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Full text of "Die Bronzen der Sammlung Loeb"

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DIE 

BRONZEN 

DER 

SAMMLUNG  LOEB 

HERAUSGEGEBEN  VON 

JOHANNES  SIEVEKING 


•MÜNCHEN- 1913- 


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VORWORT. 

Die  in  diesem  Bande  vereinigten  Bronzen,  deren  Yeröff ent- 
liehung ihr  Besitzer  James  Loeb  mir  freundschaftlich  an- 
vertraut hat,  haben  jetzt  mit  den  übrigen  Antiken  seiner  reich- 
haltigen und  auserlesenen  Sammlung,  aus  der  die  Arretini- 
schen  Gefäße  bereits  von  G.  H.  Chase  veröffentlicht  sind,  ihren 
Platz  in  dem  Museumssaal  seines  Münchner  Heims  gefunden. 
Der  größere,  aus  der  Sammlung  Porman  stammende  Teil  stand 
früher  als  Leihgabe  im  Fogg-Museum  der  Harvard-Universität. 
Hierzu  sind  in  den  letzten  Jahren  allerlei  Neuerwerbungen 
hinzugekonmien,  ohne  ein  bestimmtes  Programm,  sondern  wie 
sie  der  Zufall  des  Antiken-Kunstmarktes  brachte,  gesammelt. 
Daraus  erklärt  sich  das  sehr  mannigfaltige  Bild  des  Bestandes 
und  der  große  Qualitätsunterschied  der  Stücke.  Nicht  auf- 
genommen sind  die  drei  berühmten  jonisch-etruskischen  Drei- 
füße, weil  sie  in  größerem  Format  in  den  Brunn-Bruckmann- 
schen  Denkmälern  erscheinen  werden.  Was  die  Anordnung 
der  Bronzen  in  dem  vorliegenden  Bande  betrifft,  so  stehen 
an  erster  Stelle  die  ägyptischen  Arbeiten,  dann  folgen  die 
archaischen  Stücke,  hierauf  die  "Werke  des  5.  Jahrhunderts 
mit  Einschluß  der  sich  an  diese  Zeit  anlehnenden  römischen, 

[III] 


weiter  die  hellenistischen,  hellenistisch-römischen  und  später- 
etruskischen  Bronzen,  endlich  die  Geräte  und  ähnliches. 

Die  Tafelgravuren  und  Lichtdrucke  im  Text  sind  von  der 
Firma  J.  B.  Obernetter  in  München  hergestellt. 

München,  März  1913. 

Dr.  J.  SIEVEKI^a 


1 


[IV] 


TAFELYERZEICHNIS. 

Tafel  »"  8e*'® 

1.  Neith '....! 

2.  Horus 2 

3.  Katze 3 

4.  Archaische  Flügelfigur 8 

5.  Sirene 11 

6 — 8.  Standspiegel 14 

9.  Drei  Cistenfüße 21 

10.  Ziegenbock 25 

11.  Jüngling  mit  Strigilis 27 

12—13.  Merkur 29 

14.  Merkur  —  Fortuna 31,  32 

15.  Nackter  Krieger 33 

16.  Lar 36 

17—18.  Poseidon 41 

19.  Kopffragment 48 

20.  Alexander 50 

21.  Ringergruppe 52 

22.  Dionysos  und  Satyr 55 

23.  Parisbüste 57 

24.  Fliegender  Eros 59 

25.  Aphrodite  mit  Eroten 63 

26.  Aphrodite 65 

27.  Mann  mit  Kreisel 66 

28.  Weibliche  Gewandfigur  —  Herakles 68,  69 

29.  Reiter 70 

30.  Büste  des  Domitian 71 

31.  Kopfgefäß 73 

32.  Armfragment 75 

[V] 


Tafel  in  Seite 

33 — 34.  Tigerkopf  als  Wasserspeier     _ 76 

35.  Deinos 77 

36—37.  Hydria 78 

38.  Athenaspiegel 80 

39.  Greifenspiegel 81 

40—43.  Pränestinische  Ciste 82 

44.  Zwei  Kantharoi 84 

45.  Helm 85 

46.  Kandelaberkapitell 86 


VERZEICHNIS  DER  TEXTABBILDUNGEN 

Seite 

Oberteil  eines  Mannes 4 

Nackter  archaischer  Jtlngling 6 

Gravienmg  des  Spiegels  Tafel  6 17 

Nackter  Jüngling  als  Henkel 23,  24 

Nackter  Jüngling  in  Kampfstellung 34 

Lar,  Berlin 37,  38,  39 

Kopf  der  Poseidonstatuette  Tafel  17 41 

Kopf  der  Erosstatnette  Tafel  24 59 

Eros  mit  "Weintrauben 61 


[VI 


NEITH 

Tafel  1 

Höhe  0,207.     Die  Attribute  fehlen. 

Die  Göttin  Neith  von  Sais  mit  der  Krone  Unterägyptens 
ohne  den  Lituus  auf  dem  Haupte.  Die  vorgestreckte  Linke 
wird  das  Szepter,  die  gesenkte  Bechte  das  Henkelkreuz  ge- 
halten haben.  Sorgfältige  Arbeit  saitischer  oder  frühptole- 
mäischer  Zeit.^) 

')  Vgl.  Daressie,  Statuts  de  Divinitea.     Catalogue  du  Musie  du  Caire  Taf.  48. 


[1] 


HORUS 

Tafel  2 

Höhe  0,09.  Der  rechte  Ann,  die  linke  Hand  und  die  Beine 
von  oberhalb  der  Knie  an  abwärts  fehlen.  Die  Bronze  stellt 
das  Horuskind  dar,  und  zwar  safi  es  vermutlich  auf  dem 
Schöße  der  Isis.  Über  seinem  rechten  Ohr  befindet  sich  ein 
rechteckiges  Loch,  in  dem  die  jetzt  fehlende  Jugendlocke  be- 
festigt war.  Um  den  Hals  trägt  der  Gott  in  Gold  aufgelegt 
einen  Schmuck,  auf  der  Brust  ein  Amulett  in  Gold  an  silberner 
Schnur.  Auch  die  Augäpfel  sind  in  Gold  aufgelegt.  Feine 
Arbeit  ptolemäischer  Zeit. 


[2] 


KATZE 

Tafel  3 

Aus  der  Forman  Collection.  Katalog  Nr.  256.  Höhe  0,1 68. 
Die  Glasaugen  sind  modern. 

Ein  vortreffliches  Beispiel  des  vor  allem  inBubastis  LnUnter- 
ägypten  verehrten,  der  Mondgöttin  Bast  heiligen  Tieres,  reiz- 
voll schon  durch  die  schöne  schokoladenbraune  Färbung  der 
Bronze,  aber  auch  durch  den  sehr  monumentalen  Aufbau  des 
Körpers.  Die  Katze  sitzt  aufrecht  und  blickt  geradeaus,  den 
Schweif  nach  Katzenart  auf  der  einen  Seite  um  sich  herum- 
legend. Brust  lind  Rücken  laden  in  schöner  kräftiger  Rundvmg 
aus,  die  Einzelformen  zeigen  gewiß  mit  Absicht  wenig  Gliede- 
rung, so  sind  die  Hinterbeine  kaum  von  den  Oberschenkeln 
abgesetzt.  Die  Vorderbeine  laufen  vorne  zu  einer  scharfen 
Kante  zu,  die  Mundspalte  ist  nur  eingeritzt,  ebenso  die  Bart- 
haare und  die  Ohren  auf  der  Yorderseite.  In  Ritzung  wieder- 
gegeben ist  auch  das  hinten  in  einer  durchgesteckten  Schleife 
zusammengehaltene  Halsband,  an  dem  vorne  am  Bande  ein 
Amulett  in  Gestalt  eines  Auges  hängt.  Die  Arbeit  gehört  wohl 
noch  saitischer  Zeit  an. 


3] 


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OBERTEIL  EINES  MAJSTNES 

Aus  Griechenland.  Höhe  0,078.  Der  Unterkörper  und  der 
linke  Arm  fehlen,  der  rechte  Arm  ist  am  Ansatz  gänzlich  ver- 
bogen, er  war  seitwärts  erhoben. 

Die  Bronze  gehört  zu  den  ganz  primitiven  Figuren  des 
geometrischen  Stils,  wie  sie  sich  besonders  in  OljTnpia^)  und 
auf  der  Akropolis*)  gefunden  haben.  Der  Oberkörper  ist  brett- 
artig flach  und  verjüngt  sich  zu  einer  sehr  engen  Taille,  die 
ein  Leibgui't  umschließt,  die  Arme  sind  durchaus  röhrenförmig 
gebildet,  Augen,  Ohren,  Nase  und  Mund  recht  roh  angedeutet. 
Das  unten  gradlinig  abgeschnittene  Haar  ist  durch  Gravierung 

1)  Olympia  Bd.  IV,  Nr.  242  ff.     *)  A.  de  Ridder,  Bronzes  de  l'Acropole  Nr.  692  ff. 

[4] 


i 

^K  in  vertikale  Streifen  geteilt,  die  wieder  durch  horizontale  Striche 

gegliedert  siad.  Der  Bart  umrahmt  als  schmaler  Streifen  das 
k  Gesicht.    Die  erhobene  rechte  Hand  faßte,  nach  der  runden 

Durchbohrung  zu  schließen,  eine  Lanze,  der  Mann  war  also 
P  als  Krieger  dargestellt.  Die  ganze  Körperbildung  erinnert  an 

Typen  der  Dipylongefäße,  die  Bronze  wird  noch  dem  achten 

Jahrhundert  angehören. 


[ö] 


NACKTER  ARCHAISCHER  JÜNGLING 


Aus  der  Forman  CoUection.    Katalog  Nr.  81. 

Höhe  der  Figur  mit  Standplatte  ohne  die  moderne  profi- 
lierte Basis  0,074  m.  Die  linke  Hand  ist  leicht  verletzt.  Schöne 
gleichmäßige  hellgrüne  Patina. 

Die  Statuette  diente  vermutlich  als  Krönung  eines  etrus- 
kischen  Kandelabers  von  der  Art,  wie  sie  im  Museo  Gregoriano 
Bd.  I,  Tafel  50  ff.,  wiedergegeben  sind.  Obwohl  der  übliche 
archaisch-griechische  „Apollon"- Typus  mit  den  eng  am  Kör- 
per anliegenden  Händen  genau  festgehalten  ist,  läßt  doch  die 
Detailausführung  keinen  Zweifel  darüber  aufkommen,  daß  es 
sich  um  eine  etruskische  Arbeit  handelt.  Die  eckigen  Körper- 

[6] 


formen  erscheinen  wie  geschnitten,  Knochengerüst  und  Mus- 
kulatur sind  übertrieben  stark  betont,  Hals  und  Brust  geradezu 
durch  eine  Einkerbung  voneinander  getrennt.  Die  Gesichts- 
ausführung, besonders  von  Mund  und  Ohren,  ist  recht  roh,  die 
Stirn  weicht  beinahe  horizontal  zurück  und  die  Haare  sind  nur 
über  der  Stirn  und  im  !N'acken  ausgearbeitet.  Die  Figur  wirkt 
trotz  ihrer  Maße  nicht  Avie  ein  Werk  der  Kleinkunst,  sondern 
wie  eine  einfach  reduzierte  Kolossalstatue. 

Eine  stilistisch  sehr  verwandte  Bronzestatuette  befand  sich 
in  der  Sammlung  Sarti  in  ßom.^) 

1)  L.  Pottak,  CoUezione  Prospero  Sarti,  Roma  1906,  Taf.  6  Nr.  23. 


[7] 


GEFLÜGELTE  WEIBLICHE  GEWANDFIGUR 

Tafel  4 

Früher  Sammlung  Castellani  (Vente  Nr.  271),  dann  Samm- 
lung Eömusat  (Vente  1900  Nr.  110  Taf.  5).  Höhe  0,125;  ohne 
Basis  0,107. 

Auf  runder,  stark  profilierter,  reich  mit  Perlenketten  und 
Blattstab  verzierter  Basis  steht  eine  überaus  zierlich  gearbeitete 
archaische  Frauengestalt  mit  gesenkt  ausgebreiteten  Flügeln. 
Der  linke  Fuß  ist  vorgesetzt  und  nach  auswärts  gedreht,  der 
rechte  in  der  Ferse  leicht  gehoben,  beide  tragen  Schuhe  mit 
spitz  zulaufenden  Laschen  oben.  Die  jonische  Tracht  besteht 
wie  üblich  in  dem  Untergewand,  das  auf  der  linken  Brust  und 
dem  linken  Oberarm,  wo  es  geknöpft  ist,  eng  anliegend  imd 
fein  geriefelt  erscheint,  dagegen  den  Unterkörper  in  schwerer, 
nur  durch  wenige  Falten  gegliederter  Stoffmasse  umgibt,  iind 
dem  gesäumten  Mantel,  der  auf  der  rechten  Schulter  aufliegt, 
schräg  über  Brust  und  Rücken  geführt  ist  und  hinten  und 
Tome  in  senkrechten  Falten,  dem  Saum  entlang  in  regel- 
mäßigem Zickzack  herabfällt.  Auf  der  Brust  springt  ein  kleiner 
Bauschzipfel  des  Untergewandes  kokett  über  das  Obergewand 
vor.  Yen  den  Fitigeln,  bei  denen  sich  Flaum-  und  Schwung- 

f8) 


federn  scharf  voneinander  trennen,  setzt  der  eine  an  dem  ge- 
rief elten  Untergewand,  der  andere  am  Mantel  an.  Diebeiden 
Arme  sind  gesenkt,  die  linke  Hand  rafft  das  Untergewand  an 
der  Seite  zusammen,  die  mit  der  Innenfläche  nach  vorn  ge- 
drehte rechte  ist  jetzt  leer,  sie  muß  aber  einst  etwas  gehalten 
haben,  und  nach  der  eigenartigen  Fingerstellung  —  die  drei 
ersten  sind  abwärts  gestreckt,  die  beiden  letzteren  aufwärts 
eingebogen  —  kann  dies  nur  ein  herabhängender  Kranz  oder 
eine  Tänie  gewesen  sein,  nicht  etwa  ein  Stab. 

Der  Kopf  ist  geradeaus  gerichtet,  ein  breites  volles  Gesicht 
mit  großen  vorquellenden  Augen  blickt  dem  Beschauer  lebendig 
entgegen.  Besondere  Sorgfalt  ist  auf  die  Anordnung  des  Haares 
verwendet,  das  vom  Wirbel  strahlenförmig  nach  allen  Seiten 
läuft  und  hinten  aufgenommen  wulstartig  um  die  den  Hinter- 
kopf umgebende  Binde  geschlungen  ist.  Zwei  Enden  dieser 
Haarpartie  sind  vorne  auf  beiden  Seiten  des  Kopfes  unter  der 
Binde  wieder  vorgezogen  und  liegen  in  je  vier  Strähnen  auf 
den  Stirn  und  Schläfe  halbmondförmig  einrahmenden  drei 
Knopfreihen  auf,  dem  goldenen  Stirntoupet,  wie  hier  die  dar- 
über geführten  Haare  ganz  besonders  deutlich  machen. 

Das  reizende  Figürchen  ist  durchaus  im  archaisch-jonischen 
Stil  gehalten,  außer  der  typischen  Gewandung  zeigt  ihn  die 
Gesichtsbildung  ganz  besonders  rein.  Aber  verschiedene  An- 
zeichen weisen  mit  Sicherheit  darauf  hin,  daß  die  Arbeit  die 
eines  etruskischen  Künstlers  ist,  der  nur  stark  im  Banne  grie- 
chischer Vorbilder  stand  und  sich  in  richtiger  Erkenntnis  seiner 
Fähigkeiten  eng  an  sie  hielt.    Ein  äußerliches  Merkmal  ist  die 

[9] 


überaus  große  Zierliclikeit,  die  schon  in  der  Form  der  Basis 
zutage  tritt,  an  der  Figur  selbst  sich  in  der  Gravierung  der 
Falten  und  Flügel  verrät,  vor  allem  aber  in  der  außerordent- 
lichen Kleinheit  der  Flügel  zum  Ausdruck  kommt,  die  fast  wie 
verkümmert  wirken.  Ein  griechischer  Künstler  würde  sie  nie 
als  solch  ein  spielerisches  Anhängsel  gebildet  haben.  Un- 
griechisch ist  aber  auch,  daß  kein  eigentlicher  Zusammenhang 
zwischen  dem  Motiv  der  Figur  und  ihrer  Beflügelung  besteht. 
Die  archaisch-griechischen  Flügelwesen,  soweit  sie  nicht  ein 
dekoratives  orientalisches  Schema  wiedergeben,  verbinden  aus- 
gebreitete Flügel  nur  mit  einem  bewegten  Körper,  in  unserer 
Bronze  dagegen  sind  sie  einem  gebräuchlichen  Typus  der  ruhig 
stehenden  Grewandfigur  einfach  angeheftet,  nicht  um  den  Flug 
darzustellen,  sondern  um  dem  weiblichen  Wesen  einen  dämoni- 
schen Charakter  zu  verleihen,  ein  echt  etruskischer  Zug.  Die 
übersinnliche  Welt  der  Etrusker  ist  so  reich  mit  Flügelgestalten 
aller  Art  bevölkert,  die  näher  zu  bestimmen  nicht  möglich  ist, 
daß  man  auch  der  vorliegenden  Statuette  gegenüber  besser  mit 
einer  Benennung  zurückhält 


[10 


SIRENE 

Tafel  5 

Aus  der  Forman  Collection.    Katalog  Nr.  59. 

Höhe  0,09.  Das  Figürchen  ist  in  letzter  Zeit  zum  Schutz 
der  Oberfläche  mit  Firnislack  überzogen  worden. 

Der  Menschenvogel  steht  fest  auf  seinen  großen  Krallen 
mit  geschlossenen  Flügeln,  deren  Spitzen  gekreuzt  auf  dem 
Schwanz  aufliegen.  Die  Schwung-  und  Schwanzfedern  sind 
durch  kräftige  gleichmäßige  Gravierung  charakterisiert,  wäh- 
rend der  Bug  und  die  scharf  abgesetzte  Brust  vollständig  glatt 
gelassen  wurden.  Der  menschliche  Kopf  ist  geradeaus  gerichtet, 
das  Haar  fällt  in  einem  "Wulst  von  dicken  parallelen  Strähnen 
tief  in  die  Stirn  und  vor  den  Ohren  herab,  hinten  fein  graviert 
in  breitem,  sich  nach  unten  verjüngendem  Schopf  auf  den 
Rücken.  Vom  Scheitel  geht  ein  Zopf  in  Oestalt  einer  gewun- 
denen, in  eine  Knospe  endigenden  Ranke  aus,  um  den  Hinter- 
kopf läuft  ein  schmales  Band  mit  drei  Blütenrosetten  über  der 
Stirn.  In  dem  vollen  fleischigen  Gesicht  mit  den  großen  runden 
flach  liegenden  Augen  und  den  aufgeworfenen  Lippen  springen 
Kinn  und  Nase  energisch  vor,  während  die  Stirn  zurückweicht. 

[11] 


Der  Untersatz  der  Figur  ist  oben  leicht  gewölbt,  sein  vorne, 
wo  die  Krallen  aufstehen,  runder  Umriß  läuft  nach  hinten,  wo 
der  Schwanz  aufruht,  schmal  und  eckig  zu.  Auf  der  Unter- 
seite befindet  sich  hinten  ein  kleines,  nur  wenig  tiefes  Loch, 
vielleicht  von  der  antiken  Befestigung  herrührend,  die  außer- 
dem wohl  in  Lötung  bestand.  Nach  der  leichten  Höhlung  der 
Unterseite  zu  schließen  muß  die  Figur  auf  einer  schwach  ge- 
wölbten Unterlage  aufgesessen  haben,  vermutlieh  auf  der  Mitte 
eines  Gefäßdeckels,  an  dem  sie  als  Handgriff  diente.  Für  solch 
eine  dekorative  Verwendung  spricht  auch  der  Umstand,  daß 
uns  von  dem  gleichen  Sirenentypus  mehrere  Wiederholungen 
erhalten  sind,  die  nur  unbedeutend  in  den  Maßen  und  der 
Detailausführung  voneinander  abweichen.  Mir  sind  außer 
unserer  Bronze  Exemplare  in  Berlin^),  im  British  Museum"), 
im  Louvre")  und  in  der  Sammlung  Mundy  in  Wien*)  bekannt. 

Das  zuletzt  genannte  stammt  aus  Smyrna  und  bestätigt  durch 
diesen  Fundort  die  Zugehörigkeit  des  Typus  zur  archaisch- 
jonischon  Kunst,  die  auch  der  Stil  der  übrigen  in  Italien  ge- 
fundenen Stücke,  vor  allem  die  Gesichtsbildung,  schon  ver- 
muten ließ,  wenn  man  auch  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden 

*)  Friederichs,  Berlins  antike  Bildwerke  II,  2287.  Abgebildet  Mon.  dell'lnst.  II, 
Taf.  29,  und  besprochen  von  E.  Braun,  Amiali  1836,  S.  58.  Aus  Gerhards  Besitz.  Abeken, 
der  in  seinem  Buch  über  Mittelitalien  Taf.  7,3  die  Abbildung  aus  den  Monumenti  wieder- 
holt, verwechselt  S.  444  diese  Bronze  mit  dem  au>i  Sammlung  Kestner  ins  British  Museum 
gelangten  Exemplar,  und  diese  Verwechslung  ist  beibehalten  bei  v.  Duhn,  Annali  1879, 
8.  137,  Anm.  1  und  im  Katalog  der  Bronzen  des  British  Museum  Nr.  490.  Einen  modernen 
Nachguß  der  Berliner  Sirene  kenne  ich  aus  Würzburger  Privatbesitz,  das  Stück  soll  an- 
geblich aus  Ägypten  stammen.  ')  Catalogue  of  Bronzes  Nr.  490.  Aus  Sammlung  Kestner. 
Hier  sind  auch  die  Brw<t/edern  durch  Gravierung  angegeben.  ')  Longperier,  Notice  des 
Bronzes  antiques  du  Louvre  Nr.  416.  *)  Weicker,  Seelenvogel,  S.  102,  Fig.  33.  Derselbe 
in  Roschers  Myth.  Lex.  IV,  S.  621,  Fig.  14. 

[12] 


kann,  ob   sich   unter   ihnen   nicht   etwa   etruskische   Nachbil- 
dungen befinden. 

Die  Sirene  verkörpert  für  die  Griechen  die  menschliche 
Seele,  ihr  Bild  ist  eng  mit  dem  Gräberkult  verbunden.  Der 
Lotosranke  auf  ihrem  Kopfe  scheint  insbesonders  eine  sepul- 
krale  Bedeutung  anzuhaften^).  Es  ist  daher  nicht  unwahrschein- 
lich, daß  unsere  Figur  und  ihre  Wiederholungen  als  Deckel- 
griff archaischer  bronzener  Aschenurnen  gedient  haben,  ebenso 
wie  der  widdertragende  Hermes,  der  Seelengott ^).  Auch  der 
Sirenentypus  mit  ausgebreiteten  Flügeln  und  apotropäisch  er- 
hobenen Händen  findet  sich  auf  diesen  Gefäßen,  die  mit  Wahr- 
scheinlichkeit auf  Cumae  und  indirekt  auf  Chalkis  zurück- 
geführt worden  sind').  Die  ruhig  stehende  Sirene  eignet  sich 
auch  von  dekorativen  Gesichtspunkten  aus  in  ihrem  streng 
symmetrischen  Aufbau  ganz  vortrefflich  als  krönende  Deckel- 
figur, dabei  ist  unsere  Bronze  ein  Meisterstück  feiner  Detail- 
ausführung. 

')  Weicher,  Seelenvogel,  S.  15  u.  43.  »)  Mon.  deWInst.  XI,  Taf.  6,2  u.  3 ;  Münchner 
Jahrbuch  1910,  I,  S.  139,  3.     ')  Annali  delVImt.  1879,  S.  128  ff. 


[13] 


i 


STANDSPIEGBL  MIT  FRAUENFIGUE 
ALS  STÜTZE 

Tafel  6—8 

Aus  der  Forman  CoUection.  Katalog  Nr.  68.  Angeblich  in 
Kroton  gefunden.  Abgebildet :  Bull.  nap.  n.  S.  II,  Tafel  3,  S.  128 
u.  188.  Gerhard,  Etrusk.  Spiegel  m,  Taf.  243  AI,  S.  240,  mit 
der  irrtümlichen  Angabe  „im  Museum  zu  Neapel". 

Gesamthöhe  0,395;  Höhe  der  Stützfigur  0,175;  Durchmesser 
der  Spiegelscheibe  0,14 

Modem  sind  die  Befestigungen  der  Stützfigur  auf  ihrer 
Basis,  der  Spiegelscheibe  auf  der  Stütze  und  der  Sphinx  oben 
auf  der  Scheibe  durch  je  zwei  kleine  Stifte ;  die  alten  Abbil- 
dungen zeigen  die  Scheibe  falsch  herumgedreht,  mit  der  glatten 
Seite  nach  hinten. 

In  einem  sehr  schönen  Beispiel  liegt  hier  ein  geläufiger 
Typus  des  antiken  Kimstgewerbes  vor,  einer  jener  reizenden 
Standspiegel,  wie  sie  nur  in  der  verhältnismäßig  kurzen  Zeit 
etwa  vom  Ende  des  6.  Jahrh.  bis  zur  Mitte  des  5.  Jahrh.,  das  heißt 
im  archaischen  und  strengen  Stil  in  Griechenland  und  den  von 
seiner  Kunst  beeinflußten  Ländern  in  Mode  waren.    Eine  auf 

[14] 


sehr  verschieden  gestalteter  kleiner  Basis  stehende  Figur,  ge- 
wöhnlich sind  es  nackte  Männer,  bekleidete  oder  unbekleidete 
Frauen,  trägt  auf  dem  Haupt  das  Spiegelrund,  das  oben  meist 
von  einer  kleinen  Figur  gekrönt  wird. 

Unser  Spiegel  zeigt  auf  einer  viereckigen  profilierten  Basis, 
deren  eingezogener  mittlerer  Teil  ringsum  mit  einem  Flecht- 
band verziert  ist,  eine  bekleidete  weibliche  Figur,  nach  der 
gewöhnlichen  Deutung  Aphrodite,  in  dem  üblichen  archaischen 
Standschema  mit  vorgesetztem  einen  Fuß  und  in  zierlich  ge- 
fältelter altertümlicher  jonischer  Gewandung,  die  uns  von  den 
Mädchen  der  Akropolis  geläufig  ist.  Sie  besteht  in  dem  gesäumten 
Untergewand,  das  auf  der  linken  Brust  und  dem  linken  Ober- 
arm fein  geriefelt  erscheint,  den  Unterkörper  dagegen  in 
schwererer  Stoff  masse  umschließt  und  einem  ebenfalls  gesäumten 
Mantel,  der  auf  dem  rechten  Oberarm  geknüpft  schräg  über 
Brust  und  Rücken  gezogen  ist  und  hinten  wie  vorne  in  wohl 
zurechtgelegten  Falten  herabfällt.  Als  Muster  trägt  der  Mantel 
eingeritzte  Bögen  mit  einem  Kreuzchen  in  der  Mitte.  Vor  der 
Mitte  des  Körpers  wird  vorne  noch  ein  halbrundes  Zipfelchen 
sichtbar,  das  nur  von  einem  Bausch  des  gegürteten  Unter- 
gewandes herrühren  kann.  Dieses  Untergewand  nimmt  die  linke 
Hand  an  der  Seite  auf  in  der  gleichen  gezierten  Fingerhaltung, 
mit  der  die  vorgestreckte  Rechte  eine  Knospe  hält. 

In  dem  schmalen  Oesicht  springen  Kinn  und  iJ^ase  energisch 
vor,  die  Augen  liegen  flach  unter  den  stark  betonten  Brauen- 
bogen, die  zurückweichende  Stirn  ist  von  Haarflechten  drei- 
eckig eingerahmt,  hinten  fällt  das  Haar  in  einer  breiten  Masse 

[15] 


herunter,  die  durch  wagrechte  Linien  in  einzelne  Wülste  ge- 
gliedert wird.  Auf  dem  Diadem  sind  Dreiecke  mit  je  einem 
Punkt  darin  eingraviert,  das  gleiche  Ornament,  wie  es  der  Ge- 
wandsaum am  Hals  und  die  Vorderseite  der  auf  dem  Kopf 
aufruhenden  Spiegelrund-Unterlage  zeigt. 

Die  Löcher  in  den  aufgerollten  und  mit  eingeritzten  Pal- 
metten in  den  Zwickeln  geschmückten  Seitenendigungen  dieser 
Unterlage  waren  nach  Analogie  anderer  Spiegel  einst  wohl 
mit  Knöpfen  gefüllt  Hier  liegen  beiderseits  die  Vordertatzen 
zweier  vom  Oberarm  der  Frauenfigur  aufsteigender  Löwen  an, 
die  einerseits  als  Mitträger  den  Eindruck  der  Festigkeit  er- 
höhen und  außerdem  die  Lücke  zwischen  den  Schultern  der 
Stützfigur  und  dem  Spiegelrund  dekorativ  ausfüllen.  Diese 
seitliche  Ergänzung  der  Hauptfigur  durch  Nebenfiguren,  zu 
denen  auch  Eroten,  Niken,  Sirenen  oder  Sphingen  verwendet 
werden,  ist  für  die  Gruppe  der  Standspiegel  mit  weiblichen 
Stützfiguren  beinahe  typisch,  seltener  und  auf  die  ältesten 
Exemplare  beschränkt  ist  das  Erheben  der  Arme  zum  Mit- 
tragen, bei  den  männlichen  Spiegelträgern,  aber  auch  hier  bei 
den  älteren  Vertretern,  eine  geläufigere  Form.  Die  Köpfe  der 
Löwen  sind  nach  vorne  gewendet,  die  Manier  aufgerissen  mit 
heraushängender  Zunge,  wohl  in  Unheil  abwehrender  Bedeutung. 

Die  Scheibe  selbst  ist  ihrem  praktischen  Zwecke  ent- 
sprechend auf  der  Vorderseite  glatt  bis  auf  das  einrahmende 
Stabband,  dagegen  ist  die  Bückseite  vollständig  mit  Gravierung 
ausgefüllt.  Umlaufend  folgen  hier  von  außen  nach  innen  auf- 
einander das  schon  auf  der  Stützfigur  mehrmals  vorkommende 

[16] 


[17] 


Dreieck-Ornament,  eine  Punktreihe,  ein  Wellenband  mit  Knospen 
in  den  Senkungen  und  ein  einfacher  Mäander.  Das  Zentrum 
endlich  bildet  die  Darstellung  einer  nach  rechts  laufenden  ge- 
flügelten Gorgone,  die  vor  dem  Leib  in  jeder  Hand  eine  nach 
außen  züngelnde  Schlange  hält.  Oberkörper  und  Kopf  mit 
heraushängender  Zunge  und  Schlangenhaaren  sind  in  Vorder- 
ansicht wiedergegeben,  die  Beine  werden  durch  das  Gewand 
hindurch  sichtbar.  Ihr  zugewandt  steht  unten  beiderseits  ein 
Huhn,  Das  am  Außenrand  gezähnte  Spiegelrund  wird  gekrönt 
durch  eine  nach  links  sitzende  Sphinx  mit  in  Vorderansicht 
gestelltem  Kopf  und  aufgebogenen  Flügeln.  Sie  ruht  auf  einem 
besonderen  Untersatz,  der  an  den  aufgerollten  Enden  zur  Auf- 
nahme von  jetzt  fehlenden  Knöpfen  durchbohrt  ist  und  auf  der 
Vorderseite  wieder  das  Dreieck-Ornament  trägt. 

Der  Hauptreiz  dieser  Standspiegel  liegt  in  dem  vornehmen 
tektonischen  Aufbau  und  in  ihren  fein  abgewogenen  Propor- 
tionen. Der  auf  einer  Basis  ruhig  dastehende  menschliche  Kör- 
per ersetzt  als  Träger  Säule  oder  Pfeiler.  Je  gebundener  die 
Haltung  der  Figur,  um  so  stärker  ihre  Wirkung  in  statischer 
und  dekorativer  Hinsicht,  daher  stellt  die  archaische  Kunst 
mit  ihrer  steifen  und  symmetrischen  Formgebung  die  idealsten 
Vertreter  dieser  Gattung,  und  zwar  scheint  es  fast,  als  ob  der 
Typus  der  bekleideten  Frau,  wie  ihn  unser  Spiegel  zeigt,  der 
beliebteste  gewesen  wäre,  wohl  weil  die  flachen  schematischen 
Gewandfalten  dem  Charakter  eines  Architekturgliedes  sehr  nahe 
kommen.  Auch  der  strenge  Stil  eignet  sich  in  Körper-  und 
Gewandbehandlung  noch  trefflich  zur  Stützfigur,  aber  im  Kopf 

[18] 


und  Yor  allem  in  den  Armen  regt  sich  doch  schon  ein  zu  starker 
Bewegungsdrang,  als  daß  dadurch  nicht  die  dekoratiyo  AVir- 
kung  beeinträchtigt  würde.  Daß  die  freientwickelte  mensch- 
liche Figur  überhaupt  nicht  mehr  als  Spiegelstützo  vorwendet 
wurde,  ist  fast  selbstverständlich  für  den  streng  geschulten 
Formensinn,   der   im  griechischen  Kundsthandwerk  herrscht. 

Gegenüber  dem  senkrechten  Träger  betont  die  Scheiben- 
unterlage, deren  aufgerollte  Enden,  wie  an  qinigen  Beispielen 
ganz  deutlich  ist,  den  Voluten  des  jonischen  Kapitells  ent- 
sprechen, die  Horizontale  und  liefert  zugleich  den  Übergang 
zum  Rund,  das  oben  in  der  krönenden  Figur,  meist  einem 
Fabelwesen  wie  Sphinx  oder  Sirene,  eine  Spitze  erhält.  Bei 
dem  vorliegenden  Spiegel  beträgt  die  Höhe  der  Stützfigur 
mit  der  Basis  gerade  die  Hälfte  der  Gesamthöhe,  und  zwar 
scheint  dieses  sehr  glücklich  gewählte  Verhältnis  gern  bei 
den  Standspiegebi  angewendet  worden  zu  sein. 

Die  Verbreitung  dieser  griechischen  Standspiegel,  deren 
Erfindung  man  ohne  zwingende  Gründe  Korinth  zuzuschreiben 
pflegt,  muß  auch  außerhalb  Griechenlands  eine  sehr  aus- 
gedehnte gewesen  sein,  in  Cypern,  in  der  Krim  und  vor  allem 
in  Italien  sind  sie  gefimden  worden.  Die  Herkunft  Kroton 
für  unseren  Spiegel  wird  bestätigt  durch  ein  sehr  nahe  ver- 
wandtes Stück  im  Münchener  Antiquarium,  das  ebenfalls  daher 
stammt.') 

Etwas  Besonderes  ist  die  Gravierung  der  Rückseite,  die 
soviel  ich  weiß  sonst  auf  den  Standspiegeln  nicht  üblich  ist. 

*)  Furtwängler,  Bas  Kgl.  Antiquarium  zu  München,  S.  4T. 

[19] 


Da  sie  in  ihren  Stilelementen  jedoch  echt  jonisch,  nicht  etrus- 
kisch  ist*),  so  darf  man  in  ihr  yielleicht  eine  Eigenart  groß- 
griechischer Kunst  in  Süditalien  sehen,  die,  vielleicht  italischem 
Geschmack  damit  entgegenkommend,  den  rom  Mutterlande 
überkommenen  Typus  in  dieser  Weise  erweiterte. 

•)  Furtwängler  in  Roschers  Myth.  Lex.  I,  S.  1710,  Zeile  54. 


[20] 


I 


DREI  CISTENFÜSSE 

Tafel  9 

W'  Angeblich   aus  einem  Grabe  bei  Ferentinum.     American 

Journal  1911,  S.  135  ff.  (de  Cou).    Höhe  0,08.    An  einem  Fuß 
fehlt  ein  Stück  des  Schlangenleibes. 

Jeder  Fuß  war  mittels  eines  Stiftes  an  der  Ciste  be- 
festigt, deren  unterer  Rand  auf  dem  an  der  Rückseite  der 
Füße  vorspringenden  Zapfen  aufruhte.  Die  Füße  endigen 
unten  in  geflügelten  Tatzen,  die  einen  schlangenb einigen 
geflügelten  Dämon  tragen  mit  bärtigem  Silenskopf,  an  dem 
die  spitzen  Pferdeohren  stark  betont  sind.  Der  Dämon  packt 
mit  jeder  Hand  einen  der  Schlangenleiber,  die  Schlangen- 
köpfe tragen  große  Barte.  Die  drei  Füße  gleichen  sich  genau, 
aber  kleine  Yerschiedenheiten  lassen  erkennen,  daß  sie  nicht 
etwa  aus  einer  und  derselben  Form  stammen.^)  Es  sind  Teile 
eines  archaisch-etruskischen  Gefäßes,  aber  der  Kopftypus  des 
Dämons  gehört  der  jonischen  Kunst  an,  ebenso  ist  die  Yer- 
ei Tilgung  von  Schlangenbeinen  und  Flügeln  altgriechisch,  sie 

>)   Tgl.  Österr.  Jahreshefte  1904,   8.  169. 

[21] 


scheint  den  Windgöttern  eigen  gewesen  zu  sein.^)  Das  auf- 
gebundene Glied  findet  sich  mehrfach  bei  schwer  tragenden 
Personen.*)  Bemerkenswert  ist  die  starke  dekoratire  Wirkung 
der  Komposition,  das  Emporwachsen  der  Flügel  aus  den 
Krallen  und  der  Aufbau  des  schlangenb einigen  Dämons  yer- 
raten  ein  außerordentlich  fein  ausgebildetes  Form-  und  Sym- 
metriegefühl. 

')  Furtwängler,  Sitzungsber.  der  Bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1905,  S.  452.  •)  Vgl.  die 
Atlanten  im  Louvre,  Clarac  Taf.  298,  1725  und  den  Giganten  auf  der  Vase  im  Louvre, 
Sauser,  Strena  Helbigiana,  S.  116. 


[22] 


» 


NACKTER  .JÜNGLING  ALS  HENKEL 


Angeblich  aus  einem  Grabe  bei  Perentiaum.  American 
Journal  1911,  S.  131  ff.  (de  Cou.).  Höhe  0,093.  Durch  beide 
Hände  und  den  linken  Fuß  sind  runde  Löcher  gebohrt,  um 
den  Henkel  mit  Stiften  an  einem  Gerät  zu  befestigen.  Er 
diente  wahrscheinlich  als  Handgriff  eines  Cistendeckels.  Die 
Hände  sind  nicht  ausgearbeitet. 

Eine  nackte  Jünglingsfigur,  die  den  Körper  zurückbeugend 
beide  Arme  und  Beiue  auf  dem  Boden  aufgestützt  hat,  während 
der  ebenfalls  zurückgelegte  Kopf  die  Erde  nicht  ganz  berührt, 

[23] 


ist  eine  geläufige  Henkelform  für  archaisch-etruskische  Ge- 
fäße. Das  hohle  Kreuz  und  die  Kniekehlen  eignen  sich  vor- 
trefflich, xuxx  je  einen  daruntergreifenden  Finger  aufzunehmen, 
und  der  in  dieser  gymnastischen  Übung  einem  Brückenbogen 
gleichende  menschliche  Körper  lieferte  einen  sehr  dankbaren 
künstlerischen  Vorwurf.  Die  Erfindung  des  Motivs  ist  gewiß 
griechisch,  unsere  Bronze  aber  schon  wegen  ihrer  überschlanken 
Proportionen  und  nach  der  etwas  schematischen  Detailaus- 
führung, z.  B.  der  Bauchmuskulatur  und  des  Gesichtes,  eine 
recht  geschickt  ausgefülirte  etruskische  Arbeit. 


(24) 


ZIEGENBOCK 

Tafel  10 

Aus  Griechenland.  Länge  0,115,  Höhe  0,063.  Das  eine 
Hörn  ist  abgebrochen,  ferner  fehlt  die  Spitze  des  Schwanzes 
und  des  rechten  Ohres.  Das  Innere  der  Bronze  war  mit  Blei 
ausgefüllt,  das  noch  zum  größten  Teil  erhalten  ist;  die  Eänder 
der  Unterseite  sind  abgeplattet,  offenbar  war  die  Bronze  ur- 
sprünglich auf  einer  ebenen  Unterlage  befestigt. 

Das  Tier  ist  ruhig  am  Boden  gelagert,  den  Körper  etwas 
auf  die  linke  Seite  hinüberschiebend,  den  mit  großem  Bart  und 
stattlichen  Hörnern  geschmückten  Kopf  geradeaus  streckend. 
Das  linke  Yorderbein  erhebt  es  leicht  in  momentaner  natür- 
licher Bewegung,  das  rechte  liegt  mit  zurückgebogenem 
Unterschenkel  eng  am  Körper.  Das  Fell  ist  ganz  glatt  ge- 
halten bis  auf  einen  breiten,  mit  graviertem  Strichmuster  ver- 
sehenen Streifen,  der  von  den  Hörnern  an,  der  Mitte  des  Rückens 
entlang  bis  zum  Schwanzende  läuft.  Die  Striche  gehen  von 
der  sehr  scharfen  ßückgratlinie  aus  nach  beiden  Seiten. 
Bart  und  Stirnhaar  zeigen  ebenfalls  Gravierung. 

Ohne  jede  naturalistische  Behandlung  und  trotz  weitgehender 
Stilisierung   größte   Natürlichkeit  und   Lebendigkeit,    das   ist 

[25]  * 


die  Ursache  des  Reizes,  den  das  so  anspruchslose  Sujet  der 
Bronze  ausübt.  Die  Linienftihrung  ist  noch  eckig,  die  Detail- 
ausführung etwas  hart,  aber  das  Motiv  ist  schon  mit  feiner 
Beobachtungsgabe  erfaßt.  Danach  gehört  das  Werk  in  die 
erste  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts,  an  den  Ausgang  der 
archaischen  Kunst  und  ist  vielleicht  von  jonischer  Stilrichtung 
beeinflußt.  Ein  stilistisch  nahe  verwandter  stehender  Bock 
aus  Bronze,  gefimden  im  Val  d'Aosta,  befindet  sich  in  der 
Sammlung  Warren  ^),  zu  vergleichen  ist  ferner  die  etwas  fort- 
geschrittenere, aber  viel  rohere  Terrakotte  aus  dem  Kabirion*), 
endlich  ein  bronzener  Steinbock  im  museo  civico  von  Triest 
aus  Pirano. 

>)  MiUeüung  L.  Pollaks.    »)  Inv.  Nr.  10635. 


[26] 


JÜNGLING  MIT  DER  STRIGILIS 

Tafel  11 

Früher  Sammlung  Rome.  Burlington  fine  arts  club  1904, 
Taf.  50,  B.  47.  F.  v.  Duhn,  Sitzungsber.  d.  Heidelb.  Akad.  d. 
Wiss.  Abt.  6,  S.  9.    Höhe  0,09. 

Auf  runder  profilierter  Basis  steht  fest  auf  beiden  Sohlen, 
das  linke  Spielbein  nur  etwas  vorsetzend,  ein  nackter,  athletisch 
gebauter  Jüngling,  der  sich  mit  einer  Strigilis  in  der  er- 
hobenen Rechten  den  Rücken  vom  Staub  der  Palästra  reinigt, 
während  der  linke  Arm  untätig  am  Körper  herabhängt.  Der 
alltägliche  Vorgang  ist  in  der  denkbar  einfachsten  Form  dar- 
gestellt, ohne  Pose,  ohne  starke  Bewegung,  im  Vordergrund 
steht  vielmehr  der  in  klaren  harmonischen  Linien  aufgebaute 
völlig  ruhige  Körper,  während  die  Handlung  gleichsam  nur 
als  nebensächliche  Zutat  erscheint.  Diese  besondere  Betonung 
des  formalen  Elementes  bei  einem  jugendlichen  Athleten  aus 
der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts,  welcher  Zeit  unsere  Bronze 
ihrem  Stil  nach  angehört,  weist  von  selbst  auf  Polyklet,  und 
ich  möchte  vermuten,  daß  wir  es  hier  mit  einer  Nachbildung 

[27] 


seines  Ton  Plinius  überlieferten  ^se  destriugens"  zu  tun  haben.^) 
Dem  Motiv  des  Doryphoros  und  des  Petworther  Oeleingießers*) 
stellt  sich  das  unsrige  seiner  Auffassung  nach  als  geistesver- 
wandt zur  Seite.  Natürlich  kann  uns  die  Statuette  nur  einen  sehr 
allgemeinen  Begriff  von  dem  angenommenen  Vorbild  geben, 
es  ist  eine  dekorative  etruskische  Arbeit,  wahrscheinlich  die 
Krönung  eines  Kandelabers  oder  der  Deckelgriff  von  einem 
Kessel.  Daß  der  linke  Arm  sich  so  fest  an  den  Körper  an- 
legt und  der  rechte  Unterarm  sich  vom  Oberarm  nicht  los- 
löst, beruht  nur  auf  technischen  Bequemlichkeitsgründen,  am 
Original  waren  natürlich  Ober-  und  Unterarm  getrennt,  und 
damit  wurde  auch  ein  größerer  Teil  der  Strigilis  sichtbar, 
die  in  der  Vorderansicht  der  Statuette  völlig  verschwindet. 
Der  ganz  bis  zur  rechten  Seite  hin  gewandte  Kopf  ist  etwas 
zu  plump  geraten.  Eine  Statuette  in  dem  gleichen  Motiv  be- 
findet sich  in  Paris.') 

*)  Furtwängler,  Meisterwerke,  S.  471,  glaubte  dieses  Werk  in  einer  häufig  auf  Gemmen 
vorkommertden  Figur  erhalten,  doch  stellt  er  Antike  Oemmen  zu  Taf.  44,  18  fest,  daß 
vielmehr  das  Reinigen  der  Strigilis  hier  wiedergegeben  sei.  ')  Furtwängler,  Meisterwerke, 
8.  464 ff.    »)  Bronces  de  la  bibliothlque  nationale  Nr.  934. 


[28] 


MERKUR 

Tafel  12—13 

Aus  der  Forman  Collection,  Katalog  Nr.  92.  Höhe  0,23. 
Der  linke  Arm  mit  Schulter  und  Stück  des  Rumpfes  sowie 
der  Cadueeus  sind  modern  ergänzt,  die  nicht  zugehörige 
bronzene  Basis  ist  jetzt  entfernt,  die  eingesetzten  Augensterne 
fehlen.  Ein  durch  die  Attribute,  geflügelter  Petasos,  Plügel- 
schuhe  und  Beutel,  deutlich  gekennzeichneter  Merkur,  dem  der 
Ergänzer  mit  voller  Sicherheit  das  Kerykeion  in  die  linke  Hand 
geben  konnte.^)  Daß  nicht  der  griechische  Hermes,  sondern 
der  aus  ihm  abgeleitete  römische  Merkur  gemeint  ist,  beweist 
der  Beutel,  der  bei  jenem  nicht  nachzuweisen  ist  und  wohl 
erst  von  dem  nüchtei'uer  denkenden  Römer  dem  Handelsgott 
in  die  Hand  gegeben  wurde;  die  überaus  zahlreichen,  auch 
in  den  römischen  Provinzen  sehr  häufig  gefundenen  Merkur- 
bronzen führen  ihn  neben  Kerykeion,  Plügelhut  und  Plügel- 
schuhe  beinahe  als  ständiges  Attribut.  Im  Typus  des  Kopfes 
sowohl  wie  des  Körpers  gehen  die  besseren  dieser  Statuetten 
auf  rein  griechische  Vorbilder  zurück,  die  sie  mehr  oder  minder 

')  Vielleicht  war  der  linke  Arm  rem  einer  Chlamys  bedeckt,  so  würde  sich  die  Art 
der  Verletzung  der  linken  Körperseite  am  ehesten  erklären. 

[29] 


getreu  wiedergeben,  und  zwar  sind  es  entweder  attische  Werke 
des  beginnenden  vierten  Jahrhunderts^),  die  von  ihnen  be- 
nutzt werden,  oder  Schöpfungen  des  Polyklet.*)  Letzteres  ist 
bei  unserer  Bronze  der  Fall,  die  in  Stellung,  Proportionen, 
Körperbildung,  Gesichtstypus  und  Haarbehandlung  augenfällig 
polykletisch  erscheint.  Die  Verwandtschaft  mit  dem  Doryphoros 
ist  eine  sehr  nahe,  aber  ich  vermute,  daß  unsere  Figur  nicht 
einfach  von  diesem  Kanon  beeinflußt  ist,  sondern  daß  sie  direkt 
auf  eine  Hermesstatue  des  Polyklet  zurückgeht,  von  der  uns 
die  herrliche  Bronze  von  Annecy  eine  noch  klarere  Vorstel- 
lung vermitteln  kann.')  Flügelschuhe  und  Flttgelhut  sind 
außer  dem  Beutel  römische  Zutaten.  Entsprechend  seiner 
Größe,  die  sich  über  das  Maß  der  meisten  Merkurstatuetten 
bedeutend  erhebt,  ist  auch  die  Ausführung  unseres  Stückes 
eine  für  römische  Kleinbronzon  ungewöhnlich  gute,  die  Körper- 
modellierung zeigt  große  Feinheiten,  und  die  Detailarbeit  im 
Gesicht  und  Haar  ist  mit  viel  Sorgfalt  ausgeführt. 

1)  Furtwängler,  Bonner  Jahrbücher,  Heft  90,  S.  59.    «)  Furtwängler,  Meisterwerke, 
S.  425  ff.    «)  Arehäol.  Jahrbuch  1909,  S.  6. 


[30] 


MERKUR 

Tafel  14 

Höhe  0,12.  Das  Attribut  der  linken  Hand,  zweifellos  ein 
Kerykeion,  fehlt  jetzt.  Durch  die  untere  Spitze  des  Geld- 
beutels ist  ein  rundes  Loch  gebohrt,  in  dem  einst  wohl  eine 
Quaste  als  Verzierung  hing. 

Auch  dieser  Statuette  mit  den  römischen  Zutaten  von 
Chlamys,  flügellosem  Hut,  Flügelschuhen  und  Beutel  liegt 
eine  polykletische  Schöpfung  zugrunde,  doch  ist  sie  viel 
schematischer  als  bei  der  vorigen  benutzt,  nur  die  äußerlichen 
Anhaltspunkte  wie  Schrittstellung,  symmetrische  Anordnung 
P  der  Stirnlocken  und  Schichtung  der  Haare  am  Hinterkopf  sind 

betont,    immerhin  steht  die   saubere,   sorgfältige  Arbeit  weit 
über  dem  Durchschnitt  der  römischen  Kleinbronzen. 


[31] 


WEIBLICHE  GEWANDFIGUR  MIT  FÜLLHORN 

Tafel  14 

Höhe  0,143  mu  Es  fehlen  die  linke  Hand,  die  Füllhorn- 
spitze und  das  untere  Ende  des  über  den  linken  Arm  fallenden 
Gewandzipfels.  Der  rechte  Unterarm  ist  stark  nach  unten 
und  einwärts  verbogen.  Die  Figur  war  einst  rollständig  ver- 
goldet, große  Partien  dieser  Vergoldung  sind  noch  gut  er- 
halten.    Die  eingesetzten  Augensterne  sind  herausgefallen. 

Stehende  Frau  im  dorischen  Peplos,  mit  Mäntelchen  auf 
linker  Schulter  und  linkem  Arm,  Diadem  im  Haar  und  reich 
mit  Früchten  gefülltem  Füllhorn  im  linken  Arm.  Eine  lange 
Locke  fällt  auf  jede  Schulter,  eine  kleine  ist  vor  den  Ohren 
sichtbar.  Unklar  ist  das  unversehrt  erhaltene  Attribut  der 
rechten  Hand,  das  die  Form  zweier  kurzer,  oben  zugespitzter 
Stäbe,  eines  breiten  und  eines  schmäleren,  zeigt.  Die  Bronze 
gehört  der  römischen  Kaiserzeit  an  und  enthält  Reminiszenzen 
aus  verschiedenen  früheren  Kunstperioden.  Das  Gewand  ist 
im  strengen  Stil  des  5.  Jahrhunderts  gehalten,  der  Kopf  weist 
ins  4.  Jahrhundert,  die  überschlauke  Körperbildung  in  helle- 
nistische Zeit.  Vermutlich  stammt  die  Figur  aus  einem  römi- 
schen Hauslararium  und  gehörte  zu  den  hier  aufgestellten 
Penatenstatuetten.  Das  Füllhorn  charakterisiert  allgemein  die 
Fülle  und  Segen  spendende  Gottheit,  leider  erlaubt  das  un- 
deutliche Attribut  der  Rechten  keine  genauere  Namengebung. 
Die  Ausführung  ist  sorgfältig,  aber  ziemlich  trocken. 

Früher  Sammlung  Hoffmann,  Cat.  1888,  Taf.  35. 

\  32  ] 


NACKTER  KRIEGER 

Tafel  15 

Aus  Sammlung  Lipperheide.  Helbings  Auktions- 
katalog München  1910,  Nr.  622.  Höhe  0,153  m.  Es  fehlen 
der  linke  Fuß,  die  linke  Hand  und  der  Schild,  von  dem 
Reste  am  linken  Arm  erhalten  sind,  ferner  die  Pinger  der 
rechten  Hand  bis  auf  den  Daumen. 

Ein  ruhig  stehender  nackter  Jüngling  im  Helm  mit  Busch 
und  emporstehenden  Backenklappen,  der  den  Schild  am  linken 
Arm  trug  und  vielleicht  einen  Speer  in  der  linken  Hand 
hielt.  Die  Rechte  ist  geöffnet  zur  Seite  gestreckt,  vermutlich 
wird  sie  mit  einer  Schale  zum  Spenden  zu  ergänzen  sein. 
Ob  Ares  oder  ein  Heros  dargestellt  ist,  läßt  sich  nicht  ent- 
scheiden. Die  Ausführung  der  wohl  provinzial  -  römischen 
Bronze  ist  sehr  roh,  aber  man  ahnt  noch,  daß  ein  bedeutendes 
Vorbild  ihr  zugrunde  liegt.  Eine  großartige  Einfachheit  drückt 
sich  in  Motiv,  Linienführung  und  Körperbildung  aus.  Der 
Bewegung  des  rechten  Armes  entspricht  die  Haltung  des 
Kopfes,  dessen  seitliche  Wendung  glücklich  mit  der  Frontal- 
ansicht des  Rumpfes  kontrastiert.  Die  breiten  flächigen  Körper- 
formen sowie  die  Schrittstellung  dürften  am  ersten  an  den 
polykletischen  Kunstkreis  erinnern. 


[33] 


NACKTER  JÜNGLING  IN  KAMPFSTELLUNG 

Höhe  0,065.  Die  linke  Hand,  das  Attribut  der  rechten,  und 
die  Fußspitzen  fehlen,  am  linken  Unterbein  ist  ein  Stück  unter- 
halb des  Kjiies  ergänzt. 

Ein  nackter  Jüngling  mit  einer  Binde  im  Haar  in  lebhafter, 
nach  oben  gerichteter  Bewegung.  Beide  Knie  sind  gebogen, 
der  rechte  Fuß  steht  auf  den  Zehenspitzen,  das  linke  Bein 
ist  weit  nach  auswärts  auf  eine  Erhöhung  gesetzt.  Die  ge- 
senkte Rechte  faßte  das  Schwert,  dessen  Griff  noch  vorhanden, 

[34] 


der  erhobene  linke  Arm  hielt  den  Schild.  Auffallend  ist 
allerdings  bei  einem  Krieger,  wie  wir  uns  die  Statuette  er- 
gänzen, einmal  das  Fehlen  des  Helmes  und  auJ3erdem  das 
aufgebundene  Glied.  Der  Kopf  ist  in  den  Nacken  geworfen 
und  blickt  aufwärts.  Offenbar  haben  wir  es  hier  mit  dem 
Teil  einer  Gruppe  zu  tun,  der  Jüngling  rerteidigt  sich  gegen 
einen  auf  höherem  Terrain  stehenden  Gegner.  Die  Ausfüh- 
rung der  kleinen  Figur  ist  im  Detail  nicht  besonders  sorg- 
fältig, aber  sehr  reizYoll  ist  das  stark  bewegte  Körpermotiv. 
Nach  der  stilistischen  Behandlung  des  Kopfes  mit  seinen 
flächig  gehaltenen  Gesichtsformen  und  nach  der  Art,  wie  die 
Binde  angebracht  ist,  zu  urteilen,  gehört  die  Bronze  noch  an 
das  Ende  des  5.  Jahrhunderts  v.  Chr.  und  dazu  stimmt  auch, 
daß  die  Figur  nur  auf  die  eine  Seitenansicht  berechnet  ist, 
in  der  sie  gewissermaßen  als  Reliefarbeit  wirkt. 


[35] 


LAR 

Tafel  16 

Aus  der  Forman  CoUection  Katalog  Nr.  101.  Reinacli, 
Repertoire  III,  143. 4.  Höhe  0,17.  Stark  mit  Oxydwncherungen 
bedeckt.    Die  besonders  gegossenen  Arme  fehlen  jetzt. 

Ein  ausgezeichnetes  Beispiel  des  bekannten  römischen 
Larentypus,  ein  beschuhter  Jüngling  im  Tanzschritt  das  eine 
Bein  Torsetzond,  während  das  andere  auf  den  Zehen  zurück- 
steht, mit  kurzer  gegtirteter  Tunika,  die  einen  Brustausschnitt 
freiläßt  und  infolge  der  Körperbewegung  nach  rückwärts  flat- 
tert. Der  erhobene  rechte  Arm  hielt  ein  Rhyton  hoch  empor, 
der  linke  auf  der  vorgestreckten  Hand  eine  Schale,  die  den 
aus  dem  Hom  herabfallenden  Strahl  aufnehmen  sollte.  Neben 
diesen  gemeinsamen  Zügen  zeigen  die  zahlreichen  erhaltenen 
Larenstatuetten  in  Einzelheiten  allerlei  kleine  Unterschiede, 
80  in  der  Gewandanordnung,  indem  z.  B.  meist  der  Gürtel  über 
der  Tunika  sichtbar  wird,  seltener  wie  bei  unserer  Bronze 
unter  dem  Überfall  sich  verbirgt.  Am  stärksten  weichen  sie 
aber  in  den  Köpfen  voneinander  ab,  sowohl  in  der  Haltung 
wie  in  der  Gesichtsbildung  wie  in  der  Frisur;  es  scheint  sich 
hier  kein   fester  Typus   ausgebildet   zu   haben,   sondern   der 

[36] 


p 


klassizistische  Geschmack  der  Römer  wählte  nach  Belieben 
aus  alten  Vorbildern  aus.  Im  vorliegenden  Falle  ist  der  leise 
nach  links  gewendete  Kopf  im  Stil  des  5.  Jahrhunderts  ge- 
halten.    Die  Haare,   in  denen   eine   schmale  Binde  mit   drei 

[37] 


^■% 


Blumenrosetten  liegt,  gehen  oben  auf  dem  Kopf  noch  alle 
vom  Wirbel  aus,  sie  sind  auf  der  Stirn  in  ganz  symmetrischen 
Locken  angeordnet,  wie  wir  es  von  polykletischen  Köpfen 
kennen,  und  fallen,  das  Gesicht  einrahmend,  über  die  Ohren 

[38] 


herab.  Hinten  wehen  sie,  wie  das  Gewand  ron  der  Körper- 
bewegung beeinflußt,  in  einem  aus  einzelnen  Locken  gebildeten 
dicken  Schopf  nach  rückwärts.  Die  Behandlung  des  flattern- 
den Gewandes  mit  den  schematisch  geführten,   wie  erstarrte 

[39] 


Wellen  wirkenden  Faltenzügen  ist  so  recht  charakteristisch 
für  die  klassizistische  griechisch-römische  Kunst  des  ersten 
vor-  und  nachchristlichen  Jahrhunderts,  die  Rückführung  der 
Larendarstellung  auf  einen  griechischen  Dionysostypus  sehr 
zweifelhaft^).  Die  Arbeit  des  Stückes  ist  von  entzückender 
Feinheit  sowohl  in  den  Schuhen  als  auch  in  den  Gewand- 
falten, vor  allem  aber  im  Gesicht  und  in  den  Haaren,  bei 
denen  man  sich  an  die  besten  originalgriechischen  Bronzen 
erinnert  fühlt.  Nur  der  schöne  Lar  des  Berliner  Museums"), 
dem  leider  auch  beide  Arme  fehlen,  ist  dem  unsrigen  wirk- 
lich ebenbürtig,  und  dies  hat  seinen  einfachen  Grund  darin, 
daß  er,  wie  ich  an  der  Hand  des  mir  vorliegenden  Gips- 
abgusses feststellen  konnte,  einst  sein  Gegenstück  bildete, 
also  aus  der  Hand  desselben,  etwa  der  Zeit  des  Augustus 
angehörenden  Meisters,  hervorgegangen  ist  Diese  Laren  bil- 
deten bekanntlich  immer  ein  im  Gegensinne  gearbeitetes  Paar, 
hier  erhob  das  Berliner  Exemplar  den  linken  Arm,  stellt 
das  linke  Beta  vor  und  wendet  den  Kopf  zur  Rechten.  Ln 
übrigen  gleichen  sich  die  beiden  Bronzen  in  jedem  Detail 
aufs  genaueste;  auch  die  Art  der  Oxydierung  ist  dieselbe, 
nur  etwas  besser  erhalten  ist  der  Berliner  Lar,  vor  allem  in 
den  Schuhen  und  den  Haaren. 

1)  Wissowa,  Annali  deli  'Inst.  1883.  S.  156  ff.  und  Boschers  Myth.  Lex  II  Sp.  1893. 
')  Hier  im  Texte  witdergegeben  nach  Photographien,  die  der  Freundlichkeit  B.  Zahns 
verdankt  werden. 


[40] 


STATUETTE  DES  POSEIDON 

Tafel  17—18 

Aus  der  Forman  CoUection,  Katalog  Nr.  84,  Taf.  6.  Früher 
in  der  Sammlung  Fejervary-Pulszky.  Abgebildet:  C.  de  la 
Chausse,  Mus.  Romanum  I,  2  Taf.  14.  Montfaucon,  Ant.  expl.  I, 
Taf.  29. 4.  Mon.  dell'  Inst.  1854.  Taf.  18.  S.  89.  Overbeck,  Kunst- 

[41]  6 


mythologie  IE  Taf.  II,  2.  Reinach,  Repertoire  IT  28.  6.  Röscher, 
Mythol.  Lexikon  m  S.  2892. 

Höhe  von  Kopf  bis  Fuß  0,295;  bis  zu  den  Fingern  der 
erhobenen  Linken  0,305.  Es  fehlen  der  Zeigefinger  der  linken 
Hand  und  einige  Blätter  des  Haarkranzes.  Ergänzt  sind  der 
rechte  Fuß  etwa  von  der  Mitte  des  Schienbeines  abwärts,  der 
linke  vom  Knöchel  an.  Der  rechte  Arm  war  oberhalb  des 
Biceps  abgebrochen  und  ist  mittels  zweier  modemer  Meten 
wieder  angefügt,  wobei  ein  ringsumlaufender  schmaler  Streifen 
eingelegt  wurde.  Die  Bronze  muß  mit  Säure  gründlich  von 
Oxydwucherungen  gereinigt  worden  sein,  das  zeigt  die  tief- 
rote Färbung  der  Partien,  an  denen  die  Oberfläche  zerstört 
ist,  die,  wo  sie  gut  erhalten,  eine  schöne  schwarzgrüne  Patina 
aufweist.  Stärkere  Beschädigungen  hat  die  Rückseite  erlitten, 
hier  sind  neben  der  rechten  Hüfte  und  unter  dem  rechten 
Glutäus  zwei  ziemlich  umfangreiche  Löcher  modern  ausgefüllt. 

Der  nackte  bärtige  Gott  ist  der  Beherrscher  des  Meeres 
Poseidon,  so  kennzeichnet  ihn,  wenn  auch  Attribute  jetzt 
fehlen,  noch  der  Schilfkranz  im  Haar,  von  dem  ein  Bronze- 
blatt über  dem  linken  Ohr  sich  erhalten  hat,  während  die 
übrigen  Blätter,  die  besonders  eingesetzt  und  nach  älteren 
Mitteilungen^)  aus  Silber  waren,  verloren  gegangen  sind.  Da- 
nach ist  das  Attribut  in  der  Linken  sicher  ein  Dreizack 
gewesen,  den  der  Gott  aufstützte^).  Der  rechte  Arm  ist  leicht 
nach  vorne  erhoben  mit  einer  leisen  Seitwärtsbewegung,  die 

1)  E.  Braun,  Mon.  delV  Inst.  1854.  S.  89.  ^)  In  der  Hand  ist  noch  die  Einbettung 
des  runden  Schaftes  sichtbar,   an   dem  der  jetzt  fehlende  Zeigefinger  ausgestreckt  anlag. 

[42] 


nach  unten  geöffnete  Hand  ist  leer^).  Der  Richtung  dieses 
Armes  folgt  der  Blick  des  nach  rechts  gewandten,  ganz  wenig 
zurückgelegten  Kopfes.  Der  Körper  ist  in  voller  Vorderansicht 
gegeben,  sein  Gewicht  ruht  auf  dem  rechten  Bein,  während 
das  linke  zurück  und  etwas  zur  Seite  gestellt  ist,  nur  mit 
Zehen  und  Ballen  auftretend. 

Ein  ungemein  reizvoller  Kontrast  von  Ruhe  und  Bewegung 
lebt  in  der  Statuette,  fest  steht  das  rechte  Bein  und  fest  stützt 
sich  der  linke  Arm  auf,  graziös  tritt  der  linke  Fuß  zurück 
und  voll  verhaltener  Bewegung  ist  der  scheinbar  untätige 
rechte  Arm.  Auch  im  Kopf  glaubt  man  diesen  Gegensatz 
sich  fortsetzen  zu  sehen,  dem  unruhigen  gelockerten  Haupt- 
haar steht  die  festgefügte  Masse  des  Bartes  gegenüber,  aber 
die  Kopfhaltung  und  das  lebhafte  Mienenspiel  entscheiden 
doch  für  das  Dominieren  der  Bewegung  in  dem  ganzen  Kunst- 
werk, die  sich  auch  in  der  Ausbiegung  der  rechten  Hüfte 
ausdrückt. 

So  gesellt  sich  in  der  "Wirkung  der  Figur  zu  der  göttlichen 
Majestät,  die  in  der  imponierenden  Haltung  zur  Schau  tritt, 
und  der  Kraft,  die  der  muskulöse  Körperbau  verrät,  eine 
nervöse  Unruhe,  die  in  dem  Körper  zu  pulsieren  scheint  und 
deren  Hauptträger  Kopf  und  rechter  Arm  sind.  Das  Gesicht^ 
hat  trotz  der  es  umrahmenden  auf-  und  niederflutenden  Haare, 
der  reich  gegliederten  Stirn,  der  beschatteten  Augen  und  des 
leicht  aufgeworfenen  Mundes  keinen  pathetisch  erregten,  son- 
dern nur  einen  unsteten  Ausdruck,  der  schnell  wechselnde 

*)  Das  im  Handinnem  befindliche  Loch  ist  eine  zufällige  Verletzung. 

[43] 


Stimmungen  widerspiegelt.  Äußerst  charakteristisch  ist  die 
Haltung  des  rechten  Armes.  Mit  Unrecht  hat  man  rermutet, 
die  Hand  ruhe  auf  etwas  auf,  etwa  auf  dem  Schwanz  eines 
Delphines^),  aber  auch  der  schon  geäußerte  Gedanke,  daß  in 
der  Handhaltung  sich  der  Wunsch  nach  Ruhe  ausdrücke*), 
scheint  mir  verfehlt.  Im  Gegenteil,  wie  im  Gesicht  ist  auch 
hier  nicht  Ermüdung,  sondern  Unruhe  verkörpert,  die  im  ganzen 
Arm  und  in  der  Hand  bis  in  die  Fingerspitzen  hinein  zu 
vibrieren  scheint;  meisterhaft  geben  dies  Drehung  des  Unter- 
armes und  Krümmung  der  Finger  wieder. 

Was  der  Künstler  hat  ausdrücken  wollen,  ist  klar;  mit 
dem  Beherrscher  des  Meeres,  dem  der  Dreizack  eigen  ist,  zu- 
gleich den  Charakter  des  Elementes,  und  der  konnte  nicht  ein- 
facher und  erschöpfender  erfaßt  werden,  als  in  seiner  Grimd- 
eigenschaft  — ,  der  ewigen  Unruhe,  die  in  Meeresstille  und 
Meerestoben  sich  nur  verschieden  potenziert  äußert.  Es  ist 
eine  Charakterisierung,  die  hinausgeht  über  die  rein  äußer- 
liche nur  auf  Attributen  beruhende  des  älteren  bis  ins  vierte 
Jahrhundert  herrschenden  Poseidonideals,  aber  anderseits 
noch  nicht  mit  den  effektvollen  Mitteln  der  hellenistischen 
Zeit  arbeitet,  die  den  Meergott  gerne  in  großartiger  Pose  und 
mit  pathetischem  Gesichtsausdruck  darstellt. 

Es  muß  ein  großer  Meister  des  4  Jahrhunderts  gewesen 
sein,  dem  wir  die  wundervolle  Schöpfung,  die  unserer  Bronze 
zugrunde   liegt,   verdanken,  und   sehr  glücklich  hat  man  sie 

1)  Brunn,  Ann.  deW  Inst.  1857  S.  189.  Overbeck,  Kunstmythologie  II  S.  286. 
')  Braun  a.  a.  O. 

[44] 


mit  L  y  8  i  p  p  in  "Verbindung  gebracht,  allerdings  mit  der  nach 
meiner  Ansicht  verfehlten  Einschränkung,  daß  in  ihr  eine 
hellenistische  Fortbildung  seines  Poseidons  vorliege,  in  der 
die  lysippische  Formensprache  vergröbert  sei^).  Letztere  Be- 
hauptung, die  vielleicht  der  in  falscher  Ansicht  und  über- 
trieben greller  Beleuchtung  wiedergegebenen  Abbildung  des 
Forman  CoUection-Katalogs  gegenüber  verständlich  ist,  muß 
angesichts  des  Origüials  ganz  entschieden  bestritten  werden. 
Die  Figur  ist  vielmehr  vom  Scheitel  bis  zur  Sohle  echt  ly- 
sippisch,  in  Ponderation,  in  den  Proportionen,  in  der  Behand- 
lung der  EinaeKormen  und  in  der  Gesamtauffassung.  Ein 
schlanker  Körper  mit  langen  Armen  und  Beinen  und  kleinem 
Kopf,  die  Muskulatur  ganz  dem  Apoxyomenos  entsprechend 
und  nirgends  übertriebene  Formen,  wie  sie  der  sog.  Thermen- 
diadoche,  der  wirklich  eine  Yergröberung  lysippischer  Kunst 
darstellt,  zeigt.  Vor  allem  aber  liegt  eine  durchaus  ly sippische 
Stimmung  über  dem  Kunstwerk,  die  in  der  schon  näher  zer- 
gliederten den  Körper  beherrschenden  inneren  Unruhe  ihren 
Ausdruck  findet  und  diese  zum  eigentlichen  Träger  des  Meer- 
gottideals macht.  Die  Unruhe  gipfelt  in  dem  prachtvollen 
Kopf,  der  trotz  diskreter  äußerlicher  Charakterisierung  —  das 
Haar  hat  nichts  Theatralisches,  wie  man  wohl  gemeint  hat  — 
eine  Ahnung  gewährt  von  der  packenden  Wirkung  lysippi- 
schen  Temperaments^).   Alles  in  allem  nach  Form  und  Inhalt 

•)  H.  Bulle  in  seinem  vortrefflichen  Artikel  Poseidon:  Boscher,  Myth.  Lexikon  III, 
S.  2893.  ^)  Bulle  a.  a.  0.  S.  3892  führt  einen  Marmorkopf  des  Museo  Chiaramonti  (Ame- 
lung,  Vatikan  I,  Nr.  607),  der  wie  er  richtig  betont,  in  sehr  engem  Zusammenhang  mit 
unserer  Bronze  steht,  auf  einen  Poseidon  des  Lysipp  zurück.  Die  lysippischen  Elemente 

[45] 


ein  Poseidon  des  Lysipp  ^),  bei  dem  allerdings  begreiflich  ist, 
wenn  er,  wie  überhaupt  die  Werke  des  Lysipp,  einen  gewal- 
tigen Einfluß  auf  die  hellenistische  Kunst  ausgeübt  hat. 

Es  ist  nicht  ohne  Interesse,  unsere  Statuette  mit  der  schönen 
Poseidonbronze  von  Dodona  im  Berliner  Museum*)  zu  ver- 
gleichen, die  ihr  in  den  Maßen  beinahe  gleichkommt  und  von 
den  Herausgebern  ebenfalls  dem  lysippischen  Kunstkreis  zu- 
geteilt wird.  Sehr  wahrscheinlich  hat  Lysipp  mehr  als  einen 
Poseidon  geschaffen  und  verschiedene  Auffassungen  vom 
Wesen  dieses  Gottes  verkörpert,  so  daß  an  sich  nichts  im 
Wege  stände,  auch  das  Original  der  Dodonabronze,  das  ge- 
wiß in  der  zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  entstanden  ist, 
ihm  zuzuschreiben.  Für  mein  Empfinden  liegt  aber  nicht  nur 
in  den  Proportionen,  die  gedrungener  sind  als  die  unserer 
Statuette,  sondern  auch  in  der  geringeren  Elastizität  des  Kör- 
pers, in  der  mehr  konventionellen  Haltung  der  Arme,  vor 
allem  aber  im  Kopf  etwas  Unlysippisches.  Ihm  fehlt  ganz  die 
nervöse  Unruhe,  die  für  diesen  Meister  so  charakteristisch  ist, 

sind  auch  in  dem  vatikanischen  Kopf  ganz  unverkennbar,  nur  glaube  ich,  daß  sie  in 
dem  Kopf  unserer  Bronze  noch  reiner  vorhanden  sind,  und  daß  nicht  dieser  von  jenem 
abhängig  ist,  wie  Bulle  meint,  sondern  umgekehrt.  Der  Marmorkopf  drückt  Abspannung 
und  Mißmut  aus,  das  welke  Fleisch  verrät  einen  alternden  Mann.  Ich  glaube,  daß  wir 
nicht  berechtigt  sind,  weder  diese  realistische  Charakterisierung,  die  den  Kopf  porträt- 
artig wirken  läßt,  noch  jene  allzu  nüchterne  Alltags-Stimmungsmalerei  bei  lyppischen 
Oöttertypen  vorauszusetzen.  Der  Kopf  unserer  Bronze  scheint  mir  hier  in  einen  haus- 
backenen Stil  übersetzt,  das  Niveau  irdischer  —  Bulle  spricht  von  einem  verwitterten 
Seebären  —  geworden  tu  sein.  Ich  kann  mir  schwer  einen  lysippischen  Poseidonkörper 
%u  diesem  zwar  individuellen  aber  wenig  schwunghaften  Kopf  vorstellen.  *)  Die  Be- 
ziehung des  Poseidon  mit  dem  aufgestützten  Fuß  im  Lateran  auf  Lysipp,  die  Konrad 
Lange  (Das  Motiv  des  aufgestützten  Fußes  in  der  antiken  Kunst  S.  37  ff.)  konstruierte, 
ist  mit  guten  Gründen  schon  von  Bulle  (a.  a.  0.  S.  2891)  und  Six  (Ärchäol.  Jahrb.  1909 
S.  24)  zurückgewiesen  worden.  ')  Bronzen  aus  Dodona  in  den  Kgl.  Museen  zu  Berlin 
Taf.  4.  5,  S.  24. 

[46] 


er  fußt  eher  auf  Werken  wie  dem  Asklepios  von  Melos,  dem 
mit  diesem  zusammengestellten  Bostoner  Zeuskopf  ^)  und  den 
von  Amelung'')  auf  Bryaxis  bezogenen  Werken.  Daß  lysippi- 
sche  Kunst  auf  Stellung  und  Muskulatur  eingewirkt  haben, 
will  ich  dabei  nicht  leugnen,  aber  sie  ist  ein  äußerlicher 
Faktor,  nicht  wie  bei  unserer  Bronze  die  Grundlage  des 
Kunstwerkes. 

V  Brunn  •  Bruckmann,  Denkmäler  griech.  u.  röm.  Skulptur  Taf.  572.  573.    *)  Revue 
arcMol.  1903,  II,  8. 177 ff.,  Ausonia  III,  8.  115  ff. 


[47] 


KOPFFRAGMENT 

Tafel  19 

Aus  Rom.  Höhe  0,17,  Breite  0,225.  Erhalten  ist  nur  die 
hohlgegossene  linke  obere  Gesichtspartie  eines  überlebens- 
großen männlichen  Kopfes  mit  den  Resten  eines  Helmes  über 
dem  in  einzelnen  kleinen  Löckchen  aufstrebenden  Haar.  Die 
Form  des  Helmes  scheint  eine  ungewöhnliche  gewesen  zu  sein. 
Der  diademartige  vordere  Rand,  von  dem  eine  jetzt  nur  noch 
in  Resten  erhaltene  aufrechtstehende  Backenklappe  ausgeht, 
ist  durch  eine  Einkehlung  mit  der  Kappe,  die  noch  im  Ansatz 
vorhanden  ist,  verbunden.  Hinter  dem  Ohr  wird  ein  Nacken- 
schirm sichtbar. 

Aus  diesem  kleinen  Rest  eines  wohl  zwecks  metallgieriger 
Einschmelzung  gewaltsam  zerschlagenen  Bronzewerkes  spricht 
noch  eine  große  künstlerische  Meisterschaft.  Wundervoll  ist 
die  Modellierung  von  Stirn,  Brauenbogen,  Schläfe  und  Wangen- 
rest, ihr  ebenbürtig  die  Arbeit  des  Haares,  bei  dem  die  ein- 
zelnen Locken,  wie  vom  Sturme  gesträubt  und  ineinander- 
gewühlt,  in  lebendigstem  Spiel  gebildet  sind.  Man  ahnt  die 
Leidenschaft   die    diesen    Krieger,    den    wir    uns    nach   dem 

[48] 


Nackenansatz  mit  Torgestrecktem  Kopf  im  Kampf  begriffen 
denken  dürfen,  durchtobte.  Es  ist  schwer  aus  dem  wenigen 
Erhaltenen  auf  Stil  und  Zeit  zu  schließen,  der  hellenistischen 
Epoche  möchte  man  am  liebsten  das  "Werk  zuschreiben,  der 
schöne  Kentaurenkopf  in  Speier  ^)  scheint  mir  in  der  Behand- 
lung der  Haare  nächstverwandt  zu  sein. 

*)  Furtwängler,  Bonner  Jahrbücher  Heft  93  Taf.  6. 


[49] 


ALEXANDER 

Tafel  20 

Aus  Sammlung  Lipperheide.  Helbings  Auktionskatalog 
1910  Nr.  624.  Höhe  0,174  Mit  Säure  gereinigt.  Es  fehlen 
der  linke  Fuß  ganz,  das  Vorderteil  des  rechten,  der  Zeige- 
finger und  das  Attribut  der  rechten  Hand. 

Ein  nackter  Krieger  mit  korinthischem  Helm,  im  linken 
Arm  das  in  der  Scheide  steckende  Schwert  haltend,  mit  der 
hoch  erhobenen  Rechten  die  jetzt  fehlende  Lanze  aufstützend. 
Er  setzt  das  linke  Spielbein  weit  zurück  und  wendet  den 
Kopf  zur  linken  Seite.  Es  ist  eine  römische  Bronze  Ton 
ziemlich  derber  Ausführung,  bei  welcher  der  Hauptnachdruck 
auf  der  starken  Betonung  der  Muskulatur  liegt,  aber  das  groß- 
artige Motiv  verrät  eine  ältere  Quelle.  Es  muß  ein  hervor- 
ragendes Werk  hellenistischer  Kirnst  als  Yorbild  benutzt 
worden  sein,  wie  ich  vermute  eine  Statue  Alexanders  des 
Großen,  denn  auf  ihn  scheinen  mir  die  Gesichtszüge  deutlich 
hinzuweisen.  Auch  die  Form  des  Helmes,  der  in  seiner  unteren 
Partie  mit  den  seitlichen  Palten  an  die  makedonische  Kausea 

[50] 


erinnert,  würde  hierfür  sprechen.  An  einen  römischen  Mars 
zu  denken  liegt  kein  Grund  Tor,  die  geläufigen  Typen  des- 
selben sind  ganz  anderer  Art^).  Die  Art  der  Haarbehand- 
lung, die  korkzieher artig  neben  den  Wangen  und  in  den 
I^acken  herabfallenden  langen  Locken  haben  ihre  nächste 
Parallele  an  dem  großartigen  Alexanderkopf  aus  Kos  in 
Konstantinopel "),  dessen  Helm  am  besten  nach  unserer  Bronze 
ergänzt  würde. 

*)  tfber  diese  zuletzt  Studniczka  in  den  Rom.  Mitt.  1910,  S.  42ff.  Die  von  Dilthey 
in  den  Bonner  Jahrbüchern  Bd.  53,  54,  Taf.  1 — 11,  8.  1  ff',  auf  Mars  gedeuteten  Bronzen 
sind  wohl  eher  Heroendarstellungen.    ')  Ärchäol.  Anzeiger  1905,  S.  10. 


[51] 


RINGERGRUPPE 

Tafel  21 

Aus  der  Forman  CoUection,  Katalog  I^'r.  95.   Höhe  0,165  m. 

Zwei  nackte  Männer  Ton  athletischem  Körperbau,  der  eine 
bärtig,  der  andere  unbärtig,  sind  im  Eingkampf  Terschlungen, 
der  aber  bereits  entschieden  scheint,  da  der  jüngere  vollständig 
in  der  Gewalt  seines  Gegners  ist.  Dieser  steht  aufrecht  hinter 
ihm  und  drückt  ihn,  nachdem  er  ihm  seine  beiden  Arme  nach 
rückwärts  gebogen  und  auf  diese  Weise  aktionsunfähig  gemacht 
hat,  mit  der  linken  Hand  im  Genick  zu  Boden.  Außerdem 
hat  er  sein  rechtes  Bein  vor  das  des  Unterliegenden  gestellt, 
der  nur  noch  mit  seinem  linken  Fuß  einen  wirklichen  Halt 
am  Boden  findet. 

Mir  sind  noch  fünf  weitere  Wiederholungen  der  Gruppe 
bekannt,  im  British  Museum^),  im  Bonner  Kunstmuseum^), 
in  der  Sammlung  de  Clercq*),  in  der  Sammlung  Warrocquö*), 
endlich  eine  fünfte,  die  ich  nur  aus  Photographien  kenne, 
deren  Aufenthaltsort  ich  aber  nicht  weiß.  Es  sind  alles  eben- 
falls Kleinbronzen,  die  aber  sämtlich  in  einem  Detail  von 
unserm  Exemplar  abweichen,  nämlich  darin,  daß  der  Sieger 
nicht  nur  mit  einem  sondern  mit  seinen  beiden  Beinen  vor 

')  Joum.  of.  hell.  Stud.  1905,  Taf.  XI,  b.  S.  288.  »)  Aus  Vienne  stammend.  Höhe 
19^1^  cm.  »)  CoUection  de  Clercq  III,  Nr.  353,  Taf.  41.  Höhe  14  cm.  *)  CoUection  Raotd 
Warrocque  1909,    Nr.  270. 

[52] 


dem  rechten  Bein  des  Unterliegenden  steht  und  dieses  mit 
der  linken  Ferse  nach  hinten  hinausdrtickt,  eine  Stellung, 
durch  welche  die  Gesamtkomposition  sehr  an  Lebendigkeit 
gewinnt,  und  die  sieher  die  ursprüngliche  war. 

Außer  dieser  direkten  Wiederholungen  muß  hier  noch 
einer  nahe  yerwandten  Schöpfung  gedacht  werden,  gleich- 
falls einer  Ringergruppe,  die  in  fünf  antiken  Bronzekopien 
erhalten  ist^).  Der  Sieger  steht  auch  hier  aufrecht  im  Rücken 
seines  Gegners,  biegt  dessen  rechten  Arm  zurück  und  drückt 
seinen  Kopf  herunter.  Ein  wesentlicher  Unterschied  besteht 
nur  darin,  daß  der  Unterliegende  seinen  linken  Arm  noch 
frei  hat  und  ihn  sowie  das  rechte  Knie  am  Boden  aufstützt. 

Ebenso  wie  diese  Gruppe,  wenn  auch  in  einem  Exemplar 
der  Sieger  als  Hermes,  in  einem  andern  als  Herakles  charak- 
terisiert ist,  nur  als  allgemeine  Verherrlichung  des  Ring- 
kampfes aufgefaßt  werden  darf,  so  auch  die  unsrige,  die  sehr 
mit  Unrecht,  wohl  weil  der  bärtige  Kopf  einem  geläufigen 
Heraklestypus  nahesteht,  vielfach  als  Herakles  und  Antaios 
gedeutet  wird.  Hiergegen  spricht  vor  allem,  daß  während 
der  Sage  nach  Herakles  bestrebt  sein  muß,  den  Antaios  von 
der  Erde  fernzuhalten,  hier  umgekehrt  der  Unterliegende  zu 
Boden  gedrückt  wird. 

1)  a.  Florenz.  Gall.  di  Firenze  III,  Taf. 123,2.  Reinach,  Rep.II,  S.Ö38,5.  h.  Peters- 
burg. Compte  rendu  1867,  Taf.  1,  S.  5.  Reinach,  Bep.  II,  S.  538,  1  u.  3.  Journ.  o/hell. 
Stud.  1905,  S.  290,  Fig.  So.  Bei  diesem  Exemplar  sind  die  Arme  des  Siegers  in  der  Hand- 
lung vertauscht,  c.  Konstantinopel.  Archäol.  Jahrb.  1898,  Taf.  11,  S.  ITT.  Revue 
archeol.l899,II,Taf.l8.  d.  Louvre.  Reinach,  Rep.II,  S.  234,  2.  e.  British  Musetim. 
Cot.  of  Bronzes  853,  Taf.  27.  Vgl.  zu  dieser  Gruppe  außerdem  Petersen,  Rom.  Mitt. 
1900,  S.  158  u.  Klein,  Kunstgeschichte  III,  S.  309,  der  unbegreiflicherweise  das  Londoner 
Exemplar  für  archaisch  erklärt,  während  es  provinzial-römisch  wie  die  übrigen  ist. 

[53] 


Die  Frage  nach  der  kunstgeschichtlichen  Stellung  beider 
auch  stilistisch  nahe  zusammengehöriger  Gruppen  ist  nicht 
leicht  zu  beantworten.  Daß  sie  in  so  vielen  Wiederholungen 
erhalten  sind,  spricht  für  ihre  Beliebtheit,  daß  durchweg  alle 
Exemplare  eine  sehr  derbe,  vielfach  sogar  rohe  Ausführung 
zeigen,  dafür,  daß  sie  als  Dutzendware  weit  verbreitet  waren, 
wozu  auch  stimmt,  daß  die  Fundorte,  soweit  sie  bekannt  sind, 
an  den  „Rändern  des  römischen  Reiches"  liegen.  Anderseits 
können  nicht  beide  Schöpfungen  als  selbständige  künstlerische 
Leistungen  gelten,  dafür  sind  sie  im  Motiv  zu  sehr  voneinander 
abhängig.  Auch  ist,  strenge  beurteilt,  die  Komposition  eigent- 
lich kein  Meisterwerk,  die  Gruppe  fällt  entsprechend  dem 
schon  entschiedenen  Kampfe  auch  formell  auseinander  und 
wirkt  trotz  starker  Betonung  aller  Kräfteanspannung  nicht 
entfernt  so  packend  wie  das  berühmte  Florentiner  Ringer- 
paar.^)  Man  kann  vielleicht  vermuten,  daß  ein  Künstler  römi- 
scher Zeit  in  Anlehnung  an  jenes  herrliche  Werk  hellenisti- 
scher Kunst*)  eine  Gruppe  geschaffen  hat,  die  einen  Ringersieg 
darstellen  sollte,  und  daß  diese  uns  in  zwei  Fassungen  vor- 
liegt, von  denen  jede  wieder  variiert  worden  ist.  Die  relativ 
glücklichste  Lösung  scheint  mir  jene  in  fünf  Exemplaren 
erhaltene  Komposition  zu  sein,  von  der  unsere  Bronze  in  der 
Beinstellung  des  Siegers  abweicht,  die  Beliebtheit  der  Gruppen 
ist  aber  wohl  eher  auf  Rechnung  des  Sujets  als  auf  die  der 
künstlerischen  Leistung  zu  setzen. 

V  Brunn-Bruckmann,  Denkmäler  Taf.  431.    Amelung,  Führer  durch  Florenz,  S.  4S. 
*)  Löwy,  Rom.  Mut.  1900,  S.  159  Anm.  1,  u.  Die  griech.  Plastik,  8.  119. 

[54] 


DIONYSOS  UND  SATYR 

Tafel  22 

Aus  der  Forman  CoUection.  Katalog  Nr.  107,  Taf.  7. 
Reinach,  Repertoire  m,  35.  7.     Höhe  0,18. 

Der  ruhig  stehende  Dionysos  ist  zu  einer  Gruppe  yer- 
bunden  mit  einem  kleinen  weitausschreitenden  Satyr,  auf 
dessen  rechte  Schulter  er  seinen  linken  Unterarm  stützt.  Der 
Gott  trägt  Stiefel  an  den  Füßen,  die  Nebris  über  dem  linken 
Arm,  neben  ihm  steht  eine  Amphora.  Er  hebt  seinen  rechten 
Arm  und  legt  die  Hand  auf  seinen  efeubekränzten  Kopf,  an 
dem  auf  der  Stirn  zwei  kurze  Stierhörner  herrorsprießen. 
Seine  linke  Hand  hält  ein  Trinkhorn.  Der  Satyr,  ebenfalls 
mit  kurzen  Stierhörnern  und  Zotteln  am  Hals,  stützt  mit  der 
Linken  einen  Knotenstock  auf  und  legt  die  Rechte  hinten  auf 
den  Oberschenkel  des  Dionysos,  den  er  zum  Weitergehen 
veranlassen  zu  wollen  scheint. 

Die  Yereinigung  des  Dionysos  mit  dem  Satyr  in  einer 
rundplastischen  Gruppe  scheint  der  frühhellenistischen  Kunst 
zu  entstammen,  in  der  überhaupt  zum  erstenmal  enger  ge- 
schlossene Figurenverbindungen  auftreten.  Ein  schönes  Marmor- 

[55] 


werk  in  Florenz  ^)  zeigt  uns  den  Weingott  auf  seinen  Diener 
gestützt,  eine  wunderyolle  Komposition,  der  gegenüber  unsere 
Gruppe,  die  das  gleiche  Thema  behandelt,  unleugbar  einen 
Rückschritt  bedeutet.  Sie  ist  eine  echt  römische  Lösung, 
zwei  Figuren  sind  ganz  äußerlich  miteinander  rerbunden,  und 
zwar  ist  für  den  Dionysos  der  bekannte  Typus  des  ApoUon 
Lykeios  gewählt.  Auch  diese  römische  Gruppe  muß  übrigens 
sich  großer  Beliebtheit  erfreut  haben,  sie  ist  noch  in  vielen 
Marmorwiederholungon  erhalten*),  in  denen  der  Dionysos 
ziemlich  unverändert  erscheint,  der  Satyr  dagegen  variiert 
wird.  Bemerkenswert  ist,  daß  auch  unsere  Bronze  nach  einem 
Marmorvorbild  kopiert  zu  sein  scheint,  da  bei  diesem  sowohl 
die  Stütze  zwischen  dem  linken  Bein  des  Satyrs  und  seinem 
Stock  wie  auch  die  Amphora  neben  dem  Dionysos  sich  aus 
technischen  Gründen  erklären,  die  für  den  Bronzeguß  weg- 
fallen. Das  "Werk  etwa  nicht  für  antik  zu  halten,  scheint 
mir  nach  dem  äußeren  Zustand  keine  Berechtigung  vor- 
zuliegen. 

*)  Brunn-Brucktnann,  Taf.  620. 

*)  Aufgeführt  von  P.  Arndt,  ebenda.  Es  fehlt  in  der  Liste  die  ahozzierte  Gruppe 
des  Athener  Museums  (Ephemeris  1888,  Taf.  1)  deren  Motiv,  das  mit  dem  des  venetiani- 
tchen  Stückes  (Arndt,  Fig.  4)  nahe  zusammengeht,  mir  das  verhältnismäßig  geschlossenste 
und  wirkungsvollste  zu  sein  scheint.  Benutzt  ist  die  gleiche  Komposition  auch  in  einer 
Marmorgruppe  aus  Pavlikeni  in  Bulgarien,  die  noch  teeitere  Figuren  des  bacchischen 
Thiasos  hinzufügt  (Filow,  Mitteil.  d.  bulgar.  archäol.  Oes.  III  1912,  S.  28,  Fig.  23). 


[56] 


PARISBÜSTE 

Tafel  23 

Angeblich  aus  Kleinasien.    Höhe  0,125  m. 

Vor  einer  kreisrunden,  hinten  ausgehöhlten  Scheibe  als 
Hintergrund  springen  Brust,  Schulter  und  Hals  eines  Jüng- 
lings in  Relief,  sein  Kopf  und  rechter  Arm  in  voller  Rundung 
vor.  Er  trägt  asiatische  Kleidung,  den  langärmeligen,  am  Hand- 
gelenk einen  "Wulst  bildenden  Chiton,  eine  auf  der  rechten 
Schulter  geknüpfte  Chlamys  und  die  sog.  phrygische  Mütze 
mit  lose  herabhängenden  Seitenlaschen.  Diese  Kopfbedeckung 
ist,  nach  den  besonders  eingesetzten  KJiöpfen  zu  schließen, 
aus  Leder  zu  denken  und  wird  durch  eine  über  die  Stirne 
laufende,  in  der  Mitte  mit  einem  Kupferstreifen  eingelegte 
Binde  auf  dem  lang  herabfallenden  lockigen  Haupthaar  zu- 
sammengehalten. Der  Kopf  ist  stark  zur  linken  Seite  gedreht 
und  leicht  aufwärts  gerichtet,  der  rechte  Unterarm  greift,  die 
Brust  überschneidend,  zur  linken  Halsseite  empor,  wo  die 
Hand  in  eigenartiger  Fingerhaltung  mit  der  Chlamys  ver- 
bunden ist.  Daumen  und  Zeigefinger  sind  ausgestreckt,  und 
letzterer   ist   durch   eine   vom   Gewand   ausgehende    schmale 

[67]  8 


Bandschlinge  gesteckt,  wohl  nur  um  der  Hand  einen  Halt 
zu  geben. 

Die  Bronze  ist  der  dekorative  Schmuckteil  eines  größeren 
Möbels,  vielleicht  eines  Ruhelagers,  an  denen  derartige  runde 
Scheiben  mit  vorspringenden  Köpfen  mehrfach  erhalten  sind. 
Bewundernswert  ist  es,  mit  welchem  Geschick  die  Büste  in 
das  Rund  hineinkomponiert  ist,  so  daß  einerseits  der  Zu- 
sammenhang mit  dem  Hintergrund  und  damit  der  dekorative 
und  tektonische  Charakter  vollkommen  deutlich  ist,  ander- 
seits das  Motiv  der  Figur,  obwohl  diese  nur  im  Ausschnitt 
gegeben  ist,  ganz  geschlossen  und  äußerst  lebendig  wirkt, 
wozu  in  erster  Linie  der  völlig  in  Rundplastik  gebildete  eine 
Arm  unter  Weglassung  des  andern  beiträgt. 

Für  die  Benennung  der  Bronze  kommen  Paris  und  Attis 
in  Betracht,  doch  scheint  mir  die  Deutung  auf  ersteren  vor- 
zuziehen schon  des  leidenschaftlichen  Gesichtsausdrucks  wegen, 
an  dessen  Stelle  bei  Attis  meist  resignierte  Traurigkeit  zu 
finden  ist.  Auch  eignet  sich  das  Bild  des  feurigen  Lieb- 
habers der  Helena  trefflich  zum  Schmuck  einer  Kline. 

Die  Bronze  ist  eine  römische  Arbeit,  man  möchte  sie  nach 
ihrer  für  ein  dekoratives  Glied  wirklich  vortrefflichen  Arbeit, 
die  dem  schönen  Thema  in  jeder  Weise  gerecht  wird,  gerne 
in  die  frühe  Kaiserzeit  setzen,  der  dem  Kopf  zugrunde  liegende 
Typus  ist  aber  der  griechischen  Kunst  vom  Ende  des  4.  Jahr- 
hunderts entlehnt,  und  zwar  scheinen  mir  die  Köpfe  auf  dem 
Alexandersarkophag  in  Konstantinopel  die  nächste  stilistische 
Parallele  darzubieten. 

[58] 


FLIEGENDER  EROS 

Tafel  24 

Aus  der  Forman  CoUection.  Katalog  Nr.  116,  Taf.  8. 
Höhe  0,413. 

Der  hohlgegossenen  Bronze  fehlen  der  linfee  Fuß,  der 
rechte  Arm  und  Fingerteile  der  linken  Hand.  Auf  dem 
Wirbel  finden  sieh  Reste  eines  starken  Eisenstiftes,  an  beiden 
Schulterblättern  erkennt  man  in  schwachen,  vertieften  Um- 
rissen die  Ansatzspuren  von  Flügela,  die  auf  der  glatten 
Fläche  angelötet  gewesen   sein  müssen  und   abgefallen  sind. 

[59] 


;^08  ist  in  Flugbewegung  dargestellt,  nur  mit  den  Zehen- 
spitzen des  rechten  Fußes  den  Boden  berührend,  das  linke 
Bein  nach  hinten  hinausstreckend.  Der  Körper  ist  ein  wenig 
vornüber  geneigt,  der  linke  Arm  gehoben  vorwärtsgestreckt, 
der  rechte  ging  zurück  und  war  vermutlich  gesenkt.  Die 
Haare  stud  hinten  lang  gelockt,  über  der  Stirmnitte  ist  mit 
einer  Binde  ein  kleiner  Schopf  hochgebunden,  Einzellöckchen 
fallen  in  die  Stirn  und  vor  den  Ohren  herab.  Die  Augäpfel 
sittd  in  Silber  eingelegt. 

Die  hellenistische  Zeit  hat  den  Jüngling  Eros  zum  Knaben 
umgewandelt,  ihre  Poesie  und  Kunst  aus  dem  die  Liebes- 
sehnsucht verkörpernden  Gott  den  schalkhaften  übermütigen 
Gesellen  gemacht,  der  loser  Streiche  und  Schelmereien  voll 
ist.  Unsere  Bronze  ist  ein  vortrefflicher  Vertreter  dieser 
Richtung.  Die  runden,  fettgepolsterten  Kinderformen  sind 
der  Wirklichkeit  entsprechend  wiedergegeben,  das  Gesicht 
mit  dem  geöffneten  Munde  hat  einen  lachenden  Ausdruck, 
die  Haare  sind  nach  Knabenart  frisiert.  Fackel  und  Bogen 
werden  in  dieser  Zeit  zu  den  geläufigsten  Attributen  des 
Kleinen,  und  erstere  werden  wir  wohl  auch  hier  in  der  linken 
vorgestreckten  Hand  annehmen  dürfen. 

Die  Ausführung  der  Bronze  ist  nicht  besonders  fein,  vor 
allem  in  der  Körperdurchbildung,  es  ist  eine  dekorative  römi- 
sche Arbeit,  der  es  vor  allem  auf  das  reizvolle  Motiv  ankam 
und  die  vielleicht  als  wirklicher  Fackelträger  praktischen 
Zwecken  diente.^) 

1)  Vgl.  Burlington  Cluh.  Exhibition  1904.  Taf.  29. 

[60] 


EROT  MIT  WEINTRAUBEN 

Aus  Sammlung  Sarti.  Auktionskatalog  Rom  1906,  Nr.  47, 
Taf.  7.    Höhe  0,07. 

Der  linke  Arm,  der  rechte  Flügel  und  die  Spitze  des 
linken  fehlen.  Auf  der  Rückseite  ist  die  Bronze  durch  Oxy- 
dierung stark  mitgenommen.  Ein  kleiner  vorwärtsschreitender 
Eros  mit  ausgebreiteten  Flügeln  trägt  in  beiden  Händen  yor 
sich  her  einen  Korb,  aus  dessen  Innern  über  den  Rand  eine 
Fülle  von  Weintrauben  quillt.  Spuren  der  fehlenden  linken 
Hand  sind  am  Korbe  sichtbar.  Es  ist  ein  entzückendes  Figür- 
chen,  das,  auf  die  verschiedensten  Ansichten  berechnet,  von 
allen  Seiten  außerordentlich  lebendig  und  anmutig  wirkt. 
Die  rundlichen  Formen  des  Kinderkörpers  sind  diskret  an- 

[61] 


gedeutet,  am  feinsten  ist  das  pausbackige  Gesicht  mit  dem 
schalkhaften  Ausdruck  geraten.  Yortrefflich  ist  auch  die 
Arbeit  der  Haare.  Der  Typus  ist  eine  der  vielen  liebens- 
würdigen Schöpfungen  hellenistischer  Kunst  auf  dem  Gebiete 
des  Genres,  die  im  kaiserlichen  Bom  befruchtend  weiter- 
wirkten. 


[62] 


APHRODITE  MIT  ZWEI  EROTEN 

Tafel  25 

Aus  der  Forman  CoUection.   Katalog  ISTr.  103.    Höhe  0,24. 

Ergänzt  sind  der  rechte  Yordere  Fuß  des  Untersatzes 
sowie  Füße  und  Basis  des  linken  Eroten,  die  rechte  Hand 
des  rechten  Eroten  fehlt,  der  Bogen  in  der  Hand  des  andern 
ist  unYoUständig.  Ob  das  Oanze  ursprünglich  zusammen- 
gehörte, ist  zweifelhaft,  da  jetzt  alle  drei  Figuren  modern 
auf  dem  Untersatz  befestigt  sind.  Beim  rechten  Eroten  zeigt 
die  Oberfläche  der  Bronze  einen  andern  Charakter  als  an 
den  übrigen  Teilen. 

Auf  einem  dreifüßigen,  halbrunden  Untersatz  mit  einem 
halbkreisförmigen  Ausschnitt  auf  der  Vorderseite,  zu  dem 
vier  niedrige  Stufen  hinaufführen,  und  zwar  die  beiden 
unteren  vor  dem  Sockel  vorspringend,  steht  im  Hintergrund 
eine  nackte  Aphrodite,  vorne  beiderseits  ein  kleiner  Erot. 
Die  Göttin  trägt  ein  hohes,  blätterförmig  gezacktes  Diadem, 
einen  Kranz  in  der  Rechten  und  einen  Apfel  in  der  erhobenen 
Linken.  Der  rechte  Erot  hält  ihr  einen  aufgeklappten  Spiegel 
entgegen,  auf  den  aber  ihr  seitwärts  in  die  Ferne  gerichteter 
Blick  nicht   fällt,  der  linke  Erot   mit   dem  Köcher   auf  dem 

[63] 


Rücken  schießt  einen  Pfeil  ab,  auch  er  im  Dienste  der 
Aphrodite. 

Ein  äußeres  Indizium,  die  Form  des  Nackenschopfes  der 
Göttin,  weist  die  Bronze  in  das  erste  nachchristliche  Jahr- 
hundert, in  claudische  Zeit,  der  Typus  der  Aphrodite  ist  älter, 
er  geht  auf  eine  der  zahlreichen  Schöpfungen  des  hellenisti- 
schen Ostens  zurück,  bei  denen  der  Nachdruck  auf  starker 
weiblicher  Körperfülle  lag  und  die  in  römischer  Zeit  durch 
Attribute  unendlich  variiert  wurden^).  Die  Ausführung  der 
hohl  gegossenen  Bronze  ist  wenn  auch  nicht  fein  so  doch 
sorgfältig,  die  Modellierung  des  weiblichen  Körpers  verrät 
eine  geschulte  Hand. 

Die  eigenartige  Form  des  Untersatzes  ist  römisch  und 
gerade  für  Aphroditebronzen  in  Verbindung  mit  Eroten  ge- 
läufig*). Man  hat  mit  Unrecht  dabei  an  den  Rand  eines 
Badebassins  gedacht'),  aber  ebenso  unzutreffend  ist  die  Be- 
zeichnung Lararium  oder  Teil  eines  Larariums*),  es  ist  nichts 
weiter  als  eine  besonders  gestaltete  Basis,  von  der  allerlei 
kleine  Varianten  vorkommen''). 

*)  Vgl.  vor  alletn  die  Bronzen  der  Sammlung  de  Clercq  ttnd  der  Bihliothique  nationale. 
*)  Babelon  et  Blanchet,  Bronzes  de  la  Bibliotheque  nationale  Nr.  249  u.  250.  ')  ebenda. 
*)  Collection  de  Clercq  III  (Bronzes)  No.  328.  The  Forman  Collection,  Catalogue  Nr.  103. 
»)  Collection  de  Clercq  Nr.  43,  Taf.  8;  Nr.  113,  Taf.  24;  Nr.  133,  Taf.  29. 


[64] 


APHRODITE 

Tafel  26 

Aus  der  Forman  Collection.  Katalog  Nr.  90.  Höhe  0,28 
mit  Basis  0,335. 

Die  Befestigung  der  Figur  auf  der  sechseckigen  Basis 
ist  modern,  nach  dem  Aussehn  der  Oberfläche  gehörten  beide 
aber  ursprünglich  zusammen,  Neu  sind  auch  die  beiden  Löcher 
in  der  rechten  Hand. 

Die  nackte  Göttin  mit  großem,  oben  in  fünf  gezackte 
Blätter  auslaufenden  Diadem  auf  dem  wohlfrisierten  Haar 
ist  mit  ihrer  Körperpflege  beschäftigt,  das  beweist  der  auf 
der  vorgestreckten  linken  Hand  liegende  runde  flache  Gegen- 
stand, der  nichts  anderes  als  ein  Stück  Schminke  sein  kann. 
Von  dem  Attribut  der  erhobenen  rechten  Hand,  wohl  irgend- 
einem andern  Toilettengegenstand,  sind  nur  geringe  Spuren 
an  Daumen,  Zeigefinger  und  Mittelfinger  erhalten. 

Die  Bronze  gehört  ihrer  Ausführung  nach,  die  ziemlich 
derb  ist  und  in  der  Behandlung  der  Formen  sich  wenig  auf 
Details  einläßt,  in  die  frühe  römische  Kaiserzeit,  zugrunde 
liegt  ihr  der  Typus  des  fetten  weiblichen  Körpers,  den  die 
hellenistische  Kunst  aus  Werken  des  4.  Jahrhunderts  ent- 
wickelte. Er  war  besonders  tu  Syrien  und  Ägypten  beliebt 
und  hat  später  die  Provinzialkunst  des  römischen  Reiches 
stark  beschäftigt. 


165] 


NACKTER  MANN  MIT  KREISEL 

Tafel  27 

Aus  der  Forman  CoUection,  Katalog  Nr.  99.  Höhe  0,335. 
Der  linke  Arm  war  abgebrochen  und  ist  wieder  angesetzt, 
die  jetzt  leere  linke  Hand  wird  nach  der  Fingerhaltung  zu 
schließen  ein  stabartiges  Attribut  gehalten  haben. 

Die  Figur  steht  breitbeinig,  mit  rechtem  Spielbein,  auf 
beiden  Sohlen  auf.  Die  linke  Hüfte  ist  stark  nach  auswärts 
gebogen,  der  linke  Unterarm  leicht  vorgestreckt,  der  rechte 
Unterarm  erhoben.  Die  rechte  Hand  hält  einen  kegelförmigen 
Gegenstand  mit  der  Spitze  nach  unten,  der  kaum  etwas  an- 
ders sein  kann  als  ein  Kreisel,  den  die  drei  Finger  fassen, 
um  ihn  in  rotierender  Bewegung  auf  den  Boden  zu  schnellen, 
wo  ihn  dann  die  in  der  Linken  vorauszusetzende  Peitsche 
weiter  antreiben  wird.  Daß  in  der  antiken  Welt  auch  Er- 
wachsene sich  mit  dem  Kreiselspiel  abgaben,  ist  uns  schon 
aus  Vasenbildem  bekannt.^) 

Dem  reizvollen  und  in  seiner  Art  einzig  dastehenden 
Motiv  entspricht  leider  die  Gilte  der  Ausführung  nicht.    Die 

*)  Vgl.  Hartwig,  Meisterschalen  8.  658. 

(66] 


Bronze  hat  in  der  Linienführung  etwas  Eckiges  und  Unaus- 
geglichenes, Ober-  und  Unterkörper  scheinen  im  Aufbau  nicht 
gut  zueinander  zu  stimmen.  Die  Füße,  die  Hände  und  die 
Brust  sind  übermäßig  plump  geraten,  der  Kopf  sollte  wohl 
individuell  erscheinen,  wirkt  aber  nur  ungeschickt  angelegt. 
Alles  in  allem  läßt  die  Statuette  eine  richtige  künstlerische 
Schulung  vermissen.  Man  spürt  gewisse  Anlehnungen  an 
gute  Yorbilder,  ohne  diese  näher  bestimmen  zu  können,  da 
sie  durcheinandergeworfen  und  verzerrt  worden  sind.  Ich 
glaube,  wir  dürfen  in  diesen  Schwächen  ein  Kriterium  etrus- 
kischer  Kunstart  erkennen,  die  griechische  Werke  nach 
eigenem  Geschmack  umstilisierte.  Am  Ende  des  4.  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  dürfte  die  Bronze  etwa  entstanden  sein. 


[67] 


WEIBLICHE  GEWANDFIGUR 

Tafel  28 

Aus  der  Fonnan  Collection,  Katalog  Nr.  72.     Höhe  0,105. 

Stehende  Frau  in  enganschließendem,  bis  fast  zu  den 
Ftlßen  herabreichendem,  hemdartigem  Gewand  mit  kurzen 
Ärmeln.  Sie  streckt  beide  Arme  seitwärts  rom  Körper  ab, 
die  linke  Hand  ist  leer,  die  rechte  hielt  wie  zum  Wurf  aus- 
holend einen  Ball  oder  eine  Frucht.  Das  Gesicht  ist  recht 
roh  ausgeführt,  die  Haare  sind  in  gestanzten  Spiralen  an- 
gegeben, die  gedrehte  Löckchen  darstellen  sollen.  Es  ist  eine 
etruskische  Arbeit,  bei  deren  Stillosigkeit  sich  schwer  über 
die  Entstehungszeit  urteilen  läßt  Wahrscheinlich  bildete  die 
Figur  den  Teil  eines  Gerätes. 


[68  1 


HERAEliES 

Tafel  28 

Aus  der  Forman  Collection,  Katalog  Nr.  75.     Höhe  0,11. 

Die  Attribute  beider  Hände  fehlen  jetzt.  Ein  sehr  ge- 
wöhnlicher spätetruskischer  Typus  des  unbärtigen  Herakles 
in  Angriffstellung.  Er  trägt  das  Löwenfell  auf  dem  Kopf 
und  über  dem  linken  Arm,  die  erhobene  Rechte  schwang  die 
Keule,  die  vorgestreckte  Linke  hielt  den  Bogen.  Verhältnis- 
mäßig gutes  Exemplar. 


[69  1 


REITER 

Tafel  29 

Aus  der  Forman  Collection,  Katalog  Nr.  122.  Höhe  0,12. 
Der  Reiter,  früher  wohl  durch  Lotung  mit  dem  Pferd  ver- 
bunden, ist  jetzt  abnehmbar. 

Auf  einem  sich  bäumenden,  mit  den  Hinterbeinen  auf 
einer  profilierten  runden  Basis  befestigten  Hengst  reitet  ein 
nackter  Jüngling.  Er  streckt  beide  Unterarme  zur  Zügel- 
haltung wagrecht  vor,  sein  Haar  ist  wulstartig  aufgebunden. 
Die  frisch  empfundene  Komposition  ist  in  der  Ausführung 
ziemlich  nachlässig,  wohl  entsprechend  dem  rein  dekorativen 
Zweck  der  Bronze,  die  vermutlich  die  Krönung  eines  Kan- 
delabers bildete.  Der  Stil  ist  entwickelt  etruskisch  oder  früh- 
römisch,  auf  hellenistischer  Grundlage  fußend.  Ein  genau 
übereinstimmendes  Stück  befindet  sich  in  Paris  im  Cabinet 
des  Mödailles.^) 

■)  Brontes  de  la  bibliothiqne  nationale  Nr.  893. 


[70] 


BÜSTE  DBS  DOMITIAN 

Tafel  30 

Aus  Lyon.  Höhe  0,16  m.  Die  linke  Schulter  und  der 
linke  Annansatz  sind  weggebrochen,  ein  großes  Loch  in  der 
linken  Backe  ist  mit  Gips  ausgefüllt.  Die  Bronze  ist  hohl 
gegossen,  die  Büste  war,  wie  vorhandene  Reste  zeigen,  mit 
Blei  gefüllt,  hinten  ist  in  ihren  sich  an  dieser  Stelle  ver- 
breiternden Rand  ein  jetzt  nur  noch  im  Ansatz  erhaltener, 
im  Querschnitt  quadratischer  (iVa  '■  IV2  cm)  Eisendübel  einge- 
lassen, der  zur  Befestigung  des  Stückes  an  eine  Rückwand 
diente.  Dieser  Verwendung  entsprechend  ist  das  Haar  am 
Hinterkopf  nur  flüchtig  angelegt. 

Es  ist  ein  sicheres  Porträt  des  römischen  Kaisers  Domitian, 
das,  weil  nur  eine  zu  einem  Gerät  gehörige  kunsthandwerk- 
liche Arbeit,  nicht  mit  besonderer  Feinheit  durchgebildet  ist, 
aber  doch  in  charakteristischer  Weise  das  unsympathische 
Äußere  dieses  Flaviers  wiedergibt,  sein  dickes  Gesieht  mit 
der  gebogenen  Nase,  die  durch  eine  Verletzung  der  Bronze 
an  der  Spitze  etwas  abgeplattet  ist,  dem  runden  Kinn  und 
dem  falschen  Ausdruck   der   leicht  schielenden  Augen.     Das 

[71  1 


Haar  ist,  wie  vielfach  bei  den  flavischen  Porträts,  in  einzelnen 
gebogenen  Löckchen  gearbeitet,  die  Augensterne  sind  durch 
ganz  kleine  runde  Löcher  wiedergegeben.  Die  Büste  trl^ 
den  Panzer  mit  dem  vor  der  rechten  Schulter  geknüpften 
Paludamentum ,  eine  sehr  günstige  Tracht  für  dekorative 
Wirkung. 

Wie  die  Bronze  verwendet  war,  d.  h.  an  welch  einem 
Hintergrund  sie  angebracht  zu  denken  ist,  läßt  sich  nicht 
mehr  mit  Gewißheit  ausmachen,  nur  macht  die  Befestigungs- 
art mittels  eines  Eisendübels  wahrscheinlich,  daß  das  be- 
treffende Gerät,  dem  die  Büste  als  Verzierung  diente,  eben- 
falls aus  Eisen  oder  wenigstens  aus  eisenbeschlagenem  Holz 
war,  wie  z.  B.  die  in  Pompeji  gefundenen  Geldtruhen,  an 
denen  sich  solche  bronzene  Emblemata  in  Büstenform  finden.^) 
Unsere  Bronze  zeigt  übrigens,  daß  die  für  römische  Porträts 
angenommene  Entwicklung  der  Büstenform,  nach  der  die  Arm- 
ansätze erst  in  antoninischer  Zeit  ausgebildet  werden,  solche 
dekorativen  Appliken  nicht  in  sich  begreift. 

1)  Mau,  Pomp<öi  '  S.  260. 


172] 


KOPFGBFASS 

Tafel  31 

Aus  der  Forman  Collect! on.  Katalog  Nr.  156,  Taf.  9. 
Höhe  0,155,  mit  Henkel  0,26.  Die  Pupillen,  die  besonders 
eingesetzt  waren,  fehlen  jetzt. 

Eine  Jünglingsbüste,  unten  grade  abgeschnitten,  so  daß 
ein  Fuß  überflüssig  wurde,  ist  als  Grefäßform  benutzt.  Aus 
dem  Haar  steigt  in  Gestalt  einer  aufstrebenden  Locke  beider- 
seits eine  runde  Öse  auf,  an  welcher  der  bogenförmige 
Henkel  mit  den  fein  profilierten  aufgebogenen  Enden  ver- 
mittelst eines  verbindenden  Ringes  befestigt  ist;  die  Enden 
dieser  Ringe  schlingen  sich  in  Spiralwindungen  ineinander. 
Den  Deckel  bildet  ein  runder  Haarausschnitt  oben  auf  dem 
Kopf,  der  an  einem  im  Scheitelpunkt  befindlichen  Scharnier 
aufklappbar  ist  und  eine  Öffnung  von  4  cm  Durchmesser 
verschließt. 

Die  Brust,  über  die  schräg  eine  auf  der  linken  Schulter 
durch  einen  Knopf  zusammengehaltene  Chlamys  läuft,  sowie 
das  Gesicht  zeigen  volle  weichliche  Formen  und  erinnern 
zusammen  mit  dem  lockigen  tief  in  die  Stirn  fallenden  Haar 
an  den  Antinous-Typus,  ohne   daß   es   mir  gerechtfertigt  er- 

l  73  ]  ,0 


scheint,  unserer  Bronze  geradezu  diesen  Namen  zu  geben.^) 
Dazu  gleichen  die  sehr  allgemein  ideal  gehaltenen  Züge 
doch  zu  wenig  dem  charakteristischen  Porträt  des  schönen 
Bithyniers ;  die  der  Büstenform  und  der  Ausführung  nach  in 
hadrianische  Zeit  gehörige  Arbeit  mag  allerdings  durch 
dieses  beeinflußt  worden  sein.  Es  wird  irgendeine  Gottheit 
dargestellt  sein,  wie  öfters  in  derartigen  Kopfgefäßen. 

Gefäße  in  Form  menschlicher  Köpfe  zu  gestalten,  ist  der 
antiken  Toreutik  und  Keramik  von  früh  an  geläufig,  doch 
scheint  die  hier  angewandte  Art,  wo  ein  Teil  der  Schädel- 
decke selbst  als  Deckel  dient,  erst  in  der  römischen  Kaiser- 
aeit  aufgekommen  zu  sein.  Wenn  hier  auch  ein  eigentlicher 
Ausguß  im  Gegensatz  zu  den  älteren  Kopfgefäßen  fehlt,  so 
deutet  doch  die  ganze  Form  auf  eine  Verwendung  als  Be- 
hälter von  Flüssigkeiten,  etwa  wohlriechenden  Essenzen  hin. 
Die  Arbeit  des  vorliegenden  Exemplares  hebt  sich  aus  der 
Reihe  der  übrigen  gleichartigen  Stücke  durch  ihre  unge- 
wöhnlich gute  und  sorgfältige  Ausführung  heraus,  die  für 
hadrianische  Plastik  charakteristische  etwas  leblose  Glätte 
kommt  auch  in  diesem  rein  dekorativen  Werk  recht  präg- 
nant zum  Ausdruck. 

*)    Wie  es  der  Katalog  der  Forman  Colkction  tut. 


[74] 


ARMFRAGMENT 

Tafel  32 

Länge  0,165,  Höhe  der  kleinen  Hand  0,04. 

Das  Fragment,  ein  rechter  Unterarm,  der  mit  den  Fingern 
einen  kleineren  linken  Unterarm,  an  dessen  Hand  die  Finger 
gestreckt  sind,  umspannt,  ist  in  seinem  jetzigen  Zustand  ein 
Rätsel.  Die  Spuren  im  Innern  der  großen  Hand  verraten, 
daß  der  kleinere  Arm  sich  hier  noch  weiter  fortgesetzt  hat. 
Auffallend  ist  die  mangelhafte  Ausarbeitung  der  kleinen 
Hand,  die  sehr  steif  und  leblos  wirkt  und  es  daher  nicht  sehr 
wahrscheinlich  macht,  daß  wir  hier  den  Rest  einer  Gruppe, 
etwa  des  Polyphem,  der  einen  Gefährten  des  Odysseus  packt, 
vor  uns  haben.  Eher  wird  man  vielleicht  an  eine  zur  Schau 
getragene  Yotivhand  denken  dürfen. 


[  75] 


TIGERKOPF  ALS  WASSERSPEIER 

Tafel  33—34 

Aus  Sammlung  Lipperheide.  Helbings  Auktionskatalog, 
München  1910,  Nr.  654,  Taf.  14.  Aus  Italien.  Ehemals  Samm- 
lung Milani.     Länge  0,245. 

Die  Schnauze  ist  etwas  platt  gedrückt.  Der  Kopf  diente 
wie  die  runde  Öffnung  im  weitaufgerissenen  Maul,  aus  dem 
die  Zunge  heraushängt,  sowie  das  im  Kopfinnern  befestigte, 
hinten  noch  in  beträchtlicher  Länge  (lOVt  cm)  herausragende 
Bronzerohr  zeigen,  als  Brunnenmündung,  vermutlieh  in  einem 
Tomehmen  römischen  Hause,  denn  die  Bronze  ist  in  Anlage 
wie  Ausführung  eine  dekorative  Arbeit  ersten  Ranges,  die  alle 
sonst  erhaltenen  ähnlichen  Stücke  weit  überragt.^)  Der  Meister 
muß  ein  ausgezeichnetes  griechisches  Vorbild  benutzt  haben, 
das  in  wunderbar  einfacher  Stilisierung  die  unbändige  Wild- 
heit des  Raubtieres  im  Gesichtsausdruck  festzuhalten  ver- 
standen hat.  Nach  der  Bildung  der  Augen  möchte  man  als 
Entstehungszeit  für  den  Typus  das  vierte  Jahrhundert  oder 
den  Anfang  der  hellenistischen  Epoche  annehmen. 

1)  Zvi  vergleichen  sind  die  beiden  Tigerköpfe  in  Berlin,  Österr.  Jahreshefte  1904 
8.  154,  und  in  Neapel,  Museo  Borbonico  I  Taf.  51.    Femer  Cook  Collection  Taf.  34. 


[76] 


GROSSER  DEINOS 

Tafel  35 

Aus  Unteritalien.  Höhe  0,39,  Umfang  1,29.  Untersatz  und 
Deckelgriff  fehlen,  die  Zugehörigkeit  des  Deckels  ist  nicht 
absolut  sicher. 

Der  Gefäßkörper  ist  getrieben,  dagegen  der  angenietete 
Mündungsrand  gegossen.  Um  den  Bauch  läuft,  sehr  fein  aus- 
geführt, ein  graviertes  Band  von  abwechselnd  Lotosknospen 
und  Lotosblüten  um,  die  Schulter  schmückt  ein  Blattstab  Orna- 
ment. Der  Deines  diente  wohl  als  Aschenbehälter,  er  gehört 
dem  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  v.  Chr.  an. 


(  77 


HYDRIA 

Tafel  36—37. 

Angeblich  aus  Kyzikos.  Höhe  0,462.  Das  Gefäß  ist  etwa 
in  der  Höhe  der  Seitenhenkel  aus  einer  oberen  und  einer 
unteren  Hälfte  zusammengesetzt  Der  Yertikalhenkel  fehlt 
jetzt,  an  der  Reliefapplike  sind  die  Gesichter  der  beiden 
Figuren  ergänzt  Der  Fuß  und  die  Henkel  sind  gegossen, 
der  Körper  ist  getrieben. 

Aus  dem  vierten  Jahrhundert  hat  sich  eine  Gruppe  als 
Aschenbehälter  verwendeter  griechischer  Hydrien  erhalten, 
an  deren  Körper  unterhalb  des  Vertikalhenkels  eine  ge- 
triebene Reliefapplike  mit  figürlicher  Darstellung  angebracht 
zu  sein  pflegt.  Unter  diesen  Reliefs  tiberwiegen  Szenen 
aus  dem  Kreise  des  Dionysos  und  der  Aphrodite,  sehr  be- 
liebt scheint  aber  auch  das  ftlr  unser  Gefäß  gewählte  Thema 
gewesen  zu  sein,  die  Entfülirung  der  Oreithyia  durch  Boreas. 
Diese  findet  sich  außerdem  noch  auf  einer  Hydria-Applike 
im  British  Museum^)  und  auf  einer  kürzlich  bei  Mesembria 
in  Bulgarien  gefiindenen  Hydria.*)     Endlich  wird  noch   eine 

')  Catalogue  uf  the  bronzes  Nr.  310.  Abgeb.  Wiener  Vorlegeblätter  II,  Taf.  9,  3. 
»)  Athen.  Mut.  1911,   8.  311  ff. 

[78] 


weitere   Hydria    mit    demselben   Relief    beiläufig    erwähnt^), 
wemi  diese  nicht  etwa  mit  der  unsrigen  identisch  ist. 

Der  bärtige  Boreas  mit  mächtigen  ausgebreiteten  Flügeln, 
die  einen  wirksamen  Hintergrund  für  die  Figuren  bilden, 
hat  die  sich  sträubende  Oreithyia  emporgehoben  und  eilt  mit 
seiner  Beute  fort.  Im  einzelnen  stimmt  unser  Relief  sehr 
genau  mit  dem  von  Mesembria  überein.  Boreas  hat  den 
rechten  Arm  von  vorne  um  die  Oreithyia  gelegt,  ihr  linker 
Arm  und  ihr  Kopf,  an  den  die  erhobene  Rechte  greift,  hän- 
gen seitwärts  herab,  der  Kopf  in  dem  Exemplar  von  Mesem- 
bria tiefer  als  in  dem  Münchner.  Der  linke  Arm  des  Boreas 
ist  nicht  sichtbar.  Die  Komposition  der  Applike  im  British 
Museum  ist  eine  andere,  hier  legt  Boreas  die  Linke  von 
hinten  um  die  Oreithyia,  während  er  mit  der  Rechten  den 
hinter  seinem  Kopf  vorbeigeführten  Arm  des  Mädchens  am 
Handgelenk  gepackt  hält.  Ihr  Kopf,  an  den  die  Linke  greift, 
befindet  sich  in  gleicher  Höhe  mit  dem  des  Boreas.  Un- 
leugbar wirkt  die  Gruppe  so  lebendiger  und  geschlossener 
als  im  andern  Fall,  sie  schließt  sich  enger  an  die  delische 
Akroteriengruppe  an,  die  im  fünften  Jahrhundert  den  gleichen 
Stoff  behandelte.") 

>)  Catalogue  0/  the  hronzes  in  the  British  Museum.   S.  XLIV  Anm.    »)  Bull.  corr. 
hell.  III  Taf.  11.    Archäol.  Zeitung  1882  S.  339. 


[19] 


GRIECfflSCHER  KLAPPSPIEGEL  MIT 
ATHENAKOPF 

Tafel  38 

Aus  Griechenland.  Durchmesser  0,165.  An  dem  Relief- 
kopf fehlen  die  Enden  der  Helmbüsche. 

Das  Gerät  besteht  aus  zwei  Teilen,  der  blankpolierten  Spiegel- 
platte und  dem  sie  schützenden  Deckel,  dessen  Außenseite 
ein  aufgelöteter  Athenakopf  in  getriebenem  Relief  schmückt. 
Die  beiden  Scheiben,  die  auf  der  Innenseite  mit  konzentrischen 
Ringen  verziert  sind,  und  zwar  die  Spiegelplatte  erhaben, 
der  Deckel  vertieft,  waren  durch  ein  Scharnier  verbunden, 
von  dem  der  an  der  Deckelplatte  mit  zwei  Nieten  befestigte 
Teil  noch  vorhanden  ist.  Der  lose  mitgefundene  Bügelgriff 
ist  der  zum  Aufhängen  des  Gerätes  dienende  Träger. 

Ein  einzelner  Kopf  wii*d  häufig  in  dieser  Gruppe  grie- 
chischer Klappspiegel,  die  am  Ende  des  fünften  Jahrhunderts 
und  vor  allem  im  vierten  in  Mode  war,  als  Deckelemblem 
verwendet.  Hier  ist  es  Athena,  ganz  von  vorne  gesehen,  in 
attischem  Helm  mit  drei  großen  Büschen,  von  denen  der 
mittlere  quer  über  der  mit  Schuppenmuster  verzierten  Helm- 
kappe steht.  Lange  Locken  rahmen  das  Gesicht  ein,  der 
Brustabschnitt  ist  vom  Gewand  bedeckt.  Der  Kopf  ist  eine 
gute  dekorative  Leistung,  die  augenscheinlich  stark  unter 
dem  Einfluß  der  phidiasischen  Parthenos  steht,  wenn  auch 
in  den  Einzelheiten  versucht  wurde.  Eigenes  zu  geben. 

[80] 


GRIECHISCHER  KLAPPSPIEGEL  MIT  GREIF 

Tafel  39 

Aus  Griechenland.  Durchmesser  0,205.  Die  Deckelplatte 
ist  stark  beschädigt,  an  dem  mit  Nieten  auf  ihr  befestigten, 
getriebenen  Greifen  fehlen  die  Vorderbeine,  der  Schwanz 
und  ein  Stück  des  linken  Flügels. 

Spiegel-  und  Deckelplatte  sind  jetzt  getrennt,  doch  ist  an 
letzterer  noch  das  sie  einst  verbindende  Scharnier  erhalten. 
Als  Reliefschmuck  für  die  Außenseite  des  Deckels  wählte 
der  Künstler  einen  geflügelten  laufenden  Greifen,  dessen 
lang  gestreckter  Körper  mit  den  erhobenen  Flügeln  das 
Rund  ganz  vortrefflich  ausfüllt.  Das  Tier  ist  im  einzelnen 
außerordentlich  lebendig  durchmodelliert,  der  magere  sehnige 
Raubtierleib  in  größter  Natürlichkeit  wiedergegeben,  die 
Flügelgravierung  sehr  fein  ausgefülirt.  Der  Greifentypus  ist 
der  durch  den  freien  Stil  des  fünften  Jahrhunderts  ausge- 
bildete, der  im  vierten  Jahrhundert,  dem  der  Spiegel  an- 
gehört, weiter  wirkt.  Yon  der  üblichen  Stachelmähne  findet 
sich  nur  eine  ganz  schwache  Andeutung. 


[81] 


11 


PRANESTINISCHE  CISTA 

Tafel  40—43 

Aus  der  Sammlung  Sarti.  Auktionskatalog  Eom  1906, 
Nr.  99,  Tafel  10  (Pollak),  American  Journal  1911,  S.  465  ff., 
Tafel  12  (Chase).  Gesamtliöhe  0,446.  Fünf  von  den  acht  am 
Gefäßkörper  befestigten  Ketten,  die  zum  Tragen  dienten, 
fehlen  jetzt. 

Die  Ciste  ruht  auf  drei  gegossenen  Füßen  in  Gestalt  von 
runden  profilierten  Untersätzen,  auf  denen  Raubtierfüße  stehen, 
die  sich  oben  zu  einer  Art  ionischen  Kapitells  ausbilden.  Auf 
diesen  ist  ein  zum  Sprung  geduckter  Löwe  mit  offenem  Bachen 
und  heraushängender  Zunge  angebracht.  Die  Löwen  sind  in 
archaisierendem  Stil  gehalten.  Der  zylinderförmige  Körper  der 
Ciste  ist  reich  mit  Gravierungen  geschmückt,  oben  und  unten 
läuft  ein  Palmettenband  um,  in  der  Mitte  ein  breiter  Streifen  mit 
Gigantomachie-Darstellung,  in  den  wie  bei  dieser  Gefäßgattung 
üblich  die  Knöpfe,  an  denen  die  Ketten  befestigt  sind,  rück- 
sichtslos die  Gravierung  bedeckend  eingeschlagen  sind.  Das 
Bild  besteht  aus  drei  Kampfgruppen,  drei  Göttern  und  vier 
Giganten.  Athena  zückt  die  Lanze  gegen  einen  ins  Knie 
gesunkenen  Krieger,  der  mit  beiden  Händen  einen  Felsblock 
schleudern  will,  Dionysos  reitet  auf  seinem  Panther  über  einen 

[82] 


am  Boden  liegenden  Gegner,  Poseidon  stößt  mit  dem  Drei- 
zack nach  einem  geflügelten  fisclileibigen  Wesen,  das  mit 
beiden  Händen  einen  Baumast  als  Waffe  schwingt,  hinter 
dem  Gott  eilt  ein  mit  der  Streitaxt  bewaffneter  Krieger  sich 
umblickend  fort.  Ein  Baum  und  ein  Fels,  auf  dem  ein 
Gigantenschild  liegt,  beleben  die  Szenerie,  zwei  Sterne  sind 
als  Ornamente  eingestreut.  Auf  dem  Deckel  sind  innerhalb 
eines  Lorbeerkranzes  zwei  fliegende  nackte  Frauen  mit  langen 
Tänien  in  den  Händen,  die  eine  mit  Schuhen  an  den  Füßen, 
eingrayiert.  ^) 

Die  Zeichnung  ist  in  dem  flotten  aber  flüchtigen  Stil 
dieser  Gattung  gehalten,  wie  er  auch  den  etruskischen  Spiegeln 
eigen  ist.  Wenn  auch  griechische  Vorbilder,  vermutlich  unter- 
italische Vasenbilder,  den  einzelnen  Figuren  als  Vorbild 
gedient  haben,  stark  etruskisch  beeinflußt  ist  die  ganze  Arbeit 
dennoch  zweifellos,  das  zeigt  die  Ausführung  sowohl  wie 
Terschiedene  Eigenarten  der  Darstellung,  so  das  Amazonenbeil 
in  den  Händen  des  einen  Kriegers  und  der  fischleibige  geflügelte 
Dämon,  der  ungriechisch  ist.  Etruskischer  Kunst  nahe  steht 
auch  die  Gruppe  der  beiden  gegossenen  Kundfiguren,  die  als 
Deckelgriff  dient,  ein  Satyr  und  eine  Satyressa,  nackt  mit 
spitzen  Ohren,  in  freiem  Stil  gearbeitet  aber  überschlank  in 
den  Proportionen  nach  etruskischem  Geschmack.  Die  Ciste 
gehört  dem  dritten  Jahrhundert  v.  Chr.  an. 

')  Tafel  41—43  nach  Originalzeichnungen  von  K.  Reichhold. 


83  ] 


ZWEI  KANTHAROI 

Tafel  44 

Höhe  0,125  und  0,106.  Angeblich  aus  Galaxidi.  Zwei 
Becher  in  Kelchform  auf  hohem  profilierten  Fuß  mit  breiter 
Standfläche,  der  eine  von  schlanken,  der  andere  Ton  gedrückteren 
Proportionen,  beide  mit  zwei  elegant  geschwungenen,  sich 
etwas  über  den  Gefäßrand  erhebenden  Henkeln.  Die  Henkel 
zeigen  oben  eine  für  die  Handhabung  sehr  praktische  Endigung. 
Der  Form  nach  gehören  die  Gefäße  dem  dritten  Jahrhundert 
T.  Chr.  an. 


[  84 


HELM 

Tafel  45 

Aus  Griechenland.  Höhe  0,19.  Hinten  fehlt  ein  Teil  der  Kappe. 

Der  getriebene  Helm  hat  die  ältere  korinthische  Form  des 
6. — 5.  Jahrhunderts  mit  großen  eckigen  Backenklappen,  starkem 
Nasenschutz  und  zwickeiförmigen  Ausschnitten  auf  den  Seiten. 
Ihm  nächst  yerwandt  ist  der  dem  olympischen  Zeus  geweihte 
Helm  im  Besitz  des  Bischofs  von  Lincoln^),  der  gleichfalls  die 
Eigentümlichkeit  zeigt,  daß  die  Backenklappen  absichtlich  in 
die  Höhe  umgebogen  sind  und  der  Helm  auf  diese  Weise 
zur  praktischen  Verwendung  ungeeignet  gemacht  ist.  Bei 
unserem  Exemplar  ist  dasselbe  auch  noch  mit  dem  N^asen- 
schutz  geschehen.  Der  Grund  hierfür  kann  nur  in  der 
Weihung  als  Trophäe  gesucht  werden.^) 

0  Journal  of  Hell.  Stud.  1881,  Tafel  11,  S.  68.    »)  Vgl.  ebenda  S.  65  ff. 


[85] 


KEÖNUNG  EmES  KANDELABERS 

Tafel  46 

Aus  Italien.  H.  0,04.  Die  Maße  der  Platte  betragen 
0,07 : 0,075.  Das  als  FuJß  dienende  Marmorstück  gehört  natür- 
lieh  nicht  zu. 

Ein  hohlgegossenes  ionisches  Kapitell,  das  auf  seiner  Unter- 
seite zur  Befestigung  eines  Schaftes  eine  kreisrunde  Ansatz- 
fläche von  0,042  Durchmesser  mit  einer  Öffnung  in  der  Mitte 
zeigt.  Die  leider  stark  oxydierte  Vorderseite  ist  durch  eine 
achtblättrige  Rosette  in  der  Mitte  des  zwischen  den  Voluten 
liegenden  Feldes  ausgezeichnet.  Die  viereckige  Platte  hat 
entweder  direkt  den  Flammenbehälter  getragen^)  oder  eine 
Figur,  die  ihrerseits  erst  als  Träger  für  diesen  diente^).  Die 
römische  Arbeit  ist  außerordentlich  fein  und  präzis  ausgeführt. 

»)  In  der  Art  wie  der  Kandelaber  bei  Daremberg-Saglio  1,2  S.  871,  Fig.  1080.  »)  Wie 
der  Kandelaber  in  Neapel,  Overbeck,  Pompeji*  S.  437  b  und  m,  wo  die  Sphinx  auf  einem 
sehr  ähnlichen  Kapitell  sitzt.  Zu  vergleichen  ist  aus  älterer  Zeit  auch  der  zum  Anhängen 
von  Lampen  eingerichtete  Kandelaber  mit  Statuette,  Campte  rendu  1877,  Tafel  III,  17,  18 
und  die  Bronzestatuette  des  sog.  Hermarch  in  New  York,  Delbrück,  Antike  Porträts  Taf.  86. 


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NB       Loeb,  James 

135         Die  Bronzen  der  Sammliing 

L6  Loeb 


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