o  FSi,  Abb.  417  und  418. 


Abb.  417,     Seitenansicht, 


Abb.  418.     Giundriß. 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


539 


von  denen  je  einer  hinter  den  Hochdruck-  und  hinter  den  Mitteldruckzilinder 
gelegt  wurde.  Später,  bei  Anwendung  der  Joy-Steuerung,  die  von  den  Schub- 
stangen angetrieben  wird,  konnte  man  die  Schieberkasten  auf  die  Zilinder  legen 
und  gewann  dadurch  den  nötigen  Platz,  um  die  3  Zilinder  nebeneinander  an- 
zuordnen. Dies  ist  jetzt  ziemlich  allgemein  üblich.  Es  bleibt  so  auf  der  einen 
Seite  der  erforderliche  Raum  für  Vorwärmer,  Kondensator  und  Luftpumpe  und 
auf  der  anderen  Seite  für  die  Umsteuerung  und  den  Maschinistenstand. 

In  den  Abb.  419  und  420  ist  eine  im  Jahre  X907  in  Übigau  gebaute  Dreifach-Expansions* 
maschine  von  etwa  1000  Pferdestärken  bei  einem  Dampfdruck  von  14,2  kg  dargestellt  worden, 
wobei  auch  der  Einbau  in  das  Schiff  ersichtlich  ist.  Abweichend  von  der  früheren  Anordnung 
ist  die  Maschine  auf  einem  Gestell  aus  Stahlblechen  gelagert,  das  sich  gut  mit  den  durchlaufenden 
Kielschweinen  und  Wrangen  des  Bodens  verbinden  läßt.  Diese  Einrichtung  ist  neuerdings  recht 
beliebt.  Die  3  Zilinder  haben  Durchmesser  von  je  536,  840  und  1375  mm  und  einen  Kolben- 
hub von  1,65  m.  Sowohl  der  Hoch-  wie  der  Mitteldruckzilinder  sind  mit  Kolbenschiebem,  der 
Niederdruckzilinder  dagegen  mit  einem  breiten  Flachschieber  und  doppelten  Schieberstangen 
(Bauart  Trick}  versehen.  Die  Umsteuerung  nach  Joy  wird  durch  ein  Handrad  bedient.  Bei  0,5 
Füllung  leistet  die  Maschine  38  Umdrehungen  je  Minute  imd  900  Pferdestärken,  bei  0,55  Füllung 
40  Umdrehungen  und  1000  Pferdestärken.     Der  Kohlenvetbrauch  ist  0,8  kg. 

In  nachstehender  Tafel  sind  die  Abmessungen  noch  einiger  neueren  Maschinen  zusammen- 
gestellt, die  mit  Naßdampf  arbeiten. 


1      Indizierte 
Pferdestärken 

Dampf- 
Spannung  in 
kg  je  cm" 

Umdrehungen 
je  Minute 

Hoch- 

Mittel- 

Nieder- 

Kolben- 

Nr. 

druck-ZUinder^Durchmesser 
in  mm 

hub 
m 

I 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

I 
2 

3  : 
4 

5 

510 
600 
750 
838 
1064 

14.5 

15 

13,5 

15,5 

15 

37 
37 
37 
44 

420 

430 
500 

470 

560 

630 
680 
800 
750 
900 

1040 
1080 
1300 
1200 
1450 

1,3 
1,5 
1,6 

1,25 
1,8 

Der  Füllungsgrad  des  Hochdruckzilinders  ist  gewöhnlich  0,55  bis  0,6,  ausnahmsweise  0,5 
oder  0,65.     (Zu  bemerken  bleibt,  daß  mit  wachsendem  Kolbenhub  die  Nutzleistung  zunimmt} 

Mit  dem  Bau  von  Vierfach-Expansionsmaschinen  für  Seitenrad- 
dampfer ist  man  in  Deutschland,  soweit  bekannt,  erst  in  neuester  Zeit  vor- 
gegangen. Von  Cäsar  Wollheim  ist  im  Jahre  1911  ein  Schleppdampfer 
für  den  Rhein  gebaut  worden,  der  mit  einer  solchen  Maschine  ausgerüstet 
worden  ist.  Bei  einer  Dampfspannung  von  21  kg  haben  die  4  Zilinder 
495 — 750 — 950 — 1460  mm  Durchmesser  und  1,8  m  Hub.  3  Zilinder  liegen 
nebeneinander  und  der  Hochdruckzilinder  dahinter,  so  daß  nur  3  Kurbeln  vor- 
handen sind.  Bei  0,7  Füllung  und  38  Umdrehungen  leistet  die  Maschine 
i6oo  Pferdestärken.     Der  Kohlenverbrauch  soll  0,7  kg  sein. 

Es  läßt  sich  heute  nicht  übersehen,  ob  die  Vierfach-Expansionsmaschinen 
sich  in  der  Binnenschiffahrt  einbürgern  werden ;  denn  einige  Schiffbauanstalten 
bevorzugen  Dreifach- Expansionsmaschinen  und  Verbundmaschinen  mit  Über- 
hitzung. Die  letzteren  sind  besonders  für  schnellaufende  Personendampfer 
noch  allgemein  üblich. 


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542 


Abschnitt  III.     Schiffe  nut  eigener  Triebkraft,  KraftschifTe. 


Während  bei  den  meisten  Seitenraddampfem  beide  Schaufelräder  auf  derselben  Welle  be- 
festigt sind,  an  deren  Kurbeln  die  Schubstangen  der  Dampfzilinder  angreifen,  hat  man  zuweilen 
die  Kurbelwelle  in  der  Mitte  getrennt  und  durch  eine  bewegliche  Kupplung  verbunden, 
um  zum  leichteren  Lenken  und  Wenden  des  Schiffes  jedes  Schaufelrad  durch  je  eine  Maschine 
allein  bewegen  zu  können,  z.  B.  das  eine  vorwärts,  das  andere  rückwärts.  Ein  solcher  Dampfer 
war  im  Jahre  1839  von  Roentgen  für  die  Mosel  gebaut  worden,  wobei  die  Schaufelräder 
durch  Verschieben  einer  Kurbelschleife  über  einem  der  beiden  Kurbelzapfen  gekuppelt  wurden. 
Diese  Einrichtung  scheint  lange  keine  Nahahmung  gefunden  zu  haben.  Im  Jahre  1892  sind 
ähnliche  g^oße  Raddampfer  von  Cockerill  für  den  Amur  und  den  Tigris  gebaut  worden.  Dabei 
ist  eine  Vierfach-Expansionsmaschine  mit  4  nebeneinander  liegenden  Zilindem  ange- 
wandt worden,  die  als  solche  in  gewöhnlicher  Weise  arbeitet,  so  lange  die  beiden  Teile  der 
Radwelle  miteinander  gekuppelt  sind.  Wird  die  Kupplung  gelöst,  so  arbeiten  je  2  Zilinder  an 
je  einem  Rade  wie  eine  Verbundmaschine:  Der  Dampf  tritt  aus  dem  Hochdruckzilinder  in  den 
ersten  Mitteldruckzilinder  und  aus  diesem  in  einen  besonders  angeordneten  Zwischenbehälter,  in 
dem  durch  ein  eigenartiges  Stauventil  stets  gleich  hoher  Druck  gehalten  wird.  Aus  diesem  Be- 
hälter geht  der  Dampf  zum  zweiten  Mitteldruckzilinder  und  schließlich  zum  Niederdruckzilinder. 
Auf  diese  Weise  kann  jedes  Schaufelrad  in  beliebiger  Drehrichtung  allein  bewegt  werden. 

Raddampfer  mit  4  Rädern,  Abb.  421  und  422.     i  :  440. 

Abb.  421. 


1 


Abb.  422. 

Man  hat  auch  Schiffe  mit  4  Seitenrädern  gebaut.  Schon  der  berühmte  »Cometc,  den  Henr>' 
Bell  im  Jahre  1812  in  Glasgow  herstellte  (S.  92),  war  mit  4  Schaufelrädern  ausgerüstet,  je  2 
hintereinander  an  jeder  Seite  des  Schiffes.  Später  (1856)  wurden  2  Personendampfer  der  Donau- 
dampfschiffahrt mit  je  4  Seitenrädern  in  ähnlicher  Anordnung  gebaut.  In  den  Abb.  421  und  422 
ist  eines  dieser  ganz  gleichen  Schiffe  dargestellt.  Es  ist  45,7  m  lang,  6,1  m  breit  [über  den  Rad- 
kasten 9,3  m),  0,9  m  hoch  und  hat  mit  voller,  Ausrüstung  einen  Tiefgang  von  0,56  m.  Es  war 
dazu  bestimmt,  bei  ungünstigen  niedrigen  Wasserständen  den  Personenverkehr  durch  das  >Eiseme 
Tor<  zu  übernehmen  und  hat  diese  Aufgabe  auch  erfUllt.  Die  Kessel  sind  in  der  Mitte  und  je 
eine  Verbundmaschine  mit  2  Seitenrädern  vorne  und  hinten  angeordnet.  Anfangs  waren  alle  4 
Räder  von  gleicher  Größe;  doch  gab  man  später  den  beiden  hinteren  einen  größeren  Durch- 
messer und  erzielte  dadurch  eine  bessere  Leistung.  Die  Raddurchmesser  durch  die  Drehzapfen 
betragen  jetzt  vorne  1626  mm,  hinten  1930  mm;  die  Umdrehungen  der  vorderen  Räder  72  und 
der  hinteren  65  je  Minute.     Die  Maschine  hat  237  Pferdekräfte  <). 

Die  Maschinen  der  Heckraddampfer  wurden  von  jeher  wagerecht 
oder  angenähert  wagerecht  angeordnet.  Solange  man  nur  ein  Schaufeh^d 
benutzte,  mußte  man  zwei  Maschinen  haben,  von  denen  jede  nahe  an  einer 
Bordwand  lag,  so  daß  die  Schubstangen  außerhalb  des  Schiffskörpers  zu  den 
Kurbeln  der  Radwelle  führten.     Die  damit  verbundenen  Schwierigkeiten  und 


1}  V.  Gonda,  Die  ungarische  Schiffahrt. 


2.  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  DampfschifTe.  643 

Nachteile  wurden  schon  bei  der  Besprechung  des  Heckrades  selbst  (S.  450) 
erwähnt.  Bei  kleineren  Schiffen  dieser  Art  verwendete  man  zwei  einfache 
Auspuff-  oder  auch  Kondensationsmaschinen.  Nach  Einführung  der  Verbund- 
maschine wurde  diese  Anordnung  auch  bei  den  Heckraddampfern  benutzt, 
indem  man  an  die  eine  Bordseite  den  Hochdruck-  und  an  die  andere  Seite 
den  Niederdruckzilinder  legte.  Diese  Einrichtung  findet  sich  noch  bei  den 
Schiffen  in  den  Kolonien,  wo  man  Heckraddampfer  mit  nur  einem  Rade  ver- 
wendet. Bei  zwei  Heckrädem  liegt  die  zu  einem  Ganzen  vereinigte  Maschine 
stets  in  der  Mittellinie  des  Schiffes,  wie  aus  Abb.  319  ersichtlich  war.  Es 
hat  sich  herausgestellt,  daß  es  nicht  zweckmäßig  ist,  durch  Anwendung 
von  besonders  langen  Schub-  und  Kolbenstangen  das  Gewicht  der  Dampf- 
zilinder,  Luftpumpe  u.  dgl.  mehr  nach  der  Schiffsmitte  hin  zu  verschieben; 
man  legt  vielmehr  jetzt  in  der  Regel  die  Maschine  in  die  günstigste  Nähe  der 
Radwelle  und  gleicht  die  einseitige  Belastung  des  Schiffskörpers  dadurch  aus, 
daß  man  den  Kessel  in  das  Vorschiff  bringt.  Die  lange  Dampfleitung  und  die 
dadurch  hervorgerufenen  Spannungsverluste  lassen  sich  dabei  nicht  vermeiden. 
Auch  ist  eine  fortdauernde  Überwachung  des  Heizers  durch  den  Maschinisten 
oder  eine  vorübergehende  gegenseitige  Vertretung  kaum  zu  erreichen. 

Die  zuerst  angewandten  Verbundmaschinen  haben  sich  nicht  sehr 
bewährt:  Da  die  beiden  Kurbeln  sehr  nahe  nebeneinander  lagen,  bemerkte 
man  während  der  Fahrt  ein  gewisses  Ecken  der  Räder,  wenn  die  an  den 
äußeren  Bordseiten  des  Schiffes  angebrachten  Wellenlager  nicht  sehr  fest  an- 
gezogen waren,  was  nicht  recht  tunlich  war.  Man  ging  darum  schnell  zu  der 
Anwendung  von  Dreifach-Expansionsmaschinen  mit  3  Kurbeln  über, 
wodurch  ein  ruhiger  und  gleichmäßiger  Gang  der  Räder  erreicht  wurde. 
Diese  Anordnung  war  durch  die  begrenzte  Schiffsbreite  erschwert.  Da  Heck- 
raddampfer in  der  Regel  (wenigstens  in  Deutschland)  nur  bei  beschränkter 
Fahrwasserbreite  und  namentlich  im  Gebiet  der  östlichen  deutschen  Wasser- 
straßen für  den  Verkehr  durch  Schleusen  gebaut  werden,  so  darf  ihre  Breite 
meistens  nicht  größer  als  8  m  sein.  Man  ist  also  in  der  Breite  der  Rad- 
schaufeln und  in  der  Breite  des  zwischen  den  Rädern  liegenden  schwanzartigen 
Hinterschiffs  beschränkt  und  es  hat  sich  herausgestellt,  daß  man  die  letztere 
zu  etwa  2,4  m  und  die  Breite  der  Radschaufeln  zu  höchstens  2fo  m  wählen 
kann,  so  daß  der  Rest  von  etwa  0,4  m  auf  die  übrigen  Bauteile  einschließ- 
lich der  Scheuerleisten  entfallt.  Das  Maß  von  2,4  m  reicht  bei  starken  Ma- 
schinen für  3  Kurbeln  und  4  Lager  nur  aus,  wenn  man  alle  diese  Teile 
möglichst  schmal  macht  und  außerdem  die  beiden  äußeren  Wellenlager  in 
die  Radkastentrommeln  hineinschiebt,  wie  dies  in  den  Abbildungen  322  und 
323  ersichtlich  gemacht  ist. 

Bei  schwächeren  Maschinen  (bis  etwa  300  Pferdestärken)  kann  man  die 
3  Zilinder  nebeneinander  legen  (Abb.  319);  bei  stärkeren  ist  dies  wegen  der 
größeren  Zilinderdurchmesser  ausgeschlossen  und  man  ist  genötigt,  einen 
Zilinder  nach  vorne  zu  schieben. 


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2.  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  545 

In  den  Abbildungen  423  und  424  ist  eine  solche  Maschinenanordnung  dargestellt,  wie  sie 
von  der  Werft  Cäsar  Wollheim  häufig  ausgeführt  wird,  die  sich  um  die  Entwicklung  der 
Heckraddampfer  besondere  Verdienste  erworben  hat:  a  ist  der  vorgeschobene  Hochdruckzilinder 
von  470  mm  Durchmesser,  dessen  Kolbenstange  /  zwischen  den  dahinter  liegenden  Mittel-  und 
Niederdruckzilindem  [b  und  c)  von  660  und  iioo  mm  Durchmesser  hindurchgefUhrt  ist.  Der 
Kolbenhub  beträgt  1,4  m.  Mit  einer  Dampfspannung  von  16  kg  und  0,5  Füllung  entwickelt  die 
Maschine  bei  39  Umdrehungen  je  Mmute  708  Pferdestärken,  d  ist  die  aus  Nickelstahl  gefertigte 
Radwelle  mit  4  Lagern  und  den  3  Kurbeln  e  aus  Flußstahl.  Wegen  der  beschränkten  Breite 
sind  alle  Schieberkästen  oben  auf  den  Zilindem  nach  Tricks  Bauart  angeordnet  und  es  ist  eine 
Joy-Steuening  angewandt,  deren  Steuerwelle  /  durch  SchraubenradUbersetzung  g  und  das  Hand- 
rad h  verstellt  werden  kann.  Luftpumpe  und  Kondensator  k  liegen  vor  dem  Niederdruckzilinder 
und  werden  durch  dessen  Kolbenstange  angetrieben.  Vor  dem  Mitteldnickzilinder  sind  in  ent- 
sprechender Weise  die  Lenz-  und  Speisepumpen  /  angeordnet. 

In  neuester  Zeit  (191 1)  sind  von  derselben  Werft  auch  Vierfach-Ex- 
pansionsmaschinen  gebaut  worden.  Dabei  wurde  der  Hochdruckzilinder 
vor  den  Zilinder  a  gelegt  und  beide  Kolben  auf  derselben  Kolbenstange  an- 
gebracht, so  daß  die  3  Kurbeln  beibehalten  wurden.  Die  4  Zilinder  haben 
350—530—740 — 1150  mm  Durchmesser  und  1,4  m  Hub.  Bei  einer  Dampf- 
spannung von  21  kg  und  0,7  Füllung  sollen  die  Maschinen  900  PSi  entwickeln 
und  einen  Kohlenverbrauch  von  0,7  kg  haben.  Es  bleibt  abzuwarten,  ob 
sie  sich  bewähren  werden. 

Die  Schmierung  der  Schiffsmaschinen  erfolgt  meistens  mit  Mineralöl 
durch  Schmierpressen  (Bauart  Möllerup  oder  ähnliche),  die  von  der  Maschine 
bewegft  werden.  Oft  wird  das  Öl  nur  in  die  Dampfleitung  gedrückt,  während 
für  die  Zilinder  besondere  Schmiergefaße  benutzt  werden.  Die  anderen 
Maschinenteile  schmiert  man  mittels  automatischer  Tropfgefaße  oder  (gewöhn- 
lich) durch  Schmierkasten  mit  Docht,  von  denen  kleinere  Schmierrohre  zu 
den  einzelnen  Lagern  u.  dgl.  führen.  Für  die  mit  überhitztem  Dampf  in  Be- 
rührung kommenden  Teile  muß  öl  gewählt  werden,  dessen  Entflammungs- 
oder Zersetzungspunkt  höher  liegt  als  die  Dampfwärme. 

Der  Verbrauch  an  Schmieröl  beträgt  je  Fahrstunde  bei  Schrauben- 
dampfem  0,8  bis  1,5  kg,  bei  Raddampfern  mit  Verbundmaschinen  0,5  bis 
0,8  kg,  bei  Dreifach- Expansionsmaschinen  i  bis  1,2  kg.  Bei  Vierfach-Expan- 
sionsmaschinen  ist  der  Verbrauch  größer. 

Das  Gewicht  der  SchiflPsmaschinen  und  der  gesamten  Maschinen- 
anlage einschließlich  der  Wellenleitung,  der  Fortbewegungsmittel,  der  Rohr- 
leitungen, der  Pumpen  und  anderer  Hilfsmaschinen,  sowie  des  Kessels  mit 
Bekleidung,  Ausrüstung,  Rauchfang,  Schornstein  und  aller  erforderlichen  Er- 
satzteile, Werkzeuge  u.  dgl.,  sowie  des  Wassers  im  Kessel  und  in  der  Ma- 
schine wird  in  der  Regel  zusammengerechnet  und  auf  eine  indizierte  Pferde- 
stärke bezogen.  Infolge  der  Entwicklung  und  Verbesserung  der  Maschinen 
und  Kessel  hat  sich  das  Gewicht  im  Laufe  der  Zeit  stark  verringert:  durch 
Anwendung  festerer  Baustoffe  (Stahl),  höherer  Dampfspannung,  weiter  abge- 
stufter Expansion  und  besonders  durch  die  Einfuhrung  einer  größeren  Kolben- 
geschwindigkeit und  der  damit  zusammenhängenden  höheren  Umlaufzahl. 

T  e  u  b  e  r  t ,  BinnenschifTahrt.  ß  e 


546  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Während  vor  loo  Jahren,  am  Anfange  der  Dampfschiffahrt,  das  Gewicht  der  ganzen  Ma- 
schinenanlage je  Pferdestärke  etwa  800  kg  mid  noch  im  Jahre  1860  etwa  500  bis  400  kg  betrug, 
ist  es  heute  bei  großen  Seeschiffen  auf  250  bis  200  kg  und  darunter  gesunken.  Unter  Anwen- 
dung von  Wasserrohrkesseln,  künstlichem  Zuge  und  Überhitzung  ist  das  Gewicht  sogar  bei 
Panzerschiffen  auf  60  bb  90  kg,  bei  kleinen  Kreuzern  auf  50  bis  70  kg  und  bei  Torpedobooten 
auf  etwa  20  kg  heruntergedrückt  worden.  Bei  der  Verwendung  von  Bronze  an  Stelle  von  Guß- 
eisen hat  man  ausnahmsweise  Torpedoboote  hergestellt,  deren  Maschinenanlage  nur  4  kg  je 
Pferdestärke  wog. 

Auf  den  internationalen  Schiffahrtkongressen  in  Paris  (1900)  und  in  Mailand  (1905}  sind 
über  diese  Entwicklung  der  Schiffsmaschinen  einige  Berichte  erstattet  worden >}.  Techel  und 
N arten  teilten  dabei  mit,  daß  auf  dem  amerikanischen  Dampfschiff  »Arrow<  von  4000  Pferde- 
stärken infolge  starker  Oberhitznng  des  Dampfs  u.  dgl.  das  Gewicht  der  gesamten  Maschinen- 
anlage auf  8,08  kg  je  Pferdestärke  vermindert  worden  seL 

Bei  der  Binnenschiffahrt  ist  mit  Rücksicht  auf  den  in  der  Regel  be- 
schränkten Tiefgang  ein  möglichst  geringes  Maschinengewicht  zwar  von 
größter  Bedeutung,  aber  bei  den  meistens  langsam  fahrenden  Güter-  und 
Schleppdampfern  schwer  zu  erreichen.  Das  Gewicht  je  Pferdestärke  schwankt 
in  ziemlich  weiten  Grenzen  zwischen  140  und  220  kg.  Innerhalb  der  üblichen 
Grenzen  von  100  bis  500  PSi  bei  Schraubendampfem,  300  bis  700  PSi  bei 
Heckraddampfern  und  500  bis  1200  PSi  bei  Seitenraddampfern  verteilt  sich 
das  Gewicht  guter  Maschinenanlagen  in  kg  je  Pferdestärke  etwa  in  nach- 
stehender Weise: 

Bei  Schrauben  Bei  Seitenrädern 

Maschine  allein 35  bis    40  kg        42  bis    45  kg 

Wellenleitung  und  Schrauben     ...         7    »       8    »  —    •      —   » 

Schaufelräder —    »      —   *  14»      16» 

Rohrleitung  und  Hilfsmaschinen  (Pum- 
pen, Dampfsteuer  u.  dgl.)      .     .     . 

Ersatzstücke,  Werkzeuge  usw.    .     .     . 

Kessel  mit  Ausrüstung,  'Rauchfang, 
Schornstein  und  Gegengewichten 
(vgl.  S.  525) 80 

Wasser  in  Kessel  und  Maschine 

zusammen     155  bis  175  kg       170  bis  188  kg 

Bei  Heckraddampfem  ist  das  Gewicht  der  Maschinenanlagen  um  etwa 
10  kg  je  Pferdestärke  größer  als  bei  Seitenraddampfern. 

Gewöhnlich  nimmt  man  bei  überschläglichen  Berechnungen  ein  Gewicht 
von  170  kg  für  Schrauben-,  von  200  kg  für  Seitenrad*  und  von  210  kg  fiir 
Heckraddampfer  an;  aber  es  lassen  sich  heute  bei  sehr  gut  gebauten  Schiffen 
auch  die  vorstehend  mitgeteilten  geringeren  Gewichte  erreichen  und  selbst 
unterschreiten.  Schnellaufende  kleine  Schraubenboote  (Barkassen  u.  dgl.) 
kommen  mit  noch  kleinerem  Gewicht  (etwa  125  kg)  aus. 

Im  allgemeinen  nimmt  das  Gewicht  mit  wachsender  Dampfspannung, 
Kolbengeschwindigkeit  und  Umlaufzahl  ab. 

i)  V^tillart,  Umbildung  des  Materials  der  Handelsmarine.  Paris  1900.  —  Derselbe,  so- 
wie Lelong  und  Techel-Narten,  Fortschritt  in  den  Mitteln  zur  Fortbewegung  der  Schiffe. 
Mailand  1905. 


5    ,        7    . 

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25    • 

30 . 

2.  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  DampfschifTe.  547 

Anordnung  und  Einrichtung  der  Dampfschiffe  für 

verschiedene  Zwecke. 

Die  Größe  eines  Schleppdampfers  ist  so  zu  bemessen,  daß  bei  einer 
bestimmten  Tauchtiefe  die  Wasserverdrängung  genügt,  um  außer  dem  Ge- 
wicht des  Schiffskörpers  das  Gewicht  der  Maschinenanlage,  den  nötigen 
Kohlenvorrat,  die  Ausrüstung  und  die  Bemannung  zu  tragen,  also  gleich  der 
Summe  dieser  Gewichte  ist.  Bei  Güterdampfern  tritt  hierzu  das  Gewicht  der 
Ladung  und  bei  Personendampfern  das  Gewicht  der  Fahrgäste  und  des  Ge- 
päcks unter  Berücksichtig^ung  der  für  die  Aufnahme  der  Fahrgäste  sonst  er- 
forderlichen Einrichtungen  (z.  B.  entsprechende  Kajütenräume  oder  angemes- 
sene Deckfläche). 

Zur  überschläglichen  Ermittelung  der  erforderlichen  Abmessungen  fUr  einen  Schlepp- 
dampfer schätzt  man  das  Gewicht  des  Schiffskörpers  nach  ausgeführten  Beispielen  und  Er- 
fahrungssätzen. (Es  beträgt  z.  B.  bei  Schraubendampfem  etwa  0,35  bis  0,45,  bei  Seitenrad- 
dampfem  0^5  bis  0,55  und  bei  Heckraddampfem  0,48  bis  0,52  von  der  ganzen  Verdrängung.) 
Das  Gewicht  der  Maschinenanlage  schätzt  man  nach  der  verlangten  Schleppleistung  und  der 
dazu  ermittelten  Maschinenleistung  auf  Grund  der  früheren  Mitteilungen.  Das  Gewicht  der 
Kohlen  ist  nach  dem  stündlichen  Verbrauch  leicht  festzustellen.  Da  man  bei  der  Binnenschiff- 
fahrt meistens  den  Vorrat  leicht  ergänzen  kann,  pflegen  selbst  große  Radschleppdampfer  nicht 
mehr  als  20  bis  25  t  mitzunehmen,  und  kleinere  Schleppdampfer  begnügen  sich  mit  5  bis  10  t 
Das  Gewicht  der  Ausrüstung  und  Ausstattung  einschließlich  der  Bemannung,  der  Lebensmittel 
u.  dgl.  kann  man  zu  0,07  bis  0,1  der  Verdrängung  schätzen. 

Für  die  so  ermittelte  Wasserverdrängung  {V)  besteht  femer  die  Gleichung:  V^d-L-B*  T. 
Da  der  Tiefgang  [T)  in  der  Regel  vorgeschrieben  ist,  hat  man  für  den  Völligkeitsgrad  cT  einen 
angemessenen  Wert  zu  wählen  und  erhält  so:  L-B.  Wenn  die  Breite  B  durch  das  Fahrwasser 
(Schleusen)  nicht  begrenzt  ist,  wählt  man  das  Verhältnis  der  Länge  zur  Breite  nach  den  An- 
gaben der  unten  folgenden  Tafel. 

Die  Seitenhöhe  wird  mit  Rücksicht  auf  die  Unterbringung  der  Maschinen  bei  gewöhnlichen 
Schraubenschiffen  meistens  zu  1,8  bis  2,2  m  und  bei  Radschiffen  zu  2,2  bis  3  m  bemessen. 

Die  Form  der  Dampfschiffe  ist  ebenso  wie  die  der  Lastschiffe  durch 
das  Verhältnis  der  Hauptabmessungen  (Z,  B^  T)  zueinander  und  durch  die 
Völligkeitsgrade  der  Verdrängung  ((J),  der  obersten  Wasserlinie  (a)  und  des 
eingetauchten  Hauptspants  (ß)  bestimmt.  Mit  Rücksicht  auf  den  Schiffswider- 
stand und  die  verlangte  Geschwindigkeit  müssen  diese  Verhältniszahlen  dem 
Zweck  des  Schiffes  entsprechend  gewählt  werden:  Langsam  fahrende  oder 
schleppende  Dampfer  bekommen  völligere  Formen  als  schnellfahrende.  Große 
Güterdampfer  mit  geringer  Geschwindigkeit  sind  im  allgemeinen  wie  Last- 
schiffe ohne  eigene  Triebkraft  zu  behandeln. 

In  der  nachstehenden  Tafel  sind  die  Angaben  für  cf,  a  und  ß  dem  Hilfsbuch  für  den 
Schiffbau  von  Johow-Krieger  (3,  Auflage  1910)  entnonmien  worden.  Zu  Nr.  3  ist  zu  bemerken, 
daß  diese  Verhältniszahlen  zuweilen  größer  gewählt  werden  (cT  bis  0,68  und  ß  bis  0,95),  beson- 
ders bei  Zweischraubendampfem.  Auch  treffen  sie  bei  Schiffen  mit  Tunnelheck  nicht  zu.  Güter- 
dampfer (Nr.  4)  werden  auf  den  ostdeutschen  Wasserstraßen  der  Schleusen  wegen  meistens 
völliger  gebaut  bis  zu  rf  ^  0,87.  Femer  sei  erwähnt,  daß  man  Radschleppdampfem  (Nr.  6]  zu- 
weilen schärfere  Formen  gibt:  cT  =  0,7  (z.  B.  auf  der  Donau);  doch  findet  man  andererseits  auch 
cT  etwas  g^rößer  bis  0,88. 

35* 


648 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


Art  des  Dampfschifis 


B 


I 

2 

3 
4 

5 

6 

7 


Barkassen 

Personenschiffe  mit  Schrauben 

Schraubenschlepper 

Güterschiffe  mit  Schrauben  .    .    . 

Personenschiffe  mit  Seitenrädern . 

Schlepper  mit  Seitenrädern .    .    . 

>  >    Heckrädem    .    .    . 


4 
6,5 

4,5 
7 

IG 

7 
6 


bb5 

8,5 
5.5 
7,5 

12 

9,5 

7 


o,34  bis  0,42 
0,45   »  o>65 


0,45 

0,75 
0,6 

0,75 
0,75 


0,6 

0,78 

0,64 

0,85 

0,82 


0,66  bis  0,75 
0,74  »   0,8 


0,71 

0,8 

0,72 

0,85 

0,85 


0,85 
0,82 

0,75 
0,88 

0,88 


/» 


0,63  bb  DJ  2 
0,79    »   0,88 


0,75 
0,96 

0,95 
0,96 

0,97 


0,8 
0,98 

0,99 
0,99 
0,99 


Soweit  die  Fortbeweg^ngsmittel  nicht  Ausnahmen  nötig  machen,  werden 
Bug  und  Heck  gewöhnlich  unter  Wasser  keilförmig  gestaltet,  während  die 
Löffelform  selten  gewählt  wird.  Das  Heck  wird  in  der  Regel  übergebaut 
Die  Bordwände  stehen  im  Hauptspant  und  im  größeren  Teile  des  Mittelschiffe 
gewöhnlich  senkrecht;  doch  findet  man  bei  den  oben  unter  i  bis  3  aufge- 
führten Schiffen  häufig  Ausnahmen  (runde  Formen),  die  durch  das  kleinere 
Verhältnis  ß  bedingt  sind.  Die  Kimm  wird  in  der  Regel  mehr  oder  weniger 
abgerundet  und  der  fiache  Boden  bekommt  keinen  Sprung.  Vor-  und  Mntcr- 
steven  stehen  in  der  Regel  senkrecht;  doch  ist  der  ersterc  zuweilen  nach 
vorne  etwas  geneigt,  selten  in  S-Form  gekrümmt.  Bei  Schraubendampfem, 
die  häufig  wenden  müssen  (z.  B.  Hafenschlepper  und  Fährboote)  rundet  man 
den  Vorsteven  unten  nach  dem  Boden  stark  ab,  wodurch  man  wenig  Ver- 
drängung verliert  und  das  Wenden  merklich  erleichtert.  Aus  dem  gleichen 
Grunde  wird  in  diesen  Fällen  am  Hintersteven  der  in  Abb.  341  dargestellte 
»SchleusenkieU  angeordnet. 

Die  Linienrisse  bieten,  abgesehen  von  dem  Hinterschiff  bei  Heckrad- 
dampfern und  bei  Schraubenschiffen  mit  Tunnelheck  (Abb.  358  bis  360  u.  365 
bis  371)  nichts  besonders  Bemerkenswertes.  In  Abb.  18  und  19  waren  die 
Linienrisse  von  einem  gewöhnlichen  Einschraubenschleppdampfer  von  etwa 
210  PSi  mitgeteilt,  bei  dem  <I=  0,587  und  j^  =  0,919  ist. 

Der  Sprung  des  Decks  ist  bei  diesem  Schraubendampfer  recht  be- 
deutend und  bei  kleinen  Schleppschiffen  allgemein  üblich.  Er  hat  aber  wenig 
Berechtigung,  wie  dies  früher  bei  den  Lastschiffen  ausfuhrlich  erörtert  wurde 
(S.  359),  ausgenommen,  wenn  man  dadurch  im  Vorschiff  höhere  Kajüten  zu 
bekommen  sucht.  Daß  das  Schiff  durch  den  starken  Decksprung  ein  gefal- 
ligeres Aussehen  bekommt,  kann  nicht  zugestanden  werden.  Das  trifft  auch 
auf  Personenschifie  mit  Schrauben  zu:  Ein  starker  Decksprung  im  Vorschiff, 
verbunden  mit  dem  Niedersaugen  des  Hecks  in  der  Fahrt,  verhindert  bei  be- 
schränkter Höhe  oft  die  Anbringung  eines  vorderen  Sonnenzelts,  was  man 
häufig  an  den  bei  Berlin  verkehrenden  Schiffen  bemerken  kann  (Abb.  425). 
Bei  Güterdampfem  mit  Schrauben  findet  man  einen  erheblichen  Sprung  nur 
auf  dem  Rhein,  entsprechend  dem  dortigen  Geschmack. 

Auch  Heckraddampfer  erhalten  gewöhnlich  einen  ziemlich  erheblichen 
Decksprung,   der  wohl  den  Vorteil  bietet,   daß  man  vorne  und  hinten,  wo 


3.  Kraftschiife  rait  DunpfmaschiDcn,  Dainpfscbiffe.  549 

Kessel  und  Maschine  liefen,  eine  etwas  größere  Höhe  unter  Deck  erhält, 
aber  im  allgemeinen  nicht  zu  billigen  ist,  wdl  das  Schiff  in  der  Mitte,  wo 
es  ganz  besonders  auf  Durchbiegung  beansprucht  wird  und  meistens  beson- 
ders verstärkt  werden  muß,  die  geringste  Hohe  erhält. 

Noch  weniger  ist  ein  starker  Decksprung  bei  Seitenraddampfern  zu 
rechtfertigen,  weil  hier  Maschine,  Kessel  und  Fortbewegungsmittel  in  der 
Schißsmitte  Hegen,  und  es  scheint  geradezu  unverständlich,  wie  man  an  dieser 
Stelle  dem  Schiffskörper  die  geringste  Höhe  geben  kann,  nur  um  einer  ganz 
unbegründeten  Geschmacksrichtung  entgegen  zu  kommen.  Es  kann  keinem 
Zweifel  unterliegen,  daß  nach  den  Gesetzen  der  Festigkeitslehre  in  der  Schiffs- 
mitte  die  größte  Höhe  erforderlich  ist.  Oft  wird  allerdings  der  scheinbare 
Sprung  nur  durch  die  entsprechend  geschwungene  Schanzverkleidung  hervor- 
gebracht, und  man  läßt  deren  Oberkante  gewöhnlich  mittschiffs  und  im  Hinter- 


Abb.  425.     FeisoDcndunpfer  mit  3  Schrauben  anf  den  Berliner  Wasserstraßen. 

schiff  ebenso  wie  das  Deck  wagerecht  verlaufen;  aber  voine  bleibt  fast 
immer  noch  die  Erinnerung  an  das  Seeschiff:  dort  wird  in  den  meisten  Fällen 
wenigstens  das  Schanzkleid  sehr  stark  hochgezogen.  Man  kann  an  SchifTs- 
gewicht  erheblich  sparen,  wenn  man  die  in  der  Schiffsmiete  mit  Rücksicht  auf 
die  Räder  und  die  Maschinen  erforderliche  Höhe  nach  beiden  Enden  zu  ab- 
nehmen läßt,  zumal  die  Räume  unter  Deck  am  Bug  wie  am  Heck  bei  Schlepp- 
dampfern nicht  gebraucht  werden,  da  diese  Teile  des  Schiffskörpers  nur  zur 
Erreichung  der  nötigen  Wasserverdrängung  nötig  sind.  Mit  solchen  Schiffs- 
formen  scheint  man  vor  etwa  30  Jahren  zuerst  auf  der  Donau  vorgegangen 
zu  sein. 

Nachstellende  Abbiidungen  (426  bis  418)  zeigen  die  3  verschiedenen  Anoidnungen.  Die 
eiste  entspricht  im  «Ilgemeinen  den  Donauschleppeni:  Die  Hübe  betrtigt  na  Heck  wie  am  Bug 
nur  '/-j  von  der  Hübe  mittschifiä  im  Maschinenraum.  Die  Schanxverlcleidung  iai  gleichlaufend 
mit  der  gekrilmmten  Decklinic.  Diese  Fomi  dUrfle  dem  Auge  des  Ingenieurs  richtig,  zweck- 
mSßig  und  daher  wohlgefällig  erscheinen. 

Die  zweite  Form  (Abb.  437)  wurde  früher  biuüg  ausgefllhrt;  Das  Deck  ist  mitlschifTs  und 
im  Hintenchiff  wagerecbt,  wlhrend  die  Schnniverkleidong  wenig  nach  dem  Heck,  dagegen  be- 
tiKchtlich  nach  dem  Bug  ansteigt. 


550 


Abschnitt  lU.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


In  der  dritten  Form  (Abb.  428)  hat  der  Ingenieur  die  Vorschriften  der  Festigkeitslehre  und 
der  Sparsamkeit,  wie  sie  in  der  ersten  Form  deutlich  zum  Ausdruck  kommen,  mit  dem  schlechten 
Geschmack  des  Laien,  dem  die  Form  eines  Seeschiffs  auf  der  Binnenwasserstraße  besser  ge- 
fällt, zu  vereinigen  gesucht.  Die  Höhe  beträgt  am  Bug  und  am  Heck  etwa  0,8  der  Höhe  in 
der  Mitte,  so  daß  das  Deck  vom  Maschinenraum  ab  nach  vorne  und  nach  hinten  allmählich  fällt, 
ähnlich  wie  bei  der  erst  beschriebenen  Donauform  (man  nennt  das  ein  »Walfischdeck«).  Dieser 
Abfall  wird  aber  zwischen  den  Radkastenaufbauten  und  den  Steven  vollständig  durch  die 
Schanzkleidung  verdeckt,  deren  Oberkanten  mittschiffs  ebenso  hoch  wie  das  Deck  über  dem  Ma- 
schinenraum liegen  und  nach  hinten  und  vorne  ansteigen,  so  daß  am  Heck  etwa  die  Höhe  von 
1,1  und  am  Bug  die  Höhe  von  1,25  der  Höhe  in  der  Mitte  erreicht  wird.  Diese  Schanzklei- 
dungen bilden  also  eine  Verblendung  und  werden  in  den  mittleren  Teilen  des  Schiffes  [etwa 
an  den  Kohlenbunkern  ,  wo  sie  ihren  eigentlichen  Zweck  nicht  erfüllen,  durch  eine  leichte,  nicht 
in  die  Augen  fallende  Reling  erhöht.  Sie  stellen  außerdem  eine  gewisse  Verschwendung  an  Stoff 
und  Gewicht  dar. 

Anordnung  des  Decks  bei  Radschleppdampfem,  Abb.  426  bis  428.     i  :  450. 


Abb.  428. 


n-Tlr^ 


-^. 


e 


6O777 


'   '  '  '   '  '   t  '^ 


3 


Bei  den  Radschiffen  für  Personenverkehr  findet  man  gewöhnlich  nur  einen 
geringen  Decksprung,  besonders  wenn  sich  auf  dem  Deck  größere  Aufbauten 
(Säle  und  Hallen)  befinden,  die  schon  aus  Schönheitsrücksichten  einen  nahezu 
wagerechten  Unterbau  verlangen. 

Die  Einrichtung  der  Dampfschiffe  ist  durch  die  Verteilung  der  Ge- 
wichte, besonders  der  Kessel,  Maschinen  und  Kohlenbunker,  bedingt.  Es 
war  schon  erwähnt,  daß  ein  Schiff  sich  nur  im  Gleichgewicht  befindet, 
wenn  der  Gewichtschwerpunkt  (des  ganzen  Schiffes)  und  der  Verdrängungs- 
schwerpunkt in  derselben  Senkrechten  liegen.    Nach  Feststellung:  der  Schiffs- 


2.  KraltschifTe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  551 

form  ist  die  genaue  Lage  des  letzteren  zu  ermitteln,  und  die  Gewichte  der 
Maschinenteile  usw.  müssen  so  verteilt  werden,  daß  ihre  einzelnen  Schwer- 
punkte und  der  Schwerpunkt  des  SchiflFskörpers  vereinigt  als  Schwerpunkt 
des  ganzen  Schiffes  dieser  Forderung  entsprechen.  Nur  wenn  diese  Bedingung 
erfüllt  ist,  wird  das  fertige  Schiff  in  der  dem  Entwurf  zugrunde  gelegnen 
Wasserlinie  schwimmen.  Die  Senkrechte  durch  die  beiden  Schwerpunkte  liegt 
zwischen  0,05  •  L  hinter  und  0,02  •  L  vor  der  Mitte  des  Schiffes  (zwischen 
den  Loten  gemessen). 

Bei  Lastschiffen  ist  diese  Untersuchung  kaum  erforderlich ;  denn  für  das  leere  Schiff  ist  es 
ohne  wesentliche  Bedeutung,  ob  es  etwas  kopflastig  oder  steuerlastig  ist  (die  großen  Rhein- 
schiffe sind  z.  B.  immer  steuerlastig}  und  beim  beladenen  Schiffe  wird  der  richtige  oder  verlangte 
Trimm  durch  entsprechende  Verteilung  der  Ladung  erreicht. 

Bei  Güterdampfem  ist  das  Gewicht  der  Ladung  zu  berücksichtigen,  und 
bei  Personendampfern  kommt,  besonders  bei  hohen  Aufbauten,  die  Unter- 
suchung in  Frage,  ob  bei  einseitiger  Belastung  durch  die  Fahrgäste  noch  die 
nötige  Steifheit  (Stabilität)  gesichert  ist.  Femer  ist,  namentlich  bei  Schlepp- 
dampfern, darauf  zu  achten,  daß  bei  nahezu  geleerten  Kohlenbunkern  noch 
der  erforderliche  Trimm  erhalten  bleibt  Unter  Umständen  kann  man  sich 
mit  den  schon  erwähnten  Wasserballasträumen  helfen. 

Von  den  auf  den  deutschen  Wasserstraßen  zurzeit  am  meisten  gebräuch- 
lichen Dampfschiffen  niögen  nachstehend  einige  der  wichtigsten  Arten  dar- 
gestellt und  beschrieben  werden. 

Seh  raubendampf  er. 

In  den  Abb.  429  bis  431  ist  ein  kleiner  Schleppdampfer  von  etwa 
200  Pferdestärken  dargestellt,  wie  er  in  Deutschland  allgemein  üblich  ist  und 
besonders  auf  den  Märkischen  Wasserstraßen  zwischen  Elbe  und  Oder 
häufig  verkehrt. 

Das  Schiff  hat  über  Deck  eine  Länge  von  26  m,  über  den  Spanten  eine  Breite  von  5  m, 
eine  Seitenhöhe  von  2,2  m  und  bei  7  t  Kohlenvorrat  ohne  Wasserballast  einen  hinteren  Tiefgang 
von  1,35  m,  mit  dem  er  die  vorgenannten  Wasserstraßen  fast  überall  und  zu  jeder  Zeit  durch- 
fahren kann.  Die  1,5  m  im  Durchmesser  große  Schraube  liegt  dann  aber  nicht  vollstSndig  im 
Wasser  und  ihr  Wirkungsgrad  ist  gering.  Wenn  der  Wasserstand  es  erlaubt,  wird  deshalb  durch 
Wasserballast  der  Trimm  verändert,  so  daß  der  hintere  Tiefgang  1,65  m  beträgt.  Zur  Schiffs- 
form  ist  zu  bemerken,  daß  der  Boden  nicht  flach  ist,  sondern  vom  Kiel  nach  beiden  Seiten  eine 
Aufkimmung  zeigt,  die  mit  starker  Rundung  in  die  Bordwand  übergeht.  Im  Vorschiff  sind  stark 
ausfallende  Spanten  gewählt,  um  eine  größere  Deckfläche  zu  erhalten.  Das  Hinterschiff  ist  unter 
Wasser  sehr  scharf  gebaut,  um  einen  guten  Wasserznfluß  zur  Schraube  zu  erzielen.  Die  Ge- 
wichtsverteilung ist  so  gemacht,  daß  der  Schornstein  gerade  in  der  Mitte  der  Längsachse  liegt, 
der  Kessel  also  vorne  und  die  Maschine  dahinter.  Die  Kohlenbunker  [%)  sind  zwischen  dem 
Kessel  [d)  und  den  Bordwänden  angeordnet  und  vom  Deck  durch  je  3  Öffnungen  zu  fUUen.  Es 
sind  4  Schottwände  (a)  eingebaut:  vorne  das  Sicherheitschott,  das  zugleich  den  Wasserballast- 
raum abschließt,  dann  2  Schotte  zum  Abschluß  des  Maschinen-  und  Kesselraums  und  das  Stopf- 
büchsenschott, das  den  hinteren  Ballastraum  begrenzt.  Das  Deck  zeigt  an  beiden  Bordwänden 
neben  der  ringsum  laufenden  Schanzkleidung  einen  0,7  bis  0,9  m  breiten  Bordgang,  während  die 
mittleren  Teile  nach  Art  eines  Tennebaums  erhöht  sind,  um  für  den  Maschinenraum  und  die 
Kajüten   die   genügende   Höhe   zu  gewinnen.     Die  Aufbauten   für   die  Kajüten  reichen   bis   zur 


552 


Abschnitt  m.     SchifTe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiife. 


Höhe  der  Schanzkleidung,  die  für  den  Maschinenraum  sind  noch  um  0,3  m  höher.  Zur  Er- 
leuchtung dieser  Räume  sind  außer  den  Decklichtem  (^j  noch  mehrere  Fenster  seitlich  nach  dem 
Bordgange  angeordnet.  Von  diesem  aus  gehen  auch  die  Niedergänge  zu  den  beiden  Kajüten 
(vorne  und  hinten)  und  zu  dem  Maschinenraum.  Im  Vorschiff  ist  unter  Deck  neben  der  Woh- 
nung des  Schiffsfuhrers  ein  Abort  {c)  eingebaut. 

Einschraubenschleppdampfer  von  200  PSi,  Abb.  429  bis  431. 

Abb.  429.     Ansicht  i  :  200. 


unherDeck 


Abb.  430.     Grundriß  i :  200. 


Um  den  Feuerungen  des  Kessels 
[d]  die  erforderliche  Luftmenge  zuzu- 
führen, ist  das  Deck  hinter  dem  Kessel 
geöffnet  und  durch  ein  Gitter  (Gräting) 
\K\  bedeckt.  Zu  demselben  Zweck 
dienen  die  beiden  senkrechten  Luft- 
zufiihrungsrohre  (Ventilatoren)  (/),  deren 
Köpfe  über  Deck  gewöhnlich  nach 
vorne  gerichtet  oder  der  Windrichtung 
entsprechend  gedreht  werden.  Von 
der  Verbundmaschine  (^)  führt  die  mit 
einem  Zwischenlager  unterstützte  Welle 
(/)  unter  dem  Fußboden  der  Mann- 
schaftskajüte nach  der  Stopfbüchse 
und  durch  das  Stevenrohr  zur  Schraube. 
Der  Hintersteven  ist  mit  Schleusenkiel 
[H)  versehen.  Das  Schweberuder  trägt 
auf  Deck  eine  Kettenscheibe,  und  die 
Steuerkette  mit  zwischengelegten  Stan- 
gen aus  Rundeisen  führt  vom  Heck  an  der  Schanzkleidung  entlang  zum  Steuerhäuschen  [g)^  das 
zwischen  Kessel  und  Vorkajüte  aufgebaut  ist  und  die  Steuerwinde  mit  senkrechtem  Handrad 
enthält.  Der  mit  kräftiger  Feder  versehene  Schlepphaken  [vi\  ist  nahe  dem  Schwerpunkt  des 
Schiffes  auf  dem  Deck  des  Maschinenraumes  angebracht  und  seitlich  gut  verstrebt.  Das  Schlepp- 
seil wird  hinten  durch  einen  eisernen  Bügel  (»)  unterstützt.  Das  Schiff  ist  vorne  mit  einer  ein- 
fachen Ankerwinde  und  Kran  sowie  vorne  und  hinten  mit  Pollem  ausgerüstet. 


Abb.  431.     Querschnitt  i  :  100. 


z.  KrafbchifTe  mit  Dampfnvucbineii,  DtunpfschifTc.  553 

Du  auf  der  Werfl  Übigau  ^bauCe  Schiff  gehört  za  den  besserea  dieser  Art.  Der  starke 
Deckspniüg  ist  nicht  empfehlenswert,  zomal  dadurch  am  Heck  die  fi^ie  Bewegung  des  Schlepp- 
taus and  an  beiden  Enden  die  Handhabung  der  Scbiebestangen  a.  dgl.  behindert  vrird.  Üe 
Werften  sind  in  dieser  Beiiehnng  aber  oft  von  den  Wünschen  der  Besteller  abhängig. 


Abb.  431.    Schraubcnschleppdampfer  auf  den  MSrkischen  Wasserstraßen. 


Abb.  433.     Schraubenschleppdampfer  von  350  PSi  auf  der  unteren  Elbe. 

In  Abb.  432  ist  ein  ähnlicher  kleiner  Schlepper  schwimmend  dai^estellt. 
Seit  der  Einfuhrung  des  Tunnelheclcs  (S.  476)  bürgern  sich  die  Schrauben- 
schleppdampfer  auf  der  Elbe  zwischen  Hamburg  und  Wittenberge  ein,  wo 
bisher  allein  die  Radschlepper  herrschten.  Abb.  433  zeigt  z.  B.  ein  solches 
Schiff  mit  Tunnelheck  mit  Schwanz,  das  ebenso  wie  das  früher  erwähnte 
von  Gebr.  Wiemann  in  Brandenburg  gebaut  ist     Es  ist  37  m  lang,  6,3  01 


554  Abschnitt  ID.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraflachiffe. 

breit,  hat  eine  Dreifach-Expansionsmaschine  von  350  PSi  und  geht  bei  einem 
Schraubendurchmesser  von  1,65  m  nur  1,15  m  tief.  Ein  anderer  Schlepp- 
dampfer mit  Tunnelheck  ohne  Schwanz,  der  von  Cäsar  Wollheim  gebaut 
ist,  verkehrt  gleichfalls  auf  der  Elbe.  Er  ist  35  m  lang,  6,3  m  breit,  hat  eine 
Vierfach- Expansionsmaschine  von  373  PSi  (S.  535)  und  geht  bei  einem 
Schraubendurchmesser  von  1,7  m  nur  1,1  m  tief. 

Auf  dem  Rhein  sind  seit  dem  Jahre  1880  Schraubendampfer  zum 
Schleppen  verwendet  worden,  besonders  auf  dem  Niederrhein,  wo  meistens 
ausreichende  Wassertiefen  von  2,5  bis  3  m  vorhanden  sind.  Mit  einer 
Schraube  (von  1,6  bis  1,8  m  Durchmesser)  erhielten  sie  bei  1,8  bis  2  m  Tief- 
gang 300  bis  400  PSi.     Die  gfröOeren  Zweischraubendampfer  mit  Schrauben 


Abb.  434.     Schr>abenscbl«ppilunpfer  auf  dem  Rtiein. 

von  2,2  m  Durchmesser  haben  bei  2,5  m  Tiefgang  bis  zu  850  PSi").  Da  man 
am  Rhein  in  der  Höhe  wehig  beschränkt  ist,  werden  diese  Schiffe  meistens 
mit  Aufbauten  und  hochgestelltem  Steuerhäuschen  versehen,  wie  aus  Abb.  434 
ersichtlich.  Dies  ist  ein  auf  der  Mannheimer  Werft  gebauter  Schleppdampfer. 
Von  dieser  Schiffbauanstalt  sind  schon  mehrere  Dampfer  mit  Tunnelheclc 
beigestellt,  die  bei  47  m  Länge  und  7,8  m  Breite  mit  2  Schrauben  von  1,9  m 
Durchmesser  mit  Dreifach -Expansionsmaschinen  S40  PSi  entwickeln,  wobei 
der  Tiefgang  mit  20 1  Kohlen  nur  1,2;  m  beträgt,  so  daO  sie  auf  dem  ganzen 
Rhein  verkehren  können. 

Bei   dicien   starken  Schleppern   ist  der  Grundrit   so   eingeteilt,   daß  mitischiifs  die  beiden 
Kohtenbunker   liegen,   zwischen   denen   in   der  Mittellinie  des  SchiETs  cid  etnra  l  m  breiter  Vei^ 

I)  Im  Jahre   1911  hatte  der  stärkste  Zwei  seh  raube  nschlepper  auf  dem  Niederrbein  nach 
Mitleiluog  des  (Icrmanischen  Lloyd  eioe  Stärke  von  1300  PSi. 


2.  Kraftschiife  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


555 


bindungsgang  bleibt.  Vorne  schließt  sich  der  Kesselraum  an,  in  dem  die  beiden  Kessel  neben 
einander  liegen,  während  hinten  der  Maschinenraum  folgt.  In  diesem  mittleren  Teile  des 
Schiffes  liegt  das  Deck  in  der  Höhe  der  Oberkante  des  Schanzkleides  und  ist  seitlich  mit  einer 
leichten  Reling  versehen.  Die  Verbindung  mit  den  niedriger  liegenden  Deckflächen  Über  den 
vorderen  und  hinteren  Kajüten  wird  durch  Treppenstufen  hergestellt.  Das  Deck  wird  über 
Hinter-  und  Mittelschiff  ziemlich  wagerecht  angeordnet  und  bekommt  nur  über  dem  Vorschiff 
emen  Sprung. 

Am  Rhein  besteht  die  Eigentümlichkeit,  daß  man  das  Steuerrad  und  den  Stand  des 
Schiffsfuhrers  zuweilen  hinter  dem  Schornstein  anordnet,  damit  der  Steuermann,  wie  man  sagt, 
seinen  Schleppzug  besser  übersehen  kann.  Dies  ist  ohne  Zweifel  unzweckmäßig.  Auch  die 
dort  oft  angetroffenen  wagerechten  Steuerräder,  von  gleicher  Bauart  wie  auf  den  Lastschiffen, 
sind  nicht  zu  empfehlen,  weil  sie  auf  dem  verhältnismäßig  kleinen  Dampfer  zu  viel  Raum  er- 
fordern. Die  Übertragung  von  der  Steuerwinde  zum  Ruder  wird  in  diesem  und  auch  in  anderen 
Fällen  zuweilen  durch  eine  auf  dem  Deck  befestigte  Wellenleitung  mit  Zahnradübersetzungen 
bewirkt,  weil  man  diese  für  zuverlässiger  hält  als  eine  Kette.  Bei  kleineren  Schiffen  wird  das 
zutreffen;  bei  großen,  langen  Radschleppern  muß  man  aber  stets  mit  gewissen  Formverände- 
rungen des  Schiffskörpers  rechnen,  die  leicht  zu  einem  Bruch  der  Wellenleitung  führen.  Man 
ist  darum  genötigt  worden,  in  diese  Leitung  einige  Universalgelenke  einzuschalten.  Die  auf  dem 
Deck  angebrachte  Welle  ist  auch  für  den  Verkehr  hinderlich  und  gefährlich. 

Personendampfer  mit  Schrauben  werden  gewerbsmäßig  im  Ortsver- 
kehr großer  Städte  viel  benutzt,  z.  B.  in  Hamburg  im  Hafen  und  auf  der 
Alster,  in  Paris  auf  der  Seine  und  in  Venedig  besonders  auf  dem  Canale 
grande.  Sehr  entwickelt  ist  diese  Art  von  SchifTen  in  der  wasserreichen  Um- 
gebung von  Berlin.  Hier  ist  es  vor  allem  die  Spree -Havel- Dampfschiffahrt- 
Gesellschaft  »Stern«,  die  in  ihrer  großen  Flotte  von  30  Einschraubendampfern 
und  28  Zweischraubendampfem  verschiedene  Größen  und  Bauarten  aufweist. 
Da  die  Schiffe  vorwiegend  dem  Vergnügungsverkehr  dienen  und  nur  zu  ver- 
'hältnismäßig  kurzen  Fahrten  in  warmen  Jahreszeiten  bei  gutem  Wetter  be- 
nutzt werden,  müssen  sie  vor  allem  auf  Deck  genügend  Raum  besitzen. 

Die  neuesten,  von  den  Stettiner  Oderwerken  gelieferten  Schiffe  sind  mit  zwei 
Schrauben  ausgerüstet  und  nach  den  in  folgender  Tafel  zusammengestellten  Klassen  gebaut: 


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M 

1 

L 

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alles 

m 

änge 

zwischen 
den  Loten 

m 

B 

aber 
alles 

m 

reite 

aber 
Spanten 

m 

Seiten- 
höhe 

m 

Ticf- 
m 

Völlig- 
keitsgrad 
der  Ver- 
drängung J 

Indiz. 
Pferde- 
stärken 

Um- 
lauf, 
zahlen 

Geschwin- 
digkeit 
je  Stunde 
km 

Kohlen- 
Verbrauch 
je  PSi 
kg 

I 

29,95 

28,0 

5,62 

5.3 

2,32 

1,4 

0,515 

160 

220 

»9,5 

1,1 

2 

30,4 

28,9 

5,0 

4,8 

1,75 

1,42 

0,482 

130 

210 

17,6 

1,2 

3 

32,0 

30,0 

6,2 

5^ 

2,45 

1,4 

0,450 

150 

205 

17*1 

i,»5 

4 

35,1 

33,0 

6,6 

6,1 

2,45 

1,4 

0,487 

240 

225 

19,5 

1,1 

In  den  Abbildungen  435  und  436  ist  ein  Dampfer  der  Klasse  4  dargestellt,  der  nach  der 
Vermessung  der  Schiffiüirtpolizei  430  Fahrgäste  aufnehmen  darf.  Die  Bordwände  sind  so  hoch 
über  Wasser  gefuhrt,  daß  die  Kajüten  durch  seitliche  Fenster  erleuchtet  werden  und  auch  der 
Maschinenraum  die  erforderliche  Höhe  bekommt.  Es  sind  4  Schottwände  {a)  angeordnet,  vorne, 
hinten  und  zur  Abgrenzung  des  Maschinen-  und  Kesselraums.  In  dem  letzteren  befinden  sich 
die  beiden  Verbundmaschinen  mit  Kondensation,  über  denen  ein  Decklicht  (d)  angeordnet  ist. 
Die  Buchstaben  haben  im  übrigen  die  gleiche  Bedeutung  wie  in  Abb.  429  bis  431.  Der  Steuer- 
mannstand ist  vor  dem  Schornstein  über  dem  Kessel  ohne  besonderen  Schutz,  da  das  Sonnen- 
zelt genügt.  Vorne  und  hinten  ist  eine  große  Kajüte  iiir  die  Fahrgäste  mit  je  einem  Nieder- 
gang angeordnet.    Neben  der  hinteren  Kajüte  liegen  die  Aborte  (c).    Ein  besonderer  Niedergang 


556 


Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Trieblcraft,  Kraftichiffe. 


fuhrt  lu  der  Mumschaftskajüte  im  Hinterschiff.  In  dem  Deckplan  ist  die  Anordnung  der  Stli- 
bKnke  beacbtensirert.  Die  oben  mitgeteilte  Abb.  43J  zeigt  dies  Scbiff  in  der  Fahit,  irihrcnd 
die  Abb.  437  von  einem  Schiffe  der  Klasse  1  Rlr  etwa  300  FahrgKste  den  Bug  dieser  Schiffe 
zeigt  und  die  scbaif  gebaute  Keilform  mit  weit  ausfallenden  Spanten  erkenuen  llßt.  Über  den 
nnmlDigen  Decicsprung  war  schon  gesprochen.    Die  Geschwindigkeit  der  Sehiffe  bezieht  sieb  anf 

Peisonendampfei  mit  1  Schrsubeo  auf  den  Berliner  Gewissem,  Abb.  435  und  436.    i  :  150. 
Abb.  435.     Ansicht. 


Abb.  436.     Grundriß. 


tiefes  Wasser,  wie  es  die  seeactigen  Ei^ 
Weiterungen  der  Havel  und  der  Spree 
bei  Berlin  besitzen.  Aus  Gründen 
der  äffentlichen  Sicherheit  ist  dort 
nur  eine  Geschwindigkeit  von  u  bis 
15  km  je  Stunde  polizeilich  erlaubt. 

Es  ist  bemerkenswert, 
daD  diese  zwedonäHigen  und 
wohlfeilen  Schraubenschiflfe 
sich  auf  den  Schweizer  und 
Italienischen  Seen  (abgesehen 
von  einigen  neueren  Versuchen 
auf  dem  Comer  See)  bisher 
nicht  eingebürgert  haben. 
Man  bleibt  dort  bei  den  Rad- 
dampfern, obwohl  man  rück- 
Abb.  437.  Personendampfer  auf  den  Bertiner  Gewissem  1  sichtlich  des  Tiefgangs  nicht 
m  der  Fahrt.  ,      ,  6      & 

beschränkt  ist. 

Die  Abbildungen  438  und  439  zeigen  einen   Güterdampfer   mit  zwei 
Schrauben,  der  die  Schleusen  in  der  Saale  bis  Halle  durchfahren  kann,  aber 


2.  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


557 


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558  Abschnitt  IH.     Schiflfe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

in  wenig  abweichender  Form  auch  auf  allen  anderen  östlichen  Wasserstraßen 
häufig  angetrofifen  wird.  Die  Bauart  entspricht  den  dort  verkehrenden  stäh- 
lernen Lastschiffen  (Abb.  59  bis  63)  und  bezüglich  der  Heckform  etwa  dem 
Eibschiff  nach  Flauer  Maß  (Abb.  74). 

Der  Dampfer  ist  51,1  m  über  alles  und  49  m  zwischen  den  Loten  lang,  6,02  m  über  den 
Scheuerleisten  und  5,92  m  über  den  Spanten  breit,  an  der  Seite  bis  zum  Deck  2,5  m  hoch  und 
mit  einem  ringsum  laufenden  niedrigen  (0,15  m)  Schanzkleid  versehen,  das  nur  am  Hinterschiff 
etwa  doppelte  Höhe  hat.  Der  Tiefgang  beträgt  mit  250  t  Ladung  und  7,5  t  Kohlen  1,6  m.  Die 
Schrauben  nach  Buckauer  Art  haben  1,3  m  Durchmesser.  Der  Raum  flir  die  beiden  Verbund- 
maschinen, die  zusammen  2 10  Pferdestärken  leisten,  und  für  den  Walzenkessel  von  80  m>  Heiz- 
fläche und  II  kg  Dampfspannung  ist  bei  etwa  '/3  der  Länge  von  hinten  angeordnet  und  durch 
2  Schottwände  begrenzt.  Außerdem  sind  noch  4  Schotte  vorhanden,  die  4  Laderäume  und 
2  Kajüten  abteilen.  Die  Laderäume  sind  durch  große  Ladeluken  zugänglich,  die  von  0,4  m  über 
das  stählerne  Deck  reichenden  Luksüllen  eingerahmt  und  mit  verzinkten  Wellblechtafeln  von  etwa 
0,7  m  Breite  geschlossen  sind.     Es  sind  Vorrichtungen  zum  Zollverschluß  angebracht. 

Da  der  Raum  zwischen  dem  Kessel  und  den  Bordwänden  zur  Unterbringung  der  Kohlen 
nicht  ausreicht,  sind  die  Bunker  durch  den  Raum  vor  dem  Kessel  vergrößert  worden,  so  daß 
sie  nötigenfalls  25  t  fassen  können.  Über  der  Kesselhaube  ist  der  Stand  für  den  SchiffsfUhrer, 
mit  leicht  umlegbarem  Geländer  versehen.  Von  hier  aus  kann  auch  die  Dampfsteuerwinde 
bedient  werden,  die  ihren  Platz  vor  dem  Kessel  hinter  einem  Steuerschirm  (^)  gefunden  hat. 
Sie  kann  dort  nicht  nur  mit  Dampf,  sondern  nötigenfalls  auch  durch  die  Hände  bewegt  werden. 
Die  Übertragung  von  der  Steuerwinde  zum  Ruder  erfolgt  durch  Ketten  und  Stangen  am  Schanz- 
kleid entlang  bb  zu  der  geschmiedeten  Kettenscheibe  auf  dem  Ruderschaft.  Auf  dem  Deck 
sind  in  eisernen  Köchern  2  umlegbare  Lademaste  aufgestellt,  von  denen  der  vordere  durch 
eine  Dampfwinde  und  der  hintere  durch  eine  Handwinde  bedient  wird,  so  daß  Lasten  von 
1,5  t  gehoben  werden  können.  Die  auf  dem  Vorderdeck  befindliche  doppelte  Ankerwinde  kann 
auch  als  Handladewinde  für  den  vorderen  Mast  benutzt  werden.  Um  gelegentlich  noch  ein  an- 
deres Lastschiff  in  Schlepptau  nehmen  zu  können,  ist  am  hinteren  Mastköcher  ein  Schlepp- 
bock mit  Klüse  [m]  angeordnet.  Das  Schlepptau  wird  über  dem  Hinterschiff  durch  2  Bügel  (») 
unterstützt. 

Dieser  Güterdampfer  ist  auf  der  Werft  von  Cäsar  Wollheim  gebaut,  die  solche 
Schiffe  auch  mit  stärkeren  Dreifach -Expansionsmaschinen  von  zusammen  280  bis  300  Pferde- 
stärken herstellt. 

Alle  diese  Güterdampfer  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  sind  mehr  oder 
minder  durch  die  Abmessungen  der  Schleusen  beschränkt  und  müssen  sehr 
völlig  gebaut  werden.  Es  haben  z.  B.  die  auf  der  Havel-Oder- Wasserstraße 
(Finowkanal)  verkehrenden  Güterdampfer  höchstens  eine  Länge  von  41  m, 
eine  Breite  von  5,1  m  und  eine  Tragfähigkeit  von  150  t,  die  aber  bei  der 
erlaubten  Tauchtiefe  von  1,4  m  bei  weitem  nicht  ausgenutzt  werden  kann. 
Der  Völligkeitsgrad  der  Verdrängung  (d)  beträgt  0,84  bis  0,87. 

Anders  ist  es  auf  dem  Rhein,  wo  man  in  der  Größe  der  Güterdaropfer 
nur  hinsichtlich  des  Tiefgangs  bei  niedrigen  Wasserständen  beschränkt  ist. 

In  den  Abbildungen  440  und  441  ist  ein  solches  Schifif  mit  2  Schrauben  dargestellt,  das  auf 
der  Mannheimer  Werft  gebaut  ist.  Es  ist  zwischen  den  Loten  65  m  lang,  über  den  Spanien 
9,5  m  breit  und  an  der  Seite  in  der  Mitte  3,3  m  hoch.  Bei  einem  Tiefgange  von  2,5  m  hat  es 
eine  Tragfähigkeit  von  700  t.  Der  schlank  gebaute  Schiffskörper  aus  Stahl  wird  durch  6  Schott- 
wände in  3  Laderäume,  2  Kajüten  und  den  Maschinen-  und  Kesselraum  zerlegt.  Die  Laderäume 
sind  ähnlich  wie  bei  dem  vorbeschriebenen  Schüfe  durch  Luken  im  stählernen  Deck  zugänglich, 
die  aber  mit  hölzernen  Deckeln  nach  rheinischer  Bauweise  geschlossen  sind.  In  dem  Maschinen- 
raum befinden  sich  die  beiden  Dreifach-Expansionsmaschinen  von  zusammen  560  Pferdestärken 
und  2  Dampfkessel  von  je  loo  m^  Heizfläche  und  1 5  kg  Spannung,  die  einen  gemeinschaftlichen 


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560 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  KraftschüTe. 


Schornstein  haben.  An  diesem  ist  beachtenswert,  daß  nur  sein  oberer  Teil  zum  Umlegen  ein- 
gerichtet  worden  ist,  weil  die  Rheinbrücken  verhältnismäßig  hoch  liegen.  Auf  diese  Weise  wird 
der  Vorteil  erreicht,  daß  die  Kessel  auch  bei  umgeklapptem  Schornstein  etwas  Zug  haben.  In- 
folge der  genügenden  freien  Höhe  ist  femer  der  Stand  fUr  den  Schiffsföhrer  (^)  auf  das  Deck 
eines  kleinen  Kajütenaufbaues  gelegt  worden.  Von  hier  kann  die  Dampfsteuerwinde  bedient 
werden,  die  in  dem  darunter  befindlichen  Räume  aufgestellt  ist.  Wie  bei  den  Güterdampfem 
auf  den  östlichen  Wasserstraßen  sind  auch  hier  2  Lademaste  in  starken  eisernen  Köchern  be- 
weglich aufgestellt,  die  bis  zum  Schif&boden  geführt  sind.  Zum  Löschen  und  Laden  sind  drei 
Dampfwinden  vorgesehen  und  außerdem  im  Vorschiff  eine  Dampfankerwinde.  Zum  gelegent- 
lichen Schleppen  ist  das  Schiff  mit  einem  Schleppbock  {m)  am  hinteren  Mastköcher  nur  mit 
einem  Bügel  {w)  ausgerüstet.  Der  Schraubeildurchmesser  beträgt  1,7  m.  Das  Schiff  hat  in  tiefem, 
stillem  Wasser  eine  Geschwindigkeit  von  etwa  1 7  km  je  Stunde  und  verkehrt  auf  dem  ganzen 
Rhein  bis  nach  Straßburg. 

Die  größten  Güterdampfer  auf  dem  Rhein,  die  der  »Neuen  Karlsruher  Ge- 
sellschaft« gehören  und  in  Holland  gebaut  wurden,  sind  je  83  m  lang,  10^08  m 
breit  und  haben  bei  2,77  m  Tiefgang  eine  Tragfähigkeit  von  1306  t  Die 
Maschinen  haben  650  PSi.  Ähnliche  Güterdampfer  verkehren  auch  auf  der 
mittleren  und  unteren  Donau  (bis  500  t  Tragfähigkeit  bei  1,8  m  Tiefgang 
und  mit  400  PSi). 

Güterdampfer  von  10300  t  auf  den  großen  Seen  von  Nordamerika,  Abb.  442  bis  444. 


Abb.  443.     Grundriß  i  :  2000. 


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Abb.  444.     Querschnitt  i  :  1000. 


Es  mag  hier  auf  die  Entwicklung  der  amerikanischen  Schraubengüterdampfer  auf  den 
Großen  Seen  hingewiesen  werden.  Bei  der  außerordentlichen  Größe  und  Tiefe  dieser  Gewässer 
kann  man  den  dortigen  Verkehr  kaum  zur  Binnenschiffahrt  rechnen,  zumal  sowohl  die  Bauart 
wie  der  Betrieb  der  Schiffe  mehr  der  Seeschiffahrt  ähnlich  ist.  Zum  Vergleich  ist  aber  in 
den  Abb.  442  bis  444  einer  der  größten  auf  diesen  Seen  verkehrenden  Erzdampfer  dargestellt 
worden*),  der  in  seinen  Abmessungen  mit  großen  Ozeandampfern  in  Wettbewerb  treten  könnte. 
Das  Schiff  ist  184,4  m  lang,  18,3  m  breit,  11,8  m  hoch  und  hat  (bei  cf  =  0,86)  eine  Tragfähig- 
keit von  10300  t  bei  5,8  m  Tiefgang.  Die  Versteifung  des  durchgehenden  Laderaums  durch 
sehr  kräftige  Rahmenspanten  und  bogenartige  Deckbalken  ist   aus  Abb.  444  ersichtlich.     Er  ist 


i)  Renner,   Schiffbau  u.  Schiffahrt  auf  den  Großen  Seen  in  Nordamerika.    Zeitschrift  f. 
Binnenschiffahrt  1909,  S.  435. 


2.  Knftschiffe  mit  DampfinaschmeD,  DampfschifTe.  561 

1  Schntaben  nnd  TtuiDelhcck  von  400  PSi  «af  der  Weichsel,  Abb.  445  bis  448. 


Abb.  445,    Anücht  i :  300. 


aufDeck 


Abb.  446.     Gniodriß  i :  300. 


durch  33  Decklnken  zngMnglich,  die 
alle  gleichzeitig  zum  LadeD  oder  Lö- 
schen benutze  werden,  so  daO  zum  Eia- 
laden  von  loooo  t  En  oder  Kohlen 
trnr  etwa  10  Stunden  gebraucht  «ei- 
deo.  An  den  großen  LaderauiD  schlie- 
ßen sich  hioteD  die  KJIume  fttr  Kessel 
und  Maschine,  vorne  die  KajHten  filr 
die  Besatzung,  der  Steuerstand  und  die 
Befehlbrilcke.  Die  Dreifach  -  Eipan- 
MoDsmaschiae  von  2000  PSi  gibt  bei 
S;  Umdrehungen  dem  betadenea  Schiffe 
eine  Geschwindigkeit  von  i8,J  km.  — 
Im  Jahre  191 1  sollen  die  größten 
Schiffe  eine  Vecdrlngung  von  16000  t 
und  bei  6  m  Tanchtiefe  rine  Trag- 
fthigkeit  von  is7oot  [14000  Short 
Tons)  gehabt  haben. 

In  den  Abb,  445  bis  448  ist 
schließlich  noch  ein  Eisbrech- 
dimpfer  mit  1  Schrauben  daigestellt, 
der  nebenbei  auch  zum  Schleppen 
benutzt  wird.  Von  den  sonst  üblichen 
Eisbrechern,  die  in  dem  Werke  von 
Görz  und  Baehheistcr  »Das  Eis- 
brechwesen im  deutschen  Reich  <  [Berlin 
1900)  genau  beschrieben  und  darge- 
stellt sind,  weich!  dies  fUr  die  künigl. 
Weichselstrom-Baaverwaltung  im  Jahre 
1910  auf  der  Klawiltcrscben  Werft 
iu  Danzig  erbaute  Schiff  insofeni  ab, 
Teuberl,  BiniHBKhlffahrt. 


Abb.  447.     Querschnitt  durch  den  Kesselraum  l  :  Ijo. 


Abb.  44S.  Querschnitt  dorcb  den  Mascbinenraum  1 
36 


562  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

als  es  erheblich  breiter  und  mit  einem  Tunnelheck  mit  Schwanz  (nach  Thomycroft)  versehen  ist, 
wodurch  (mit  lo  t  Kohlen)  der  geringe  Tiefgang  von  i,o8  m  erreicht  werden  konnte.  Das  ist  für 
Eisbrecher  auf  seichten  Strömen  wie  die  Weichsel  von  größter  Bedeutung.  Auch  liegen  die 
Schrauben  unter  dem  Heck  sehr  geschützt.  Schon  im  Jahre  1904  war  von  dieser  Werft  ein 
solches  Schiff  hergestellt  worden,  das  sich  gut  bewährt  hat. 

Das  Schiff  ist  über  alles  40,7  m  und  zwischen  den  Loten  36  m  lang,  über  den  Spanten 
8j  m  breit  und  2,5  m  hoch.  Die  beiden  Dreifach-Expansionsmaschinen  entwickeln  bei  13  kg 
Dampfspannung  und  0,6  Füllung  zusammen  400  Pferdestfirken  und  geben  dem  Schiffe  in  tiefem, 
stillem  Wasser  eine  Geschwindigkeit  von  18  km.  Da  das  Schiff  zuweilen  in  Seewasser  vei^ 
kehrt,  ist  die  Maschine  mit  Oberflächen-  und  Einspritzkondensation  ausgerüstet.  Die  beiden 
Schraubenwellen  sind  zu  einander  geneigt  und  tragen  einfache  Schrauben  von  1,7  m  Durch- 
messer. Die  beiden  Walzenkessel,  die  neben  einander  liegen,  haben  zusammen  laom'  Heizfläche. 
Der  Kohlenverbrauch  beträgt  0,85  kg,  die  Wasserverdrängrang  230  m^.  Das  Heck  taucht  etwa 
80  mm  tief  in  das  Wasser  ein,  so  daß  auch  beim  Rückwärtsgang  keine  Luft  von  der  Schraube 
angesaugt  wird;  in  voller  Fahrt  senkt  sich  das  Heck  um  höchstens  150  mm.  Die  Anordnung 
und  Einrichtung  geht  aus  den  Abbildungen  hervor.  Die  Linienrisse  des  Hinterschiffs  und  ein 
Querschnitt  durch  die  Tunnel  sind  in  den  Abb.  358  bis  361  mitgeteilt,  und  hinsichtlich  der  Bauart 
des  löffeiförmigen  Vorschiffs  und  der  Eisverstärkungen  an  Kiel  und  Vorsteven  wird  auf  das  vor- 
genannte Buch  verwiesen. 

Bei  Zweischraubendampfern  ist  auf  die  Drehrichtung  der  Schrauben  beim  Vor- 
wärtsgang zu  achten.  Es  war  schon  (S.  470)  darauf  hingewiesen,  daß  bei  flachgehenden  Schiffen 
die  oben  nach  außen  schlagenden  Schrauben  den  Vorzug  verdienen,  besonders  auch  beim  Drehen 
des  still  liegenden  Schiffes  ohne  Gebrauch  des  Ruders.  Wenn  aber  die  Dampfmaschinen  von 
einem  zwischen  den  beiden  Maschinen  stehenden  Maschinisten  bedient  werden  sollen,  wie  es 
in  der  Binnenschiffahrt  üblich  ist,  ergeben  sich  bei  dieser  Drehrichtung  und  bei  der  heutigen 
Bauart  der  Maschinen  gewisse  Schwierigkeiten  in  Betreff  der  Übersichtlichkeit  und  der  Zugäng- 
lichkeit der  Maschinenteile.  Obwohl  diese  Schwierigkeiten  nicht  unüberwindlich  sind  (es  handelt 
sich  besonders  um  eine  Verstärkung  der  Gleitbahnen,  um  den  Druck  des  Kreuzkopfes  bei  der 
umgekehrt  laufenden  Maschine  aufzunehmen),  haben  sie  doch  dazu  gefuhrt,  daß  ein  großer  Teil 
der  Zweischraubendampfer  mit  nach  innen  schlagenden  Schrauben  versehen  worden  ist.  Eine 
Änderung  scheint  erstrebenswert. 

Seitenraddampfer. 

In  den  Abb.  449  und  450  ist  ein  großer  von  Gebr.  Sachsenberg  gebauter 
Seitenrad-Schleppdampfer  dargestellt,  wie  er  heute  auf  dem  Rhein  und 
anderen  großen  deutschen  Strömen  gebräuchlich  ist. 

Das  Schiff  ist  zwischen  den  Loten  73  m  lang,  über  den  Spanten  8,5  m,  über  den  Rad- 
kasten 19,2  m  breit,  in  der  Mitte  an  der  Seite  3,3  m  hoch  und  hat  mit  Ausrüstung  einen  Tief- 
gang von  1,18  m.  Die  Dreifach-Expansionsmaschine  entwickelt  bei  0,5  Füllung  im  Hochdruck- 
zilinder  uud  15  kg  Dampfspannung  1064  Pferdestärken.  Die  beiden  Schaufelräder  haben  bei 
einem  Durchmesser  von  2,9  m  im  Zapfenkreis  je  7  bewegliche,  stählerne,  gekrümmte  Schaufeln 
von  2  •  2,35  m  =  4,7  m  Breite  und  0,85  m  Höhe.  Die  beiden  Dampfkessel  haben  zusammen 
460  m^  Heizfläche;  der  Kohlenverbrauch  ist  0,8  kg. 

Der  Schiffskörper  hat  in  der  Mitte  senkrechte,  gleichlaufende  Wände,  der  Völligkeitsgrad 
des  Hauptspants  [ß]  beträgt  0,995.  ^^  Vor-  und  das  Hinterschiff  sind  namentlich  unter  Wasser 
keilförmig  zugeschärft,  der  Vorsteven  ist  unten  abgerundet.  Das  Deck  ist  nach  Abb.  428  geformt 
Der  Boden  ist  entsprechend  der  verschiedenen  Belastung  in  wechselnder  Stärke  ausgeführt:  Die 
Bodenwrangen  sind  im  Vorschiff  und  in  der  Mitte  300  mm ,  im  Hinterschiff  250  mm  und  im 
Maschinenraum  zum  Teil  650  mm  hoch.  Im  Vor-  und  im  Hinterschiff  sind  sie  nur  an  jedem 
zweiten  Spant  angebracht.  Außer  den  Wrangen  sind  unter  den  Kesseln  und  unter  der  Maschine 
noch  7  kräftige  1-Träger  eingebaut.  Auch  die  Stärken  und  der  Abstand  der  Spanten  sind  ver- 
schieden :  Im  Vor-  und  im  Hinterschiff  beträgt  dieser  600  mm ,  unter  den  Kohlenbunkern  und 
imter  den  Kesseln  500  mm  und  unter  den  Maschinen  nur  400  mm.  Im  Maschinenraum  sind  an 
jeder  Seite  10  starke,  versteifte  Rahmenspanten  angemessen  verteilt  und  eine  Reihe  schwächerer 


n 


564  Abschnitt  m.     Schüfe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Rahmenspanten  in  den  Kesselräumen  und  in  den  Kohlenbunkern.  Zur  Längsversteifung  dienen 
außer  den  Kielschweinen  je  i  durchlaufender  Seitenstringer  etwa  in  der  halben  Höhe  jeder 
Bordwand,  außerdem  noch  je  2  Seitenstringer  in  den  Wänden  des  Maschinenraumsi  die  kräftigen 
Deckstringerwinkel  und  das  stählerne  Deck  aus  Riffelblech  selbst.  Zur  Querversteifimg  sind 
9  mit  Winkeln  verstärkte  Schottwände,  die  Deckbalken  und  im  Maschinenräume  zwischen  diesen 
noch  ein  sehr  kräftiger,  aus  Blechen  und  Winkeln  zusammengesetzter  Versteifungsträger  (Ma- 
schinenbalken)  vorhanden,  gegen  den  sich  die  Tatzen  des  Maschinengestells  legen  (vgl. 
Abb.  420  bei  a). 

Die  Gewichtsverteilung  wird  in  der  Regel  so  gemacht,  daß  der  Schwerpunkt  des  Schiffes 
100  bis  200  mm  hinter  der  Schiffsmitte  (Mitte  der  Länge  zwischen  den  Loten]  und  die  Kurbel- 
welle, also  die  Mitte  der  Schaufelräder,  2  bis  3  m  vor  der  Schiffsmitte  liegen,  während  die  Dampf<- 
züinder  nach  hinten  gerichtet  sind.  Da  bei  starken  Radschleppern  für  die  schweren  Maschinen 
eine  große  Wasserverdrängung  nötig  und  der  Schiffsraum  mithin  reichlich  groß  ist,  macht  die 
zweckmäßige  Verteilung  von  Kessel  und  Bunkern  im  allgemeinen  keine  Schwierigkeiten.  Die 
in  unserem  Beispiel  dargestellte  Einrichtimg  hat  sich  als  die  zweckmäßigste  herausgestellt.  Der 
12,8  m  lange  Maschinenraum  ist  beiderseits  durch  je  eine  Schottwand  abgeschlossen,  in  der  aber 
eine  wasserdichte  Tür  vorgesehen  ist,  damit  der  Maschinbt  die  in  den  anstoßenden  Kessel- 
räumen tätigen  Heizer  überwachen  kann.  In  jedem  der  etwa  8,5  m  langen  Kesselräume  ist  je 
ein  Kessel  [ä)  frei  aufgestellt,  so  daß  er  von  allen  Seiten  zugänglich  ist.  Den  Feuerungen  gegen- 
über sind  dann  die  Kohlenbunker  (i)  angeordnet.  Die  übrig  bleibenden  Räume  im  Vorschiff  und 
im  Hinterschiff  sind  zu  Kajüten,  Vorratsräumen  u.  dgl.  verwendet.  Auf  Deck  sind  im  Hinter- 
schiff ein  kleines  Glashaus  und  an  den  nach  vorne  gelegenen  Seiten  der  Radkastentrommeln 
am  Backbord  eine  Küche  und  am  Steuerbord  die  Aborte  errichtet. 

Die  Radkasten  sind  so  gebaut,  wie  es  früher  beschrieben  und  dargestellt  worden  ist  (vgL 
Abb.  316).  Die  beiden  großen  Radkastenträger  (/]  sind  in  der  Höhe  der  Befehlbrücke  mit  einander 
verbunden  und  gegen  die  Bordwände  in  Richtimg  der  Schiffsachse  abgesteift.  Der  hintere  Rad- 
kastenträger unterstützt  mit  einem  dazwischen  angeordneten  Träger  die  Befehlbrücke,  auf  der 
das  Steuerhäuschen  ig)  aufgebaut  ist.  Unmittelbar  darunter  ist  auf  Deck  zwischen  den  Ober- 
lichtem des  Maschinenraums  die  Dampfsteuerwinde  aufgestellt,  die  vom  Steuerhäuschen  ans 
bedient  wird  und  auch  für  Handbetrieb  eingerichtet  ist. 

Zum  Festlegen  der  Schlepptaue  oder  Schlepptrossen  (am  Rhein  >Stränge€  genannt)  dienen 
die  starken  aus  Stahlblech  gebildeten  Poller  (/],  von  denen  beiderseits  je  3  fest  mit  den  Bord- 
wänden verbunden  sind.  Die  Trossen  (für  jedes  angehängte  Schiff  eine  besondere)  gehen  über 
den  versteiften  Schleppbock  (m),  über  den  hinteren  Kessel  und  dann  über  die  Bügel  (n),  die  im 
Hinterschiff  aufgebaut  sind.  Zum  Aufholen  der  schweren,  langen  Trossen  sind  im  Vorschiff 
4  Dampftrossenwinden  [w)  mit  gemeinschaftlichem  Antrieb  aufgestellt,  wohin  mittels  Führungs- 
rollen [u)  die  Trossen  auf  Deck  geleitet  werden.  Sie  werden  in  diesem  Falle  nicht  an  den 
Pollem  festgemacht,  sondern  durch  besondere  Trossenklemmen  gehalten,  die  später  beschrieben 
werden  sollen.  Auf  dem  Vordeck  befindet  sich  die  Dampfankerwinde  {v)  mit  Kettenkasten 
darunter  und  am  Bug  beiderseits  je  ein  starker  Ankerkran. 

In  den  Abb.  451  bis  456  sind  verschiedene  Anordnungen  des  Mittelschifis 
mit  den  Maschinen  und  der  Befehlbrücke  dargestellt.  Die  Einrichtung  nach 
Abb.  451  und  452  ist  jetzt  bei  den  großen  Radschleppern  auf  Elbe  und 
Rhein  fast  allgemein  üblich  und  unterscheidet  sich  auch  nur  wenig  von  der 
Anordnung  auf  dem  vorbeschriebenen  Schifte:  Die  Befehlbrücke  ist  an  den 
vorderen  Radkastenträger  geschoben  und  zwischen  beiden  Trägem  mittschiffs 
eine  Steuerbrücke  gebUdet,  die  aber  auf  der  Elbe  nicht  mit  einem  Häuschen 
überbaut  werden  kann,  weil  die  geringe  freie  Höhe  unter  den  Eibbrücken 
das  nicht  erlaubt.  Die  Anordnung  des  Maschinenraums  mit  den  beiden  Deck- 
lichtem und  der  dazwischen  aufgestellten  Dampfsteuerwinde  dürfte  deutlich  er- 
kennbar sein.  Die  vorne  stehende  Bockwinde  dient  zum  Heben  und  Umlegen  des 
Kesselschornsteins.   (Die  dazu  gehörende  Maschine  von  1000  PSi  war  bereits 


:.  Kraftschifle  mil  Duopfiaascbiiien,  Dampfschiffe. 


565 


in  den  Abb.  419  und  420  dai^estellt.    Das  Schiff  ist  72  m  lang,  9  m  breit, 
3,85  m  hoch  und  hat  1  m  Tiefgang.) 

Um  den  Maschinenraum,  besonders  bei  wagerecht  angeordnetem  Deck, 
höher  und   luftiger  zu  machen,   hat  man  an  Stelle  der  Oberlichter  zuweilen 


a  Elbschleppers  v 


>  PSi,  Abb.  4SI  und  451. 


Abb.  451.     LSDgsachnitt 


■      Abb.  45a.     Grundriß. 

einen  groQen  Aufbau  (a)  über  der  Maschine  ausgeführt,  wie  dies  die  Abb.  453 
bis  455  von  einem  etwas  älteren  Elbeschlepper  (67  m  lang,  8  m  breit,  3,3  m 
hoch  und  i  m  Tiefgang]  erkennen  lassen.  Innerhalb  dieses  Aufbaues  sind 
bequeme  Gallerien  und  Treppen  vorgesehen.  Das  Steuerrad  ist  vor  dem 
Aufbau  [bei  1^]  etwas  erhöht  über  der  Maschine  angebracht  worden.  Das  ist 
nicht  zweckmäßig,    weil  der  Steuermann  wenig  Aussicht  nach  hinten  hat. 


566 


AbscbniCt  m.     Schüfe  nut  eigener  Triebkraft,  KreftscbiiTe. 


Dies  SchifT  ist  übrigens,  was  früher  öfter  gewählt  wurde,  mit  4  Dampfkesseln 
versehen,  von  denen  je  2  vor  und  hinter  der  Maschine  neben  einander  liegend 
angeordnet  sind  (vgl.  den  Querschnitt  Abb.  314). 


Mittelschiff 


Älteren  Elbschleppcrs  von  700  PSi,  Abb.  453  bis  455. 


Abb.  454.     Grnndiiß. 


Abb,  455.     Lüngsschnirt. 

Ähnliche  große  Aufbauten  nicht  nur  über  der  Maschine,  sondern  auch 
über  den  Kessela  zeigen  neuere  große  Donauschlepper,  von  denen  in  der 
Abb.  456  ein  Längenschnitt  durch  das  Mittelschiff  dargestellt  ist').     Das  auf 

i)  Suppan,  Ober  Schiffahrt  auf  seicblen  Flüssen.  Bericht  zum  achten  internst.  Schiff.- 
Koi^;reü.    Fans  1900. 


2.  Krafbsehiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


667 


diese  Weise  entstandene  große  Oberdeck  ist  bis  über  die  beiden  Radkasten 
ausgedehnt  (vgl.  den  Querschnitt,  Abb.  315).  Etwa  über  der  Maschine  ist 
ein  Steuerhäuschen  [g-]  errichtet,  wo  das  auf  der  Donau  eingeführte  so- 
genannte Patentsteuer  (Abb.  293)  steht.  Seitlich  davon  ist  die  Trossen- 
winde (w)  aufgestellt,  von  der  das  Schlepptau  über  den  Schleppbock  {m)  nach 
hinten  geht.  Beachtenswert  ist  bei  diesem  Schiffe,  dass  die  Kessel  {d)  um- 
gekehrt liegen,  so  dass  ihre  Feuerungen  (und  auch  die  Schornsteine)  nach 
dem  Maschinenraum  gerichtet  sind.  Die  Kohlenbunker  sind  zwischen  den 
Kesseln  und  den  Bordwänden  angeordnet.  (Das  Schiff  ist  60  m  lang,  8  m 
breit  und  hat  i  m  Tiefgang.) 

Die  stärksten  Radschlepper  haben  auf  dem  Rhein  bei  1600  bis  1 700  PSi 
eine  Länge  von  75  m,  eine  Breite  von  9  m  über  den  Spanten  und  21  m  über 
den  Radkasten,  eine  Seitenhöhe  von  3,3  m  und  einen  Tiefgang  von  1,3  m; 


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Abb.  456.     Mittelschiff  eines  Donauschleppers  von  600  PSi   i  :  220. 

auf  der  Elbe  bei  1000  bis  1 100  PSi  eine  Länge  von  72  m,  eine  Breite  von 
9  m  über  den  Spanten  und  18,7  m  über  den  Radkasten,  eine  Seitenhöhe  von 
2,9  m  und  einen  Tiefgang  von  i  m;  auf  der  Weser  bei  500  bis  550  PSi 
eine  Länge  von  etwa  57  m,  eine  Breite  über  den  Radkasten  von  12  m  und 
einen  Tiefgang  von  0,8  m.  Der  stärkste  Schlepper  auf  der  Donau  (»Deutsch- 
landc)  hat  bei  1000  PSi  eine  Länge  von  63  m,  eine  Breite  von  8,3  m  über 
den  Spanten  und  19  m  über  den  Radkasten,  eine  Seitenhöhe  von  2,98  m 
und  einen  Tiefgang  von  1,25  m.  Der  stärkste  Schlepper  auf  der  Wolga 
(Abb.  457)  hat  bei  2000  PSi  eine  Länge  von  74,5  m,  eine  Breite  von  10,7  m, 
eine  Seitenhöhe  von  4  m  und  einen  Tiefgang  von  1,6  m. 

Die  Personendampfer  mit  Seitenrädern  waren  die  ältesten  Dampf- 
schiffe und  in  dem  geschichtlichen  Rückblick  ist  mitgeteilt  worden,  wie 
sie  bis  zur  Einführung  der  Eisenbahnen  auf  fast  allen  schiffbaren  Binnen- 
wasserstraßen die  gleichzeitige  Beförderung  von  Personen  und  Gütern  ver- 


568  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Krafischiffe. 

mittelt  haben.  Seitdem  hat  die  Benutzung  von  DampfschifTen  für  den  Ge- 
schäfts- und  Durchgangsverkehr  in  Deutschland  und  Mitteleuropa  fast  ganz 
aufgehört.  Selbst  der  früher  recht  lebhafte  Verkehr  von  Pcrsonendampfem 
in  den  FluOmühdungen  und  Niederungen,  namentlich  zwischen  Orten,  die  am 
bequemsten  auf  dem  Wasserw^e  zu  erreichen  waren,  hat  jetzt  nur  noch  die 
Bedeutung   eines  Ortsverkehrs,   da  die   Eisenbahnen  allmählich   überall  hin- 


Abb.  457.     Scbleppthunpfer  tait  der  Wolgi  von  3000  PSL 

gedrungen  sind.  Ein  solcher  Ortsverkehr  besteht  auch  noch  auf  den  meisten 
großen  deutschen  Strömen,  besonders  in  der  Nähe  großer  Städte.  At^esehen 
von  den  oben  erwähnten  Schraubendampfem  in  der  Nähe  von  Berlin,  besteht 
eine  bedeutende  Flotte  von  Personenraddampfern  auf  dem  mittleren  Rhein 
und  auf  der  oberen  Elbe,  die  einen  beträchtlidien  Verkehr  von  Vergnügen 


Abb.  438.     Anordnung  der  Personendampfc 


und  Erholung  suchenden  Fahrgästen  vermitteln.  Außerhalb  Deutschlands 
sind  femer  die  zahlreichen  Raddampfer  auf  den  schweizerischen  und  italieni- 
schen Seen  zu  erwähnen. 

Alle  erwähnten  Personenschiffe  sind  im  allgemeinen  nur  für  kürzere  Reisen 
eingerichtet.  Die  Anordnung  hat  sich  etwa  nach  der  in  Abb.  458  skizzierten 
Weise  entwickelt.  Da  diese  Dampfer  gewöhnlich  nur  schwache  Maschinen 
bekommen,  genügen  meistens  einer  oder  ausnahmsweise  zwei  neben  einander 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  569 

gelegte  Kessel,  die  behufs  guter  Gewichtsverteilung  in  der  Regel  hinter 
dem  Maschinenraum  angeordnet  werden.  Die  Maschinen  werden  meistens 
so  aufgestellt,  daß  die  Zilinder  vor  der  Welle  und  diese  sowie  die  Mitten 
der  Schaufelräder  einige  Meter  vor  dem  Schwerpunkt,  also  vor  der  Mitte 
liegen.  Um  an  Raum  zu  sparen,  werden  die  Maschinen  möglichst  kurz  ge- 
halten und  die  Kohlenbunker  zwischen  Kessel  und  Bordwänden  eingerichtet. 
Das  Deck  wird  fast  immer  wagerecht  gehalten  und  bekommt  gewöhnlich 
nur  im  Vorschiff  einen  kleinen  Sprung,  hinten  selten.  Es  wird  in  der  Regel 
aus  Holz  gefertigt.  Unter  Deck  ist  die  Einrichtung  fast  überall  dieselbe: 
hinten  eine  große  Kajüte  für  die  erste,  vorne  desgleichen  iiir  die  zweite  Klasse. 
Neben  den  in  der  Längsachse  angeordneten  Treppen  entstehen  4  kleinere 
Räume,  die  in  verschiedener  Weise  als  Kajüten  für  die  Besatzung,  als  Damen- 
oder Rauchzimmer  oder  zu  Wirtschaftszwecken  verwendet  werden.  An  den 
beiden  Enden  des  Schiffes  sind  noch  Räume  für  die  Mannschaft  und  zu 
Vorräten  u.  dgl.  vorhanden.  Auf  Deck  werden  in  der  Regel  die  Radkasten- 
trommeln beiderseits  mit  Anbauten  versehen,  in  denen  die  Küchen,  die  Ab- 
orte, Kasse  usw.  untergebracht  werden.  Das  Vordeck  dient  zur  Aufnahme 
von  Gütern,  Vieh  und  für  die  Fahrgäste  zweiter  Klasse ;  das  Hinterdeck  wird 
selbst  in  den  einfachsten  Verhältnissen  stets  mit  einem  Zelt  überdeckt  und 
mit  Bänken  und  Tischen  iiir  die  Fahrgäste  erster  Klasse  ausgerüstet.  Um 
Vor-  und  Hinterschiff  wird  entweder  eine  leichte  Reling  oder  ein  festes 
Schanzkleid  gezogen. 

Diese  einfachste  Form  ist  in  der  vorstehenden  Skizze  mit  schwarzen  Linien 
ausgezogen.  Bei  höheren  Ansprüchen  wird  auf  dem  Hinterdeck  ein  mehr 
oder  weniger  umfangreicher  und  vornehmer  Aufbau  errichtet,  der  meistens 
als  Speisesaal  dient.  Dann  wird  bei  weiterer  Entwicklung  das  Deck  dieses 
Aufbaues  nach  vorne  verlängert  bis  zur  Vorderseite  der  Radkasten  oder  auch 
bis  Aj  wodurch  ein  geschützter  Raum  für  Fahrgäste  zweiter  Klasse  entsteht. 
Diese  Anordnung  ist  sehr  beliebt  und  gibt  den  Vorteil,  daß  der  Raum  zwischen 
den  Radkasten  ganz  überdeckt  ist  und  man  die  Oberlichter  des  Maschinen- 
raums durch  eine  große  freie  Öffnung  ersetzen  kann,  die  mit  einem  Schutz- 
geländer umgeben  wird.  Bei  noch  weiter  gehenden  Ansprüchen  wird  der 
vordere  Aufbau  weiter  nach  dem  Bug  zu  verlängert,  das  so  entstandene  voll- 
ständige Oberdeck  wieder  mit  Reling  und  Zelt  versehen  und  schließlich  zu- 
weilen in  seiner  Mitte  (über  dem  Maschinenraum)  ein  kleines  Rauchzimmer 
aufgebaut,  auf  dessen  Deck  die  Befehlbrücke  mit  einem  kleinen  Häuschen 
angeordnet  wird. 

Zuweilen  findet  man  eine  etwas  andere  Einteilung,  namentlich  auf  den 
schweizerischen  Seen.  Da  die  hintere  Kajüte  unter  Deck  wenig  benutzt  wird, 
läßt  man  sie  fortfallen  und  legt  den  Fußboden  (D)  und  das  Deck  {E)  des 
hinteren  Aufbaues  entsprechend  tiefer  (gestrichelte  Linien)  Die  Verbindung 
mit  dem  hinteren  Hauptdeck  und  mit  dem  Oberdeck  über  dem  Mittelschiff 
muß  dann  durch  Treppenanlagen  vermittelt  werden. 


570 


Abschnitt  in.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


Oft  wird  das  ganze  Hauptdeck,  von  beiden  Steven  an  gleichmäßig  zu- 
nehmend bis  zu  den  Radkastenbalken  verbreitert,  um  für  die  Schiffsmannschaft, 
die  Fahrgäste  und  unter  Umständen  auch  für  die  Aufbauten  mehr  Raum  zu 
gewinnen.  Die  sich  frei  tragenden  Teile  des  Decks  werden  dann  durch  Kon- 
solen gegen  die  Bordwände  abgestützt. 

Ein  Beispiel  ist  in  den  Abb.  459  und  460  mitgeteilt,  die  einen  Personendampfer  für  den 
Ortsverkehr  in  Budapest  darstellen').  Dies  auf  der  dortigen  Werft  der  k.  k.  priv.  Donau-Dampf- 
schiffahrt-Gesellschaft gebaute  Schiff  ist  58  m  lang,  6,5  m  über  den  Spanten  und  11,8  m  über 
den  Radkasten  breit,  1,9  m  bis  zum  unteren  Deck  hoch  und  hat  einen  Tiefgang  von  0,95  m. 
Bug  und  Heck  sind  ganz  gleich  gebaut  und  beide  mit  einem  Ruder  versehen,  so  daß  man  ohne 
zu  wenden  nach  beiden  Richtungen  fahren  kann.  Der  mittlere  Teil  des  ganzen  Schiffes  ist  in 
Eisen  bis  zu  2,9  m  Höhe  über  dem  Boden  fest  überbaut,  so  daß  der  Maschinenraum  und  die 
Kajüten  darunter  Platz  finden.     Auf  dem  Hauptdeck  befinden  sich  einige  kleinere  Aufbauten,  in 


Abb.  459  und  460.    Personendampfer  mit  370  PSi  für  den  Ortsverkehr  in  Budapest 

denen  auch  die  Treppen  untergebracht  sind,  während  der  Raum  für  die  beiden  Steuerwinden 
auf  dem  Deck  über  dem  Maschinenraum-Überbau  angeordnet  ist.  Die  Maschine  leistet  etwa 
365  Pferdestärken. 

Alle  Aufbauten  der  Personendampfer  werden  in  der  Regel,  mit  Ausnahme 
der  Deckbalken,  ganz  aus  Holz  mit  mehr  oder  weniger  künstlerischer  Aus- 
schmückung hergestellt.  Die  Decken  der  großen  Säle  werden  durch  Unter- 
züge und  Säulen  gestützt.  Die  Steuerwinde  wird  gewöhnlich  auf  dem  oberen 
Deck  bei  B  oder  bei  C  (Abb.  458)  aufgestellt  und  mit  einer  Schutzwand 
(Steuerschirm)  mit  oder  ohne  Dach  versehen.  Der  innere  Ausbau  der  Kajüten 
richtet  sich  nach  dem  Geschmack  des  Bestellers  und  den  Ansprüchen  der 
Fahrgäste. 


1}  Bela  von  Gonda,  Die  ungarische  Schiffahrt.     Budapest  1899. 


3.  Kraflschifie  mil  Dunpfnusehiaei),  DunpfscbiiTe.  571 

Auf  dem  Rhein  haben  besonders  die  vereinigten  Kölnische  und  Düssel- 
dorfer Gesellschaften  es  verstanden,  durch  vornehm  und  behaglich  ausgestattete 
Räume  und  treffliche  Verpflegung  die  Reisenden  anzuziehen.  Ihre  Schiffe 
sind  immer  großer  und  schneller  geworden. 

Id  Abb.  46t  ist  der  im  Jahre  1899  von  Gebr.  Sacbsenberg  erbaute  ScfaDelldimpfer  iKaiserin 
Auguste  Viktori««  dargestellt,  der  zwischen  den  Loten  83  m  lang,  über  den  Spanten  8,2  m  und 
über  den  Radkasten  i;,3  m  breit,  »,g  m  hoch  ist  und  eineD  Tiefgang  von  1,17  m  hat.  Das 
Schilf  hat  scharfe  Formen  fVölligkeitsgrad  a  =  0,73  und  (f  =  0,634;  und  legt  mit  lajo  Pferde- 
starken  der  Verbundmaschine  [Abb.  417  u.  418)  in  regelmäl^iger  Fahrt  den  Weg  von  Köln  bis 
Mainz  in  11,5  Stunden  zurück.  Znr  Ersparnis  an  Raum  und  Gevieht  sind  4  Wasserrobrkesael 
nach   der  Bauart  Dürr   verwendet  worden.     Neben   der  etwa  in  gleichen  Abmessungen  und  zu 


Abb.  461.     Personendampfer  •Kaiserin  Auguste  Viktoria<  auf  dem  Rhein  mit  1250  PSi. 

gleicher  Zeit  itt  Holland  gebauten  »Borussia«  ist  es  das  glänzendste  und  schnellste  SchÜT  auf 
dem  Rhein.  Im  Jahre  1911  werden  zwei  neue  Schnelldampfer  (>Kaiser  Wilhelm  II.'  und 
"Blücher«)  in  Dienst  gestellt  werden,  die  von  Gebr.  Sachsenbei^  gebaut  sind  und  nahezu 
gleiche  Abmessungen  und  die  gleiche  Maschinen  starke  erhalten  haben.  (So  und  8z  m  lang, 
8,5  m  breit  und  etwa  1,1  m  Tiefgang.) 

Die  Sächsisch-Böhmische  Gesellschaft  in  Dresden,  über  die  im  geschicht- 
lichen Rückblick  [S.  118]  einige  Mitteilungen  gemacht  worden  sind,  ist  gleich- 
falls unablässig  bemüht,  ihre  Personendampfer  den  heutigen  erhöhten  An- 
sprüchen anzupassen.  Sie  arbeitet  aber  unter  schwierigeren  Verhältnissen, 
weil  bei  den  geringen  Wassertiefen  der  oberen  Elbe  ihre  Schiffe  keinen 
größeren  Tiefgang  als  0,6  bis  höchstens  o,gm  haben  dürfen  und  darum  in  ihrem 
Gewicht  so  viel  als  möglich  beschränkt  werden  müssen.     Auch  erlauben  die 


572  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftsctüffe. 

Krümmungen  des  Stromes  und  die  kleine  Fahrwasserbreite  nur  die  Verwen- 
dung von  verhältnismäQig  kurzen  Schiffen. 

Im  Jahre  1900  hat  die  Gesellschaft  einen  schönen  großen  Dampfer  «Kaiser  Wilhelm  II.> 
in  Betrieb  gestellt  (Abb.  461),  der  zwischen  den  Loten  57,15  m  lang,  über  den  Spanten  5,25  m  nnd 
über  den  Radkasten  11,1  m  breit,  2,37  m  hoch  ist  und  einen  Tiefgang  von  0,6  m  in  leerem  nnd 
von  0,91  m  in  beladenem  Znstande  hat.  Er  ist  mit  großem  Aufbau  im  Mittelschiff  nnd  Ober- 
deck versehen,  aber  nicht  so  scharf  gebaut  wie  die  vorenrRhnten  RbeinschiSe  (der  Völligkeits- 
grad  ä  ist  0,771].  Mit  243  PferdesUrken  soll  er  eine  Geschwindigkeit  von  etwa  io  km  (Mittel 
ans  Berg-  und  Talfahrt)  erreichen  und  kann  Sjo  Personen  aufnehmen.  Die  Gesellschaft  baut 
ihre  Schiffe  auf  der  eigenen  Werf)  in  Laubegast. 

Auf  der  mittleren  und  unteren  Donau  hat  die  Erste  Donau-Dampf- 
schißahrt'Gesellschaft  etwa  50  Jahre  lang  einen  bedeutenden  durchgehenden 
Personenverkehr  vermittelt  (vgl.  S.  143),  der  aber  seit  etwa  20  Jahren  Infolge 
des  Wettbewerbs  der  orientalischen  Eisenbahnen   langsam  abnimmt.     Auch 


Abb.  462.     Personendampfer  «Kaiser  Wilhelm  II.i  auf  der  oberen  Elbe  mit  340  PSi. 

andere  später  entstandene  Schiffahrtgesellschaften  haben  an  diesem  Geschäft 
teilgenommen.  Es  ist  dazu  eine  große  Zahl  schöner  und  schnellgehender 
Raddampfer  gebaut  worden,  die  mit  den  für  weite  Reisen  erforderlichen  Be- 
quemlichkeiten, Schlafräumen  u.  dgl.  ausgerüstet  sind. 

Abb.  463  zeigt  ein  kleines  Bild  von  einem  im  Jahre  1895  auf  der  Werft  >Dannbius<  in 
Budapest  erbauten  Dampfschiffe  •Franz  Josef  I.«,  das  der  Ungarischen  Fluli-  und  Seeschiffahrt- 
Aktiengesellschaft  gebort.  Es  ist  75  m  zwischen  den  Loten  lang,  7,7  m  über  deo  Spanten  nnd 
15  m  Über  den  Radliasten  breit,  3,7  m  hoch  Und  hat  mit  Kohlen  und  200  Fahrgästen  einen  mitt- 
leren Tiefgang  von  1,3  m;  doch  bietet  das  Schiff  für  900  Fahrgaste  und  noch  etwa  500  t  Güter 
genügenden  Raum,  Der  Völligkeilsgrad  der  Wasserverdrängung  (iT]  beträgt  0,70.  Die  Maschine 
von  840  Pferdestärke n  gibt  dem  vorne  scharf  gebauten  Schiffe  bei  gutem  Wasserstande  auf  der 
Strecke  zwischen  Bazias  und  Belgrad  bei  der  Bergfahrt  eine  Geschwindigkeit  von  2Z  km  und 
bei  der  Talfahrt  eine  solche  von  31  km  je  Stunde,  im  Mittel  also  26,5  km.  Bemerkenswert  ist, 
daß  man  zur  Raumersparnis  zwei  nebeneinander  liegende  Doppelkessel  mit  2  Schornsteinen  ge- 
wühlt hat.  Die  Kessel  liegen  im  VorschiiT,  vor  dem  Maschinenraum,  so  daß  die  Mitte  der 
ScbaufelrSder  sich  hinter  der  Mitte  und  hinter  dem  Schwerpunkt  des  Schiffes  befinden.  Das 
findet  man  auf  der  Donau  hau5g.  Das  Steuerhäuschen  ist  auf  dem  Oberdeck  des  Vorschiffs 
aufgestellt 

Anders  wie  die  Donau  bildet  die  Wolga  noch  heute  eine  sehr  belebte 
Wasserstraße,  deren  Personenverkehr  durch  die  Eisenbahnen  nicht  merklich 


3,  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  Dunpfschiffe.  573 

beeinfluOt  worden  ist.  Es  bestehen  dort  lo  große  Schiffahrtgesellschaften, 
die  mit  zusammen  mehr  als  200  großen  Dampfschiffen  einen  regelmäOigea 
Betrieb  unterhalten.  Alle  diese  gfroDen  Raddampfer  dienen  gleichzeitig  zur 
Beförderung  von  Gütern,  die  meistens  unter  dem  Hauptdeck  verstaut  werden, 
während  sich  die   fUr  die  Fahrgäste  erforderlichen  Schlaf-  und  Wohnräume 


Abb.  463.     Peraonendunpfet  >FranE  Josef  I.<  auf  der  Donau  mit  840  PSI. 

in  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Aufbauten  befinden.  Fast  alle  Schiffe 
sind  mit  einem  Oberdeck  versehen,  auf  dem  die  Kajüten  für  die  erste  und 
zweite  Klasse  errichtet  sind,  während  die  dritte  und  vierte  Klasse  auf  dem 
Hauptdeck  untergebracht  sind.  Es  ist  (lir  weitgehende  Bequemlichkeit  gesorgt, 
überall  hndet  man  elektrische  Beleuchtung,  Baderäume,  eine  Apotheke  und 


Abb.  464.     Dampfer  >Marie  Theodorowna«  ant  der  Wolga  mit  950  PSi. 

eine  Bücherei.  Es  werden  meistens  weite  Strecken  von  den  Fahrgästen 
zurückgelegt:  es  dauert  z.  B.  eine  Talfahrt  von  Nishnij-Nowgorod  bis  Astrachan 
5  7.  bis  6  Tage  und  die  Rückfahrt  zu  Berg  6 '/,  bis  7  Tage. 

In  der  Abb.  464  ist  der  Dampfer  •Kaiserin  Maria  Theodorowna«  dargestellt,  der  85  m  lang 
ist  und  950  Pferdestärken  hat,  und  in  Abb.  465  sieht  man  iinks  neben  einer  schwimmenden  Halte- 
stelle den  Dampfer  •  Feldmarsch  all  Ssuworoff.  liegen,  der  87,2  m  lang  ist.  1500  PferdestSrken 
bat  nnd   1400  Fahrgäste  auüiehmcn   kann.     Diese  Bauart  ist   allgemein  verbreitet  und  vielleicht 


574  Abschnitt  IQ.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Krafbchiffe. 

besonders  deutlich  aus  der  Abb.  466  lu  ersehen,  die  den  Dampfer  >Graf  Leo  Tolstoi'  darstellt. 
Die  Dampfer  sind  aus  Stahl  und  Eisen  gebaut;  aber  die  Mehrzahl  der  russischen  Dampfschiffe 
wird  heute  noch  aus  Holz  hergestellt. 

In  Abb.  467  ist  ein  auf  dem  Nil  verkehrender  Raddampfer  dargestellt'), 
der  vorwiegend  dem  Verkehr  von  Vergnügungsreisenden  dient  und  in  seinem 


Abb.  465.    Dampfer  iFeldmarscball  Szuworoffc  auf  der  Wolga  mit  15CO  PSi. 

Aufbau  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  den  Wo^^ascbiffen  zeigt.  Auch  auf 
dem  Tigris  gibt  es  eine  Reihe  stattlicher  Raddampfer,  die  im  Auftrage  der 
türkischen  Regierung  zum  größten  Teil  von  John  Cockeriil  auf  der  Werft 
in  Antwerpen  gebaut  wurden. 


Abb.  466.     Dampfer  >Leo  Tolstoii  aaf  der  Wolga. 

Im  Jahre  1908  smd  i.  B.  zwei  Schiffe  in  Dienst  gestellt  worden,  die  €4111  iwischen  den 
Loten  lang,  10,67  ni  Jtber  den  Spanten  und  18  m  Über  den  Radkasten  breit,  1,87  m  hoch  sind 
und  einen  Tiefgang  von  1,3z  m  haben.  Sie  sind  in  gleicher  Weise  mit  1  Ut>ereinander  liegenden 
Decks  gebaut  wie  die  vorbeschriebenen  Schiffe.  Die  eigentiimliebe  Anordnung  der  einzeln  be- 
weglichen SchaufelrSder  wurde  auf  5.  542  erwShnt.  Die  Dampfer  erreichen  mit  S50  Pferde- 
stlrken  in  stillem,  tiefem  Wasser  eine  Geschwindigkeit  von  33,3  km  je  Stunde,  sollen  aber 
nebeubei  auch  zum  Schleppen  benutzt  werden. 


1]  Zeitschrift  für  BinnenschilTahrt  190S. 


2.  KnfCschiffe  mit  Dunpfinaschincn,  Dwoip^hiffe.  576 

Ebenso  verkehren  auf  den  indischen  und  chinesischen  Strömen  große 
Personenraddampfer,  über  die  nähere  Nachrichten  nicht  vorli^en. 

In  hervorragender  Weise  haben  sich  die  Raddampfer  auf  den  Strömen 
Nordamerikas  entwickelt 


Abb.  467.     Dampfer  »Egyptc  «of  dem  Nil. 

la  Abb.  46S<)  Ut  der  Dampfer  >Pilgrim'  dai^estellt,  der  im  Jahre  1883  fdr  die  Fahrt  auf 
dem  Hudson  zwischen  New'York  und  Albany  gebaut  wurde.  Er  Ul  über  alles  119  m  laog,  über 
den  völlig  Qberbauten  Radkasten  26,8  m  breit,  4,67  m  hoch  und  hat  eiae  Maschine  von 
5300  Pferdestttrlieo.  Diese  ist  nach  Blterer  amerikanischer  Sitte  (»gL  S.  154)  mit  stehendem 
Zilinder  mid  oben  liegendem  Balancier  angeordnet,  den  man  auf  dem  Bilde  deutlich  Über  das 
oberste  Deck  hervorragen  sieht.     Diese  Maschinen  boten  die  großen  Vorteile,   daß  die  ZUbder 


Abb.  468.     Dampfer  >Pilgrim<  auf  dem  Hudson  mit  S5ot>  PSi. 

sich  sehr  wen^  abnutiten,  daß  der  Gang  der  Maschinen  TUbig  und  gleichmäßig  var  und  daß 
die  ganie  Anli^e  in  der  Schiffsmitte  wenig  Raum  erforderte.  Die  SchanfelrBder  mit  festen 
Schaufeln  haben  sehr  große  Durchmesser,  II  bis  13  m,  und  geben  den  Schiflen  mit  wenig  Um- 
drehungen [17  bis  23]  große  Geschwindigkeiten  von  aS  bis  30  km  je  Stunde.  Die  Aufbauten 
sind  denen  der  Wolgaschiffe  ühniich,  aber  mit  noch  mehr  Fracht  und  Behaglichkeit  ausgestattet. 
In  dieser  Beziehung  ist  man  in  Amerika  immer  weiter  gegangen.  Abb,  469=)  zeigt  ein  neueres 
Schiff  >Adirondack<,  das  gleichfalls  auf  dem  Hudson  verkehrt  und  mit  4  übereinander  liegenden 

1)  Aus  Rtthlmann-Flamm. 

3)  Aus  Suppan,  Wasserstraßen  und  Binnenschiffahrt. 


576  AbsEhnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Decks  versehen  ist.  Beachtenswert  ist  der  groQc  >uf  dem  BÜde  erkennbare  Versteifungstrilger 
mit  oberer  gekrümmter  Gartung,  der  früher  (vor  1880),  als  man  die  Schiffe  in  der  Regel  noch 
ans  HoU  baute,  in  Amerika  sehr  Üblich  war  und  auch  in  Deutschland  zuweilen  angewendet 
«orde.  Die  SchaufelrSder  haben  einen  ttußeren  Durchmesser  von  10,5  m  und  die  Schaufeln 
von  je  4,35  m  Breite   und  1,5  m  Höbe   sind  aas  gekrümmtem  Stahlblech  beweglich  hergesietlL 


Abb.  46g.     Dampfer  >Adiroadack<  auf  dem  Hudson  mit  7700  PSL 


Abb.  470.     Dampfer  iFriscillai  mit  9000  PSi  auf  dem  Hudson. 

Bei  23  UmdrehUDgen  und  einer  MaschinenleLitung  von  7700  Pferdestärken  wurde  bei  der  Probe- 
fahrt eine  Geschwindigkeit  von  34  km  je  Stunde  erreicht.  MiCle  der  neuiuiger  Jahre  wurde  die 
•Piiscillai  in  Dienst  geslelll,  ein  Schiff  von  ganz  besonderer  Fracht  und  Größe,  das  nach  euro- 
plischer  Art  mit  einer  schräg  liegenden  Maschine  ausgerastet  worden  isl.  Es  ist  »wischen  den 
Loten  129,2  m  und  Über  alles  134,4  m  lang,  über  den  Spanten  16  m  und  über  den  Radkasten 
38,4  m  breit,  6,3  m  hoch  und  hat  einen  Tiefgang  von  3,8  m  (Abb.  470)')-  B«  einer  Probefahrt 
I)  Aus  RUhlmann-Flamm, 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  DampfschifTe.  577 

erreichte  das  SchüT  mit  23  Umdrehungen  je  Minute  und  9000  Pferdestärken  eine  Geschwindigkeit 
von  37  km  je  Stunde.  Es  bt  aber  zu  beachten,  daß  diese  Probefahrten  stets  in  sehr  tiefem 
Wasser  stattgefunden  haben. 

Auf  dem  Mississippi  und  auf  den  großen  Seen  verkehren  ähnlich  gebaute  große  Radschiffe. 

Es  war  schon  darauf  hingewiesen,  daß  die  meisten  Personenraddampfer 
in  größerem  oder  kleinerem  Umfange  zugleich  der  Güterbeförderung 
dienen.  Da  in  Deutschland  der  Personenverkehr  meistens  nur  im  Sommer 
während  der  günstigen  Jahreszeit  stattfindet,  werden  die  Schiffe  im  allge- 
meinen wenig  ausgenutzt.  Aus  diesem  Grunde  haben  z.  B.  die  Vereinigten 
Kölnische  und  Düsseldorfer  Dampfschiffahrt- Gesellschaften  eine  Reihe  von 
Raddampfern  (bis  zu  750  PSi)  gebaut,  die  nur  zum  Teil  mit  vornehm  aus- 
gestatteten Aufbauten  für  die  Fahrgäste  versehen  sind  und  deren  Schiffs- 
raum nur  zum  Teil  zu  Kajüten  verwendet,  im  übrigen  jedoch  als  Laderaum 
eingerichtet  ist,  so  daß  diese  Schiffe  (Halbsalondampfer  genannt)  außerhalb 
der  Reisezeit  in  zweckmäßiger  Weise  als  Güterdampfer  benutzt  werden 
können.  Andere,  lediglich  fiir  den  Güterverkehr  bestimmte  Raddampfer 
werden  am  Rhein  jetzt  nur  selten  gebaut.  Aber  auf  der  Elbe,  deren 
Wassertiefe  im  mittleren  und  oberen  Laufe  iiir  Schrauben  noch  nicht  genügt, 
besteht  ein  lebhafter  Verkehr  von  Eilgüterdampfern  mit  Seitenrädern 
zwischen  Hamburg  und  Dresden  und  noch  weiter  hinauf  bis  Laube-Tetschen. 

Die  »Vereinigten  ElbschifTahrt-Gesellschaften«  in  Dresden  besitzen  eine 
Reihe  von  Güterdampfern  mit  Seitenrädern,  die  zur  Bergfahrt  von  Hamburg 
bis  Magdeburg  2  7a>  bis  Dresden  5  Tage  brauchen  und  dabei,  je  nach  dem 
Wasserstande,  besonders  auf  den  unteren  Strecken  noch  2  bis  4  Lastschiffe 
schleppen. 

In  den  Abbildungen  471  bis  473  ist  ein  im  Jahre  19 10  auf  der  Werft  Uebigan  gebauter 
Güterdampfer  dargestellt,  der  eine  Lilnge  von  67  m  zwischen  den  Loten,  eine  Breite  von  7,4  m 
über  den  Spanten  und  13,65  m  über  den  Radkasten,  eine  Seitenhöhe  von  3,1  m  und  ohne  Ladung 
mit  2$  t  Kohlen  einen  Tiefgang  von  0,8  m  hat.  Die  Völligkeit  der  Verdrängung  ist  0,88  und 
die  der  obersten  Wasserlinie  0,91.  Bei  einer  Tauchtiefe  von  1,2  m  beträgt  die  Tragfähigkeit 
182  t  und  bei  1,45  m  300  t.  Der  Wirkungsgrad  der  Räder,  die  einen  äußeren  Durchmesser  von 
3,74  m  und  je  8  gekrümmte  eiserne  Schaufeln  von  2,5  m  Breite  und  0,77  m  Höhe  haben,  dürfte 
aber  bei  größerem  Tiefgang  als  1,2  m  schnell  abnehmen,  weil  dann  die  Schaufeln  sehr  tief 
eintauchen. 

Der  filr  Maschine,  Kessel  und  Kohlenbunker  (1)  beanspruchte  Raum  betritt  nur  9  +  6  -J-  2,5 
=  17,$  m  Länge,  während  37,5  m  der  Schifislänge  für  4  Laderäume  benutzt  sind,  von  denen  je 
2  im  Vorschiff  und  im  Hinterschiff  liegen.  Sie  sind  durch  je  eine  Schottwand  (a)  getrennt,  über 
denen  in  eisernen  Köchern  die  Lademaste  stehen.  Die  4  Luken  sind  4,5  •  3,5  m  groß.  Das 
Deck  ist  mittschiffs  wagerecht  bis  zu  den  Lademasten  und  fällt  von  dort  nach  dem  Vorsteven 
um  0,3  m,  nach  dem  Hintersteven  um  0,5  m.  Am  Vorschiff  wie  am  Hinterschiff  sind  Schanz- 
kleidungen und  längs  der  Laderäume  offene  Relinge  angeordnet.  Die  Dreifach-Expansionsmaschine 
entwickelt  bei  einer  Dampfspannung  von  15  kg,  einer  Füllung  von  0,55  und  30  Umdrehungen  400  PSi. 
Die  beiden  nebeneinander  liegenden  Kessel  haben  zusammen  150  m^  Heizfläche.  Der  Kohlen- 
verbrauch ist  0,8  kg. 

Die  über  den  Radkasten  angeordnete  Befehlbrücke  (Abb.  473]  liegt  in  der  Mitte  des  Schiffs 
nur  1,4  m  über  dem  Deck.  Sie  ist  darum  an  den  Seiten  unterbrochen,  um  an  den  Radkasten 
1,9  m  hohe  frei  Durchgänge  zu  gewinnen.  Die  Dampfsteuerwinde  steht  auf  dem  Deck,  kann 
aber  auch  von  dem  auf  der  Befehlbrücke  aufgestellten  Steuerhäuschen  (^)  bedient  werden.     Bei 

Teubert,  Binnenschiffahrt.  ^7 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfniaschinen,  Dampfschiffe. 


579 


k*    /\ — ^i 

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Abb.  473.     Güterdampfer  mit  Seitenrädern,  Querschnitt  i :  100. 

den  Lademasten  sind  Dampfladewinden  angeordnet.  Zum  Schleppen  sind  mittschiffs  auf  Deck 
besondere  Poller  (/),  hinter  dem  Kessel  der  Schleppbock  (m)  und  über  dem  Hinterschiff  die 
Schleppbügel  (n)  angebracht.     (Dies  weicht  von  der  üblichen  Einrichtung  ab;  vgl.  S.  587.) 

Auch  auf  der  oberen  Donau  verkehren  solche  Güterdampfer  mit  Seiten- 
rädern (170  t  Tragfähigkeit  bei  1,5  m  Tiefgang  mit  500  PSi). 

Heckraddampfer. 

Über  die  Heckraddampfer  älterer  Art  und  die  heute  noch  auf  ungeregelten 
Flüssen  in  den  Kolonien  üblichen  leichten  Schiffe  ist  bei  der  Besprechung 
des  Heckrades  selbst  (S.  450)  einiges  mitgeteilt  worden.  In  Deutschland 
werden  Heckräder  vorwiegend  bei  Schleppdampfern  gewählt,  die  auf 
seichten  Flüssen  verkehren  und  Schleusen  von  beschränkter  Breite  durch- 
f^ren  sollen. 

In  den  Abbildungen  474  und  475  ist  ein  neueres  Schiff  dieser  Art  dargestellt,  das  im 
Jahre  19 10  auf  der  Werft  von  Cäsar  Wollheim  in  Breslau  gebaut  ist.  Es  ist  50  m  zwischen  den 
Loten  und  52  m  über  alles  lang,  7,84  m  über  den  Spanten,  8  m  über  den  Scheuerleisten  und 
8|2  m  über  den  Radkasten  breit,  2,25  m  hoch  und  hat  mit  20  Tonnen  Kohlen  einen  Tiefgang 
von  0,9  m.  Mit  diesen  Abmessungen  ist  es  noch  möglich,  die  wichtigsten  Schleusen  der  mär- 
kischen Wasserstraßen  zu  durchfahren.  Die  Form  des  Vorschiffs  ist  sehr  völlig:  Der  Bug  ist 
über  Wasser  fast  ein  Halbzilinder,  unter  Wasser  löffelförmig,  ähnlich  wie  die  Linienrisse  Abb.  234. 
Das  Heck  hat  die  schon  oben  (S.  453}  beschriebene  Form.  Der  VöUigkeitsgrad  der  Wasserverdrän- 
gung (&)  ist  0,838,  der  der  obersten  Wasserlinie  (a)  0,86,  das  Mittelschiff  hat  gleichlaufende  senk- 
rechteWände  mit  abgerundeter  Kimm.  Der  Schiffsboden  besteht  außer  dem  Maschinenraum  durch- 
weg aus  gleich  hohen  Bodenwrangen  in  gleichem  Abstände  von  550  mm,  die  unter  den  Kesseln 
verstärkt  sind.  An  jedem  vierten  bis  sechsten  Spant  sind  Rahmenspanten  angeordnet  und  die  mit 
diesen  verbundenen  Wrangen  laufen  querschiffs  durch,  während  die  übrigen  am  Mittelkielschwein 
gestoßen  sind.  Außer  diesem  Mittelkielschwein  sind  noch  2  vollständige  Kielschweine  vorhanden. 
Die  Querversteifung  wird  außer  den  Rahmenspanten  durch  6  Schottwände  [a)   bewirkt.     Die  bei 

37* 


580 


diesen    Schiffen    sehr   wichtige 
Längsversteiftmg  wird  neben  der 
Blechhaut   und  dem   stählernen 
Deck  besonders  durch  die  3  er> 
wähnten    Kielschweine ,    durch 
3  Deckunterzüge,  durch  je  einen 
Seitenstringer  an  Backbord  und 
Steuerbord  und  vor  allem  durch 
ein    durch    Winkel    verstärktes 
Mittelschott  erreicht,  das  in 
der  Längsachse   zwischen  dem 
Maschinenraum  und  dem  Kessel- 
raum angeordnet  und  mit  dem 
mittleren  Kielschwein  und  dem 
mittleren  Deckunterzug  verbun- 
den ist   Anschliei^end  an  dieses 
Mittelschott  ist  sowohl  im  Ma- 
schinen-   wie    im  Kesselräume 
unter   dem   Unterzug  noch  ein 
starker    Träger    befestigt,    der 
durch  Schrägstäbe  ans  Winkeln 
und  LJ -Eisen  gegen  den  Boden 
abgesteift  wird.     Zur  weiteren 
lüngsversteifimg  ist  im  Mittel- 
schiff   beiderseits    der    6  mm 
starke  Schergang  300  mm  hoch 
über    Deck   hinaufgeführt    und 
dient  zugleich  als  Schanzkleid. 
Im  Vor-  und  Hinterschiff  schlie- 
ßen sich  daran  leichte  und  zum 
Teil  höher  gebaute  Schanzklei- 
der  an.      Auf    dem    niedrigen 
Schanzkleid     ist    eine    leichte 
Reling  angebracht.     Zum    Ge- 
wichtsausgleich   bei    geleerten 
Bunkern    ist    im    Vorschiff  ein 
Wasserballastraum  ( ^)  von  10 1 
Inhalt  vorgesehen;  zwischen  den 
beiden  vordersten  Schotten  lie- 
gen unter  Deck  die  Kajüten  für 
die  Bootsleute  und  Heizer;  zwi- 
schen   den    beiden     folgenden 
Schotten  befinden  sich  die  bei- 
den   Kohlenbunker    (i);     daran 
schließen    sich    ein    Laderaum 
{L)  und  4  weitere  Kajüten   auf 
jeder    Seite    des    durch    Türen 
durchbrochenen     Mittelschotts. 
Es     folgt  dann  der  große  Ma- 
schinenraum mit  dem  Schwanz- 
ende    des    Schiffskörpers    und 
den    Radkasten,    deren    Bauart 
oben  (Abb.  322  bis  324J   darge- 
stellt bt. 

Auf  Deck  ist  im  Vorschiff 
über  dem  Laderaum  ein  1,9  m 
hoher    Aufbau    aus    versteiften 


Blechen  angeordnet,  in  dem  in  der 
Längsachse  die  Dampfsteuerwinde  uif- 
gesCellt  ist,  wUrcnd  «Ich  daneben 
Küche,  Lampenramn  und  Aboit  befin- 
den. Auf  dem  Deck  des  Aufbaues  ist 
die  Befehlbriicke  {g)  eingerichtet,  von 
der  ans  auch  dos  Dampfsteuer  gehand- 
habt werden  Icann.  Unmittelbar  hinter 
diesem  Aufbau  befinden  sich  die 
Vorrichtungen  inr  Befestigang  der 
Schlepptrosse,  die  durch  die  Dampf- 
troisenwinde  liii]  aufgewickelt  werden 
kann.  Sie  ist  um  z  auf  schrtgem 
Unlerbau  in  der  Lkngsachse  angeord- 
nete Schlepp  oller  geschlungen  und 
wird  dahinter  durch  eine  Trossen- 
Iclemme  mit  Spindel  festgehalten. 
Dann  geht  das  Schlepptau  über  den 
Schleppbock  im]  und  die  Bügel  («)  «m 
Heck  aber  Bord.  Am  Bog  beündet 
sich  eine  Dampfankerwinde  mit  x  Ket- 
tenscheiben oebst  2  Ankerkranen  und 
auf  dem  Hinterdeck  eine  Handanker- 
winde [v]  für  einen  Heckanker. 

Die  Dreifach- Expansionsmaschine 
von  1,4  m  Hub  leistet  bei  0,63  Fül- 
lung und.  41  Umdrehungen  mit  15  kg 
Dampfspannung  715  FferdestSrkea. 
Der  KohJenverbrauch  betragt  o,S3  kg. 
Die  beiden  Kessel  (rf)  haben  lusawmen 
305  m'  Heilflache. 

Solche  Heckradschleppdampfer 
verkehren  besonders  auf  der  Elbe,  auf 
der  unteren  Havel  und  auf  der  Oder. 
'  Wenngleich  sie,  wie  schon  bemerkt, 
durch  die  mlrldschen  Wasserstraßen 
bis  Berlin  gelangen  können,  werden  sie 
dort  doch  in  der  Regel  nicht  benutzt, 
weil  sie  bei  ihrer  großen  Maschinen- 
Stärke  nur  im  Strom  angemessene  Ver- 
wendong  finden.  Die  für  die  markischen 
Wasserstraßen  bestimmten  SchleppzUge 
werden  ihnen  bei  Rathenow  oder  Filr- 
stenberg  a.  O.  meistens  von  kleineren 
Schraubendampfem  ibgen 


In  neuester  Zeit  ( 1 9 1 1  ]  sind 
von  Cäsar  Wollheim  noch  stär- 
kere Heckrad -Schleppdampfer 
bis  zu  900  PSi  in  ähnlicher 
Anordnung  gebaut  worden,  die 
bei  55  m  Länge  in  den  Span- 
ten 8,8  m  und  über  den  Rad- 
kasten   9,4  m    breit   sind  und 


582  Abschnitt  III.     Schüfe  mit  eigener  Triebkraft,  KraftschifTe. 

einen  Tiefgang  von  0,97  m  haben.     Die  Vierfach-Expansionsmaschine  dieser 
Schiffe  war  schon  erwähnt  worden  (S.  545). 

Die  Abbildungen  476  and  477  zeigen  einen  Güterdampfer  mit  3  Hinterridem.  In  dieser 
Art  sind  im  Jahre  1911  bereits  3  von  der  Norddeutschen  Maschinen-  und  Anoaturcn  -  Fabrik 
(Att&sirerke)  in  Bremen  für  die  Oberweser  und  die  Fulda  gebaut  norden.  Das  Schiff  ist 
zwischen  den  Loten  $7  m  lang,  auf  den  Spanten  7,8  m  breit  und  1,2  ro  hoch.  Der  Tiefgang 
beti^t  bei  350  t  Ladung  1,1  m.     Die  Anordnung  der   Hecki^er   unterscheidet  sich  wesentlich 


.^bb,  47S.     Russischer  Heckraddampfer. 

von  der  sonst  üblichen,  indem  das  zwischen  den  Rüdem  Hegende  Schwanzstück  in  einer  Breite 
von  4,35  m  am  fast  S  m  von  der  Radwelle  nach  hinten  verlängert  worden  ist.     Dadurch  Ist  so- 
viel WasserverdrSngung    gewonnen,    daß    man    den  Kessel  [d]  und    die   Kohlenbunker  {fl   in    den 
Maschinenraum  legen  konnte.    Zum  nötigen  Ausgleich  ist  im  Vorschiff  zwischen   dem  vordersten 
Laderanm   nnd   der  MannschaftskajUle   in   ganzer  SchÜlsbreite  ein  Wasserball astnum  (von  0,5  m 
Linge]  angeordnet.     Für  den  Betrieb  bietet  diese  Einrichtung  den  großen  Vorteil,   daß  bei  der 
gemeinschaftlichen  Bedienung  von  Kessel 
und  Maschine  mindestens  ein  Mann  ge^ 
spart  wird  und  außerdem  die  Wirmever- 
Inste   In   der  langen  Dampfleitung  fort- 
fallen.   Die  Radschaufeln  haben  aber  nur 
eine  Breite  von   1,5  m   (bei   einer  Höhe 
von    etwa  0,6  m)    erhalten    können,    was 
z.   B.    ftlr   starke    Schleppdampfer    nicht 
ausreichen  würde.    Die  Verbundmaschine 
von  iSo  PSi  gibt  dem  Schiffe  eine  Ge- 
schwindigkeit   von    14  km    in    stillem, 
Abb.  419.     EuisiKbit  H=ckr.dd.mpfcr.  (,,„  „„„      j  L.dtrtlumi  befind™ 

sich  vor  dem  Maschinen-  und  Kessel- 
raum und  einer  ganz  hinten  am  Heck.  Neben  diesem  ist  das  Deck  auf  Konsolen  bis  zur 
AulJenlinic  der  Radkasten  ausgekragt.'  Die  Kajüte  fUr  den  Schiffsftthrer  ist  vor  dem  Kessel 
erbaut  und  um  0,5  m  in  den  Laderaum  versenkt.  Vor  der  Kajüte  steht  das  HSuscben  {^  für 
die  Dampfsteuerwindc,  die  auch  vom  Stande  des  Scbiffsfüfarers,  auf  dem  Deck  der  Kajüte,  be- 
dient werden  kann. 

Bemerkenswert  ist  das  Bugruder  [i],  das  nach  Bedarf  vom  Vordeck  aus  an  dem  Vorsteven 
befestigt  und  durch  eine  Pinne  gehandhabl  wird.  Diese  Anordnung  findet  sich  in  Umticber 
Weise  auch  bei  anderen  Weserdatnpfem, 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmascbinen,  Dampfschiffe. 


583 


Ti 


Zur  Personenbeförderung  werden  in  Deutschland  die  Heckrad- 
dampfer kaum  benutzt.  Die  Abb.  478  und  479  zeigen  zwei  russische  Schiffe 
dieser  Art,  die  allerdings  auch  dort  nicht  sehr  verbreitet  sind.  In  Amerika 
sind  Heckraddampfer  aber  sehr  beliebt  und  werden  zu  allen  Zwecken  benutzt. 

Der  Bau  des  Schiffskörpers  der  Dampfschiffe  unterscheidet  sich 
grundsätzlich  nicht  von  dem  der  eisernen  Lastschiffe,  wie  er  früher  be- 
schrieben wurde,  soweit  nicht  die  Anbringung  der  Fortbewegungsmittel 
besondere  bauliche  Einrichtungen,  wie  Radkasten,  Tunnel  u.  dgl.,  fordert. 
Aber  zur  Verteilung  der  schweren  Einzellasten,  namentlich  der  Kessel  und 
Maschinen,  auf  den  ganzen  Boden  und  zur  Übertragung  der  StöOe  der  Ma- 
schinen und  der  dadurch  hervorgerufenen  Schwingungen  auf  den  ganzen 
Schiffskörper  sind  gewisse  Verstärkungen  notwendig.  Bei  der  Beschreibung 
einzelner  Dampfschiffe  sind  diese  An- 


ordnungen schon   zum  Teil  erwähnt 
worden. 

Unter  den  Maschinen-  und  Kessel- 
räumen werden  die  Kielschweine  ver- 
stärkt und  die  Bodenwrangen  in  klei- 
neren Abständen  verlegt  oder  höher 
und  kräftiger  im  Querschnitt  gemacht. 
Die  Unterbauten  (Fundamente)  der 
Maschinen  werden  als  kräftige  ge- 
nietete oder  gewalzte  Träger  mit  dem 
so  verstärkten  Boden  fest  verbunden. 
Die  Bordwände  werden  durch  kräf- 
tigere Spanten  (mit  Gegenspanten) 
und  durch  Rahmenspanten  verstärkt. 
Außerdem  muß  in  jedem  Maschinen- 
und  Kesselraum  wenigstens  ein  Raum- 
stringer etwa  in  der  Mitte  der  Bord- 
wände angeordnet  und  mit  Fächer- 
platten gut  mit  den  Rahmenspanten  verbunden  werden  (Abb.  480  u.  481). 
Die  Bauvorschriften  des  Germanischen  Lloyd  geben  dafür  nähere  Anweisungen. 
Große  Dampfschiffe,  besonders  die  starken  Radschlepper,  bekommen  im  Ma- 
schinenraum mehrere  Raumstringer  übereinander  (vgl.  Abb.  316,  wo  außer 
den  3  Raumstringern  auch  die  erhöhten  Bodenwrangen  ersichtlich  sind).  Eine 
weitere  Aussteifung  des  Maschinenraums  dieser  Schiffe  erfolgt  durch  den  be- 
reits erwähnten  Maschinenbalken  {a  in  Abb.  420)  und  zuweilen  verstärkt  man 
auch  die  Deckstringer  und  den  Schergang  der  Außenhaut  in  der  Länge  des 
Maschinenraums.  Auf  die  Längsversteifung  der  Heckraddatnpfer  durch  ein 
Mittelschott  u.  dgl.  war  bereits  hingewiesen. 

Auch  die  Ausrüstung  der  Dampfschiffe  unterscheidet  sich  nicht  wesent- 
lich von  der  Ausrüstung  der  Lastschiffe  hinsichtlich  des  Ankergeschirrs,  der 


^ 


Abb.  480.  Abb.  481. 

Verbindung  des  Raumstringers  mit  dem 
Rahmenspant. 


684  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  KraftschifTe. 

Fafarbäume  und  Stangen,  der  Handkähne  (die  bei  den  Dampfern  meistens 
mittels  »Davits«  aufgezogen  oder  auf  Deck  genommen  werden),  Rettungs- 
ringe, Wasserbehälter,  Laternen,  Flaggen  u.  dgl.  Wenn  man  auf  den  Dampf- 
schiffen Mäste  aufstellt,  dienen  sie  entweder  zur  Befestigung  von  Flaggen 
oder  als  Lademaste,  wie  bei  einigen  vorbeschriebenen  Beispielen.  Dort  war 
auch  bemerkt  worden,  daO  zuweilen  sowohl  die  zum  Löschen  und  Laden 
nötigen  Winden,  als  auch  die  Ankerwinden  durch  besondere  kleine  Dampf- 
maschinen angetrieben  werden. 


Abb.  48z.     DamprsteuerwiDde  mit  liegenden  Zilindern. 

Etwa  seit  1888  ist  die  Benutzui^  des  Dampfes  zur  Bew^ung  des  Ruders 
bei  vielen  Dampfschiffen  der  BinnenschiflTahrt  eingeführt.  Durch  die  Dampf- 
steuerwinden wird  eine  nicht  nur  leichtere,  sondern  auch  genauere  und 
sicherere  Lenkung  des  Schiffes  erreicht.  Schraubendampfer  brauchen  verhält- 
nismäßig kleinere  Ruderblätter  und  darum  auch  schwächere  Steuermaschinen 
als  Seitenraddampfer. 

In  Abb.  483  bl  eine  solche  Wind«  [Bituart  Ucbigau)  daigestellt:  Zwei  IJeine  wagerecht 
liegende  Dunpfiilinder  [a]  von  Sj  bis  t20  mm  Durchmesser  und  loo  bis  lao  mm  Hab  wirken 
auf  eine  gemebsame  Karbelwelle,  die  durch  ScbraubcnUbersetiung  (*|  die  Welle  (/]  und  weiter 
durch  Zahnradübertragung  die  Trommel  [i")  bewegt,  um  <üe  mittels  Fuhrungs rollen  (</}  die  Kette 
der  Steucrleltang  (meistens  nach  Gallescher  Bauart]  geschlungen  ist.  Durch  Drcbung  des  Hand- 
rads (g]  nach  rechts  oder  links  werden  die  beiden  Maschinen  gleichzeitig  un^esteneit.  Auf  der 
Welle  (/)  ist  eine  AusrBckvorrichtung  angebracht,  so  daß  man  mit  dem  Handrade  nnmiltelbar 
die  Trommelwelle  bewegen  kann. 


2.  KTBftschifie  mit  DampfrnaschineD,  Dunpfechifie.  &85 

Die  Winde  kum  in  verschiedener  Weise  auch  mit  unten  liegenden  oder  mit  stehenden 
ZUindem  angeordDet  werden.  Abbildung  4S3  zeigt  senlcrechte  blinder.  Dabei  sind  2  Hand- 
üder  angeordnet:  Mit  dem  größeren  kann  man  ohne  Dampfkraft  unmittelbar  die  Winde  tie- 
dienen,  vrlhreDd  das  kleinere  die  Dampfmaschinen  umsteuert. 

Wie  bei  den  einzelnen  DampfschifTen  schon  erwähnt  wurde,  wird  diese 
schwere  Winde  meistens  unmittelbar  auf  Deck  angebracht  und  darüber,  im 
Steuerhäuschen  oder  auf  der  Brücke,  noch  ein  sogenannter  Brückenständer, 
durch  den   man   mittels  Handrads,   Kegelräder   und   senkrechter  Welle   auch 


Abb.  4E3.     Dampfsteuerwinde  mit  stehenden  Zilindem. 

von   der  Brücke  aus  die  Umsteuerung    der  Maschine  bewirken  kann.     Der 
Handbetrieb  ist  in  der  Regel  nur  unten,  vom  Deck  aus,  vorgesehen. 

Wenn  die  Übertragung  von  der  Steuerwinde  zum  Ruder  nicht  durch  die 
üblichere  Ketten-  und  Stangenleitung,  sondern  durch  eine  feste  Wellenleitung 
(S.  555)  erfolgt,  laßt  sich  die  Dampfstcuerwinde  einfacher  anordnen,  indem 
man  die  Schraubenübersetzung  [6]  unmittelbar  auf  diese  Welle  der  Steuer- 
leitung wirken  läßt.  (Der  Kohlenverbrauch  je  Stunde  beträgt  für  eine  kleinere 
Winde  etwa  25  kg,  fiir  eine  größere  etwa  30  Vg.) 


586  Abschnitt  UI.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Zur  UnterstUtzung  der  Ruderwirkung  beim  Wenden  des  Schiffes  ist  von  Gebr.  Sachsenberg 
im  Jahre  1910  bei  dem  Radschlepper  »Ernst  Bassermanni  auf  dem  Rhein  am  Vorsteven  eine 
DampfBusblasevorrichtung  angebracht  worden,  über  den  Erfolg  liegt  bisher  aber  noch 
liein  abschließendes  Urteil  vor. 

Zu  der  für  alle  Dampfschiße  nötigen  Ausrüstung  gehören  die  Einrich- 
tungen zur  Übermittlung  der  Befehle  von  der  Brücke  in  den  Maschinenraum. 
Diese  muß  in  zuverlässigster  Weise  erfolgen,  wenn  nicht  die  Sicherheit  der 
Fahrt  gefährdet  werden  soll.  Es  ist  darum  z.  B.  bei  der  Anwendung  von 
Sprachrohren  unumgänglich  erforderlich,  daO  der  Maschinist  jeden  erhal- 
tenen Befehl  sofort  wiederholt.  Oft  werden  mechanische  Maschinentele- 
graphen benutzt,  die  aus  2  Scheiben,  je  eine  auf  der  Brücke  und  eine  im 
Maschinenraum,  bestehen,  auf  denen  die  zu  erteilenden  Befehle  aufgeschrieben 
sind:  »Volldampf  voraus,  langsam  voraus,  halt  (stop),  langsam  zurück,  Voll- 
dampf zurück*.  Die  Scheiben  tragen  nach  Art  einer  Uhr  je  einen  Zeiger, 
die  beide  durch  ein  Gestänge  zwangläufig  miteinander  verbunden  sind,  so 
daß  der  Zeiger  im  Maschinenraum  auf  denselben  Befehl  weist,  auf  den  der 
Zeiger  auf  der  Brücke  mit  der  Hand  eii^estellt  wird.  Die  Bewegung  des  Zei- 
gers wird  gleichzeitig  durch  ein  Glockenzeichen  angekündigt.     Es  gibt  auch 

elektrische     Übertragungen 
mit  Glühbirnen  u.  dgl. 

Von  der  Brücke  wird 
femer  bei  allen  Dampfern 
auch  die  Dampf  pfeife 
(oder  Heuler)  bedient,  die 
in  der  Regel  am  Dom  des 
Kessels  angebracht  ist.  Die 
gleichen  Zwecken  dienende 
Schiff sgiocke  wird  oft 
im  Vorschiff  auf  der  Anker- 
winde befestigt. 

Abb.  484.     Trossenklemme  (Bauart  Ruthof).  ^m  daS  an  den  tiefsten 

Punkten  des  Schiffskörpers, 
in  der  Bilge,  sich  ansammelnde  Sickerwasser  zu  entfernen,  sind  in  allen  Ab- 
teilungen des  Bodens  Bleiröhren  verlegt,  durch  die  das  Wasser  mittels  der 
von  der  Maschine  getriebenen  Lenzpumpe  angesaugt  und  fongeschafft  wird. 
In  dem  Maschinenraum  der  größeren  Schiffe  findet  man  meistens  auch  eine 
kleine  Dampfdynamomaschine,  die  für  die  elektrische  Beleuchtung  der 
Schiffsräume  soi^  und  den  Strom  für  die  Signallatemen  und  den  etwa 
vorhandenen  Scheinwerfer  liefert.  Die  Benutzung  eines  Scheinwerfers  ist 
übrigens  auf  belebten  Wasserstraßen  bedenklich,  weil  die  Führer  der  ent- 
gegenkommenden Schiffe  dadurch  geblendet  werden.  Mit  der  Dynamo- 
maschine wird  oft  noch  eine  Sammlerbatterie  (Akkumulatoren)  verbunden, 
die  zum  Ausgleich  als  sogenannte  Pufferbatterie  dient. 


2.  KrafCscliifi'e  mit  DunpfbiBschineD,  Dunpfgchiffe. 


587 


Auf  Schleppdampfern  ist  die  Anbringung  des  Schleppgeschirrs  von 
Wichtigkeit.  Bei  Schrauben-  und  Heckraddampfern  wird  das  Schlepptau  ge- 
wöhnlich von  hinten  über  Bügel  («)  zum  Schleppbock  [m]  geführt,  der  meistens 
aus  Eisen,  seltener  aus  Holz,  gebaut  und  auf  dem  Hinterdeck,  aber  möglichst 


Abb.  485.     Trossenklemme,  geöffnet. 


Abb.  4SÖ.     Trossenklemioe,  gescbloEsen. 


weit  nach  vorne,  nach  dem  Schwerpunkt  des  Schiffes  zu,  angebracht  ist. 
Zur  Befestigung  der  Trosse  wird  in  der  Regel  ein  Schlepphaken  mit  kräftiger 
Pufferfeder  benutzt.  Raddampfer  schleppen  auf  den  östlichen  Wasserstraßen 
in  der  Regel  mit  einem  doppelten  Schlepp- 
tau, das  am  Bug  des  ersten  Anhangs  über 
eine  Rolle  geht,  und  dessen  Enden  hinter 
den  Radkasten  an  den  dort  angebrachten 
SchleppoUern  {p)  befestigt  werden.  Auf  dem 
Rhein  hängt  nach  dortiger  Sitte  jedes  Last- 
scluff  mit  einer  besonderen  Trosse  an  dem 
Schleppdampfer.  Die  Trossen  gehen  über 
die  Bügel  («)  zum  Schleppbock  [»«)  und  wur- 
den dann  früher  seitlich  an  den  Schlepp- 
pollern  ip)  festgelegt.  Das  Einholen  der 
schweren  Trossen  ist  aber  eine  mühsame, 
langwierige  Arbeit,  zumal  sie  oft  über  400  m 
lang  sind  und  ein  bedeutendes  Gewicht 
(1  bis  2  kg  je  mj  haben. 

Man  wendet  daher  neuerdings  bei 
allen  starken  Schleppdampfern  Dampf- 
trossenwinden an,  mit  denen  man  die  Trossen  leicht  verkürzen  oder  ver- 
längern oder  ganz  einholen  kann  (vgl.  tu  in  der  Abb.  450).  Diese  Winden 
bekommen  meistens  einen  gemeinschaftlichen  Antrieb.  Während  der  Fahrt 
tragen  sie  aber  nicht  den  Widerstand  des  Schleppzugs,  vielmehr  werden  die 


Abb.  487.     QuerechoH 


f^J=f^t=F^^^=f^ 


Abb.  4S8.     Längsschnitt 


588  Abschnitt  HI.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

einzelnen  Trossen  durch  besondere,  in  der  Mitte  des  Schiffes  auf  dem  Deck 
befestigte  Trossenklemmen  gehalten,  die  in  verschiedener  Weise  angeordnet 
und  meistens  mit  starken  Pufferfedern  ausgerüstet  sind. 

In  Abb.  484  ist  die  sehr  verbreitete  Bauart  von  Ruthof  dargestellt.  Eine  andere,  von  der 
Mannheimer  Schiff-  und  Maschinenbau-Aktiengesellschaft  angefertigte  Klemme  ist  in  Abb.  485 
in  offenem  und  in  Abb.  486  in  geschlossenem  Zustande  abgebildet.  Aus  dem  Querschnitt  (Abb.  487] 
und  dem  Längsschnitt  (Abb.  488)  ist  die  nähere  Anordnung  ersichtlich.  Alle  diese  Klemmen 
werden  am  besten  mit  Vor-  und  Rückfederung  ausgeführt. 

Auf  der  Donau  wird  häufig  eine  andere  Klemme  mit  rückschraubbarer  Keilbremse  nach 
Patent  Keredes  benutzt. 

Die  Leistungen  und  die  Beschaffung  von  Dampfschiffen. 

Die  Maschinenleistung  eines  Dampfschiffs  muß  so  groß  sein,  daß  die 
gewünschte  Geschwindigkeit  erreicht  wird  und  bei  Schleppdampfern  außer- 
dem ein  Anhang  von  einer  gewissen  Zahl  von  Lastschiffen  oder  mit  einer 
gewissen  Nutzlast  geschleppt  werden  kann.  Wenn  der  gesamte  Schiffs- 
widerstand (einschließlich  des  etwa  mitgefiihrten  Schleppanhangfs)  mit  W  (in 
kg)  bezeichnet  wird  und  v  (in  m)  die  gewünschte  Geschwindigkeit  (vgl.  S.  439) 
bedeutet,  so  ist  die  zu  leistende  Nutzarbeit  W-v  oder  die  Nutzleistung  in 

Pferdestärken:  N^^  = .  Da  die  indizierte  Leistung  der  Dampfmaschine 

in  Pferdestärken  mit  Ni  bezeichnet  wird  (S.  507),  ist  der  Gesamtwirkungs- 

Der  Wert  von  rj  schwankt  bei  Binnenschiffen  etwa  zwischen  0,3  und  0,5, 
so  daß  etwa  nur  ein  Drittel  und  sehr  selten  mehr  als  die  Hälfte  der  indizierten 
Maschinenleistung  für  die  Fortbewegung  nutzbar  gemacht  werden  kann.  Die 
übrige  Kraftleistung  geht  verloren. 

Zunächst  muß  in  der  Dampfmaschine  die  Reibungsarbeit  der  einzelnen 
Teile  (Kolben,  Kolbenstange,  Kreuzkopf,  Kurbelzapfen,  Kurbelwellenlager,  Ex- 
zenter, Schieber,  Kulisse  mit  Exzenter)  und  die  Arbeit  der  Pumpen  geleistet 


i)  PSi  sind  indizierte  und  PSn  sind  Nutz-Pferdestärken,  wofür  man  auch  PSe  ^s  effektive 
Pferdestärken  gebraucht  Früher  sprach  man  außerdem  von  nominellen  Pferdestärken,  einer 
veraltetei\  Bezeichnung,  die  nur  zu  Watts  Zeiten  mit  den  indizierten  fibereinstimmten.  Dessen 
Niederdruckmaschinen  hatten  einen  mittleren  Kolbendruck  von  0,492  kg  je  cm^  (7  Pfund  engl,  auf 

I  Quadratzoll  engl.).    Die  Kolbengesch?nndigkeit  wurde  nach  dem  Hub  {IT  in  m)  zu  0,966  •  Y^ 

in  m  je  Sekunde  bestimmt  und  es  ergab  sich  die  Leistung  zu: 

Z>«  •  71  3, —  3  — 

•  0,966  •  yif  •  0,492  •  X  =  0,00498  •  J>  •  y/T  •  X 

4        

Fläche    Geschwindigk.        Druck 

in  nomineUen  Pferdestärken.     Darin  ist  D  der  Zilinderdurchmesser  und  x  die  Zahl  der  Zilinder. 

Diese  Formel  wurde  später  wiederholt  abgeändert ;  wegen  des  geringen  Druckes  und  der  kleinen 

Kolbengeschwindigkeit  der  Wattschen  Maschinen  entspricht  heute  die  Leistung  in   nomineUen 

Pferdestärken  nur  etwa  dem  fünften  bis  sechsten  Teil  der  Lebtung  in  indizierten  Pferdestärken. 

Dennoch  hielt  sich  diese  Berechnung  bis  zum  Jahre  1872,  weil  der  Preis  der  Dampfmaschinen 

danach  bestimmt  wurde. 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfinaschinen,  Dampfschiffe.  589 

werden.  Wenn  wir  die  übrig  bleibende  Dampfmaschinenleistung  an  der 
Welle,  die  zur  Bewegfung  der  Räder  oder  Schrauben  nutzbar  gemacht  werden 
kann,  mit  Nm  in  Pferdestärken  bezeichnen,  so  ist  Nm  =  i?«  •  Ni^  worin  ly«  den 
mechanischen  Wirkungsgrad  der  Dampfmaschine  bedeutet.  Wenn 
Ni  die  indizierte  Leistung  der  Maschine  beim  Leerlauf  und  Ni  die  indizierte 

Leistung  bei  voller  Belastung  bedeuten,    so   ist  ly^,  =  — ^_^ — .     Der  Wert 

von  ijm  schwankt  im  allgemeinen  zwischen  0,6  und  0,9,  wird  aber  bei  sehr 
starken,  großen  Maschinen  zuweilen  noch  etwas  größer.  Er  wächst  mit  der 
Zahl  der  Pferdestärken  und  nimmt  ab  mit  der  Anzahl  der  Zilinder  und  der 
wachsenden  Kolbengeschwindigkeit.  Aus  dem  letzten  Grunde  ist  er  bei  den 
schnell  laufenden  Schraubenmaschinen  kleiner  als  bei  Rädermaschinen  von 
gleichen  PSi,  um  etwa  0,01  bis  0,02  (bei  schwachen  Maschinen  von  40  bis 
100  PSi).  Der  Wirkungsgrad  ist  ferner  bei  Vierfach -Expansionsmaschinen 
um  etwa  0,02  geringer  als  bei  Dreifach-Expansionsmaschinen  und  um  etwa 
0,04  geringer  als  bei  Verbundmaschinen.  Dampfmaschinen  mit  Auspuff  haben 
einen  um  0,04  bis  0,06  höheren  Wirkungsgrad.  Die  höchsten  erreichbaren 
Wirkungsgrade  sind  etwa  folgende: 

Bei  Verbimdmaschinen  fiir  Raddampfer  mit  einer  mittleren  Kolben- 
geschwindigkeit von  2  m: 

fiir  Ni  =  250  —  450  —  800  —  1400  —  2400  PSi 
rim  =  0,79  —  0,8 1  —  0,82  —  0,83  —  0,84 . 
Bei  Verbundmaschinen  für  Schraubendampfer  mit  einer  mittleren  Kolben- 
geschwindigkeit von  3  m: 

für  Ni=  40  —  60   —  100  —  250  —  450  PSi 
rint  =  0,68  —  0,70  —  0,73  —  0,78  —  0,80. 

Bei  derselben  Maschine  sinkt  übrigens  der  Wirkungsgrad  bei  abnehmender 
Leistung.  Man  kann  die  Maschinenleistung  an  der  Welle  unmittelbar  durch 
Bremsversuche  und  zwar  am  leichtesten  durch  den  sogenannten  »Pronyschen 
Zaum«  messen,  indem  man  die  Kurbelwelle  durch  aufgelegfte  hölzerne  Brems- 
backen und  einen  langen  Hebel  bremst.  Aus  den  am  anderen  Ende  des  Hebels 
angebrachten  Gewichten  wird  die  Reibungsarbeit  und  die  Leistung  berechnet. 
Bei  großen  Maschinen  ist  das  aber  eine  schwierige  und  gefahrliche  Arbeit, 
die  nur  selten  ausgeführt  wird. 

Von  dem  mechanischen  Wirkungsg^rad  einer  Dampfmaschine  ist  deren  thermischer 
Wirkungsgrad  zu  unterscheiden,  der  die  Ausnutzung  der  dem  Kessel  zugefUhrten  Wärmemenge 
angibt.  Bei  guten  Dreifach-Expansionsmaschinen  mit  gesättigtem  Dampf  beträgt  er  etwa  0,1 1, 
bei  Dampfturbinen  etwa  0,112  und  bei  Verwendung  von  überhitztem  Dampf  0,135.  ^'^  übrige 
Wärmemenge  geht  verloren. 

Zm  dem  Kraftverlust  in  der  Maschine  kommt  der  Verlust  in  den  Fort- 
bewegungsmitteln (Propellern),  durch  den  Schlüpf,  die  Reibung  u.  dgl. 
(S.  438).  Wenn  ij^  allgemein  den  Wirkungsgrad  des  Fortbewegungs- 
mittels bezeichnet,  so  ist  die  Nutzleistung  Nn  =  rip  •  N,„  oder  =  rj^  -  rj^  -  Ni 
und  r]^  •  i]„  =  r]j    dem  Gesamtwirkungsgrade.     Es   war   früher  bereits   mit- 


590  Abschnitt  HI.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

geteilt,  daß  man  bei  FluOraddampfern  rjr  zu  0,57  bis  0,62  (S.  447J  und  bei 
Schraubendampfern  der  Binnenschiffahrt  17,  zu  0,5  bis  0,55,  bei  geringer  Wasser- 
tiefe zu  0,45  (S.  466)  annehmen  kann.  Berechnet  man  r]r  •  ly»»  und  r]s  •  rj^  mit 
Benutzung  der  vorstehenden  Höchstwerte  von  rj^ ,  so  ergeben  sich  die  Grenz- 
werte für  den  Gesamt  Wirkungsgrad  rj  bei  Raddampfern  zu  0,45  bis  0,51 
und  bei  Schraubendampfern  zu  0,34  bis  0,44,  bei  geringer  Wassertiefe  zu  0,3. 
Zu  beachten  bleibt  für  beide  Fortbewegungsmittel,  daß  diese  Wirkungsgrade 
bei  engem  und  seichtem  Fahrwasser  schnell  abnehmen,  ganz  besonders  fiir 
Heckräder  und  Schrauben.  Bei  den  letzteren  fallt  tj  beim  Schleppen  in  Ka- 
nälen auf  0,25  und  darunter  (bis  0,2).  Zweischraubendampfer  haben  einen 
etwas  geringeren  Wirkungsgrad  als  Einschraubendampfer  von  gleicher  Ma- 
schinenstärke. (Die  allgemeinen  Grenzwerte  von  0,3  und  0,5  waren  bereits 
oben  angegeben.) 

Welches  Fortbewegungsmittel  fiir  eine  gewisse  Wasserstraße  und 
für  ein  Schiff  mit  bestimmtem  Zweck  zu  wählen  ist,  läßt  sich  aus  den  früheren 
Mitteilungen  über  Rad  und  Schraube  (vgl.  S.  471)  und  aus  den  Beschreibungen 
der  Dampfschiffe  in  vielen  Fällen  leicht  entscheiden.  Zuweilen  ist  es  aber 
nötig,  die  Wirtschaftlichkeit  beider  Fortbewegungsmittel  mit  Benutzung  der 
vorstehenden  Untersuchungen  über  den  Wirkungsgrad  und  den  früher  ge- 
machten Angaben  über  das  Gewicht  der  Maschinenanlagen  (S.  545)  durch 
Rechnung  zu  vergleichen.  Das  trifft  z.  B.  bei  Schleppern  auf  dem  Mittel- 
lauf unserer  großen  Ströme  zu.  Wenn  man  fiir  gewöhnliche  Wasserstände 
den  Gesamtwirkungsgrad  bei  Rädern  zu  0,47  und  bei  Schrauben  zu  0,42  an- 
nimmt, so  muß  ein  Schraubendampfer  eine  stärkere  Maschine  als  ein  Rad- 
dampfer erhalten,  um  dieselbe  Nutzleistung  zu  ergeben.  Andererseits  ist  die 
Maschinenanlage  eines  Schraubendampfers  leichter  und  daher  billiger  und 
auch  sein  Schiffskörper  wird  leichter  und  billiger.  Dazu  kommt,  daß  die 
Bemannung  eines  Schraubendampfers  kleiner  sein  kann.  Diese  Vorteile 
werden  den  durch  die  stärkere  Maschine  vermehrten  Kohlenverbrauch  unter 
Umständen  wieder  ausgleichen,  was  durch  Rechnung  zu  untersuchen  ist. 

Für  die  untere  Elbe  zwischen  Hamburg  und  der  Havelmündupg  würde  z.  B.  einem  Rad- 
schlepper von  500  PSi  ein  Zweischraubenschlepper  von  550  PSi  entsprechen.  Der  erstere  würde 
etwa  160000  Mark,  der  andere  etwa  128000  Mark  kosten,  was  einen  Unterschied  von  32000  Mark 
ergibt.     Die  jährliche  Ersparnis  bei  aem  Schraubendampfer  beträgt: 

an  ersparten  Löhnen  u.  dgl.  für  einen  Matrosen  und  2  Heizer 3600  Mark 

an  Abschreibung  und  Zinsen,  je  0,05  von  32000  Mark 3200  Mark 

zusammen     6800  Mark. 
Davon  ist  der  Mehrkohlenverbrauch   fiir  50  PSi  und  2000  Betriebstunden  mit 

etwa  84  t  abzuziehen,  was  bei  einem  Preise  von  17  Mark  je  t  beträgt   .     .     1438  Mark 

Es  bleibt  eine  Ersparnis  von  5372  Mark. 
Wenn  man  den  Wirkungsgrad  des  Schraubendampfers  anstatt  zu  0,42  nur  zu  0,40  anninunt  und 
ihm  eine  Maschine  von  590  PSi  gibt,  so  findet  sich  bei  der  in  gleicher  Weise  durchgeführten 
Rechnung  immer  noch  ein  jährlicher  Gewinn  von  mehr  als  3000  Mark. 

Ein  Schraubendampfer  hat  für  den  Betrieb  noch  weitere  Vorteile:  er  kann  z.  B.  unter  Um- 
ständen beim  Talwärtsschleppen  höhere  Gewinne  erzielen  als  ein  Radschlepper.  Dagegen  wird 
sein  Tiefgang  um  0,1  bis  0,2  m  größer  sein,  so  daß  er  bei  ungewöhnlich  niedrigen  Wasser- 
ständen weniger  brauchbar  ist. 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  591 

Die  Geschwindigkeiten  der  Schiffe  werden  bei  der  Binnenschiffahrt 

gewöhnlich  nach  km  je  Stunde,  iiir  die  Rechnung  aber  meistens  nach  m  je 

Sekunde  angegeben.    Zuweilen  rechnet  man  auch  nach  Knoten  (der  Logleine 

je  Minute],  die  Seemeilen  von  1852  m  in  der  Stunde  darstellen.    Es  sind  etwa: 

3,00  —  3,6  —  5,0  —  7,2  —  10,0  —  18,5  —  30,0  km  je  Stunde 

=  0,83  —  1,0  —  1,4  —  2,0  —    2,8  —    5,1  —    8,3  m  je  Sekunde 
oder  =  1,64  —  1,9  —  2,7  —  3,9  —    5,4  —  10,0  —  16,2  Seemeilen  je  Stunde 

(oder  Knoten). 

Es  war  oben  (S.  439)  schon  darauf  hingewiesen,  daß  man  bei  der  Fahrt  im 
Strome  zwischen  der  scheinbaren  Geschwindigkeit  des  Schiffes  gegen  das  Ufer 
und  der  wirklichen  Geschwindigkeit  gegen  das  Wasser  unterscheiden  muß. 
Das  Mittel  aus  den  bei  der  Bergfahrt  und  bei  der  Talfahrt  in  derselben  Strom- 
strecke beobachteten  scheinbaren  Geschwindigkeiten  ergibt  die  wirkliche  Ge- 
schwindigkeit, die  das  Schiff  in  stillem  Wasser  haben  würde.  (An  der  Donau 
bezeichnet  man  diese  Geschwindigkeit  mit  > Tot wassergesch windigkeit«.) 

Im  Schiffahrtbetriebe  kommt  es  meistens  auf  die  scheinbare  Geschwin- 
digkeit des  Schiffes  an,  namentlich  beim  Bergwärtsschleppen.  Die  hierfür 
und  beim  Schleppen  auf  Kanälen  in  Deutschland  üblichen  und  oft  polizeilich 
festgesetzten  Grenzen  liegen  im  allgemeinen  zwischen  3  und  7  km  je  Stunde 
(0,8  m  bis  1,9  m  je  Sekunde).  Für  Flußdampfer  hat  man  hierzu  die  durch- 
schnittliche Geschwindigkeit  der  Strömung,  etwa  bei  gewöhnlichem  Wasser- 
stande, hinzuzufügen,  um  die  dem  Dampfschiff  zu  gebende  wirkliche  Ge- 
schwindigkeit zu  erhalten.  Diese  Geschwindigkeiten  hängen  von  dem  Gefalle 
und  der  Tiefe  der  Ströme  ab.  Ungefähr  betragen  sie  im  Mittellauf  unserer 
deutschen  Ströme  1,0  bis  1,5  m  je  Sekunde,  im  schiffbaren  Oberlauf  1,5  bis 
2  m.  Bei  der  Donau  zwischen  Passau  und  Gönyö  (Komom)  etwa  2,2  m,  unter- 
halb bis  Budapest  etwa  1,1  m  und  bis  Bazias  etwa  0,8  m. 

Über  die  Geschwindigkeit  der  Personendampfer  sind  bei  ihrer  Be- 
schreibung einige  Angaben  gemacht  worden.  Der  schnellste  deutsche  Fluß- 
dampfer ist  wohl  die  »Kaiserin  Auguste  Viktoria«  auf  dem  Rhein,  dessen 
wirkliche  durchschnittliche  Geschwindigkeit  in  gewöhnlichem  Betriebe  20  km 
je  Stunde  beträgt.  Auf  der  breiteren  und  tieferen  unteren  Donau  entwickelte 
der  Dampfer  »Franz  Josef  I.«  bei  der  Probefahrt  eine  Geschwindigkeit  von 
mehr  als  26  km  und  auf  den  großen  tiefen  Seen  der  Schweiz  sollen  einzelne 
Schiffe  sogar  eine  Geschwindigkeit  von  29  km  je  Stunde  erreicht  haben. 
Unter  gleichen  Umständen  würde  die  »Kaiserin  Auguste  Viktoria«  diese  Zahl 
vielleicht  übertreffen. 

Die  scheinbaren  Geschwindigkeiten  von  g^ten  Schleppdampfern  mit 
vollem  Anhange  und  von  g^ten,  beladenen  Güterdampfern  auf  dem  Rhein 
bei  gewöhnlichem  Wasserstande  lassen  sich  aus  der  nachstehenden  Tafel  er- 
sehen, worin  die  durchschnittlichen  Fahrzeiten  und  Geschwindigkeiten  zu  Berg 
und  zu  Tal  fiir  die  einzelnen  Rheinstrecken  aufgeführt  sind.  Man  erkennt, 
daß  die  Geschwindigkeit  im  allgemeinen  von  dem  Fahrwasser  abhängt. 


592 


Abschnitt  lU.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


Entfer- 

Rheinstrecke 

Fahrzeit  in  Stunden 

Scheinbare  Geschwindigkeit 
in  km  je  Stande 

nung 
in  km 

Schleppzng 

Güterdampfer 

Schleppzug 

Güterdampfer 

zu  Berg 

zu  Tal 

zu  Berg  zu  Tal 

zu  Berg 

zu  Tal 

zu  Berg  zu  Tal 

215 
90 

Rotterdam — Ruhrort  .    . 
Ruhrort— Köln    .... 

1 
4S 
18 

18 
5 

23 
9 

).. 

4,8 
5»o 

",9 
18,0 

9,4 
10,0 

j  18,0 

97 

Köln— Koblenz  .... 

20 

1 

9iS 

4,9 

« 

10,2 

62 
30 

Koblenz— Bingen    .    .    . 
Bingen — Mainz  .    .    .    .  | 

13 
4,S 

)" 

7 
3 

'  12 

4,8 
6,6 

17,2 

1 

8,9 
10,0 

21,6 

70 

Mainz — Mannheim .    .    . 

1     10 

1                          1 

4,5 

6,5 

# 

7,0 

15,6 

10,8 

1 

Zur  Feststellung  der  nötigen  Nutzleistung  eines  Dampfschiffs  muß  außer 
der  Geschwindigkeit  noch  der  Schi fTs widerstand  ermittelt  werden.  Diese 
Ermittelung,  über  die  an  dieser  Stelle  des  Buches  keine  näheren  Mitteilungen 
gemacht  werden  sollen,  ist  schon  für  Schiffe  in  unbegrenztem  Wasser  (See- 
.schiffe)  schwierig  und  gelingt  nur  angenähert  durch  Verbindung  theoretischer 
Untersuchungen  mit  den  aus  Versuchen  und  aus  der  Erfahrung  gewonnenen 
Werten.  Für  die  meistens  in  eng  begrenztem  Fahrwasser  sich  bewegenden 
Binnenschiffe  sind  die  Ermittelungen  noch  schwieriger  und  unsicherer.  Soweit 
es  irgend  möglich  ist,  vermeidet  man  daher  diesen  Weg  der  Berechnung  und 
sucht  die  nötige  Nutzleistung  oder  indizierte  Leistung  fiir  das  fragliche  Schiff 
auf  Grund  der  mit  ähnlichen  Schiffen  auf  derselben  Wasserstraße  gemachten 
Erfahrungen  zu  bestimmen. 

Zum  Vergleich  der  Leistungen  von  ähnlich  gebauten  Schiffen,  namentlich  auf  denselben 
Wasserstraßen,  empfiehlt  sich  die  Benutzung  des  Ähnlichkeitsgesetzes  von  Fronde,  das 
auch  für  die  Ermittelung  des  Schiffswiderstandes  durch  Modellversuche  von  grundlegender  Be- 
deutung ist.     Es  lautet: 

>Wenn  für  ein  Schiffsmodell  bei  den  Geschwindigkeiten  z^  —  va  —  «^  die  Widerstände 
Wi  —  IVa  —  P^3  gemessen  sind,  so  erfährt  ein  Schiff  mit  den  »fachen  linearen  Abmessungen 
bei  Geschwindigkeiten  von  vi}/»  —  t/aV»  —  ^sV»  <iie  Widerstände  n^lVi  —  n^fVa  —  «^^3«*). 

Wenn  man  die  (in  dem  begrenzten  Fahrwasser  der  Binnenschiffahrt  allerdings  nicht  ganz 
zutreffende)  Annahme  macht,  dal^  der  Widerstand  des  Modells  proportional  ist  der  eingetauchten 
Fläche  des  Hauptspants  (/)  und  dem  Quadrat  der  Geschwindigkeit,  also 

worin  k  ein  von  den  Umständen  abhängiger  Widerstandsbeiwert,  so  ergibt  sich  nach  dem  Ge- 
setze für  das  Schiff: 

Da  andererseits  der  Widerstand  des  Schiffes  bei  der  Geschwindigkeit  v  und  demselben  Beiwert  k 

ist,  so  ergibt  sich: 

=  n  oder  Wl  =  n^ •TV  bei  gleichen  Geschwindigkeiten.  (i) 


H\ 


3,_- 


Wenn  V  die  Wasserverdrängung  des  Modells  bedeutet,  dann  ist   y  V  die  Seite  eines  Würfels  von 
gleichem  kubischem  Inhalt.     Wenn  Vx  die  Verdrängung  des  Schiffes  bedeutet,  so  ergibt  sich 


i)  Nach  Busley. 


2.  KraftschifTe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  593 


=  n  und  -=-5r  =        a,     •  (2) 

yy  ^ 

Also:   bei  gleichen   Geschwindigkeiten  verhalten  sich  die  Widerstände  wie  die 
Kubikwurzeln  aus  den  Quadraten  der  Verdrängungen. 

Dabei  ist  es  gleichgültig,  ob  man  ein  Schiff  mit  seinem  Modell  oder  mit  einem  ähnlich  ge- 
bauten anderen  Schiff  vergleicht 

Wenn  man  annimmt,  daß  der  Widerstandsbeiwert  k  bei  demselben  Schiffe  sich  mit 
der  Geschwindigkeit  nicht  ändert,  was  allerdings  nicht  ganz  zutrifft,  dann  verhalten  sich  die 
Widerstände  wie  die  Quadrate  der  Geschwindigkeiten: 

fT  _  7/» 

Da  die  Nutzleistung  des  Schiffes  Nn  =  W'V  t=^  r^^Ni  bt,  und  man  innerhalb  ziemlich 
weiter  Grenzen  17  für  unveränderlich  annehmen  kann,  so  ergibt  sich 

^^^  (3) 

Also:   bei    demselben   Schiffe    verhalten    sich    die    aufzuwendenden    Maschinen- 
leistungen wie  die  dritten  Potenzen  der  Schiffsgeschwindigkeiten. 

Wenn  man  annimmt,  daß  der  Kohlenverbrauch  [K)  bei  derselben  Maschme  der  indizierten 
Maschinenleistung  proportional  ist  (was  bei  Füllungsgraden,  die  dem  theoretisch  günstigsten  nicht 
zu  fem  liegen,  zulässig  ist),  so  ergibt  sich: 

Ni        K      ^  ,  .     JB:        V»  ,. 

=  —  und  aus  i^l :  ^=-  =  ■"» .  (4) 

Nt'      K'  ^     Kf      vi»  ^ 

Also:  die  in  gleichen  Zeiten  in  demselben  Schiffe  verbrauchten  Kohlenmengen 
verhalten  sich  wie  die  dritten  Potenzen  der  Geschwindigkeiten. 

Eine  einfache  Rechnung  über  den  gesamten  Kohlenverbrauch  beim  Durchfahren  einer  ge- 
wissen Strecke  von  Kilometern  mit  verschiedenen  Geschwindigkeiten  fuhrt  zu  der  Gleichung: 


SKi      vi^ 

Also:  die  beim  Durchfahren  gleicher  Streckeii  in  demselben  Schiff  verbrauch- 
ten Kohlenmengen  verhalten  sich  wie  die  Quadrate  der  Geschwindigkeiten. 

Da  sich  die  Maschinenleistungen  wie  die  Widerstände  verhalten,  so  folgt  mit  Berücksich- 
tigung der  Gleichung  (2)  für  zwei  ähnliche  Schiffe  mit  gleichen  Geschwindigkeiten 

Also:  bei  ähnlichen  Schiffen  verhalten  sich  bei  gleichen  Geschwindigkeiten 
sowohl  die  Maschinenleistungen  als  auch  die  Kohlenverbräuche  wie  die  Kubik- 
wurzeln aus  den  Quadraten  ihrer  Verdrängungen. 

Man  sieht  hieraus,  daß  die  bei  ähnlichen  Schiffen  zur  Erreichung  gleicher  Geschwindig- 
keiten erforderliche  Maschinenleistung  in  kleinerem  Verhältnis  wächst  als  die  Wasserverdrängung. 
Es  werden  auch  die  Kohlenverbräuche  langsamer  wachsen  als  die  Wasserverdrängungen,  also  die 
Schiffsladungen  und  die  Schiffsgrößen.  Darausfolgt  weiter,  daß  unter  gleichenUmständen 
große  Güterdampfer  wirtschaftlicher  sind  als  kleine. 

Besondere  Schwierigkeiten  entstehen  bei  Schleppdampfern,  da  deren 
Gesamtwiderstand  sich  aus  dem  Eigenwiderstand  [W^)  und  dem  Widerstand 
des  Anhangs  (W^)  zusammensetzt.  Der  letztere  ist  selbst  für  dieselbe  Strom- 
strecke, für  denselben  Wasserstand  und  für  dieselbe  Nutzlast  schwer  zu  er- 
mitteln, weil  es  noch  darauf  ankommt,  in  wieviel  Schiffen  diese  Last  ver- 
teilt ist,  welche  Form  diese  Schiffe  haben,  aus  welchem  Stoff  sie  gebaut  sind 
und  ob  sie  fest  gekuppelt  hintereinander  schwimmen  oder  an  je  einem  be- 
sonderen Schlepptau  hängen. 

Teubert,  BinnenschifTahrt.  38 


594  Abschnitt  III.     SchifTe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Es  ist  die  Nutzleistung  der  Maschinenanlage 

j\/^  =  ri'Ni  =  {W,  +  WJ—  in  Pferdestärken 
und  die  Zugleistung  des  Schiffes 

worin  W,  die  Zugkraft  im  Schlepptau  darstellt 

Um  die  Berechnung  von  W^  und  JV^  zu  vermeiden,  hilft  man  sich  mit 
Erfahrungswerten,  indem  man  iiir  bestimmte  Wasserstraßen  die  bei  gewissen 
Wasserständen  beobachteten  Schleppleistungen  anderer  Schiffe  miteinander 
vergleicht*).  Auf  einzelnen  deutschen  Strömen  hat  man  bestimmte  Versuch- 
strecken, in  denen  man  gewöhnlich  die  Probefahrten  der  neugebauten 
Schleppdampfer  unter  gewissen  ähnlichen  Umständen  ausführt.  Aus  den  Er- 
gebnissen dieser  Probefahrten  erhält  man  die  nötigen  Erfahrungswerte. 

Auf  dem  Rhein  ist  es  z.  B.  seit  Jahren  üblich,  die  Probefahrten  in  der 
Strecke  von  Duisburg  bis  Köln,  zwischen  der  Hochfelder  Eisenbahnbrücke 
und  der  Kölner  Eisenbahn-  und  Straßenbrücke,  vorzunehmen.  Die  Entfer- 
nung beträgt  rund  86  km,  in  der  Mittellinie  des  Stromes  gemessen.  Wegen 
des  in  den  vielen  Krümmungen  sich  schlängelnden  Fahrwassers  ist  der  wirk- 
lich zurückgelegte  Weg  und  die  daraus  berechnete  Geschwindigkeit  allerdings 
etwas  größer;  es  ist  aber  üblich,  den  Weg  zu  86  km  anzunehmen,  zumal  es 
sich  nur  um  Vergleichswerte  handelt.  Die  zu  befördende  Nutzlast  (2000  bis 
7000  t)  wird  in  die  vorgeschriebene  Anzahl  (3  bis  6)  von  guten  stählernen 
Schiffen  verladen  und  die  Zahl  der  für  die  Reise  gebrauchten  Fahrstunden 
(17  bis  19)  ermittelt.  Da  die  Probefahrt  gleichzeitig  zur  Feststellung  des 
Kohlenverbrauchs  dient,  muß  die  Maschine  mit  angemessenem  Füllungsgrad 
arbeiten.  Die  Probefahrten  werden  meistens  bei  einem  mittleren  Wasserstande 
von  2,5  bis  3  m  am  Pegel  zu  Köln  ausgeführt.  Es  wird  in  der  Regel  eine 
durchschnittliche  scheinbare  Geschwindigkeit  (gegen  das  Ufer)  von  4,5  bis 
5  km  je  Stunde  verlangt  und  erreicht. 

Auf  der  Elbe  wird  meistens  die  Strecke  von  Wittenberge  bis  Magde- 
burg (126  km)  zu  den  Probefahrten  benutzt.  Die  Nutzlast  von  2000  bis  5000  t 
wird  in  4  bis  10  stählernen  Schiffen  (mit  hölzernem  Boden)  verladen  und  die 
Fahrzeit  gewöhnlich  auf  32  bis  36  Stunden  festgesetzt,  wobei  eine  scheinbare 
Geschwindigkeit  von  {3,5  bis  4  km  bei  Wasserständen  von  1,6  bis  2  m  am 
Magdeburger  Pegel  erreicht  wird. 

In  ähnlicher  Weise  benutzt  man  auf  der  Oder  die  Strecke  von  Fürsten- 
berg bis  Breslau  (300  km)  imd  auf  der  Donau  die  Strecke  von  Gönyö  bis 
Wien  (171  km). 

i)  Man  muß  Zugleistung  und  Schleppleistung  unterscheiden:  Die  erstere  in  PS  ist 
mechanische  Arbeit,  die  andere  in  tkm  hingegen  Transportarbeit. 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe. 


595 


Tafel  der  Schleppleistungen. 


Nr. 


Strom 


Rhein 


Elbe 


4 


Weser 


8 


Oder 


lO 


II 


Donau 


Strecke  und  Art  des  Schleppzugs 


Nutdast        ^f  ?P; 

je  PSi      ß^*<^^^^^^*ß- 
keit  je  Stunde 

km 


Strecke  Duisburg — Köln  mit  Maschi- 
nen von  I20O  bis  i6oo  PSi  und  Nutz- 
lasten von  4500  bis  6500 1  in  3  bis  6  guten 
Schiffen  im  Durchschnitt 

In  derselben  Strecke  mit  Zweischrau- 
ben-Dampfern  von  800  bis  900  PSi 
und  Nutzlasten  von  etwa  3000  t  in 
3  Schiffen,  im  Durchschnitt 

Strecke  Wittenberge  —  Magdeburg 
mit  Maschinen  von  500  bis  11 00  PSi 
und  Nutzlasten  von  2000  bis  5000  t  in 
5  bis  10  Schiffen,  im  Durchschnitt   .    . 

Strecke  Hambu  rg— Magdeburg  mit 
Schiffen  von  500  bis  1000  PSi  und  Nutz- 
lasten von  2500  bis  5000  t  in  8  bis  12 
Schiffen  im  regelmäßigen  Betrieb.    .    . 

Strecke  Magdeburg  —  Riesa  mit  glei- 
chen Maschinen  und  Nutzlasten  von 
1700  bis  2500  t  in  6  bis  9  Schiffen,  wie 
vor 

Strecke  Riesa — Tetschen  (Laube)  mit 
gleichen  Maschinen  und  Nutzlasten  von 
1500  bis  2000  t  in  5  bis  7  Schiffen,  wie 
vor 

Strecke  Bremen  —  Minden  mit  Ma- 
schinen von  etwa  500  PSi  und  Nutzlasten 
von  1 500  t  in  4  bis  5  eisernen  Schiffen, 
im  Durchschnitt 

Strecke  Minden— Hameln  mit  glei- 
chen Maschinen  und  900  t  Nutzlasten  in 
3  bis  4  eisernen  Schiffen,  im  Durch- 
schnitt     

Strecke  Stettin  —  Breslau  mit  Ma- 
schinen von  700  bis  750  PSi  und  Nutz- 
lasten von  2000  bis  2500  t  in  7  bis  8 
Schiffen 

Strecke  Fürstenberg — Breslau  mit 
Maschinen  von  500  bis  600  PSi  imd 
Nutzlasten  von  1700  bis  2000  t  in  4 
bis  6  Schiffen 

Strecke  Drencova  —  Gönyö  (von  unter- 
halb Bazias  bis  oberhalb  Budapest)  mit 
Maschinen  von  700  bis  800  PSi  mit  2300 
bis  6000 1  Nutzlasten  in  4  bis  10  Schiffen 

im  Jahresdurchschnitt 

Besonders  gute  Leistungen  im  Mittel 
Beste  Leistungen 


4,1 


3,7 


4,6 


5 


3,3 


2,4 


1,8 


3,3 


3,9 
6,5 
7,9 


4,9 


4,2 


3,86 


3,6 


3,S 


4,2 


3,8 


3,6 


5 
4,24 

4 


38* 


Schlepp- 
leistung 

tkm 


20,1 


«8,5 


19,3 


19,3 


",9 


8,4 


12,6 


6,8 


12 


",9 


19,5 
27,7 
31,6 


596 


Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


Nr. 


Strom 


Strecke  und  Art  des  Schleppzugs 


Nutzlast 
jePSi 

t 


Schlepp- 
geschwindig- 
keit je  Stunde 

km 


Schlepp- 
leistung 

tkm 


12 


13 


Donau 


Strecke  Gönyö — Wien  mit  Maschinen 
von  700  bis  900  PSi  imd  mit  Nutzlasten 
von  1000  bis  1600  t  in  2  bis  4  Schiffen 

im  Jahresdurchschnitt 

Besonders  gute  Leistungen  im  Mittel 
Beste   Leistung   mit   einer   Maschine 
von  1000  PSi  mit  2007  t  Nutzlast 
in  4  Schiffen  von  je   650 1  Trag- 
fähigkeit     

Strecke  Wien — Pas  sau  mit  Maschinen 
von  600  bis  750  PSi  und  mit  Nutzlasten 
von  900  bis  1250  t  in  2  bis  3  Schiffen 

im  Jahresdurchschnitt 

Beste  Leistungen  im  Mittel    .... 


1,5 
2 


S 

5 


5,17 


1,4 
1,8 


4,5 
4»2 


7,5 

lO 


10,34 


6,3 

7,7 


Aus  einer  großen  Zahl  von  Probefahrten  (namentlich  auf  dem  Rhein)  und 
aus  den  Betriebsergebnissen  mit  neuen  guten  Schleppdampfern  ist  die  vor- 
stehende Tafel  zusammengestellt  worden.  Es  sind  fiir  die  einzelnen  Strom- 
strecken die  von  je  einer  indizierten  Pferdestärke  geschleppte  Nutzlast  (in  t) 
und  die  dabei  beobachtete  scheinbare  Geschwindigkeit  des  Schleppzuges  (in 
km  je  Stunde)  im  Durchschnitt  ermittelt  worden.  Daraus  ergibt  sich  die 
Schleppleistung  in  tkm  in  der  letzten  Spalte. 

Es  sind  im  allgemeinen  Seitenraddampfer  benutzt  worden;  nur  unter  Nr.  2 
sind  Leistungen  von  Schraubendampfem  und  unter  Nr.  9  und  10  solche  von 
Heckraddampfern  aufgeführt.  (Die  Angaben  für  die  Donau  sind  dem  Buche 
von  Suppan  entnommen.) 

Auf  der  Wolga  soll  ein  Schleppdampfer  von  2000  PSi  eine  Nutzlast 
von  14800  t  schleppen,  also  7,4  t  je  PSi,  was  auf  der  mittleren  Donau  mit 
viel  schwächeren  Maschinen  erreicht  wird.  Überhaupt  ist  zu  erwähnen,  daß 
die  Schleppleistung  in  tkm  nicht  mit  wachsender  Maschinenstärke  zunimmt; 
vielmehr  ist  oft  die  Schleppleistung  schwächerer  Maschinen  größer.  (Der 
wirtschaftliche  Vorteil  der  Schleppdampfer  mit  stärkeren  Maschinen  liegt  in 
den  geringeren  Betriebskosten  je  tkm.)  Ferner  ergibt  sich  aus  dem  Ver- 
gleich der  einzelnen  (hier  nicht  mitgeteilten)  Fahrten,  daß  die  Schleppleistung 
mit  einer  kleineren  Zahl  von  Lastschiffen  zunimmt.  Ebenso  nimmt  sie  mit 
dem  höheren  Gesamtwirkungsgrade  der  Maschinenanlagen  zu. 

Die  in  der*  Tafel  aufgeführten  Durchschnittzahlen,  in  denen  die  vor- 
bemerkten Unterschiede  bereits  verschwunden  sind,  schwanken  in  weiten 
Grenzen  zwischen  6,3  tkm  in  der  oberen  Donaustrecke  und  31,6  tkm  in  der 
unteren  ungarischen  Donau.  Ähnliche  Unterschiede  zeigen  sich  zwischen  den 
verschiedenen  Strömen.     Sie  haben  ihre  Ursache  in  den  Verschiedenheiten 


2.  Kraftschiffe  mit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe.  597 

des  Fahrwassers  (Gefalle,  nutzbare  Breite  und  Tiefe),  des  Anhangs  (Zahl,  Größe, 
Form  und  Baustoff  der  Lastschiffe)  und  der  Art  seiner  Befestigung  (ein  oder 
mehrere  Schlepptrossen,  enge  oder  weit  gekoppelt)  sowie  des  Schleppdampfers. 
Die  Verschiedenheit  der  Schleppdampfer  auf  den  einzelnen  Strömen  kann  aber 
ausgeschaltet  werden,  da  heute  fast  überall  gute  Maschinenanlagen  und  zweck- 
mäßige Schiffsformen  verwendet  werden. 

Wenn  man  die  Schleppleistungen  der  Tafel,  namentlich  Nr.  i  und  4  in 
den  beiden  Versuchstrecken  des  Rheins  und  der  Elbe  mit  den  Schlepp- 
leistungen guter  Dampfer  vor  etwa  25  Jahren  vergleicht,  wozu  eine  Zahl  von 
älteren  Beobachtungen  zur  Verfügung  steht,  so  ergibt  sich  eine  Zunahme 
von  durchschnittlich  6  tkm  auf  dem  Rhein  und  2  tkm  auf  der  Elbe.  Sie  ist 
aus  der  Verbesserung  der  Dampfschiffe,  aus  der  Vergrößerung  und  Verbesse- 
rung der  Schleppschiffe  (hinsichtlich  Baustoff  und  Form)  und  aus  der  Ver- 
besserung des  Fahrwassers  zu  erklären. 

Bei  der  Beschaffung  von  Schleppdampfern  pflegt  man  die  in  der 
Tafel  mitgeteilten  Schleppleistungen  in  einer  bestimmten  Stromstrecke  zu  ver- 
einbaren und  überläßt  es  der  Schiffbauanstalt,  der  Maschine  die  dazu  er- 
forderliche Stärke  zu  geben.  Zuweilen  wird  auch  eine  bestimmte  Zugleistung 
verlangt  und  diese  bei  der  Probefahrt  durch  Messung  der  Geschwindigkeit 
und  der  Zugkraft  (W^)  mittels  eines  in  das  Schlepptau  eingeschalteten  Zug- 
kraftmessers (Dynamometers)  ermittelt.  Dies  Verfahren  eignet  sich  nur  für 
Schleppfahrten  in  stillem  Wasser.  Zweckmäßiger  ist  es,  besonders  bei 
Schraubendampfern,  die  auf  verschiedenen  Wasserstraßen  verkehren  sollen, 
die  Zugkraft  des  Schiffes  in  tiefem,  stillem  Wasser  an  festgelegtem  Schlepp- 
tau zu  vereinbaren.  (Da  man  das  Tau  gewöhnlich  an  einem  Pfahl  befestigt, 
nennt  man  diese  Ermittelungen  > Pfahlproben«.)  Dabei  wird  die  Geschwindig- 
keit fast  zu  Null  (vgl.  S.  439).  Die  mittels  des  Zugkraftmessers  ermittelte 
Zugkraft  ist  etwas  größer  als  die  wirkliche  Zugkraft  {W^)  bei  der  Schlepp- 
fahrt, weil  der  Eigenwiderstand  des  Dampfers  (W^)  noch  in  Abzug  gebracht 
werden  muß.  Gute  Schraubendampfer  zeigen  bei  der  Pfahlprobe  11  bis  13  kg 
Zugkraft  je  PSi  (während  der  Fahrt),  Raddampfer  etwa  i  kg  mehr.  Solche 
Versuche  lassen  sich  leicht  in  Hafenbecken  und  Strombuchten  ohne  um- 
ständliche Vorrichtungen  ausführen.  Sie  sind  besonders  zu  empfehlen,  um 
zwei  Dampfer  miteinander  zu  vergleichen  oder  den  Erfolg  von  Veränderungen 
und  Ausbesserungen  an  den  Rädern,  den  Schrauben  oder  der  Maschine  eines 
Dampfers  nachzuweisen. 

Bei  Güterdampfern  wird  die  Tragfähigkeit  und  die  Geschwindigkeit  und 
bei  Personendampfern  die  Größe  und  die  Geschwindigkeit  bei  der  Bestel- 
lung vereinbart.  In  allen  diesen  Fällen  wird  gewöhnlich  der  gesamte  höchste 
zulässige  Kohlenverbrauch  je  Fahrstunde  festgesetzt  und  die  Bemessung  der 
Maschinenstärke  der  Schiffbauanstalt  überlassen.  Kleinere  Schraubenschlepp- 
dampfer werden  oft  nach  indizierten  Pferdestärken  bestellt  und  gehandelt; 
dann  kommt  es  auf  den  Kohlenverbrauch  je  Pferdestärke  und  Stunde  an. 


598  Abschnitt  m.     SchüTe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Im  übrigen  erfolgt  die  Beschaffung  von  Dampfern  in  gleicher  Weise  wie 
bei  Lastschiffen  (S.  429)  durch  einen  Vertrag,  die  Lieferungsbedingungen 
und  die  beigefugte  mehr  oder  weniger  genaue  Beschreibung.  Ein  besonderer 
Wert  wird  auf  die  Einhaltung  einer  bestimmten  Tauchtiefe  in  fertigem  Zu- 
stande mit  einem  bestimmten  Kohlenvorrat  gelegt.  Ferner  sind  Vereinba- 
rungen nötig  über  die  Lieferfrist,  den  Ort  und  die  Ausfiihrungs weise  der 
Probefahrt,  über  die  Überfuhrung  des  Schiffes  an  seinen  Bestimmungsort,  die 
Zahlung  des  Kaufpreises,  die  Abnahme  und  die  Haftpflicht,  die  gewöhnlich 
auf  die  Zeit  von  6  Betriebsmonaten  festgesetzt  wird.  Zuweilen  stellt  die 
Schiffbauanstalt  für  diese  Zeit  einen  eigenen  Maschinisten  auf  Kosten  des 
Bestellers.  Außerdem  kommen  Vertragstrafen  und  Entschädigungen  in  Frage, 
die  für  verspätete  Lieferung  und  für  Überschreitung  der  Tauchtiefe  oder  des 
vereinbarten  Kohlenverbrauchs  zu  zahlen  sind.  Es  ist  wichtig,  daß  die  Art 
der  zu  verwendenden  Kohlen  oder  ihr  Heizwert  vereinbart  wird.  (Für  die 
Lieferung  von  Dampfschiffen  für  den  staatlichen  preußischen  Wasserbaudienst 
sind  besondere  Vorschriften  erlassen,  die  zuweilen  auch  bei  anderen  Liefe- 
rungen zugrunde  gelegt  werden.) 

Die  Herstellungskosten  sind  im  allgemeinen  hinsichtlich  des  Schiffs- 
körpers und  der  Ausrüstung  ebenso  zu  veranschlagen  wie  bei  den  Last- 
schiffen. Die  Ausrüstung  und  Ausstattung  wird  bei  Dampfschiffen  in  der 
Regel  vollständig  mitgeliefert.  Die  Kosten  der  Maschinenanlage  werden  nach 
dem  Gesamtgewicht  mit  0,9  bis  1,1  Mark  je  kg  veranschlagt.  Dieser  Preis 
gut  allgemein  für  Rad-  und  Schraubendampfer;  doch  kostet  die  Maschinen- 
anlage eines  Zweischraubendampfers  etwa  0,1  Mark  je  kg  mehr. 

Der  wirkliche  Verkaufspreis  von  Dampfschiffen  schwankt,  abgesehen 
von  den  schon  bei  den  Kosten  der  Lastschiffe  angegebenen  Ursachen  (Bau- 
stoffe und  Arbeitslöhne),  ganz  außerordentlich  nach  Angebot  und  Nach- 
frage. Wenn  die  Schiffbauanstalten  nicht  genügend  mit  Aufträgen  versehen 
sind,  um  ihre  Arbeiter  und  Maschinen  zu  beschäftigen,  sind  sie  gezwungen, 
sich  mit  geringfügigem  Gewinn  zu  begnügen  oder  gar  auf  solchen  zu  ver- 
zichten. Den  Verlust  bringen  sie  zu  besseren  Zeiten  wieder  ein,  indem  sie 
hohe  Preise  nehmen  und  den  Unternehmergewinn  nicht  nur  mit  10  v.  H., 
sondern  gelegentlich  selbst  mit  30  v.  H.  ansetzen. 

Es  ist  daher  schwer,  angenähert  richtige  Preise  anzugeben.  Bei  Per- 
sonendampfern kommt  es  besonders  auf  die  mehr  oder  minder  vornehme 
Ausstattung  der  Kajüten  an,  die  sich  nach  den  Ansprüchen  der  Fahrgäste 
und  den  Wünschen  des  Bestellers  richtet.  Die  auf  S.  555  beschriebenen 
Personendampfer  mit  Schrauben  der  Gesellschaft  > Stern«  in  Berlin  kosteten 
bei  verhältnismäßig  einfacher  Ausstattung  je  PSi  300  bis  350  Mark. 

Für  Schleppdampfer  ist  es  etwas  leichter,  angenäherte  Durchschnitts- 
preise zu  ermitteln,  weU  ihre  Ausstattung  im  allgemeinen  dieselbe  ist  und 
die  Kosten  ebenso  wie  die  Größe  fast  ausschließlich  von  der  Stärke  der 
Maschinen  abhängen.   Doch  schwanken  auch  diese  Preise  je  PSi,  die  mit  der 


38o 

*  330 

320 

>  220 

350 

»  280 

370 

>  240 

3.  Krafkschiffe  mit  Gasmaschinen.  599 

Zahl   der  Pferdestärken   abnehmen,  in  weiten  Grenzen.     Es  kosten  zurzeit 
(1910/11) 

Einschraubendampfer  von  100  bis  150  PSi  350  bis  300  Mark  je  PSi, 

»  »     150   >    400    »    280   >    220      »      »      » 

Zweischraubendampfer    »     ico   >    150    » 
»  »     150   >    800    > 

Heckraddampfer  »     300   »    800    > 

Seitenraddampfer  »     500   »  1500    > 

Bei  allen  Dampfschiffen  fallt  ferner  die  Güte  der  Ausführung  bei  der 
Preisbestimmung  sehr  ins  Gewicht. 

Die  Unterhaltungskosten  (ohne  Kohlen  und  Mannschaft]  setzen  sich 
aus  den  Kosten  für  die  BetriebstoiTe  (Schmieröl,  Putzwolle  u.  dgl.)  und  den 
Kosten  fiir  die  laufenden  Ausbesserungen  zusammen.  Bei  Radschleppdampfem 
(von  500  bis  1500  PSi)  kann  man  [iiir  jede  dieser  beiden  Ausgaben  einen 
durchschnittlichen  jährlichen  Betrag  von  4  bis  7  Mark  je  PSi  annehmen,  wo- 
bei die  niedrigeren  Sätze  für  die  stärkeren  Dampfer  gelten.  Bei  Schrauben- 
dampfem  von  100  bis  500  PSi  kann  man  die  Kosten  ebenso  hoch  veran- 
schlagen. 


3.  Kraftschiffe  mit  Gasmaschinen. 

Allgemeines.  Unter  Gasmaschinen  versteht  man  Kraftmaschinen,  die 
nicht  durch  die  Spannung  des  Wasserdampfs,  sondern  durch  die  Spannung 
anderer  Gase  bewegt  werden,  die  bei  der  Verbrennung  von  Leuchtgas, 
Sauggas,  Benzin,  Petroleum,  Spiritus,  Rohöl  oder  ähnlicher  Stoffe  entstehen. 

Die  Gasmaschinen  sind  Kolbenmaschinen,  aber  in  der  Regel  einfach 
wirkend.  Die  Verbrennung  der  vergasten  Brennstoffe,  also  die  Verbindung 
mit  dem  Sauerstoff  der  Lufl,  erfolgt  bei  ihnen  innerhalb  des  Zilinders  und 
die  dabei  entwickelte  Spannung  treibt  den  Kolben. 

Die  geschichtliche  Entwicklung  der  Gasmaschinen  beginnt  nach  verschiedenen  mehr 
oder  weniger  erfolglosen  Versuchen  (z.  B.  von  William  Siemens  und  Lenoir  im  Jahre  1860} 
eigentlich  erst  mit  dem  von  Otto  im  Jahre  1868  erfundenen  sogenannten  »neuen  Motorc  oder 
Deutzer  Motor.  Dies  war  eine  im  Viertakt  arbeitende  Gasmaschine«  deren  Grundgedanke  noch 
heute  bei  allen  solchen  Maschinen  im  wesentlichen  beibehalten  worden  ist.  Zunächst  hat  sich 
die  landfeste  Leuchtgasmaschine  daraus  entwickelt;  doch  hatte  ihre  Anwendung  auf  Schiffen 
keinen  Erfolg,  schon  allein,  weil  die  Mitfuhrung  von  stark  verdichtetem  Leuchtgas  in  schweren, 
umfangreichen  Behältern  den  Betrieb  umständlich  und  teuer  machte.  Auch  waren  die  liegend 
gebauten  Maschinen  schwer  und  erforderten  viel  Raum  und  die  Übertragung  durch  Räder  oder 
Riemen  auf  die  Schrauben-  oder  Radwelle  erwies  sich  als  unzweckmäßig.  Im  Jahre  1885 
machten  sowohl  Otto  wie  Daimler  (früher  Ingenieur  bei  Otto)  mit  Benzinmaschinen  die  ersten 
Versuche  auf  kleinen  Booten.  Daimler  brachte  seine  Maschine  1889  erfolgreich  auf  den  Markt 
und  wurde  damit  auf  dem  Gebiet  der  ölgasmaschinen  bahnbrechend.  Während  die  Leuchtgas- 
maschinen 150  bis  160  Umdrehungen  je  Minute  machten,  erhöhte  Daimler  diese  Zahl  auf  500 
bis  800.  Bemerkenswert  war  bei  seiner  Erfindimg  das  geschlossene  Kurbelgehäuse,  die  über- 
sichtliche Anordnung  der  Ventile  und  ihres  Antriebs  neben  den  beiden  Zilindem  und  die  zweck- 
mäßige Anbringung  der  nötigen  Schwungmassen. 

Diese  Maschine  war  von  vornherein  sehr  geeignet  für  den  Antrieb  von  kleineren  Booten; 
die   allgemeine   Einführung   wurde    aber   dadurch   verzögert,   daß    die   Fabriken    zunächst    dahin 


600  Abiclmitt  m,     Schiffe  mit  tigenet  Triebkraft,  Kraftscbiffe. 

strebten,  einen  sogenannten  Universalmotor  zu  bauen,  der  sowobl  für  Landfuhnverke  [Auto- 
mobile] wie  fir  Schiffe  geeignet  sein  sollte.  Das  ftlhrle  zu  Mißerfolgen ;  denn  die  letzteren  ver- 
langen durchaus  eine  andere,  schwerere  Bauart,  die  einen  unbedingt  sicheren  andauernden  Beirieb 
mit  angemessenen  Umlaufzablen  gewährleistet.  AlImKhIicfa  haben  alch  dann  sowohl  in  Deutsch- 
land wie  im  Auslande  zweclunilSige  Maschinen  herausbildet,  die  mit  verschiedenen  Brennstoffen 
bedient  werden. 

Die  Anordnung  der  Gasmaschinen  erfolgt  in  der  Regel  nach  Art  der 
Harn memiasch inen  mit  senkrecht  stehendem  Zilinder  und  unten  liegender 
Kurbelwelle.  Die  Maschinen  arbeiten  entweder  im  Zweitakt  oder  im  Vier- 
takt. Der  Zweitakt  entspricht  dem  Vorgange  bei  eiaer  «infach  wirkenden 
Dampfmaschine  und  soll  zuerst  beschrieben  werden. 

In  Abb.  489  ist  a  das  guDeiseme  Kurbelgehäuse,  das  mit  dem  Zilinder  6 
fest  verbunden  und  nach  auQen  luftdicht  abgeschlossen  ist.    Der  Zilinder  hat 
doppelte  Wände,  zwischen  denen  sich  das  Kühlwasser  bewegt.     Der  Tauch- 
kolben c  ist  in  seiner  tiefsten  Stellimg  dargestellt   und 
^  bildet  zugleich  die  Geradfiihrung  für  das  Kurbelgetriebe. 

In  seinem  Innern  ist  die  Schubstange  ä  befestigt,  deren 
anderes  Ende  die  Kurbel  e  und  durch  sie  die  Welle  mit 
dem  Schwungrad  bewegt,  das  außerhalb  des  Kurbelge- 
häuses liegt  und  gleichzeitig  gewöhnlich  zur  Kuppelung 
der  SchraubenweUe  benutzt  wird.     Das  abgeschlossene 
Kurbelgehäuse  wirkt  bei  der  Bewegung  des  Kolbens 
wie  eine  Pumpe  [>Lade-  und  Spülpumpe<).     Wenn  der 
Kolben  aufwärts   geht,    entsteht   unter  ihm,    in   dem 
Kurbelgehäuse,  eine  Luftverdünnung,  wodurch  sich  in- 
folge des  Verbindungskanals  k  das  Ventil  g  nach  dem 
Vorraum  A  zu  öffnet  und  den  vergasten  Brennstoff  ein- 
läßt,  der  sich  in   diesem  Vorraum   mit  der  darin  ent- 
haltenen Luft  vermengt.    Ist  der  Kolben  in  seine  höchste 
Stellung  gelangt,  gibt  er  den  Schlitz  i  frei,  so  daß  wei- 
tere frische  Luft  von  außen  in  das  Gehäuse  und  durch 
den  Kanal  &  in  den  Vorraum  tritt     Über  dem  Kol- 
ben wird  während  des  Aufwärtsganges  das  in  dem  Zilinder  vorhandene  Gas- 
gemenge zusammengepreßt  (verdichtet)   und  in  der  höchsten  Stellung  des 
Kolbens  (oder  zuweilen  auch  ein  wenig  früher)  durch  die  Vorrichtung  /  ent- 
zündet.    Durch   den   Verbrennungsdruck   (Explosion)    und   die   Ausdehnung 
(Expansion)  der  Gase  wird  der  Kolben  abwärts  bewegt  und  öffnet  dabei  den 
AuslaOscblitz  m,  durch  den  die  verbrannten  Gase  (mit  etwa   '/)  Atm.  Druck) 
nach  außen  entweichen.    Gleichzeitig  (oder  ein  wenig  später)  wird  die  gegen- 
über liegende  Einlaßöffnung  n  frei  und  es  tritt  das  durch  den  abwärts  gehenden 
Kolben  in  dem  Gehäuse   und  in  dem  Vorraum  A  bereits  etwas  verdichtete 
frische  Gasgemenge  in  den  Zilinder  ein.     Damit  dieses  sich  besser  von  den 
Auspuffgasen   sondert,   ist  auf  dem  Kolben  eine   kleine   senkrechte  Ablenk- 
platte o  angebracht.     Jetzt  kann  das  Spiel  von  neuem  beginnen. 


3.  KraftschifTe  mit  Gasmaschinen.  601 

Wie  man  sieht,  braucht  man  bei  dieser  Anordnung  der  Zweitaktmaschine 
keine  besondere  Steuervorrichtung,  weil  der  Kolben  durch  die  verschiedenen 
Schlitze  das  alles  selbst  besoi^t.  Nur  zur  richtigen  Bedienung  der  Zünd- 
vorrichtung wird  ein  Hebelgestänge  durch  ein  auf  der  Welle  angebrachtes 
Exzenter  bewegt.  Dies  sind  für  die  Verwendung  von  Benzin  oder  Petroleum 
die  einfachsten  Gasmaschinen.  Abb.  490  zeigt  eine  amerikanische  Ausführung 
mit  4  Zilindem'). 

Die  Mängel  solcher  Maschinen  Hegen  in  dem  zuletzt  beschriebenen  Vor- 
gange über  dem  Kolben  bei  dessen  Abwärtsbewegung:  Das  frisch  eintretende 
Ga^emenge  soll  sich  über  die  austretenden  Abgase  schichten  und  diese 
herausdrängen.     Das  wird  zuweilen   nur  unvollständig  erreicht   und   es  ent- 


Abb.  490.     AmerikanUcbe  Zweitakt-Gasmaschine  für  Petroleum. 

stehen  Gasverluste  und  schlechte,  zuweilen  auch  vorzeitige  Verbrennung  (Früh- 
explosionen). In  allen  Fällen  erfordern  diese  Maschinen  eine  vcrhältnismäüig 
große  Menge  Brennstoff  und  sind  daher  nur  wirtschaftlich,  wenn  dieser  für 
billigen  Preis  beschafft  werden  kann. 

Eine  bessere  Wärmeausnutzung  erreicht  man,  wenn  das  Gasgemenge 
oben  durch  die  Mitte  des  Züinders  durch  ein  Ventil  eingeführt  wird;  doch 
verliert  die  Maschine  durch  die  erforderlichen  Steueiungseinrichtungen  ihre 
Einfachheit, 

Während  beim  Zweitakt  bei  jedem  Niedergang  des  Kolbens  Arbeit  ge- 
leistet wird  und  der  Aufgang  des  Kolbens,  der  zweite  Takt,  durch  das 
Schwungrad  (den  Arbeitspeicher)  bewirkt  wird,   muß  das  letztere  bei  der 


l)  Aus  Romberg,  Über  Seh iffsgasmascb inen,  Vortrag  in  der  SchifTbeutecbnischen  Gesell- 
ichaft,  Berlin,  November  190g.     Diesem  Werke   sind   mehrere  Abbildungen  entnommen  worden. 


602  Abschnitt  III.     ScbilTe  mit  eigcDer  Triebkraft,  KraftscfaifTc 

Viertaktmaschtne  zwei  volle  Umdrehungen  ausfuhren,  bis  ihm  wieder 
neue  Arbeit  zugeführt  wird.  Bei  dem  ersten  Hub  des  Kolbens  (abwärts) 
wird  das  Gasgemenge  in  den  Zilinder  gesaugt,  bei  dem  zweiten  Hub  (auf- 
wärts) wird  das  Gemenge  verdichtet  und  am  Ende  entzündet,  bei  dem  dritten 
Hube  dehnen  sich  die  Verbrennung^ase  aus  (Expansion)  und  leisten  Arbeil, 
und  bei  dem  vierten  Hube  werden  die  verbrannten  Gase  [Abgase)  aus  dem 
Zilinder  herausgedrückt.  Dieser  Vorgang  scheint  umständlich,  aber  er  trennt 
die  einzelnen  Arbeiten  genau  und  ermöglicht  dadurch  ihre  sorgfaltige  mecha- 
nische Ausbildung. 

In  Abb.  491  ist  eine  Viertaktmaschine  mit  seitlich  angeordneten  Ventilen 
dargestellt:  Das  Kurbelgehäuse  {a)  dient  hier  nicht  als  Pumpe,  ist  aber  doch 
gut  verschlossen  und  nimmt  im  unteren  Teile  das  Schmieröl  auf.    Zilinder  {d), 
Kolben  (c),  Schubstange  frf)  und  Kurbel  (e)  zeigen  keine  Verschiedenheit  von 
der  Zweitaktmaschine.     Beim   Niedergang  des 
Kolbens  tritt  bei  ^  das  Gasgemenge  durch  das 
Ventil  k,   das   sich  nach  innen  öffnet,  in   den 
^        Zilinder.    Bei  einigen  Maschinenarten  öffnet  sich 
dies  Ventil  durch  die   Saugwirkung   des   Kol- 
bens  von    selbst,    bei   besseren  Ausführungen 
wird    es   aber   gesteuert     Beim  Aufgang   des 
Kolbens    wird    das    verdichtete    Gemenge    am 
Ende   des  Hubes   (oder  besser    mit   »Vorzün- 
dungt  ein  wenig  früher)  durch  die  Vorrichtung  / 
entzündet  und  es  folgt  der  Arbeitshub  als  näch- 
ster Niedergang.   Wenn  der  Kolben  den  unteren 
toten  Punkt  erreicht  hat,  öffnet  sich  das  Ventil  1 
und    die  Al^ase  werden   beim  vierten  Hube 
durch    den   aufsteigenden   Kolben    durch    das 
Abb.49..G-^-t.schii.eimVi.rt.kt.     ^«^r  «   hinausgedrängt.     Das  Ventil  i   öffnet 
sich  gleichfalls  nach  innen  und  muß  daher  mit 
großer  Kraft  gegen  den  inneren  Druck  bewegt  werden.    Beide  Ventile  (A  und  1} 
werden  in  der  Regel  gleich  groß  gemacht  und  genau  eingeschliffen.     Teller 
und  Stange   (*)   bestehen   aus  einem  Stück  und  stehen  auf  einem  »Stößel«, 
der  in  zilindrischer  Führung   steckt  und  unten  mit  einer  kleinen  Rolle  ver- 
sehen ist,   die  auf  der  Steuerscheibe  gleitet.     Die  Ventile  werden  durch  die 
starken  Spiralfedern  [0)  fest  auf  ihren  Sitz  gepreßt  und   durch  »Nocken«  ge- 
hoben, die  sich  auf  den  Steuerscheiben  befinden.    Diese  Scheiben  sitzen  auf 
den  Steuerwellen  [«),  die  durch   Zahnradvoi^elege  (/)  von   der  Kurbelwelle 
angetrieben    werden.      Das  Vorgelege   ist  in   der  Regel  gleichfalls  mit   dem 
Kurbelgehäuse  eingekapselt. 

Beide  Steuerwellen  liegen  in  diesem  Beispiel  in  dem  Kurbelgehäuse  und 
die  beiden  Ventile  seitlich  von  dem  Zilinder.  Zuweilen  werden  beide  Ven- 
tile auf  derselben  Zilinderseite  angebracht  und  man  braucht  daiui  nur  eine 


3.  Kraftschiffe  mit  Gasmaschinen.  603 

Steucrwelle.  Einzelne  Fabriken  legen  auch  ein  oder  beide  Ventile  in  den 
Zilinderdeckel  und  eine  oder  beide  Steuerwellen  über  oder  neben  den  Zilin- 
derdeckel.  In  diesem  Falle  erfolgt  der  Antrieb  gewöhnlich  durch  eine  stehende 
Welle  und  Kegelradübertragung.  Man  sieht,  daß  die  Anordnung  sehr  ver- 
schieden sein  kann.  Wichtig  ist,  daß  man  stets  leicht  zu  den  Ventilen  ge- 
langt. Im  vorliegenden  Beispiel  befinden  sich  über  den  Ventilen  h  und  % 
Klappen  in  dem  Zilinderdeckel,  der  ebenso  wie  der  Zilinder  mit  Hohlräumen 
zur  Wasserkühlung  versehen  sein  muß. 

Das  Schwungrad  ist  bei  der  einfachen  Viertaktmaschine  noch  wichtiger 
als  beim  Zweitakt  und  muß  entsprechend  schwer  gemacht  werden.  In  der 
Regel  werden  aber  beide  Arten  für  den  SchifTahrtbetrieb  als  Zwillingsmaschinen 
gebaut  und  deren  beide  Zilinder  oft  in  einem  Stücke  gegossen.  Die  Kurbeln 
werden  gewöhnlich  um  i8o°  gegeneinander  versetzt,  wodurch  die  Stöße  in 
der  Maschine  verringert  werden.  Bei  Maschinen  über  20  Pferdestärken  pflegt 
man  4  Zilinder  und  über  60  Pferdestärken  6  Zilinder  zu  wählen.  Damit 
kann  ein  vollständiger  Massenausgleich  und  ein  vollkommen  ruhiger  Gang 
auch  ohne  Schwungrad  erreicht  werden,  das  beim  Antrieb  von  Schrauben- 
schiffen  stets  lästig  ist,  weil  man  bei  großem  Raddurchmesser  die  Schrauben- 
welle nicht  tief  genug  legen  kann.  Die  Kurbeln  aller  Zilinder  sind  an  der- 
selben Welle  wirksam  und  werden  von  denselben  Steuerwellen  bedient.  Aus- 
nahmsweise werden  zuweilen  je  2  Zilinder  über  einander  gestellt,  wodurch 
im  Schiffe  weniger  Raum  in  Anspruch  genommen  wird. 

Während  des  Ganges  kann  man  also  die  Nachteile  der  einfach,  in 
mehreren  Takten  wirkenden  Gasmaschinen  durch  eine  größere  Zahl  von 
Zilindem  überwinden;  es  bleibt  aber  die  Schwierigkeit  des  Anlassens,  um 
die  Maschinen  in  Gang  zu  bringen.  Für  kleinere  Maschinen  benutzt  man 
dazu  eine  Andrehvorrichtung,  indem  man  mittels  einer  Handkurbel  und  einer 
Kettenübertragung  die  Kurbelwelle  so  lange  dreht,  bis  die  Maschine  selb- 
ständig arbeitet  Dabei  werden  in  der  Regel  Sicherheitseinrichtungen  ange- 
bracht, die  die  Andrehvorrichtung  ausschalten,  sobald  dieser  Zeitpunkt  ein- 
getreten ist.  Für  größere  Gasmaschinen  müssen  zum  Anlassen  andere  Kräfte 
herangezogen  werden  und  zwar  neuerdings  gewöhnlich  Preßluft,  die  von  der 
Maschine  auf  Vorrat  erzeugt  wird.  Hierin  lieg^  ein  bedeutender  NachteU  der 
Gasmaschinen  gegenüber  den  Dampfmaschinen,  die,  mit  2  Zilindern  versehen, 
in  jedem  beliebigen  Augenblick  »anspringen«. 

Bei  allen  Gasmaschinen  muß  wegen  der  starken,  bei  der  Verbrennung 
entstehenden  Hitze  eine  Kühlung  der  ZUinderwände  bewirkt  werden.  Das 
dazu  nötige  Wasser  wird  auf  Schiffen  durch  eine  von  der  Kurbelwelle  ange- 
triebene Pumpe  [Zahnrad-  oder  Exzenter-  oder  Flügel-  oder  Kreisel-  oder 
Kolbenpumpe)  durch  ein  Bodenventil  aus  dem  Fahrwasser  entnommen  und 
durch  die  Hohlräume  in  dem  Mantel  und  dem  Deckel  des  Zilinders  ge- 
trieben. In  der  Regel  wird  in  die  Saugeleitung  noch  ein  Kühlwasserreiniger 
(Filter)  eingeschaltet.     Bei   Booten,   die   in   seichtem   Fahrwasser  verkehren, 


604  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

verstopft  sich  leicht  das  Bodenventil  und  es  wird  vorgezogen,  das  Kühlwasser 
aus  besonderen  Wasserkammem  zu  entnehmen,  die  in  der  Bilge  zwischen 
den  Spanten  eingebaut  und  durch  die  dünne  Blechhaut  hindurch  vom  Fahr- 
wasser kühl  gehalten  werden.    Das  Kühlwasser  macht  dann  nur  einen  Kreislauf. 

Die  Abgase  gehen  von  dem  Z.ilinder  zunächst  in  einen  zilindrischen 
»Auspufftopf«,  der  zugleich  als  Schalldämpfer  dient.  Weil  die  Gase  noch 
sehr  heiß  in  dieses  aus  starkem  Blech  gebaute  Gefäß  eintreten,  wird  es  in 
der  Regel  mit  einem  Mantel  versehen,  der  durch  das  von  den  Zilindern 
kommende  Wasser  durchspült  und  gekühlt  wird.  Von  dem  Auspufftopf  führt 
man  die  Abgase  meistens  nach  dem  Heck  des  Schiffes  und  läßt  sie  über 
oder  unter  Wasser  austreten.  Zuweilen  wird  über  der  Maschine  ein  beson- 
derer Schornstein  errichtet.  Bevor  die  Abgase  in  den  Auspufftopf  gelangen, 
benutzt  man  einen  TeU  ihrer  Wärme  zur  Erwärmung  des  noch  zu  erwähnen- 
den Vergasers  und  der  ihm  zugefiihrten  frischen  Luft.  Außerdem  benutzt 
man  die  Spannung,  mit  der  sie  aus  dem  Zilinder  treten  und  die  etwa  eine 
Atmosphäre  Überdruck  beträgt,  um  den  flüssigen  Brennstoff,  der  gewöhnlich 
tiefer  als  die  Maschine  in  einem  geschlossenen  Blechgefaß  (aus  Kupfer)  auf- 
bewahrt wird,  aus  diesem  nach  der  Maschine  zu  drücken.  Zu  diesem  Zweck 
läßt  man  einen  Teil  der  Abgase  durch  ein  sogenanntes  Reduzierventil  gehen, 
wodurch  der  Druck  auf  eine  halbe  Atmosphäre  vermindert  wird.  In  diese 
Druckleitung  muß  ein  Manometer  eingeschaltet  werden.  Auch  wird  in  der 
Regel  noch  eine  kleine  Handluftpumpe  angeordnet,  um  auch  ohne  die  Ab- 
gase den  Brennstoff  durch  Luftdruck  anzusaugen.  Besser  ist  eine  besondere 
von  der  Maschine  betriebene  Brennstoffpumpe.  Sowohl  die  Saugeleitung  der 
Kühlwasserpumpe  wie  das  unter  Wasser  geführte  Rohr  der  Abgase  muß  mit 
einem  Rückschlagventil  versehen  werden. 

Eine  zuverlässige  Schmierung  ist  für  alle  Gasmaschinen  von  großer 
Wichtigkeit  und  die  allgemein  übliche  Form  des  Kurbelgehäuses  schützt  nicht 
nur  vor  Staub  und  herumspritzendem  Öl,  sondern  erleichtert  auch  die  reich- 
liehe  Schmierung  der  Wellenlager,  Kurbelzapfen  usw.  bei  sparsamem  Ölver- 
brauch. Das  Schmieröl  (nur  Mineralöl,  das  keinen  Ruß  bildet)  wird  darin 
auf  bestimmter  Höhe  gehalten  und  von  Zeit  zu  Zeit  erneuert.  Die  Kurbeln 
tauchen  beim  Betriebe  ein  und  spritzen  das  Öl  nach  allen  Seiten  bis  hinauf 
in  den  Kolben  und  die  inneren  Zilinderwände.  Für  die  beweglichen  Teile 
außerhalb  des  Kurbelkastens  wird  meistens  eine  Sammelschmierung  von  einem 
erhöht  aufgestellten  Behälter  aus  oder  eine  von  der  Maschine  bewegte  OI- 
pumpe  angeordnet.  Bei  großen  Maschinen  wird  neuerdings  >Preßschmierung« 
angewendet,  wobei  den  Kurbelwellen-,  Schubstangen-  und  Kolbenbolzenlagern 
sowie  den  Zilindern  dauernd  das  Öl  unter  Druck  zugeführt  wird.  Die  Kur- 
belwellen, Schubstangen  usw.  werden  zu  diesem  Zweck  in  ihrer  Achse  durch- 
bohrt, so  daß  das  Öl  durch  seitliche,  quergebohrte  Öffnungen  in  die  Lager 
tritt  Dadurch  wird  gleichzeitig  eine  Kühlung  erreicht,  was  besonders  für 
den  Kolben  nötig  ist.     Der  Verbrauch  von  Schmieröl  ist  sehr  beträchtlich. 


3.  KrafbchifTe  mit  Gasmaschinen.  305 

Die  Geschwindigkeitsregelung  erfolgt  durch  einen  entweder  stehend  oder 
liegend  angeordneten  Fliehkraftregeier,  der  von  der  Kurbelwelle  ange- 
trieben und  meistens  in  einem  Blechgehäuse  eingekapselt  wird.  Er  wirkt  ge- 
wöhnlich durch  Hebelübersetzung  auf  eine  Drosselklappe  in  dem  Zufiihrungs- 
rohr  des  Heizstoffs  zum  Zilinder  und  auf  einen  Luftzuführungschieber.  Bei 
einzelnen  Maschinen  ist  eine  »Aussetzer «-Regelung  angebracht,  wobei  der  Re- 
geler ein  Zwischenstück  zwischen  Stößel  und  Ventilstange  des  Einlaßventils 
bewegt,  so  daß  bei  zu  schnellem  Gange  der  Maschine  diese  Ventile  weniger 
oder  gar  nicht  gehoben  werden^  also  weniger  oder  gar  kein  Brennstoff  in 
den  Zilinder  gelangen  kann.  Außer  dem  selbstwirkenden  Fliehkraftregeier 
ist  noch  eine  Regelung  der  Drosselklappe  oder  der  Aussetzervorrichtung 
durch  einen  Handhebel  vorzusehen. 

Die  Leistung  der  Gasmaschinen,  die  gewöhnlich  durch  Bremsung") 
der  Kurbelwelle  gemessen  und  stets  in  nutzbaren  (effektiven)  Pferde- 
stärken (PSe)  ausgedrückt  wird,  hängt  von  der  Zahl  und  dem  Durchmesser 
der  Zilinder  und  dem  mittleren  Gasdruck  auf  den  Kolben  oder  richtiger 
dem  Druck-  und  Wärmegefalle  ab.  Abweichend  von  der  Dampfmaschine  ist 
man  bezüglich  des  Zilinderdurchmessers  bei  Gasmaschinen  beschränkt,  weU 
der  Tauchkolben  zugleich  die  Kreuzkopfführung  ersetzt.  Die  Zilinderdurch- 
messer  werden  daher  in  der  Regel  nicht  größer  als  300  mm  gewählt,  meistens 
nur  zu  150  bis  180  mm  und  bei  Bootmaschinen  zu  100  bis  120  mm.  Der 
Hub  beträgt  bei  kleinen  Maschinen  120  bis  150  mm,  bei  den  größten  etwa 
300  mm,  selten  mehr. 

Bei  dem  Gasdruck  muß  man  zwischen  dem  Verdichtungsdruck  und  dem 
Verbrennungsdruck  unterscheiden.  Je  nachdem  das  entzündete  Gasgemenge 
durch  Verpuffung  (Explosion)  wirkt  oder  unter  angenähert  gleichem  Druck 
verbrennt,  unterscheidet  man  Verpuffungsm aschinen  und  Gleichdruck- 
maschinen, deren  Eigenschaften  unten  beschrieben  werden  sollen. 

Bei  dem  Vergleich  der  Vier taktmaschine  mit  der  Zweitaktmaschine 
erkennt  man  zunächst,  daß  die  letztere  bei  gleichem  Zilinderdurchmesser, 
gleichem  Hub  und  gleicher  Umlaufzahl  in  derselben  Zeit  mehr  Arbeit  leistet 
als  eine  Maschine  im  Viertakt.  Während  sie  doppelt  so  viel  Brennstoff  ver- 
braucht, ist  die  Leistung  aber  nicht  doppelt,  sondern  nur  1,75  bis  1,8  mal 
so  groß,  weil  infolge  der  oben  besprochenen  Schichtung  der  Gase  im  Zilin- 
der die  Ausnutzung  des  Brennstoffs  schlechter  ist:  Die  Zweitaktmaschine  hat 
einen  sogenannten  schlechteren  »thermischen«  Wirkungsgrad.  Es  arbeitet 
eine  Zweitaktmaschine  besonders  bei  hohen  Umlaufzahlen  mangelhaft,   weU 


i)  Die  Bremsversuche  schnell  laufender  Maschinen  auf  besonders  eingerichteten  Brems- 
stationen sind  nicht  leicht  und  führen  oft  zu  schwankenden  Ergebnissen.  Die  Leistungen  der 
in  das  Schiff  eingebauten  Maschinen  entsprechen  femer  nicht  immer  den  Bremsversuchen.  Das 
ist  namentlich  bei  Gasmaschinen  mit  Vergasern  daraus  zu  erklären,  daß  die  Luft*  und  Ver- 
gasungsverhältnisse verschieden  sind.  —  Man  kann  die  Druckverhältnisse  und  die  Spannungen 
in  den  Zilindem  der  Gasmaschinen  auch  durch  Indikatorschaulinien  feststellen;  das  ist  aber  ein 
recht  schwieriges  Unternehmen. 


606  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

bei  der  kurzen  Zeit  zum  AuspufTen,  Spülen  und  Laden  die  Gase  schlecht  ge- 
schichtet und  leicht  durcheinander  gewirbelt  werden.  Da  man  femer  bei  dem 
Viertakt  die  Veränderung  des  Gasgemenges  und  die  Füllung  besser  beherrscht, 
kann  man  die  Geschwindigkeit  in  weiteren  Grenzen  verändern,  was  beim 
Schiffsbetrieb  wichtig  ist. 

Je  nach  dem  Brennstoff,  für  den  die  Gasmaschinen  besonders  einge- 
richtet sind,  unterscheiden  wir  Benzinmaschinen,  Ölmaschinen  und  Saug^as- 
maschinen. 

Benzinmaschineil  werden  gewöhnlich  in  der  Binnenschiffahrt  nur  zu 
kleineren  Arbeitsleistungen  auf  Booten  und  dergleichen  benutzt,  weil  der 
Brennstoff  teuer  ist.  Die  meisten  Maschinen  dieser  Art  sind  so  eingerichtet, 
daß  sie  mit  kleinen  Abänderungen  auch  mit  Spiritus  oder  (gereinigtem) 
Petroleum  bedient  werden  können.  Sie  arbeiten  gewöhnlich  im  Viertakt 
und  sind  Verpuffungsmaschinen.  Das  Gasgemenge  im  Zilinder  wird  durch 
den  aufsteigenden  Kolben  auf  8  bis  lo  Atmosphären  verdichtet  und  durch  eine 
besondere  Vorrichtung  entzündet,  so  daß  der  Verpuffungsdruck  16  bis  25  At- 
mosphären erreicht.  Bei  Verwendnng  von  Petroleum  beträgt  der  Verdichtungs- 
druck höchstens  8,  und  der  Verpuffungsdruck  höchstens  20  Atmosphären. 

Zur  Herstellung  des  Gasgemenges,  das  im  erforderlichen  Verhältnis  von  vergastem  Brenn- 
stoff und  atmosphärischer  Luft  der  Maschine  zugeführt  werden  soll,  brauchen  diese  Maschinen 
einen  Vergaser.  Er  hat  die  Aufgabe,  eine  innige  Mischung  von  fein  zerteiltem  ölnebel  mit 
Luft  herzustellen.  Es  entsteht  dabei  die  Schwierigkeit,  zu  verhindern,  daß  der  fein  zerteilte 
ölstaub  sich  an  kalten  Maschinenteilen  wieder  zu  Tropfen  verdichtet,  wodurch  die  Verbrennung 
unvollkommen  würde.  Wenn  man  aber  dem  Vergaser  Wärme  zufuhrt  und  bis  zur  Verdampfung 
des  Benzins  gelangt,  so  ist  dies  wiederum  nachteilig,  weil  man  zur  Verhütung  der  Selbstentzün- 
dung dann  die  Verdichtung  des  Gemenges  im  Zilinder  nicht  sehr  weit  treiben  und  deshalb  nur 
eine  schwache  Wirkung  erreichen  kann.  Wichtig  ist  femer,  das  Gemenge  stets  in  gleichem 
Verhältnis  herzustellen,  unabhängig  von  dem  wechselnden  Verbrauch  in  der  Maschine  (bei  ver- 
schiedener Geschwindigkeit)  und  imabhängig  von  der  Wärme  der  Außenluft. 

Der  Vergaser  wird  in  mancherlei  Formen  hergestellt:  Die  Oberfiächenvergaser,  zu  denen 
auch  die  Dochtvergaser  gehören,  haben  sich  weniger  als  die  Spritzvergaser  bewährt,  die  neuer- 
dings allgemein  verbreitet  sind.  Bei  diesen  wird  der  beim  Niedergang  des  Kolbens  angesaugte 
Brennstoff  in  einem  Gef^  durch  einen  Schwimmkörper  in  unveränderlicher  Höhe  erhalten  und 
von  dort  durch  eine  Düse  in  ein  zweites  Gefäß  eingespritzt,  wo  er  sich  mit  der  zugefuhrten 
(meistens  vorgewärmten)  Luft  vermengt.  Das  die  Düsenöffnung  regelnde  Ventil  wird  gleichfalls 
durch  die  Saugwirkung  des  niedergehenden  Kolbens  bewegt,  so  daß  die  Herstellung  des  Gas- 
gemenges nur  erfolgt,  wenn  die  Maschine  arbeitet.  In  dem  zum  Zilinder  führenden  Rohr  wird 
in  der  Regel  eine  Drosselklappe  angebracht,  durch  die  die  Füllung  des  Zilinders  und  damit  auch 
die  Geschwindigkeit  der  Maschine  geregelt  werden  kann.  Bei  starker  Drosselung  entsteht  aber 
im  Vergaser  ein  Unterdruck,  der  eine  stärkere  Zuführung  von  Brennstoff  bewirken  würde  und, 
um  dies  zu  vermeiden,  muß  gleichzeitig  eine  gewisse  Menge  von  Zusatzluft  (meistens  angewärmt) 
hinzugefUhrt  werden. 

Die  Zahl  der  für  den  Betrieb  des  Vergasers  erforderlichen  Ventile  ist  ziemlich  groß,  die 
Anordnung  ist  ziemlich  verwickelt  und  führt'  daher  häufig  zu  Betriebstörungen.  Wenn  der 
Brennstoff  aus  Spiritus  (mit  Benzol  gemischt)  oder  aus  Petroleum  besteht,  so  wird  es  in  der 
Regel  nötig,  die  Maschine  zunächst  mit  Benzin  in  Gang  zu  bringen,  weil  die  anderen  Brennstoffe 
nur  in  stark  erwärmten  Vergasern  sich  verflüchtigen.  Solche  Maschinen  müssen  daher  mit  Doppel- 
vergasem  versehen  werden,  von  denen  der  eine  für  Benzin  und  der  andere  für  Spiritus  oder 
Petroleum  eingerichtet  ist.  Zuweilen  zieht  man  es  vor,  den  Vergaser  für  Petroleum  mittels  einer 
besonderen  Lampe  zu  erwärmen.  Benzin  vergast  bei  etwa  50^  C,  Petroleum  braucht  mehr  als 
150^.     Ganz  zuverlässig  arbeitende  Petroleum vergaser  gibt  es  übrigens  noch  nicht. 


3.  Kraftschiffe  mit  Gasmaschinen.  607 

Die  Entzündung  des  verdichteten  Gasgemenges  im  Zilinder  erfolgt  heute  meistens  durch 
elektrische  Funken.  Früher  benutzte  man  Glührohrzündung,  wobei  ein  Platinröhrchen  durch 
eine  stets  brennende  offene  Flamme  glühend  erhalten  wurde.  Neben  anderen  Mängeln  fehlte 
bei  dieser  Einrichtung  die  Möglichkeit,  den  Zeitpunkt  der  Zündung  zu  regeln.  Das  ist  von 
Wichtigkeit.  Durch  vorzeitige  Zündung  wird  das  Triebwerk  der  Maschine  stark  beansprucht  und 
es  erfolgen  Stöße,  während  bei  zu  später  Zündung  die  Verbrennung  unvollkommen  wird,  wodurch 
die  Leistung  vermindert  und  der  Brennstoffverbrauch  vermehrt  wird.  Es  ist  vorteilhaft,  wenn 
man  den  Zündpunkt  während  des  Betriebes  etwas  verändern  kann,  so  daß  die  Zündung  beim  An- 
lassen etwa  im  Totpunkt  der  Maschine  (oder  sogar  etwas  später),  während  des  Ganges  aber 
früher  (bei  etwa  0,8  des  Hubs  bei  schnell  laufenden  Maschinen)  erfolgt.  Fehlzündungen  schä- 
digen sehr  die  Betriebsicherheit  Bei  elektrischer  Zündung  wirkt  die  Abreißzündung  mit  Schwach- 
strom sicher;  die  Kerzenzündung,  wobei  der  starke  Primärstrom  außerhalb  des  Zilinders  im 
Augenblick  der  Zündung  unterbrochen  wird,  ist  einfacher,  aber  weniger  sicher  wegen  des  klei- 
neren Funkens.  Bei  der  Abreißzündung  geht  der  Primärstrom  durch  die  Zündflansche  und  be- 
wirkt im  Zilinder  mittels  eines  mechanisch  (meistens  durch  Exzenter  von  der  Steuerwelle) 
gesteuerten  Abreißgestänges  im  Augenblick  der  Zündung  schnell  hintereinander  mehrere  Er- 
öffnungsfunken. Bei  größeren  Maschinen  ordnet  man  2  bis  3  Zündstellen  in  jedem  Zilinder  an. 
Der  elektrische  Strom  wird  entweder  durch  Sammelbatterien  oder  häufiger  durch  kleine  magnet- 
elektrische Dynamos  geliefert,  die  von  der  Maschine  selbst  angetrieben  werden.  Es  ist  von 
Wichtigkeit  auf  Schiffen,  daß  die  Drahtleitungen  gut  gegen  Wasser  und  Öl  (in  Bleirohren) 
isoliert  werden,  so  daß  sie  nicht  feucht  werden,  wodurch  unangenehme  Betriebstörungen  hervor- 
gerufen werden  können. 

Die  2  oder  4  Zilinder  dieser  Maschinen  werden  in  der  Regel  nebenein- 
ander angeordnet.  In  Abbildungen  492  bis  495  ist  eine  neuere  vierzilindrige 
Bootmaschine  (von  Wolf  und  Struck  in  Aachen)  dargestellt,  bei  der  die  im 
Viertakt  arbeitenden  Maschinen  zu  je  2  übereinander  gestellt  sind. 

Es  gibt  nur  2  Schubstangen  und  auch  die  Zahl  der  Wellenlager  ist  vermindert,  wodurch 
die  Maschine  kürzer  geworden  ist  und  im  Schiffe  weniger  Raum  braucht.  Das  Schwungrad  [c) 
liegt  zwischen  beiden  Pleuelstangen.  Beide  Kolben  [d  und  e)  der  übereinander  stehenden  Zilinder 
[a  und  d)  sind  durch  je  eine  Kolbenstange  (^)  verbunden,  die  der  Länge  nach  durchbohrt  ist,  so 
daß  der  im  Kurbelgehäuse  erzeugte  Schmierölstaub  zum  oberen  Zilinder  hindurch  dringen  kann. 

Diese  Maschine  leistet  bei  120  mm  Zilinderdurchmesser,  140  mm  Hub  und  700  bis  750  Um- 
drehungen je  Minute  an  der  Kurbelwelle  16  bis  20  nutzbare  Pferdestärken  und  wiegt  etwa  700  kg. 

Allgemein  kann  man  bei  diesen  Verpuflfungs-Benzinmaschinen  mit  einem 
Zilinder  (innerhalb  der  früher  angegebenen  Grenzen)  höchstens  20  PS  leisten, 
bei  kleinen  Bootmaschinen  10  PS.  Dabei  ist  eine  höchste  zulässige  Kolben- 
geschwindigkeit von  4,5  m  je  Sekunde  angenommen,  die  nicht  überschritten 
werden  kann,  wenn  man  nicht  zu  große  Umdrehungszahlen  erhalten  will. 
Mit  6  und  ausnahmsweise  8  Zilindern  erreicht  man  100  und  ausnahmsweise 
200  PS.  In  der  nachstehenden  Tafel  sind  Mittelwerte  für  Vierzi linde r- 
maschinen  zusammengestellt.  Zweizilindrige  leisten  etwa  die  Hälfte,  sechs- 
zilindrige  etwa  1,5  mal  so  viel.  Mit  Petroleumheizung  erreicht  man  um  0,05 
bis  0,1  weniger"). 

Das  Gewicht  dieser  Maschinen  einschließlich  des  Schwungrads  schwankt 
je  Nutzpferdestärke  zwischen  40  und  18  kg  bei  Leistungen  von  10  bis  100  PS. 
Mehrzilindrige  Maschinen  brauchen  weniger  Schwungmassen.  Langsam  lau- 
fende Maschinen  von  300  bis  500  Umdrehungen  sind  schwerer    als   schnell 


i)  Aus  M.  H.  Bauer,  Das  Motorboot  und  seine  Behandlung.    Leipzig  1906. 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  KraftschUfe 
Senzinmischine  mit  4  Zilindem  von  so  PS,  Abb.  493  bis  495. 


Abb.  492.     Ansicht  dei  Anspuflsej 


Abb.  493.     Ansicht  >on  der  Vergaserseite. 


3-  Krafbchiffe  mit  Gismascbinen. 


Abb.  495-     LlngeDschnitt. 


610 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


laufende.  Das  Gewicht  der  vollständigen  Maschinenanlage  einschließlich  Um- 
steuerung, Welle,  Stevenrohr,  Schraube  und  Schutzkasten  kann  je  Nutzpferde- 
stärke zu  60  bis  30,  selten  bis  25  kg  (ohne  Betriebstoiie  und  Kühlwasser) 
veranschlagt  werden. 


Leistung  in  Nutzpferdestärken  (an  der  Welle). 


Zilinder- 

bei 

Umdrehungen  je  Minute 

durchmesser 

mm 

500 

600 

700 

800 

900 

1000 

100 

1 

— 

14 

16 

19 

21 

120 

— 

21 

25 

29 

34 

38 

140 

24 

30 

37 

44 

50 

56 

160 

32 

41 

49 

58 

67 

75 

180 

41 

52 

62 

73 

84 

95 

200 

50 

63 

75 

88 

102 

— 

220 

60 

74 

88 

104 

120 

— 

Der  Brennstoffverbrauch  je  Stunde  und  Nutzpferdestärke  ist  nach- 
stehend zusammengestellt.  Dabei  sind  mittlere  Einheitspreise  in  Deutschland 
zugrunde  gelegt.  Bei  Benzin  ist  eine  Dichtigkeit  (Spezifisches  Gewicht)  von 
0,68  bis  0,7  vorausgesetzt,  bei  Spiritus  ein  Alkoholgehalt  von  90  Raumteiien. 
Spiritus  wird  gewöhnlich  mit  ^/^  Benzol  gemischt.  Der  Brennstoffverbrauch 
nimmt  mit  der  Stärke  der  Maschine  und  mit  der  Anzahl  der  Zilinder  ab. 


Reines 
Petroleum 


Heizwert,  untere  Grenze: Wärmeeinheiten 

Mittlerer  Preis  je  kg: Pfennig 

Kosten  von  je  looo  Wärmeeinheiten: Pfennig 

Brennstoffverbrauch  je  Stunde  u.  Nutzpferdestärke: 

bei  kleinen  Maschinen  etwa kg 

»     großen  »  >      » 

Brennkosten  je  Stunde  u.  Nutzpferdestärke:  Pfennig 
Der  geringste  bisher  erreichte  Brennstoffverbrauch  war'): 

bei  voller  Belastung kg 

»    halber         »  » 


II  000 

29 

2,63 

o»35 

Ot3 
8,7  bis  10 

0,297 
0,434    j 


5600 
20 

3,57 

0,55 

0,45 
9  bis  II 

0,365 
0,507 


10500 
22 


2,1 


0,45 

0,35 
7,7  bis  10 

0,33 
0,492 


Hiemach  würde  Petroleum  am  wohlfeilsten  sein;  aber  es  war  schon  bemerkt,  daß  die 
Maschinen  mit  diesem  Brennstoffe  oft  schlecht  arbeiten,  weil  die  schwierige  Vergasung  zu  un- 
vollkommener Verbrennung  führt,  wodurch  Ruß  und  andere  Überreste  in  die  Zilinder  gelangen. 
Bemerkenswert  ist  für  ausländische  Maschinen,  daß  man  unser  Petroleum  in  Amerika  Kero- 
sine und  in  England  Paraffin  nennt,  während  unser  Benzin  in  England  Petrol  heißt. 

Die  mittleren  Preise  der  Benzinmaschinen  bei  den  deutschen  Fabriken  (ohne  Um- 
steuervorrichtimg, Welle,  Stevenrohr  und  Schraube]  nehmen  je  Nutzpferdestärke  mit  der  Stärke 
der  Maschinen  ab. 

i)  Bruno  Müller,  Das  Motorboot  und  seine  Maschinenanlagen,     Hannover  1902. 


3*  KraftschifTe  mit  Gasmaschinen.  011 

Maschinen  von  7  bis  15  PS  mit  2  Zilindem  kosten  etwa  350  bis  240  Mark, 
>  >I5*30>>4         >  >  >      340    >    200     » 

je  Nutzpferdestärke.  Dazu  treten  die  oben  erwähnten  Kosten  einschl.  des  Schutzkastens  u.  dgl., 
die  mit  der  Stärke  der  Maschine  gleichfalls  abnehmen  und  ftir  Maschinen  von  7  bis  30  PS  etwa 
1 50  bis  80  Mark  je  Nutzpferdestärke  betragen.  Eine  vollständige  Maschinenanlage  kostet  also 
für  7  PS  etwa  3500  Mark  und  für  30  PS  etwa  8400  Mark. 

Ölmaschilieil  werden  mit  Rohöl,  Erdölrückständen  und  anderen  flüs- 
sigen Brennstoffen  geheizt,  wie  sie  früher  (S.  497)  beschrieben  worden  sind. 
Wegen  der  Billigkeit  des  Brennstoffs  eignen  sie  sich  besonders  für  gewerbliche 
Betriebe  und  auch  für  die  Binnenschiffahrt.  Im  Gegensatz  zu  den  Benzin- 
maschinen sind  sie  Gleichdruckmaschinen,  arbeiten  sowohl  im  Viertakt 
wie  im  Zweitakt  und  brauchen  weder  Vergaser  noch  Zündvorrichtungen. 

Die  wichtigste  Ol-  und  Gleichdruckmaschine  ist  die  1897  erfundene 
Dieselmaschine.  Wenn  sie  im  Viertakt  arbeitet,  wird  die  beim  ersten 
Hube  (abwärts)  eingesaugte  reine  Luft  beim  zweiten  Hube  (aufwärts)  bis  auf 
etwa  32  und  35  Atmosphären  verdichtet  und  bekommt  dadurch  eine  Wärme 
von  etwa  800°  C,  so  daß  der  gegen  Ende  dieses  Hubes  mit  dem  nötigen 
Überdruck  unmittelbar  (d.  h.  ohne  vorhergehende  Vergasung)  in  den  Zilinder 
eingespritzte  Brennstoff  in  dieser  großen  Wärme  ziemlich  gleichmäßig  ver- 
brennt und  der  dabei  entstehende  Verbrennungsdruck  von  35  bis  40  Atm. 
ohne  Stoß  den  Kolben  bei  dem  dritten  Hube  abwärts  treibt.  Bei  dem  vierten 
Hube  (aufwärts)  werden  die  (färb-  und  geruchlosen)  Abgase  hinausgedrängt. 

Die  Maschine  hat  einen  guten  thermischen  Wirkungsgrad,  da  man  die 
Verdichtung  der  Luft  viel  weiter  treiben  kann,  als  bei  dem  Verpuffungs- 
verfahren;  denn  dort  würde  das  im  Zilinder  befindliche  Gasgemenge  bei  so 
hohem  Druck  sich  vorzeitig  von  selbst  entzünden.  Trotz  dieses  höheren  Ver- 
dichtungsdrucks braucht  die  Maschine  verhältnismäßig  nicht  stärker  gebaut  zu 
werden,  weil  auch  die  Benzinmaschinen  für  den  Höchstdruck,  und  das  ist  bei 
ihnen  der  Verpuffungsdruck,  berechnet  werden  müssen.  Dies  bedeutet  einen 
maschinentechnischen  Vorteil.  Man  kann  im  Zilinder  einen  mittleren  indizierten 
Druck  bis  zu  7,5  Atm.  erreichen,  was  bei  Verpuffungsmaschinen  nicht  mög- 
lich ist,  und  daher  bei  kleinen  Abmessungen  große  Leistungen  erreichen. 

Zur  Erzeugung  der  auf  50  bis  60  Atm.  verdichteten  Luft,  mittels  der  man 
den  Brennstoff  in  den  Zilinder  drückt,  sind  aber  besondere  Luftpumpen 
(Kompressoren)  nötig,  die  mit  2  oder  3  Stufen  arbeiten.  Sie  erfordern 
Raum,  Gewicht,  Kosten  und  Betriebskraft. 

Im  übrigen  unterscheidet  sich  die  Anordnung  der  ölmaschinen  nicht  von  der  der  Benzin* 
maschinen.  Die  Steuerwelle  wird  gewöhnlich  oben  seitwärts  neben  die  Zilinder  gelegt  und 
durch  Schraubenräder  und  Zwischenwelle  von  der  Kurbelwelle  angetrieben.  Die  Ventile  sitzen 
meistens  auf  dem  Zilinderdeckel :  je  eines  für  Ansaugen,  Brennstoff  und  Abgase.  Sie  werden 
durch  Nocken  oder  unrunde  Scheiben  mittels  zweiarmiger  Hebel  angehoben  und  durch  Feder- 
belastung auf  ihren  Sitz  gedrückt  Das  Brennstoffventil  mit  dem  Düsenzerstäuber  in  der  Mitte 
des  Deckels  erfordert  eine  besonders  sorgfältige  Einrichtung.  Wegen  der  großen  Wärme  müssen 
alle  Ventile  und  auch  die  Zilinderdeckel  gut  gekühlt  werden.  Die  Pumpen  werden  gewöhn- 
lich von  der  Kurbelwelle  angetrieben  und  in  verschiedener  Weise  angeordnet  Die  Luftpumpe 
entnimmt  oft  unmittelbar  aus  dem  Arbeitszilinder  die  schon  auf  etwa  10  Atm.  verdichtete  Luft 
und  bringt  sie  dann  auf  den  verlangten  Druck  von  50  bis  60  Atm. 

39* 


612  Abschnitt  IIL     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Man  baut  heute  Dieseimaschinen  mit  4,  6  oder  8  Ziliadeni  in  Starlcen 
bis  zu  tooo  PS  und  darüber.  Das  Anlassen  ist  bei  starken  Maschinen  nicht 
mehr  durch  Menschenkraft  ausführbar,  wird  vielmehr  jetzt  allgemein  durch 
Preßluft  von  etwa  50  Atm.  Spannung  bewirkt,  die  von  der  Maschine  erzeugt 
und  in  besonderen  Behältern  aufbewahrt  wird.  Um  sie  den  Zilindem  zuzu- 
führen, sind  besondere  >AnlaOventile*  nötig,  die  gewöhnlich  gleichfalls  auf 
den  Zil  inderdecke  In  stehen  und  oft  durch  eine  besondere  Stcuerwelle  (auch 
>AnlaQwelle<  genannt)  bewegt  werden.  Sobald  die  Maschine  mit  PreDluft  in 
Gang  gebracht  ist  und  mehrere  Hübe  gemacht  hat,   wird  die  Luft  abgestellt 


Abb.  496.     ViAtakt-Dleselmuchine  von  140  PS. 

und  die  Ölheizung  beginnt.  Für  das  Anlassen  starker  Maschinen  ist  ein 
großer  Vorrat  von  Preßluft  erforderlich,  den  man  zu  2  bis  6  Liter  je  Pferde- 
stärke zu  bemessen  pflegt. 

Abb.  496  zeigt  eine  altere  Viettakt -Diesel muchtne  von  140  PS  »in  der  MaschiDcnfsbrik 
Augsburg  mit  4  Zilindem  von  sSo  mm  Durcbcnesser  und  300  mm  Hub.  Es  ist  nur  eine  Steuer- 
welle vorhandeD,  von  der  die  Ventile  fllr  Ansaugen,  Brennstoff.  Abgase  sowie  fUr  die  Anlaßlnft 
in  den  Klinderdecteln  bewegt  werden.  Auch  die  vor  jedem  Zillnder  besonder»  angeordneten 
Brennstoßpunpen  (3)  werden  mittels  Exzenter  von  dieser  Steuerwelle  angetrieben,  wlbrend  die 
Luft-,  Kühl-  mid  Schmierpump en  von  der  Kurbeltvelle  angetrieben  werden  und  in  der  Abbildung 
nicht  sichtbar  sind,  a  sind  die  Elnapritzventile  mit  DQsenzerätlaber.  Die  Maschine  ist  4,J  m 
lang,  0,85  m  breit,  wiegt  g  t  ohne  und  ti  t  mit  Schwungrad.     Die  Umlaufzahl  ist  375. 


3.  Krafbchiffe  mit  Gasmuchiaen.  613 

Die  Dieselmaschinen  werden  neuerdings  oft  mit  Zweitakt  au^efiihrt 
und  zeigen  dabei  viel  weniger  Nachteile  als  VerpufTungsmaschinen  mit  Zwei- 
takt, weil  eine  Vermischung  der  Abgase  mit  der  neuen  Ladung  ausgeschlossen 


Abb.  497.     Zweitakt-Dieselmuchine  von  300  FS,  Bediemingsseite  (umsteuerbar]. 


Abb.  49S.     Zweitnkt-DieselmaschlDe  von  300  PS,  AuspnfTseite. 


614  Abschnitt  111.     Schilfe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraflscbiße. 


3-  Knftschiffe  mit  GasmaschineD.  615 

ist.  Wenn  man  sowohl  die  Abgase  als  auch  die  neu  eingesaugte  Luft  durch 
Schlitze  in  den  ZUinderwänden  aus-  und  eintreten  läßt  und  diese  Bewegung 
durch  den  Kolben  steuert,  so  braucht  man  nur  ein  Brennstoflventil  und  ein 
AnlaOventil  im  Zitinderdeckel,  also  sehr  wenig  Steucrungsvorrichtungen. 

Zum  Aussplilea  der  Abgase  ordnet  man  in  der  Regel  eine  beiondere  große  Luftpumpe 
neben  den  Zilindem  an,  die  von  der  Kurbelwelle  angetrieben  wird  und  die  Luft  nur  mlliig  ver- 
dichtet. Daneben  wird  außerdem  eine  mehrstofige  zweite  Laftpumpc  aufgestellt,  die  Preßluft 
von  hobem  Druck  liefert.  Damit  die  Schlitzsteuening  (Abb.  4S9J  sieber  arbeitet,  dürfen  diese 
Maschinen  keine  sehr  großen  Kolbcngeschwindigkeiten  und  UmlaufiahlcD  haben  und  eignen 
sich  darum  besonders  (Itr  langsam  fahrende  Schiffe. 

In  den  Abb.  497  und  498  ist  eine  neuere  Zweltaktmaschine  der  Augsbufger  Fabrik  aus  dem 
Jahre  1910  mit   anderer  Einrichtung   dargestellt,   die   bei   300  Umdrehungen  300  PS  entwickelt. 
Unter  jedem  der  6  ArbeitzUinder  von  330  mm  Enirchmesser  ist  an  derselben  Kolbenstange  je  eine 
Spdlpampe  lon  360  mm  Dnrchmesser  angeordnet    Der  gemeinsame  Hab  belrlgt  400  mm.    Neben 
diesen  6  Zilindem  Ist  die  doppelstuüge  Preßluftpiunpe  (Kompressor)  von  340  und  7;  mm  Dnrcti- 
messer  und  34O  mm  Hab  aufgestellt.     Die  beiden  Ventile  fllr  Brennstoff  uod  Anlaßluft  liegen  in 
den  Zilinderdeckeln  und  werden  durch  eine  darUber  liegende  Welle  gesteuert,  die  durch  Zahn- 
rtder   und  eine    senkrechte  Welle 
von    der   Kurbelwelle    angetrieben 
wird.      Ein    Schwungrad    ist    bei 
6  Zilindem  und  Zweilakc  nicht  er- 
forderlich. 

Zuweilen  l&ßt  man  nur  die 
Abgase  durch  Schlitze  in  der  Zi- 
linderwand  entweichen  und  die 
frische  Luft  durch  besonder»  ge- 
steuerte Ventile  im  Deckel  ein- 
treten. (Baoart  von  Gebr.  Sulier.} 
In  den  Abb.  499  bis  501  ist  eine 
solche  Maschine  von  150  PS  dar- 
gestellt, die  im  Jahre  1909  in 
einen  FenoncDdampfer  auf  dem 
Züricher  See  elngebanl  wurde"). 
Neben  den  4  ArbeiUzilindem  |a) 
bt  die  Spillpumpe  (i)  nnd  die  zwei- 
stufige Preßluftpuinpe  [c]  angeordnet. 
Im  Querschnitt  [Abb.  501]  siebt  man 
oben  im  Deckel  die  t>eiden  scbrlg 

gestellten  SpiUventile  [d],  während  .    .    „.      . 

durch  die  ZiUuderschlitze  die  Ab-  ^^^-  5°^-  Z«"t«kt-Dicselma«hme  von  150  PS  (umsteuerbar), 
gase    seitlich    (bei    (}    entweichen. 

Die  beiden  Steuerwellen  liegen  oben.  Im  L&ngenschnitt  erkennt  man  Im  Deckel  der  Zilinder 
in  der  Mitte  die  Oleinspritiventile  (/;  und  daneben  die  Anlaßventile  lg).  Das  Gewicht  der 
Maschine  mit  Zubehör  betrfigt  7,4  t.  Dazu  kommen  noch  eine  HUfsmaschlne  mit  Lenzpumpe 
im  Gewicht  von  0,6  t  und  g  ölbehUter  mit  l,;z  m^  öl  im  Gewicht  von  1,75  t,  so  daß  das  Ge- 
wicht der  ganzen  MaschiDeaanlage  nebst  Brennstoffvorrat  ftir  I3oo  km  Fahrt  9,75  t  betrügt. 
Bei  Verwendung  galizischen  Rohöls  soll  der  Verbrauch  je  Stunde  und  NutzpferdestSrke  a,iS  kg 
betragen.  Die  indizierte  Leistung  ist  bei  300  Umdrehungen  zu  174  PSi  ermittelt  worden. 
Abb.  joa  zeigt  eine  ganz  Ihnliche  Maschine. 

Das  Gewicht  der  Dieselmaschinen  beträgt  jetzt  (191 1)  nach  Angabe 
der  Ai^burger  Fabrik   iiir  schwerere  Maschinen   von  150  bis  1000  PS  mit 

i)  Vgl.  Zeilschrift  fUr  Binnenschiffahrt  1910,  S.  309  und  Zeitschrift  des  Vereins  deutscher 
Ingenieure  1910,  Heft  14. 


616  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

6  oder  8  Zilindem,  die  für  den  Dauerbetrieb  auf  größeren  Binnenschiffen 
geeignet  sind  und  350  bis  250  Umdrehungen  machen,  je  Nutzpferdestärke 
etwa  40  kg,  wobei  alle  Hilfsmaschinen,  wie  Wasser-,  Öl-  und  Luftpumpen, 
Kühler,  Reiniger  u.  dgl.  und  auch  das  Drucklager  der  Welle  einbegriffen  sind. 

Von  Brennstoffen  kommt  von  den  auf  S.  500  angeführten  für  Deutsch- 
land besonders  das  galizische  Rohöl  in  Frage,  das  hier  einschließlich  des 
Zolles  (im  Jahre  19 10)  je  Tonne  80  bis  100  Mark  kostet  (In  der  Schweiz 
ist  es  für  45  bis  50  Mark  zu  haben).  Anderes  Rohöl  kostet  100  bis  120  Mark. 
Die  Maschinen  arbeiten  auch  gut  mit  Gasöl,  dessen  Preis  zwischen  90  und 
140  Mark,  sowie  mit  Gelböl,  dessen  Preis  zwischen  80  und  100  Mark  schwankt. 
Das  aus  sächsischen  Braunkohlen  gewonnene  Paraffinöl,  das  gleichfalls  etwa 
10  000  WE  hat  und  75  bis  90  Mark  kostet,  ist  auch  schon  mit  Erfolg  be- 
nutzt worden,  und  man  hat  femer  mit  Steinkohlenteeröl  Versuche  gemacht, 
das  bei  etwas  geringerem  Heizwert  für  35  bis  50  Mark  zu  haben  ist  Selbst- 
verständlich kann  man  auch  reines  Petroleum  verwenden;  das  ist  aber  zu 
teuer.  Im  allgemeinen  werden  die  Destillationsrückstände  (spezifisches  Gewicht 
0,85  bis  0,95  und  Entflammungspunkt  zwischen  50°  und  150®  C)  vor  dem 
natürlichen  Rohöl  bevorzuget,  weil  sie  nicht  mehr  durch  mineralische  Bestand- 
teile und  durch  Asphalt  verunreinigt  sind  und  kein  Benzin  mehr  enthalten. 

Der  Verbrauch  an  Öl  je  Stunde  und  Nutzpferdestärke  beträgt  etwa 
0,225  kg  für  die  kleineren  und  0,2  kg  für  die  größeren  Maschinen.  (Nach 
Angabe  der  Augsburger  Fabrik;  nach  Angabe  der  Deutzer  Fabrik  0,18  bis 
0,2  1^.) 

Die  Ölmaschinen  mit  Glühhaube  sind  den  Dieselmaschinen  ähnlich 
und  arbeiten  wie  diese  ohne  Vergaser  und  Zündvorrichtung,  jedoch  mit 
niedrigerem  Druck.  Sie  werden  meistens  in  geringeren  Stärken  gebaut. 
Man  kann  sie  mit  jedem  Rohöl,  Gasöl  oder  Petroleum  bedienen.  In  den 
Abb.  503  bis  505  ist  eine  solche  Maschine  von  Swiderski  (Leipzig-Plagwitz) 
dargestellt. 

Sie  arbeitet  im  Zweitakt.  Das  Kurbelgehäuse  dient  als  Spillpumpe,  indem  die  frische 
Luft  beim  Aufgang  des  Kolbens  durch  das  Luftventil  (Abb.  504)  eingesaugt,  beim  Niedergang 
um  etwa  i  Atm.  verdichtet  und  gegen  Ende  des  Hubs  durch  den  Luftkanal  in  den  Zillnder  ge- 
drückt wird,  aus  dem  sie  die  Abgase  hinausspült.  Beim  Aufgang  des  Kolbens  wird  die  Luft  über 
ihm  im  Zilinder  verdichtet  und  bekommt  eine  Wärme  von  500  bis  6000  C,  so  daß  der  seitlich 
in  die  Glühhaube  eingespritzte  und  dort  sofort  in  Gas  verwandelte  Brennstoff  sich  ebenso  wie 
bei  der  Dieselmaschine  selbst  entzündet  und  der  bei  der  Verbrennung  entstehende  Druck  den 
Kolben  abwärts  treibt  Die  Einspritzung  des  Öls  erfolgt  meistens,  wenn  der  Kolben  0,8  seines 
Hubs  zurückgelegt  hat,  und  die  Verbrennung  beginnt  kurz  vor  dem  Hubwechsel.  Die  Haube 
bleibt  stets  in  etwa  rotglühendem  Zustande  und  muß  gegen  Abkühlung  von  außen  geschützt 
werden.  Die  Maschine  ist  außerordentlich  einfach  und  besitzt  sehr  wenige  Steuerungsteile.  Die 
seitlich  angebrachte  ölpumpe  wird  von  der  Hauptwelle  angetrieben  und  kann  leicht  geregelt 
werden:  entweder  von  Hand  durch  das  links  oben  in  Abb.  503  ersichtliche  kleine  Handrad  oder 
selbsttätig  durch  den  Fliehkraftregeier,  der  ebenso  wie  die  Kühlwasserpumpe  von  der  Kurbel- 
welle bewegt  wird. 

Zum  Schiff  betrieb  werden  gewöhnlich  Maschinen  mit  2  Zilindem  verwendet,  wie  in 
Abb.  505  dargestellt.  Maschinen  von  40  Nutzpferdestärken  machen  300  Umdrehungen  und 
wiegen  etwa  3,7  t,  solche  von  100  Pferdestärken  und  240  Umdrehungen  wiegen  etwa  7  L    Zum 


3.  KnftschifTe  mit  Gasmaschinen.  317 

AnlasscD  der  Maschine  muß  der  GlUhkopf  durch  eine  besondere  Gebllselampe  erst  ordentlich 
(to  bi»  lo  Mlanleo  lang)  erwKrmt  werden,  vbs  allerdings  recht  njustlndlich  ist.  Dann  genügen 
aber  wenige  DTehuDgen  des  Schwungrads,  um  kleinere  Maschinen  in  Gang  zu  bringen.  Bei 
großen  mUsstn  Einrichtungen  fttr  Pre&lnft  getroffen  werden. 


Ahb.  503.     Längsschnitt  Abb.  504.     Querschnii 


Abb.  505.     Swiderslci- Maschine. 


618  Abschnitt  IIL     Schilfe  mit  eigener  Triebkraft,  Krkftschiffe. 

Die  neuerdings  aus  Schweden  nach  Deutschland  eingeführte  Bolinder- 

maschine   ist  sehr  ähnlich  der  vorstehend  beschriebenen.     In  Abb.  506  ist 

ein  Querschnitt  durch  den  Zilinder  und  in 

Abb.  507  ein  Bild  von  einer  zweizUindrigen 

SchifTsm aschine  mitgeteilt. 

Die  Maschine  arbeitet  im  ZweltakL  A  ist  der 
Kolben,  B  dai  Luftventil,  C  das  als  SpOIpompe 
dienende  Knrbelgehluse,  D  der  Zilinder,  £  die  etwas 
anders  gestaliete  GIfihhaube,  F  die  Oieinspritidase, 
G  der  AusIaQschlitz  für  die  Abgase  und  H  der  Luft- 
znfllhrnngachlitz  mit  Zuleitongskanal  ans  dem  Kurbel- 
gehiuse.  Die  SchlSsmaschinen  werden  bis  zu  160  PS 
mit  3  2^1indern  und  von  60  bis  ni  330  PS  mit  4  TX- 
lindem  gebaut  ZweizÜindrige  Maschinen  von  40  PS 
und  413  Umdrehungen  wiegen  etwa  %  t,  von  I30  PS 
und  375  Umdrehungen  etwa  7,3  t.  Vierzilindrige 
Maschinen  von  loo  PS  und  375  Umdrehnogra  wie- 
gen  4,85  C  and  von  330  FS  ond  335  Umdrehungen 

18,9 1. 

Nach  amtlicher  Feststellung  verbrauchte  eine 
Maschine  von  30  PS  je  Stande  und  PferdekrafC  0,11 
bis  0,35  kg  Rohöl  von  9734  WE.  Beim  An- 
lassen muß  der  GlUhkopf  in  gleicher  Weise  wie 
bei  Swideiski  angewinnt  werden  und  bei  den 
stirkeren  Maschinen  ist  Preßluft  zum  Anlassen  er- 
Abb.  506,  Bolinder-Maschine,  Querschnitt.       forderlieh 


Abb.  507.     Bol  Inder 'Maschine. 


,  3'  Kraftschiffe  mit  Gasmuchineii.  619 

Die  Bronsmaschine,  die  in  Deutschland  von  der  Gasmotorenfabrik 
Deutz  geliefert  wird,  arbeitet  im  Viertakt,  ähnlich  wie  die  Dteselmaschine, 
und  wird  durch  reines  Petroleum  getrieben. 

Die  Abb.  goS  bis  Jio  zeigen  die  Anordnung  der  Ventile  im  ^inderdeckeL  Beim  eisten 
Hube  («bwirts)  wird  durch  du  gesteuerte  Ventil  c  Luft  und  durch  du  Ventil  A  Brennstoff  «n- 
gesaogt.  Der  letztere  tritt  aber  nicht  nnmittell>aT  in  den  Zilinder  (k),  sondern  in  eine  Brenn- 
stoEF^spsel  c,  die  in  den  Verbrennnngsrsom  bineinragt  und  mit  vielen  kleinen  Öffnungen  versehen 
Ist.  Wenn  beim  zweiten  Hube  (aufwlrts)  die  Luft  uif  2^  bis  31  Atm.  verdichtet  wird,  tritt  der 
dnrch  die  WIrme  in  DampffonD  verwandelte  Brenniloff  in  den  Zilinder,  entzUndet  sich  und  ver- 
pnm.  Die  beiden  folgenden  Hübe  sind  wie  gewöhnlich.  Die  Abgue  werden  durch  du  ge- 
steuerte Ventil  a  ausgestoßen.  Der  Verpuffiingsdruck  betrilgt  50  bis  J5  Atm.  und  bedingt  eine 
kriftige  Bauart  der  Muchine. 

Gegenüber  der  Dieselmaschine  und  den  Anordnungen  mit  Glühkopf  ist 
die  Maschine  einfacher,  weil  das  Einblasen  des  Brennstofls  mit  PreDIuft  und 
der  Zerstäuber  fortgefallen  ist.    Es  kann  aber  kein  Rohöl  benutzt  werden, 

^inderdeckel  der  Bronsmaschine,  Abb.  JoS  bis  gto. 


Abb.  50S.    Grundriß.  Abb.  509.    Schnitt  durch  du       Abb.  ;  10.    Sehnill  durch  die  Brenn- 

Lufleinlaßveatil    [t)   und    das       stolfein  fUhning  [b,  c)  und  du  Freß- 
Auslaßventil  [a].  luftventil  [dj. 

weil  dies  die  Kapselöffnungen  verschmutzen  würde.  Das  Anlassen  der 
Maschine  erfolgt  wegen  des  hohen  Drucks  im  Zilinder  mit  Preßluft  von 
8  Atm.  im  Zweitakt  durch  das  Ventil  d.  Es  wird  also  eine  Luftpumpe  und 
ein  Luftbebälter  erforderlich.  Die  Maschine  ist  leicht  zu  bedienen.  Der 
Brennstoffverbrauch  beträgt  Je  Stunde  und  Nutzpferdestärke  0,25  bis  0,28  kg. 
Die  Maschine  wird  mit  2  ZUindem  in  Stärken  bis  zu  32  PS  mit  330  Um- 
drehungen hergestellt  und  wiegt  dann  etwa  5  t. 

Die  Kosten  je  NutzpferdesIBrke  betragen  (ohne  Umsteuervorrichtung,  Welle,  Stevenrohr 
und  Schraube  —  aber  mit  allem  anderen  Zubehör,  Kompressor,  DnickluflbehiUtcr  und  Aulali- 
Vorrichtung]  bei  Maschinen  mit  einem  Zilinder  von  S  bis  i6  PSi  etwa  3S0  bis  380  Mark  und 
bei  Maschinen  mit  3  Zilindem  von   16  bis  3z  PSi  etwa  320  bis  2S0  Mark. 

Neuerdings  baut  man  auch  Ölmaschinen  [rOr  Rohöl},  bei  denen  die  Ve  rpuffnngsver- 
brennung  mit  der  Gleic  hdruckverbrenuung  vereinigt  wird.  Es  wird  dabei  zunltehst 
eine  kleine  Brennstoffmenge  dem  Zilinder  zugeführt,  die  vor  dem  Hubwechsel  verpufft  und  do- 
dnrch  eine  Wärmeäteigerung  bcrvoriuft.  Dann  folgt  die  Einspritzung  des  Hauptbrennstoffs,  der 
angenähert  unter  Gleichdruck  und  iwar  vollkommener  verbrenat  als  beim  einfachen  Dieselver- 


620 


Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 


fahren.  Durch  Verlängerung  der  Gleichdruckperiode  wird  eine  Vergröl^erung  des  mittleren  in- 
dizierten Drucks  und  damit  eine  Vergrößerung  der  Leistung  erreicht.  Solche  Maschinen  werden 
in  Frankreich  von  Sabath^  (in  St.  Etienne)  hergestellt.  Die  Luft  wird  im  Zilinder  zunächst 
nur  auf  30  Atm.  verdichtet  und  durch  die  Verpuffung  der  zuerst  eingeführten  kleinen  ölmenge 
wird  der  Druck  auf  40  Atm.  gesteigert,  bevor  der  Hauptbrennstoff  eingespritzt  wird.  Der  mittlere 
indizierte  Druck  wird  hierbei  auf  8  bis  8,5  Atm.  gesteigert  Die  Leistung  läßt  sich  dadurch  gut 
regeln,  daß  z.  B.  ftlr  kleine  Geschwindigkeiten  die  zweite  Brennstoffzuftlhrung  unterbleibt  und  dann 
nur  mit  Verpuffung  gearbeitet  wird.  Beide  Brennstoilventile  werden  zu  diesem  Zweck  besonders 
gesteuert. 

Sauggasmaschinen  werden  durch  die  Verbrennung  von  Gasen  ange- 
trieben, die  aus  festen  BrennstofTen,  Anthrazit,  Koks,  Steinkohlen  oder  Braun- 
kohlen an  der  Arbeitstelle  selbst  erzeugt,  gereinigt  und  sofort  den  Zilindem 


Abb.  511  und  512.     Gaserzeuger. 

der  Maschine  zugeführt  werden.  Das  im  wesentlichen  aus  Kohlenoxyd  und 
Wasserstoff  bestehende  Kraflgas  wird  jetzt  ausschließlich  so  hergestellt,  daß 
mit  Wasserdampf  gesättigte  Luft  durch  die  glühenden  Kohlen  eines  Schacht- 
ofens gesaugt  wird.  Diese  Arbeit  wird  von  der  Maschine  selbst  besorgt. 
Die  ganze  Anlage  besteht  aus  drei  Teilen,  dem  Gaserzeuger  (Generator),  dem 
Gasreiniger  (Skrubber  u.  dgl.)  und  der  Gasmaschine. 

Der  Gaserzeuger  ist  ähnlich  wie  ein  Füllofen  gebaut,  der  von  oben 
durch  einen  Trichter  beschickt  wird.  Es  kommt  darauf  an,  dauernd  ein  mög- 
lichst gleichmäßiges  Gas  zu  erzeugen.  Sehr  nachteilig  sind  teerhaltige  Bei- 
mengungen, die  leicht  die  ganze  Anlage  verunreinigen  und  häufige  Reinigungs- 
arbeiten verursachen.  Der  Ofen  ist  deshalb  so  anzuordnen,  daß  die  teerhal- 
tigen  Gase  möglichst  sofort  verbrennen  und  nicht  in  das  Abzugsrohr  gelangen. 


3-  KraftschifTe  mit  Gasmaschinen.  621 

Zuweilen  wählt  man  eine  mechanische  Beschickung  in  Verbindung  mit  Schüttel- 
oder Drehrosten.  Es  muß,  dafür  gesoi^  werden,  daß  schädliche  Ausströmungen 
von  Gas  in  den  Maschinenraum  vermieden  werden.  Zu  diesem  Zweck  wird 
der  Mantel  des  Ofens  aus  Blech  dicht  genietet  und  zuweilen  ringsum  mit 
einer  Wasserschicht  umgeben.  Meistens  wurde  bisher  der  Gaserzeuger  mit 
Schamott  ausgemauert;  um  aber  das  Gewicht  zu  vermindern,  hat  man  dies 
neuerdings  durch  geschickte  Anordnung  des  Ofens  mit  seitlichem  Wasser- 
abschluß erspart. 

In  den  Abb.  511  und  512')  ist  em  Gaserzenger  der  Fabrik  in  Köln-Ehrenfeld  für  Maschinen 
von  etwa  50  bb  80  PS  dargestellt,  a  ist  der  mit  Brennstoff  gefüllte  Feuerraum,  unter  dem  sich 
Rost  und  Aschenfall  befinden,  während  darüber  in  der  Mitte  der  Fülltrichter  und  um  diesen 
hemm  eine  Verdampferschale  b  angeordnet  bt,  die  offene  Verbindung  mit  der  Außenluft  hat  und 
durch  das  Rohr  c  mit  dem  geschlossenen  Raum  unter  dem  Rost  verbunden  bt.  Wenn  durch 
die  Maschine  das  Gas  angesaugt  wird,  setzt  sich  die  Saugwirkung  durch  den  Feuerraum,  den 
Rost,  das  Rohr  c  und  die  Wasserschale  b  hindurch  fort  und  es  tritt  neue  Luft  von  außen  ein, 
die,  über  die  Oberfläche  des  heißen  Wassers  streichend,  sich  mit  Wasserdampf  füllt,  durch  das 
Rohr  c  unter  den  Rost  gelangt  und  in  dem  glühenden  Brennstoff  in  Gas  umgewandelt  wird.  Der 
Wasserspiegel  in  der  Schale  b  wird  durch  zulaufendes  Wasser  auf  gleicher  Höhe  gehalten ;  etwa 
überlaufendes  Wasser  wird  in  eine  Schale  unter  dem  Rost  geführt,  wo  es  verdampft.  Um  den 
Gaserzeuger  in  Gang  zu  bringen,  wird  ein  Ventilator  benutzt,  der  mit  dem  Rohr  c  verbunden  bt. 

Die  Fabrik  in  Köln-Deutz  hat  neuerdings  einen  Zweifeuergaserzeuger  eingeführt,  bei 
dem  das  Gas  in  der  Mitte  abgesaugt  wird,  während  das  eine  Feuer  sich  unten  über  dem  Rost 
befindet  und  das  andere  oben  in  dem  offenen  Schachtofen.  Die  Beschickung  erfolgt  von  der 
Seite.  Durch  diese  Anordnung  soll  das  Gas  den  Ofen  teerfrei  verlassen  und, man  kann  bei 
diesem  Ofen  Braunkohlenbriketts  und  rohe  Braunkohle  verwenden. 

Von  dem  Gaserzeuger  geht  das  Gas  zum  Reiniger,  der  unumgänglich 
nötig  ist,  selbst  bei  den  besten  Brennstoffen  (Anthrazit  und  Koks),  um  das 
Gas  von  Teer  und  anderen  mitgerissenen  Stoffen  zu  befreien.  Erwünscht 
wäre  es,  auf  Schiffen  ebenso  wie  auf  dem  Lande  Naß-,  Trocken-  und  Schleu- 
derreinigung zusammen  anzuwenden;  man  muß  sich  aber  aus  Rücksicht  auf 
Raum  und  Gewicht  meistens  beschränken.  Bei  den  Naßreinigern  findet  Be- 
rieselung durch  Brausen  statt,  bei  den  Trockenreinigem  werden  Koksfilter  ver- 
wendet, die  aber  oft  auch  in  nassem  Zustande  wirken. 

In  Abb.  513  bt  ein  Gasreiniger  der  Fabrik  in  Köln-Deutz  für  einen  starken  Schleppdampfer 
von  400  PS  dargestellt!].  Bei  a  tritt  das  Gas  in  den  Reiniger  ein,  der  in  emem  Wasserkasten  b 
steht,  und  gelangt  zuerst  in  den  Staubabscheider  r,  dann  in  den  mit  8  Brausen  ausgerüsteten 
Naßreiniger  d  und  kommt  in  den  Schleuderwäscher  e.  Die  Pfeile  deuten  den  Weg  an.  Schließlich 
wird  das  Gas  in  dem  Wasserabscheider  /  getrocknet,  geht  von  g  aus  in  einen  Sammelbehälter 
zum  Druckausgleich  und  von  da  zur  Maschine. 

Die  Reiniger  müssen  oft  außer  Betrieb  gestellt  werden,  um  sie  gründ- 
lich von  Teer,  Asche  u.  dgl.  2u  befreien.  Man  ordnet  sie  deshalb  bei  größeren 
Anlagen  doppelt  an,  um  sie  abwechselnd  zu  benutzen. 

Die  Gasmaschine  selbst  ist  eine  gewöhnliche  Verpuffungsmaschine  mit 
Zündvorrichtung,  die  im  Viertakt  arbeitet,  da  für  Zweitakt  die  Anordnung 
der  unerläßlichen  Spül-  und  Ladepumpen  umständlich  ist  Die  Verdichtungs- 
spannung beträgt  8  bis   10  Atm.,  die  Verpuffungspannung  22  bis  25  Atm. 

i)  Aus  Romberg  a.  a.  O. 


622  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftecbiffe. 

Die  Zahl  der  Umdrehungen  ist  220  bis  300,  also  fiir  den  Betrieb  von  Schrauben 
zweckmäDig.     Das  Anlassen  geschieht  durch  Druckluft  von   etwa    15  Atm. 
Die  Sauggasmaschinen  werden  in  Deutschland  besonders  von  den  Fa- 
briken in  Köln-Deutz  und  in  Köln-Ehrenfeld  gebaut,  neuerdings  auch  von 

Benz  &  Co.  in  Mann- 
heim. Schiffsniaschinen 
S    nach  dieser  Einrichtung 
sind     in     Deutschland 
bisher  nur  wenige  im 
Betriebe   und  es   fehlt 
deshalb    an    gent^en- 
irungen.     Soweit   bekannt 
ist,   haben  die  ausgefuhr- 
ilnen   eine  Stärke  von  30 
5.     Es  sind  dabei  in  der 
>is  6  Zilinder   angewendet 
lie  bei  den  stärksten  Ma- 
200  PS)    300  mm  Durch- 
d  400  mm  Hub  haben, 
allen   Gasmaschinen    sind 
Saug^as   betriebenen    am 
einfach   in  Rücksicht  auf 
;nung    des    Gaserzeugers, 
>ers,  der  Zündvorrichtung 
Drucklufteinrichtung,    — 
iichtlich    der   Kosten    des 
iffs     am     vorteilhaftesten. 

...    ,        ^      .  . auch  je  Stunde  und  Nutz- 

Abb.  513.    Gasremiger.  J      -' 

Pferdestärke  [einschlieDlich  Anheizen 
und  Abbrand)  und  die  Kosten  sind  nachstehend  aus  den  bekannt  gewordenen 
Mitteilungen  für  den  teuersten  und  den  billigsten  Brennstoff  zusammengestellt: 


Je  Stunde  und  PSe. 

Klebe 
Maschinen 

Große 
Maschinen 

30  Mark  je  Tonne)     .    .    .    / 1^ 

Kosten  des  Anthrtiits Pfennig 

i«^  Tonne) kg 

Kosten  der  Briketts Pfennig 

0,43  bis  0,4s 

1.3     '   M 

0,85 
0,68 

0,38  bis  0.4a 
1,1      .    1,3 

0,62 

Die  Angaben  über  die  Heizung  mit  Braunkohlenbriketts  stammen  von  der  Fabrik  In  Köln- 
Deuti.  Außer  diesen  beiden  BrennstofTen  sollen  auch  deutscher  Anthnuit  (etwa  34  Mark  je 
Tonne]  und  magere  belgische  Steinkohlen  in  Nußgröße  zum  Betriebe  geeignet  sein. 


3«  Kraftschiffe  mit  Gasmaschinen.  623 

Das  Gewicht  der  vollst21ndigen  Maschinenanlage  schwankt  nach  den  mitgeteilten  Angaben 
je  Nutzpferdestärke  zwischen  120  und  250  kg,  also  je  PSi  etwa  zwischen  90  und  190  kg.  Die 
Kosten  von  yolIstMndigen  Maschinen  mit  40  bis  60  Nutzpferdestärken  werden  von  einer  Fabrik 
zu  3$o  bis  380  Mark  je  Nutzpferdestärke  angegeben. 

Die  Umsteuerung  der  Gasmaschinen.  Mit  der  Anordnung  und 
Wirkungsart  aller  Gasmaschinen  ist  der  unvermeidliche  Nachteil  verbunden, 
daß  sie  mit  eigener  Kraft  weder  angelassen  noch  umgesteuert  und  nur 
innerhalb  enger  Grenzen  in  ihrer  Geschwindigkeit  und  Leistung  geregelt 
werden  können.  Es  wurde  schon  mitgeteilt^  daß  kleinere  Maschinen  mittels 
einer  Handkurbel  angedreht  werden,  bei  größeren  aber  in  der  Regel  das  An- 
lassen durch  Preßluft  bewirkt  wird,  die,  vorrätig  von  der  Maschine  erzeugt, 
mittels  besonders  gesteuerter  Einlaßventile  den  Arbeitszilindern  zugeführt 
wird.  Um  möglichst  selten  von  neuem  die  Maschine  anlassen  zu  müssen, 
läßt  man  sie  auf  Schiffen  bei  kurzen  Unterbrechungen  der  Fahrt  oft  in  glei- 
chem Sinne  weiterlaufen  und  löst  nur  die  Kupplung  zwischen  der  Kurbel- 
welle und  der  Schraubenwelle.  In  der  Regel  benutzt  man  durch  Handhebel 
zu  bedienende  Reibungskupplungen,  seltener  (bei  großen  Maschinen)  elek- 
trische oder  pneumatische  Kupplungen.  Bei  sehr  großen  Maschinen  muß 
man  aus  Rücksicht  auf  die  Sicherheit  des  Betriebes  auf  bewegliche  Kupp- 
lungen verzichten. 

Bei  Booten  und  kleineren  Schiffen  sind  die  Reibungskupplungen  zweck- 
mäßig, um  ohne  besondere  Stöße  die  Maschine  allmählich  auf  die  Schraube 
wirken  zu  lassen.  Gewöhnlich  wendet  man  Kegelkupplung  (vgl.  Abb.  517 
u.  518)  oder  Federbandkupplung  an.  Die  erstere  muß  man  gegen  die  Ein- 
wirkung von  Wasser,  z.  B.  durch  Einkapselung,  schützen  oder  die  Kegel- 
flächen mit  HolzfaserstofT  bekleiden. 

Die  Umsteuerung  der  Maschine  in  ihrer  Drehrichtung  wird  bei  Booten 
und  kleinen  Schiffen  am  einfachsten  und  besten  durch  das  Umstellen  einer 
Drehflügelschraube  (Umsteuerschraube)  ersetzt.  Dies  ist  eine  Schraube 
mit  2  oder  3  beweglichen  Flügeln,  die  in  der  Nabe  drehbar  sind  und  deren 
Steigung  durch  eine  in  der  durchbohrten  Welle  angebrachten  Schubstange 
vom  SchifTe  aus  so  verändert  werden  kann,  daß  sie  allmählich  auf  Null  und 
darüber  hinaus  in  die  entgegengesetzte  Richtung  übergeht.  Die  Bewegung 
des  Schiffes  wird  auf  diese  Weise  aus  dem  Vorwärtsgang  in  den  Rückwärts- 
gang übergeführt,  ohne  daß  die  Maschine  ihre  Drehrichtung  ändert. 

Sehr  verbreitet  ist  die  Drehflügelschraube  von  Meißner  (Hamburg),  die  in  den  Abbil- 
dungen 514  und  515  dargestellt  ist  und  sich  gut  bewährt  hat.  Die  Umstellung  erfolgt  bei  kleinen 
Maschinen  durch  einen  einfachen  Handhebel.  Abbildung  515  stellt  einen  solchen  »Umsteuer- 
block« dar:  links  ist  das  Stevenrohr  (a]  erkennbar  und  rechts  der  Kupplungsflansch  (d)  der  Welle. 
Durch  den  Handhebel  [c)  kann  die  in  der  Welle  befindliche  Schubstange  in  wagerech lem  Sinne 
bewegt  und  die  Umstellung  der  Schraubenflügel  bewirkt  werden.  Durch  die  Änderung  der 
Schraubensteigung  kann  gleichzeitig  auch  die  Fahrgeschwindigkeit  in  ausreichender  Webe  geregelt 
werden.  Bei  stärkeren  Maschinen  wird  an  Stelle  dieses  »Blocks«  ein  kräftigeres  »Meißner-Element« 
angeordnet  und  die  Umstellung  mittels  Handrad  und  Kettenübertragung  bewirkt.  Das  kann  bei 
Maschinen  von  100  bis  150  Pferdestärken  noch  mit  Menschenkraft  besorgt  werden,  zumal  be- 
wegliche Schrauben  von  dieser  Fabrik  bis  zu  2  m  Durchmesser  hergestellt  werden.     Für  noch 


624  AbschDitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkmfl,  Kraflscfaiffe. 

sllrkere  Muchinen  hat  Meißner  eine  Umstellnug  durch  MuchinenkraA  tosgefUhrt  (Abb.  $16): 
mittels  Zohnradabersetzong  [a]  von  der  Hsuptwelle  auf  eine  duUber  gleichlaufende  ZnischcD- 
welle  (#)  and  Keltenübertragung  [c]  auf  z  neben  der  Hauptwelle  gelagerte  Htlbwellen,  die  durch 
Schraubeasp indeln   die  Verschiebung   der  Sehubstange   bewirken.     Diese  Einrichtong   soll   sieh 


Abb.  514.     DrehflUgelschraube.  Abb.  515.     Umtteaetblock  der  Drehflügelschraabe. 

bei  Maschinen  über  300  PS  bewShrt  haben,  dürfte  aber  bei  ettva  300  PS  ihre  Grenze  finden. 
Es  bleibt  zu  berttcksichtigen,  daß  DrehflItgeUehnrab«n  für  langsam  fikhieode  Last-  oder  Schlepp- 
schiffe nicht  zweckmäßig  sind. 

Eine   andere  viel  benutzte  Vorrichtung  ist  das  Wendegetriebe  (Revcr- 
siei^etricbe],  bei  dem  zwischen  der  Kurbelwelle  und  der  Schraubenwellc  eine 


umsceaenmg  der  ureunugeisenrauDe  anrcn  aie  t 


Zahnradübertragung  eingeschaltet  wird.  Am  meisten  verbreitet  ist  die  An- 
ordnung mit  Kegelrädern,  die  man  gewöhnlich  eingekapselt  in  Öl  laufen  läBt, 
wodurch  nebenbei  auch  das  lästige  Geräusch  vermindert  wird.  In  den  Ab- 
bildungen 517  und  518  ist  ein  Wendegetriebe  mit  Reibscheibenkupplung  von 


3-  Kraftsehiffe  mit  Guroaschinen.  625 

Daimler  dargestellt.  Die  Ein-  und  AusrUckung  erfo^  auch  hier  durch 
einen  aufrecht  stehenden  Handhebel  (c).  Solche  Wendegetriebe  arbeiten 
auch  mit  Federbandkupplung  und  es  sind  noch  verschiedene  andere  Bauarten 
mit  Erfolg  eingeführt,  z.  B.  die  von  Lünnemann  (Ruhrort).  Für  groDe  Aus- 
Rihrungen  sind  diese  Rädei^retriebe  nicht  empfehlenswert,  erfordern  bedeutende 
Kraft  zum  Umstellen  und  entwickeln  durch  die  Reibung  viel  Wärme.  Sie  sind 
auch  schwer  und  der  Abnutzung  stark  unterworfen. 


Abb.  517  und  JtE.     Weadegetriebe  im  Längenschnitt  und  Grundriß. 

Zuweilen  hU  man  elektrische  Kraftübertragung  ausgefübrl.  Wenn  man  die  Gas- 
maschine als  sogenannte  PrimHranlDge  festimit  einer  Dynamomaschine  verbindet  und  den  elek- 
trischen Strom  lU  einem  mit  der  Schrauben  welle  fest  verbundenem  Elektromotor  leitet,  kann 
man  sowohl  die  Drehrichtung  wie  die  DrehgFsch windigkeit  der  Schraube  einfach,  [schnell  und 
sicher  von  jeder  Stelle  des  Schiffes  aus  beliebig  ändern  und  es  Ist  dann  auch  nicht  nötig,  beide 
MaschinenanlageD   in   demselben  Räume   aobustellen.     Rücksichtlich    der   Umlaufzahl   der   Gas- 

40 


626  Abschnitt  III.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

maschine  ist  man  in  keiner  Weise  durch  die  Umlaufzahl  der  Schraube  beschränkt  und  man  kann 
daher  die  nach  Gewicht,  Raum  und  Kosten  vorteilhafteste  Gasmaschine  wählen.  Nebenbei  ge- 
winnt man  noch  den  Vorteil,  daß  man  den  Elektromotpr  vorübergehend  etwa  bis  auf  das  Doppelte 
der  normalen  Leistung  überlasten  kann,  was  bei  Gasmaschinen  nicht  möglich  ist. 

Bei  diesen  großen  Vorteilen  verursacht  aber  die  elektrische  Kraftübertragung  einen  sehr 
beträchtlichen  Kraftverlust  von  0,15  bis  0,30  der  Leistung,  der  zwar  bei  kleineren  Maschinen 
zum  Teil  durch  eine  bessere  Schrauben  Wirkung  ausgeglichen  werden  kann,  aber  immerhin  so  be- 
trächtlich bleibt,  daß  diese  Anordnung  nur  in  seltenen  Fällen  für  dauernden,  gewerblichen  Schiff- 
betrieb geeignet  ist.  Auch  sind  die  elektrischen  Maschinen  kostspielig  in  der  Beschaffung  und 
von  großem  Gewicht. 

Beachtenswert  ist  die  von  Del  Proposto  eingeführte  Verbesserung  der  elektrischen  Um- 
steuerung, die  so  eingerichtet  ist,  daß  zwischen  Gasmaschine  und  Schraube  auf  der  Welle  zu- 
nächst eine  Dynamomaschine,  dann  eine  elektromagnetische  Kupplung  und  ein  Elektromotor  an- 
geordnet sind.  Während  der  Vorwärtsbewegung  des  Schiffes  sind  Dynamo  und  Elektromotor 
außer  Betrieb  und  die  Schraube  wird  mittels  der  Kupplung  unmittelbar  von  der  Gasmaschine 
augetrieben,  so  daß  kein  besonderer  Kraftverlust  entsteht.  Zur  Rückwärtsbewegung  wird  die 
Kupplung  gelöst  und  gleichzeitig  treten  Dynamo  und  Elektromotor  in  Tätigkeit.  Dieser  im  all- 
gemeinen nur  kurze  Zeit  dauernde  Vorgang  der  Rückwärtsbewegung  ist  allerdings  mit  dem  oben 
erwähnten  Kraftverlust  verbunden,  der  aber  dadurch  vermindert  wird,  daß  man  die  elektrischen 
Maschinen  nur  höchstens  für  die  halbe  Leistung  der  Gasmaschine  zu  bemessen  braucht  Durch 
das  Verfahren  von  Del  Proposto  werden  sowohl  die  Kosten  der  Beschafiung  und  das  Gewicht, 
als  auch  die  Kraftverluste  wesentlich  vermindert,  bleiben  aber  noch  immer  beträchtlich. 

Das  beste  Mittel  ist  die  Umsteuerung  der  Gasmaschine  selbst  (un- 
mittelbare oder  direkte  Umsteuerung),  die  in  neuester  Zeit  in  verschiedener 
Weise  mit  gutem  Erfolg  von  mehreren  Fabriken  namentlich  an  Diesel- 
maschinen von  größeren  Leistungen  ausgeführt  ist.  Es  wird  allgemein  dabei 
Preßluft  angewandt,  die  ja  auch  zum  Anlassen  erforderlich  ist.  Am  einfachsten 
und  sichersten  läßt  sich  das  Anlassen  und  das  Umsteuern  bewirken,  wenn 
man  die  Maschine  mit  besonderen  Anlaßzilindern  ausrüstet.  Dies  Verfahren 
wurde  aber  bisher  selten  angewandt,  um  an  Raum,  Gewicht  und  Kosten  zu 
sparen;  man  benutzt  viehnehr  die  Arbeitszilinder  selbst.  Um  im  Viertakt 
arbeitende  Gasmaschinen  mit  Sicherheit  durch  Preßluft  anlassen  zu  können, 
müssen  wenigstens  3  Zilinder  vorhanden  sein,  die  bei  0,8  bis  0,85  Luftfiillung 
dann  im  Zweitakt  arbeiten.  Bei  den  großen  Füllungen  empfiehlt  es  sich,  der 
Luft  mindestens  eine  Spannung  von  16  bis  20  Atmosphären  zu  geben,  um  den 
Luftverbrauch  und  den  nötigen  Vorrat  zu  vermindern.  Sechszilindermaschinen 
kann  man  mit  Sicherheit  auch  im  Viertakt  anlassen').  In  allen  Fällen  müssen 
die  Zilinder  mit  besonderen  Lufteinlaß-  und  Auslaßventilen  versehen  werden, 
die  gleichzeitig  zur  Umsteuerung  eingerichtet  sind. 

Diese  wird  so  ausgeführt,  daß  man  zunächst  den  Brennstoffbetrieb  ab- 
stellt, wodurch  die  Maschine  langsameren  Gang  bekommt;  dann  wird  die 
Umsteuerung  vorgenommen  und  gleichzeitig  der  Preßluftbetrieb  eingeschaltet, 
wodurch  die  Maschine  in  umgekehrter  Richtung  anläuft;  schließlich  wird  der 
BrennstofTbetrieb  wieder  angestellt  und  die  Preßluftsteuerung  abgestellt.  Das 
alles  muß  mit  wenig  Handgriffen,  in  kürzester  Frist  und  mit  möglichst  großer 
Sicherheit  durchgeführt  werden. 


i)  Nach  Romberg. 


3.  Kraftschiffe  mit  Gasmaschinen.  627 

Dazu  sind  verwickelte  mechanische  Einrichtungen  erforderlich,  die  be- 
sonders dadurch  erschwert  werden,  daß  bei  den  verhältnismäßig  kleinen 
Zilindern  der  Raum  auf  ihren  Deckeln  zur  Anbringung  der  verschiedenen 
Ventile  beschränkt  ist.  Das  trifft  am  meisten  bei  Viertaktmaschinen  zu, 
während  die  Umsteuerung  von  Zweitaktmaschinen,  die  zum  Teil  durch  den 
Arbeitskolben  in  Verbindung  mit  Schlitzen  in  den  Zilindern  (Kanalkränze)  ge- 
steuert werden,  sich  viel  einfacher  gestaltet,  z.  B.  bei  der  oben  dargestellten 
umsteuerbaren  Maschine  von  Gebr.  Sulzer  (Abb.  499  bis  501). 

Unter  den  Einrichtungen  mit  besonderen  Anlaßzilindern  scheint  die  Bauart 
Hesselmann  bemerkenswert*).  Auf  der  Kurbelwelle  der  Arbeitsmaschine 
(Bauart  Diesel  im  Zweitakt)  ist  eine  besondere  Anlaß-  und  Umsteuermaschine 
mit  2  doppeltwirkenden  Zilindern  angeordnet,  die  während  des  regelmäßigen 
Ganges  der  Arbeitsmaschine  als  Spülpumpen  dienen.  Beim  Anlassen  oder 
Umsteuern  wird  die  Arbeitsmaschine  abgestellt  und  die  Anlaßmaschine  mit 
dem  Druckluftbehälter  in  Verbindung  gesetzt.  Die  Spülpumpen  der  neuesten 
Augsburger  Dieselmaschine  (S.  615)  werden  in  ähnlicher  Weise  benutzt. 

Die  mechanische  Ausbildung  der  Umsteuerungen  ist  zurzeit  schon  so 
weit  fortgeschritten,  daß  man  die  Maschinen  angenähert  mit  gleicher  Schnel- 
ligkeit und  Sicherheit  umsteuern  kann,  wie  die  Dampfmaschinen.  Dadurch 
ist  auch  der  Vorteil  erreicht,  daß  die  bewegliche  Kupplung  zwischen  Kurbel- 
welle und  Schraubenwelle  fortfallen  kann,  wodurch  bei  großen  Maschinen 
die  Sicherheit  des  Betriebs  erhöht  wird. 

Über  die  Gasmaschinen  im  allgemeinen  mag  noch  angeführt  werden,  daß  neuerdings  in 
England  doppelt  wirkende  Maschinen  mit  Erfolg  gebaut  wurden,  die  nach  Art  der  Dampf- 
maschinen mit  Kreuzkopf-Fühnmgen  u.  dgl.  ausgerüstet  sind.  Es  läßt  sich  erwarten,  daß  man 
auf  diesem  Wege  zu  größeren  Maschinenleistungen  kommen  wird. 

Die  Anwendung  der  Gasmaschinen  in  der  Binnenschiffahrt. 

Gegenüber  den  Dampfmaschinen  haben  Gasmaschinen  von  gleichen  Leistun- 
gen für  die  Binnenschiffahrt  mancherlei  allgemeine  Vorzüge,  die  allerdings  für 
Sauggasmaschinen  nur  bedingt  zutreffen:  Ersparnis  an  Raum,  Gewicht  und 
Bedienung.  (Zur  Bedienung  der  Maschine  gehört  aber  eine  gut  ausgebildete 
Person  und  die  Fabriken  schädigen  sich  selbst,  wenn  sie  erklären,  dazu  sei 
keine  Ausbildung  erforderlich.  Namentlich  die  Verpuffiingsmaschinen  sind 
recht  empfindlich.)  Die  Gasmaschinen  sind  femer  stets  betriebsbereit,  während 
Dampfkessel  oft  mehrere  Stunden  vorher  geheizt  werden  müssen,  und  außer- 
halb der  Betriebszeit  wird  kein  Brennstoff*  verbraucht.  Bei  Gasmaschinen  g^bt 
es  weder  Rauch  noch  Ruß  noch  Kohlenstaub,  femer  keine  Kesselexplosionen 
und  daher  keine  polizeilische  Genehmigung  und  Überwachung. 

Als  Nachteile  sind  zu  erwähnen,  daß  die  Gasmaschine  in  der  Regel 
nur  ftir  einen  bestimmten  Brennstoff*  geeignet  ist  und  von  dessen  chemischen 
und  physikalischen  Eigenschaften   abhänget,    während   die  Eigenschaften  des 


i)  Zeitschrift  fUr  Binnenschiffahrt^  191 1,  S.  507.  Aufsatz  yon  Rosemann. 

40* 


628  Abschnitt  m.    Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Dampfs  unverändert  bleiben,  ob  man  den  Kessel  mit  Kohlen,  Torf,  Holz 
oder  Ol  heizt.  Femer  dient  der  Dampfkessel  als  Kraftsammler  und  er- 
laubt eine  weitgehende  Veränderung  der  Maschinenleistung  sowie  gelegent- 
lich eine  gewisse  Überlastung  der  Maschine,  die  bei  den  Gasmaschinen 
ausgeschlossen  ist.  Die  Leistungen  von  Ölmaschinen  nach  Diesels  Bauart 
können  zwar  innerhalb  gewisser  Grenzen  verändert  werden;  aber  bei  anderen 
Gasmaschinen  und  besonders  bei  den  mit  Sauggas  betriebenen  entstehen 
unter  stark  veränderten  Betriebsverhältnissen  erhebliche  Schwierigkeiten,  die 
sich  nicht  ganz  beseitigen  lassen,  wenn  man  nicht  die  kostspielige  elek- 
trische Übertragung  anwenden  will.  Unangenehme  Eigenschaften  der  Gas- 
maschinen sind  oft  auch  ihr  geräuschvoller  und  unruhiger  Gang  und  der  üble 
Geruch. 

Der  mechanische  Wirkungsgrad  der  Gasmaschinen  kann  bei  größe- 
ren zu  0,7  bis  0,8,  bei  kleineren  zu  0,6  bis  0,65  angenommen  werden;  er  ist 
also  kleiner  als  bei  Dampfmaschinen,  wo  er  0,7  bis  0,85  und  bei  sehr  großen 
0,9  beträgt  (S.  589). 

Dagegen  ist  der  thermische  Wirkungsgrad  der  Gasmaschinen  er- 
heblich größer  wegen  des  größeren  Druckgefalles  (20  bis  40  kg  je  cm')  und 
des  grrößeren  Wärmegcfalles  {1100  bis  i5oo®C).  Er  beträgt  (nach  Romberg) 
bei  Petroleum-Maschinen  0,14  bis  0,17,  bei  Benzin  0,17  bis  0,25,  bei  Saug^^ 
0,19  bis  0,23,  bei  Dieselmaschinen  im  Zweitakt  0,25  bis  0,3  und  bei  solchen 
im  Viertakt  0,27  bis  0,32,  während  bei  guten  Heißdampfmaschinen  nur  0,135 
erreicht  wird.  (Die  großen  Wärmeverluste  entstehen  bei  den  Dampfmaschinen 
im  Kessel  und  im  Kondensator.) 

Die  Verwendung  der  Gasmaschinen  in  der  Binnenschiffahrt  kann  zu 
drei  verschiedenen  Zwecken  geschehen :  als  Hilfsmaschinen,  zum  regelmäßigen 
Betrieb  von  Kraftbooten  und  zmn  gewerblichen  Betrieb  großer  Personen-, 
Schlepp-  und  Güterschiffe. 

1.  Als  Hilfsmaschinen  werden  besonders  die  Benzinmaschinen  und  die 
billiger  arbeitenden  Petroleum-  und  Ölmaschinen  mit  Glühhaube  bei  Segel- 
booten angewendet,  die  zur  Fischerei,  zur  Aufsicht  imd  zum  Vergnügen 
(Sport)  dienen  und  bei  Windstille  auf  weiten  Gewässern,  auf  Landseen  oder 
auf  dem  Meere,  hilflos  sein  würden.  Sie  werden  ferner  auf  großen  Binnen- 
schiffen benutzt,  um  die  Anker-  und  die  Ladewinden  zu  bedienen  oder  um 
elektrisches  Licht  zu  erzeugen.  Als  Hilfsmaschinen  müssen  sie  auch  ange- 
sehen werden,  wenn  sie  auf  größeren  Lastschiffen  auf  den  Strömen  zur 
Unterstützung  bei  der  Talfahrt  oder  zum  Verholen  in  Häfen  und  anderen 
stillen  Gewässern  angewendet  werden.  Es  handelt  sich  dabei  meistens  um 
schwache  Maschinen  von  höchstens  20  PS. 

2.  Zum  regelmäßigen  Betriebe  von  Kraftbooten  (kleineren  Per- 
sonen-, Fähr-,  Polizei-  und  Aufsichtsbooten,  sowie  von  Vergnügfungsbooten) 
haben  sich  die  Gasmaschinen  wegen  ihrer  erwähnten  Vorzüge  auf  allen  natür- 
lichen und  künstlichen  Wasserstraßen  gut  bewährt.    Da  hierbei  in  der  Regel 


3-  Knltecbiffe  mit  Gftsinasehiiieii.  629 

nur  kleine  Widerstände  zu  überwinden  sind  und  groQe  Geschwindigkeiten 
verlangt  werden,  sind  die  Maschinen  mit  hohen  Umlaufzahlen  und  mit  ver- 
hältnismäD^  kleinen  Schrauben  ganz  am  Platze.  Auch  ist  bei  den  gewöhnlich 
nur  schwachen  Maschinen  (meistens  S  bis  15,  selten  20  und  mehr  Pferde- 
stärken) der  Brennstoffverbrauch  nicht  so  groü,  daO  die  Kosten  sehr  ins  Ge- 


Abb.  519  und  510.     Kriftboot  für  den  Aalsichtsdiemt  der  WKsserbauverwaltang. 


wicht  &llen.  Neuerdings  scheinen  allerdings  die  wohlfeiler  mit  Rohöl  arbei- 
tenden Swiderski-  und  Bolindermaschinen,  sowie  die  mit  Petroleum  arbeitende 
Bronsmaschine  mit  den  bisher  allgemein  benutzten  Benzinmaschinen  in  Wett- 
bewerb zu  treten. 


Abb.  521.     Kraftboot  fUr  den  AufsIcbtsdieDst. 

In   den   Abbildungen   519  bis  J3I    sind   Kraftboote   zum   Aufsichtsdienst   für   Beamte    der 

Wasserbanvensaltong  dargeslelll,  die  sich  gut  bewUirt  haben.  Abbildung  Sig  und  510  zeigen  ein 
aus  Stahl  mit  Aufbau  aus  Teakholz  gefertigtes  KraftbooC  vou  10  m  Länge,  l.l  m  Breite  und 
0,6  m  Tiefgang.  Die  zneizili adrige  Benziomaschine  von  9  Nutzpferdestarkea  mit  Wendegetriebe 
verbraucht  stündlieh  je  Pferdestärke  0,3  bis  0,35  kg  Benzin  und  gibt  in  stillem,  breitem,  tiefem 
Fahrwasser  eine  Geschwindigkeit  von  13  km  je  Stunde.  Der  Preis  war  9000  Mark.  Solche 
Kraftboote  sind  auf  den  MKrkischen  Wasserstraßen  in  großer  Zahl  vorbanden. 


630  Abschnitt  III.     Schifie  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschüfe. 

3.  Zum  gewerblichen  Betriebe  großer  Personen-,  Schlepp-  und 
Güterschiffe  sind  in  Deutschland  bisher  die  Gasmaschinen,  von  denen 
iiir  diesen  Zweck  besonders  die  Ölmaschinen  nach  Diesels  Bauart  und  die 
Sauggasmaschinen  in  Frage  kommen,  noch  wenig  benutzt  worden.  Der 
Grund  liegt  einerseits  darin,  daß  die  bisher  damit  gemachten  Erfahrungen 
noch  nicht  ausreichen,  um  die  vollständige  Betriebsicherheit  zu  gewährleisten, 
und  andererseits  ist  fiir  die  Dieselmaschinen  der  Brennstoff  verhältnismäßig 
teuer  (S.  616).  Wenn  auch  einzelne  Teeröle  zurzeit  noch  verhältnismäßig 
wohlfeil  sind,  so  ist  doch  zu  befürchten,  daß  bei  ausgedehnter  Verwendung 
die  Preise  bald  steigen  würden.  Die  Sache  liegt  also  ähnlich  wie  bei  der 
Olfeuerung  der  Dampfkessel. 

Im  Jahre  1909  wurde  von  der  Mannheimer  Fabrik  Benz  u.  Co.  in  ein 
Personenschiff  der  BerUner  Gesellschaft  »Stern«  (S.  555)  eine  Sauggas- 
maschine von  50  PS  mit  einem  Elektromotor  eingebaut  Diese  Maschine 
entsprach  aber  den  Anforderungen  nicht  und  ist  bald  wieder  entfernt  worden. 

Für  Schleppschiffe  auf  deutschen  Strömen  (mit  ausreichender  Tiefe  für 
Schrauben]  scheint  die  Sauggasmaschine  mit  Rücksicht  auf  den  Verbrauch 
einheimischer  Brennstoffe  (Braunkohlen)  besonders  geeignet  zu  sein.  Es  sind 
auch  auf  dem  Rhein  schon  verschiedene  Versuche  gemacht  worden. 

In  den  Abbildungen  522  bis  524  ist  ein  solcher  Schlepper  mit  130  PS  von  der  Fabrik  in 
Köln-Ehrenfeld  dargestellt.  Das  Schiff  ist  19,4  m  lang,  4,25  m  breit  und  2,2  m  hoch.  Die  Ein- 
richtung  ist  aus  den  Abbildungen  ersichtlich.  Der  Verbrauch  an  Anthrazit  von  7800  WE 
betrug  bei  Volleistung  0,4  bis  0,42  kg  einschließlich  Anheizen  und  Abbrand.  Es  ist  eine  Dreh- 
flttgelschraube  nach  Meißners  Bauart  verwendet. 

Die  Fabrik  in  Köln-Deutz  hat  im  Jahre  1909  einen  Zweischraubenschlepper  von  400  PS 
auf  dem  Rhein  in  Betrieb  gestellt.  Die  beiden  vierzilindrigen  Sauggasmaschinen  von  je  200  PS, 
die  durch  Braunkohlenbriketts  betrieben  werden,  sind  in  ein  vorhandenes  Schiff  eingebaut 
worden,  das,  nach  erfolgter  Verlängerung,  34  m  lang,  6,3  m  breit  ist  und  mit  3  t  Briketts  einen 
mittleren  Tiefgang  von  1,75  m  hat.  Die  Zahl  der  Umdrehungen  beträgt  220  je  Minute;  doch 
soll  es  möglich  sein,  sie  durch  Beeinflussung  des  Regelers  und  der  Zündung  auf  90  zu  ver- 
mindern. Zur  Umsteuerung  sind  Wendegetriebe  verwendet.  Bei  den  Versuchsfahrten  hat  der 
Schlepper  mit  5  km  Geschwindigkeit  je  Stunde  in  2  beladenen  Schiffen  1600  t  Nutzlast  befördert 
und  im  Binger  Loch  bei  normalem  Wasserstande  ein  Schiff  von  800  t  ziehen  können.  Nach 
fünfmonatigem  Betriebe  hat  aber  der  BestelUrr  dic^Abnahme  des  Schiffes  abgelehnt,  weil  es  seinen 
Anforderungen  nicht  entsprach  <). 

Wenn  auch  die  Sauggasmaschine  auf  Schleppern  bisher  in  Deutschland 
keine  wirtschaftlichen  Erfolge  erreicht  hat,  so  ist  doch  zu  erwarten,  daO 
weitere  Verbesserungen  sie  endlich  dazu  fuhren  werden. 

Schleppschiffe  mit  Dieselmaschinen  sind  seit  der  Erfindung  der  eigenen 
Umsteuerung  schon  von  Gebr.  Sulzer  (Schlepper  »Fortschritt«  von  etwa  150  PS) 
und  von  der  Kruppschen  Germaniawerft  (Schlepper  »Rapido«  von  120  PS)  in 
den  Jahren  1909  und  1910  gebaut  und  in  Hamburg,  Lübeck  und  Kiel  in  Betrieb 
gesetzt  werden.  Auf  den  deutschen  Strömen  verkehren  solche  Schiffe  aber 
noch  nicht.  Das  ist  auffallend;  denn  gerade  diese  Maschinen  scheinen  fiir 
den  Zweck  gut  zu  passen^  wenn  sie  auch  nicht  mit  so  billigem  Brennstoff  zu 


i)  Zeitschrift  fUr  Binnenschiffahrt,  19 10,  S.  28.     Dort  befinden  sich  auch  Abbildungen. 


3*  KraftschifTe  mit  Gasmaschinen. 


631 


m 


< 


632  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

bedienen  sind,  wie  die  Sauggasmaschinen.  Im  allgemeinen  wird  der  (lir  sie 
erforderliche  Brennstoff  nicht  billiger  sein  als  die  Steinkohlen  für  Dampf- 
maschinen von  gleichen  Leistungen;  aber  die  anderen  Vorzüge  und  beson- 
ders die  dauernde  Ersparnis  an  Heizern,  sollten  doch  schließlich  den  Aus- 
schlag geben.  Alle  Schleppschiffe  mit  Gasmaschinen  zeigen  gegenüber  den 
Dampfschiffen  den  Nachteil,  daß  sie  beim  Beginn  der  Fortbewegung  sofort 
mit  fast  voller  Krafl  arbeiten  und  es  erfordert  viel  Vorsicht,  um  zu  verhüten, 
daß  beim  plötzlichen  Anziehen  des  Schleppzugs  die  Trossen  reißen  oder 
die  Poller  brechen. 

Lastschiffe  mit  Gasmaschinen  werden  auf  genügend  tiefen  Wasser- 
straßen, die  angenähert  überall  den  gleichen  Schiffswiderstand  verursacheo, 
unter  denselben  Bedingungen  wirtschaftlichen  Erfolg  haben,  wie  die  jetzt  be- 
stehenden Güterdampfer  mit  Schrauben,  also  im  regelmäßigen  Verkehr  mit 
Stück-  und  Eilgütern  oder  auch  anderen  Waren  zwischen  bestimmten  Orten, 
wo  für  schnelles  Löschen  und  Laden  gesorgt  ist.  Die  Ölmaschinen  jeder 
Art  werden  dabei  vorteilhafter  als  die  Dampfmaschinen  sein,  weil  durch  die 
Ersparnis  an  Heizern  und  Maschinisten  die  Verluste  während  der  Lade-,  Lösch- 
und  Wartezeiten  verringert  werden.  Die  Bedingung  des  gleichen  Widerstandes 
ist  darum  nötig,  weil  die  Gasmaschinen  in  ihrer  Leistung  nur  wenig  verändert 
und  niemals  vorübergehend  überlastet  werden  können,  was  bei  abwechselndem 
Verkehr  in  Kanälen,  in  aufgestauten  oder  offenen  Strömen  mit  verschiedenem 
Gefalle  erforderlich  wäre. 

Schon  aus  diesem  Grunde  muß  die  oft  gehörte  Meinung,  daß  nach 
der  Erfindung  der  Gasmaschinen  künftig  alle  Lastschiffe  auf  den  Binnen- 
wasserstraßen damit  ausgerüstet  werden  müßten,  um  sich  »unabhängig  von 
den  Schleppdampfern«  zu  machen,  in  dieser  allgemeinen  Fassung  als  unrichtig 
bezeichnet  werden.  Diese  Meinung  wird  meistens  durch  die  Vertreter  der 
mit  der  Herstellung  von  Gasmaschinen  beschäftigten  Fabriken  in  der  Öffent- 
lichkeit verbreitet  und  man  kann  es  diesen  nicht  verwehren,  daß  sie  ihre 
Waren  anpreisen.  Es  wäre  aber  töricht,  die  Lastschiffe  auf  Rhein,  Weser, 
Elbe  mit  so  starken  Maschinen  zu  versehen,  daß  sie  als  »Selbstfahrer«  zu 
Berg  fahren  können,  weil  der  jetzige  Schleppbetrieb  viel  vorteilhafter  ist. 

Auch  genügt  bei  tief  beladenenen  Schiffen  die  Wassertiefe  unter  dem 
Schiffsboden  meistens  nicht  für  eine  gute  Wirkung  der  Schrauben,  während 
umgekehrt  bei  den  unvermeidlichen  Leerfahrten  die  Schraubenflügel  aus  dem 
Wasser  treten  und  unwirtschaftlich  arbeiten.  (Die  Anwendung  von  Schrauben- 
wellen, die  sich  nach  Bedarf  heben  und  senken  lassen  (S.  470),  kann  nicht 
empfohlen  werden.) 

Anders  liegt  die  Sache  innerhalb  eines  Kanalnetzes  oder  eines  Netzes  von 
Wasserstraßen,  die  von  Natur  oder  durch  Aufstau  eine  genügende  Tiefe  und 
ein  nur  geringes  Gefälle  besitzen,  wie  z.  B.  im  Gebiet  der  märkischen  Wasser- 
straßen, der  elsaß-lothringischen  Kanäle  oder  der  weitverzweigten  holländischen 
Wasserstraßen.    Lastschiffe,  die  sich  auf  den  Verkehr  innerhalb  dieses  Netzes 


3.  Kraftsdufie  mit  Gasmaschinen.  633 

beschränken,  werden  durch  die  Ausrüstung  mit  einer  Schraube  unter  Um- 
ständen wirtschaftliche  Erfolge  erreichen  können.  Für  diese  Betriebe  wird 
sich  neben  den  Ölmaschinen  von  Swiderski  und  Bolinder  wegen  der  geringeren 
Betriebskosten  besonders  die  Sauggasmaschine  empfehlen. 

Auf  den  elsaß-lothringischen  und  den  anschließenden  französischen  und  belgischen 
Kanälen  verkehren  seit  Jahren  einige  Lastschiffe  mit  Sauggas,  die  gelegentlich  auch  den  Rhein 
talwärts  befahren.  Im  Jahre  1909  wurden  im  Rheingebiet  9  Güterschiffe  von  Kanalmaß  (38,5  m 
lang,  5  m  breit,  1,8  m  Tauchtiefe)  mit  240  bis  260  t  Tragfähigkeit  gezählt,  die  durch  Sauggas- 
maschinen von  20  bis  45  Pferdestärken  getrieben  wurden. 

Auf  den  östlichen  deutschen  Wasserstraßen  sieht  man  solche  Schiffe  noch  selten.  Im 
Jahre  19 10  wurde  ein  gewöhnliches  kleines  Eibschiff  (eiserne  Bordwände  und  Holzboden,  39  m 
lang,  5,2  m  breit,  212  t  Tragfähigkeit)  durch  die  Fabrik  in  Köln-Ehrenfeld  mit  einer  Sauggas- 
maschine von  65  PS  mit  300  Umdrehungen  ausgerüstet,  deren  Gesamtgewicht  8  t  betrug.  Der 
Brennstoff  ist  englischer  Anthrazit.  Das  Schiff  verkehrt  zwischen  Hamburg  und  Berlin  und  wird 
auf  der  Elbe  nicht  geschleppt  Wie  sich  das  Unternehmen  bewährt  hat,  ist  nicht  bekannt  geworden'). 

Auf  dem  baierischen  Ludwigkanal  sind  im  Jahre  191 1  einige  Güterschiffe  mit  Gasmaschinen 
in  Betrieb  gestellt. 

Im  ganzen  Deutschen  Reich  waren  nach  amtlicher  Zählung  am  Ende  des 
Jahres  1907  im  ganzen  691  KraftschifTe  mit  Gasmaschinen  im  gewerblichen 
Betriebe  der  Binnenschiffahrt  vorhanden.  Davon  entfielen  344  mit  3345  PS 
auf  Personenschiffe,  325  mit  zusammen  8303  t  Tragfähigkeit  und  2571  PS  auf 
Güterschiffe  und  22  mit  196  PS  auf  Schleppschiffe'). 

Im  Auslande  scheint  die  Ent Wickelung  der  Kraftschiffe  mit  Gasmaschi- 
nen schneller  fortzuschreiten,  was  bei  den  Ölmaschinen  besonders  aus  dem 
niedrigen  Preise  des  Brennstoffs  zu  erklären  ist. 

In  Rußland  sind  große  Ein-,  Zwei-  und  DreischraubengüterschifTe  (meistens  Kastenschiffe) 
mit  Dieselmaschinen  im  Betriebe,  die  Tragfähigkeiten  bis  zu  4600  t  und  bis  zu  1400  PSi  haben. 
Diese  sehr  großen  Schiffe  verkehren  allerdings  nur  auf  dem  Kaspischen  Meer.  Für  den  Schlepp- 
dienst auf  der  Wolga  und  anderen  Strömen  sind  Seitenradschlepper  mit  solchen  Maschinen 
bis  zu  1000  PSi  erbaut  worden^). 

In  der  Schweiz  verkehrt  auf  den  Seen  eine  ziemlich  große  Zahl  von  kleinen  Lastschiffen, 
die  mit  Benzin-,  Petroleum-  und  ölmaschinen  (zum  Teil  als  Hilfsmaschinen)  versehen  sind.  Seit 
1905  fährt  auf  dem  Genfer  See  ein  größeres  Güterschiff  mit  Dieselmaschine.  Auch  ein  Personen- 
schiff auf  dem  Züricher  See  wurde  1909  mit  einer  solchen  Maschine  ausgerüstet  (S.  615,  Abb.  499 
bis  SOi)*  Sie  hat  aber  den  Anforderungen  des  regelmäßigen,  pünktlichen  Betriebs  auf  die  Dauer 
nicht  genügen  können.  Dem  Vernehmen  nach  sind  wiederholt  empfindliche  Störungen  ein- 
getreten und  die  Leistungen  sollen  nachgelassen  haben,  so  daß  im  Jahre  191 1  die  Maschine  aus 
dem  Schiff  herausgenommen  wurde. 

In  Holland  bat  namentlich  im  Laufe  der  letzten  5  Jahre  die  Zahl  der  Schiffe  mit  Gas- 
maschinen zugenommen.  Es  werden  dort  vorwiegend  die  kleineren  Ölmaschinen,  sowohl  auf 
Güterschiffen  wie  auf  kleinen  Personenbooten,  angewendet. 

In  Österreich-Ungarn  sind  vor  einigen  Jahren  auf  der  Donau  mehrere  Flußtorpedo- 
schiffe mit  je  2  englischen  Ölmaschinen  von  300  PS  (2  Schrauben}  und  femer  zwei  flach  gehende 
Flußkanonenboote  mit  je  5  englischen  Ölmaschinen  von  70  PS  (3  Schrauben}  ausgerüstet  worden. 


1}  C.  Stein,  Der  Gasmotor  im  Dienste  der  Schiffahrt.  Zeitschrift  des  Vereins  Deutscher 
Ingenieure  1905.  C.  Claus,  Schleppmonopol  und  Selbstfahrer.  Berlin,  1910,  M.  Krayn. 
O.  Flamm,  Die  Anwendung  des  Motors  in  der  Binnenschiffahrt,  Verbandschrift.  Großlichter- 
felde bei  Berlin,  19 il,  A.  Troschel. 

2)  Vgl.  »Bestand  der  Binnenschiffe«  am  Ende  des  Buches. 

3)  Schaf  fr  an,  Neuere  bedeutsame  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  des  Baues  von  Motor- 
schiffen in  Rußland.     Zeitschr.  f.  Binnenschiffahrt  191 2,  S.  38,  93,  148. 


634  Abschnitt  III.     Schüfe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschiffe. 

Sie  werden  mit  Gasolin  betrieben  und  sollen  sich  gut  bewähren.  Dagegen  ist  von  der  An- 
wendimg der  Gasmaschinen  im  gewerblichen  ScbifTahrtbetriebe  auf  der  Donau  bisher  nichts 
bekannt  geworden,  obwohl  dort  die  galizischen,  rumänischen  und  russischen  Rohöle  wohlfeil 
sind.  Dem  Vernehmen  nach  wird  im  Jahre  19 12  die  Süddeutsche  Donau-Dampfschiffahrt-Ge- 
sellschaft drei  Güterschiffe  von  je  620  t  Tragfähigkeit  in  Betrieb  stellen.  Sie  sollen  Tunnelheck 
mit  2  Schraube^  erhalten  und  mit  Bolindermaschinen  von  je  120  PS  versehen  werden.  Auf  der 
Save  ist  seit  191 1  ein  Schraubenschlepper  mit  Dieselmaschine  im  Betrieb. 

In  Nordamerika  werden  schon  viele  Gasmaschinen  in  der  Binnenschiffahrt  verwendet.  In 
neuester  Zeit  verkehren  z.  B.  auf  den  Pennsylvanischen  Kanälen  zwei  Schleppschiffe  mit  Saug- 
gasmaschinen. Sie  sind  13  m  lang,  3,2  m  breit  und  haben  einen  Tiefgang  von  1,4  m.  Die  im 
Viertakt  arbeitende  Vierzilindermaschine  (216  mm  Durchmesser  und  305  mm  Hub)  entwickelt  bei 
300  Umdrehungen  65  Nutzpferdestärken.  Die  Schlepper  bewegen  Züge  von  4  bis  5  Schiffen  mit 
je  etwa  100  t  Ladung  mit  einer  Geschwindigkeit  von  6,5  km  je  Stunde.  Der  stündliche  Ver- 
brauch von  Anthrazit  wird  zu  25,$  kg  (also  je  PS  etwa  0,4  kg)  angegeben. 

4.  Kraftschiffe  mit  elektrischem  Antrieb. 

Um  die  Fortbewegungsmittel  durch  Elektrizität  anzutreiben,  kann  man 
entweder  die  am  Lande  erzeugte  Kraft  in  Sammlern  (Akkumulatoren)  auf- 
speichern, die  auf  dem  Schiffe  aufgestellt  werden,  oder  man  überträgt  sie 
durch  Oberleitungen  und  Stromabnehmer,  ähnlich  wie  bei  den  Straßenbahnen, 
auf  das  Schiff  während  der  Fahrt,  oder  man  erzeugt  sie  an  Bord  durch  eine 
Dampf-  oder  Gasmaschine.  Alle  drei  Arten  sind  mit  mehr  oder  weniger  Er- 
folg ausgeführt  und  versucht  worden. 

Das  erste  elektrisch  betriebene  Kraftboot  mit  Sammlern  wurde  in 
Deutschland  im  Jahre  1 89 1  auf  der  Elektrizitätsausstellung  in  Frankfurt  a.  M. 
vorgeführt  und  hat  namentlich  für  Vergnügungsfahrten  viele  Nachahmer  ge- 
funden. Die  Einrichtung  solcher  Schiffe  ist  einfach:  Die  Sammlerbatterie 
wird  gewöhnlich  unter  der  durchlaufenden  Wegerung  (Fußboden  der  Kajüte] 
untergebracht.  Dort  liegt  auch  die  Schraubenwelle,  auf  der  unmittelbar  oder 
mit  Kupplung  der  »Elektromotor«  befestigt  ist,  während  der  » Regeler <  und 
der  »Anlasser«  neben  dem  Steuerrade  aufgestellt  werden,  so  daß  ein  Mann 
das  Schiff  lenken  und  bedienen  kann.  Der  Elektromotor  bedarf  während  der 
Fahrt  keiner  Beobachtung  und  keiner  Bedienung.  Anfanglich  ergaben  sich 
aus  den  hohen  Umlaufzahlen  der  Elektromotoren  Schwierigkeiten,  weil  der 
Wirkungsgrad  der  Schrauben  dabei  ungenügend  war.  Jetzt  werden  aber  diese 
Maschinen  auch  für  kleine  Umlaufzahlen  (bis  120  und  weniger)  einwandfrei 
hergestellt,  allerdings  unter  Vermehrung  des  Gewichts  und  Verminderung  des 
mechanischen  Wirkungsgrades. 

Die  großen  Vorzüge  des  elektrischen  Antriebs  liegen  in  der  einfachen 
Bedienung  des  Elektromotors  und  besonders  in  der  leichten  Umsteuerung. 
Ferner  wird,  ähnlich  wie  bei  der  Gasmaschine,  während  des  Stillstands  der 
Schraube  keine  Kraft  verbraucht  und  keine  Wartung  erforderlich.  Die  Boote 
sind  stets  betriebsbereit.  Sehr  angenehm  ist  auch  der  ruhige  und  fast  ge- 
räuschlose Gang.  Der  große  Nachteil  dieser  Einrichtung  ist  der  beschränkte 
Wirkungskreis  solcher  Schiffe  wegen  des  großen  Gewichts  der  Kraftsammler. 


4*  Kraftschiffe  mit  elektrischem  Antrieb. 


635 


Ein  kleines  Kraftboot  von  10,5  m 
Länge,  2,3  m  Breite,  0,65  m  Tiefgang  und 
6  t  Wasserverdrängung  kann  z.  B.  mit 
einer  einmaligen  Ladung  der  2,4 1  schweren 
Sammlerbatterie  in  stillem,  tiefem  Wasser 
entweder  mit  einer  stündlichen  Geschwin- 
digkeit von  12  km  3  Stunden  lang  fahren 
oder  mit  einer  Geschwindigkeit  von  9  km 
15  Stunden  lang.  Der  Wirkungskreis  ist 
also  im  ersten  Falle  36  km  und  im  zweiten 
Falle  135  km  lang.  Im  ersten  Falle  ent- 
wickelt der  Elektromotor  eine  Nutzleistung 
von  5  PS  und  im  zweiten  Falle  von  etwa 
2  PS.  Die  Zahl  der  Umdrehungen  beträgt 
750  und  das  Gewicht  der  Maschinenanlage 
einschließlich  der  Batterie  2,7  t*).  Man 
erkennt  aus  diesen  Mitteilungen,  wie  mit 
wachsender  Geschwindigkeit  der  Wirkungs- 
kreis sehr  schnell  abnimmt  und  wie  ab- 
hängig ein  solches  Boot  von  den  Lade- 
stationen ist.  Es  ist  darum  bisher  nicht 
einmal  in  der  Umgebung  großer  Städte, 
z.  B.  Berlin,  gelungen,  elektrisch  getriebene 
Kraftboote  zu  Vergnügungs-  und  Sport- 
zwecken in  großer  Zahl  einzufuhren. 

Für  größere  Geschwindigkeiten,  z.  B. 
bei  der  Bergfahrt  auf  Strömen  und  für 
größere  Schiffe  nimmt  das  Gewicht  der 
Kraftsammler  sehr  schnell  zu. 

Als  Personenschiffe  für  gewerblichen 
Betrieb  dürften  solche  Kraftboote  daher 
nur  im  Fährbetrieb  zweckmäßig  sein  und 
als  Schleppschiffe  kommen  sie  kaum  in 
Frage. 

Zum  elektrischen  Antrieb  von  Last- 
schiffen sind  neuerdings  Kraftsammler 
in  großem  Umfange  von  der  Ziegeltrans- 
port-Aktiengesellschaft in  Berlin  ange- 
wendet worden,  die  Ziegelsteine  von  Zeh- 
denick  nach  Berlin  befördert. 


I)  C.  Schulthes,  Elektrisch  angetriebene 
Propeller.  Jährbuch  der  Schiffbautechnischen  Ge- 
sellschaft,  1908. 


< 


[TT" 


636 


Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  KraftschilTe. 


Die  Entfernung  vom  Humboldthafen  in  Berlin  bis  zu  den  Ziegeleien  an  der  oberen  Havel 
oberhalb  Zehdenick  beträgt  etwa  75  km.  Die  Wasserstrai^e  besteht  aus  Kanal-,  See-  und  auf- 
gestauten Stromstrecken  und  hat  überall  stilles  Wasser  von  1,5  m  bis  1,6  m  Tiefe.  Es  sind 
8  Schleusen  zu  durchfahren. 

Die  Gesellschaft  besitzt  118  Stück  offene,  stählerne  Schiffe  von  Finowmaß  (40  m  lang, 
4,2  m  breit,  1,8  bis  1,9  m  hoch),  die  nach  der  Eichung  eine  größte  Tragfähigkeit  von  188  bis 
205  t  besitzen.  Bei  einer  Tauchtiefe  von  1,3  m  tragen  sie  eine  Nutzlast  von  160  bis  165  t,  bei 
1,4m  175  bis  i8ot  und  bei  1,5m  190  bis  195t.  (Die  größte  zulässige  Tauchtiefe  in  der 
Havel-Oder-Wasserstraße  und  in  der  oberen  Havelwasserstraße  beträgt  1,4  m.) 

Die  Schiffe  haben  eine  vierflügelige  Schraube  von  925  mm  Durchmesser,  mit  deren 
Welle  der  Elektromotor  gekuppelt  ist.  In  Abb.  525  ist  ein  Längsschnitt  durch  das  Hinterschiff 
dargestellt  Das  Heck  ist  löffeiförmig.  Vor  dem  Maschinenraum  ist  die  Kajüte  für  den  Schifib- 
fuhrer  angeordnet.  Dann  folgt  der  3  m  lange  Raum  für  die  Kraftsammler,  der  mit  einem 
stählernen  Deck  abgeschlossen,  mit  einem  Lüftungsrohr  (a)  versehen  und  von  dem  davor  liegen- 
den offenen,  25  m  langen  Laderaum  aus  zugänglich  ist.  In  diesem  ist  die  Bühne  (Wegerung) 
etwa  0,4  m  über  dem  stählernen  Schiffsboden  angeordnet,  wie  es  auch  bei  anderen  Lastschiffen 
üblich  ist,  die  ausschließlich  zur  Beförderung  von  Steinen  dienen  (vgl.  S.  340).  Das  Vorschiff 
enthält  die  Kajüte  für  die  Schifismannschaft  und  bietet  sonst  nichts  Bemerkenswertes. 

Das  Gewicht  des  Schiffskörpers  beträgt  etwa  41,5  t,  wozu  für  Ausrüstung  u.  dgl.  etwa  2  t 
kommen.  Das  Gewicht  der  Maschinenanlage  beträgt  10,5  t,  wovon  9,5  t  auf  die  Batterie  ent- 
fallen. Die  Wasserverdrängung  des  leeren  Schiffes  (Totes  Gewicht)  beträgt  daher  etwa  54 1 
und  mit  einer  Nutzlast  von  175  t  bis  180  t  bei  1,4  m  Tauchtiefe  229  bis  234  t 

Die  Batterie  hat  80  Zellen,  eine  Ladefähigkeit  von  660  Amperestunden  und  wird  vor  An- 
tritt jeder  Fahrt  in  Berlin  oder  in  Zehdenick  geladen,  wozu  gewöhnlich  6  Stunden  gebraucht 
werden.  Die  normale  Fahrgeschwindigkeit  (bei  etwa  120  Umdrehungen  der  Schraube)  beträgt 
4  km  je  Stunde;  der  Regeler  (Kontroller)  bt  fUr  $  Geschwindigkeitstufen  eingerichtet,  von  denen 
2  durch  Feldschwächung  und  2  durch  Widerstände  erzielt  werden.  Die  Stellung  IV  entspricht 
der  Reisegeschwindigkeit,  während  die  Stellung  V  nur  vorübergehend,  z.  B.  beim  Überholen, 
benutzt  wird.  Die  normale  Leistung  des  Elektromotors  beträgt  etwa  6  PSi  und  steigt  bei  der 
Stellung  V  bis  auf  etwa  9  PSi. 

Im  Jahre  19 10  wurden  mit  einem  Schiffe  Versuchsfahrten  im  Teltowkanal  vorgenommen, 
dessen  Abmessungen  hinsichtlich  der  Fahrwasserbreite  und  Tiefe  allerdings  erheblich  großer  sind 
als  bei  den  Kanälen  in  der  Wasserstraße  Berlin — Zehdenick  <}.  Durch  Schleppen  des  mit  158.5  t 
Nutzlast  beladenen  Schiffes  von  1,3  m  Tiefgang  mittels  der  dort  vorhandenen  elektrischen  Trei- 
delvorrichtung wurde  bei  verschiedenen  Geschwindigkeiten  [v  in  km  je  Stunde)  der  Schifiswider- 

(IVv  \ 
FS  =  I  berechnet.    Die  Ergebnisse  sind 

(aus  der  unten  angegebenen  Quelle)  in  nachstehender  Tafel  zusammengestellt,   worin  n  die  Um- 
drehungszahl des  Elektromotors  und  der  Schraube  bedeutet. 


Stel- 

Am- 
pere 

Volt 

n 

PSi 

V 

km 

W 

PS 

Wirkungsgrade 

lung 

Vm 

10 

V 

K 

2 

3 

4 

_.  s_  j 

6 

7 

105 
140 
180 

8 

9 

II 

m 

IV 
V 

19,25 
28,25 

41,25 

—————^ 
162 

160 

159,5 

102 
117 
«3* 

4,24 
6,15 

8,95 

3i36 
3,89 
4,425 

1,31 
2,02 

2,95 

0,76 

0,77 
0,77 

0,41 

0,43 
0,43 

0,31 
0,33 
0-33 

Der  Wirkungsgrad  des  Eletctromotors  (^m)  in  Spalte  9  war  (nach  der  angeführten 
Quelle)  von  der  betreffenden  Fabrik  zu  0,82  angegeben;  doch  konnte  dieser  Wert  bei  den 
niedrigen  Umlaufzahlen  nicht  erreicht  werden.  Der  Wirkungsgrad  der  Schraube  (1;/)  und  der 
Gesamtwirkungsgrad  (17)   müssen   als  recht  vorteilhaft  bezeichnet   werden.     (Vgl.  die  Leistungen 


i)   C.  Claus,  Dr.  ing.,    Schleppmonopol    und   Selbstfahrer  auf  dem  Rhein- Weser-Kanal^ 
Berlin  19 10. 


4.  KraftschifiTe  mit  elektrbchem  Antrieb.  637 

der  Dampfschiffe  S.  590.)  Bei  Leerfahrten  sind  die  Wirkungsgrade  ebenso  gut,  obwohl  dann 
die  Schraube  nur  zur  Hälfte  im  Wasser  liegt 

über  die  Kosten  ist  zu  bemerken,  daß  die  Schiffe  mit  Ausrüstung  je  17500  bis  18000  Mark 
und  die  Maschinenanlagen  aul^erdem  je  11 000  Mark  gekostet  haben,  wovon  etwa  8500  Mark 
auf  die  Batterie,  einschließlich  SäurefUllung  usw.,  entfallen  und  der  Rest  auf  den  Elektromotor, 
die  Schaltvorrichtungen,  die  Lichtanlage  usw.  Der  Stromverbrauch  beträgt  für  das  beladene 
Schiff  auf  der  Reise  von  Zehdenick  nach  Berlin  durchschnittlich  80  bis  90,  ausnahmsweise 
100  Kilowattstunden,  während  auf  der  Rückfahrt  das  leere  Schiff  60  bis  70  Kilowattstunden 
verbraucht.  Die  Fahrzeit  kann  nicht  genau  angegeben  werden,  weil  sie  von  den  vielen  Aufent- 
halten, besonders  an  den  Schleusen,  beeinflußt  wird:  Die  reine  Fahrzeit  des  beladenen  Schiffes 
soll  etwa  20  Stunden,  die  des  leeren  15  bb  17  Stunden  betragen. 

Die  Stromkosten  sind  in  Zehdenick  sehr  billig,  da  sie  von  einem  Wasserkrafbverk  für 
4  Pfennig  je  Kilowattstunde  bezogen  werden.  In  Berlin  wird  an  die  Berliner  Elektrizitätswerke 
ein  Preis  von  10  Pfennig  gezahlt.  Über  die  Unterhaltungskosten  der  Maschinenanlagen  und  be- 
sonders der  Sammlerbatterien  liegen  noch  keine  Erfahrungen  vor. 

Gegen  die  Wirtschaftlichkeit  dieses  Betriebes  läßt  sich  grundsätzlich 
nichts  einwenden,  da  die  Vorbedingungen  für  die  Verwendung  von  Last- 
schiffen mit  eigener  Triebkraft,  wie  sie  bei  den  Gasmaschinen  (S.  632)  be- 
sprochen wurden,  im  allgemeinen  erfüllt  sind.  Hinsichtlich  der  noch  ein- 
facheren Bedienung  der  Kraftmaschine  sind  die  Lastschiffe  mit  elektrischen 
Sammlern  denen  mit  Gasmaschinen  überlegen.  Da  die  Batterie  aber  im  be- 
sprochenen Falle  nur  für  einen  Wirkungskreis  von  höchstens  100  km  aus- 
reicht, muß  der  Betrieb  darnach  geregelt  werden.  Wenn  man  einen  größeren 
Wirkungskreis  oder  eine  größere  Geschwindigkeit  verlangt,  wächst  das  Ge- 
wicht der  elektrischen  Sammler  schnell  und  vermindert  in  empfindlicher  Weise 
die  Tragfähigkeit  des  Schiffes. 

Elektrisch  angetriebene  Schiffe,  die  den  Strom  während  der  Fahrt  von 
einer  Oberleitung  erhalten,  können  kaum  als  Kraftschiffe  in  unserem  Sinne 
(S.  235)  bezeichnet  werden,  weil  sie  sich  nicht  unabhängig  vom  Ufer  bewegen 
können.  Für  den  Schleppbetrieb  auf  Kanälen  sind  solche  Versuche  gemacht 
worden'). 

Ganz  unabhängig  vom  Ufer  und  von  der  Größe  der  Sammlerbatterie 
wird  ein  elektrisch  angetriebenes  Schiff,  wenn  es  seine  Ladestation  bei  sich 
fuhrt,  indem  der  elektrische  Strom  an  Bord  durch  eine  besondere  Kraft- 
maschine nach  Bedarf  erzeugt  wird.  Man  wählt  dazu  gewöhnlich  eine  Gas- 
maschine und  die  Vorteile  der  Verbindung  von  solchen  Maschinen  mit  Elek- 
tromotoren sind  schon  oben  (S.  625),  namentlich  in  Beziehung  auf  die  Um- 
steuerung der  Schraubenwelle,  auseinandergesetzt  worden.  Noch  vorteilhafter 
wird  diese  Verbindung,  wenn  man  sie  durch  eine  Sammlerbatterie  ergänzt, 
die  sowohl  zum  Anlassen  der  Gasmaschine  dient  als  auch  beim  Rückwärts- 
fahren und  bei  ganz  langsamer  Fahrt  allein  in  Tätigkeit  tritt.  Bei  gewöhn- 
licher Fahrt  wird  der  Elektromotor  zur  Dynamo  und  es  tritt  ein  ständiger 
Ausgleich  der  Kräfte  ein.  Die  Umdrehungszahl  der  Gasmaschine  ist  von 
der  durch  den  Regeler  beliebig  veränderlichen   Erregung  des  Magnetfeldes 

i)  Block,  Die  Betriebseinrichtungen  des  Teltowkanals.  Elektrotechnische  Zeitschrift  1906, 
S.  546. 


638  Abschnitt  m.     Schiffe  mit  eigener  Triebkraft,  Kraftschifie. 

der  Dynamo  abhängig.  Je  nach  dem  Kraftbedarf  für  die  betreffende  Um- 
drehungszahl der  Schraube  geht  die  überschüssige  Leistung  der  Gasmaschine 
als  in  der  Dynamo  erzeugte  Elektrizität  in  die  Sammlerbatterie.  Wenn  bei 
zunehmender  Umdrehungszahl  der  Schraube  oder  bei  wachsendem  Schiffs- 
widerstand (z.  B.  in  starker  Strömung)  eine  größere  Kraft  erforderlich  wird, 
als  die  Gasmaschine  leisten  kann,  so  gibt  die  Batterie  die  fehlende  Leistung 
her,  wobei  die  vorher  als  Dynamo  arbeitende  Maschine  zum  Elektromotor 
wird.  Da  der  Wechsel  zwischen  Dynamo  und  Elektromotor  augenblicklich 
vor  sich  geht,  ergänzt  die  Batterie  in  jeder  Zeit  die  Gasmaschine,  so  daß  die 
Fortbewegung  des  Schiffes  sehr  gleichmäßig  wird'). 

Es  war  schon  oben  erwähnt  worden,  daß  durch  die  elektrische  Kraft- 
übertragung ein  beträchtlicher  Kraftverlust  entsteht.  Da  man  aber  unabhängrig 
von  der  Gasmaschine  der  Schraube  die  vorteilhafteste  Umlaufzahl  geben  kaim 
und  durch  die  eingeschaltete  Sammlerbatterie  eine  sehr  gleichmäßige  Um- 
drehung der  Schraube  erreicht,  so  wird  fiir  die  ganze  Anlage  ein  verhältnis- 
mäßig günstiger  Wirkungsgrad  gewonnen,  durch  den  der  Kraftverlust  zum 
Teil  wieder  ausgeglichen  werden  kann. 

Ob  diese  Art  des  elektrischen  Antriebs,  die  bisher  nur  selten  ausgeführt 
worden  ist,  in  Zukunft  eine  gewisse  Bedeutung  für  die  Binnenschiffahrt  be- 
kommen wird,  läßt  sich  noch  nicht  sagen.  Es  scheint  aber  nicht  ausge- 
schlossen, daß  in  dieser  Verbindung  mit  Sammlerbatterien  auch  die  schnell 
laufenden  Dampfturbinen  künftig  bei  Binnenschiffen  zweckmäßige  Verwen- 
dung finden  werden. 

i)  Nach  Schulthes  a.  a.  O. 


Anhang, 

1.  Einiges  über  Schiffbauanstalten,  Schiffaufzfige  und  Docks. 

Das  Schiifbauhandwerk  hat  sich  wahrscheinlich  in  allen  Ländern  und 
Stromgebieten  schon  in  den  ältesten  Zeiten  mehr  oder  weniger  selbständig 
entwickelt.  Bei  zunehmendem  Verkehr  lernte  man  bei  Fremden  und  ver- 
besserte die  eigene  Bauweise.  So  wissen  wir,  daß  z.  B.  die  Römer  ihre  höher 
entwickelte  Fertigkeit  nach  Deutschland  gebracht  haben.  Im  Mittelalter  hatten 
die  Holländer  den  Ruf  besonders  tüchtiger  Schiffbauer  und  wurden  von  aus^ 
ländischen  Fürsten  und  Städten  oft  gerufen,  um  bei  ihnen  ihre  Kunstfertigkeit 
auszuüben  und  zu  verbreiten.  Noch  bis  heute  beherrscht  der  holländische 
Schiffbau  in  gewissem  Sinne  das  ganze  Rheingebiet.  Die  in  älterer  Zeit  an 
den  meisten  schiffbaren  Strömen  bestehenden  Schiffbauanstalten  waren  sehr 
einfach  eingerichtet,  zumal  die  Schiffsformen  noch  recht  ungeschickt  waren. 
Das  Biegen  der  starken  eichenen  Schiffsplanken  mittels  Erwärmung  stammt 
wahrscheinlich  aus  Holland.  In  Norddeutschland  gab  es  um  die  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  besonders  in  der  Mark  Brandenburg  eine  große  Zahl 
von  Schiffbauanstalten,  die  handwerksmäßig  betrieben  wurden.  Die  dazu 
nötigen  Einrichtungen  waren  einfach :  Ein  am  Fluß  gelegener,  sanft  geneigter 
(i :  IG  bis  I  :  20)  Platz  (der  oder  die  Helling  oder  Helgen),  ein  Schnürboden, 
einige  Schuppen,  ein  Dampf  kästen  (S.  376)  zum  Erwärmen  und  Biegen  der 
Hölzer  und  das  erforderliche  Werkzeug. 

Mit  der  Erfindung  der  Dampfschiffe  entstanden  Maschinenfabriken,  welche 
die  Dampfmaschinen  und  Kessel  herstellten,  während  die  Schiffskörper  wie 
früher  aus  Holz  von  Schiffszimmerleuten  gebaut  wurden.  Als  man  zum  Eisen- 
bau überging,  übernahmen  diese  Fabriken  auf  geeigneten  Plätzen  am  Wasser 
auch  den  Bau  der  Schiffskörper  und  so  entstanden  allmählich  die  heutigen 
Schiffbauanstalten  (Werften).  Wo,  wie  im  Rheingebiet,  auch  die  Lastschiffe 
(seit  1841)  bald  allgemein  aus  Eisen  angefertigt  wurden,  verschwanden  die 
älteren,  nur  für  den  Holzbau  eingerichteten  Schiflfbauplätze  zum  großen  Teile, 
während  sie  sich  z.  B.  in  Ostdeutschland  länger  erhielten.  Ein  Teil  von  ihnen 
trug  den  veränderten  Zeitverhältnissen  Rechnung  und  lernte  die  erweiterte 
Verwendung  des  Eisens.  Zunächst  wurden  allgemein  an  Stelle  der  hölzernen 
Knie  (S.  378)  eiserne  Spanten  eingeführt,  zu  deren  Herrichtung  und  Bearbei- 
tung ein  Glühofen,  Richtplatten,  Lochstanzen,  Bohrmaschinen  u.  dgl.  nötig 
waren.    Einige  Schiffbaumeister  der  alten  Art  gingen  noch  weiter  und  traten 


640  Anhang. 

mit  den  vorgenannten  Schiffbauanstalten  mit  Maschinenfabriken  in  Wett- 
bewerb, indem  sie  Lastschiffe  mit  eisernen  Wrangen,  eisernen  Bordwänden 
usw.  bauten.  Da  nur  der  Boden  selbst  noch  aus  Holz  hergestellt  wurde,  so 
verschwanden  allmählich  die  alten  Schiffszimmerleute  von  der  Werft  und  an 
ihre  Stelle  traten  die  Eisenarbeiter,  Schlosser  imd  Schmiede. 

Am  Ende  des  Jahres  1872  wurde  eine  amtliche  Zählung  der  in  Deutschland  vorhan- 
denen Schiffbauanstalten  veranstaltet  <].  Wenngleich  die  Absicht  bestand,  nur  die  SteUen  zu 
zählen,  auf  denen  Binnen-  und  Küstenschiffe  gebaut  wurden,  so  sind  in  dem  Ergebnis  zum 
großen  Teil  auch  die  Bauanstalten  für  Seeschiffe  enthalten.  Im  ganzen  wurden  446  Schiff1>an- 
anstalten  gezählt,  von  denen  24  auf  die  Provinzen  Ost-  und  Westpreußen  und  das  Weichsel- 
gebiet entfielen,  68  auf  das  Küstengebiet  der  Ostsee  westlich  von  der  Weichsel,  einschließlich 
des  Gebiets  der  imteren  Oder  bis  Stettin,  112  auf  das  Küstengebiet  der  Nordsee,  einschließlich 
der  Unterelbe  bis  Hamburg,  der  Unterweser  bb  Bremen  und  des  Emsgebiets,  59  auf  das  Gebiet 
der  Oder  oberhalb  Stettin,  103  auf  das  Gebiet  der  Elbe  oberhalb  Hamburg,  3  auf  das  Gebiet 
der  Weser  oberhalb  Bremen,  54  auf  das  ganze  deutsche  Rheingebiet  und  23  auf  das  baierische 
Donaugebiet. 

Hierunter  befanden  sich  etwa  8  Bauanstalten  för  eiserne  Schiffe,  die  gleichzeitig  Dampf- 
maschinen und  Kessel  herstellten  (in  Königsberg,  Elbing,  Danzig,  Bredow  bei  Stettin,  Rostock, 
Kiel  und  Roßlau). 

Die  meisten  Bauanstalten  Preußens  waren  in  den  Provinzen  Brandenbux|r  (80},  Hannover  {70) 
und  Pommern  (48).  Von  anderen  Bundesstaaten  besaßen  Baiem  33,  Oldenburg  30,  Mecklen- 
burg 21  und  Hamburg  20  Schiffbaustellen.  Die  baierischen  Werften  waren  zum  Teil  am  Rhein, 
zum  Teil  am  oberen  Main  und  zum  größten  Teil  (23),  wie  schon  oben  bemerkt,  im  Donaugebiet 
Dort  wurden  nicht  nur  an  der  oberen  Donau  (besonders  in  Ulm),  sondern  auch  am  Lech  und 
Inn  viele  Schiffe  gebaut,  die  entweder  nach  anderen  schifil>aren  Stromstrecken  verkauft  wurden 
oder  überhaupt  nur  für  eine  einmalige  Talfahrt  bestimmt  waren. 

Wegen  des  billigen  Bauholzes  haben  sich  an  vielen  Strömen,  besonders  im  Oberläufe,  die 
Schiffbauer  mit  Vorliebe  angesiedelt.  Ein  gutes  Beispiel  zeigen  die  böhmischen  Zillen,  über 
die  früher  (S.  270)  gesprochen  worden  ist. 

Die  ersten  Schiffbauanstalten  fiir  eiserne  Schiffe,  verbunden  mit  Maschi- 
nenfabriken, entstanden  in  den  Seehäfen  und  betrieben  den  Bau  von  See- 
und  Binnenschiffen.  Später  entwickelten  sich  auch  im  Binnenlande  solche 
Unternehmungen,  gewöhnlich  aus  kleinen  Anfangen,  indem  zu  den  einfacheren 
Einrichtungen  für  den  Bau  der  eisernen  Schiffskörper  allmählich  eine  Gießerei, 
eine  Kesselschmiede,  eine  Maschinenbauanstalt,   eine  Tischlerei  usw.  traten. 

In  Abb.  526  ist  der  Lageplan  der  Werft  von  Cäsar  Wollheim  bei  Breslau 
mitgeteilt,  die  etwa  vor  10  Jahren  neu  errichtet  und  mit  allen  modernen  Ein- 
richtungen ausgerüstet  ist.  Sie  beschäftigt  heute  etwa  1000  Arbeiter,  für  die 
gleichzeitig  in  nächster  Nähe  eine  Zahl  von  Wohnhäusern  erbaut  wurde. 

Der  wichtigste  Teil  einer  Werft  für  Binnenschiffe  ist  der  Helling  mit 
der  Aufschleppe.  In  früherer  Zeit  ordnete  man  die  Mittellinie  des  Stapels, 
auf  dem  man  das  Schiff  baute,  senkrecht  zur  Uferlinie  des  Hellings  an  und 
ließ  das  fertige  Schiff  in  der  Richtung  seiner  Längsachse  (auf  einem  »Längs- 
helling«) in  das  Wasser  laufen,  wie  es  bei  Seeschiffen  noch  heute  allgemein 
üblich  ist.  Mit  der  wachsenden  Größe  der  Binnenschiffe  erkannte  man  aber, 
daß   bei  ihrer  verhältnismäßig  geringen  Festigkeit  diese  Art  des  StapeUaufs 

i)  Statistik  des  Deutschen  Reichs,  Band  VII  (1874). 


I.  ScbiffbauansEBlten,  SchiBTaafzUge  and  Docka. 


r^"   räl-, 


,  BinBeBichiBaliR. 


642  Anhang. 

sehr  schädlich  für  die  Haltbarkeit  der  Verbindungen  war.  Man  legt  daher 
jetzt  in  der  Regel  die  Mittellinie  des  Stapels  gleichlaufend  mit  der  Uferlinie 
und  baut  den  Boden  längsschiffs  und  querschiffs  in  wagerechter  Lage.  Das 
fertige  Schiff  wird  querschiffs  geneigt  und  querschiffs  zu  Wasser  gelassen 
(»Querhelling«). 

Auch  zur  Ausbesserung,  besonders  zur  Untersuchung  und  zum  Anstrich 
des  Bodens  wurden  die  Binnenschiffe  früher  allgemein  in  der  Richtung  ihrer 
Längsachse  aufgeschleppt,  indem  man  Schlitten  oder  Walzen  unterlegte.  Dies 
Verfahren  ist  aber  außerordentlich  nachteilig  und  sollte  bei  allen  Binnen- 
schiffen vermieden  werden.  Wenn  man  Schraubenschiffe  mit  dem  Heck 
voran  auf  Land  zieht,  um  irgend  welche  Arbeiten  an  der  Schraube  vorzu- 
nehmen, zeigen  sich  oft  die  nachteiligen  Folgen  später  in  einem  unruhigen 
Gang  der  Maschine,  in  Stößen  u.  dgl.  Es  sind  dann  Verbiegungen  und  Ver- 
schiebungen in  der  Welle,  im  Stevenrohr  odfer  im  Drucklager  u.  dgl.  einge- 
treten. Außerdem  werden  Lockerungen  in  den  Längsversteifungen  des  Schiffs- 
körpers hervorgerufen. 

Jetzt  bestehen  auf  allen  besseren  Werften  Querhellinge  mit  Schiff- 
aufzügen, auf  denen  die  Schiffe  mittels  besonderer  auf  Rädern  und  Schienen 
laufender  Wagen  aus  dem  Wasser  gezogen  und  umgekehrt  zu  Wasser  ge- 
lassen werden.  Die  aus  kräftigen  Eisenbahnschienen  hergestellten  Gleise  er- 
halten eine  sichere  Unterlage  von  Mauerwerk,  Beton  oder  Pfahlwerk  und 
reichen  (als  Vorhelling)  so  weit  unter  den  Wasserspiegel,  daß  auch  bei 
niedrigen  Wasserständen  unter  dem  schwimmenden  Schiffe  noch  die  für  die 
Schiffwagen  erforderliche  Höhe  vorhanden  ist.  Die  Länge  des  Hellings  und 
des  Aufzugs  (gleichlaufend  mit  der  Uferlinie  gemessen)  hängt  von  der  Länge 
der  fraglichen  Schiffe  und  dem  verfügbaren  Platz  ab  (etwa  50  bis  150  m), 
während  die  Breite  außerdem  durch  die  Neigung  der  Gleise  bestimmt  wird. 
Diese  schwankt  zwischen  i  :  8  und  1:15  je  nach  dem  verfugbaren  Platze  und 
vor  allem  nach  der  Höhe  des  Wasserstandwechsels.  Wenn  der  Wasserstand 
gar  nicht  oder  in  geringem  Maße  schwankt,  wie  bei  Werften  an  Kanälen, 
gibt  man  den  Gleisen  schwache  Neigungen  von  i  :  10  bis  1:15,  dagegen 
bei  starkem  Wasserwechsel  an  Strömen  1:8  bis  i  :  10,  um  keine  zu  große 
Hellingsbreite  zu  bekommen.  Im  ersten  Falle  genügen  oft  Breiten  von  20 
bis  40  m,  während  sie  an  großen  Strömen  zuweilen  70  bis  100  m  und  mehr 
betragen. 

Die  Schiffwagen  (Hellingwagen)  baut  man  entweder  für  schmale  Spur 
oder  für  weite  Spur.  Die  Spurweite  wechselt  zwischen  0,5  m  und  5  m.  Je 
schmaler  die  Spur  gewählt  wird,  um  so  mehr  Wj^en  und  Gleise  werden 
nötig.  Eine  weite  Spur  verdient  daher  im  allgemeinen  den  Vorzug,  beson- 
ders bei  breiten  Hellingen  an  Strömen,  wo  die  Kosten  für  die  Gleise  sehr 
erheblich  sind.  Nach  der  Spurweite  richtet  sich  auch  der  Abstand  der  Gleis- 
mitten von  einander  und  schwankt  in  entsprechender  Weise  etwa  zwischen 
4  m  und  10  m  bei  schweren  und  zwischen  5  m  und  12  m  bei  leichten  Schiffen. 


.  SchiErbsuanstdten,  SchilTaufzUge  nnd  Docks. 


643 


ShhifTbaU       \     NtiZZe 


s 


Auf  der  Werft  von  CSsar  Wollheim  [Abb.  516)  an  der  Oder  beRnden  sich  a  Schiflaofiöge 
mit  eiDer  Neigung  von  l  :  10.  Der  eine  bat  eine  L&nge  von  4S  m  und  eine  Breite  von  lo^  m, 
5  Gleise  von  je  5  m  Spurweite  nnd  dient  zum  Aufziehen  schwerer,  bis  1,4  m  tief  tauchender 
Scliiffe  bis  zu  300  t  Gewicbt;  der  andere  ist  41  m  lang,  95  m  breit,  mit  4  Gleisen  von  5  m 
Spurweite  für  leichtere  Schiffe  bis  zd  100  t  Gewicht  tiestimmt.  Neben  den  AakUgen  befindet 
sich  noch  ein  70  m  langer  Helling  ohne  Gleise,  der  gewöhnlich  für  Neubauten  benutzt  wird. 

In  Abb.  527  ist  die  Schiif- 
bauanstalt  und  der  Helling  der  Orurtdriß  I-Sooo. 

früheren  Gesellschaft  »Union' 
am  Kanalhafen  zu  Dortmund 
da^eslellt.  Auch  diese  Anlage 
stammt  aus  neuerer  Zeit  und  ist 
zwecitmißig  und  modern  einge- 
richtet. Der  Querhelling  ist 
■40  m  lang,  40  m  breit  nnd  hat 
eine  Neigung  von  i  :  11,3.  Es 
linden  darauf  4  Knoalschiife 
von  je  65  m  Länge  und  8  m 
Breite  Platz.  Die  20  Gleise 
von  je  2  m  Spurweite  liegen  in 
Abstinden  von  je  7  m. 

Aus  dem  Querschnitt  fAbb. 
518]     erkennt    man,     daß    der 
oberste  Teil  der  Gleise  auf  Auf- 
klotzungen  ruht,   so   daß    man 
zwischen   den   Gleisen   bequem 
an    den   Sehiffsboden    gelangen 
kann.     In  einem  Abstände  von 
S  m  von  dem  Ende  der  Gleise   steht  die   lO  m 
gebaute,   nach  vome  offene  Schilfbauhalle,  die 
nötigen  Maschinen,  Krane,  Glühofen  nsw.  entli 
fiütrbaren  Drehkran,  der  die  einzelnen  Bauteile 
dem  Krangleb  und  der  Halle  liegt  außerdem  ni 
dargestellten  Werften  wird  mit  Druckluft  genii 


o..  Tlachlerei   h.  ßcfüoasei^c 
c  Glüho^  d  DriKkluflleilaT^ 


Abb.  527  und  528. 


Queriacfmili  -t 
SchifTbauplatz  der  > 


Dortmund. 


tiefe,  auf  eis 
gleichfalls   1 


Den  Säulen  und  mit  eisernem  Dach 
le  LHnge  von  140  m   hat   und  [die 
der  Halle  liegt  das  Glei;  Tilr  einen 
der  Halle  lum  Helling  befürdert.    Zwischen 
in  Arbeitsgleis  von  0,73  m  Spur.    Auf  beiden 
1  man  erkeoni  in  dem  Querschnitt  (Abb.  518) 
die  gestrichelten  DmcklufUeitungen  unter  dem  Helling. 


Abb.  529  und  530.     Schiffwagen  von  0,5  m  Spur 


Abb.  529  und  530  zeigen  einen  aus  I-Eisen  iqsammengesetiten  Wagen  von  0,5  m  Spurweite 
filr  Schüfe  von  6  m  Breite  bei  einer  Neigung  des  Hellings  von  l :  15.  Der  Gleisabstand  betrigt 
4,5  m.  Der  Wagen  besteht  aus  je  z  vieriäderigen  Wagen  von  l  m  Radstand,  die  mittels  Zapfen- 
lager in  3,7  m  Abstand  durch  einen  32  cm  hohen  I-TrSger  von  6  m  Länge  verbunden^sind, 
dessen  wagerechte,  mit  einer  hüliemen  Bohle  bedeckte  Oberkante  die  Plattform  des  Wagens 
bildet,  a  sind  Keilbremsen,  die  beim  Anziehen  des  Wagens  durch  die  Stangen  *  voniden 
Ridem  abgehoben   werden,    beim   Aufhören  des  Zuges   jedoch   den  Wagen  auf  den   Schienen 


644 


Anhang. 


festhalten.  An  Stelle  dieser  Einrichtung  werden  zuweilen  an  den  Wagen  Sperrklinken  ange- 
bracht, die  in  eine  zwischen  den  Schienen  befestigte  Zahnstange  eingreifen  und  das  Hinabrollen 
des  Wagens  verhindern. 

In  den  Abb.  531  bis  533  ist  ein  aus  Blech  und  Formeisen  genieteter  Wagen  von  5  m  Spur- 
weite für  Schiffe  von  S  m  Breite  dargestellt,  wie  er  bei  einer  Neigung  von  i :  10  auf  der  Werft 
von  Caesar  Wollheim  benutzt  wird.  In  ähnlicher  Weise  wie  vorher  sind  die  auf  jeder  Schiene 
laufenden  4  Räder  paarwebe  mit  1,5  m  Radstand  durch  versteifte  1 -Träger  mit  einander  ver- 
bunden und  tragen  durch  starke  in  4  m  Abstand  angeordnete  wagerechte  Zapfen  einen  kasten- 
förmigen genieteten  Blechträger  von  8  m  Länge.  Dieser  ist  im  Querschnitt  50  cm  breit,  in  der 
Mitte  40  cm  hoch  und  auf  seiner  wagerechten  Oberfläche  mit  einer  60  cm  breiten,  4  cm  starken 
hölzernen  Bohle  abgedeckt,  die  als  Plattform  dient.  Die  auf  den  beiden  Schienen  laufenden 
Wagenhälften  sind  an  den  Enden  und  in  der  Mitte  durch  C- Eisen,  Winkel  und  Kreuzstäbe  g^at 


3diniRA-B 


'l-SO 


Abb.  53 1  bis  533.     Schiffwagen  von  5  m  Spurweite  i :  60. 


mit  einander  verbunden.  Die  Räder  haben  nicht  gleiche  Durchmesser:  Es  beträgt  der  Durch- 
messer der  unteren  Räder  60  cm,  der  der  oberen  30  cm.  Eine  gute  Schmierung  der  Radachsen 
ist  von  Wichtigkeit.     Dazu  eignet  sich  am  besten  zähflüssiges  Fett  in  Schmierbüchsen. 

Die  Fortbewegung  der  Wagen  erfolgt  in  der  Regel  durch  Drahtseile,  die  durch  am  oberen 
Ende  der  Gleise  aufgestellte  Winden  auf-  und  abgewickelt  werden.  Die  Winden  werden  entweder 
durch  Menschenkraft  bewegt  oder  durch  Kraftübertragung  mittels  Wellen  und  Rädern  von  der 
Betriebsdampfmaschine  oder  durch  elektrischen  Antrieb.  Die  letzte  Anordnung  ist  bei  den  Auf- 
zügen von  Caesar  Wollheim  angewendet.  Auf  Abb.  534  erkennt  man  die  auf  Rollen  gefilhiten 
Drahtseile  sowie  die  Winden.  Das  kleine  Häuschen  auf  der  linken  Seite  enthält  die  Steuervor- 
richtung für  den  elektrischen  Antrieb.  Da  die  Drahtseile  oft  ihre  Länge  in  verschiedenem  Ma&e 
verändern,  müssen  die  Winden  einzeln  zum  Nachspannen  und  Ausgleichen  eingerichtet  sein. 

Auch  Dockanlagen  werden  zuweilen  bei  der  Ausbesserung  von  Binnen- 
schiffen  angewendet.      Die    gelegentliche   Benutzung   solcher   für  Seeschiffe 


I.  ScbiÄbauaiisl«lten,  Schiffiofeüge  und  Dock».  645 

eiBgerichteten  Anlagen  in  Seehäfen  (z.  B.  in  Rotterdam,  Hamburg,  Stettin) 
ist  wegen  der  beträchtlichen  Kosten  selten;  dagegen  sind  in  neuerer  Zeit 
einige  besondere  Docks  für  Binnenschiffe  gebaut  worden.  Trockendocks 
haben  an  Binnenwasserstraßen  einen  verhältnismäßig  einfachen  und  billigen 
Betrieb,  wenn  sie  im  Oberwasser  eines  Stauwerks  erbaut  werden,  so  daO  sie 
durch  Ablassen  des  Wassers  in  das  Unterwasser  ohne  Anwendung  von 
Maschinen  entleert  werden  können.  Eine  solche  Anl^e  ist  in  Deutschland 
zuerst   bei   der   Schleuse  Malz  an   der  Havel -Oder- Wasserstraße   als  Privat- 


Abb.  S34-    Schiffauftilge  der  Werft  vqq  CSsar  Wollheim,  Blick  auf  den  Bauhafen  and  die  Oder. 

unternehmen  ausgeführt  worden.  Beim  Bau  des  Dortmund -Ems-Kanals 
wurde  dann  bei  Münster  in  der  Nähe  der  Schleuse  ein  staatliches  Trocken- 
dock gebaut.  Abb.  535  zeigt  den  Lageplan  der  dortigen  Doppelschleuse 
und  im  Oberwasser  das  Trockendock  von  9,5  m  Breite  und  67  m  Länge  in 
der  Sohle.  Abb.  536  zeigt  den  Querschnitt.  Die  Sohle  und  die  geböschten 
Seitenwände  sind  abgepfiastert,  während  das  Haupt  aus  Mauerwerk  hergestellt 
ist.  Die  8,6  m  weite  Toröffnung  wird  durch  ein  hölzernes  Klapptor  mit  unten 
liegender,  wagerechter  Achse  verschlossen.  Zur  Füllung  der  Dockkammer 
aus  dem  Oberwasser  dient  ein  eisernes  Rohr  (Umlauf]  von  0,5  m  Weite  und 


646 


Anhang. 


zur  Entleerung  ein  ebenso  weites  Rohr  [a  im  Lageplan},  das  in  ein  Sparbecken 
der  Schleuse  mündet.  Da  das  Schleusengeialle  6,2  m  beträgt,  war  es  nicht 
nötig,  das  Rohr  bis  zum  Unterwasser  zu  iiihren.  Das  Trockendock  hat  sich 
bewährt.  Die  Füllung  und  Entleerung  dauert  je  etwa  eine  Stunde.  Eine 
ähnliche  Anlage  ist  in  Oppeln  an  der  aufgestauten  Oder  errichtet.  Er- 
wähnungswert ist  femer  ein  aus  Stein  gebautes  Trockendock  in  Br^enz 
am  Bodensee,  das  von  der  österreichischen  Regierung  fiir  ihre  Bodensee- 
dampfschiße  angelegt  ist  und  durch  Pumpen  entleert  wird.  Im  Wolgagebiet 
sollen  6  hölzerne  Docks  vorhanden  sein,   die  als  schwimmende  DockschiiTe 


\    i- ^ KQmmep2 leSyrt \  (         \        \ 


briri.i.i.i.i.i.M.i.i.i.i.i.i.i.i.i.i.i.iJim 


^  -  .<,  V-  "«- sls ^  — «  V 


—s.e Ä^ H{ 


^iWO  QaepsdiTäüÄ'B  äardi  doa  1rodiXTvd€X^ 
Abb.   535  und  536.    Lageplan  der  Doppelschleuse  Münster  und  des  Trockendocks  nebst  Querschnitt. 

(»Kamele«)  gebaut  sind'j.  Das  erste  eiserne  Schwimmdock  für  Binnen- 
schiffe  ist  im  Jahre  1896  in  Altofen  bei  Budapest  von  der  ersten  k.  k.  priv. 
Donau-Dampfschißahrtgesellschaft  in  Betrieb  genommen  worden.  Die  Länge 
des  Docks  beträgt  60  m,  die  äuOere  Breite  21,6m  und  die  innere  Nutzbreite 
17,6  m,  so  daO  die  größten  Raddampfer  der  Gesellschaft  darin  Platz  finden. 

In  Abb.  537  ist  ein  Querschnitt  davon  dargestellt.  Die  Höbe  der  Seitenbauten  ist  4,9  m, 
die  des  Mittelkörpers  1,8  m  in  der  Mitte.  Die  als  Gitterträger  angeordneten  Spanten  liegen  in 
Abständen  von  je  i  m.     Die  Beplattung  ist  6  bis  8  mm  stark.     Der   Schwimmkörper  ist  durch 


i)  Renner,  Schwimmdock  für  Flußschiffe.  Verbandschrift  1899,  Berlin.  Dieser  Schrift  ist 
auch  die  Abbildung  des  Schwimmdocks  entnommen.  Vgl.  auch:  Handbuch  der  Ing.-Wissenscb. 
III.  Teil  Wasserbau,  II.  Bd.  Häfen,  4.  Aufl.,  III.  H.  Mönch  und  P.  Hedde,  HafendSmme,  Ufer- 
mauem,  Schiffbauanstalten,  §§  12,  13  u.  17  (1912).     Leipzig,  W.  Engelmann. 


647 

wasserdichte  Schotte  in  S  Zelleo  geteUt,  die 
eiiuelD  gefüllt  nnd  eotleert  werden  kSaneo, 
wozu  eioe  140  m  lange  Rohrleitung  von 
150  mn  Liehiweite  vorhanden  bt 

An  den  beiden  Enden  der  Seitenbauten 
ist  je  eine  Kreiselpumpe  aufgeatelli,  die  elek- 
trisch sngelrieben  wird.  Zum  Auspumpen 
des  Wassers,  also  zum  vollständigen  Heben 
des  Dock«  werden  bei  35  bis  40  Preidestärken 
34  Minuten  gebraucht.  Das  Eigeagewicbt  be- 
tragt 400  t  und  die  TragfUiglieit  840  t.  Zur 
Auflagerung  der  Schiffe  dienen  die  Kiel- 
blöcke  (i],  zur  Absteifung  14  holzeme  Kimm- 
pallen  (#),  die  durch  Handrlder,  Wellen, 
Kegel-  und  Schrsubenrilder  vom  Deck  der 
Seitenbauten  aus  bewegt  werden,  und  zur 
Seitenabstützung  4  holzeme  wagerecfate  Bal- 
ken (c),  die  in  Ihnlicher  Weise  durch  Zahn- 
stangen vorgeschoben  werden  können.  Die 
Herstellungskosten  betrugeo  etwa,  ifijooo 
Mark.  Die  Anlage  hat  sich  gut  bewihrt  und 
es  sind  jihrüch  100  bis  ilo  Schiffe  gedockt 

2.  Der  Bestand  der  Binnen- 
schiffe. 

Über  die  Zahl  der  auf  einzelnen 
Strömen  und  in  einigen  Ländern 
früher  vorhandenen  Schiffe  sind  in 
dem  geschichtlichen  Rückblick  auf 
die  Entwickelung  der  Binnenschiffahrt 
(im  ersten  Teil)  einige  Mitteilungen 
gemacht  worden.  Seit  dem  Jahre 
1872  sind  in  Deutschland  in  Zeit- 
räumen von  je  5  Jahren  amtliche 
Zählungen  der  Schiffe  vorgenommen 
und  die  Ergebnisse  von  dem  Kaiser- 
lichen Statistischen  Amte  veröffent- 
licht worden.  Die  Zählung  erfolgte 
in  den  Heimatsorten  der  SchifTseigen- 
tümer,  da  es  sich  darum  handelte, 
die  in  Deutschland  heimatberech- 
tigten Schiffe  zu  ermitteln ,  und 
zwar  gegen  Ende  des  Monats  De- 
zember, zu  welcher  Zeit  in  der 
Regel  die  Binnenschiffahrt  ruht  imd 
die  Schiffer  selbst  sich  in  ihrer  Hei- 
mat befinden.  Bei  dieser  Einrichtung 


648 


Anhang. 


Tafel  I. 


1877:  Zahl  und  Tragfähigkeit  der  Lastschiffe 


Nr. 


I 

2 

3 

4 

5 

6 

7 
S 


9 

lO 


II 

12 

»3 
14 


15 
i6 

17 
iS 

«9 


20 


21 


22 

23 
24 


25 

26 

27 
28 

29 


30 


Wasserstraßen 


von  10    von  50 


bis 
50  t 


bis 
150  t 


von  150 

bis 

250  t 


I.  Stromgebiet  des  Rheins. 

Elsaß-Lothringische  Kanäle  (mit  111,  Saar  und  oberer  Mosel)    .    . 

Mosel  (in  Preußen) 

Rhein  (mit  Ruhr,  Bodensee  und  Unterrhein  oberhalb  SchafThausen) 

Neckar 

Main 

Ludwigkanal 

Lahn 

Lippe 


Zusammen 


n.  Stromgebiet  der  Ems. 


Ems 

Zuflüsse,  Kanäle,  Jade  und  Küste 

in.  Stromgebiet  der  Weser. 


Zusammen 


Fulda  und  Werra , 

Weser  oberhalb  Bremen 

Unterweser  (einschl.  Bremen)  und  Zuflüsse 
Aller  mit  Leine 


Zusammen 

rV.  Stromgebiet  der  Elbe  ohne  die  Märkischen 

Wasserstraßen. 

Saale  mit  Unstrut 

Elbe  oberhalb  Hamburg  (mit  Ilmenau) 

Unterelbe  (einschl.  Hamburg)  und  Zuflüsse 

Elbe-Trave-Kanal  mit  Lübeck  und  Travegebiet 

Eide  unterhalb  Plan  und  Schweriner  See 

Zusammen 
V.  Märkische  Wasserstraßen. 

»  »  Zusammen 

VL  Küstengebiet  zwischen  Elbe  und  Oder 
einschl.  Schleswig-Holstein  (ohne  Travegebiet) 


VII.  Stromgebiet  der  Oder. 

Oder  bis  Haff  mit  Zuflüssen  und  Klodnitzkanal 

Haff  mit  Zuflüssen  (Peenefluß,  Ücker  u.  dgl.) 

Warthe  mit  Netze  und  Bromberger  Kanal 

Zusammen 
Vin.  Stromgebiet  der  Weichsel. 

Weichselgebiet  nebst  Küste  und  Kanälen  zum  Haff 

IX.  Wasserstraßen  östlich  der  Weichsel. 

Elbingfluß  und  Oberländischer  Kanal 

Pregelgebiet  mit  Frischem  Haff 

Memelgebiet  mit  Kurischem  Haff  und  Deime 

Masurische  Wasserstraßen 

Zusammen 
X.  Stromgebiet  der  Donau. 

Donau  nebst  Zuflüssen  und  baierischen  Seen 

Im  Deutschen  Reich  zusammen 


72 
127 

252 

159 

348 

12 

5 


7 
28 

Z32 

I 


208 


zog 

22X 

130 

4 


H7 
127 

120 

153 
197 

32 
86 

4 


40 

97 
17 


3329 


770 

456 
307 


530  '  «533 


35z  I 


192 

39 
350 

2 

^5 

15 
I 


975 

866 

6<H 

139 
427 

17 
5 

— 

566 

22 

— 

45 

17 

2 


3627    I  002  I    519 


46 


77    — 


25 

i 

145 

7  - 

277 

47 

15  . 

— 

7139  1  7818  ;  Z293 


2.  Der  Bestand  der  BinnenschifTe. 


649 


ohne  eigene  Triebkraft  in  Deutschland. 


6 

7 

S 

9 

10 

II 

12 

«3 

von  250 
bis 

▼on  300 
bis 

400  t 
und 

Zahl  aller  Schiffe 

Tragflihigkeit 

aller  Schiffe 

im  Durch- 
schnitt 

Nr. 

300  t 

400  t 

mehr 

hölzerne 

eiserne 

zusammen 

t 

t 

1 

1 

! 

45 

2 

440 

18 

458 

67444 

«47 

I 

6 

3 

— 

302 

— 

302 

25147 

83 

2 

»3 

144 

"3 

859 

211 

I  070 

218392 

206 

3 

2 

I 

2 

318 

I 

3>9 

18293 

57 

4 

— 

— 

— 

550 

550 

26606 

48 

5 

— 

— 

— 

32 

— 

32 

3812 

119 

6 

— 

— 

— 

"3 

— 

"3 

II  806 

104 

7 

— 

— 

10 

10 

683 

68 

8 

«36 

150 

i«5      ! 

2624 

230 

2854 

372  183 

— . 

159 

._ 

1 
159 

4360 

28 

9 

m 

— 

— 

432 

■ 

432 

7398 

«7 

10 

— 

— 

591              —                   591 

II  758 

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7 

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7 

«35 

19 

II 

6 

4 

I 

124 

—                    124 

16  014 

129 

12 

13 

6 

233 

33 

266 

20252 

76 

«3 

— 

— 

20 

— 

20 

1785 

89 

«4 

19 

10 

I 

384 

33                  417 

38186 

349 

349 

40143 

««5 

«5 

59 

98 

16 

I  126 

21 

I  147 

175656 

«53 

16 

25 

9 

5 

3490 

134 

3624 

120970 

34 

«7 

1              ^^" 

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91 

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91 

4342 

48 

18 

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191 

191 

995« 

52 

«9 

84 

107 

21 

5247 

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5402      i 

351  062 

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1 

3630 

I 

3631 

1 

318299 

89 

20 

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^^^ 

1 

1           429 

1 

1 

429 

13432 

34 

21 

I   HO 

4 

1 

I  114 

76230 

70 

22 

— 

— 

664 

664 

48000 

72 

23 



— 

— 

342 

—                   342 

28849 

84 

24 



1 

— 

2 116                4 

2  120 

'53079 

^^ 

_ 

609 

609 

35  7«3 

59 

25 

1 

135 

»35 

5  '69 

38 

26 

— 

— 

373 

373 

12288 

33 

27 



— 

— 

454 

— 

454 

31  010 

68 

28 



— 

— 

19 

— 

19 

I  226 

64 

29 



—                — 

981       1        — 

981 

49693 

___ 

_^ 

—m 

49 

49 

2  600 

53 

30 

239 

267       1 

137                      i 

16  660             423       1       17  083 

I  346  005              80 

Hierzu 

für  190  Sc 

hiffe  von  unbekannter  Tragföhigkeit  . 

«4  995 

I  361  000 


650 


Anhang. 


Tafel  n. 


1907:  Zahl  und  Tragfähigkeit  der  Lastschiffe 


Nr. 


Wasserstraßen 


von  IG 

bis 

50  t 


von  50  Ivon  i5oi  von  250 


I 

2 

3 

4 

5 
6 

7 
8 


9 
10 


II  \ 
12 

13 
H 


15 
16 

17 

18 

19 


20  I 


21 


22 

23 
24 


25 


26 

27 
28 

29 


30 


I.  Stromgebiet  des  Rheins. 

Elsaß-Lothringische  Kanäle  (mit  111,  Saar  und  oberer  Mosel). 

Mosel  (in  Preußen)      

Rhein  (mit  Ruhr,  Bodensee  und  Unterrhein) 

Neckar 

Main 

Ludwigkanal 

Lahn 

Lippe 

Zusammen 
n.  Stromgebiet  der  Ems. 

Dortmund-Ems-Kanal  und  Ems 

Zuflüsse,  Kanäle,  Jade  und  Küste 

Zusammen 
DL  Stromgebiet  der  Weser. 

Fulda  und  Werra » 

Weser  oberhalb  Bremen 

Unterweser  (einschl.  Bremen)  und  Zuflfiase 

Aller  mit  Leine 

Zusammen 

IV.  Stromgebiet  der  Elbe  ohne  die  Märkischen 

Wasserstraßen. 

Saale  mit  Unstrut 

Elbe  oberhalb  Hamburg  (mit  Ilmenau) 

Unterelbe  (einschl.  Hamburg)  und  Zuflüsse 

Elbe-Trave-Kanal  mit  Lübeck  und  Travegebiet 

Eide  unterhalb  Plan  und  Schweriner  See 

Zusammen 
V.  Märkische  Wasserstraßen. 

»  »  Zusammen 

VI.  Küstengebiet  zwischen  Elbe  und  Oder 
einschl.  Schleswig-Holstein  (ohne  Travegebiet) 

Vn.  Stromgebiet  der  Oder. 

Oder  bis  Haff  mit  Zuflüssen  und  Klodnitzkanal 

Haff  mit  Zuflüssen  (Peenefluß,  Ücker  u.  dgl.) 

Warthe  mit  Netze  und  Bromberger  Kanal 

Zusammen 
Vni.  Stromgebiet  der  Weichsel. 

Weichselgebiet  nebst  Küste  und  Kanälen  zum  Haff    .... 

IX.  Wasserstraßen  östlich  der  Weichsel. 

Elbingfluß  und  Oberländischer  Kanal 

Pregelgebiet  mit  Frischem  Haff 

Memelgebiet  mit  Kurischem  Haff  und  Deime 

Masurische  Wasserstraßen 

Zusammen 
X.  Stromgebiet  der  Donau. 

Donau  nebst  Zuflüssen  und  baierischen  Seen 

Im  Deutschen  Reich  zusammen 


3 
5 

35 


43 


bis 
150  t 


bis 
250  t 


bis 
300  t 


70 

37 
z6o 

85 
61 


85 
163 

107 

9 

4 


3    .      — 


359 

577 

1       416     ; 

368 

52 
708 

99 

31 

1 
15 

2 
2 

760 

130 

15 

4 

13 

19 
50 

2 


"5 

38 


xa    < 


12 

14 
I 


84 


65 


27 


1 

24 

24 

56 

15 

144 

121 

114 

48 

2863 

2690 

281 

66 

43 

169 

16 

— 

19 

20 

24 

— 

3093 

3025 

491 

129 

"3 

149 

3x04 

131 

X65 

63 

13 

5 

139 

164 

799 

172 

118 

91 

38« 

170 

12 

30 

371 

10 

269 

285 

1558 

'   352 

1 

130 

72 

235 

II 

13 

1 

86 

I 

118 

143 

30 

23 

9 

112 

X3X 

1   84 

H 

25 

— 

— 

154 

366 

162 

107 

9 

10 

2 

_ 

5095 

4760 

6060 

1  1134 

2.  Der  Bestand  der  BinnenschifTe. 


651 


ohne  eigene 

Triebkraft 

in  Deutschi: 

änd 

7 

8 

9 

10 

II 

12 

13 

14 

!    15 

16 

17 

1 

I 

von  300 
bis 

von  400 
bis 

von  500 
bis 

von  600 

bis 

von  700 
bis 

von  800 
bis 

von  900 
bis 

1 

1 

über 

Aller  Schüfe 

im  Durch- 
schnitt t 

1 

Gesamt- 

Nr. 

400  t 

500  t 

600  t 

700  t 

800  t 

900  t 

1000  t 

1000  t 

Zahl 

traj^ähigkeit 
t 

66 

3 

I 

I 

367 

72019 

196 

1 

1 

1 
1 

I 

53 

7 

2 

^— 

2 

— 

— 

313 

78454 

250 

2 

157 

112 

125 

118 

139 

173 

97 

674 

1  2244 

1611  185 

718 

3 

8 

2 

— 

210 

33158 

'«! 

4 

14 

6 

5 

I 

3 

— 

3 

300 
28 
18 

»3 

41304 
2452 

975  1 
404 

138 
87 
54 

3« 

5 
6 

7 
8 

298 

130 

133 

118 

141 

7 

178 
7 

97 
52 

677 

3  493 
252 

I  839951 
83546 

i 

7 

7 

2 

I 

333 

9 

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741 

16000 

21 

10 

7 

7 

2 

I 

7 

7 

52 

1 

993 

99546 

1 

1 

I 

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17 

1396 

82 

1 
II 

22 

39 

18 

29 

— 

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159 

60986 

384 

12 

49 
II 

34 

6 

36 

3 

2 

2 

269 
26 

81794 
6447 

304 
1   248 

13 

14 

83 

73 

*4 

65 

3 

2  1 

2 

471 

150623  1 

1 
1 

224 

31 

10 

3 

I 

I 

I 

1 
I 

391 

121  862 

1 
312 

15 

161 

267 

276 

225 

96 

44 

39 

18 

1553 

689903 

444 

16 

154 

"5 

158 

106 

33 

27 

27 

29 

6549 

747  053 

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17 

2 

"" 

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230 
63 

19537 
7149 

85 
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18 

19 

541 

413 

444 

334 

130 

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1   48  f 

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1585504  1 

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13  9H 

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20 

5 

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602 

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2 

1  2  270 

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277 

22 

18 

I 

I 

— 

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790 

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184 

23 

4 

I 

4 

I 

— 

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433 

89309 

206 

24 

624 

215 

180 

2 

3 

— 

— 

3  493 

863  864 

1 

1 

28 

»5 

4 

I 

___ 

496 

79047 

160 

25 

2 

104 

7  100 

68 

1 

1 

26 

6 

6 

I 

— 

— 

I 

329 

36770 

112 

27 

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— 

— 

350 

06  249 

189 

28 

— 

— 

—— 

— 

— 

'    39 

2936 

75 

29 

22 

6 

I 

— 



I 

822 

113055 

1 

1 

1 
540 

3 

5 

6 

44 

28 

•■^^ 

2 

109 

58941 

30 

1903 

974 

1   879 

574 

314 

258 

218  ; 

730 

22  923 

5  725  258 

250 

Hierzu  für  24  Schiffe  von  unbekannter  Tragfähigkeit   .  5  742 

5  731  000 


652  Anhang. 

war  es  allerdings  nicht  immer  möglich,  bei  der  Zählung  alle  Schiffe  zu 
besichtigen,  weil  ein  Teil  davon  auswärts  zu  überwintern  pflegt.  Anderer- 
seits würde  das  Verfahren,  alle  Schiffe  möglichst  gleichzeitig  auf  der  Fahrt 
während  des  Betriebes  zu  zählen,  auch  zu  mancherlei  Schwierigkeiten  ge- 
führt haben;  denn  viele  Schiffe  befinden  sich  vorübergehend  im  Auslande 
und  von  den  auf  den  Wasserstraßen  angetroffenen  Schiffen  ist  ihre  Heimat- 
berechtigung nicht  immer  mit  Sicherheit  festzustellen.  Außer  den  eigent- 
lichen Binnenschiffen  sind  auch  die  in  den  Strommündungen,  den  Haffen 
und  Meeresbuchten  verkehrenden  Fahrzeuge  (Küstenschiffe)  gezählt  worden, 
soweit  sie  nicht  als  Seeschiffe  anzusehen  waren. 

Grundsätzlich  sollten  nur  die  zur  gewerbsmäßigen  Personen-  und  Güter- 
beförderung bestimmten  Schiffe  aufgenommen  werden.  Lastschiffe  mit  einer 
Tragfähigkeit  unter  lo  t,  sowie  die  nur  für  eine  einmalige  Talfahrt  bestimmten 
sind  nicht  gezählt,  dagegen  alle  Dampfschiffe.  Kraftschiffe  mit  Gasmaschinen 
und  mit  elektrischem  Antrieb  sind  erst  bei  der  letzten  Zählung  im  De- 
zember 1907  besonders  berücksichtigt  worden,  während  sie  in  den  früheren 
Jahren  teilweise  zu  den  Dampfschiffen  gerechnet  wurden.  Die  erste  Auf- 
nahme des  Bestands  der  Binnenschiffe  von  1872  führte  infolge  der  damit 
verbundenen  Schwierigkeiten  zu  unzuverlässigen  Ergebnissen. 

In  den  Tafeln  I  und  II  sind  nach  den  Zählungen  von  1877  und  1907 
die  Zahl  und  die  Tragfähigkeit  der  Lastschiffe  ohne  eigene  Triebkraft 
für  die  einzelnen  Wasserstraßen  und  Stromgebiete  zusammengestellt  worden. 
Dabei  ist,  abweichend  von  der  Einteilung  des  Statistischen  Amts,  für  die 
Märkischen  Wasserstraßen  (zwischen  Elbe  und  Oder)  ein  besonderer  Abschnitt 
eingeführt  und  der  Elbe-Travekanal  nebst  dem  Gebiet  der  Trave  zum  Strom- 
gebiet der  Elbe  gezogen  worden.  Ein  Vergleich  der  beiden  Tafeln  gibt  hin- 
sichtlich der  Vermehrung  und  Vergrößerung  der  Lastschiffe  während  des 
Zeitraumes  von  30  Jahren  lehrreiche  Aufschlüsse. 

In  der  Tafel  in  ist  für  die  einzelnen  Stromgebiete  das  Alter  der  hölzernen 
und  eisernen  Lastschiffe  im  Jahre  1907  zusammengestellt,  soweit  es  höher 
ist  als  20  Jahre.  Bei  den  hölzernen  Schiffen  kann  man  aus  diesen  Ergeb- 
nissen auf  ihre  Lebensdauer  schließen:  Im  Durchschnitt  erreichen  von  allen 
deutschen  hölzernen  Schiffen  nur  etwa  23  v.  H.  (Spalte  8)  ein  Alter  von 
20  Jahren  und  1,4  v.  H.  (Spalte  7)  ein  Alter  von  50  Jahren.  Doch  schwanken 
diese  Zahlen  sehr;  denn  von  den  Weserschiffen  waren  z.  B.  61  v.  H.  über 
20  Jahre  alt,  während  auf  den  Märkischen  Wasserstraßen  nur  etwa  5  v.  H. 
dies  Alter  erreicht  haben.  Aus  den  Ergebnissen  über  die  eisernen  Lastschiffe 
kann  man  nicht  in  ähnlicher  Weise  auf  ihre  Lebensdauer  schließen,  sondern 
nur  rückwärts  auf  die  Zeit  ihrer  Erbauung. 

In  der  Tafel  IV  sind  die  Zahl  und  die  Pferdestärken  der  deutschen 
Dampfschiffe  zusammengestellt,  so  weit  sie  im  Jahre  1907  im  gewerblichen 
Betriebe  der  Binnenschiffahrt  standen.  Es  ergibt  sich  daraus,  in  welcher 
Weise  die  2518  Dampfer  mit  zusammen  466173  PSi  sich  auf  die  einzelnen 


2.  Der  Bestand  der  BinnenschifTe. 


653 


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654 


Anhang. 


Tafeiiv.    1907:  Zahl  und  Stärke  der  Dampfschiffe  in  Deutschland. 


8 


Nr.l 


I 

2 

3 

4 
5 


6 
7 


8 
9 

lO 

II 


12 

13 
H 

15 
i6 


17 


i8 


19 

20 
21 


22 


23 

24 
«5 

26 


Wasserstraßen 


Personen- 
schiffe 


Zahl 


Pferde- 
stärken 


Güterschiffe         ,  Schleppschiffe 


I   Trag- 
Zahlfähigkeit 

t 


iPferde- 
stärken 


Zahl 


Pferde- 
stäiken 


27 


L  Stromgebiet  des  Rheins. 

Elsaß-Lothringische  Kanäle  (mit  111  und  Saar)    . 

Mosel • 

Rhein  (mit  Ruhr,  Bodensee  und  Unterrbein)  .    . 

Main 

Lahn 

Zusammen 

IL  Stromgebiet  der  Ems. 

Dortmund-Ems-Kanal  und  Ems 

Zuflüsse,  Kanäle,  Jade  und  Küste 

Zusammen 

III.  Stromgebiet  der  Weser. 

Fulda  und  Werra 

Weser  oberhalb  Bremen 

Unterweser  (einschl.  Bremen)  und  Zuflüsse .  .  . 
Aller  mit  Leine 

Zusammen 

IV.  Stromgebiet  der  Elbe. 

Saale  mit  Unstrut 

Elbe  oberhalb  Hamburg  (mit  Ilmenau)  .... 
Unterelbe  (einschl.  Hamburg)  und  Zuflüsse  .  .  . 
Elbc-Trave-Kanal  mit  Lübeck  und  Travegebiet. 
Eide  unterhalb  Plau  und  Schweriner  See   .    .    . 

Zusammen 

V.  Märkische  Wasserstraßen. 

»  »  Zusammen 

VI.  Küstengebiet  zwischen  Elbe  u.  Oder 
einschl.  Schleswig-Holstein  (ohne  Travegebiet)  . 

VII.  Stromgebiet  der  Oder. 

Oder  bis  zum  Stettiner  Haff  mit  Zuflüssen  .  .  . 
Haff  mit  Zuflüssen  (Peenefluß,  Ücker  u.  dgl.)  .  . 
Warthe  mit  Netze  und  Bromberger  Kanal  .    .    . 

Zusammen 

Vni.  Stromgebiet  der  Weichsel. 
Weichselgebiet  nebst  Küste  u.  Kanälen  zum  Haff 

IX.  Wasserstraßen  östlich  der  W^eichsel. 

Elbingfluß  und  Oberländischer  Kanal 

Pregelgebiet  mit  frischem  Haff 

Memelgebiet  mit  Kurischem  Haff  u.  Deime  .  . 
Masurische  Wasserstraßen 

Zusammen 

X.  Stromgebiet  der  Donau. 

Donau  mit  Zuflüssen  und  baierischen  Seen.    .    . 

Im  Deutschen  Reich  zusammen 


2 

3 

I02 

7 


1X4 
650 

34541 
426 


52 
I 


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21364 
196 


30 

16034 
35 


33« 
10 

2 


7 
3 


339 
92 1 


3 
I 


2491 
35 


350  ii  37 
15  — 


2 

6 

10 


57 
638 

I  107 


I 

2 

5 


146 
180 
642 


45 
110 

375 


16 

45 

2 


6    135 

86   7  772 

197  19068 

5  i   420 

2!    87 


5 
27 

39 

2 

I 


1403 

4330 
4828 

26 

85 


I  610 

3014 
4264 

3« 
90 


78 

424 

20 

I 


112 


1154811  49 


7528 


•I 


4429;,  214 


40 


2 114  I   3 


1301    Uli    II 


34 
13 

4 


3969, 

15 

I  761 

1 
14111 

216 

1 136 

7 

657 

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16 

228' 

7 

534 

465 

18 

41 


3796 '  13 


2255 


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1 168 

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21 


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28167 

66947 

1512 

26 


296,27482'    741  10672  I    9009!!   523  I     96652 


29513 


398 


37325 
I  289 

I  780 


5M   5333'    291   29521   27561I  250 1    40394 


2742 


2  562 

«340 
216 


25     2303     35;   4486'   3046:    49       4 118 


12     2 172  /  — 
719 1 92  712  1270153191 ;  38  444 II»  529 1  3350x7 


1 


2.  Der  Bestand  der  BinnenschifTe. 


055 


Wasserstraßen  verteilen.  Von  den  Personendampfem  sind  viele  in  den  See- 
häfen heimatberechtigt  und  dienen  zum  Teil  mehr  der  KüstenschifTahrt  als 
der  BinnenschiiTahrt. 

Die  Einteilung  zwischen  Personen-,  Güter-  und  Schleppdampfern  ist  nicht 
ganz  zutreffend;  denn  manche  Personendampfer  befördern  auch  Güter  und 
viele  Personen-  und  Güterdampfer  werden  auch  zum  Schleppen  benutzt.  Die 
Schleppdampfer  überwiegen  übrigens  erheblich,  nicht  nur  an  Zahl,  sondern 
vor  allem  an  Stärke.  Es  ist  bemerkenswert,  daß  im  Dezember  1907  noch  46 
aus  Holz  gebaute  Dampfschiffe  gezählt  wurden. 

In  der  Tafel  V  sind  die  Zahl  und  Stärke  der  Kraftschiffe  mit  Gas- 
maschinen nach  der  Zählung  vom  Dezember  1907  zusammengestellt.  Die 
Mehrzahl  entfallt  auf  die  Elbe  und  besonders  auf  Hamburg.  Auch  hier  sind 
nur  die  im  gewerblichen  Betriebe  beschäftigten  Schiffe  gezählt  worden. 

Tafel  V.  1907:  Zahl  und  Stärke  der  Kraftschiffe  mit  Gasmaschinen  in 

Deutschland. 


5 


8 


Nr. 


Wasserstraßen 


Personenschiffe 


Zahl 


PS 


Güterschiife 


Zahl 


Trag- 
fähigkeit 


PS 


Schlepper 


Zahl 


PS 


I 

2 

3 
4 

5 

6 

7 
8 

9 
10 


Stromgebiet  des  Rheins    • 

Kmsgebiet  und  Dortmund-Ems-Kanal     . 

Stromgebiet  der  Weser 

Elbegebiet  ohne  Märkische  Wasserstraßen 

Märkische  Wasserstraßen 

Küstengebiet  zwischen  Elbe  und  Oder  . 

Odergebiet 

Weichselgebiet 

Wasserstraßen  östlich  der  Weichsel    .    . 
Donaugebiet 

Im  Deutschen  Reich  zusammen 


40 

4 

3 

154 

57 

41 

30 
6 

5 

4 


344 


536 

46 

32 

«233 
617 

472 

261 

72 

44 
32 


35 

2 


4188 
949 


264 

4 
19 


2948 

78 

137 

3 


625 
136 


1612 

37 
158 

3 


13 

5 

I 
I 


3345   325   8303  I  2571 


22 


17 


98 
68 

4 
9 


ig6 


das  sind  691  Kraftschifie  mit  61 12  Pferdestärken  (vgl.  S.  633). 


Außerdem  dienten  dem  Gewerbebetriebe  elektrisch  betriebene  Schiffe: 
4  Personenschiffe  mit  zusammen  13  Kilowatt-Stärke 

44  Güterschiffe  mit  zusammen   8631  t  Tragfähigkeit   und    zusammen 
264  Kilowatt 

I  Schlepper  mit  18  Kilowatt  (vgl.  S.  635). 
Bei  der  amtlichen  Zählung  wurden  ferner  ermittelt: 

45  Ketten-  und  Seildampfschiife  mit  zusammen  7561  PSi 
und     6  Eisbrechdampfer  *  >  4630    » 

Um  die  Vermehrung  der  deutschen  Schiffe  seit  dem  Jahre  1877  zu 
zeigen,  sind  die  Ergebnisse  der  7  amtlichen  Zählungen  in  abgerundeten  Zahlen 
in  der  Tafel  VI  zusammengestellt.    Die  sehr  starke  Zunahme  der  gesamten 


666 


Anhang. 


Tragfähigkeit  der  Lastschiffe  von  3307000  t  im  Jahre  1897  auf  4720000  t  im 
Jahre  1902  ist  zum  Teil  auf  die  während  dieser  Zeit  erfolgte  neue  Eichung 
der  Schiffe  (S.  25 1)  zurückzufuhren.  Diese  führte  zu  teilweise  erheblich  größeren 
Zahlen,  die  für  die  Schiffe  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  im  Durchschnitt 
30  V.  H.  betrug. 

Für  das  Jahr  1877  sind  keine  Pferdestärken  angegeben,  weil  damals  die 
» effektiven  €  Pferdestärken  ermittelt  waren  und  diese  nicht  einwandfrei  in 
indizierte  umgerechnet  werden  können.  Der  Inhalt  dieser  Tafel  ist  zum  Teil 
in  Abb.  538  zeichnerisch  dargestellt. 

Abb.  538. 
I^rmdirar^  den  deutschen  Birmenschiffh, 


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Die  bisherigen  Mitteilungen  beziehen  sich  nur  auf  die  bei  den  amtlichen 
Zählungen  ermittelten  in  Deutschland  heimatberechtigen  Schiffe.  Das  gibt 
an  sich  noch  kein  ganz  zutreffendes  Bild  von  den  auf  den  einzelnen  Wasser- 
straßen verkehrenden  Schiffen;  denn  einerseits  kommt  es  vor,  daß 
Schiffe  nicht  auf  den  Gewässern  verkehren,  an  denen  ihr  Eigentümer  seinen 
Wohnsitz  hat,  und  andererseits  befahren  viele  ausländische  Schiffe  die  deut- 
schen Wasserstraßen.  Das  trifft  besonders  fiir  die  Gebiete  des  Rheins,  der 
Elbe  und  der  Donau  zu,  während  auf  den  östlichen  Wasserstraßen  die  Zahl 
der  russischen  Schiffe  unbedeutend  ist. 


2.  Der  Bestand  der  Binnenschiffe. 


657 


Alle  den  Rhein  befahrenden 
Schiffe  werden  durch  den  Rhein; 
Schiffregister- Verband  (S.  366)  seit 
dem  Jahre  1879  etwa  alle  2  Jahre 
ermittelt  und  in  »Registern«  zusam- 
mengestellt'). Dazu  werden  noch 
» Statistische  Auszüge «  hergestellt, 
die  über  die  auf  dem  Rhein  ver- 
kehrende Flotte  eine  gute  Übersicht 
geben.  Es  sind  alle  Lastschiffe  und 
Dampfschiffe  darin  aufgenommen, 
die  im  gewerblichen  Betriebe  be- 
schäftigt sind;  Kraftschiffe  mit  Gas- 
maschinen sind  anscheinend  bisher 
nicht  berücksichtigt  worden.  Da- 
gegen ist  auch  die  Schiffsmann- 
schaft festgestellt  und  in  die  Aus- 
züge aufgenommen  worden. 

In  der  Tafel  VII  ist  der  Stand 
der  Rheinflotte  nach  den  Registern 
für  1908  und  19 10  ersichtlich  ge- 
macht. Die  betreffenden  Zahlen 
gelten  fiir  den  Monat  August  dieser 
Jahre.  Da  die  letzte  Zählung  der 
Reichstatistik  den  Stand  vom  3 1 .  De- 
zember 1 907  angibt,  können  die  be- 
treffenden Zahlen  (Spalte  3)  wohl 
mit  denen  des  Registers  von  1908 
in  Vergleich  gestellt  werden.  Es 
muOten  aber  die  Schiffe  des  Boden- 
sees und  Unterrheins  abgezogen 
werden,  weil  das  Register  diese  nicht 
enthält.  Andererseits  sind  von  den 
Ergebnissen  des  letzteren  die  Schiffe 
der  Westfälischen  Transport-Aktien- 
gesellschaft in  Abzug  gebracht  wor- 
den, weil  diese  nicht  auf  dem  Rhein 
verkehren. 

Der  Vergleich  ergibt  bei  den  Last- 
schiffen ohne  eigene  Triebkraft,  daß  die 
Zahl  der  im   deutschen  Rheingebiet    heimat- 


i)  Herausgegeben    von    der    Versiche- 
rungsgesellschaft Providentia  in  Frankfurt  a.  M. 

Teubert,  Binnenschiffahrt. 


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42 


658 


Anhang. 


Tafel  Vn. 

Die  Rheinflotte  nach  den  Rheinschiffregistern  von  1908  und  1910. 


2 


8 


Nr. 


Jahr  1908 


'  Schiffe  im 
I  deutschen 
I    Rhein- 

[gebiet  vor-    deutsche 
,   handen 


Auf  dem  Rhein  verkehrende  Schüfe  nach  den 
Rheinschiffregistem 


hollän- 
dische 


bel- 
grische 


andere 
fremde 


zusammen 


I 

2 

3 

4 

5 

6 

7 
8 

9 
10 

II 

12 

13 

14 

15 
16 

17 

18 

19 


20 
21 
22 

23 

24 

25 
26 

27 

28 

29 

30 
31 
32 

33 
34 
35 
36 

37 
38 


3476 

1 149 

2327 

I  837  106 

358 

1347 

674 

493 

94 

55 

346 

182  744 

i 

Lastschiffe  ohne  Triebkraft 

davon  hölzerne 

und  eiserne 

Tragfähigkeit  aller  Schiffe  . 

Zahl  der  Schiffe  unter  50  t 

»       »         >  von  50-^300 1 

>  >         »      über  1000  t 
Zahl  der  Mannschaften  . 
Dampfschiffe  zusammen 
davon  Raddampfer  .    . 
und  Schraubendampfer 
darunter  Personenschiffe 

>  Güterschiffe    . 

>  Schleppschiffe 
Pferdestärken  zusammen 
desgl.  der  Raddampfer 

»         >  Schraubendampfer 

Mannschaft  der  Raddampfer 

»        Schraubendampfer 

Jahr  1910 

Lastschiffe  ohne  Triebkraft    .    . 

davon  hölzerne 

und  eiserne 

Tragfähigkeit  aller  Lastschiffe.    .    • 

Zahl  der  Schiffe  unter  50  t  Tragf. . 

»       »         >       von  50  l>is  300 1 . 

>  >         >        über  1000 1  •    .    . 

Zahl  der  Mannschaften 

Dampfschiffe  zusammen  .    .    .    . 

davon  Raddampfer 

und  Schraubendampfer 

darunter  Personenschiffe 

*         Güterschiffe 

»         Schleppschiffe 

Pferdestärken  zusammen 

desgl.  der  Raddampfer 

>  *     Schraubendampfer  .    .    . 
Mannschaft  der  Raddampfer    .    .    . 

»  »     Schraubendampfer . 


2743 
679 

2064 

I  827  204 

178 

749 
747 
7829 
617 
140 

477 

»34 
62 

388 

186  151 

100718 

85433 
I  610 

2373 


4832 

M39 

3  393 
I  391  882 

40 

3476 

234 
II  484 

525 
3» 

494 
27 

83 

408 

82640 

II  420 

71  220 

278 

2201 


2033 

94 

934 

70 

1099 

24 

665  583 

21  652 

41 

— 

845 

77 

39 

— 

4591 

251 

153 

f 

8 

152 

8 

5 

I 

61 

— 

85 

4 

23554 

965 

200 

— 

23354 

965 

7 

716 

39 

9702 

3  122 

6580 

3906321 

259 

5  »47 
I  020 

2415s 

1303 
172 

I  131 

167 

206 

885 

293310 

112  338 

180972 

1895 
5329 


2999 

4884 

2316 

89 

10288 

644 

976 

986 

61 

2667 

2355 

3908 

»330 

28 

7677 

2094881 

I  619425 

800292 

23  114 

4537712 

177 

46 

39 

— 

262 

783 

3223 

864 

63 

4  933 

853 

315 

61 

— 

I  229 

8524 

II 568 

5  »77 

229 

25498 

709 

608 

176 

4 

1497 

151 

32 

2 

— 

185 

558 

576 

174 

4 

I3"2 

139 

27 

5 

I 

172 

80 

92 

74 

— 

246 

451 

480 

96 

2 

I  029 

209  727 

107  925 

27774 

4SS 

345  881 

II0313 

12  240 

340 

122  893 

99414 

95685 

27434 

455 

222  988 

1693 

295 

II 



1999 

2566 

2526 

823 

»9 

5  934 

2.  Der  Bestand  der  Binnenschiffe.  659 

berechtigten  Schiffe  (3476)  erheblich  größer  bt  als  die  den  Rhein  befahrenden  deutschen  Schiffe 
[2743).  Das  erklärt  sich  daraus,  daß  viele  Schiffe  im  Gebiet  der  Nebenflüsse  und  in  Elsaß- 
Lothringen  nicht  auf  dem  Hauptstrom  verkehren.  Das  müssen  kleine,  besonders  hölzerne  Schiffe 
sein;  denn  die  Tragfähigkeit  aller  im  deutschen  Rheingebiet  heimatberechtigten  Schiffe  ist  nur 
um  rund  10  000  t  größer  als  die  der  auf  dem  Rhein  verkehrenden  deutschen  Schiffe.  Das  wird 
auch  durch  die  größere  Zahl  der  Schiffe  mit  Tragfähigkeiten  unter  50  t  und  unter  300  t  nach 
der  Reichstatistik  bewiesen. 

Daß  die  Zahl  der  großen  Schiffe  über  1000  t  TragOUiigkeit  nach  dem  Register  (747)  größer 
ist  als  nach  der  Reichstatistik  (674},  läßt  sich,  abgesehen  von  neu  eingestellten  Schiffen  in  der 
Zeit  vom  i.  Januar  bis  i.  August,  vielleicht  daraus  erklären,  daß  eine  2^hl  deutscher  Schiffe 
aus  anderen  Stromgebieten  (z.  B.  aus  Bremen  oder  Hamburg)  über  See  nach  dem  Rhein  ge- 
kommen sind.  In  ähnlicher  Weise  kann  auch  die  größere  Zahl  der  Dampfschiffe  nach  dem 
Register  (6x7)  gegen  die  der  Reichstatistik  (493)  entstanden  sein.  Die  gesamte  Stärke  der  deut- 
schen Dampfer  beträgt  nach  dem  Register  etwa  3400  PSi  mehr.  Daß  die  Einteilung  der  Dampf- 
schiffe in  Personen-,  Güter-  und  Schleppschiffe  nicht  übereinstimmt,  ist  auf  ihre  zum  Teil  wech- 
selnde Benutzung  zurückzuführen. 

Man  erkennt  aus  den  Zusammenstellungen,  daß  der  deutsche  Anteil  an  der  Rheinschiff- 
fahrt nicht  einmal  die  Hälfte  beträgt. 

Ausland. 

Die  gesamte  Don  au  flotte  bestand  etwa  im  Jahre  iQoi')  aus: 

263  Raddampfern  mit  .     .     .     105000  PSi 
134  Schraubendampfem  mit,       19000     > 


Zusammen  397  Dampfschiffe  mit  .     .     .     134000  PSi 

Femer:  1637  eiserne  Lastschiffe  von    692  000  t  Tragfähigkeit 

1280  hölzerne         »  »       300000  >  » 


Zusammen  2917  Lastschiffe  von.     .     .     992000t  Tragfähigkeit 

Die  Donauflotte  ist  mithin  erheblich  kleiner  als  der  deutsche  Anteil  an  der  Rheinflotte. 

In  Frankreich  wird  in  etwa  5jährigen  Zeiträumen  eine  amtliche  Zählung  der  auf  den 
französischen  Wasserstrasen  gleichzeitig  verkehrenden  Schiffe  vorgenommen. 

Im  Jahre  1896  wurden  gezählt: 

254  Personendampfer 

98  Güterdampfer      mit  12805  PSi 
222  Schleppdampfer   >     25  850    > 

77  Kettendampfer 

Zusammen  651  Dampfschiffe 

Femer:  15793  Lastschiffe  von  3442250  t  Tragfähigkeit. 
Im  Jahre  1907  wurden  gezählt: 

15  410  Lastschiffe  von  3841  745  t. 
Von  diesen  hatten 

7850  Schiffe  mehr  als  300  t  Tragfähigkeit 

2  405        »         300  bis  200 »  » 
I  522        »          200    »     100 »  > 

3  633        »  100    »        3  » 

Von  Normalschiffen  (mit  38,5  m  Länge  und  5  m  Breite)  wurden  7521  mit  2631  816  t  Trag- 
fähigkeit gezählt.  Von  eisemen  Schiffen  gab  es  nur  1396,  die  vorwiegend  auf  den  nordöstlichen 
Wasserstraßen  verkehrten. 

Von  den  gezählten  Lastschiffen  waren  12 661  französische,  2204  belgische,  400  deutsche 
und  45  holländische  und  luxemburgische. 

Im  Jahre  1907  wurden  im  ganzen  nur  610  Schiffe  mit  eigener  Triebkraft  gezählt. 


i)  Suppan,  Wasserstraßen  und  Binnenschiffahrt,  1902. 

4** 


660  Anhang. 

In  Rußland  erfolgt   alle   5  Jahre  eine   statistische  Ermittelung  der  vorhandenen  Binnen- 
schiffe. 

Im  Jahre  1895  wurden  gezählt  (in  Europa): 

811  Personendampfer  mit  161  000  PSi 

88  Güterdampfer  »       2$  000     » 

1393  Schleppdampfer      *     273000     » 

23  Kettendampfer         »         3  000     > 

77  »Dienstdampfer«     »       19  000     > 

Zusammen  2392  Dampfschiffe  mit  48 1  000  PSi 

Femer:  20580  Lastschiffe  von  8630000  t  Tragfähigkeit. 

Im  Jahre  1900  wurden  gezählt: 

looi  Personendampfer 

105  Güterdampfer 
18 12  Schleppdampfer 
23  Kettendampfer 

354  "Dienstdampfer« 

Zusammen  3295  Dampfschiffe  mit  rund  580000  PSi 

(darunter  17 18  Dampfer  im  Wolgagebiet). 

Femer:  22859  Lastschiffe  von  11  130000  t  Tragfähigkeit  (damnter  1437  Schiffe  mit  Trag- 
fähigkeiten über  100  000  Pud  =  1638  t). 

Im  Jahre  1906  wurden  gezählt: 

♦  3897  Dampfschiffe  mit  mnd  750000  PSi 

imd   etwa   21000   Lastschiffe   von   rund    13000000  t  Tragfähigkeit   {darunter   1974  Schiffe    mit 
Tragfähigkeiten  über  1638  t). 

Zu  den  Dampfschiffen  ist  zu  bemerken,  daß  die  Personendampfer  zum  großen  Teil  auch 
Guter  befördern  und  häufig  zum  Schleppen  benutzt  werden.  Die  Angaben  in  PSi  sind  nicht 
ganz  genau,  da  die  amtlichen  Mitteilungen  zum  Teil  in  >nominalen<  Pferdestärken  gemacht  werden. 


Stichwörter 

(zur  Ergänzung  des  Inhaltsverzeichnisses). 


Aak  (Schiflf)  292. 
Ablauf  359. 
Abort  420. 

Ähnlichkeitsgesetz  592. 
Allerschiff  322. 
Allgemeines  Landrecht  54. 
Ankergeschirr  421. 
Aulassen  der  Gasmaschine  603, 

611. 
Anstrengung  des  Kessels  514. 
Anstrich  der  Schiffe  378,  429. 
Anthrazit  491. 
Asche  492. 
Atmosphäre  503. 
Atmosphärische  Maschine  527. 
Auf  langer  375. 
Aufschleppe  640. 
Ausrüstung  der  Schiffe  421,  583. 
Außenhaut  383. 
Ausstattung  der  Schiffe  41 1,  583. 

Backbord  236. 
Balanceruder  401. 
Barke,  Barsche  332. 
Baustoffe  371. 
Bauvorschriften  364. 
Begakanal  67. 
B^landre  304. 
Beliana  333. 
Benzin  610. 
Benzinmaschinen  606. 
Beplankung  376. 
Bergholz,  Bergplatte  387. 
Berlin-Stettiner-Kanal  203. 
Beschaffung  v.  Schiffen  429, 597. 
Beurt-  oder  Börtfahrt  50,  97, 121. 
Biland  =  B^landre  304. 
Binger  Loch  59,   177. 
Binnenschiffahrtkongresse  1 63 . 
Blechstöße  384. 
Boberkette  421. 

Boden  des  Schiffs  347. 
Bodensee-Schiffahrt  1 14. 
Boidack  267. 
Bolindermaschine  618. 
Brahe  208. 
Braunkohlen  491. 


Bremsversuche  589,  605. 
Brennstoffe,  feste  491. 

—  flüssige  497. 

—  Verbrauch  610,  616. 
Breslauer  Maß  (Schiff)  276. 
Breuschkanal  108. 
Bromberger  Kanal  44,  208. 
Bronsmaschine  619. 
Brügge,  Seekanal  6. 
Brüssel,  Seekanal  6. 
Bugform  349. 

Bühne  378,  41 1. 
Bundstaken  428. 

Chaland  304,  330. 
China,  Kanäle   13,  32. 

Dahme-Wasserstraße  206. 
Dampfdruck  503. 

—  gesättigt  502. 

—  -Kessel  511. 
Mantel  505. 

—  -Maschine  527. 
Schieber  527. 

1 Steuerwinde  584. 

—  überhitzt  508. 

—  -Verbrauch  507. 
Deckbalken  391. 

—  bewegliches  397. 

—  festes  362. 

—  -Planken  392. 
Sprung  359,  548. 

—  -Stützen  393. 
Dennebaum  =  Tennebaum  362. 
Deplacement  =  Verdrängung. 
Diagramm  des  Indikators  506. 
Dieselmaschine  611. 

Docks  645, 

Donau-  Dampfschiffahrtgesell- 
schaft 143. 

—  -Kanal  222. 

—  -Schiffe  66,  324. 

Theiß-Kanal   225. 

Doppelschraubenschiff  470,  562. 
Dortmund-Ems-Kanal  211,  314. 
Dreh  flügelschraube  623. 
Drosselklappe  505. 


Drucklager  468. 
Druckverlust  des  Dampfs  504. 
Duchten  377,  388. 
Dynamometer  597. 

Effektive   Leistung  =   Nutzlei- 
stung. 

Eichschein  253. 

Eiderkanal  49. 

Einender  (Kessel)  512. 

Eisbrechdampfer  561. 

Eisen  zum  Schiffbau  373. 

Eisernes  Tor  144,  224. 

Elbe-Spree-Kanal  172. 

Trave-Kanal  212.    . 

Elbing-Oberländ.-Kanal  139. 

Eibschiffe  53,   120,  286. 

Elbstrom-Bauverwaltung  125. 

Eide-Wasserstraße  130. 

Elektrische  Boote  634. 

Elster-Saale-Kanal  201. 

Ems- Jade-Kanal   172. 

Emsschiffe  115. 

Emster-Gewässer  128. 

Erdöl  498. 

Erftkanal  113. 

Erzeugende  der  Schraube  462. 

Expansion  des  Dampfs  507,  527. 

Explosionsmotoren  s=3  Gas- 
maschinen. 

Fahrbäume  428. 
Fehrbelliner  Kanal  132. 
Festigkeit  des  Eisens  373. 

—  der  Schiffe  247,  361. 
Fingerling  (Ruder)  404. 
Finowkanal  42. 

Maß  135. 

—  -Schiflf  274. 
Fischwehre  23. 
Flamänder  (Schiff)  302. 
Flurwinkel  381. 
Flußzölle  18. 

Flute  (Schiflf)   305. 
Fortbewegung  der  Schiflfe  437. 
Fortgang  der  Schraube  455. 
Fox-Terrier  (Schiflf)  311. 


662 


Stichwörter. 


Frachtdampfer  ^  Güterdampfer. 
Frachten  17,  59,  97i  >o2,  108, 

122,  127,  149»  156. 
Frankenthaler  Kanal  63. 
Franzenskanal  67. 
Franz-Josef-Kanal  67. 
Freibord  250,  346. 
Freihäfen  57. 
Friedrichsgraben  46. 
Friedrich-Wilhelm-Kanal  39. 
FiÜlungsgrad  507. 

Gabare  (Schiff]  284. 
Galler  >        284. 

Gamsen       »        66,  329. 
Gangbord  =  ßordgang  237. 
Ganghöhe  der  Schraube  455. 
Gaserzeuger  620. 
Gasmaschine  599. 
— ,  Vorzüge  627. 
Gasreiniger  621. 
Gebinde  395. 
Gegenpropeller  474. 
Generator  =  Gaserzeuger. 
Gent-Temeuzen-Kanal  6,  72. 
Germanischer  Lloyd  368. 
Geschwindigkeit  d.  Schiffe  439, 

59'. 
Gewicht  der  Benzinmasch.  607. 

Dampfmaschinen  545. 

Dieselmaschinen  615. 

Kessel  525. 

Lastschiffe  346. 

—  —  Sauggasmaschinen  623. 
Gilden  und  Zünfte  16,  51. 
Girlasche  (Schiff)  66,  329. 
Gleichdruckmaschine  605,  611. 
Glühhaube  616. 
Großschif&hrtweg  Berlin- 
Stettin  208. 

Güterdampfer  556,  577,  582. 

Hacke  (Ruder)  408. 
Haftpflicht  59. 
Hakenruder  401. 
Hammermaschine  529. 
Handelskammer  57. 
Hanekenkanal  115. 
Hängebühne  411. 
Haupter  120. 

Havel-Oder-Wasserstraße  43. 
Heckform  349,  360. 
Heckrad  450. 

Dampfer  542,  579. 

Heißdampf  508,  517. 
Heizfläche  514. 
Kraft  492. 

—  -Stoffe  491,  497. 


Helling  374,  640. 
—  -Wagen  642. 
Helmholz  401. 
Hengst  (Schiff)  313. 
Herft  396. 
Hema  (Schiff)  312. 
Holz  zum  Schiffbau  372. 
Hoogaart  (Schiff)  313. 
Hunte-Ems-Kanal  115. 

Ihle-Kanal  44. 
Indikator  505. 
Joggein  384. 

Kabelgatt  412. 
Kadole  (Schiff)  304. 
Kaffe  351. 

Kaiser- Wilhelm-Kanal  6. 
Kajüten  412. 
Kalorie  492. 
Kammerkanal  130. 
Kastenschiffe  335. 
Keilform  351. 
Kerosine  610. 
Kessel  511. 

Stein  528. 

Kettenschiffahrt  122,   146. 
Kielholz  292. 

Schwein  382. 

Sohle  468. 

Kimm  358. 
Klampen  419. 
Klassifikation  364. 
Klodnitzkanal  45. 

Schiff  282. 

Klüsen  419. 
Knie  375. 
Köcher  (Mast)  395. 
Kohlen  491. 
Kohlenverbrauch  510. 
Koker  (Ruder)  409. 
Kollisionsschott  388. 
Kolomenka  334. 
Kondensation  527. 
König-WUhelm-Kanal  141. 
Kosten  der  Dampfschiffe  598. 

Lastschiffe  429. 

Kraffohlkanal  47. 
Kraftboote  628. 
Kranschiffe  343. 
Kühleinrichtung  341. 
Kühlung  der  Gasmasch.  603. 
Küstenschiffahrt  6. 

Laderaum  363. 
Ladefähigkeit  240. 
Ladungsdampfer  =  Güter- 
dampfer. 


Lahnschiff  308. 
Landrecht,  allgemeines  54. 
Landseen  10. 
Landwehrkanal  132. 
Lastenmaßstab  247. 
Lebensdauer  der  Schiffe  652. 
Leckwerden  242. 
Leerebene  253. 
Leertiefgang  346. 
Lehnung  358. 
Leinpfad  25,  60. 
Leipzig-Elbe-Kanal  172. 

Saale-Kanal  201. 

Leistung    der  Dampfmaschinen 
507,  588. 

Gasmaschinen  605,  610. 

Leuchtgasmaschine  599. 
Linienrisse  244,  352,  548. 
Lloyd  368. 
Löffelform  352. 
Ludwigkanal  112,  198. 
Luftdruckmaschine  527. 
Luftpumpe  d.  Dampfmasch.  528. 
Luisenstädt  Kanal  132. 
Luken  393. 
Luksüll  362,  393. 

Maasspitz  (Schiff)  311. 
Mainschiff  64,  112,  307. 
Mallboden  373. 
Malzer  Kanal  130. 
Manchester-Seekanal  6. 
Manometer  503. 
Margotat  (Schiff]  329. 
Mariensystem  75. 
Marinekessel  511. 
Märkische    Wasserstraßen    126, 

206. 
Marktschiffe  24,  59. 
Mamois  (Schiff)  330. 
Maschinenleistung  507, 589, 605. 
Maschinentelegraph  586. 
Mast  (Bewegung)  426. 
Mastköcher  395,  398. 
Masurische  Kanäle  46,  219. 
Mechanischer    Wirkungsgrad 

589,  628. 
Mecklenburg.    Wasserstraßen 

129. 
Merklinge  395. 
Mervedekanal  229. 
Metazentrum  240. 
Mignole  (Schiff)  312. 
Mittellandkanal  213. 
Mittelschott  337,  580. 
Modell  (vom  Schiff)  379. 
Moorkanäle   115. 
Mürtelschiff  338. 


Stichwörter. 


663 


N 


Moselschiff  309. 
Motorboote  628. 
Motoren  =  Gasmaschinen. 
Mücke  (beim  Mast]  427. 
Mühlen  20. 

Nasholz  303. 

Neckarschiff  63,  iio,  305. 
Niederlagsrecht  16. 
Nietung  (der  Schiffe)  384. 
Nominelle  Pferdestärke  588. 
Nordholländ.  Kanal  5. 
Notte  132. 
Nutzleistung  der  Maschinen  588, 

605. 
Nutzpferdestärke  605,  610. 

Oberländer  Kahn  268. 
Oberländisch.  Kanal  139. 
Oderkahn  272. 

Schiffe  52,  135,  274. 

Spree-Kanal  173,  204- 

—  -Strombauverwaltung  190. 

—  -Weichsel- Wasserstraße  207. 
Öhringskette  421. 
Oktroivertrag  58. 
ölmaschinen  611. 
Oranienburger  Kanal  130. 
Oszillierende  Maschine  535. 
Otter  (Schiff)  313. 
Overdracks  32. 

Pallklötze  374. 
Pannerdensche  Kanal  71. 
Paraffin  610. 
Penische  302. 
Persennig  394. 

Personenbeförderung  59,  74,  96, 
128,  143,  146. 

Dampfer  555,  567. 

Petroleum  498,  606,  610. 
Pfahlproben  597. 
Pferdestärke   507. 
Pflicht  (Deck)  391. 
Plätte  (Schiff)  66,  329. 
Plattendeck  394. 
Planer  Kanal  43. 
Planer  Maß  (Schiff)  284. 
Pleit  (Schiff)  313. 
Pointu  (Schiff]  304,  311. 
Poller  418. 
Potdechsel  237. 
Praam  (Schiff)  313. 
Prahm  (Form)  349. 
Prallschiff  486. 
Preßluft  611. 
Probefahrt  510. 
Prony scher  Zaum  589. 


Propeller  437. 
Providentia  366. 
Püddeling  311. 
Pumpen  419. 
Pünte  (Schiff)  313. 

Radkasten  447,  454. 
Rahmenspant  388,  583. 
Rangfahrt  50,  97,  121. 
Rauch  494. 

—  -Verminderung  518. 
Raumbalken  388. 
Gehalt  262. 

—  -Stringer  389,  583. 
Razin  (Schiff)  328. 
Reaktionspropeller  486. 
Receiver  529. 
Registertonne  262. 
Reibhölzer  387. 
Reihefahrt  50,  97,  121. 
Reisekahn  265. 
Reling  392. 

Reversionsgetriebe  624. 
Rheinbrücken  107. 

Maas-Kanal  172. 

Marne -Kanal  108. 

—  -Rhone-Kanal  70,  96. 
Rheinsberger  Gewässer  203. 
Rheinschiff  61,  loo. 

Register  366,  657. 

Rhein-See-Schiffahrt  6. 
Rheinstrom-Bauverwaltung  105. 
Rhein -Weser -Elbe -Kanal  172, 

217. 
Rhoneschiff  330. 
Riffelblech  386. 
Rinnsparren  394. 
Ritzel  (Getriebe)  413. 
Rohöl  498,  611. 
Rostfläche  513. 
Rostock-Berliner-Kanal  173. 
Rotterdam,  neue  Wasserweg  5. 
Rücklauf  438. 
Ruderblatt  401. 
Ruppiner  Kanal  45. 
Ruß  494. 

Saaleschiff  291. 
Saarkanal  113. 

Schiff  310. 

Sakrow-Paretzer  Kanal  201. 
Sättigung  des  Dampfs  503. 
Sauggasmaschine  620. 
Schachtel  (Schiff)  66,  329. 
Schandeck  377. 
Schanzkleid  392. 
Schaufelrad  439. 
Schaulinie  506. 


Scheich  (Schiff)  307. 
Scheuerleiste  387. 
Schieber  (Ruder)  408. 

—  (Dampfmaschine)  527. 
Schiff  (Zeitschrift)  162. 
Schiffahrtabgaben  195,  213. 
Schiffahrtkongreß  163. 
Schiffahrtsakten  81. 
Schiffaufzug  642. 
Schifibauanstalt  639. 
Schiffdurchlaß  23. 
Schiffergilden  16,  51,  58,  63. 
Schiffswiderstand  592. 
Schiffwagen  642. 
Schleppbetrieb  96,  119,  146. 

Dampfer  551,  562,  579- 

Geschirr  587. 

—  -Kette  428. 

Leistung  594. 

Monopol  216. 

Schlensenkiel  468. 

j  Schlüpf  438,  445»  465. 
Schmierung  der  Maschinen  545, 

604. 
Schnürboden  373. 
Schorbaum  428. 
Schottwände  377,  388. 
Schrauben  455. 

Dampfer  471,  531,  551. 

Form  459. 

Rad  472. 

—  -Schirm  482. 

Steigung  461. 

Welle  468. 

Schrecke  (Schricke)  428. 
Schult  (Schiff)  313. 
Schwanzwelle  469. 
Schweberuder  401. 
Schwimmdock  646. 

Fähigkeit  239. 

Ruder  452. 

Schwingende  Maschine  535. 
Schwungrad  603. 
Seckenburger  Kanal  141. 
Seefang  405. 

Seekanäle  6. 

See-Leichter  (Prähme)  7,  320. 

Segelbank  (Ducht)  378,  398. 

Seilklemme  587. 

Seitenraddampfer  471,  535,  562. 

Seitenstringer  389. 

Sentelnaht  375. 

Sicherheitschott  388. 

Silokanal  202. 

Sknibber  620. 

Slip  =  Schlüpf  =  Aufschleppe. 

Sog  450- 

Spandauer  Kanal  132. 


^ 


661 


Stichwörter. 


Spannung  des  Dampfs  503. 
Spanten  375,  378. 

Riß  244. 

Spill  426. 
Spiritus  606,  610. 
Spitzbeck  (Schiff)  312. 
Sponung  376. 
Spoykanal  63. 
Spnrng  359,  548. 
Spunden  377. 
Stabilität  240. 
Stahl  (zum  Schiffbau)  373. 
Stand  (Deck)  391. 
Stapelrecht  16. 
Stauwehre  21. 
Stecknitzfahrt  28. 
Steifheit  (Stabilität)  240. 
Steinkohlen  491. 
Steuerbord  236. 

Diele  401. 

—  -Ruder  400. 

Winde  412,  585. 

Steuerung  d.  Dampfmasch.  527. 
Steven  376,  383. 

Rohr  468. 

Störkanal  130. 
Storkower  Gewässer  132. 
Stracklatte  374. 
Strahlschiff  486. 
Strau,  Streck  411. 
Struden  66,  143,  221. 
Swiderski-Maschine  616. 

Tafeldeck  394. 
Tankschiff  335. 
Teltowkanal  219. 
Templiner  Gewässer  45. 
Tennebaura  362. 
Thermischer  Wirkungsgrad  589, 

628. 
Tjalk  312. 
Torf  491. 
Toue  (Schiff)  304. 
Tragfähigkeit  240,  250. 
Trauner  328. 
Treidelei  mit  Pferden  24,  56,  62, 

68,  98,  "7,  147. 
Trockendock  645. 

TroUhättakanal  78. 
Trossenklemme  587. 

Winde  587- 

Tunnelheck  475. 
Turbinenpropeller  486. 
Schraube  473. 

Überhitzter  Dampf  508,  517. 
Überlastung  der  Maschine  628. 
Umladerecht  17. 


Umlaufzahl  der  Räder  442,  453. 

—  —  Schraube  466. 
Umsteuerung  der  Dampfm.  528. 

—  —  Gasmasch.  623. 
Unfallverhütung  527. 
Unstrut  126. 
Unterhaltungskosten  der  Schiffe 

435'  599- 

Verbrennung  492. 

Verbrennungsmotoren  =  Gas- 
maschinen. 

Verbundmaschine  529. 

Verdampfungskraft  494. 

Verdeck  394. 

Verdrängung  239,  246,  348. 

Vereinigte    Transport-Versiche- 
rungs- Gesellschaften  364. 

Vergaser  606. 

Veritas  (Gesellschaft)  366. 

Verkehr  auf  den  Wasserstraßen : 

—  Berlin   133. 

—  Donau  145,  659. 

—  Elbe  124. 

—  Elsaß-Lothringen  108. 

—  Eriekanal  155. 

—  Finowkanal  131. 

—  Frankreich  149,  659. 

—  Havel  128. 

—  Klodnitzkanal  46. 

—  Lahn  112. 

—  Lippe  1 14. 

—  Ludwigkanal  112. 

—  Main  1 1 1 . 

—  Memel   141. 

—  Mosel   113. 

—  Neckar  109. 

—  Oder  135. 

—  Pregel    139. 

—  Rhein  62,   103,  658. 

—  Rußland  660. 

—  Spree  132. 

—  Weichsel   138. 

—  Weser  117. 
Vermehrung  der  Schiffe  655. 
Verpuffungsmaschinen  605. 
Versicherungsanstalt  105,  364. 
Verwaltung     der     Märkischen 

Wasserstraßen  206. 
Viertaktmaschine  602. 
Völligkeitsgrad  244,  34S. 
Vorstrom  465. 
Voßkanal  203. 

Waal  (Penische)  302. 
Waidling  (Schiff]  301. 
Wall  schiene  237. 


W^alzenkessel  5x1. 
Wärmeeinheit  492. 

Verluste  497,  515. 

Warpschiffahrt  54,  76. 
Warzenblech  386. 
Wasser- Ausschuß  194. 

Dampf  502. 

Linien  239,  244. 

—  -Posten  59. 

Rohrkessel  521. 

Stoß  486. 

Wegerung  411. 
Wehrlücken  22. 
Weichsel-Haff-Kanal   138. 

—  -Nogat-Kanal  138. 
Schiffe  283. 

Strombauverwaltung   192. 

W^endegetriebe  624. 
W^entowkanal  45. 
Werbellinkanal  43. 
Weserschiffe  56,  117,  3x7. 
Wiener  Donaukanal  222. 

—  Durchstich  222. 
Wilhelmkanal  (Neckar)   108. 
Willebroeckkanal  72. 
Wippruder  401. 

Wirkungsgrad  der  Dampfm.  589. 
Gasmaschinen  628. 

—  des  Kessels  513. 
Propellers  438,  589. 

—  —  Schaufelrads  447. 

—  der  Schraube  466. 
Wittine  267. 
Wolgaschiffe  331. 
Woolfsche  Maschine  529. 
Wrangen  374. 

Zeebrügge  (Hafen)  6. 

Zeilkast  (Schiff)  294. 

Zentralkommission  f.  d.  Rhein- 
schiffahrt 80. 

Zentralverein  für  BinnenschifT- 
fahrt  x6i. 

Zerstäuber  501. 

Zille  66,  270,  308,  329. 

Zölle  x8. 

Zollgesetz  von  x8i8  X26. 

Verein  87. 

Zollverschluß  420. 

Zugkraftmesser  597. 

Zugleistung  594. 

Zündung  der  Gasmaschinen  607. 

Zünfte  16. 

Zweiender  (Kessel)  512. 

Zweischraubenschiffe   470,  562. 

Zweitaktmaschine  600. 

Zwillingsmaschine  529. 


Druck  von  ßreitkopf  &  Härtel  in  Leipzig. 

i'" AR  2     1920 


II.  KapiteL  Binnenschiffahrtskanäle. 

Bearbeitet  von  2>r.-3n0.  Ed*  Sonn69  Geh.  Batirat,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  Darmstadt. 

Geschichtliches.  —  Wirtechaftliche  und  technische  Voruntersuchangen.  —  Linienführung  geplanter  Kanäle.  — 
Querschnitt  der  Strecken.  —  Erdarbeiten.  —  Dichtung  des  Kanalbettes.  —  Uferbefestigung.  —  Schleusen.  —  Wasser- 
verbrauch und  Wassenrerluste.  —  Beschaffung  des  Wassers.  —  Entlastungsanlagen.  Sicherheitstore.  —  Brücken.  — 
Kanalhäfen.  —  Erweiterungen.  —  Betrieb.  —  Bau  und  Unterhaltungskosten. 

IIL  Kapitel.  Kanalisierung  der  Flflsse. 

Bearbeitet  von  W«  BdCkdr^  Baurat  in  Mainz. 

Zweck,  allgemeine  Anordnung,  Vorteile  und  Nachteile  der  Kanalisierungen.  —  Nutzung  der  Wasserkraft  der  Stau- 
stufen. —  Lage  derselben.  —  Die  Wehranlage.  —  Neuere  bewegliche  Wehre.  —  Die  Schifuschleusen.  —  Seitenkanäle. 

—  Ausgeftihrte  FluDkanalisierungen.  —  Bedienung  und  Unterhaltung  derselben.  —  Kanaliserungskosten. 

VL  Band,  4.  Auflage,  Flußbau. 

29  Bogen  Text,  311  Textfiguren,  31  Lichtbildblätter  und  7  Tafeln.    1.  Lief.  1907.    Geh.  M.  8.— . 
2.  Lief.  1909.  Geh.  M.  4.— .  3.  Lief.  1910.  Geh.  M.  4.— .  In  einem  Bande  geh.  M.  16.— . 

In  Halbfranz  geb.  M.  19. — . 

I.  Kapitel.  Allgemeines. 

Bearbeitet  von  Dr.'Sng.  Ffftnz  Kreiltdr^  Geh.  Hofrat,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  Manchen. 

Wesen  und  Ziel  von  Flußbauten.  —  Vorarbeiten.  —  Theorie  der  Geschiebeführuns.  —  Berechnune  der  Normal- 
profile und  Normalbreiten.  —  Wechselseitige  Beziehungen  zwischen  Wasser«  und  GeschiebefQhrung.  —  LinienfQhrung. 

—  Verbesserungsarten.  Verbesserungsmittel.  — BaustofTe,  Ba>ibestandteile.  Werkzeuge  und  Baugeräte.  —  Ausführung 
der  Flußbauten.  —  Von  der  Anlage,  Erhaltung  und  Benutzung  der  wasserbaulichen  Pflanzungen.  —  Bauanschlag  und 
Bauentwurf. 

11.  Kapitel.  Verbaunng  der  Wildbäche. 

Bearbeitet  von  demselben. 

Entstehung  und  Wesen  der  WildbSLche.  —  Vorbauung  der  Wildbäche.  —  Grundschwellen  und  Sperren.  —  FQhrung 
der  Wildbäche  über  die  Schuttkegel.  —  Verkehrswege  und  Wasserkraftanlagen  an  Wildbächen.  —  Durchführung  und 
Erhaltung  von  WildbachTerbauungen.  —  Beispiele. 

IIL  Kapitel.  Bändigung  der  Gebirgsflflsse. 

Bearbeitet  von  demselben. 

Kennzeichnung  der  GebirgsOQsse.  —  Mittel  zu  ihrer  Bändigung.  —  Ableitung  der  Binnengewässer,  —  Mündungen. 

—  SchutÜagerplätze.  —  Beispiele. 

IV.  Kapitel.  Verbesserung  der  schiffbaren  Flflsse. 

In  3.  Auflage  bearbeitet  von  Professor  Ed.  Sonil6  in  Verbindung  mit  anderen  Fachgenossen,  in  4.  Auflage  bearbeitet 

von  Professor  F.  Kreuter. 

VIL  Band^  4.  Auflage,  Landwirtschaft!.  Bodenverbesserungen, 
Fischteiche,  Flußdeiche,   Deichbau   und   Deichschleusen. 

46  Bogen  Text,  672  Textflguren,  7  Tafeln  und  2  Tabellen.   1.  Lief.,  1007.  Geh.  M.  8.—.   2.  Lief., 
1909.  Geh.  M.  12.— .  3.  Lief.,  1911.   Geh.  M.  9.— .    In  einem  Bande  geb.  M.  29.— . 

In  Halbfranz  geb.  M.  32.— . 

I.  Kapitel.  Landwirtschaftliche  Bodenverbesserungen.  (Meliorationen.) 

Bearbeitet  von  Dr*  J«  SpöttlO^  Kgl.  Oberregierangsrat  im  Staatsministerium  des  Innern  and  Professor  für  landwirt- 

schaftl.  Meliorationswesen  an  der  Technischen  Hochschale  in  München. 

Wesen  and  Bedeutung  einer  geregelten  Wasserwirtschaft.  —  Haaptkulturarten.  —  Beschleanigang  der  Versickernng 
and  Verdanstung.  —  Ansamrolunff  des  Wassers.  —  Behandlung  der  Bäche  and  Flüsse.  —  Entwässerung  der  Knltur- 
ländereien.  —  Bewässerung  derselben.  —  Schädigende  Nebenwirkungen  moderner  Tiefbauten.  —  KultiTierung  der  Moor- 
böden; der  Heide-  und  Sandflächen  des  Binnenlandes;  der  Sanddflnen  längs  der  Meeresküsten. 

IL  Kapitel.  Fischteiche. 

Bearbeitet  yon  P«  Oorhftrdty  Geh.  Oberbanrat  und  vortragendem  Rat  im  Ministerium  der  dffentl.  Arbeiten  in  Berlin. 
Bauwerke  an  den  Fischteichen.  —  Rücksichtnahme  auf  die  Fischzucht  bei  Flußreguliernngen. 

III.  Kapitel.  Flufideiche. 

In  1.— 3.  Auflage  bearbeitet  von  H.  Garbe  (f),  Geh.  Baurat  und  Professor  in  Berlin,  in  4.  Auflage  von 

Oberingenieur  Wey  {f)  in  Rorschach. 

IV.  u.  V.  Kapitel.  Seedeiche»  Deichschleusen. 

In  1.—^.  Auflage  bearbeitet  von  demselben.    In  4.  Auflage  unverändert  neugedruckt. 

Fortsetzung  siehe  4.  Umschlagieite. 


f 


VIIL  Band^  4.  Auflage.  SchifiFsschleusen, 

24  Bogen  Text,  402  Textfiguren  und  11  Tafeln.   1904.  Geh.  M.  11.—.  In  Halbfranz  geb.  M.  14.—. 

Bearbeitet  Ton  L.  Brennecke»  Geh.  Marine-Baurat  a.  D.  in  Frankfurt  a.  M. 

•  ^ 

Allgemeines.  —  SchleusenkSrper.  —  Tore.  —  Bewegungsvorrichtungen.  —  Einrichtungen  zur  Wassererspamis.  — 
Vorrichtungen  für  große  Gefälle.  —  Nebenanlagen.  —  Betrieb  und  Untcirnaltung. 

Vierter  Teil.  Die  Baumaschinen 

Zweite  und  dritte  vermehrte  Auflage.  Unter  Mitwirkung  von  L.  Franzius  (f ), 
begründet  von  F.  Liticke,  herausgegeben  von  H.  Weihe. 

I.  Band,  3.  Auflage.    Einleitmig,  Baggermaschinen.    Rammen 
und  zugehörige  Httlfsmaschinen>  Wasserhebemaschinen. 

31  Bogen  Text,  717  Textflguren  und  14  Tafeln.    1910.    Geh.  M.  24.—.  In  Halbfranz  geb.  M.  27.—. 

Einleitung. 

'  Bearbeitet  von  F?-44ncke9  Geh.  Baurat,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  Dannstadt. 
Die  Maschinenarbeit  im  Bauwesen.  —  Geschichtliche  Entwickelnng. 

I.  Kapitel.  Baggermaschinen. 

FQr  tlie  3.  Auflage  bearbeitet  von  H.  Weihe,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  Chariottenburg. 

I.  Allgemeiner  Teil.  Einleitung.  —  Geschichtliche  Entwickelang.  —  Allgemeines  über  Löten,  Heben  und  Fortr 
schaffen.  —  Betriebskraft.  —  Aufgaben  und  Einteilung  der  Bagger. 

Die  Naßbagger. 

II.  Wänden-  undKranbagger.  A.  Löffelbagger.  Allgemeine  Anordnung.  Bauarten.  —  B.  Greifbagger.  All- 
gemeine  Anordnung  und  Wirkungsweise.  —  Zweiketten greifer.    Einkettengreifer.  —  Größe  und  Leistung  der  Gretßiag^^. 

—  Verwendung  und  Arbeitsweise.  —  Betriebskosten. 

m.  Eimer-  und  Schaufelkettenbagger.    Allgemeine  Anordnung  und  Grundfonnen.  —  Schau felkettenbagfer. 

—  Arbeitsweise  der  Eimerbagger.  — -  Bauart  der  Eimerkette,  Eimer,  Glieder,  Bolzen,  Eimerleiter,  Turas.  Tragrollen  und 
FtlhrungsroUen,  Leiterbock,  Schttttrichter,  Schflttrinnen.  —  Antrieb  der  Eimerketle.  —  Winden  und  HebeTorrichtungen. 
Maschinen-  und  Kesselanlagff.  —  Elektrisch  betriebene  Eimerbag^er.  —  Schiffskörper.  —  Eimerbagger  mit  Propeller.  — 
Eimerbagger  mit  Laderaum.  —  Leistung  mit  Kraftbedarf.  —  Betnebskosten.  —  AusgefQhrto  Konstruktionen. 

IV.  Saugbagger,  a)  Allgemeines:  Wirkungsweise,  Einteilung  und  Arbeitsweise.  —  b)  Kolbenpumpenbagger:  Bau- 
art und  Leistung.  —  c)  Kreiselpumpenbagger:  Die  Bodenforderung.  —  Anordnung  der  Kreiselpumpenbagger.  —  Kreisel- 
pumpen. —  Saugleitungen.  —  Schwimmende  Druckleitungen.  —  Vorrichtungen  zum  Lösen  des  Bodens.  —  Schachtbagger. 

—  EntleerungsYorrichtunsen  der  Schachtbagger.  — -  Saugbagger  System  Frühling.  —  Saugbagger  mit  Druckleitung.  — 
Saugbagger  mit  verschiedenen  Arbeitsweisen.  —  Leistung,  iCraftbedarf,  Betriebskosten. 

V.  Vereinigte  Eimer-  und  Pumpenbagger  (Verbundbagger).  —  Eimerbagger  mit  Schwemmvorrichtnng.  — 
Eimer-  und  Saugbagger. 

VI.  Mittel  und  Einrichtungen  zur  Beseitigung  des  Baggcrbodens.  —  Übersicht  der  in  Betracht 
kommenden  Verfahren.  —  Lange  Schflttrinnen.  —  Spülrohre.  —  Transporteure.  —  PrUimc.  —  Kranbagger.  —  Eleratoren. 

—  Schwemmbagger  und  Schutensauger. 

Vn.  Vorrichtungen  zur  Unterstützung  der  Selbsttätigkeit  des  Stromes  beim  Fortbewegen  der 
Bodenmassen.  Allgemeines.  —  Eggen  und  Kratzer.  —  Verwendung  von  Druckluft.  —  SpUbagger  von  Kretz.  — 
Rlihrwerke.  —  Spülflöße.  —  Schlickpflug. 

Die  Trockenbagger. 

VIII.  Allgemeines  über  Trockenbagger.    Anwendungsgebiet,  Einteilung  und  Arbeitsweise. 

IX.  TroekenbaggermitEinzelförderung.  Greifbagger.  —  Anordnung,  Verwendung  und  Betrieb  der  Löffelbagger. 

X.  Trockenbagger  mit  stetiger  Forderung  (Eimerkettenbagger).  Allgemeine  Anordnung. —  Gruße  und  Lei- 
stung normaler  Hoch-  und  Tiefbagger.  —  Bauarten  der  Tiefbagger  und  Hochbagger.  —  Betriebskost  ti.  —  Eimerketten- 
bagger für  Sohderzwecke.  —  Literatur. 

IL  Kapitel.  Rammen  und  zugehörige  Hfllfmaschinen. 

Für  die  3.  Auflage  bearbeitet  von  H.  Weihe,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  Charlottenburg. 

111.  Kapitel.  Wasserhebemaschinen. 

Bearbeitet  von  O«  Berndt,  Geh.  Baurat,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  Darmstadt 

Wasserschöpfmaschinen.  Wurfrad.  Pumprad.  —  Schöpfen  des  Wassers  in  Gef&ßen.  —  Heben  desWasaers  in 
beweglichen  Kanälen.  —  Wasserschraube  und  Wasserschnecke.  —  Ketten  pumpen. 

Kolbenpumpen,  a)  Kolbenpumpen  mit  geradlinig  hin  und  her  gehenden  Kolben.  —  Allgeroeines.  —  Theoretische 
Erörterungen  über  die  Bewegung  des  Wassers  in  den  Röhren,  Ventilen  usw.  —  Zylinderabmessungen.  —  Bestimmung 
der  Betriebskraft.  —  Einfach-  und  doppeltwirkende  Pumpen.  —  Transmissionspumpen.  —  Dampfpumpen.  —  Pumpen 
mit  mehreren  Kolben.  -~  Rohrbrunnen.  —  Schieberpumpen.  —  b)  Kolbenpumpen  mit  schwingenden  Kolben 
(Flügel pumpen.)  — c)  Pumpen  mit  umlaufenden  Kolbenpumpen  (Kapselpumpen.) 

Zentrifugalpumpen.  Wirkungsweise  und  Haupteigenschaften.  —  Theorie.  —  Bauart.  —  Verwendbarkeit,  Auf* 
Stellung  und  Inbetriebsetzung. 

Verschiedene  Maschinen  und  Vorrichtungen  zur  Wasserförderung.  Hydraulischer  Widder.  —  Pnlso. 
meter.  —  Heber.  —  Wahl  der  geeigneten  Art  der  Wasserhebung  für  die  im  Bauwesen  vorkommenden  AnCiKaben  unter 
Berücksichtigung  der  Anlage-  und  Betriebskosten.  —  Anhang:  Untersuchung  der  Pumpen.  —  Literatur. 


Druck  von  Breitkopf  A  Härtel  in  Leipzig.