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DIE CHRISTLICHE KUNST
ZWÖLFTER JAHRGANG 1915/1916
F. BRUCKMANN A.G., MÜNCHEN
DIE CHRISTLICHE KUNST
MONATSCHRIFT
FÜR ALLE GEBIETE DER CHRISTLICHEN KUNST
UND DER KUNSTWISSENSCHAFT SOWIE FÜR
DAS GESAMTE KUNSTLEBEN
ZWÖLFTER JAHRGANG 1915/1916
IN VERBINDUNG MIT DER
DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
HERAUSGEGEBEN VON DER
GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
GMBH
MÜNCHEN
INHALT DES ZWÖLFTEN JAHRGANGES
(Die klc
Abkiirzunpen hinter den Künstlern
en ZilTcrn bczeiciinen die Sciicnzablen der .Beilage. 1
:a: Arch. = Architekt; Bildh. = Bildhauer; M, = Maler; Glm. = Glasmalc:
A. LITERARISCHER TEIL
I. GRÖSSERE ABHANDLUNGEN
Seite
Dalberg, G. K. L. Huberti de', Die russische Reli-
giosität in ilirer Rüclcwirkung auf die Kunst
Rußlands 149, 173
Demleitner, J., Die Kirche der Taubstummenanstah
in DiUingen 161
Doering, Dr. Osl<ar, Martin von Feuerstein 1
— Neue Arbeiten von Augustin Fächer 217
— Bildhauer Gg. Schreiner 289
Feulner, Dr. Adolf, Die neue Pfarrkirche in Milberts-
hofen und ilir Deckengemälde 109
Funke, Dr. Max R., Fremde Einflüsse in der japa-
nischen Kunst 71
Georg von Hauberrisser 200
Harter-Hart, Josef, Die Wandbehänge der ehema-
ligen Stiftskirche in Gaisten 296
Heihneyer, Alexander, Architekt Fritz Fuchsenberger 65
Hoche,'P., Die Bedeutung des Werkunterrichts für
Kunst und Kultur 269
Jestädt, Eine Perle des Fritzlarer Dommuseums . . 210
Kirchenbauten von Fritz Kunst 265
Lappe, Josef, Der Christusdom zu Drontheim. . . . 33
Lauscher, Dr. A., Der neue Hochaltar der Pfarr-
kirche z. hl. Dionysius in Essen-Borheck 189
Levering, Gustav, Anton Pruska 211
Mader, Felix, Der Meister d..-s Kottingwörther Altars 97
Patzak, Dr. Bernhard, Die St. Ignatiuskirche zu
Görz und ihr Baumeister Christoph Tausch.... 332
Staudhamer, Seb., Der Grundgedanke von Raffaels
Bild der hl. Cäcilia 119
Steffen, Hugo, Der Christusdom zu Drontheim... 122
— Oskar Hofifeld f 13'-'
Zih, Wilhelm, Rene Kuder 129
— Franz Simm 3:^1
II. BERICHTE ÜBER AUSSTEL-
LUNGEN (Vgl. auch IV.)
Baden-Baden, KriegsausstcUung :;i
Berlin, Ausstellung von Werken deutscher Künstler
des 19. Jahrhunderts im Kunstsalon Fritz Gur-
litt. Von Dr. Hans Schmidkunz ig
— Berliner Sccession Herbst 1915. Von Dr. Hans
Schmidkunz '.1
— Die Berliner Aquarell-Ausstellung. Von Dr. Hans
Schmidkunz 11
— Freie Secession 1916. Von Dr. Hans Schmidkunz ;;::
— Große Berliner Kunstausstellung 1915. Von
Dr. Hans Schmidkunz 25
— Kriegskunst-Ausstellungen. Von Dr. Hans Schmid-
kunz ■""
— Wiener Kunstschau in Berlin. Von Dr. Hans
Schmidkunz 22
Dresden, Ausstellung der Dresdener Künstlerver-
einigung 4.i
Köln, Ausstellung neuerer Kunst aus Kölner Pri-
vatbesitz. Von Dr. A. Huppertz 32
München, Ausstellung des Bundes Bayern. Von
Dr. Oskar Doering ' 116
— Ausstellung der Münchener Künstlergenossen-
schaft. Von Dr. E. Heidegger .=>
— Die Münchener Secession 17
— Rene Kuder-.Ausstellung. Von Dr. Osk. Doering 21
— Sommerausstellung 191 6 der Münchener Seces-
sion. Von Dr. Oskar Doering 312
Wien, Die Herbstausstellung im Wiener Künsiler-
haus. Von Richard Riedl 18
— Wiener Kunstbrief Von Richard Riedl 40
Wiesbaden, Die Ausstellungen im Wiesbadener
Museum 31
III. KLEINERE AUFSÄTZE
Bogenrieder, Franz X., Die Wandmalereien in der
> Alten Kirche« zu Garmisch 238
Doering, Dr. Oskar, Krankenanstalt des Dritten
Ordens zu Nymphenburg 181
— Glasgemälde in der St. Maximilianskirche zu
München l-j
— Eine Nachbildung der »Anbetung der Weisen«
des Hugo van der Goes ^. ■ . I»
— Landschaftszeichnungen Ludwig Bolgianos .... 19
— Neue Werke von Thomas Buscher 21
— Das Grabmal der Familie von Orterer 20
— Werke von Georg Busch aus den letzten Jahren •£>
— Zwei neue Altargemälde für Altötting ".0
— Glasmalereien als Kriegserinnerungszeichen ... 17
Fränkel Dr. L , Von wieder aufgetauchten alten
deutschen Bildern 17
Franke Ilse, Das Sakramentshäuschen 319
Grothe, L., Bildhauer Joseph Köpf f 157
Heidegger, Dr. E., Die Kunst dem Volke 1
Herbert, M., Aus deutschem Blute 96
— Der Handkuß 96
— Nike von Samothrake 237
— Verona 237
— Die Madonnen des Michel Angelo 280
— Madonna von Grünew.ald in Stuppach 280
Huppertz, Dr. Andreas, Neuer Bischofsstab 188
Riedl, Richard, Marienaltar von E. Klotz 216
Scherg, Dr. Th. J., Gedanken zum Münchener Wald-
friedliofe 15
Schwenk, Ludwig, Die neue Kirche in Straßdorf
bei Gmünd 121
Semrau-Thorn, Arthur, Kreuzigungsgruppe 216
Staudhamer, Seb., Künstler, beherziget es! 32
— Religiöse Denkmale für Krieger 87
— Friedhöfe und Kriegsgedenkzeichen 88
— Leitsätze für Wettbewerbe 91
A. LITERARISCHER TEIL
Seile
Staudlumer, Seb., Wiederum Kriegsgedenkzeichen 170
Steffen, Hugo, August Rincklake 50
Stückelberg, E. A., Zur künstlerischen Reform der
Wallfahrtszeichen 281
Witte Robert B , Ein neues photogrammetrisches
Verfahren "1
Wörndle, Heinz von, Einem Tiroler Bildschnitzer
zum Gedenken 22
Zils, W., Karl Johann Bauer f 45
— Carl Johann Bccker-Gundahl 240
Christian Unterpieringer f 320
Der hl. Kreuzweg in der Müncliener Maximilians-
kirche 60
Huldigungsadresse und \\'idraungbbljtt 275
Ludwig Möckel t 271
Neue Studentenfahne 285
IV. VON KUNSTAUSSTELLUNGEN,
SAMMLUNGEN, KUNSTVEREINEN,
MUSEEN
Köln, Ars Sacra. Verein zur Förderung religiöser
Kunst, E. V si
— Christlicher Kunstverein des Erzbistums Köln. . 8
München, Ausstellung von Malereien Alwin Ar-
neggers 286
— Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst. 95, 158
— Die Kuder-Ausstellung --2
— Die Münchener Jahresausstellung im Kgl. Glas-
palast i:'.
— Galerie Eduard Schulte l"
— Jahresausstellung im Glaspalast "«
— Münchener Secession in
— Sammlung von Kriegsdenkmünzen aus der Münz-
prägeanstalt L. Chr. Lauer, Nürnberg in
— Sommerausstellung der Münchener Secession . . SO
— Vortrag über Kriegsgedenkzeichen 34
Münster, Ausstellung über Friedhofkunst und Krie-
gerehrung 4:1, 47
Wien, Wiener Ausstellungen 4s
— Wiener Kunstbrief ic
V.KUNSTLERISCHE WETTBEWERBE
Berlin, Preisausschreiben für kleinere Kriegs- und
Kriegerdenkmäler 336
Breslau, Preisausschreiben des Schlesischen Bun-
des für Heimatschutz 313
München, Preisausschreiben für den Neubau der
St. Korbinianskirche 158
— Wettbewerb für die künstlerische Ausmalung
der St. Maximilianskirche 188
— Wettbewerb für eine Monstranz 42
— Wettbewerb für Entwürfe zu einer neuen St. Kor-
binianskirche in München ::n
— Wettbewerb für Glasmalereien 10, 1:;
— Zwei Preisausausschreiben des ^Münchner Bun-
des« 344
Wien, Entscheidung des Preisgerichts im Wettbe-
bewerb um Entwürfe von Denkmälern für die
gefallenen österreichischen Krieger im Weltkrieg
1914/15 126
— Preisausschreiben lür bildende Künstler-Schüler
der k. k. Akademie der bildenden Künste 4S
VI. MITTEILUNGEN ÜBER SONSTI-
GES KUNSTSCHAFFEN
Seite
Angerniair, Hans, Bildli 128
Auer M., Stickerei i:;
Baierl, Theodor M 31 1
Baumann, Franz, Arch 128
Boßlet, A., Arch 159
Bradl, Jak., Bildh ;«;
Breitkopf Cosel, Joseph, Bildh 159
Busch, Carl, Kunstglasm 7, 4s
Busch, Georg, Bildh 128
Buscher, 'I homas, Bildh 44, 128
Colombo, Karl, Arch 2
Dietrich, Franz X., M l'.»
Eberz, Joseph, M 128
Fellermej'er, Jos., M 19
Figel, Albert, M :k
Fuge!, Gebhard, M :;s
Grässel, Prof. Arch 20
Hahn, Hermann, Bildh k;
Hartig, Ed., Bildh. und Medailleur 7
Haverkamp, W., Bildh s
Huber-Feldkirch, M 22
Hubcr-Sulzemoos, Han?, M 2;;
Kuld, Josef, Arch :k
Locher, Bonifaz, M 344
Miller, Hans, Bildh :w
Müller, Prof. A 43
Otterpohl, Franz, M 36
Fächer, Augustin, M 2
Reich, Prof. Josef, Bildh 2:!
Sand, Carl Ludwig, Bildh ifi
Schiestl, Heinz, M 43
Schildhorn, Franz, Bildh 2
Schleibner, Prof. Kaspar, M 4:',
Schmid, Anton, Bildh 36
Szoldatics, Georg, M 16
Taglang, H , Bildh 36
Voege, F., Glasm 36
VII. PERSONALNOTIZEN
Beißel, P. Stephan f 2
Bertsch, Wilhelm, Arch. 7 16
Braun, Prof. Louis 7 20
Dütsch, Eugen Kaspar, Bildh. f 16
Feuerstein, Martin v, M 159
Frische, Rudolf, M 2
Fuchs, Franz, M 10
Gehrig, Oskar, M. u. Schriftst 128
Halm Dr. Philipp Maria, Direktor 159
Hassak, Max, Regierungs- u. Baurat 16
Jarl, Otto, Bildh. j 128
Max, Gabriel von f 128
Oberländer, Adolf, M s
Schneider, Prof. Herrn., M 43
Steinhausen, Wilhelm, M 16
Wenglein, Josef, M 8
Zembrod, Anton, Bildh. f 128
Zumbusch, Kaspar R. von, Bildh. f 7
VIII. BESPROCHENE BÜCHER
Biehle, Johannes, Theorie des Kirchenbaues 2
Bornemann, Lic, Die Marktkirche zu Clausthal im
Oberharz 4
Brandt, Paul, Sehen und Erkennen 44
Burger, Dr. Fritz, Handbuch der Kunstwissen'jchart 48
Dombart, Th., Schwabing s
VI
^ A. LITERARISCHER TEIL
REPRODUKTIONEN ^
Dölger, Dr. Franz Jos., Konstantin der Große und
seine Zeit 27
Doering, Dr. Oskar, Moderne Meister christlicher
Kunst U
Eberz, Josef, Kämpfe 21
Ferretti, P. Lodovico, II sepolcro di Pio IX. in
Roma neir antico nartece della Basilica di S. Lo-
renzo fuori le mura 20
Gvsi, Dr. Fritz, Die Entwicklung der kirchlichen
Architektur in der deutschen Schweiz im 17. und
I S. Jahrhundert 27
Henner, Dr. Theodor, Altfränkische Bilder 1916 . 21)
Kappel, Dr. Joh Ev., Der Dom des hl. Stephan zu
Passau 21
Malkowsky, Georg, Kultur- und Kunstströmungen
in deutschen Landen 2.5
Pinder, Wilhelm, Mittelalterliche Plastik Würzburgs ?,
Pionier, Der s, as^ 160
Richter, Prof. Dr. Otto, Das alte Rom v.
Rodt, Eduard von, Bernische Kirchen ::
Schierghofer, Georg, Altbayerns Umritte und Leon-
hardifahrten 4
Schlecht, Josef, Kalender Bayerischer und Schwä-
bischer Kunst 1916 20
Verein »Heimat« in Kaufbeuren, Neuer deutscher
Kalender für das Jahr 1916 2.5
Weber, G. Anton, Dürers schriftlicher Nachlaß in
Übersetzung und mit Erklärungen 2.8
W'einhart, Dr. Benedikt, Das Neue Testament .... 16
Wolf, O Jilo, Tempelmaße 1
IX. VERSCHIEDENES
Alte Wandbilder 42
Berichtigung sc
Beruf der Kunst 283
Bischöfliche Bildnisse ]-5
Das Bildnis eines Knaben 10
Das Nackte in der Kunst bei den Kirchenvätern.. 15
Die Universität Würzburg 43
Dresden, Kreuzweg für die kathol. Hofkirche in
Dresden 10
Druckfehler S
Fünf Gedenkhlätter für Gefallene s
Köln, Generaldirektor für Kunst und Kunstgewerbe 35
Kunst und Krieg SC
Kunstauftrag der Stadt Wien 48
Lektüre ins Feld 15
Lichtbildervortrag über Kriegsgedenkkunst 47
Lübeck, Kriegsgedächtnishalle 23
Martin von Feuersteins Kriegsgedächtnisblatt 6
Nürnberg, Eine Kriegsgedächtniskircbe 128
Renten- und Pensionsanstalt für deutsche bildende
Künstler 43
Schliengen, Denkmal für Gefallene 36
Soldaten-Lektüre 159
Versteuerung des Kunstbesitzes 16
Vivatbänder und eiserne Medaillen 7
Wien, Bilder für die Wiener kommunale Ehrengalerie 128
Zu dem Bilde auf S. 557 341
Zu den Bildern des Heltes 11 48
B. REPRODUKTIONEN
I. KUNSTBEILAGEN:
Amerongen, Frid. L. B. von, Jesus bei Niko-
demus I\'
Feuerstein, M. von, Bella niatribus detestata III
— Pietä II
— St. Thomas Aquinas I
Fachsenberger, Fritz, Portal des k. Bezirks-
amtsgebäudes zu Schweinfurt VI
— Presbyterium der Kirche in Adelsdorf. . V
Hauberrisser, Dr. Georg von, St. Paulskirche
in München XI
Huber-Sulzemoos, Hans, Malerei für einen
Flügelaltar in der neuen Pfarrkirche zu
Cöln-Zollstock XXI
Kuder, Rene, Der Friede VIII
— Schwere Wolken IX
Klotz, Edmund, Hochaltar der Leopoldskirche
in Wien-Floridsdorf XII
Kuolt, Karl, Hl. Sebastian XIX
Locher, B. u. Müller, Andr., Krankenheilung Vll
Moldrickx, Leo, Bischofstab X
Fächer, Aug., Bayerische Diözesanpatrone. . XIV
— Maria Verkündigung XIII
Pruska, Anton, Kruzifixus XV
— Madonna auf dem Throne XVI
— Marienaltar in der neuen St. Annakirche
zu München XVIIl
Simm, Franz, Vor der Töpferbude XXIII
Steidle, Rieh., Von einer Studentenfahne... X\'!I
r/iom<i, /,., Hl. Blut XXII
Westjälischer Meister, Geburt Christi XX
Seite
Albert-Nürnberg, P.astik an der Carl
Prcihcrrl. v. Thiingenschen Grab-
k,-ipclle in Burgsiim 77
Allmann, Bildh., Neue Sludentcnfahne 285
— Von einer Suidentenfahne, Sonder«
beilagc . XVI
Angcrmair, Hans, Monstranz-Entwurf 48,50
— I'lastik am Portal des Kgl. Beziiks-
amtsgebäudes zu Schweinfurt, Sonder,
beilage VI
— Plastik im Presbyterium der Kirche
in Adelsdorf Sondcrbcilage V
Angermair, Jak., Hochaltar 163
Bachmann, Anton, Monstranz-Entwurf
46, 53. 55,
Baierl, Theodor, Christus am Kreuz . 172
— ll^r Auferstandene 175
— Der Welthciland 178
IL ABBILDUNGEN IM TEXT:
Seite
Baierl, Theodor, Die hl Margareta . . 179
— Die klugen Jungfrauen 164
— Die törichten Jungfrauen 165
— I. Kreuzwegstation 161
— Glasgemäldc 176, 177
— Hl. Anna 174
— Kreuz.ibnahme 173
— Kreuzwegstalionen 171
— Moses 174
Bauer, Karl Joh., Altatkreuz 60
— Ehrengc-ichenke 59
— Elektrische Lampe 60
— Fingerhüte und Manschettenknöpfe . t>3
— Fruchtschalc 63
— Grablaterne 57
— Halsschmuck 58
— Kelche 61
— Pokal 62
Seite
Bauer, Karl Joh., Standuhr 64
Baumann, Franz, Grablaterne . ... 57
Brey, H., Malerei am neuen Hochaltar
in Essen-Korbeck 194
Croissant, Malerei der prot. Kirche in
Oberlusladt 84
Eberz, Josef, Moorlandschaft 284
~ Zwei Mütter 284
Fassnacht, Josef, Familienportr.Ht Kunst-
maler Fieiwirth-Lützow 33
Feuerstein, Martin von, Anbetung der
Hirten und Konige 8
— Ancilla Domini 27
— Auferstehungscngel 2
— Aus der Brotvermehrung 10
— Aus der Mannalese 11
— Ave Maria 26
— Brot des hl. Antonius 13
B. REPRODUKTIONEN
VII
Seile
Feuerstein, Martin von, Christus :im
Kreuz 9
— U:is frastmahl des Simon 5
— Der HeihinJ 23
— Der hl. Fridolin 16
— Uie hl. Marg.irita 21
— Die hl. Odilia 18
— Eine Seele himmelwärts 1
— Exlibris 22
— Geißelung 29
— Geburt Christi 28
— Hl. Margerita 19
— Himmelfahrt Maria 15
— Maria Heimsuchung 25
— Maria Verkündigung 3
— Marii» Vermählung 4
— Oberer Teil des Margaritabildes . . 20
— Prozession •.... 7
— Verehrung Maria durch die Stände . 12
— Vom Kriege 30, 31
Franziskanerinnen zu Hohenwart,
Casula 218, 219
Fuchsenberger, Fritz, Dorfstraße in
Adelsdorf 81
— Ecke im Vorstandszimmer der Ober-
postdirektion Bamberg 75
— Einfriedung 66
— Eingang zur kath. Pfarrkirche in
Adelsdorf 65
— Filialkirche Hassenbach 95
— Filialkirche Kraisdorf bei Ebern 87, 88, 89
— Gnadenkapellc 96
— Grabmal von Orterer, Entwurf ... 208
— Hausgarten im bischbll. Palast zu
Speyer 94
— Hochaltar der Stadtpfarrkirche in
Ehingen 92, 93
— Kapelle Stockheim 94
— Carl Freiherrl. von Thüngensche Grab-
kapelle in Burgsinn 77
— Kath. Kirche in Adelsdorf . . . . 80, 81
— Kirche in Burgsinn . . . . 76, 78, 79
— Kircheninneres 95
— Kirchenrestauration Miirsbach .... 91
— Kommunionbank 77
— K. Postamt Burgkunstadt 71
— Oberpostdirektion Bamberg . . . 73, 74
— Pfarrhaus in Vlfiesenthau 68
— Portal der K. Oberpostdirektion in
Bamberg 72
— Prot. Kirche Oberlustadt 82. 83, 84, 85, 86
— Prot. Pfarrhaus EgIoBitein 69
— Prot. Pfarrhaus in Kunreuth .... 69
— Schalterhalle 74
— Schulhaus in Kloster Ebrach .... 70
— Schulhaus in Ettleben 71
— Treppenhaus • ... 73
— Umbau der alten Maut in Bamberg 66, 67
— Zimmer des Voistandes im K. Amts-
gericht Eltmann 90
— Zimmer des Vorstandes im Kreisarchiv
in Bambere 75
ürasegger, Georg, Dionysiusstatue . . 192
— Donatusstatue 193
Hauberrisser, Gg. von, Deutschordens-
burg in Busau 202
— Entwurf zu einem neuen Nalional-
museum in München 201
— Privathaus 206, 207
— Rathaus .n St Johann-Saar 205
— Rathaus in Wiesbaden 204
— Rathaussaal in Ulm 203
Herkommer, Hans, Kirche in bt-aß-
dorf 124, 125, 126, 127, 128
Hoser, Franz, Monstranz-Entwurf 43, 46, 47
Huber-Sulzemoos, Hans, Blaue Berge . 319
— Mädchenbildnis 313
— Madonna 317
— Mcorblumen 318
— Kapelle 315
— Rast 316
— Studienzeichnung 314
Huyer, Ludwig, Medaille ; 39
Immenkamp, Wilh., Ein Feldgrauer . 188
Kau, Georg, Kapelle der Krankenanstalt
^ymph.„b^r^ 185, 186, 187
Kickton, Oberbaurat, Kaiserliche Kirche
in Cadinen 310, 311, 312
Kotarbinsky, Die Auferstehung des
Lazarus • .... 180
Kuball, Christel, Glasgemälde im alten
Rathans zu Thorn 215
Kuder, Ren«, Alte Frauen . . 136, 144, 146
— Alter Kirchhof 130
Kudcr, Rcni, Ausmars
— Ausrufer
— Auszug zur Arbeit .
— Beim Schanzengrabe
— Blick auf Notre Dai:
— Brotvermehrung . .
— Brückenbau ....
— Das Abkochen . .
— Das Frühstück . .
— Der Jahrmarkt . . .
Di<
Male.e
. 135
. 133
Sakristeitüre 129
— Essenempfang 151
— Feldgrauer . . 338, 339, 340, 341, 342
— Feldmesse 160
ufer
142
— Marktschreier 137
— Markirchertal 141
— Nächtlicher Appell 155
— Nebelstimnuing .140
— Pferdestudien 156, 157
— Polnische Flüchtlinge 158
— Pont Neuf, Paris 139
— Regenstimmung 140, 141
— Schwieriger Transport 152
— Sockenstopferin 138
— Soldat 153, 154
— Studie zum Jahrmarkt 134
— Unter dem Schatten des Kreuzes . 337
— VValdbach 131, 142
— Zwanesarbeit 159
Kunst, Fritz, Herz Jesu-Kirche zu Ufen
272 273
— Hochaltar in Rittel .'274
— Monstranz-Entwurf 55
— Rosenkranzkirche in Rittel 275
— St. Bonif.atiuskirche und Pfarrhof in
Hamburg-Eimsbüttel 265
— St. Bonifaliuskirche in Hamburg- tims-
büttel 266, 267, 268, 269, 270
— Tabernakel in Rittel 276
Kuolt, Karl, Der barmherzige Sainaritan 286
— Ornament zu einem Schreibtisch . . :n
— Porträtbüste 287
— Schreibtisch 288
Kurz, Michael, Monstranz-Entwurf . . 45
Lang, G. Joh., Monstranz-Entwurf . . 56
Lederer, Josef, Mcnstianz-Entwuif . . 56
Leyrer, Cosmas, Metallaltar in der Filial -
kirche Kraisdotf 88
Marr, K. v., Deckengemälde .... 79
Neuhaus, Hermann, Exposilionskrone-
Entwurf 197
— Hochaltarleuchter-Entwurf 198
— Mensa des neuen Hochaltars in Borbeck 189
— Monstranz-Entwürfe 50, 51, 200
— Neuer Hochaltar der Kirche in Bor-
beck 191
— St. Josef.kapelle 199
— Tabernakelleuchter-Entwurf .... 195
— Tabernakelture- Entwurf 196
Nockher, Ferdinand, Aus einer
Huldigungsadressc .... 278, 279, 280
— Widmungsblatt 277
Fächer, Augustin, Alba, Stola, Maripel 220
— Casula 218, 219
— Christus tritt die Kelter 233
— David 232
— Die vier Gelübde des Eenediktiner-
urdens 234
— Die 14 Nolhelfer 235
— Entwurf zu einem Pluviale 222
— Entwürfe für Dalmatika und Velum . 223
— Hl. Benediktus 230
— Hl. Michael 236
— Jesu Tod am Kieuze 229
— Kelch 224
— Kelchvelum 221
— Meßbucheinband 226, 227
— Messe Papst Gregors d. Gr 231
— Meßkannchen 225
— Teller für Meßkannchen 225
Preisinger, Michael, Kriegserinnerung 216
Pruska, Anton, Christi Geburt .... 243
— Der Seelenwager 247
— Die Paradiesessttöme 241
— Die Seligen 246
— Die Verdammten 247
— Früchteträger 262
— Hauptportal der Neuen St. Anna-
kirche in München 245
— Hauseck an der Brunnstraße in
München 254
Seite
Pruska, Anton, Hl. Ambrosius .... 252
— Hl. Athanasius 253
— Hl. Augustin 250
— Hl. Barbara 244
— Hl. Basilius 251
— Hl. I. Chrysostomus 253
— HI. Georg 249, 259
— Hl. Gregor d. Gr 250
— Hl. Gregor v. N 251
— Hl Hieronymus 252
— Hl. Katharina 244
— Hl. Leonhard 260
— Hl. Weudelin 260
— Herz Jesu 248
— Kinderfries 261
— Kruzilixus 257
— M,aria und Johannes unter dem Kreuz 256
— Maria Verkündigung 242
— Pfeilerschmuck 260
— Porfatmed-Villnn 264
— Saalwappen 263
— Von der Hauptfassade der neuen
St. Bennokirche in München .... 255
— Zwei Gewolbeträger 263
— Zwei Propheten 258
Raffael, Hl. Cäcilia 121
Rank, Franz, Kapelle der Kranken-
anstalt Nymphenburg 186
Reiter, Franz, Der hl. Georg ii
117
— Der hl. Georg mit dem Giftbecher . 116
— Der hl. Georg tauft den König. . . 115
— Der hl. Georg tötet den Drachen . . 114
— Deckenbild 113
— Enthauptung des hl Georg .... 119
— Farbige Studie zum hl. Georg ... 112
— Handstudien ,117
— Kopfstudien 115, 118
— Studie zum hl. Georg 120
— Trauernde Frai.en 118
Resch, Wilhelm S., Monstranz-Entwürf.^
44, 49, 52
— Plastik in der prot. Kirche Oberlustadt 83
Rossmann, Max, Malerei in der Filial
kirche Kraisdorf 88, 89
Schmautz, J., Monstranz-Entwurf ... 47
Schmidt, Frh. von, Hochaltar in Braunau 292
Schreiner, Georg, Altar der Kaiserlichen
Kirche zu Cadinen 305
— Altar in der evangel. Kirche zu Oliva 295
— Altäre in Oberschneiding 303
— Anbetung der Könige 294
— Der zwölfjährige lesus 294
— Haupt Christi 289
— Hl. Barbara 290
— Hl. Kath.arina 290
— Hl. Paulus 297
— Hochaltar Antonienhütte 293
— Hochaltar Brunau 292
— Hochaltar Hausham 301
— Hochaltar Königshutte 299
— Hochaltar Regensburg-Reinhausen . 302
^ lesus und die weinenden Flauen . . 306
— Johannes Evangelist 296
— Kanzel in der Kaiserlichen Kirche zu
Cadinen 309
— Kommet Alle zu mir 298
— Kreuzabnahme 307
— Kreuzigungsgnippe 304
— Orgel in der Kaiserlichen Kirche zu
Cadinen 308
Pie
291
Schreiner, Georg, St. Antonius von
Padua 300
Schwarzmann, Constantin, Monstranz-
Entwurf 48
Seitz, Joset, Monstranz-Entwürfe ... 54
Simm Franz, Alte Frau 327
— Alter Herr 325
— Frau im Pflegerinkleid 326
— Frau mit Kerzenlicht 324
— Kleine Gäste 321
— Laufendes Mädchen 322
— Madonna am Hause des Kunstlers . 323
— Mann, Pfeife stopfend 329
— Singender Knabe 328
Simm-Mayer, Marie, Bischof Pankratius
von Dinkel 330
Simon, M., Monstranz-Entwurf .... 44
Steidle, Richard, Neue Studentenfahnc . 285
Steinbach, Nikolaus, Altarleuchter . . 170
— Modell zu einem Relief 189
— Evangelienieliefs 192, 193
Steinicken, Eduard, Hochaltar ... .163
VIII
Seite
Steinicken, Eduard, Hochaltarkieiiz • ■ 166
_ Scit.n»l.arkr=i,z l«
Strobel, Max, Kelch • • ":!
— Meßbucheinband 226, 227
— Meßkännchen . 225
Swedomskij, Die Auferstehung des La-
Thoma, Leonhardt, Kriegszeichnung . . 331
_ Monslranz-Entwurf , ' ' " ^^
üeberbacher, Heinrich, Grabmal von
— ReTiefs vom Oräbma'l von Orterer . . 209
Wasnetzov/, W. M., Taufe des Grcß-
fu.sten Wladimir • • ■ 181
Waupotizh, Max, Monstranz-Entwurl . ^3
■Widmer, Prof., Plastik am Portal der
k. Oberpostdirektion Bamberg .... '^
Winker, Christian, Chrisiusfigur auf
einem Meßbucheinband Z2b
Witte, August, Expositionskrone .... 197
_ Hochaltar in Essen-Borbeck 92
— Hochaltarleuchter JH»
— Lämmchen und Tote 1«*
B. REPRODUKTIONEN
Witte, August, Metalltrcibarbeit am
Hochaltar in Eorbeck 189
— Tabernakelleuchter 195
— Tabertiakeltüre 196
Zängl, Christian, Meßbucheinband 226, 227
_ Meflkannchen 225
Zettler, Franz X., Der Auferstandene . 175
Zum Artikel von J. Demleitner, Uie
Kirche der Taubstummenanstalt in
Dillingen 161, 163, 164, 165, 166,
167, 168, 169, 170, 171
Zum Artikel von Dr. O. Doering, Kran.
kenanstalt des Dritten Ordens «i Nym-
phenbure 185, 186, 187
Zum Artikel von Dr. O. Doenng,
Wettbewerb für eine Mons'ranz . . 42
Zum Artikel von Dr. A. Lauscher-
Köln, Der neue Hochaltar der Pfarr.
kirche zum hl. Dionysius in Essen-
Bo.beck 189, 190, 191, 192, 193,
194, 195, 196, 197, 198, 199, 200
Zum Artikel von E. A. Stückelberg,
Zur künstlerischen Reform der Wall-
fahrtszeichen 281, 282, 283
Illustrationen zu kunsthistorischen
Aufsätzen:
Seite
Bogenrieder, Franz X., Die Wandma-
lereien in der »Alten Kirche zu
Garmisch 238, 239, 240
Dalberg, G. H. L. Hubert! de'. Die rus-
sische Religiosität und die Kunst
Rußlaidi . . . IfO, 181, 182, 183, 184
lestädt, Dechant, Eine Peile des Fritz-
laier Do.nmuseums .... 211, 212, 213
Lappe, Josef, Der Christusdom zu Droni-
heim . . 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41
Mader, Felix, Der Meiner des Kotting-
wo.ther Altars 97, 98, 99, 100, 101,
102, 103, 104, 105, 106, 107, 108,
' ' 109, HO, 111
Patzak, Dr. Bernhard, Die St. Ignatius-
kirche zu Gbrz und ihr Baumeister
Christoph Tausch .... 333, 334, 335
Steffen, Hugo, Der Christusdom zu
Drontheim 122, 123
Nachbildung oder sonstige Verwertung der hier veröffentlichten Kunstwerke ist nicht gestattet.
S. Thomas Aquinas
Bens scripsisti do me, Thoma, quam recipies mercedcm?
Qui respondit: Domine, non nisi Te
MARTIN VON" FEUERSTEIN
UM. M.l.l.L IIIMIII.LW AKIS
MARTIN VON FEUERSTEIN
Von Dr. O. DÜERING
Hierzu die Abbildungen dieser Nummer
Das Schaffen einesMeisters vom Range dessen,
über den hier gesprochen werden soll, auf
eingeschränktem Räume zu analysieren, ist nur
möglicli unter weitgehendem Verzichte auf die
Betrachtung seiner Werke im einzelnen. Das
Schaffen Feuersteins besitzt einen Umfang, der
quantitativ zu der mit Recht bewunderten Qua-
lität in geradem Verhältnisse steht. Was ich
zu sagen habe, vermag also nur an einzelnes
anzuknüpfen, und hierfür können nur einige
neueste Schöpfungen in Betracht kommen, die
der weiteren Öffentlichkeit bisher weniger, ja
vereinzelt noch gar nicht bekannt sind.
Es ist üblich, wenn man die Eigenart eines
Künstlers erklären will, zunächst nach den Mo-
menten seines Lebens und seiner Entwicklung
zu suchen, welche diese Eigenart hätten ge-
fährden können. Kann man dann feststellen,
daß sie sich trotzdem herausgebildet und ihre
eigentümlichen Wege gesucht habe, die großen
Zielen entgegenführen, so kommt ihre Stärke
um so voller zur Überzeugung. Also seien
auch betreffs Feuersteins die Stationen dieses
Entwicklungsweges vorweg kurz gekennzeich-
net. Er ist geborener Elsässer, 1856 in Barr zur
Welt gekommen. Er wuchs unter dem Ein-
flüsse der Kunstübung des Vaters auf, der sich
als Bildhauer und Altarschnitzer auszeichnete.
Seit 1875 genoß er an der Münchener Aka-
demie Unterricht beiSträhuber, Löfftz und Diez,
ging 1880 zu weiterer Ausbildung nach Paris
und 1882 nach Italien. Ein Jahr später von
dort zurückgekehrt, wandte er sich nach Mün-
chen, wo er seitdem verblieben und eine der
größten Künstlerpersönlichkeiten der Akade-
mie geworden ist. Alle jene Lehrer mit ihren
so verschiedenartigen Richtungen und Indivi-
dualitäten, alle von ihm aufgesuchten Kunst-
stätten mit ihren Schätzen vorbildlicher alter
und verführerischer moderner Kunst, sie haben
das eine bei Feuerstein fertiggebracht, die in
ihm liegenden Fähigkeiten zu wecken, ihm
deutlich zu machen, was für ihn das Rich-
tigste sei.
In der auf solche Art gestärkten, gereiften
Eigenart des mit den äußeren Ausdrucksmit-
Die christliche Kunst. XII.
^ MARTIN VON FEUERSTEIN ^
teln seines Strebens gerüsteten Künstlers lebt
Wahrheit und Tiefe des Gedankens, Energie
der Tat, Ruhe und feuriges Bewegen, Kraft
und Zartheit, Fülle der Phantasie und Einheit
des WoUens. Es überwiegt das Gemüt, die
tief innerliche Empfindung. Dies alles, hat
bei Feuerstein zusammengewirkt und eine Fülle
hervorragender Werke der christlichen Malerei
entstehen und gedeihen lassen von den ersten
Anfängen seiner selbständigen Betätigung bis
zum heutigen Tage — von den Wandmale-
reien in der Kirche von Moosweiler bei Zabern
bis zu der herrlichen Beweinung Christi, deren
Wiedergabe dieses Heft ziert.')
') Vgl. den mit 26 Abbildungen nach Feuerstein aus-
gestatteten Aufsatz über die Ausmalung der Kirche des
hl. Antonius zu Padua im III. Jahrgang dieser Zeitschrift,
S. 265 tf.; — ferner I. Jahrgang, S. 49 und j8; — II.
lahrgang, farbige Sonderbeilage; — V.Jahrgang, S. 341
und farbige Sonderbeilage; — außerdem mehrere Jahres-
mappen der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst
(1893, 1894, 1897, 1901, 190^, 1908, 191 1, 1912), in
denen der Künstler mit 12 Bildern vertreten ist. D. RcJ.
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I. V. l-IiUERSTKIS AUFEKSTEHUXGSENGEL
Von einem Glasgemiilde in der Hl. Ceistkirche zu München
Text S. 3
Die Glasmalerei-Entwürfe Feuersteins
behandeln die Zeichnung in einer Klarheit und
Ruhe, welche die seiner Gemälde fast noch
übertrifft. Mit Recht — ist sie doch hier die
eigentliche Herrscherin, welche den in den Glas-
scheiben gegebenen Farben die Flächenbegren-
zung vorschreibt und zugleich mittels der
Schwarzlot-Schattierung diesen Flächen Leben
verleiht. Das Verhältnis zwischen Zeichnung
und Farbe ist also wenigstens zum Teil ein
anderes als bei derWandmalerei (mit Einschluß
der Mosaik) und bei der Tafelmalerei, beson-
ders der letzteren. Hier besitzt die Farbe un-
behinderte Möglichkeiten des Ausdruckes und
der Entfaltung feinster Übergänge. Das far-
bige Glas an sich dagegen ist des ersteren
überhaupt nicht fähig, der letzteren nur in
eingeschränktem Maße. Es gibt Kunstgriffe,
um diesem Mangel in etwas abzuhelfen. So
das Atzen und Abschleifen der sogenannten
Überfanggläser. Aber dergleichen widerspricht,
genau betrachtet, dem Stilcharakter der Glas-
malerei, nähert sie der Tafelmalerei, verwischt
so ihre natürliche Art und beeinträchtigt die
engen Beziehungen zwischen der Malerei des
Fensters und der zugehörigen Architektur.
Glasmalerei-Entwürfe werden also material-
gerecht nur von einem Künstler geschaffen
werden können, der ein Zeichner ersten Ranges
ist; der ferner das natürliche Gefühl für die
Sonderheit der dekorativen Zwecke dieses
Kunstzweiges besitzt; und der alsKolorist über
die Fähigkeit verfügt, die Widerspenstigkeit
des farbigen Materials jenen Zwecken zu unter-
werfen und es zu hohenWirkungen zu zwingen.
Diese letzteren sind vielfältiger Art. Das Glas-
gemälde hat zunächst den künstlerischen Zweck,
das Kircheninnere zu einem in sich geschlos-
senen Räume mit selbständiger Wirkung zu
gestalten, dem es mit seinen kräftigen oder
sanften Reflexen an Wänden, Säulen, Pfeilern
und Skulpturen Leben einhaucht. Unter diesen
Gesichtspunkten ist die Glasmalerei zu ihren
guten Zeiten aufgefaßt und behandelt worden,
seit dem frühen Mittelalter bis zur späten Gotik.
In der Renaissance läßt die Fähigkeit nach,
und im Barock hört sie allmählich ganz auf,
im Zusammenhange mit den neuen Stil- und
Raumprohlemen der Architektur.
Es lülk sich darüber streiten, ob man alte
Barockkirchen heute mit gemalten Fenstern
versehen darf. Die Denkmalpflege, sowie die
Auffassung des Kunsthistorikers und des im
Geiste alter Kunst empfindenden Ästhetikers
wird diese Frage verneinen. Der Geschmack
des Volkes, zumal im Süden unseres Vater-
landes, wo man für die Reize der Farbe aus
natürlichen und kulturellen Gründen empfang-
MARTIN VON FEUERSTEIN
lieber ist als im Norden, und wo man darum
auch den Kirchenraum, in dem man betet und
den man liebt, gern so prächtig wie möglich
ausgeschmückt sieht — jener Volkssinn küm-
mert sich nicht um kunsthistorische Erwä-
gungen, sondern neigt der farbigen Behand-
lung von Kirciienfenstern zu. So hat denn
die moderne Glasmalerei in mittelalterlichen
wie in nachmittelalterlichen Kirchen neuer-
dings reicblicli Gelegenheit gefunden, sich zu
betätigen. Sie hat bei der Lösung dieser Auf-
gaben ihre Technik nach allen Richtungen nicht
nur wiedergefunden, sondern auch Wesent-
liches dazu entdeckt und so eine neue Ent-
wicklung erlebt, die noch lange nicht abge-
schlossen sein kann. Schon darum nicht, weil
jeder Fall sein Individuelles besitzt wegen der
so verschiedenartigen Lage, Architektur, Aus-
schmückung der Kirchen und wegen der Ab-
weichungen der Volksart der Gemeinden, der
flüssigen Geldmittel usw.
Zu diesen Betrachtungen sind wir durch
die Glasmalerei-Entwürfe Feuersteins gebracht
worden, die er mehrfach gerade für Kirchen
des Barockstiles geschaff'en hat. In der Hei-
liggeistkirche zu München sieht man u. a.
eine Verkündigung und eine Auferstehung.
Das Beiwerk zeigt Annäherung an die For-
menwelt des Rokoko, ohne sich in Abhängig-
keit davon zu begeben. Die Figuren sind
durchaus neuzeitlich aufgefaßt, voll keuscher
Innigkeit und Vergeistigung bei Maria, voll
überirdischer Anmut beim Verkündigungs-
boten (Abb. S. 3), voll Hoheit beim Engel
der Auferstehung (Abb. S. 2). So ist der
stilistische Zusammenhang mit der Umge-
bung hergestellt und doch die Selbständig-
keit des heutigen Künstlers gewahrt. Wäh-
rend bei diesen Werken mehr der dekorative
Zweck zum Ausdrucke gelangt, gehen andere
mehr auf den der Belehrung und Erzählung
aus. So eine Vermählung Maria (Abb. S. 4);
ferner ein Bild mit der Szene der zu Füßen
Christi knienden Sünderin (Abb. S. 5); end-
lich eine historische Darstellung (Abb. S. 7).
Die hier abgebildeten Entwürfe zu den drei
letzteren Gemälden befinden sich im Besitze
der Mayerschen Hofkunstanstalt zu München.
Wie Feuerstein den durch die Natur von
Material und Technik gestellten Bedingungen
Rechnung zu tragen versteht, beweisen außer
seinen Entwürfen für Glasmalereien auch die
für Mosaik. Bei solchen Werken erstrebt die
Stilisierung größere Einfachheit, die Neben-
dinge bleiben fort mit Rücksicht auf die Archi-
tekturfläche, welcher das Bild sich einordnen
muß. Daraus folgt die Notwendigkeit des
Verzichtes auf alle perspektivischen Tiefen-
M. V. lEL'HKSlEIX
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MARTIN' VO\ FKLF.KSTKIX
Entwurf fiir ein Clasgem.ilde. — Text S.
Wirkungen, ferner die breite Behandlung der
Farbenflächen, wahrend für die Anlage von
Einzelheiten, wie Gewandungen oder der-
gleichen, die Rücksicht auf ihre Herstellung
aus den Ton- oder Glasstiften maßgeblich bleibt.
Als Beispiele seien zwei der Bilder aus Jung
St. Peter in Straßburg gezeigt — eins mit der
Anbetung der Weisen, eins mit dem Kruzi-
tixus und den um ihn trauernden Freunden
(Abb. S. 8 u. 9). Die Kompositionen sind in der
Zahl der Figuren eingeschränkt, Architektur
in größtem Zuge behandelt, die Hintergründe
Gold, durch welches die Farben charaktervoll
gehoben werden. So entsteht jener Eindruck
unvergleichlicher Feierlichkeit, den die alte
Kunst erreicht, und dessen Geheimnis sie der
neuen hinterlassen hat.
Von den Wandgemälden der Kirche zu
Oberehnheim mögen zwei
Kartonfragmente einen Be-
griffgeben (Abb. S. lou. 11).
Auf dem einen Blatte sieht
man, wie die Israeliten das
Manna sammeln und ver-
zehren, auf dem andern das
Wunder der Brotvermeh-
rang — Vorbilder der
Spende des Leibes Christi.
In klarer ruhiger Erzählung
sind die beiden Szenen wie-
dergegeben. Die Gewan-
dung der Personen knüpft
an jene aus der Zeit des
späten Mittelalters an. Das
findet sich bei Feuerstein
häufig; es ist das Mittel-
ding zwischen einer rein
antiquarischen und rein mo-
dernen Darstellungsart, es
entrückt die Personen und
Vorgänge ihrer eigenen Zeit
und Wirklichkeit, entfernt
sie zugleich aus zu großer
Nähe der Gegenwart, gibt
ihnen zeit- und ortlose all-
gemeine Bedeutung, wäh-
rend doch anderseits der
Charakter der Wahrheit und
Wirklichkeit sichtbar ge-
wahrt bleibt. Ein Entwurf
zu einem Wandbilde feiert
die der hl. Jungfrau von
Menschen jedes Standes,
Alters und Geschlechtes ge-
zollte Verehrung (Abb.
S. 12). Die in eine gotische
Spitzbogenfläche kompo-
nierte Darstellung zeigt eine
Bogenarchitektur , die sich in eine breite
mittlere und zwei schmälere Seitenflächen zer-
legt, also dem Bilde die Anordnung eines
Tript\xhons verleiht. Innerhalb dieser drei
Felder stellte der Künstler in der Mitte die
hl. Jungfrau dar, mit ihrem Kinde thronend
vor der Hütte, wo Jesus geboren ward; über
ihr erglänzt der Stern und singen die Engel
ihr Gloria; neben ihr steht St. Joseph; rechts
von ihr bringen die drei Weisen ihre Gaben
dar, links stehen und knien mancherlei .Men-
schen voll Glauben und Vertrauen. Dieser
Gruppe schließt sich auf der dort befindlichen
Seitenfläche eine Schar von Trauernden an,
die man aus dem Tore der Stadt heraus zu
der Consolatrix afflictorum — der Trösterin
der Betrübten — wallfahrten sieht; auf dem
Teilbilde rechts erblickt man Flehende, die
MAKIA VI;KMAIII LX(
e^ MARTIN VON FEUERSTEIN P^
ihr Heil bei dem Auxilium
Christianorum, der Hilfe
der Christenheit, suchen
und finden. Was sie alle
denken, fühlen und sagen,
klingt wider in den Worten
des Spruchbandes zu Füßen
des Bildes: Sancta Mater
Dei genitrix ora pro nobis.
Klar ist die Komposition,
fest in sich geschlossen, voll
Wahrheit und Feierlichkeit.
Von Altargemälden
Feuersteins haben die letz-
ten Jahre mehrere entstehen
sehen. 1909 schuf er das
Werk für die Kirche von
Freiburg-Haslach: St. An-
tonius von Padua, Almosen
spendend (Abb. S. 13). Still
schreitet der Heilige dahin,
von einem Klosterbruder
begleitet, der einen Korb
mit Brot trägt. Die Armen
und Elenden warten der
Spenden und nehmen sie in
Dankbarkeit hin. Jede dieser
Volksfiguren ist eine Mei-
sterleistung, ganz besonders
der greise Bettler und die
beiden Kinder zur Rechten
des Heiligen. Eine ins Ideale
erhobene Naturwahrheit
gibt dem Bilde zugleich Le-
ben und Würde. Sie wird
zur Feierlichkeit gesteigert
durch die Figur des hl. An-
tonius, die doch dabei ganz
derWirklichkeit abgelauscht
zu sein scheint. — Die Himmelfahrt Maria hat
Feuerstein auf dem Altarbilde der Kirche zu
St. Mergen in Baden dargestellt (Abb. S. 15).
Man könnte versucht sein, von dem Bilde
zu rühmen, es wetteifere an Innigkeit und
seelischer Tiefe wie an Schönheit seiner Li-
nien mit Meisterwerken der Vergangenheit,
aber ich glaube, daß man es besser aner-
kennt, wenn man sagt, es sei eine der voll-
kommensten Gestaltungen dieses niemals
alternden Gegenstandes im Geist und Formen-
sinne unserer Zeit. Die schöne Leichtigkeit
der Bewegung erhält ihre Grundlage und gibt
dem Auge des Beschauers eine Vergleichsmög-
lichkeit durch die tiefschwebende Gestalt des
großen, Rosen streuenden Engels. — Die
St. Fridolinskirche in Mülhausen im Elsaß er-
hielt ein Altarbild, das die Missionstätigkeit
des Kirchenschutzheiligen feiert (Abb. S. 16).
DAS G.^SlM.'kHI, DES SIMON
Text S. 3
St. Fridolin, vielleicht ein Schottenmönch, ent-
faltete in der Mitte des sechsten Jahrhunderts
seine folgenreiche Wirksamkeit in der Gegend
des Bodensees. Demgemäß stellte Feuerstein
den Heiligen dar, wie er am Ufer des Sees dem
Volke predigt. Frauen, Kinder und wetter-
harte Männer lauschen den begeisterten Wor-
ten des Fremden, der ihnen das Kreuz Christi
bringt und ihnen Lehren verkündet, ob denen
ihnen die Ahnung des Heils aufgeht. In der
Ferne sieht man eine im Bau begriffene Kirche.
Das Bild gehört zu den erzählenden in der Art
wie Feuerstein erzählt. Das historische Er-
eignis ist lebendig, wahr, überzeugend dar-
gestellt und doch durch die Größe der Auf-
fassung zum Ideal erhoben. — Die Malereien
in der Kirche zu Geberschweier fanden im
September 1912 mit der Vollendung der »Krö-
nung Maria« ihren Abschluß. Das schöne
^ MARTIN VON FEUERSTEIN ^
Bild zeigt Jesum und die hl. Jungfrau vor einer
strahlenden Sonne auf einem marmornen
Throne sitzend; Maria hält die Hände ge-
faltet und neigt sich demütig, um die von
Edelsteinen strahlende Krone zu empfangen.
Der hl. Geist schwebt über der Gruppe, und
ganz oben erhebt Gottvater die segnende
Hand. Die himmlischen Heerscharen aber
stimmen Jubelh3'mnen an und begleiten ihre
Weisen mit dem Klange von mancherlei In-
strumenten. Ein Bild voll tiefer Frömmigkeit,
ein Lied der innigsten Verehrung Mariens,
zu den Werken eines Fra Angelico ein wür-
diges Gegenstück, das unsere Zeit geschaffen
hat. — Das Altargemälde in der Kranken-
hauskapelle der Niederbronner Schwestern zu
Straßburg verherrlicht die hl.Odilia(Abb.S.i8).
Wir sehen eine dieser barmherzigen Wohl-
täterinnen, wie sie einem zur Erde gesunkenen,
von einem jungen Mädchen gestützten Kran-
ken Labung reicht. Zwei Schwestern tragen
weiteren Bedarf herbei, eine wandernde arme
Familie wartet im Hintergrunde. Von fern
sieht man das Kloster Hohenburg. In den
Lütten aber erscheint, auf Wolken kniend,
die hl. Äbtissin Odilia, die Patronin des Elsaß
und der Stadt Straßburg. Die Hände zur Für-
bitte erhoben blickt sie auf die Gruppe drun-
ten hernieder, ein Engel hält den Stab ihrer
Amtswürde, ein anderer ihr Attribut, das
Buch, auf dessen aufgeschlagenen Blättern
zwei Augen liegen. So vereinigen sich bei
diesem Werke zwei Szenen , eine irdische
und eine himmlische, zu einem Einklänge
von feierlicher Schönheit. — Zwei Altarge-
mälde schuf der Künstler 191 3 für die Kol-
legiumskirche Maria Hilf in Schwyz. Das
eine zeigt den hl. Thomas von Aquino vor
dem Bilde des Heilandes, der dem getreuen
Verkünder seiner Lehre den verdienten Lohn
verspricht (Abb. s. farbige Sonderbeilage). Mit
überzeugender Kraft ist die Seelenbewegung
des Heiligen zum Ausdrucke gebracht, der
von Dankbarkeit und Begeisterung hingerissen
zu dem auf wunderbare Art lebendig gewor-
denen Kruzifixe emporblickt. In der Durch-
führung und Charakterisierung der Figuren,
wie in der zeichnerischen und farbigen Be-
handlung zeigt das Gemälde so außerordent-
liche Eigenschaften, daß man dem Meister
zustimmen muß, wenn er es für sein bestes
Werk erklärt. Das andere Bild zeigt zwei
Knaben, die von ihrem hl. Schutzengel vor
dem Feuertode gerettet werden. Die Dar-
stellung hat Bezug auf einen Brand, der das
Kollegium schwer heimsuchte, ohne daß doch
einer der Zöglinge an Leib und Leben Scha-
den erlitt. Im Hintergrunde sieht man das
brennende Kolleg, vorn führt der Engel die
Knaben insFreie; beide sind prächtig charakteri-
siert — der eine in seiner Angst und Bestür-
zung, der andere in seiner ruhigen frommen
Zuversicht. — Welche Lieblichkeit lebt in
dem Bilde der hl. Margareta (Abb. S. 20 und
21). In waldiger Wildnis kniet sie; zu ihren
Füßen liegt der Teufel, der sie in Gestalt
eines Drachen oft zu schrecken und im Glau-
ben irre zu machen versuchte; sie aber blieb
allezeit standhaft und hielt dem Widersacher
das Kreuz entgegen, vor dessen Gewalt er
unterlag. Auch auf dem Gemälde Feuersteins
ist dieser Zug angedeutet. Glaubensvoll, ihrer
Standhaftigkeit bewußt, blickt Margareta zum
Himmel empor, wo ihr in lichten Wolken
thronend die hl. Jungfrau erscheint. Engel
bringen ihr und dem Jesuskinde Verehrung
dar; einer aber schwebt abwärts, um der
hl. Margareta die himmlische Krone auf das
Haupt zu setzen. — Ergreifende Gestaltung
fand durch die Kunst Feuersteins das Wort
»Kommet her zu mir, die ihr mühselig und
beladen seid« (Abb. S. 23). Welche Zeit, wel-
ches Menschengeschlecht hätte nicht des vom
Heilande gespendeten Trostes bedurft und be-
darf seiner noch? So hat unser Künstler die
Angehörigen der verschiedensten Stände und
Völker um Jesum versammelt, der in ihrer
Mitte steht und voll Erbarmen seine Hände
aufhebt, als wolle er sie alle an sein Herz
ziehen. Die Großen der Welt, Papst und
Kaiser, knien zu seinen Füßen, gegenüber
drängen sich mancherlei Menschen fremder
Zonen, eine Mutter hat sich vor Jesu nieder-
geworfen und hebt ihm ihr Kindlein entgegen;
den Hintergrund der Nische, vor welcher der
Herr steht, erfüllt eine Menge von Personen,
man erkennt einen Mönch und einen Bauer.
Wirkt der Entwurf durch seinen gegenständ-
lichen Inhalt stärkstens auf das Gemüt, so tut
er es nicht minder für das Auge durch die
Art der Komposition, in welcher sich Strenge
und Freiheit vereinigen. Feuerstein hat eine
allzu symmetrische Aufstellung der Gruppen
vermieden, er trennt die den ^'ordergrund er-
füllenden Personen nicht durch eine gerade
Linie in der Richtung der Mittelaxe, sondern
durch eine schräg verlaufende, löst dadurch
alle Strenge und hebt die Feierlichkeit des
Eindruckes, statt sie zu beeinträchtigen. Trotz
des Reichtums an Einzelheiten und fremden
Typen verflacht sich doch das Interesse an
der Darstellung nicht am Äußerlichen, son-
dern bleibt dem geistigen Inhalte des Bildes
ungeschmälert erhalten, der in der schlichten
Gestalt des göttlichen Heilandes seinen Mittel-
punkt und seine Vollendung findet.
MARTIN VON FEUERSTEIN
PROZESSION
S^i MARTIN VON FEUERSTEIN EM
MAU I l\ VON lia-EKSTEIN
AXHinrNG DHR HIKTKN UKD KON'IGE
Entwurf /,lr Mosa:k. — Text S. 4
Derselbe Zug innerer Würde, welcher diesen
für Monumentalzwecke bestimmten Werken
eigen ist, kennzeichnet auch die übrigen
Malereien Feuersteins. Zu den rein histo-
rischen Darstellungen gehört sein Gemälde
der Erziehung des hl. Ludwig. Erst zwölf Jahre
alt, war dieser 1236 zur Königswürde gelangt;
die Vormundschaft führte seine Mutter Bianca
von Kastilien. An ihrer Seite sitzend, durch
den Nimbus bereits als Heiliger gekennzeichnet,
lauscht der lernbegierige Knabe den Lehren
der Weisheit, die ein Dominikaner ihm ver-
kündigt, während andere Geistliche und kirch-
licheWürdenträger tief sinnend zuhören. Durch
das große offene Fenster sieht man über Häuser
und Dächer hinweg die Türme der Notre-
Dame-Kirche — eine Zutat, die für die äußere
wie für die innere Wirkung des Bildes gleich
bedeutsam ist. Die Charakterisierung der Per-
sonen ist bestimmt und interessereich. Be-
sonders fein ist die Haltung des dozierenden
Mönches, der mit Schärfe seme Beweisgründe
darlegt, nicht minder die des königlichen Kna-
ben, dem man recht die Spannung ansieht,
womit er jedes Wort des Lehrers verfolgt.
Vom koloristischen Standpunkte beachtens-
wert ist die Farbenreihe rot-weiß-grün-weiß-
schwarz, die durch die reiche Goldstickerei
des blauen Mantels der Königin unterbrochen
und durch den Goldbrokat des Thronbalda-
chins kraftvoll gesteigert wird. Vorzüglich
passen dazu die stilleren und doch belebten
Farben der Wandfläche und des Fußteppichs.
Die Stimmung und Wirkung des Raumes ist
^^ MARTIN VON FEUERSTEIN ©3S
MARTIN VON FEUERSTEIN"
Entwurf für Mosaik. — Tc
:t S. 4. — Mit (J:nt!imigung ,ifr Verlagianstalt Benziger &-^
CIIKIS'IT'S AM KRELTZ
Einsiedeln
sehrschön. — »EineSeele himmelwärts« nennt
der Künstler das rührende Bild eines toten
jungen Mädchens, das von Engeln zur ewigen
Heimat begleitet wird (Abb. S. i). Wie
schlummernd liegt sie da. Zwei der himm-
lischen Boten tragen sie, einer hält in seinen
Händen die Krone des Lebens, einer die Palme
des Sieges und Lohnes. So schweben sie em-
por, und unter ihnen versinkt, was irdisch ist.
Bewegungen und Ausdruck der Gestalten sind
voll Lieblichkeit, Anmut und hohen Ernstes.
— Zu den höchsten Zierden der Martinskirche
im elsässischen Kolmar gehört die köstliche
»Madonna im Rosenhag« des »hübschen ;
Martin Schongauer — der des großen Albrecht
Dürers Lehrer war. Im ganzen Umkreise der
Kunst des späten Mittelalters wird man keine
Malerei finden, die mit dieser an Innigkeit der
Empfindung, an echt deutscher Gemütstiefe
wetteifern kann. Schönheit des Geistes sieht
man in diesem Bilde vereinigt mit Lieblich-
keit der Form und Farbe. Es galt, dies Juwel
vor Beschädigung zu bewahren und es zu
diesem Zwecke mit zwei schützenden Flügeln
zu versehen. So erhielt es gleichzeitig die Art
eines Klappaltärchens. Ein Sohn des Landes
sollte mit der Lösung dieser Aufgabe betraut
werden, und Feuerstein wurde dazu ausersehen.
Man stellte den neuzeitlichen Meister dem alten
an die Seite und bezeugte durch den Auftrag,
Dia chrlsüiche Kunst. XII.
^^ MARTIN VON FEUERSTEIN ^
MAKIIS' VON lECHUSTEIX
Teil lies Karions
AI S DI'K HKOrVERMEHKUNG
WaudbiU in Obereltniu-i
daß man diese beiden Martine als einander
ebenbürtig ansah. Wäre Feuerstein es nicht,
so hätte er sich bemüht, seine Malerei der
Schongaucrschen in Stil und Technik so ähn-
hch wie möglich zu machen. Geschieht dies
nicht unzählige Male bei Ergänzungen alter
Kunstwerke.'' Und gibt es nicht immer noch
Leute genug, die derlei unfreie Arbeit gerade
als das allein Richtige anschauen .' Das Künstler-
tum Feuersteins war nicht gesonnen, sich in
solche Abhängigkeit zu begeben. Als er die
beiden Flügel malte, schuf er eine Verkündi-
gungsszene von völliger äußerlicher und inner-
licher Selbständigkeit, der alten Kunst aber
^ MARTIN VON FEUERSTEIN ^
MAiniN VO\ FEUERSTEIN
AUS DER MAXXALESE
Teil des Kartons zu
aide in Oiereltithe
innig verwandt durch Tiefe des Gefühls- und
Glaubensinhaltes, an eigenartiger Schönheit
ihr gleichwertig (Abb. S. 26 und 27). Glück-
lichste Schaflensaugenblicke waren es, welche
diese beiden Figuren entstehen ließen: diesen
Engel, der sich auf ein Knie niedergelassen
hat und die rechte Hand segnend erhebt.
während sein Auge und liebliches Antlitz sich
auf die Gebenedeite richtet und seine Lippen
zu dem Gruße sich öffnen; diese Jungfrau,
die der himmlische Bote beim andächtigen
Lesen antraf. In staunender Verwunderung
und demütiger Hingabe an den göttlichen
Willen erhebt sie beide Hände; das edle stille
MARTIN VON FEUKRSTEIN VEREHRUNG MARIA DURCH DIE STANDE
Entwurf zu ehitm WniulHIJ. — Trxt S. 4
g^i MARTIN VON FEUERSTEIN ^
13
MARTIN VON FEUERSTEIN
Altarlrild in Freiiurg-Haslach. — Text S. J.
^ltvg der Verlags,
BROT UES HL. ANTONIUS
statt Einziger &= Co., A.-G-, Einsiedeln
Angesicht mit den gesenkten Augen und die
leise Neigung des Körpers sprechen das »Es
geschehe'.. Höchste Reinheit und Schhchtheit
der Empfindung atmet dieses Bild. Herrlich
ist der Gegensatz der beiden Figuren. Man
sehe z. B. Mariens einfaches Gewand, das als
einzigen Schmuck die in den Mantelsaum ein-
gestickten Worte zeigt; Ecce ancilla Domini;
daneben der Engel, von reich gemustertem
Mantel umwallt, die Fittiche geschmückt mit
den Augen der Pfauenfedern, so erinnernd
an das uralte Symbol der Unsterblichkeit.
Ferner den lockigen Kopf des Engelknaben
und jenen der Jungfrau, von dem das lange
M
MARTIN VON FEUERSTEIN ö^
Haar in weichen Wellen auf die Schultern
herabfließt.
Alles, was des Christen Herz bewegt, findet
unvergleichlichen Ausdruck in den herrlichen
Gesetzen des Rosenkranzes. So umfaßt sein
Inhalt auch alles, was eines Künstlers Geist
sehen, seine Hand gestalten kann: Hohes und
Niederes, Heiliges und Weltliches, Zartes und
Herbes, Ruhe und Leidenschaft, Leben und
Tod, Verdammnis und Erlösung, er findet
Raum, Landschaft, Tier, Mensch, Engel und
Gott. Und er wird mit seinen Farben, Formen
und Gestalten ein Herold der erhabensten
Lehren, die der Menschheit zuteil geworden.
Ich kenne ein ganz kleines Büchlein von großer
Feinheit, Gemüts- und Glaubenstiefe — es ist
J.M. Stillfrieds »Im Rosengarten unserer lieben
Frau« — es begleitet in Betrachtungen und
Meinungen die Teile des Rosenkranzes; Füh-
richs Zeichnungen geben den Gedanken sicht-
bare Form. Ebenbürtig reihen diesen großen,
tiefen, so echt deutschen Kunstwerken die
Rosenkranzbilder Feuersteins sich an. Eben-
bürtig, weil sie, in Auffassung und Durch-
führung neu, den Glaubensinhalt in vollen-
deter äußerer Schönheit und mit derselben
inneren Kraft zur Geltung bringen. Zu den
Mitteln dieser Wirkung gehört im beson-
deren Maße die Einfachheit und die durch
die kreisrunde Form stark geförderte Ge-
schlossenheit der Kompositionen. Die Andeu-
tung der Ortlichkeiten hält sich im größten
Zuge, die Zahl der Personen ist überall auf
das Notwendigste beschränkt. Die Behand-
lung hält an den malerischen Grundsätzen
fest und ist doch von fast reliefartiger Strenge.
Diese äußere Einfachheit gibt der Charakter-
schilderung um so größere Kraft. Bilder von
außerordentlichster Wirkung sind dabei. So
die Heimsuchung mit dem prachtvollen Kon-
trast der beiden Frauengestalten ; die Anbe-
tung des neugeborenen Heilandes mit der
wunderbar innig empfundenen Figur der
Mutter (Abb. S. 28); die Geißelung mit dem
(zeichnerisch unübertrefflich gegebenen) Er-
löser, der erschöpft an der Säule niederge-
sunken ist und uns seinen mahnenden Blick
ins Herz bohrt (Abb. S. 29); der Tod Christi;
Mariens Aufnahme in den Himmel und end-
lich iiire Krönung. Die Farben sind reich
und voll, dabei von stiller Harmonie. Bis-
weilen erheben sie sich zur Pracht; so bei
der Lichtmalerei des Weihnachtsbildes; bei
der Aufopferung mit der Nebeneinanderstel-
lung des blauen Mantels Maria und des brau-
nen Rockes Josephs und dem reichen Goid-
brokatmuster des Gewandes Simeons zwischen
beiden ; bei der Marienkrönung mit dem Ak-
kord des zarten Hellblau, Rosa und dem
reichen Granatapfelmuster des Brokatteppichs
im Hintergrunde.
Um auch einer der kleineren Arbeiten
Feuersteins zu gedenken, erwähne ich ein
Exlibris (Abb. S. 22). Es zeigt die sinnbild-
lichen Gestalten der altklassischen Wissen-
schaft und der christlichen Religion, im Hin-
tergrunde erscheinen die Trümmer des alten
Rom, daneben die von überirdischen Strah-
len umleuchtete Kirche St. Peters. Am Fuße
der Darstellung steht die Inschrift: Prope
Romam semper.
Die durch die Kriegsereignisse des Jahres
1914 hervorgerufene ungeheure Erregung
mußte ihren Einfluß auch auf Feuerstein aus-
üben. So entstand ein Werk, welches in der
ganzen Entwicklung dieses Künstlers einzig
in seiner Art ist, das mit dämonischer Leiden-
schaft erfüllte Bella matribus detestata — die
von den Müttern verwünschten Kriege (Abb.
nachS. 24 u. 30 u. 51). Es ist, als fände der Mei-
ster keine Grenzen für die Fülle künstlerischer
Eingebungen, welche dieser Gegenstand ihm
liefert — nicht weniger als viermal hat er
ihn gestaltet, dreimal in Entwürfen und Zeich-
nungen, neuestens in einem Gemälde von
überwältigender Wirkung. Verheert vom
Kriege ist das weite Land, in Flammen ver-
lodern die verwüsteten Wohnstätten, erschla-
gen liegen die Männer, weiter ziehen die
feindlichen Horden, neuen Untaten entgegen.
Die Frauen und Mütter aber, heimatlos und
glückberaubt, senden den Verwüstern Flüche
nach; andere suchen Hilfe beim Kreuze des
Herrn. Jede der vier Fassungen dieses Ge-
genstandes findet neue Ausdrücke, weiß ihm
neue Seiten abzugewinnen. Eine düstere, ge-
waltige Poesie liegt in ihnen, die Poesie eines ■
Mannes, der mit gleicher Stärke denkt und
empfindet. Es verkündigt sich in diesen
Kriegsbildern eine Leidenschaft, die man im
sonstigen künstlerischen Schafften unserer
Tage vergebens sucht, und die uns auch bei
Feuerstein mit einer plötzlich ausbrechenden
elementaren Kraft entgegenbraust; auch in
seinem bisherigen Lebenswerke hat man sie
noch nicht herauszufüiilen vermocht. Wer
es fertig bringen konnte, die Eigenart dieses
Werkes neben die seines früheren Schaffens
zu stellen, den darf, den muß man als einen
der größten Künstler bewundern, die unsere
Zeit hervorgebracht hat. — Das Kriegsbild
hat auch zur Entstehung eines herrlichen reli-
giösen Werkes Anlaß gegeben — es ist die
von uns abgebildete Piet.'i (Abb. Einschaltblatt
nach S. 16). Das Bild ist entstanden aus der
Gruppe des erschlagenen Kriegers mit dem
IS
MARTIN VON FEUERSTEIN HIMMELFAHRT MARIA
Altarbild zu St. Mergen in Baden. — Text S. J
Mit Genehmigung der l'erlagsanstalt Benziger tf Co-, A.-G., Einsiedeln
i6
MARTIN VON FEUERSTEIN DER HL FRIDOLIN
Text S.S. — i'it Genehmigung der VerlagsaitsLill Beiiziger &' Co , A.-C, Einsiedeln
^ DIE MÜNCHENER SECESSION 6SS
17
über die Leiche sich wertenden Weibe ; der
Vergleich der beiden Bilder läßt das leicht
erkennen. Bestimmt ist es als Votivbild für
glückliche Rückkehr aus dem Kriege — und
so hängt auch dies schöne Werk engstens mit
dem Ereignisse der Gegenwart zusammen. —
Dasselbe tut ein Erinnerungsblatt, welches
mit den Gestahen der Hll. Georg, Mauritius,
Barbara und Michael geschmückt ist. Es wird
bei der Gesellschaft für christliche Kunst er-
scheinen.
Am 6. Januar 191 6 ist der 60. Geburtstag
Martin von Feuersteins. Von Herzen hoffen
und wünschen wir, daß es ihm beschieden
sein möge, noch lange zu schaffen und zu
wirken zur Förderung und zur Ehre der
deutschen Kunst und des christlichen Geistes,
welcher der ihrige bleiben soll und muß.
DIE MÜNCHENER SECESSION
Dem Umfange der heurigen Secessions-
ausstellungisteine Beeinträchtigung durch
den Krieg nicht anzumerken. Sie ist sogar
reicher beschickt worden als manche ihrer
Vorgängerinnen. In entgegenkommender Art
hat sie auch diesmal einer beträchtlichen Zahl
von jüngeren Kräften Zulaß gewährt und ist
damit ihrer gerechtfertigten Gepflogenheit
treu geblieben, nicht einseitig ältere Rich-
tungen zu pflegen, sondern auch heranstre-
benden die Möglichkeit zu geben, sich auf
ihre Echtheit prüfen zu lassen. Daß die Aus-
stellung außerdem nicht lediglich darauf
herauskommt zu zeigen, in wie verschiedener
Auffassung malerische, vor allem koloristische
Probleme gelöst werden können, und in wel-
cher Art des Vortrages die einzelnen Künstler-
individualitäten sich aussprechen, sondern daß
auch der Gegenstand zu seinem Rechte kommt,
dafür sorgt vor allem der Krieg. Es wäre
unnatürlich , wenn er nicht eine ganze
Reihe von Künstlern zu kräftigem Schaffen an-
regen würde. Nach zwei Richtungen kommt
dies zur Geltung. Die eine ist die repro-
duktive, illustrative. Ihre Erzeugnisse ent-
stehen auf den Kriegsschauplätzen. Die in
unendlicher Menge sich darbietenden Einzel-
szenen, Ortsbilder, Soldatentypen, diePersonen
der Heerführer, das alles wird, wie es sich
von selbst versteht, in besonders kennzeich-
nenden Situationen und Augenblicken fest-
gehalten. Es bildet mitsammen ein unschätz-
bares historisches Material, von dem noch
fernste Zukunft Nutzen und Belehrung haben
wird. Außerdem entsteht durch die beson-
deren Bedingungen und Schwierigkeiten, unter
denen die künstlerische Aufgabe trelöst werden
muß, eine eigenartige Kunst, die mehr als
andere auf der Vereinfachung beruht, und die
nur gedeihen kann unter den Händen von
Zeichnern und Malern, denen es gegeben ist,
mit schnellstem Blicke das Wesentlichste, den
Kern der Dinge zu erkennen. Sie müssen
also von vornherein eine großzügige Anlage
mitbringen, finden aber hier Gelegenheit,
diese Anlage zu größterEntwicklungzubringen.
Auf diese Weise steigert sich das ursprüng-
lich Illustrative und Reproduktive, ohne von
diesen Eigenschaften einzubüßen, ins Allge-
meine und Begrirt'liche. So hat Otto Bau-
riedl Skizzen vom Winterfeldzuge der Baye-
rischen Schneeschuhtruppe in den Vogesen
geliefert. Der Dillschen Serie von zwanzig
Kriegsbildern sieht man teilweise die Eile an,
auchwill bei einzelnen davon nicht einleuch-
ten, wie sie an Ort und Stelle entstanden
sein können, da sie ihren Schauplatz auf der
feindlichen Seite haben. Eine große Reihe
technisch wie gegenständlich interessanter
Aufnahmen in Farben wie in Bleistift hat
Hans von Hayek vom westlichen Kriegsschau-
platze geschickt. Man könnte bei ihm fast
an eine Vorahnung glauben, die ihn kurz
vor dem Kriege dazu trieb, Studien auf den
bayerischen Manövergeländen zu machen und
jene ausgezeichneten Arbeiten zu schaffen, die
er seinerzeit in der Galerie Heinemann aus-
stellte. Das war die Vorschule für die jetzige
Aufgabe, und die Art, wie er diese zu lösen
versteht, stellt ihn in die erste Reihe der auf
gleichem Gebiet Tätigen. Er schildert Orte,
um welche die Kämpfe getobt haben, zeichnet
Massenansammlungen von Truppen, charak-
teristische Einzelheiten, Gefechtsstellen aus
den Gegenden von Lille, Arras usw. in einer
Weise, "die unmittelbar überzeugend wirkt.
Federzeichnungen aus den Vogesenkämpfen
zeigt E. Baudrexel. H.Goebels und G. Greve-
Lindaus Studien sind in Steinzeichnung, die
von H. Pampel und E. Oppler in Radierung,
die von E. Burmester in Holzschnitt herge-
stellt worden. Eine überaus interessante und
auch umfangreiche Sammlung von zumeist
farbigen Zeichnungen hat der Dachauer F.
Klemmer ausgestellt. Seine Vorliebe geht aut
die Schilderung von Geschützen, außerdem
von Ortsbildern, mit besonderem Erfolge aber
auf die von prächtigen, humorvoll beobach-
teten Typen baverischer Soldaten. Von anderen
Kriegsschilderern verwandter Art seien noch
F. Wimmer, E. Wolff-Filseck und E. Thöny
genannt. — Realistischer Empfindung dürfte
diese Art den Krieg zu malen, mehr sagen
als die zweite, die ich zuvor andeutete. Sie
geht darauf aus, die Idee des Krieges zu
Die christliche Kunst.
MARTIN VON 1 r.UliRSTEIN
DIE HL. ODll.IA
dir KapMe des Kra„ke,ikamtB der Niederhrontur Schwester,, zn Straßlmrg. - Text S. 0
Der untere Teil erschien im Verlag Hirmer. München
DIE MUNCIIIINER SECESSION
19
versinnbildlichen und bedient sich dazu sehr
verschiedenartiger Mittel der Technik wie der
Sprache. Kein Zweifel, daß diese Art, wenn
sie die erstrebten tiefen Gemütswirkungen
erreichen will, bei ihrem vorwiegenden Ver-
zichte auf die Wirklichkeit des Gegenstandes
und bei der Notwendigkeit, aus einer inneren
Fülle und Größe subjektive Anschauungen zu
schöpfen, vor viel größeren Schwierigkeiten
steht als jene erstere. Am leichtesten tun
sich hier solche Künstler, welche die Dinge
und Gedanken vom satiri-
schen Standpunkte ansehen,
wie O. Gulbransson. Doch
blieb dergleichen dies-
mal vereinzelt, was
man bei des Krieges
furchtbarem Ernste be-
grüßen darf. Den letz-
teren in ergreifender Art
verallgemeinert zu versinn-
bildlichen strebte u. a. Th.
Heine, mit bedeutenderem
Gelingen E. Erler, der durch
diese Neuartigkeit des In-
haltes seiner vorzüglich ra-
dierten Blätter in Erstaunen
setzt. Er hat auf diesem Ge-
biet einen wirklichen Erfolg
errungen, den man z. B. A.
Hengelers »Kriegsfurie«,
einem schreiend über eine
Landschaft hineilenden Wei-
be, kaum zugestehen kann.
Den erheblichsten Anteil
an der verallgemeinerten
Betrachtung des Krieges hat
die Plastik. So mit den
Kriegs- undTrauermedaillen
J. Gangls, den gedankenrei-
chen Medaillen und Plaketten von H. Lindl,
A. Zadikow, L. Gies,F. Großhans und anderen.
Diese Kriegskunst verleiht der heurigen
Secessionsausstellung ihr eigenes Gepräge.
Mit den übrigen Darbietungen würde sie sich
von denen anderer Jahre nur insoweit unter-
scheiden, als sie, wie schon bemerkt, eine
Reihe von Erzeugnissen allerneuester Gattung
zur Schau bringt. Eine Anzahl von Malern
tritt uns zum ersten Male in der Secession
entgegen, die zuvor in der »Neuen Secession ;
erschienen und nach meinem Empfinden dort
an ihrem angemesseneren Platze gewesen
sind. Die Secession fand sich bereit, die Male-
reien E. Burmesters, K. Schwalbachs, J. Hüthers,
die stark skizzenhaft gegebenen Arbeiten
H. Völckers, A. Sohn-Rethels, M. Obermaiers,
O. van Houts, H. Eberhards und andere Un-
FLUtRSTUN
E„tivur/. Ig/
fertigkeiten bei sich zuzulassen. Daß unter
diesen Malereien sich auch solche befinden,
welche religiöse Stofl"e zum Gegenstande ihrer
Versuche machen, sei erwähnt, um es grund-
sätzlich zu mißbilligen. Ich berühre damit
eine Sache, die zu den am wenigsten erquick-
lichen gehört. Denn die Zunahme von Aus-
stellungsobjekten, die nach Motiven des Glau-
benslebens entstanden sind, steht leider nicht
im gleichen Verhältnisse zu der Würde ihrer
Auffassung. Besonders häufig erscheint der
Gekreuzigte, meist unzu-
länglich, zuweilen auch mit
technischer Meisterschaft
behandelt, aber in keinem
Falle als Träger und Erreger
religiöser Gefühle. Eine in
Tempera ausgeführte Kreu-
zigungsgruppe F. Naagers
ist die umfangreichste Male-
rei dieser Art. Sie zeigt, wo-
hin die äußerliche Erfassung
eines temperamentvollen
Vorbildes — ich meine den
Kruzifixus von Grünewalds
Isen heimer Altar — führen
kann. Auch die Plastik bie-
tet derartiges, darunter die
von W. Gerstel als Ganzakt
gegebene bronzene Statu-
ette eines »Propheten«, viel-
leicht Jonas, der einzig für
diese Auffassung paßte, aber
einer würdigeren Haltung
bedurfte. Von demselben
Bildhauer ist ein »Toter
Christus«, zu welchem der
'" '^' ^'"^ Anblick der bekannten Gips-
"'" ' ' ' ■' abgüssepompejanischerLei-
chcn die Anregung gege-
ben zu haben scheint. Von den Malereien
ähnlichen Inhaltes gedenke ich der » Mystischen
Krankenheilung« und der »Kreuzigungsphan-
tasie« A. von Kellers, zweier Werke, deren
Technik man bewundern,und deren Inhalt man
gänzlich ablehnen muß. Das gleiche giltvonder
»Kreuzigung« und noch mehr von der »Kreuz-
abnahme . F. von Stucks. Daß dieser Künst-
ler auch zweimal die alttestamentliche Susanna
geschildert hat, kann ebenfalls nur unter dem
Gesichtspunkte der malerischen Vollendung
anerkannt werden; die Wirkung bleibt die
einer fühlbaren Sinnlichkeit. Eins seiner alten
Themen in neuer Fassung behandelte Stuck
auch in dem farbig delikaten Stücke »Neben-
buhler«, dem Thema Krieg entrichtete er
seinen Zoll in einer an blaugrünen Akten
reichen Allegorie »Feinde ringsum;. Von
^ DIE MÜNCHENER SECESSION ^
MAKTix VON m:l i:Ksri:ix
/ 'erl.,gs.i?:sl„ll Be
OBI-UKK lEII. DES MARCiAKll ABILDES SEITE ;i
Werken, die religiöse Gedanken in angemes-
senerer Art behandeln, seien einige hervorge-
hoben. So Ch. Landenbergers »Kain«, der
nach vollbrachtem Brudermorde enttlieht, des-
selben Künstlers Studienkopf Maria, beson-
ders aber Becker-Gundahls farbige Studien zu
einer Kreuzigung, R. Mauchs schöner Holz-
schnitt Maria Patrona Bavariae.
Zahlreich und zum großen Teil auch quali-
tätvoll sind die ausgestellten Bildnisse. Ich
erwähne die Damenporträts des Grafen von
Kalckreuth, Knirrs Darstellungen seiner Söhne,
Pechel-Lösches Selbstbildnis mit verbunde-
nem Kopf, Trübners Bildnis seines Sohnes in
Rüstung, H. von Habermanns Selbstporträt,
L. Corinths ausgezeichneten Gerhard Haupt-
mann im Interieur, Werke von F. Strobentz,
C. Hommel, I-'. Rhein, H. Spiro, H. Gröber.
Obenan stehen die sechs von L.Samberger ge-
zeigten Porträtwerke. Das Bildnis S.M.König
Ludwigs III. scheint mir in seiner Art das be-
merkenswerteste. Unter Verzicht auf jegliches
Pathos, ausgehend auf die Wirklichkeit der Er-
scheinung, umfaßt es die Wahrheit der in die-
sem großen und tiefen Charakter sich ver-
kündenden Idee. Ein Meisterwerk ist auch
jedes andere der ausgestellten Samberger-
Bildnisse, besonders hervorragend das tieffar-
bige des P. Aschenbrenner S. J. und das hell-
tönige Hans von Haveks. Dazu kommt ein
ebenfalls hellfarbiges und doch ganz anders
empfundenes Porträt Emanuel von Seidels,
ein in kraftvollen tiefen Tönen durchgeführtes
Matthäus Schiestls, endlich das überaus cha-
rakteristische von Richard Winternitz. Jedes
verkündet die staunenswerte Fähigkeit Sam-
bergers, seine Personen im Innersten zu be-
obachten und ihr Äußeres bei sprechender
Ähnlichkeit als die einzig mögliche Ausdrucks-
form ihrer geistigen Eigenart klar zu machen.
Mit dieser Fähigkeit steht Samberger in der
ganzen neueren Kunst vereinzelt und uner-
reicht da. Bedeutsames leistet auf dem Ge-
biete des Porträtfaches auch dieses Mal die
Plastik. Ich nenne die Büsten und Medaillen
von B. Elkan, A. von Hildebrands lebensvolle
Büste S. K. H. des Kronprinzen Rupprecht von
Bayern, L. Kindlers Prinzregenten Luitpold,
Ulfert Janssens in grüner Bronze gegebene
»Witwe«, G. Kolbes charakteristisches Herren
MARTIN VON FEUERSTEIN DIE HL. MARGARITA
Altarbild für die Hnuikapelle des Frhr. v. Gezmen-WaUeck in Wien. — Text S 6. — Mit Genehmigung der l'irlagsanstalt
Benziger ^r' Cf> , A -G , Eiti%iedeln
^ EINEM TIROLER BILDSCHNITZER ZUM GEDENKEN ^
porträt, die vornehmen Porträtplaketten von
E. Eckart, B. Rungas' u. a. E. Kurz' Büste des
t Bildhauers Floßmann, H. Schwegerles Bild-
nisleistungen, von denen besonders die Pla-
kette Ludwigs III. hervorzuheben ist. Eine
sinnige tüchtige Arbeit ist das Relief mit den
Bildnissen des Kunstmalers Freiwirth Lützow
und seiner Gemahlin von Joseph Faßnacht, der
auch eine von S. M. dem König angekaufte
Bronze »Rabe mit Eidechse« ausgestellt hat.
Die Landschaft ist, wie immer, die umfang-
reichste Gruppe. Felix Bürgers hat drei über-
aus feine Studien ausgestellt, von denen ein
Abend in den Bergen genannt sei. L. Dill
bietet zwei seiner typischen Mooslandschaften,
A.Faure eine nächtliche Wirtshausszene in der
Campagna, starke Wirkung erreicht O. Graf
mit dem Brande einer kleinen italienischen
Bergstadt. A. Lamm zeigt Jura-Landschaften,
W. Lehmann farbenfrische Studien aus dem
Isartal, Meyer-Basel zartgegebene Motive von
der Insel Reichenau zur Blütezeit und anderes.
R.Pietzsch malte u.a. die Kirche von Harlachina:
>Z_
i4€x-LiBRis : D^' Carl Hommgll
■1
- Jfeo&gy^ü'i'
MARTIN- VOK FliUKUS FEIN
im Herbst, C. Reiser brachte Impressionen aus
Florenz. So ist die Landschaft samt den mit ihr
verwandten Darstellungsgebieten in beachtens-
werter Qualität vertreten, freilich ohne mit
irgend einer Leistung über Gewohntes hin-
auszugehen. — Interieurs finden sich zum Teil
von hoher Vollendung. So zwei koloristisch
delikate Stücke von Ch. Vetter und ein von
Wolfl-Filseck vorzüglich gemaltes Zimmer mit
Lichtreflexen auf einem dunkel glasierten Ka-
chelofen. J. Kühn jun. schilderte ein paar In-
nenräume mit Tischen und entwickelte dabei
den Reiz seines perlmutterartigen Kolorits.
Nicht minder interessant ist eine Reihe von
Stilleben. So malte R. Nissl einen lebhaft
farbigen Blumenstrauß vor einer grauen Gar-
dine und ein zweites ganz ausgezeichnetes
Stück vor dem Hintergrunde eines weißen
Vorhanges. Auch die Blumenstücke von C.
Piepho, die Stilleben von H. Niestle dürfen
nicht unerwähnt bleiben.
EINEM TIROLER BILD-
SCHNITZER ZUM GEDENKEN
(Matthäus Schies tl sen.: 1834 — 1915)
In einer bitterkalten Februarnacht vor 53 Jah-
ren war ich zum erstenmal in der altehr-
würdigen Bischofsstadt gelandet ; die Nachtfahrt
durch den Steigerwald von der Donau nord-
wärts war frostig genug gewesen, im Hotel
»Zum Schwanen« war frühmorgens das Wasser
im Waschbecken eingefroren und im glitzern-
den Rauhreif standen die Heiligenstatuen auf
der alten Mainbrücke Würzburgs, unter deren
Mauerquadern die Eisschollen knirschend vor-
überttieben, auf dessen Domtürme die Zinnen
der .Marienfeste im fahlen Morgenscheine her-
niederschauten. Bei Meister Reublein in der
alten Brombachergasse fand ich dann duartier
und Bett im sonnigen Mansardenstübchen, in
dessen blankes Giebelfenster der gotische Turm
der lieblichen Marienkapelle herübergrüßte;
nebenan und gegenüber trieb auf ähnlichen
»Buden« Studentenulk seine üppigen Blüten
und der biedere Gastgeb im Erdgeschosse bot
gerne dem Durstigen kühlen Trank. Aber in
der Mansarde wucherte nur zu bald ein Un-
kräutlein — das Heimweh.
Wohl lockte dann die Februarsonne in den
folgenden Wochen an manchem freien Nach-
mittag zur Streife in der Umgebung, übers
Käppeli hinüber nach dem Höchbergerforst,
wo die ersten Frühlingsboten blühten, ins
Nachbarstädtle Heidingsfeld, den Steinberg
liinauf über die »Dürrbacher Steige« nach dem
Weineldorado von Unterdürrbach, oder ich
schaute — einsam — vom Galgenberg im
»Letzten Hieb«, wo das »Erzherzog-Karl-Zim-
mer« vom Siege des edlen Habsburgers über
General Jourdan erzählt, der Sonne nach, wenn
sie liinter den Mauern der Feste zur Rüste
ging. Aber das Hennweh blieb und auch
der »väterliche« Rat des Chefs fruchtete nicht
viel: Gehn sie unter Menschen! Beim » San-
derbräu« wurde der erste Versuch gemacht auf
23
MARTIN VON FEUERSTEIN
EntwurJ zu
AUartildt. — Text S. 6
DER HEILAND
e^ EINEM TIROLER BILDSCHNITZER ZUM GEDENKEN ^
vollgepropfter Bank mit einem Maßkrug und > Geschwol-
lenen« (VV'ürsten) zwisclien ein paar Spießbürger einge-
keilt. Die erste Frage an den Nachharn zur Recluen
erntete kurze Ablehnung — und beim Bruder zur Linken
lautete die prägnante Antwon ebensovielsagend; damit
hatte der Tiroleibub genug und flüchtete wieder auf seine
Mansardenstube, wo das Heimweh doch halbwegs durch
traute briefliche Grüße aus den Heimatbergen und aus
der lieben Kaiserstadt an der Donau gemildert wurde
und beim stillen Lampenhcht Bergschildereien Adolf
Pichlers, Zingerles und anderer tirolischer Schriftsteller
über manche bange Stunde hinweghalfen: sie gaben
dazumal auch den ersten Anstoß zu »Versuchen der
Feder« — und so manchesmal brannte über Mitternacht
hinaus die kleine Öllampe
All das und ein paar gute Kameraden — sonst nur
zur Schwermut stimmende Ode, bis eines Tages Gottes
Fügung die Schritte hinlenkte in eine echt malerische
>Rumpelkammers die offiziell als »Atelier« bezeichnet
wurde. Da arbeitete zwischen Holzblöcken und allem
möglichen sonstigen Materiale ein Mann im groben Ar-
beitskittel, eine untersetzte, stämmige Figur, den dichten
Haarwald und Vollbart bereits leicht meliert, mit klaren
leuchtenden Augen, sein Stemmeisen und Hammer kräf-
tig handhabend, daß die Späne nur davon stoben: der
geschäftliche Auftrag war bald entrichtet, ein Wort gab
das andere, man kam ins Plaudern — ein tirolischer
Landsmann, ein Freund war gefunden I Wohl nur all-
zuschnell verflog die erste Stunde — wohltuender Aus-
sprache, allein solches kam nun öfter und der iMittags-
tisch ward oft genug gekürzt, nur um bei dem ständig
emsigen Meister ein Stündlein verplaudern zu können.
Gab's doch so Manches da zu sehen und wanderten doch
gemeinsam die Gedanken zurück in die fernen Tiroler-
berge wo auch Matthäus Schiestl kein Fremder war unter
seinen Zunftkollegen Michel Stolz, Miller, Trenkwalder
und anderen Kunstjüngern.
Am schönsten aber waren doch die Abende am Main-
ufer, wo die schweren Lastschiffe im Hafen schaukelten,
in seiner schlichten Wohnung oder in verborgenem Win-
kel iiTi Kafiee Strobl wie im Dominikaner-Kaffee usw.,
Letztgenanntes mir besonders wert, dieweil ich dort
so ganz zufällig die Todesnachricht meines verehrten
Professors von Kripp gelesen: wie so manches andere
Stück Alt-Würzburg sind auch diese altgemütlichen Gast-
stätten inzwischen zumeist der »Stadtverschönerung« zum
Opfer gefallen und so mancher alte Straßenname hat
einer moderneren Bezeichnung weichen müssen. Für die-
ses Gedenken sind die alten Namen bis heutzutage erhalten
geblieben. Auch in die »Union« führte er den Fremd-
ling ein, wo er als katholischer Künstler gerne gesehe-
ner Stammgast war : Hettinger, Stamminger, Schanz u.a.m.
waren da die tonangebenden Teilnehmer der allerdings
verhältnismäßig kleinen Tafelrunde. Und auf dem Heim-
gang in stiller Nacht gahs dann immer noch einen froh-
gemütlichen Gedankenaustausch gespickt mit Tiroler
Reminiszenzen in einem der schon genannten »verschwie-
genen Winkel« — oft genug bis über die mitternächtige
Stunde. Das ging nun so etliche Wochen fort und dieser
ständige Verkehr mit einem biederen Landsmann, der
freundlich und gefällig in jeder Hinsicht schon durch
sein gottesfürchtiges Beispiel auf ein jugendliches Herz
einwirken mußte, scheuchte allgemach die Schatten, so
daß auch der Frühlingsonnenschein belebenderen Ein-
druck machte trotz der braungefärbten Rebengelände und
den »gugelhupfförmigen Bergen« des Maintales. Und
dann kam im Märzen die Einberufung zur Militärpflicht,
mit ihr das Scheiden aus der Frankenstadt und zugleich
der Abschied von einer wahren Künstlerseele, einem
väterlichen Freunde: nicht mehr habe ich seitdem ihn
gesprochen, allein die Erinnerung an ihn ist in treuem
Herzen bewahrt geblieben, denn solch edle Seele
konnte nur guten Samen ausstreuen. Die Nachricht, daß
der alte Freund aus langverschwundener Zeit heimge-
gangen, hat das Erinnern an stille Wochen aufs neue
geweckt und Vater Schiestl, dessen kunstfleissige Söhne
dazumal noch Bürschlein waren, steht wieder lebendig vor
meinen Augen. Matthäus Schiestl ward am 5, August
1834 zu Obergreider bei Hippach im Zillertal (Tirol)
geboren, erhielt bei Krontaler in Kufstein die erste Lehre
in der Bildhauerei und zog nach verschiedenen Wander-
jahren nach München, wo er bei G. Gabi, M. Schmidt
u. a. vielfache Anregung empfing. 186; kam der tüch-
tige Bildschnitzer, nachdem er ein paar Jährlein zu Salz-
burg gesessen und dort seinem Landsmann Bildhauer
Johannes Piger den Weg geebnet hatte, nach ^\'ürzburg,
das ihm im Laufe der lahre zur zweiten Heimat geworden.
Von dort lieferte er zahlreiche Werke seines Meiseis in alle
Welt hinaus. Viele Schöpfungen aus seiner Hand schmük-
ken Kapellen und Kirchen des gesamten Frankenlandes,
darunter z. B. die originellen Altar- und Stationswerke der
romanischen Adalberokirche in der Sanderau (Würzburg);
vieles ging ins Ausland, auch nach Österreich und Ungarn.
Prächtige Figuren — namentlich männliche Gestalten
manchmal bis zu Überlebensgroße waren sein Fach —
waren beredte Zeugen seiner Tüchtigkeit, wobei er zumeist
mit besonderer Aufmerksamkeit auch die dezente Poly-
chromierung der großen wie kleinen Figuren mit außer-
ordentlicher Liebe selbst besorgte. Das Schnitzen von
Krippen-Darstellungen zählte zu seinen Lieblingsbeschäf-
tigungen. Er war, wie mit Recht ein Würzburger-Lokal-
blatt von ihm rühmte, »der Tvp eines altbewährten
tüchtigen Tiroler Holzschnitzers; namentlich seine Kir-
chenkunst-Schöpfungen, z. B. Kruzifixe usw., waren Ar-
beiten, die von künstlerischem Empfinden und trefllicher
Tradition zeugten . Dabei scheute der Künstler keine
Opfer an Zeit und Mühe, wenn es galt, irgend ein gutes
Werk zu fördern und stellte sich freudig in den Dienst
der christlichen Charitas; oft genug haben bei Auffüh-
rungen von Oratorien und verschiedenen Wohltätigkeits-
veranstaltungen von Schiestl gestellte »lebende Bilder':
wesentlichen Anteil am Erfolge gehabt. Zählte er doch
zu denen, für die des Evangelisten Wort galt: »Selig die
Friedsamen, sie werden Kinder Gottes genannt werden«.
Unermüdlich schaffend bis ins hohe Alter lebte er
nur seiner Kunst und seiner Familie, und das bereits
erwälmte Würzburgerblatt bemerkt noch hiezu:»Hier
war der alte Schiestl mit seinem von weißem Bart um-
rahmten Charakterkopf eine allgemein bekannte Persön-
lichkeit. Hochgeachtet war er wegen seines biederen,
gutherzigen Charakters, seiner innigen Frömmigkeit und
Schlichtheit des Wesens«. So erzog er auch seine drei
Söhne, in deren Schaffen sich alttirolische Überlieferung
mit fränkischer Volkskunst zu eigenartiger Vereinigung
mischt; der .\lteste, Heinz ist seines Vaters Erbe, Pro-
fessor Maler Matthäus Schiestl wirkt in München, Pro-
fessor Rudolf Schiestl an der Kunstgewerbeschule von
Nürnberg.
Erst in späteren Jahren gönnte er sich alljährlich
einige Wochen der Ruhe und Erholung im gemütlichen
Künstlerhäuschen seiner Söhne auf dem Schwendberg
im geliebten Zillertale, wohin es ihn mit allen Fasern
seines Herzens immer wieder zog; er sollte diese Be-
haglichkeit nicht allzulange genießen. Im verflossenen
Winter übersiedelte Schiestl zu seiner einzigen verhei-
rateten Tochter nach Sendelbach a. M., wo er nach kur-
zem Krankenlager am 11. März d. J. selig in Gott ver-
schied; unter großer Beteiligung der dortigen Einw'ohner-
schaft, zahlreicher Freunde usw. bettete man ihn hier
am Ortsiriedhofe zur letzten Ruhe. Seine Werke sichern
ihm ein stetes ehrendes und unvergängliches Andenken.
So seien diese kurzen Zeilen dem Heimgegangenen
Gruß eines dankbaren Herzens aus der fernen Berghei-
mat. R. L P. Heinz V. Wörndle, Innsbruck
GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1915
25
MARTIN VON FEI liKSTlilX
MAKIA lli;iMSUCHUXG
Aus d,m K.-trIm
GROSSE BERLINER KUNST-
AUSSTELLUNG 191 5
Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)
VY/ährend sonst der »große« Berliner Kunstmarkt die
öden Räume am Lehrter Bahnhof mit kaum über-
schaubaren Massen füllte, hat er sicli diesmal, kriegs-
bedrängt, mit einem kleineren Vorrat in die freundlichen
Gemächer der Kgl. Akademie der Künste am Pariser
Platz geflüchtet und dort seine Schau nacheinander in
Hälften von Mai bis Juli und von August bis Oktober
gebracht.
Der Ausschluß fremdländischer Gäste legt nun wie-
der die heikle Frage nahe, ob und wie hier ein Gesamt-
charakter von spezifisch deutscher Kunst zu erkennen
sei. Erschwert wird eine solche Erkenntnis dadurch, daß
diesmal auch Deutsches außerhalb Berlins nur wenig —
am meisten noch aus Düsseldorf — gekommen ist, und
daß sich kaum etwas Abstoßendes, doch auch nur wenig
Packendes eingefunden hat.
Immerhin mögen alte Kennzeichnungen wiederum
versucht werden: natürlicher Gegenstandssinn an Stelle
von Stilisierungskünsten, Malerei des > festen Blickes«
und der kräftigen Zeichnung statt eines Auflösens in
Erscheinungskünste, Naturstimmung statt Oberfiächen-
kunst. Wie wenig Verlaß auf solche Angaben ist, leuch-
tet bald ein. Am ehesten lenken sie zu einem Vorzug
der Landschaftsmalerei sowie zu ihrer poetischen Seite;
und viel Landschaft mit mancher Märchenstimmung ist
denn in der Tat vorhanden.
Für Religiöses fällt wieder nicht viel ab. Von E. von
Gebhardt hatten wir hierin den letzten Jaliren genug,
um ihn würdigen zu können; trotzdem überraschen die
jetzt ausgestellten Gemälde von ihm — die Beispiele des
physiognomischen Ausdrucks wie >Das kananäische
Weib« noch mehr als die der Szenenkomposition wie
>Pelri Verleugnung«. Eigenartig ist der Anklang an Bibli-
sches in F. Paczkas »Zwei Müttern«: eine Frau in
moderner Frauenkleidung weint ihren Schmerz aus an
der Brust einer anderen Frau die durch ihre Physio-
gnomie und zeitlosere Kleidung als Gottesmutter gedeu-
tet werden kann. Angereiht seien hier gleich zwei an-
dere Bilder vom Schmerz über einen Kriegsgefallenen:
das Aquarell vonO. Höppner »Der Sohn«, das in sei-
ner Darstellung der an der Bahre des Gefallenen trau-
ernden Eltern einen trefflichen Ausdruck von Schlicht-
heit gibt, und die üppige Malerei von P. Barthel »Der
Einzige«, die einen Vater im Prunkgemach zeigt, einsam
versunken in Trauer vor dem Andenken an den Sohn.
Zu den religiösen Motiven zurückkehrend, finden wir
zwei biblische Wanderszenen. Die »Flucht nach Ägyp-
ten« von P. Harnisch, ein wenig an Böcklins »Das
Maultier sucht im Nebel« usw. erinnernd, zeigt mit viel
Farben- und Lichtwirkungen die lieilige Familie, wie sie,
geführt von einem Engel, einen Steg über einer Schlucht
überschreitet. Ebenfalls vorwiegend landschaftlich ge-
dacht ist »Die Heimkehr vom Tempel« von F. Schütz.
Einen guten Anlauf beeinträchtigt W. Pape in seinem
Die christliche Ku;
26
GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1915
M. V. TEUERSTEIX
Tixt S. 9
Mif Geitehtnigufig der l'erlaffsanstall Benziger i^ Co
AVE MARIA
A.'G,, Ehisiedetn
»Du aber bleibest« : Christus im Grab, Maria
an ilim hingesunken, zu den Seiten ein Vor-
hang, gehalten von einer weibhchen und einer
geharnischten männlichen Gestalt, dazu Licht-
wirkungen . . .
Mit der Inschrift »Emporgestiegen ist der
Tod in unser Fenster, eingegangen in unsere
Paläste« stellt H. Frobenius in einer Neben-
einanderreihung schmerzvoller Gestalten »Die
Klage« dar — mehr Absicht als Wirkung.
Lieber verweilt man bei den Kirchenszenen;
H. Kohlscliein malt unter dem Titel »Die
Moselbauern« zwei kernige Gestalten in einem
Kircheninterieur, dessen Hintergrund impressio-
nistische Künste zeigt; und M. Rabes entfaltet
seine efiektvolle Weise im »Gottesdienst in
der zerstörten Kirche in Lyck«. Ein Kruzifix
gibt einer Hügellandschaft mit verstreuten Lei-
chen Stimmung in H. Köckes »Nach der
Schlacht«.
An Kriegsbildern war sonst nicht viel gekom-
men. Unter den maritimen mag H. Bohrdts
Tempera »Torpediert« erwähnt sein.
Eher als in einem Ideenporträt »Deutsche
Hoffnung« von F. Burger ist deutsche Art
anderswo zu finden. So etwa in A. Härtens
waldig-lauschiger > Osterfeier« oder in H.H e n d-
richs rotglühendem »Gralswunder aus Parsi-
fal« oder in W. Firles »Torfarbeiter« oder
besonders in der gut eindrucksvollen und mit
Recht bereits beliebt gewordenen »Friesischen
Braut« von O. H.Engel. Auch F. Stassens
»Im Paradies« mag hier erwähnt sein: vor
einer Mutter mit Kind spielt ein alter König
die Harfe, und Engel schweben darüber herab;
das Ganze in der bündig bestimmten Vortrags-
weise dieses Künstlers. »Frühhng« von H. Lan-
den berger verringert den gut poetischen
Eindruck einer Landschaft, die durcli eine blu-
mentragende weibliche Gestalt als Raumschie-
ber übersclinitten wird, durch deren weniger
eindrucksvollen Gesichtsausdruck; und eine
räumlich analoge Koni position von J. S c h m u z-
Baudiss »Bildnis« wirkt am ehesten durch
saftige Farben und virtuose Farbenübergänge,
an die keramische Tätigkeit des Künstlers er-
innernd.
.\uch im übrigen ist mit der malerischen
l'orträtkunst nicht viel los; Farbeneindrücke
herrschen vor; oder man merkt wieder die
Absicht wie etwa in W. Geffckens sonst gut
fröhlich gestimmtem großem Gruppenbild »Aus
dem Kreise der Zwanglosen«, das in kleinerem
Format wohl günstiger wirken würde. Am
anziehendsten ist vielleicht das Jünglingsbild-
nis von H. Looschen, das mit seinen fast
nur grauen Tönen doch lebhaft farbig wirkt.
Als Tierdarsteller in landschaftlichem Rah-
men finden wir u. a. wieder den nun ver-
storbenen O. Frenze! (»Im Herbstwald«, mit
hübschen Lichtreflexen) und den jüngeren, uns
seit einigen .\usstellungen sympathisch bekann-
ten H. Schmidt (^Steinadlerpaar«).
Stilleben und Innenräume wiedeiholcn
gleichfalls Bekanntes. Zum Verweilen laden am
ehesten ein die »Antiken Gläser« eineranschei-
nend jüngeren Malerin A. Herrniann und ganz
besonders die »Stube in Vierlanden« des sinni-
gen Altmeisters R. Eichstaedt: an diesem
Hereintluten des Lichtes durch die Gardinen
auf einen Eßtisch würde ein Menzel wohl
seine helle Freude gehabt haben.
©^ GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 191 5 ^
27
Nun wieder die Fülle der Landschaften und
die Hoffnung, ihnen das eigenllich Deutsche
abzulauschen I Gilt es Märchenstimniung, so
steht O. Modersohn mit der überzeugenden
Forniensprache seines «Herbst im Moor« und
seines »Im Sommer« voran; wie aus dem letz-
teren Bilde vor den Schafen und Bäumen usw.
die kleine Hirtin herausblickt — diese Heiniat-
kunst nimmt uns kein Fremder weg und
ersetzt uns kein Oberflächensport. Ein Mär-
chengeist waltet auch über W. Feldmanns
>Der Steg« (Mondaufgang).
Die grünen Acker an den roten Häuschen
inmitten welliger Hügel nennt Elsa Genest-
Arndt wohl mit Recht »Deutsches Land«.
Fast bis zu geometrischen Formen geht die
feste Zeichnung in F. Türckes »Abend in der
Rhön«: flächenhaft, mit wenigen, aber gut
wirkenden Farben, zeigt sie sich im »Blick auf
den Hohenstein, Franken« von W. Ter Hell;
und mit einer stimmungsvollen Verbindung
von Einheitlichkeit und Mannigfaltigkeit spricht
sie aus dem »Kanal in Flandern« von A. Scher-
ves. Stille Waldesstimmung gibt G. Hol-
steins »Ruhige Waldecke am Venu« sowie
O. Thieles »Agnetendorf im Riesengebirge«.
Altbekannte bringen weitere Beispiele ihres
Könnens. So E. Bracht mit dem Glanz seines
»Sonnenuntergangs im Winter«. So der dies-
malige Austellungspräsident C.Langhammer
mit seinem kräftig hellen »Maienglühen im
Buchenwald«. So K. Heffner mit seiner einen
Kanal darstellenden -Landschaft« ; dann G. M.
Meinzolt mit einem »Hochsommer«, K. Lei-
pold mit Sturmbildern aus Venedig, R. Kai-
ser mit seinem vom Nahen ins Ferne führen-
den Gemälde »Das Schalkenmehren-Maar in
derEifel«, E. Erler mit seinem Hochalpenbild
»Letzte Mahd«, E. Kolbe mit einem stini-
mungsreichen »Tauenden Bachs. Die alte
Weise von A. Schlabitz (Tempera »Reith
in Tirol«) findet kaum irgendwo einen sie
kränkenden sezessionistischen Gegensatz, etwa
ausgenommen die starken Farben im »Herbst
auf dem Hunsrück« von E. Rentsch. Eine
frische Künstlerkraft lernen wir kennen in
F.Lindau, dessen Gemälde »Am Wasser«
mit einfachen lockeren Formen weite Flächen
gut anscliaulich macht.
Aus Städtebildern Eindrücke zu gewinnen
bemühen sich H. Hartig, der die Wucht mär-
kischer Architektur mit seinem »St. Marien in
Prenzlau« ausprägt, und L. Lej eune, dessen
»Häuser vom Bach« wieder den Charakterzug
des Festen, Bündigen tragen.
Die Architektur fehlt diesmal ganz, und die
Graphik, in der sonst die Berliner von der
»Großen« wohl ihr Bestes geben, kommt
spärlich und fast ohne den Ehrgeiz technischer
Besonderheiten. Gerade noch der farbige Holz-
schnitt erweckt Aufmerksamkeit: einfach und
wirkungsvoll erscheint C. A. Brendels »Der
verlorene Sohn« ; daneben seien Blumenstücke
von E. Consent ins und J. Metzner sowie
der Schwarzweiß-Schnitt »ImZirkus« von P.
Kuhfuß genannt. Zur Radierung, in der
u. a. M. Fingesten ein Kriegsschauerbild
»Die Pflüger« und L. Schnell ein stilles
märkisches Landschaftsbild »An der krummen
Lanke« bringt, kommt wieder der weiche Reiz
der Kaltnadel in »Wäscherin bei der Arbeit«
von Elsb. Siemers und besonders das mit
. FEUERSTEIN
.^XCII,L.\ DOMINI
I^Iit Genehjnignitg der l'eylagsajistalt Benziger ^ Co., A.-G., F.tnsiedeln
28
^ GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 191 5 ®^
MARTIN VON FEUERSTEIN'
Text S. 14. — Mit Gem-hmigi.
GEBURT CHRISTI
■ der Verlagsaiistalt Bc-nzi^
' Co., A.-G., Einsiedeln
wenigen Strichen charaliteristisch darstellende Bildnis
»Der amerikanische Radierer Josef Pennell« von P. Herr-
mann (der selbst in zwei tüchtigen Porträts dargestellt
ist: einem gemalten von G. L. Meyn und einem plasti-
schen von M. Schau ß).
Die Lithographie fällt lediglich auf in einer Mono-
typie von A. Roegels »Im Park« und dann in einer
achtgliederigen Serie von J.Teich mann: mit bräun-
licher Tönung sind da jugendliche Mädchenkörper in
Gruppen zusammengestellt, welche Ausdrucksszenen wie
»Die Hingerissenen«, »Die Andächtigen« usw. vorführen
— verdienstlich durch ein Streben nach seelischer Sprache,
doch bald durch Hinförmigkcit und Pathos ermüdend.
Aus der Plastik seien Plaketten vornweggenommen.
Vor allem A. Seilers »Madonna« : Flächen und Linien,
plastische und malerische Haltung vereinigen sich zu
einer lieblichen Darstellung, der eine weite Aufmerksam-
keh gewünscht werden darf Mit scharfer Linienführung
modelliert C. O tt eine >St. Barbara« ; Kriegsszenen kom-
men von F.Schenkel mit antikisierenden und von
E.Müller-Erfurt mit modernen Gestalten.
Die Großplastik ist nur in wenigen Stücken vertreten,
darunter jedoch mit einer Meisterleistung der Ausdrucks-
und Bewegungskunst: F. Dorrenbachs »Der Mönch
Walter Dodde in der Schlacht bei Worringen«. Ein
»Relief zur Erinnerung an 1914 — 1913. Gips-Steintönung«
von B.Wendel mit der Unterschrift »Der Wille siegt«
stellt in rundlicher Linienfülirung mit bündiger Ge-
schlossenheit die Bezwingung eines Ungeheuers dar,
das auf eine Frau mit Kind losgestürzt war. Mehr pathos-
haft ist wieder das fast vollplastische Relief von J. Som-
mer »Der deutsche Michel 1914« mit einer stürmenden
Bewegung.
Bildnisbüsten könnten noch zum Verweilen reizen ; so
R. B o e 1 1 zi gs » Herr Hans Rochus von Rochow-Reckahn «
(ein Nachkomme des vielgenannten Pädagogen).
^ GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1915
29
MARTIN VON FEUERSTEIN
Text S. 14- — Mit Genchn
GEISSELUNG
^iitig der Verlugsatistalt Benziga
A.-G., Einsiedebt
Die Kleinplastik enthält diesmal einige Überschrei-
tungen des Tanzerinnen-und Bären -Niveaus der typi-
schen Ausstellungen. Die poljxhrome Holzstatuette von
A. Hoffmann »Zum Rhein« ist in der Schlichtheit, mit
der sie einen marschierenden und singenden Krieger
darstellt, echter gefühlt als G. Cassels unfarbige Holz-
plastik »Die Fahne«. Gute Holzkunst erscheint auch in
dem Liebespaar, das K. Jerman »Weltenfern« nennt;
und ein gelungenes Charakterstückchen in Holz ist
H. Arnheims »Stiefelputzer«. Die Bronze-Kleinkunst er-
freut am ehesten in einer »Schäferin« von O. Placzek
und besonders einem »Geigenspieler« von W. Schulze-
T h e w i s.
Bald nach Schluß der ersten Abteilung des diesmali-
gen verkleinerten Jahrmarktes der Berliner Kunst wurde
seine zweite Abteilung eröffnet (15. August bis Ende
Oktober). Sie bietet nicht viel Neues gegenüber den
früheren Berliner »Großen« und noch weniger gegen-
über jener ersten Abteilung. So laßt sich wieder man-
ches Gute übergehen, das nur eben Bekanntes fortsetzt.
.-Vuch für eine spezifisch christliche Kunst fällt nament-
lich in der Malerei nur wenig ab. Des altangesehenen
Stuttgarters Chr. Speyer Temperabild sFlucht nach
Ägypten'!, an Archaistisches aus Secessionon erinnernd,
bietet hauptsächlich einen Landschaftsblick in ein Tal
hinab von einer Höhe aus, auf der die heiligen Ge-
stalten im Abendlicht weiterziehen. Schlicht und innig
stellt O. Popp unter dem Titel »Leid« den verlorenen
Sohn als Schweinehirten dar. Ein Spiel von Grün- und
Rotklecksen ist W. Blankes »Prozession«. Ansichten
aus Kirchengebäuden sind ausgestellt von W. Beck-
mann (»Aus der Marienkirche in Lübeck«), von O.
Schmidt-Cassella (»Alte Kirche auf Walcheren«)
und besonders gut von \V. Lucas (»Franziskanerkirche
in Paderborns) sowie von Grete Waldau (»In einer
schlesischen Kitclie« :.
es^ GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 191 5 ©^
MARTIX VÜ\
Um die Monumenlalmalerei einigermaßen zu retten,
ist ein wandgerechtes Temperabild von O. iMarcus
da: »Kosaken zerstören Scliöneberg im Siebenjährigen
Kriege«; in seine etwas scharf kräftigen Züge des phv-
siognomischen Ausdrucks lebt sich der Beschauer all-
mählich hinein. Dem gegenwärtigen Krieg ist das Ge-
mälde von A. Otto »Die beiden Brüder< gewidmet:
vor einer brennenden Mühle betrauert der eine Krieger
still den Gefallenen.
Unter den übrigen Szenenbildern ragt äußerlich das
umfangreiche Triptychon »Der Arbeiten von W. Firle
hervor; man ist aber baß verwundert, von diesem fein-
sinnigen Künstler ein so sehr durch aufdringliche Ab-
sicht störendes Werk zu sehen, und freut sich um so
mehr einiger kleinerer und einfacherer Kompositionen:
so des fast Oberländerschen Temperabildes »Beim Ein-
siedler« von E. Reimer und der fast Waldmüllerschen
»Wandermusikanten« von M. Schaefer.
Was wir neulicli als spezifisch deutsch zu kennzeichnen
versuchten, tritt etwa in Th. Winters »Walther von der
Vogelweide« hervor, allerdings abgesehen von etwas
unbeholfener Zeichnung und Farbe; und es ist erfreu-
lich, daß dem nämlichen Thema in ähnlicher, doch in
mehr heiterer als ernster und mehr gemütlicher als
herber Weise ein Farbenholzschnitt von C.A.Brendel
gilt. Die Wandmalereiweise von S. Lucius findet sich
in dem Gemälde »Die Gefährten« wieder. Eine origi-
nelle Auffassung hat das Temperabild sNausikaa« (mit
dem verwilderten Odysseus) von A. Hoff mann von
Vestenhof zu einer lebhaft bewegten Szene gemacht.
Ein hübsches »Bairisches B.iuernmädchen« von
H.Groehcr leitet uns zu den bildnisähnlichen und den
eigentlich porträtierenden Gemälden hinüber. Derersteren
Art gehört P. Plontkes »Tischgesellschaft« an, die
einen bevorzugten Platz und auch sonstige Gunst gefun-
den hat; der Künstler scheint aber doch noch ein
tiefergehendes Können als das in diesen vier Figuren
Entfaltete zu besitzen.
Neben Bildnissen berühmter Generale von heute —
an denen besonders G. L. Meyn und Fr. Triebsch
ihre Kunst zeigen — entgeht das liebliche Porträt
H. Seegers »Meine Tochter« leicht der Aufmerksamkeit.
Außerdem verdienen Beachtung noch die Männerpor-
träts von R. Fuhrv und Heia Peters sowie die
Frauenporträls von F. Encke und W. Geffcken;
das letztere gilt unter dem Titel »Porträt der Schau-
spielerin Frau R. als »Zarin« eine zugleich physiogno-
mische und (rot-) farbige Studie.
^^ GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1915 ^a
31
MARTIN- VON FEUERSTEIN
VOM KRIEGE
Auf Reichtum und Kraft der Farben richtet sich im
übrigen auch diesmal wenig Interesse, etwa ausgenom-
men die üppige Interieurdarstellung P. Bartels >Die
grüne Decke«, die Landschaften »Scheidende Sonne«
von J. R heder und »Moor« von H. Rüter, sowie
die besonders leuchtend farbigen Aquarelle »Herbst auf
dem Hunsrück« und »Herbstbäume« von E. Rentsch.
Ein Farbenspiel von Weiß, Blau und Grün ist R. Kohtz'
»Krieger im Frühling«.
Zu den übrigen Landschaften sind auch zwei Szenen-
bilder zu zählen: der Weihnachtsbesuch« vonFr. Hoff-
mann-Fallersleben und die »Bergeinsamkeit« —
durcli einen männlichen Akt mit Pferd belebt — von
Fr. M ü 1 1 e r ■ M ü n s t e r. Beide Werke führen uns gleich-
falls wieder in die Kunstweise ein, der man deutsche
Besonderheit nachrühmen kann. Dem norddeutschen
Landschaftcharakter suchen u. a. H. Licht und P.Vor-
gang gerecht zu werden: jener unter dem Titel »Nord-
deutscher See am .\bend«, dieser mit einem »Märki-
schen Waldsee«. Eine fast geometrisch arbeitende stim-
mungsvolle Flächenkunst in dem »Bauernland« von A.
Weczerzick kontrastiert mit dem Schleierhaften, das
durch die Darstellung feuchter Luft über einen Wald-
see gebreitet ist und von dem Künstler, K. Heffner,
als ».Adagio« bezeichnet wird. Der Zartheit dieses Bil-
des treten die fast wuchtigen Nebelmassen gegenüber,
die auf O. Antoines Bild »In der Höhe« einen Luft-
ballon umgeben.
Die Erinnerung an die neuliche Meisterleistung in
Dettmanns Kriegsbildern ist den Aquarellen und Blei-
stiftzeichnungen (samt einem Ölgemälde), die K. Oenike
vom westlichen Kriegsschauplatz aus Vigneulles usw.
bringt, nicht günstig; sie sind sympathische, aber etwas
einförmige und mehr nur reproduktive Darstellungen.
Ein einzelnes kleines Aquarell von E. Lübbert »Der
Mensch in Nöten lernt wieder beten!« fällt gut auf,
stört aber doch wieder durch eine Forciertheit. Zwang-
los und gefühlsreich ist die Ölstudie »Galizischer Bett-
ler« von E. Wolfsfeld.
Die eigentliche Graphik ist diesmal wieder durch
das Ungewöhnliche eines wirklichen Kupferstiches be-
reichert^ durch L. Schnells »Simson und Delila«. Mag
auch der vorliegende Probedruck noch kein ganz sicheres
Urteil gestatten, und mag auch eine große, zu stets er-
neutem Betrachten einladende Feinheit in der Einzel-
durchführung beachtenswert sein : es scheint doch, daß
die gegenwärtige Vorherrschaft der Radierung auch
diesen Kupferstich an die Schwesterkunst so angenähert
32
^ KUNSTLER, BEHERZIGET ES! ^
hat, daß der großlinige Zug, der sonst ebenso wie die Zart-
heit der Striche die Grabstichelliunst auszeichnen kann,
hier noch nicht wieder vollständig gefunden ist.
Unter den ausgestellten Radierungen widmen sich
einige dem Thema des weiblichen Leides: »Frau im
Schmerz« von Ilse Schütze-Schur und »Herzeloyde«
von A.Stein. Nach Flüchenkunst strebt das »Helden-
grab« von H. Gattiker, und nach figürlicher Kraft,
doch mit hodlerartiger Force und wenig anziehendem
Endeindruck, die >Beweinung'. von F. Fingesten.
Zu dem oben erwähnten Farbholzschnitt kommt noch
ein anderer hübscher hinzu: M.Philip ps >Drei Gaukler«.
Eine Steinzeichnung > Pappeln mit Mülile « stellt W. Schön
aus, und Lotte Nicklass bringt mit dem Thema »Tanz-
szene« eine geschnittene Silhouette (jetzt taucht für diese
Technik der Name »Scherenschnitt« auf).
In der Plastik steht wieder ein Werk christlicher
Kunst voran: der scharf charakterisierende und aus-
drucksreiche »Johannes der Täufer« von A. Varnesi.
Manches ist dem Kriegssturm und Kriegstod gewidmet:
dem ersteren die große Bronzestatue eines stürmenden
Trommlers,alsKriegerdenkmal für Zeitz vonW. S c h m a r j e
geschaffen. Die Vollplastik eines Reiters »DeutscheWehn
von A. Hußmann, kräftig wirkend durch gestraffte
Haltung, das weniger kraftige hocliplastische Relief
»Grabmal für einen Reiter« von R. Kübart und das
Rundrelief »Grabdenkmal« vonM. Schauss sind tüch-
tige Ausdruckswerke ohne künstliclies Pathos.
Bildnisbüsten erfreuen zum Teil abermals: eine in
bronziertem Gips mit dem Namen »Großmutter« von
V. Bour b o tt, zwei farblose von R. Boel tzig (Frauen-
porträt) und von W. Palm (männhches Porträt); dazu eine
Statuette (weibliches Porträt) in Holz von G. Schmidt-
Cassel. Ein so recht und echt holzkünstlerisches Werk
hat Meister A. Puch egger vorgefülirt: einen »Uliu ,
dessen markant breite Flächen mit ihrer Maserung das Tier
ganz köstlich schildern. UndE. Gomanskvs Vogelbildnis
»DerHerrGeheimrat« ist gleichfalls ein treffliches Humor-
stück.
KÜNSTLER, BEHERZIGET ES!
Anläßlich der Besprechung einer Ausstellung
schreibt Paul Westheim in der Frankfurter
Zeitung (r6. April 191 5): »Will jemand be-
deutende vaterländische Persönlichkeiten oder
vaterländische Vorgänge darstellen, soll er
mehr können als die andern. Wenn jemand
Hindenburg malen will, wollen wir nicht gleich
in eine selige Verzückung fallen, weil er gar
.so patriotisch ist. Wir wollen ihn vielmehr
fragen: Hindenburg? Du willst den Hinden-
burg malen.' Holla, mein Junge, du bist nicht
ängstlich! Was berechtigt dich zu einem so
kühnen Unternehmen.' Wo sind die Leistun-
gen, auf die du dich stützen kannst.^
Wir geben diesen gesunden Grundsatz wieder
einerseits, weil er in einem Blatte stand, das
andere Wege geht, als wir, anderseits, weil
derselbe in noch viel höherem Maße für die
religiöse Kunst gilt, als für die vaterländische.
Will jemand Persönlichkeiten der heiligen
Religion oder religiöse Vorgänge darstellen,
soll er mehr können als die andern. Wenn
jemand Christum malen will, oder die Gottes-
mutter, wollen wir die Arbeit nicht schon
um des Gegenstandes der Darstellung willen
gutheißen. Wir wollen ihn vielmehr fragen:
Christus? Die heiligste Jungfrau? Da hast du
dir die denkbar höchste Aufgabe gestellt. Was
berechtigt dich zu einem so kühnen Unter-
nehmen ? Würdest du Hindenburg malen, ohne
den \'ersuch, dich in sein Wesen, seinen ge-
waltigen Geist, seinen großen Charakter
hineinzuleben? Und Christum, den Gottmen-
schen, den Großen und Allerheiligen willst
du malen, ohne Christum zu kennen, ohne dich
in sein himmlisches Leben zu vertiefen, ohne
dich in die Heilige Schrift und Glaubenslehre
einzufühlen. Ihn willst du malen wie ein
stupides altes Berufsmodell ? Du willst ihn
malen, weil du einmal mit so etwas einiges
Geld erwerben willst, aber ohne inneren Be-
ruf. Du willst die Madonna malen und hast
noch nie über den Englischen Gruß nachge-
dacht, geschweige denn über die Laurenta-
nische Litanei? Darum schrickst auch nicht da-
vor zurück, an ihrer statt ein würdeloses Weib
zu malen, dem du ganz zu unrecht den erhabe-
nen Namen beilegst, welchen der Engel bei
der Begrüßung mit heiliger Scheu aussprach.
Du willst die Apostel malen, die voll des
heiligen Geistes waren, die großen Heiligen,
Helden der Gottes- und Nächstenliebe, und
kümmerst dich nicht um ihre Taten noch
darum, wie deren Wesen aus deinen Bildern
spricht; du bringst es nicht über konventio-
nelle Malstudien, weil dir Liebe und das heilige
Feuer fehlt. Das ist nicht christliche Kunst,
selbst wenn du das Handwerkliche der Male-
rei noch so geschickt beherrschen würdest.
Im christlichen Kunstwerk verhalten sich Tech-
nik und Gestalt wie Leib und Seele: im ge-
sunden Leib muß eine Seele und zwar eine
gesunde Seele wohnen. Wem die Kraft oder
der Wille zum Höchsten abgeht, der möge
sich mit anderen Kunstzweigen begnügen.
Vollen Anspruch auf das Vertrauen des
gläubigen Volkes und seiner Sachwalter kann
nur ein Künstler erwarten, dem es inwendig
um das zu tun ist, was er darstellt. Es läßt
sich nicht in Abrede stellen, daß die seit mehr
als einem halben Jahrhundert vielfach zur
Schau getragene Abwendung der Kunst von
den christlichen Lebensgrundsätzen und die
häufige Mißachtung des Klerus durch eine
gewisse Kunst in letzterem eine wohlbegreif-
liche Zurückhaltung vor jenen Künstlern, deren
Gesinnung man nicht kannte, erzeugen mußte
und daß auch diese Erscheinung mit Ursache
war, wenn die Geistlichen lieber zu als religiös
bekannten Unternehmern gingen. Möge die
wieder aufgenommene Fühlung zwischen
Klerus und Künstlerschaft nicht unlieb gestört
werden ! s. st.uidh..mcr
Frid. L B. de A
Jesus dixit Nicodemo: Sicut Moyses exaltavit serpentem in deserto,
ita exaltari oportet filium hominis
JOSEPH FASSXACHT (MÜXCHEX)
Kunstausstellung 191S 'i^*' Seces^
lAMilJEXPOKTRAT KUNSTMALER IKEIWIK'IH l.UTZOW
München, — Text S. 22
DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM, NORWEGEN
Von Josef Lappe, Porsgrund (Norwegen)
(Hierzu die Abb. S. 33 — 41)
Templet saa I med de brustne buer
I det höie Kor.
Endnu grä som gubben vidt det slcucr,
Taler mindets ord.
Templets sprängte mur kan prägt ei däklie,
Knust er Olavs skrin.
Ruinen seht ihr, seht gebrochene Bogen
In dem hohen Chor,
Wie ein grauer Greis, und alte Psalmen
Ragend hoch empor, [raunend,
Hoch ob Land und Meer! — Verrauscht! —
[Verweht ! —
Zerbrochen Olavs güldner Schrein I
H. Ibsen.
Unter allen Bauwerken der weiten skandi-
navischen Lande gebührt als dem historisch
bedeutsamsten und architektonisch hervor-
ragendsten dem Dome zu Drontheim die Palme.
Norwegen, das im vorigen Jahre das hundert-
jährige Jubiläum seiner politischen Wieder-
geburt feierte, betrachtet seit fast einem Jahr-
tausend ihn als sein köstlichstes Juwel, als sein
hehres nationales Heiligtum'). »Des Landes
Augapfel« hat man ihn bezeichnend genannt;
denn wie man aus des Menschen Auge des
Menschen Seele liest, so gibt die Kathedrale
an den Ufern des Fjordes von Drontheim uns
') cfr. Norges Kirker i Middelalderen av riksantikvar
Dr. Harry Fett, Cammermeyer, Kristiania. Vore Fädres
Verk, Norges Kunst i middelalderen av Prof. Dr. Die-
trichson, Gyldendal, Kristiania.
ein getreues Bild von des nordischen Volkes
Seele, seiner politischen und kulturellen »Saga«,
seiner Größe, seinem tiefen Fall und seiner
Wiedergeburt zu neuer Freiheit und neuen
Ehren. In der Jugendzeit des Königreichs Nor-
wegen erbaut, verblieb des Domes Geschick
mit dem des Landes aufs innigste verquickt.
Dieser Umstand ist es, der mehr noch als des
Bauwerks imponierende Dimensionen, mehr
als die üppige Schönheit seiner unvergleich-
lichen Klöppelarbeiten in Stein, mehr als die
eindrucksvoll-wuchtigen und doch edlen Linien
der romanischen Partien des Querschiftes, von
des großen Eysteins Hand gezogen, mehr als
die in ihrem Ruin noch entzückenden Reste
der reichen Rosette der Westfassade — dieser
somit wesentlich historische Umstand ist es,
der, wenn auch nicht allein, so doch in erster
Linie die Liebe und Verehrung für die nörd-
lichste Kathedrale der Welt in dem Herzen
eines jeden Norwegers einen ehrenvollen Platz
behaupten läßt. Der Dom von Drontheim ist
eben die Geschichte Norwegens in Stein.
Am 29. Juli 1030 fiel der Held, der wie kein
anderer sich um die Christianisierung Nor-
wegens verdient gemacht hat, der hl. Olav,
in der Schlacht bei Stiklestad, unweit Dront-
heim. Mit dem Schwerte in der Hand hatte
er seinen heidnischen Landsleuten die Religion
Die christliche Kunst. XII.
34
DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM
des Kreuzes aufzwingen wollen. Doch die
meisten von ihnen trotzten beharrlich seinen
Bemühungen. Dann kam jener blutige Tag von
Stiklestad. St. Olavs Tod söhnte selbst seine
erbittertsten Feinde mit ihm und dem Christen-
tume aus. Auf seine Fürbitte hin erfolgte
Wunderzeichen umgaben seine Person mit der
Gloriole des Heiligen und Olav Kyrre (1066
endgültige Stätte gefunden. An der Vigil des
Festes des hl. Olav — das Jahr ist nicht be-
kannt, jedenfalls jedoch vor 1093 — wurde
die Kirche eingeweiht. Sie war, wie alle
Bischofskirchen, der hl. Dreifaltigkeit geweiht.
Doch nannte man sie, wie alle norwegischen
Bischofskirchen, gemeiniglich Christuskirche,
manchmal auch St. Olavskirche. Die -Kirche
DER llOM IN DRONTHEIM \ CR so |AHREN
l'gl. AU. S.SS mid 36 oben. — Text S.jsff
bis 1093) begann alsbald den Bau jener Kirche,
die zugleich ein würdiges Mausoleum für den
königlichen Blutzeugen werden sollte, den
Christusdom im alten Nidaros (Drontheim).
Eine der Hauptsorgen Olav Kyrres war die
Einführung geordneter hierarchischer Verliält-
nisse, wie auch die damit zusammenhängende
Erbauung von Bischofskirchen. Zum Patron
der im Jahre 1077 in Angriff genommenen
Drontheimer Bischofskirche und zugleich zum
Schutzpatron für das ganze Land erwählte
Olav Kyrre den hl. Olav. Die Christuskirche
in Nidaros war einschiffig mit traditioneller
etwas niedrigerer und schmälerer Chorapsis
am östlichen Ende des Kirchenschiffes. Ihre
vor einigen Jahrzehnten aufgedeckten Grund-
mauern laufen unter den Pfeilern her, die das
Mittelschiff des jetzigen Langchores tragen.
Sie war somit von verhältnismäßig ansehn-
licher Größe. Der Hochaltar stand genau an
der Stelle, wo im ersten Winter nach .St. Olavs
Tod des Heiligen Leiche aufbewahrt worden
war. Dort hatte nunmehr der Schrein mit
den Gebeinen des könighchen Märtyrers eine
hatte kaum 80 Jahre gestanden, als die außer-
ordentlich glücklich sich entwickelnden kirch--
liehen Verhältnisse und die Errichtung des
Drontheimer Erzbistums einen Um- oder Neu-
bau forderten. Die erste Hälfte des 12. Jahr-
hunderts sah auch im übrigen Norwegen neue
Kirchen, und zwar dreischiftige Basiliken, er-
stehen; so z. B. die St. Halvardskirche, die
Marienkirche und die Christuskirche in Bergen,
die St. Svithunskirche in Stavanger und die
Domkirche in Hamar. Als im Jahre 11 52 die
Errichtung einer norwegisclien Kirchenprovinz
beschlossen wurde, war es allen klar, daß die
Stadt des hl. Olav der Sitz des Metropoliten
und die Kirche des hl. Olav Metropolitankirche
werden müsse. Eine Kirche, in deren Chor
ein aus 24 Kanonikern bestehendes Domkapitel
Platz fand und die eine entsprechende Anzahl
von Altären aufwies, war jedoch Olav Kyrres
Christuskirche nicht. Sie mußte somit ent-
sprechend umgebaut werden.
Die Thronbesteigung des Königs Magnus
Erlingssön (1164) inaugurierte eine politische
Friedensepoche, die der Entwicklung der kirch-
e^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM e^
35
liehen Verhältnisse im Lande, beson-
ders auch den Arbeiten an der Dront-
heimer Kathedralkirche sehr zustatten
kam. Der erste norwegische Erz-
bischof Reidar starb allerdings bereits
auf dem Heimwege von Rom, wo er
sich das Pallium geholt. Ob sein
Nachfolger Jon, früher Bischof von
Stavanger, die Bauarbeiten überhaupt
in Angriff" nahm, steht dahin. Sicher
jedoch ist. daß der eigentliche Um-
resp. Neubau der Kathedrale von
Drontheim das große und unsterb-
liche Verdienst des in jeder Hinsicht
außerordentlich her%-orragenden Erz-
bischofs Eystein Erlandsön ist (1157
bis 1188). In jenen Zeiten des Schis-
mas schloß Eystein sich dem recht-
mäßigen Papste Alexander III. an, und
erhielt aus seinen Händen das Pal-
lium. Die Ungunst der Zeiten brachte
es mit sich, daß Eystein erst im Jahre
1161, also nach dreijähriger Abwesen-
heit, im Besitze des Palliums in sein
Erzbistum im hohen Norden zurück-
kehren konnte. Man geht kaum fehl
in der Annahme, daß er auf seiner
Reise nach und von Rom, die ihn
durch Deutschland und Italien führte,
mit größtem Interesse die Kirchen-
bauten studiert hat, die jene Zeit ent- nc
stehen sah; so z. B. den eben (1145)
vollendeten Dom in Lund (Schwe-
den), die Kirchen von Viborg (11 3 3) und Ribe
(11 34) in Dänemark, Groß St. Martin in Köln
(1141), die Abteikirche Maria Laach (11 56),
den Dom von Speyer (1137) und die Dom-
kirchen in Mainz und Worms; in Norditalien
St. Zeno in Verona (1238), den Dom zu
Pisa (1150) und San Michele in Pavia (1147).
Professor Dr. Dietrichsons Annahme, daß er
auch Frankreich bereist und dort mit der er-
wachenden Gotik bekannt geworden sei, er-
scheint mir sehr schlecht begründet. Sollte
Eystein, von Avignon kommend, wirklich die
frühgotischen Kirchen und Kathedralen in
Clermont-Ferrand, Sens und St. Denis gesehen
haben, so bleibt es unverständlich, daß es erst
der etwa 20 Jahre später stattfindenden In-
augenscheinnahme der Kathedrale von Canter-
bury, deren Gotik doch aus Sens in Frankreich
nach dort importiert worden war, bedurfte,
um Eystein zu dem enragierten Förderer der
Gotik zu machen, als der er sich später er-
wiesen hat. Vielleicht hat weder Alexander III.
noch auch Eystein Avignon je gesehen.
Dietrichson scheint übrigens allen Ernstes das
Schisma zur Zeit Friedrich Barbarossas mit dem
zu DRONTHEIM. OKTOGOX, LANGCHOR, VIERUNG UND
QUERSCHIi-F. SEIT iwo VOLLENDET
großen abendländischen Schisma zu identifi-
zieren und auf diese Annahme seine Hypothese
zu bauen. —
In den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts
setzte die eigentliche Bautätigkeit an derDront-
heimer Kathedrale ein. Olav Kyrres Kirche
sollte, mit zwei schmalen Seitenschiffen ver-
sehen, erhalten bleiben und das Chor der
erweiterten Kathedralkirche abgeben, der west-
liche (Fassaden-) Giebel sollte fallen und an
seine Stelle ein romanisches Querschiff sich
erheben, an dessen Westseite sich ein drei-
schiffiges Langhaus, ebenfalls im romanischen
Stile, anschlielkn sollte. Das erwähnte Quer-
schiff erhielt eine (innere) Länge von 148' und
eine Breite von 44' und an beiden Querarmen
je eine nach Osten hin gelegene, unter präch-
tigem anglonormannischem Rundbogen zum
Querschiffinnern hin sich öffnende viereckige
Kapelle. Die vier mächtigen Hauptpfeiler der
Vierung weisen dieselbe Entfernung vonein-
ander auf wie die Grundmauern der Längs-
wände der Olav Kyrreschen Kirche. Jedes der
vier Querschiffenden ward von einem schlanken
Türmchen überbaut. Das eigentliche Längs-
s*
36
DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^^
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1
DOM ZU DROXTHKIM. \OKDSi;ri H
DOM ZU DRONTHEIM. SC'DSEITE
schiff der nach Westen hin zu erweiternden
Kirche sollte dreischiftig und etwa loo Fuß
lang werden. Wie das Querschiff, so sollte
auch das zu erweiternde Längsschiff drei Etagen
aufweisen: Arkaden, Triforium und Kleresto-
rium und, wie das Querschiff, einen Umgang
in der Triforienhöhe. Eystein leitete selbst die
Bauarbeit und im Laufe von 1 8 Jahren reifte
seine herrliche Idee verhältnismäßig rasch ihrer
Verwirklichung und das Werk seiner Vollen-
dung entgegen. Um seinem Sohn Magnus
Erlingsön den norwegischen Königsthron zu
sichern, bedurfte Erling Skakke der Hilfe der
geistlichen Gewalt, die er sich wahrscheinlich
durch reiche Beiträge für den Bau der Dront-
heimer Kathedrale zu sichern gesucht haben
wird. Im Jahre 1178 stockten plötzlich die
Arbeiten. Sverre Sigurdsön hatte, jung und
ohne alleGefolgschaft, im Jahre 1 1 74 den Boden
Norwegens betreten. Mit zwei leeren, aber
T..\LlSri:iX IM DOM zu nUONIIIEIM
KS DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM
37
DOM 7V DROXTHEIM. AUS DHM SEIIENSCHIFl K DES
LANGCHORKS
Starken Händen wollte er sich das Reich, in
dem einst seine Väter geherrscht, zurückerobern,
allen Gewalten zum Trotz. 1177 begann er
seinen Kampf, 1 184 war er anerkannter Allein-
herrscher im weiten Lande. Eystein hatte vor
ihm flüchten müssen und zwar, wie eine in
den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in
einer englischen Bibliothek aufgefundene Hand-
schrift dartut, nach England, wo er im Bene-
DOM ZC DRONTHEIM. AUS DEM HOCHCHOR
Tfxt S. 3S. Vgl. Alb. S. jS
diktinerkloster Bury St. Edmunds, in dessen
Kirche des englischen Königs und Märtyrers
Edmunds hl. Leib ruhte, gastliche Aufnahme
fand. Nicht weit von St. Edmunds lag Canter-
bury, wo 1 5 Jahre zuvor Erzbischof Thomas
Becker von der Hand allzu königlich gesinnter
Adeliger in seiner Kirche meuchlings ermordet
worden war. Vier Jahre darnach brannte die
Kirche ab, und nunmehr sah Eystein das erste
DOM ZU I)KO\ IHi;i.\l. IIUI i>l;l
- / >/. .■(/■/.. ,i/r
^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^
DOM ZU nROXTHEIM. I .\\i,' I
(HOCHCHOR
gotische Gotteshaus auf enghschem Boden
über dem Grabe seines ehemaligen Amtsbruders
erstehen und sich vollenden. Die Bauarbeiten
leitete Guillaume de Sens, der Erbauer der
Kathedrale von Sens. Hier, unter den hohen
Bogen des Münsters von Canterbury, zwischen
himmelanstrebenden Pillaren hat sich Eystein
für die Gotik begeistert; und als ihm die Um-
stände die Rückkehr nach Drontheim ermög-
lichten , da hielt mit ihm die Gotik ihren
Einzug in Norwegen. Dies geschah im Jahre
1183, kaum dreißig Jahre nach Vollendung
der ersten gotischen Kirche in Frankreich,
und nur neun Jahre nach ihrer Überführung
aus Frankreich nach England.
Mit neuem Mute und neuen Ideen bereichert
setzte Eystein die Verwirklichung seiner Lieb-
lingsidee fort. Doch schon am 26. Januar 1 188
ereilte ihn der Tod. In der Sakristei des Domes
wurde er beigesetzt. Seit dem Jahre seiner
Kanonisierung (i 229) befanden sich seine sterb-
hchen Überreste in einem Schreine über einem
der Altäre der Domkirche. Im Jahre 1537
wanderte der Schrein in die Kgl. Münze nach
Kopenhagen.
Die erste Arbeit, die Eystein nach seiner
Rückkehr aus England in Angriff" hatte nehmen
lassen, war die Erbauung des unvergleich-
lichen Oktogons über dem Schreine des
hl.01av(Abb.S. 37). Es dürfte wenige go-
tische Kirchen geben, deren Chorabschluß
so rein und reich ist, wie der des Domes
zu Drontheim. Das Oktogon ist seine
schönste architektonische Zier und zu-
gleich die herrlichste architektonische
Arbeit in allen nördlichen Ländern. In-
wieweit jedoch seine jetzige Fassung den
Ideen Eysteins entspricht, dürfte kaum
mehr festzustellen sein. — Wahrschein-
lich hat Eystein noch die Vollendung
des Querschiffes geschaut (Abb. S. 39).
Obgleich die Bauarbeiten im ersten
Jahrzehnt nach Eysteins Tod nur lang-
sam vonstatten gingen, so steht doch
fest, daß vor 1230 die Erweiterung der
Olav Kyrreschen Kirche in ein drei-
schiffiges Langchor beendigt war. Gleich-
zeitig war man mit dem Ausbau des
längst begonnenen und für die anglo-
normannischen Kirchen charakteristi-
schen Hauptturmes über der Vierung
beschäftigt.. Das Innere desselben zierte
ein prächtiges gotisches Triforium und
darüber in einer Höhe von 100' das
Klerestorium, an das sich der Turm-
helm anschloß.
Was jedem Beschauer des Domes auf-
fallen mußte, war die verschwenderische
Fülle feinster Details, eine Menge prächtiger
Charakterköpfe und stilisierter Blumen an allen
Ecken und Enden. Das Material, das bei der
Erbauung des Domes zur Verwendung kam,
war bläulich-grauer Kleberstein, der sich außer-
ordentlich leicht bearbeiten ließ und überdies
sehr haltbar war.
Des Domes östliche Hälfte — Hochchor,
Langchor und Querschiif — standen in den
ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts voll-
endet da. Doch von dem im romanischen
Stile begonnenen westlichenTeile, dem eigent-
lichen Schiffe, standen wenig mehr als die
Grundmauern. Man entschloß sich zur Weiter-
führung des alten Torso im Sinne der Gotik.
Im Jahre 1248, also in demselben Jahre, in
dem im heiligen Köln der Grundstein zum
herrlichsten deutschen Dome gelegt wurde,
legte man dort, wo die Wogen des Atlanti-
schen Ozeans in die des Nördlichen Eismeeres
übergehen, im heiligen Nidaros, den Grund-
stein zum Schiffe der norwegischen Metro-
politankirche (Abb. S. 37).
Das Langhaus, dessen Erbauung und Voll-
lendung in die Zeit des Erzbischofs Sigurd
fällt, stand an Pracht und Reichtum den übrigen
Teilen des Gotteshauses nicht nach. Zu An-
^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^^^
39
fang des 14. Jahrhunderts fand die feier-
liche Einweihung der fertigen Katiie-
drale statt. — Wie jetzt allsoninierlich
ein internationales Touristenpublikum
die Täler von Norwegen durchzieht, so
durchzogen in alter Zeit allsomnierlich
Pilger aus aller Herren Länder die nur-
wegischen Lande und die Waldtäler hall-
ten wider von frommen Walllahrtsge-
sängen. Und mit größter Feierlichkeit
und Pracht wurde alljährlich des hl. Olavs
Fest Ende Juli im alten Nidaros gefeiert.
Im Triumphzuge trug man den goldenen
Schrein mit den Gebeinen des Heiligen
zum Klange der Glocken und zu den
Tönen der (unlängst aufgefundenen)
herrlichen Olavssequenz durch die Stra-
ßen der Stadt:
Lux illuxit laetabunda
Lux illustris, lux jocunda,
Lux digna preconio.
In solempne gaudium
Prorumpat fidelium
Cincera devotio. —
Gloriosus hodie Christi martir glorie
Subliniatus solio.
Pro eternis brevia commutavit gaudia
Felici comniercio. —
Insignis martiris insignis gloria
Dulcis est gaudii dulcis materia.
Insiste canticis mater ecclesia
Celesti jubilo tange celestia.
Und füllen wir die Kirche mit Bildern und
Altären, mit betenden Scharen, mit wallenden
Prozessionsfahnen, mit Chorgesang und Orgel-
klang und weißen Weihrauchwolken unter
hohen Gewölbebogen, und dem Glänze von
tausend Lichtern, so haben wir ein Bild, das
durch ein festhches Interieur von Notre Dame
in Paris oder der Westminsterabteikirche in
London kaum überboten würde.
Die Gesamtlänge der Kirche belief sich auf
103 m. Der hohe Helm überragte um ein be-
deutendes die übrigen Teile der Kirche. Wenig-
stens 25 Altäre wies das Innere auf, nebst
kostbaren Malereien und reichen Plastiken.
Von den Gemälden und den prächtigen bunten
Kirchenfenstern ist leider jede Spur verschwun-
den.
Wie die Westfassade ausgesehen hat, ist
außerordentlich schwer zu sagen. Sie ist nur
bis zur Triforienhöhe erhalten. Ein Kupfer-
stich aus dem Jahre 1661 zeigt über dem Haupt-
portale das Bild des Gekreuzigten zwischen
Mariaundjohannes. In den zahlreichenNischen
standen die Bilder der Apostel und anderer
Heiliger, wovon nur noch zwei erhalten sind.
In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts (der
Zeit der Hansa) wurde der bis dahin für die
DUM ZU DROXTHEIM. AIS DEM QUERSCHIFF
Arbeiten am Dome maßgebende englische Ein-
fluß durch deutschen abgelöst, der jedoch bereits
nach einigen Dezennien französischen Ein-
flüssen weichen mußte. Daß französische Gotik
der Westtassade in dominierender Weise ihr
Gepräge gegeben haben dürfte, hat Dietrichson,
wie mir scheint, überzeugend dargetan.
Bis zum Jahre 1537 befand sich der gol-
dene Schrein mit den Gebeinen des hl. Olav
über dem Hochaltare des Drontheimer Domes.
Im genannten Jahre wurde er von den däni-
schen Machthabern, die im Lande die Lehre
Luthers eingeführt, nach Kopenhagen ge-
bracht und dort geplündert und ein geschmolzen.
1570 führten Schweden die sterblichen Über-
reste des Heiligen nach Drontheim zurück,
wo er im Dome wieder beigesetzt wurde.
Als man jedoch begann, ihn wieder zu ver-
ehren wie in alter Zeit, veranlaßten die luthe-
rischen Behörden die endgültige Entfernung
der Reliquien des Heiligen, und niemand weiß,
wo sie sich nunmehr linden. —
Mit dem im 15. Jahrhundert einsetzenden
und im 16. Jahrhundert sich vollendenden
Verfall des norwegischen Reiches ging der
Verfall der Kathedrale Hand in Hand. Die
Restaurierungsarbeiten, die der Brand des
40
DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ©^
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% i 1
KAHITEI-LE AUS DEM HOCHCHOK DES DOMES ZU DRONTHEIM
Gotteshauses im Jahre 1328 nötig gemacht
hatte, wurden jäh durch den Schwarzen Tod
abgebrochen. 1432 brannte die Kirche zum
zweiten Male und 1531 zum dritten Male.
Das früher katholische und politisch unab-
hängige Norwegen hatte inzwischen seinen
alten Glauben und seine Autonomie eingebüßt
und der herrliche Dom in Drontheini sank in
Schutt und Asche. — Endlich brach im Jahre
1 814 jener lichte Maitag an, der dem Lande
eine neue und freie
\'erfassung brachte
und Norwegen wie ein
Phönix aus der Asche
zu neuem Leben er-
stehen sah. Zu den
ersten, die für den
Wiederaufbau des
Domes von Dront-
heim ihr gewichtiges
Wort in die Wagschale
legten, gehören der
damals in Dresden an-
sässige hervorragende
Maler Professor Dahl
und der Dichter Hen-
rik Wergeland, der in
vielbeachteten Versen
als eines der Ziele, das
sich des neuen Nor-
wegens neues Stor-
thing (Parlament) ge-
setzt, die Wiederer-
bauung der Haakons-
halle in Bergen und
der St. Olavskirche in
Drontheim bezeich-
nete:
>HaakonsHalog01avsKirke
Reise vilde de av sinis.«
SKILPTUR AX DER WESTLICHEK LANGS-(HAUPTSCHIFF-)
WAND DES DO.MES ZU DROKTHEIM
Björnstjerne Björnson plädierte sogar für die
Rückgabe des Gotteshauses, das Katholiken
seine Entstehung verdanke, an die Katholiken
des Landes.
Seit 1872 liegen die Restaurierungsarbeiten
in bewährten Händen und schon stehen Hoch-
chor (Oktogon), Langchor, Querschiff, Vie-
rungsturm und Sakristei wieder da in alter
Pracht. Christie und Nordhagen sind die
Namen jener norwegischen Architekten, die
sich um den Wieder-
aufbau, für den auch
der Deutsche Kaiser
durch einen jährlichen
Beitrag von 1000 Mark
sein Interesse bekun-
det, in besonderer
Weise verdient ge-
macht haben.
Auf der am 15. Mai
vorigen Jahres in der
norwegischen Haupt-
und Residenzstadt Kri-
stiania eröffneten Ju-
biläumsausstellung
1814 — 19 14) fand
sich in einer beson-
deren Abteilung der
Kunsthalle eine Reihe
von interessanten und
auf die Drontheimer
Kathedrale bezüg-
lichen Zeichnungen,
Piiotographien und
Dokumente, u. a. auch
ein großes Modell, das
den St. Olavsdom pla-
stisch darstellt, wie er
sich nach einigen Jah-
ren vollendet präsen-
DER CllRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^:s
41
DOM ZU DKON'THEIM. KIXCANG ZUM HDCIH.IIOR
DOM /U ÜKn\llli:iM. KAI'Ul II
tieren wird zum Stolze der norwegisclien
Nation und zur Freude eines von Jahr
zu Jahr sich mehrenden internationalen
Publikums, das auf seinen Reisen in das
»Traumland des Nordens«, in das »Mitter-
nachtssonnenland« die alte norwegische Me-
tropole und ihren und des Landes schön-
stes Juwel, den Christus- oder Olavsdom zu
schauen und zu bewundern Gelegenheit ha-
ben wird.
KAPIIKI.l, AI s Kl \1 IU)i IICIIOK
DES DOMIib zu DRONTHEIM
nie christliche Kunst. XII.
42
WETTBEWERB PUR EINE MONSTRANZ ^
ALTAR DER KIRCHE DER VEREINIGTEN HOSPITIEN IN TRIEK,
WELCHEN DIE ENTWCRFE S. 45-56 GEDACHT WAREN
WETTBEWERB FÜR EINE
MONSTRANZ
(Hierzu die Abb. S. 42 — 56)
Kurze Zeit nach der an dieser Stelle bereits
besprochenen Ausstellung der Wettbe-
werbentwürfe für Kriegervereinstahnen zeigte
die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst
die Ergebnisse eines von ihr ausgeschriebenen
Wettbewerbes, bei dem es galt, Entwürfe für
eine Monstranz zu erlangen. Sie wird von
der Hospitienverwaltung Trier für den Taber-
nakel des Hochaltares ihrer Kirche gewünscht.
Dieser ist ein in reichem und elegantem Ba-
rockstil ausgeführtes Werk. Der Tabernakel
ist verhältnismäßig einfach gehalten, die 1,05 m
hohe und 0,51 m breite Nische des Exposi-
tionsthrones ist mit reicher Verzierung ein-
gewölbt, ihre glatte Wandung durch schmale
Stäbe in vertikaler und horizontaler Richtung
in schlichte Rechtecksfelder zerlegt, so daß
der Hintergrund die Formen des Sanktissimums
nicht stört. Die rechts und links angrenzenden
Partien des Altaraufsatzes sind dafür
um so schmuckvoller ausgeführt. Es
wurde gewünscht, daß die neue Mon-
stranz, für deren Ausführung 1900
Mark zur Verfügung stehen, zu dem
' Altare und zu der Kirche passen solle
(Abb. nebenan), doch war keine stilisti-
sche Abhängigkeit vorgeschrieben,
vielmehr auch dem modernen Formen-
empfinden Freiheit gelassen. So ist
man unzweifelhaft auf dem rechten
Wege, demselben, auf dem auch die
Kunst der Vorzeit emporgestiegen ist
und sich weiter hat entwickeln kön-
nen. Nicht die Äußerlichkeit der
Form macht das Kunstwerk, sondern
die Echtheit der Empfindung und der
künstlerische Geist, welcher sich selbst
die passende und richtige Ausdrucks-
form schafft. Diese aber harmoniert,
eben weil sie Kunst ist, auch mit
anderer Kunst und anderem äußerem
Stil. —
Zur Verteilung von Preisen wur-
den im ganzen 760 Mark verwandt.
Zur Teilnahme an dem Wettbewerbe
gelangten 53 Entwürfe. Von ihnen
wurden sieben mit Geldpreisen, fünf
mit Anerkennungen bedacht. So war
auch diesmal wieder ein befriedigen-
des Ergebnis festzustellen, bei dem
noch wesentlich in Betracht kam,
FLiR daß sich auch unter den nicht preis-
gekrönten Entwürfen eine Anzahl
recht tüchtiger Leistungen befand;
Arbeiten, die ihrer äußeren Form oder ihrem
geistigen Gehalte nach als gänzlich verfehlt zu
bezeichnen wären, kamen überhaupt nicht
vor. Bemerkenswert war nicht allein die Be-
reitwilligkeit, mit welcher die der Deutschen
Gesellschaft angehörigen Künstler auf die ge-
botene Anregung eingegangen waren, sondern
besonders auch die starke Selbständigkeit, mit
der sie sich der Lösung der Aufgabe angenom-
men hatten. Der Geist des Barock, die in dessen
Denkmälern glühende religiöse Empfindung
ist es, welche diese jetzigen Werke durch-
dringt. Von den Motiven der alten künst-
lerischen Ausgestaltung war so viel verwandt,
als zum Ausdrucke jener Gefühle, die sich im
Empfinden des modernen Menschen difieren-
zieren, notwendig ist. Im übrigen herrschte
volle Unabhängigkeit, das Zeichen innerlicher
Kraft; Werke rein imitatorischer Gestalt waren
nur vereinzelt eingereicht worden. So war also
auch dieser Wettbewerb ein Beweis dafür,
daß die neueste christliche Kunst in einer
lebendigen Entwicklung begriffen ist, die bei
WETTBEWERB FÜR EINE MONSTRANZ ^S3
43
richtiger Anregung Leitung und För-
derung weiter Gutes verheißt. Wenn
sich die darauf gegründeten Hoft'nun-
gen nicht erfüllen würden, so läge
dies, wie deutlich zu sehen, nicht
daran, daß es unseren Künstlern an
Talent und Geistesfrische fehlte, son-
dern daß ihrem Streben seitens der
Besteller und Auftraggeber nicht das
nötige Verständnis entgegengebracht
würde. Gerade von ihnen muß erhofft
werden, daß sie allmählich ihre Zu-
rückhaltung gegenüber den Schöp-
fungen der wirklichen, d. h. der
lebendigen , nichtnachahmerischen
Kunst ablegen, Vertrauen zu ihr fassen
und so in ein Freundschaftsverhältnis
zu ihr treten, welches nach allen
Richtungen nur förderlich sein kann.
Rechte Pflege der kirchlichen Kunst
gehört auch mit zur Seelsorge, und
zwar zu ihren sehr wichtigen und
kräftigen Mitteln.
Wir überblicken kurz die mit Prei-
sen und Anerkennungen ausgezeich-
neten Entwürfe. An erster Stelle
(200 Mark) steht der Bildhauer F. Ho-
ser in München mit dem Projekt
»Entzünde mein Herz«. Seine ovale,
oben zugespitzte Monstranz ist für
die Ausführung in Gold mit Silber
und Email gedacht. Neben der von
silbernem Gewölk umgebenen Glas-
kapsel knien zwei Engel, darüber sieht
man Gottvater mit der Weltkugel und
die Taube; diese Mittelgruppe ist von
blauen Trauben und silbernem Wein-
laub umgeben, das ganze Gebilde er-
scheint von Strahlen umleuchtet und
eingefaßt. 100 Mark erhielt der Bild-
hauer W. S. Resch in München
für den Entwurf ;• Abendmahl«. Das
höchst selbständig empfundene Werk
zeigt über dem Fuße die in kräftigem
breitem Relief ausgeführte Gruppe
des Heilandes zwischen den zwölf
Aposteln. Darüber schwebt die Kap-
sel mit der Lunula, umgeben von
einem zierlichen Kranze roter und grüner
Steinchen. Leicht gezeichnete Strahlen um-
geben diesen Mittelteil , sie werden von
einem schmalen Ornamentstreifen durchzo-
gen und zusammengehalten. Unterhalb der
Figurengruppe hängen zwei aus Edelsteinen
hergestellte Zierate. Einen weiteren 100 Mark-
preis gewann der Architekt M. Simon in
München für den Entwurf » Evangelisten ;<.
Der Name erklärt sich aus der unter dem
ENTWURF VON BILDHAUER FRANZ HOSER (MÜNCHEN)
Prtis von !oo Mark. — Text nebtnan
Mittelteil angebrachten Gruppe der vier hei-
ligen Männer, die in Verehrung zu dem
Corpus Christi emporschauen. Der Mittelteil
ist von prächtigen, abwechselnd glatten und
ornamentierten Strahlen umgeben. Ein zarter
Ornamentenkranzbildet die äußere Begrenzung
des Ganzen. Ein Preis von 90 Mark wurde
dem Architekten Michael Kurz in Augs-
burg-Göggingen für das Projekt »Osten-
sorium« zugebilligt. Das mit großer stilisti-
44
^ WETTBEWERB FÜR EINE MONSTRANZ ^^
M01)I:M, VOX RII-DH. \V. S. RESCH (MLNCHKNI
Ein Pr,-is vnn luv Mark. — Text S. 43
EXTWURF VOK ARCHITEKT M. SIMON' (MÜNCHEN)
Em Preis von loo Mark. — Text S. 43
scher Unabhängigkeit entworfene Werl: zeigt
über einem mit grünen Steinen besetzten nied-
rigen Fuße eine nach oben breiter werdende,
glatte elfenbeinerne Säule. Der Hauptteil der
Monstranz ist zusammengesetzt aus einander
durchschneidenden Halbkreisen, die mit Perlen
eingefaßt, mit palniblattartigen Blättern aus-
gefüllt und mit je einem grünen Stein ge-
ziert sind. Der ovale Mittelteil zeigt eben-
solchen Schmuck. Die Lunula ist zart orna-
mentiert. Das Ganze endigt oben in der Form
des Kielbogens und ist mit einem sehr klaren
Geflecht dünner Metallfäden eingefaßt, zwi-
schen denen Strahlen hervorbrechen, die aus
Perlen zusammengesetzt sind. Die Bekrönung
bildet ein grünes Kreuz. Ein 90 Markpreis
wurde ferner dem Münchener Architekten
J. Schmautz für »Rosenkranz« zuteil. Die
sehr lebhaft und farbenprächtig wirkende
Monstranz besitzt einen ganz mit Rosenlaub
überzogenen Fuß, aus dem der Knauf sanft
hervortritt. Der obere ovale Teil erscheint
als ein großes goldenes Rosengeranke mit
darin blühenden silbernen Heckenrosen und
dazwischen verteilten sechs Emailbildern. Sie
stellen vor den heiligen Rochus, den Olberg,
die Geißelung, die Dornenkrönung, die Kreuz-
tragung, die Kreuzigung. Oben thront Gott-
vater in ganzer Figur; die Bekrönung bildet
ein in drei Rosen endendes Kreuz. Die ovale
Mitte ist mit bunten Steinen eingefaßt, mit
solchen auch die auf einem Rosenästchen an-
gebrachte Lunula besetzt. Das Ganze ist poe-
tisch gedacht, wirkt aber für mein Empfinden
etwas überreich. Einen gleichen Preis gewann
F. Hoser für »Gast der Seele«. Der Entwurf
zeigt ein Gebilde aus Gold mit blauer und
grüner Email. Über dem kräftig entwickelten
Fuße steigt eine aus Stäben gebildete Säule
auf. Die Mitte ist herzförmig, von einem
^aä GEDANKEN ZUM MUNCHENER WALDFRIEDHOFE
45
emaillierten Kranze umgeben, darüber schwebt
die Taube. Die Einfassung zeigt blaue Trau-
ben mit silbernen Blättern, ganz oben ragt
das Kreuz mit blauer Email und goldenen
Strahlen. Endlich erhielt einen Preis des glei-
chen Betrages der Architekt A. Bach mann
in München — Motto »Original«. In Wirk-
lichkeit unterscheidet sich dieser Entwurf von
allen übrigen durch die Art seiner Zeichnung.
Sie geht auf ein architektonisches Gebilde aus,
verwandt jenen altitalienischen fünfteiligen
Altargemälden, welche man Ancona nennt.
In der Mitte sieht man die Kapsel mit der
Lunula und zwei kindlichen Engeln, in den
je zwei Seitenteilen rechts und links davon
die ganzen Figuren der vier Evangelisten.
Oben erscheint der Ecce homo in halber Figur ;
kleine Engel dienen zur Belebung, das ganze
endigt in einer Krone. Anerkennungen er-
hielten F. Hoser (»Mein Leib«), Bildhauer
H. Angermaier in München (»Juli 1915«),
der Goldschmied Konstantin Schwarz-
mann in Trier (»Die gute alte Zeit 1915«),
W. S. Resch (»Leib des Herrn«), der Maler
Leonhard Thoma in München (»Drei-
faltigkeit«). Mit Rücksicht auf den Raum
müssen wir uns das nähere Eingehen aut
diese in vielen Beziehungen interessanten Ent-
würfe versagen. Dücrintr
GEDANKEN ZUM MÜNCHENER
WALDFRIEDHOFE
Von Dr. TH. J. SCHERG, Freising
Seit der Waldfriedhof in München besteht,
wurde er von dem Schreiber dieser Zeilen
fast alljährlich mehrere Male besucht. Es ist
etwas überaus Erquickendes, die Herrlichkeit
dieser Anlage zu den verschiedenen Jahres-
zeiten auf Auge und Herz wirken zu lassen
und dabei das Wechselnde mit dem Be-
harrenden zu vergleichen. Da wechselt die
bunte Blumenpracht des Sommers mit der
weichen, in der Farbe einheitlichen, doch in
den Bildungen vielgestaltigen Schneedecke
des Winters. Dem vogel- und sangesbeleb-
ten Frühling stellt sich der stille Herbst, dem
strahlend aufkeimenden Vorfrühlinge der
im Goldglanze entschlummernde Spätherbst
gegenüber. Aus all dem Wechsel erheben
sich wie die Grundmauern und das Dach
eines herrlich ausgestatteten und reich be-
stellten Gebäudes als gleichbleibende und
dauernde Elemente die Kunstwerke der Grab-
denkmäler und die Naturkinder des immer-
grünen Nadelwaldes.
Während jedoch der Wechsel der Jahres-
ENTWURF VON ARCHITEKT MICHAEL KURZ (GÖGGINGEN
BEI AUGSBURG)
Ein Preis von qo Mark. — Text S. 43
Zeiten nur ein vorübergehender ist und kein
vergangener Frühling seinem nächstjährigen
Nachfolger das Platzrecht streitig macht, be-
steht zwischen der Waldnatur und den Kunst-
erzeugnissen ein stiller, aber steter Kampf,
der, wenn er, wie in den verstrichenen acht
Jahren, weitergeht, in Bälde zur Folge haben
wird, daß der Wa Idfriedhof sich in einen
Kunstpark verwandeln wird und zuletzt
bei der Steife des Ziergartens anlangt,
zu der andere Friedhofsanlagen, z. B. der
Münchener Ostfriedhof, aus einstigen Acker-
feldern heraus sich erhoben haben').
Wer zum ersten Male vom Waldfried-
hofe hörte, der dachte sich, wie gewiß auch
seine Gründer, als hervorstechendstes, aber
') Was hier zum Münchener Waldfriedhofe bemerlct ist,
besitzt grundsatzhclie Bedeutung für alle Friedhöfe und
wurde deshalb in diese Zeitschrift übernommen. D. Red.
46
^9 GEDANKEN ZUM MÜNCHENER WALDFRIEDHOFE ^^
ENTWURF VON' RILDHAÜER I RA\/ HOSER (MCXCHEN)
Ein Preis von qo Mark. — Text S. 44
KNTWURF VO\ AUCH A\TO\ HACIIMAXN' (MUNXIIEN)
Ein Preis von go Mark. — Text S. 44
auch bleibendes Merkmal den Wald, und
zwar den Wald in deutscher, bayerischer,
Münchener Erscheinungsform, der den ganzen
Friedhof zu beherrschen und dem alles zu
ihm Hineingebrachte sich unterzuordnen habe:
Gräber, Grabschmuck und Grabdenkmäler.
Man sah im Geiste die Grabhügel sich an
die Bäume schmiegen, als hauptsächlichen
Grabschmuck den Baum selbst oder höch-
stens andere bodenständige Kinder des Wal-
des und das Grabdenkmal in Größe und
Form nur so weit hervortreten, als zur Fest-
haltung der Personalien des Entschlummerten
notwendig erscheinen möchte.
Anfangs war es auch so; doch schon nach
kurzer Zeit änderte sich vieles, teils aus un-
abweislichen Gründen, teils jedoch auch aus
Umständen, die vermieden werden könnten.
Unvermeidlich wird es sein, daß Flächen
für Gräbergruppen zur Verfügung gestellt
werden, wie dies auch unter möglichster
Kleinhaltung dieser Flächen geschah mit dem
Bemühen, sie in das Waldganze wie natür-
liche Lichtungen einzubauen. Diese Not-
wendigkeit ergibt sich aus dem praktischen
Bedürfnis, eine starke Belegungsmöglichkeit')
zu scharten.
Unabstellbar ist auch der Unterschied der
Denkmäler hinsichtlich ihres Kunstwertes und
vor allem ihrer Herstellungskosten. Eigent-
lich widerspricht der soziale Unterschied dem
Gedanken des Waldfriedhofes; denn der
Wald ändert seine Erscheinung nicht, ob ein
') Der Gedanke, die Belegungsmöglichkcit etwa durch
die Feuerbestattung zu erhöhen, scheidet aus, da er-
fahrungsgemäß die Grabdenkmäler und Bestattungs-
tlächen der Kingcäscherten einen nicht minder großen
Raum beanspruchen wie die Gräber der in der Erde
Ruhenden. Die Anlage von Kolumbarien oder Urnen-
häusern würde aber gerade der Idee eines WaldlVied-
liofes völlig widerstreiten.
GEDANKEN ZUM MÜNCHEN ER WALDFRIEDHOFE 'S3i
47
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ENTWURF VON ARCIL J, bCHMAUTZ (MÜN'CHEN)
Ein Preis von Qo Mark. — Text S. 44
ENTWLKI VON' BILDH. PKANZ HOSEK (MÜNCHEN)
Reicher oder ein Armer ihn betritt, ob der
Ministersohn oder der Sohn des Taglöhners
bei den Argonnenkämpfen unter den Wald-
bäumen den Heldentod erleidet und das An-
recht auf das Heldengrab erwirbt. So oder
doch ähnlich sollte es auch im Waldfried-
hofe sein. Doch wer die Menschheit und ihre
Geschichte kennt, wird sich vor gewalttätiger
Gleichmacherei hüten, zumal gerade diese
einen Todesstoß für die Kunst bedeuten
würde, gleichviel, ob sie am Prunkgrabmal
des Millionärs oder am Marterlkreuz des Ar-
beiters in ihrer Eigenart sich entfalten will.
Indes ist es nicht zu übersehen, daß der
soziale Unterschied im Waldfriedhofe mehr
hervorzutreten beginnt, als es am Anlange
der Fall war. Wie in den einzelnen Be-
zirken desselben Vorschriften über die Größe
und damit im allgemeinen auch über die
Erscheinungsform und den Preis der Grab-
mäler bestehen, so dürfte auch der Wunsch
nach einer nicht allzu weit gesteckten Höchst-
grenze des Flächenmaßes der Ruhestätten
wie der auf ihnen sich erhebenden Denk-
mäler nicht als ganz unberechtigt erscheinen-
Gewiß ist es angemessen, daß die breitert
Hauptwege größeren Grabanlagen vorbehalten
werden, schon damit aus künstlerischen Grün-
den Straße und Grab mit Denkmal sich das
Gleichgewicht halten. Auch wirkt es wie
ein Halt- und Grundpunkt, wenn da und dort
in künstlerischer Verstreuung ein größeres
Grabmal sich aus dem Geäste der Bäume
erhebt.
Es bleibt jedoch zur Erwägung offen, ob
der Grabfläche und der Denkmalsgröße solche
Verhältnisse eingeräumt werden müssen, wie
dies beispielsweise bei Paul Heyse und bei
der Familie Bürkel geschehen ist. Die beiden
erwähnten Grabmäler zeigen neben ihrer Aus-
48
©^ GEDANKEN ZUM MUNCHENER WALDFRIEDHOFE ^
>\ l;ll IUI. IIA\S AXGKRMAIR (MLNCHEN)
Atter kennung
KMW Ul;l VOK GOLI)SCHMIKI)CÜN'srA\ri\- SCHWARZ-
MANN (TRIliR). — Anrrktnnung
dehnung noch eine andere Eigenart, die bei
der Ausdenkung und Anlegung des Wald-
friedhofes wohl nicht beabsichtigt war. Sie
sind niinilich für den Holzapfelkreuther Wald
— und dieser ist nun einmal der Rahmen
und der Boden des Münchener Waldfriedhofes
— in keiner Weise bodenständig. Man
ist vor ihnen veranlaßt, sich viel eher in
einem griechischen Palmenhaine oder auf einer
afrikanischen Wüstenfläche als im Holzapfel-
kreuther Walde zu vermuten, so landfremd
sind Stoff und Art: Marmor, fernländische
Löwen und jonische Säulen.
Gerade hinsichtlich dieser Säulen am Heyse-
grabe hatte ich jüngst ein eigenartiges Er-
lebnis. Zwei Damen trefi'en mich in der Nähe
des Grabmales und fragen, wo es sei. Es sei
erkenntlich an den dorischen Säulen. Ich
sah einst den Blumenberg auf Heyses Grab
wenige Tage nach der Beisetzung und hatte
die schöne es umschließende Tannengruppe
im Gedächtnisse, fand auch nach kurzer Um-
schau die Stelle wieder. Jetzt aber entstan-
den den Damen Zweifel; denn sie suchten
dorische Säulen und hier waren jonische
zu sehen. Der in großer Schritt sichtbare
Name »Paul Heyse« verscheuchte alle Be-
denken über die Echtheit des Grabes; nicht
jedoch waren die »dorischen Säulen« aus
dem Vorstellungskreise der beiden Besuche-
rinnen hinauszubringen und so erklärten sie
einfach: »Ach ja, das sind ja dorische Säu-
len.« Mir lag es ferne, die Ruhe des Wald-
friedhofes durch einen Streit über dorisch
oder jonisch zu unterbrechen, doch es tat mir
leid, daß die herrlichen, das Grab umsäumen-
den deutschen Fichten ob der Suche nach den
griechischen Säulen von den beiden Beschaue-
rinnen nicht eines Blickes gewürdigt wurden.
Wie traut und schön ist doch der Stuhl
^ GEDANKEN ZUM MÜNCHENER WALDFRIEDHOFE ©^
49
ENTWURF VOX MALER LEOXHARI) THOMA (MÜNCHEN)
Anerkennung
MODELL VON BILDHAUER \V. S. UESCH (MÜNCHEN)
Anerkennung
aus Birkenholz, den man zuweilen an Grä-
bern findet und der dem Vorübergehenden
berichtet, daß hier ein treuer Freund zuwei-
len in früher Morgen- oder stiller Abend-
stunde traute Totenwache hält, um unter
Waldesrauschen und Vogelsang dieVergangen-
heit mit der Gegenwart zu verbinden und
vom Diesseits in das jenseits hinüberzuschauen.
Doch wenn ich nicht irre, werden diese Bir-
kenstühle weniger oder halten in ihrer Ver-
mehrung mit dem Ausbau des Friedhofes nicht
gleichen Schritt; allerdings ist vor Löwenpaaren
und griechischen Säulenreihen auch kein Platz
für einfach gezimmerte deutsche Birkenstühle.
Wie bei den Kunstdenkmälern so ziehen
auch im Pflanzenschmucke Ausländer ein
und machen als fremde Gartenerzeugnisse den
heimischen Waldeskindern den Boden streitig.
Im Hinblick auf die erwähnten Punkte,
denen sich noch manches beifügen ließe, dürfte
die Bitte nicht unangebracht sein, zurückzu-
kehren zur Einfachheit und Natürlichkeit, zu
beharren bei deutscher Bodenständigkeit und
bayerischer, heimischer Eigenart. Anders soll
ein Waldfriedhof in Athen oder Kairo, anders
einer in München sein. Hier sollen deutsche
Bäume über Grabmälern rauschen, die deutsche
Meister nach heimischer Art aus bodenstän-
digem Materiale fertigten, und heimatliche
Zierpflanzen mögen wetteifern an Farbenpracht
und Formenreichtum mit dem Wohlklange
des vielstimmigen Liedes, das den Kehlen der
gefiederten Sänger entströmt. Ihre Anwesen-
heit und ihr Gesang wahren dem Waldfried-
hofe das deutlichste Merkmal des Waldes.
Möge der Friedhof so waldig bleiben, daß
ihre Daseinsmöglichkeit nicht vermindert
wird und möge alles, was an Kunst in den
Friedhof kommt, stets passen zu echten deut-
schen Waldestönen.
Die christliche Kunst. XII.
50
AUGUST RINCKLAKE ®^
EN'TW.V. Bll,nil. HANS AXGERMAIR (MÜNCHEN)
ENl'W. V. AKCHIIHKl' NiailAl/S (KÖLN)
AUGUST RINCKLAKE
past ganz vergessen in dem Sturme des
^ bewegten Lebens ist der aus einem alten
Künstlergeschlechte stammende Kirchengoti-
ker Architekt Professor August Rincklake
am 19. August 191 5 gestorben. Einst wie
ein leuchtender Stern am Himmel der Kunst
aufgehend, verschwand er allmählich in dunk-
ler Nacht.
Vor vielen anderen verdient Augusr Rinck-
lake ein dauerndes Andenken nicht bloß
wegen seiner hohen Begabung, sondern weit
mehr wegen des heiligen Ernstes, des rast-
losen Eifers und der seltenen Begeisterung,
die sein ganzes Wesen durchdrang. Eines
jedoch fehlte ihm, um sich unter den ge-
feiertsten Namen in der heutigen Kunst einen
der ersten Ehrenplätze zu erringen: das Glück,
ohne welches der beste Künstler nicht zu
der Höhe gelangen kann, die ihm gebührt.
Rincklake wurde am 15. Februar 1843 zu
Münster in Westf. geboren, wo die Vorfahren
schon seit Menschengedenken als Künstler,
namentlich als Maler und Architekten, wirk-
ten. Der Großoheim war der Maler Rinck-
lake, der 1764^1813 mit dem von Goethe
hochgeschätzten Kreise der Fürstin Gallitzin,
des Ministers Franz von Fürstenberg und des
Grafen Leopold von Stollberg freundschaft-
lichen Umgang hatte. Nach alter Sitte, wie
es die Zeit des 19. Jahrhunderts bei Gotikern
verlangte, erlernte der junge Rincklake, nach-
weislich gleich seinen Vorfahren, das Stein-
metzhandwerk, aus welchem Stande so viele
unserer besten Meister der Kirchenbaukunst
und Gotik alter und neuerer Zeit hervor-
gingen. Wie einst Friedrich Schmidt in
Wien neben seiner praktischen Tätigkeit am
Dombau zu Köln die Steinmetzschule da-
selbst besuchte, so auch Rincklake, der in
diese mit 15 Jahren eintrat. Dann ging er,
der Sitte gemäß, auf die Wanderschaft, oder
wie der Rheinländer sagt, in die Fremde,
durchzog Süddeutschland und arbeitete da
und dort, bis er zu Friedrich Schmidt nach
AUGUST RINCKLAKE
51
lA'TWUKl- VON' ARCH. NEUIIAIS (IvDl.N)
ENTWURF \OS' AKClin 1;K I' XEUIIALS (Kl"'l^")
Wien kam, der, aus Deutschland stammend,
sich dort als Dombaumeister von St. Stephan
einen Namen gemacht hatte. Als Steinmetz
fand Rincklake Arbeitsgelegenheit am Dome,
doch seine Sehnsucht, aufzurücken und in
des Meisters Bauhütte und Baustube arbeiten
zu können, wurde rasch erfüllt, da Schmidt
die Fähigkeiten des jungen Künstlers er-
kannte. Durch eisernen Fleiß und Besuch
der Abendkurse der dortigen Fortbildungs-
schulen, wo er die Lücken in seiner all-
gemeinen Schulbildung auszufüllen suchte,
wurde er baldigst erster Mitarbeiter Schmidts
in dessen Atelier. Er betraute ihn mit der
Anfertigung größerer Arbeiten, worauf er
1866 als Bauleiter Schmidtscher Entwürfe
nach Düsseldorf kam. Bald machte er sich
selbständig, indem er einen privaten Auftrag
zum Marien -Hospital und weitere andere
kirchliche Arbeiten daselbst erhielt, was nach
befriedigender Vollendung dieser Bauten zur
Folge hatte, daß er mit Entwürfen kleinerer
Kirchenbauten und Restaurierungen alter Bau-
denkmäler sowohl am Niederrhein als auch
in seiner Heimat Westfalen betraut wurde.
Das ererbte handwerkliche Talent für Kunst-
gewerbe kam hier durch eine Reihe glänzen-
der Erzeugnisse, wie Entwürfe zu Kelchen,
Altären usw., zur Geltung, die auch aus-
geführt wurden. Auf der Wiener Weltaus-
stellung 1873 glänzten seine mit dem i. Preise
gekrönten Arbeiten und es schien ihm von
nun an das Glück gewogen zu sein. Als
lustiger Rheinländer wurde er auch Mitglied
des Düsseldorfer Malkastens, und der kürzlich
verstorbene bekannte Münchener Maler Will-
roider, der Ende der achtziger Jahre in Düssel-
dorf lebte, erzählte von mancherlei fröhlichen
Stunden und Veranstaltungen dortselbst, an
denen unser Rincklake durch allerlei künst-
lerische Einfälle das Fest verschönerte. So-
bald eben ein Künstler der alltäglichsten
Sorgen enthoben ist und ihm Erfolg blüht,
erwacht auch seine Frohnatur, deren künst-
lerische Phantasie den Mitmenschen die Feste
veredeln hilft.
52
AUGUST RINCKLAKE ®^
MODLI L VDN BII.nHAUI-R W. S. RESCH (MÜNCHENi
MODEIL V()\ BIIDHAUER \V. S. RESCH {MÜNCHEN')
Eine glänzende Leistung, von allen bedeu-
tenden Gotikern anerkannt, waren seine Ent-
würfe für die Innenausstattung des Kölner
Domes, die das Domkapitel als kostbaren
Schatz verwahrt. Doch blieben dieselben bis
heutigen Tages unausgeführt.
Durch dies starke Hervortreten seiner eigen-
artigen, mittelalterlichen Kunstweise erhielt
er im Jahre 1876 eine Professur an derTech-
nischen Hochschule zu Braunschweig. Die
alte Carola -Wilhelmina wurde in eben jener
Zeit zur Hochschule erhoben und bedurfte
für die Gotik eines Lehrers. Die Hoffnungen
aber, die sich Rincklake in dem fast ganz
protestantischen Lande hinsichtlich Aufträgen
machte, waren vergebens. Auch lehrte und
baute der berühmte Gotiker C. W. Hase in
dem benachbarten Hannover, dem gegen
Mitte der achtziger Jahre v. Jahrb. auch die
Restaurierung der Burg Dankwarderode in
Braunschweig übertragen wurde. Zudem stand
gewissermafkn der Meister vom alten Schlage,
wie Rincklake einer war, dem nun einmal
bei technischen Hochschulen ohne vorher-
gehende Praxis geübten Examenstudium fremd
gegenüber.
Schwere Schicksalsschläge aller Art, Miß-
erfolge auf Mißerfolge bei Konkurrenzen und
Aufträgen stellten sich bei dem auf der Höhe
des Schaffens stehenden Meister ein. Eine
Enttäuschung folgte der anderen, so daß er
sich ganz von Freundeskreisen zurückzog
und der Einsamkeit lebte. Nur die Freude
an dem seit früher Zeit gepflegten Sammeln
alter Bilder und kunstgewerblicher Schätze,
der Genuß, sich in alte Kunst- und Baudenk-
mäler zu vertiefen, gaben dem Meister die
gehörige Spannkraft wieder. Da ihm Auf-
träge versagt blieben, glaubte er aufs neue
durch Beteiligung an Konkurrenzen wieder
hochzukommen, doch auch diese blieben,
bis auf einige Ankäufe, erfolglos. Es wäre
jedoch verfehlt, zu glauben, daß unser Alt-
meister der Neuzeit nicht Rechnung getragen
hätte. Nein, er war in vieler Hinsicht sogar
ein Bahnbrecher und Neuerer auf dem Ge-
!^® AUGUST RINCKLAKE
53
ENTWURF VO\ BIIDH. MAX WAl l'OI IZII (MÜNCHEN')
ENTW. VON ARCH. ANTON HACHMANN (MÜNCHEN)
biete des Verkehrs, wie seine unausgeführten
Entwürfe auf nichtkirchüchem Gebiete, wie
Bahnhofsbauten, beweisen. Er hatte so treff-
liche, praktische Ideen, die sich erst die
Gegenwart zunutze machte. Ob es ein Fehler
war, daß der vielseitige Mann — der analog
manchen alten Meistern, z. B. Leonardo da
Vinci — sich mit Dingen beschäftigte, die
weit entfernt von seinem Fache lagen, wol-
len wir dahingestellt sein lassen. Denn seine
mit unsägHcher Beharrlichkeit und großen
Opfern an Zeit und Geld fortgesetzten Ver-
besserungsversuche auf dem Gebiete der Pe-
troleum- und Gasbeleuchtung, des Baukon-
struktionswesens usw. waren ohne Erfolg.
Die Untätigkeit trieb den rastlosen, begabten
Mann auf allerhand Ideen.
Durch die Erfolglosigkeit seiner Bestrebun-
gen verbittert, vertauschte er 1891 seinen
Aufenthalt Braunschweig mit Berlin, wo er
sich als Privatarchitekt ein Arbeitsfeld suchte,
und trat mit eigenartigen Entwürfen bei
Konkurrenzen, wie Esseg in Ungarn und an-
dern hervor, aber die Ausführungen erhielt er
nicht. Auch Berlin, wo er die Hoff"nung
hegte, wieder emporzukommen, schlug fehl.
Zuletzt veranlaßte ihn sein Bruder, der bis
dahin in Münster als Architekt wirkte und
in das Benediktinerkloster Maria -Laach ein-
trat, 1897 in die Vaterstadt zurückzukehren
und seine Praxis zu übernehmen. Nach
mehreren Jahren verließ er auch diese Stätte
wieder, denn der rührige Geist wollte sich
nicht in die gedrängten Verhältnisse fügen;
er spürte mit Recht noch Großes in sich.
Nach vielen Wanderungen kehrte Aug. Rinck-
lake gebrochen von Köln nach Berlin zurück.
Infolge neuer Enttäuschungen erlitt er dort
einen heftigen Schlaganfall, der den Tod des
vielgeprüften Mannes verursachte. Betrauert
von seiner Familie und Freunden, desgleichen
von seinen wenigen Schülern, wurde er auf
dem Hedwigsfriedhofe zu Berlin beerdigt.
So endete sein Künstlerleben.
Was aber Rincklake trotz seiner Mißerfolge
groß machte und Bewunderung erweckte.
54
^ KARL JOHANN BAUER ®^
IlMIKD JOS. SKITZ (MUNXHEX)
ENTW. V. GOI.DSCHM. |OS. SEITZ (MÜNXHEN)
war die Originalität seiner geistreichen Ent-
würfe, die teilweise unausgeführt blieben.
Der viel verkannte Mann verfügte über einen
malerischen Architektursinn, den man heut-
zutage in der mittelalterlichen Architektur,
mit den Errungenschaften der Neuzeit ver-
bunden, nur noch selten antrifft. Die Ka-
pelle in Hosterwitz für den Prinzen Georg
von Sachsen, die Kultusbauten in den Rhein-
landen und Westfalen, die Wohnhausbauten
in Köln und Düsseldorf die malerischen
Innenarchitekturen von Kirchen, wovon viele
zerstreut zur Ausführung kamen, endlich die
zahlreichen ausgeführten Entwürfe zu Meß-
gewändern, Kelchen und sonstigen kirch-
lichen Geräten haben Rincklake einen dauern-
den Ehrenplatz gesichert. »Mit sicherem Blick,
der Gegenwart weit vorauseilend«, sagte
Zetsche an seinem Grabe, stellte er so zu
Anfang der achtziger Jahre in seinen Entwürfen
für den Umbau des Lübecker Bahnhofes —
später des BraunschweigerZentralbahnhofes —
schon den Grundgedanken auf, der für so
viele neuere Großbahnhöfe maßgebend ge-
worden ist: Tieferlegen der Gleise in Ein-
schnitte und Überführung der Bahnsteig-
zugänge und Straßen in Geländehöhe. Die
Zeit aber war dafür noch nicht reif
Mit August Rincklake ging ein edler Mensch,
der einstmals in seiner Glanzzeit mit vollen
Händen im Verborgenen gab und manches
Talent förderte, ein Künstler von hoher
Idealität des Strebens ins Grab. Wären ihm
Erfolge beschieden gewesen, die Kunst hätte
Bedeutendes von ihm erwarten dürfen.
Arch. Hugo Sterten
KARL JOHANN BAUER f
Von W. ZI LS -München
(Hierzu die .\bb. S. 57 — 64)
Im 8. Jahrgang (191 1 — 12, S. 141 ff.) dieser
Zeitschrift wurde von einem Kunstgewcrbler
gehandelt, der, obwohl noch jung an Jahren,
unser ganzes Interesse erregte. Heute, nach
kaum drei Jahren, kommen wir auf denselben
KARL JOHANN BAUER ©saa
55
ENTW. VON' ARCHITEKT 1 RHZ Kl XST (KOI.N)
ENTW. VON ARCH. ANT. BACHMANN (MÜNCHEN)
Münchener Goldschmied Karl Johann Bauer
zurück, zurück in einem Klagelied auf seinen
Heldentod.
Froh hatte Bauer am 12. September des
vergangenen Jahres Frau und Kind, Werk-
statt und Laden verlassen, um als Unter-
oftizier der Landwehr im 17. Res. Regiment
dem Vaterlande zu dienen. Tatkräftig und
lebensfreudig, wie er seiner Kunst nach-
gegangen war, versah er seinen Dienst. Hoch-
gemut schrieb er heim, wie gut ihm Be-
wegung und Soldateska bekomme. Am
6. November zog er ins Feld, am 16. traf ihn
die feindliche Kugel. Nachdem die Familie
in Hangen und Bangen auf Nachricht von
dem Vermißtgeglaubten über ein halbes Jahr
gewartet hatte, ward ihr im Juli d. Js. die
bestätigende Kunde von dem Heldentode
eines Vielversprechenden.
Als einen Vielversprechenden hatte die
Christliche Kunst Bauer gefeiert, von einem
Vielversprechenden hatte sie es damals am
Schlüsse des fraglichen Artikels als wünschens-
wert erscheinen lassen, daß er die Vorzüg-
lichkeit und den Ernst seiner Leistungen,
seine feine Erfindungsgabe einmal der christ-
lichen Kunst widme. Bauer kam diesem
Wunsche nach. In seiner Werkstätte, die
unter der Leitung seiner Witwe ein talen-
tierter Schüler fortführt, hängt noch der
Entwurf zu einer Monstranz, die, für
eine Tiroler Kirche bestellt, durch den Krieg
nicht zur Ausführung kam. Daß sie nach
dem Kriege aus Bauers Werkstätte hervor-
gehen möge, als Geist von seinem Geiste,
ist unser Wunsch.
Der in der Vergangenheit der Jahrhunderte
lebende Kunsthistoriker lehnt auf den ersten
Blick Bauers Werke ab. Er betrachtet seine
Werke und empfindet mit Wehmut zunächst
das Fehlen aller äußerlichen stilistischen
Merkmale der alten Art. Wir freuen uns,
jenem nachahmenden Kunstgewerbe, dem
nichts so sehr als der Geist der Alten man-
gelte, entronnen zu sein und uns an einer
neuen, den gerade im vergangenen Jahre
56
^ KARL JOHANN BAUER ©^
ENTW. V. BIl.DH. G. JOH. LASG (OBEKAMMERGAU)
l-:\r\V. V. ARCII. 10:5. I KDKKI 1( (MCnCI11;\)
abermals mächtig veränderten Grundlagen
des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und
technischen Lebens entsprechenden Ausdrucks-
kunst erfreuen zu können. Bauer war ein
typischer Vertreter jener angewandten Kunst,
die aufgebaut ist auf den modernen und doch
so alten Forderungen der Gediegenheit des
Materials, der Gründlichkeit der Ausführung,
des Geistes der Erfindung, der Feinheit der
Formensprache, der Harmonie der Farbe.
Von diesen neu aufgestellten und wieder-
erworbenen Erfordernissen finden wir in allen
seinen Werken etwas. Von Zweckmäßigkeit
und Materialgerechtigkeit sprechen die hier
abgebildeten Gegenstände, sie erinnern aber
trotzdem auch an eine alte, gute, längst ent-
schwundene Zeit. In Bauers Werkstatt ist
keine Maschine zu finden, auch lieferte er
keine Vorlage für sie zur hundert- und tau-
sendfältigen Herstellung. Auf Be.stellung oder
aus eigenem Antrieb entstand ein Kelch, ein
Becher, ein Geschmeide durch der Hände
Arbeit, keines gleich dem Vorausgegangenen
und daher alle den Reiz der Originalität, des
Persönlichen an sich tragend, bei dem die
Hingebung des Augenblicks mitsprach. Wie
ein Vertreter der Gotik stieg er nicht als
Künstler von der Kunst zum Handwerk,
sondern arbeitete sich als Handwerker zum
Künstler empor.
Bei seinem Vater, einem Münchener Kupfer-
schmied, lernte der im Jahre 1877 Geborene
die ersten Einblicke in die Metallkunst.
Seine Lehrzeit bei dem Ziseleur Stähle schloß
eine mit dem Lehrlingspreis des Münchener
Kunstgewerbevereins ausgezeichnete Arbeit
ab. In dem von allem mittelalterlichen
Reiz noch angefüllten Schwaz in Nordtirol
und Kevelar, in den Münchner Werkstätten
Rothmüller, Steinicken und Mayrhofer, in der
gewerblichen Fortbildungsschule unter Har-
rach vervollkommnete er sein Können bis
zur vollen Reife, von der im Jahre 1903 erst-
mals in eigener Werkstätte in Schwabing
Zeugnis ablegte. Die Leitung der Ziseleur-
klasse an der Schule Wilhelm von Debschitz'
KARL JOHANN BAUER
57
.KABLA'IERNE
Architekt Franz Bau
gab er nach zwei Jahren (1907) auf, da seine
Werkstätte, die er 1909 mit einem Laden
zur Bewähigung der immer mehr anwach-
senden Aufträge in der Barerstraße zusammen-
legte, seine ganze Kraft erforderte. Die be-
reits früher und jetzt veröffentHchten Arbeiten,
ein Bruchteil seines Gesamtschaffens, sprechen
von einer staunenswerten Schaffenskraft.
Und doch lernte er noch stets weiter. Als
Kunstgewerbler im guten, alten Sinne war
er darauf bedacht, alle in sein Fach einschla-
genden Techniken zu beherrschen. So er-
lernte er erst vor kurzem die Kunst des
Emaillierens, zu deren Ausführung er sich
die Einrichtung erwarb. Noch seine letzte
Arbeit, ein Ehrenaufsatz für Kommerzienrat
Thannhauser (München), beweist das neue
Können.
Modern im guten Sinne, dem die Origina-
litätssucht fern ist, vermied es Bauer auch in
seinem Schaffen das Vorbild der Alten streng
abzuweisen. Wenn er sich auch als Künstler
seiner Zeit bewußt war, daß die Schönheit
eines Gegenstandes in ihm hegen müsse und
nicht in der Zutat, so war er doch weit da-
von entfernt, z. B. jedes Ornament zurückzu-
weisen, das nur an richtigen Ansatzpunkten
Berechtigung habe. Wie er in dem einen
der abgebildeten Kelche den achteckigen Fuß
der Gotik entlieh, die Schale des Akademi-
schen Seglervereins mit romanischen Buch-
staben krönte, so finden sich z. B. auf den
beiden rechten Fingerhüten Zeugnisse der
schmückenden Tätigkeit der Kunst, wie sie
uns als Bandstreifen und Quadrate, nach der
neuesten Forschung, schon aus der keltischen
Zeit überliefert sind. Und doch ist der Zie-
rat nicht Selbstzweck, er betont dort deko-
rativ, wo wir ihn nicht missen möchten. Wie
Bauer seine eigenen Wege ging, so suchte
Die cbristllche Kunst. XII.
58
59
6o ^ KREUZWEG IN DER MÜNCHENER MAXIMILIANSKIRCHE
KAKl. |. hAL KU
KI.KKIK. LAMI'K
KAKL K 1!AL KR
All AKKRKCZ (BKKGKRISTALK)
er eben auch im Ornament im Gegensatz
zu seinen zeitgenössischen Gewerblern Ab-
wechslung unter freier Anlehnung an die Ver-
gangenheit. Wo er einmal, bei der elektri-
schen Stehlampe, den gefaßten Gedanken
wiederholt, da dient die Häufung zur Unter-
streichung des Materialwertes. Auf die eigen-
tümliche moderne Art der oxydierten Silber-
bearbeitung, der abwechselnden belebenden
Verwendung von Farbsteinen und Perlen,
Elfenbein und Holz nochmals näher einzu-
gehen, erübrigt sich, da das früher hier Ge-
sagte dieser Tätigkeit gerecht wurde und da-
her nachgelesen werden kann. Es erübrigt
sich nur noch, der eigentümlichen filigran-
artigen Arbeiten, die uns an dem Bergkri-
stallkreuz und dem Halsschmuck begegnen,
zu gedenken.
Überdenkt man die allzufrüh beendete Le-
bensarbeit Karl Job. Bauers, so muß dem Be-
dauern Ausdruck verliehen werden, daß der
Krieg eine solch selbständige künstlerische Per-
sönlichkeit von einem derartigen Reichtum an
Gedanken und einer solchen Mannigfaltigkeit
des künstlerischen Gefühls raubte, raubte zum
Nachteil des Münchner Kunstgewerbes, dem
Männer wie der Gefallene mehr aufhelfen
können, als alle Gewerbeschaumärkte und
ähnliches.
DER HL. KREUZWEG IN DER
MÜNCHENER MAXIMILIANSKIRCHE
Cclion im 9. Bande unserer Zeitschrift, ebenso auch
in der Jahresmappe der Deutschen Gesellschaft 191 5
ist von dem hl. Kreuzwege die Rede gewesen, welchen
der Münchener Franz Hofstötter in der Maximilians-
6i
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62
KREUZWEG IN DER MUNCHENER MAXIMILIANSKIRCHE ®^
KARL |OH. BAUER
der Stadt München anläßlich der Aussteilung
München iqoS
kirche damals auszuführen begann.
Wir kommen darauf zurück, weil jetzt
das ganze Werk vollendet ist. Seinen
vollen Eindruck wird es machen,
wenn einmal der bestehenden Absicht
oemaß die jetzt leeren, weiügelblichen
Wandflächen mit Mosaik überzogen
sein werden. Erst dann werden die
Gemälde ihre volle Leuchtkraft ent-
falten, werden die bereits mosaizierten
oberen Lünetten verständlich werden
und die seitlichen skulptienen Einrah-
mungen keine nur einseitig vorteilhaft
wirkende Existenz mehr führen. Den
Beweis für das Zutreffende dieser Ver-
mutungen erhält man durch den An-
blick der in jener Weise bereits aus-
gefiJhrten westlichen Querschiffwand.
Übersieht man die 1 5 Bilder — denn
außer den 14 Stationen ist noch das
Gebet am Olberge als Einleitung aus-
geführt worden — so wird man ge-
wahr, dali zwischen ihnen ein gewisser
stilistischer Unterschied existiert in der
Weise, daß die drei ersten und die drei
letzten Bilder der ganzen Reihe eine
Gruppe für sich bilden, die dazwischen
befindlichen neun aber eine zweite,
welche sich mit jener nur als nahe
verwandt erweist. Es sind Kinder des-
selben Vaters, nur etwas voneinander
verscliieden im Aus>ehen und in der
Art, ihre geistige Begabung zu äußern.
Daß dies so geworden und dadurch
in den Kreuzweg ein leiser Mangel an
Einheitlichkeit gekommen ist, geht auf
äußere Ursaclien zurück. Sie mögen
hier unerörtert bleiben, weil sie mit
der Person und dem Talente des Künst-
lers nichts zu tun haben. Bei den sechs
älteren Bildern, die ehemals hier be-
sprochen worden sind, interessiert eine
bedeutendere geistige Erfassung, ein
tieferer Mystizismus und Svmbolismus,
im ganzen eine stärkere künstlerische
Originalität. Die neueren Bilder zei-
gen mehr Neigung zum Erzählen, sind
aucli in den Farben nicht so bedeu-
tungsreich und nicht von solchem ge-
heimnisvollen Reize wie die sechs
früheren Bilder. Der allgemeinen Ver-
ständlichkeit unseres Publikums und
mithin auch dem gegenwärtigen Ge-
schmacke breiterer Kreise kommen sie
dadurch entgegen, doch steht außer
Frage , daß nicht hierin das höchste
Ziel der Kunst zu suchen ist. Wollte
ein Maler alles dergleichen berücksich-
tigen — Hofstötter hat dies nicht ge-
tan — so verfiele er schließlich in gänz-
liche Befangenheit und käme auf jenem
Punkte wieder an, von dem unsere
neuere christliche Kunst sich unbedingt
lossagen muß, wenn sie neben oder
gar über der profanen die in diesen
Dingen so äußerst widerstrebliche
öffentliche Meinung für sich gewinnen
will. Der Künstler hat aber sicher er-
reicht, daß sein Kreuzweg unter den
neuesten Werken gleichen Inhaltes als
etwas durchaus Beachtenswertes und
Erhebliches dasteht.
^ KREUZWEG IN DER MUNCHENER MAXIMILIANSKIRCHE ^
63
K-\RL lOllANN BALI;K
FIXGERHÜTE UND MANSCHETTENKNOPFE
Die Gruppen zeigen starke und innerliclie Charal<te-
risierung der Vertreter des Guten und des Schlechten,
hohe Vereinfachung, die auf Nebendinge so gut wie
ganz verzichtet, besonders auch die Hintergründe durch-
weg liauni andeutet und statt ihrer nur symbolisch
wirlcende Farbenabtönungen benutzt ; die Komposition
besitzt große Linien. Alle Starke ist auf den geistigen
Gehalt der Vorgänge gelegt, welcher bei den neueren
Bildern in etwas realistischerer Durchführung ausge-
staltet ist als bei den nervösen, zum Teil fast visionär
wirkenden früheren. Diesen Schöpfungen, wie der Be-
weinung des Leichnams oder dem durch halb sche-
menhafte Engel verehrten Heiland im Grabe, läßt sich
von den neueren kaum eine zur Seite stellen, es sei
denn etwa jene der Entkleidung mit ihrer absichtlich
ins Große gehenden Behandlung des Christuskörpers
und des in einem rätselhaft tiefen Blau versinkenden
Hintergrundes.
Wir müssen uns auf diese Andeutungen beschränken.
Doch sei nicht unerwähnt, daß der ursprüngliche De-
korationsgedanke voll bewußt bei den seltsamen und
tiefgründigen skulplierten Einrahmungsfiguren durchge-
führt ist. Sie deuten auf die Menschheit, welche um
der Nachfolge Christi willen leidet. Die Stationsbilder
sind mit Wachsfarben auf Holztafcln gemah, die mit
der Wand nicht bündig, sondern etwas vertieft liegen.
Unterhalb sind die Mauetflächen mit Platten aus Kirch-
heimer Muschelkalk belegt, der auf besondere Weise erst
seiner Porosität beraubt und dann poliert ist. An sieben
Stellen befindet sich gerade unterhalb der Bilder je ein
einzelner, in starkem Relief gearbeiteter Kopf einer der
typologischen Figuren. Man sieht Johannes den Täufer,
den ägyptischen Joseph, den geduldigen Job, Tobias,
Moses, den jungen David, den armen Lazarus. — Außer
ihrem Erbauungszwecke erfüllen die Hofstötterschen
Kreuzwegbilder samt ihrer Aufmachung schon jetzt in
hervorragendem Maße jenen als raumsclimückende Ele-
mente. II O.
KARL JOHANN BAUER
FRUCHTSCHAI.E
Silber mit farbigen Steinen und Gla.
64
KARL JOHANN' BAUER
Gehäuse Ebenlwlzt Zifferblatt Silber getrieben
STANDUHR
PRESBYTERIUM DER VON FRITZ FUCHSENBERGER ERBAUTEN KIRCHE IN ADELSDORF
FRITZ FUCHSEXBERGER
Plastik von Prof. M'idmer-Nür
EINGANG ZLU KA 1 1 1. I'l AUKKllvClll. IN AlJLLbUUKl (lyo;)
erg. Vgl. Abb. S. So und Sl. — Text S. 6g
ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER
(Hierzu die Abbildungen dieses Heftes)
Obwohl die Architektur nicht etwa wie die
Musik Stimmungen ausdrückt, so spricht
doch aus ihr beredt der Geist der Zeiten. Am
deuthchsten illustriert das die Architekturge-
schichte. Im 19. Jahrhundert zur Zeit der Klas-
siker in der Literatur war sie antik; zur Zeit
der Romantiker wurde sie gotisch und in der
Zeit des Historismus eklektisch, bis sie sich
in neuerer Zeit wieder auf das Problem der
Form besann und dadurch auch eine Zeitlang
höchst problematisch experimentiert.
Letztere Periode konnte natürlich nur von
kurzer Dauer sein. Denn die Architektur ist
immer eine von praktischen Bedürfnissen ge-
leitete Kunst. Und da sie unmittelbar an die
Bedürfnisse der Gegenwart und an die Zweck-
bestimmung gebunden ist, kann sie auch in
ihrer Entwicklung keine Sprünge machen. Jede
neue Erscheinung in der Architektur kann
sich daher nur auf Grund der schon vorher-
gegangenen entwickeln, um nach ewigen eher-
nen Gesetzen dieser Entwicklung das Neue
an das Alte anzuknüpfen.
Diese Stetigkeit der Entwicklung zeigt am
schönsten der Kirchenbau. Der Kultus und
die kirchlichen Bedürfnisse bleiben immer die-
selben und so ergibt sich auch für die archi-
tektonische Neugestaltung von Kirchen eine
gewisse gesetzmäßige Entwicklung der wesent-
hchen oder Grundformen des Kirchenhaues.
Aber dieses Prinzip, das durch alle Stilvvand-
lungen hindurchgeht, hinderte keineswegs die
Entfaltung größtmöglicher Mannigfaltigkeit
und Vielgesfaltigkeit der Zeitstile: antik, ro-
manisch, gotisch, Rokoko und Empire. Dem
Architekten bleibt daher immer noch Spiel-
Die christliche Kunst. XII. 3. i. Dezember 1915.
(,(,
^ ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER ^
I-KITZ FUCHSEXBKKl.hl
räum genug für die Betätigung seines indivi-
duell gearteten Formwillens, genug Freiheit,
um innerhalb der durch die Zweckbestimmung
gegebenen Grenzen und innerhalb der in ihren
Grundzügen gegebenen Formensprache sich
immer wieder in neuen überraschenden Wen-
dungen und Kombinationen auszudrücken.
Er wird in allen Fällen das Richtige er-
greifen, wenn er in seinem Schaffen ein Kind
seiner Zeit ist und sich immer der Ausdrucks-
mittel bedient, welche ihm eben die Gegenwart
darbietet. Gerade in der Architektur bewährt
sich wie überhaupt im menschlichen Schaffen
dasWort: xDerLebende hat recht!« Und beson-
ders wird derjenige recht behalten, der es wie
unser Künstler versteht: an das Gestrige das
Heute, an das Ende den Anfang anzuknüpfen.
Gleich zu Beginn seiner Laufbahn als Ar-
chitekt, welche Fritz Fuchsenberger nach Ab-
solvierung des Gymnasiums den üblichen Wer-
degang zu den Staatsbauämtern einschlagen
1 IM KIhDl S"
lUCHSEN'UERGER
Grundriß des Obergeschosses,
ließ, bot sich unserem
Künstler eine für die
Entwicklung seines Ta-
lentes überaus günstige
Gelegenheit, daß er
gleich auf den Boden
seiner Heimat und mit-
ten hinein in eine reich
gestaltete künstlerische
\'ergangenheit gestellt
wurde. Damit trat an
Stelle eines blutlosen
akademischen Ideals so-
gleich eine reiche Wirk-
lichkeit, in den volks-
tümlich gemütlichen
künstlerischen Aus-
drucksformen der frän-
kischen Meisterwerke.
Das künstlerische Erfas-
""" sen dieser Wirklichkeit
mußte ihn mächtig för-
dern, zudem er ja auch sofort Gelegenheit
hatte, als Staatsbaupraktikant sich praktisch
zu betätigen.
Seine Mitarbeit am Bau des Kgl. Kreisarchiv-
gebäudes in Bamberg gab gleich Veranlassung,
seine Geschicklichkeit in der Anpassung an
die heimische Welt der Bauformen zu bekun-
den (Abb. S. 66 und 75). Der im reichen Bam-
berger Barockstil der Markgrafenzeit gehaltene
Bau erhielt eine vornehme Ausstattung. Der
prächtig gehaltenen Fassade entspricht daher
auch eine reicher gestaltete, architektonisch
gehaltene Einfriedigung. Diese im Stil der
alten Garten- und Parkarchitektur gehaltene
Einfriedigung stammt von Fuchsenberger.
Bemerkenswert erscheint hier das verständnis-
volle Eingehen des Zeichnerarchitekten auf die
Eigenart des fränkischen Sandsteins und der
dadurch bedingten dekorativen Formgebung.
Fuchsenberger handhabt diese Formensprache
so gut wie einer der alten markgräi liehen Ar-
chitekten. Eine ebenso
glückliche Lösung er-
fuhren auch die anderen
Aufgaben, die ihm hier
übertragen waren: die
Ausstattung des Stie-
genhauses und die Ein-
richtung und Möblie-
rung verschiedener In-
nenräume. Man muß
hierbei besonders auf
die Ausführung des De-
tails achten und wissen,
daß alle diese bemer-
kenswerten Leistungen
UMBAU DER ALTEN MAUr IX BAMBERG
Vgl. Abb. S. 67 unten
©^ ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER es^
67
kunstgewerblicher Arbeiten, die sonst in
großen Städten bekannte kunstgewerbliche
Werkstätten ausführen, allein von dem
jungen Architekten mit Bamberger Hand-
werksmeistern erzielt wurden.
Auch bei kleineren Nutzbauten, denen
er sich bei und neben seiner Tätigkeit als
Staatsbaubeamter in der Folge zuwenden
konnte, bei Schulen, Krankenhäusern, An-
stalten, Postämtern gewahren wir eine be-
merkenswerte Durchbildung architektoni-
scher Details mit besonders glücklicher
Betonung gewisser Dominanten am Bau:
Giebel, Portale und dergleichen. Immer
findet dabei das bodenständige Material
einen sinngemäßen und durch die künst-
lerische Gestaltung gesteigerten Ausdruck.
Wie sich allmählich in dem durch Studium
und Erlahrung gereifteren Künstler der
Geist der heimischen Baukunst spiegelte und
wie er es verstand, das durch die X'erhält-
nisse gebotene Neue an das schon beste-
hende Alte anzuknüpfen, dafür spricht viel-
leicht am besten sein Umbau der alten Maut
in Bamberg. Das bayerische Generalkon-
servatorium äußerte sich nach Abschluß des
Umbaues darüber: »daß die Lösung dieser
Aufgabe, das Innere des Hauses den An-
forderungen der Neuzeit und der entspre-
chenden Rentabilität unter Wahrung der
bestehenden Außenarchitektur anzupassen,
in geradezu vortrefflicher Weise gelungen
sei!« (Abb. S. 66—67.)
Seine bisher gesammelten Erfahrungen
und sein an den bisher ausgeführten
Bauten: Pfarrgebäude zu Wiesenthau,
Egloffstein und Kunreuth in der Fränki-
schen Schweiz, Pfarrgebäude in Westheim
im Steigerwald, desgleichen die Schwestern-
anstalten zu Burgsinn, Wernfeld, Brend-
lorenzen, Pflegeanstalt Gremsdorf, Schloß-
umbauten Prieger und von Grunelius und an-
deren geschultes Können konnte er bald auch
in den Dienst einer
größeren Aufgabe stel-
len. Seine Mitarbeit
am Bamberger (3ber-
postdirektionsgebäude
erstrekte sich auf eine
reiche Detailarbeit au-
ßen an der Fassade,
den Portalen und vor
allem auf die innereAus-
gestaltung : die Schalter-
vorhalle, Stiegenhaus,
Dienst-, Wohn- und Bu-
reauräume (Abb. S. 72
bis 75).
<i« Martin Her.
Text nedejiait
Die .Schaltervorhalle erhielt eine bemerkens-
werte Gestaltung durch die Verbindung des
gelben Jurakalksteins, mit weißen Putzflächen
und mit den braun gebeizten, reich geschnitz-
ten Holzeinbauten. Die architektonisch deko-
rative Wirkung dieses Raumes wird noch ge-
steigert durch die geschickte Anbringung der
IRITZ FLXHSENBERGER
Grundriß des Erdgescho
UMBAU DER .^l.TEN M.-VUT IN B.\MBERG
Vgl- Al'b. ol'en, — Text oben
ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER ^
1 RITZ FUCHSEXBERGER
I'IAIvRHAUS IN WIESENTHAU (u;os)
Lichtquellen, der Beleuchtungskörper und
durch ihre gute formale Durchbildung. Bei
der Ausstattung der einzelnen Innenräume,
der getäfelten Zimmer, Möbel, Stoffe, Beleuch-
tungs- und Heizungskörper hat der Architekt
auf das Zusammen-
gehen von Form
und Farbe größten
Wert gelegt. Durch
Verwendung ge-
schickt ausgewähl-
ter reizvoller Ma-
terialien : Glas, Me-
talle, Intarsien, an
Möbeln und Täfe-
lungen und derglei-
chen sind bemer-
kenswerte dekora-
tive Wirkungen er-
reicht worden. Und
er konnte das alles
erzielen trotz der
bei solchen Aufga-
ben gebotenen Be-
schränkungen, vor
allem in der Ein-
haltung der dafür
angesetzten Mittel.
Seine in der Ar-
chitektur und Hand- ,,,„, rvam-SBmci:K
werkskunst gesam- £rt,r/>nHu.
melten Erfahrungen konnte er aber erst zur
vollen Entfaltung auf einem Gebiete bringen,
wo die künstlerische Gestaltung weniger durch
den Zweck eingeschränkt und behindert, sich
freier und selbständiger geben konnte. In
diesem Sinne bietet
der Kirchenbau der
architektonischen
Gestaltung eine der
reizvollsten und
schönsten Aufga-
ben. Dennüberdem
Zwecke steht im-
mer noch die ideale
Grundstimmung
der Kirche selbst.
Zudem bildet die
Kirche gewisser-
maßen eine Ver-
sammlungsstätte al-
ler Künste, Archi-
tektur, Malerei und
angewandte Kunst
durchdringen sich
hier, gehen inein-
ander über und er-
gänzen einander.
Die Kirche als Ge-
samikunstwerk bie-
PFAURiiAusiNwiEsiMiiM- tctsomitdem Ar-
ygi, „if,, chitekten eine em-
e^ ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER ^
69
zige Schaffensgelegenheit, bei der er
alle Register seines Talents und seiner
Kunst ziehen kann. Die ersten Auf-
gaben, die unser Architekt auf diesem
Gebiete zu lösen hatte, waren An- und
Umbauten an alten Landkirchen. Dabei
kam ihm gerade seine vernünftige Wer-
tung alter Stilarten, die ihn den gol-
denen Mittelweg zwischen Altem und
Neuem gehen hieß, sehr zustatten. Ge-
rade weil ihm ein hervorragendes Ver-
ständnis für das historisch Gewordene
eigen ist, empfand er darin wie die
Künstler der Übergangszeiten, die das
Neue unbedenklich an das bereits vor-
handene Alte sinngemäß angliederten.
Mit der Devise »Nur keine Kopie, son-
dern alles neuzeitlich und selbstän-
dig«, kam er dem dringenden Bedürf-
nis, der modernen angewandten Kunst
und dem modernen Kunstgewerbe Raum
zu gehen, entgegen.
Gleich eine seiner ersten Arbeiten, der
Predigtstuhl in der Kirche zu Grafen-
reinfeld und die Restauration der Pfarr-
kirche zu Mürsbach, Bez. -Amt Ebern,
zeigt, wie er es verstand, sowohl in der
Form als auch im Materialausdruck neu und
überraschend zu wirken. Und dieses Verfah-
ren war im Rahmen einer Barockkirche voll-
kommen gerechtfertigt. Denn gerade diese
Stilrichtung äußerte sich für die damalige
Zeit nicht weniger neu und überra-
schend durch Anwendung neuer Mate-
rialien und Ausdrucksmittel (Abb. S. 9 1 ).
Sein feinsinniges Einfühlen in den
Geist dieser Tradition beweist weiter
der Bau der Gnadenkapelle Erlach bei
Weismain. Der hübsche Bau ist in der
Formensprache des heimischen Barock
im fränkischen Sandstein erbaut und in
der Anpassung an die heimische Bau-
kunst ein im besten Sinne bodenstän-
diges Bauwerk (Abb. S. 96).
Wiederum auf eine andere Weise ist
die Kirche zu Adelsdorf gestimmt; sie
ist mehr in einer romanisierenden For-
mensprache gehalten. Außerordentlich
gelungen ist die Gestaltung jener Partie
der Außenseite, welcher die Treppe mit
den beiden Säulen angegliedert ist ; eine
Situation, die der Architekt zur An-
bringung guter Plastik in vorbildlicher
Weise gewertet und ausgestaltet hat
(Abb.S. 65, 80 u. 81). Das außerordent-
lich schöne Presbyterium dieser Kirche
mit der Plastik und Malerei von Hans
Angermair ist den Mitgliedern der Deut- nurz fuchsenberger
ERITZ rUCHSEKBERGER PROT. I'FARRH.'iUS IN Kl'NREUTH (1907)
sehen Gesellschaft für christliche Kunst ja be-
reits durch die Publikation in der Jahresmappe
bekannt geworden (Mappe 191 1; s. Beil.).
Wie dieser Künstler als Architekt bei der
Um- und Ausoestaltuna; von Kirchen die be-
PROl. I'FARKIIAL'S FGLOFFSTEIN (1904)
70
ARCHITEKT FRITZ FÜCHSENBERGER ©SU
Miliz I l'Chsi:xbi:kgkk schlihals ix ki.osier hbrach (i.j,.6)
sonderen Verhältnisse wahrzunehmen versteht
und zuzeiten bei Beschränkung der Mittel
aus der Not eine Tugend zu machen weiß,
dafür spricht vielleicht am überzeugendsten der
Umbau der Kirche von Burgsinn (Abb. S. 76 -79).
Hier war bei dem geringen Budget an eine
reichere architektonische Ausgestaltung nicht
zu denken und daher die Verwendung der
Farbe als Bauelement geboten. Die Farbe
sollte den Raum in dem durch die räumliche
Gestaltung vorgebildeten Sinne weiter aus-
gestalten und schmücken; ein Gedanke, dem
durch die Ausführung des grandiosen Decken-
bildes von Akademie-Prof. Karl von Marr eine
glänzende Erfüllung ward. Nicht weniger
wirksam erwies sich auch der farbige Schmuck
der Empore und der Glasfenster durch Bilder
von Prol. Pius Ferdinand Messerschmidt. Auch
bei der Kirche zu Kraisdort bot sich Gelegen-
heit für eine malerische Ausgestaltung, die der
bekannte Münchner Maler Max Roßmann sehr
glücklich auf den volkstümlichen Ton der
Dorfkirche stimmte.
In weitgehendem Maße beschäftigte Fuch-
senberger bei Gestaltung der Altäre, des
Kirchengestühls und der Geräte das Kunst-
handwerk: Beispiele für solche überaus ge-
lungene, prächtige Arbeiten bieten der Hoch-
altar in der Kirche von FJiingen a. D. (Abb.
S. 92 — 93), die innere Einrichtung der Kar-
meliterkirche zu Bamberg, die Beicht-
stühle, die Beleuchtungskörper und die
Seitentabernakel der Pfarrkirche zu
Mürsbach, die Kommunionbank, d e
Kanzel, die Orgelempore der Pfarr-
kirche zu Burgsinn u. a.
Daß bei aller Verwendung moderner
Ausdrucksmittel und Materialien dabei
doch der Charakter der fränkischen
Dortkirche vollkommen gewahrt wurde,
davon überzeugen unsere Bilder. So
schreibt Dr. Ludwig Baur über die
Orgelempore zu Burgsinn (Abb. S. 78):
»Da sie sich von allen Extravaganzen
freihält, wird trotz ihres modernen Cha-
rakters, der religiöse Stimmungscharak-
ter des Gotteshauses nicht nur nicht
gestört, sondern verstärkt und unter-
stützt.« Von der mit Worten schwer
wiederzugebenden Intimität und Stim-
mung dieser \\'irkungen geben aller-
dings auch einfarbige Bilder nur einen
schwachen Schein.
Es bleibt ein nicht genug anzuerken-
nendes Verdienst unseres Architekten,
daß er sich bei jeder dieser Aufgaben be-
mühte, immer das Möglichste zu leisten
und durch Heranziehung erster Kräfte
auch die einfache Dorfkirche durch Kunst zu
adeln.
Der Architekt ist heute mehr denn je der
Mann für alles. Wie ein Organisator steht
er im öffentlichen Leben und täglich kommen
an ihn neue Aulgaben heran, denen er Ge-
stalt und Form geben soll. Der größte Teil
seiner Tätigkeit wird durch Anforderungen
des nur Nützlichen und Zweckmäßigen ab-
sorbiert, und es ist oftmals sehr schwer, der
Geschäftigkeit des modernen Lebens gegen-
über den künstlerischen Standpunkt zu wahren.
Wer aber bei all diesen Aufgaben auch den
künstlerischen Standpunkt vertritt und in sei-
nen Arbeiten zur Geltung bringt, verdient als
Künstler beachtet und gehört zu werden.
Bei all diesen Arbeiten, die wir hier be-
sprochen haben, konnten wir wahrnehmen,
daß unser Künstler von Anfang an bestrebt
war, bei jeder ihm gewordenen Aufgabe inner-
halb der Grenzen des Möglichen das Mög-
lichste zu leisten. Ob es sich um den Uni-
oder Neubau einer Kirche handelt, oder um
den Entwurf für ein Grabmal, Möbel oder
Beleuchtungskörper, immer sucht er der Auf-
gabe die künstlerische Seite abzugewinnen
und sie mit künstlerischen Mitteln zu lösen.
und so erwuchsen ihm aus jeder Autgabe
und Situation heraus neue Gedanken, kamen
ihm neue Einfälle und Erfindungen. Darum
FREMDE EINFLUSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST e^
71
1 KH7, 1 ICIISKN'liERGliK
sciiri.iiAi's i\ 1-71 ri.ii;i:\ UEi sciiwiaxi rui (ivns)
erscheint uns im Hinblick auf das bisher Ent-
standene sein Scharten überaus reich, viel-
gestaltig und fruchtbar und darum auch be-
sonders aussichtsreich und wertvoll als eines
Schöpfers auf dem Gebiete der christlichen
Kunst. Alexander Heilmeyer
FREMDE EINFLÜSSE IN DER
JAPANISCHEN KUNST
Von Dr MAX R. FUNKE
Tn den Klöstern zu Horyuji und Koyasan,
* in den großen Tempeln und in den Museen
zu Nara und Kyoto finden wir seltsame
Überraschungen, herrlich gemeißelte Gott-
heiten, einzelne interessant, manche ausge-
sprochen schön. Einige sind mit gefalteten
Händen, andere kniend wie christliche Heilige
abgebildet, andere wieder haben Aureolen,
Lotosblumen haltend, scheinen zu träumen,
Träume, die Meditationen sind. Eine Gestalt,
eine Art Tiara auf dem Kopf, hat sechs Hände,
zwei davon sind gefaltet und die anderen weit
ausgestreckt, die wunderlichsten Gegenstände
haltend, und diese Gestalt steht auf einem zu
Boden gestürzten Dämon'). — Eine andere Ge-
stalt wieder ruht auf dem Geringel einer großen,
'j Wir veröffentlichen vorliegenden Aufsatz aus beson-
derer Veranlassung, reden aber keineswegs jener über-
schwenglichen Huldigung das Wort, welche vor mehreren
Jahren gegenüber der ostasiatischen Kunst eingerissen und
nur bei Spezialforschern zu verstehen ist. D. Red.
FRITZ FUCHSENBERGER
K. POSTAMT BURGKUKSTADT (1905)
^ FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ^
f
I
I
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^jf^S ^'^y
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■
FRITZ FUCHSEN'BERGER
K. OBERPOSTDIREKTIOX 1\ BAMBERG. PORTAL (1906)
Plastik Prof. Widmer- Nürnberg
giftigen Schlange. Nahe dabei steht ein großer
Steinblock, der auf dem oberen Teile seiner ge-
meißelten Flache ein Reliefbild Buddhas, auf
einem Lotos in Betrachtung versunken, dar-
stellt. Ich sehe eine andere auf dem Lotos
ruhende Gestalt mit dem Schwert in der
Hand, von lohendem Feuer umgeben, es ist
Fudo-Sama-Buddha als der Unbewegliche, der
Unerschütterliche. Das Schwert bedeutet In-
tellekt, das Feuer Kraft. Ein anderer Buddha
daneben ist in Meditationen versunken mit
dem Knäuel von Stricken in der Hand; dies
sind die Stricke, welche die Leidenschaltcn
und Gelüste binden. Hier ist auch ein schlum-
mernder Buddha, mit dem sanften milden
Ausdruck eines Kinderantlitzes mit geschlos-
senen Augen, die Wange in die Hand ge-
schmiegt, in Nirvana. Hier diese feierliche
Figur in sitzender Stellung, die in einer Hand
eine Vase hält, die andere erklärend, wie ein
Lehrer, erhebt, ist YakushiSamaBuddha, der
Allheiler, der Arzt der Seelen. Und unter all
den Statuen von Shaka, Amida und Yakushi
sehen wir Buddha, auf dem Lotus thronend,
mit halbgeschlossenen Augen, auf der Stirn
das Wahrheitszeichen, in einer Ruhe und
Feierlichkeit, die weder Schmerz noch Ver-
gnügen ausdrückt. Viele dieser Skulpturen
stellen Buddha in meditierender oder ermah-
nender Stellung dar, einzelne auch in schla-
PORTAL DES KGL. BEZIRKSAMTSGEBÄUDES ZU SCHWEINFURT
VON FRITZ FUCHSENBERGER
FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST
73
I KITZ 1 ICHSEXBERGER
Obeyposidirektion
IREI'PENHAUS
fender Stellung, mit dem ruhevoll träumenden
Antlitz eines Kindes, eines japanischen Kin-
des, das ist Nirvana. Neben den vielen, vielen
gemeißelten Gottheiten sehen wir ein Bas-
relief mit zahllosen Armen. Das erste Paar
Hände ist gefaltet, während von der Schulter-
linie unzählige Arme nach allen Richtungen
herausragen, alle möglichen Dinge wesenlos,
geisterhaft haltend, gleichsam Bitten erfüllend
und vielleicht die Allmacht der Liebe sym-
bolisierend. Dies ist nur eine der vielen For-
men von Kwan-on, der
milden Göttin, der Göttin
der Barmherzigkeit, die der
armen Menschenseelen wil-
len die Ruhe Nirvana ver-
schmähte. Sie selbst wird
stets als schönes, heiteres
japanisches Mädchen abge-
bildet, meist mit vier Ar-
men, aber hier erscheint
sie als Senshu Kwan-on,
die tausendarmige Kwan-on .
Hier ist eine schöne, jung-
fräuliche Gestalt, sie steht
auf einer Lilie, es ist Kwan-
on-Sama. Rührend ist die
weiße Steingestalt des Jizo, iruz i ucihsknhei.
des Gespielen der toten Kinder. Wie ein
schöner Knabe mit halbgeschlossenen Lidern,
das Antlitz verklärt durch ein Lächeln, wie
es nur der buddhistischen Kunst eigen ist. Er
lächelt dasselbe sanfte Lächeln, archaistisch ge-
heimnisvoll und sein weiches Kindergesicht
ist rührend.
Andere Bosatsu, die Bodhisattva aus Indien,
sehen wir geschmückt zum Unterschied des
schmucklosen Buddha, weil erstere noch dem
Leben angehören. Und die Rakan, die Arhat
der Inder, die Schüler Buddha, kaum beklei-
det, mit langen Haaren, heftig in ihren Weh-
klagen, noch den menschlichen Leidenschaf-
ten ergeben, von denen sich ihr Herr befreit
hat, sitzen neben Bonzen, Heiligen, indischen
Mönchen. Buddha, Bosatsu, Rakan und Bon-
zen, diese Opfervotive, skulptiert oder gemalt,
in den Klöstern von den Mönchen selbst,
sind nur Repliken eines Typus, eines Aus-
drucks. Seit der Einführung des Buddhismus
in Japan gegen das Ende des 6. Jahrhun-
derts malten und skulptierten die meisten
Bonzen, d. h. sie ließen die Bilder und die
Büsten von Künstlern anfertigen, und es war
damals Sitte, daß ein berühmter Bonze an
all den Gemälden und Statuen eine letzte
Hand daran legte, indem er den Porträts so-
wie den Büsten die Augen öffnete. Deshalb
bezeichnete man ihn stets als Schöpfer des
Kunstwerks.
Die schönsten Werke dieser buddhistischen
Kunstbilder sind die Nyo-i-rin Kwan-on im
Chuguin bei Horyu-ji zu Yamato (um die
Wende des 7. Jahrhunderts), Kwan-on im Sang-
watsudo im Todai-ji zu Nara (zweite Hälfte
des 8. Jahrhunderts), Shaka im Shin-Yakushi-
ji bei Nara (8. oder 9. Jahrhundert), Amida
Botsu im Hokai-ji zu Uji von Jocho (um die
Wende des 11. Jahrhunderts), Dai-Botsu in
Kama-Kura (1252), Shaka- und Yakushi, Nyo-
christUche Kunst
74
7S
7^
©^ FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ^
rai , von Tori-
Busshi im Horvu-
ji aus der Suiko-
Epoche (um die
Wende des y.Jalir-
hundertsjundYa-
kushi imYakushi-
ji zu Nara au^
der TempyoEpo
che (722—748).
Die japanischen
Klöster sind reich
an gemalten Por-
träts der Rakan;
so besitzt gerade
das Dai-toku-ji
in Kyoto deren
schönste Serien.
Hierher gehören
auch die indi-
schen Mönchs-
bildnisse, besser
japanische in in-
disclier Tracht,
wie Yuima, ein
trockner Lack im
Hokke-ji zu Nara,
wahrscheinlich aus dem 8. Jahrhundert und
derselbe von Unkei (12. — 13. Jahrhundert).
Neben diesen Porträts finden wir noch in
bunter Reihe gemalte Bildnisse von Shotoku-
Taishi (um die Wende des 7. Jahrhunderts),
Kakemonos des Tempelschatzes im Horyu ji
von Shogun-Yoshimasa in Mönchstracht im
Gingaku-ji zu Kyoto (15. Jahrhundert). Der
Kakemonos Jit-chin im Louvrc ist trotz seiner
FR] rz rUCHSEXBERGER
Erweiterungsbau.
großen Retusche
ein äußerst gutes
Exemplar dieser
buddhistischen
Porträtkunst. Die
Holzbildnisse Ro-
ben aus dem Ende
des 8. Jahrhun-
derts im Roben-
do bei Todai-ji
zu Nara, sowie
Kwanshin, auch
aus dem 8. Jahr-
hundert, im Tos-
hodai-ji, stellen
japanische Bon-
zen dar. Vom
13. — 15. Jahrhun-
dert skulptierte
und malte man
nach Herzenslust
Porträts hoher
Persönlichkeiten ,
welche für den
Buddhismus Pro-
paganda mach-
ten. Viele dieser
Porträts sind mit einem minutiösen Realis-
mus umgeben, so das Holzbildnis des fünf-
ten Vize-Shogun von Kamakura, Toki3'ori
Hojo im Jagdkostüm (13. Jahrhundert) und
der Kakemono Minamoto Yoritomo von Fuji-
wara-Takanobu (12. Jahrhundert). Auf diese
Kunstform in Japan war die chinesische Kunst
der T'ang nicht ohne Einfluß gewesen.
Die einstigen präbuddhistischen Kunstreli-
KIRCHE IN BURGSIXX (i
Hiriß unten. — Tejcl S. 70
TRITZ FfCHSEXBERGER
GRUXDRISS DER KIRCHE IX BURGSIXX
©^ FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ®^
77
I Kiiz 1 iciisu\bi;rc,ek
KOMMLTNIONBANK IN DIK I\1RCIII£ ZU BL'KGSINK (i^.,6)
Alicrl-Niiriil'trg. tgl. Abi: S. 79
quieii in Japan sind plumpe Tonliguren, welclie
Menschen und Pferde darstellen. Es war da-
mals eine alte Sitte, um das Grab der Mika-
dos einige seiner Vasallen lebendig einzu-
graben so, daß nur die Köpfe aus der Erde
sahen, welche schließlich von wilden Hunden
und Raben gefressen wurden. Diese barba-
rische Sitte verging bald und man begrub
mit dem Mikado tönerne Menschenfiguren.
Das kaiserliche
Museum in Tokio
besitzt eine Men-
ge solcher Ton-
statuetten. Zwi-
schen diesen und
den ersten Wer-
ken der buddhi-
stischen Kunst
besteht kein Zu-
sammenhang,we-
der in der Ent-
lehnung noch in
der Technik. So
gehört Kokuzo
Bosatsu im Stil
Hammen im Mu-
seum zu Nara als
ältestes Exemplar
wahrscheinlich
der SuikoEpoche
(593 bis 628 n.
Chr.) an undSha-
ka sowie Yakushi
Nyorai von Tori
Busshi (607-623)
im Kondo des
Horyu ji. Mit dem
Beginn des Jahres
1330, das ist jene
Epoche der Wirr-
nisse und Kämpfe
zwischen beiden
Höfen des We-
iRirz iLijisi:NiiKi
stens und Ostens, zwischen den zwei Kaiser-
familien Ashikaya, welche siegte, und Kama-
kura, die sich nach Kyoto zurückziehen mußte,
ging diese Kunst nach sieben Jahrhunderten
glorreichen Blühens dahin. Zwar verschwand
sie nicht mit einem Schlag, sondern sie wie-
derholte sich. Seit dem ii. Jahrhundert hat
Jocho den Kanon der Schule geschrieben,
der einzigen Schule der Bildhauerkunst, welche
sich in Japan vom
Vater auf den
Sohn oder durch
Adoption bis heu-
te vererbte. Nach
dem Untergang
der buddhisti-
schen Skulpturen
haben dicjapaner
das Interesse für
die menschliche
Darstellung nicht
verloren; die Ma-
ler der Schule
Tosa seit dem
S.Jahrhundert, die
Maskenbildhauer
der lyrischen Dra-
men, die No im
14. Jahrhundert,
die Netsuke-
Schnitzer im i6.
Jahrhundert und
die Farbholz-
schnitzer der
Volkschule vom
17. — -19. Jahrhun-
dert. Was die
menschlichen
und tierischen Sil-
houetten anbe-
trifft, so sind sie
keineswegs aus
den Meisterwer-
KAHI I-KE1II1-K|;L, \()N rilCXGENSCHE
GKABKAPELLE IX BURGSINN' (1907)
'Jon Albert-Nürnl'trg
7«
&m FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST
HUT/. rUCII5EXBElU,i;K
Orgelempore. — Text S.
ken der Ukiyo-e, der Volksschule (vom Ende
des 17. bis zur ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts) entlehnt. Seit dem 12 Jahrhun-
dert (Makimonos von Toba Sojo) in der Zeit
der buddhistischen Kunst hatten die Japaner
einen freien Geschmack für die Karikatur
gezeigt. Die Werke eines Iwasa Matahel
(Ende des 14. Jahrhunderts), des größten
Freundes der Volksschule, ähneln in vieler Be-
ziehung in ihrem Sujet wie Technik gewissen
Bildnissen aus der Tosa Schule (13. Jahrhun-
dert), vergleiche die Wandbilder in den beiden
Sälen des Schlosses zu Nagoya, Straßensze-
nen aus Osaka und Kioto darstellend. Defor-
mation wie Karikatur in der Bildhauerkunst
gehen nicht erst von den Nctsuke (16. Jahr-
hundert) aus, sondern sind schon in der Hälfte
des 8. Jahrhunderts vorhanden gewesen, wie
uns die Tonstatuetten, eine Gruppe des Nir-
vana vorstellend, im Museum zu Nara be-
weisen. Meisterhaft haben es die Japaner ver-
standen, die Karikatur auch
auf das Tierleben zu übertra-
gen. Da erscheinen in bunter
Reihe burleske Prozessionen,
in welchen Insekten in gezier-
ten Posen, furchtsame Hasen,
heuchlerische Füchse und zere-
moniöse Frösche feierlich auf-
marschieren. Berühmt sind ja
die Tierkarikaturen von Toba-
Sojo, die Makimonoskizzen
von Kakuyin (12. Jahrhundert)
im Museum zu Kioto und
die karikaturenhaften Skizzen
einer Fuchshochzeit von Ikkai,
Ukida(erstenHälftedesi4.Jahr-
hunderts) im Stil der alten
Tosaschule gehalten.
Auf Innendekors der Stores,
hellen Matten, der schwarzen
Lackkästen, zwischen den Sim-
sen der Türen bemerken wir
irgend eine Gartenecke, wo
Zwergbäume, Bambusstauden
stehen und dazwischen über
Felsen und Gestein ein sich
schlängelnder Gebirgsbach
rauscht. Dann die pracht-
vollen Landschaftsdekore, Blu-
men- und Neujahrsfeste, poeti-
sche Spiele, galante Feste un-
ter blühenden Kirschbäumen,
Träumereien in der Dämme-
rung oder im Mondenschein
am Ufer eines wildwogenden
Meeres, nächtliche Kahnfahr-
ten, prächtig illuminiert mit
Papierlaternen; unsere Verwunderungen vor
den hundert Aussichten des Fuji-Yama oder
den acht Schönheiten des Biwasees, blau das
Meer unter einem blauen Himmel, blau die
Flüsse zwischen beschneiten Ufern, blau die
besternte Nacht, scharlachrot die Dämme-
rungen, weiß die Kirschbäume und gelbbraun
der Erdboden, hier der rote Fuji, dort der
braune Fuji und dann wieder der blaue Fuji.
Und in all dieser Farbenpracht bewundern
wir von neuem die Frauen beim Bad, im
Hause und im Freien, junge Mädchen spielen
mit Katzen und lassen sich von ihren langge-
schweiften Hähnen oder Liebhabern bewun-
dern, in schönen Rohen, deren schmiegsame
lange Linien in grüner, schwarzer oder vio-
letter Harmonie widerstrahlen, sehen wir
sie in harmonischer Haltung trippeln, auf
Malten sitzen, in ihren graziösen Bewegun-
gen des Kopfes, des Nackens und der Schul-
tern, Raflinements, die unserm Auge Über-
KlKCllE IX BURGSIKX
FRHMDH EINFLÜSSE IN DER lAPANISCHEN KUNST
79
KIRCHE I\ BURGSIXK (1906)
Mit dem Gemäldr des hngrl:
raschung, Erstaunen oder gar Schrecken
auslösen.
Hier sehen wir junge Mädchen in ihren
vollen Formen eines Moronobu, dort wieder
wahre Skelette eines Harunobu, oder die
schmächtigen, langaufgeschossenen Frauen-
gestalten eines Utamaro. Unter einem dünnen,
fast zerbrechlichen Halse strebt wie eine
Blumenkrone die blauschwarze Frisur der
Japanerin empor, man sieht nur drei Viertel
des Gesicht, manchmal auch ein verlorenes
Profil, dessen Angesicht in einem Spiegel
wiedererscheinf, immer geneigt, steif, unemp-
findlich, ohne Freude, ohne Schmerz, biswei-
len kaum melancholisch oder ein wenig
lächelnd; Physiognomien zierlicher prachtvoll
gekleideter Bürgermädchen, in unbestimmter
Haltung, im unpersönlichen Ausdruck, Physio-
gnomien von Geishas und Kurtisanen, sche-
matische Gesichtszüge, welche kaum variieren.
Das sind »Frauenbilder dieser eintägigen Welt«,
sagt Moronobu, »Immergrüne Pflanzen«, meint
Sukinobu von seinen Modellen.
Und nun das Nackte! Die Japaner hatten
immer Gelegenheit gehabt, das Nackte zu
sehen und zu studieren: die nackten Athle-
ten während der Kämpfe, die nackten Beine
der Yinrikishamänner und der Reispflanzer,
die Nacktheit der Frauen und Männer in den
öfl'entlichen Bädern, wo beide Geschlechter
zusammen baden. Sie sehen das Nackte, aber
sie betrachten es nicht, nicht etwa, daß sie un-
fähig wären, es zu zeichnen oder zu model-
lieren: die buddhistische Kunst hat uns nur
den Torso zum Betrachten gelassen, wie z. B.
der Torso des Nio im Kofuku-ji zu Nara
(8. Jahrhundert), doch nach dem 14. Jahrhun-
dert beschränkte sich das Nackte lediglich nur
auf das Gesicht, auf eine leere Physiognomie.
Seit sechs Jahrhunderten, seitdem die große
buddhistische Bildhauerkunst nachgelassen hat,
lebt der Japaner nur noch in der Karikatur,
3o
S:M FKEVrOE EINPLÜSSE TV DEK TAP ANISCHEN KUNST ^M
Tgfi. JSB.. S^. äs tuidl Se.. — Taxe S.- Sif
& sr airnrfei sraff cEe Tiarweßi äfcertriig.. Heuie
liefet er Lami-sclrafeii, Cfeferrgs- nnd Felspartiem,,
Wasserfälle, Lagimeii, See- und Golfdarstel-
kraigen;. Anivingücli sind die Laadschaften
dmrdi die fe-mddlustisciiem Lehrern der Zensekte
EreemfinJät worden. Sie sind keine DarsteEnn-
gen fä^fanöscher Szemerieii;,. sondern Nacfc-
jiBirnrmgPT), ans, diinesiscfaen Werken derX ang-
SiM- wnä Nord-Scmg-r der Ynan- end Ming-
E^jm-astie. So' gab es Ende der Fnjiwara-Pe-
ric'^ -- i ies ri. and 12. JaJiriinnderts)
eir r Sdxnle der Landschaft. Bie
Ec.^- ^..:i Franen verwandten ilire Zeit
anf die fnsnma, den Papierwändett^ und anf
(ä& Biabn, den Wandsch rrmen, zn den aia%e-
zeicIaneteB Sprachen nnd Liedern Landschafts-
stücte r™ rnalen. Diese Szenerien wnrden
na;' "i-.on der Yamato-Schole ansge-
ffii " • :■; zaHreicher Landschaften der
T'. - • ' -- • - - .Vns der Tang-
©■; " — : rsiczt das Mn-
se . . . .;.iterwerke: Ge-
bir . : "'aiistücken von Wa-
Ta.- - •; and der Wasserfall
von 7\('iü,-"Ä'ci. ^.i. Jaüiüandert). Aas der Song-
Dynastie (960 — 1259), sind die Ma-
kemono von Mue-clii(Mokkei), von
Chao-chang (Nord- Sang- Dynastie
960 — 1126), von Ma-Yuan (Siid-
Song-Dynastie 427 — 1259) und
von Ma-Kaei, älterem Bruder von
JiLi-Yaan, vorhanden. In der Yuan
(1280 — 1567) and Ming-DynastLe
(1567 — 1643) kam der Kursivstil
(sosho) an^ tmd die japanischen
Eainstler der Higashima-Periode
(iilrtte des ij. Jahrhunderts) ahm-
ten mit sehr großem Geschick die
kostbaren Schöpfungen eines Mu-
chi und Ma-Yuan nach. Josetsu,
ein chinesischer Priester der Ming-
Dynastie, welcher sich später als
Japaner naturalisieren ließ, führte
in Japan die prachtvollen buddhisti-
schen Monochrome ein ; sein Schü-
ler Shubun beeinflußte Sesshtr,
einen Priester der Zensekte und
Schöpfer der berühmten Land-
schaften der vier Jahreszeiten; Kano
Masanobu gründete gegen Ende
des 15. Jahrhunderts die Kano-
Schnle und sein Sohn Kano Moto-
nobn malte die acht berühmten
Szenen in Hsiao und Hsiang, so-
wie die vortreffHchen Wandge-
mälde im Museum zu Kioto, jene
brausenden Meereswellen über
Schieferfelsen.
Die japanischen Künstler, nicht zufrieden
Euit den prachtvoll gelungenen Reproduktio-
nen der acht berühmten chinesischen Ansich-
ten in Hsiao und Hsiang an der Südküste
des Tung-ting-Sees : Abendgeläute von fernem
Tempel, Abend im Fischerdorf^ Angenehme
Wmde im Bergdörfchen, Heimkehrende Seg-
ler, Seelandschaft im Herbstmond, WUdgänse,
Äbendregen, Abendschnee am Ufer, von dem
Chinesen Mu chi (Sang-Dynastie) und von
Japanern Soami, Shokei, und ganz besonders
von Kano Motonobn meisterhaft produziert
worden, japanisierten sie Ln die acht Schön-
heiten des Biwa-Sees; Sonnenuntergang in
Seta, der Ishuyama im Herbstmond, Winter-
abend anf dem Hirayama,, Glockengeläute in
MSderä, aus Yabase zurückkehrende Segel-
boote, Sonnenschein in Awaza, Abendregen
in Karasaki und WUdgänse über Eüatau. Ob-
gleich unser Atige noch vom Buddhismus
umnebelt, bewundert es von neuem Räche
vsie Farbe, die während ihres tausendjährigen
Bestandes von ihrer Festigkeit una Glanz
nichts verloren haben. Beredsamer als diese
Gemälde sind gewisse Gänen des alten Ja-
€53« rRHNtni- l-lNM.ÜSSl- IN DKR lAPANlSCHKN KUXST ßSÄ
Si
pans, buddhisti-
sche Zutluchts-
ortc, wo Eingc-
weilue ihren
Gottesdienst ab-
halten, jene Gär-
ten , welche
noch heute Kyo-
to berühmt ma-
chen, die vom
14. Jahrhundert
iuid 17. Jahr-
hundert von
Künstlern, wie
Soami und Ko-
bori Enshu für
die Shoi^un und
Edlen zeichne-
ten, welche sich
den Kopt rasie-
ren lieL^en, be-
deckt mit ei-
nem rituellen
Schleier von der Welt Abschied nahmen und
Inkyo wurden I Kinkakuji, Ginkakuji, Katsura,
Daitokuji, Xanzenji, Myoshinji . . . Hier wie-
der andere abgesonderte Gärten in Miniatur,
umhegt von dichten Baunigruppen und um-
geben von einem künstlichen ^ee, wo der
Garten eine Insel bildet, in welchem man
kleine Rambuskioske oder y.wischen immer-
grünen Zwergbäumen kleine Häuschen aus
Holz und Papier errichtete, um sich dort un-
gesiön den poetitschen Übungen, den Tce-
zeremonien und Blumenarrangements hinzu-
geben. Der Japaner in seinem Jubel, in seiner
Freude, gewürzt
mit einer Dosis
Emplindung,
liebt alles das,
was er nicht
rweimal sehen
kann. So liebt
er unendlich
wälirend der
Winterszeit,
wenn es drau-
ßen friert und
schneit, und er
sein Papierhäus-
chen heizen
muli, in seinem
Zimmer einen
Holzschnitt
oder einen Ka-
kemono eines
Wasserfalls oder
einer Sommer-
landschaft auf-
zuhängen, während ihm in den Hundstagen
ein W'interbild unendliche Freude bereitet.
Auch rindet er nicht minder\'ergnügen daran,
den Abend mit seinen Freunden am Golf von
Tokio zu verbringen, um den Aufstieg des
Mondes anzusehen. Immer ist es das Rauschen
eines W^asserfolles, das Vergehen einer Jahres-
zeit, das Gleiten des Mondes, klassische Bilder
gewisser Eintagsfliegen, die d.is freudige \'olk
von heute wie liie Aszeten von ehedem sich ge-
fallen zu betrachten. Man vergleicht einen wert-
vollen Farbschnitt eines Hokusai mit einem Ka-
kemono eines Motonabu; die Landschaft hat
i«n
!
S—l'P
O O O c
enauh-iß Ar A%\-ir jW ,<ä>äA>»/, Vfi, S, as «»-'" ■?"
82
FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ©^
l-KirZ HXII,stNt;hKl.hl<
i'Kl.)l. KlKl.HEM MUAU OHLRLLblALlI
(PFALZ) (1911)
ihre buddhistische Ruhe, ihre Eintönigkeit,
ihre Allgemeinheit, ihr Düster verloren, sie
ist kein Traumgebilde mehr, sondern eine
wirklich vorhandene Gegend des Tokaido,
des Fuji oder des BiwaSees. Boden, Meer
und Himmel erstrahlen in den lebhaftesten
Farben und unter blühenden Kirschbäumen
belustigt sich eine gar bunte fröhliche Menge
beim Sake, oder sie schwatzt, leiht ihr Ohr
dem näselnden Klang einer Laute, dem Ge-
sang der Geisha, oder sie ergötzt sich damit,
kleine Gedichte an Baumzweige aufzuhängen.
Dieser Enthusiasmus, die Wiedererneuerung
des Lebens zu feiern, finden wir ebenfalls
bei Betrachtung der zitternden und brausen-
den Landschaften. Hanshu Sanjin tat nicht
unrecht, wenn er im Vorwort zu Hokusai-
Mangua sagt: Die Handlungen und das Äu-
ßere der Menschen drücken bewunderungs-
würdig ihre Gefühle der Hoffnung und Täu-
schung, der Leiden und Freuden aus. Aber
die widerhallenden Gebirge, die brausenden
Stürme, die zitternden Bäume und die Pflan-
zen haben auch ihre eigenen Charakterzüge
und die Vögel, die Reptilien und die Fische,
sie alle sind voll von Lebenskraft und unsere
Herzen erfreuen sich, eine solche Fülle von
Glück und Freude der Natur zu betrachten.
Wie sie sich über die Land-
schaften, über die Blumen, über
die Tiere beugen ! Man kann sagen,
daß befreit von einem hundert-
jährigen fremden Einfluß, sie wie-
der zur Natur zurückkehren, wenn
auch nicht in allen Naturformen,
so wenigstens in der menschlichen.
In Nashi-Honvvanji zu Kyoto, in
den Nekropolen der Tokugawa zu
Nikko, Shiha zu Neno, in der Kunst
eines Hidari Jingoro (1594 — 1634)
und seiner Schüler, wenigstens
schreibt man ihm das skulptierte
Tor des Nishi Honwanji und in
Nikko zwei Elefanten und eine
Katze zu, gibt es keine Spur der
buddhistischen Skulpturen mehr,
welche als große erhaltene Arbeit
die menschliche Figur darstellt,
von der Architektur losgelöst, die
sie beschützt, eine bewegliche
Kunst, gekommen von außen, eine
unbewegliche Skulptur als Basrelief,
bleibt sie den Gebäuden angehängt,
die sie schmückt, impressionistische
Skulpturen von Wolken, Blumen,
Bäumen und Tieren.
An Treppengeländern, Mauern,
Hausfassaden, Toren und an den
geschnitzten und bemalten Holzfüllungen se-
hen wir stolze Pfaue mit langen Federschwei-
fen und Finken unter Pfirsich-, Pflaumen-
und Kirschenblüten zerstreut sitzen; Sumpf-
vögel wiegen sich, ihre Köpfe in das Laub
versunken, Seevögel fliegen strichweise zwi-
schen Wolken und Meereswogen. Unter den
Dachsimsen der großen Tore (Torii) erschei-
nen in gar bunter Reihe Elefanten, Tiger,
Affen, Katzen, Silber- und Golddrachen. Und
die Vögel, Fische, Insekten, Drachen, Wolken,
Wellen, Bambus, Kirschblüten und Chrysan-
themen finden wir auch auf Netsuke, Lacke
und Schwertscheiden, Steingut, kurz auf allen
Oberflächen aus Elfenbein, Holz, Metall und
Ton. Eulen, Adler, Falken, Phönixe, Hähne,
schneeweiße Reiher, Nachtigallen und Stieg-
litze, sammetartige Tiger, schöngefärbte Hir-
sche, Affen weibchen, ihre Jungen flöhend, Rau-
pen, Eidechsen, Schildkröten, Frösche, Käfer
aus grüner Bronze, smaragdene Libellen:
alles unvergeßliche Farbschnittsilhouetten
eines Korin, Okyo, Ganku, Sesson, Hokusai,
Hiroshige und sind oft wahrer und getreuer
wiedergegeben, als die besten Frauengestaltcn
eines Ütamaro.
Dort wieder andere Tiergestalten! DerHirsch
der buddhistischen Entstehungsgeschichten
^ FREMDR EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST
FRITZ FUCHSEXBERGER
Wilhelm Resch-Miinche
l'KOT. KIRCHE OBERLlilAUr (PFALZ) (191 1)
Vgl. Abb. S. S2—S6
Steht, ganz Anmut, in schneeigem Stein auf
der Spitze von Toros (V'otivlaternen). Dann
sehe ich ein prachtvoll gemeißeltes Bild eines
Fisches, eigentlich die Idee eines Fisches, von
dem Bildhauer zu grotesker Schönheitswir-
kung verwendet. Er krönt den Gipfel einer
Gedenksäule. Der weitgeötfnete Rachen, der
eine dichte Zahnreihe zeigt, ruht auf der Spitze
des Blocks, der den Namen des Verstorbenen
tragt. Die Rückenflosse und der emporge-
steckte Schwanz ist zu einer phantastischen
Groteske ausgestaltet. Das ist ein Mokugyo,
dasselbe buddhistische Emblem, jenes hohe
hölzerne, golden und purpurn lackierte Ding,
auf welche die Priester, während sie das Su-
tra singen, mit dem umwundenen Hammer
schlagen. Und an einer anderen Stelle ge-
wahre ich endlich die Kitsune >Füchse«, idea-
lisierte Füchse, vergeistigte Füchse, Füchse
von unbeschreiblicher Anmut aus irgendeinem
grauen Gestein gemeißelt. Diese geheimnis-
vollen, geisterhaften Geschöpfe haben ge-
schlitzte, unheimlich funkelnde Augen und
sie scheinen zu knurren. Als Diener des Reis-
gottes, Vasallen Inari-Samas, gehören sie nicht
zur buddhistischen Ikonographie, sondern zur
Bilderwelt des Shintoismus.
Der buddhistische Glaube, in einer Zeit von
sieben Jahrhunderten (7. — 14. Jahrhundert)
flößte den Japanern die Kunst der menschli-
chen Figur ein, welche ausschließlich in der
Unpersönlichkeit und Physiognomie eines
Buddha und seiner Schüler dargestellt wurde.
Die ersten buddhistischen Werke in Japan
sind, wie schon oben erwähnt, unförmliche
Menschen- und Pferdebildnisse aus Ton, welche
man um die kaiserlichen Gräber als Vertreter
der Vasallen begrub. Das ist eine fremde Kunst,
verbunden mit einer fremden Religion. Der
Buddhismus, gegen Ende des 8. Jahrhunderts
aus Korea eingeführt, brachte auch die korea-
nische Kunst mit nach Japan, deren Werke
wir leider nicht kennen. Aber dennoch gibt
es einen koreanischen Künstler, dem man
eine der ältesten buddhistischen Skulpturen
von Japan, die Statue, halb Lack und halb
Holz, auf einer Seite geschnitzt und auf einer
Seite flach im Hammen-Stil Kokuzo Bosatsu,
zuschreibt, welche, wie man glaubt, der Re-
gierungszeit der Kaiserin Suiko (593—628)
84
e^ FREMDE HIXFr.ÜSSF, I\ DER lAPAXISCHEN KUNST ®S^
I l;HZ I LCHSENBERGHR
Miit, Landau (P/alz)
angehört und im Museum zu Nara aufbewahrt
wird. Auch nimmt man an, daß der kleine
tragbare Altar aus vergoldeter Bronze im Hor-
yu-ji aus Korea gekommen ist, aber sicherlich
ist es unrecht, wenn Doncho die gemalten
Fresken der vier Paradiese an den Mauern
des Kondo des Sanktuar im Horyn-ji zu Nara
einem koreanischen Künstler zugeschrieben
werden; denn die Fresken sind bei der Aus-
besserung des Tempels im 8. Jahrhundert
angefertigt worden. Nach Korea sind die
buddhistische Kunst, Religion und Zivilisation
von China ausgekommen und in China selbst
aus Indien eingeführt. Die alte chinesische
Skulptur teilt sich in
zwei Gruppen: die eine
des 5. Jahrhunderts in
NordShan-si, etwa 15
Kilometer westlich von
Ta-T'on-fu, der Haupt-
stadt im 5. Jahrhundert
der nördlichenWei-Dy-
nastie und die andere
des 6. — S.Jahrhunderts
im Hohlweg des Long-
men, 15 Kilometer süd-
lich von Honan-fu, der
Stadt, wohin die Nord-
Wei im Jahre 494 ihre
Hauptstadt verlegten
und welche im 7. Jahr-
hundert die östliche
Hauptstadt der T'ang
wurde. In Long-men
führten die Wei im
6. Jahrhundert Skulp-
turen aus, die mit jenen
ihrer Vorfahren bei Ta-
t'on-fu identisch sind;
diese neuen Tempel
schützten die Tang
des 7. und 8. Jahrhun-
derts. Bei Ta-t'onfu
wurden ins Gefels Grot-
ten und Nischen von
I — 30m Höhe geschla-
gen und den buddhisti-
schen Göttlichkeiten
geweiht; die einen in
Miniatur, die anderen
in ungewöhnlicher Grö-
ße. Die Skulpturen die-
ser Sanktuars waren
fromme Werke von
Kaiser und Edelleuten.
Fast alle diese Skulp-
turen stellen wie die
primitiven Skulpturen
lapans den mahnenden, wie meditierenden
Buddha dar.
Übrigens bemerkten wir in den Grotten von
Long-men aus der Epoche der T'ang (7. und
8. Jahrhundert) zwei, manchmal auch vier
Buddha, Kolosse von furchtbarem Aussehen,
welche an beiden Seiten des Eingangs stehen,
um die Grotte vor dem Eindringen der Dä-
monen zu schützen. Diese himmlischen Könige
sind aller Wahrscheinlichkeit nach Abkömm-
linge des Vajrap.ini. Während der T'ang-Dyna-
stie sind sie in die buddhistische Kunst auf-
genommen und sie sind es, welche wir noch
heute an den Eingängen der groüen buddhi-
i;ullK ÜliUULLiTADT (I'1-AI./.j
S2^ FREMDE ElNl-LÜSSn IN DER JAPANISCHEN KUNST
8S
stischen Tempel in
China und Japan fin-
den und nichts erin-
nert mehr an die bei-
den himmlischen Kö-
nige des Tadai ji zu
Nara.
Es gibt noch andere
buddhistische Werke
in Japan, die sich eng
an die chinesische
Kunst anschliessen:
die vier Mahärajahs
des Himmels im Hor-
ju-ji, die Steinlöwen
des Todai ji zu Nara,
dem Chinesen Chan-
Huo-Kin zugeschrie-
ben. Diese buddhisti-
sche Kunst in China
ist eine eingeführte
Kunst. Schon V'ajra
pane fungierte als
Schutzherr neben
Buddha auf den in
Gandhara im Nord-
westen Indiens autge-
fandenen Basreliefs
und gewisse Statuen
der Nord -Wei Dyna-
stie (5. bis 6.Jahrhun-
dert)sitzend, die Beine
gekreuzt, einer hinter
dem anderen, haben
alle dieselbe Stellung,
welche man an den
Statuetten von Gan-
dhara wiederfindet,
dessen eine bis nach
Turfan, dem heuti-
gen Chinesisch -Tur-
keslan, vordrang.
Hierin haben wir eine
Handhabe, daß die Kunst der Nord-Wei von
der Gandhära-Kunst beeinflußt worden ist;
d. h. die alte Kunst aus der Gegend des Indus
hat sich durch Zentralasien bis nach Turfan
erstreckt, wo die Nord-Wei, welche damals
in Ost-Turkestan militärische Erfolge erziel-
ten, sie kennen lernten. Also der Nord-Wei-
Dynastie im 5. und 6. Jahrhundert war es
beschieden, die indo-buddhistische Kunst von
Turkestan nach Ta t'on-fu ins westliche China
zu bringen und erst später gelangte sie in-
folge Eroberung nach Ho nan-fu, wo sie unter
den T'ang im 7. und 8. Jahrhundert blühte.
Im Altertum bestand in Turfan eine Kultur,
teils chinesisch, teils iranisch, teils hinduisch
l-RITZ I L CHSEXBERGER
l'KOr, KIRCHE ülilCRl ISTADT (l'F.^LZ)
; v/. AU. S. Sj u>nl S4
und es war vielleicht im 2. Jahrhundert vor
unserer Zeitrechnung, daß dorthin vermutlich
durch Turkvölker aus Kothan der Buddhismus
und die Kunst gelangte. Wenigstens zeigen
uns dies die erfolgreichen E.xpeditionsresultate
von Aurel Stein aus den Jahren 1900, 1901
und 1906 — 1908, Lecoq 1902 — 1903 und
Paul Pelliot 1906— 1908. Etappenmäßig schritt
der Buddhismus und die indische Kunst von
Gandh.ira über Turkestan nach China, schließ-
lich über Korea nach Japan vor. Der Han-
kaiser Ming schickte im ersten Jahrhundert
unserer Zeitrechnung einen Gesandten nach
Indien, welcher auf weißen Pferden nicht nur
die heiligen Bücher der neuen Lehre, sondern
86
^ FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ®as
I-RII/ MCHSIiNBERGEK
I'RÜ 1 . KIRCHE OUERI.L'!
auch buddhistische Gemälde helmbrachte.
Missionare aus Indien kamen nach China
während der fünf und sechs ersten Jahr-
hunderte unserer Zeitrechnung und predig-
ten daselbst; chinesische Pilger trotzten dem
Hunger, Durst, Kälte und dem Sand Turke-
stans, um die heiligen buddhistischen Orte
zu besuchen. Doch plötzlich im 8. Jahrhun-
dert stockte dieser kulturelle Verkehr beider
Länder für immer und erst viel später stellte
der Islam den alten Buddhismus in Chinesisch-
Turkestan wieder her.
Der direkte Einfluß der indischen Kunst
auf die chinesische hörte auf. Nur der Bud-
dhismus und Buddhatyp kam auf Japan über
und obgleich infolge der Tradition in Japan
keine Statuen nordindischen Urspungs exi-
stieren, weisen viele Werke, besonders die
Holzfiguren der beiden Mönche aus Gandh.'ira,
Asanga und Wasubandhu, im Kofuku-ji zu
Nara auf indischen Einfluß hin, ebenso die
eifgesichtige Kwan-on im Hokke-ji zu Yamato,
die nach einer Tradition das Werk eines bud-
dhistischen Gandhära-Bildhauers sein soll, so
auch die neungesichtige Kwanon im Iloryu-ji,
die Bronzefigur des Avalokitecvara im
kaiserlichen Palast und die Holzstatue
des tausendarmigen Avalokitecvara im
Chomyo-ji und O'mi. Alles ist an
ihnen indisch, selbst die Bekleidung
und ihr Faltenwurf des Arya Avaloki-
tecvara, der Bodhisattva an den Fres-
ken des Kondo imHoryu-ji, der Glücks-
göttin Sri im Joruri-ji zu Yamashiro,
einer Statue aus der Tempyo-Epoche
(8. Jahrhundert) und der Bonten und
Teishakuten, Sangwatsudo im Todai-ji
zu Nara (in der zweiten Hälfte des
8. Jahrhunderts). Vor und während
der Regierung der Kaiserin Suiko
(593 — 628) ist der Einfluß der buddhi-
stischen Kunst Nordwest-Indiens meist
mit chinesischen und koreanischen
Elementen versetzt, denn es waren aus-
schließlich chinesische und koreanische
Künstler, die Fürst Shotoku Taishi
nach Yamato kommen ließ, um dort
zu malen und zu skulpieren. Doch
während der sogenannten Tempyo-Pe-
riode (722 — 748) und ganz besonders
im 8. Jahrhundert war der indische
Einfluß durch die Vermittlung der chi-
nesischen Kunst der T'ang weit vor-
herrschender. Man vergleiche nur
Kleidung und Ausdruck des Kokuzo-
''^°' Bosatsu im Nara-Museum, des Shaka
oder des Yakushi von Tori-Busshi im
Horyu ji, des Akusa-Garbhaim Horyu-ji
(alle aus dem Ende des 6. und 7. Jahrhunderts),
die Amida- und Bodhisattva-Typen an den
Fresken im Horyu-ji, an den Statuetten eben
daselbst, die sich jedoch jetzt im Nara-Mu-
seum befinden, den Buddha in Yakushi ji
(718) der Bonten und Taishaku-ten (zweite
des Hälfte 8. Jahrhunderts) im Todai-ji zu Nara.
Gegen Ende des S.Jahrhunderts verschwanden
die edlen indischen Formen, an deren Stelle
fette plumpe Gestalten traten, Kunstregeln, die
im 9. Jahrhundert der Kanon festlegte. Auf
den Skulpturen von Jocho, ganz besonders
der Buddha im Hokai-ji zu Uji und den Ge-
mälden von Yenshin, Sodzu »Amida und die
25 Bodhisattva« im Hachimanko zu Koya-san,
erscheint die menschliche Figur in wahre
Fettwülste eingehüllt. In der Epoche der Ka-
makura, unter dem Meißel eines Kwai-kei und
Unkei (Ende des 12. und Anfang des 13. Jahr-
hunderts) trat mehr Muskulatur auf, eine japa-
nische Eigenheit, welche die chinesische und
koreanische Kunst nicht kennen; nur Buddha
in seiner indischen Gestalt bleibt unverändert
bestehen.
^ RELIGIÖSE DENKMALE FÜR KRIEGER ^^^
87
RELIGIÖSE DENKMALE
FÜR KRIEGER
In einem Autsatz über »Krieger-
denkzeichen im Felde und in
der Heimat«, den Prof. F. W.
Grombacliim 9. Heft der »Plastik«
veröffentlichte , lesen wir auf
S. 79: »Bei Veröffentlichungen
über Kriegerdenkmäler und Krie-
gergrabstätten ffndet man viel-
fach, anscheinend absichtlich,
jeden Hinweis auf Glaube und
Religion vermieden; ich finde
das unrichtig. Neben den an den
Krieg erinnernden Attributen
kann auch das S3'mbol des Glau-
bens stehen, dadurch allein, meine
ich, können diese Gedenkzeichen
bei uns der Landbevölkerung
nähergebracht werden, sie müs-
sen neben der Erinnerung an die
Kriegszeit, an die Gefallenen
und die heil zurückkommenden
Kriegsteilnehmer den einfachen
Leuten auch in religiöser Hinsicht
etwas sein, und werden ihnen
darum, wenn dies der Fall ist, um
so wertvoller und unentbehrlich «.
Dem Verfasser danken wir für
seine Feststellung der eigentüm-
lichen, von uns längst beobachte-
ten Tatsache, daß sich mit Ge-
räusch hervorgetretene Publika-
tionen von Entwürfen lür Kriegs-
erinnerungen über alle Religion
hinwegsetzen oder sie nur in dünnster Ver-
dünnung zulassen. Wir danken ihm dafür,
daß er von dieser traurigen Erscheinung be-
kennt: »Ich finde das unrichtig«. Nur möch-
ten wir seine Begründung, die bloß eine Seite
der Sache berührt, bestimmter fassen. Nicht
allein aus Entgegenkommen gegen die Ge-
fühle der »einfachen Leute«, denen man die
Denkmäler durch Rücksichtnahme auf ihre
christliche Gesinnung sympathischer machen
muß, sondern aus Grundsatz wollen wir an
den Denkmälern den religiösen Geist nicht
missen. Von allen großen Gedanken und Ge-
fühlen steht an erster Stelle unsere heilige
Religion. Auf ihr beruhen die Gefühle, welche
die wahre Vaterlandsliebe ausmachen, als
auf einer unverrückbaren Grundfeste: Treue
gegen die Obrigkeit, innere Opferwilligkeit
gegenüber dem Gesetze, Pflichtgefühl wegen
des allerhöchsten Herrn im Himmel, Selbst-
vergessenheit bis zum Tode für die Volks-
genossen. Wahrhaftig, es wäre schon weit
FKrrZ FUCHSENBERGER
FILIALKIRCHE KKAISDORF BEI EBERX {1912)
Vgl. Abb. S.SS und Sg
auf einer schiefen Ebene mit uns gekommen,
wenn sich religiöse Gedenkzeichen an den
Krieg und seine Opfer nur mehr für einfache
Leute auf dem Lande, aber nicht für die so-
genannten Gebildeten und die einfachen Leute
in der Stadt eigneten. Gerade in den Städten,
wo Auftraggeber und Künster in letzterer
Zeit dem mündigen und unmündigen Pu-
blikum an Plätzen und Häusern selten mehr
etwas anderes vorzusetzen wußten als: nackter
Mann, nackte Frau, nackte überfütterte Kin-
der, wäre für Künstler und Auftraggeber eine
Auffrischung ihrer Phantasie aus dem Jung-
brunnen des Christentums und für die Ge-
samtheit ein Hinweis auf den Ernst des dies-
seitigen und jenseitigen Lebens vonnöten.
Haben nicht bei Kriegsbeginn alle Volks-
kreise in Stadt und Land den Herrn über
Leben und Tod, den Lenker der Schlachten
inbrünstig angerufen? Bekunden draußen im
Felde nicht auch zahllose Krieger aus den
Städten gläubigen Sinn? Erheben nicht Für-
88
^ FRIEDHÖFE UND KRIEGSGEDENKZEICHEN ^
I KH7 1 l CHSKNBERGER
I IIJALKIRCHE KKAlsnORF
Malerei voti Max Koßi
sten und Vornehme, hochgebildete Männer
und Frauen gemeinsam mit einfachen Leuten
in den Gotteshäusern unserer Städte ihre
Hände um des Alimächtigen Schutz für das
Vaterland und seine Verteidiger? Soll es dann,
wenn der Krieg mit Gottes Gnade hoffentlich
siegreich beendet ist, auch mit dem Danke
aus sein?
Der Klerus darf auf diesem Gebiete auf
seiner Hut sein und möge rechtzeitig ein-
greifen, wobei die gebildeten Laien ihm freu-
dig zur Seite stehen sollten, sie haben allen
Grund dazu. Der Blinde könnte allgemach
sehen, daß die christliche Kunst nicht Stecken-
pferd oder Luxus ist, der zu allerletzt kommt.
S. Staudhamer
FRIEDHÖFE UND KRIEGS-
GEDENKZEICHEN
Ein Vorschlag
Tn einer Zuschrift aus München wird aus-
* geführt: -Zahllose Familien sahen Söhne,
Gatten oder Brüder, selbst den Vater draußen
auf dem Schlachtfelde fallen, die teuern Ueber-
reste ruhen in fremder Erde, denn nur die
wenigsten konnten sie heimbringen lassen.
Und so viele der Hinterbliebenen möchten
doch eine Erinnerungsstätte an das gefallene
Mitglied der Familie haben, nicht bloß an
einem Denkmal mit dem Namen aller, son-
dern an einem Plätzchen, das speziell ihnen
geweiht ist.« Dann wird die Frage aufge-
worfen, ob nicht die städtischen Behörden zu ge-
winnen wären, leer gewordene Stellen imalten
nördlichen Friedhof zu München, der aufge-
lassen wird, abzutreten, damit dort für in
der Fremde begrabene Krieger aus München
Erinnerungszeichen, Kreuze, Kapellen u. dgl.
errichtet werden könnten. Mit letzterer Frage
haben wir uns an dieser Stelle nicht zu be-
fassen ; doch glauben wir den in der Zuschrift
niedergelegten Gedanken verfolgen zu sollen.
In den städtischen Friedhöfen pflegen sich
an alle inneren Wände der Umfassungsmauern
Grabdenkmäler anzulehnen. Auch auf dem
Lande geschieht vielfach das gleiche, liäutig
leider noch dazu in recht unglücklicher Weise;
da die EViedhöfe auf dem Lande mit niedrigen
Mauern eingefaßt sind, so ragen die an ihnen
angebrachten Grabsteine zur Hälfte über die
Einfriedung empor und zerschneiden unschön
e^ FRIEDHOFE UND KRIEGSGEDENKZEICHEN 6^
FRITZ FUCHSENBERGER
FILIALKIRCHE KRAISDORF
til Jen ApostMildern
die Mauerlinie, der auf diese Weise alle Ruhe
und der Eindruck des Umschließens genom-
men ist. Wo es noch freie Stellen an der
Innenseite einer Friedhofsmauer gibt, wäre
die Anbringung von Epitaphien, die sich dem
Gemäuer bescheiden einordnen, zu begrüßen.
In Städten könnten die öden Außenwände
der Gottesackermauern es sehr wohl vertragen,
wenn sie durch edle Gedenktafeln für in frem-
der Erde bestattete Krieger geziert würden.
Namentlich gilt das von Wänden, die dem
Verkehr zugewendet sind. Auch auf dem
Lande gibt es Friedhöfe, deren Ummauerung
außen stellenweise zu plastischem Schmucke
herausfordert, desgleichen, bei höher gelegenen
Kirchen, Treppenaufgänge und Stützmauern,
denen Gedenktafeln der erwähnten Art und
Zweckbestimmung zur Zierde gereichen müß-
Dle christliche Kui
90
TRITZ FrCHSF.KRFRGHR
/IMMHR DES VORSTAXDF.S
A'. Amtsgericht Eltmann tgog
e^ LEITSATZE FÜR WETTBEWERBE ©^
91
teil. Schutzmauern an Stra-
ßen- und Eisenbahnbauten
böten für derartige Zeichen
der Pietät ebenfalls er-
wünschten Hintergrund.
Von Seelsorgern und welt-
lichen Behörden aufgemun-
tert, sollten die Gemeinden
den wohlhabenderen Ange-
hörigen Gefallener oder den
bessergestellten glücklich
Heimgekehrten nahelegen,
ihre religiöse und vaterlän-
dische Gesinnung durch
Errichtung würdiger Erin-
nerungszeichen zum See-
lenheil und zur Ehre der
Ihrigen wie zur allgemei-
nen Erbauung zu betätigen.
Nicht zuletzt wären die
Wände der Pfarr- und Filial-
kirchen und der Kapellen
zur Aufnahme religiös emp-
fundener und künstlerisch
ausgeführter Gedenkzei-
chen in Malerei und Plastik
den einzelnen Ortsinsassen
oder einer Gemeinsamkeit
von Ortsbewohnern anzu-
bieten. Auch aufgelassene
Friedhöfe und solche, de-
ren Auflassung bevorsteht,
könnten den Gemeindean-
gehörigen für private Erin-
nerungszeichen und Denk-
mäler, die sich auf die
Kriegsteilnehmer beziehen,
zur Verfügung gestellt werden. Bei einiger-
maßen planmäßigem Vorgehen könnten diese
ehrwürdigen Stätten, welche die Überreste
von vielen Generationen der Gemeindeange-
hörigen in ihrem Schöße bergen, auf dem
angedeuteten Wege vor der Profanierung ge-
rettet und zu heiligen Hainen umgestaltet
werden, die dem ganzen Ort zu ewiger Zierde
gereichen und höchst sinnige Denkmäler an
unsere einzig große Zeit bilden würden.
Zur Lösung aller einschlägigen Fragen stellt
die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst
jedermann ihren Rat und ihre künstlerische
Beihilfe kostenlos zur \'erfügung. Wer den
Seinen ein religiös empfundenes künstlerisches
Erinnerungsmal an den Krieg öffentlich auf-
stellt, bekennt vor aller Welt: Ich und mein
Haus wollen dem Herrn und dem Vaterlande
dienen ! S. Staudhamer
IKITZ I LCHSEXBERGER
KIRCHEXKESTAURATIÜX MURSBACH, B.A. EBERN
Text S. 6g
LEITSÄTZE FÜR WETTBEWERBE
An manchen Orten trägt man sich mit dem
Gedanken, zur Erlangung von Entwürfen
lür Kriegsgedenkzeichen Wettbewerbe zu ver-
anstalten, anderwärts werden Denkmalaus-
schüsse auf diesem Wege folgen. Über das
Wettbewerbswesen herrschen immer noch
irrige Auffassungen, obgleich es an Aufklärungs-
arbeit nicht mangelt und die »Christliche
Kunst;: sowohl als auch »Der Pionier« jeden
Anlaß benützt, um gewisse Mißstände zu be-
kämpfen. Deshalb wollen wir nach dem Grund-
satz: »Steter Tropfen höhlt den Stein; wieder
einmal auf die Hauptpunkte hinweisen, die
bei einem richtigen Wettbewerb beachtet sein
müssen ■).
') Wir verweisen auch auf den i. Abschnitt im i. Heft
der »Konkurrenzen der Deutschen Gesellschaft für christ-
liche Kunst«, München, Verlag der Gesellschaft für christ-
hche Kunst, G. m. b. H.
92
s^ LEITSATZE FÜR WETTBEWERBE ©^
F. FUCHSENBERGER
SKIZZE ZUM HüCHAETARE DER STAl
l'IARRKIRCHE EHINGEN a.D. (icji;
I. Das Ausschreiben. — Zweck eines
Künstler-Wettbewerbes ist die Erlangung von
Entwürfen zu einem geplanten Werke der
Kunst. Der Inhalt des Ausschreibens, auf
Grund dessen die Künstler vom Wettbewerb
nähere Kenntnis erhalten und das die Bedin-
gungen aufzählt, muß mit aller Sorgfalt fest-
gestellt werden. Dies läßt sich nur durch
engste Zusammenarbeit der Veranstalter eines
Wettbewerbes mit Männern erreichen, die auf
dem Gebiete der Wettbewerbe Erfahrungen
besitzen und mit Künstlern, welche das be-
sondere Kunstgebiet, in dessen Rahmen ein
Wettbewerb sich einreiht, durch eigenes Schaf-
fen beherrschen. Alle Angaben müssen kurz
und unzweideutig gefaßt sein, jene Forde-
rungen, an welche man die Teilnehmer am
Wettbewerb strenge binden will, sind genau
von solchen Angaben auszuscheiden, die nur
als Winke und Anregungen gemeint sind.
Vorbehalte, durch welche der Zweck des Aus-
schreibens nachträglich umgangen werden
könnte, sind nicht zulässig. Dem V^erdacht,
als könnte die Absicht bestehen, die einge-
laufenen Entwürfe unter Umgehung der Ur-
heber geschäftlich auszunützen, ist vorzu-
beugen. Der Zeitpunkt für die Einsen-
dung der Entwürfe soll nicht zu knapp
bemessen sein. Zu vermeiden sind Be-
stimmungen, welche den Bewerbern
größere Geldauslagen verursachen. Das
Ausschreiben hat sich darüber auszu-
sprechen, ob sich alle Künstler am Wett-
bewerb beteiligen können, oder nur
Künstler eines Landes, einer Vereinigung,
eines Bezirkes, einer Stadt. Unzweck-
mäßig ist es, den Kreis der Berechtigten
sehr eng zu ziehen.
2. Zusammensetzung des Preis-
gerichtes. — Über die Einsendungen
entscheidet ein Preisgericht, das für die-
sen Zweck aufgestellt wird. Seine Zu-
sammensetzung ist sehr wichtig und es
ist zu trachten, hervorragende Kräfte
dafür zu gewinnen. Das Preisgericht hat
in erster Linie die künstlerischen Rück-
sichten zu wahren, weshalb die Mehrzahl
der Preisrichter tüchtige ausübende
Künstler sein und einige von ihnen dem-
jenigen Kunstzweig angehören müssen,
in welchen der Wettbewerb fällt. Die
für den Eintritt in das Preisgericht in
Betracht gezogenen Personen sind um
ihreZustimmung zu befragen und müssen
sich im Falle der Annahme ausdrücklich
'T" mit dem Wortlaut des Ausschreibens
' einverstanden erklären. Alle Preisrichter
müssen im Ausschreiben aufgeführt wer-
den. Künstler, welche in das Preisgericht ein-
treten, dürfen sich am Wettbewerb nicht be-
teiligen.
3. Tätigkeit des Preisgerichtes. — Die
Namen der Urheber der eingesandten Ent-
würfe bleiben dem Preisgericht und jedermann
strengstens geheim, bis das Preisgericht seine
Tätigkeit abgeschlossen hat. Die Entwürfe
werden nach einem vom Verfasser willkürlich
gewählten Kennwort (Motto) bezeichnet. Hat
das Preisgericht sein Urteil gefällt und schrift-
lich niedergelegt, so stellt es die Namen der
Urheber der mit Auszeichnungen bedachten
Entwürfe fest, während alle übrigen Konkur-
renten auch nach der Entscheidung jedermann
unbekannt bleiben, soweit sie nicht selbst das
Geheimnis lüften. Das Preisgericht hat bei
seinen Entscheidungen jene Erwägungen in
die Wagschale zu werfen, von denen das
Ausschreiben bestimmt war, und deshalb bei
Wettbewerben zur Erlangung künstlerischer
Entwürfe zunächst einzig den Maßstab der
Kunst, bei Wettbewerben für r e 1 i g i ö s e Kunst-
werke den Maßstab religiöser Kunst anzu-
legen. Waren außer den künstlerischen Eigen-
schaften der Entwürfe nach dem Ausschreiben
FRITZ FUCHSENBERGER
l'gl. Aii. S. gs. — Text S. yo
HUCHALTAR IN EHINGEN a. D.
9-1
@^ LEITSATZE FÜR WETTBEWERBE ^
1 RITZ ILCHSENBERGEK
HAU.SÜAKTKN IM BISCHOFI,. PALAST ZU SPlilER (■•;I2)
auch noch andere Bestimmungen zu berück-
sichtigen, wie Kostenpunkt, Aufstellungsort,
Material, rein praktische Vorschriften, so hat
das Preisgericht die Entwürfe auch daraufhin
zu prüfen, wie es überhaupt in allem an den
Wortlaut des Ausschreibens gebunden ist.
Bestehen über eine Sache Zweifel, so muß
sich das Preisgericht vor seinen Entscheidungen
darüber durch Beratung und Abstimmung
einigen.
4) Entschädigun-
gen an die Teil-
nehmer am We 1 1 -
bewerbe. — Für die
besten Entwürfe wer-
den Geldpreise ausge-
setzt. Die für Preise
bestimmte Summe
muß im Ausschreiben
genannt sein, sie mul.N
in einem geziemenden
Verhältnis zur Arbeits-
leistung und zu dem
für die Ausführung
aufzuwendenden Be-
trage stehen, sie muß
restlos ausbczahltwer-
den, über die Art ihrer
Verteilung hat sich
das Ausschreiben zu f. fuchsekberger
äußern. Je höher die Preise, desto sicherer
ist der Erfolg des Wettbewerbes. — Außer
Preisen können noch Ankäufe von Entwürfen
in Aussicht genommen sein. Tüchtige Ent-
würfe, denen keine Geldpreise zuerkannt wer-
den können, werden öfters durch Anerken-
nungen geehrt. — Es ist dahin zu trachten,
daß der vom Preisgericht als beste Arbeit be-
zeichnete Entwurf oder doch einer der preis-
gekrönten ausgeführt
und eine dahinge-
hende Bestimmung in
das Ausschreiben aut-
genommen wird.
5. Engere Wett-
bewerbe. — Werden
zu einem Wettbewerb
einige wenige Künst-
ler persönlich einge-
laden, so bezeichnet
man ihn als engeren,
jedem der Teilneh-
mer ist in diesem Fall
für sein Projekt eine
in dem Einladungs-
schreiben zu nennen-
de bestimmte Summe
zu entrichten. Auch
müssen jedem Einge-
KAPELLE sTocKiiEi.M tüFR.) ladcueu die Namen
^^ DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST ^
95
der Mitbewerber bekanntgegeben wer-
den. Im übrigen gilt für die engeren
Wettbewerbe alles, was bei allgemei-
nen Wettbewerben einzuhalten ist.
6. Erschlichene Wettbewerbe.
— Ein infolge gewisser Gewohnhei-
ten von Unternehmern lange schon
wuchernder Krebsschaden frißt immer
noch weiter: man veranstaltet geheime
Submissionen, durch die man sich die
Vorteile eines Wettbewerbes erschlei
chen will, ohne die aus einem richtigen
Wettbewerb sich ergebenden Pflichten
zu übernehmen. Wie das gemacht
wird? Sehr einfach. Man teilt diesem
und jenem und einem dritten — Künst-
lern und Unternehmern — mit, daß
die Vergebung einer Arbeit, z. B. einer
Kirchenausmalung, in Aussicht steht,
legt dem Adressaten nahe oder stellt
ihm anheim, einen Entwurf unverbind-
lich einzusenden, verschweigt aber, daß man
in derselben Sache auch schon mit anderen
in Verbindung getreten. Leute, welche die
Kunst geschäftsmäßig betreiben, gehen ohne
Bedenken darauf ein, da sie schon allerlei auf
Lager haben und ihnen ihre Entwürfe nicht
viel Kopfzerbrechen verursachen. Auch Künst-
ler, die noch nicht hereingelegt wurden, ge-
raten unschwer in die Falle. Auf diese Weise
erhält der Fragesteller einige Entwürfe kosten-
los zusammen; er trifft die Wahl, indem er
sich ohne Beruf ein Richteramt anmaßt, an
dessen Ausübung die gewiegtesten Fachleute
nur mit Zagen herantreten; — er ruft aber
auch gerechte Erbitteruug hervor und schädigt
das Ansehen seines Standes. Meistens dürfte
I KIT/. rUCHSEN'BERGER
1 ll.I.^LKIRCIIE HASSENBACH
FRITZ FUCHSENBERGER
der Billigste den Zuschlag erhalten, die übrigen
können sehen, daß sie ihre Entwürfe wieder
zurückerlangen, ohne auch noch an ihrem
geistigen Eigentum geschädigt worden zu sein,
da vielfach geglaubt wird, ein vorgelegter Ent-
wurf könne nach Belieben geplündert werden.
Jeder Künstler sollte, bevor er eine Skizze
auf eine Aufforderung hin vorlegt, tunlichst
sich klar über seine Bedingungen bzw. das,
was Rechtens ist, aussprechen, nämlich daß
sein Entwurf, wenn ein Auftrag nicht zustande
kommt, mit einer bestimmten Summe zu ent-
lohnen ist und sein volles geistiges Eigentum
bleibt, d. h., daß derselbe in keiner Weise
von einem andern verwendet, umgearbeitet
oder sonstwie ausgenützt werden darf. Mögen
unsere Leser in ihrem Kreise den
Unfug erschlichener Wettbewerbe
bekämpfen; ob es den Schuldigen
angenehm oder unangenehm in
den Ohren klingt, muß ihnen be-
greiflich gemacht werden, daß sie
etwas Tadelnwertes tun.
S. Staudhanicr
DEUTSCHE GESELLSCHAFT
FÜR CHRISTLICHE KUNST
Im November wurde die Ein-
ladung an die Künstler-Mitglieder
versendet, Nachbildungen von
Werken ihrer Hand behufs Vor-
lage an die diesjährige Jury zur
Auswahl für die J a h r e s m a p p e
191 6 bis zum 10. Dezember an
die Geschäftsstelle (München, Karl-
KiRciiENiNN'EREs Straße 6) einzusenden.
96
^ AUS DEUTSCHEM BLUTE. — DER HANDKUSS ©^
IKIIZ IL'CHbENBEUGER CN'AnKNKAPEI.l.E
Erlach iri H-'c-isrnnitt (igojj. — Text S. 6g
Ferner erging an die Künstler-Mitglieder
die Einladung, an die obige Adresse zum
gleichen Termin Originalwerke zum Ankaufe
für die Verlosung 1 9 1 5 gelangen zu lassen,
da die Vorstandschaft beabsichtigt, die An-
käufe noch vor Weihnachten vorzunehmen.
Bei der Herstellung der heurigen Jah-
resmappe haben sich aus den durch den Krieg
hervorgerufenen Verhältnissen Verzögerungen
ergeben. Doch wird die Mappe in Bälde zur
Versendung gelangen. Sie enthält vorzüg-
liche Bildwerke und darf sicher auf freudige
Aufnahme rechnen. Vertreten sind die Künst-
ler: Bachmann, E. Endler, M. Frank, F. Zell,
Fuchsenberger; — Blaser, Busch, Buscher,
Hoser, Kittler, Resch, Balthasar Schmitt, Uber-
bacher; K. Gerhard, Huber-Sulzemoos, Fritz
Kunz, Locher, Theodor Nüttgens, B. Rice,
Samberger, Schumacher, Leonhard Thoma.
AUS DEUTSCHEM BLUTE
Aus deutschem Blute kam er, deutschem Mark,
Der an Italiens Wände hingeschrieben
Sein übermächtig Hassen und sein Lieben.
All sein Bekenntnis, mutig, riesenstark.
Sein Geist — Teutonengeist, den nichts be-
zwingt.
Er rüttelt an des Weltalls Säulenpforten,
Ob sie ihn auch im Sturz begrabend morden.
Frei bleibt die Seele, ewig neu beschwingt.
In diesen Tagen, da sich Wall auf Wall
Zum Himmel türmt, der Völker Herz zu
scheiden
Des Neides Pflüge tiefe Runen schneiden
Bleibt doch sein Namen uns geliebter Schall.
Denn er ist unser. Stamm von unserm Stamm.
Wie Shakespeare bis aufs letzte Wort Germane
Und er bleibt unser. Seine Ruhmesfahne
Soll aufrecht wehn auf unsrer Berge Kamm.')
M- Herbert
DER HANDKUSS
Ihr weißes Sterbekleid, brokatgewirkt,
Floß lang und schwer entlang des Sarges,
Borden,
Ihr Antlitz einst so wegemüd und blaß
Und leidvergrämt, war wieder jung geworden.
Um ihre Lippen, sonst so herb gepreßt.
Flog eines Lächelns freigelass'ner Falter
Im Kerzenschein. Der Strahl der Ewigkeit
Nahm von ihr Lebens Bitternis und Alter.
Sie hatten ihr den Brautflor silberlicht
Ob Haar und Busen züchtiglich gebreitet,
Lorbeer und Rosen säumten ihr das Bett,
Sie war wie eine, die zum Feste schreitet.
Und ihre Hände lagen fein und schmal,
Als wollten sie das heiße Herz noch halten
Gebetverschlungen auf der Brust geschränkt,
Sie strahlten heller als die Seidenfalten.
So edle Hände hatte nie erschaut
Buonaroti in den langen Tagen
Der Lebenszeit. Er stand gebannt am Tode
Sollt er die Hände ihr zu küssen wagen?
Sie bot sie immer flüchtig nur zum Gruß.
Er meinte noch den leichten Druck zu spüren.
Den scheu sie wie mit Mädchenfingern gab:
Und nun — sie mit den Lippen zu berühren?
Jedoch er tat's. — Er beugte weinend sich:
Du große Seele kannst es nicht versagen !
Das letzte Zeichen meiner tiefen Treu
Soll deine Hand im Lichte Gottes tragen !
M. Herbert
') Michel.ingelo s;laubte von dem ghibellinischen
.\delsgeschleclite der Grafen von Canossa abzustammen,
dessen Stammutter eine Schwester des Kaisers Hein-
rich II. war. Diese Annalime war irrig; die Dichterin
aber geht in ihrem markigen Sonett davon aus, um
festzulegen, daß der große Meister durch die Tiefe und
Männlichl<eit seiner Kirnst dem deutschen Wesen ver-
wandt und teuer ist, wie denn auch die deutsche For-
schung mit großer Hingebung dem Künstler nachge-
gangen ist. D. Red.
Heile mich, o Herr, so werde ich geheilt werden;
hilf mir, so wird mir geholfen seini jerem. i?
^^^^^w<?^^.^^^^_ii^^^.
^iifi'Jatsii^ -yyyiiJiti-r.Tcg- '?^^^Ä«l!:>^
ALTARSCHREIN AUS DER KIRCHE IN KOTTINGWÖRTH BEI BEILNGRIES, DIÖZ. EICHSTÄTT
l'g^l. die Abb. S. IOI — I03. — Ttxt S. 100
DER MEISTER DES KOTTINGWÖRTHER ALTARS
Von FELIX MADER
(Hierzu die Abb. S. 97 — in)
Das Gebiet des ehemaligen Hochstiftes Eich-
stätt bewahrt einen reichen Schatz von
mittelalterhchen Holzskulpturen. Längere Stu-
dien führten mich auf die Spur eines Meisters,
der von den achtziger Jahren des 15. Jahr-
hunderts bis in die Frühzeit des folgenden
seine Tätigkeit entfaltete. Die örtliche Ver-
teilung der in Frage kommenden Schöpfungen
führt zu der Vermutung, daß er nicht in Eich-
stätt selber, sondern im Ostgebiet des Hoch-
stiftes, in Beilngries, Berching oder Greding
ansässig war. Die Kunst war eben damals
nicht so an die großen Städte gebunden
wie heute. Saß doch auch um 1480 in dem
Dorfe Dietfurt, westlich von Eichstätt, ein
Künster, der Hafner Vogel, von dem das
Kloster Heidenheim im genannten Jahr die
Tonfiguren der hl. drei Könige und ein Marien-
bildnis kaufte'). Auch wenn Vogel die Modelle
nicht selber geschaffen haben sollte, ist die
Notiz von Interesse. Der Dorfhafner lieferte
sicher keine Minderwertigkeiten, sonst hätte
Kloster Heidenheim nicht bei ihm gekauft.
Es steht also nichts im Weg, den Meister
des Kottingwörther Altars in der romantischen
Juragegend um Beilngries zu suchen^).
Seine Schöpfungen. Außerhalb der Mauern
von Beilngries, am Abhang des Arzberges, liegt
malerisch die Bühlkirche, ein spätgotischer
Bau aus der Zeit des Eichstätter Bischofs
') A. Gümbel i. Repert. f. Kunstwissenscli., XXVIII
(1905), S. 450.
=) Auch Würzburg bestellte im 17. Jahrhundert bei
Bildhauern, die in Forchtenberg, Miltenberg, Windsheim
wohnten. Vgl. F. Mader, Kunstdenkmäler der Stadt Würz-
burg, S. 690.
Die christliche Kunst. XII.
^ DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ©sas
VEKKÜN'DIGUNG UND BESCHKEIDUNG VOM SPÄTGOTISCHEN' HAUPTALTAR IN DER BÜHLKIRCHE HEI BEILNGRIES
Um 14S0. — Text S. 99
;ISIL — liC IILKIRCHE Bi:i Hi:n.NGRIES, DIOZ. EICHSTA I 1
Um 14S0. — Ttxl S. gg
DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ©aa
99
Wilhelm von Reichenau. Ein
Schlußstein im Chor meldet,
daß um 1476 am Chor gebaut
wurde').
\'om mittelalterlichen Haupt-
altar der Kirche haben sich die
Flügelreliefs erhalten : Verkün-
digung Mariens, Geburt und Be-
schneidung Christi, Anbetung
der Weisen (Abb. S. 98 — 99).
Wie vielfach in der Spätgotik
und Renaissancezeit gebräuch-
lich war, hat sich der Schnit-
zer in der Komposition der
Szenen teilweise an Vorbilder
angelehnt. Die Darstellung der
Geburt Christi und die Anbe-
tung der hl. drei Könige stimmt
nämlich augenfällig überein mit
den Tafelbildern in der Maria-
hilfkirche zuNeumarkt i.Obpf.2)
Vermutlich benutzten beide,
Maler und Bildschnitzer, die
gleichen graphischen Vorbilder.
Es gelang allerdings nicht, die-
selben ausfindig zu machen,
weswegen mit der Möglichkeit
gerechnet werden muß, daß der
Schnitzer an die Bilder sich an-
lehnte. Die Möglichkeit besteht.
Die Tafelbilder entstanden 1478,
die Reliefs sind etwas jünger.
Freilich ist der ursprüngliche
Standort der Neumarkter Tafeln
unbekannt. Der Kirche wurden sie im 19. Jahr-
hundert geschenkt.
Die Komposition der Beilngrieser Reliefs
ist also für jeden Fall beim Maler zu leihen
gegangen. Nur das Beschncidungsrelief scheint
auf des Schnitzers eigener Erfindung zu be-
ruhen. Sie ist beträchtlich schwächer als die
des Malers bezw. Stechers. Die vielen Statisten
im Hintergrund der Szene stehen im primi-
tivsten Nebeneinander da und scheinen sich
zu langweilen. Auch sonst fehlt es nicht an
formalen Schwächen. Die Darstellung des
Kniens bewältigt der Schnitzer nicht völlig,
das Jesuskind auf dem Relief der Geburt liegt
unbeholfen da, die schreitende Bewegung des
Mohrenkönigs ist nicht geglückt. Dafür ent-
schädigt aber, wie bei so vielen Spätgotikern,
die innere Vertiefung, die schlichte, unmittel-
bare Auffassung, die gehaltvolle Charakteristik.
Das Schönheitsempfinden des Meisters zeigt
durchgehends einen gewissen barocken Ein-
') Kunstdenkmäler der Oberpfalz, XII, B.-.\. Beilngries,
S. 18.
^) Dieselben, XVII, Tat". II.
■WBETUNG DER KUMüE. -
BLIILKIKCIIE Bi;i liElLNGRIES, DIOZ. EICHSTATT
'i 1480. — Text nehettan
schlag. Leben war ihm mehr als abgeklärte
Form. Man sieht das an seinem Beilngrieser
Marientypus: Anmut und Würde fehlt nicht,
aber gesunde Kraft spricht bestimmend mit.
Eine wahre Auslese scharfgeschnittener, son-
nengebräunter T)'pen bieten die Männer-
gestalten. Mit hingebender Treue und Sicher-
heit sind sie der Natur nachmodelliert. Der
dickbackige Mohrenkönig ist gewiß realisti-
scher als nötig wäre, aber Charakterköpfe wie
St. Joseph und die beiden anderen Könige
gehen über Durchschnittsleistungen beträcht-
lich hinaus.
Der Gewandstil ist stark von der weichen
Art beeinflußt, die die drei ersten Viertel des
1 5. Jahrhunderts charakterisiert. Bezeichnend
ist das Beschneidungsrelief. Aber das bewegte,
flutende Barock, das mit Ende der siebziger
Jahre einsetzt, spricht auch schon mit, zunächst
noch zahm und schüchtern. Den Reliefs ent-
standen also bald nach Vollendung des Chor-
baues der Kirche, um 1480.
Zwei Reliefgruppen im Diözesanmu-
seum reihen sich zunächst an. Sie stammen
'3*
es^ DER MEISTER DES KOTTINGWÖRTHER ALTARS ^
SHCHS APOSTEL AUS FREYSTADT
Text unten
aus Freystadt'). Freystadt gehörte allerdings
zur Pfalz, lag aber an der Grenze des Hoch-
stiftes und zwar in nächster Nähe des Gebietes,
das die meisten Schöpfungen unseres Schnit-
zers besitzt. Es handelt sich um zwei Gruppen
von je drei Aposteln. Sie scheinen zu einer
größeren Gruppe gehört zu haben, die den
Tod Mariens darstellte. In den Gesichtszügen
der Apostel malt sich nämlich durchgehends
schmerzliche Ergriffenheit (Abb. oben). Die
Mehrzahl schaut teilnahmsvoll aufeinen Gegen-
stand bezw. auf eine Person, die in der Mitte
der Gruppe sich befand, zwei erheben trauernd
den Blick nach oben. Wahrscheinlich kniete
Maria inmitten der versammelten Apostel,
ein Typus des Marientodes, der ja öfter vor-
kommt. Veit Stoß hatte kurz zuvor die Szene
auf seinem Krakauer Altar so geschildert,
desgleichen manch anderer Meister.
Die Köpfe der Apostel zeigen dieselbe
') Seb. Mutzl in Eichstalts Kunst, München 1901,
S. 85.
scharfe, energisch durchgebildete Cha-
rakteristik wie die Beilngrieser Re-
liefs. Knorrige, sonnenverbrannte
Gestalten, aber Gestalten voll kerni-
gen inneren Lebens. Auch die
knochigen Hände sind voll Ausdruck.
Die Auffassung und Schnitztechnik
des Meisters prägt sich aufs bestimm-
teste aus, der Faltenstil ist der der
Beilngrieser Reliefs.
Ich komme zu dem erhaltenen
Hauptwerk des Meisters, zum Kot-
tingwörther Altar.
Eine Stunde unterhalb Beilngries
liegt am Altmühlufer malerisch das
uralte Kottingwörth mit seiner zwei-
türmigen Kirche. In der frühgoti-
schen Veitskapelle des schönen Got-
teshauses befand sich bis vor unge-
fähr vierzig Jahren der in Frage
stehende Altar. Bischof Franz Leo-
pold von Leonrod erwarb ihn unter
Zustimmung der in Frage kommen-
den Stellen für die größere Kapelle
des Bischofspalais in Eichstätt^).
Es handelt sich um einen Schrein-
altar. Im Schrein befinden sich die
fast lebensgroßen Statuen St. Vitus,
Modestus und Kreszentia (Abb. S. 97).
Die Innnenseiten der Flügel sind
mit vier Reliefszenen geschmückt:
Taufe des hl. Vitus, eine Kranken-
heilung durch ihn, Peinigung durch
die Schergen (Abb. S. 102), Martertod
imOelkessel(Abb. S. 103). Die Außen-
seiten schmücken gemalte Szenen aus St. Vitus'
Leben, gute Bilder, die aber für uns hier
nicht in Betracht kommen. Die Predella
stammt von einem anderen mittelalterlichen
Altar.
Der Kottingwörther Schrein strahlt jene
tiefe, fesselnde Wirkung aus, wie sie allen
wirklichen Kunstschöpfungen, mögen sie wel-
cher Periode immer angehören, eigen ist. Der
Reiz, den die lebendige Blume vor der ge-
machten voraus hat, ruht auf den in goldene
Gewänder gekleideten Gestalten des Altars.
Zum erstenmal tritt uns hier der Meister
mit seinem Können als statuarius entgegen.
Und dieses Können ist bedeutend. In gerader,
sicherer Haltung stehen die drei Schreinfiguren
da, groß und schlank gebildet, in formen-
reicher Gewandung, die die Abhängigkeit vom
körperlichen Substrat folgerichtig ausdrückt.
Klar und übersichtlich gruppieren sich die
=) Fr. X. Herb in Eichstätts Kunst, S. 61 f. — Ueber
Kottingwörth vergl. Kunstdenkmäler des B.-A. Beilngrie?,
S. 100 ff.
DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ©S^ loi
HL. Mlil)l_sl l. ■
Schrein dfs Kcttiii^u
— I i-/. AU: S. qy. — Tex
III. i-, Kl .s/]-.Xll.\
■I.» und unten
Drapierungsmotive, nur ausnahmsweise drin-
gen die barocken Neigungen des Meisters und
der Zeit durch. Bedeutend ist die Charakte-
ristik. Ein Kopf wie der des Modestus gehört
zu den Kabinettstücken der spätgotischen
Plastik. Die beiden andern stehen nicht zurück.
Die Charakteristik steht aber dem Künstler so
hoch, bezeichnenderweise, daß er vor einer
Nuance ins Genrehafte nicht zurückschreckt.
Die Hände dienen ihm dazu, die Figuren
in seelischen Konnex zu bringen. Modestus
und Kreszentia zeigen auf ihren Pflegling hin,
auch ihre Gesamthaltung ist der Mittelfigur
zugewendet. Also eine Art sacra conversazione.
Ich komme zu den Flügelreliets. Sie
sind sehr figurenreich, gedrängt komponiert,
und zwar oflensichtlich eigene Erfindung des
Schnitzers. Graphische Vorlagen können nicht
vorausgesetzt werden. Dem Beschneidungs-
relief in Beilngries gegenüber fällt der Fort-
schritt in der Gruppierung auf: sie ist bewegter,
flüssiger. Es fehlt auch hier nicht an formalen
Schwächen, aber die übrigen Qualitäten wiegen
sie weit auf, namentlich die markante Charak-
teristik. Letztere bildet den kürzesten stil-
kritischen Verbindungsweg mitdenBeilngrieser
und Freystädter Schöpfungen : überall die
gleichen sehnigen und knochigen Männer-
gestalten, die gleiche Art jugendlicher Er-
scheinungen. Vitus mit seinem breiten flächigen
Typus gehört unbedingt in den gleichen
Formenkreis wie die Beiingrieser Marienfigur
und wie der Engel Gabriel auf der dortigen
Verkündigungsszene (S. 98).
102 e^ DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ®»
MARI VRIUM D1£S Hl,. VITLS
Vgl. AH. S. gy. — Text S. loo
In der Gewandung klingt die ältere weiche
Art noch mehr nach als in den Schreinfiguren.
Als Entstehungszeit kommen die neunziger
Jahre des Jahrhunderts in Betracht.
Derbisher gewonnene Ueberblick ermöglicht
es, zwei große Einzelfiguren als Schöpfungen
des begabten Meisters zu erkennen. Zunächst
eine Marienstatue auf dem nördlichen Seiten-
altar in der Pfarrkirche zu Großhebing (Abb.
S. 104I.). Eine bedeutende Schöpfung ! Ent-
standen ist sie ungefähr gleichzeitig mit den
Beilngrieser Reliefs. Wie dort dokumentiert
sichder Meister auch hier als begeisterter Realist.
Sein Marienoriginal nahm er sich mitten aus
dem Leben : eine junge Frau, stattlich, gesund
und kräftig, nicht idealschön, aber eben ganz
lebenswahr. Sinnend, nachdenklich wendet sie
sich dem Jesuskind zu. Das Kind ist sehr schön.
Den Formen des kindlichen Körpers zeigt
sich der Schnitzer völlig gewachsen, die Be-
wegung ist frei und rh3-thmisch, der Ausdruck
des schönen Köpfchens ungemein seelenvoll.
Etwas wie Wehmut scheint aus dem Kind
zu sprechen. Mit beiden Händchen hält es
einen Apfel vor sich, jedenfalls den Paradies-
apfel. Dieser Umstand erklärt die Stimmung
bei Mutter und Kind. Also wie häufig bei
den mittelalterlichen Madonnenmeistern eine
sehr vertiefte Auffassung mit mystischen An-
klängen.
Mit einem wahren Enthusiasmus für flutende
und rauschende Formen bildete der Schnitzer
die Gewandung Mariens: das Pathos der acht-
ziger Jahre wollte seinen Tribut haben. Es
muß sich aber dem weichen Stil anbequemen,
in dem der Künstler aufgewachsen ist. Die
Zugehörigkeit zum fraglichen Opus betreffend,
wolle man den Typus Mariens mit der Beiln-
grieser Mariendarstellung vergleichen, namen-
lich am Dreikönigsrelief. Man verü;leiche ferner
DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS e^
103
MAklhRlOÜ DEb HL. Mll'b IM OLI\£»EL
r^-l. Ali. S. 97. — Tcjci S. 100
den hl. Vitus am Kottingwörther Altar. Der
gleiche persönliche Stil, auch die gleichen
technischen Manieren prägen sich mit der
wünschenswertesten Erkennbarkeit aus.
Die zweite Figur steht jetzt in der Kirche
zu Esselberg, in der Nähe von Großhebing.
Es handelt sich um eine Apostelstatue,
gegenwärtig durch die nicht glückliche Bei-
gabe eines Lilienstengels als St. Joseph cha-
rakterisiert (Abb. S. 105). Das Bildwerk befand
sich früher in Großhebing in Privatbesitz,
stammt also möglicherweise aus der dortigen
Pfarrkirche. Die Figur ist etwas jünger als die
Großhebinger Madonna und etwas älter als
der Kottingwörther Altar. Die künstlerischen
Qualitäten der Schreinfiguren des genannten
Altars kommen auch der Esselberger Statue zu.
Der Typus des vollbärtigen Apostels findet
sich wieder in Beilngries auf dem Beschnei-
dungsrelief und in Berching auf dem Sippen-
relief (Abb. S. 106), wovon sogleich die Rede
sein wird. Die Gewandung bewegt sich in rei-
chen, volltönenden Rhythmen. Das Bedingtsein
durch den Körper ist aber weniger ausgedrückt
als das am Kottingwörther Altar der Fall ist.
Der eben erwähnte Hochaltar der altehr-
würdigen Lorenzikirche in Berching gehört
zweifellos unserem Meister an. Erhalten ist
von der umfangreichen Anlage die Schrein-
gruppe, Maria Krönung darstellend, und vier
Flügelreliefs. Sie schildern die Diakonatsweihe
des hl. Laurentius, sein Verhör vor dem
Richter, seine Grablegung, außerdem die hl.
Sippe (Abb. S. 106 und 107). Die interessanten
Bildwerke sind heute einem modernromani-
schen Altaraufsatz eingegüedert. Auch die
Außenbilder haben sich erhalten. Sie hängen
einzeln an den Wänden der Kirche"). Es sind
') Kunstdenkmäler des B.-A. Beilngries, S. 37, 40 u.
Tafel Il-V.
104
^ DER MEISTER DES KOTTINGWÜRTHER ALTARS ffiSSi
.MAIUENSTATUE IK GUOSSHHBIXG
Text S. IUI
MAKlEXSTATUli IX DLR I'E lEKSKlKCIlE Zu
EICHSTÄTT. — Text S. 106
deren acht wie am Kottingwörther Altar. Die
beiden Altäre hatten also rückseits stehende
gemalte Seitenflügel, die nur bei geschlossenem
Schrein sichtbar wurden.
In den Visitationsprotokollen des Eichstätter
Generalvikars Priefer, 1601 — 02 niederge-
schrieben, steht die Bemerkung, der Altar sei
im Jahre 1302 gemacht worden: > altare coro-
nationis B. Virg. et s. patroni (i. e. s. Laurentii)
magnum ex sculptis imaginibus Anno 1502
factum«'). Diese Notiz, die sich mit der
') Ordinariatsarchiv Eichstätt, Vitus Priefer, Visitations-
protokolle von 1601/02, tom. II, fol. 241'- Vgl. Pasto-
ralblatt 1862, S. 177.
wünschenswertesten Sicherheit auf die erhal-
tenen Skulpturen bezieht, wurde von Priefer
ofl^enbar auf Grund einer am Altar ange-
brachten Inschrift oder Jahreszahl gemacht.
Für den ersten Augenblick befremdet die
Jahreszahl. Man würde die Berchinger Skulp-
turen mit Rücksicht auf deren Gewandstil,
der mit bayerischen Arbeiten der Renaissance-
zeit Berührungspunkte zeigt, etwas später an-
setzen. Dennoch dürfte die Priefersche Notiz
richtig sein. Die Schreinfiguren in Berching
stehen denen am Kottingwörther Altar so nahe,
daß der Unterschied nur wenige Grade aus-
macht. Daceaen sind die Flü"elreliefs fort-
DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS mm
105
geschrittener — im stilistischen Sinn — als
jene am Kottingwörther Altar. Die Beein-
flussung durch den alteren weichen Stil hat
völlig aufgehört. Schrein und Flügel stimmen
in Berching in der stilistischen Aufmachung
vollständig überein. Die jüngere Entstehungs-
zeit macht diese Erscheinung ohne weiteres
verständlich. Der Meister hat den Anschluß
an den Zeitstil völlig gefunden; die barocken
Momente, die mitsprechen, sind eine Nach-
wirkung der Schule, aus welcher der Meister
hervorgegangen ist, das gleiche künstlerische
Empfinden wie an der Großhebinger Madonna,
aber dem Zeitstil gemäß formuliert.
Der Zeit entsprechend, die von der Formen-
klärung durch die Renaissance beherrscht zu
werden anfängt, oder von deren Formenglätte,
wenn man will, geben sich die Berchinger
Figuren kultivierter als die vorausgehenden
Arbeiten, wenn man deren herben Realismus in
den Vordergrund stellt, mehr der typischen
Konzentration zugeführt im Gegensatz zu der
älteren naiven Vorliebe für reiches, selbstän-
diges Detail. Sie gehören aber besimmt der
gleichen Rasse an. Zweifler bitte ich die Ber-
chinger Marienfigur mit dem Kottingwörther
Vitus in Vergleich zu stellen, Gottvater und
Gottsohn mit Modestus und dabei noch zu
beachten, daß die Berchinger Figuren durch
eine moderne Fassung geglättet sind. Die
Schreinfiguren bilden dann das feste Bindeglied
zwischen den Berchinger Flügelreliefs und
den älteren Reliefarbeiten. Ohne sie wäre die
Brücke schwer zu finden, das muß zugegeben
werden.
Was den seelischen Charakter der Berchinger
Skulpturen anbetrifft, so ruhtauf der Krönungs-
gruppe eine ungewöhnlich teierliche, würde-
volle Stimmung. Die überschlanken Propor-
tionen bei Gottvater und Gottsohn erhöhen
diesen Eindruck. Die gedrängte Gruppierung
hängt offensichtlich mit der ursprünglichen
Gestaltung des Schreins zusammen. Die er-
haltenen drei Figuren füllten denselben nur
halb. Die heutigen Nebenfiguren sind nicht
zugehörig. Man muß also annehmen, daß die
Krönungsgruppe ursprünglich von weiteren
Figuren umgeben war, die verloren sind, ent-
weder von Engeln, ähnlich dem Schaffnerschen
Altar in Wettenhausen, oder zwei großen
Heiligenfiguren, wie es beim Hauptaltar in
Schwabach der Fall ist.
Seelenvolle Innerlichkeit spricht aus den
Flügelreliefs, namentlich aus der Sippendar-
stellung, die fürinnere Vertiefung ja am meisten
Anhaltspunkte bot. Die Einreihung dieses
Motives ist auffallend. Sie macht es wahr-
scheinlich, daß im Schrein neben der Krö-
nIATLE IN' ES^ELBERO
Text S. loj
nungsgruppe die Figuren St. Laurentius und
St. Anna standen, also eine Schreinanordnung
wie am Schwabacher Altar. Die Verehrung
der hl. Anna war um die Entstehungszeit des
Berchinger Altars im höchsten Flor. Auch
in Berching scheint sie sehr gepflegt worden
zu sein. Die zweite Kirche der Stadt, die
heutige Pfarrkirche, erhielt um die fragliche
Zeit einen Altar der Heiligen, woraus sich
später sogar eine eigene St. Annakapelle ent-
wickelte»).
Dem Berchinger Altar steht zeitlich eine
Marienstatue nahe, die in der Peterskirche
I) Pastoralblatt der Diözese Eichstätt 1858, S. 108.
Ueber spätgotische St. Annabildnisse im Hochstift Ei.:h-
stätt vgl. meinen Aufsatz im Sammelblatt des Hist. Ver.
Eichst.itt, 191 1.
Die chrisüichc Kunst. XII.
io6
^ DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ©S^
\t).M ll(.l( HAI lARi; DER LORIAV .. i_l:L _; 1;1£RCH1NG, DIÖZESE EICHSTÄTT
Text S- tvj-los
in Eichstätt sich befindet (Abb. S. i04r.). Sie
gehört sicher dem Kottingwörther Meister an.
Seine Art, die Draperien zu gestalten, bildet
eine singulare Erscheinung in der spätgotischen
Plastik des Hochstiftes Eichstätt, die Verglei-
chung ist deshalb leicht. Der Typus Mariens
hat viel Verwandtes mit der Kreszentia des
Kottingwörther Altars und mit den Frauen
des Berchinger Sippenreliefs : keine weiche
Schönheit, sondern Betonung des Charakte-
ristischen, ja ein Stich ins Herbe, ist all diesen
Frauengestalten eigen.
Die Madonna der Peterskirche gehört gleich
der Großhebinger zu den zahlreichen Marien-
figuren des Mittelalters, die das mariologische
Problem von seiner tiefsten Seite erfassen.
Würde und Ernst verkörpern sich in Maria.
Entzückend schildert der Künstler wieder die
Psyche des Kindes: nicht einen hübschen,
liebenswürdigen Knaben schuf er, sondern
ein Jesuskind, das mit sinnigem Ausdruck den
Betern sich zuwendet und sie segnet. Der
Gestus des Segnens scheint ursprünglich zu
sein. Wenn geringer begabten Schnitzern die
Uebersetzung der Natur in die überweltliche
Sphäre weniger glückte, so kann das bei der
Schwierigkeit der Aufgabe nicht überraschen.
Die bisher genannten Schöpfungen geben
sich als Werke eines Meisters deutlich zu er-
kennen. Wir nannten ihn den Kottingwörther
Meister. Ich reihe noch einige Skulpturen an,
die in seine Richtung fallen, eine definitive
Zuteilung jedoch nicht gestatten.
Die Kirche in Hausen bei Greding besitzt
drei Apostelrelieffiguren: Petrus, Paulus und
Johannes (Abb. S. io8). Die Figuren stehen
ausgesprochen unter dem Einfluß der Renais-
sance, die im Eichstätter Gebiet mit Loy Hering
seit ca. 15 14 ihren Einzug hielt. Daß die
Bildschnitzer des Hochstiftes dem Einfluß
seiner Schöpfungen sich entzogen hätten, ist
nicht anzunehmen, wohl aber das Gegenteil.
Die Hausener Figuren zeigen das: die über-
schlanken Proportionen, die sich schon teil-
weise am Berchinger Altar geltend machen,
die Reduktion des reichen Details in der Ge-
wandung und die Charakteristik der Apostel,
sind auf Rechnung der Renaissance zu setzen.
Es gewährt namentlich großes Interesse, zu
beobachten, wie der spätgotische Realist in
der Charakterschilderung mit dem Renaissance-
ideal sich abfindet. Er bleibt Charakterschil-
derer, sucht aber gleichzeitig den Forderungen
auf formale Schönheit, die dem Typus zustrebt,
gerecht zu werden. Also ein Kompromiß, der
zu etwas manierierten Gestalten geführt hat.
Bezeichnend ist der Pauluskopf mit dem ge-
strähnten Flachsbart. Die gezwungene Hai-
DER MEISTF.ll DES KOTTINGWOimiER ALTARS ©as
107
tung der drei Figuren scheint durch
den engen Raum verschuldet zu
sein, in den sie hineingezwängt
werden mußten.
Aus der Hausener Kirclie kam
eine Sa! vatorb üs te in Privat-
besitz (Abb. S. 109), Sie ist gleich-
zeitig mit den Aposteltiguren viel-
leicht Rest einer Standtigur; daß
sie vom Meister der Apostel
stammt, ist ohne weiteres klar. Es
fällt aber auch die Verwandtschaft
mit den Berchinger Krönungstigu-
ren in die Augen. Mit ihnen hat
der Hausener Christus die lange
Kopfbildung gemeinsam, gleich
den Aposteln, und das gleiche
figürliche Ideal. Wie auf den Ber-
chinger Figuren ruht auf diesem
Salvator Hoheit und Würde, aber
nicht unnahbar. Die benignitas
et humanitas salvatoris spricht ver-
trauenerweckend mit. Die Inspi-
ration des Künstlers war unbedingt
bedeutend. Man erinnert sich an
die Inschrift des Genter Altars zu
Füßen Gottvaters: »Leben ohne
Tod im Haupte, Jugend ohne Alter
auf der Stirne, Freude ohne Trauer
zur Rechten, Sicherheit ohne Furcht
zur Linken«.
Zwei Apostelfiguren in der
Kirche zu Pfraundorf bei Beiln-
gries fallen in die Richtung der
Hausener Skulpturen. Ein hl. Se-
bastian in der Kapelle zu Kai-
dorf, ebenfalls bei Beilngries,
könnte eine Werkstattarbeit sein'),
auch ein hl. S ebas tian in Rök-
kenhofen kommt, wenn die Er-
innerung nicht täuscht, in Frage.
Eine Reihe von Berührungs-
punkten mit den jüngeren Arbeiten
des Kottingwörther Meisters hat
ein Altarwerk in Burgober-
bach bei Ansbach. Ich will aber
nicht gesagt haben, daß es ihm
wirklich angehört, das gestatten
verschiedene Bedenken nicht. Für
jeden Fall ist die Konstatierung
von Interesse, daß in beträcht-
licher Entfernung von der Zone,
die die vorausgehenden Werke ber-
gen, verwandte Erscheinungen auf-
treten. Da Burgoberbach Besitz
BEGRÄBNIS DES HL. LAUREN TIUS
KW. A/>6. S. 106
') Abbild, i. Kunstdenkmäler des B.-A.
Beilngries, S. 99.
l'gl. AU. S. 106
io8
e^ DER MEISTER DES KOTTINGWÖRTHER ALTARS ^
DKKl Al'OSTIiL IX DEK KIRCHE ZU HAUSEX Bi;i GKEDIXl, (I)IOZ. HICHSTATT)
Tejrt S. 106
des Hochstiftes Eichstätt war'), wäre der Zu-
sammenhang ja sehr erklärlich.
Der Altar stand ursprünglich in der Leon-
hardil^irche in Burgoberbach. Um die Mitte
des 19. Jahrhunderts versetzte man ihn in die
Pfarrkirche. Bei diesem Anlaß mußte er sich
starke Eingriffe in den ursprünglichen Bestand
gefallen lassen. An Stelle der Mitteltigur im
Schrein, St. Leonhard, trat ein moderner
Nikolaus, auch die Predella ist neu. Die Gruppe
der Zwölf Apostel, die darin gestanden war,
ist verschollen. Erhalten sind die beiden
Schreinfiguren St. Stephan und Sebastian (Abb.
S. iio u. in), die Flügelreliefliguren St. Chri-
stophorus und Wendelin, ferner die Außcn-
bilder der Flügel mit Szenen aus Leonhards
Leben. Die Statue des hl. Leonhard (Abb.
S. iior.) kam in die kath. Pfarrkirche zu
Absberg.
') Vgl. Bundschuh, Hist.-iopogr. Lexilion von 1-ran-
ken, Ulm 1799, I, 508 tf.
Was die Burgo-
berbacher Figuren
mit dem Kotting-
wörther Meister ver-
bindet, das ist die
Auswahl der Typen,
das figürliche Ideal.
Die drei Heiligen —
die Flügelreliefs sind
nur dekorativ zu
werten — nament-
lich Sebastian und
Stephanus, haben
jene schmalen, läng-
lichen Köpfe mit
manieriert behandel-
tem Mund und knap-
pen Knien, wie sie
die Berchinger und
Hausener Figuren
auch zeigen. Kurz
gesagt, es besteht
Familien Verwandt-
schaft, die leichter
gesehen, als analy-
siert wird. Auch die
überschlanken Kör-
perproportionen
sind gemeinsam.
Das Gefühl für pla-
stische Geschlossen-
heit zeigt gegenüber
Berching und Hau-
sen einen bestimm-
ten Fortschritt, die
Leonhardsfigur we-
nigstens. Die Ge-
stalt des Heiligen ist von innen heraus ent-
wickelt, das Bedingtsein der Gewandung vom
Körper klar ausgedrückt unter Zurückdrän-
gung der Draperiedetails, die noch weiter geht
als bei den Hausener Figuren. Das wäre also
ein Wachsen des Verständnisses für den Genius
der Renaissance.
Ich bemerke aber nochmals ausdrücklich,
daß mir die Bedenken für eine bestimmte
Zuteilung sehr wohl bekannt sind. Für Kriti-
ker ist es eine wertvolle Uebung, den hl.
Leonhard mit den Seitentiguren zu vergleichen.
Der Kunsthistoriker, der den Leonhard dem
Meister der Seitenfiguren auf stilkritischem
Wege zuteilen würde, dürfte starken Bedenken
begegnen. Glücklicherweise bestehen aber
lokale Traditionen, die Urkundenwert haben.
Das sind des Kottingwönher Meisters Werke.
Seinen Namen kennen wir nicht, werden ilin
voraussichtlich auch nicht kennen lernen. Er
war keiner von den Geringen. Die Zeit seines
^ DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ^S
109
SALVATORBÜSTE AUS DER KIRCHE 1\ HAUSEX
Text S. 107
Schaffens fällt in eine Periode, die innerhalb
Dezennien einen raschen Wechsel von Stil-
bewegungen aufweist. Welches waren die
inneren treibenden Kräfte dieser Bewegung?
Um die Wende des Jahrhunderts das Ein-
dringen der Kenntnis italienischer Kunst, die
unmittelbar oder, wie jedenfalls in unserem
Fall, mittelbar wirkte. Aber was bewirkte die
barocke Hochflut der achtziger Jahre? Welche
innern Kräfte waren da in Tätigkeit? Man
hat von »seelischer Erregtheit« gesprochen
und darin eine Wegbahnung für die religiösen
Umwälzungen des 16. Jahrhunderts gefunden.
Das ist Täuschung. Ebbe und Flut, Ruhe
und Bewegung wechseln in der Formenwelt
der Kunst ständig, auch in den übrigen Jahr-
hunderten, am meisten in der modernen Zeit.
Auf klassische Tendenzen folgen wieder ba-
rocke. Ein Beispiel : Die Hochflut des Barocks
in der Spätzeit des 17. Jahrhunderts glättet
sich mit Beginn des 18. Jahrhunderts immer
mehr, um mit dem feinen Laub- und Band-
werk der zwanziger Jahre zur ruhigsten Aus-
drucksweise überzugehen. Aber das Ansteigen
beginnt sofort wieder und erhebt sich zu
einer wahrhaft barocken Hochflut im Muschel-
werk des Rokoko gegen die Mitte des Jahr-
hunderts, um abermals in allmählich abstei-
gender Bewegung in die Ebbe des Klassizismus
auszulaufen. Das romanische und gotische
Mittelalter unterlag den gleichen Gesetzen,
nur waren die Fristen etwas länger gesteckt.
Es handelt sich also um ein durchgehendes
Gesetz, das dem Kunstschaff'en immanent ist.
Die absolute Schönheit, die in der Kunst sich
widerspiegelt, ist unerschöpflich. Keine Stil-
weise kann sie annähernd genügend ausdrük-
ken, auch die Gotik nicht, die man im 19. Jahr-
hundert auf doktrinärem Weg zur absolut
kirchlichen Kunst zu stempeln suchte. Der Ver-
such führte zur traurigsten Inferiorität. Wech-
sel und Vielgestaltigkeit ist ein überragendes
Weltgesetz, auch in der Kunst. Daß, zunächst
von der Kunst gesprochen, auch psychologische
Faktoren mitwirken, die cupiditas rerum no-
varum, unterliegt keinem Zweifel. Sie kann
ein Uebel sein, wie die modernen Bewegungen
zeigen, die keine Reife über lauter Unruhe
und Modesucht aufkommen lassen, kann aber
auch eine psychische Kraft sein, die vor
Verknöcherung und Versumpfung bewahrt,
wie ein Blick auf die romanische und gotische
Misere des 19. Jahrhunderts beweist.
DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MIL-
BERTSHOFEN UND IHR DECKEN-
GEMÄLDE
Von DR. ADOLF FEULNER
(Hierzu die Abb. S. 112 bis 120)
\ Tun ist mit der Fertigstellung der Decken-
^ ^ maierei die neue Pfarrkirche in Milberts-
hofen trotz der Ungunst der Zeiten zur
Vollendung gelangt. Wenige Stücke der
Ausstattung fehlen noch ; doch werden diese
kaum eine Änderung des Gesamteindruckes
bedingen. An dem Bau, so wie er jetzt steht,
kann man das Wollen und Können unserer
Zeit auf dem Gebiete ländlicher Kirchenar-
chitektur gut ersehen und da die Kirche, alles
in allem, zu den erfreulichsten Leistungen
unserer jüngsten Künstlergeneration gehört,
nehmen wir Anlaß, auch hier ausführlich dar-
auf hinzuweisen.
Wir geben zunächst die wichtigsten Daten.
Eine neue Kirche war in Milbertshofen schon
längere Zeit geplant, der Kirchenbauverein
DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN
IIL. STKI'HANIS
urtn von einem Altar
Burgoberbach. Hier.
IIL. li;ü\hakii
— Text S. ,07 und loS
bestand schon Jahrzehnte, und mit Rücksicht
auf die Nähe Münchens und die bevorstehende
Einverleibung in die Stadtgemeinde hatte
man anfangs einen größeren, wenig origi-
nellen Bau projektiert. Er ist das Verdienst
des jetzigen Stadtpfarrers Joseph Ströbl, daß
schließlich ein kleineres Projekt, das sich den
immerhin noch ländlichen Verhältnissen besser
anpaßt, zur Ausführung kam. Ströbl hat auch
mit zielbewußter Energie und sicherem Ver-
ständnis die entsprechenden Kräfte unter den
jüngeren Künstlern zu gewinnen verstanden
und keine Mühe gescheut, um eine Kirche
zu erhalten, die von den ausgetretenen Bah-
nen gotischer oder romanischer Stilnachah-
mung abweichend, den praktischen und ästhe-
tischen Bedürfnissen unserer Zeit gerecht
wird. Am 11. September 1910 war der
Grundstein zum Bau gelegt worden, am
28. April 1912 erfolgte die Einweihung. Den
Entwurf zum Bau mit der gesamten Aus-
stattung, zu den Altären, zu Kanzel und
Gestühl hat Otho Orlando Kurz geschaffen.
Die Ausführung der Bauarbeiten lag in den
Händen der Architekten Eduard Herbert und
Otho Orlando Kurz, die der Holzschnitzar-
beiten bei Ignaz Bader und Osterrieder. Die
plastischen Werke, das modern stilisierte
Hochrelief des Hochaltares, die naturalistisch
in der Art der Frührenaissance Donatellos
behandelten Figuren, das Kruzifix über dem
Südeingang und St. Johannes auf dem Schall-
deckel der Kanzel sind von Karl Baur, der
auch die Reliets zu den Seitenaltären fertigen
DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN
wird. Schöpfer der Decken-
malerei, auf die wir iiernacii
ausführlich zurückkommen
werden, ist Franz Reiter.
Eine vollkommen neue
Lösung für den katholischen
Kirchenbau hat die moderne
Architektur noch nicht ge-
bracht. Man hat in moder-
nen Architekturformen ältere
Ideen überarbeitet, man hat
sich im Grundriß und Aufriß
an Beispiele alter Stiltormen
angeschlossen, mit Vorliebe
zuletzt an Formen romani-
scher Kunst, weil diese dem
modernen Streben nach tek-
tonischer Kunst am meisten
entgegenkamen. Auch Kurz
hat sich an ältere Vorbilder
angelehnt, an Vorbilder aus
der Zeit, die in Bayern die
originellsten , am meisten
selbständigen Kirchenbauten
geschaffen hat, an solche des
späten i8. Jahrhunderts. Im
südlichen Bayern zeigen die
Schöpfungen der Lechtaler
Architekten ähnliche Grund-
rißlösungen ; auch Details,
wie die Fensterfiguration sind
dort zu finden, während die
Formen des Turmes an alt-
bayerische Zopfkirchen erin-
nern. Anderes ist wieder
freier und selbständig, wie
man überhaupt von Nach-
ahmung nicht sprechen kann.
Daß das Vorbild der engeren
Heimat entnommen ist, ist
sicher ein Vorzug; eine
Kirche in diesen mit dem Boden verwachse-
nen Formen schließt sich mit größerer Selbst-
verständlichkeit dem Landschaftsbilde ein.
Ebenso daß Formen der ländlichen Archi-
tektur gewählt wurden ; die Kirche ist nicht
in ein fläusermeer eingebettet, sondern steht
frei, in dem ebenen Gelände fast beherr-
schend da. Die malerische Gliederung der
Außenarchitektur, die Zusammengruppierung
der Bauteile, von Langhaus, Turm und Sa-
kristeianbauten, dazu die Formen des ge-
brochenen, steilen Daches, die Figuration der
Fenster, alles das zusammen bewirkt den
reizvollen Eindruck. Noch ein Umstand hat
vielleicht den Anschluß an die Architektur
des späten i8. Jahrhunderts veranlaßt. Die
Grundrißlösungen dieser Zeit kommen auch
HL. SEB.
Burgoberbach.
modernen, praktischen Be-
dürfnissen am meisten ent-
gegen, die Zentralanlage mit
dem mächtigen, hellen Schiff,
an das sich in der Längs-
achse Chor und Orgelvor-
halle anschließen, läßt über-
all den Blick auf die Altäre
frei und gewährt auch der
Kanzel, die in der Mitte der
Nordwand angebracht ist,
den prominenten Platz.
Die Durcharbeitung des
Einzelnen im Innern ist eben-
falls selbständig. Die Gliede-
rung der Langhauswände
durch Pilaster mit freiem Ro-
kokokapitäl, auf welchem das
abschließende strenge Gebälk
ruht, die Aufteilung in Fel-
der lehnt sich nur im allge-
meinen an ältere Stilmuster
an. Die grazile Leichtigkeit
der Architektur des 1 8. Jahr-
hunderts ist überall mit mo-
dernem Sinn für Monumen-
talität gemildert; die Gliede-
rung ist schwerer, wuchtiger,
sie bewegt sich in Abkür-
zungen, wo der alte Stil sich
frei auslebt. Manche Lösung
zeigt sogar Freiheiten, die
auch der originellste Zopf-
architekt nicht gewagt hätte,
wie den Anschluß des Chor-
bogens an die Wandgliede-
rung, die mit einer Voluten-
endung abfällt, während das
im Zwickel übrigbleibende
Gebälkstück einfach durch
eine Blattrosette verdeckt
wird. Dann eines, was dem historisch versier-
ten Beschauer am meisten auffällt, die Ver-
schiedenartigkeit der Wandghederung in Chor,
Schiff" und Orgelvorhalle. Der Chor mit dem
dreiseitigen Schuß, dem auf Konsolen sitzen-
den Kappengewölbe mit Rippen aus stukkierten
Lorbeerstäben und den übrigen Stukkaturmo-
tiven der süddeutschen Renaissance macht
mehr den Eindruck eines Baues des 17. Jahr-
hunderts, während der durch das starre, auf
freien Konsolen aufruhende Gebälk abge-
trennte Orgelanbau mit der ungegliederten
Wand, der Kassettendecke, und der auf
stämmigen, jonischen Säulen ruhenden Empore
die ohne engere Verbindung in den Raum
hineingestellt ist, modern gehalten ist. Das
sind Lösungen, die vielleicht manchen male-
ASTIAN
Text S. 108
DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN
1 ARBIGE STUDIE ZUM HL. GEORG
rischen Reiz verbürgen ; ob die Zusammen-
stellung dreier verschiedenartig behandelter
und unter sich verbindungsloser Raumkom-
partimente ästhetische Vorteile bietet, darüber
läßt sich streiten.
Auch die Ornamentik geht von Vorbildern
des i8. Jahrhunderts ab; sie verwendet
schweren, italienisierenden Akanthus, der auch
an den Seitenaltären wiederkehrt. Die har-
monische Zusammenstimmung eines jeden
Details mit dem Gesamtraum in der Weise,
daß nirgends eine Leere entsteht, daß jedes
Ornament in den Rhythmus der Architektur
verflochten wird, ist das Charakteristikum von
Baustilen, die natürlich aus der Kultur eines
Zeitalters emporgewachsen sind, bei denen
der Stilwillen bis in die kleinsten Teile hinein-
sprießt. An der Ornamentik spürt man zuerst
das Nachempfundene. Auch hier erscheint
die Ornamentik etwas einförmig, sie hat nicht
das Leben, das man bei Bauten dieser Art
gewohnt ist. Etwas schwer wirkt auch die
Bemalung der Wände, die Abtönung mit
dunklem Ocker und starkem Grau. Da auch
die an sich bewegten Altäre zu einfarbig ge-
halten sind, mit zu weitgehender Ver-
wendung von Silber und kaltem Grau-
grün, würde der Gesamtraum mono-
ton erscheinen, wenn er nicht durch
das Deckengemälde das richtige Le-
ben erhielte (Abb. S. 113).
Bei der Konkurrenz um das Decken-
gemälde wurde von der Jury, zu der
auch V. Habermann, v. Feuerstein und
V. Hackl gehörten, dem Entwurf von
Franz Reiter der I. Preis zuerkannt,
»weil die wohlbefriedigende Kompo-
sition im vollen Einklang mit der
umgebenden Architektur steht .Reiter
tolgt hierin der besten Barocktradi-
tion. Das Deckengemälde ist nicht
als rein tektonische Dekoration behan-
delt, die wie ein Teppich die Wand
schmücken will — man darf, um ein
modernes Beispiel anzuführen, nur an
Becker -Gundahls Wandgemälde in
der Münchener St. Annakirche den-
ken — , es verfolgt noch weiteren
Zweck. Wie es der Stil erfordert,
will es den Hochdrang der Architek-
tur zum Ausklang bringen, es will
raumerweiternd wirken. An der Decke
öffnet sich gleichsam ein neuer Raum,
der mit dem sonnigen, von dunkeln
Wolken durchkreuzten Himmel endet.
Man dachte sich im 18. Jahrhundert
die Deckengemälde als Visionen,
welche durch die illusionistische Be-
handlung, die perspektivische Verkürzung
dem Beschauer nahe gebracht worden sind.
Auf die konsequente Durchführung des Illu-
sionismus ist hier verzichtet, Kompromisse
waren, da die gegebene Fläche stärker be-
rücksichtigt werden mußte, auch hier nötig.
Der Beibehaltung eines einheitlichen Flucht-
punktes für das ganze Deckengemälde stand
die Längsform entgegen, die zu starke Ver-
kürzungen ergeben hätte ; es sind deshalb
zwei Fluchtpunkte gewählt, die etwa in Höhe
der großen Evangelistenfiguren liegen. Aus
dem gleichen Grunde wurde auch nicht eine
einheitliche, durchgehende Komposition ge-
wählt, sondern die Decke aufgelöst in Ein-
zelbilder mit Darstellungen der wichtigsten
Episoden aus der Legende des Titularheili-
gen. Darin kommt die Komposition moder-
nem, tektonischem Empfinden entgegen, sie
berücksichtigt moderne Bedürfnisse für eine
Monumentaldekoration. Auch fehlt der Ar-
chitektur die nötige ekstatische Steigerung und
das Deckengemälde ist durch eine zu breite
und plastisch vortretende Umrahmung abge-
trennt. Die Verkürzungen treten deshalb
113
FRANZ REITER (MÜNCHEN)
Text S. 113 iis t/S
DECKENBILD IN
MILBERTSHOFEN
Die christliche Kunst. XII.
114
^ DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ^
FRANZ REITER
DER HL. GEORG TÖTET DEN DRACHEN
K<iyt,^,:. ]'gl. Aih. S.
zurück, die perspektivischen Künsteleien, die
auf Deckengemälden des i8. Jahrhunderts oft
unangenehm wirken, fehlen, die einzelnen
Figuren sind wie auf einem Fries aneinander
gereiht. Die vier großen Szenen sind in die
Hauptachsen hineingesetzt. Sie werden ge-
trennt durch die großen Figuren der vier
Evangelisten in den Diagonalen, die als Stein-
figuren zur Architektur des Podestes gehören,
auf welchem die Handlung sich abspielt. Diese
Figuren wirken als deutliche Cäsuren, auch
im farbigen Aufbau. Sie trennen als neutrale
Töne die farbigen Pointen in den einzelnen
Gruppen und bringen sie dadurch zur volle-
ren Wirkung. Damit aber doch die Einheit-
lichkeit gewahrt bleibt, sind Schlußbild und
Anfangsbild durch die durchgehende, schmale
Landschaft, die beiden übrigen Szenen durch
die gemeinschaftliche Architektur verbunden.
Jedes der vier Bilder ist in den so entste-
henden Rahmen hineinkomponiert, die Grup-
pen an den Breitseiten entfalten sich mit
größerem Reichtum und steigen am Rande
bei den Evangelistenfiguren wieder empor,
die Gruppen in der Liingsachse sind strenger
zentral disponiert.
Der Inhalt des Deckengemäldes war ge-
geben; es sind, wie gesagt, Szenen aus der
Legende des hl. Georg, des Kirchenpatrones.
Die Szenen sind inhaltlich in zeitlicher Folge
angeordnet. Gegen Osten, dem Eintretenden
zuerst sichtbar, und darum besonders wirk-
sam in monumental vereinfachter Komposition:
St. Georg tötet den Drachen. Der Heilige
in blinkender Rüstung des i6. Jahrhunderts,
das charaktervolle Haupt unbedeckt, sticht
nach dem Drachen, der sich am Boden windet.
Farbig liegt der Nachdruck auf der Figur des
Heiligen auf dem Pferde ; das übrige tritt
zurück. Es folgt (gegen Süden) ein Breitbild,
die Taufe des Königs von Silena. St. Georg,
der jugendliche Ritter, steht in der Mitte aut
einer Treppe und gießt Taufwasser auf das
Haupt des Königs, der vor ihm kniet. Der
große Mantel des Königs wird von zwei
Mohrenknaben aus dem Gefolge gehalten, die
prächtige, großzügig erfundene Draperie füllt
die ganze seitliche Fläche und bringt wirk-
same Ruhe. Andere Männer des Gefolges,
unter denen verschiedene Charakterköpfe
aus der Münchener Künstlerschaft leicht zu
erkennen sind, blicken von rückwärts her-
ein. Neben dem Heiligen trägt ein Mönch
das Rituale. Eine zweite Szene, St. Georg
DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ®2ii
115
FRANZ RKITER
,i:ORG lAUl-r DEN' KOKIG
Karton. ;>/. AI*. S.
segnet den auf Befehl des Kaisers Diokletian
ihm gereichten Giftbecher, ist in den glei-
chen Rahmen gesetzt, aber in der Kompo-
sition durch den Taufstein davon getrennt
und auch farbig mehr zurückgedrängt. Der
Heilige, zum Martyrium bereit, blickt verklärt
nach oben. Vor ihm steht ein Orientale im
mächtigen Mantel ; der Kaiser, ebenfalls als
Orientale gedacht, blickt vom Pferde herab
staunend herein. Andere Nebenfiguren schlie-
ßen die Gruppe, die sich seitlich gegen die
Evangelistenfigur heraufschiebt.
Die Szene in der Längsachse gegen Westen,
der Heilige wird im siedenden Ol gemartert,
ist wieder streng zentral angelegt und auf
wenige Figuren in symmetrischer Anordnung
beschränkt. In der Mitte steht der Heilige
im Kessel, die Hände betend zum Himmel
STLDIEX VON IRAN/, REH EK 7UM KOPl' DES HL. GEORG UND ZU JENEM DES HINTER .ST. GEORG STEHENDEN
BUCHTR.^GERS IN DER SZENE DER TAUFE DES KÖNIGS (ABB. OBEN)
ii6
^ DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ^
FRANZ REITER
DER HL. GEORG MIT DEM GIl TBECHER
l's/. Ai-/>. S. ijj
erhoben. Ein großer, dunkler Henker stößt
in das Ol, ein anderer, eine besonders schöne
rhythmisch gegliederte Aktfigur, legt Holz
in das Feuer. Seitlich blicken über die Ba-
lustrade einige Figuren herein, rechts mit be-
fehlender Gebärde der Kaiser, links stehen
zwei Männer des Gefolges. Wenn der Künst-
ler hier sein Selbstporträt angebracht hat,
folgt er auch darin alter Gewohnheit. Die
Lücken zwischen den Figuren sind nur auf
dem hier abgebildeten Karton sichtbar, auf
dem Deckengemälde wird der Raum durch
dunkelfarbige Wolken gefüllt.
Die dramatische Schlußszene, St. Georgs
Enthauptung, ist in die nördliche Breitseite
wieder analog dem gegenüberliegenden Breit-
bild komponiert. St. Georg kniet in der Mitte
am Boden und blickt gottergeben zum
Himmel empor, wo im hellen Lichte ver-
schwimmend die Dreifaltigkeit erscheint. Ein
Knecht bindet ihm die Hände, ein herkuli-
scher, in der dunkeln Silhouette machtvoll
wirkender Henker holt zum Schlage aus.
Schon folgt die Strafe Gottes. Vom Blitze
getroffen sinkt der Kaiser vom Pferde, das
sich aufbäumt und mit Mühe von einem
Diener gehalten wird. Leute aus dem Ge-
folge liegen bereits getroffen am Boden.
Seitlich haben sich zwei Frauen angstvoll
zusammengeschmiegt. Die beiden glücklich
erfundenen Figuren, die gut in die steile
Dreiecksfläche hineingesetzt sind, schließen
die Seite günstig ab und führen, die Kompo-
sition am Rande ausgleichend, nach oben
empor. Die Gruppe der Dreifaltigkeit ist
nicht nach der Hauptachse des Bildes gerichtet.
Für den, der an die Absichten barocker
Deckengemälde gewöhnt ist, wirkt dies an-
fangs störend; doch treten die Figuren zu
sehr zurück.
Reiters Deckengemälde ist künstlerisch von
großem Wurf und zugleich bis in die gering-
sten Nebensächlichkeiten überdacht, ja mit
fast ängstlicher Sorgfalt durchkomponiert.
Man muß eben berücksichtigen , daß ein
Deckengemälde in einer barocken Kirche sehr
viele Rücksicht auf den Gesamtraum und da-
mit sehr viele Verstandesarbeit erfordert; Im-
provisationen verträgt der Raum nicht. Aus
den hier abgebildeten Vorarbeiten, vor allem
den durchgezeichneten Kartons zu den ein-
zelnen Gruppen, die in Originalgröße (durch-
schnittüche Länge 4 m) gehalten der Aus-
führung zugrunde lagen, und mehreren Ein-
DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ©^
117
FRANZ REITER
)ER HL. GEORG IM KESSEL GEMARTERT
zelstudien ersieht man den Weg von der
ersten Idee bis zur Ausführung und man kann
daran ermessen, welche Arbeit ein Werk von
dieser Bedeutung verlangt, um allen dekora-
tiven Rücksichten gerecht zu werden. Im
Anschluß an die erste Ideenskizze ist jede
Gruppe für sich durchgearbeitet, jede Einzel-
figur, ja fast jeder Kopf und jede Hand durch
Naturstudien vertieft worden. Die nötige,
großzügige
stellte sich bei
der Raschheit
und Gewandt-
heit erfordern-
den Ausfüh-
rung, bei der
Übersetzung
durch die Pin-
selarbeit von
selbst wieder
ein. Eines kam
dabei dem Ma-
ler zugute;
Reiter war trü-
ber für die
Glasmalerei
HANDSTUDIEN VON FRANZ REITER
SEITE DES
tätig und hat sich bei dieser Technik in die
freie, dekorative Stilistik hineingelebt. Das
ganze Deckengemälde ist in Kaseinfarben Stück
für Stück fertig gemalt, die Primamalerei in
reinen Farben gibt dem Bilde die Frische der
Freskotechnik, sie sichert auch, die Stabilität
der Decke vorausgesetzt, die Dauerhaftigkeit
des Werkes. In der Farbengebung selbst, in
der kühlen Tonigkeit, der ausgiebigen Ver-
wendung von
Ultramarin
spürt man die
Schule Herte-
richs, der Rei-
ter an der Mün-
chener Aka-
demie ange-
hört hat.
Das Decken-
gemälde inMil-
bertshofen ist
das erste, grö-
ßere Werk, mit
dem Reiter vor
die Olfentlich-
ZU DEN FIGUREN AUF DER RECHTEN kClt tritt Und
OBIGEN BILDES Wir tügen des-
ii8
Din NEUE PFARRKIRCHE I\ MILBERTSHOFEN
FRANZ RILITER
TRAUERNDE FRAUEN
Karton. Vgl. Abb. S. 113
halb noch kurz einige biographische Nach-
richten an. Reiter ist ein Vorarlberger, seine
Heimat ist Höchst; geboren ist er 1875 i'^
Oberösterreich. Er war zuerst Glasmaler, lernte
dann bei Schmid-Reutte das Aktzeichnen.
Seit 1897 besuchte er
an der Münchener Aka-
demie die Schulen von
Hackl, von Feuerstein
und Herterich. Auf der Akademie hat er sich bei
einer Weihnachtskonkurrenz für den Entwurf
eines Wandbildes zu einem Musiksaale den
I . Preis erworben ; ferner hat er sich den Baron
Bielschen Preis zur Erhaltung der Fresko-
malerei geholt und so
berechtigt sein bisheri-
ges Schaffen zu den
besten Hoffnungen.
STUDIE VON F. REH EU ZUM KOPF DER KNIENDEN
yUU AUF OBIGER DARSTELLUNG
DER GRUNDGEDANKE VON RAFFAl-LS HL. CACILIA ^
119
1 KA\/ REITER
1 X 1 UAL riL XG DES HE GEORG
A
DER GRUNDGEDANKE
VON RAFFAELS BILD DER
HL. CÄCILIA
(Vgl. Abb. S. 121)
uf diesem erhabenen Gemälde in der Samm-
ung zu Bologna gruppieren sich um die
hl. Cäcilie halbkreisförmig vier Personen : zu
ihrer Rechten stehen Paulus und Johannes,
links die hl. Magdalena und ein hl. Bischof,
der durch kein sicheres Attribut') gekennzeich-
net ist und fast allgemein für den hl. Augustin
gehalten wird, während von anderer Seite
an den hl. Petronius gedacht wurde. Letz-
terer war der Patron der Stadt Bologna und
das Bild wurde für eine Bologneser Kirche,
St. Giovanni in Monte 15 16 im Auftrag des
Kardinals Lorenzo Pucci di SS. Quatro ge-
fertigt. Wenn der Bischof den hl. Petronius
vorstellen soll, so hätten wir zur Seite Cä-
ciliens die Patrone der Stadt und der Kirche.
Die Wahl der hl. Johannes und Petronius
wäre einer Erwägung entsprungen, die zu-
nächst dem Grundgedanken der Darstellung
eines Cäcilienbildes innerlich fremd wäre, und
dieser Umstand müßte uns veranlassen, auch
für die Wahl von Paulus und Magdalena
einen äußeren, zufälligen Umstand vorauszu-
') Das Engeklien in der Krümmung des Bischofs-
stabes kann als Hinweis auf den hl. Augusiin gelten.
setzen, was ja bei den sonstigen »heiligen
Konversationen« der italienischen Kunst zu-
zutreffen pflegt; die Entstehungsgeschichte
des Bildes gibt jedoch hierfür keinerlei Finger-
zeige.
Betrachter und Erklärer des Bildes ziehen
es vor, für die Zusammenstellung der Ge-
stalten des Cäcilienbildes eine einheitliche
theologische oder philosophische Idee anzu-
nehmen. Für Deutinger^) liegt die Einheit
des Gedankens in der musikalischen und poeti-
schen Stimmung: Cäcilia läßt beim Anhören
der himmlischen Melodien die Musikinstru-
mente sinken und verfällt in selige Ver-
zückung. Neben ihr steht der seelenvolle
Jünger der sinnigen Liebe, der Dichter und
Sänger und Seher unter den Aposteln. Auf
der andern Seite sehen wir Augustinus, der
in seinen Retraktationen bemerkt, er habe
sechs Bücher über die Musik geschrieben.
An Johannes reiht sich Paulus als der erste
aller spekulativen Geister des Christentums,
der Töne vernommen und Dinge geschaut,
die keines Menschen Zunge auszusprechen
vermag. Einen Gegensatz zu dem nach innen
gekehrten Weltapostel bildet auf der anderen
Seite die hl. Magdalena, »das Kind der hei-
teren Sinnlichkeit .... noch der Welt zu-
gewendet, aber schon mit einem Anfluge
^) Bilder des Geistes in Kunst und Natur.
^ DER GRUNDGEDANKE VON RAFFAELS HL. CÄCILIA
der Rührung und jener reuigen Beklommen-
heit, jenes tiefen Gefühls, das ihm lehrte,
wie alle Liebe verloren sei, die sich nicht zu
dem Göttlichen und Ewigen allein wendet«.
Gut ist die Bemerkung Deutingers, daß
die Gegenüberstellung der Denker Paulus und
Augustin und der Gefühlsmenschen Johannes
und Magdalena alle Gestalten in einem geistigen
Rhythmus vereinigt. Doch einen streng ge-
schlossenen Bildgedanken, der die Zusammen-
gehörigkeit der Gestalten begründet, fand
Deutinger nicht. Jene geistig durchgebildeten
Männer aber, welche Raffael bei der Zusam-
menstellung der tiefsinnigen Stanzenbilder zur
Seite standen, werden ihn auch in seinem
übrigen Schallen beraten haben und der
Kardinal, welcher das Cäcilienbild bei ihm,
dem damals führenden Maler Roms, bestellte,
ein Vertrauter Papst Leos X., war ohne
Zweifel bestrebt, das Thema, das er gewählt
hatte, nach der theologischen Seite hin zu
vertiefen und auszureifen.
Ausführlich verbreitet sich Carl Justi über
das Cäcilienbild in einem Aufsatz, der im
XVII. Jahrgang (1904) der »Zeitschrift für
christliche Kunst« (S. 131 fl) veröffentlicht ist.
Justi geht von der Annahme aus, daß ein
tieferer Zusammenhang zwischen der legen-
darischen Hauptgestalt und ihrer Umgebung
bestehe und sich mit Wahrscheinlichkeit nach-
weisen lasse. Der Kern der Cäcilienlegende
sei gewesen der Sieg religiöser Uberzeugunt^
über alle Beweggründe und Rücksichten der
Standes- und nationalen Vorurteile, der Ehre
und des Glücks. Die Christin weist den
heidnischen Bräutigam von sich, zeigt ihm
aber einen Weg, der die Möglichkeit einer
Seelengemeinschaft eröffnet und er wird ver-
möge seiner Liebe zu ihr auch Christ, die
Braut verweigert das Götzenopferund empfängt
für Jesus die tödlichen Streiche. So wurde,
sagt Justi, die Tochter des alten Hauses der
Meteller zur Heroin der himmlischen Liebe.
Diese göttliche Liebe sei ein erhöhter Geistes-
zustand; ihn begleite die Musik und der
himmlische Hochzeitsgesang. Darauf baut
Justi seine Ansicht, daß diese Idee der Liebe
auf Raffaels Bild die Auswahl der um Cäcilia
stehenden Heiligen geleitet habe, die Heroen
dieser Idee seien, groß im Reich des Himmels
durch die Liebe. Von Magdalena sagte
Christus selbst: Dilexit multum (sie hat in
hohem Maße geliebt); Paulus hat den Hym-
nus auf die Liebe geschrieben ; Johannes hat
gesprochen: »Gott ist die Liebe, wer in der
Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in
ihm«; Augustinus bezeugt die natürliche Be-
stimmung des menschlichen Herzens zur
Gottesliebe in dem unvergleichlichen Wort:
»Du hast uns zu dir geschaffen, und unser
Herz ist ruhelos, bis es in dir ruhet.«
Justi hat die Akten über das Martyrium der
hl. Cäcilia und die Liturgie herangezogen;
da er sich hiervon nicht rückhaltlos genug
führen ließ, drang er auch nicht völlig in
den geistigen Autbau des Bildes ein. Wer
die Legende und das Offizium der Heiligen
auf sich wirken läßt, gewinnt den Eindruck,
daß dort der treibende Gedanke in der Ent-
schlossenheit Cäciliens liegt, trotz allem aus
Liebe zu Christus jungfräulich zu bleiben,
ein Gedanke, der weiter geht, als jener, den
Justi seiner Erklärung zugrunde legt.
Hier setzt die sehr ansprechende Erklärung
lAUBlGl; STUDIli VON' FR. REHER ZUM HL. (lEOKG Bl:l
DER TAUFE. Vfl. AU. S. IIS
^ DER GRUNDGEDANKE VON RAFFAELS HL. CÄCILIA ^
ein, welche der auch niusikahsch durchge-
bildete Stadtpfarrer Dr. Roth (Wiesensteig)
jüngst in Nr. 2 des »Archiv für ciiristliche
Kunst« veröffentlichte. Roth geht von
dem Inhalt des Responsoriums aus : Can-
tantibus organis Caecilia virgo in corde
SUD soli Domino decantabat dicens: Fiat,
Domine, cor meum et corpus meum im-
maculatum, ut non confundar (Während
die weltlichen Weisen ertönten, sang die
Jungfrau Cäcilia in ihrem Herzen dem
einen Gott, indem sie sprach : Möge, o
Herr, mein Herz und Körper unversehrt
bleiben, auf daß ich nicht zuschanden
werde!). Nach Roth steht Cäcilia wie
am Vorabend der Hochzeit im Festge-
wande vor uns, sie weist die Hochzeits-
musik von sich, denn sie verschmäht den
Vollzug der Ehe, und sieht im Geiste
den himmlischen Bräutigam, zu dem sie
um Bewahrung ihrer Unversehrtheit betet.
Wenn diese Auffassung der Hauptfigur
richtig ist, was sich kaum bezweifeln
läßt, und wenn ferner zwischen Cäcilia
und den Heiligen um sie inhaltlich eine
Gemeinsamkeit besteht, so muß die Wahl
gerade dieser vier Gestalten in erster Linie
mit Rücksicht auf deren Stellung zur
Jungfräulichkeit erfolgt sein. Roth nimmt
das an: in Johannes und Paulus (L Kor. 7,
7. 25. 37) zur Rechten Cäciliens erblickt
er zwei Vertreter der unverletzten
Reinheit, links erkennt er zwei Vertreter
der wiedererworbenen, nämlich
Magdalena und Augustin. Zur Erhärtung
seiner geistvollen neuen Auslegung weist
er auf den Umstand hin, daß die Oratio super
populum der Messe am Mittwoch nach dem
2. Sonntag Quadragesimae (Statio ad sanctam
Caeciliam) mit den Worten beginnt: »Deus,
innocentiae restitutor et amator« (»O Gott,
du Wiederhersteller und Liebhaber der Un-
schuld)« '). Dem Besteller und dem Künstler,
die beide in Rom wirkten, sei es nahe ge-
legen, den Gedanken dieses Gebetes aufzu-
greifen und durch das Bild aus der römischen
Cäcilienkirche in die zu Bologna befindliche
zu übertragen.
In kirchenmusikalischen Kreisen liebt man
das Cäcilienbild Raflaels als die vornehmste
Darstellung der Patronin der heiligen Musik.
Die alten Bilder enthalten keine Anspielung
auf ein Verhältnis Cäcihens zur Musik. Erst
') Weder diese Worte, noch der übrige Inhalt der
Oration nötigt zur Annahme, daß die Üration nicht
allein die verlorene und durch Buße wiederzugewinnende,
sondern auch die unversehrt bewahrte Unschuld in sich
schließt, was den Beweiswert jedoch nicht schmälert.
l-FAEL HL. CÄCILIA
Pinakothek zu Bologna. — Text S. /ig — 122
im 15. und nainentlich seit dem i6. Jahr-
hundert gab man ihr Musikinstrumente bezw.
eine Orgel als Attribute ; später stempelte
man sie frischweg zur Erfinderin der Orgel.
Dieses geschah wohl im Hinblick auf die
Stelle ihrer Märtyrerakten; »Cantantibus or-
ganis .... Caecilia virgo decantabat Domino«,
die man schließlich so auffaßte, daß die
Heilige zur Orgel sang. Ob Raft'ael sie als
Musikpatronin darstellen wollte, ist sehr frag-
lich ; man möchte es verneinen, wenn man
nicht Deutingers unwahrscheinliche Ausle-
gung des Bildes übernehmen will. Der Meister
illustrierte nur die obige Stelle aus den Mär-
tyrerakten bezw. dem Offizium und die zum
Teil beschädigten Instrumente am Boden be-
deuten die verschmähte irdische Hochzeits-
freude, die duftig gemalten Engel in den
Lüften, die kompositionell bescheiden zurück-
treten, sinnbilden die begeisterte Gebetsstim-
mung Cäciliens, die er doch nicht seihst sin-
gend darstellen durfte. Dennoch brauchen
Die christliche ICunst. XII.
^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^
sich die Freunde der Kirchenmusik die Liebe
zu der herrhchen Darstellung der Musikpatro-
nin nicht sclimälern zu lassen. Raffaels Genius
hat vorweggenommen, was unsere Zeit von
einem Bild der Musikpatronin erwartet. Eine
glückliche Stunde war es, als Raftael sich
infolge gedanklicher und künstlerischer Erwä-
gungen entschloß, bei den Engeln von seinem
früheren Entwurf abzugehen und sie nicht auf
Instrumenten spielen, sondern singen zu lassen ;
doch ein programmatisches Bekenntnis zur
kirchlichen Vokalmusik unter Ablehnung der
Instrumentalmusik lag dem Künstler fern.
Hätte er eine Verherrlichung der kirchlichen
Musik beabsichtigt, so hätte er sich die Ge-
stalten Davids und des hl. Ambrosius nicht
entgehen lassen und schwerlich an Magda-
lena, auch kaum an Paulus gedacht. Die
Instrumente und der Engelchor bereichern
das Bild, insbesondere die Hauptfigur, ge-
danklich und kompositioneil gleich glücklich
und heben die hl. Cäcilia als geistigen und
künstlerischen Mittelpunkt gebührend hervor,
während sonst die wuchtige Gestalt des
hl. Paulus und die herrlich aufgebaute
hl. Magdalena zu gleichwertig, um nicht zu
sagen beengend neben ihr stünden.
Sendet den Soldaten ins Feld und in die Lazarette die
spottbilligen, reich illustrierten Monographien der
Allgeineinen Vereinigung für christliche Kunst (München,
Karlstraße 53).
DER CHRISTUSDOM ZU
DRONTHEIM
Von HUGO STEFFEN, Architekt, München
(Vgl. Abb. S. 122 u. 125)
"Tu dem fesselnden Aufsatz »Der Christus-
^ dom zu Drontheim, Norwegen«, im
2. Hefte des laufenden Jahrgangs dieser Zeit-
schrift, mögen , nebst Beigabe des Grund-
risses und eines Querschnittes dieses Gottes-
hauses, noch einige tachtechnische Bemer-
kungen Raum finden.
Der Dom zu Drontheim trägt in seiner
gesamten Anlage und Formensprache den
Bautvpus der nördlichen Länder. Der lang-
gestreckte Grundriß, in Form eines lateinischen
Kreuzes angelegt, zeigt in konstruktiver Hin-
sicht einen großzügigen, der besten Zeit der
Gotik entsprungenen Baugedanken. Der Ar-
chitekt hat dabei sehr sinnig dem Chor durch
Ausgestaltung des Oktogons die reichste Aus-
bildung zugewendet und hier, über dem Alier-
heiligsten, einen sichtbaren Baukörper ge-
schaffen, der äußerlich mächtig kundgibt, daß
darunter das Höchste bewahrt ist. Eine kon-
struktive Betonung enthält auch das Querschifl
durch die Vierung, welche äußerlich den Turm-
bau kennzeichnet. Der ganze Baugedanke des
Grundrisses findet sinnig seinen Abschluß
durch zwei Türme, die das lange Schiff nicht
nur als Abschluß kennzeichnen, sondern es
auch vor einem Ausbiegen schützen und ge-
-> ;a — .-o^tr^ ;y-^c^ ^^ -^m: jl
GRVNDRISS Di;S DOMUS 7.V DKOXTIIEIM. ZEICHNUNG VON HUGO STEFFEN
Fgl. Aili. S. 123: feriter Abb. in lle/l 2, S. 34 und 3S. — Text oben
^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^
123
wissermaßen den Schub des Lang-
hauses aufnehmen. Abweichend von
den meisten anderen Kirchenbauten
sind diese beiden projel^tierten End-
türme , die somit ein verlängertes
Schiff bilden würden, nicht an der
Kopfseite angelegt, sondern zu bei-
den Seiten des Schiffes. Die-
ser formale Gedanke ist hier
sehr gut zum Ausdruck ge-
bracht. Gewiß hatte der Er-
bauer Wert auf eine größere
Ausbildung dieser beiden Tür-
me gelegt, welche, mit samt
dem sich anschließenden Lang-
hause, also vom Querschiff bis
zu den genannten Türmen,
in ihrer oberen Ausbil-
dungunausgeführt blie-
ben. Die Strebepfeiler
des Schiffes nach dem
Chore zusind äußerlich
nur als eine
Art Lisenen ge-
dacht. In dem
starken Mauer-
werke sind er-
stere jedoch ent-
halten.
Von maleri-
scher Wirkung
ist die neben
dem Chore an-
gelegte Kapelle, ^/^Jl
sog. Clemens-
kirche, die im
Verein mit dem
Dome ein be-
zauberndes Bild gibt. Diese romanische Kapelle
ist der älteste Teil des jetzigen Kirchenbaues.
Der Formensprache nach zu urteilen, scheint
mir, wie bei den meisten unserer Kathedralen,
so auch hier, alle Jahrhunderte daran gear-
beitet worden zu sein. Die Architekturformen
des Maßwerkes, Nasen etc., des Triforiums
vom Hochaltar, abgebildet auf Seite 37, Heft 2,
gehören der spätmittelalterlichen Bauperiode
an. Die Vorder- und Gesichtsseite des Acht-
eckes (Oktogon) vom Hochaltar, wie sie aut
Seite 38 genannten Heftes zur Darstellung
gelangte, zeigt wohl ein originelles Architek-
turbild, geschaffen und gebildet aus allen
Jahrhunderten, entstammt aber keineswegs der
besten Zeit der Gotik. Ja, selbst auch über
die Schönheit des Aufbaues und der Einzel-
heiten läßt sich streiten. Mir scheint, als
wenn die drei unteren Bogenstellungen mit
samt den Säulen und Kapitalen der besten
OKTOGON DES DOMES ZU DRONTHEIM. ZEICHNUNG VON H. STEFFEN
Schnitt durch A — B des Grundrisses. — Text nebenan
Zeit der Gotik angehören, desgl. die
zu beiden Seiten aus je drei Bögen
gebildete Architektur über den unteren
ögen, welche als Fortsetzung der
Arkaden des Schiffes sich hier herum-
ziehen und sich an das sonderbare
in der Mitte über dem Hauptbogen
befindliche Gebälk anlehnen.
Dieses Gebälk, siehe Abb. S. 38,
gehört entschieden der späte-
sten Zeit an.
Im Jahre 1537 ist dort die
Reformation eingetreten und
damals scheint vieles an der
Kirche verändert oder viel-
eicht fertiggestellt worden
sein. Jedenfalls datiert dieses
repräsentable Gebälk,
woran sich je diese drei
zu beiden Seiten aufge-
stellten erwähnten Bo-
gen anschließen, aus
dem Anfange
des 16. Jahrhun-
derts, denn ein
leiserHauchder
Renaissance
macht sich hier
in der Gesamt-
komposition
fühlbar. Auch
ein einheit-
licher Rhyth-
mus , wie er
streng der be-
sten Zeit der
Gotik eigen ist,
liegt nicht mehr
darin. Es ist eben ein dekoratives Architek-
turbild von Formen der Frühgotik bis zum
Nahen der Renaissance.
Erwähnenswert sei hier noch der nach
alter Sitte Kirchen und mittelalterliche Dome
umgebende Friedhof welcher hervorragende
Grabdenkmäler aufweist und Träger einstiger
berühmter Namen nennt.
In Berichten wird die Festigkeit des alten
Gebäudes und die Bindekraft des Mörtels
hervorgehoben. Eine alte Inschrift sagt:
»Ampla haec erat aedes calce adeo coagmen-
tata, ut vix solvi posset et destrui, quo tem-
pore dirui jussit Egsteinus Archiepiscopus.«
In dem geschichtlichen Aufsatze sind auf
Seite 34 und 35 die Außenseiten des Domes
vor und nach der Restaurierung abgebildet.
Das altgewohnte, malerische Bild des Domes
zu Drontheim ist jetzt ganz verändert. Ver-
schwunden ist die herrliche Renaissance-
124
^ NEUE KIRCHE IN STRASSDORF BEI GMÜND ©^
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HANS HERKüMMER
KIRCHE IX STRASSDOKl-
kuppel, welche außen das Oktogon krönte.
An ihre Stelle ist — • wie beim Vierungs-
turme — ein achteckiger neugotischer Helm
getreten. Was nun schöner ist, wollen wir
dahingestellt sein lassen. Aber das darf ge-
sagt werden : Ein selten reizvolles Architek-
turbild bot der Dom vor der Restaurierung
bezw. seinen Umbauten dar! Gewiß bedurfte
er einer gründlichen Restaurierung, aber warum
alles wieder einheitlich gotisch gestalten r
Vom Standpunkte unserer heutigen deutschen
Denkmalpflege denkt man darüber anders und
hat in dieser Beziehung zum Glück auch
Fortschritte gemacht. Gerade, daß Jahrhun-
derte hindurch Generationen ihre Gedanken,
also den Stempel ihrer Zeit, solchen Bau-
denkmalen aufdrückten, macht diese so reich,
malerisch und geschichtlich wertvoll! (Vgl.
Abb. S. 123.)
Es sei mir nur gestattet vom hohen Norden
aus nach Süddcutschland einen weiten Sprung
zu tun, zur Frauenkirche in München. Wem
würde es wohl jetzt einfallen, das weltbe-
rühmte und altgewohnte Wahrzeichen der
Türme zu zerstören, weil eben die interes-
santen Kuppeln nicht, wie der Bau, gotisch
sind ? Zwar wollte man in den fünfziger
Jahren vorigen Jahrhunderts, als bei uns in
Deutschland auch wieder alles gotisch werden
sollte und aus den gotischen Kirchen, so
auch bei der Frauenkirche in München, alles,
was nicht gotisch war, iiinausgeworfen wurde,
die Hauben der Türme durch gotische Helme
ersetzen, wozu Bürklein ein Projekt fertigte.
Zum Glück ist aber das herrliche Wahrzei-
chen von München unangetastet geblieben.
Dies sei nur bei Betrachtung des Architek-
turbildes, welches auf Seite 34 vorgeführt
wurde, gesagt.
Der Dom zu Drontheim hoch oben im
Norden bildet einen Markstein in der Kunst-
geschichte, vor allem in der Kirchenbaukunst
Skandinaviens, denn schon die ältesten Be-
richte erschöpfen sich mit Recht einstimmig
in Lobeserhebungen über diesen kunstvollen
und herrlichen Bau.
Zu dem beigegebenen Grundriß soll hier
noch bemerkt werden, daß der Chorbau in
nicht rechtwinkeliger Form zu dem vorderen
Bautrakt ausgeführt wurde.
DIE NEUE KIRCHE IN STRASSDORF
BEI GMÜND
(Abb. S. 124—128)
Inmitten der Liashochfläche, die sich zu den Füßen der
drei Kaiserberge Staufen, Recliberg und Stuilen er-
streckt, erliebt sich die neue Kirche von StraCdorf,
einem Dorf, dessen männliche Bevöll;erung hauptsäcli-
lieh im nahen Schwäbisch -Gmünd beschältigt ist. Die
l;leine alte Kirche, die arcliitelctonisch und landschaftlich
einen ausgezeichneten Eindruck macht, erwies sich als
zu klein. So entschloß man sich, nachdem der Plan
einer Vergrößerung der alten Kirche wieder aufgegeben
war, zum Neubau am andern Ende des Dorfes. Die
alte Kirche blieb zur Freude aller Kunstverständigen
und der Dorfeinwohner erhalten. Kommt man von der
in einer Mulde liegenden Dorfmitte gegen den auf der
Höhe liegenden Neubau, so fallt die wohlgelbrmte
Turmspitze mit dem klar gehaltenen Zifferblatt dem
Wanderer ins Auge. Nach einigen hundert Metern
wird denn auch die ganze Kirche an der linken Straßen-
seite sichtbar, ein bescheidenes, eclites Landkirchlein.
Zunächst ist der äußere und innere Eindruck auf
Massenwirkung liingearbeitet, stets wird aufbauende
Konstruktion und Rohstolf ehrlich gezeigt. Der Grund-
riß ist einfacli, nur in der Nalie des Chores durch die
Seitenaltare etwas reiclier gegliedert. Das Dach ist,
ohne unschön groß zu sein, weit herab gezogen, hübsch
geformte Strebepfeiler teilen sich mit einfachen Fenster-
öffnungen in die maßvoll gehaltenen Mauerflachen.
Der Haupteingang ist dreiteilig, über demselben ist das
Bild des Schutzheiligen der Kirche, des hl. Cyriak, von
Bildhauer Deibele, Gmünd gefertigt, zur Aufstellung ge-
bracht.
^ NEUE KIRCHE IN STRASSDORF BEI GMÜND 6^
125
Der Architekt, Regierungsbau-
meister Hans Ilerkonuner von
Gmünd, erklärte dem Verfasser
nach einer wiederhohen Besich-
tigung auf dessen Anerkennung,
daß er sich auch redhch Mülie
gegeben habe. Er hatte bei meh-
reren deutschen Preisausschreiben
hervorragende Erfolge zu ver-
zeichnen; aber mit diesem Bau-
werk hat er sicher sein Bestes
geleistet. Er konnte gerade noch
der Weihe durch den h. H. Bi-
schof V. Keppler, Rottenburg, bei-
wohnen, als ihn das Vaterland
an die Front in den Cheppywald
rief; dort hat er schon niancli
gute Nachricht über seinen wohl-
verdienten Erfolg in Straßdorf
hören dürfen.
Tritt man in das Innere der
Kirche, so ist man überrascht von
der außerordentlichen Gediegen-
heit und dem liohen künstleri-
schen Wert der Gesamtwirkung.
Das Schiff ist als Tonnengewölbe
ausgebildet und durch schön ver-
teilte Balken akustisch zweckmä-
ßig gebaut. Am Ende des Ton-
nengewölbes zweigen rechts und
links je ein Seitenaltar ab, wäh-
rend der Chor in der Form eines
Kugelgewölbes einen würdevol-
len reichen verzierten Abschluß
bildet. Stets ist auf zweckmä-
ßige Materialzusammenstellungen
Nachdruck gelegt: die Altäre
stellen z. B. eine wohlgeformte
Harmonie von Holz- und Metallarbeiten dar, denen sich
der auch für die Schallbrechung förderliche Wandtep-
pich würdig anschließt. Am meisten fällt wohl die
außerordentlich reiche Verwendung erstklassiger Metall-
arbeiten ins Auge, die sowohl bei den Beleuchtungs-
körpern als auch beim Taufstein und namentlich beim
Hochaltar und den Seitenaltären in die Erscheinung
treten. Der Hochaltar zeigt konzentrische Wiederholung
der Gewölbelinien und steigert so seinen Platz im
Brennpunkt; die Nebenaltäre lassen im Unterbau die
horizontale, im Aufbau die vertikale Linienführung
hervortreten. Der Hnke Seitenaltar stellt die unbefleckte
Empfingnis in vortrefllich empfundener Feinheit dar,
ohne in den häufigen Fehler der theatralischen Pose zu
verfallen ; die Madonna ist ein Werk des Bildhauers
Höfer, Dresden. Im rechten Seitenaltar steht eine aus-
nehmend gut gelungene Schutzengelfigur des Münchener
Bildhauers Bleeker, ausgeführt in Holz. Die Wandtep-
piche dieser beiden Seitenaltäre sind das Ergebnis eines
Wettbewerbs der Stuttgarter Kunstgewerbeschule. Vor
dem Hochaltar ist ein Bogenfries mit dem Gleichnis von
den klugen und törichten Jungfrauen geschmückt, wäh-
rend sich an der Grundlinie des Kugelgewölbes ge-
malte Apostelfiguren harmonisch einfügen. Der Hoch-
altar selbst läßt in wohltuendem Gegensatz zu vielen
neueren Erzeugnissen eine edle Holzfarbe erkennen,
wobei nur Monstranz und das Bild im Mittelfeld heraus-
treten; rechts und links davon sind zwei besonders
gelungene Beleuchtungskörper hervorzuheben.
Die beiden Seitenaltäre werden durch zwei Fenster
HAXS HERKOMMER (GMÜND)
KIRCHE IN STR.-\SSDORF
mit Glasmalereien belichtet ; deren Technik läßt ein er-
folgreiches Streben nach Wiedergewinnung der alten
Höhe dieser Technik erkennen; sie sind ein Werk der
Firma Puhl &: Wagner in Heinersdorf Berlin. Das linke
Fenster zeigt das Gleichnis vom Sämann, während rechts
der Schlag Moses gegen den Felsen zur Darstellung
gelangt ist. Wie Lichter im Räume wirken auch schon
bei Tage die an Ketten aufgehängten schön gearbeiteten
Beleuchtungskörper aus Duranametall, die von der Firma
Hörner in Gmünd, Baizer-Waldstetten und Wörner-
Stuttgart hergestellt sind.
Das Kirchengestühl hat eine gedämpft grüne Farbe;
die Form ist außerordentlich wohlgelungen und prak-
tisch gruppiert, durch ein neues Verfahren tritt die
Maserierung der Holzlinien besonders angenehm hervor.
Die zahlreichen Metallarbeiten erklären sich aus dem
Hauptberuf vieler Dorfeinwohner, die als Gold- und
Silberschmiede in Gmünd tätig sind. Die Bemalung der
Kirche macht ihren Meistern, Schenk und Kaiser-Stutt-
gart alle Ehre.
Die Orgelempore überrascht durch den reichlichen
Platz und die reichliche Verteilung der Bankreihen.
Die Orgel selbst läßt die konstruktiven Linien unver-
hüllt hervortreten und zeigt einen ausgezeichneten Klang,
der dem vorübergehenden Wanderer schon angenehm
auffallt.
Man darf den Erbauer ebenso wie die Gemeinde
Straßdorf zu ihrer neuen Kirche beglückwünschen, die
häufig das Ziel der reichlich in die herrliche Gegend
kommenden Wanderer abgeben wird. Ludwig Schwenk
126 ®» WETTBEWERB FÜR OSTERREICHISCHE KRIEGSDENKMALER ^
ENTSCHEIDUNG DES PREISGERICHTS
IM WETTBEWERB UM ENTWÜRFE VON
DENKMÄLERN FÜR DIE GEFALLENEN
OSTERREICHISCHEN KRIEGER IM
WELTKRIEG 1914/15
veranstaltet vom K. K. Ministerium für Kultus
und Unterricht in Wien
Als im Februar des Jahres 191s die genannte Behörde
einen Wettbewerb um Entwürfe von Denltmälern für
die gefallenen österreichischen Krieger ausschrieb, war
sie von der Absicht geleitet, der Künstlerschaft durch
die Stellung einer großen, ebenso zeitgemäßen und des
allgemeinen Interesses sicheren, wie künstlerisch ver-
wertbaren Aufgabe eine erfolgverheißende Anregung
zum künstlerischen Schaffen zu geben und hierdurch
der in Künstlerkreisen damals vielfach bemerkbaren,
geradezu lähmenden Mutlosigkeit nach Kräften entgegen-
zuwirken. Anderseits sollte durch die zu gewärtigen-
den Entwürfe nicht nur die Verwirklicliung der zwei-
fellos unmittelbar nach Beendigung des Krieges an
zahlreichen Orten der Monarchie auftauchenden Wünsche
nach Errichtung derartiger Erinncrungsdenkmäler recht-
zeitig künstlerisch vorbereitet, in greifbare Formen ge-
bracht und dadurch günstig beeinflußt werden, sondern
in vielen Fällen wohl aucli überhaupt erst die Anregung
und der Ansporn zu einer solchen Denkmalsschöpfung
gegeben und auf diese Weise der gesamten Künstler-
schaft ein weites und reiches Arbeitsgebiet eröffnet
werden. In diesem Sinne ist die in Rede stehende
Maßnahme auch als eine Fürsorgeaktion anzusehen,
bei der die Preise ungeachtet der relativen Höhe der
hierfür bestimmten Summe neben jenem Hauptziel von
um so untergeordneterer Bedeutung sind, als für derar-
tige augenblickliche Abhilfe seitens der staatlichen
Kunstverwaltung schon durch eine Reihe anderer Mafi-
HANS lIEKKOMMliU (GMÜND)
Orgelempore, — Text S. I2J
nahmen vorgesorgt wurde und auch in Zukunft nach
Bedarf vorgesorgt werden soll.
Daß eine der sonst üblichen, eng umschriebenen,
ein bestimmtes Denkmal auf einem im voraus bestimm-
ten Standort ins Auge fassenden Konkurrenzen zur
Erreichung jenes Hauptzieles kaum beitragen würde,
unterlag keinem Zweifel. Die staatliche Kunstverwaltung
entschloß sich daher, nach eingehender Beratung der
Angelegenheit durch die ständige Kunstkommission des
Ministeriums (Sektion für bildende Kunst), welcher
Vertreter aller Kunstgattungen und Ricluungen ange-
hören, einen Wettbewerb auszuschreiben, in welchem
den Künstlern die tunlichste Freiheit eingeräumt wurde
und es ilmen überlassen blieb, sowohl den Standort,
der ihnen aus künstlerischen und auch aus praktischen
Erwägungen am geeignetsten erschien, als die diesem
Standort angemessene Art, Form und Größe des Denk-
mals selbst zu wählen, und zu welchem Werke der
Architektur, der Plastik und der Malerei wie auch solche
des Zusammenwirkens dieser Künste zugelassen wurden.
Nur auf diese Weise war jene Fülle von Vorschlägen
und Anregungen zu gewärtigen, die dann zu lohnenden
Aufträgen und zur Schaffung zahlreicher Kunstwerke
in den verschiedensten Orten und Gegenden Oester-
reichs führen sollen, eine Erwartung, die zum Teil be-
reits in Erfüllung gegangen ist, zum Teil hoffentlich
noch in Erfüllung gehen wird.
Termingemäß sind zu diesem Wettbewerb 225 Ent-
würfe aller Kunstgattungen eingesandt worden. Es ist
nicht leicht gewesen, diese große Zahl von teilweise
sehr umfangreichen Aibeiten in den verhältnismäßig
beengten Ausstellungsräumen der Zedlitzhalle unterzu-
bringen und aufzustellen. Ebenso ist auch die Aufgabe
der Preisrichter eine außerordentlich schwierige gewe-
sen; die genaue Prüfung, Sichtung, Abwägung und
Beurteilung der zahlreichen und verschiedenartigen
Arbeiten hat einen großen Aufwand an Zeit, Mühe,
Gewissenhaftigkeit und Sachkenntnis erfordert. Das
Ergebnis dieser Beratungen des Preisgerichtes liegt nun-
mehr vor und läßt sich in fol-
gendem zusammenfassen : in der
Absicht, die Preise der Q.ualität
der eingereichten Arbeiten tun-
lichst anzupassen, gelangte das
Preisgericht zu dem einstimmig
gefaßten Beschlüsse, von dem
Preisschenia der Konkur-
ren zausschreibung abzuse-
ilen und die für Preise zur Ver-
fügung stehende Summe von
66000 Kronen wie nachstehend
vermerkt zu verteilen. Es wurden
zuerkannt :
Fünf Preise zu je 8000 Kro-
nen. Den Entwürfen tnit den
Kennworten »Die drei Künste«
(Verfasser Architekt Franz Gün-
ther, Maler Albert Janesch,
Architekt Friedrich Pindt in
Wien). Motto: A. E.J. O. M. (Ver-
fasser: Architekt E. Hoppe, M.
Kämmerer und O. S c li ö n t h a 1
in Wien). »Augustinerkirche« (Ver-
fasser: Professor Rudolf Jett
mar in Wien). >\\'eihestätte den
gefallenen Helden < (Verfasser;
Professor Josef Müllner in
Wien) und »Leopoldsberg< (Ver-
fasser: Professor Oberbaurat
Friedrich Ohniann in Wien).
Zwei Preise zu je 5000
Kronen. Den Entwürfen mit den
KIRCHE IN SIRASSDOKF
WETTBEWERB FÜR ÖSTERREICHISCHE KRIEGSDENKMÄLER mm 127
HANS 1II:KK0MMER (G.MUXD)
Blici au/ das Pre stylet
NEUE KIRCHE IN STRASSDORl- BEI SCHWABLSCIl (,MI Nl)
■//. Text S. I2S
Kennworten >Studien< (V'erfasser: Architekt Prolessor
Artur Payr in Innsbruck und »Sursum corda«
(Verfasser Architekt Baurat Karl Sei dl und Maler
Karl Haßmann in Wien).
Zwei Preise zu je 4000 Kronen. Den Entwürfen
>Nike« (Verfasser: Maler A. H. Schräm in Wien) und
sDonau« (Verfasser Bildhauer Franz Seifert in Wien).
Acht Preise zu je 1000 Kronen. Den Entwürfen
»Achilles« (Verfasser: Bildhauer Alexander Jaray in
Wien). »Ehrenschuld« (Verfasser: Bildhauer Ferdi-
nand Lügerth und Architekt Adolf Thomas in
Wien). »Der Sieg« (Verfasser: Architekt Richard
Novak in Prag). »Doppeladler« (Bildhauer Ferdinand
Opitz in Wien). »Mit dem Ruhme der Gefallenen«
(Verfasser: Bildhauer W. Prokop in Prag). »Kriegssaat«
(Bildhauer Michael Six in Wien). »Votivkirche«
(Architekt Baurat Anton Weber und Bildhauer Willy
Bormann in Wien) und »Wahrzeichen« (Verfasser un-
genannt). Außer diesen zuerteilten Preisen wurde
noch eine Reihe von Künstlern mit »ehrender Er-
wähnung« hervorgehoben.
Die preisgekrönten sowolil wie auch die übrigen
Arbeiten wurden in der Zedlitzhalle, der Ausstellungs-
stätte des Wirtschaftsverbandes der österreichischen
Künstlerschaft, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht,
wodurch es uns möglich ist, aus eigener Anschauung
über das Gebotene zu urteilen. Wie bei den meisten
künstlerischen Wettbewerben, so haben auch diesmal
die Künstler durch die überaus große Beteiligung der
Allgemeinheit namhafte Opfer gebracht und selbst den
Preisträgern erwuchsen so bedeutende Kosten, daß
diese durch den ihnen zuerkannten Preis kaum gedeckt
erscheinen. Bei einem Rundgang durch die stimmungs-
voll wirkende Ausstellung fallt besonders die künstle-
rische Qualität einer ganzen Reihe von Arbeiten auf.
Es sind teils Schöpfungen einer hochfliegenden künst-
lerischen Phantasie in Erz und Marmor gedacht, teils
kleinere Arbeiten, die in beschränktem Gemeinwesen
immerhin ausgeführt werden könnten. Oh mann und
Schräm stellen z. B. ihr Kolossal- Weltkriegsdenkmal
auf den Leopoldsberg, weithin schauend, wie ein Wahr-
zeichen über das ganze Wiener Donaubecken. Schräm
festlich in prunkendem Aulschwung mit überwiegend
malerischer Kraft, Ohmann wieder mit dem Massen-
aufgebot architektonischer Elemente, die durch die
Wuclit der Erscheinung wirken und des Nachts durch
die Feuerzeichen, die von der Attika des Hauptbaues
flammen, in die Erscheinung treten. Seidl schuf einen
schlank aufragenden Kuppelbau, von Haßmaun durch
sehr schöne Mosaikentwürfe im Innern wirkungsvoll
belebt, Architektur und Malerei vereinigen sich hier
zum Ausdruck der Apotheose.
Einen mächtigen Eindruck macht der von den Ar-
chitekten Hoppe, Kämmerer und Schönthal ge-
schalTene Riesensarkophag, in einen Ringwall gestellt,
ein Motiv, das auch bei dem lichterfüllten Entwurf
Müllners wiederkehrt. Jettmars Bilderfries für eine
Seitenwand der Augustinerkirche in Wien, der Rund-
tempel des Innsbruckers Payr und der Entwurf Sei-
ferts sind zweifellos ganz hervorragende Schöpfungen,
denen man nur wünschen könnte, daß sie in Wirklich-
keit in angepaßter Umgebung entstehen möchten.
An Kriegerdenkmalen einfacherer Art ist natürlich
kein Mangel, aber nur verhältnismäßig wenige werden
128
e^ VERMISCHTE NACHRICHTEN ^
H. HERKOMMER
KIRCHE IX STRASSDOKF
rortalbau. — Tfxt S. t^4
der Erwartung und Vorstellung gerecht, die man im
allgemeinen von solchen Arbeiten gevvolint ist; das re-
ligiöse Moment ist zu sehr vernaclilassigt, das Dekora-
tive zu sehr in den Vordergrund gerückt. Nichtsdesto-
weniger dürfte manches dieser Erinnerungszeichen an
den großen Krieg als Andenken an die heldenhaften
Opfer des Kampfes um die heimatliche Scholle zur
Ausführung gelangen können. Vieles allerdings ist auch
banal in der Idee und mehr oder minder dilettantisch
in der Ausführung.
Es läßt sich leider nicht wegstreiten, daß das Ge-
samtergebnis des Wettbewerbes, so rühmenswert seine
Absicht war, ein megatives« genannt werden muß.
Es geht dieser bedauerliche Umstand schon aus der
Tatsache hervor, daß die Jury in ihrem Gutachten
keines der Projekte zur Annahme und Ausführung in
Vorschlag braclite. Der Gedanke, der das Unterrichts-
ministerium bei diesem Wettbewerb leitete, durch ilm
eine Fülle von Anregungen und Vorschlägen für Krieger-
nionumente zu erhalten, ist ja wohl zum Teil erreicht
worden, lioffen wir, daß auf Grund dieser nunmehr
vorliandenen Anregungen ein reiclies Arbeitsgebiet sich
vorbereite, das nach endgültigem Schluß des Welt-
krieges unsern Künstlern eine Entschädigung für die
harten Jahre des Darbens, dem Volke aber eine Reihe
stimmungsvoller, von ernster dem Zwecke angepaßter
Würde getragener, wahrhaft künstlerischer Erinnerungs-
zeichen an seine gefallenen tapferen Söhne bringen
möge. Ricliard RIcdl
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Herr Architekt Franz Baumann (München) teilt
uns berichtigend mit, daß der auf S. 6i (Heft II) links
abgebildete Kelch auf einen von ihm gefertigten Ent-
wurf zurückgeht.
Eine Kriegsgedächtniskirche. Zu dauernder
Erinnerung an den gegenwärtigen bedeutungsvollen Ab-
schnitt vaterländischer Geschichte wird in Nürnberg ein
kirchlicher Monumentalbau errichtet werden. S.M.König
Ludwig III. von Bayern h.at das Protektorat übernommen.
Bildhauer Anton Zembod (Hannover) erlitt am
10. September in Rußland den Heldentod für das
Vaterland.
Bildhauer Professor Thomas Buscher (Mün-
chen) vollendete kürzlich für ein Portal der St. Pauls-
kirche in München die Statuen des hl. Heinrich und
der lil. Kunigunde in Stein.
Zu den Sonderbeilagen der vorigen Num-
mer. — Die Malerei und Plastik im Presbyterium der
Kirche zu Adelsdorf stammen, wie auf S. 6g des Textes
bemerkt ist, von Bildhauer Hans Angermair in
München; desgleichen auch die plastischen Arbeiten am
Portal des Kgl. Bezirksamtsgebäudes zu Schweinfurt.
Bildhauer Professor Georg Busch vollendete
für die Stadtpfarrkirche zu Weilheim eine Herz jesu-
Statue und eine Schutzmantel-Madonna. Im Auftrage
S. K. H. des Prinzen Johann Georg von Sachsen fer-
tigte er eine Holzstatuette des hl. Johann Nepomuk
und im Auftrag des h. H. Bischofs Dr. Antonius von
Henle in Regensburg dessen Marmorbüste für eine
Anstalt.
Unser Mitarbeiter Oskar Gehrig, der seit
langem im Felde stellt, wurde für seine Tätigkeit bei
der Einnahme von Kowno mit dem Eisernen Kreuz
ausgezeichnet.
Gabriel von Max starb am 24. Nov. in München.
Zu Prag am 23. Aug. 1840 geboren, kam er im Jahre
1865 an die Münchener Akademie zu Piloty, zu dessen
glänzendsten und erfolgreichsten Scliülern er zählte.
Gereizt durch die malerische und mvstische Seite der
Themen malte er auch einige religiöse Stoffe in seiner
zum Weichlichen neigenden Art.
Die Stadt Wiesbaden kaufte auf einer dortigen
Kunstausstellung das Bild der Kreuztragung von Joseph
Eberz (Stuttgart).
Bilder f ü r die Wiener kommunale Ehren-
galerie. — In Anbetracht der großen Notlage, in der
sich gegenwärtig viele Künstler befinden, hat sich die
Wiener Gemeindevertretung entschlossen, noch einige
Bildnisse für die Galerie ihrer Ehrenbürger malen zu
lassen. Der Stadtrat beschlo(! daher die Anfertigung
weiterer zehn Bilder und genelimigte hierfür den er-
forderlichen Betrag von locoo Kronen. Die Vergebung
der zu malenden Bilder hat an tüchtige, nachweisbar
in Notlage geratene Wiener Künstler von Fall zu Fall
zu erfolgen.
Bildhauer Otto Jarl in Wien f. — Einer der
besten plastischen Künstler der österreichischen Haupt-
und Residenzstadt, Tierbildhauer Otto Jaii, ein gebür-
tiger Schwede, ist am 16. November d. J. gestorben.
Seine Schöpfungen auf diesem in Wien und Oesterreich
verhältnismäßig noch wenig gepflegten Gebiete, waren
durchweg hervorragende Leistungen, insbesonders sein
»Eisbär«, den seinerzeit Kaiser Alexander III. von Ruß-
land erworben hat. Sein HackherDenkmal, eine gewal-
tige Löwenfigur, auf dem Grazer Scliloßberg, zeigt die
feine Beobachtung und Sicherheit, die dem Künstler bei
der Schaffung seiner Gestalten zur Verfügung standen.
Für die Redaktion
iiliche Kunst, GmbH.
Wer wird hinaulsteigen den Berg des Herrn, wer stehen an seinem heiligen Ürtef Wer scluildlose H.inde
hat und ein reines Herz. Ps. 23, 3. 4.
RENE KUDER
Von \V. ZILS-München
(Zu den Abbildungen dieses Heftes)
Die Freilichtmalerei, von den Deutschen
»Pleinairmalerei« genannt, kam nach der
Meinung aller zünftigen Kunstschriftsteller
von Frankreich zu uns herein. Diejenigen,
die sich heute der Vergangenheit nur ungern
erinnern oder sie gar ableugnen, wobei sie
ins Gegenteil fallen und eine Befruchtung der
deutschen Kunst durch ihre französische
Schwester mit jener Sicherheit bestreiten,
mit der sie dieselbe früher betonten, setzten
sich etwa vor zwanzig Jahren für eine fran-
zösische Kunst in Deutschland ein. »Plein-
air« mußte unter allen Umständen gemalt
werden. Gewichtige Stimmen erhoben sich
bereits damals und meinten, die deutsche
Kunst habe schon vor dieser Entdeckung
durch die eigene Naturbeobachtung mit dem
Licht- und Luftproblem gerungen, zu dessen
Lösung allerdings französische Technik nicht
unwesentlich beitrug.
Ein ganz bezeichnendes Schulbeispiel, wie
der Künstler durch selbsttätiges Betrachten
der Umwelt zur Freilichtmalerei kommt, ist
Rene Kuder, mit dem wir uns im folgen-
den zu beschäftigen haben. Bei einem Plau-
derstündchen, in dem er uns von seinem
früheren Leben und jetzigen Soldatenstand
erzählte, fragten wir ihn, wo er malen ge-
lernt habe. >In der Natur«, war die Antwort,
»auf keiner Akademie, in keiner Galerie durch
Kopieren. Was ich da draußen sah beim
Herumwandern über Felder und Wiesen,
Die christliche 1
130
^^ ren£ KUDER ö^
KENi: KUDER
ALTEK KIRCHHOF
forderte mich zur hellen, lichten Farbenge-
bung auf, während ich heute noch bei der
Beschäftigung mit Innenraumstücken mich
dunkler Farben bedienen würde.« Dieses
Selbstbekenntnis des Künstlers nimmt eine
Charakterisierung seines Werdegangs und
seiner Werke vorweg.
Kuder, der am 23. Nov. 1882 in Weiler im
Kreise Schlettstadt (Elsaß) geboren ward, kam
in frühester Jugend aus eigenem Trieb zur
Natur. Jm täglichen Anblick ihres Lebens
offenbarte sich ihm sein künstlerischer Be-
ruf und seines Wesens Art. Der Vater,
der mit Geschmack Bilderbücher kolorierte,
lehrte ihn die Liebe zur Natur. Von ihm
erfuhr er etwas vom Werden der Erde, von
Versteinerungen und Sternbildern, Momente,
die ihn veranlaßten, offenen Sinnes und schar-
fen Blickes die Schönheiten seines Landes zu
betrachten. Kaum war der Gedanke geboren,
das, was er in Büchern sah, selbst darzu-
stellen, so folgte ihm die Tat. Der junge
Kuder ging noch während der Zeit des Be-
suches der Volksschule seines Heimatortes
in Weilers Gemarkung und zeichnete, was
er vorfand. Korrektor der Bilder war der
Vater. Neben ihm ist der Künstler seinem
Lehrer Bittinger noch heute zu von
\'erehrung getragenem Dank verpflichtet. Der
einfache Volksschullehrer hatte die Anlagen
^ RENE KUDER ^^
131
RENH KUDER
seines Schülers erkannt und tat sein mög-
lichstes, sie zu fördern. Wenn der Vater
auch von Zuneigung gegen die Kunst beseelt
war, so widersetzte er sich doch mit aller
Macht dem Wunsch des Sohnes, nach dem Aus-
tritt aus der Schule mit 14 Jahren die Kunst-
schule besuchen zu dürfen. Die Vorstellung
vom »Maler im Dachstübchen« war aus-
schlaggebend, Rene einem praktischen Be-
ruf zuzuführen. Der Vater ließ ihm dabei
so viel Zeit, daß er sich mit Farben, die er
ihm selbst zutrug, und mit Büchern weiter bil-
den konnte mit der Begründung, daß der
Mensch nie zu viel wisse und daß man für
sich selbst zur eigenen inneren Befriedigung
weiterstreben müsse. Endlich im 20. Lebens-
jahr setzte Kuder den Eintritt in die Straß-
burger Kunstgewerbeschule durch.
Die in den Ferien mitgebrachten guten, von
Können und Fortgang sprechenden Zeug-
nisse brachen den letzten Widerstand des
Vaters. Dem Künstler stand die Kunst offen.
Das figürliche Zeichnen namentlich unter
dem Lehrer Jordan fand nach dem Ver-
lassen Straßburgs im Jahre 1905 an der
Münchner Akademie seine Fortsetzung
in dem Aktzeichnen. Seine Lehrer Feuer-
stein, Löfftz und Marr förderten das
132
e^ ren£ kuder ^
Talent und wiesen ihm auf Grund eines in
Straßburg für einen Freund illustrierten Meß-
buches mit Randzeichnungen, das ihm schon
die prüfungslose Aufnahme gesichert hatte,
ein Meisteratelier an. In dieser Zeit entstand
u. a. vor der Natur das Aquarell Isartal (Abb.
S. 142).
Ausgestattet mit der kleinen und großen
Medaille anläßlich der üblichen Semesteraus-
stellungen, zog Kuder unangekrSnkelt von
irgend einer Richtung Einfluß in die Heimat,
um zu malen, wie er wollte. Er wußte, daß er
erst hier den innigen Kontakt mit der gro-
ßen Natur finden und etwas werden könnte,
was wir mit Fug und Recht den Heimat-
künstler nennen dürfen, der für das Elsaß
die Bedeutung zu gewinnen verspricht, die
sich ein Thoma in der künstlerischen Durch-
dringung des Schwarzwaldes vor ihm erwarb.
Einer äußersten Betätigung der Individuali-
tät, der das Bizarre verhaßt ist, setzte jetzt nur
mehr eine Macht — die Natur Schranken.
Hier, in seiner bodenständigen Umgebung,
erfüllte sich Dürers Satz in den handschrift-
lichen »Entwürfen zur Einleitung« : »Die
Kunst des Malens wird besser durch Lieb und
Lust gelernt, denn durch Zwang.« Der
äußere Erfolg blieb dann auch nicht aus.
Bei einem Wettbewerb für die »Woche« er-
kannten ihm die Preisrichter M. Liebermann,
A. Kampf, Manzel und R. Reinecke den
IL Preis zu (Abb. unten).
In demselben Jahre 1912 entstanden Bilder
wie »Der Friede« und »Waldbach« und
»Schwere Wolken« (Abb. Sonderbeil., S. 131,
138 — 141), die des Künstlers stärkste Seite
dartun: Die Landschaft seiner Heimat. Ihr
widmet er sich seit der Rückkehr mit einer
wahren Inbrunst und frischen und gesun-
den Freude an den Farben. Ohne Experi-
mente malt Kuder als Naturalist die Natur
so, wie er sie sieht und fühlt. Nach eigenem
Bekenntnis treibt ihn das Verlangen, dem
Beschauer den Eindruck so zu vermitteln,
wie er ihn selbst gewonnen. Die geschmack-
volle Färbung gibt ihm das Tageslicht, dessen
RENE KUDER
tll, I()I2 ; prämiiert in Lierlin. — Trxt ote.
D.\S 1 KUllSrCCK
RENli KU DER
133
RENE KLIDER
DIE VERSTEIGERUNG
feine Stimmungen die leiclite mit Wasser-
dämpfen staric gesättigte Luft des Elsaß, die
den Himmel in voller Bläue nur selten strahlen
läßt, noch intimer gestalten. Sein Pinsel ist
breit, seine Farben sind duftig.
Wie auf Kuder der Besuch der Kunstge-
werbeschule und Akademie ohne wesentlichen
Einfluß blieb, so veränderte auch eine Stu-
dienreise nach Paris im Jahre 19 12 wenig
seine Farben- und Formgebung. Als den
Heimatkünstler zeigt er sich in seinen künf-
tigen Werken auch dort, wo er aus dem
Leben seines Volkes (Frühstück, Ver-
steigerung, Jahrmarkt, Abb. S. 132 — 135) er-
zählt. Wie in der Landschaft, so tritt uns
auch in diesen genrehaften Szenen der
Naturalist entgegen, der selbständige, frische
Beobachter, dem es auch nicht an dem nöti-
gen Vorrat Phantasie und Sinn für die Schat-
tenseiten und Vorzüge seines Volkes ge-
bricht. Ein Bild wie »Der Jahrmarkt« (Abb.
S. 135) gewinnt bei einer längeren Betrach-
tung. Trotz einer Vielheit von Begebenheiten
ermüdet das Auge nicht, befällt das Gehirn
keine Langeweile. Alles lebt, spricht, und
erzählt, ob es nun der mit Einsetzung seiner
Lungenkraft geschäftsgewandte Marktschreier
oder der stillbedachte Bauer tut, der mehr mit
Schläue als mit dem in der Tasche noch zu-
rückgehaltenen Geldbeutel die kritisch be-
trachteten Ferkel erstehen will.
Es ist nur zu klar, daß eine Individualität
von der Selbständigkeit Kuders sich auch
auf eigene Weise mit dem Krieg abfand. Die
Kriegserklärung überraschte ihn in seinem
Heimatorte. Während der Gemeindediener
(Abb. S. 145) mit der Trommel durch die Stra-
ßen zog, um die Mobilmachung auszurufen,
134
:m RENE KUDER mm
RLSE KLDEU
STUDIE ZUM lAHRMARKT (,S. ij;)
i'fiß an/gestizt€ii Lichtern
Männlein und Weiblein auf die Gassen
rannten, hielt des Künstlers Stift die einzel-
nen Gestalten fest. Hier (Abb. S. 144) die ent-
geisterte Frau, der die Tatsache nicht so
schnell bewußt wird, deren Erstaunen über
das eben Gehörte, die Mienen des Antlitzes
und die Bewegung der Hand bezeichnen, dort
die alte Mutter (Abb. S. 146), der die Nach-
richt, die Vorahnung der kommenden Schrek-
ken und Nöten die Tränen aus den Augen
zwingt. Als dann der Krieg ausbrach, Ka-
nonendonner die Ruhe seiner Heimat er-
schüttern machte, Granaten die als : Friede :
bezeichnete Weide durchfurchten und auf
ihr Freund und Feind im Todesschlafe ver-
einigtwurden, schuf der Künstler Kriegshilder,
die eine weitere und schnellere Verbrei-
tung verdienten als die durchgängig unwah-
ren, dabei unkünstlerischen und einen Ein-
blick in das wahre Kriegsgetriebe nicht ver-
mittelnden »Schlachtenbilderx, die sich mit
Hilfe geschäftstüchtiger Verleger durchzu-
setzen vermochten, ganz zu schweigen von
dem »Kitsch« der im Atelier gestellten Sze-
nen, w'ie sie die Postkartenauslagen unserer
Geschäfte aufweisen. (Einen Trost — dies
nur nebenbei — bieten Karten aus Frank-
reich, England und vor allem Italien, die
das Beiwort » barbarisch < verdienen.) Den
Kriegsarheiten Kuders kommt ein Wert zu,
der den des Augenblicks übersteigt. Selbst
noch »Zivilist«, aber zum Arbeiten einberu-
fen, betrachtet er seitwärts die Arbeiterba-
taillone. Arm und reich, jung und alt im
Alter von 17 — 50 Jahren, mußten, soweit
nicht wehrfähig, am i. August zur Arbeit
ausziehen, Straßen bauen und Schützengräben
auswerfen. Als die Franzosen vorübergehend
im Elsaß einbrachen, trieben sie die Bewohner
zur Zwangsarbeit (Abb. 159). Äußerst fein
sind hier die weißen Uniformen der Küras-
siere zur Erzielung malerischer Wirkungen ver-
wendet. Das Leben und Treiben der zum
Landsturm gerechneten Arbeiterbataillone ver-
folgt Kuder in einer Reihe (Abb. S. 147 — 15 1)
Federzeichnungen, die höchst elegant und
schnell hingeworfen, das Charakteristische
festhalten. Der eigene Diensteintritt im Fe-
bruar 191 5 gab Kuder Gelegenheit zum Ab-
lauschen mancher feinen Einzelheiten. Nach
^ RENIi KUDER ^
135
RENE KUDER
A'/uareh, 1914. — Tfxt S. 133
DER JAHRMARKT
dem Dienst war es in freien Stunden die
Kunst, die oft unter den mißlichisten Um-
ständen in Scheunen oder auf dem Heuboden
ausgeübt, Erholung bot. Der Gegensatz zwi-
schen Leben und Tod, wie ihn am schärfsten
das Schlachtfeld liefert, ließ in ihm die ernste
bis ins Altertum zurückgehende und nament-
lich im christlichen Mittelalter gepflegte Idee
des »Totentanzes« aufleben in Bildern, die
im »Pionier« erscheinen werden. Ob nun
Kuder das Putzen oder Tränken der Pferde
(Abb. S. 146 — 147) oder den schwierigen
Transport einer Proviantkolonne (Abb. S. 152)
schildert, immer ist es die Meisterschaft der
Zeichnung, das tiefe psychologische Erfassen,
das wir bewundern. Er bedient sich des
Bleis mit aufgehöhtem Weiß oder der Feder,
deren Anwendung er besonders bevorzugt.
Wenn wir uns zum Schlüsse mit den Be-
ziehungen des Künstlers zur christlichen
Kunst beschäftigen, so geschieht dies nicht,
weil sie die geringste unter seinen Kunst-
betätigungen ist. Im Gegenteil finden sich
in ihr alle Vorzüge seines Schaffens vereint.
Daß ein Künstler, der sich entschieden gegen
das Häßlich-Gemeine wie auch gegen das
Oberflächliche in der Kunst ausspricht, seine
Kunst in den Dienst der sittlichen Erziehung
des Menschen stellt, ist selbstverständlich.
Gerade hier, wo es sich um das Höchste,
Reinste in jedermanns Leben handelt, kommt
es wie in keiner Kunstgattung nicht allein
auf das Was, sondern auch auf das Wie an.
Eindringlich ist in Nr. i des 12. Jahrgangs der
»Christlichen Künste«; auf diese Forderung
hingewiesen.
Den Lesern unserer Zeitschrift ist ja Kuder
kein Fremder mehr. In Heft 5 und 8 des
X. Jahrgangs wurden bereits zwei farbige
Blätter veröffentlicht. Die Jahresmappe 191 3
brachte die >:Ruhe auf der Flucht«, zu der
Abb. S. 142 eine Aquarell -Studie bildet, de-
ren Schwarz-Weiß-Wiedergabe die koloristi-
schen Feinheiten ahnen läßt. Im Jahre 191 3
zeichnete Kuder für die Kirche in Meisengott
bei Schlettstadt die Kartons zu 12 Fenstern,
die von der Hofglasmalerei van Treeck
in München ausgeführt wurden. Zwei von
ihnen wurden leider Opfer des Krieges, der
auch die Ausführung der Deckengemälde
für dieselbe Kirche, die in der Skizze be-
reits vollendet sind, hinderte. Als aufmerk-
136
^ OSKAR HOSSFELD ^
samer Leser der Hl. Schrift, dessen Altes
Testament ihn ob seiner markigen Sprache
am stärksten anzieht, schildert der Künstler
die historisch-religiösen Begebenheiten. Reiche
künstlerische Phantasie entbehrt seine christ-
liche Kunst ebensowenig wie seine profan
erzählende. Aus dem Jahre 19 lo stammt noch
ein Entwurf zu einem Supraportabild über
einer Sakristei (Abb. S. 129), das leider noch
der Ausführung harrt; ihre Schwierigkeit
besteht vielleicht darin, daß das Bild nicht
für die Kirche, sondern für die Sakristei ge-
dacht ist, die ja meist aus finanziellen Grün-
den in kalter Nüchternheit gehalten wird.
Welche hehre Auffassung von dem Priester-
stande spricht aus dem Bilde : Nur der, der
schuldlose Hände zeigen kann und ein reines
Herz, trete an die Stufen des Altars. Einer
wurde vom richtenden Engel für schuldig
befunden und verhüllt aus Trauer und Reue
den Kopf durch den Arm, da er nicht mehr
wagt, den Blick zum Heiligsten zu erheben.
Während diesem Bilde ein alttestamentlicher
Text zugrunde liegt, dient dem Künstler in
einer Vorlage zu einem Kom-
munionbild (Abb. S. 14^) die
wunderbare Brotvermehrung
zum gestaltenden künstlerischen
Stoff. Straftist die Komposition,
die die hehre Gestalt Christi in
plastischer Größe in die Mitte
stellt, prächtig ist die Farben-
gebung, einzelne Personen, wie
die Mutter mit dem Kinde
(Hnks vom Beschauer) und den
beiden Kindern rechts, sind von
entzückender Schönheit.
Auch die christlichen Dar-
stellungen setzt Kuder in die
freie Landschaft, nicht weil es
die »Mode« verlangt, sondern
weil es ihn, den Heimatkünst-
ler, dazu treibt, für dessen
Schaffen ein weiteres Wort Dü-
rers zutrifft: »Wahrhaftig steckt
die Kunst in der Natur. Wer
sie heraus kann reißen, der hat
sie. «
OSKAR HOSSFELD f
KEXli KUDER
Zeichnung \
igf4 auf Grau. Studie .
Al.li; 1 RAU
arit (vgl- Mb. S I3S)
Die Zahl der Meister mittel-
alterlicher Baukunst wird
immer geringer, einer nach
dem andern geht dahin, um
einem neuen Geschlechte mit
anderen Zielen Platz zu ma-
chen. Gerade in den letzten
Jahren mußten wir eine auffal-
lend lange Reihe hervorragen-
der Meister der älteren Schule
zur ewigen Ruhe geleiten und
manchen unersetzlichen \'erlust
beklagen, den die Kunst dabei
erlitt. Auch der in Rede stehende
Künstler, der Geh. Oberbaurat
Oskar Hoßfeld, war ein Mann
von ernstem Kunstwollen, nur
dem Wahren, Schönen und
®2Si OSKAR HOSSFELD ^sm
137
RENE KUDER
MARKTSCHREIER
!t Ifeifi gehöht, SliiJit
•Jahrtnarkt (Abb. S. 135)
Guten nachstrebend, abhold allen krankhaften
Strömungen und Versuchen in der Kunst,
aber mit der Zeit gehend und redlich be-
müht, das Alte mit dem Neuen in gesunden
Bahnen zu vereinen. Hoßfeld war zeit seines
Lebens ein Kämpfer und so blieben auch
ihm, wie so vielen unserer Altmeister, manche
oftmals gehässige Anfeindungen nicht erspart,
die mehreremale sogar seine Stellung be-
drohten.
Oskar Hoßfeld stand im 68. Lebensjahre,
als er in Bad Wildungen, wo er Heilung
suchte, am i6. Oktober 191 5 für immer seine
Augen schloß. Er wurde am 4. Juni 1848
in Schulpforta, jener Stadt der berühmten
sächsischen Fürstenschule, geboren und er-
hielt auch an dieser Anstalt eine umfassende,
gediegene allgemeine Bildung, die ihm zeit-
lebens zu statten kam. In dem ehemaligen,
alten Zisterzienserkloster, wo die Schule ihr
Heim hatte, reifte auch — wie er dem Schrei-
ber dieses Ende der achtziger Jahre als Re-
dakteur der vom preußischen Ministerium
herausgegebenen Zeitschrift für Bauwesen
einmal erzählte — der Gedanke in ihm, Ar-
chitekt zu werden und vornehmlich Archi-
tekturstudien für mittelalterliche Bauweise zu
machen, um sich später darin betätigen zu
können. Nach Absolvierung der Fürstenschule
ging er nach Berlin zum Studium an der
dortigen alten Bauakademie. Im Jahre 1872
machte er das erste Staatsexamen, wurde
kgl.Regierungsbauführerund 1876 Regierungs-
baumeister. Bei der für die ehemaligen
Studierenden der Kgl. Bauakademie vom
preußischen Staate gestifteten Konkurrenz um
den Schinkelpreis ging er mit dem Entwürfe zu
einer Landesbibliothek als Sieger hervor, wor-
auf er, damaliger Sitte zufolge, eine längere
Reise nach Italien unternahm.
Kein Geringerer als der frühere bekannte
Berliner Architekt Professor Heinrich Strack
hatte längst sein Augenmerk auf den jungen
Künstler gerichtet und nahm ihn in sein
Architekturatelier auf Strack beschäftigte sich
damals mit dem Neubau der Nationalgalerie,
vor allem mit der Errichtung der Siegessäule
auf dem Königsplatz in Berlin und dort fand
Hoßfeld durch Anfertigung von Details und
Innendekorationen für ersteres Gebäude in
den Jahren 1872-1876 interessante Betätigung.
Später sahen wir ihn als Hofbauinspektor
für die Königsschlösser Berlin und Charlotten-
burg, worauf er in den preußischen engeren
I3S
es^ OSKAR HOSSFELD ^
KliNH KfDER
Staatsdienst eintrat. 1899 wurde er als vor-
tragender Rat ins Ministerium der öffentliciien
Arbeiten berufen und übernahm gleichzeitig
in dieser Zeit die von Tiedemann und später
dann von Karl Schäfer glücklich geführte
Redaktion der Zeitschrift für Bauwesen und
des Zentralblattes der Bauverwaltung. Diese
Tätigkeit währte bis 1900.
Nach der Pensionierung des seinerzeit in
Berlin bezw. Preufkn hochangesehenen Ar-
chitekten Prof. Adler, der im preußischen
Bauwesen, sowie im Lehrkörper der Bau-
akademie, der späteren techn. Hochschule,
eine große Rolle spielte, übernahm Hoßfeld
an Stelle dieses verdienten Fachmannes das
Dezernat für die Museumsbauten, das Kirchen-
bauwesen und die Denkmalpflege in Preußen.
Diese Zeit dürfte die erfolgreichste seines
Lebens gewesen sein,
obgleich ihm durch
sein aktuelles, neue
Bahnen betretendes
Fingreifen in der Denk-
malpflege manche Un-
annehmlichkeiten wi-
derfuhren. Jetzt hat
man größtenteils aner-
kannt, wie segensreich
Hoßleld seinerzeit da-
mit wirkte und wie
glücklich er es ver-
stand, bahnbrechend
in alle Gebiete einzu-
greifen. In den 15 Jah-
ren seiner vorgenann-
ten Tätigkeit hat er,
namentlich was den
Kirchenbau anbetraf,
im Rahmen der staat-
lichen Faktoren aul die
Frfordernisse einer hei-
matlichen, bodenstän-
digen Bauweise hinge-
wiesen und Ertolge
erzielt. Mit der ihm
eigenen, von hohen
Idealen geleitetenSorg-
falt widmete er auch
allen, selbst den ge-
ringsten Bedürfnissen
des Kultusdienstes, ein-
gehendste Aufmerk-
samkeit. Zahlreich sind
seine Schriften, die da-
mals Aufsehen erreg-
ten. Er scheute sich
nicht, ungeachtet sei-
ner hohen Stellung als
preußischer hoher Staatsbeamter, aus dem
Rahmen herauszutreten und, frei von allen
Fesseln, die Wahrheit zu sagen, w^as ihm
Ireilich — wie seinerzeit Karl Schäfer — oft-
mals Unannehmlichkeiten bereitete. Als höchste
Ehre muß ihm aber nachgerühmt werden,
daß er der eigentliche Apostel war, der schon
Ende der 80 er Jahre vorigen Jahrhunderts
eine volkstümliche Bauweise, der jeweiligen
Gegend entsprechend, laut und mächtig for-
derte, ein Verlangen, das späterhin in allen
Gauen unseres deutschen \'aterlandes ein-
setzte. Der unvergeßliche Münchener Alt-
meister Gabriel v. Seidl war es auch, der
Hoßfeld vollen Beifall zollte und mit ihm in
reicliem Briefwechsel und persönlichen Be-
ziehungen stand.
Die preußische Staatsregierung schätzte
SOCKENSTOPFERIX
139
RENE KUDER
BLICK AUF XOTRE-DAME IX PARIS
RENE KUDER
PONT NEUE, PARIS
140
KENi; KUDER
\1 |;| 1 MIMML'XG
RENH KUDER
REGENSTIMMING
Ai/uarell, igt!
141
RENK KCDER
KEGEXSTIMMUXG
RENE KUDER
MARKIRCIIEKTAL
Aiiuarell, igi4
142
RENE KUÜER
Aquarell. — Je.xt S.
RENi; KUDER
Aquarell von IQI2, Studie i^iit KasI au/ a'er Flucht nach Agypttn. — Text S. 13s
S^ OSKAR HOSSFELD ^
143
REXH KUDER
BROTVERMEHRUNG
igiS, E'itwiir/ zu
ul.ilJ. — Teil S. 136
Heinrich Hoßfeld sehr hoch und berief ihn
zum Mitghed der kgl. preußischen Akademie
des Bauwesens. Kein Wunder, daß die Körper-
schaft der technischen Hochschule zu Berlin
ihm einen Lehrstuhl für baukünstlerische
Ästhetik und Bauformenlehre für Ingenieure
antrug, den er auch von 1890 bis 1895
übernahm.
Zahlreich sind seine trefflichen Restaurie-
rungen mittelalterlicher Kirchen Mittel- und
Norddeutschlands. Von diesen möge nur die
Wiederherstellung der Marienkirche in Haders-
leben und die der Jacobikirche in Stettin
hier Erwähnung finden. Erfolgreich war er
auch in Wettbewerben z. B. jenen für die
Bebauung der Museumsinsel in Berlin und
des Kollegienhauses der Universität Straßburg.
Auch das schöne Rathaus in Lützen ist von
ihm geschaffen worden. Nebenbei war er
ein gesuchter Preisrichter bei Wettbewerben
nicht nur im Bauwesen, sondern auch im
Kunstgewerbe und bei monumentaler Aus-
stattung von Innenräumen, desgleichen für
Malereien.
Denkmalpflege, Heimatschutz und vor allem
Kirchenbau nach den örtlichen Verhältnissen
waren seine schönsten und erfolgreichsten
Bestrebungen, für die wir dem Dahinge-
schiedenen nicht genug danken können.
Darin war er groß, nicht nur als Künstler,
sondern auch als gelehrter Architekt. Er war
auch Gründer der bei Ernst & Korn in Berlin
erschienenen, mit preußischen Staatsmitteln
dotierten Zeitschrift »Denkmalpflege« und
Mitbegründer — eigentlich Gründer — des
segensreich wirkenden > Deutschen Bundes
Heimatschutz;:, der schon oft der Entstellung
schöner Gegenden und Ortschaften vorbeugte.
Der rührige, selbstschaffende Architekt und
Beamte des preußischen Bauwesens war
144
RENE KUDER
ALTE FRAU
Zeichnung, ig 14- — Text S. 134
145
RENE KUDER
Zeidmuug von ,g,^. _ Text S. ,jj
AUSRUFER
Die christliche Kunst. XII.
146
^^ AUSSTELLUNG DES BUNDES »BAYERN« S^
literarisch sehr tätig. So erschien im Jahre
1915 bereits die 4. Auflage von »Stadt- und
Landkirchen«, die viel Aufsehen erregte.
Daran anschließend erwirkte er auch die
Erlaubnis vom preußischen Staate, seine und
die unter seiner Leitung entstandenen Ent-
würfe und Bauausführungen zahlreicher Stadt-
und Landkirchen auf der großen Berliner
Kunstausstellung auszustellen. Interessant
sind im oben erwähnten Buche seine zahl-
reichen Bekenntnisse, von denen hier einige
folgen mögen. sWie sich unser staatlicher
REXi; KUDKK
Zeichnuttg von rgi4. — 'ffxl S- IS4
Kirchenbau von den Verirrungen fern ge-
halten hat, denen um die Wende des Jahr-
hunderts weite Kreise der Bevölkerung ver-
fielen, indem sie in dem Bruche mit der
Überlieferung das Heft für die Fortentwick-
lung erblickten, ebenso ist er jetzt, nachdem
man wieder >. historischer« geworden ist, be-
müht, sich vor der Modeströmung der Bieder-
meierei, des bis zur kärglichsten Nüchtern-
heit verwässerten Klassizismus zu hüten. So
ganz leicht freilich ist dieses Bemühen nicht.
Gegen Modeströmungen zu schwimmen ist
schwer.« Und weiter erörtert
er in dem Buche den Ziegel-
steinbau. »Der Ziegelsteinbau
muß, wenn er heimatlich blei-
ben und seinen Ernst, seine
Kraft behalten will, Anschluß
an die Bausteinkunst des Mittel-
alters, insbesondere der Gotik
suchen.« Er klagt dann über
den Verfall bezw. die Vernach-
lässigung des Studiums mit-
telalterlicher Kirchenbaukunst.
Wirklichen Dorfkirchen be-
gegne man immer noch recht
selten unter den Kirchenbau-
ten, die heutzutage auf unseren
Dörfern entstehen und mit den
kleineren Stadtkirchen verhalte
es sich ebenso. Letztere Äuße-
rung bezieht sich auf Mittel-
und Norddeutschland, in Bayern
ist es in den letzten Jahren
besser geworden.
So ist denn wieder einer
unserer Besten dahingegangen,
der in unserer schnellebigen
Zeit die vielen Auswüchse in
der bildenden Kunst mit geisti-
gen und künstlerischen Waffen
bekämpfte. Die vielen Angriffe,
die er sich infolgedessen oft-
mals zuzog, hat der äußerst vor-
nehme und feingebildete Mann
mit Würde ertragen.
.Architekt Hugo Steffen
AUSSTELLUNG
DES BUNDES »BAYERN«
Tn den Räumen des Müiichcner Kunst-
vereins, welcher der Kimstlert;enos-
scnschaft für die beiden an dieser Stelle
besprochenen Ausstellungen Gast-
freundschaft gewährte, hatte am 14. No-
vember auch der Bund » Bayern < eine
auf die Dauer von zwei Wochen be-
rechnete Sonderschau eröffnet. Eine
eas AUSSTELLUNG DES BUNDES BAYERN: ©2a
M7
^anöfturm«
ünvfXiq wrtbMt.).
Fedtrzeichnu„g
Kiuler. — Text S. 134
Anzahl von bekanntesten Münchener Künstlern gehört zu
dieser Vereinigung. Ihre Leistungen schaffen für die der
Gruppe im ganzen ein Wertmaß von beträchtliclier Höhe.
Keines der zahlreichen Werke dieser »Bayern «-Ausstel-
lung war geringen Ranges, mehreres außergewöhnlich
bedeutend. Letzteres läßt sich besonders den Bildnissen
nachrühmen, die auch ihrer Menge nach neben den Land-
schaften die Vorherrschaft in dieser Ausstellung führten.
So waren die mit Kreide gezeichneten Köpfe von Carl
Bios voll Lebenswahrlieit und Kraft der Charakteristik, die
um so überzeugender wirkte, je einfaclier, von allem
äußerlichen Eft'ekt frei der Vortrag war. Tiefe Wirkung
tat auch das von Carl von Marr in Öl gemalte Brustbild
eines älteren, melancliolisch blickenden Mannes vor
braunrotem Hintergrunde. Mehrere porträtistische Stu-
dienzeichnungen desselben Künstlers reihten sich diesen
Werken gleichwertig an. Raffael Schuster -Woldan
brachte eine Anzahl von bemerkenswerten Bildniswerken.
Feinen Reiz besitzt das Porträt (Kniestück) einer jungen
Dame in hellblauer Seide mit weißem Schleier vor
grauem Hmtergrunde, aus dem sich links ein dunkel-
grüner Vorhang heraushebt, seltsam wirkt der stark
grüne Farbenfleck einer in der Hand der Dame befind-
lichen Feige. Der gleiche Künstler brachte ein Bildnis
des Grafen H. zu Lerchenfeld-Köfering. Das 191 2 ent-
standene Gemälde zeigt vor dunkelgrauem Hintergrunde
den DargestelUen in Kniestück, stehend, schwarz ge-
kleidet, mit einer Wendung des Körpers nach Iinl<s,
das Antlitz aber geradeaus blickend. EndHch dürfen
zwei mit farbiger Kreide gezeichnete Kopfbildnisse Peter
Roseggers — eins in rötlichem Ton geradeaus, ein
grünhches in Profil — nicht vergessen werden; sie er-
wiesen sich als Studien, welche dartun, daß Tiefgründig-
keit nicht von der Starke äußerer Mittel abhängig ist.
Gerade beim Bildnisse wird man diese Eigenschaft be-
sonders schätzen ; wir wollen die Person sehen, kennen
und begreifen lernen — , hierzu soll des Künstlers Werk
helfen, soll der Nachwelt bleibende Lebens- und Cha-
rakterbilder hinterlassen, nicht aber Arbeiten von äußer-
liclier Madie. Die gekennzeichneten Vorzüge finden
sich auch bei dem von Georg Schuster- Woldan gemal-
ten, freundlichen Bildnisse eines kleinen Mädchens in
winterlicher Kleidung. Ferner bei einer Reihe von Por-
trätwerken Walther Geffckens. Ich erwähne von ihm
eine sitzende Dame in Weiß innerhalb eines dunkel-
tönigen Raumes, ein Bildnis F. Basils in feldgrauer
Uniform; das kräftig und dabei doch höclist vornehm
farbige Porträt einer sitzenden älteren Dame in grauem
Kleide vor hellem Hintergrund. Etwas Genrehaftes hatte
die von Ernst Liebermann gegebene Gruppe zweier
Damen, von denen eine in ein weißes Kostüm der
Großmütterzeit, die andere in ein grünes ländliches
gekleidet ist; kräftig heben sich die Gestalten von
grauem Hintergrunde ab. Studien von feinem Reize
waren das Brustbild einer Dame von Hermann Völker-
ling, ferner die beiden in farbiger Kreide gegebenen
Kinderköpfchen von Fritz Kunz. Hans Hammer por-
trätierte mit lebhaftem, warmem Kolorit eine Dame in
148
AUSSTELLUNG DES BUNDES »BAYERN«
iTf^H^vH
jSanÖfhirm.
^rim ^t(|oii^gnflrtttmt.2.
Federztichnung von Rtni Kuder. — Tfxt S. 134
blaurotem Kleide vor einem helleren Hintergrunde in
verwandten Tönen. — Unter den szenischen Dar-
stellungen fanden sich ganze zwei religiöse. Raffael
Schuster-Woldan malte eine »Beweinung«, bei der ich
die weibliche Gestalt allerdings nicht als die der Gottes-
mutter, sondern als jene Magdalcnens ansprechen
möchte; so aufgefaßt entspricht das Bild dem Gefühl
des christlichen Beschauers besser. In frohen hellen
Farben malte Fritz Kunz eine heilige Familie. Maria
sitzt am Spinnrocken, Joseph hobelt an einem Brette,
kleine liebliclie Englein holen die lockigen Hobelspäne
und bringen sie dem Jesuskinde zu Spiel und Scherz
— das Ganze ein erfreuliches Idyll, dessen Anmut
noch gesteigert wird durch den im Hintergrunde sich
auftuenden Ausblick auf eine frühlingsgrüne Wiese und
einen Baum in Blütenpracht. Carl von Marrs >Lux in
tenebris« ist eine mit lebensgroßen Figuren gestaltete
Phantasie über das Motiv: Nackte und bekleidete Figur:
ein geflügeltes Mädchen, das in seinen .Armen ein
lichtumflossenes Lamm trägt, naht sich einer nackten
weiblichen Gestalt, sie auf das Lamm hinweisend. Aus
dem dämmernden Dunkel des Bildes leuchtet der Glanz
des Lammes. Das malerische Thema wird durch eine
Allegorie getragen, die von Tizians »Himmlische und
irdische Liebe< eingegeben sein mag. Von szenischen
Bildern profanen Inhaltes erwähne ich die Kriegsfeder-
zeichnungen von J. Wackerle; sie, sowie einige Werke
von H. Eißfeldt waren fast das einzige, was diesmal dem
zeitgemäOesten aller Gegenstände galt. Um so friedlicher
war das von feinem Humor erfüllte Gemälde »Die
Schecken« von \ P. F. Messerschmidt — eine rote Herr-
scliaftskutsche der Rokokozeit, der .Ausfahrt der Herr-
schaft harrend, innerhalb eines malerischen Kleinresi-
denzbildes. Dieselbe Epoche lieferte auch für GefFcken
die Motive zu zwei anmutigen Schilderungen plaudern-
der Gruppen von Herren und Damen in einem Innen-
raum. — Dieser letztere hatte um seiner selbst willen
verschiedentlich interessante Behandlung erfaliren. So
in den vornehmen, ruhigen Studien aus der Münchener
Residenz von B. Bios; auch hei E. Liebermanns alter
Frau, die in ihrer gewölbten sclilichten Behausung am
Fenster sitzt. — Von Stilleben erwähne ich eins mit
antiker Bronzebüste und anderen Gegenständen, in
welchem B. Bios das Problem der Harmonisierung ver-
scliiedenster grüner Töne mit Glück zu lösen versucht
halte. — Die Landschaftsmalerei endlich bot des Wert-
vollen eine Fülle, aus der nur Erlieblichstes hervorge-
hoben werden kann. Hierzu rechne ich H. Urbans
»Alte Brücke«, ein italienisches Motiv von heller Farbe,
bei der allerdings der sonst für die Art dieses Künst-
lers bezeichnende perlmulterartige Schimmer weniger
auffällt; neuartig für ihn war die Ruine eines verbrannten
Hauses; ein von niederem herbstlichem Walde be-
grenzter flinmiernder See bot Spiegelung einiger leb-
liaft roter H.iusdächer; prächtige Zeichnungen von
scheinbarer Einfachheit waren nach Motiven von der
italienischen felsigen Meeresküste entstanden. Eine
Reihe tüchtiger .Arbeiten bot Fritz Rabending; Studien
<S2a DIR RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS mm 149
SflnBTtttrm,
4>n§ norod^n.
3,
Kene Kuder, — Text S. 134
mit farbenleuchtenden Blumenplantagen, ferner kolo-
ristisch und vortraglich Icraftvolle Landschaften mit Vieh
in interessanten Beleuchtungen malte A. Lüderkelleve;
Hafenbilder und einen gelblich daherbrausenden Wild-
bach Claus Bergen; alte Architekturen E. Liebermann ;
charaktervolle Hochgebirgsstudien waren u. a. von
F. Hoch und P. Bürck. Doering
DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT
in ihrer Rückwirkung auf die Kunst
Rußlands.*
Als unter Großfürst Wladimir, dem Heiligen,
'^ im Jahre 988 die Russen sich taufen lie-
ßen, war die orientalische von der okziden-
talen Kirche noch nicht endgültig geschieden.
Aus dem allgemeinen Strombette wurde sie
darnach in die byzantinische Trennung her-
*) Zugleich eine Fortsetzung zur Abhandlung über
>Die neuere religiöse Kunst Rußlands t in Heft 10,
2. Jahrg., S. 2501". — Der Aufsatz wurde im Sommer
1906 geschrieben, mußte aber wegen Raummangels bis
jetzt zurückgestellt werden. D. Red.
übergezogen, wie in eine ruhige, den Stürmen
unzugängliche, aber auch jedem Lebensdrang
verschlossene Bucht, bedingend und bedingt
durch den weichen, duldend veranlagten Volks-
charakter.
Einige Formabweichungen vom »Kirchen-
reglement«, z. B. eine andre Art der Hostienbe-
reitung, waren im Streit mit den Päpsten seit
dem Konstantinopler Patriarchen Photios zum
Prinzip erhoben worden. Den Neubekehrten als
Verbündeten vermachte das zerfallende By-
zanz diese gesuchten Scheidungsgründe, und
ihrem Kinderherzen impfte es den Haß ein
gegen den ganzen Westen, dessen geschicht-
liche Gestaltung eine günstigere und dessen
energische Tätigkeit eine glücklichere ward.
So begann für Gesamtrußland die Periode des
byzantinischen Einflusses, der »byzantinischen
Ordnung«, der »byzantinischen Reglementie-
rung <, die bis zu den Reformen Peters währte.
Da seine Nichtbeachtung seitens der Päpste
die Ursache der Zweiteilung des Christentums
war, redete Byzanz dem unwissenden Volk
150 e^ DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ^sm
^mAjUmtüf
J)rltrfmbau,4,
A'cwt' Kitder. — Text S. 134
leicht ein, daß das »Reglement«, die »Regle-
mentierung;; das Hauptsächliche an der Reli-
gion, das Wesen des Glaubens, die Rettung
der Seele, der Weg zum Himmel sei. Scheu
und Ehrfurcht ließ die gläubigen Herzen alle
Kräfte anwenden, heldenhafte Anstrengungen
machen, bis zum Martyrium und zur Selbst-
kreuzigung, um ihr jugendliches Wesen in die
erstarrenden Formen hineinzuzwängen. Mehr
als ein halbes Jahrtausend wirkte das »Regle-
ment« als die Hinterlassenschaft der griechi-
schen Mönche, die Rußland tauften und in
die Lehre nahmen. Die Form bezwingt zum
Schluß auch den Geist. Rußland hat geistig
sich immer mehr, immer tiefer »abtöten
lassen. Der Unterschied zwischen Ruhe und
Bewegung, Beschaulichkeit und Arbeit, passi-
vem Dulden und aktivem Kampf gegen das
Böse, — ■ das ist es, was die griechisch-ortho-
doxe Kirche von dem Katholizismus trennt;
und da die Religion die Seele der Nation ist,
so trennen diese Gegensätze auch Rußland
von den westeuropäischen Völkern.
»Ich glaube, daß das wichtigste und ursprüng-
lichste seelische Bedürfnis des russischen Vol-
kes — das Bedürfnis des dauernden und unstill-
baren Leidens — überall und in allem ist.
Dieses Bedürfnis zu leiden, eignet ihm schon
von Urbeginn an. Dieser Leidenszug zieht
sich durch seine ganze Geschichte und hat
seinen Ursprung nicht in äußeren Mißgeschik-
ken und Höhen, sondern tief in dem Herzen
des Volks. Das russische Volk findet selbst
in seinem Glück noch immer einen Teil Leid,
da ihm sonst dieses Glück nicht vollkommen
schiene.« Im Tagebuch Fedor Michailowitsch
Dostojewskis, des tiefsten Deuters russischer
Art, stellen diese Worte. Sie geben den Schlüssel
zum Verständnis über ein Hundertdreißigmil-
lionenvolk, mit seinem dumpfen Fatalismus
und stumpfer Ergebenheit. Nur daraus begreift
man die Erscheinungen einer letzten Resi-
gnation und ahnt die Schwermut, die sich
in diesem Nicht-ankämpfen-wollen wider das
Schicksal verbirgt. Die demütige Leidbereit-
schaft spiegelt sich in all den Lebensformen
®3S DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ea§ 1 5 1
^anftftttrm.
(^ff^mmpfanQ,^,
Retie Kuder. — Text S. IS4
wider. Darauf ist die starre Ergebung zurück-
zuführen, die ihre Formel in dem vielzitier-
ten » Nitschewo « gefunden hat; darauf zum
Teil die tiefe und bedingungslose Frömmig-
keit, die bei all ihrer Intensität doch frei von
Unduldsamkeit ist, das Sich-fügen Gott und
dem Väterchen Zar gegenüber. Wohlver-
standen: nicht beim Proletariat und der In-
telligenz der Großstädte, nur dort, wo in der
breiten Masse alle Eigentümlichkeiten der rus-
sischen Volkspsyche sich rein bewahrt. Und
möchten auch die Juden-Pogrome gegen
diesen weichen Charakter sprechen: so ver-
band sich hier etwas religiöser Fanatismus
gegen die » Mörder Christi « mehr mit wirt-
schaftlichen Argumenten gegen die Monopoli-
sierung des Handels in deren Händen, wie
mit slawischen Rasse-Instinkten — und der Be-
amten-Oligarchie paßten sie, zusammen mit
der sonstigen » Reinigung « zugunsten der
Orthodoxie und des Slawophilentums, in ihren
politischen Machtbestrebungen.
Etwas Melancholisches und für den Fort-
schritt Verlorenes, etwas Leidendes, ja sogar
Rührendes — neben aller zeitweisen Raserei —
gibt' so dem russischen Osten seine mora-
lische Physiognomie. Wie das Weinen, der
Schmerz um verstorbene Verwandte, Freunde,
dem Asiaten eine unverzeihliche Schwäche,
ebenso würde die zornige Erregung über die
Vergehen eines andern, über das Böse —
— einfach eine Sünde, einen Fehltritt und
einen » Fall « des Heiligen bedeuten. Die rus-
sischen Heiligen haben in der Tat nie jeman-
den getadelt. Nur hier und da eine stille Träne,
ein leiser Vorwurf, so ganz nebenbei, fast
ohne Worte, beinahe nur in der Seele. So
kam der hl. Theodosius, bald nach Rußlands
Bekehrung, zu einem großfürstlichen Schmaus
— und er stellte sich abseits und begann zu
weinen. Als man ihn fragte, weshalb er weine,
antwortete er: »Bruder, ich denke, wird's auch
im Jenseits ebenso lustig sein.''« Fürst und
Gäste wurden verlegen und hörten auf zu
schwelgen. Wie der Heilige den Tadel scheute,
feinfühlig, so schämte sich der Fürst seines
152 e^ DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ©^
RENE KUDER
SCHWIERIGER TRANSPORT
Federzeichnung von igi4- — Text S. IJS
Festes beim Anblick des von Beten und Fasten
Ausgemergelten — und beide küßten einan-
der die Hand in gegenseitiger, geheimnis-
voller Unterwürfigkeit Das ist ein Beispiel
des charakteristischen Benehmens der Russen.
Bomben und Grausamkeiten, Überstürzung
und Siedehitze bezeichnen dann häufig den
Gegenpol, wie ja ein Extrem immer in das
andere überschlägt. Das Leben bewegt sich
und gleicht sich in solch Gegensätzen aus.
Kern der russischen Religiosität ist das Er-
warten oder Bangen vor den Geheimnissen
des Jenseits. Der Russe hat die geheimnis-
volle Schönheit des Todes nicht bloß erfaßt,
er geht ihr entgegen, er versteht es zu ster-
ben, er wird in der Krankheit, im Leiden
schöner; besonders aber — angesichts des
Sarges. Das Leben ist die Nacht, der Tod
der Sonnenaufgang, und der ewige Tag ist
»dort«. Nur kommt ihm diese Anschauung
erst im Alter, mit den Jahren. Der junge
Russe besucht wenig die Kirche — die Jugend
begeht sogar gern Blasphemien; sie findet
nichts, was ihr in Tempeln, Liturgien, Kirchen-
melodien, im Sinn der Worte, die man in
den Kirchen hört, in der Kirchenmalerei zu-
sagen würde. Dazu kommt, daß das Familien-
leben, mit seltenen Ausnahmen bei den ge-
bildeten Klassen, kein gefestigtes und sehr
reizvolles oder warmes ist, — ein Vorwurf,
der z. B. in einem der neuesten Stücke S. Naid-
jonows, in »Wanjuschins Kinder«, deutlich
genug herausspricht. Um gute oder schlechte
Ehe kümmert sich die Kirche nicht, gemäß
der Forderung des berühmten Moskauer Metro-
politen Philaret, der beinahe als heilig gilt
und die erste Kirchenautorität des i8. und
19. Jahrhunderts ist. Auch in den reiferen
Jahren, so lange die Kräfte des Lebens über
die Todeskeime im Menschen den Sieg da-
vontragen, wenn die materielle Not, die
Pflicht, die Arbeit, den Geist an das wirkliche
Leben schmieden, besucht der Russe nicht
zu oft den Gottesdienst, spottet, leugnet. Nun
aber überschreitet er das fünfzigste Jahr. Da
kommen Krankheiten, Leiden in der Familie
sind durchgemacht, das Vermögen oft ver-
schleudert, die Kinder sind flügge geworden.
In diesem Alter empfindet der Russe, wie
einsam, überflüssig, unnötig er ist. Und aui
153
RENE KUDER
SOLDAT, SCHIEBEND
Zeichnung von ig 14, Studie zu Abi. S. 132
Die chrlsUiche Kunst. XII.
154
RENE KUDER SOLDAT
Zeiciunmg von ,qt4, Studie zu dem Bild ,, Nächtlicher Apt-c"' (Mb. S. IJS)
DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ©SS 1 5 5
RENE KUDER
NÄCHTLICHER APPELL
Ft'derieichnung :
einmal — tritt er in die Kirche und tindet
dort alles, und alles ist ihm so vertraut, so
verständlich, so furchtbar notwendig. Als ob
sie bloß daraufgewartet hätte, daß er gebrech-
lich, gebeugt, arm, von Freunden und An-
gehörigen verlassen, — so empfängt sie ihn
mit unendlicher Sanftmut und Sorgfalt, sie
verzeiht ihm sein verflossenes, ungeordnetes
Leben. Der schwache Greis, der kranke, über-
flüssige, hat auf einmal hier ein Vaterhaus
gefunden. Er betritt freudig die Stufenleiter
zur Ewigkeit. Er vergißt die Welt dem Tem-
pel zuliebe. Theater, Schauspiele, Freude
und Lust sind ihm ein Greuel, »das Reich
des Satans«, 'der geistige Antichrist«. Er
möchte Christus finden. Ihn lockt das bleiche
Antlitz des Herrn, mit seinen Leichentüchern,
in die ihn Joseph von Arimathäa und Mag-
dalena gehüllt. Der gebrechliche Greis, die
Greisin, — sie bereiten für sich selbst alles
zum Tode Gehörige vor. Sie legen in ein
besonderes Bündel reine, eigenartig genähte,
breite Wäschestücke, die ihnen als Toten-
gewänder dienen sollen, dazu ein hölzernes
Kreuzlein aus Zypressenholz, das man ihnen
um den Hals hängen soll, wenn sie im Sarge
liegen. Dies Bündel mit dem » Sterblichen «
vergessen die Russen nie, mit sich zu nehmen.
Frauen waschen den Körper des Toten und
legen ihn in den Sarg, mit dem zubereiteten
Leichenhemd, aus dem aller Reichtum, jede
Spur von Gold und Seide entfernt worden
ist. Zum Sarge wird eine Nonne geholt, die
die ganze Zeit vor der Beerdigung, beson-
ders aber die ganze Nacht hindurch ununter-
brochen die Psalmen Davids liest, das gelieb-
teste russische Volksbuch. Die Kirche schickt
für den Verschiedenen eine goldgewirkte
Decke aus einem besonderen Brokatstoff, der
nur für die Meßgewänder der Priester ver-
wendet wird. Um den Toten stellt man große,
brennende Wachskerzen, die in silberschim-
mernden, der Kirche entnommenen Kande-
labern stecken, von besonderer Form,
Für die Russen sind die Begriffe: sich dem
Tode nähern« und »sich der Heiligkeit nähern«
so eng mit einander verwachsen, so ein und
dasselbe bedeutend, daß auch die Irreligiösen
sich nicht davon freimachen können. Sogar
die weltgebildetsten Menschen, wie Turgen-
I S6 ^ DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ^
REXE KUDER
PFERDESTUDIE
jew und Herzen, Atheisten, Nihilisten emp-
finden in den ernstesten Lebensmomenten
diesen immer wieder auflebenden, uralten,
ursprünglichen Glauben ihres Volkes — daß
sterben heiliger sei denn leben. Stirbt einem
Bauernweib sein ein- oder zweijähriges Kind,
so sagt es mit Freude: »Gott sei gelobt —
das Kind wird keine Sünden begehen.« Die
Motivierung ist: - Leben heißt sündigen, wie
in den Kirchenliedern gesungen wird: ,Der
Mensch kann keinen Augenblick sündenrein
verleben'. Weshalb denn weinen? Mein Kind
ist bei Gott; wir (die Erwachsenen) werden
es dort (jenseits) nicht so gut haben.« »Sich
abtöten« wird so mehr als ein Begriff, mehr
als ein Ideal. Düster und der Erde grollend,
hat der » russische Glaube « so gar nichts
Jugendliches. Alles Lebende, Lebendige, Ar-
beitsfreudige, Menschen- und Menschheits-
vertrauende ist verwischt, ausgerodet. Daher
die Tendenz: aus der Religion alle mensch-
lichen Eigenschaften, alles Gewöhnliche, Ir-
dische, Durchschnittliche auszumerzen und
nichts als das Himmlische, Göttliche, Über-
natürliche übrig zu lassen. Nach dieser fest-
bestimmten Richtung konnte die Orthodoxie
nicht anders als zu einer Apotheose des Todes
gelangen, — und daher auch manche Ten-
denzen, die historische Wahrheit des Evan-
geliums anders leuchten zu lassen. Wassili
Rosanow in Melniks Sammelwerk > Russen
über Rußland « meint sogar sagen zu können,
Rußland finde selbst das irdische Leben des
Heilands zu grob und reich; es hört nur mit
halbgeöffnetem Ohre des Erlösers Lehren,
Parabeln, Gebote. Das alles behält es im Ge-
dächtnis, erfaßt es jedoch nicht mit dem Geist.
Aber da hängt der Erlöser am Kreuze. Ruß-
land spannt seine Aufmerksamkeit an, das Ohr
öffnet sich ganz, das Herz pocht. Es durch-
lebt mit Christus die ganze unsägliche Trauer
von Golgatha. Christus ist tot, Rußland ist
angsterfüllt. Tatsachen, lebendige und gegen-
wärtige, sieht und fühlt es, es ist keine Ge-
schichte. Aber das ist noch nicht alles — das
ist noch nicht die » Quintessenz des russischen
Glaubens«. In den Evangelien ist zu lesen,
wie nach der Geschichte vom Erdenwallen
des Heilandes, in kurzen Kapiteln über wenige
Tage seines Seins nach dem Tode und nach
^ BILDHAUER JOSEPH KOPF e^
157
RENE KUUEK
IW)(.
ty y- '1
If.
:?4^^^^^Sig^j^aj^s«E^^aaBi^.
I'tEKUSlUUlE
ui, mit Weiß au/gehbht
der Grablegung berichtet wird. Bald erscheint
er seinen Jüngern, bald verschwindet er wieder.
Die Reden sind kurz und geheimnisvoll, Reden
und Erscheinungen — alles trägt Zeichen des
Geheimnisses vom Jenseits . . . Und an diese
blassen, jenseitigen Schlußkapitel erinnert der
»russische Glaube«, wie man zuweilen die
orthodoxe Kirche nennt . . .
(Schluß folgt)
BILDHAUER JOSEPH KÖPF f
Am 23. Dezember versammelte sich im
^ Schwabinger neuen Friedhofe eine grö-
ßere Trauergemeinde, um den Bildhauer Jo-
seph Köpf zur letzten Ruhestätte zu geleiten.
1867 in Schongau geboren, begann er seine
Studien in der Schnitzschule Partenkirchen
und vollendete in München seine Ausbildung.
Köpf arbeitete am Reichstagsbau unterProfessor
Vogel, kehrte dann nach München zurück,
um gemeinsam mit seinem Kollegen Müller
an der plastischen Ausschmückung der Ma-
ximilianskirche zu arbeiten. Nach diesem
begann er sich um größere Aufträge zu be-
werben ; eine seiner ersten Arbeiten, der Brun-
nen im Cafe Gaßner, sicherte ihm weitere
lohnende Aufgaben, so half er die Rathaus-
fassade mit figürlichem Schmucke versehen
usw. Kopfs große Arbeitsfreudigkeit, sein
hervorragendes Können, sowie sein feinsin-
niges Zusammenarbeiten mit dem Architek-
ten erwarb ihm viele Freunde, für die er
andauernd beschäftigt war ; größere Arbeiten
führte er noch in Fürth aus und in Augs-
burg die Abschlußfiguren am Hochablaß.
Seine größte Aufgabe war aber wohl die
Ausschmückung des Schloßgartens für Schloß
Weidenkamm, Besitz der Gräfin von Tatten-
bach. Hier war Köpf von seinem langjäh-
rigen Freunde Architekt Bauer-Ulm vor eine
Aufgabe gestellt, wie sie selten einem Künst-
ler in so gebundener Form zuteil wird, und
mit ganzer Hingabe und Liebe hat er diese
Aufgabe gelöst.
Wer je Gelegenheit hatte, den Menschen
Köpf kennen zu lernen, der mußte ihn lieb-
gewinnen, sein sprudelnder Humor, sein um-
fassendes Wissen war für seine engeren Freun-
de eine Quelle reinster Freude. Kopfs Tod war
158
^9 MITTEILUNG — VERMISCHTE NACHRICHTEN ^
die Folge eines Unglücl^sfalles ; es war, als
hätte er sein Scheiden geahnt, so vollendete
er noch einige Tage vor seinem Tode eine
für das Schloß Weidenkamm bestimmte Gruppe.
Ein tragischer Zufall fügte es, daß er auf den
gleichen Tag wie sein ihm ein Jahr früher
im Tode vorausgegangener bester Freund,
Architekt Bauer-Ulm, aus dem Leben schied.
L. Grothe
MITTEILUNG
Deutsche Gesellschaft für christ-
liche Kunst. Juryi9i6. — Die Jury die-
ses Jahres setzt sich aus folgenden 8 Herren
zusammen: Architekten: Konservator Prof.
Jakob Angermair, Hans Schurr; — Bild-
hauer: Franz Drexler, Franz Schildhorn ; —
Maler: Xaver Dietrich, Augustin Fächer; —
Kunstfreunde: Inspektor Peter Dörfler,
Superior Johann Bapt, Pfalfenbüchler. Sämt-
liche in München.
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Preisausschreiben für den Neubau der
St. Kor b inianskirche in Münclien. Die Kalho-
lische Gesaintkirclienverwaltung Münclien eröffnet unter
den in München wolinenden Architeliten und Künstlern
einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für
die neue St. Korbinianskirche am Gotzingerplatz. Die
Unterlagen d. s. Lagcplan und Bedingungen können
vom Baubureau der Kath. Gesamtkirchengemeinde Mün-
clien, Nyniphenburgerstraße 38/! Seitenbau, gegen eine
Gebühr von zwei Mark bezogen werden. Das Projekt
umfaßt Kirche mit Sakristei, angebautem Pfarrhaus und
Wohnhaus für Kirchenangestellte. Verlangt werden
Grundrisse, geometrische Fassaden und Schnitte im
Maßslabe i : 200 sowie eine Perspektive über das Ge-
samtbild vom Gotzingerplatz aus in gleichem Maßstäbe,
ferner Kostenvoransclilag nach umbautem Raum. Sämt-
liche Blätter des Projektes sind als einfiiche Linien-
zeichnungen (nicht farbig und nicht mit Kohle gezeich-
net") einzureichen. Das Preisgericht setzt sich zusammen
aus folgenden Herren: Ein Vertreter des Erzbischöflichen
Ordinariats: H. Domdekan Dr. Huber. Aus der Ge-
samtkirchenveiwaltung: Vorsitzender H. Geistl. Rat
J.Wagner, H. Geistl. Rat Gilg, Oberregierungsrat Walser.
Aus dem Kirchengemeindekollegium: Kommerzienrat
Stierstorfer, Professor Bernd!. Aus den Künstlern:
Prof. Freiherr von Schmidt, Professor Hocheder, Prof.
und Stadt. Baurat Dr. Grässel, An Preisen werden ver-
teilt: I. Preis zu Mk. 2500, II Preis zu Mk. 2000,
III. Preis zu Mk. 1 500, IV. Preis zu Mk. 1000. Außerdem
stehen Mk. 2000 für .Ankauf von weiteren Projekten
zur Verfügung. Dem Preisgericht bleibt es vorbehalten,
die Gesamtsumme auch in anderer Weise zu verteilen.
Die mit Preisen bedachten oder angekauften Entwürfe
gehen ins l:igentum der Kath. Gesamtkirchengemeinde
RENU KUDER
I'OLNISCIIE ILLCHTLINGE
^ SOLDATEN LEKTÜRE eas
159
RENK KUDER
/<?/J. — Ti:xt S. 134
ZWANGSARBEIT
München über. Die Entwürfe sind verschlossen bis
spätestens 15. April 1916, abends 6 Uhr, im Baubureau
der Kath. Gesamtkirchengemeinde München, Nymphen-
burgerstraüe 3 8/1 Seitenbau, einzureichen.
Dr. Philipp Maria Halm, der sclion seit dem
Ableben des Direktors Dr. Hans Stegmann die Ge-
schalte des Kgl. Bayerischen Xationalmuseums geführt
hatte, wurde zum Direktor dieser großartigen Samm-
lung ernannt. Er wurde am i. Oktober 1866 in Mainz
geboren.
Rheingönheim (Pfalz). — Am 6. Dezember wurde
die von Architekt A. Boßlet erbaute kath. Pfarrkirche
eingeweiht. Die Kirche ist abgebildet im X.Jahrgang,
S. 193, besprochen ebenda S. 195.
Professor Martin von Feuerstein, dem die
erste Nummer des laufenden Jahrganges gewidmet ist,
beging am 6. Januar den 60. Geburtstag. Die Vor-
standschaft der Deutschen Gesellschaft für christliche
Kunst beglückwünschte ihn und dankte ihm bei diesem
Anlaß für seine Tätigkeit als langjähriges Vorstands-
mitglied und als Juror.
Bildhauer Joseph Breitkopf- Cosel hat im
Auftrag der Königl. Regierung für die Kgl. Taubstum-
menanstalt Neukölln das Hochrelief >Erleuchtung«, so-
wie für das Kg!. Gymnasium Spandau die figürlichen
Gruppen »Gelehrsamkeit« und >WeItkunde< geschaffen.
Auch führte er dekorative Skulpturen für die Kgl. Berg-
akademie (Erweiterungsbau der Kgl. Technischen Hoch-
schule Berlin) und das Kgl. Polizeidienst-Gebäude Schö-
neberg aus. Die eiserne Medaille >Militärische Vor-
bereitung der Jugend 1915« ist ihm nach seinen Ent-
würfen vom General-Kommissariat zur Ausführung über-
tragen.
SOLDATEN-LEKTÜRE
Oberlehrer Joseph Gieben, der als Leutnant und Kom-
pagnieführer im Felde steht, schreibt in Nr. 971 (191 5) der
>Kölnischen Volkszeitung«: iWer will, bekommt eine
Menge Lesestoff in den Schützengraben geschickt, ko-
stenfrei oder gegen billiges Geld: Zeitungen, Zeitschriften,
Broschüren, Bücher. Sie sind meistens auf den Krieg
zugeschnitten, politisch, patriotisch, religiös gehalten.
Auch Unterlialtungsbücher, gute und schlechte, von
jeder Welt- und Lebensanschauung. Aber abgesehen
von illustrierten Zeitschriften und Witzblättern zweifel-
haften Wertes bekommt er wohl viel zum Lesen und
N;ichdenken, aber wenig oder nichts zum Anscliauen.
Der Krieg macht geistig träge oder martert das Hirn
durch die ewige Anspannung. Man mag oft gern lesen
i6o
^ SOLDATEN-LEKTÜRE — DER PIONIER ^
RENIi KUDER
— aber viel angenehmer, beruhigender als das Denken,
eine viel bessere Erholung und Abspannung gibt manch-
mal das Anschauen guter Bilder. Bilder, die zum Her-
zen sprechen und zum Gemüt, die durch ihre Kunst,
ihre Linien und Formen und Flächen reden zum Ge-
fühl, nicht sprechen oder wenigstens niclit vorerst zum
Gedanken. Wir müssen die leere Einbildungskraft mit
guten und zum Edlen anregenden Darstellungen füllen.
Das soll gute Kunst tun. Wir müssen die ol't so
grauenhaft grausamen Eindrücke des Krieges durch an-
dere Bilder vertreiben. Das kann nur gute Kunst.
Wir müssen die müßigen Stunden, in dentn der Win-
ter uns im Schützengraben mit Sclmee eindeckt, gut
ausfüllen und diese Zeit zur Saat benützen für die Zu-
kunft. Die Vorstellungen, mit denen wir aus dem
Kriege zur Heimat wiederkommen, werden uns im
Frieden beherrschen. Darum gute Nahrung für die
Phantasie. Woher sie nehmen? Da möchte ich ver-
weisen auf die guten Monographien der Allgemeinen
Vereinigung für christliche Kunst, München. Sie bieten
lur denkbar billiges Geld (besonders bei Parliebezug)
sehr viele Bilder aus der besten christlich gerichteten
deutschen und ausländischen Kunst. Schon das Be-
trachten der Bilder wird wie ein Jungbrunnen auf den
Schützengrabensoldatcn und den Kranken und Verwun-
deten im Lazarett wirken. Und wenn so das Interesse
geweckt und das Gemüt vollgesogen ist von diesem
Schönen und Guten, wird aucli der Text gelesen wer-
den, gern gelesen werden. Ich möchte besonders alle
Sammelstellen für Liebesgaben, Vereine, Rotes Kreuz,
Bibliotheken, LesestoflTsammlungen usw. sowie einzelne
Wohltäter dringend hierauf hinweisen.«
Die Monographien kosten pro Nummer 80 Pfg. (1 K),
imAbonnement(vierHefte) 5 Mk. ('5K6oh). JevierMono-
graphien bilden einen Band. Die Einbanddecke hierzu
kostet I Mk. (i K 20 h). Der gebundene Jahrgang 4.50 Mk.
Die Ortsgruppen ^Vereine, Schulen etc.) erhalten die Mono-
graphien bei gemeinsamem, nur direktem Bezüge von der
Geschäftsstelle bei Bestellung von etwa zwanzig zu dem
liierfür bestimmten Vorzugspreise. Auskunft bei der Ge-
scliäftsstelle, München, Karlstr. 53/0. Die Monographien
eignen sich auch bestens als Festgesclienk für die Jugend.
DER PIONIER
Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunst-
fragen und kirchliches Kunsthandwerk. Vlll. Jahrgang,
Heft I — 5 (Oktober 1915 — Februar 1916). — Verlag der
Gesellschaft für christliche Kunst, G. m. b. H., München
(KarlstraOe 6). Preis des vollständigen Jahrganges M. 5. —
(portofrei M. 5.60).
Erscheint unter der gleichen Redaktion und im gleichen
Fonnat, wie »Die christliche Kunst<, ist inhaltlich in sich
abgeschlossen, bildet aber zugleich auch eine erwünschte
Beilage und Ergänzung zur >(;hristlichen Kunst«.
Aus dem Inhalt der Hefte i — 5 des laufenden Jahr-
gangs: Die Hinunelfahrt Mariens von Tizian. — Aus der
Werkstätte des Goldschmieds : Edelsteine. — Über Bau-
ausführung von Kirchen : I. Einleitung, II. Baugrund und
Fundierung der Gebäude. — Die Beschießung der Kathe-
drale von Reims. — Monstranzen. — Glocken und Orgel-
gehäuse. — Totenschilde. — Zur Darstellung des Kruzi-
fixus. — Religiöse Inschriften. — Zahlreiche kleinere Mit-
teilungen und Anregungen.
Bischofstab
Getriebene Arbeit, Email und Elfenbein,
Dem hochw. Herrn Weihbischof Dr. Petrus Lausberg gewidmet von
seinen ehemaligen Alumnen im Priesterseminar zu Köln 1900 — 1914.
Entwurf und Ausführung von Leo Moldrickx, Köln
THEODOR BAIERL
In der Tatiishi
Ul;l i /WEGSTATIOX
aintnltskirJie zu üiüingtn i igoSJ. — Text S. 164
DIE KIRCHE DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN
Von J. DEMLEITNER
(Hierzu die Abb. S. 161 bis 173)
Als noch die Bischöfe von Augsburg im
hohen Schloß zu Dillingen residierten,
ihre Prälaten und Beamten in der Stadt sich
vornehme Wohnungen bauten, als noch die
■weitberühmte Jesuiten-Universität viel adeli-
ges und reiches Publikum aus allen Ländern
Europas anzog und die Stifte und Klöster
der Stadt noch über reiche Mittel verfügten,
da war reges, künstlerisches Leben in Dil-
lingen und die Baumeister, die Maler, Bild-
hauer und Goldschmiede hatten viel zu tun.
Heute noch sind die vornehme Hauptstraße,
die schönen Kirchen und Studiengebäude
und viele Bauten der näheren und weiteren
Umgebung von Dillingen und manches Stück
Kleinkunst in Museen und Kirchen lebende
Zeugen der künstlerischen Tätigkeit einer
Provinzstadt in früheren Zeiten. Doch die
Stürme der Aufklärungszeit, die napoleoni-
schen Kriege und besonders die Säkularisa-
tion haben mit einem Schlage dies künstlerische
Leben zerstört. Seit vollen hundert Jahren
ist in Dillingen kein Werk von künstleri-
schem Wert entstanden, aber vieles vom
guten Alten zerstört oder verschleppt worden
oder sonstwie zugrunde gegangen. Unter
solchen Umständen kann es Herrn Domka-
pitular M. Niedermair in Augsburg, dem
Vorstand der Wagnerschen Wohltätigkeits-
anstalten in Bayern, nicht hoch genug ange-
rechnet werden, in der Anstalt für taub-
stumme Mädchen zu Dillingen durch Hebung
und Förderung der Paramentenstickerei der
Kunst wieder eine Heimstätte bereitet zu
haben. Hat er schon als Stadtpfarrer von
Dillingen seiner Pfarrkirche in zwei Altarge-
mälden von Fugel und zwei großen getriebe-
nen Engeln Werke von bedeutendem künst-
L)ie chrtslllclie Kunsl, XII. 6 I. Kurz i
l62
KIRCHE DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN ss23
KIHCIIl-: I>1;R TAUBSTL'MMKNANSTAI.T zu DILI.IXGKX I\ SCIIWAKEN' (HAVEKX)
Ttxt S. ibi ff.
lerischem Werte geschenkt, so hat er vollends
durcli Heranziehung erstkhissiger Künstler
und Kunsthandwerker zur Ausstattung der
Taubstummenkirche diese zu einem Schatz-
kästlein modernkirchlichcr Kunst gemacht.
Die jetzige Anstaltskirche ist eine Erwei-
terung des alten Baues vom Jahre 1859 in
nicht gerade glücklichen neuromanischen
Formen, hat aber den Vorzug einseitiger
Lichtzuführung. Kunstmaler Th. Baierl in
i63
iiligliiaiiiMiMiliiliilliliiiiBli^^
MaiBiiiaiaiMMiMMiiiitMütel
JAKOB ANGERMAIR UND EDUARD STEINICKEN
Kirche der Taubstummenanstalt i?t Dillingen. — Text S. löj
HOCHALTAR
i64 e^ KIRCHE DHR TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN ^:^
THEODOR BAIEKI.
:,/u!nt in der Taul-stuti
München, der zurzeit mit der Ausmalung
des Langliauses der Herz-Jesukirciie zu Pfer-
see-Augsburg beschäftigt ist, hat es verstan-
den, durch geschickte Aufteilung und Tönung
der Flächen die Raumwirkung wesentlich zu
verbessern und hat vor allem bei der Aus-
führung der Malereien auf die Größe des
Raumes verständige Rücksicht genommen.
Die beiden Längsseiten der Kirche schmückt
der Kreuzweg, mit seiner dekorativen Um-
rahmung direkt auf die Wand gemalt (Abb.
S. i6i, 171). Vielleicht ist die Darstellung des
Kreuzweges mit seinen 14 Stationen für
einen Künstler eines der interessantesten,
sicher aber eines der schwierigsten religiösen
Themen und es liegt die Gefahr nahe, daß
der Künstler schon in den ersten Stationen
seine Kraft ausgibt und zu den letzten Statio-
nen nichts Neues mehr zu sagen weiß.
Baierl hat verstanden, inlialtlich und formell
diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Von
Station zu Station steigert sich die Passion
des Herrn. Immer ist Christus der ideelle
Mittelpunkt der Szene. Das ist ein Heiland,
der nicht bloß ein Kreuz trägt, der auch
innerlich mitleidet, die Sündenschuld der
Menschheit auf sich lasten fühlt. Es ist kaum
zu glauben, mit wie wenig Mitteln Baierl
DIH KLUGEN |L"NGFRAL"EN'
■che zu PilUugcn. Vgl. Al-b. S. l6j. — Text unten
auskommt. Nur ein paar Figuren braucht
er, die nicht als Statisten und Raumfüller
da sind, sondern wirklich am großen Drama
teilnehmen. Nur wenige Farben hat seine
Palette: schwarz und weiß in den verschie-
denen Abstufungen herrschen vor, dazu nur
wenig Rot, Grün und Gold bei dunkelvioletteni
Hintergrund. Mit ungemeinem Fleiß und
tiefem Durchdringen ist jede Figur gezeich-
net, jeder Muskel nach seiner Funktion stu-
diert, jeder Nerv belebt. Gerade diese klare
zeichnerische Durcharbeitung der Figuren
läßt die bunten Farben entbehren und gibt
ihnen etwas ungemein Lebendiges, Wahres
und Monumentales.
Noch mehr als beim Kreuzweg kommen
diese charakteristischen Eigenschaften von
Baierls Kunst bei den klugen und törichten
Jungfrauen am Chorbogen zur Geltung. Kein
überquellendes Pathos, keine süßliche Senti-
mentalität, feierliche Ruhe und Würde in
Haltung und Geste, wunderbarer Rh^-thmus
in Linie und Farbe. Man fühlt sich hinge-
rissen und beglückt von soviel Schönheit
(Abb. S. 164 u. 165).
Den Höhe- und Mittelpunkt des Bilder-
zyklus bildet der überlebensgroße Christus
in der Chorapsis, wie er als Herr und Ge-
esaa KIRCHI: DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN ©S^ 165
THEODOR HAlEUl,
Karton.
';c/ülirt in der Tautstnmmi-nanstaltskirche zu Dillin
DIE TÖRICHTEN JUNGFRAUEN
Igl. Abb. S. 164. — Text S. 164
Bieter des Universums in seiner überwältigen-
den Majestät, von Engelflügeln getragen, aus
der Unendlichkeit herabzuschweben scheint,
angetan mit einem faltenreichen Goldmantel,
als Gnadenbringer den einen, als Richter
den andern (Abb. S. 162). Diese Engel haben
wirklich Leben, diese Wolken sind in wallen-
der Bewegung. Es liegt etwas von der
großen Stimmung der Mosaikbilder in alt-
christlichen Chorapsiden in diesem Bilde.
Hier stehen wir wirklich vor Kunstwerken,
eingehaucht von ernster religiöser und künst-
lerischer Auffassung, ebenso weit entfernt
von falschem Archaismus und unverständ-
lichem Futurismus, wie von abstoßendem
Realismus oder süßlich frömmelnder Senti-
mentalität. Das sind keine bunten Bilder-
bogen, die vielleicht auf den ersten Blick
dem Laien gefallen und angenehm unter-
halten mögen, hier ist ernste, hohe Kunst
für ernste, denkende Menschen, die Aug'
und Herz erfreut und die Größe und Er-
habenheit der religiösen Wahrheiten predigt.
Von den Geschichtsschreibern moderner
kirchlicher Kunst dürfen diese Arbeiten
Baierls nicht übersehen werden.
Zur vollen Geltung kommen diese Bilder
erst, seit im vergangenen Herbst die übrige
Ausstattung der Kirche vollendet wurde. Die
Altäre sind von Prof. Jak. Angermair-
München entworfen und schließen sich den
romanischen Stilformen an, ohne romanisch
zu sein. Über den Mensen aus gelblichem
Sandstein mit offener Säulenarchitektur er-
heben sich einfache Retabeln (Abb. S. 163, 168
und 169). Der Choraltar ist naturgemäß
reicher ausgestattet und der Überbau ganz
von vergoldetem Messing mit Emailschmuck.
Das Mittelstück ist als Tabernakel ausgebaut
und flankiert von zwei grünen Malachit-
säulen. Die Tabernakeltüren zeigen die
Symbole des Altarssakramentes und zwei
Strophen des Fange linqua als Schmuck. Im
Dreipaß über dem Tabernakel ist eine Herz-
JesuHgur als Brustbild angebracht. Den Al-
tar krönt ein Kreuz aus Bergkristall. Die
Seitenflügel sind dreimal kassettiert mit rei-
chem wechselndem Dekor und anbetenden
Engelköpfchen mit Email (entworfen von
Konservator Schmuderer-München). Vielleicht
wirkt die Kassettierung etwas monoton und
hätten Ganzfiguren bessere Wirkung gemacht.
Altarleuchter, Altarkreuze, Kanontafeln, alles
sind originelle Arbeiten von prächtiger Wir-
kung. Die Seitenaltäre sind wesentlich ein-
facher, ganz von Sandstein und architekto-
i66
EDUARD STEINICKEN CIN FIRMA
STEINICKEN & LOHR) •®®
Taubstumitirnaiiilalt in Dillvigen
HOCHALTARKREUZ
i67
EDUARD STEINICKEN (IN FIRMA
STEINICKEN & LOHR) ®®
SEITENALTARKREUZ
isialt in Dillingen
KIRCHE DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN fej^
nisch sich vorzüglich dem Bau ein- und
unterordnend. Die vergoldeten Bronzereliefs
sind von Valentin Kraus -München entwor-
fen und in der Kgl. Erzgießerei von Miller
ausgeführt. Bedeutende Kunstwerke, die sich
auf die Schutzheiligen der Anstalt beziehen.
Zur Vermittelung zwischen Malerei und Pla-
stik sind über den Seitenaltären zwei ganz
flach gehaltene Reliefs in Rundform, die hl. Fa-
milie und den göttlichen Kinderfreund dar-
Si:rrKXAl,TAIi\VA\D DUR KIKCIII. |)y;i!
IN DILLIXC.HN. — 7V.
Stellend, angebracht (von Bildhauer Hans
Angermair, vgl. Abb. im XL Jahrg. S. 2-19).
Sämtliche Treib-, Ziselier- und Emailarbeiten
nebst den Beleuchtungskörpern und Apostel-
leuchtern sind aus der Kunstwerkstätte
Steinicken &: Lohr in München hervor-
gegangen.
In der stehengebliebenen Chorapsis der alten
Kapelle befindet sich das Grab des Gründers
der Anstalt, des sei. Regens Wagner und
nebenan an der Wand ein Epitaph
von Frz. Hoser-München, das den
einfachen großen Mann der Chari-
tas in schlichter, feiner Weise ehrt
(siehe Christi. Kunst, XL Jahrg.,
6. Heft, Einschaltbild).
Die gelungene Ausstattung die-
ser Kirche zeigt aufs neue, daß
unsere Zeit wohl die Fähigkeit
besitzt, schöne und erbauliche
kirchliche Räume zu schaffen, ohne
sklavisch frühere Stilformen nach-
zuahmen. Man muß gerade in
dieser Kirche einem Gottesdienste
beigewohnt haben, wenn z. B. in
früher, nächtlicher Morgenstunde
die Klosterfrauen zur hl. Kommu-
nion gehen. Wenn die zahlreichen
Kerzen auf den Altären brennen
und sich im Glanz des Goldes und
Emails verhundertfältigen und alles
flammt und glitzert und zu leben
scheint wie von tausend schwe-
benden Sternen erfüllt, dazu wie
Engelsingen die leisen Akkorde
des Harmoniums. Hier der welt-
entrückte ernste Chor der Nonnen,
die zum Altare schreiten, droben
im Bilde die feierliche Schar der
klugen Jungfrauen, die dem Bräu-
tigam entgegengehen. Inmitten
der eucharistische Gott im Taber-
nakel, dem sich alles beugt, und
drüber im Goldglanz das majestä-
tische Bild des Weltenrichters. Das
ist ein großartiges Regem, cui
omnia vivunt, venite adoremus I ')
Das ist ein Gottesdienst, dessen my-
stischem Zauber sich niemand ent-
ziehen kann, der einen auf die Knie
zwingt, anzubeten. Hier sind Kunst
und Religion schwesterlich vereint.
Auch das dürfte Herrn Domkapi-
tular Niedermair bewogen haben,
die Anstaltskirche mit so hoher
Kunst auszustatten. Die taub-
i'AiHsrrMMiA'ASSi AI r ') Den König, dem alles lebt, kommet,
:/ i. i6j lasset uns anbeten !
SEITENALTARWAND DER KIRCHE DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN
Text S. i6s
Die christliche Kunst XII 6
170
WIEDERUM KRIEGSGEDENKZEICHEN
stummen Mädchen, welche Tag für Tag in den
weiten Arbeitssälen die Nadelkunst pflegen,
sollen hier nicht bloß einen Ort seelischer
Erholung und Stärkung haben, diesen Armen,
welche bei Vermittlung von Sinneseindrücken
fast nur auf die Augen angewiesen sind, soll
diese Kirche zugleich eine Hochschule edler
Kunst und feinen Geschmackes sein und so
fördernd auf ihre Kunsttätigkeit einwirken.
So betrachtet machen sich die Aufwendungen
für die Anstaltskirche in ideellem und prak-
tischem Sinne reichlich bezahlt.
WIEDERUM KRIEGSGEDENK-
ZEICHEN
Kaum läßt sich die Fülle der Aufsätze über-
blicken, welche über Kriegergrabmäler
und Kriegsgedenkzeichen veröti'entlicht wer-
den. Alle Verfasser scheinen im Namen der
Kunst oder doch des Geschmacks und der
Kultur sprechen zu wollen, und da wimmelt es
von Entrüstung über »Schund ; und > Kitsch«,
von summarischen Verdammungsurteilen ge-
gen die zur Erinnerung an den siebziger Krieg
entstandenen Denkmäler, von eindringlichen
Ratschlägen für die Gegenwart. Gleichwohl
fällt selten ein keimfähiges Korn für die Kunst
ab, da man zu viel in verschwommenen, halb-
poetischen, patriotischen und sozialen Stim-
mungen spricht, die in der Tat für die Grab-
mäler und Friedhofaniagen im Felde maß-
gebend bleiben, von der hohen Kunst, die
dauernde Werke schafft, jedoch absehen, um
nicht zu sagen, von ihr ablenken.
Gleichwohl können Erörterungen über
ethische und allgemein menschliche Werte
anläßlich der Frage der Festhaltung des Krie-
EDUARD STEIKICKEN (IN FIRMA STEINMCKEN S: LOHR)
Kirckf der Tauhstuii
ALTARLEUCHTER
aiiitatt in DilUnge.
SSIS WIEDHRUM KRIEGSGEDENKZEICHEN ®2Si
171
ft»T.»»»»»»T<t»>n»»»»t..»»»i^?i»t*>T»t»iiTr
THEODOR BAIERL
KREUZWEGSTATIONEN
Kirche der T.xuhstuii
„statt in DillingeH. — Text S. 164
ges durch die Kunst dieser letzteren Nutzen
bringen, wenn sie in der Künstlerschaft die
Erkenntnis vertiefen, daß die Kunst aus dem
Geistesleben der Zeit herauswachsen, es be-
fruchten, verklären, der Zukunft erhalten muß
und daß sie sich andernfalls abseits des frucht-
baren Bodens und der erfrischenden Quellen
stellt, Luxus wird, verweichlicht, verdorrt.
Das Spiel kühl formaler Lösungen oder sym-
bolistischer Allerweltsgedanken kann weder
die Gegenwart noch die Zukunft befriedigen,
bleibt dem Herzen der Gesündesten im Volke
fremd. Die Kunstwerke, die wir brauchen,
müssen aus den Tiefen einer mit dem Volke
fühlenden, aber stärker und klarer, als dieses,
empfindenden Künstlerseele geboren sein.
Nur jener Künstler vermag unserer großen
Zeit zu genügen und ihre heiligsten Ange-
legenheiten der Nachwelt geziemend zu über-
liefern, der mit den Besten seines Volkes
THEODOR BAJERL
KREUZWEGSTATIONEN
Kirehe der 7 aubstiinnnenanstalt iti Dillingen
172
^ WIEDERUM KRIEGSGEDENKZEICHEN ^^
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THEODOR BAIEKL
rf«/« B//./fy:yi/iis
Munster zu l'illlngen
CHRISTUS AM KREUZ (190S)
Badrn
trauert und kämpft und leidet, opfert und
jubelt. Kann einer das, so mag er sehen,
wie er die jeweilige Aufgabe, die Vaterlands-
liebe, Religion und Familiensinn ihm stellen,
im Bilde gestalten kann : jetzt bescheiden und
schlicht, dann feierlich und erhaben, in be-
sonderen Fällen mit Schwung und Macht, —
hier in Anlehnung an die freie Natur, in
Hag und Hain, dort im Friedhofe, an Haus
und Kirche, oder aber an öffentlichen Plätzen
der Städte. Der Besteller wird mit dem
Künstler unaufdringlich die Möglichkeiten
des gedanklichen Inhalts beraten, dann jedoch
soll der Künstler allein gestalten.
Von mancher Seite wird zum Abwarten
gemahnt, denn es sei noch lange nicht die
Zeit für Denkmäler. Zu allgemeinen Denk-
mälern, das ist richtig, hat es immerhin noch
gute Weile, aber es ist jedermanns heiliges
Recht, Erinnerungsmale an Familienangehö-
rige schon jetzt errichten zu lassen, und des-
halb darf mit Mahnungen und Warnungen
nicht zugewartet werden, bis es zu spät ist.
Die Geschäfte warten ja auch nicht bis nach
dem Kriege und da sie an das Publikum
herantreten, bleiben sie weit im Vorteil ge-
genüber den Künstlern, die allerdings ab-
warten müssen, ob man überhaupt zu ihnen
kommt. Man sagt: Wartet die Rückkehr der
im Felde stehenden Künstler ab, die sind es,
welche die Kriegserinnerungen schaffen sol-
len, sie allein werden es vermögen. Es ist
gewiß zu wünschen und zu hoflen, daß der
Krieg die Künstler draußen läutert und mensch-
lich größer macht; allein man darf doch den
Daheimgebliebenen nicht die Fähigkeit ab-
sprechen, mit den Brüdern im Felde mitzu-
fühlen und ihre Taten in Ehrfurcht auf sich
einwirken zu lassen. Wenn es gelingt, einer
innerlich reifer gewordenen Kunst schon jetzt
den Boden zu bereiten, dann wird nach dem
Krieg für alle Künstler ein fruchtbares Arbeits-
feld bereit stehen; gelingt das nicht, so
werden die vom Kampfe heimgekehrten Künst-
ler sich nicht ehrenvoll auszuwirken vermö-
gen, sie werden darben gleich den anderen.
Denn nach wie vor haben die Künstler mit
der eisernen Tatsache zu rechnen, daß sie
von der Volksverfassung abhängen und der
Auftraggeber entscheidet. s. Staudliamer
mm DIE RUSSISCHI: Rl-MGIOSITAT UXD DIE KUXS T RUSSLANDS ms 173
THhODOK liAll-.RI
KREUZABNAHME (n;o.S)
tfem Bilderzyldiis im Munster zu Vitliugt-n in ßiitii-u
DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT
in ihrer Rückwirkung a u f d i e Kunst
Rußlands
(Schluß)
Wie so die ganze russische Religiosität
eigentlich auf das Jenseits des Grabes gerich-
tet ist, auf ein Sich-Abtöten, wie ihr etwas
Melancholisches, ja Trauriges anhaftet; wie
die orthodoxe Kirche nicht nur aus der
»Menschwerdungdes Gottessohnes« das »Leib-
liche « ausgeschaltet hat, sondern auch in-
different allem Lebenden, der ganzen realen
Welt gegenübersteht und so dem religiösen
Licht den Weg zu den menschlichen Be-
ziehungen versperrt: so zeigtauch die religiöse
Kunst Rußlands aufs deutlichste den Geist
einer, ich möchte sagen, nervenlosen Aszese,
der Verneinung der sichtbaren Welt, der Feind-
schaft gegen alles Körperliche.
Wie die Kirchenmelodien sind die russischen
Kirchenmalereien »geistig«, in strenger Über-
einstimmung mit dem allgemeinen Bau der
Kirche. So wird, gegen das historische Wort,
die Mutter Gottes nie in zartem Alter, nie
so jugendlich dargestellt, wie sie tatsachlich
zur Zeit der Geburt Christi war. Sie wird
immer ah alte oder alternde Frau gemalt, im
Alter von ungefähr 40 Jahren, und sieht des-
halb auf den Bildern, wo sie den (verhüllten)
Jesus auf den Knien hält, eher wie eine Amme,
die irgend ein unglückliches und fremdes Kind
pflegt, als wie die glückliche Mutter aus. Ihr
Gesicht ist immer schmerzerfüllt, und nicht
selten wird sie mit einer Träne, die aus dem
Auge quillt, abgebildet. Überhaupt ist, im
Gegensatz zu unserer Auflassung, Golgatha
bereits nach Bethlehem übertragen und dort
alles Frohe, Verheißende, Hoflende ausge-
rodet.
unbekleidete kindliche Figuren, wie auf
unsern klassischen Bildern, oder Maria, die
das Kind Jesus an Herz und Busen drückt
wären unmöglich in einem russischen Gottes
haus. Auch werden in der orthodo.xen Malerei
in der eigenartigen und ursprünglichen so
wohl wie in der überall verbreiteten Kunst
nie Tiere um die Krippe gemalt, — Kühe
Esel, sogar die Hirten fehlen gänzlich. Alles
Animalische ist eben von der Orthodoxie
energisch zurückgewiesen worden. Sie verab-
scheut das Hineintragen des »Gewöhnlichen«
in die Religion und setzt an Stelle eines
174
DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS
MOSES
VON TH. BAIERL,
IN PFERSEE
menschlichen Ereignisses ver-
schleiernd gerne ein rein ver-
bales, rein begriffliches, auch
wenn sie dabei, entgegen dem
Text des Evangeliums, jeden
Tropfen Lebensblut auspreßt.
Man muß all dies als ehrlicher
Beschauer um so schärfer her-
vorheben, weil die okzidentale
Art und Kunst seit der byzan-
tinischen Trennung sich weit
lebendiger, poesievoller, be-
weglicher bewährt hat. Mögen
doch die Kritiker des Katholi-
zismus und seiner Kunst ein-
mal solch unbefangene Ver-
gleiche ziehen ! Das Resultat
wird sie jedenfalls in Erstaunen
setzen.
Diesem Wesen des »russi-
schen Glaubens«, der außer-
dem den Geheimnissen des
Jenseits besonders entgegen-
drängt, entspricht es, daß im Gegensatz zu
der Fleischwerdung des Gottesworts, zur Ge-
burt und Jugend Christi, im Gegensatz zur
Mijtterlichkeit Marias, vor allem die Himmel-
fahrt der heiligen Jungfrau und die Krönung
Marias in der Orthodoxie grell unterstrichen
sind. In Rußland gibt es eine Menge Kir-
chen zur »Assumption« ; die russischen Kaiser
werden in Moskau in der Assumptionskirche
gekrönt (Abb. S. 184); das strengste zwei-
wöchige Fasten ist das vom i. bis zum 15. Au-
gust, und »Maria Himmelfahrts-Tag« ist eines
der größten Jahresfeste. Auch das Fest der
Epiphanie Marias (i. Oktober) ist sehr beliebt
und häufig werden Kirchen diesem Tag zu
Ehren erbaut. Indessen ist die Unterlage dieses
Festes eines der Wunder, das einst im 10. Jahr-
hundert in Konstantinopel bei der Versenkung
von Marias Gewand ins Meer geschehen sein
soll. Als die Schiffe der noch heidnischen
Russen sich der Stadt von der Seeseite näher-
ten und die Bewohner keine Rettung mehr
sahen, versenkten diese das wundertätige Ge-
wand der Mutter Gottes ins Meer. Ein un-
geheurer Seesturm entstand und zerstreute
die feindlichen Schiffe. Das russische Herz
erfaßt überhaupt mit Kraft das Wunder. Alles
Menschliche, Gewöhnliche, nicht Übernatür-
liche bedeutet nichts, verdient nicht Beach-
tung, aber das Wunder, wie die Verwerfung
des Irdischen, ist mit großer Tiefe und Zärt-
lichkeit von der russischen Empfindung und
Phantasie konzipiert und verherrlicht worden.
Infolge dieses Überschwangs, und es ist
dies wieder charakteristisch, berauscht sich
HL ANNA
VON TH. BAIERI.,
IN PFERSEE
der Russe in der religiösen
Kunsttradition gerne an einer
leisen Ekstase. Im goldenen
Glanz der altertümlichen
Kunst, auch der prächtigen,
starken und willensfesten, er-
scheint ihm das Heiligenbild
immer als etwas Überirdi-
sches, als eine lebendige Ver-
heißung des Zukünftigen. So
ist ihm die in der bj-zantini-
schen Ikonographie soge-
nannte »Oranta« (d. h. das
kolossale Heiligenbild aus Mo-
saik, das auf der Altarwand
der hl. Sophia-Kathedrale zu
Kiew aus dem 11. Jahrhun-
dert aufbewahrt geblieben und
im Volke und in der Literatur
unter dem Namen »Die un-
zerstörbare Wand« bekannt
ist, und das man als eine
Art Grundtypus bezeichnen
darf): das Symbol der irdischen Kirche, das
Symbol der Menschheit, die nur in ihrem
Bunde mit dem Himmel unzerstörbar ist. Die
heilige Jungfrau, auch hier beinahe als Greisin
dargestellt und ohne lesuskind, im blauen Rock,
unter dem auf rhombischer Standfläche die
roten Schuhe hervortreten, erhebt betend ihre
Arme gen Himmel. Im wesentlichen bis heute
verkörperte das Bild der Gottesmutter den
alten, spezifisch russischen, religiösen Kunstge-
schmack, und auch in den meisten modernen
Weiterbildungen schwingen ähnliche Töne
mit, bei allem Tasten nach Entwicklung und
Originalität.
Dies alles findet seinen Widerhall auch in
dem Äußeren der Kirche, den Formalitäten
im Kirchen-Ritus, den Äußerungen der Reli-
giosität im öffentlichen Leben. So entfalten
bekanntlich die Oster-Prozessionen besonders
ein großes Gepränge. Unter Beteiligung der
ganzen Stadt, der Spitzen der Behörden, des
Militärs, unter den Klängen der Musikkapellen,
dem Krachen der Böller finden sie statt, ein
endloser Triumphzug bewegt sich durch die
Straßen, überall erschallt der Ostergruß und
die Osterantwort: »Christus ist erstanden. —
Er ist wahrhaft auferstanden. « Menschen-
scheu ist, wo es sich um Ausübung religiöser
Akte handelt, unbekannt. Wie der Grieche
macht der Russe oft das Kreuzzeichen, nament-
lich wenn geläutet wird oder wenn er an
einer Kirche vorübergeht. Bei Prozessionen,
öffentlichen Weihungen u. dgl., bei denen
der orthodoxe Priester in kirchlichen Gewän-
dern erscheint, beten alle Anwesenden mit
175
THEODOR BAIERL
DER AUFERSTANDENE
Ausge/iihrt von der F. X. Zettltrsdun Glasmaler.
176 ©2S DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ^
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TU. liAIHKI.
GLASüEMALDE
entblößtem Haupte; nie lindet dabei eine
Störung statt. Man hätte seinerzeit, mehr als
geschehen, beachten müssen, daß bei der Er-
öffnung der Reichsduma, mit der das Zaren-
reich in die Reihe der modernen Staatsver-
fassungen einrücken wollte, ein altes religiöses
Moment aus der Feier hervorstach: In der
Mitte des Georgs-Thronsaales im Winterpalais
war das berühmte Heiligenbild aus dem Peter-
häuschen aufgestellt, das Peter der Große auf
allen seinen Reisen mitgeführt hat. Zur Seite
dieses Heiligenbildes nun standen die Mit-
glieder der Duma, und vor ihm machte der
Zar mit der Zarin und der Zarin-Mutter halt,
als er zum Thron schritt, um die Begrüßungs-
ansprache an die Erwählten des Volkes zu
richten. Der Metropolit, der dem Zaren vor-
ausging, grüßte mit dem Kreuz in der Hand
das Bild, und daran schloß sich ein kurzer
Gottesdienst. Dann erst vollzog sich der eigent-
liche politische Akt.
Trotzdem wäre es gänzlich falsch, der Kirche
in Rußland etwa einen maßgebenden oder
gar entscheidenden EinflulJ auf die Gesell-
schaft zuzusprechen, oder auf die große um-
wälzende Bewegung, die das ganze Reich
jetzt erschüttert. Versteinertes byzantinisches
Erbe, aus Eigennutz dem Wunderglauben Vor-
schub leistend, in ihren oft ungebildeten
(Gliedern beim \'olke nicht geachtet, hat die
Orthodo.xie, trotz der großen Menge von
Gotteshäusern, trotz der Unzahl von Priestern,
Mönchen und Nonnen, trotz des ungeheuren,
in Kirchen und Klöstern aufgehäuften Reich-
^a DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ©SS 177
TH. BAIEKL GLASGEMALDE
Kath. Kirchf in Sch-.viin/urt
tums, den man auf 20 Milliarden Franken
schätzt, jeden sozialen Einfluß auf das Volk
längst verloren. Das russische Volk betrach-
tet den Geistlichen nur als einen von ihm
bezahlten Diener, der in seinem Auftrag den
komplizierten Zeremonialdienst ausübt. Und
wenn man den Russen in der Kirche sieht,
sich weder um Anfang noch Endfe des Gottes-
dienstes kümmernd, kommend und gehend,
wann es ihm beliebt, hat man oft den Ein-
druck, als sei er nur gekommen, um sich zu
überzeugen, ob die Aufträge auch ordnungs-
mäßig verrichtet werden. Der Mann aus dem
Volk begnügt sich damit, seine Kopfbedeckung
abzunehmen, sein Kreuz zu schlagen, nieder-
zuknien und die Stirn bis auf den Boden zu
beugen, Heiligenbilder zu küssen und schlanke
Lichtchen vor ihnen aufzustecken. Er tut das
mit einer schönen Würde und einem Ernst,
— selbst mitten auf dem belebten Gehsteig
vor einer der zahlreichen Kapellen oder einem
an der Wand eines Hauses befestigten Heili-
genbild — , der den Spott des Andersgläubigen
gar nicht aufkommen läßt. Gerade Andersgläu-
bige stellen der russischen Geistlichkeit das
Zeugnis aus, daß sie Meister eines solchen Zere-
monialdienstes ist, und daß sie ihm, in großen
Kirchen wenigstens, eine Weihe und Feierhch-
keit von grandioser Wirkung zu geben weiß,
mit rein äußerlichen, aber künstlerisch ange-
wandten Mitteln. So schrieb jüngst P. v. Szcze-
panski, als er einem solchen Gottesdienst zum
erstenmal beiwohnte, in der Erlöserkirche
in Moskau, es sei dies für ihn ein Ereignis
gewesen, dem er keine andere künstlerische
Sensation an die Seite zu stellen wüßte. Ein
riesiger Bau in Kreuzform, von einer Kuppel
gekrönt, ein Koloß, der Moskaus Häusermeer
überragt, ist diese Dankeskirche, die zum An-
denken an den Untergang der Napoleonischen
Armee errichtet wurde (Abb.S. 182 u. 183). Da
ist während einer Abendandacht der Raum
nur durch Kerzen erleuchtet. Ihr Schein reicht
hinauf bis ungefähr zwei Zimmer Höhe,
flackert über Heihgenbilder, goldene Rahmen,
kostbares Gestein. Darüber verschwimmt aUes
im Halbdunkel. Man ahnt nur, daß oben eine
Kuppel sich wölbt, hoch wie der Himmel. Das
vergoldete Gitterwerk vor dem Allerheiligsten
blinkert, rechts und links davor sind zwei
Sängerchöre in Nischen aufgestellt. Sie sind
in schwarze Talare mit roten Seidenärmeln
gekleidet. Die brennende Kerze, die jeder
Sänger neben dem Notenblatt hält, beleuchtet
grell hier ein weißes Blatt, dort einen roten Är-
mel, da ein charakteristisches Profil. Im Mit-
telraum davor stehen die Andächtigen — die
russische Kirche kennt keine Sitzplätze. Der
Boden ist mit dickem Teppich belegt, trotz
des fortwährenden Kommens und Gehens
hört man keinen Schritt. Vor dem goldenen
Gitterwerk schreiten Priester in brokatenen Ge-
wändern, verschwinden in den Seitentürchen
rechts, kommen nach kurzer Zeit aus dem Sei-
tentürchen links wieder zum Vorschein ....
Und die beiden Chöre singen, Männer- und
Knabenchöre, ohne Instrumentalbegleitung.
Unerhört schöne Stimmen, die Bässe beson-
ders — gewaltig wie eine Urkraft und ver-
hallend wie der Ton einer sonoren Kirchen-
glocke. Einfache, fast eintönige, strenge Me-
lodien, in denen das »Herr, erbarme Dich«
immer wieder erklingt — bittend, flehend, im-
mer inbrünstiger, zuletzt mit dem Schrei der
Verzweiflung. Und endfich geschieht das
Die christliche Kunst. XII.
178 e^ DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ^
THEODOR BAIERL
Karton für Riedau (tgijj
DER WELTHEILAXD
Wunder! Jubelnd fallen die Knabenchöre wie
Engelstinimen ein, geräuschlos, wie von einer
höheren Macht bewegt, schlagen die beiden
Flügel der Haupttüre zum AUerheiligsten zu-
rück, man sieht hinein in eine durch geschickte
Lichteranordnung suggerierte Unendlichkeit;
man sieht die verschwimmenden Umrisse eines
Priesters in goldbrokateneni Gewand, der et-
was Geheimnisvolles vornimmt — das alles
nur Sekunden — , und lautlos schlagen die
Türflügel zum AUerheiligsten zu. Wer das
zum erstenmal erlebte, fühlt sich von mysti-
schem Schauer überrieselt. Anders ist die
Szene: ohne den großen künstlerisch dirigier-
ten Apparat, etwa in einem der alten Klöster
Moskaus. Da psalmodieren junge Mönche
mit Haaren, die ihnen bis über den Gürtel
fielen, der ihre Kutte über den Hüften zu-
sammenhält — gut gepflegte, mit dem Lok-
kenstock gewellte Haare — , vor dem Altar,
und die im offenen Viereck davor aufgestell-
ten älteren Mönche unterhalten sich während
dessen ganz ungeniert, brechen mitten in ihrem
Schwätzen ab, um mit dem Herr, erbarme
Dich« einzufallen . . . Mögen die zehn oder
zwölf anwesenden armen Leute keinen An-
stoß daran nehmen: es stört, ist indignierend,
läßt den Andersgläubigen spötteln, und diese
179
THEODOR BAIERL
Altarliitd in Aiterhof«
DIE HL. MARGARETA
i8o ^ DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ^
Weltlichkeit macht es erklärlich, wenn der
Russe diese Geistlichen gering achtet und
seinen Respekt für die Heiligen aufspart . . .
Eine an Heiligenbildern und Gotteshäusern
reichere Stadt als Moskau gibt es sicher nicht.
Der Fremde, der im Eilzug durch die einför-
migen Gegenden dahinfliegt, vorbei an Hüt-
ten, Kornfeldern, Sümpfen und Wäldern, staunt
schon über die Zahllosigkeit der Kirchen links
und rechts, die mit ihren Mauern, im Sonnen-
licht freudig funkelnden Kuppeln und dem
goldenen byzantinischen Kreuz in den Him-
mel hineingreifen. Je mehr er sich Moskau
nähert, um so öfter wird ihm dieser Anblick,
bis plötzlich ein einziges gleißendes Goldmeer
am Horizont ihm verkündet, daß man sich be-
reits dem ehrwürdigen Mütterchen, der Stadt
mit dem goldenen Haupt und den weißen
Mauern nähere. Gleich einem unübersehbaren
Walde, dessen Bäume aus Gold sind, erhebt
sich über den geschwungenen Kuppeln die
Menge der in der Sonne brennenden Kreuze.
Vierzig mal vierzig Kirchen und Kapellen sind
es, die so ihren frommen Gruß auf Meilen
DIE AUIERSIEllUNG DES L.'iZARUS
Cemiilde von Kotarbinskij und Swedomskij in der Wladin
Kathedrale zu Kiew. Vgl. II. Jgg., S. 231
hinaus dem Nahenden entgegensenden, und
demütig fällt der russische »Pilger«, sobald
er am Horizont die ersten Kreuze des heiligen
Moskau auftauchen sieht, nieder und küßt die
Erde. Etwas Sonderbares: diese Barfüßler, in
ihrer rastlosen Wanderschaft — wie sie der
russische Maler Perow im Bild festgehalten
hat! Tausende von Meilen werden von die-
sen Pilgern zu Fuß zurückgelegt, hunderte
von berühmten Wallfahrtsorten besucht, von
Kloster zu Kloster, um fromme Gebete zu
verrichten und für das Seelenheil zu beten.
Von dem Solovez-Kloster, das hoch im eisigen
Norden, initten im Weißen Meer liegt, pilgern
sie nach dem Berg Athos — ewige rastlose
Wanderer, Fanatiker eines glühenden Glau-
bens. Die Städte scheuen sie in der Regel.
Furcht vor Polizistenränken, denen sich der
^Landstreicher« (das lieblose Wort ersetzt bei
den Behörden den Begriff' »Pilger«), der Paß-
lose, aussetzt, hält sie ferne. Nur beim heiligen
Mütterchen Moskau mit den weißen Mauern
und goldenen Kuppeln machen sie eine Aus-
nahme. Um den Heiligtümern des Kreml ihre
Verehrung zu erweisen, scheuen sie selbst die
Berührung mit der Polizei nicht. Noch mehr
Verehrung genießt dort das Bild der iberi-
schen Mutter Gottes, obwohl es nur die Ko-
pie eines Bildes in einem der Klöster auf dem
Berg Athos ist. Es thront in einer kleinen
Kapelle, die sich an die iberische Pforte an-
lehnt. Viele Wunder berichtet die Legende
über Alter, Ursprung und Besonderheiten. Nur
eines sei hier nacherzählt: Zuerst war das Bild
auf dem Altar in der Kirche aufgestellt — am
nächsten Morgen schwebte es über der Außen-
pforte des Klosters; und das wiederholte sich
so lange, bis die Mönche begriffen hatten, daß
das Bild sich selbst seinen Platz zu wählen
wünsche, und es über der Außenpiorte an
einen Nagel hingen, wo es denn auch bis
heute geblieben ist.
Unzähliges wäre zu berichten, wollte man
einzeln allem Kirchlichen und Religiösen nach-
gehen in diesem — an Wunderglauben aller
Art (siehe Johann von Kronstadt) noch lieute
überreichen — Land, und über jedes Gottes-
haus berichten, hinüber bis zur letzten Kapelle
im äußersten Sibirien und hinunter bis zum
alten LawraKloster im Süden. »Eine Pro-
vinz Gottes« nannte es einmal ein Dichter;
und nach der Meinung des schöngeistigen
Priesters Petrow in Moskau gibt es kein Volk,
das in einem so persimlichen \'erhältnis zu
seinem Gott stünde, wie die Russen; deshalb
mag es in der Gewitterwolke, die in den letz-
ten Jahren über ihm schwebt, wohl untuittel-
bar Gottes Hand sehen. — Bei der Unmög-
W. M. WASNETZOW TAUFE DES GROSSFURSTEN WLADIMIR
Gemälde in der Wladimir-Kathedrale zu Kieiv. l'gl. IL Jahrgang (igosioö), S. 232
DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS
INNENANSICHT EINES TEILS DER ERLÖSERKIRCHE IN MOSKAU
Text s. m
lichkeit der Einzelnaufführung sei nur noch
das wichtigste aus der Hauptstadt hier genannt
statt einer vollständigen Aufzahlung aller Kir-
chen und Kapellen," die die Ihrigen mit un-
aufhörlichem Geläute zur Andacht rufen Da
ist zunächst rechts des großen Peterhofer Lust-
schlosses die von Rastretti erbaute Kirche deren
vergoldete fünf Kuppeln jedermann auffallen
müssen. Im Innern erinnern die goldenen
Schüsseln von Taschk(^nt und Chokand daran
daß die Bewohner dieser Länder 1865 und 66
den Russen durch das Überreichen von Salz
und Brot ihre Unterwürfigkeit bezeugten. —
In der Residenz seihst: das Ssmolnykloster,
das zuerst ein Findelhaus begründete; die Is-
mailow-Kathedrale; diePovitzkikirche, die mit
ihren fünf hellblau schimmernden Kuppeln
schon von weitem zu erkennen ist; und alle
an Pracht und Reichtum überragend, die Ka-
sanische Kathedrale, die sich in ähnlicher Weise
an der Peterskirche in Rom als Vorbild an-
lehnt, wie es die Isaakskirche mit dem Pan-
theon tut. Es ist zwar die unnachahmliche
Größe der Originale in beiden Lallen bei
weitem nicht erreicht worden, aber die halb-
kreisförmige Kolonnade mit den 132 kenn-
^ DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ^ 183
ERLOSERKlRCIli; IN MUSICAL" .
Ttxt S. 177
KAI'LI IKNAKIHjLK IIUJXOSIAS
thischen Säulen, die bronzene Kuppel mit
dem Kreuz, sowie im Innern das mit Gold
und Edelsteinen geschmückte wundertätige
Muttergottesbild, und die an den Wänden hän-
genden eroberten feindlichen Fahnen stempeln
das Haus der Kasanschen Mutter Gottes doch
zu einem der charakteristischsten in Petersburg.
Wie dielsaakskirche derSchauplatz der höch-
sten Kirchenfeste ist, so gleicht der Newsky-
Prospekt, die schönste und längste Petersburger
Straße, einer Bühne, auf der sich in tausend
wechselnden Gestalten das weltliche Leben ab-
spielt, das die wunderlichsten Gegensätze ruhig
nebeneinander erblicken läßt: eine deutsche
Buchhandlung, ein chinesischer Teeladen, ein
russisches Restaurant, ein Bäckerladen, ein
Palast, ein Modemagazin, eine Apotheke, die
holländische, die armenische, die lutherische
Peters-, die katholische Katharinen-Kirche in
derselben Straßenfront, — außer der Kasan-
schen Kathedrale. Wenn hier die Andäch-
tigen vor einem Heiligenbilde in die Knie
sinken und mit der Stirn die Erde berühren,
wird kaum zehn Schritte davon um fünf Ko-
KRANKENANSTALT DES DRITTEN ORDENS ZU NYMPHENBURG
bau der Kathedrale der heili-
gen Dreieinigkeit mit den zwei
viereckigen Türmen zur Seite,
und die Kirche der Verkün-
digung Maria mit dem Grab
des Feldmarschalls Suwarow.
Wir betreten den Kirchhof des
Klosters, wo die vornehmsten
Geschlechter Rußlands, Feld-
marschälle, Gouverneure, Erz-
bischöt'e, Senatoren u. a. die
ewige Ruhestatte gefunden
haben; auch Dostojewski, der
Dichter des : Raskolnikow«
hat hier ein kostbares Grab-
mal. So wild in dieser stol-
zen und berauschenden Stadt
die Weltkinder von Genuß zu
Genuß durchs Leben jagen, so
ruhig und ernst geht es unter
den Bäumen des Kirchhofs,
in den Hallen dieses Klosters
zu . . . Weltlust und Entsa-
gung . . . Leben und Tod . . .
Wo und für wen gälte der
Goethesche Satz nicht: »Zwi-
schen Sinnenglück und See-
lenfrieden — ■ bleibt dem
Menschen nur die bange
WahL?
Dr. G, K. L. Huberti de' Dalberg
INXKKE ANSICHT DliR K A I HEÜKAI.I
l)l-.l< HIMMELFAHRT MARIAE IK MÜSKAL'
<t S. ,74
peken mit einer Heftigkeit gefeilscht, als handle
es sich dabei um ein Vermögen; dazwischen
ein Durcheinander von Straßenverkäufern,
Bettlern, Arbeitern, Kutschern, vornehmen
Damen, Generälen und Soldaten, Schülern,
Studenten, Beamten, einer aus den ver-
schiedensten Elementen und cfen fremdesten
Völkern (Perser, Tataren, Kaukasier, Chi-
nesen) gemischten Menge. Fast fünf Kilo-
meter lang, endigt der Prospekt bei einem
Komplex von Gebäuden, Kirchen und Kapel-
len, welcher das AIexander-Newsk}'-Kloster
bildet und nächst den in Moskau und Kiew
befindlichen mit zu den höchsten Heiligtümern
zäiilt. Noch brandet der Lärm der Straße mit
den tausendfältigen Regungen des Ehrgeizes
und der Genußsucht in den Ohren, und schon
umfängt uns hier auf Schritt und Tritt ein
Friede, der die Frage nahelegt, ob die vor-
nehmen Herren und Damen, die in ihren
Schlitten vorbeisausen, oder die stillen Klo-
sterleute, die vergnügt und selbstzufrieden um
sich blicken, die beneidenswertere glücklichere
Existenz führen. Wir betrachten den Kuppel-
KRANKENANSTALT DES DRITTEN
ORDENS ZU NYMPHENBURG
Tm Jahre 1912 erhielt die dicht beim Botanischen Garten
in München belegene Krankenanstalt des Dritten Or-
dens eine notwendige Ergänzung durch den Bau einer
Kapelle. Der Architelit, Professor Franz Rank, wählte
die Formen eines modern aufgefaßten Barock und trug
damit gleichzeitig den Münchener historischen Über-
lieferungen und den Ansprüchen der Gegenwart wie
der speziellen Bestimmung dieses Raumes Rechnung.
Dem Milteltrakte des hufeisenförmigen Krankenhaus-
gebäudes rechtwinklig angefügt, besteht der Bau aus
zwei Teilen übereinander: der untere, gleich hoch wie
das Erdgeschoß des Hauses, dient Wirtschaftszwecken,
der obere ist die Kapelle; sie hat gleiche Firsthöhe wie
das Hauptgebäude, die Höhe ihres Innenraumes ent-
spricht also der von zwei Stockwerken bei jenem. Über-
höht wird sie durcli einen runden Dachreiter mit flacli-
gedrückter, zwiebellörmiger Kuppel. Die Kapelle ist
einschiltig: ihr Grundriß zeigt in der Achsenrichtung
nacheinander folgend zwei Rechtecke, dann ein Oval,
an welches sich der Halbkreisraum der Altarnische an-
setzt. Der erste der beiden rechteckigen Räume ist die
Vorhalle, die mit dem Kirchenschiffe durch eine breite
Tür in unbehinderter Verbindung steht. Die Belichtung
der Kapelle erfolgt von den beiden Längsseiten her durch
je zwei gröliexe längliche und ein kleines kreisrundes
Fenster, außerdem durch die Fensterreihe des Dach-
KRANKENANSTALTSKAPELLE IN NYMPHENBURG ©^
reitertambours. Infolge Zahl uiui Größe der Lichtötlnungen
ist der Innenrauni sehr hell, und durch die weiße Farbe
der Wandflächen im Schiffe wird dies noch gesteigert.
Daß wir erst jetzt genauer auf diese Kapelle zu
spreclien kommen, liegt daran, daß ihre Ausschmückung
bisher noch nicht fertig war. Nun, da dies seit Anfang
Juni der Fall ist, kann sie erst als ein Ganzes beurteilt
werden. Der Abschluß der Arbeiten erfolgte durch die
Vollendung der Apsidenausmalung. Ehe von ihr die
Rede ist, möge die sonstige künstlerische Ausstattung
betrachtet werden.
Die Fenster zeigen Glasmalereien. Die Entwürfe dazu
w-urden von dem M.üer Augustin Fächer geliefert, die
Ausführung erfolgte in der Glasmalcreianstalt von Bock-
horni. Jedes Fenster zeigt auf farblosem Grunde je eine
Figur. Man sieht den hl. Bischof Arnulf, den hl. Fran-
ziskus, die hl. Elisabetli als Patronin der Kapelle und
ein zweites Mal als Schützerin der Kranken (vgl. Abb.
S. 187). Die Gewander sind in kräftigen Farben gehalten
und die Figuren besitzen daher eine beträchtliche Leucht-
kraft. Es läßt sich darüber streiten, ob farbige Fenster
dem Barockstile entsprechen. Würde es sich um einen
Bau aus alter Zeit handeln, so täten sie es nicht. Das
Barock hat derlei Glasmalerei nicht mehr ausgeführt,
dafür aber mit seinen bescheidenen Schwarz- und Weiß-
Zeiclmungen, in die allenfalls hier und da ein Wappen-
EMPORENSEITE DER KAPELLE DER KRANKEXAXSTALT DES IIL OKDKN'S 1\ ML NCllLN \ 's .MIHENBURG
Tixt S. 1S4—1SS
Die diristliche Kunst. XH. 6.
iSb
KRANKENANSTALTSKAPELLE IN NYMPHENBURG
KAPELLE DER KRANKENANSTALT DES IIL ORDENS IN MÜNCHEN-NYMPHENBLRG, ERBAU T \ OX FRANZ RANK,
AUSGEMALT VON GEORG KAU I. |. 191;
scheibclien oder dergleichen eingelassen wurde, oder
mit seinen völlig farblosen Fenstern sehr feine Stim-
mungen erzeugt. Es wäre nach meinem Empfinden
vielleicht auch für die Wirkung des Innern der Elisa-
bethenkapelle von Vorteil gewesen, die Fenster in gleicher
Art zu behandeln.
Der zwischen zwei rundbogigen Seitendurchgängen
aufgestellte Altar mit seinem Aufsatze ist von Professor
Rank entworfen, die daran befindlichen Schnitzereien
wurden ausgeführt durch den Bildhauer Joseph Huber
(Abb. oben). Der Stipes des Ahares besteht aus rotem
Marmor, die Leuchterstufe bis jetzt aus grau angestri-
chenem Holz. Der von Strahlen umgebene, von zwei
kleinen Engeln flankierte Tabernakel mit dem Exposi-
tionsthrone erglänzt in prachtvoller Vergoldung. In der
Rundbogennische des letzteren steht für gewöhnlich ein
silbernes Altarkreuz (Entwurf von Rank, Ausführung von
Hofgoldarbeiter Harrach & Sohn). Da es sich, wie nocli
mehr dasSanktissimum, von dem goldglänzenden Hinter-
grunde für das Auge nicht deutlich genug abhebt, so
hat man die Hinterwand mit einem weißseidenen Be-
hänge versehen. Der Altaraufsatz besteht aus zwei, auf
zwei kleinen Säulenpaaren ruhenden Füllhörnern. Wo
sie sich mit ihren spitzen Enden zu einem flachen Bogen
vereinigen, tragen sie einen Sockel, auf dem sich eine
große bildhauerische Gruppe erhebt. Sie besteht aus
der edlen Gestalt der hl. Elisabeth, welche einen Kranken
labt; ein anmutiges Englein sitzt Mandoline spielend
daneben. Die Figuren sind polychrom behandelt; ein
veredelter Naturalismus beherrscht die Auffassung, die
lineare wie die koloristische Durchführung. Schon f^rüher,
noch mehr jetzt, nachdem die Wandmalerei der Apsis-
nische fertig geworden, mußte dafür gesorgt sein, daß
die Gruppe sich aus ihrer Umgebung klar heraushob.
Dies wurde erreicht, indem man sie mit einem Rahmen
umgab, innerhalb dessen sie frei dasteht. Er ist nach
Rankschem Entwürfe (Ausführung von Hofschlosser Hock)
in Schmiedeeisen gearbeitet und vergoldet. Er zeigt die
Form einer Rosengirlande; die Blumen dienen als elek-
trische Lampen. Die Durchgänge rechts und links vom
Altare sind oben mit den Monogrammen Christi und
Maria geschmückt. Die Farbenwirkung des Altares ist
beim unteren Teile auf den Zusammenklang von Grau
und Gold gestimmt, belebend wirkt das milde Rot des
Stipes. Die beiden Türöffnungen hat man mit Vorhängen
aus schwerem goldfarbigem Seidenstoffe geschlossen.
Quer über die Altarnische zieht sich die Horizontale
des Triumphbalkens; er besteht aus Eisen, weil er nicht
nur als Schmuck dient, sondern vor allem auch zu dem
Zwecke, den Druck der Gewolbespannung auszugleichen.
Auf diesem Balken ist ein schon und lebenswahr ge-
schnitzter und bemalter Kruzifixus aufgestellt.
Die von der Decke der Kapelle hernieder hängenden
sechs Lüster sind zierlich aus Scluiiiedeeiscn oearbeitet
und farbig behandelt; sie sind vom Kunstschlosser Hier!
gefertigt, die Entwürfe stammen von Professor Rank.
Von diesem sind auch die Rahmen zu den Kreuzweg-
stationen, sowie die Apo.stelleuchter. Man sieht die ersteren
— Stahlstiche nacli Führich — in hölzernen Einrah-
mungen von erlesen vornehmer Form und Bemalung
(grün, grau, schwarz und gold). Ausgeführt wurden
die Ralimen vom Bildhauer Scheel. Die schmiedeeisernen
Wandleuchter (gearbeitet von Hock) entsprechen in ihrer
Färbung jenen Bilderrahmen.
Vornehm und wirkungsvoll heben sich diese Stücke
von den weißen Wandflächen des Kirchenschiffes ab.
Im übrigen sind diese nur durch schmale Rankenorna-
mente eingerahmt, die sich auch um die Fensteröffnungen
e^i KRANKEN ANSTALTSKAPl'LLE IN NYMPHEN BURG ^
187
APSIS DER KAPELLE DER KRAXKENANSTALT DES IIL ORDENS IN MUNCflEN
(Text unten)
herumziehen, ferner durch schlicht geschriebene Sprüche
oberhalb der letzteren. An den Emporenbrüstungen sieht
man altchristliche Symbole gemalt: den eucharistischen
Brotkorb mit dem Fische, die Taube mit dem Ölzweige,
den Hirsch an der Quelle, den Brunnen des Lebens usw.
(Abb. S. 186).
Schaut nun von der Tür der Vorhalle in die Kapelle
hinein, so haftet der Blick vor allem auf der Ausmalung
der Apsisnische (Abb. S. 186 und 187). Für diese Arbeit
wurde im Jahre 1914 durch die Deutsche Gesellschaft
für christliche Kunst ein Wettbewerb ausgeschrieben,
dessen nähere Bedingungen damals in dieser Zeitschrift
veröffenthcht worden sind. Zur Ausführung wurde der
Entwurf von Georg Kau bestimmt. Seine Idee verband
mit der Erfüllung des dekorativen Zweckes die eines
dreifachen geistigen: die Verherrlichung der hl.EHsabeth,
der Patronin dieser Kapelle; die des Dritten Ordens in
einer Anzahl auserlesener Persönlichkeiten, die ihm an-
gehört und zur Zierde gereicht haben; endlich die des
Gottesreiches. Seine Ehre zu feiern, ist der gesamte
künstlerische Schmuck dieser Kapelle bestimmt. Mit
mächtiger Schrift am Triumphbalken verkündigt sich
dieser Gedanke in den Gebetworten: »Zukomme uns
dein Reich <. Er erklingt in den Fenster- und Emporen-
bildern, er kommt am stärksten zum Ausdrucke auch
in dem Preise des Dritten Ordens, der sich ja um die
Ausbreitung des Reiches Gottes so hohe Verdienste er-
worben hat. Nebeneinander stehen acht überlebensgroße
Personen als Verkörperungen der vom Herrn in seiner
Predigt am Berge gepriesenen acht Seligkeiten. Die
Reihe wird eröffnet durch den Stifter des Dritten Ordens,
den hl. Franziskus, den Vertreter der Armen im Geiste;
die Sanftmut lebt in der Person des sei. Johann Baptist
Vianney, die Trauer in der der hl. Margareta von Cor-
tona. In der Majestät königlicher Würde und dabei
hungernd und dürstend nach Gerechtigkeit erscheint der
französische König Ludwig IX., der Heilige. Es lolgen
die hl. Elisabeth, die Patronin des dritten Ordens und
der Patron der Pestkranken St. Rochus als Vorbilder der
Barmherzigkeit. Die Reinheit des Herzens wird verkörpert
durch die sei. Kreszentia von Kauf beuten, die Friedfertig-
keit durch die hl. Elisabeth von Ponugal. Den Schluß
macht ein jugendlicher Japaner; er trägt ein Kreuz und
erinnert so an die blutige Christenverfolgung zu Nanga-
saki im Jahre 1630; er ist der Vertreter jener, die um
der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden. Den Hinter-
grund zu diesen Figuren bildet die Wand einer herrlichen
Rosenlaube, in welcher Vöglein und Schmetterlinge
schweben. Das streng und doch in leichter Anmut ge-
zeichnete Stabwerk endet oben in einem Kranze. Reich
ist das Laub und üppig der Schmuck der unzähligen
Rosen; sie erinnern an die wunderbare Verwandlung
des Brotes, welches EHsabeth den Kranken und Armen
bringen wollte. Am vorderen Rande des Bildes, nächst
der Wand des Kirchenschiffes, schweben kleine Engel
mit roten Flügeln. Das tiefe Rot der Rosen ist zart und
gedämpft, das Laub dunkel blaugrün, dazu kommt zartes
Blau und Weiß von Himmel und Wolken. Die Färbung
der acht Figuren ist abwechslungsreich und dabei doch
zurückhaltend — man sieht braun, weiß, gelblich, der
S4*
^ NEUER BISCHOFSSTAB. — WETTBEWERB ^
WILHELM LMMENKAMP (MÜN'CHEN)
König trägt weißes Untergewand mit Golddeltor, dar-
über einen gelben Mantel mit blauem Futter, Elisabeili
ein zart grünliches Kleid, roten Mantel mit Hermelin.
Alles in allem ein edel stilisiertes Kolorit von großer
stiller Wirkung. Sie ist besonders anzuerl;ennen in An-
betracht der schwierigen Beleuchtungsverhältnisse der
Kapelle, die wiederholt zu Änderungen zwangen. An-
zuerkennen ist, wie der Künstler es verstanden hat, trotz
der fortwährenden Wiederkehr der gleichen wenigen
Pllanzenmotive alle Einförmigkeit zu vermeiden, und
obgleich er ein reich belebtes Bild schuf, diesem doch
vollständige Ruhe des Eindruckes zu wahren. — Die
Vorstandscliaft der Krankenanstalt des Dritten Ordens in
München-Nymphenburg hat durch den Wettbewerb nicht
nur zahlreichen Künstlern Gelegenheit gegeben, sich an
der Lösung einer immerhin bedeutenden dekorativen
Aufgabe zu versuchen, sondern hat auch veranlaßt, daß
München um ein schönes, in hohem Grade beachtens-
wertes Kunstwerk reicher geworden ist. Docrins
NEUER BISCHOFSSTAB
(Abb. Sonderbeilage)
T")as zweite Heft des XI. Jahrgangs
brachte die in Silber getriebene
und mit Goldtauschierung ver-
zierte Madonna von Leo Mol-
drickx (Köln). Eine gleichzeitig
gearbeitete, hervorragende Lei-
stung ist sein Bischofsstab für den
neuen Kölner Weih bischof Dr. Pe-
ter Lausherg, welchen ihm, dem
bisherigen Präses desPriesiersemi-
nars, seine früheren Seminaristen
widmeten. Moldrickx geht hier
von dem beliebten Schema eines
architektonischen Aufbaus der
Krümme ab und kehrt zur Grund-
form des gekrümmten Hirten-
stabes zurück. Diesen umgibt er
oben mit Bandgeflecht, welches
zunächst am Knaule vier Elfen-
beinreliefs und Steine umschließt.
Die Reliefs sind kräftig, aber doch
weich aus dem Materiale heraus-
gearbeitet, so daß sie nicht, wie
so oft Elfenbeinreliefs in Verbin-
dung mit Goldschmiedearbeiten,
flau wirken. Die Reliefs enthal-
ten Darstellungen aus dem Leben
des hl. Petrus, des Namenspatro-
nes des Bischofs. Über dem
Knaufe sind in den Schaft vier
weitere Reliefs getrieben; sie zei-
gen Heilige, welche zu den bis-
herigen Wirkungskreisen des Bi-
schofs in Beziehung stehen, wie
auch die vier Wappen in Email.
Im übrigen sind die Flächen
zwischen den Bändern mit größe-
ren, mattblauen Emailplatten, die
durch leine Goldstege in Felder
geteilt und belebt werden, sowie
mit kleineren Emails und Steinen
gefüllt. Die Emails zeichnen sich
durch saubere und akkurate, der
wenig erhöhten Umrahmung
sorgfältig angepaßte Ausführung
und durch ihre recht vornehm
zum Golde gestimmten Farben aus. Als Füllung der
Krümme sehen wir die in Silber getriebene Figur des
Guten Hirten. Durch Mattierung und Häramerung des
Metalls ist erreicht, daß das Auge den Stab in seiner
wirklichen Stärke sieht, während die sonst übliche Poli-
tur einen Stab je nach dem Einfallen des Lichtes dünner
erscheinen läßt. Mit Freude verzeichnen wir auch diese
originelle .\rbeit des Meisters in Erwartung weiterer
Leistungen. Dr. Huppertz CKöln)
WETTBEWERB
Über den in Aussicht genommenen Wett-
bewerb Für die künstlerische Ausmalung
der St. Maximilianskirche in München wer-
den wir berichten, sobald sich darüber
Sicheres sagen läßt.
EIN- FELDGR.-\LER
ST, PAULSKIRCHE IN MÜNCHEN VON DR. GEORG VON HAUBERRISSER
HERMANN NEUHAUS (KÖLN)
Modelt des Hirschrelie/s
Nik. Steinbach, MetaUtreiiarieil
MENSA DES NEUEN HOCHALTARS IN BORBECK
lon Atig. Witte. — Text S. iqi
DER NEUE HOCHALTAR DER PFARRKIRCHE ZUM HL. DIONYSIUS
IN ESSEN-BORBECK
(Hierzu die Abbildungen S. 189 bis 200)
eine der schönsten und dankbarsten, freilich
*— auch der schwierigsten und verantwor-
tungsreichsten Autgaben, an welchen die
kirchliche Kunst der Gegenwart ihr Können
zu erproben hat, stellt unzweifelhaft das Al-
tarproblem. Wenigstens dann, wenn es sich
um den Sakramentsaltar handelt, der in den
allermeisten Fällen zugleich der Hochaltar
ist. Das Mittelalter pflegte das Allerheiligste
in ein Wandtabernakel einzuschließen, und war
damit der Notwendigkeit, das heilige Gezelt
organisch in den Altar einzugliedern, für ge-
wöhnlich überhoben ; eines Expositoriums be-
durfte es noch weniger. Später erlassene
kirchliche Bestimmungen schufen hierin durch-
greifenden Wandel. Die Aufbewahrung des
Allerheiligsten auf dem Altare wurde vorge-
schrieben, die von der Spätgotik so reizvoll
ausgestalteten »Sakramentshäuschen j verloren
ihre Bedeutung. Die damit dem Altarbau
gestellte Aufgabe löste die Barockperiode mit
anerkennenswertem Geschick , jedoch blieb
zu beklagen, daß Tabernakel und Thronus
von dem mächtigen Fassadenbau des Auf-
satzes nicht selten erdrückt wurden. Neue
Lösungsversuche brachte die im vorigen Jahr-
hundert proklamierte Rückkehr zu den mittel-
alterlichen Stilformen. Inzwischen hat der
Kult der heiligen Eucharistie eine außerordent-
liche Steigerung erfahren, das Geheimnis des
Altares ist nachdrücklicher als je zuvor in
den Mittelpunkt des religiösen und gottes-
dienstlichen Lebens getreten, die Aussetzung
des Allerheiligsten ist weit häufiger gewor-
den — alles Momente, die für die moderne
Altarkunst bedeutsame Aufgaben und Forde-
rungen in sich bergen. Sie lassen sich kurz
dahin präzisieren, daß der Altar in seiner
ganzen Ausgestaltung die Idee des Gottes-
zelts und Gottesthrons zu ebenso deutlichem
wie künstlerisch vollendetem Ausdruck zu
bringen hat.
Auf eine glanzvolle Umrahmung des eucha-
ristischen Mittel- und Brennpunktes der Litur-
Die chrfstllche Ku:
190 ^ NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK ©SS
gie wie der privaten Andacht kann und darf Tat eine locis.ende Aufgabe, diese tiefsinnige
natürlich nicht verzichtet werden. Aber sie Symbolik in die Sprache der Kunst zu über-
darf nicht selbstsüchtig und
selbstherrlich Auge und Auf-
merksamkeit in ihren Bann
zwingen. Hin zum Allerheilig-
sten, nicht von ihm weg muß
sie führen, sie darf nicht zen-
trifugal wirken. Die liebens-
würdige Redseligkeit des goti-
schen Altarwerks mit seiner
Fülle unterhaltsamer Schilde-
rungen in Bild und Bildnerei
gerät mit dieser Forderung
leicht in Konflikt, nicht min-
der auch die imponierende
Wucht des mächtigen Barock-
altars mit seinem Bilder- und
Statuenschmuck. Am besten
wird ihr jedenfalls entspro-
chen, wenn eine einheitliche
Idee, die sich mit dem eucha-
ristischen Geheimnisse inner-
lich berührt, das Ganze be-
herrscht und zusammen-
schließt.
In dem neuen Hochaltar der
Pfarrkirche zu Borbeck ist
dieses Postulat in einer Weise
verwirklicht, die eine Würdi-
gung dieserinmitten derKriegs-
wirren vollendeten Schöpfung
rheinischer Kunst an die-
ser Stelle wohl rechtfertigen
dürfte.
Als Leitmotiv für das ge-
plante Altarwerk bestimmte
Herr Pfarrer Hamm eis- Bor-
beck die Johanneische Vision
des himmlischen Jerusalems (Apok. 21,2 bis
22,3): »Ich sah die heilige Stadt, das neue
Jerusalem, vom Himmel her, von Gott, her-
niedersteigen, geziert wie eine Braut, die für
ihren Bräutigam sich geschiuückt hat. Und
ich hörte vom Throne her eine starke Stimme
rufen: Siehe die Wohnung Gottes unter den
Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen,
und sie werden sein Volk sein, und er, Gott
selber, wird unter ihnen sein als ihr Gott«
(Apok. 21,2 und 3). Es bedarf keiner gewag-
ten Deutungskünste, um diese Stelle auf das
Geheimnis der heiligen Eucharistie zu bezie-
hen. Die sehr ins einzelne gehende Schilde-
rung der Gottesstadt, wie sie der Seher von
Patmos weiterhin entwickelt, bot der künst-
lerischen Gestaltung der schönen Idee feste
Richtlinien und eine schier unerschöpfliche
Fülle dankbarer Einzelmotive. Es war in der
SCHNITT DES NEUEN" HOCHALTARS
DER KIRCHE IN ESSEN-BORBECK
l'gl. Abb. S, iqi
setzen !
Aber freilich — so schön
die Aufgabe war, ebenso
schwierig war sie auch. Es
sollte etwas Neues geschaffen,
nicht eine Anleihe bei der
^'ergangenheit gemacht wer-
den. Im Rheinland bedeutet
es ein kleines Wagnis, wenn
Besteller und Künstler sich
entschließen, moderner Kunst
den Weg ins Heiligtum
zu bahnen ; die Tradition
ist einstweilen noch in bevor-
rechtetem Besitzstande. In
Borbeck fand man erfreulicher-
weise den Mut zu diesem
Wagnisse, obschon mancher-
lei Schwierigkeiten hervortra-
ten, deren Bewältigung keine
leichte Sache war. Die Raum-
verhältnisse waren nicht gün-
stig. Das Innere der neu-
gotischen Borbecker Pfarr-
kirche, eine langgestreckte,
dreischiffige Halle mit viel zu
niedrigem Mittelschiff" und da-
durch bedingtem starkem Miß-
verhältnisse der Höhe zur
Länge und Breite, stellt sicher-
lich kein ideales Raumbild
dar. Der Eindruck des Dump-
fen, Seh werfälligen. Lastenden,
den das weiträumige Schiff
macht, forderte gebieterisch
einen klaren festen Raumab-
schluß nach Osten hin, wo bis-
her die tiefherabreichenden Fenster der Ap-
sis mit ihren großfigurigen Glasgemälden
das Gegenteil eines solchen erzielt hatten.
Dem neuen Hochaltar mußte also eine Lei-
stung aufgebürdet werden, ähnlich derjeni-
gen, die im Mittelalter der Lettner übernahm,
der das Schiff gegen den Chor abgrenzte und
so dem ersteren die Wirkung des geschlosse-
nes Raumes sicherte. Dabei drohte ihm
aber eine Gefahr, die dem Lettner erspart
blieb, von der rückseitigen Belichtung durch
die bedenklich nahen Riesenfenster der Apsis,
deren mißHche l'olge die Verdunkelung seiner
Schauseite sein mußte.
Begreiflich, daß nicht gleich der erste Wurt
gelang. Aber man ließ sich nicht entmuti-
gen. Der Kölner Architekt B. D. A. Herm.
Neu haus, in dessen Hand das Projekt ge-
legt worden war, ruhte nicht, bis eine Lö-
NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK ©:2a 191
HERMANN NEUHAUS
\i-ui;k imciiAi,! ai; dir InIkchk i\ i;okbeck
sung gefunden war, die diesen Namen voll-
auf verdiente und auch den Beifall der maß-
gebenden Stellen fand. Der Ausbruch des
Krieges, der die Ateliers der schaffenden
Künstler entvölkerte und auch Herrn Neu-
haus selber zu den Fahnen rief, brachte neue
Hindernisse. Aber auch sie wurden glück-
lich überwunden, und in verhältnismäßig kur-
zer Zeit stand das prächtige Werk vollen-
det da.
Die Mensa des früheren Hochaltares ist bei-
behalten (Abb. S. 189). Sie wurde mit tief-
rotem französischem Marmor umkleidet, der
in Platten von 2 cm Stärke auf Beton-
grund versetzt wurde. Die Ausführung in
massiven Marmorblöcken widerriet sich schon
wegen der Kostspieligkeit des ausgesucht
edlen Materials, aber auch wegen der starken
Niederschläge, die an massiven Marmorkon-
struktionen bei feuchter Witterung aufzu-
treten pflegen. Für die Altarstufen wurde
grüner griechischer Marmor (Vert de Tinos)
gewählt, der mit dem satten Rot der Mensa
prachtvoll zusammenklingt. Dem Aufsatz des
Altares wurde die Form einer nach dem
Schiffe hin in mächtigem Spitzbogen sich
öffnenden Concha gegeben, welche in Rabitz
ausgeführt wurde und in ihrem etwas rauh
gelassenen Verputz einen vortrefflichen Mal-
grund darbot. Mit den Chorwänden ist der
Aufbau durch zwei Durchgänge mit brücken-
artiger Überdachung verbunden, so daß ein
vollständiger Raumabschluß in ähnlicherWeise,
wie ihn die Kunst des Barock herzustellen
192
VOM NEUEN HOCHALTAR IN ESSENBORBECK
Die Evangelistenreli^fs entivor/en von Bildhauer Nikolaus Steinbach in Köln,
in Treibarbeit ausgeführt von Aug. IViite in Aachen. — Die Dionysiusstatue
von Georg Grasegger in Köln
193
VOM NEUEN HOCHALTAR IN ESSEN BORBECK
DU Evang,lnte„rdu-/s .nf.vor/en von Bildhauer Nikolaus SUinbach in Köln,
in Treibarbeit a,.see/i'hrt von A.gust Witte in Aachen. - Die Donatusstatue
von Georg Crasegger in Köln
194
VOM NEUEN HOCHALTAR IN ESSEN BORBECK
Malerei: H. Brey, Geldern,
Ldmmchen und Tore: l^iHe, Aachen
NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK
'95
liebte, gewonnen wurde. Mit Aus-
nahme der eigentlichen Concha
wurde der gesamte Aufbau des Al-
tares in gelbem spanischem Broka-
tellomarmor ausgeführt. Den Spitz-
bogen umsäumt ein in Kupfer
getriebener, vergoldeter Kamm, des-
sen Trauben- und Ahrenmotiv sinn-
voll auf die eucharistischen Gestalten
hindeutet; über die Durchgänge
hin spinnt er sich als prächtige Ro-
sengirlande mit Blättern, Knospen
und vollerschlossenen Blüten zu den
Chorwänden fort. Im Interesse der
stärkeren plastiscken Wirkung ist
der Kamm nicht aus der Platte ge-
trieben, sondern in einzeln getrie-
benen Ranken ausgeführt, die dann
ineinander verflochten wurden und
ein ungemein reizvoll durchbro-
chenes, luftiges Flechtwerk darstel-
len. Den krönenden Abschluß des
Aufbaus bildet das in eine Gold-
strahlen entsendende Sonne hinein-
gestellte Monogramm Christi.
Dem mächtigen marmornen Kör-
per des Hochaltars galt es nun Seele
und Leben einzuhauchen, eine Auf-
gabe, in deren Lösung sich Maler
und Goldschmied zu teilen hatten.
Im engsten Anschlüsse an die jo-
hanneische Schilderung des himmli-
schen Jerusalem zeigt die Concha
die hohe Mauer der Gottesstadt mit
zwölf geöffneten Toren (Apok.21,
12), deren messinggetriebene ver-
goldete Füllungen die strahlende
Pracht der heiligen Stadt wenig-
stens ahnen lassen. Die heilige
Zwölfzahl beherrscht auch das Fun-
dament der Mauer (Apok. 21, 14
und 19); auf zwölf Grundsteinen
ruht sie, die bezeichnet sind mit
den Namen der zwölf Apostel des
Lammes (V. 14) und geschmückt
mit allerlei köstlichen Edelsteinen ;
sie werden (V. 19 und 20) im ein-
zelnen aufgezählt. Der Künstler ist
dem heiligen Text treulich gefolgt,
nur daß statt der bloßen Namen
der Apostel in Anlehnung an früh-
christliche Vorbilder beiderseits
sechs nach der Mitte hin schrei-
tende Lämmer, in vergoldeter
Bronze gearbeitet, den zwölfteiligen
Mauersockel beleben. An oder viel-
mehr über den Toren halten Engel-
gestalten Wache; ihre farbenpräch-
TABERNAKELLEUCHTER
« H. Meuhaus, Aus/nhruttg ;
196
NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK
tige Gewandung hebt sich wirkungsvoll ab von
dem leuchtenden Goldgrund. In der Höhe er-
scheint das göttliche Lamm, von dem gol-
dene Strahlen ausgehen und herniedergleiten
auf die heilige Stadt, die > nicht der Sonne
bedarf und nicht des Mondes, daß sie in ihr
scheinen, denn ihre Leuchte ist das Lamm«
(V. 23).
Gezelt und Thron des Gotteslammes —
das und nichts anderes will der Altar sein.
Darum steht das Tabernakel völlig frei, durch
nichts verdeckt und eingeengt, vor der schim-
mernden Pracht der Concha. Es dient zu-
gleich als Thronus für die Exposition des
AUerheiligsten. Der übliche säulengetragene
Baldachin fehlt ; ganz frei soll sich das Sank-
TABERN.'^KELTORE des neuen HOCHALTARS
H. Ntuhaus, Auf/, in Trtiklcchiiik und Email von
tissimum den frommen Blicken der anbeten-
den Gemeinde zeigen. Dafür schwebt von der
Höhe des überwölbenden Spitzbogens eine
prachtvolle Krone (Abb. S. 197) in köstlicher
Treibarbeit mit grünem Emailschmuck hernie-
der; auf ihrer knaufartig gestalteten Spitze er-
scheint die Taube, das Symbol des hl. Geistes,
dessen gnadenspendendes Walten in der heili-
gen Eucharistie seine schönsten Triumphe
feiert. Vom Gnadensegen des hl. Sakraments
erzählt in sinnvoller Symbolik der Schmuck
der Tabernakeltür (Abb. unten). Inhaltlich be-
stimmte ihn derAnfang des 22. Kapitels, wo der
hl. Seher erzählt; »Und er (der Engel) zeigte
mir den Strom des Wassers des Lebens, der
hell war wie Kristall und herkam vom Throne
Gottes und des Lam-
mes. Inmitten der
Straße beiderseits des
Lebensstromes stand
der Baum des Lebens,
der zwölferlei Früchte
trägt und für jeden
Monat seine Frucht
bringt, und die Blätter
des Baumes sind zur
Heilung der Völker«
(22, I und 2). Ge-
sclückte Künstlerhand
hat das reizvolle Mo-
tiv mit feinstem Ge-
schmack und bewun-
derungswürdiger
technischer Vollen-
dung auszuschöpfen
verstau den. DerGrund
ist in blauem Email
gehalten, die Blätter
sind in Mattgold ge-
trieben, die köstlichen
I'rüchte durch Edel-
steine angedeutet; für
die klare Flut des Le-
bensstromes ist ein
lichter Emailton ge-
wählt. Das Ganze
verschmilzt zu einem
Farbenakkord von
entzückender Schön-
heit. — Der sonstige
Schmuck des Altar-
werks hält sich in
ziemlich enggezoge-
nen Grenzen. Jede
Überladung, alles was
die ruhige Geschlos-
ivT u,^PDI^r-I• senheit des Gesamt-
IN BORBEClv . r 1 J
Aug. witu. - T,xi r..bf„au euidrucks gefährden
197
FREIHÄNGENDE EXPOSITIONSKRONE
über dem Tnternakd des ne
von H. Neuhnus in Köln, y
von Aug. Witte
en .Altars in Essen-Borbick. Eni-diurj
is/uhrung in Treibarbeit mit Email
1 .-iachen. — Text S. iqb
Die christliche Kunst. XII, 7
198
NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK ©S^
lli M II \l I \KI I 1 eil I HR
Ellt'.viir/ rv« //. .\V;,/'l.j;,i, Au!/ukr:i,ig Aug. Wittt
für den iieutii Altar in llorbeck
würde, ist sorglich vermieden. Die Schauseite
der Mensa zeigt in der Mitte eine treft hohe Treib-
arbeit, den Lebensbrunnen, an dem zwei fein
modelherte Hirsche ihren Durst loschen —
Bilder der Seelen, die aus der eucharistischen
Gnadenquelle Hinimelskraft schöpfen ; seit-
lich in quadratischer Fläche je eine Vase mit
daraus hervorquellendem Rankenwerk (Abb.
S. 189). Die Brückenbedachungen der beiden
seitlichen Durchgänge, die mit Teppichen in
der jeweiligen Festzeit entsprechenden Farben
geschlossen sind, empfingen einen passenden
Schmuck durch die quadratisch umrahmten,
in Kupfer getriebenen und vergoldeten Me-
daillons der vier Evangelisten mit dem A
und Q, die auf die ewige Gottheit des eucha-
ristischen Heilandes hindeuten (Apok. 21, 6).
Von erheblicher Bedeutung für die Ge-
samtwirkung sind die den Aufbau flankieren-
den, prachtvoll modellierten Statuen des
Pfarrpatrons, des heiligen Bischofs und Blut-
zeugen Dionysius, und des Soldatenmärtyrers
St. Donatus, deren lebendig bewegte Silhouette
den strengen Ernst des Aufbaues mildert und
belebt. Einstweilen sind es noch erst Mo-
delle, doch hat sich für die Ausführung be-
reits ein gebefreudiger Stifter gefunden (Abb.
S. 192 und 193).
Zusammenfassend darf gesagt werden, daß
der neue Borbecker Hochaltar in der Reihe
neuerer und neuester Lösungsversuche des
Altarproblems einen ehrenvollen Platz bean-
spruchen darf Klare und straff geschlossene
Komposition, Einheitlichkeit und lichtvolle
Durchführung der dem Ganzen zugrunde lie-
genden Jdee, Verzicht auf alles und jedes
Beiwerk, das lediglich als Zutat und Dekor
erscheinen würde, vorbildliche Sorgfalt der
technischen Ausführung und endlich die
außerordentlich glückliche farbige Wirkung,
das alles macht den Altar zu einem Meister-
werk, zu welchem man den Meister, der es
entwarf, die Künstler, die es ausführten, und
die Gemeinde die es besitzt, beglückwünschen
darf Es wird noch wesentlich an eindrucks-
voller Wirkung gewinnen, w-enn einmal die
störende Bemalung des Chores beseitigt und
das untere Drittel der Apsisfenster, wenn
nicht entfernt, dann wenigstens so stark ver-
dunkelt sein wird, daß der Altar einen Hinter-
grund, von dem er sich abheben kann, und
bessere Belichtung gewinnt.
Die Kosten beliefen sich aut insgesamt
32 500 Mark.
Gleichzeitig mit der Ausführung des Hoch-
altars wurde die an der Südseite des Chores
gelegene vormalige Taufkapelle in eine Jo-
sephskapelle umgewandelt und durch einen
dreiteiligen Mauerdurchbruch mit dem Kir-
cheninnern verbunden. Der kleine Raum
birgt einen einfach gehaltenen Marmoraltar
mit sitzender Statue des hl. Joseph und macht
mit seiner geschmackvollen Bemalung und
seiner in freundlichwarmem Ton gehaltenen
Marmorverkleidung einen recht anheimelnden
Eindruck (Abb. S. 199).
Es erübrigt noch, derjenigen ehrenvoll zu
NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK ^S 199
HER.MAXX XtLllALi
Gesamtbild des Dttrchbritchs zu
ST. JOSEPHS-KAPELLE
Kapelle der F/arrkircke in Borbeck. — Text S. igS
gedenken, die ihre Kräfte in den Dienst des
schönen Werkes gestellt haben. Der Ge-
samtentwurf wie auch die sämtlichen Detail-
zeichnungen zu den Marmor- und Metäll-
arbeiten lieferte Architekt B. D. A. Hermann
Neuhaus-Köln, der auch bereits für das
Altarkreuz und die Monstranz vorläufige Ent-
würfe vorgelegt hat (Abb. S. 200). Ihm war
auch die Leitung und Überwachung der ge-
samten Arbeiten anvertraut. Die Marmor-
arbeiten führte die Firma]. P. Rader m acher-
Aachen, Hoflief. Sr. Maj. des Kaisers, aus. Die
sämtlichen Metall- und Goldschmiedearbeiten
entstammen dem rühmlichst bekannten Ate-
liers des Hof- und Stiftsgoldschmieds Aug.
Witte-Aachen, Kunstmaler Heinrich Brey-
Geldern lieferte die Kartons und führte die
Bemalung der Concha und der Josephskapelle
aus. Die Modelle zu dem Hirschrelief der
Mensa, den Evangelistenmedaillons und der
Josephsgruppe lieferte Bildhauer Jos. Stein-
bach-Köln, diejenigen der beiden freistehen-
den Figuren der Pfarrpatrone Bildhauer Prof.
Georg Grasegger, Lehrer an der Kunst-
gewerbeschule in. Köln.
Als sachkundiger Berater machte sich Kon-
servator Dr. Fritz Witte-Köln um das Werk
besonders verdient. Dr. A. Lauscher-Köln
GEORG VON HAUBERRISSER
ENTWURF ZU EINER MONSTRANZ FÜR ESSEN- BORBECK
Text S. tgc)
GEORG VON HAUBERRISSER
Hierzu Abb. S. 201—207 "'tI '• Sonderbeilage
In treuer Verehrung für den Altmeister
A mittelalterlicher Baukunst, Georg v. Hauber-
risser, der, seit kurzem 75 Jahre alt, auf eine
reiche baukünstlerische Tätigkeit sowohl in
Deutschland als auch in Österreich zurück-
blicken kann und in voller Frische, wie ein
Jugendlicher, weiterschafft, soll dieser Artikel
geschrieben sein.
Einiger Vertreter mittelalterlicher Baukunst
in den letzten Dezennien vorigen Jahrhun-
derts: Ungewitter, Hase, Friedr. Schmidt,
Meckel, Schäfer und Hehl haben wir in
Heft 7, Jahrgang 191 2 und S. 97 ff. des Jahr-
gangs 1904 in Ehren gedacht, einen Lorbeer
diesen Kämpfern und Helden gewunden, die
sich, der eine mehr, der andere weniger, trotz
allerhand Mißgeschick durchge-
arbeitet haben, herrliche Werke
schufen und einen Kreis Schüler
bildeten, von denen Georg Hauber-
risser als fruchtbarster an erster
Stelle steht.
Der Münchener Meister, ein
Schüler des berühmten Gotikers
Friedrich Schmidt in Wien, hält
in unserer hastigen, schnellebigen
Zeit, die Neuerungen auf Neue-
rungen in der Kunst auftauchen
und oftmals auch rasch wieder-
verschwinden läßt, das Banner
der mittelalterlichen Kunst hoch.
Wie ein großer Schatzmeister einer
mächtigen Kunstperiode der Ver-
gangenheit, so steht er vor uns,
ein Epigone, der noch einmal den
Geist einer verschwundenen Kul-
tur aufbauen läßt und diese mit
der neuen Zeit und deren tech-
nischen Anforderungen zu verbin-
den strebt. Nicht rechts und links
schauend, geht er geradeaus seine
Wege, unbekümmert, wie An-
dersdenkende sein Schaffen kriti-
sieren. Das Barett auf dem Kopfe,
wie ein echter mittelalterlicher
Meister, treffen wir ihn in seiner
)Bauhütte«, dem Atelier an, lä-
chelnd über solche Urteile, als
wenn er sagen wollte : Macht's
besser !
Und welch guten Humor ent-
faltet der immer liebenswürdige
Künstler, wenn er nach getaner
Arbeit die Künstlervereinigung der
»Geselligen« aufsucht und dort als
einer der Senioren an den "Aposteltisch« in-
mitten seiner lieben Altersgenossen — bekann-
ten Malern, Bildhauern und Architekten — den
gewohnten Platz einnimmt, alle durch seinen
Frohsinn und manch guten Witz erheiternd.
Ja, in seiner lieben »Geselligen« im großen
Künstlerkreise von Freunden alten Schlages
weilt er am liebsten, denn da ist gut sein und
Anregung beseelt das Künstlerherz zum
Schaffen für den kommenden Tag. Dort ist
der inzwischen Ehrenmitglied gewordene
Meister aus Anlaß seines 60. bezw. 70. Ge-
burtstages hoch gefeiert worden. Zu ersterem
hatten seine alten Getreuen unverhofft ein
köstlich Festspiel vorbereitet, in welchem
Meister Jörg Ganghofer, der Erbauer der
Münchener Frauenkirche, auf der Bühne er-
schien und seinem Kollegen aus neuer Zeit
gratulierte und in humorvoller Rede feierte.
^ GEORG VON HAUBERRISSER ES^
Der inzwisclien verstorbene, damals bald
Sojährige bekannte Kunstmaler Julius Frank
stellte meisterhaft, im Gewand des 15. Jahr-
hunderts, den Ganghofer dar und gab ihm
ganz den charakteristischen Typus des Bau-
meisters aus alter Zeit, wie es wohl kein
Jüngerer besser verstanden hätte. Meister
Ganghofer hatte es sich nicht nehmen lassen,
zu dem Geburtstage seines um vier Jahrhunderte
später geborenen Kollegen Hauberrisser vom
Himmel herunterzusteigen und dabei gleich-
zeitig sein liebes München von heute zu be-
trachten. Er wandelt einsam in den Straßen,
schaut und prüft die Häuser und das jetzige
Leben, wobei er sich mancherlei treffender,
satirischer Seitenhiebe nicht enthalten kann.
Doch als er am Marienplatze ankam und
Hauberrissers Rathausbauten, vor allem
die damals im Bau begriffene St. Paulskirche
auf der Theresienwiese sah, da zog er seine
Mütze, da hatte er Respekt und begrüßte
und feierte den Jubilar, wobei alle die Mit-
glieder aus innerer Überzeugung und von
ganzem Herzen in das Urteil Ganghofers
(Franks) einstimmten.
Dies sei nur ein kleines Beispiel, wie be-
liebt Hauberrisser bei seinen zahlreichen Künst-
lerfreunden aller Gattungen ist, die ihn als
wahren Freund und Künstler zu achten und
zu schätzen wissen.
»Was ein Häkchen werden will, krümmt
sich bei Zeiten.« Früh sehen wir ihn schon
zum künftigen Beruf vorbereitet, doch sein
Vater, ein angesehener Fachmann, ahnte
wohl damals nicht, was der Sohn später
als Baukünstler für eine Rolle spielen sollte.
Bei der 1865 ausgeschriebenen Rathauskon-
kurrenz in München beteiligte er sich in
jungen Jahren, und trat mit einem gotischen
Entwurf hervor, was für ihn ausschlaggebend
war. Trotzdem der gotische Stil — gemäß
dem Konkurrenzprogramme — damals aus-
geschlossen sein sollte, erregte Hauberrissers
prächtiger Entwurf bei den Stadtvätern Auf-
sehen und wurde, trotz der Klausel, zur Aus-
führung gewählt.
»Glück habe ich auch gehabt«, sagte er
einmal zu mir. Nach meinem Dafürhalten
ist dieser Ausspruch ein nicht zu unter-
schätzender, schöner Zug unseres Künstlers,
worin er freimütig anerkannte, was nur zu
oft andere Meister nicht Wort haben wollen.
Doch wissen wir ja alle aus eigener Erfahrung,
daß zu dem gröfJten Können auch ein Teil-
chen Glück nicht fehlen darf!
In Graz als Sohn eines aus den Rhein-
landen nach Österreich eingewanderten, an-
gesehenen Baumeisters am 19. März 1841
geboren, besuchte Hauberrisser das Tech-
nikum, die heutige Technische Hochschule in
Graz, worauf er 1862 nach München ging
und daselbst an der Akademie unter Neu-
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DR. GEORG VON HAUBERRISSER
ENTWURF zu EINEM NEUEN N.^TIONALMUSEUM IN MÜNCHEN
Text S. 204
GEORG VON HAUBERRISSER mm
DR. GEORG VON HAUBERRISSER
reuther, Ziebland und Lange seine Studien
fortsetzte. Der damalige Ruf der Bauakade-
mie in Berlin, wo Namen wie Strack und
Böttcher eine große Anziehungskraft auf
junge Architekten ausübten, zog auch Hauber-
risser an, weshalb er zur weiteren Ausbil-
dung nach Berlin ging. Um sich jedoch in
der mittelalterlichen Bauweise zu vervoll-
kommnen, vollendete er seine Studien an der
Akademie der Künste in Wien, wo der
große Gotiker Friedrich Schmidt wirkte.
Wir sehen hieraus, daß Hauberrisser eine
vielseitige und gute Ausbildung als Architekt
sich aneignen konnte.
Von entscheidendem Einfluß für Hauber-
rissers ganzes Leben war die Schule Wiens
unter dem Gotiker Friedrich Schmidt. Kurz
nach seinem Weggange von dort beteiligte
er sich an der schon erwähnten Rathaus-
konkurrenz in München mit Erfolg, erhielt
die Ausführung und seitdem wurde er für
die späteren An- und Neubauten der Rat-
hausarchitekt der bayerischen Hauptstadt.
Dadurch zu Namen gekommen, baute er
das Rathaus zu Kaufbeuren, dann jenes in
Wiesbaden (Abb. S. 204) und St. Johann an
der Saar, Bauten, in denen er den Stil der
Spätzeit deutscher Gotik bezw. deutscher
203
204
e^ü GEORG VON HAUBERRISSER ^
DK. GKORG VON HAUBERRISSER
RATHAUS IX WIESBADEN
Renaissance zur Anwendung brachte. Her-
vorragend ist seine Tätigkeit in kirchlichen
Bauten; so schuf er zwischen 1881 — 91 die
Herz-Jesu- Kirche im Osten, im Stadtteil Leon-
hard, an der Naglergasse zu Graz. Endlich
1892 — 1906 baute er die ansehnliche, präch-
tige, in den reichen Formen der Gotik gehal-
tene St. Paulskirche auf der Theresienwiese
in München, auf die wir später eingehen
werden (vgl. I. Sonderheilage).
Beim Wettbewerb zum Rathaus in Wies-
baden, 1882, erhielt Hauberrisser die Aus-
führung. Es folgt sodann der Bau des Kaul-
bachmuseums in München, dem in und um
München und anderwärts eine Reihe von
städtischen und ländlichen Wohnhäusern
folgten, unter ihnen die Häuser Defregger
und Hailcr in München (Abb. S. 206 u. 207),
sowie Schloß Näher bei Lindau. Eines der
umfangreichsten Werke des Meisters ist die
Wiederherstellung der Deutsch-Ordensburg
Busau im ncirdlichen Mähren für den Erz-
herzog Eugen von Österreich. Die Hochburg
aus drei Stilepochen : Gotik, Frührenaissance
und Renaissance des 17. Jahrhunderts, ist aut
einem ziemlich steilen Berg gelegen, weithin
.sichtbar und gewährt prachtvolle Aussicht
auf die Sudeten. Die noch vorhandenen
Mauern der früheren Burganlage wurden teil-
weise benutzt. (Abb. S. 202.)
Offenbar in Anlehnung an die Wirkung
der reichen Rathäuser in Belgien ist das neue
Rathaus in München entstanden. Um dem
Grade des Reichtums vom neuen Teile zu
folgen, mußte sich der ältere Teil eine Um-
gestaltung gefallen lassen, so daß nunmehr
eine einheitliche Baugruppe mit mächtigem
Turm den Marienplatz ziert und hier ein
Städtebild geschaffen ist, das an manches
schöne Städtebild in Belgien erinnert (Abb.
Jahrgang VII, Seite 238 — 240).
Bekannt ist sein glänzendes Projekt für das
neue Nationalmuseum in München (Abb.
S. 201), wozu seinerzeit eine engere Konkur-
renz veranstaltet wurde, worauf Professor Ga-
briel v. Seidls Entwurf zur Ausführung kam.
Einen sehr bedeutenden Teil der Tätigkeit
Hauberrissers nehmen die Wiederherstel-
lungsbauten ein : die Wiederherstellung der
Rathäuser in Ulm (Abb. S. 203) und Lands-
hut, dann der Sebalduskirche in Nürnberg,
die er in Gemeinschaft mit seinem Schüler
Prof. Schmitz in Nürnberg durchführte, u. a.
mehr. Soweit die Lebensbeschreibung und
©S^ GEORG VON HAUBERRISSER ^^
205
GEORG VON HAUBERRISSER
RATHAUS IN ST. [OHANN A. D. SAAR
die Bautätigkeit in Umrissen. Es soll nun
auf einige Werke des Meisters näher einge-
gangen werden.
Durchwandern wir das Münchener feine
Villenviertel nach derTheresienwiese zu, dort,
wo alljährlich das Oktoberfest abgehalten
wird, so überrascht uns als Abschluß des
Platzes ein prachtvoller gotischer Kirchenbau,
der auf den ersten Blick seinen Schöpfer als
vollendeten Meister der Gotik erkennen läßt.
Es ist die St. Paulskirche von Hauberrisser,
welcher bei der vom Pfarramt für die ge-
samte deutsche Architektenwelt ausgeschrie-
benen Konkurrenz einen Preis erwarb und
später, nach Umarbeitung seines Konkurrenz-
planes, auch die Ausführung erhielt. Im Juli
1892 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung
und 1904 war die Kirche bis auf einen Teil
Die christliche Kunst. XII. 7.
206
GEORG VON HAUBERRISSER
GEORG VON HAUHERRISSEK
PRIVATHAUS HAILER, MÜNCHEN
der inneren Ausstattung vollendet (Abb. Son-
derbeilage, ferner im I. Jahrg. S. 97 — 107).
Der Grundriß der Kirche zeigt eine drei-
schiffige Anlage von 76 m Länge und 27 m
Breite mit Querschiff und einem nach Osten
liegenden Chor. Für die äußere Architektur
wählte Hauberrisser die malerische Frühgotik
und stellte, da die nach der Stadt zu liegende
Chorseite besonders berücksichtigt werden
sollte, den mächtigen Hauptturm auf die
Mauern des Vorchores, flankierte aber auch
die entgegengesetzte westliche Front mit
zwei schlanken Seitentürmen, zwischen denen
der Mittelgiebel emporstrebt. Besonders
malerisch wirken die verschiede-
nen Portale mit ihren Vorhallen,
vor allem das Hauptportal durch
den diskreten Farbenschmuck
nebst matterVergoldung des spitz-
bogigen Tympanons, einer Bild-
hauerarbeit Professor Waderes in
München, eines gebürtigen El-
sässers.
Die beiden schlanken Türme
der Westseite, die sich oberhalb
der Galerien aus dem Viereck ins
Sechseck verjüngen, erreichen
mit ihren Streben, Fialen, Turm-
giebeln und spitzen Helmen die
Höhe von 76 m und flankieren
den mit freistehendem Pfosten-
werk schattig gegliederten West-
giebel. Darunter durchbricht ein
mächtiges Radfenster von 10 m
Durchmesser die Firstwand, deren
Hauptportal ein schlichter Vorbau
ist, aus dessen Giebelnische die
Figur des Kirchenpatrons hernie-
derschaut. Der Haupteingang
selbst mit obigem spitzbogigem
Tympanon zeigt Christus als
Weltenrichter in schimmernder
Mandorla, umgeben von den
Symbolen der vier Evangelisten
und über den Reihen der Apo-
stel, die seitlich der sitzenden
Muttergottes angeordnet sind.
Die einfach massigen Seiten-
fassaden ohne Galerien, aber
von zwei- und dreiteiligen Fen-
stern mit reichen, mannigfal-
tigen Maßwerkbildungen durch-
brochen, sind nurdurch die schwe-
ren Strebepfeiler gegliedert, deren
Schwibbogen über die Verda-
chung der Seitenschiffe zu den
28,75 ™ hohen Mauern des Mit-
telschiffes herübergreifen. Den
westlichen Abschluß bilden die Giebel der
Kreuzarme, die mit Rücksicht auf die Wirkung
des Hauptturms und der ganzen Baugruppe, so-
wie als Folge der inneren Ausgestaltung nicht
zur Höhe des Hauptschiffs emporgeführt
wurden. Ihre Fassaden, mit reichen Portal-
An- und Vorbauten, werden von seitlichen
Strebepfeilern gestützt, von breiten, fünfge-
teilten Maßwerkfenstern durchbrochen und
im steilen, halenbegrenzten Giebel aus der
Südseite durch schmale Nischen gegliedert.
Schlank emporstrebende Treppentürmchen,
oben achteckig, mit spitzen Dachhelmen sind
jeweils östlich angebaut und vermitteln den
^ GEORG VON HAUßERRISSER ^
207
DR. GEORG VON HALBERRISSER
PRIVATHAUS
Übergang einerseits zu der Marienkapelle,
anderseits zu der zweigeschossigen Sakristei
mit reizvoller Eingangshalle. Dahinter schließt
sich der aus fünf Seiten des Achtecks gebil-
dete Hochchor an mit schlanken Strebe-
pfeilern, hohen, zweiteiligen Maßwerkfenstern,
einer spitzbogigen Zwerggalerie und dem
kräftigen Hauptgesims.
Über all diesen Bauteilen erhebt sich, von
mächtigen Streben gestützt, die gewaltig im-
ponierende Masse des Hauptturmes, der hier
nicht, wie sonst üblich, auf den Pfeilern der
Vierung aufruht, sondern auf zwei starken
elliptischen, die, im Innern nicht sichtbar,
über dem Chorgewölbe den Druck auf die
verstärkten seitlichen Chormauern und Strebe-
pfeiler übertragen.
Das Ganze ist ein geniales konstruktives
Kunststück, das als äußerst kühn, aber auch
als vollkommen zweckentsprechend und
wirkungsvoll bezeichnet werden muß. Über
einer Zwerggalerie löst sich die Masse des
Turms allmählich leicht aus dem Viereck
ins Achteck, wird umringt und flankiert von
Fialen und Türmchen und weiter oben noch-
mals von einer auf Konsolen aufruhenden
Galerie horizontal gegliedert. Dann aber
streben die von schmalen Maßwerkfenstern
»7*
208
e^ GEORG VON HAUBERRISSER €^
durchbrochenen Mauern unaufhaltsam empor
bis zu den hohen Giebeln mit Maßwerk-
füllungen, hinter denen sich die krabbenge-
zierten Gräten der bleigedeckten Kuppel in
schlankem Anstieg zur Laterne erheben.
Diese, von Streben und Fialen gestützt und
umgeben, endigt in einem reich gegliederten
Riesen , der von weithin schimmerndem
Kreuze bekrönt wird. So klingt das ganze
Kirchengebäude in mächtigem Akkorde in
diesem logisch und wirksam aufgebauten
Hauptturm aus, der noch dadurch erhöhte
GR.\DMAL VON' ORTERER
Entwurf von F. Fuchsenberger^ Plastiken von Heinrich L'berbacher
Ausge/iihrt igi4
Bedeutung besitzt, weil er, über dem idealen
Mittelpunkte des Ganzen, dem Chorhause,
aufgebaut, diese heihgste Stätte weithin sicht-
bar bezeichnet.
Das 12,60 m breite Hauptschiff, das sich
in acht breiten, auf derbkräftigen Rundsäulen
aufruhenden Spitzbogenarkaden nach den
Seitenschiffen zu öffnet, ist von Kreuzge-
wölben überspannt, deren Rippen aus figu-
ralen Konsolen herauswachsen. Darunter
gliedern schlanke, auf den Kapitalen der
Arkadeiisäulen aufstehende Dreiviertelsäulchen
mit Triforiengalerien die Wandflächen,
während darüber schmale Fenster die weit-
räumige Halle belichten. Der Hochaltar ist
ein reich spätgotischer Baldachinaltar mit
Figuren von Gg. Busch und unter dem
Baldachin steht ein Metallaltar mit Reliefs
von Albertshofer, ausgeführt von Harrach
& Sohn. Im Westen schließt über tiefan-
setzenden Spitzbogen eine Orgelempore
mit zierlicher Brüstung und kleinem Kanzel-
ausbau die drei Schiffe ab und östlich ist
ein Querhaus dem Chor vorgeschoben,
dessen Vierung von zvlindrischen Pfeilern
mit vorgelegten Diensten getragen wird.
Im linken Querschiftarm, zu dessen Em-
pore eine reizvolle, nach der Kirche zu
offene Wendelstiege emporführt, steht der
St. Josephsaltar, ein reich geschnitztes und
vergoldetes Schreinwerk auf steinerner
Mensa, das aus Entwürfen Professor von
Hauberrissers hervorgegangen ist und seinen
farbig gefaßten figürlichen Schmuck von
der Hand des Bildhauers Prof Buscher
erhielt. Ihm entspricht in der an das süd-
liche Querschiff angebauten schmalen Ma-
rienkapelle ein stimmungsvoller Flügelaltar,
der gleichfalls nach Zeichnungen Hauber-
rissers in den Werkstätten von Ritzler an-
gefertigt und mit Gemälden von Professor
Gabriel v. Hackl sowie Skulpturen von
Prof Busch geziert wurde. Nach der Mitte
des Querschiffes öffnet sich in reich pro-
filiertem Triumphbogen das verschmälerte
und etwas erhöhte Chorhaus, an dessen
rechter Seite in der Art eines hochragen-
den Sakramentshäuschens die Verkleidung
der Wendeltreppe eingebaut ist, auf der
man zum Hauptturm emporsteigt. Ihr
gegenüber belebt über der Sakristeipforte
eine schmale Galerie mit Maßwerkbrüstung
auf kräftigen Kragsteinen die Wandfläche,
wälirend die Mauern der Chorendigung,
des Altarraumes, neben den hohen Maß-
werkfenstern von fein profilierten Gewölbe-
diensten durchzogen werden. Im rechten
Seitenschiff steht der von Hauberrisser in
5^3 GEORG VON HAUBERRISSER e^
209
HEINRICH Oberbacher
RELIEFS VOM GRAÜMAL \(JN elKTEKI-K (i^i,)
Grundriß und Autbau im Übergangsstil zur Re-
naissance frei erfundeneGeorgsaltar mit Figuren
von Albertshofer. Die Architel^tur- bezw.Struk-
turteile im Innern der Kirche sind aus gelbgrau-
em Sandstein hergestellt, während die Wand-
flächen einen einfachen Mauerverputz zeigen
und später hoffentlich einmal bemalt werden.
Besonderes Augenmerk richtete der Erbauer,
welcher übrigens der Gewohnheit seiner
mittelalterlichen Kollegen treu bleibend, alle
kleinsten Details selbst entwarf, auf das zum
Bau verwendete Material, das an der präch-
tigen Wirkung des Gotteshauses großen An-
teil hat. Die Ausführung des Ornamentalen
mit Figürlichem und der Wasserspeier lag
in den Händen des Bildhauers Simon Korn.
Der ganze Bau macht eine erhebende Wir-
kung. Mitsamt der Innenausstattung betrug
die Kostensumme dieser prächtigen Kirche
zirka 1,700000 Mark, was zum Teil durch
Stiftungen und Lotterie aufgebracht wurde.
Die bedeutendste Bauaufgabe, das Lebens-
werk Hauberrissers, ist jedoch das Rathaus
zu München. Am 4. Juni 1867 wurde mit
dem Bau begonnen, doch niemand ahnte
damals, daß er später eine so durchgreifende
Erweiterung erfahren sollte. Am i. August
1874 fand die Übergabe des schönen Baues
am Marienplatze, Ecke Dienerstraße, statt,
welcher wie aus einem Gusse, abgeschlossen
vor uns steht und den gelungensten Teil
des Ganzen bildet.
Schon in dem ersten Dezennium seines
Bestandes erwies sich das Gebäude als viel
zu klein und es wurden nach der Diener-
und Burgstraße zu Erweiterungen vorgenom-
men, wozu der Rat einige Häuser angekauft
hatte. Die Stadt wuchs aber gewissermaßen
dem Rathaus über den Kopf, bis sich endlich
der Magistrat entschloß, auch die übrigen
Häuser des Blockes gegen Ende des 19. Jahr-
hunderts anzukaufen, abzubrechen und die
Grundstücke sämtlich zu Rathauszwecken zu
verwenden. Professor Hauberrisser wurde
nun mit der vollständigen Bebauung beauf-
tragt. Das neue Rathaus erhielt nach dem
Marienplatze zu einen Turm und schon am
29. November 1905 konnte mit dem in
Kupfer getriebenen Münchener Kindl die
Spitze des neuen Rathausturmes bekrönt
werden. Zur Jahreswende 1908/09 waren fast
alle Räume des gesamten Rathauskomplexes
bezogen. Bis zu jenem Zeitpunkte haben
die Ausgaben für Münchens neues Rathaus,
inkl. Grunderwerb 15 507794 Mk. betragen.
Der ganze im gotischen Stil errichtete
Monumentalbau bildet nun in seiner Grund-
fläche ein unregelmäßiges Viereck von
9159 m^ Flächeninhalt mit einer Frontlänge
von 98,5 m am Marienplatze.
EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS ®^
Die im Anfang der siebziger Jahre errichtete
Fassade nach dem Marienplatze zu ist in
Backsteinrohbau mit Sandsteinarchitektur aus-
geführt, die übrigen jetzt vollendeten Teile
nach dieser Seite und in der Weinstraße
durchwegs in Kelheimer Kalkstein. Höchst
dekorativ sind die zahlreichen, auf die Ge-
schichte Bayerns und Münchens bezugneh-
menden Skulpturen. In der Mitte der Front,
unter einem gotischen Baldachin, ist die
Reiterstatue des f Prinzregenten Luitpold von
Ferdinand von Miller in vergoldeter Bronze
aufgestellt. Der Rathausturm erhielt im Früh-
renaissance-Stil einen Spielwerkserker, aus
Kupfer getrieben, woraus täglich 1 1 Uhr vor-
mittags das Glockenspiel ertönt und ver-
schiedene mechanische Figuren erscheinen.
Bekanntlich haben die meisten unserer
deutschen Marktplätze durch die Verände-
rungen der Neuzeit ihr charakteristisches
und anheimelndes Bild verloren. So war
auch der Marktplatz bezw. Marienplatz in
München, den einstens mit Laubengängen
versehene, erkergeschmückte Giebelbauten des
altdeutschen Bürgertums umrahmten, ein
stummer, aber doch vielsagender Zeuge einer
entlegenen Vergangenheit. Meister Hauber-
risser hat nun der alten und neuen Zeit
Rechnung getragen und die Laubengänge,
die einstens die Fronten des Marienplatzes
belebten, bei seinen Rathausbauten in neuer
Gestalt wieder aufleben lassen. Er hat in
den neuen Rathausbauten ein Bild von äußerst
malerischer Wirkung geschaffen. Manche
Unannehmlichkeiten mußte er erfahren und
viele oftmals gehässige Kritiken über sich
ergehen lassen. Doch das ist nun einmal das
Los der Künstler und vor allem der Architekten.
»Wer will bauen auf der Gassen, muß sich
vieles gefallen lassen«, sagt ein alter Spruch
des 17. Jahrhunderts. Jetzt, da der Bau
vollendet, wird namentlich auch vom Aus-
lande anerkannt, daß Meister Hauberrissers
Rathaus ein künstlerisch vollendetes Werk
ist, das dem Marienplatze und der Stadt
München zur Zierde gereicht.
An zahlreichen Anerkennungen und Aus-
zeichnungen hat es unserem Meister nicht
gefehlt. Er ist Ehrendoktor der Technischen
Hochschule in Graz und die Akademie in
München ernannte ihn zum Ehrenmitgliede.
Gleiche Auszeichnungen erwies ihm die Aka-
demie zu Wien, sowie die Society of Architects
in London. Von seinen Orden und Auszeich-
nungen soll hier nur der Maximiliansorden iur
Kunst und Wissenschaft, sowie der bayerische
Kronenorden, mit dem der persönliche Adel
verbunden ist, erwähnt sein. Die geistige
und körperliche Frische aber, welcher sich
unser Altmeister mittelalterlicher Baukunst
im 8. Jahrzehnt seines Lebens erfreut, läßt
hoffen, daß noch manches Werk von ihm
erstehen wird. Mit Freuden kann er zurück-
blicken auf ein Leben, welches an Mühe und
Arbeit reich, aber ebenso groß an Erfolg war.
EINE PERLE DES FRITZLARER
DOMMUSEUMS
Von Dechant JESTADT, Fritzlar
FAer Fritzlarer Domschatz ist besonders durch
L^ die kunsthistorische Ausstellung zu Düssel-
dorf im Jahre 1902 weiten Kreisen bekannt
geworden. Weniger bekannt ist das im
Herbst 1912 errichtete Fritzlarer Dommuseum,
und doch birgt auch dieses kostbare Schätze.
Mit einem derselben möchten diese Zeilen
die deutsche Kunstwelt bekannt machen, mit
der Fritzlarer Pietä (Abb. S. 211).
Nicht bloß Bücher, auch Kunstwerke haben
ihre Geschicke und Geschichte. Unsere Pietä
hat früheren frommen Geschlechtern im Dome
zu Fritzlar Jahrhunderte hindurch zur Erbau-
ung gedient. Da mag gar manches schwere
und leidkranke Herz hier vor der Schmerzens-
mutter im stillen Dämmer des Domes sein
Weh geklagt und ausgeweint haben, um ge-
tröstet und gestärkt von dannen zu gehen.
Aber dann kam eine andere Zeit und mit
ihr andere Menschen. Für sie war unsere
Pietä ein Fremdling geworden, ein Prediger
in der Wüste, ein Ärgernis. Ihnen redete
diese Schmerzensmutter eine fremde, unbe-
kannte Sprache. Sie erbaute nicht mehr, sie
schreckte förmlich ab, denn sie schien den
neuen Menschen so grausig und gräßlich.
Geringschätzig kehrten sie ihr den Rücken,
um ihre Liebe und Verehrung neueren, ober-
flächlichen, süßlichen Darstellungen zuzuwen-
den, und es entsprach ganz ihrem Empfinden
und Wunsche, als schließlich die alte Pietä,
um weiteren Anstoß zu vermeiden, der
Oifentlichkeit und dem Kult entzogen und
in einer unzugänglichen, dunkeln Turmecke
des Fritzlarer Domes untergebracht wurde.
Wie lange sie da ein Leben der Verbannung
geführt hat, entzieht sich der Kenntnis, aber
vor sechs Jahren wurde sie hier wieder ent-
deckt, um nun im Dommuseum einen Ehren-
platz einzunehmen.
Die Fritzlarer Pietä hatte sich im Laufe
der Jahrhunderte gewiß nicht geändert, sie
war dieselbe geblieben wie trüber, groß und
stark, voll gewaltiger Kraft und Emptindung.
Aber die Menschen waren mit der Zeit klein
und schwachnervig geworden. Großes, star-
EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS ^S3
kes Emptinden konnten sie nicht mehr ver- ilim. Ganz eingetaucht ist er in ein Meer
stehen und ertragen. Das erhob sie nicht voll herzkrampfenden Leides,
melir, das erdrückte sie. Nun ist aber wieder Lange genug hat Maria heldenhaft gegen
eine große Zeit angebrochen, und Herz und die Tränen angekämpft. Aber nun, da sie
Auge sind wieder mehr eingestellt worden den Leichnam ihres Sohnes auf ihrem Schöße
für das Große. Nun werden wir wohl wie- trägt und die klaffenden, grausamen Wunden
der besser das Große verstehen lernen, an in der Nähe sieht, da tritt die Natur in ihre
dem wir früher achtlos und verächtlich vor- Rechte, da durchbrechen die verhaltenen und
übergegangen
sind. Auch die
Fritzlarer Pietä
wird in ihrer
überragenden
Größe von allen
großen und
hochgemuten
Seelen wieder
die rechte Wür-
digung erfah-
ren.
Aus Eichen-
holz ohne Sok-
kel 1,25 m hoch,
ist sie mit ihrer
alten Bemalung
noch gut er-
halten.Dererste
Eindruck, den
man von ihr
empfängt, ist
der: Hier tritt
leise auf und
stehe still, hier
ist Offenbarung
einer großen,
heiigen Kunst.
Die Pietä packt
und ergreift mit
jener Unmittel-
barkeit, wie sie
nurhoherKunst
eigen ist. Hier
hat der Schmerz,
der Schmerz des
PIETA IM DOMMUSEUM ZU FRITZLAR
Zu dem Aufsatz S. 2lo ff.
angestauten
Tränenströme
gewaltsam die
Schleusen der
Augen und rin-
nen schwer und
bitter über die
vollen Wangen
hernieder. Und
mit den Augen
klagt sein Weh
der leise geöff-
nete Mund, den
von der Nase
her tiefe Kum-
merfalten um-
ziehen. Und
tiefe Kummer-
falten haben
sich eingegra-
ben über dem
Nasenbein zwi-
schen den hoch-
gezogenen
Brauen. Aber
all dieser düster
wogende und
stürmende
Schmerz wird
zusammenge-
halten und ver-
klärt von einer
Gloriole offe-
nen goldnen
Haares, das in
reichen Wellen-
göttlichen Dulders und der 'seiner heiligen linien über Kopf, Hals und Nacken fließt.
Mutter, von großer Künstlerseele mit star- Der Kopf wird getragen von einem kräf-
kem Wirklichkeitssinn und gewaltiger Emp- tigen, faltigen Halse, der herauswächst aus
findungs- und Gestaltungskraft einen from- breiter Schulter und aus breiter, ruhiger und
men, ergreifenden Ausdruck gefunden. flacher Brust. Diese Partie erinnert noch
Maria sitzt auf einer Brüstung, die in rot- stark an die romanischen Kopfreliquiare aus
goldner Fassung den ernstschlichten Farben- Edelmetall, die, dem harten Metallcharakter
tönen des unteren Teiles der Gruppe einen entsprechend, glatt gearbeitet waren und
feierlichen Abschluß und Hintergrund gibt, weder Bruch noch Falte zeigten.
Ihr Kopf, nach rechts dem Haupte des auf Maria ist angetan mit Kleid und Mantel,
ihrem Schöße ruhenden Leichnam ihres Der Mantel ist an Hals und Brust weit ge-
Sohnes zugewendet, erscheint dem Beschauer öffnet und in Ehrfurcht über die Kniee ge-
in Halbprofil. Aber was für ein Marienkopf! legt zur Unterlage für den heiligen Leib.
Eine ganze Welt voll Empfindung liegt in Unter diesem rauschen Mantel und Kleid in
^ EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS es^
schönen Vertikalfalten zu den sichtbaren
Füßen nieder.
Eine Falte, die diagonal vom rechten Knie
abwärts zum linken Fuß zieht, setzt die
Oberkörperlinie des Heilandes großzügig bis
hinunter auf den Boden fort und teilt zu-
gleich die ganze untere Gewandpartie verti-
kal in zwei Zonen. Sie ist sachlich dadurch
begründet, daß fast
die ganze Last des
heiligen Leibes mehr
auf dem rechten
Knie Mariens ruht,
das dadurch wegen
des größeren Druk-
kes gegen das linke
etwas gebeugt wird.
Horizontal wird die
untere Gewandung
durch das Mantel-
ende gegliedert, das
wellenlinig über das
Kleid hinläuit und in
Wellen- und Schnek-
kenfalten schwer
von der Brüstung,
auf der Maria sitzt,
herniederfällt. So
zeigt die ganze Ge-
wandung horizontal
und vertikal eine
schöne rhythmische
Gliederung und Be-
wegung. Kleid und
Mantel Mariens tra-
gen wie das Lenden-
tuch Jesu eine
schwere und breite,
durch Stuck aufge-
tragene Goldborte.
Die Bemalung der
ganzen Gewandung
in Dunkelblau und
Grau erhöht den er-
greifendenEindruck.
Von rechts nach links, quer über den Schoß
Mariens gelagert, ruht der Leichnam des
Heilandes. Gegenüber der Mutter ist er zu
klein. Aber es war von jeher ein schwieri-
ges Problem, das Problem der Pietä, das dem
Künstler die Aufgabe stellt, den Leichnam
eines Mannes, ruhend auf dem Schöße seiner
Mutter, glaubhaft und befriedigend darzu-
stellen. Die Künstler haben es verschieden
zu lösen gesucht. Michel Angelo bildet seine
Maria übergroß. Auf ihrem Schöße ist der
Heiland fest und sicher gebettet. Andere
lassen nur das Haupt oder, wie Rogier van
riETA L\I PROVIN'ZIAL
Vgl. Abb. S. 211 „<i,i .
der Weyden, den Oberkörper auf Mariens
Schoß ruhen. Das Mittelalter löst das Problem
öfters so, daß es, um das Gefühl der Ruh-
sicherheit zu erwecken, den Leib des Herrn
etwas verkleinert. So auch unser Meister.
Der Christuskopf von mächtig ergreifen-
dem Realismus ist trotz des namenlosen,
eben überstandenen Schmerzes, der noch
aus ihm spricht,
schön und edel.
Mariens Kopf ist
Kampf Christi Kopf
ist überstandener
KampfMariens Kopf
ist Empfindung und
Leben, Christi Kopt
ist Abendruhe und
Todesfrieden nach
schwerem Tag und
leidvollem Leben.
Die Augen sind ge-
schlossen. Der lech-
zende Mund ist halb
geöffnet, als habe er
eben noch gerufen:
Mich dürstet!« und
»Vater, in deine
Hände empfehle ich
meinen Geist I«
Der hagere, ge-
marterte Leib mit
dem stark hervor-
tretenden Brustkorb
liegt hart und starr
quer über der Mutter
Schoß, hart und starr
wie ein Schwert, das
ihre Seele durch-
drungen. Selbst das
Lendentuch macht
die Leichenstarre
mit. Sein langer
Zipfel hängt nicht frei
und lose herunter,um
nicht den schönen
Faltenwurf zu verdecken. Schweiß- und blut-
durchtränkt, hart und starr unterstreicht und
betont es die ergreifende Diagonale des
Leichnams. Das aus den fünf Wundmalen
gesickerte Blut ist geronnen und hat sich in
langen, breiten Klumpen traubenförmig zu-
sammengeballt. Die fünf Wundmale selbst
leuchten wie fünfblättrige Rosen. Manus
eins tornatilcs, clavorum cuspide terebratae . . .
quasi hyacinthis refertae. Brev. rom. fest,
septum dolorum*). Neben der Seitenwunde
•) Seine Hände sind durchbohrt, von der Nägel Spitze
durchstochen . . wie voller Hyazinthen (rötlicher Edelstein).
MUSELM ZU BONN'
./?. - r,-j-/ s. 2,s
EDMUND KLOTZ (WIEN) MADONNA MIT HERZOG LEOPOLD UND SEINER GEMAHLIN
Hochaltar der Leopoldskirche in Wien-Floridsdorf
EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS
213
zeigt sich eine rautenförmige Ötlnung, die das Bürgertum, iiat sich zu Macht und An-
wohl früher ReHquien barg. Und unzählige sehen emporgeschwungen. Die Ordensstifter
Blutspritzer — kurz lang kurz — laufen als Franziskus und Dominikus, die Mystiker
dekoratives Motiv wie eine laute, erschütternde Heinrich Suso und Johannes Tauler haben
Totenklage über den ganzen Leib. das religiöse Leben vertieft und verinnerlicht
Mächtige Herbigkeit durchzieht das ganze und den »Schmerzensmanns und die »Schmer-
Werk, jene Herbigkeit, die um so mehr be- zensmutterx in den Mittelpunkt der Andacht
friedigt, je öfter man sie verkostet. und Verehrung gestellt. Und das Volk, heim-
Welchcr Zeit ^
hört die Fritzlarer
Pietä an und wel-
cher Schule? Sti-
listische Gründe
verweisen sie in die
Mitte des 14. Jahr-
hunderts und in die
Kölner Schule. We-
nigstens schreibt
Lübbecke in sei-
nem orientieren-
den Werke : Die
gotische Kölner
Plastik des 14. Jahr-
hunderts S. loSfi'.,
XXXVII, I, die mit
unsrer Pieta nahe
verwandte Bonner
Pietä der Kölner
Schule zu. Der
Meister unserer
Pieta ist unbekannt.
Daß der Dom in
Fritzlar ein hervor-
ragendes Werk der
Kölner Schule be-
sitzt, befremdet
nicht, da Fritzlar
durch sein früheres
Franziskanerklo-
ster, das der Köl-
nischen Minoriten-
Ordensprovinz an-
gehörte, mit Köln
in naher Beziehung
stand. Auch scheint
der Dom in Fritzlar, nach zwei Reliquien-
kästen zu urteilen, die gleichfalls das Museum
aufbewahrt, einen ganzen Kölner Reliquien-
altar, ähnlich dem berühmten Marienstatter,
besessen zu haben.
Wenn aber die Kunst die edelste Blüte
der Kultur ist, dann müssen wir in unserer
Pieta gleichsam den Niederschlag der Kuhur
des 14. Jahrhunderts sehen. Und wirklich,
die Pieta sagt uns, daß die unnahbare, über-
weltliche Majestät der romanischen Zeit vor-
über ist, vorüber auch die adelig-höfische
Zeit des 13. Jahrhunderts. Der dritte Stand,
PIETA IM DOM ZU WETZLAR
Tfxt S. 214
gesucht vom harten
Weh des schwar-
zen Todes, eilte in
Scharen zu den Bil-
dern des Schmer-
zesund suchte dort
gern und gierig
Trostund Zuflucht.
Aus dieser Sum-
me geistigen Mate-
rials schöpfte der
Meister der Fritz-
larer Pietä und
schuf mit ihr ein
Werk aus der Zeit
für die Zeit. In der
Pieta herrscht Rea-
lismus, der Realis-
mus des mystisch
vertieften und ver-
innerlichten Bür-
gertums. Maria ist
eine Bürgersfrau,
breit und stark.
Breit ist ihrGesicht,
breit der Hals, der
Nacken, die Hand.
Ehrlich und na-
turwahr ist ihr
Schmerz geschil-
dert, ehrlich und
naturwahrder eben
überstandene, mar-
tervolle Tod ihres
göttlichen Sohnes.
''■f Da ist keine Zim-
perlichkeit und kei-
ne Ziererei, kein vornehmes Zurückhalten und
Beschränken , da ist alles offene, unge-
schminkte, kräftige, volkstümliche Sprache.
Da ist alles Wahrheit, aufrichtige, fromme,
von kindlichreligiösem Gemüte tief und inner-
lich erfaßte Wahrheit, aber darum auch über-
zeugende, überwältigende, bannende Kraft.
Außer der Fritzlarer Piet.'i stammt wohl von
derselben Werkstatt, vielleich von demselben
Meister noch die bereits oben erwähnte Pietä
im Bonner Provinzialmuseum Nr. 1 1 700
(Abb. S. 2 12), früher in der Sammlung Röttgen
(s. Giemen : Kunstdenkmäler der Rheinprovinz
214
EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS
V 3, S. 215, Nr. 18, Fig. 142 und Giemen:
Zeitschrift für bildende Kunst 1903 S. 105).
Die Familienähnlichkeit dieser beiden Figuren
ist offensichtlich und handgreiflich. Noch
eine dritte Pietä, die im Dom zu Wetzlar, ist,
wenn nicht demselben Meister, so doch wenig-
stens derselben Schule und Richtung zuzu-
schreiben (Abb. S. 213). Derselbe gesteigerte
Realismus, die Haltung und Form der Arme
und Hände, die Behandlung der Wunden und
des Brustkorbes des Heilandes, die Behand-
lung der Gewandung Mariens, die Brüstung,
auf der Maria sitzt, die Rosetten am Sockel,
die Bemalung — all das bringt die Wetz-
larer Pietä in enge Verwandtschaft mit der
Bonner und Fritzlarer Pieta. Meines Er-
achtens folgen die drei zeitlich und künstle-
risch in der Reihenfolge: Bonn — Fritzlar —
Wetzlar. Die Bonner Pieta, 90 cm groß,
also beträchtlich kleiner als die Fritzlarer,
geht in der Schilderung des Grausigen bis
an die Grenze des Erträglichen. Freilich,
offen und ehrlich, rückhaltlos, aber auch
rücksichtslos läßt der Meister seine Schmer-
zensmutter mit frontal zugewandtem Antlitz
ihren Schmerz dem Beschauer direkt ins
Gesicht hinein klagen. Der blutüberströmte
Leichnam des Heilandes ist abgemagert zum
Skelett. Sein Haupt sinkt wie eine geknickte
Blume kraft- und haltlos nach hinten. Der
Zipfel des Lendentuches fällt vorn über der
Mutter Schoß. Die Gruppe zeigt noch einen
auffallenden Mangel an sicheren Proportionen.
Vor allem stört die übermäßige Betonung
der Köpfe, auch ist der Faltenwurf ohne be-
sonderen Reiz und Rhythmus.
Der Urheber dieser Gruppe mag durch
diese schonungslose Darstellung des Schmerzes
auf die Dauer selber nicht befriedigt gewesen
sein, daher versuchte er in der Fritzlarer
lebensgroßen Pieta eine versöhnendere und
befriedigendere Lösung. Zugleich bemühte
er sich, die Verhältnisse besser zu gestalten.
So wird die Fritzlarer Pieta zu einem reiferen
Werke. Der schmerzbewegte Kopf Mariens,
wie bei der Bonner in offenem Haar ohne
Kopftuch, ist nicht frontal, sondern, da er
teilnehmend und mitleidsvoll dem Haupte
des Heilandes sich zuneigt, mehr in Halb-
profil dem Beschauer zugewendet. Mit dieser
einfachen Kopfwendung ist viel gewonnen.
Einmal ist damit die Beziehung zwischen
Mutter und Sohn, zwischen Schmerz und
Grund des Schmerzes, zum Ausdruck ge-
bracht. Dann aber wird damit die Schilde-
rung des Schmerzes schonender, erträglicher.
Der Beschauer sieht auch jetzt noch den
Schmerz, aber es wird ihm erspart, ihn in
seiner ganzen Schrecklichkeit zu sehen. Er
wird ergriffen davon, aber nicht abgestoßen.
Zudem haben die Köpfe der Gruppe glück-
lichere Verhältnisse. Das Haupt des Heilan-
des ist schöner und edler, umrahmt von
einem vierfach geteilten Bart. Sein Leib ist
kein bloßes Knochengerüst mehr, die ganze
Haltung desselben ist wie die der Arme na-
türlicher. Die Beine des Leichnams hängen
nicht an der Seite der Mutter schlaff herunter,
sondern setzen in Todesstarre die straffe
Diagonale des Oberkörpers fort. Die Be-
malung der Fritzlarer Pieta ist die gleiche
wie bei der Bonner; auch das aus den Wund-
malen gesickerte und geronnene Blut, sowie
die Blutspritzer wiederholen sich. Selbst der
Rosettenschmuck am Sockel fehlt nicht. An
der Bonner drei große vielblättrige, an der
Fritzlarer neun fünfblättrige Rosen.
Die Palme scheint mir der Wetzlarer Pieta
zu gebühren. Ist die Fritzlarer einheitlicher,
bewegter, interessanter, rassiger, so hat die
Wetzlarer bei allem Realismus einen Zug
zum Idealismus, sie ist ruhiger, vornehmer,
verklärter. Die Fritzlarer ist lebensgroß, die
Wetzlarer überlebensgroß, ein Werk von
überwältigender Wirkung. Die Neigung des
Kopfes zum Haupt des Heilandes hin ist
wie bei der Fritzlarer Schmerzensmutter ge-
blieben, aber das freie, reiche, goldene Haar
ist geschwunden. Der Kontrast zwischen
dem schrillen Schmerze des Gesichtes und
dem festlichen Sonnengold des Haares scheint
als zu grell empfunden worden zu sein. Was
geschieht? Die strahlende Fülle des golde-
nen Haares wird diskret verborgen und be-
deckt mit einem dichten Kopfschleier. In
schlichter Fassung gehalten, gibt er dem
Kopte eine stimmungsvolle Umrahmung und
dämpft zugleich den Schmerz. Und dieser
Schmerz in diesem edlen, feinen, vornehmen
Kopfe ist edler, feiner, verhaltener, gotter-
gebener als in der Bonner und Fritzlarer
Pieta. Und versöhnende Sonnenwärme und
verklärendes Sonnenlicht fehlt auch nicht in
diesem schmerzbewegtem Gesichte. Im Fritz-
larer Marienkopf wirkt die goldene Haarfülle
schmerzverklärend. Ein sinnliches Mittel. In
der Wetzlarer hat der Meister ein höheres,
geistiges gewählt. Es ist die Mutterliebe,
die wie verklärender Sonnenschein aus diesem
weinenden Mutterleid herausleuchtet.
Auch der Christus der Wetzlarer Pietä
zeigt gegen den Fritzlarer einige Abweich-
ungen. Der Fritzlarer Christus ist wie der
Bonner zu klein, in der Wetzlarer sollte der
Fehler beseitigt werden. Leider fällt dabei
der Meister ins andere Extrem. Er betont
215
Glasgemiilde im alten Ratha
zu Thorn. — Text S. 216
CHRISTEL KUBALL
KREUZIGUNGSGRUPPE
2l6
mm KREUZIGUNGSGRUPPE. — MARIENALTAR ^
MICHAEL PREISINGER
KRIEGSERIXNERUN'G
F.nHi;,,/
Christus zu sehr und macht ihn zu groß ;
auch sind insbesondere Hände und Füße
reichHch groß und kräftig ausgefallen. Die
langen Beine fallen wie bei der Bonner Pietä
an der linken Seite Mariens herunter. Das
Lendentuch, das in der Fritzlarer Gruppe
eine unnatürliche Starrheit und Steilheit an-
genommen hatte, schmiegt sich in der Wetz-
larer natürlich an den Körper an. Der nur
sanft nach hinten geneigte Christuskopf der
Wetzlarer Figur erreicht indessen die künsr-
lerische Höhe des Fritzlarer nicht.
Am Sockel kehren die neun fünfblätterigen
Rosen wieder.
Im übrigen ist die Fassung der Wetzlarer
Pietä dieselbe wie bei der Bonner und Fritz-
larer, nur scheint sie mir nicht mehr durch-
weg die alte zu sein. Ein späterer empfind-
samer Pinsel scheint die mittelalterliche,
kräftig-naturalistische Darstellung des Schmer-
zes, um sie dem modernen Empfinden näher
zu bringen, übermalt und gedämpft zu haben.
KREUZIGUNGSGRUPPE
Glasgemälde nach einem Entwürfe von Christel Kuball.
(Vgl. Abb. S. 215)
P)ie Firma Gebr. Kuball-Hamburg hat nach einem Ent-
würfe von Christel Kuball ein Glasgemälde mit der
Darstellung der Kreuzigungsgruppe für eine Ausstellung
im Städtischen .Museum zu Thorn gefertigt. Die Kompo-
sition hat sicli in geschickter \Veise der gegebenen
Hensterteilung angepaßt. Der dargestellte Vorgang be-
darf keiner Erläuterung. Die Stellung der Figuren ist
so gewählt, daß die senkrechte Teilung der Geschlos-
senheit des Bildes keinen Eintrag tut. Eine feierlich
ernste Stimmung ist über den Vorgang verbreitet. Es
ist nichts in dem Bilde, das die Gedanken nach außen
lenkt, sondern die ganze Stimmung bleibt in dem auf
sich gestellten Vorgange beschlossen. Ein wunderbar
zusammengestelltes Farbenspiel gibt dem Bilde einen
besonders hohen Reiz. Grüne Stralilen von kräftiger
und matter Tönung fallen schräge auf die Christusge-
stalt, die in ein faliles Grün getaucht ist. Auch das
Gewand der Maria Magdalena schimmert mattgrün,
während das rötliclibraune Haar zu den satten Farben
der anderen Bildliälfte hinüberleitet. Gegen den dunkeln
Hintergrund des Schächerkreuzes heben sich die Ge-
stalten Maria und des Johannes ab. Maria trägt ein
graues Gewand. Über ihr rotschimmerndes Haar, das
in langen Strähnen herabfällt, legt sich ein leuchtend
blauer Schleier. Johannes trägt über einem mattgrünen
Gewände einen rotlila Mantel. Alle über das Bild aus-
gegossenen Farben wirken zur schönsten Harmonie zu-
sammen. Man kann wohl sagen, daß die leuchtenden
Farben hinter der Wirkung der mittelalterlichen Glas-
malerei nicht zurückstehen, wie wir sie hier aus dem
14. Jahrhundert kennen. Das Glasgemälde fügt sich
glücklich in die tiefe Fensternisclie des alten Rathauses.
Man kann sich denken, wie sehr die Wirkung des Glas-
gemäldes noch erhöht würde, wenn es in den feier-
lichen Raum einer Kapelle oder Sakristei gefügt würde.
Prof. Arthur Semiau-Thorn.
MARIENALTAR VON E. KLOTZ
(Zur Sonderbeilage nach S. 212)
Daß sich die erhabene Schöpferkraft menschlichen Geistes
nirgends leuchtender offenbart als in Kunst und Religion
vereint, davon gibt ein plastisches Kunstwerk des Wie-
ners Edmund Klotz wieder beredtes Zeugnis. Es ist eine
Mariengruppe für den Hauptaltar der Sankt Leopolds-
kirche in WienFloridsdorf, im gewaltigen Ausmaße ge-
scharten, eine sogenannte Retable, welche die (lOttes-
mutter mit dem Jesuskinde darstellt, zu beiden Seiten
als Adoranten die Gründer des Stiftes Klosterneuburg,
den frommen Herzog Leopold und dessen Gemahlin
Agnes. Es entspricht dieses Kunstwerk wohl so ganz
den Absichten, die der kunstverständige Biscliof von
Regensburg erst jüngst in seinem Hirtenbrief über kirch-
liche Kunst ausführlich dargelegt hat, die in der Haupt-
sache daliin gellen, daß für ein kirchliches Kunstwerk
vor allem anderen die Vollkommenheit der äußeren
Darstellung in engster Verbindung mit dem .Ausdruck
eines eclit religiösen Geistes erlorderlich sei. Die Gruppe
ist aus getriebenem Kupfer liergestellt und feuervergoldet,
die L'mrahmung in Tombak getrieben. .Abgesehen von
dem überraschend schönen GesamtEindruck, kommen
auch die einzelnen Teile aufs vornehmste zur Geltung.
Richard RieJI
MARIA VE RKUNDieU Nß
MALKREl AUF PERQAMT':NT FÜR EM" MISSALE
NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER
Von Dr. O. DOERIN'G
(Hierzu die Abb. S. 217 bis 236)
Die Pachersche Kunst wurde schon früher
in dieser Zeitschrift (durch Konrad Weiß
im 4. Jahrg. S. 145 ff.) eingehend gewürdigt,
und zwar damals vorwiegend nach der Seite
der Glasmalerei. In einer Anzahl neuerdings
fertiggestellter Werke zeigt sie sich nach Rich-
tungen, die damals nur zum geringeren Teile,
überwiegend gar nicht betrachtet werden
konnten.
Von einem igroßen Ornate« ist bisher eine
Casula, eine Stola, eine Alba, eine Kelch-
decke und eine Bursa ausgeführt worden.
Bisher erst in Entwürfen existieren eine Dal-
matika, zwei Pluvialien, ein Velum, Schuhe,
Handschuhe und Mitra. Die Stickereien sind
von den ehrwürdigen Frauen Franziskane-
rinnen zu Hohenwarth bei Schrobenhausen
in kunstvoller Weise ausgeführt worden. Die
Plattstich -Nadelmalerei ist auf herrlichem
weißem Moircestoff in vielfarbiger Seide, so-
wie mit Goldfäden und dergleichen gearbeitet.
Die Stola ist außerdem an beiden Enden mit
je einem großen Amethj'sten besetzt. Statt
der Fransen hiingen mit Gold übersponnene
längliche Körper daran (von Wiedemann
Söhne, Hofgold- und Silberdrahtgespinst- und
Tressen-Fabrik^). Die Casula (Abb. S. 2 1 8 u. 2 1 9)
zeigt in der Mitte ihrer Rückenfläche inner-
halb eines grün abgetönten Kranzes die Halb-
figur der Madonna mit dem Kinde. Dieses
Medaillon dient als Mittelpunkt für ein großes
goldgesticktes Kreuz. In seinen Wmkeln
sieht man je drei Cherubim, deren bunt-
farbige Flügel strahlenförmig auseinander-
streben. Der weiße Seitenfond ist mit feinen
goldenen Ranken und schneckenförmigen
Voluten überzogen. Unten sind die Symbole
der Evangelisten, das Cluniacenserwappen,
darunter ein Benediktinerwappen mit den
Buchstaben ^^ I. O. G. D. und ein solches als
allgemeines Ordenswappen. Die entgegen-
gesetzte Seite der Casel zeigt durchaus ähn-
liche Anordnung, nur in anderer Farbenge-
bung; innerhalb des Kranzes ist die allerh.
Dreifaltigkeit durch drei verschlungene Ringe
') Sämtliche hier genannten kunstgewerblichen Fir-
men befinden sich in München.
symbolisiert. Um den Hals steht der Segens-
spruch Benedicat vos omnipotens deus usw.
Unten prangt das heutige Wappen von Klo-
ster Scheyern. Die Casula ist mit einfarbiger
grüner Seide gefüttert. Die Alba (Abb. S. 220)
ist unten mit einem Streifen geschmückt, der
innerhalb romanischen Rankenwerkes die Na-
men der zwölf Apostel nebst ihren Symbolen
aufweist; die Schilder, innerhalb deren die
letzteren stehen, sind abwechselnd rot und
blau, die Linien in Altgold gestickt. Die kost-
baren Stoße für die sämtlichen ausgeführten
Stücke sind vom Hoflieferanten Gg. Gerdeis-
sen, Firma Schreibmayr.
Die erst entworfenen Teile stimmen nach
dem beabsichtigten Material, wie in ihrer
stilistischen Behandlung genauestens zu den
übrigen. Die Dalmatika (Abb. S. 223 links)
ist außer mit dem Benediktinerkreuze mit den
Medaillonbildern von vier großen Benedik-
tinerheiligen geschmückt, nämlich des S. Mau-
ritius, Placidus, Rupertus und Corbinianus.
Der erste hebt sich von dem Fond eines rot
abschattierten Schuppenmusters ab, Rupertus
von einem ebensolchen blauen. Die Hinter-
gründe für Placidus und Corbinian sind schlicht
blau, beziehungsweise pfirsichfarben. Auf vier
grauen Schildern sieht man die Symbole der
vier benediktinischen Gelübde: Armut, Ge-
horsam, Kasteiung, Beharrlichkeit. Die Ach-
seln sind ebenfalls mit vier kleinen Schildchen
belegt; sie zeigen die Namenszüge der Evan-
gelisten, sowie die Anfangsbuchstaben des
Spruches In Omnibus Glorificetur Deus. —
Von den zwei Pluvialien ist das eine an
seinen zwei senkrechten Rändern mit zwie-
fachen Streifen besetzt; in jedem sieht man
je sechs Symbole der Tugenden. Der Doppel-
streifen des anderen Pluviales (Abb. S. 222)
zeigt statt dessen Sinnbilder der zwölf bene-
diktinischen Regeln. Die rote Schrift befindet
sich hier auf spiralig gezeichneten breiten
Bändern; ihre Rückseiten sind mit abwech-
selnd blauer und grüner Ornamentierung an-
gedeutet. Auch die Schließen zeigen symbo-
lischen Schmuck. Die Kappen der Pluvialien
sind nicht, wie neuerdings sonst üblich, als feste
Platten gebildet, sondern ihrem ursprüng-
■■ chtlsUlche Kunst. XII.
2l8
NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER
AUGUSTIX I'ACIIF.R
! :u lloh.n-.varth i-ri Schr,4inhaus
CASILA (HLCKSEITK)
liehen Sinne gemäß wirklich als Kapuzen.
Der Fond ist hier, wie es auch bei den Sticke-
reien der Casula und auch bei der Dalniatika
der Fall ist, mit stilisierten weiß-silbernen
Wolken bedeckt. Innerhalb ihrer bilden grüne
Ranken vier kreisrunde Medaillons. Das
mittelste enthält bei der einen Cappa das
Brustbild des hl. Benedikt, bei der andern
das des hl. Gregor des Großen. Der letztere
steht auf tiefblauem Schuppenfond (dieses
Blau gehört mit zu den schönsten Farben
der Pacherschen Skala), während der erstere
von ebenso behandeltem rotem Fond sich
abhebt. Die drei anderen Medaillons sind
mit Blattornamenten gefüllt, ihre rote oder
blaue Farbe ist der des mittleren Medaillons
entgegengesetzt. Beide Kappen sollen mit
hellgrüner Seide gefüttert werden. — Das
Veium (Abb. 223 rechts) besitzt Stickereien an
seinen beiden Enden, sowie in der Mitte. Hier
sieht man das Lamm Gottes innerhalb eines
grünen geflochtenen Kranzes. Ihn umgeben
wieder jene stilisierten Wolken, die mit roten
Blümchen belebt sind; nach auOen verlaufen
NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER ^^
219
AUGUSTIN FÄCHER
r^/. AU. S. llS. — Text S. 217
CASULA (VORDERSEITE)
goldene Strahlen. An beiden Enden des
Velums ist je ein grünes Geranke gezeichnet.
Es bildet je sechs Medaillons, und in einem
jeden ist eins der Leidenswerkzeuge des Herrn
dargestellt. Mehrere sind eigentümlich, in
der älteren Kunst selten nachzuweisen. Hier-
her gehört das Medaillon mit den dreißig
Silberlingen, ferner der zum Fesseln des Herrn
dienende Strick, in welchem man kleine
eiserne Haken eingeflochten sieht — ein Mo-
tiv, welches sich einmal in Venedig findet.
Die Rute ist vom Künstler nicht als gebun-
den, sondern aufgelöst gezeichnet, weil man
sie sonst auf einige Entfernung nicht mehr
erkennen kann. — Die Mitra zeigt auf ihrer
Vorderseite ein an seinen Enden mit Perlen
besetztes Doppelkreuz, welches von rot ge-
flügelten Engeln gehalten wird. Die Binde
ist in Vierecksflächen geteilt, die abwechselnd
mit gesticktem Ornament und mit Ferien
geschmückt sind. Die herabhängenden Bänder
zeigen die Gesetzestafeln des alten Bundes,
sowie je ein Klosterwappen. — Die Hand-
schuhe sind weiß; ihre Oberseite zeigt je ein
^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER
Kreuz innerhalb einer roten Wolke, die
breiten Stulpen der Handschuhe sind mit
Blattornamenten geschmückt. — Endlich ist
der weiße Seidenfond der Schuhe wieder mit
den an der Casula usw. beobachteten gol-
denen Ranken- und Schneckenlinien belebt,
während sich bunte Streifen über die obere
Fläche hinziehen.
Die gesamte Farbengebung dieses teils fer-
tigen, teils entworfenen großen Ornates ver-
bindet Pracht und Lebendigkeit mit höchster
\'ornehmheit. Das Weiß des Fonds läßt alle
reiche Koloristik erst recht zu ihrer Kraft
gelangen, alles leuchtet in festlicher Herrlich-
keit. Die Stärke der angeschlagenen Töne
ergibt sich aus zweierlei künstlerischen Er-
wägungen. Erstens entspricht sie dem Cha-
rakter der dem Meister vorbildlichen primitiven
ALGUSTIN I'ACHER
ALBA, STOLA, MANIPEL
NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER
AUGUSTIN FÄCHER
.\. Jff-, S. r^S, die dazugeho
und romanischen Kunst; hierüber wird unten
noch ein Wort zu sagen sein. Zweitens war
die Rücksicht auf kraftvolle, nicht leicht zu
überwindende Fernwirkung maßgeblich. Hier-
aus folgte auch die Einfachheit sowohl der
Hauptlinien, wie im einzelnen die der Ab-
schattierungen. So sind z. B. bei den Ge-
sichtern die Lichter und Schatten kräftig und
flächig voneinander abgesetzt, und fließen
nicht etwa sanft ineinander über. Sie behalten
auf die Art eine charaktervolle Herbigkeit.
Übrigens kommt dies auch der Technik bei
der Ausführung entgegen. Zu begrüßen ist
es, daß der kirchlichen Stickereikunst ein-
mal eine Aufgabe von solchem Umfange und
Werte geboten wird. Die Wirkungen dürften
nicht ausbleiben.
Zeigt sich mit diesen Dingen Fächer als
Beherrscher der Faramentik'), so tritt er uns
mit den nunmehr zu betrachtenden Werken
als bedeutsamer Meister auf dem Gebiete der
Juwelierkunst entgegen. Wir sehen einen Kelch,
eine Platte mit zwei Meßkännchen und ein
Meßbuch. Das letztere wird uns den Künst-
ler auch als Miniaturmaler ersten Ranges wür-
digen lassen.
') Vgl. die .\bh. im X. Jahrg. S. 142 ff.
^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER ^
AÜGUSTIX FÄCHER
ENTWURF ZU EINEM PLUVIALE
Der Kelch (Abb. S. 224) ist 0,23 m hoch, hat
oben einen Durchmesser von 0,14, am Fuße
von 0,17 m. Er besitzt die schlichte Grund-
form der Kelche romanischer Zeiten, also
einen kreisrunden Fuß, der über einen Sockel-
reifen mit starker Verjüngung emporstrebt,
und eine halbkugelige Kuppa. Zwischen bei-
den befindet sich der kugelförmige Nodus.
Die beiden ersteren Teile sind aus vergol-
detem Silber, der letztere besteht aus einem
Stücke Rosenquarz, die Verbindung mit Fuß
und Kuppa ist durch Metallbänder hergestellt,
die oben und unten von je einem Perlstabe
begrenzt sind. Die belebenden Ornamente
der Kuppa zeigen Formen in der zuvor cha-
rakterisierten Art. Die aufsteigende Fläche
des Fußes ist durch senkrechte Streifen in
drei Abschnitte geteilt, deren Relief- und Edel-
steinschmuck zur Symbolisierung von Glaube,
Hoffnung und Liebe dienen. Der erstere
wird charakterisiert durch die Halbfigur des
hl. Benedikt, zur Zierde dienen Amethyste ;
als Symbol der Hoffnung erblicken wir die
hl. Maria, als Schmuck sind Malachite ver-
wandt; die Liebe verkörpert sich in Christus
und in der Reinheit von Opalschmuck. Um
den Sockelreifen läuft eine Inschrift. Eine
weitere Inschrift ist auf einer Silherplatte an-
gebracht, welche innerhalb des Fußes einge-
lassen ist und verhindert, daß man in diesen,
wie sonst so gewöhnlich und so häßlich, gleich-
sam als in einen Trichter hineinschauen kann.
Das Wasser- und das Weinkännchen sind
aus Stücken von Elefantenzähnen gearbeitet,
die in vergoldetes Silber gefaßt sind (Abb.
S. 225). Die Oberfläche des Elfenbeines ist un-
gebleicht geblieben, und erfreut darum durch
zarten warmen Ton, mit dem die Goldfarbe
des Metalls prachtvoll harmoniert. Das letztere
zeigt Bearbeitung in höchst selbständig emp-
funden Formen voll tiefer Bedeutung. Der
Deckel erinnert an eine Rundkirche mit Ap-
e^i NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER ®2a
223
AUGUSTIN FÄCHER
ENTWÜRFE PUR DALMATIKA UND VELUM
TeAt S. ziy und 21S
siden und hochstrebender Kuppel; die Dächer
dieser Architektur zeigen Falten, ähnlich jenen
bei dem großen Reliquiar des Weifenschatzes,
bei diesen Kännchen aber gemäß dem kleinen
Maßstabe des Gegenstandes zahlreicher und
zierlicher. Am merkwürdigsten sind die Henkel,
welche in der stilisierten Form eines Elefanten-
kopfes mit langem, unten schneckenförmig
aufgerolltem Rüssel gezeichnet sind. Diese
Henkel, wie auch die elfenbeinernen Körper
der Kannen, deuten auf die mittelalterliche
Anschauung, welche in dem Elefanten das
Symbol der Reinheit und Stärke erblickte.
Das Elefantenmotiv kehrt auch an den Griffen
224
NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER mm
AÜGLSTIN rACHliR
Aussf/iilirt van M.ix Str„hel ( Firi„a Sank/j,'!i<i„,iserJ . -
der Schale wieder, auf welcher die Kännchen
stehen. Sie besteht aus vergoldetem Silber,
die Ränder sind mit Rauchtopasen und Kaizen-
augensteinen geschmückt.
Das Meßbuch (Abb. S. 226 fT.) besitzt eine
Höhe von 0,42 m bei einer Breite von 0,32 m.
Der Deckel besteht aus weißem Schweinsleder
und zeigt vorn und hinten reichsten Sclimuck.
Er überdeckt die Vorderseite vollständig; die
Rückseite zeigt ein groß durchbrochenes geo-
metrisches Motiv, welches für die Wirkung
des Leders um fangreiche Flächen freiläßt. Dieser
Schmuck besteht aus vergoldetem Silber, das
wieder aufs feinste bildnerisch ausgearbeitet
ist. Die Vorderseite zeigt in der Mitte ein
vertieftes längliches Achteck, innerhalb dessen
Jesus als Weltrichter aut
dem Regenbogen thront,
während die Erde seiner
Füße Schemel ist. Unten
bildet der Sternhimmel,
oben strahlendes Licht den
Hintergrund. In den Zwik-
keln des Deckelvierecks be-
finden sich die S3-mbole der
vier Evangelisten, getrennt
durch ebenso viele Recht-
ecke. Die Namen stehen
in der Leibung des Acht-
ecks. Die Rechtecke sind
mit Edelsteinen besetzt, in
der Mitte jedesmal mit
einem Lapislazuli, ringsum
Amethyste und Chryso-
prase. Auf den Flügeln der
vier apokalyptischen Wesen
sind augenartig je neun
Opale mit einem in je-
den eingeschliffenen Blut-
stein verstreut. Außerdem
schmücken die Vorderseite
des Deckels noch Smaragde,
Mondsteine, Rubine, Bril-
lanten. Der Regenbogen
besteht aus translucidem
Zellenschmelz in feinen Sil-
berfäden , das Meer aus
kleinen Stückchen Malachit.
Die Heilandhgur hat der
Bildhauer Christian Winker
nach Pacherschen Entwür-
fen modelliert und in Elfen-
bein geschnitten. Die Rück-
seite des Deckels zeigt in
ihren vier Winkeln je ein
Rechteck, besetzt mit einem
von Strahlen umgebenen
Amethysten. Zwischen die-
sen Flächen und den Mittelpunkten der vier
Seiten sind Verbindungslinien durch flache
zweiteilige Stäbe hergestellt. Ein ovaler Kranz
in der Mitte umgibt den Namen Christi. — Bei
allen hier beschriebenen Stücken ist die Metall-
arbeit außerordentlich fein, bis in die zartesten
Einzelnheiten ist alles mit größter Delikatesse
ausgearbeitet. Man sehe z. B. die Elefanten-
rüssel, die Flügelfedern der apokalvptischen
Tiere, die Lichtstrahlen hinter Christus, über-
haupt alles, was subtile Arbeit erfordert und
dabei doch des großen Zuges nicht entbehren
darf. Diese Metallarbeiten sind von MaxStrobel,
Inhaber der Hotgoldschmiedehrma Sanktjo-
hannser und dem Bildhauer und Ziseleur
Florian Zängl. — Schläg-t man den Codex
NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER S^
225
auf, welcher durcli den
Buchbindermeister
Heinrich Hutmacher
gebunden ist, so findet
man statt des Vorsatz-
papieres graue Moir6-
seide. Innen bewun-
dert man eine Anzahl
von Pergamentblät-
tern, die mit kunst-
vollen Handmalereien
bedeckt sind. Zum
Schutze der Miniatu-
ren dient jedesmal ein
Stück glatten grauen
Seidenstoffes. Aus
grauer Seide sind auch
die sechs Bänder, die
als Lesezeichen die-
nen und unten mit
je einer kleinen Edel-
steinkugel in den
symbolischen Farben
von Glaube, Liebe
und HoiTnung besetzt
sind. Die IMehrzahl
der Buchblätter be-
steht aus Fapier; sie
sind mit den zur
hl. Messe gehörigen
Texten bedruckt und zwar unter Benutzung
großformiger Lettern, bei denen es keinen
Unterschied feiner und starker Linien gibt,
und die also auch von einem Kurzsichtigen
AÜGUSTIN r'A< III
Ausgr/Ühr
leicht gelesen werden
können. Den gedruck-
ten Textblättern fehlt
es nicht an Handma-
lereien, außerdem ist
jede wichtige Initiale,
jeder Schlußstrich
usw. mit der Hand
gemalt und keins wie
das andere.
Von den erwähnten
ganzseitigen Miniatu-
ren schildert die erste
die Verkündigung
(Abb. I, Sonderbei-
lage). Die Wohnung
Mariens ist nur ange-
deutet; der Hinter-
grund des Bildes ist
ganz erlüllt durch die
unendliche Menge der
Strahlen, welche von
dem Verkündigungs-
engel ausgehen. Über
seinem Haupte
schwebt die Taube
des Hl. Geistes. Um
den Hals trägt er
einen kreuzförmigen
Schmuck, bestehend
aus den Symbolen der allerheiligsten Drei-
ialtigkeit und einem Perlengehänge. Am Fuße
des Bildes verbreiten sich die Äste des Apfel-
baumes, von dessen Früchten das Llreltern-
MESSKANNCHEX
roiel und Chr. Zävgl
AUGÜSTIX FÄCHER
TELLER ZU DEN MESSKANXCHEN
Die christliche Kunst. XII.
226
AUGUSTIN FÄCHER
Die Chrhtutßgiir atisge/uhrt 7
on Christin)
Ifiitker. ,/„s iihige vnn
Text S. 224
MESSBUCHEINBAKD (VORDERSEITE)
Max Slrol,tl uii.l Christian Ziiiigl (MimchinJ
AUGUSTIN FÄCHER
A,.sg,/Ührt vnn Max Strotel, /„/,. d. Fi,,„a Sankijohan
Text S. 224
MESSBUCilElXHAXlJ (RLCKSEITE)
nd Christmn Zangl (MünchenJ
228
^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER ©^
paar im Paradiese, Gottes Gebote zuwider,
aß. Man sieht die beiden entfliehen, während
ein Unwetter die Blätter des Baumes abreißt,
und um seine Wurzel und durch den zer-
borstenen Stamm die Schlange sich windet.
Schön gezeichnet ist die Einrahmung des
Bildes, anmutig der scheinbar plastische Fi-
gurenschmuck daran, auch die Reihe der oben
überschauenden Engelköpfchen. Die \'erkün-
digung, wie jedes der folgenden Bilder, ist
auf eine hauptsächliche Farbenwirkung ge-
stimmt. Bei dem ersten überwiegt das Grün der
Hoffnung, es leuchtet in den Strahlen, die von
dem Engel ausgehen; die Taube schwebt in
violettem Lichte, während Marias Kleid fein
abgetöntes Hellblau zeigt.
Durchaus abweichend wirkt das zweite Bild,
die Kreuzigung (Abb. S. 229). Der Künstler
ist dabei einer Anregung gefolgt, die er durch
die Visionen der Katharina Emmerich er-
halten hat. Sie berichtet, bei der Kreuzigung
sei die Luft von einem rötlichen Nebel er-
füllt gewesen. Fächer hat das dankbare Motiv
für sich benutzt und durch die Zusammen-
stellung von Rot und Schwarz eine seltsame
koloristische Wirkung erreicht, welche durch
ihren mystischen Zauber tiefen Eindruck auf
das Gemüt ausübt. Die Auffassung der Figuren
ist völlig anders als bei der Verkündigung.
Dort Milde und Lieblichkeit, hier eine Herb-
heit, welche jener der Grünwaldschen Kreu-
zigung am Isenheimer Altare verwandt ist,
aber für unser Empfinden noch darüber hinaus-
geht. Mit rücksichtslosem Naturalismus ist
der Christuskörper geschildert; der Künstler
scheute sich nicht vor geradezu grausamer
Wiedergabe des von den Wunden nieder-
strömenden Blutes, der vom Blutgerinsel rot
gefärbten Haare, des abgezehrten, schmählich
mißhandelten Körpers, der zusammenge-
krampften Finger. Und doch schwebt über
dem Ganzen die Hoheit, die künstlerische
\'erklärung, welche den Gekreuzigten nicht
als Menschen, sondern als Gottmenschen er-
kennen läßt. Seine Figur allein tritt mit völ-
liger Klarheit hervor. Etwas weniger deut-
lich sind Maria und Johannes, noch weniger
Magdalena, während der Hauptmann schon
vom rötlichen Nebel umwoben ist, und die
l-'iguren der Feinde Christi sich darin nur noch
mit Mühe erkennen lassen. In der Umrah-
mung wiederholt sich das schon bei den
Meßkännchen beobachtete Elefantenmotiv.
Oben knien zwei Engel, welche den Anblick
des Sterbens Christi nicht ertragen können
und ihr Antlitz abwenden.
Das dritte Blatt gilt der Verherrlichung der
Erzdiözese MünchenFreising (Abb. Sonder-
beil, nach S. 232). Oberhalb der Wappen der
Erzdiözese (mit dem Mohren), sowie der Bis-
tümer Augsburg (links vom Beschauer), Passau
(mit dem Wolfe) und Regensburg (rechts) thront
der Diözesanheilige St. Korbinian. Hinter ihm,
oberhalb des Kapitals einer Säule erscheint
die Himmelskönigin mit dem Kinde. Der
große Baum, welcher hier den Hintergrund
bildet, ist eine Erinnerung an jene Linde in
Freising, welche St. Korbinian, der Hauptpatron
der Erzdiözese, selbst gepflanzt haben soll, und
die vor jetzt etwa zehn Jahren durch frev-
lerische Hände in Brand gesteckt wurde. Das
Bild des hl. Korbinian ist der Mittelpunkt
eines hufeisenförmigen Rahmens, der unten
breit ist und oben sich schmal zwischen dem
Laube des Baumes verliert. Dieser Rahmen
umschließt in sechs Medaillons Büsten von
fünf Heiligen, den weiteren Patronen der Erz-
diözese, und einem Engel. Den letzteren sieht
man links oben, unter ihm folgen St. Nonno-
sus und St. Alexander; rechts sieht man von
oben nach unten St. Justinus, St. Sigismun-
dus und St. Lambertus. In der von diesem
Rahmen freigelassenen Fläche unter und hinter
dem Baume sieht man links Freising, dabei
unten den Bären des hl. Korbinian, rechts
München mit den Türmen der Frauenkirche
und der Kirche St. Peter. Die unterhalb des
ganzen Bildes befindliche Inschrift ist in dem-
selben Charakter gehalten wie die Druckschrift
des Buches.
Es folgt das »Benediktusblatt« (Abb. S. 230).
Der Heilige, ein ehrwürdiger Greis mit lang-
wallendem Barte, steht in seinem schwarzen
Gewände hoch aufgerichtet. Während er in
der Linken den eigentümlichen Benediktus-
stab hält, breitet er beide Arme über die Wap-
pen der zehn bayerischen Benediktinerklöster.
Über jedem Wappen sieht man die Halbfigur
eines Mönches, dessen Beschäftigung jene
ankündigt, welche für das betreffende Kloster
vorzugsweise bezeichnend ist: für Scheyern
ist es die Malerei, für Augsburg der Unter-
richt, für Weltenburg die Landwirtschaft, für
München die Seelsorge, für Ettal die Wissen-
schaft, für Metten der Gesang, für Ottobeuren
die Kunst, für Schäftlarn der Unterricht, für
Andechs die Zwangserziehung, fürPlankstetten
die Frömmigkeit. Alle diese Wappen und
Figuren stehen vor einem Hintergrunde von
goldenen Früchten, den Sinnbildern der Ar-
beitserfolge des Benediktinerordens. Unten
erblickt man rechts und links von dem Ordens-
wappen das Kloster Scheyern, wie es ehemals
aussah, nach einem alten Stiche gemalt.
Von den nunmehr sich anschließenden
gedruckten Blättern (ausgeführt von der
229
AUGUSTIN FÄCHER
JESU TOD AM KREUZE
Mnleni an/ P,rga„„„t im Missale. — Tejt S. 22S
230
AUGUSTIN FÄCHER
HL. BENEDIKTUS
Malerei au/ rtrgamcnt im Atissalt. — Ttxt S. 22S
231
Ordinarivm miss/e.
Sacerdos paratus cum ingreditur ad Altare, facta illi
debita reverentia, fignat le (igno Crucis a fronte ad pectus,
& Clara voce dielt:
|n nomine Patris, & Filii, & Spiritus fancti, Amen.
Deinde iunctis manibus ante pectus, incipit
Antiphonam. Introibo ad altare Dei.
Ministri R. Ad Deum qui laetificat juventutem
meam.
PoRea alternatim cum miniflris dicit fequentem Pfal-
mum.
Judica me Deus, & difcerne caufam meam de gente non
lancta: ab Nomine iniquo & dololo erue me:
Ouia tu es Deus fortitudo mea: quare me repulilli, &
quare triflis incedo, dum affligit me inimicus?
AUGUSTIN FÄCHER
.Valen! a,,/ Pa/.!,
MESSE PAPST GREGORS D. GR.
der Messe. - Text S. 232
232
^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER
PR/EFA>UmTIONES.
Sequens Praefatio cum suo cantu dicitur a NatlvitatC Domifli usquc
ad Epiph. (praeterquam in die Octav. S. Joannis Apost.) & in Purificatione B. Mariao,
& in Festo Corporis Christi, & per Octavam, nisi in ea occurrat Fcstum, quod
propriam Praefationem habeat. Item in Transfiguratione Domini, 4 in _Fe^tO
Sanctissimi Nominis Jesu.
Per
omni
a (ae-cu-la (ae-cu-lo-rum. R. A-men.
AUGÜSTIN I'ACllER
Jcr Prii/atUmcn.
Hübschmannschen Hofbuchdruckerei, Inhaber
H. Schrödl) ist das erste mit einer zum In-
troitus passenden gemahen Vignette ge-
schmückt, welche in der schönen Farbenstim-
mung rot und zart hia die Messe Gregors d.Gr.
darstellt (Abb. S. 231). Die Fraefationen wer-
den eingeleitet durch David, welcher vor Gott
die Harfe spielt; die Farbendominante ist Blau
(Abb. oben). Als Eingangsbild des Canon Missae
dient die Darstellung Christi als Keltertreter;
Engel fangen das aus der Kelter strömende Blut
auf (Abb. S. 233). Als Schlußvignette schuf der
Künstler ein Sinnbild der vier Gelübde des
Benediktinerordens (Abb. S. 234). Auf grau
und schwarz behandelten Wappenschildern ist
angedeutet der Gehorsam durch einen Mönch
mit einem Joche, die Armut durch ein leeres
Füllhorn, die Keuschheit durch Geißel und
Bußgürtel, die Beharrlichkeit durch eine Fyra-
mide, welche von Stürmen angeblasen wird.
Als bedeutungsvolle Zierde der Vignette dient
ein Kranz aus einem Distelzweige als Svmbol
der Entsagung.
Wiederum erscheint ein großes, ganzseitig
bemaltes Pergamentblatt (Abb. S.235). In völlig
herrschender grüner Farbenstimmung ist ein
Engel gemalt, dessen Flügel gleich einem leich-
ten Gespinste sich ausbreiten. Er hält einen
i'UMISLRiS.HiRE
FOVLHFLEBILES.
AUGUSTIN FÄCHER
BAYKRISCHF, DlOZESATsTPATRONE
MALEREI AUF PERGAMENT FÜR EIN MISSALE
253
r/«S!»J«s^
Canon
lll^iä^llK«»ll^SSi'
MISS/E.
Sacerdosextendens.elevans&jungens
manus, elevans ad coelum oculos, &
ftatim demittens, profunde inclinatus
ante Altare, manibus fuper eo politis,
K dicit:
e igitur, clementiüime
Pater, per Jefum Chri-
flum Filium tuum Do-
minum noftrum, fup-
plices rogamus, ac
, petimus.Oscuiatur Altare, uti accepta
habeas, & benedicas, Jungit manus,
delnde (ignat tcr luper oblata, haec i'
dona, haec i munera, haec i
(ancta facrificia illibata, Extcniis
manibus prolequitur: in primis, quae
tibi offerimus pro Ecclelia tua
lancta catholica: quam pacificare,
cuflodire, adunare, & regere dig-
neris toto orbe terrarum: una
cum famulo tuo Papa noflro N.
& Antiftite noflro N. & omnibus
orthodoxis, atque catholicae, &
apodolicae fidei cultoribus.
AUGUSTIN FÄCHER
Malerei zu Beginn des Ka
CHRISTUS TRITT DIE KELTER
Text S 231
Die christliche Kunst. Xlt. 8.
i34
^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER
AUGUSTIN FÄCHER
DIE VIER GELÜBDE DES BENEDIKTINERORDENS
Schluß der Messe. — Text S. 232
Baum, in dessen Ästen die Köpfe der hl. vierzehn
Nothelfer, ein jeder in einem Medaillon, mit
höchster Zierlichkeit gemalt sind. Unten sieht
man das Benediktuskreuz. Den Beschluß bil-
det ein Blatt mit einer Textschrift und der
Darstellung des hl. Michael, in prachtvollem
Kolorit von oben nach unten aus tiefem Blau
bis in zartes Grün übergehend (Abb. S. 235).
Wir haben die Überschau über die neuesten
Pacherschen Werke beendet, mögen aber
nicht davon scheiden, ohne uns über ihre
künstlerische Art und Bedeutung Rechenschaft
zu geben.
Die neuen Paramenten Entwürfe Pachers
bewähren die alten Vorzüge bei noch weiter
gehendem Reichtum. Bei ihnen, wie bei den
Metallgegenständen und bei den Miniaturen
geht der Künstler auf die Erreichung durch-
aus verschiedenartiger Zwecke aus; für einen
jeden davon hat er seinen eigenen Stil, in
welchem gewisse Grundgedanken zwar wieder-
kehren, während doch die Durchführung schon
mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Ma-
terialien jedesmal durchaus individuell bleibt.
Er weiß den Bedingungen der Textilkunst
ebenso vollkonmien und in hohem Grade
selbständig gerecht zu werden, wie jenen der
Metalltechnik und der Kleinmalerei. Bei der
letzteren hat er sich vollkommenste Freiheit
bewahren können, bei den beiden anderen
war er durch die traditionelle Form der zu
schaffenden Gegenstände bis zu einem ge-
wissen Grade gebunden, aber nur so weit,
wie ein Künstler dieser Art sich eben binden
läßt. Innerhalb der gegebenen Grenzen be-
wahrt er sich völlige Unabhängigkeit. So
sind bei dem Ornate die Stickereientwürfe
durchaus neuartig, nur für den flüchtigen
Bück älterer Art ähnlich. Hier, wie bei allen
Gelegenheiten, wo es auf die Bewältigung
dekorativer Aufgaben ankommt, folgt Fächer
der Auffassung, zu der er sich durch ein-
gehendes Studium durchgearbeitet hat. Er
erkennt in den Ornamenten unserer roma-
nischen Epoche Gedanken, welche unmittelbar
aus dem natürlichen Stilempfinden primitiver
Zeiten und Völker in das der Kulturwelt sich
hinübergerettet haben, einer Kulturwelt, die
sich trotz des Hochstandes ihrer geistigen Ent-
wicklung doch ursprüngliches, natürliches
Empfinden zu bewahren verstanden hatte.
Die Ornamentik der sogenannten Naturvölker
bietet ihm also nicht nur Parallelen zu dem,
was die romanische Kunst zu zeichnen liebte,
235
AUGUSTiN FÄCHER DIE H NOTHELFER
Malerei auf Ptrgamiut im Missale. — Text S. 234
236
/»^
^m
OMINE SANCTAE
ET INDIVIDVAE
TRINITATIS AD LAVDEM
ET CLOR I AM B.M.V NEC
NON ALMAE CRVCIS
^
^
"s
AUGUSTIN FÄCHER
HL. MICHAEL
NIKE VON SAMOTHRAKE.
VERONA
'37
sondern außerdem eine Unmenge von Moti-
ven, vvekiie von jenen mittelalterlichen Künst-
lern ohne weiteres, als ihrem Geiste zusagend,
übernommen worden wären. Mit jenemSchatze,
der weite Möglichkeiten eröffnet, waltet Fächer
in vollkommen freier Art, er verwendet ihn,
modelt ihn, durchdringt ihn mit neuem Geiste,
so wie die jeweilige Aufgabe es wünschens-
wert erscheinen läßt. So beweist er, daß seine
Kunst, die er im 20. Jahrhundert übt, ihre
Wurzeln in jenem Boden echter Ürsprünglich-
keit stecken hat, aus dem allein Neues, Lebens-
fähiges sich entwickeln kann. Die technische
Durchführung aller Werke, die wir betrach-
teten, erwies sich uns als staunenswert fein.
Ganz besonders gilt dies von der Technik der
Miniaturen. Die in allen diesen Arbeiten le-
bende und wirkende reiche Phantasie geht
ihre eigenen Wege, die keine Abwege sind,
denn sie führen dorthin, wo seelische Ver-
tiefung, wo lyrische, dramatische Stimmungen
und wo die Innigkeit echter Religiosität da-
heim sind. Mit seiner Vorliebe für S3"mboli-
sierung erreicht Fächer, daß er auch feinste
Gedanken auszusprechen vermag, die sich der
eigentlichen bildlich-gegenständlichen Wieder-
gabe entziehen. Hier helfen ganz wesentlich
die geheimnisvollen Ornamente, die Farben,
die Edelsteine, die Wahl der Materialien über-
haupt. Nichts ist bei ihm unnütz, nichts wird
geformt oder gemalt, ohne daß es etwas Be-
stimmtes aussprechen soll. Bei dem Missale,
welches unter den betrachteten Gegenständen
die größte Vielseitigkeit besitzt, ist auf diese
Art jeglicher Zweck erreicht, der erzählende,
der lehrende, der erhebende, der mystisch-
andeutende. Bei Fächers Miniaturen wird
niemand daraufkommen, kunstgeschichtliche
\'ergleichungen anstellen zu wollen; in der
Auffassung, wie in der Ausführung könnte
man sie als Anfänge eines neuen Miniatur-
stiles ansehen, wenn die persönliche Art, aus
der sie hervorgegangen, die Vererbung und
Weiterentwicklung nicht vorweg unwahr-
scheinlich machte.
NIKE VON SAMOTHRAKE
Tn ihren Flügeln rauscht der kühne Sieg,
A Der Sturm des Ozeans, der Braus der
Schlachten.
Und weit ausschreitend preist sie laut den Mut,
Den Stolz der Taten und das Todverachten.
Hell kündet sie mit der Fosaune Stoß
Vom hohen Fels, warum es wert zu leben,
Ihr windzerpeitschtes, flatterndes Gewand,
Scheint in des Himmels Wolken sie zu heben,
M. Herbert
VERONA
I.
r^ie Gärten von Verona sind versteckt,
*-^Des Marmors Wunden heilen Rosenfluten
An Bild und Säule üppig aufgereckt
Die Furpurkelche ihren Traum vergluten.
Neptun, der seinen rost'gen Dreizack hält,
Thront über dem geborst'nen Wasserbecken.
Olvmpisch Lachen aus versunkner Welt,
WennschlankeNymphen dieTritonen wecken.
Lorbeergesträuch sich mit Zypressen eint
Und flicht dem toten Ruhme dunkle Kronen.
Im Grasgeschling die blut'ge Träne weint
Ein Buschen liebesroter Anemonen.
Gemäuer unter Eppichs Schutz verträumt!
Ist hier die Laute Romeos erklungen?
Und wo der Mandelbauniin Jugend schäumt.
Ward alter Haß durch selge Lieb bezwungen r
II.
Verwittert der Falazzi weiße Fracht,
\'or Säulenfenstern rohe Bretterladen,
Im goldnen Saale brütet schwere Nacht,
Die Trauer wandert unter den Arkaden.
Die von der Scala heben trotzig hoch
Befehlend ihres Monuments Fialen,
Als sollte alles ^'olk der Nachwelt noch
In Ehrfurcht zitternd ihnen Steuer zahlen,
Und Bilder leben in der Dämmerung
Uralter Kirchen ihren Rausch der Farben.
Sie blieben wie die Morgenröte jung.
Ob auch Geschlechter kamen und verdarben.
Auf seinem Sockel steht Firenzes Sohn,
Der in \'eronas Mauern Gast gewesen,
Auf fremden Treppen — O, wie lange schon,
Ist er von seiner Fremdheit Qual genesen.
III.
Mich treibt es hin zu Fra Giocondos Bau,
Der stolzen Linien edles Spiel zu grüßen
Und meine enge Seele treibt die Schau
So strenger Kunst zu Alighieris Füßen.
Ward je ein Tor so wunderbar geziert
Als des Palastes schöne Eingangspforte?
Hier bebt die Heil'ge, die den Herrn gebiert.
In sich gebeugt vor dem ^'erkündgungswerk,
Die fromme Jungfrau, die ihr Antlitz neigt,
Befehle des Gebieters zu empfangen.
Derweil die Scham des jungen Mädchens steigt
In ihre weichen zuchtgewohnten Wangen.
Du hehrer Engel — Paradieses Traum —
Dir naht mein Herz, derBotschaftHeil zu hören.
Herabgetragen in der Erde Raum —
Verwehter Klang aus Cherubinenchören.
Maria, Mutter — Jungfrau benedeit
Inmitten aller Weiber du die eine,
Ganz eingetaucht in Himmelsseligkeit,
Ganz überstrahlt von deines Gottes Reine.
M. Herbert
238
WANDMALEREIEN IN DER ALTEN KIRCHE ZU GARMISCH
NEUALTGEDECKTE WANDMALEREI IN DER ALTEN KlKCHh ZL GAKMISi II
rtjtt 7i,iten
DIE WANDMALEREIEN IN DER > ALTEN KIRCHE« ZU GARMISCH
Von FRANZ X. BOGENRIEDER, Garmisch
Mit drei Originalaufnahmen von A. Adam, Buchdruckereihesitzer in Garmisch')
\Tach einem Umlauf von zwei Jahren hat
^ ^ die Garmischer »alte Kirche« im September
vorigen Jahres neuerdings ein großes Stück
des farbenreichen Kleides vorgekehrt, das sie
in vergangenen Jahrhunderten trug.
Diesmal wurden die Flächen an der Ost-
wand (links und rechts vom Chorbogen über
den beiden Seitenaltären) sowie rückwärts unter
der Empore an der Westwand der Kirche
bloßgelegt. Auch hier kamen reiche Male-
reien aus der Früh- und Hochgotik und aus
der Frührenaissance ans Licht.
Teile von Fresken aus den Jahren 1330 — 1350
hatten sich schon vor Jahrhunderten hinter
den rechten Seitenaltar geflüchtet und sind
dort jeder Ubermalung glücklich entronnen:
Christus am Kreuze, zu seiner Seite in früh-
gotischen, primitiven Schreinen St. Magda-
lena und St. Margaret.
In die gleiche Zeit gehört der frühgotische
Wimperg, der im Gewände des hl. Andreas
um eine Schicht von einem Zentimeter tiefer
als die erste Apostelserie zutage getreten ist.
') Vergl. dazu Christi. Kunst X, 3,S. 731T.
D e m n a c h w a r wohl d i e g a n z e O s t w a n d
bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts bemalt worden und jene Kreuzi-
gungsgruppe ersetzte augenscheinlich einen
Altaraufbau.
In den Jahren 1420 — 1440 ist darüber die
frühere der beiden Aposielserien entstanden,
der dann 100 Jahre später die zweite in an-
brechender Renaissanceart folgte.
Während die Malereien an der Epistelseite
noch sehr gut erhalten sind (Abb. S. 239)
zeigt die Evangelienseite durch den Versuch,
von der zweiten Malperiode möglichst viele
Farben zu retten, ein dem Laien vielfach un-
verständliches Bild (Abb. S. 238).
Die Vorwürfe beider Perioden sind einfach
und für jene Zeit gewohnt: der richtende
Christus sitzt inmitten seiner Apostel. Diese
stehen in dunkel grundierten Nischen, die
durch eine gefällige Architektur zu einem
Säulengang verbunden sind. Ihr Gesicht mit
den großen Augen ist ausdrucksvoll, das Ge-
wand, das in schlanker Schönheit an ihren
Gestalten niederfließt, reichgemustert.
WANDMALEREIEN IN DER ALTEN KIRCHE ZU GARMISCH
239
NEU ALI üLlltCKTE W ANUMALhKEI IN DER ALTEN KIRCHE ZU GARMISCH
Text S. 23s und iintni
Bewegter sind die Bilder zu ihren Füßen:
Auferstehung und Gericht, die Erfüllung der
Heilandsworte bei Matth. 25, 34. 41.
Rechts vom Richter die Auferstehung der
Guten und ihr Einzug in das Reich der Seligen.
Petrus öffnet die Himmelspforte, hinter der
Sonne, Mond und Sterne strahlen. Unter
der Türe stehend schaut er rückwärts gegen
den Chorbogen, wo die Seligen — unter
ihnen ein Geräderter — vom Todesschlafe
sich erheben und von einem Engel geleitet
freudig zur himmlischen Heimat ziehen.
Links vom Richter die Auferstehung der
Bösen und ihre Verwerfung. Mit flammendem
Schwert treibt sie ein Gesandter Gottes dem
ewigen Schicksal und Verderben entgegen:
dem weit geöffneten Höllenrachen, aus dem
lange Reihen zermalmender Zähne und heiße
Flammen glühenden Feuers Vergeltung und
Strafe drohen.
Diese Malereien zogen sich ursprünglich
über dem niederen schmalen Chorbogen hin.
Als dieser 1462 erhöht und erweitert wurde
und dabei die Bilder des hl. Johannes und
des hl. Petrus empfindliche Beschädigungen
erlitten, nahm der Meister, der in dieser Zeit
den Chor ausmalte, (in der Schrägung des
neuen Bogens) eine vorläufige, primitive Er-
gänzung vor. Die Einwölbung des Lang-
hauses 1522 vernichtete abermals zwei Bilder,
die beiden äußersten. Das gab Anlaß, die
ganze Wand im Geschmacke der beginnenden
Renaissance neu zu bemalen. Die Uneben-
heiten der ersten Malereien (u. a. die er-
haben gearbeiteten und in reichem Gold ge-
haltenen Nimben der Apostel) wurden in
roher, zerstörender Weise entfernt und die
neuen Malereien unmittelbar auf die alten
aufgetragen, die Bilder der Apostel kleiner
angelegt, zwei weibliche Figuren eingefügt
und die Auferstehung und das Gericht erhöht.
Ein Wappen im südlichen Scheidebogen,
weist uns auf den kunstliebenden Freisinger
Fürstbischof Philipp, Pfalzgraf bei Rhein,
unter dessen Regierung (1499 — 1541) die
letztgenannte Arbeit zur Ausführung kam-).
In das Jahr 1522 gehört auch das stimmungs-
volle Bild an der Empore am Westausgang
der Kirche: das Schweißtuch Veronikas (Abb.
S. 240) mit auffallenden Reminiszenzen an
Dürer. Die beiden Ecken an der Turmseite
und an der Nordwand füllen Blumen- und
Fruchtmotive.
Inzwischen haben im Chor der Kirche
Hammer und Spachtel schon wieder neue
Felder mit reichen Malereien aus den Jahre 1462
^) Die Grafschaft Werdenfels mit dem Hauptort Gar-
misch war bekanntlich ein Freisingisches Besitztum.
240
CARL lOHANN BECKER-GUNDAHL ^^
angebrochen. Mögen immerhin noch einige
Jahre verrinnen, bis die Mittel flüssig sind,
daß auch diese Auferstehung feiern dürfen,
schon heute fühlt sich jeder Besucher zu
höhrer Andacht <jezwungen und der reiche
Schatz, den er schaut und die Weihe, die
hier zu ihm spricht, läßt ihn die Glaubens-
innigkeit jener Zeit ahnen und ihren tiefen
Sinn für das Heilandswort: »Mein Haus ist
ein Bethaus« (Luc. 19, ^6).
CARL JOHANN BECKER-GUNDAHL
Zum 60. Geburtstag
/^arl Job. Becker Guiidalil trat am 4 April in das öo.Lebens-
, jähr als aufrechter, den einmal beschrittenen Weg
nicht verlassender Künstler, dessen Schaffen trotz ver-
schiedenartiger Widerstände als Gemeingut der Kunst-
geschichte die Jetztzeit überleben wird. Becker Gundahls
Kunst fand an dieser Stelle, im Maiheft des 2. Jahrgangs
(1905), genauere Würdigung. Die Winterausstellung
1905/06 der Secession, von der weg der bayerische Staat
für die Neue Pinakolliek das »Elternglück« erwarb,
lenkte dann besonders die Aufmerksamkeit auf den
Künstler. Seitdem sind 10 Jahre verflossen, die der
inneren und äußeren Kämpfe nicht entbehrten.
Becker Gundahl hat sich gefunden, eine gesunde Kunst
erstand wieder, die auf eigene Weise das in der Natur
Geschaute malerisch übersetzt. Es geht in diesem Sinne
z. Zt. das Hochaltarbild — Die Taufe Christi im Jordan —
für die Sollner Pfarrkirche der \'ol!endung entgegen.
Damit endigt eine Periode im Künstlerschaflen, wrr
können sie die zweite nennen, die abgelöst werden soll
von einer dritten, die für das nächste Jahrzehnt viel ver-
spricht.
Überschauen wir die seit der genannten VerötTent-
lichung erschienenen Werke. Nachdem die Bemalung
des Pavillons im Stadt. Ausstellungspark (Monatsbilder)
Gelegenheit zur Übung im Umgehen mit nassem Kalk
geboten hatte, erwuchs auf Grund der Sammel.iusstellung
von 1905/06 in den beiden folgenden Jaliren mit den
in Anordnung und .-Ausführung gleich eigenartigen
Bildern »Kommunion der Apostel« und »Hochzeit zu
Kana« in dem Querschifle der neuen St. Annakirche
in München erstmals die Aufgabe, sich mit der eigent-
lichen Freskomalerei abzufinden. BeckerGundahl müßte
nicht der Künstler sein, der er ist, wenn er nicht diese
Technik, in der sich die besten Meister der Zeiten
und Länder versuchten, liebgewonnen hätte. Zu ihrer
Bewältigung gab 1909 der durch eine Konkurrenz er-
rungene Aultrag, die Apside der Feuchter Kirche bei
Nürnberg auszumalen, Gelegenheit. Seitdem hat sich
der Künstler in der Wandmalerei, die bei dem monu-
mentalen Charakter seiner Kunst sein ureigenstes Gebiet
zu werden versprach, nicht mehr betätigen können.
Gleich bedauerlich ist die Ruhe des Grifitls, mit dem
er in der Schwarzweißkunst gediegene Proben ablegte.
Bis die Buchillustration den Weg zu den Beherrschern
der Zeichnung gefunden hat, müssen wir uns mit den
von Zeit zu Zeit auf den Secessionsausstellungen er-
scheinenden Studien begnügen.
In den letzten Jahren schuf BeckerGundahl, der seit
dem Oktober 1910 als Nachfolger seines Freundes und
Gönners Rudolf Seitz dessen Fach der dekorativen
Malerei an der Münchner Akademie der bildenden Künste
vertritt, verscliiedene Kreuzigungen. Eine, deren Abbil-
dung im Mittelstück unsere Zeitschrift brachte (V. Jg.,
S. 330), wurde auf Aufforderung hin für die Große
Deutsche Ausstellung in Stuttgart erweitert. Sie schmückt
heute die dortige Staatsgalei'ie. Eine zweite Kreuzigung,
von der die Kupferstichsammlung mehrere Studien
erwarb, liängt zum größten Teil fertig im Atelier. Sie
führt über zu der mit dem vollendeten Lebensabschnitt
einsetzenden neuen Arbeitsperiode, die der Künstler
seihst charakterisierte mit den Worten: »Von der Natur
ausgehend, in engerer Anlehnung an sie zu ihr zurück.«
Als Künstler, dem sich die Ausübung der christlichen
Malerei als Ausfluß des Heizensbedürfnisses ergibt, dür-
fen wir der Kreuzigung, auf der sich der Meister mit
seiner Familie in der Ait alter Votivbilder darstellt, mit
Spannung entgegensehen.
\V. Zils-München
.'iu-..:. ' ^-■■^n^'v ,-■ -iE&i.
VERONIKABILD
Trxi S. 239
ANTON PRUSKA
KRUZIFIXUS
Hauskapelle der Villa des Professors Wilhelm von Miller in Murnau. — Text S. 256
AXION" PRLSKA
DIE PARADIESESSTROME
Bfkro
nitng des Brunnfii^ z
0, dir St. Ann
ikirchi
n München
Text S. 24g. -
- Vgl. IX. Jg.
S.247
ANTON PRUSKA
Zu seinem 70. Geburtstage
Von GUSTAV LEVERIXG
(Mit 38 Abbildungen)
AUS dem bedauerlichen Tiefstand, in den die
Münchener Kunst nach der Hochblüte
unter König Ludwig I. um die Mitte des letzten
Jahrhunderts gesunken war, erhob sie sich —
und in ihrem Gefolge die gesamte deutsche
Kunst — in den siebziger Jahren unter dem
alles belebenden Einfluß des eben glorreich
beendeten Deutsch-Französischen Krieges, zu
neuem, raschem und mächtigem Aufschwung,
dessen Kurve seitdem, wenn auch unter man-
cherlei Schwankungen, eine unverkennbar auf-
steigende Richtung innegehalten hat.
Die Künstler, welche diesen rettenden Um-
schwung unter der Führung des Bildhauer-
Architekten Lorenz Gedon, des genialen Por-
trätisten Franz von Lenbach, des Erzgießers
Ferdinand von Miller und des erfindungs-
reichen Malers und Zeichners Franz von Seitz
mit zielbewußter Energie einleiteten, fanden
sich bezeichnenderweise auf dem Boden des
Kunstgewerbes zusammen. Der Münchener
Kunstgewerbeverein, der, schon in den fünf-
ziger Jahren gegründet, bis dahin nur kümmer-
lich vegetiert hatte, wurde der fruchtbare
Boden, aus dem diese Neubelebung der Mün-
chener Kunst und zugleich des Kunstgewerbes
hervorsproßte. Bildete so dieser Verein ge-
wissermaßen die Werkstätte, in der sich diese
aufstrebende Künstlergruppe zu realer Betäti-
gung ihrer idealen Ziele vereinigte, so war der
seitdem weithin berühmt gewordene Künstler-
klub »Allotria« das Feld, auf dem, unter der
Pflege einer edlen Geselligkeit, in geistvollen,
oft von sprudelndem Humor gewürzten Ge-
nie christliche Ku
242
ANTON PRUSKA
ANTON PRUSKA
An der Wand des südliche
Teiles des Querschiffes in St. Ann
MARIA VERKÜNDIGUNG
(München). — Text S. !S4
sprächen, ein lebendiger Austausch über künst-
lerische Fragen und Ideen stattfand, derüberaus
fördernd und befruchtend auf die Entwick-
lung der neuen Kunstrichtung einwirkte. Den
Bestrebungen der Urheber dieser Bewegung
schlössen sich bald eine große Zahl jüngerer
Kräfte an, wie der spätere Altmeister echt bave-
risch-deutscher Baukunst, Gabriel von Seidl,
der geniale und vielseitige Maler Rudolf
von Seitz, der jüngere Ferdinand von Miller,
Fritz August von Kaulbach, Baumeister Romeis
und viele andere; sie setzten das von den
älteren Meistern begonnene Werk mit jugend-
lichem Mut, unermüdlicher Tatkraft, zäher
Ausdauer und — glücklichstem Erfolg fort.
Den ersten sichtbaren Markstein der neuen
Ära bildete die große Münchener Kunstge-
werbeausstellung des Jahres 1876; sie war
gewissermaßen der Auftakt zu dem glänzen-
den Siegeslauf, den die Münchener Kunst
und das Münchener Kunstgewerbe von da
an genommen hat.
Unter den Künstlern dieses Kreises befand
sich ein junger Bildhauer, Anton Pruska, der
sich mit Feuereifer der neuen Bewegung an-
schloß und sein ganzes Streben, seine Kraft
und sein Können einsetzte, um an der Lösung
der großen Aufgabe mitzuwirken, und ihm
gebührt unzweifelhaft ein bedeutender Anteil
daran, daß das Ziel so ruhmvoll erreicht
wurde.
Pruska ist, wie so mancher unserer be-
deutenden Künstler, aus einfachsten ländlichen
Verhältnissen hervorgegangen. Er wurde am
I.Juni 1846 in dem kleinen deutsch-böhmi-
schen Ortchen Goldbrunn geboren, als der
Sohn des Pächters des dortigen, im Besitz
des Kaisers von Österreich befindlichen
Mineralbades. Schon früh zeigte der Knabe
einen unbezwinglichen Drang und ein un-
verkennbares Geschick, aus Holz oder Ton
allerlei Figuren zu schnitzen und zu formen.
Ein regelmäßig nach Goldbrunn wiederkeh-
render Badegast, der K. u. K. Oberstlandes-
gerichtspräsident, Freiherr von Hennet, be-
obachtete das Treiben des aufgeweckten
Knaben, faßte Interesse für ihn und veran-
laßte den Vater, seinen Sohn in eine Gold-
schmiedewcrkstätte zu geben, um zu erproben,
ob das gezeigte Talent sich als echt bewähre.
So kam der 1 2 jährige Anton nach Karlsbad
in die Werkstätte des eines gewissen Rufes
ANTON PRUSKA
243
ANTON PRÜSKA
An der Wand des südliche
Teiles des Querschiffei
CHRISTI GEBURT
in St. Amia (München). — Text S. ij4
als geschickter Goldschmied genießenden
Meisters Barton; in seiner Werkstatt wurden
alle Arten feinerer Metallarbeiten von dem
einfachsten Kettchen bis zu kunstvoll gear-
beiteten, meist kirchlichen Geräten und Figuren
verfertigt. Hier übte der junge Pruska sich
fleißig im Schnitzen kleinerer figürlicher Gegen-
stände; zugleich beobachtete er, so jung er
noch war, das ganze kunstgewerbliche Han-
tieren des vielseitigen Betriebes mit ofli"enen
Augen. Er lernte den Nutzen einer tüchtigen
handwerksmäßigen Schulung kennen, die
schließlich doch die unentbehrliche Grund-
lage alles künstlerischen Schaff"ens bildet, die
Bedeutung des Materials für die Eigenart
eines Kunstwerks würdigen und den Wert
einer exakten Ausführung schätzen. Wenn
Pruska in seinem späteren künstlerischen
Schaffen eine ausgesprochene Vorliebe für
kunstgewerbliche Arbeiten behielt und schließ-
lich auf diesem Gebiet eine so außerordent-
lich ersprießhche Lehrtätigkeit entfaltete, so
mag dies nicht zum wenigsten auf die Er-
fahrungen während seines Aufenthaltes in
der schlichten Goldschmiedewerkstätte zurück-
zuführen sein. Seinem Drang nach Höherem
konnten indessen die immerhin primitiven
Verhältnisse hier auf die Dauer nicht genügen.
So nahm er denn den Vorschlag seines
Gönners, des Freiherrn von Hennet, der ihm
zeitlebens in väterlicher Freundschaft zugetan
blieb, in das Atelier des renommierten Bild-
hauers Emanuel von Max in Prag als Lehr-
ling einzutreten, dankbar an. Dieser tüchtige
Meister — übrigens ein Onkel unseres Ga-
briel von Max — der sich des Rufes eines
der bedeutendsten zeitgenössischen böhmi-
schen Künstler erfreute, und der u. a. der
Schöpfer der berühmten Gruppe der beiden
Heiligen Kyrill und Methodus in der Tein-
kirche zu Prag ist, führte Pruska in die Grund-
elemente der Bildhauerkunst ein; auch hier
wurde vor allem das Handwerksmäßige betont;
er lernte modellieren und die Bearbeitung
des Steins mit Meißel und Hammer gründ-
lich kennen. Auch bildete sich sein Auge
für harmonische Verhältnisse und für die
Gruppierung der Massen an dem gegebenen
Material; doch blieb die Ausbildung insofern
etwas einseitig und lückenhaft, als verschie-
dene Zweige der Bildhauerkunst fast gar
nicht gepflegt wurden, z. B. die Ornamentik,
244
^ ANTON PRUSKA eas
AXTON PRUSKA
A'i der Wand des nördlichen Teiles des Querschiffei
DIE HEILIGEN BARBARA UKD KATHARINA
St. Anna (München). — Text S. IS 4
die bei den damals herrschenden Anschau-
ungen vernachlässigt, ja verächtlich behandelt
wurde. Desto eifriger gab sich der angehende
Kunstjünger auf der Prager Akademie dem
Studium der Antike hin und hier war es
auch, wo er durch unablässig fleißiges Zeich-
nen nach dem lebenden Modell den Grund
legte zu seinereminenten Kenntnisdes mensch-
lichen Körpers, die seine späteren Arbeiten
so hervorragend auszeichnet.
In dem Herzen des ideal angelegten Jüng-
lings lebte jedoch eine stille Sehnsucht nach der
als Eldorado gepriesenen Kunststadt München
und ihrer Akademie, deren Ruf schon damals
in alle Welt gedrungen war. Sobald er durch
exemplarische Sparsamkeit die ihm erforder-
lich scheinenden Mittel zusammengebracht
hatte, wanderte er im Jahre 1868 wohlgemut
und erwartungsvoll über den Bayerischen Wald
nach dem schönen Isarathen. Nach Ablegung
einer strengen Prüfung, die er mit Auszeich-
nung bestand, wurde er auf der Akademie
willkommen geheißen und in das Atelier des
Professors Max Wiedenmann, eines ehemaligen
Schwanthaler-Schülers, aufgenommen. Hier
machte er eine streng systematische Schulung
durch. Auf der Münchener Kunstakademie
herrschte damals ein gewisser Doktrinarismus,
245
HAUPTPORTAL DER NEUEN ST. ANNAKIRCHE IN MÜNCHEN
MIT DEN TYMPANON- UND KAPITÄLSKULPTUREN
VON ANTON PRUSKA
V^l. die AU: S. 246 n,td 247. - Text S. 24q
246
ANTON PRUSKA
ANTON I'RUSUA
DIE SELIGEN (191;)
Rtchten Christi. Muschelkalk. — kgl. S. 243
der einer freien Entfaltung künstlerischer
Ideen und persönlicher Eigenart nicht allzu
günstig war. Man hielt sich streng an die
Werke der antiken Kunst und war noch stark
in den Traditionen des Klassizismus befangen,
dessen Meister, besonders Schwanthaler, als
unerreichbare Vorbilder gepriesen wurden.
Demgegenüber mußte dem aufstrebenden
Kunstjünger das frisch pulsierende Leben,
das sich gerade damals in dem Kreise der
Künstler des Kunstgewerbevereins zu regen
begann, besonders reizvoll erscheinen und
ihm weit mehr Förderung seiner künstleri-
schen Ziele versprechen als der etwas pedan-
tische Lehrgang der Akademie. So lockerten
sich, obwohl Pruska stets eine unbegrenzte
Verehrung für seine Lehrer an dieser Hoch-
schule und besonders für den ihm väterlich
wohlgesinnten Altmeister Moritz von Schwind
bewahrte, allmählich seine Beziehungen zu
der Akademie und als nun seine Ersparnisse
zu Ende gingen und er gezwungen war, für
seinen Lebensunterhalt zu sorgen, da wandte
er sich entschlossen praktischen Arbeiten zu. Er
trat in das Atelier des Professors Johann Hirth
ein, wo er reichlich Gelegenheit hatte, sich
in den verschiedensten Zweigen und Tech-
niken der bildenden Kunst und des Kunst-
gewerbes auszubilden und sich an dem ver-
schiedenartigsten Material zu üben. Hirth
war damals stark mit Arbeiten figürlicher und
ornamentaler Natur für die Schloßbauten
König Ludwigs IL, namentlich fürden »Linder-
hof« beschäftigt und Pruska hat an einem
großen Teil dieser prunkvollen dekorativen
Ausstattungskunst mitgearbeitet.
Eine entscheidende Wendung in dem künst-
lerischen Werden Anton Pruskas brachte das
Jahr 1873. Lorenz Gedon, der geniale Führer
der neuen Kunstrichtung, hatte den jungen
Künstler schon längere Zeit beobachtet und
ihn auch wegen seiner liebenswürdigen per-
sönlichen Eigenschaften schätzen gelernt. Er
ersuchte Pruska, in sein Bildhaueratelier ein-
zutreten und dieser fand sich mit Freuden
dazu bereit. Gedon war damals mit der Aus-
führung des Baues der Schackgalerie beschäf-
tigt, jener Schöpfung, die mit einem Schlag
einen vollständigen Umschwung in der Mün-
chener Architektur hervorrief, eines Renais-
sancebaues, nicht nach der hergebrachten
italienischen Schablone, sondern mit neuem
Leben von echt deutschem Charakter erfüllt.
Man hat später, als sich diese neue Bauart
eingebürgert hatte, nichts Außerordentliches
mehr an diesem Bau gefunden ; ja man hat
ihn in der Folge, wohl nicht ganz mit Un-
recht, hauptsächlich wegen seiner unruhigen
Silhouette, stark kritisiert; damals aber be-
deutete er eine befreiende Tat, die der Ode
der Bauten jener Zeit ein rasches Ende be-
reitete und die in ihren Folgen von epoche-
machender Bedeutung war. Der Bau erfor-
derte an der Außenseite und im Innern reichen
plastischen Schmuck. Gedon übertrug einen
Teil sowohl der figürlichen als der ornamen-
talen Arbeiten an Pruska, der es ausgezeichnet
verstand, sich in die Ideen und Gedanken
des Meisters einzuleben und ihnen, unter
Waiirung seiner persönlichen Eigenart, tref-
fenden Ausdruck zu geben. So ist Pruska
einer der verdienstvollsten Mitarbeiter an die-
sem originellen Bau geworden. Auch an den
späteren Bauten Gedons, die sich immer mehr
vervollkommneten, hat l^ruska, ebenso wie
an seinen rein bildhauerischen Arbeiten, den
e^«:! ANTON PRUSKA ^S
247
ANTON PRUSKA
Fries am Hauplporlal von i/. A'in.i
Dil; \i:kijamm'ii;x (1913)
zur Linken Christi. Muschelkalk. — Vgl. S. ^4S
tätigsten Anteil genommen. Die große Viel-
seitigkeit, die Pruska, besonders auf kunst-
gewerblichem Gebiet, auszeichnet und die ihn
für seine spätere Lehrtätigkeit an der Kunst-
gewerbeschule so hervorragend geeignet er-
scheinen ließ, hat er sich
im wesentlichen in Gedons
Atelier erworben.
So war Pruska durch sei-
nen Eintritt in dieses Atelier
mit einemmal mitten in die
neue Kunstströmung hinein-
gezogen; denn Gedons Ate-
lier bildete den Mittelpunkt
für Münchens neues künst-
lerisches Leben. Hier trafen
sich die führenden Meister;
hier wurden alle Fragen über
Kunstprobleme auf das leb-
hafteste erörtert, neue Pläne
geschmiedet und große Ent-
würfe ausgearbeitet. Man
kann sich denken, welchen
Eindruck dieser geistige Aus-
tausch auf den jungen Künst-
ler machte und welch tiefe
Wirkung er auf seine ganze
Auffassung der Kunst aus-
übte. Hier hat er alle Phasen
der stürmischen Entwicklung
Kunst mitgemacht und mitgekämpft. So reifte
Pruska in dem Atelier Gedons zum fertigen,
in sich abgeschlossenen und sich seiner Kraft
und Eigenart bewußt gewordenen Meister
heran. Zehn Jahre lang, bis zum Tode Ge-
dons (1883), blieb er des verehrten Meisters
treuester Mitarbeiter. So innig und freund-
schaftlich hatte sich das Verhältnis zwischen
. PRUSKA, DER SEELEN WAGER, 19
In der Mitte zivischen obigen Gruppen
Vgl. S. 24S
der Münchener
beiden gestaltet, daß Pruska sich berufen
fühlte, nach dem Hingang des Meisters dessen
unfertig hinterlassene Werke im Sinne des
Verblichenen pietätvoll zu vollenden.
Dann machte sich Pruska selbständig; er
gründete ein eigenes Atelier
und entfaltete eine ausge-
breitete rastlose Tätigkeit,
hauptsächlich auf dem Ge-
biete des Kunstgewerbes. Mit
Vorliebe machte er Entwürfe
zu Metallarbeiten, die ihn
wieder seinen ersten künst-
lerischen Versuchen in der
Goldschmiedewerkstätte nä-
her brachten. Seine Modelle
in Beleuchtungskörpern, die
meist in der schon damals
Weltruf genießenden Bronze-
warenfabrik von L. A. Rie-
dinger in Augsburg ausge-
führt wurden, machten auf
mehreren Ausstellungen,
auch in München, berechtig-
tes Aufsehen und trugen ihm
staatliche Auszeichnungen
ein. In diese Zeit fällt die
Ausführung der prachtvollen
Bismarck-Adresse der Stadt
München, die Pruska nach einem Entwurf
des ihm nahe befreundeten Professors Ru-
dolf von Seitz anfertigte und die die leb-
hafte Anerkennung des Eisernen Kanzlers fand.
Nebenher aber gingen immer größere archi-
tekturplastische Arbeiten. So schuf er für das
von Professor Romeis erbaute Liebig-Palais in
Frankfurt a. M. mehrere dekorative Plastiken,
inbesondere einen reizenden Kaminaufsatz, an
24S
ANTON PRUSKA HERZ JESU
Am Christiisallar in St. Anna zu München. — Ttxt S- 2S4
ANTON PRUSKA MADONNA AUF DEM THRONE
Hauptfigur des Marienaltares in der St. Annakirche zu IVlünchen. — Text S. 254
^a ANTON PRUSKA ©aa
249
dem auch Pruskas humoristische Ader zur
Geltung gehängte (Abb. S. 261).
Im Jahre 1892 erhielt Pruska ein höchst
ehrenvolles Anerbieten. Geheimrat Wallot,
der für die Durchführung des riesenhaften
Baus des Reichstagsgebäudes kongeniale künst-
lerische Mitarbeiter brauchte und der den
Münchener Künstler Anton Pruska, dessen Ruf
schon über die Grenzen Bayerns hinaus gedrun-
gen war, hochschätzte, bot ihm an, einen
größeren Teil des plastischen Schmucks des
R.eichstagsgebäudes auszuführen. Pruska hätte
sich auf wenigstens drei Jahre verpflichten
und seinen Wohnsitz nach Berlin verlegen
müssen. So verlockend und auszeichnend
dieser Vorschlag für unseren Meister war,
so konnte er sich doch nicht entschließen,
München, seine ihm teuer gewordene zweite
Heimat, zu verlassen und sich aus dem Kreise
seiner Genossen und Freunde und von den
Arbeiten loszulösen, mit denen er damals
geradezu überhäuft war und die ihm ihrer
Natur nach S3mipathischer sein mochten, als
die Aufgaben für das Reichstagsgebäude; trotz-
dem hat Pruska für diesen Bau eine Reihe
dekorativer Arbeiten geliefert: die plastische
Ausstattung des stimmungsvollen kleinen
Restaurationssaales z. B. ist ausschließlich von
seiner Hand.
In Gedons Atelier hatte Pruska den fast
gleichalterigen Baumeister Gab rielSeidl kennen
gelernt. Beide Männer, von gleichem Streben
erfüllt und denselben künstlerischen Ideen
huldigend, fanden sich rasch. Seidl, der sich
auf der Kunstgewerbeausstellung von 1876
mit seinem »altdeutschen Zimmer« die ersten
Sporen verdient hatte und der inzwischen
durch seine epochemachenden Bauten schon
ein berühmter Architekt geworden war,
erkannte in Pruska die Persönlichkeit, welche
geeignet war, seinen architektonischen Schöp-
fungen durch die Plastik die letzte Weihe
und Vollendung zu geben. Der neue, von
Seidl ins Leben gerufene Baustil, der die
deutsche Renaissance und besonders das baye-
rische Barock wieder zu Ehren brachte, er-
forderte reichlichen plastischen, sowohl figür-
lichen als ornamentalen Schmuck und zu
keiner Zeit waren vielleicht Architektur und
Plastik so sehr zu gemeinschaftlichem Zu-
sammenarbeiten aufeinander angewiesen, wie
in den beiden letzten Dezennien des vergan-
genen Jahrhunderts. Das erste große Bauwerk,
für das Seidl Anton Pruska zur Mitarbeit ge-
wann, war die romanische St. Annakirche in
München. Für Pruska war dieser Stil bisher
ziemlich fremd gewesen und es erforderte
ein intensives Studium, um sich in seinen
A\ ILIX l'KL'M^A
ll-'ü A/il: S. i44
Formen einzuleben und sie zugleich mit dem
Geist der neuen Zeit zu erfüllen. Wie glück-
lich dies Pruska gelungen ist, beweist die
vollendete Harmonie, zu der sich seine pla-
stischen Schöpfungen mit der Architektur des
Baues vereinigen. Wie hebt z. B. das Tym-
panon über dem Hauptportal mit Christus
als Weltenrichter und der sich unter ihm
hinziehende Fries des Jüngsten Gerichts den
Eindruck der machtvollen Fassade, wie stim-
mungsvoll fügt sich der Brunnen vor der
Westseite mit den symbolischen Gestalten
der vier Flüsse des Paradieses dem Ganzen
ein! Auch die figürliche und ornamentale
Die christliche Kui
250
A. PRUSKA, HL. AUGUSTIN
A. l'KUSKA, HL. ÜRLGUR ü. GR.
St. Annakirche in München
251
A. i'KL^KA, IIL. BASILIUS
A. PRUSKA, HL. GREGOR V. N.
St, Annakirche In MUmhen
232
A. PRUSKA, HL. HIERONVMUS
A. PRUSKA, HL. A.MBROSllS
Si. Annakirche in München
253
A. PRUMvA, IIL. i. ^.i^Kl^o^,lO.\IL;s
A. PRUSKA, HI . ATHAXAMLS
Sl. Antiakirche in München
2S4
<srM ANTON l'KUSKA G;.M
V, fKV\l\\, H\VA>-A N
VN l'tK «Kl. NNMK VV.t
Ausstattung ck-s linu-in wiinU- l'iiislwi last
{;anz übertr.if.fii. I'r ist ilcr SclmplLT der
Plastiken des lloclialtars, des Ciliristusaltars,
lies ergreifenden Kriizilixns über dem Joscphs-
;iliai inul der sicr lieiligenliguren, welche
du- W'.uui d.iiiilHi in M) meisterhafter Weise
j'Jii'ilern; ebenso siiul die griißen Medaillons
der aeht Kirchenväter an den Wanden des
Mitielschilfs von seiner Hand. Das Meister-
werk l'rnskas in diesem (icnteshaus ist jedoch
A\c ihroneiule Madonna mit dem Kinde am
Maiunaltai, die ims in ihrer ernsten I.ieb-
hvhkcii nni andachtsvoller lihrfiircht erfüllt
(Abb S .'ji bis .'>;; und 2. Sonderbeilage)').
\\ iini uns m ilem luu bgewi'ijbten Innern
dei St. Annakirche eine weihevolle Stimmung
ergreilt, so beiiiht dies nicht zinii wenigsten
anl dei\ von tiefer Religiosität erfidlten Ge-
stalten l'rnskas. Noch heute ist dieser Meister
nut l'ri>iekten fiU' die weitere plastische Atis-
gestalinng des Innern dieser Kirche beschäftigt;
so plant er die Ausschntückung der Nische
des Josephsaltars mit den Statuen von acht
l'ri>nhetcn, die sich zwischen einer jonisclien
Sänlcnstelhmg gruppieren sollen,
Puich seine .\rbeiten an der St. Annakirche
kam Tiiiska in nähere Hei-iehungen lu der
kirchlichen Kin»st, die von ihm wahrend der
gaui^en Dauer seines künstlerischen SchatVens
mit Liebe imd Hingebung gepflegt wurde. AulJtT
i-ahlreichen kleinplastischeu Arbeiten in ver-
schiedenstem Material, wie Kruzifixen, Heili-
genfiguren, vitualen Geräten usw. in der kunst-
gewerblichen Art, .scluif er in einer stattlichen
Reihe itevier oder in der WiederherslcUung be-
grirtVuer Kirchen grC^liere selbstätxdige Kunst-
werke, Hierbei kau» ihn\ .seine intime Kcnnt-
ni.s der früheren Stilavten trertlich zustatten;
sie helähigte ihn, Kirchen der verschiedensten
Haufinn\en mit der ihrem architektoinischen
(Charakter entsprechenden Plastik ausaustatten,
li\ München hat JVuska außer der St. Anna-
kirche noch mehrere Gotteshäuser, entweder
an der AuL'enseite oder im Innern, mit onu-
mentalem und tigürlichetu Schtuuck versehen.
Uer l'assade der von lVv>fessor Romeis er-
batvten, ebenfalls r\>mauischen St. Hennokirche
gibt iVuskas viberlebensgt\>lV Kreuzigung?;-
gruppe in> Giebelfeld einen erhabenen und
erhebenden Abschluß (Abb. S, 25 %). Für den
Hochaltar der twj v<>n Gabriel v<>n Seidl er-
bauten Rupertviskirv^he schuf IVuska die kolost-
sale sitaende Statue dieses gr\>l»»eu Missionars
der Havert\ ; sie ist in Oberamn^evgatt aus dem
Stamm einer n\ehr als tausendiaht igen l tnde
geschnitist wwden, detfu erates Wachstum
I
eai AXrcx ??tC?AA ler:?
^w» .4kinK .'►•
256
©^ ANTON PRUSKA ®^
korinthischen Säulen flankierte Nischen. Die
mittlere, breitere Nische zeigt das Reiterstand-
bild des heiligen Georg, wie er den Dra-
chen tötet, in außerordentlicher Lebendigkeit
und Naturtreue und doch streng in dem
durch die Architektur der Kirche gebotenen
Stil (Abb. S. 259). Die beiden Heiligen der
Seitennischen, der heilige Ludovicus und der
heilige Ernestus, ergänzen das Mittelstück in
der glücklichsten Weise. Für die Hauskapelle
der Villa des verstorbenen Professors Wilh. von
Miller in Murnau schuf Pruska einen ergrei-
fenden und doch überraschend naturalistisch
aufgefaßten Christus am Kreuz, der auch für
den bereits erwähnten Kruzihxus über dem
Josephsaltar der St. Annakirche als Modell
diente (vgl. i. Sonderbeil.). Auch außerhalb
Münchens verfertigte unser Meister bildne-
rischen Schmuck für mehrere Gotteshäuser.
So sind die in Sandstein ausgeführten fünf
Relieftafeln der gotischen Alexanderkirche in
Zweibrücken, die in ergreifender Weise Szenen
aus der Leidensgeschichte des Herrn darstellen,
Werke seiner Hand. Auch die Kirche in
Schweinfurt erhielt durch Pruskas Statuen von
fünf Patriarchen eine hervorragende Berei-
cherung.
Nahe verwandt und fast ebenso reich wie
seine Leistungen in der kirchlichen Kunst
ist Pruskas Tätigkeit auf dem Gebiete der
Grabmalkunst. Hier verstand es der Meister
stets vortrefflich, das Kunstwerk in Form
und Material der Stimmung der Umgebung
auf das glücklichste anzupassen. Unter den
zahlreichen Grabmonumenten Pruskas ist in
erster Linie die Madonna mit dem Kind an
dem von Gabriel von Seidl erbauten Familien-
grab des Großgärtners Buchner auf dem Süd-
lichen Friedhof in München zu nennen. Die
in der Erzgießerei von Miller gegossene, über-
ANTON PRUSKA
iMAlUA UKD lOHAXN'ES UN'TKR DEM KREUZ
^ ANTON PRUSKA ^
257
ANTON PRUSKA
TonmodeU :
der St. Bennokirclie
Vgl. Aii. S. 2JJ ,md !J6.
KRUZIFIXUS
tt S. 254
lebensgroße Bronzefigur der Gottesmutter im
Strahlenkranz auf der Mondsichel, steht auf
einer von einem reich geschmückten Kapitell
gekrönten Säule in ernster Hoheit, das ganze
Monument überragend. Der überaus lieb-
liche und doch tiefernste Gesichtsausdruck
der Himmelskönigin wirkt zugleich tröstlich
und erhebend. Bemerkenswert ist auch die
Wappentafel in Bronze, von Pruska nach
einem Entwurf von Professor Hupp model-
liert, für das ebenfalls von Gabriel von Seidl
erbaute Grabmal des Freiherrn von Hörn im
Nördlichen Friedhof. Eines der eindrucksvoll-
sten Werke Pruskas ist die Pieta an dem Grab-
mal für die Eltern Professor Theodor Fischers in
Schweinfurt. In den engen Raum einer nie-
drigen, langgestreckten Nische, die von einer
von Professor Fischer selbst entworfenen Um-
Dle christlich.; Kunst. XII.
258
^ ANTON PRUSKA ©^
AXTON PRUSKA
ZWEI PROPHETEX (HOLZ, 1909)
rahmung aus gotischem Maßwerk umschlos-
sen wird, ist die Gruppe — der von zwei
knienden Engeln am Kopf- und Fußende
gehaltene, liegende, in vorzüglicher Anatomie
ausgeführte Leichnam des Herrn und die
hinter ihm kniende, in Schmerz aufgelöste
Gottesmutter — mit größter Meisterschaft
hineinkomponiert. Ein überaus stimmungs-
volles, wie ein Genrebild anmutendes Relief
ist die Halbfigur der Madonna mit dem Kinde
an einem Grabmonument imMünchenerWald-
friedhof
Kehren wir zur profanen Kunst zurück, so
stoßen wir zunächst wieder auf ein Bauwerk
Gabriel von Seidls, zu dessen monumentaler
Wirkung die Mitarbeit Pruskas wesentlich
beiträgt: das Künstlerhaus in München. An
der dem Lenbachplatz zugekehrten Front des
Hauptbaues sind drei von Pruska entworfene,
in Ton gebrannte, mächtige Kartuschen an-
gebracht: das in eine, feinste Übereinstim-
mung mit der Barockarchitektur des Hauses
zeigende Umrahmung eingesetzte, von vier
Putten gehaltene, große Künstlerwappen und
zwei, die Musik und die frohe Geselligkeit
symbolisierende, reich umrahmte Schilder.
In dem großen Saal, diesem schönsten Fest-
saal Münchens, hat Pruska mehrere der die
Decke und die Balustrade tragenden Karya-
tiden, sowie die Plastik der monumentalen
Uhr modelliert.
Der Höhepunkt des gemeinsamen künst-
lerischen Schaffens der beiden kongenialen
Meister ist an dem Neubau des National-
^^ ANTON PRUSKA ^;^
259
AXION TKUSKA
Anttelteil ,
Seitenaltars eier lilargaretJtejtkircke .
HL. GEORG (MODELL)
','Sendling. — Text S. 2j6
museums erreicht worden, der um die Wende
des 19. Jahrhunders vollendet wurde. Hier
ergänzen sich Architektur und Plastik zu voll-
endeter Harmonie. Der Architekt, vor dessen
geistigem Auge das fertige Bild eines Baues
steht, wird in seinen Entwürfen auch in all-
gemeinen Grundzügen die plastischen Werke
festlegen, die er zur harmonischen Gestaltung
des Bauwerkes für notwendig erachtet.
Die schwierige Kunst des Architekturplasti-
kers besteht darin, sich auf das intimste in
die Absichten des Baumeisters einzufühlen
und doch seine eigene Art kräftig zu be-
wahren. Diese versteht Pruska in geradezu
vorbildlicher Weise. Niemals wirkt seine
Plastik störend; im Gegenteil: sie hebt stets
den Gesamteindruck des Ganzen; und doch
sind seine Schöpfungen selbständige Kunst-
werke, die in ihrer derben und doch gra-
ziösen, von echt deutschem Geist durchdrun-
genen Eigenart, den freischaffenden Meister
bekunden. Betrachten wir in diesem Sinne
26o
^ ANTON PRUSKA
"~ — 'TTiiiiianiwhiiiriiiiiiiiiririiiMinnniiiiiiTMirriMnimfi
ANTON PRUSKA
DIE HEll.lGhN WENDELIN UND LtOXllAKD (TERKAKÜ ITA)
P/eiUrrt'lief für ein Okono))iiegebdude des Schlosses Klingeiiberg
die Fassade des Mittelbaues des National-
museums'), der die überragende Dominante
des ganzen Bauwerks bildet, so wird man
gestehen müssen, daß gerade hier die Plastik
die unentbehrliche Ergänzung der Architektur
ist und ihr erst zur vollen Wirkung verhilft.
Nennt man die beiden Hauptschöpfer des
Nationalmuseums, Gabriel von Seidl und
Rudolf von Seitz, so darf der Name Anton
Pruskas, als des Dritten im Bunde, nicht ver-
gessen werden. —
Noch an vielen anderen monumentalen
und Privatbauten Gabriel von Seidls hat
Pruska mitgearbeitet;
in allerneuesterZeit hat
er für den Rathausbau
in Bremen(Abb. S. 263),
dessen Vollendung
Seidl nicht mehr erle-
ben durfte, zahlreiche
ornamentale und figür-
liche Arbeiten geliefert.
Auch für andere, ja man
darf sagen, für die mei-
sten der großen Bau-
meister Münchens, hat
Pruska an ihren bedeu-
tendsten Bauten mitge-
arbeitet: Für Professor
Romeis, mit dem er
eng befreundet war,
schuf er u. a. ein gro-
ßes Relief am Liebig-
Haus in Frankfurt a. M. ;
') Abb. im IX. Jahrg.,
S. 268, z. T. auch im I. Jahrg.
für Professor Emanuel von Seidl mehrere
ornamentale Plastiken an dem Hohenzollern-
schloß bei Hechingen in Sigmaringen; für Pro-
fessor Friedrich von Thiersch, neben vielem
anderen, interessante Masken als Schlußsteine
an den Fensterumrahmungen des Ergänzungs-
baues der Technischen Hochschule; für Pro-
fessor Hocheder am Neubau des Verkehrs-
ministeriums die beiden reizenden Früchte-
träger über dem Hauptportal an der Mars-
straße (Abb. S. 262). Besondere Erwähnung
verdient noch Pruskas Mitarbeit an den Schloß-
bauten des Architekten Max Ostenrieder;
z. B. an dem grandio-
sen Schloß Hohen-
aschau des Freiherrn
von Cramer-Klett und
vor allem an dem Neu-
bau des Großherzog-
lichen Schlosses Col-
mar-Berg in Luxem-
burg; an letzterem ist
ein großer Teil der
Außenplastik und der
Innenausstattung der
prachtvollen Säle von
Pruskas Hand, u. a. die
reichstukkierte Decke
des Empfangssaales, de-
ren Mittelstück eine
freie Nachbildung des
Reichssiegcls Kaiser
Adolfs von Nassau dar-
stellt. Eine der rei-
zendsten Arbeiten Prus-
kas ist die Madonna
I'FEII.ERSCH.MUCK
ANTON PRUSKA ®^
261
ANTON PRUSKA
nrelie/ im Liebigpaln
nk/urt a. M. — Text S. 24g
KINDERFRIES
mit dem Kinde in der Krone eines stilisierten
Apfelbaumes, der den Eckpfeiler eines Privat-
hauses in der Brunnstraße in München bildet
(Abb. S. 254). Der Mittelbau des von Ober-
baurat von Mellinger erbauten Armeemuseums
hat durch die vier mächtigen, von Pruska mo-
dellierten Waffentrophäen der Attika einen
imposanten Abschluß erhalten. Die Liste der
architektur- und der freiplastischen Werke
Pruskas ließe sich leicht noch verlängern.
Mit dieser, fast die Leistungsfähigkeit eines
Menschenlebens übersteigenden Tätigkeit ist
das Wirken Anton Pruskas keineswegs er-
schöpft. Eine der verdienstvollsten Seiten
seines Lebenswerks ist seine, von außerordent-
lichem Erfolg begleitete, fast 20 Jahre währende
Lehrtätigkeit an der K. Kunstgewerbeschuie
in München. So ungern der vielbeschäftigte
Meister seine freie Künstlertätigkeit aufgab,
so entschloß er sich doch nach längerem
Zögern, dem Drängen seines Freundes Romeis,
der selbst als Lehrer an dieser Anstalt wirkte,
und der das ungewöhnliche Lehrtalent Pruskas
erkannt hatte, nachzugeben und den ihm an-
gebotenen Lehrstuhl anzunehmen. Im Jahre
1895 wurde Anton Pruska zum Professor an
der K. Kunstgewerbeschule ernannt und ihm
die »Abteilung der dekorativen Plastik« über-
tragen. Die außerordentliche Vielseitigkeit
und die Beherrschung der verschiedenartig-
sten Techniken, die sich Pruska im Laufe
der Jahre auf kunstgewerblichem Gebiet er-
worben, bildeten jetzt einen kostbaren Schatz
für seinen Lehrberuf In seiner Klasse, die
stets stark frequentiert war, wurde in Ton
modelliert, in Holz geschnitzt, in Stein ge-
meißelt und die verschiedensten Arten der
Metallbearbeitung gelehrt. Pruska verstand
es vorzüglich, die verschiedenen Techniken
klar und deutlich zu demonstrieren und vor
den Augen des Schülers selbst auszuführen,
was ihm eine entschiedene Autorität ver-
schaffte. Vor allem wußte Pruska zu indivi-
dualisieren und das dem Eleven Eigenartige
aus ihm herauszuholen. Bei aller Strenge
erwarb er sich durch Unparteilichkeit und
seine mit Wohlwollen gepaarte Liebenswür-
digkeit die Liebe und Verehrung seiner Schüler.
Im Laufe der Jahre ist aus seiner Schule eine
große Zahl trefflicher Meister hervorgegangen,
die des verehrten Lehrers dankbar gedenken ;
es ließen sich leicht eine Reihe von Namen
nennen, die guten Klang haben; hier sei nur
erwähnt: Professor Wackerle, der ausgezeich-
nete Keramiker, heute an leitender Stelle an
der Kunstgewerbeschule in Berlin; Professor
Seidler, heute ein gesuchter Lehrer der Bild-
hauerkunst an der Akademie der Künste in
München und Pruskas Lieblingsschüler, Caspar
Ruppert, der bis heute sein treuester Mitar-
beiter geblieben ist und der an einer Reihe
trefflicher, aus Pruskas Atelier stammender Ar-
beiten selbstschöpferischen Anteil hat; so ist
der prachtvolle Bischofsthron, den das Dom-
kapitel von Bamberg dem f Erzbischof von
Schork zu seinem fünfundzwanzigjährigen
Bischofsjubiläum als Ehrengabe darbrachte,
und der durch seine stilvolle Gediegenheit
seiner Zeit berechtigtes Aufsehen machte, auf
einen Entwurf Rupperts zurückzuführen.')
') Abbildungen nach Werken Pruskas finden sich
mit Erläuterungen in folgenden Jahresmappen der D.
262
^ ANTON PRUSKA ©2S
ANTOX PRUSKA
I RUCHTETRAGER
in MuHclun. — Text S. ibo
Mit großer Befriedigung darf Professor
Pruska, dem auch äußere Ehren und Aus-
zeiciinungen in reichem Maße zufielen, jetzt,
nachdem er von seinem Lehramt zurückge-
treten ist, auf diese segensreiche Tätigkeit
zurückbhcken.
Ges. f. Christi. Kunst: 1898 (Kruziri.\us) ; — 1905 (Ma-
ricnaltar der bt. Annakirche in München, hl. Wendelin,
hl. Leonliard); — 1905 (Josephsaltar in der St. Anna-
kirche in München, St. Georgsrclief, Madonna, thro-
nender Christus, hl. Barbara, lil. Katharina); — 1909 (die
Hl. Chrysostomus, Athanasius, Gregor, Verkündigung).
Aber noch kennt der Meister, der am i. Juni
das 70. lahr vollendet, keine Ermüdung. Noch
heute, wie vor fast einem halben Jahrhundert,
steht Pruska vom frühen Morgen an, mit
jugendlicher Elastizität erfindend, entwerfend
und ausführend in seinem Atelier. Wünschen
wir von ganzem Herzen, daß seine Schaffens-
freudigkeit noch recht lange erhalten bleiben
möge, zum Nutzen der bildenden Kunst und
des Kunstgewerbes.
263
ANTON PRÜSKA
Jüithaus in Leipzig
Ttxt S. l6o
ZWEI GEWÖLBETRÄGER (1908)
ANTON PRUSKA
SAALWAPPEN
Rathaus i,t Brei.
Text S. 260
264
ANTON PRUSKA
Ausge/ührt in Mar.
PORTRATMEDAILLOX
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FRITZ KUNST (KÖLN'-LINDEXTHAL)
ST. BOXIFATIUSKIKCHE L'ND PFARRHOF IX HAMBURG-EIMSBÜTTFL
Gesamtalllage. — Text S. 266 uiirl zöS
KIRCHENBAUTEN VON FRITZ KUNST
(Hierzu die Ahblldiingen S. 265 — 276)
Seit den neunziger Jahren vorigen Jahrhun-
derts setzte in Norddeutschland auf dem
Gebiete des kathohschen und protestantischen
Kirchenbaues eine rege Tätigiteit ein. Archi-
tekten, darunter Kirchenbaumeister von Na-
men, hatten dort Gelegenheit, ihr reiches
Können zur Geltung zu bringen. Es entstan-
den aber auch gerade in diesen Gegenden,
wo einstmals von den Altvordern die Ziegel-
steinbauweise zu höchster Blüte gebracht
wurde, neben schönen Gotteshäusern Werke,
die äußerlich schon durch ihre geschmack-
losen grellroten oder knallgelben Ziegelstein-
fassaden Kunde gaben, daß sie auch im In-
nern nicht zu den besten gehörten. Derartige
Fälle sind aber zum Glück in den letzten
Jahren immer seltener geworden. Neben
prächtigen, in historischen Stilen gehaltenen
Kirchenbauten entstanden auch moderne
Werke, die in ihrer Gesamtanlage und äuße-
ren Erscheinung, in Ziegel-, Sandstein- oder
Putztassaden, vornehm und als sehr gelungen
zu bezeichnen sind und dabei allen sonsti-
gen Anforderungen entsprechen. Auch der
Architekt Fritz Kunst in Köln a. Rh. trat
neuestens in Norddeutschland durch drei
katholische Kirchenbauten, ein Gotteshaus in
Hamburg und zwei andere im westpreußi-
schen Gebiete hervor, die Beachtung verdie-
nen und hier gewürdigt sein sollen.
Die chrtstllchc Ku:
266
^ KIRCHENBAUTEN VON FRITZ KUNST ^^
FRITZ KL'XST (KOI.X-LINDENTHAL)
>T. BONIFATIUSKIRCHE IX HAMBURG-EIMSBUTTEL
Text S. 26b und söS
Von den drei Kirchen ist die St. Bonifatius-
kirche in Hamburg (Abb. S. 265 — 270) die-
jenige, welche besonders zur Beachtung nö-
tigt. Diese Kirche, von drei Seiten einge-
baut, Hegt am Weiher 29, in der Nähe schö-
ner Anlagen und mit ihrer Nordseite an der
Straße. Ein nach der Westseite zu projektiertes
Pfarrhaus soll nächstens zur Ausführung kom-
men. Dann erst wird man ein geschlossenes
Bild von der Anlage erhalten. Ausgeführt
ist schon eine Kapelle für die Schwestern
an der Ostseite gegen den Schulhof
Die Kirche, aus einem Wettbewerb der
D. Gesellschaft für christliche Kunst hervor-
gegangen, ist eine dreischiffige Basilika. Die
Sakristei mit darüber betindlichem Paramen-
tenraum liegt an der Westseite. Auch für
Zentralheizung und elektrische Beleuchtung
des Kirchenraumes ist gesorgt; ebenso kann
das Geläute und die Orgel durch elektrische
Kraft in Betrieb gesetzt werden, eine Maß-
nahme, die Beachtung verdient. Der Altar,
welcher nicht recht glücklich wirkt, ist von
einem anderen Künstler entworfen. Die Orgel
stammt aus einem Konzertsaale und fand hier
Aufstellung wie sie war; sie will sich nicht
recht einfügen. Zu bemerken ist noch, daß
die Dächer in Schiefer, der Turm in Kupfer
gedeckt wurden.
Der Architekt griff zu dem Ziegelbau, der
dem norddeutschen Boden entspricht und
im Mittelalter dortselbst zur höchsten Vollen-
dung gelangte. Er versuchte diesen, nament-
lich außen, mit modernen Motiven zu ver-
schmelzen. Der ornamentale Schmuck, wie
Maßwerke und Gewände, besteht gleichfalls
aus Ziegelsteinen. Diese haben das für Mittel-
und Norddeutschland übliche Reichsformat.
Die Kirche macht durch den an der Ein-
gangsseite liegenden mächtigen Turm nebst
dem Giebel des Kirchenschiffes und der Vor-
halle mit Freitreppe einen stattlichen Ein-
druck nach althergebrachter Tradition. Von
Interesse ist die Ausbildung der Strukturteile
im Kirchenraume (Abb. S. 270). So sind die
Schichten der Mauersteine an den Bogen-
stellungen und Rippenprofilen der Gewölbe
usw. sichtbar zum Ausdruck gebracht, wäh-
rend die Wände verputzt sind. Es ist jene
innere Wandbclebung, die wir an mittelalter-
lichen Kirchen Norddeutschlands, wie in
Lübeck an der hl. Geist-Spitalkirche, an han-
noverschen und märkischen Kirchen vorfin-
den, wo an den unverputzten, stumpfroten
^ KIRCHENBAUTEN VON FRITZ KUNST es«
267
FRITZ KUNST (KÖLN-LIN'DENTHAL)
ST. BOXIFATIUSKIRCHE IX HAMRURG-EIMSBUTTEL
Tixt S. 2b6 und lös
gemauerten Pfeilern die Fugen in dicker
weißer Tünche markiert sind und leuchtend
hervortreten, während die Leibungen der Bo-
genstellungen und die Ansätze der Gewölbe
gemalt wurden. Diese bodenständige Aus-
drucksweise hat Kunst hier wieder ins Leben
gerufen.
Entgegengesetzt zu diesem mittelalterlichen
Ziegelsteinbau steht die Rosenkranzkirche zu
Kittel in Westpr., einer waldreichen Gegend in
der Nähe von Konitz (Abb. S. 274 — 276). Hier
hat der Architekt den Putzbau angewendet,
um mit dem Grün des Waldes einen harmo-
nischen Zusammenklang zu scharten. Der
einschiffige Grundriß enthält 450 Sitzplätze.
Der Turm befindet sich gegen Ost über dem
Altare. Ein Unterrichtssaal mit Garderobe
ist angegliedert. Das Innere zeigt Decken-
bilder, die Geheimnisse des hl. Rosenkranzes
darstellend. Die Ausmalung der Kirche ge-
schah durch Maler Silbernagel aus München-
Bozen. In barocken, heiteren Formen zeigt
sich die Ausstattung des Innern der Kirche
und kommt dem Wesen des polnischen Volks-
charakters, dem ein Sinn für lebhafte Schön-
heit zu eigen ist, damit entgegen. Die De-
tails und Einzelheiten der Architektur dürften
hier und da an süddeutsche Motive erinnern.
Durch den Bau der Herz-Jesukirche in
Ofen (Abb. S. 272 und 273), gleichfalls im
westpreußischen Gebiete, fiel dem Künstler
die dankenswerte Aufgabe zu, auf einer An-
höhe in landschaftlich schöner Gegend ein
Gotteshaus, flankiert durch ein Nebengebäude,
in malerischen, trauten Formen zu schaffen,
was ihm auch durch den am Bergesabhange
angelegten Chor der Kirche mit Turm und
Pfarrhaus wohl gelungen ist. Der Grundriß
zeigt eine dreischiffige Anlage mit 500 Sitz-
plätzen. Beim Presbyterium ist rechts eine
Beichtkapelle und links die Sakristei mit dar-
über befindlicher Paramentenkammer ange-
legt. Links beim Haupteingange wurde eine
Kapelle zur schwarzen Muttergottes (Czen-
stochauer Gnadenbild) eingerichtet. Das
Äußere, in Putz mit weißer Tünche, das rote
Ziegeldach, der Turm mit Dachreiter in Kupfer
gedeckt, harmonieren gut in der Farbe. Die
268
KIRCHENBAUTEN VON FRITZ KUNST ©^
FRITZ KUNST (KOLN-LIXDENTUAL), BONIFATIUSKIRCHE HAMBURG-EIMSUC TTEl
Tixt S. 266 und itS
Pfeiler im Innern sind auf Kämpferhöhe mit
rotglasierten Ziegelsteinplättchen verkleidet.
Es soll durch diese Verkleidung ein Schutz
gegen Verschmutzen geboten sein und dem
Abstoßen der Ecken vorgebeugt werden. Die
Malerei ist nach Angaben des Architekten
von dem oben genannten Maler Job. Silber-
nagel (Schüler von Feuerstein und Gröber)
ausgeführt. Außer einfacher Linien- und Flä-
chenbehandlung wurden nur einzelne Stellen
und zwar absichtlich in ansehnlicher Größe,
besonders betont. Der Altar nach Entwürfen
des Architekten von dem Bildhauer Job.
Schnitzer in Frankfurt a. M. gefertigt, ist mit
der buntbemalten Holzdecke in Einklang ge-
bracht. Kunst zeichnete hierzu alle Einzel-
heiten und der Bauherr, Pfarrer Dr. Krefft
in Höchstüblau, hatte in jeder Weise dem
Architekten freie Hand gelassen. Die Kirche
samt Pfarrhaus mit vollständigem Innenaus-
bau hat die verhältnismäßig
geringe Summe von M. 90000
erfordert.
Das ernste Streben des Ar-
chitekten, diese Kirchenbau-
ten der ortsüblichen Gegend
anzupassen, verdient Beach-
tung. Ob nun ein Künstler
streng historisch arbeitet, der
andere wieder mehr sich der
modernen Richtung hingibt,
ist für den Kunstwert an sich
gleich. Sehr schwierig ist
es, die alten Formen mit den
neuzeitlichen zu verbinden.
Welche Wege ein Architekt
auch gehen mag, er ist im
Rechte, wenn er Schönes,
Harmonisches, Würdiges, An-
heimelndes zuwege bringt.
Darüber vor einem Bauwerk
prüfend nachzugrübeln, ge-
währt Genuß, erweitert den
Blick, schärft das Urteil. Bei
der St. Bonifatiuskirche in
Hamburg ist Turm und Gie-
belseite gut zusammenge-
stimmt; nur der Turm-
abschluß wirkt durch das
schlanke Höhenmotiv der
Lisenen fast allzu knapp,
wobei nicht gesagt sein soll,
daß etwa ein hoher Helm
den Turm krönen sollte. Die
langgestreckten Lisenen wie-
derholen sich auch an den
beiderseitigen Wandflächen der Eingangsvor-
halle; hier bilden sie ein verbindendes
Element für Turm und Front. Die Vorhalle
besitzt ein schönes Spitzbogenportal. Daß
der Künstler in Einzelheiten mit der alten
Weise brach und neuzeitliche Ideen in An-
wendung brachte, ist sehr zu begrüßen. Er
hatte den Mut, individuell zu arbeiten und
dem Bauwerke den Steiupel des zwanzigsten
Jahrhunderts aufzudrücken.
Schön und harmonisch wirkt das Innere
der Kirche durch die erwähnte Wiederbe-
lebung der dort im Mittelalter geübten Weise
der sichtbaren Mauersteinstrukturen. Ein
stimmungsvoller, feierlicher Zug liegt darin !
Fritz Kunst besuchte die Bauschule in Karls-
ruhe, später die dortige Hochschule und war
längere Zeit bei Curiel & Moser, dann im
Atelier des Architekten Weiße in Mainz
BEDEUTUNG DES WERKUNTERRICHTS FÜR KUNST UND KULTUR 269
DIE BEDEUTUNG DES
WERKUNTERRICHTS FÜR
KUNST UND KULTUR
Es kann nicht geleugnet werden,
daß dem Prinzip des neuen
Werk- oderdes Handfertigkeitsunter-
richts eine hohe Bedeutung inne-
wohnt. Es ist bekannt, daß dieser
Unterricht das Kind vom Beginne
bis zum Ende der Schule auch
praktisch beschäftigen will mit Aus-
schneiden, Zeichnen, Flechten, For-
men, Modellieren, durch Beschäfti-
gung mit dem verschiedensten Ma-
terial wie Papier, Ton, Holz, Metall.
Freudig ist dieser Unterricht schon
deshalb zu begrüßen, weil er eine
wohltuende Ergänzung unserer aus-
geprägt geistigen Kultur, zur bloßen
Wort- und Gedankenbildung schaflt.
Er führt das herbei, was dem her-
gebrachten Schulunterrichte so oft
fehlt, nämlich praktisches Handeln.
Und gerade dadurch werden wieder
eine Menge Werte in der Persön-
lichkeit des Kindes ausgelöst. Zu-
nächst kann man wohl behaupten,
daß bei den meisten Kindern für
die praktische Beschäftigung eine
starke Teilnahme vorhanden sein
wird, jene Teilnahme, die im Wort-
unterricht leider so oft fehlt und
dadurch den Erfolg des ganzen Un-
terrichts so oft in Frage stellt. Was
Bogumil Holz in seinem ; Buche der Kindheit«
erzählt, daß ihm die Beschäftigung mit aller-
lei Holzarbeiten eine so reiche Freude be-
reitet habe, das trifft wohl auf alle Kinder
zu. Das Arbeiten aber, das mit Herz und
Hand geschieht, in dem wir leben und we-
ben, birgt viel Wertvolles in sich.
Auch das wird jeder zugeben müssen, daß
im Werkunterricht Auge und Hand ganz
bedeutend geschult werden. Es tut aber ganz
besonders not, daß unser geschwächtes Auge
wieder unbefangen und genau sehen lernt,
daß unsere Hand wieder die Geschicklichkeit
erlangt, die jeder Mensch schon zu seinen
täglichen Verrichturigen nötig hat. Daß da-
durch eine eingehende Kenntnis des Materials
erzeugt wird, auch der ästhetische Sinn
reiche Nahrung erhält, soll ebenfalls nicht
unerwähnt bleiben. Hierin liegt vielleicht
mit sein wesentlichster Vorteil. Denn die
künstlerische Kultur der Massen zeigt durch-
weg noch einen bedenklichen Tiefstand. Man
IZ KLNST, BONIFATIUSKIRCHE IN HAMBURG-EIMSBÜTTEL
Text S. 266 icnd 268
wird das zugeben, wenn man einmal an
gewisse Erscheinungen denkt, z. B. an das
Kapitel Klein- oder Volkskunst, ferner an die
Geschenkindustrie unserer Tage. Macht sich
nicht auch hier die allgemeine Sucht unserer
Zeit nach einer billigen Vornehmtuerei und
Effekthascherei bemerkbar? Wieviel von dem,
was dem notwendigen Gebrauche wie dem
Schmucke des Lebens dient, ist für künst-
lerisches Empfinden einwandfrei? Wieviele
Gegenstände gibt es, bei denen das Material
so lange gepreßt, gefärbt, geglättet wurde,
bis es etwas anderes, natürlich Besseres, Vor-
nehmeres darstellt oder vielmehr vortäuscht,
als es in Wirklichkeit ist. Wie oft findet
man, daß bei solchen Kunstgegenständen
nicht nur die Wahrheit, sondern auch der
Geschmack beleidigt wird, wo, wie bei den
praktischen Gebrauchsgegenständen, das Or-
nament, das doch oft Nebensache oder gar
überflüssig ist, zur Hauptsache gemacht wird
oder sinnlos ausgeführt ist. Man mustere
2-0 BEDEUTUNG DES WERKUNTERRICHTS FÜR KUNST UND KULTUR
nur einmal daraufhin unsere Läden, man
gehe einmal aufmerksamen Blickes die Woh-
nungen durch, und man wird zu seiner
Überraschung wahrnehmen, wieviel Unkultur
in unserm Leben noch vorherrscht, wie wir
noch viel mehr Geschmack im Alltag zeigen
müssen.
Für eine bessere Geschmacksbildung ist
nun gerade vom Handfertigkeitsunterrichte
manches zu erwarten. Denn hier lernt schon
das Kind Wohlgefallen finden an natürlichen
Formen und Farben; hier lenkt es unter auf-
klärender Führung des Lehrers auch seine
Blicke auf das Material, das es gerade in
seinen Händen hat; es lernt gar bald die
nachgemachten Stoffe von den echten unter-
scheiden. Es merkt an der eigenen Arbeit,
daß der Stoff Wahrheit verlangt, daß schlichte
Wahrheit hier immer schöner ist als vor-
nehm tuende Nachahmerei. Es kommt ihm
der Hauptgrundsatz zum Bewußtsein, daß
Festigkeit, Haltbarkeit, Gediegenheit unerläß-
liche Erfordernisse für seine Schöpfungen bil-
IKITZ KUXSr, BON'IIATRSKIRCIIK ZU H.\MnfRG-KIMSHL-
Blick nach Jtm I'rcsl>ytcrii,m. — T,xt S. 266
den, daß ferner Sachlichkeit und Zweckdien-
lichkeit stets eher zu verlangen sind als jede
Verzierung. Sind das nicht alles höchst wert-
volle Anregungen für die Geschmacksbildung
des heranwachsenden Geschlechts.'' Und liegt
nicht ein besonderer Vorzug darin, daß das
Kind diese Wahrheiten nicht bloß durch ab-
strakte Belehrungen erfährt, sondern im prak-
tischen Tun selbst erlebt? So dürfen wir
wohl erwarten, daß der Handfertigkeitsunter-
richt, wenn er erst auf der ganzen Linie an-
erkannt ist, unter anderm auch wieder zum
Erwachen einer neuen, frischen Volkskunst
führen wird. Was diese Kunst aber an echten
Werten für jedes Haus, auch für die Familie
des kleinen Mannes zu schaffen imstande ist,
das darf durchaus nicht gering angeschlagen
werden, das bringt Sonnenschein in die Häu-
ser, das weckt schlummernde Kräfte und
hebt die gesamte Volksbildung.
Das deutsche Volk läßt sich an Tüchtig-
keit von keinem Volke der Erde übertreffen.
Daher rühren seine Erfolge. Es wird nicht
stille stehen und besonders in den
Dingen des guten Geschmacks
muß es noch fortschreiten. Manch
schlechter Geschmack bekundet
sich gerade jetzt in der Kriegszeit.
In kleinlicher Weise wird von
geldhungrigen Köpfen an unsern
Gebrauchs- und Schmuckgegen-
ständen der »Geist der Zeit« zu
verbildlichen gesucht. Fast alles
im Schaufenster muß kriegerisch
anmuten. Muß dieser Schmuck
wahllos aufs kleinste freie Fleck-
chen kommen? Abgeschmackt
ist es, den Hindenburg aufs Ta-
schentuch zu drucken, Streichhöl-
zer in einem Luttschiffchen, Kon-
fekt in einem Schrapnell aufzu-
bewahren : Von solcher Spielerei
müssen wir uns befreien. Nach
dem Kriege, wo ein sch'werer
wirtschaftlicher Kampf droht, müs-
sen wir aus kulturellen und wirt-
schaftlichen Gründen würdige Aus-'
drucksformen für unser Leben
suchen, wir müssen in jeder Be-
ziehung die bessere Ware her-
stellen. Zur Lösung dieser Auf-
gabe wird der Werkunterricht nach
dem Kriege neben tüchtiger Gei-
stes- und Herzensbildung mit be-
rufen sein.
Aber auch das darf zugegeben
werden, daß in dieser körperlichen
Betätigung »ein Heilmittel für
e^ LUDWIG MÖCKEL ^
271
die immer mehr zunehmende Nervosität un-
serer Tage liegt«. Die einseitige Beschäfti-
gung mit geistiger Arbeit macht die Nerven
zuletzt krankhaft reizbar; liier aber kann der
Geist im gewissen Sinne ausruhen, hier rücken
währenddessen andere Kräfte ins 1-eld und
machen eine mehr harmonische Bildung
möglich.
Man hat der bloßen »Lernschule« den
Vorwurf gemacht, daß sie zu sehr unifor-
miere, daß der Klassenlehrer zu sehr darauf
bedacht sein müsse, gleichmäßig geförderte
Schüler weiterzugeben. Die Begabten bleiben
so in einem Durchschnittsmaße stecken, wäh-
rend die Beschränkten zu dieser Stufe empor-
gehoben werden. Beim Werkunterrichte ist
ein Ausgleich möglich, denn hier hat jeder oft
seine besondere Arbeit vor sich ; hier kann des-
halb jeder nach seiner besonderen Neigung
und Begabung schaffen. Hier kann der Lehrer
der Individualität des Kindes nachgehen. Und
dann ist es von großem Werte, wenn der
Lehrer öfter merkt, daß es verschiedene Be-
gabungstypen gibt, wenn er sieht, daß Schüler,
die es in der rein geistigen Arbeit zu nichts
bringen, doch eine technische Geschicklich-
keit, einen praktischen Sinn, ein offenes Auge
besitzen. Und auch diese Gabe ist nicht zu
unterschätzen ; obwohl sich die Schule oft
hochmütig über diese Befähigung hinweg-
setzt, wird sie im wirklichen Leben doch zu
einer entscheidenden Mitgabe der Natur.
Nicht der geringste Vorteil des Werkunter-
richts ist es überhaupt, daß er die Handar-
beit wieder mehr zu Ehren bringt. In unser
Denken hat sich heute der Irrtum einge-
schlichen, als sei die ausgeprägt geistige Kultur
allein Bildung, und die bloße körperliche Tä-
tigkeit gilt daher nicht viel im Kurse der
Meinungen. Daher das Zuströmen in alle
sogenannten geistigen Berufe, daher der Mangel
an tüchtigen Anwärtern in allen Ständen,
die auf Handarbeit angewiesen sind. Kommt
es nicht vor, daß selbst der, der nur mecha-
nisch Abschreiberdienste tut, hochmütig auf
den Handwerker herabsieht, der doch in sei-
nem Beruf ein wahrer Denker und Künstler
sein kann? Es kann daher nur frommen, wenn
auch die Ansicht wieder zu ihrem Rechte
kommt, die den Wert der Handarbeit ins
helle Licht rückt, zumal sie in der Gegen-
wart für unser ringendes deutsches Volk
auf dem Wirtschaftsmarkte recht ausschlag-
gebend wird. Die hohe Bedeutung des Werk-
unterrichtes für die Charakterbildung — Fleiß,
Mut, Ausdauer, Freude des Erfolges — dürfte
kaum von jemand bezweifelt werden. Ob
die Handarbeit wirklich mehr als der Wort-
unterricht imstande ist, sittlich zu beeinflussen,
das möge dahingestellt bleiben. Es mag hier
nur nebenbei bemerkt werden, daß der
schwedische Pädagoge Palmgren den höheren
ethischen Wert der Hausfrau mit darin be-
gründet sieht, daß sie in ihrem Beruf so viel
mit den Händen zu schaffen hat.
Der Handarbeitsunterricht hat jedenfalls
auch das Gute für sich, daß er bei manchem
Schüler, der in der Lernschule vielleicht
nichts leistet und als unbrauchbar gilt, die
Begabung für die praktische Arbeit zeigt und
damit auch wertvolle Fingerzeige für die Be-
rufswahl gibt. Man denke sich aus, was es
für das persönliche Glück des einzelnen wie
für die Gesamtheit ausmacht, wenn jeder den
Beruf treiben kann, in dem sich die persön-
liche Begabung auswirken kann.
Es ist das Eigenartige an allen Reformge-
danken, die bisher aufgetaucht sind, daß sie
zwei feindliche Lager schufen, aus denen
heraus man für das Alte oder Neue kämpfte.
Und meist wird dabei mit einer Schärfe
gestritten, die oftmals für das Wahre blind
macht und auf beiden Seiten in Extreme
führt. Wir wollen nicht auf der Handarbeit
die gesamte Erziehung aufbauen, aber wir
wollen den Werkunterricht doch als Ergän-
zung zu unserer Lernschule mit ihrer geisti-
gen Bildung willkommen heißen. p. Hoche
LUDWIG MOCKELf.
Am 26. Oktober 191 5 verschied in Doberan
^ der Großherzoglich Mecklenburgische Ge-
heime Hofbaurat Gotthilf Ludwig Möckel,
einer der nur noch wenigen lebenden Schüler
des um die Mitte des vorigen Jahrhunderts be-
rühmten Gotikers Ungewitter.
Möckel war ein Kämpfer, der erst nach
vielem Ringen und Ausharren in späterem
Alter die ihm gebührende Ehre und An-
erkennung fand. Vom Privatarchitekten ar-
beitete er sich empor, bis er, ein Verfechter
mittelalterlicher Baukunst, als glänzenderStern
am Kunsthimmel prangte und den Geist
dieser großen kirchlichen Bauweise wie ein
Schatzmeister hütete. Als Epigone setzte er
noch einmal mit mächtigen Akkorden ein,
Kirchen zu bauen, welche das deutsche Bau-
wesen vergangener Jahrhunderte aufleuchten
ließen.
Möckel war ein Sachse und wurde am
22. Juli 1838 zu Zwickau geboren. Nach
vorheriger praktischer Betätigung am Bau,
wie es in damaliger Zeit Übung war, besuchte
er die Chemnitzer Baugewerkschule, die sich
später zu einer höheren Lehranstalt Sachsens
272
LUDWIG MOCKEL mm
FRITZ KUN'ST (KÜL\.LI\DEXTH AL)
Jiiici- auf ,/as Dorf.
HERZ-JESUKIRCHE ZU OFEN IN WESTPR.
Text S. 267
entwickelte. Ausgerüstet mit diesen techni-
schen \'orkenntnissen ging er nun zur eigent-
Hchen Baukunst bezw.
Architektur über und
wählte sich zurWeiter-
bildung das Polytech-
nikum in Kassel, wo
damals als Lehrer
mittelalterlicher Bau-
kunst Meister Unge-
witter wirkte, der für
angehende Gotiker
eine mächtige Anzie-
hungskraft ausübte.
Als Ungewitter 1864
starb , vertauschte
Möckel das Kasseler
Polytechnikum mit
jenem zu Hannover,
woselbst er unter Kon-
rad Wilhelm Hase,
dem hervorragenden
Kollegen Ungewitters,
seine Studien vollen-
dete. Im Jahre 1866
ließ er sich in seiner
Vaterstadt Zwickau
als Privatarchitekt nie-
der und baute dort-
selbst wie in anderen
sächsischen Städten
eine Anzahl Wohn-
häuser, restaurierte
auch gleichzeitig meh-
rere katholische mit-
telalterliche Kirchen
des sächsischen Lan-
des, wodurch er als Gotiker und Kirchenarchi-
tekt bekannt wurde. Anfang der siebzigerJahre
V. Jahrh. erhielt er
einen größeren Bau-
auftrag in der Ent-
wurfsbearbeitung für
die evangelische Kir-
che zu Planitz bei
Zwickau, die er 1872
bis 1876 zur Ausfüh-
rung brachte. Es ist
dies eine Basiliken-
kirche mit Westturm
in frühgotischer For-
mensprache. Infolge
weiterer Aufträge auf
mehrere sächsische
Kirchenbauten , dar-
unter in Dresden, ver-
tauschte er seinen
Geburtsort Zwickau
mit der Landeshaupt-
stadt und machte sich
1875 daselbst ansäßig.
Im Jahre 1878 vollen-
dete er die Johannes-
kirche, eines der be-
sten neueren Got-
teshäuser Dresdens,
gleichfalls in frühgo-
tischem Stil , mit
reichem ornamenta-
lem und tigürlichein
Schmucke, worauf in
der dortigen Vorstadt
inuz-iFsiMKciiK IN oi EN Stricseu ^die Erlöser-
,/,i,^,. kirche, eine dreischif-
— ft^M^rpv»«* -^
MARIENALTAR IN DER NEUEN ST. ANNAKIRCHE ZU MÜNCHEN VON ANTON
PRUSKA
LUDWIG MOCKEL
273
fige, frühgotische Hallenkir-
che mit Emporen und reizen-
der Choranlage folgte, welche
18S0 beendet wurde. Der
große Wettbewerb um Er-
langung von Entwürfen für
die St.-Petri-Kirche in Leip-
zig, an dem sich Möckel mit
einem großzügigen Entwürfe
beteiligte, fiel auch in diese
Zeit. Der Künstler wählte
die Grundform eines Sechs-
eckes, das er an allen Seiten
durch Apsiden erweiterte
und um das Chorpolygon
legte er einen Kapellenkranz.
Leider kam der schöne Ent-
wurf nicht zur Ausführung.
Sein Ruf als Kirchenbau-
meister drang aber bald über
die Grenzen des Sachsen-
landes hinaus. Möckel wurde
mit den Wiederherstellungs-
arbeiten der 1332 bis 1350
errichteten gotischen Kirche
zu Doberan in Mecklenburg-
Schwerin betraut. Bald folg-
ten weitere Wiederherstel-
lungen, so u. a. der Grab-
kirche der Fürsten des meck-
lenburgischen Landes, wor-
auf der dortige Landesfürst
Großherzog Friedrich III.
18S5 Möckel nach Mecklenburg
zu dauerndem Aufenthalte be-
rief
Welche Unannehmlichkeiten
Möckel bis zu dieser Berufung
auszuhalten hatte, ist den Ein-
geweihten bekannt. Als tech-
nischer und künstlerischer Bei-
rat fungierte er nun im Meck-
lenburgischen Staatsministe-
rium. Seinen Aufenthalt nahm
er jedoch in dem von ihm ge-
liebten historischen Städtchen
Doberan in der Nähe der Ost-
see. Trotzdem er Staatsbeamter
war, wurde ihm vom Groß-
herzog seine bisherige freie Tä-
tigkeit als Architekt weiterhin
zugesichert und so baute er
von dort aus zahlreiche Schlös-
ser und Villen in Hannover usw.
Bemerkenswert sind aus jener
Zeit die Schloßbauten Gelben-
sande bei Rostock, sowie die
Schlösser Klemzig in der Mark
I RITZ KUN'ST (KOLN-LINDENTHAL)
l'gl. jmttiistehetni.
HERZ-IESUKIRCHE IN OFEN
GRUXnRlSS DER HERZ-lESUKIRCHE IN OFEN
274
^^ LUDWIG MÖCKEL ©^
Brandenburg und Preyl bei Königsberg. Auch
brachte er in dem Mecl:lenburgisch-Schwe-
riner Lande eine Reihe Dorfivirchen zur Aus-
führung. Das letzte und größte Werk Möcivels
war die kathoHsche Kirche in Rostock, die
jetzt, nach ihrer Vollendung, eine Zierde der
alten, malerischen und historisch bedeutsamen
Universitätsstadt ist.
Der inzwischen hochbetagte Meister hatte
sich in den letzten Jahren ein Leiden zu-
gezogen und am i. Oktober 19 15 trat er,
zurückblickend auf eine reiche und ehren-
volle Schaft'enstätigkeit seines Lebens, in
seinem 78. Jahre in den Ruhestand. Aber
nur wenige Tage sollte er die endgültige
FRITZ KUKST
HOCIl.U.TAR IN RITTEL
Ruhe genießen. In seinem geliebten Doberan
schloß er schon am 26. Oktober gleichen
Jahres seine Augen. Mit hohen Ehren und
Auszeichnungen, die er sich auch durch sein
rastloses Streben und großes Können verdient
hatte, war er von seinem Landesherrn, dem
Großherzog, bedacht worden. Albert Hof-
mann sagt über ihn, daß die frühesten Ar-
beiten Möckels noch unter dem Einfluß Un-
gewitters stehen, namentlich die Johannes-
Kirche in Dresden. Doch hätte der Ver-
storbene sich in späteren Jahren zu einer
durch persönlichen Charakter ausgezeichneten
Kunstauffassung durchgesetzt. Auch mit
Otzen besaß Möckel Ähnlichkeit, indem beide
ihre Kunst zunächst auf kon-
struktiven Erwägungen aufbauten
und aus einer solchen Anschauung
heraus im protestantischen Got-
teshaus in erster Linie den Ort
für das Wort und erst in zwei-
ter Linie eine Kirche im über-
kommenen Sinne erblickten. Es
war nicht die Art Möckels, in der
Öftentüchkeit viel von sich spre-
chen zu machen ; seine Bedeu-
tung ist daher auch oft unter-
schätzt worden. Wer jedoch nicht
restlos baukünstlerischem Fana-
tismus verfallen ist, wird die ge-
wissenhafte, aus einer strengen
Schule gekommene Art des Ver-
storbenen, die einem großen Teil
der Baukunst des letzten halben
Jahrhunderts ihr Gepräge verlie-
hen hat, zu würdigen und als
Glied in die Entwicklung unserer
Kunst einzureihen wissen.
Ein Schöpfer großer Baudenk-
male sank mit ihm in den Staub.
Wie die Kunstbauten der alten
Welt zerfallen sind, wie im letzten
Grunde doch alle irdischen Werke
dem Zelte gleichen, das wieder
abgebrochen wird, so werden
auch seine Werke dereinst dahin-
sinken. Bleiben aber wird, was
echt war in ihm, sein Ringen und
Streben nach derVollkommenheit,
seine Sehnsucht nach der eigent-
lichen, unvergänglichen Behau-
sung seines Geistes, seine Liebe,
mit der er seine Kunst als seinen
von Gott gegebenen Beruf und
seine Mitmenschen als von Gott
bestimmte Mitstrebende umfaßte !
HULDIGUNGSADRESSE UND WIDMUNGSBLATT
275
FRITZ KUNST (KÖLN-LINDENTHAL)
VS-I. Aii. S. 174
IROSEN'KRANZKIRCHE IX RITTEL
Text S. 177
HULDIGUNGSADRESSE UND
WIDMUNGSBLATT
(Zu den Abb. S. 277 — 280)
Kriegsnot und Opferwilligkeit gehen seit
den ersten Tagen der folgenschweren
Schicksalsfügung so beharrlich Hand in Hand,
daß wir uns fortgesetzt über die Mannig-
faltigkeit der Form freuen dürfen, die den
Geist der Hingebung unserer Vaterlands-
freunde bekundet. Bei der Beschaffung neuer
Geldmittel rechnet das Landeskomitee vom
Roten Kreuz die offizielle Postkarte zu den
wichtigen Hilfsfaktoren und verfügt dem-
gemäß über ausgiebiges Material. Eine Neu-
erscheinung bildet die Spende einer Auflage,
die der Verfasser des Gedichtes: »Wie arm
sind wir doch gegen Euch«, dem vaterländi-
schen Unternehmen jüngst zuführte. An-
erkennung, Verehrung und Dankbarkeit für
unsere Helden kommen in den stimmungs-
vollen Versen zum Ausdruck, die Leo Fried-
rich Bergdolt an Allerseelen 191 5, in einem
künstlerischen Gewände, König Ludwig III.
von Bayern widmete ; lag es doch in der
Absicht des Autors und Stifters, auch der
deutschen Kunst eine fördernde Aufgabe zu
stellen.
Nach einem Entwürfe von Ferdinand
Nockher- Altenbeuern fertigte Buchbinder-
meister Löv, München, eine Mappe aus
echtem Schweinsleder mit einer Saffian-Leder-
applikation in Form des Roten Kreuzes, so-
wie einer Goldprägung mittels eines eigens
gefertigten Stempels (Abb. S. 280 unten). Den
Hinweis auf die selbstlose Gabe vertritt darin
der Pelikan, mit Bezugnahme auf dessen
sagenverklärte Jungenliebe; ein ornamentaler
Kranz trägt rechts und links je eine Kerze,
als Zeichen des Totenfestes, während sich
die Initialen »Seiner Majestät König Lud-
wig III. ;< der Balkenform des Kreuzes anpassen.
Lichte Moireeseide, mit einer schmalen Ein-
fassung in Goldprägung, bildet als Vorsatz
den Übergang von dem kräftigen Deckel zu
dem Pergamentdoppelblatt, das durch eine
Seidenschnur gehalten wird. Die Titelseite
276
^ HULDIGUNGSADRESSE UND WIDMUNGSBLATT ^
IKIIV. KL'N'Sl
(Abb. S. 278) enthält die Widmung, die deko-
rative Umrahmung trägt den Charakter der
Huldigung. Von einem Dornengeranke ge-
halten, vereinigt die Herzform in einem
stumpfen Rot mit goldenen Strahlen die
Tugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung; die
Wappenschilder rechts und links enthalten die
heraldischen Zeichen Bayerns und der Stadt
München, außerdem kennzeichnet eine Enzian-
girlande mit ihrem satten Blau das ba3'eri-
sche Hochland. Ein kupfernes Flammen-
becken bringt die Wärme der Gefühle zum
Ausdruck, während stilisierte Rosenzweige
der bayerischen Kcinigskrone zustreben ; die
Schrift ist deutsch gotisch.
Die zweite Seite entspricht in der Anord-
nung der dritten und trägt in strenggeglieder-
tem Satzbilde den Widmungstext an S. M. den
König mit einer Initiale, die auf die per-
sönliche Intention des Antragstellers in in-
niger Form Bezug nimmt. Die Umrahmung,
herbsttarbenes Eichenlaub auf lichtgelbem
Grunde, ist den beiden Innenseiten zur Ver-
einheitlichung gemeinsam, ebenso natürlich
der Schriftduktus. Das Gedicht erfuhr künst-
lerisch eine besonders liebevolle Ausstattung
(Abb. S. 279); eine Kopfleiste enthält in
der Mitte das deutsche Reichswappen mit
einem Schwert, darüber erscheint, verklärt,
die Friedenstaube, den Ölzweig im Schnabel;
links betindet sich der Löwe, das Symbol
von Mut und Kraft, als Sternzeichen gleich-
zeitig im Zusammenhange mit dem Monat
August, dem Kriegsbeginn. Der Adler aut
dem zackigen Blitze versinnbildlicht die
deutsche Intelligenz und Umsicht, ent-
sprechend dem Ansehen und der Bedeutung,
die ihm bereits im Germanentum und bei
kriegerischen wie heraldischen Abzeichen
eigen ist; ein Lorbeergewinde preist das
Heldentum. Die untere Leiste mit der Ähren-
garbe in der Mitte, der Eule als Emblem der
Wissenschaft und dem Künstlerwappen gegen-
über, ist den Segnungen friedlicher Kultur-
arbeit gewidmet.
Endlich auf der vierten und letzten Seite
findet sich als Schlußstück (Abb. S. 280 oben)
ein Oval zwischen den unvergeßlichen Zahlen
19 14/15, das Original für die Postkarten-
reproduktion. Der Künstler hat es vermieden,
eine konventionelle Illustration zu schaffen,
er wollte vielmehr, daß Text und Bild eine
gewisse unabhängige Selbständigkeit wahren,
und doch in inniger Beziehung ihrem Zwecke
dienen, das Andenken an unsere gefallenen
Brüder zu ehren. Dieser Absicht entspricht
die kleine Inschrift auf dem Marterl: »Wer
ausharrt bis an das Ende, der wird selig sein«,
indes das Vöglein im Gezweig der Trauer-
weide die Auferstehung verkündet.
Die vollfarbige Postkarte ist in buchgewerb-
lichem Stile ausgeführt, sie trägt den Perga-
mentton, das Signet mit dem Marterl und
darunter den Text des Gedichtes in Kocht3'pe
mit roten Initialen. —
Hin Blumenstück, »Weiße Rosen«, gemalt
von F. Nockher, gab indirekt die Anregung
zu dem Gedichte auf S. 277 ; es diente dem
Verfasser L. F. Bergdolt als Namenstagsspende
für I. M. die Königin Therese von Bayern,
die das Bild, seiner Bestimmung gemäß, dem
Mutterhause der Rote-Kreuz-Schwestern in
München zum Schmucke ihres Heimes
überwies.
Das Rosenbild erhielt als Geleite die poeti-
sche Widmung, wie sie Ferd. Nockher in
eine künstlerisch dekorative Form kleidete.
^ HULDIGUNGSADRESSE UND WIDMUNGSBLATT ^
277
T.cli^fjrsammeltlind er*
^.HS KmnKuncf elend un({ b«
JoWun(fen5äa(sarn h-äufel^
jhr.diejfir hebt'undpffecinjnd fegt"
Munchen.om
Imj^atnendess'.depaliluns tfiigtr
(ihn den derJ^cnsebverziDeifelt'
uth.Edfenm des 6eifflnds*Diensl7
'st Jpssen Liebeßochgeiüinnstr
lenins zjucorgeliebetr^
Et führet-tiflcnderPrüfunnszeit:^
ZujSeines'Dafeps QerrlicMeib
Eiich.die hier Treu 'geiibeb"
ß ihrauf Erden habbgefen,
"ith nehm's flis mir geschabenm
n diesen meinen5^rüdemV'
'0 rufbder fierp.tnd offen sfehn
ielore und ihr loerdetTgehn
Eäin unter sei gen Liedern.
^J^amenslageunserergeliebtenjKonigin.i 9 1 g frai
ijfä
I FBtWHOCWaE^.
-> H-gnus^Be-iqui
-K Ä.do.na no.bis
\ bte
tol.iis pec.ca.fe mun-
paj»m.do.nfl no.
pa _cenx-
FERDINAND NOCKHER (ALTENBEUERN)
A«/ i-r,
WIDML'NGSBLATT
! Karion gt-mnlt. — Text S.
Gleichsam zu einer Pforte vereinigen sich
zwei Rosenbäumchen, um das rote Kreuz als
Ehrenzeichen auf weißen Rosen zu tragen.
Drei große Initialen nehmen jeweils Bezug
auf den Inhalt der zugehörigen Strophen,
wie auf den Schluß des Gedichtes die Melodie
von Mozarts Agnus Dei, die das Lamm und
seine Fahne umgibt. Ein Kranz von goldenen
Rosenblättern kennzeichnet die sturmreiche
Herbstzeit und bildet gleichzeitig den Über-
gang von der flächigen Dekoration zu der
Goldrahme, in der die Tafel ruht. Die Farben
sind auf eine geringe Zahl beschränkt; das
I^ot des Kreuzes wiederholt sich in dem
Fond der ersten Initiale und formt die beiden
übrigen E und W sowie die kleine Fahne.
Die weißen Rosen werden durch ein grünes
Laub zusammengehalten, während ein lichtes
Graugrün die Basis der Komposition und den
Untergrund des Liedes darbietet. Eine tem-
278
Veineiyjlajeöföf
TOnig Ludinißiir^ ^
öllerunferfanigst geioidmet'
üon Ceo^riedndjtBcffldolhmjJlünrf^en
jjlooember ,^^i%-^ ^. 9 ^ S
FERO-NOtKMtR.
.^
AUS EINER HULDIGUNGSADRESSE FÜR S. M. KÖNIG LUDWIG III. VON BAYERN
Au/ Pergament gemalt von Ferä!n<tnä Nockher in Altenbeuern. — Text S. 2~6
A-.>
.{Die arm emd xmv dorb n^fl^n €iid| "
lie armöintl w\v dort) geflm<Eucl).
1 0\c Ciehe.Ciib und Ceben
Und <5nt undSlut für dputedies Keif Fj
Jn i^cU ggm ^ampf gcflgbgn-
CDip reich 6eid Jbi*. ein ictler sdjoa
'^üQt ^tvtJtjiend eine «rone
wuf blut'ger s^tirne - (Bo^es €o\}n
für echioere <f rdea-^rone-
He ^irnenglanj im'IJlorgenlicfjt'
^omnit' <E^ufb derfierr enf(jcgm,
CDennö nodjtet'imd das-^uge nriftit",
^yricf)t €r <£"ucb »Steinen »5 Cfien:
„Die treu bpbQrrc>^ bis ans (Tnd,
Dcis war $uV letj^e^ Ceiden
Und leuchtend em dem ^irmtiment
j5u<Bott die^gt gt?n ^ctimtm-
tD ie arm ^ind toir doch ^egen^Eucb
Tlocb kleben lüir ftm^taube,
Öo ßib'* f^ucb uns in<5ofte$ftei(ti:
Die 4 reue und der ^Inubg-
Tp uneben , ^Ucrscclrn ^9^5
tfScrQdolt:
AUS EINER HULDIGUNGSADRESSE AN S. M. KÖNIG LUDWIG UI. VON BAYERN
Auf Pergament gemalt von Ferdinand Xockfur m Altenbtuem. — Text S. syö
28o DIE MADONNEN DES MICHELANGELO. — MADONNA VON GRUNEWALD
Aus einer HalJigungsaJresse für S. M. König Ludwig III.
von Biyern
Gemalt von F. Xockher. — Text S. 276
peramentvolle Belebung erfährt der naturgraue
Ton des Malkartons durch ein leuchtendes
Smaragdgrün, das wie von Sonne ertüllt durch
das Spruchband hindurchleuchtet. Eine Repro-
duktion als Postkarte erhielten die Schwestern
zum Verkauf innerhalb ihres Verbandes zu-
gunsten ihrer Altersversorgung gleichfalls aus
der Hand von Herrn L. F. Bergdolt.
DIE MADONNEN DES MICHEL
ANGELO
M. Herbert
Sie tragen all die Züge der Sibyllen,
Ob sie ihr Kindlein pflegen voller Wonnen,
Ob sie versunken in der Schmerzen Bronnen,
Ihr Leid aufopfern deinem ew'gen Willen.
Auf ihrem Antlitz sind die Feierstillen
Der Menschenseele, die der Welt entronnen,
Im Rettungshafen sichre Statt gewonnen
Und siegend gleitet auf den ew'gen Zillen.
Es sind die heiigen Überwundenheiten,
Es sind die Blicke in die Gottesferne,
Es sind die ungeheuren Einsamkeiten
Gebetversunkner und der Himmelssterne.
MADONNA VON GRÜNEWALD
IN STUPACH
M. Herbert
Des alten Meisters süße Gottesbraut
Wohnt einsam in dem waldumspannten Tale.
Sie wählte nicht die stolze Kathedrale,
Ein stilles Kirchlein ward um sie gebaut.
Dort thront sie in so großer Herrlichkeit,
Daß wir von weiter Ferne zu ihr wallen.
Ehrfürchtig nah'n wir, ihrer Huld Vasallen,
Und wir vergessen vor ihr Raum und Zeit.
So traut bekannt blickt uns die Jungfrau an.
Als hätt sie schon ein tief verborgnes Leben
In uns geführt, und würd' uns nun gegeben,
Erfüllter Wunsch, den unser Herz ersann.
Die glauben und nicht glauben, grüßen sie.
Die fromme Himmelsmagd, die Benedeite.
Es strömt ihr Haar wie lichtgewebte Seide
Und lächelnd spielt das Kind auf ihrem Knie.
Ihr Antlitz ist so wunderbar gefaßt.
Als trüg' es in sich alles Überwinden.
Es ist auf Erden einmal nur zu finden.
Voll Demut ist es und voll tiefer Rast.
Und die es schauten, werden lebenslang
Das Sonnenbild im dunklen Herzen wahren,
Wie man behält nach sturmvoll bangen Jahren
Noch einen heil'gen Palestrinasang').
Vom liinband einer Ilulaigungsadresse für S. M. KS
Ludwig III. von Ii..ycrn
Entw. von F. Neckher. — Text S. 27J
') Das Geni.ilde i.st im IV. Jg. nach S. 192 abgebil-
det. Text dazu von Dr. Max Sclierniann.
KARL KUOLT
HL. SEBASTIAN (1910)
e^ ZUR KUNSTLERISCHEN REFORM DER WALLFAHRTSZEICHEN S^ 281
ZUR KÜNSTLERISCHEN REFORM
DER WALLFAHRTSZEICHEN
Von E. A. STÜCKELBERG, Basel
Vgl. Abb. S. 281—283
Im Jahre 1914 hat der Verfasser in Wien ein
^ paar Zeilen veröffenthcht, um das Interesse
an der künstlerischen Hebung eines weitver-
breiteten kleinen Gegenstandes zu wecken').
Seither sind ihm aus verschiedenen Ländern
und Kreisen von Forschern, Sammlern und
Künstlern Zuschriften in zustimmendem Sinne
zugekommen. Er glaubte
daher, der Einladung der
Redaktion dieser Zeit-
schrift folgend, auch an
dieser Stelle auf die Sache
zurückkommen zu dürfen.
Seit bald zweitausend
Jahren kann sich die Kunst
in unbeengter Weise mit
der Herstellung von Wall-
fahrtszeichen befassen.
Keine Größe, keine Form,
Dicke, Stärke des Reliefs,
kein Stoff, Gewicht, keine
Technik, kein Thema der
Darstellung oder des
Schmuckes ist vorge-
schrieben. Die größte
Freiheit hat zu allen Zei-
ten in der Wahl aller
Herstellungsarten und Be-
arbeitungen des Pilger-
zeichens oder der Wall- Figur i. -
fahrtsmedaille geherrscht,
und trotzdem ist der Kunstwert dieser kleinen
Gegenstände mehr und mehr gesunken, ist
seit einigen Jahrzehnten auf einem Tiefstand
angelangt, der nach Reform ruft^).
Kein Stoff wurde verschmäht, um derartige
fromme Andenken herzustellen und keine
Gegend der christlichen Welt verzichtete dar-
auf, solche Zeichen zu erzeugen und zu ver-
wenden. Gegossen oder geprägt, gestanzt,
getrieben oder graviert, aus edelem oder
gemeinem Metall, aus Muschel, Bein, Hörn
oder Papier 3) wurden Tausende von Pilger-
zeichen hervorgebracht. Am Kleid oder am
Hut trug der Pilger einst diese Zeugnisse für
vollbrachte Wallfahrten ; heute trägt er sie am
') Miit. der Österreich. Gesellschaft für Münz- und
Medaillenkunde X, 1914, p. 1 15 — 114.
=) Vgl. die zahlreichen Abbildungen von Wallfahrts-
zeichen des 2. — 19. Jahrhunderts im Annuaire Pontifical
Catholique 1905, p. 412—451.
3) Exemplare aus allen diesen Stoffen in der Samm-
lung des Verfassers.
Rosenkranz, am Buchzeichen oder an der Uhr-
kette, die Frau an der Halskette oder als
Brustschließe. Auch alle Arten von Umrah-
mungen der Wallfahrtzeichen waren möglich;
entweder umgab man das kleine Kunstwerk
mit schützendem Ring (Fig. 6) oder mit
schmückendem Rahmen (Fig. 3). Im erstercn
Fall pflegen außen nur ein paar perlartige
Kugeln angesetzt zu sein, im letzteren ist der
Rahmen vielfältig durchbrochen, bald durch
Guß, bald durch Lötung von Metallblättchen,
Streifen und Drähten (Fig. 4 und 5); oder aber
man unterlegte durchbro-
chene Wallfahrtszeichen
mit buntem Papier oder
Gewebe (Fig. 3 und 9).
Phantasie, Geschmack
und Kunstfertigkeit ver-
einigten sich, um die man-
nigfaltigsten kleinen Ge-
bilde herzustellen, cha-
rakteristische Erinnerun-
gen und aufbewahrungs-
werte Denkzeichen zu
schaffen. Heute ist es lei-
der anders geworden: Die
billige Massenfabrikation
hat sich des Gegenstan-
des bemächtigt und pro-
duziert in gewaltigen Men-
gen größtenteils wertlose
kleine Metallplättchen von
langweiligster Eintönig-
keit. Es genügt, einen
ev, unten Blick auf clue Sammlung
von alten und eine Kollek-
tion von neuen Wallfahrtszeichen zu werfen,
um den gewaltigen Rückschritt zu erkennen
der auf diesem Gebiet zu verzeichnen — und
zu beklagen ist. Ausnahmen abgerechnet.
Unsere Illustrationen veranschaulichen ei-
nige der vielen sich zur Darstellung bietenden
künstlerischen Möglichkeiten: das Gehäuse,
d. h. die fassadenähnliche Umrahmung der
mittelalterlichen Zeichen, wie sie z. B. in
Einsiedeln, St. Beaten im Berner Oberland,
Niedermünster im Elsaß usw. tausendfach
gegossen wurden. Fig. i stellt ein unver-
öffentlichtes Pilgerzeichen eines Wallfahrts-
ortes im Kanton Bern dar; es zeigt in archi-
tektonischer Umrahmung gotischen Stils das
Gnadenbild der betreffenden Kirche von Ober-
büren, darunter den Berner Wappenschild und
die Inschrift. Vier Ösen am Rand dienten
dazu, das Gebilde, das sich einst silberweiß
und glänzend von der Unterlage abhob, am
Rock oder Mantel zu befestigen. Fig. 2 zeigt
ein spanisches Pilgerzeichen aus Bronze, einst
Die christliche Ku:
282 ^ ZUR KUNSTLERISCHEN REFORM DER WALLFAHRTSZEICHEN ^
mit Grubenschmelz verziert
(gegossen und graviert). Auf
achteckiger Platte ist darge-
stellt ein Arm (Reliquiar?)
über einem Höllenrachen,
zwischen zwei Pflanzen. Dar-
über auf Bandrolle die In-
schrift; am Oberende des
Gebildes ein Henkel zum
Anhängen. Fig. 3 gibt die
Vorderseite eines durchbro-
chenen Wallfahrtszeichens
von Einsiedeln wieder, es ist
zweiteilig, d. h. es besteht
aus zwei ähnlichen Bleigüs-
sen, zwischen welche ein
buntes Papierbättchen gelegt
ist und das oben durch eine
kleine Seidenmasche zusam-
mengehalten wird. In rei-
chem Rahmen von Barock-
ornamentik ist in der Mitte
die Madonna von Einsiedeln dargestellt; in der
unteren Öse hing einst ein kleines, an unse-
cher Filigranschmuckstücke
existieren heute noch; sie
werden an vielen Orten, die
freilich heute nicht mehr
können namhaft gemacht
werden, hergestellt. Die dem
Verfasser vor Augen gekom-
menen Stücke stammen aus-
nahmslos aus dem 17. und
18. Jahrhundert.
Fig. 6 zeigt eine ovale, ver-
goldete Messingmedaille mit
der Darstellung des heiligen
Blutes von Weingarten, d. h.
mit dem edelsteinbesetzten
romanischen Reliquiar, das
die heiligen Partikel um-
schloß. Die einfache Fas-
sung schützt das Relief der
Prägung vor Abschleifen.
Fig. 7 gibt ein achteckiges
Messinggepräge mit dem Bild
der heiligen Treppe in Rom, auf welcher drei
Pilger auf den Knien sich emporbewegen,
rig. 3-
Flg. .,.— Tex
rem Exemplar abgefallenes Kreuzchen. Fig. 4
und 5 geben die Reproduktion von kleineren
Wallfahrtszeichen mit Filigranumrahmungen
wieder; das kleinere
Medaillon zeigt vorne
das Brustbild der Ma-
donna, hinten des heili-
gen Johannes Nepo-
muk. Das größere Zei-
chen (beschädigt) trägt
auf der Vorderseite das
Brustbild des heiligen
Dominikus, auf der
Rückseite den Heiland
am Kreuz. Unzählige
verschiedene Arten sol-
wieder ; man beachte, daß der Künstler für das
architektonische Bild den geradlinigen, nicht
einen ovalen Rahmen wählte (Datum: 1700).
Fig. 8 reproduziert
eine ovale Messing-
medaille, die in kräfti-
gem Relief die Madonna
vom Berge Karmel in
Rom darstellt.
Fig. 9 stellt die eine
Seite der ovalen Mes-
singmedaille von Säk-
kingen dar, auf wel-
cher St. Fridolin, der
Patron der Stiftskirche
daselbst, abgebildet ist.
ZUR KUNSTLERISCHIZN REFORM DER WALLFAHRTSZEICHEN ®2S 285
läge, die gleich einem
Malteserkreuz ausge-
schnitten ist, aufgenäht.
Es stammt von Saint-
Brieuc und ein Stern
mit zwei Ankern er-
innerte die Seeleute und
Küstenbewohner an die
himmlische Schützerin
und Retterin in Seege-
fahr.
Noch unzählige an-
dere Typen von Wall-
fahrtszeichen heßen sich
anführen; wir beschrän-
ken uns auf die beschrie-
benen Stücke, möchten
aber nicht schließen
ohne an alle, die sich
mit der Herstellung von
solchen Andenken zu
befassen haben, ein paar
Bitten zu richten:
I. Überlassen Sie nie-
mals die Aufgabe ledig-
Neben ihm steht
der auterweckte
Ursus, der zum
Attribut der Fri-
dolinsdarsteüun-
gen geworden ist.
Fig. 10 gibt
ein bretonisclies
Wallfahrtszei-
chen wieder; nach
alter Art ist es
aus Blei gebildet,
durchbrochen
und auf bunte
Wollstoft'- Unter-
lich dem Graveur
oder Fabrikanten.
2. Ziehen Sie einen
Kunst-, Geschichts-
oder Medaillenver-
ständigen zu Rate.
3. Lassen Sie nie
allzu viel verschie-
dene Gegenstände
auf dem kleinen Ge-
bilde darstellen.
4. Beschränken
Sie das Bild auf
einen typischen Ge-
genstand.
F.K- 9. — Text S. 282
5. Bild und Schrift sei
deutlich und so groß
wie möglich.
6. Das Bild sei nicht
konventionell und inter-
national, sondern boden-
ständig.
7. Das Relief sei nicht
flach, sondern kräftig.
8. Das Wallfahrtszei-
chen sei nicht allzu
klein').
9. Bietet sich kein bes-
seres Projekt, so lehne
man sich an das schönste
der alten Vorbilder an-).
') Unsere sämtlichen Ab-
bildungen geben die Original-
größe der mitgeteilten Exem-
plare wieder.
') Zu diesem Behufe wende
man sich an diejenigen öffent-
lichen Münzkabinette, welche
eine Abteilung Gnadenpfen-
nige oder Wallfahrtszeichen
besitzen.
BERUF DER KUNST
L Vom Grabe eines Malers in Luzern : IL Ein Ausspruch Führichs:
»Dem echten Schönen ist wahre Kunst »Die Kunst ist eine Blume, zu duften vor
geweiht, dem Herrn,
Sie wird in Gott Genuß und Seligkeit.- Ein Licht, zu leuchten vor dem Herrn.«
Diese zwei sinnreichen Bekenntnisse wurden uns von Sr. Königl. Hoheit Prinz Johann
Georg von Sachsen huldvollst mitgeteilt.
37*
284
lOSEF EHKKZ (ML I IGAKT)
MOÜRLANlibCHAlT
^^':Mim^^'^'^''*^
lOSF.F F.BERZ (STUTTGART) ZWEI MÜTTER
Aus ,/rm Zyklus „Kiimp/e'' . OrlghutUithogyapkir. Vgl. Text Beilagr S. 24
€SS NEUE STUDENTENFAHNE es^
NEUE STUDENTENFAHNE, NACH DEM ENTWURF VON ARCHITEKT RICHARD STEIDLE (MÜNCHEN) AUSGEFÜHRT VON HERRN
UND FRAU BILDHAUER ALLMANN (MÜNCHEN)
NEUE STUDENTENFAHNE
(Vgl. Abb. oben und farbige Sonderbeilage)
Der katholische Studentenverein Erwinia an
der Technischen Hochschule zu München
beabsichtigte die Anschaffung einer neuen
Fahne. Mit dem Entwürfe hierfür wurde der
Philister dieser Korporation, Architekt Richard
Steidle, betraut. Es bestand nun für ihn die
Aufgabe, ein Stück zu schaffen, das sich von
der üblichen Schablone freihielt und eine
modern empfundene Lösung anstrebte. Bei
Studentenfahnen sieht man bis heute noch
Dinge, die sich eigentlich schon längst über-
lebt haben sollten, so Renaissancewappen mit
wallenden Federbüschen und Helmdecken,
allegorische Figuren in peinlichster Nadel-
malerei, als Hintergrund eine groteske Land-
schaft, und ähnliche unerfreuliche Sachen.
Man könnte unwillkürlich jene Periode der
Glas- oder Wandmalerei zum Vergleich heran-
ziehen, wo man ohne Bedenken irgend ein
Tafelgemälde auf die Fläche übertrug. Ebenso
falsch ist es bei einer Fahne, die hoch im
Winde flattert, mit Stickereien zu arbeiten,
die nur in der Nähe deutlich erkennbar sind
und welche etwa bei Sophakissen, bei Tisch-
decken u. s. w. wohl am Platze sein können.
Bei einer Fahne wird man, wie bei einem
guten Glasgemälde, das Hauptaugenmerk auf
eine ausgeglichene Stilisierung, auf Flächen-
wirkung und klare Anordnung in Zeichnung
und Farbe richten. Aus diesem Bestreben
heraus ist der vorliegende Entwurf entstanden.
Wie die Abbildung zeigt, sind ganz moderne
Töne angeschlagen; die Farben sind durch
keinerlei Schattenwirkung oder sonst übliche
Mittel gebrochen, sondern stehen in tiefer
Leuchtkraft neben einander. Das Ornament
ist breit und flächig behandelt. Sämtliche
Stickereien wurden mit der Kurbelmaschine
ausgeführt. Dieser Technik ist eine unserem
deutschen Empfinden entsprechende Uneben-
heit und altmeisterliche Derbheit eigen. Die
Arbeiten wurden in vollendeter Weise von
Frau Bildhauer AUman angefertigt, wobei
ihr jetzt im Felde stehender Gemahl besonders
bei der Detailausführung ihr mit Rat und Tat
zur Seite stand.
286
AUSSTELLUNG VON MALEREIEN ALWIN ARNEGGERS
KARL KUOLT
DER BARMHERZIGE SAMARITAN
AUSSTELLUNG VON MALEREIEN
ALWIN ARNEGGERS
Am 26. April dieses Jahres ist Alwin Arnegger ge-
storben, nachdem er am 6. Februar erst 53 Jahre
alt geworden war. Ein Künstler ist uns verloren ge-
gangen, von dem in der Öffentlichkeit bisher nicht
viel die Rede war. Er stammte aus Hohenweiler bei
Bregenz, studierte Germanistili und wandte sich erst
dann in München der Malerei zu. Sein Lehrer war
1906 — 7 Professor von Marr. Freunde des Hingeschie-
denen veranstalteten im Mai eine Ausstellung zahlrei-
cher Arbeiten von ihm. Bei den 75, größtenteils dem
Nachlasse des Künstlers entnommenen Werken sah
man hauptsächlich Bildnisse, Postkarten und Sinnbilder
der Jahreszeiten. Schon diese kurzen Angaben zeigen,
daß eine Vielseitigkeit nach gegenstdndliclier Richtung
nicht vorliegt. Um so intensiver ist die Darbietung,
und zwar bei den Bildnissen vor allem nach der kolo-
ristischen Seite hin. Arnegger legte auf diese beson-
deren Wert. Mit lebhafter Neigung für starke Wir-
kungen wählte er Farben von ausgesprochener Energie,
ohne doch in Härten zu verfallen. Er liebte es nur,
deutlich herauszuarbeiten, was er für richtig hielt, und
was seinen künstlerischen Eingebungen entsprach. Die
in vollem Lichte und in ihrer durch die Atmosphäre
bedingten Art entwickelten kraftvollen Töne stellte
er so zusammen, daß sie interessante und vornehme
Harmonien bildeten. So wenn er bei dem in gan-
zer Figur gegebenen Bildnisse einer Dame diese in sehr
helles Grün gekleidet gegen den Hintergrund einer
zart geblümten Tapete oder vor einer solchen grün ge-
streiften eine Dame in Weiß malte, oder eine ältere
Dame in Schwarz gegen dunkelblauem Hintergrund,
oder wenn er die Gestalt eines Herrn in blauer Uni-
form von grünem landschaftlichem Hintergrund ab-
stechen ließ. Häufig gab ihm auch die Darstellung von
Studenten Gelegenheit, seiner Farbenfreudigkeit genug
zu tun. Die Wahl des Kolorits diente bei Arnegger
aber auch sehr wesentlich den Zwecken geistiger Ver-
tiefung, der Charakterisierung der Personen. Weit ent-
fernt war er indes davon, dieses Ziel nur mit Hilfe des
Farbenvortrages und mit der seines nicht minder ent-
wickelten plastischen Sinnes zu erstreben. Die Art,
wie er den Ausdruck der Gesichter schilderte, beweist
vielmehr, daß er die geistige Eigenart eines jeden zu
durchdringen wußte und auf ihre überzeugende Inter-
pretation ausging. Zu den besten Werken Arneggers
nach dieser Riditung hin gehört z. B. das Bildnis Prof.
Ph. Schumachers, das der Frau Schmitt, das Bildnis
Riedner. Bei den Landschaften interessiert die Ruhe
der Farbe, bei der grüne Töne vorherrschen, die gute
Massenverteilung, die stimmungsvolle Erfassung der
schlichten Motive. Die Ausstellung ließ das frühe Hin-
scheiden dieses Künstlers lebhaft bedauern, dem eine
bedeutende Laufbahn hätte beschieden sein können.
aSy
KARL KUOLT, PORTRÄTBÜSTE
Holz, vollendet jgtj
288
KARL KUOLT, SCHREIBTISCH
Vgl. AU. S lS7 und Beilage S. S7
Artifex 6uestf.
Galerle 315-1
lES. F. CHR. K., MCHN.
6L0RIA IN EXCELSIS DEO, ET IN TERRA PAX HOMINIBUS BONAE VOLUNTATIS
G. SCHREINER
HAUPT CHRISTI
Dtlail. Vgl. Abb. S. 304
BILDHAUER GEORG SCHREINER
(Hierzu die Abbildungen S. 289 — 309)
r^er Deutsche Kaiser hat für den Altar der
L-^ prächtigen neuen Kirche seines bekannten
westpreußischen Besitzes Cadinen einen reich
geschnitzten dreiteiligen Aufsatz anfertigen
lassen, und dieser Auftrag ist dem Regens-
burger Bildhauer Georg Schreiner zuteil ge-
worden.
Schreiner wurde 1871 zu Regensburg gebo-
ren. Er lernte 3 Jahre lang bei Prof Ruemann
in München und arbeitete dann zum Teil selb-
ständig, bis er sich 1907 endgültig in seiner
Geburtsstadt niederließ. Zwei Arbeiten von
ihm, eine Holzstatue der hl. Barbara und eine
der hl. Katharina, beide zu dem Hochaltare
der katholischen Kirche zu Teisnach gehörig,
entstanden im Jahre 1900 und sind in der
Jahresmappe der Deutschen Gesellschaft für
christliche Kunst 1903 abgebildet (Abb. S. 290).
Es sind Figuren von selbständiger Erfassung,
kräftig und schön in Umriß und Durchfüh-
rung; die deutsche Kunst der Renaissance
macht sich als Vorbild fühlbar, ohne daß
Eigenartigkeit und Neuheit darunter verloren
gingen. Im Jahre darnach schuf Schreiner
eine Pieta für S. Eminenz den Kardinal Grafen
Schönborn in Prag. Die Gruppe zeigt gute
Geschlossenheit, die bei solchen Werken oft
störende Härte, mit welcher die Linien der
beiden Gestalten sich durchschneiden, ist mit
Glück vermieden, der Christusakt gut beob-
achtet und durchgearbeitet; die Charakteri-
sierung atmet Feierlichkeit bei überzeugender
Lebenswahrheit (Abb. S. 291). Die größte Ar-
beit aus Schreiners früherer Zeit ist der ge-
schnitzte Hochaltar der katholischen Pfarrkirche
zuBraunau(Abb.S.292). Für dieses Werk ist die
Idee bereits viel älter; sie stammt nicht von
Schreiner, sondern von dem Dombaumeister
Heinrich Freiherrn von Schmidt, der sie 1865
gefaßt hat. Der in den reichen Formen der aus-
gehenden Gotik gehaltene Altaraufsatz trat an
die Stelle eines vor Schreiners Zeiten bereits
beseitigten Barockaltars. Man sieht ein zwei-
flügeliges Werk: im Mittelschreine rechts und
links vom Thronus die unter reichen Balda-
chinen stehenden Figuren des hl. Petrus und
Die chilstllcbe Kunst. XII.
290
^3 GEORG SCHREINER e^
GEORG SCHREINER, DIE HL. BARBARA UND KATHARINA
Am Hochaltar in der Kirche zu Teisnach. Höh. — Text S. 3Sc)
Paulus, in den Flügeln je zwei in Reliet ge-
gebene Szenen aus dem Leben des hl. Ste-
phanus. Die Gestalt dieses letzteren und die
von zwei weiblichen Heiligen stehen, rund
gearbeitet, auch in der reichen Bekrönung
des Altares. Das Ganze bot dem Künstler
Gelegenheit, besonders auch das Talent zu
beweisen, das er für die Erfindung und wir-
kungsreiche Ausführung des Ornamentes be-
sitzt. Man sieht dabei, wie er sich mit Ver-
ständnis in die Denkart der alten deutschen
Gotiker eingelebt hat.
Seit der Zeit seiner äußeren Selbständig-
keit hat Schreiner eine stattliche Zahl bedeu-
tender Arbeiten geliefert, von denen hier nur
einige erwähnt werden können. 1907 schut
er ein mit einer schönen Engeltigur geschmück-
tes Grabdenkmal für den Friedhof von Rein-
hausen. Eine Probe seiner Fähigkeit zur Her-
stellung älterer Kunstwerke legte er 1908 beim
Hochaltar zu Stadtkemnath ab. Dasselbe Jahr
brachte die Ausstattung der Josephskirche zu
Königshütte (Abb. S. 299). Der 1909 enstan-
dene Aufsatz des Hochaltares zu Antonien-
hütte (Oberschlesien) ist wieder ein nach spät-
gotischen \'orbiIdern entworfenes reich ge-
schnitztes Triptychon (Abb. S. 293). Die Mitte
enthält eucharistische Szenen, in den Flügeln
sieht man je zwei Reliefs mit Darstellungen
aus dem Leben des hl. Laurentius. Bemerkens-
wert ist namentlich die Lösung der bei sol-
chen gotischen Altären nicht geringen Schwie-
^ GEORG SCHREINER ^
291
GEORG SCHREINER
Im Besitze Sr. Etniiie.
des Kardinals Sdünbcr.
rigkeit, Tabernakel und Thronus künstlerisch
befriedigend unterzubringen. Sciireiner hat
dies in einer Weise versucht, der man nicht
bestreiten kann, daß sie neuartig und zugleich
im Sinne der alten Kunst gelegen ist. Er
teilte nämlich den Mittelschrein in zwei ver-
tikal getrennte Hälften, ebenso die Predella
und schob dazwischen ein prachtvoll ge-
schnitztes Sakramentshäuschen ein. Mit dem
Sockel, dem Tabernakel, steht es auf den
Leuchterstufen, darüber folgt der von zwei
Statuetten flankierte Thronus, der die Form
einer gotischen Kirchenapsis hat, im oberen
Geschosse sieht man die Halbfigur des seg-
nenden Gottvaters; endlich erhebt sich der
zierliche, klar durchbrochene Turm über die
Oberkante des ganzen Altaraufbaus. Und da
nun das Sakramentsgehäuse auch noch vor
den lediglich bildlichen Teilen des Aufbaus
hervortritt, und reich vergoldet ist, so cha-
rakterisiert es sich als das, was es ist, als das
wichtigste des Ganzen. Der Altar von An-
tonienhütte gehört zu den wertvollsten Wer-
ken, die Schreiner bisher geschaflen hat. —
Seine Neigung, im Sinne der alten großen
Gotiker zu arbeiten, macht sich auch bei der
1911 entstandenen Kanzel und dem Hoch-
altare der neuen katholischen Kirche von
Langfuhr (bei Danzig) geltend. Der letztere
ist wieder ein Triptychon (Abb. S. 294). Bei
der Kanzel führte wohl die freie Erinnerung
an die Syrlinschen Halbfiguren des Ulmer
Domes zur Entstehung der vortrefflichen
Halbfigurenreliefs der vier Evangelisten. Ent-
wurf und Personenschilderung sind voll Kraft
und in die Tiefe gehender Einfachheit (Abb.
S. 296).
Ein »außerhalb der Linie, stehendes Werk
292
GEORG SCHREINER HOCHALTAR IN BRAUNAU
K'itwurf von Dombaumfistcr l-rh, v. Schmidt in Wien, lS6j
Tcxl S. 2Sg
e^ GEORG SCHREINER ^3
293
schuf Schreiner 19 12 für den Hochaltar der
Kirche von Rol;ittnitz in Oberschlesien (Abb.
S.298). Die hier abgebildete Gruppe ist lebens-
groß; sie hehndet sich innerhalb einer etwas
schweren und dunkeln Architektur, deren Ent-
wurf von dem Dresdener Architekten, Pro-
fessor Kühn stammt. Der Gedanke »Kommet
alle zu mir ; ist hier in einer Weise verbild-
licht worden, die eine ganze Reihe von An-
spielungen auf die Bevölkerungs- und Berufs-
verhältnisse der dortigen Einwohnerschaft ent-
hält. Die in schlichter Idealisierung gegebene
Figur Christi hebt sich von den realistischen
Gruppen der herzudrängenden Menschen be-
deutungsvoll ab, ohne daß innerer oder äußerer
Zwiespalt dadurch entstände. Die Charakteri-
sierung der Personen ist vorzüglich. In dem
Werke lebt starkes neuzeitliches Empfinden,
dabei tiete Stimmung. 1 9 1 3 ist das Entstehungs-
iahr eines Hochaltars für die neue St. Carolus-
kirche zu Breslau. Das Abendmahl relief ist von
hoher Feierlichkeit erfüllt, die edlen Köpfe voll
lebendigen Ausdrucks. In demselben Jahre
entstand auch der Altar der neuen Evange-
lischen Pauluskirche in Breslau. 1912 und
191 3 arbeitete Schreiner auch einen Hochaltar
für die Kirche von Hausham in Oberbayern
(Abb. S. 301). Von der Tüchtigkeit des Wer-
kes legen die beiden hier abgebildeten Grup-
pen Zeugnis ab. Die eine zeigt den auf Wol-
ken sitzenden hl. Antonius mit dem Jesus-
kinde, die andere den auf der Weltkugel
thronenden Gottvater, der in lebhafter Bewe-
gung die Rechte segnend erhebt. Die Stil-
auffassung ist die des späten Barock; ihr
folgte der Künstler auch mit der Darstellung
der unbekleideten Engel. Die Gruppen fügen
sich mit der Größe ihrer Linien und Flä-
chen der Architektur des Altarwerks volltönig
und harmonisch ein. — Eine Arbeit von
GEORG SCHREINER
Der obere Teil fehlt.
H0CHALT.\R IX .■WTONIENHCTTE (SCHLESIEN')
Text S. zqo
294
^:a GEORG SCHREINER ^
GEORG SCHREINER, ANBETUNG DER KONIGE UND DER Z\VÖLF|ÄHRIGE |ESUS
Neue katholische Kirche in Dattz'g. — Text S. 2QI
großer Selbständigkeit ist der 1914 begonnene,
191 5 vollendete Altar der neuen protestanti-
schen Kirche zu Oliva in Westpreußen (Abb.
S. 295). Der Kruzifixus, zu dessen Füßen der
Sündenfall dargestellt ist, hebt sich höchst
wirksam von einer aus durchbrochenem Laub-
werk gebildeten Wand ab; Spruchbänder durch-
ziehen sie; unter und an ihr sind die Ge-
stalten der vier Evangelisten, sowie des hl.
Petrus und Paulus verteilt. Die Arbeit zeugt
von kräftiger Durchdringung des Geistes der
späten Gotik. — 1 9 1 5 entstand ferner ein Hoch-
altar für Oberschneiding und wurde die Ge-
samtrestaurierung dieser Kirche nach Schrei-
ners Entwürfen durchgeführt.
Endlich brachte der Schluß des Jahres die
Vollendung eines der bedeutendsten Werke
des Künstlers, nämlich des zu Anfang er-
wähnten dreiteiligen Altaraufsatzes für die
Kirche in Cadinen nach dem Entwürfe ihres
Erbauers, des Geheimen Baurats Kickton in
Potsdam (Abb. S. 304 — 507, vgl. S. 310 — 312).
Der Mittelschrein ist quadratisch (3,80:4,50 m).
Hier sieht man in der Hauptgruppe den
von seinen Freunden und Feinden umgebenen
gekreuzigten Heiland. Zu seiner Rechten steht
Maria. Sie streckt die Hände nach ihrem Sohne
aus; der Schmerz will sie überwältigen, aber
Johannes stützt sie und bewahrt sie vor dem
Umsinken. In Trauer, Liebe und Zuversicht
blickt er — eine der schönsten Figuren, welche
Schreiner geschaffen hat — auf seinen gött-
lichen Herrn und Meister. Seitwärts steht der
römische Hauptmann. Links vom Kreuze er-
blickt man die Widersacher, verkörpert in den
Gestalten von drei alten Israeliten; ihre Leiden-
schalt ist temperamentvoll und doch mit künst-
lerischerZurückhaltung geschildert. Den Über-
gang von einer Gruppe zur andern vermittelt
Magdalena, die am Fuße des Kreuzes in die
295
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GEORG SCHREINER
ALTAR IN DER EVANGELISCHEN KIRCHE ZU OLIVA BEI DANZIG
Vollendet iqis, — Text S. zg4
296
^ DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN ®S^
GG. SCHREINER
An der Kanzel dt->
•u kath. Kin
Text S. 2qt
JOHANNES EVANG
Lang/uhr-Danzig
Knie gesunken ist. Von den Flügeln zeigt
der reciits die Kreuztragung des Herrn, wel-
ciier die weinenden Frauen ermahnt; der links
die Abnahme vom Kreuze. Die Predella ent-
hält die Reliefs der Evangelistensymbole. Die
Auswahl sämtlicher darzustellenden plasti-
schen Werke ist durch S. M. den Kaiser selbst
erfolgt. Auch die Kompositionen der Flügel-
reliefs sind klar, ruhig und schön. Die Linien-
führung der Figuren ist einlach, die Auflas-
sung verwandt jener von spätgotischen Altar-
werken des deutschen Südens, doch voll von
jener innerlichen Unabhängigkeit, welche der
Schreinerschen Kunst zur Auszeichnung dient.
Das gilt durchweg, und so bei dem Cadiner
Altare auch wieder von dem ornamentalen
Beiwerke, welches reich und schön gezeichnet
und mit verständnisvoller Technik ausgeführt
ist. Das ganze Werk ist in seiner Wirkung
außerordentlich gesteigert durch die farbige
Fassung und die reiche, festlich wir-
kende Vergoldung; sie ist zumeist matt,
einzelne Partien leuchten im Glanzgold.
Der Cadiner Kirche, welche nach den
Wünschen des Kaisers im Charakter
der Ordensbaukunst in Preußen als mit-
telalterlicher Backsteinbau in reichen
Formen errichtet wurde, und bei deren
Ausführung sich das Allerhöchste Inter-
esse auf alle Einzelheiten erstreckte, wird
das Schreinersche Altarwerk zur Zierde
gereichen. S. M. der Kaiser hat sich in
hervorragend anerkennender Weise über
dassselbe ausgesprochen. Auch S. Exz.
der Herr Bischof von Regensburg war
davon hochbefriedigt. Doering
DIE WANDBEHÄNGE DER
EHEMALIGEN STIFTSKIRCHE
IN GARSTEN
Von JOSEF HARTER- H.-\RT, Steyr
r^ie Gobelins der prächtig stukkierten
*~^ früheren Stiftskirche in Garsten bil-
den ähnlich jenen des Kaisersaales der
Benediktinerabtei Kremsmünster, welche
das Leben des mongolischen Großkönigs
Timur (Timor Lenk) schildern, einen
geschlossenen Zyklus. Der große über
zehn Meter lange, an der Evangelienseite
hängende Garstener Gobelin verbildlicht
die Vermählungsfeier Alexanders des
Großen mit der schönen Roxane, Toch-
ter des baktrischen Fürsten Oxyartes, am
Hof zu Susa (Frühjahr 324 v.Chr.) im
Kreise seiner Feldherren, welche sich
gleich ihrem König mit Perserinnen ver-
lobten. Der gegenüber befindliche, sieben Meter
lange, veranschaulicht Alexanders Einzug in
Babylon, eine Darstellung, die in der Kom-
position einzelner Partien an den in der könig-
lichen Gobelinmanufaktur in Paris nach Charle.s
Le Bruns Karton angefertigten Alexandergo-
belin erinnert. Durch ein reichgegliederres,
vonden Allegorien des Alten und Neuen Testa-
mentes geschmücktes Marmorportal getrennt,
ist um den mächtigen, Presbvterium und SchitI
scheidenden Pilaster jener, welcher aus drei
Teilen besteht, deren zwei schmale Abschieds-
oder Begrüßungsszenen verbildlichen, in denen
Roxane und ihr \'ater Oxyartes erscheinen.
Die größere Partie veranschaulicht eine Krö-
nung, wahrscheinlich die bildliche Erwählung
Alexanders zum Sohn Amnions, als er anfangs
331 v.Chr. durch die Libysche Wüste zu des Zeus
Heiligtum zog. Anschließend an den großen
der Evangelienseite ist ein vollständiger, welcher
DIE WANDBEHANGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN
297
eine Sterbeszene verbildlicht. Ein vornehmer,
schvververwundeter Krieger wird zum reiten-
den Sieger getragen, indes ein Reiter einen
Jüngling zu Tode schleilt. Verbildlicht ist da-
rin die Begebenheit, wie (Juli 350 v. Chr.) der
sterbende Perserkönig DareioslII. Codumannus
von makedonischen Kriegern zu Alexander ge-
bracht wird, da der Perser auf der Flucht
nach Ekbatana in Medien von dem baktrischen
Satrapen Bessusund dessen Mitverschworenen
Barsaentes von Arachosien und Narberzanes
nächst Hekatompylos in Parthien tödlich ver-
wundet und hilflos auf seinem Streitwagen
liegen gelassen wurde, bis ihn Alexanders
Krieger fanden. Der zu Tode geschleifte Jüng-
ling dürfte einer der Edelknaben sein, die zu
Anfang 327 v. Chr. zu Baktra eine Verschwö-
rung anzettelten, die jedoch entdeckt und deren
Anstifter zum Tode verurteilt wurden. Aus
dem Zeitunterschied kann ebenso eine andere
Hinrichtung ersehen werden, obgleich auch
die Meister des Barokko zur reicheren Drama-
tisierung ihrer Gemälde dem Anachronismus
huldigten, falls derselbe die Wirkung ihrer
Szenen förderte. Der an gleicher Wand gegen
den Hochaltar gespannte Gobelin stellt eine
Gartenszene dar, in welcher der in den Bild-
webereien verherrlichte Held schlicht kostü-
miert ist und den vom nebenstehenden Mohren-
pageo erhaltenen Brief liest. Ihm zur Seite
steht vertraut ein älterer, welcher das Schreiben
hält. In diesem Webgemälde ist jene Episode
aus Alexanders reichbewegtem Leben veran-
schaulicht, wie der große Makedonier die Ant-
wort seiner Aufforderung an Fürst Porus er-
hält, daß ihn dieser an der Spitze seines Heeres
empfangen werde. Alexander hatte ihm die
Botschaft gesandt, sich zu unterwerfen. Doch
Porus schickte ihm die stolze Antwort, wor-
auf der Makedonier, nachdem er im Früh-
jahr 326 V. Chr. den Indus überschritten hatte
und in König Taxilies' Reich gedrungen war,
der sich mit seiner Hauptstadt freiwillig unter-
warf, unterstützt von diesem und anderen
indischen Fürsten (Mai 326 v. Chr.) an den
Hydapses zog. Der Fluß trennte die Gegner.
Es kam zur entscheidenden Schlacht, in welcher
Porus Heer und Reich verlor und verwundet
wurde. Alexander setzte ihn in sein Reich.
Derrechtsseits stehende Krieger ist Alexanders
vielgeliebter Freund Hephästion , Amyntos
Sohn aus Pella, welcher ihn bei sämtlichen
Feldzügen begleitete und von Jugend seine
vertrauteste Gesellschaft bildete. Beide hatten
bei Aristoteles im Hain zu Mieza gemeinsamen
Unterricht genossen und seit dieser Zeit ver-
band sie bis zu Hephästions Tod eine wahr-
haft klassische Freundschaft. Als dieser im
Spätsommer 324 v. Chr. zu Ekbatana starb,
ließ ihn sein Freund im Mai 323 v. Chr. zu
Babylon mit königlicher Pracht bestatten und
durch Amnions Spruch zum Halbgott erklären.
Kaum ein Jahr betrauerte Alexander seinen
Freund, denn am 13. Juni 323 v. Chr. starb
auch er.
Jeder Wandteppich birgt inmitten der oberen
Blumen- und Fruchtbordüre ein Wappen, das
mit jenem des kurkölnischen Adelgeschlechtes
der Dünewald identisch ist. Stammherr des
längst erloschenen Geschlechtes war Johann
Heinrich von Dünewald, welcher um 1620
im Kurkölnischen, angeblich in Cleve bei Köln,
geboren war. Wegen ausgezeichneter militä-
GEORG SCHREINER
Hausham in Obirbaye
HL. P.^ULUS
Die christliche Kunst. XII.
298
e^ DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN mm
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GEORG SCHREIXER
KOMMET ALLE ZU MIR
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Rokiltnitz. - Vgl. Abb. unten
rischer Leistungen wurde er am 15. November
1675 vom Kaiser Leopold I. in den Reichs-
grafenstand erhoben und zum General der
Kavallerie befördert, nachdem ersieh am 4 Okto-
ber 1674 unter Bournonville im Kriege gegen
KönigLudwigXIV.vonFrankreich im mörderi-
schen Tretfen von Enzheim nächst Straßburg
hervorragend beteiligt hatte und bei Mühlheim
gefangen, später ausgewechselt worden war.
Wiederholt leistete er Österreich gegen den
Erbfeind der Christen ausgezeichnete Dienste,
so verteidigte er, als Wien 1683 von den
Türken belagert wurde, die Stadt Krems an
der Donau und schlug dortselbst eine türkische
GEORG SCHREINER
KOMMET ALLE ZU MIR
Vom Altar in Rokiltnitz, — l'gL Abb. obin
DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN es^ 299
GEORG SCHREINER
Katk. St. Josephskirch.
Heeresabteilung. Er zog gegen Wien vor und
nahm am Entsatz trefilichen Anteil. Als die
türkische Armee bei Parkany geschlagen worden
war, verfolgte er diese. Im nächsten Jahre
führte er die schwäbischen Hilfstruppen zur
ersten Belagerung Ofens und schlug 1686 bei
der zweiten ein türkisches Entsatzheer. 1687
führte er nach der Schlacht bei Mohacz ein
Korps gegen Esseg, woselbst eine türkische
Reserve zurückgeblieben war und drängte
diese nach Belgrad. Hierauf unterwarf er ganz
Slawonien und alle dortigen Festungen. Als
es^ DIE WANDBEHANGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN ®^
1689 Ludwig XIV. abermals in Deutschland
einfiel, rückte er gegen den Rhein vor und
entsetzte Heidelberg. Wieder gegen die Türken
zu ziehen befehligt, kämpfte er 1690 und
1691 bei Slankammen und trug vornehm-
lich am letzten Siege bei. Er wurde beim
österreichischen Hof verdächtigt, Bestechun-
Besteller der Wandteppichewarund diese nach
1675, dem Jahr seines Erhebens in den Reichs-
grafenstand, angefertigt wurden. Wie sie in
den Klosterbesitz von Garsten gelangten, ist
gegenwärtig noch unaufgeklärt. Allgemein
wird angenommen, daß sie durch Gelegen-
heitskauf, vielleicht vom kunstsinnigen und
GEORG SCHREINER
ST. ANTONIUS VON P.-\DU.\
,•)/// llcichallar der Kirche
gen angenommen zu haben, und war im Be-
griffe, nach Wien zu reisen, um sich zu recht-
fertigen, als er auf der Hinreise zu Esseg am
31. August 1691 starb. Angeblich soll er sich
vergiftet haben, um der Rechenschaft zu ent-
gehen. Die gesamte abendländische Kultur
hat in ihm einen der tapfersten Kämpfer und
Osterreich einen seiner besten Feldherren ver-
loren.
Nach dem eingewebten Dünewaldschen
Wappen ist anzunehmen, daß dieses Gesciilecht
hochgelehrten Abt Anselm Angerer (1683 —
1715) erworben wurden, da sich aus ver-
schiedenen Testamenten der Düne walde große
Geldschwierigkeiten ergaben, selbst Rückstände
von Sold an die Dienerschaft verzeichnet sind.
Von ihrem Geschlecht ist bekannt, daß es von
1678 bis zum Aussterben 17 18 die Herrschatt
Saabor in Preußisch-Schlesien besaß und daß
es mit Ludwig erlosch.
Die gigantischen Pilaster des Schiffes um-
hüllen gemalte Tcppiche, welche auf den am
301
GEORG SCHREINER
HOCHALTAR DER KATH. KIRCHE IN HAUSHAM (OBERBAYERN>
Text S 2q3
302
^ DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN ^
13. Jänner 1735 verstorbenen Garstener Hof-
maler Johann Karl von Reselfeld zurückgeführt
werden. Unverkenntlich dürfte mit denselben
jenes >>Spalier« gemeint sein, von dem Abt
Anselms Zeitgenossen sprechen und welches
bei dessen vierzigjährigem Priesterjubiläum die
Wände der Kirche bekleidete. Nach Aufzeich-
nung des Garstener Ex-Konventualen P. Ernst
Koch (gestorben 18 17) ließ der letzte Garstener
Abt Maurus Gordon (gestorben 1786) diese
Teppichmalereien »unter der Direktion des
berühmten Mahlers zu Krems, Herrn von
Schmidt, frischen«.
Auf grober Leinwand in bunten Farben
gemalt, umsäumt von Blumen- und Frucht-
bordüren, erzählen sie in Bruchstücken die
Geschichte der Makkabäer, jener jüdischen
Heldenfamilie, welche Judas Makkabäus zum
Ahnen hat. Schon sein Vater Mattathias war
das Haupt der Aufständigen gegen die Syrier.
GliÜRG SCHRlilNIiR
In Rfgrn ü n ly- Kel„ Im iisiii.
Durch die Unterdrückung des jüdischen Glau-
bens und den Abfall von Volksgenossen zum
Heidentum erbittert, sammelte er eine Schar
mutiger Glaubensgenossen um sich, um sein
Volk von syrischer Herrschaft zu befreien.
Mit seinen Söhnen Joannes Gaddis, Simon
Thasi, Eleazar Abaron und Jonathan Apphus
vollendete Judas das väterliche Werk — die
Wiederherstellung des jüdischen Staates (135
v.Chr.). UnterThasis Sohnjoannes Hyrkanusl.
erreichte jener den Höhepunkt. Sein Sohn
Aristobul I. nahm 105 den Königspurpur.
Nach kurzer Regentschaft folgte ihm sein
Bruder Alexander Jamäus von 104 bis 78,
welcher die widerspenstige Partei der Phari-
säer zugehe. Unter seinem Sohn Hyrkanus IL,
der ihm auf den Thron folgte, machte sich
bereits Roms Einfluß geltend. Herodes der
Große schloß mit Mariamne, Hyrkanus' II.
Enkelin, eine Ehe. Um die Herrschaft ihrem
Mann zu sichern, ließ sie die männ-
lichen Nachkommen ihrer Familie
ermorden.
Die Makkabäer-Kämpfe waren die
begeisternden Vorbilder jener Zeit,
in welcher der damalige Feind der
Christen niedergerungen wurde. Die
riesigen Fresken des Musikchores
gleicher Kirche bezeugen die flam-
mende Begeisterung über die Siege
christlicher Waffen.
Eine der Teppichmalereien schil-
dert das Opfer zu Modein (I. Makk. 2,
23 — 24). In dieser Stadt, in welcher
Mattathias mit seinen Söhnen lebte,
wollte ein Jude auf königlichen Be-
fehl dem Götzen opfern. Als Mat-
tathias dies sah, übermannte ihn
der heilige Zorn und er tötete den
Abtrünnigen am Altar.
Ein anderer Teppich erzählt Helio-
dors Vertreibung durch Engel und
einen geflügelten Reiter aus dem
Tempel zu Jerusalem (IL Makk. 3,
25 — 26). Nach biblischem Bericht
war Apollinus, dem Statthalter von
Gölesyrien und Phönizien, durch
Simon, den Vorsteher des Tempels
zu Jerusalem, angezeigt worden, daß
in diesem bedeutende Summen hin-
terlegt seien. Als König Seleukos
Philopator hieven erfuhr, beorderte
er Heliodor, das Geld zu beheben.
Der Hohepriester Onias empflng ihn
freundlich und bedeutete ihm, daß
das aus 400 Pfund Silber und 200
Pfund Gold bestehende Vermögen
zum Unterhalt der Witwen und
IIO('.II.\LT,\K
DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE I\ GARSTEN
303
GEORG SCHREINER
ALTAKE IN OBER$(;llNEIDIN( ; HEI STRAUBING
Waisen bestimmt sei und ein bedeutender
Teil Hirkanus, einem vornehmen Reichen,
gehöre. Der Gesandte ließ trotz eindring-
licher Bitte des Hohenpriesters nicht ab,
und bestimmte einen Tag, an welchen er
mit seinen Soldaten das Vermögen behebe.
Als er in der Schatzkammer war, betete
der Hohepriester samt dem Volk. Da er-
schien ein goldener Reiter, dessen Pferd
den Heliodor zu Boden trat. Außerdem er-
schienen zwei geflügelte Jünglinge, die mit
Ruten auf ihn einhieben und ihn zum Tempel
hinausstießen.
Der Pilastermantel unterhalb der Kanzel
schildert, wie auf des Antiochus IV. Epiphanes
Auftrag Fürst Apollinus mit 22000 Soldaten
am Sabbat die Juden zu Jerusalem hinmet-
zelte (II. Makk. 5, 26).
Der vierte Teppich stellt Antiochus' IV.
grauenvollen Tod dar (II. Makk. 9, 28 — 29'.
Nachdem dieser bei Persepolis eine große
Niederlage erlitten hatte, wollte er seinen
Zorn an den Juden kühlen. In seiner Erre-
gung hörte er in Ekbaktana, daß Nikanor
und Timotheus samt ihren Truppen von den
Juden geschlagen worden waren. Da schwor
er, daß er Jerusalem zur Totenstätte der Juden
machen wolle. Kaum hatte er den Schwur
gemacht, verspürte er unsägliche Schmerzen
im Leibe. Trotzdem zog er in Eilmärschen
gegen Judas Grenze. Nach einigen Tagen
nahm die Krankheit derart zu, daß er in einer
Sänfte zu reisen genötigt war. Die Fäulnis
war so weit vorgeschritten, daß stückweise
das Fleisch vom Körper fiel und Maden hervor-
kamen. Da gelobte er seinen Schwur zurück-
zunehmen, er wollte sogar Jude werden. Um-
sonst war sein Flehen. Unter entsetzlichen
Schmerzen starb er. Reselfeld hat sein grau-
siges Ende lebhaft geschildert. Würmer krie-
chen aus dem Munde und Soldaten halten
sich die Nase vor dem Gestank zu.
Auf entgegengesetzter Seite ist der geheim-
nisvolle Heerführer der Juden gegen Lysias'
Streitmacht verbildlicht. Hierüber berichtet
der achte Vers des elften Kapitels im zweiten
Makkabäer-Buch. Da die Juden Timotheus,
seinen Bruder Chäreas und ApoUophanes er-
schlagen hatten, zog Lysias, der Reichsver-
weser und Verwandte des Königs Eupator,
mit 80000 Mann, der Reiterei und 80 Ele-
phanten gegen die Juden. Als Judas Makka-
bäus hörte, daß Lysias die bei Jerusalem ge-
legene Stadt Bethsura belagerte, eilte er mit
seinem Aufgebot hin. Als er Jerusalem ver-
lassen hatte, erschien ein weißgekleideter Reiter
304 ^ DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN
GEORG SCHREINER
KREUZIGUKGSGRUPPE
Schreinrelief im Altar der Kaisertichen Kirche zu Cadinetu — l'gl, Abb. S. joj
mit goldenem Harnisch, der einen Spieß Das sechste und letzte Bild schildert, wie
schwang und neben ihnen herzog. Judas Judas Makkabäus nach Rückeroberung Jerusa-
Makkabäus errang über den mehrfach über- lems Götzentempel und -statuen zerstören
legenen Gegner einen glänzenden Sieg. ließ (II. Makk. lo, i — 2).
305
GEORG SCHREINER
ALTAR DER KAISERLICHEN KIRCHE ZU CADINEN
Im Auftrag Sr. Majestät des Deutschen Kaisers. — Text S. 2()4
Die christliche Kunst. XU.
3o6
GEORG SCHREINI-R JESUS UND DIE WEINENDEN FRAUEN
Ftügtlrelief am Allar in Cadtnen. — Vgl- Abb. S. 3<-'S
307
GEORG SCHREINER KREUZABNAHME
FliigelriUtJ am Altar in Cadinen. — Vgl. Abi. S. 30J
3o8
GEORG SCHREINER
ORGEL IN DER KAISERLICHEN KIRCHE ZU CADINEN
Vi'l. Text S. zqt und Abt. S. 312
309
GEORG SCHREINER
KANZEL IN DER KAISERLICHEN KIRCHE ZU CADINEN
Vgl. Text S. 2g6 und AH. S. 311
OBERBAURAT KICKTON (BERLIN)
AUSSENANSICHT DER KAIS. KIRCHE IN CADINEN
Text S. igi
3"
OBERBAURAT KICKTON (BERLIN)
F^l. AU. S. 30J.
INNERES DER KAIS. KIRCHE IN CADINEN
Trxt S. 2g6
312 ©^ SOMMERAUSSTELLUNG DER MUNCHENER SECESSION
OBERBAURAT KICKTOX (BERLIN')
KAISERLICHE KIRCHE IX CADINEN
B/iik tiack der Empn
Vgl. Ati. S. Jto und jn
SOMMERAUSSTELLUNG 191 6 DER
MUNCHENER SECESSION
An äußerem Umfange ist die heurige Sommer-
'»■ ausstellung ihren Vorgängerinnen gleich —
sie umfaßt gegen 700, aus einer bedeutenden
Menge des Angebotenen ausgewähhe Wert:e
der Plastik, der Graphik, der zeichnenden
Künste und vor allem der Malerei. Mit den
künstlerischen Leistungen ihrer Darbietungen
erreicht sie das Durchschnittsmaß. Einer An-
zahl bedeutender Leistungen schließt sich die
große Mehrheit mittlerer an, von auffälligen
Tüfteleien der Technik, von Unklarheiten oder
Häßlichkeiten des Gegenstandes hält man sich
im allgemeinen frei, wodurch etliche Aus-
nahmen um so störender wirken. Das Gute
und das Brauchbare stehen auf demselben
Standpunkte, den sich die zumeist wohlbe-
kannten Verfasser gesichert haben, freilich
geben ihre Werke dem Ganzen den festen Halt.
Die Plastik bietet besonders beim Bildnis
und bei der Medaille Bemerkenswertes. Aus
der ersteren Gruppe nenne ich Fritz Behns
charakteristische Porträtbüsten Sr. Majestät
König Ludwigs III. und Sr. K. H. des Kron-
prinzen Rupprecht von Bayern; jene ist für
Ausführung in Eisen, Bronze oder Stein,
diese für Bronzeguß geformt. Edler Realismus
spricht aus A. v. Hildebrands Bildnis I. K. H.
der Herzogin Karl Theodor, sowie aus dem
einer älteren Dame. Vornehm ist die Porträt-
studie von Ch. Jaeckle. Die Bronzebüsten
von O. Ebbinghaus und ein Holzbildnis von
Th. Georgii dürfen endlich nicht unerwähnt
bleiben. — Die Gruppe der Medaillen und
Plaketten verdankt ihre ungewöhnliche Reich-
haltigkeit den durch den Krieg gegebenen
Anregungen. Darauf komme ich weiterhin
noch zurück. Hier erwähne ich zunächst die
Porträtmünzen, Zier- und Schmuckplaketten
von L. Eckart, charaktervolle Arbeiten voll
feinen Reizes und poetischer Auffassung;
die zierlichen Medaillen und Anhänger von
e^i SOMMERAUSSTELLUNG DER MÜNCHENER SECESSION ©^
313
HANS HUBER-SULZEMOOS (MÜN'CHEX)
MÄDCHEXBILDXIS (PASTELL)
J. Gangl und J. Koken; die in Eisen oder
Silber geschnittenen Plaketten meist mytho-
logischen Inhaltes von H. Lindl; die silbernen
Porträtmedaillen von A. Zadikow, die eiser-
nen und bronzenen von H. Schwegerle und
A. Rothenburger. Es ist bezeichnend, wie die
Vorliebe für diese Kleingebilde im Zunehmen
begriffen ist, und ein Gebiet eröffnet, auf dem
das Verständnis für die Sprache der Plastik
sich auszubilden und zur Entwicklung eines
näheren Verhältnisses zu der Schönheit dieser
Kunst zu führen vermag, die an Denken und
Abstraktionsfähigkeit ungleich höhere An-
sprüche stellt als die Malerei mit den ihr
benachbarten Künsten. — Kleinbronzen (Bü-
sten, Statuetten) von feiner Vollendung schut
J. Zeitler; L. Penz sandte zwei in seiner be-
kannten kräftigen und humorvollen Art ge-
schnitzte und gefärbte Tiroler Bauerntigürchen.
Als Tierbildner interessieren R. Sintenis,
Die christliche Kunsl
314
SOMMERAUSSTELLUNG DER MUNCHENER SECESSION ^^
C. Bauer und W. Zügel Aktstudien seien er-
wähnt von K. Albiker, A. Kraus, E. Wenck.
Hierher gehört auch das zierliche Brunnen-
hgürchen eines Fischers von Ebbinghaus. Die
Monumentalplastik ist nur durch ein Werk
vertreten, die Figur eines jugendlichen Schu-
sters für einen Brunnen zu Pirmasens von
G. Müller, eine Arbeit von ruhiger guter
Linie und gesunder Auffassung, in der Idealis-
mus und Realismus sich trefflich vereinigen
und einander die Wage halten.
Aus der kleinen Gruppe der Graphik er-
wähne ich A. Hennigs ergreifend wirkende
Reihe von Steinzeichnungen über das Thema
»Die Bedrängten ;, sowie O. Wirschings Holz-
schnittfolge »Vom Totentanz«, Blätter voll
lebenswahren, mit düsterer Poesie erfaßten
Inhaltes, der mit herber Unerbittlichkeit vor-
getragen wird. Wertvolle farbige Holzschnitte
HANS IIL lil-.K SLLZEMOOS
mit Vogelstudien schuf L. H. Jungnikel, Land-
schaftslithographien E. Kirchner.
Wir kommen zur Malerei und Zeich-
nung. Von den Blumenstilleben fesseln durch
schöne Komposition und frischen Vortrag u. a.
die von Th. Hummel und C. Piepho; vornehm
wirken die in tiefer Stimmung gegebenen
Stiefmütterchen von F. Strobentz. Ein Still-
leben seltenen Gegenstandes zeigt A. Jank:
zwei Sättel, ein dunkler und ein heller von
delikater Farbe und feiner Charakterisierung.
— Die Malerei von Innenräumen lieferte
tretTliche Kolorit-, Licht- und Luftstudien. So
schilderte Ch. Vetter den Reiz des mit alten
Gobelins geschmückten Goldenen Saales in
der Münchener Residenz, Wolf-Filseck eine
Stube in einem alten Tiroler Schlosse; J. Kühn
jun. malte einen roten Salon, zu dessen Farbe
die eines grauen Damengewandes einen voll-
tönigen Gegensatz
und zugleich die in-
nere Ergänzung bie-
tet. R. Winternitz
läßt die »Maisonne«
einen Gartensalon
mit Licht durchflu-
ten, das teils durch
eine weiße Gardine
gedämpft wird, und
sich so auf einer
Tischplatte spiegelt,
teils ungehindert aus
dem Garten herein-
bricht. Das Problem
der verschiedenen
Beleuchtung ist
glücklich gelöst. Daß
dort draußen eine
Dame sitzt, muß man
freilich nicht ohne
Schwierigkeit erra-
ten. — Einige Tier-
schilderungen ver-
mögen zu interessie-
ren. Ch. Landen-
berger hat eine in
ihrem warmen gelb-
lichen Kolorit und
ihrer Wesensschilde-
rung treff"liche Stu-
die mehrerer Ziegen
ausgestellt; beson-
ders gut beobachtet
ist die Wirkung im
Stallraume. A.Jank
schildert mit be-
kannter Virtuosität
.--iinii.N/hi^H.NLNo das Pferd bei einer
SOMMERAUSSTELLUNG DER MUKCHENER SECESSION ^äS
3'5
HANS HUBER-SULZEMOüS
lebhaft bewegten Fuchsjagd und in zwei an-
deren Gemälden ; R. von Hang wählt das
gleiche Thema für die Darstellung der »Rast«
eines Militärtransportes; R. Engels malte gut
beobachtetes Vieh auf der Weide mit groß-
zügiger Behandlung des landschaftlichen Ele-
mentes. — Die Landschaft ist wie immer
reichlich und zum Teil sehr gut vertreten.
Einen stillen Vorfrühling malte C. Vinnen,
W. L. Lehmann eine : Abendsonne«, die
ihre Strahlen über eine flache Gegend und
ein mit Getreidegarben besetztes Feld im
Vordergrunde wirft. Von den Landschaften
F. Bürgers zeichnet sich namentlich ein ver-
schneiter Friedhof durch feine Stimmung aus.
R. Pietzsch schildert u. a. den Frühling in
oberbayerischer sanft bewegter Landschaft
mit Blick auf ferne Berge. F. Reiser holt
mehrere seiner Motive diesmal aus Florenz.
Eine Frühlingsstimmung bei einer Kirche der
Dachauer Gegend gibt P. Crodel. Den Mün-
chener Englischen Garten mit dem ihn er-
füllenden Menschengewühl charakterisiert eine
Impression von R. Schramm-Zittau. — Die
Studien menschlicher Gestalten treten in zahl-
reichen Fällen als Akte auf, zumeist in genre-
hafter Darstellung, die den Bildern etwas
reichlich Unerquickliches gibt und sie zur
öffentlichen Ausstellung nicht geeignet macht.
Auch in dieser Beziehung wäre es unbedingt
anzuraten, daß man sich von französischen
Gepflogenheiten endlich frei machte. Vom
rein malerischen und zeichnerischen Stand-
punkte aus ist auch manches abzulehnen, wie
des langweiligen C. Schwalbach >Tröstende«
oder F. Reinhards »Amazonen«. J. Kitzlers
»Herbst« läßt die innerliche Abhängigkeit von
Gauguin zu sehr empfinden. Unerquick-
liche Wirkung übt Stucks Fangspiel«, rich-
tige Verkaufsware, noch mehr Habermanns
affektiertes Bild »Misericordia«. Interessante
Zeichnung und Farbengebung vermögen für
den Mangel an tieferschürfendem Geist nicht zu
entschädigen. An klarer Verständlichkeit fehlt
es auch mehreren an sich schön gegebenen
Szenen A. von Kellers: seinem »Erwachen«,
seiner »Mondnacht«. Zwei Kopfstudien von
ihm sind von großer Feinheit. Edel in Ge-
danken und Vortrag wirkt eine »Heuerin«
von H. Groeber, wohl ein porträtistisches
3i6
SOMMERAUSSTELLUMG DER MUNCHENER SECESSION
HANS iani;K-SLLZi;.\ii
Werk. — Unter den Bildnissen ist eine ganze
Reihe von bedeutenden, zum Teil hervor-
ragend wertvollen. Ich nenne H. Niestles
Portrat eines Offiziers; ein in feinem Hell-
gelb gegen weißen Hintergrund gesetztes
Damenbild von C. H. Schrader-Velgen; das
charakteristische Bildnis des Professors Kirch-
ner von F. Strobentz. Als bemerkenswerte
Gaben, welche die Ausstellung auf porträti-
stischem Gebiete darreicht, hebe ich Trübners
Damenbild, sowie M. Liebermanns Porträt
des Malers Krohn (1873) hervor, beides Lei-
stungen voll Leben, äußerlich so verschieden
wie möglich, jedes in seiner Art zwingend
und überzeugend. Der Glanzpunkt der Bild-
nisgruppe sind wie immer die Werke Leo
Sambergers. Es sind ihrer fünf, von denen
nicht gesagt zu werden braucht, daß sie
Meisterwerke tiefster Charakterisierungskunst
und genialer Malerei sind. Jedes in seiner
Art ist so individuell wie die dargestellte
Persönlichkeit, deren Eigenart in Haltung,
Blick, Farbe und Vortrag interpretiert wird.
Als Leistung seltener Art hebe ich das an-
mutige Kinderbildnis »Marianne Sambergerv;
hervor. — Die Monumentalkunst hüllte sich,
trotz der Anregungen dieser Kriegszeit fast
gänzlich in Stillschweigen! Nur eine Aus-
nahme habe ich bemerkt: ist ist der Zyklus
von zehn dekorativen flüchtigen Entwürfen,
in denen A. Henselmann das Leben und
Wirken des hl. Bonifatius leiert. Man fühlt
sich förmlich beruhigt, wenn man dank dieser
Arbeiten die Möglichkeit hat, doch etwas zum
Lobe dessen zu sagen, was sich in dieser
Ausstellung mit dem Thema ^Religion, be-
schäftigt. Denn freilich ist dies noch von
einer ganzen Anzahl von Malern benutzt wor-
e^ SOMMERAUSSTELLUNG DER MUNCHENER SECESSION ?^ 317
HANS IlL-BEK-bULZFMOl
den, aber leider in einer Weise, die des
Gegenstandes durchaus unwürdig ist! So von
J. Seche, der in einer figurenreiciien Radie-
rung die Kreuzigung des Herrn zum Vor-
wande kulturkämpferischer Karikatur miß-
braucht; von Th. Esser, der Potiphars Weib,
E. Graeser, der Christus und die Ehebrecherin,
J. Hüther, der die alttestamentliche Susanna
darstellt — alles in Auffassungen, die dem
religiösen Empfinden widersprechen und bei
dem Gegenstande äußere und innere Häßlich-
keit konstruieren. Auch die Beweinung von
P. Roloff ergeht sich bei der Schilderung des
heiligen Ereignisses in einem Vortrage, der
lediglich abstoßend wirkt.
Der Einfluß, den der große Gegenstand
unserer Tage, der Krieg, auf die deutsche
Kunst übt, braucht zum Glück nicht nach
den Darbietungen der Secession allein beur-
teilt zu werden. Man käme sonst zu ganz
einseitigen Auffassungen. Gerade das Wich-
tigste, was er anregen soll, das Monument,
fehlt ganz; man müßte denn die in gezwun-
gener Bewegung dastehende Aktfigur eines
schwertschwingenden Mannes (»Feinde rings-
um«) von Stuck dafür nehmen wollen. Kriegs-
und Kriegerdenkmal, Grabmal und Verwand-
tes im Zusammenhange mit dem Kriege sind
in keinem einzigen Beispiel anzutreffen. Besser
steht es um Kriegserinnerungszeichen. Aber
auch hierfür bietet die Ausstellung nur einen
Typ, diesen freilich reichlich und gut, näm-
lich Medaillen und Plaketten. Eine große
Anzahl solcher schuf L. Eckart, der dabei
mit erfreulicher Ausführlichkeit und mit war-
mem Empfinden das stille Heldentum der
3i8
SOMMERAUSSTELLUNG DER MUNCHENER SECESSION
Daheimgebliebenen verherrlicht. \'ereinzeh
wurde dies Thema auch von anderen behan-
delt; so von Gangl, Koken und L. Gies in
ihren reichhaltigen Sammlungen von Plaketten ;
im übrigen hat Gies sich mit besonderem In-
teresse den Schicksalen Ostpreußens zuge-
wandt, die er mit großartiger Einfachheit des
Ausdruckes ergreifend zum Bewußtsein bringt.
Lindl feiert vorzugsweise die Taten der Krie-
ger. Zadikow schuf eine Erinnerungsplakette
für ein bayerisches Feldartillerieregiment. In-
teressant ist es, den in den bildlichen Dar-
stellungen dieser Kleinwerke bei stärkster
Vereinfachung doch kraftvoll waltenden ge-
sunden Realismus und dessen Brauchbarkeit
für die Aussprache des Abstrakten zu be-
obachten, und daran zu ermessen, wie nichts-
sagend doch im Grunde viele von jenen land-
läufigen allegorischen Figuren und sonstigen
Sinnbildern sind, die vermeintlich dazu dienen
sollen, tiefste Gedanken zu verkörpern. —
Die Malerei behandelt das Kriegsthema fast
lediglich in einer nicht geringen Zahl von
Bildnissen, sowie in einigen illustrativen
Stücken; genannt seien hiervon die »farbigen
Engländer« von Th. Baumgartner, sowie das
schlichte, eindrucksvolle Bild »Kampf« (zwei
Soldaten tragen einen Verwundeten fort) von
R. Klein. Monumental ist nur ein Werk dieser
Gruppe, der »Totentanz« von Egger Lienz,
das in einfachster Farbengebung (blau, weiß,
rotbraun) und mit nur fünf Gestalten ver-
körperte Schicksal des Heldenvolkes, das füi
Heimat und Vaterland das Leben hingibt.
Gegenüber der früheren Fassung zeigt das
jetzige Bild noch größere Vereinfachung, be-
sonders im Landschaftlichen. J. Diez malte
einen nicht sehr glücklich verbildlichten Ge-
danken, einen über die Länder vernichtend
sich hinwälzenden »Heerwurm«. O. Graf
schuf innerhalb einer Reihe gegenständlich
bedeutend erfaßter, technisch vorzüglicher
Kriegsradierungen zwei allegorische Bilder.
Im übrigen findet man farbige und schwarz-
weiße Zeichnungen mit illustrativen Darstel-
lungen von Szenen, T3'pen und Ortlichkei-
ten. Von den Künstlern seien F. Klemmer,
H. von Hayek, Graf, R, Pietzsch, E. Grasser
HANS HL'llliK SULZIiMOOS
MOÜKKI l MEN
SOMMERAUSSTELLUNG.
DAS SAKRAMENTSHAUSCHEN
319
1
S ':;,. ■,'^ä^^H
HANS HUBER SULZEMOOS
BLAUE BERGE
herausgegriffen. So Interessantes die Gruppe
der vom Kriege angeregten Kunst in gegen-
ständlicher wie technischer Beziehung vielfach
bietet, so bleibt sie doch unendlich viel von
dem schuldig, was wir an innerer Vertiefung
hoffen möchten. Mir schwebt ein schönes
Wort vor, das ich gehört habe, es heißt :
»Die große Zeit lehre uns groß zu sein.«
Auch über den Pforten unserer Kunstpaläste
müßte es in goldenen Buchstaben angeschrie-
ben stehen, wenn die Kunst eine Trägerin
des Geistes der Nation und Vertreterin ihrer
Kultur werden will. Doerinf
DAS SAKRAMENTSHÄUSCHEN
(Nürnberg, Lorenzkirche)
Die Steine singen und die Steine blühn,
Es jauchzt der Geist, aus starrem Stoff
entbunden.
O Meisterhand, wie gnadenstark und kühn.
Daß du den steilsten Weg zu Gott gefunden.
Den Zeiten trotzt dein steinernes Gedicht,
Zu dem dein Meißel Reim um Reim geschlagen.
In seinen Strophen schläft das ewige Licht,
Um tausend Seelen durch die Nacht zu tragen.
Ilse Franke.
320
^ CHRISTIAN UNTERPIERINGER f ©SS
CHRISTIAN UNTERPIERINGER t
Im Jahre 190S ist der Name Unterpieringer
zum ersten Male in unserer Zeitschrift ge-
nannt worden. Im damaligen Dezemberhette
wurde eine Anzahl von Grabmalskizzen ab-
gebildet, Entwürfe junger Studierender der
Münchener Akademie. Christian Unterpie-
ringer gehörte zu ihnen. Er hatte eine schmale,
aufrecht stehende Platte entworfen , deren
oberer Teil mit einem ovalen Relief der Mut-
tergottes geschmückt war. Damals war Un-
terpieringer erst 22 Jahre alt und war doch
bereits imstande, eine Leistung von schöner
Abgeklärtheit zu zeigen, eine Studie, die klar
bewies, daß man es hier mit einem kräftigen
Talente zu tun hatte, das für die Zukunft
Bedeutendes erwarten ließ. Er war am 4. Mai
1886 als Sohn eines Bildhauers in München
geboren, genoß seit 1900 in der Modellier-
klasse der Gewerbeschule die Unterweisung
des Professors Bernauer, wurde dann an der
Münchener Akademie Schüler von Professor
Balthasar Schmitt und war endlich vier Jahre
lang Gehilfe bei Professor Jakob Bradl. Die
Werkstatt dieses Meisters verließ er, um sich
selbständig zu machen. Seit 1910 war er Mit-
glied der Deutschen Gesellschaft für christ-
liche Kunst. Im Oktober 191 3 vermählte sich
Unterpieringer. Im März 191 5 wurde er zu
den Fahnen gerufen, konnte aber wegen eines
Unfalls längere Zeit nicht ins Feld rücken.
Dies geschah erst im Mai 1916. Im Felde
ward ihm der Auftrag zuteil, für gefallene
Kameraden ein Grabdenkmal zu schaffen.
Bei einem Patrouillengange am 18. Juni be-
nutzte er die Gelegenheit, von einer zer-
schossenen Kirche Steine für dieses Denkmal
auszuwählen. Auf dem Rückwege tötete ihn
ein ieindliches Geschoß. Anfang und Ende
seiner künstlerischen Laufbahn ist durch je
ein Grabdenkmal bezeichnet!
Unterpieringers Kunst war voll tiefen Ern-
stes; sie war von echt christlichem Geiste
durchdrungen; ihr Ziel war die Verherrlichung
des göttlichen Erlösers und der Heiligen. Die
Formensprache Unterpieringers war gutes,
kräftiges Deutsch mit unverfälschtem Mün-
chener Tonfall. Manches klang wohl ein
wenig an Bradl an — kein Wunder bei einem
noch so jungen Künstler, der vier Jahre lang
unter dem Einflüsse eines Vorbildes von sol-
cher Eigenart stand — aber es darf nicht be-
zweifelt werden, daß das Talent des Gehilfen
stark genug war, um sich mit der Zeit dem
Meister gegenüber völlig unabhängig zu
machen. Ein innerlich Abhängiger, einer,
der genötigt ist, auf andere zu lauschen, um
selbst etwas sagen zu können, bringt solche
Arbeiten nicht fertig, wie die Unterpieringer-
schen es sind.
Zum zweiten Male erschien er in dieser
Zeitschrift, als er 19 15 bei dem großen Wett-
bewerbe der Deutschen Gesellschaft für christ-
liche Kunst zwei Anerkennungen errungen
hatte. Die beiden Arbeiten sind in Heft 7,
Seite IG und 15 abgebildet; die eine ist eine
Grabtafel mit kreisrundem Relief, worin eine
von Engeln umschwebte hl. Barbara thront;
die andere ein achteckiger Ehrenschild, oben
darauf ein in spätgotischer Auffassung gege-
bener stehender hl. Georg. Auch bei anderen
Wettbewerben hat der Künstler Auszeichnung
und Anerkennung geerntet. So mit einem
auferstehenden Heilande für den Münchener
Ostfriedhof, mit einer Bischofshalbfigur für
einen Brunnen usw. Von seinen ausgeführten
Arbeiten mögen mehrere erwähnt werden.
So zwei überlebensgroße Madonnen, eine in
Terrakotta, die andere Tonmodell, die für die
Ma3'ersche Kunstanstalt geliefert wurden ;
eine Lourdesmadonna in Holz für Moor-
winkel; eine hl. Katharina von Siena und ein
hl. Dominikus, gleichfalls beide in Holz ge-
schnitzt, i'/2 m hoch, für Buchloe; eine höl-
zerne, fast lebensgroße Madonna, im Stil etwas
ans Barock anklingend, tür die »Rote-Kreuz«-
Kapelle in Neuhausen. Eins seiner bestgelun-
genen Werke ist eine in Hartguß hergestellte,
recht volksmäßig empfundene Weihnachts-
krippe, die von der Deutschen Gesellschaft
für christliche Kunst zweimal zur \'erlosung
angekauft wurde. Diesen Werken reihen
sich weitere — Einzelfiguren, Grabmäler und
andere — an. Zwei anmutige Weihwasser-
becken sind unvollendet geblieben. — Mehr-
fach erschienen Abbildungen von Arbeiten
des Künstlers im »Pionier«.
Der Tod hat den Künstler abberufen, der
Tod fürs Vaterland, gleichzeitig der Tod in
seinem Berufe. Und unsere Zeitschrift er-
wähnt Christian Unterpieringer zum dritten
Male, um zu sprechen: Ehre sei seinem Ge-
dächtnisse.
Pange lingua glorios!
Corporis mysterium,
Sanguinisque pnetiosi,
Quem in mundi pretium
Fructus ventris gloriosi,
Rex effudit gentium.
FRANZ SIMM
KLEINE GASTE
yiijt^sfes Ge»iatd€ des Künstlers
FRANZ SIMM
Von W. ZILS-München
(Hierzu die Abb. S. 321 — 330)
eine Würdigung, die geschrieben sein sollte
^- am 24. Juni 191 3, dem 60. Wiegenfeste
des Künstlers, dann aber aus rein äußerlichen
Gründen zurückgestellt werden mußte, ent-
behrt jetzt nicht des zeitgemäßen Interesses.
Rief uns doch die Kriegszeit, wie in politi-
schen und volkswirtschaftlichen Dingen, so
in künstlerischen Fragen ein Halt zu, ein
»Quousque tandenu zur Selbstbesinnung und
zum Überlegen über den in Deutschland
schlummernden Kunstsinn und -wert. Künst-
ler, denen früher von der Tageskritik, die
die Schnelligkeit ihres Berufes nur zu leicht
zum Übersehen der großen Zusammenhänge
verführt, volle Anerkennung zuteil wurde.
mußten in dem Auslandsrausch, der uns er-
faßt hatte, zurücktreten. Sie waren zu gegen-
ständlich, sie zeichneten bloß und »malten«
nicht. Solches und ähnliches hörten wir in
den letzten 20 Jahren bis kurz vor Kriegs-
beginn ja nur zu oft. Plötzlich merkte man
wieder, daß es möglich ist, zu malen und
gleichzeitig dem Beschauer etwas zu sagen.
Mit anderen Worten, man geht wieder an
dem Gegenstand, der bisher nur »Mittel zum
Zweck« war, nicht mehr achtlos vorbei. Der
Gegenstandsmaler ist wieder — wenn
auch vorläulig nur als »Kriegsmaler« — zu
Ehren gekommen, eine Tatsache, die für
die religiöse Kunst von Nutzen werden kann,
Die chilstllLl
322
FRANZ SIMM mm
Bihl tu den „FlUittidcn BLttlern"
für sie, die ihr hehrer geistiger Inhah bindet,
ist die Malerei in erster Linie Zweckmittel.
Aus diesen Erwägungen heraus kann Franz
Simm an dieser Stelle mit vollem Rechte
Würdigung finden. Simm ist zwar das Was
seiner Darstellung zunächst die kleinere Sorge.
Das künstlerische Wie, das auch von den
Vertretern der christlichen Kunst zur höch-
sten Vollendung herausgearbeitet werden
muß, tritt in den Vordergrund. Einen größe-
ren Fehler gibt es daher nicht als den, Simm
der landläufigen Genrekunst einzuordnen. Er
will nicht in erster Linie Novellen erzählen,
sondern malen mit allem Reiz der Form.
Sein Pinsel führt ihn aber dann
nicht zum gegenstandslosen Experi-
mentieren. Davor bewahrt ihn die
Ausgeglichenheit seiner Kunst, die
sich der Forderung des sittlichen
Kunsternstes bewußt ist. Mit einem
klaren Ziel vor Augen ist Simm
einer der wenigen Künstler älterer
Richtung, die sich zur bewußten
Nachahmung herrschender Kunst-
moden nicht verleiten ließen, son-
dern bei allen wechselnden Tages-
anschauungen sich und ihrer Veran-
lagung und Überzeugung entspre-
chender Kunst treu blieben. Er
machte zwar auch Wandlungen
durch — und erfährt sie heute noch,
wie die Bilder der Jetztzeit erhellen
— bis er durch einen Zufall zu dem
ihm ureigensten Gebiet kam, das
ihm Anerkennung und Lohn brachte
und zu dem ihn seine Geburtsstadt
vorherbestimmt zu haben schien.
Wie so viele Künstler, erlebte
Simm seine ersten künstlerischen
Anregungen im Elternhause. Sein
Vater, ein geschätzter Kirchenma-
ler'), weckte die künstlerischen Nei-
gungen durch Eigenkunst und eine
kleine, aber auserwählte Sammlung
von Kupferstichen. Die öftere Er-
fahrung, daß der Künstler- Vater bei
seinem Sohn zunächst das Erlernen
einer positiven Grundlage fordert,
erscheint auch hier. Simm mußte
die Mittelschule besuchen. Der Tod
des Ernährers stellte an den Idealis-
mus des erst Fünfzehnjährigen große
Anforderungen. Das Kunststudium
mußte durch Stundengeben und
Malen sogenannter Heihgenbilder
erkauft werden. Eiserner Fleiß
brachte es zu Stipendien und diese
ermöglichten ein sorgenfreieres Stu-
dium an der Wiener Akademie, an der damals
wie überall das Hauptgewicht auf das Zeich-
nen, auf gründliches Formenstudium gelegt
und die koloristische Seite der Malerei ver-
nachlässigt wurde. Die nach Absolvierung
der allgemeinen Malerschule auftauchende
Frage, welcher Malerschule im besonderen
sich anzuvertrauen?, schien eine Reise nach
München zu beantworten. Feuerbachs Bilder
in der Schackgalerie begeisterten den jungen
Akademiker durch ihre große Anschauung
') Josef Simin, geb. 1811 in Reichenau in Nordböli-
men, gest. 1868 zu Wien.
325
FRANZ SIMM
MADONNA AM HAUSE DES KÜNSTLERS
324
FRANZ SIMM ^
und das an die Venezianer gemahnende Kolorit
derart, daß er sich i<urzerhand entschloß,
zu Feuerbach zu gehen. Drei Monate hielt er
es in dessen Klasse aus, um darauf Kunst-
schüler Ed. V. Engerths zu werden, der die
Eigenart jedes seiner Schüler zu erkennen
und zu pflegen sich bemühte. Wenn der
Künstler selbst seine Unzufriedenheit mit dem
Lehrer Feuerbach auf das fehlende enge Ver-
hältnis von Lehrer und Schüler zurückführt
und auf des ersteren unruhiges, widerspruchs-
volles Wesen, in welchem sich schon damals
eine große Nervenüberreizung aussprach, so
darf hierbei Feuerbachs Unzufriedenheit mit
den Wiener Verhältnissen nicht vergessen
werden. Haack ') weist daraufhin, wie freudig
Feuerbach einem Ruf nach der österreichi-
schen Hauptstadt Folge leistete, wie hilflos
er, der ernste, träumerische Schwärmer, dann
aber dem lachenden, jubelnden und tanzenden
Wien eines Makart gegenüberstand. Mehr
als Feuerbach hat denn auchMakart autSimm,
wenn auch unbewußt und ungewollt Einfluß
') Lübke- Haack, Grundriß der Kunstgeschichte V
(1909) S. 265.
Zeichnung. Studie /iir
ausgeübt. \'on Bedeutung für die Akademie
war damals noch Jos. v. Führich, der mit zittern-
der Hand die letzten und reifsten seiner tief
empfundenen Schöpfungen »Der bethlehenii-
tisciie Weg« und »Thomas von Kenipis«
zeichnete. Seine Beschränkung auf einfache
künstlerische Ausdrucksmittel bricht gelegent-
lich auch bei Simm durch. Durch die Ver-
mittlung seines Schülers Eisenmenger hat
umgekehrt Rahl mit der Fülle seiner Erschei-
nungen und dem Glanz seiner Farben dem
Künstler nicht unbedeutende Anregungen ge-
geben. Auch der als Lehrer hervorragende
Akademieprofessor Albert Zimmermann ver-
dient hier Erwähnung.
Wenn wir diese »Beeinflussungen« hier
aufzählen, so geschieht dies, um der Pflicht
des Chronologen zu genügen und darzutun,
aus welchem Kreise Simm herauswuchs. Wie
bereits angedeutet, ist bei Simm von jedes
Lehrers Eigenart gelegentlich etwas zu spüren.
Im allgemeinen aber ist seine Kunst originell,
selbständig. Um es bis zu dieser Höhe zu
bringen, hatten die damaligen Wiener Ver-
hältnisse nicht genügt. Es gehörte ein weiterer
»Horizont« dazu, den ihm auf Grund seiner
tüchtigen Leistungen das
große Reisestipendium, der
Rompreis, verschaflte. In
Venedig, Florenz und Rom
studierte der junge Künst-
ler nicht allein durch An-
legen von Farbenskizzen
die Technik der alten Mei-
ster, er ging auch, wie Skiz-
zen aus dieser Zeit bewei-
sen, offenen Auges durch
die Straßen der Stadt, um
reizvolle Erscheinungen des
Volkslebens, Architekturen
u. a. m. in sich aufzuneh-
men und Freilichtmalerei
zu treiben. Er erhielt den
größten, für das Leben hal-
tenden Eindruck. Der Blick
wurde auf das Große ge-
richtet und schweifte nicht
ab von den erfrischend wir-
kenden fremden Nationen.
Namentlich zwei Vertreter,
Fortunv und Michetti mit
seinen kleinen sonnigen
Bildern sind hier zu nennen.
Das letzte der in Rom nach
Ablauf der zweijährigen Sti-
pendienzeit noch verlebten
drei Jahre brachte einen
Wendepunkt im Leben und
FRAU MIT Ki;UZEKI.lCin
,/,« ,,Flirgciuh-n Blättern '
FRANZ SIMM
Ziicknung. Studie für ebt Bild in den „Fliegenden BUili
ALTER HERR
326
FRANZ SIMM FRAU IM PFLEGERINKLEID
Zeichnung. Studie für ein Bild in den „Fliegende« lUiitlern"
317
ALTE FRAU
FRANZ SIMM
Bleiiti/t2^l'chn«,ig
nung. Studie /ür ein Bild 1
den „Fliegenden Blattern"
328
es^ FRANZ SIMM 6S^
I I;AN/ SIMM
/.euhnuHi.
M\"Gi;\liER IvNAHR
/ ,/,•« ,,/•/. iV."
SchafFen Simms. Er lernte seine künftige
Gattin, die talentierte Bozener Malerin Marie
Mayer'), kennen. Frau Marie sollte für über
30 Jahre die treue Helferin und geschmack-
volle Beraterin in manchen, namentlich Kostüm-
fragen werden, sie wies aber auch indirekt
ihrem Künstlergemahl den Weg, den er einige
Jahre später einschlagen sollte, durch die noch
aus der Hmpirezeit in ihrem Besitz befind-
lichen Mädchenkleider. Als diese Simm in
die Hände fielen, erwachte das künstlerische
Interesse für die Zopfzeit, das sich nicht allein
') Gemälde lijiigcn im Bozencr und Imisbrucl>er
Museum. Vgl auch Abb. S. 550.
aut die malerischen Kostüme erstreckte, son-
dern sich, genährt durch literarische Studien,
auf den geistigen Gehalt und die seelische
Stimmung der vielgelästerten Zeit auswuchs.
Bevor sich der Meister diesem künftigen
Reiche widmete, galt es andere Aufgaben
zu erfüllen. Der Auftrag, das Stiegenhaus
des dortigen Museums mit mythologischen
Bildern (aus der Jasonsage u. a. griechischen
Mythengestalten) zu schmücken , führte das
junge Paar^) nach Tiflis. Kohlestudien zu
den Wandbildern sowie eine Farbenskizze3)
veranschaulichen die für einen 28jährigen
im Gedanken, der Komposition und der Zeich-
nung doppelt hervorragende Arbeit. Sie ver-
raten ein eingehendes Naturstudium und einen
neuen Weg in der geschichtlichen Darstel-
lung, wie er kurz vorher von Makart — etwa
in seinem Einzug Karls V. — betreten worden
war. Das Museum ist jetzt verbrannt, einige
der Gemälde konnten gerettet werden. Nach
gemeinsamer Arbeit und weiterem Studien-
aufenthalt in der völkergemischten Stadt Klein-
asiens kehrte das Ehepaar nach Wien zurück,
nicht, um sich hier für dauernd niederzulassen,
sondern um nach München überzusiedeln.
Dem nach der Schulung auf klassische Motive
Verwiesenen erwuchsen durch die Gründung
des Hausstandes abermals neue Aufgaben, die
auf die Illustration hinlenkten. Was Simm
als Illustrator bedeutet, weiß jeder, der noch
heute zu den 'Fliegenden Blättern:- greift. Hier
verdiente er sich außer in der Illustrierung
größerer Prachtwerke4), deren Glanzzeit die
achtziger Jahre bedeuteten, bei den »Fliegenden
Blättern« die ersten Sporen. Das in Wien in-
tensiv betriebene feine Federzeichnen kam
Simm zugute, der zahlreiche feingesehene
und sehr gut gegebene Stimmungsbilder lieferte,
die uns den 'Fext vertiefen helfen und einen
reizvollen und wirksamen, den Eindruck des
Buches durchaus nicht zerstörenden Buch-
schmuck bildeten. In der Illustration, von der
sich bei der damals aufkommenden malerischen
Auffassung die besten Kräfte fernhielten, fand
Simm als wirklicher Künstler den richtigen
Weg. Seine Illustrationen in den »Fliegenden
Blättern;, zu deren geschätzten Mitarbeitern
er über 30 Jahre gehört, sind geistreiche An-
spielungen auf den Inhalt des Textes, den er
tief erfaßt und persönlich wendet. Fein schaut
von Zeit zu Zeit der gemütliche, nie ver-
letzende Humor des Wieners hervor. Neben
einem eminenten zeichnerischen Können ver-
fügt er über eine Empfindsamkeit, die als
=) Verehelicht 1881 zu Bozen.
3) Jasons Ankunft in Kolchis.
■•) Ilallbergs Goetlieausgabc u. a.
FRANZ SIMM
329
Mittel ebenso niitielalteiliclie Ritter wie
das moderne Luftsciiitf benutzt.
Bevor wir zu dem eigentlichen Gebiet
der Kunstbetätigung übergehen, unter
deren Flagge heute des Künstlers Ruhm
segelt, müssen wir noch einiger Mcnui-
mentalarbeiten gedenken. Abermals mit
seiner Frau schuf er das für Leipzig
bestimmte Dioramabild »Haremleben«
und im Jahre 1888 ein reich kompo-
niertes Bild »Tod Kaiser Wilhelms«,
das uns heute weniger zu sagen weiß.
Noch einmal führte der Aultrag, die
Decke des Saales X im Kunsthistorischen
Museum in Wien mit sechs Frauengestal-
ten ') zu schmücken, die die verschiede-
nen Gattungen der Altertumskunde per-
sonifizieren, zur Antike. Die aus allen
Arbeiten sprechende Anmut und trefl-
sichere Charakterisierungsgabe sind die
Vorzüge. Mit diesen Monumentalarbei-
ten hängt eng Simms Tätigkeit als reli-
giöser Maler zusammen.
Daß ein Künstler mit der Tiefe der
feinschwingenden Empfindung Simms
an der christlichen Kunst nicht achtlos
vorübergeht, bedarf keiner besonderen
Erwähnung. Der altbayerischen Sitte
folgend, schmückte er 1885 die Ostseite
seines Künstlerheimes, das als der we-
nigen eins der Großstadtbewegung nicht p^^,
zum Opfer fiel und noch heute von
Alt-Schwabinger Poesie erzählt, mit
einer Madonna^). Er begnügte sich nicht
mit einer Gestalt, sondern gab der Himmels-
königin eine stolze Umrahmung (Abb. S. 323).
Die Gottesmutter steht, das Kind emporhal-
tend, unter dem Baldachin des Thrones. Zu
Füßen sitzt der Knabe Johannes. Das beste
Stück des Ateliers, der Perserteppich, auf dem
die Figuren angebracht sind, war dem Künst-
ler, dessen Wappen die Mittellinie betont,
gerade gut genug, um dem Ganzen einen
feierlichen Anstrich zu geben. Aus dem Bilde
spricht der Geist der Renaissance ganz un-
zweifelhaft zu uns, abgewogen ist die Kom-
position. Derselbe religiöse Geist, der das
Ganze verklärt, spricht aus einer Madonna
zu uns, die erst flüchtig hingeworfen, der Voll-
endung an dem Simmschen Sommerhaus in
Klobenstein harrt und einem kleinformati-
schen Madonnenkopf, den der Künstler für
sein Atelier als Tafelbild malte. Den Be-
schauer erfüllt beim Anblick ein tiefes Bedauern,
daß Simms Pinsel sich nicht des öfteren des
') Die Einwürfe hierzu befinden sich in der Kunst-
histo ischen Sammking des Kaiserhauses in Wien.
') Aquarellentwurf in der Wiener Akademie.
' SIMM M WN', PFEIFE STOPFEND
Zehhming. Studie für ,in Bild in den ,,F1. Bl.''
religiösen Vorwurfs bediente. Daß sein reiches
Können es ermöglicht, bewies er im Jahre
1884 bei einem vom Bayerischen Kultusmini-
sterium ausgeschriebenen Wettbewerb für ein
Altarbild der prot. Kirche in Wunsiedel. Sein
segnender Christus erhielt den Preis, dem
Meister wurde die Ausführung anvertraut.
Der Skizze zur Klobensteiner Madonna liegt
neben der Anmut eine gewisse Grazie zu-
grunde, die den kirchlichen Vorwurf zu ver-
weltlichen scheint, wenn man den Empire-
maler Simm nicht zuvor gewürdigt hat. Wenn
auch die Kinder dieser Kunstbegabung von
einer anmutigen Daseinsfreude, einem sorgen-
losen, schönen Leben erzählen, so mangelt
ihnen doch nicht die Herzlichkeit der mensch-
lichen Auffassung, die poetische Empfindung,
der tiefe, ernste Sinn des Malers, der gelernt
hat, über die Erscheinungen der Welt und Ge-
schichte nachzudenken. Wenn auch zugege-
ben werden muß, daß sich der Künstler mit
größeren sozialen oder politischen Problemen
nicht beschäftigt, so erzählen die Bilder doch
Bände der Kulturgeschichte von einer Zeit,
330
©S^ FRANZ SIMM mm
MARIE SIMM-MAVEK
BISCHOF PAXKRATIUS VON DINKEL
in der mit dem Wiener Kongreß nochmals
eine Icurzlebige ^»Galante Zeit« wiedererstellen
sollte. Es sind keine Geschichtsbilder schlecht-
hin, es sind die Me m oiren werke der Kunst,
oft mit einem leisen ironischen Zug im Unter-
ton. Wir müssen es uns versagen, hier ein-
zelne Bilder, die schon des öfteren veröffent-
licht, nochmals wiederzugeben') oder im ein-
zelnen zu besprechen.
') Um einen ungefähren Überblick über die reiche
Tätigkeit Sininis zu geben, führe ich hier eine Anzahl
Bilder, soweit ich deren Enstehungsjahr noch feststellen
konnte, und soweit sie nicht schon erwähnt sind, auf:
1890 Duett (Nalionalgalerie Berlin), 1892 Liebhaber-
konzert (Galerie Weimar), 1S96 Radfalirerin (Tochter),
1897 Musikpause, 1899 Die Malstundc (Alte Piuakotliek),
1900 Besuch in der Loge, 1902 Vornelime Kundschaft,
1903 Empfang bei Napoleon in St. Cloud, Demaskiert,
1904 Am Stickrahmen, 1905 Porträt der Großfürstin
Kyrill, 1906 An der Schwester Hand, 1907 Der Empfang,
Ankunft, 1908 duartettpause, 1909 Bergfahrt, Abfalirt
Überblickt man heute diese >genre-
artige« Kunst Simms, so läßt sie
sich bereits gliedern in jene Bilder,
die mit einer Fülle von Figuren aus-
gestattet, bei aller Genauigkeit der
Ausführung einheitlich und reizvoll
wirken. In den letzteren Jahren
kehrt Simm mehr zum Renaissance-
ideal zurück. Es beschränkt sich
auf einige Figuren und stellt diese
in das Freie. Seine Kunst hat hier-
durch um einen pikanten Reiz mehr
gewonnen. Äußerst fein findet sich
Simm mit den Lichtreflexen ab,
die meist den Blätterwald der Bäume
durchdringen oder sich im Dunkel
brechen. Daß er hierbei mit der-
selben Künstlerliebe jede kleinste
Faser des Gewandes, das geringste
Ornament nicht vernachlässigt,
dient dem Meister zum besonderen
Lob. Wie Thoma lebt eben auch
Simm unbekümmert um andere sei-
ner Kunst. Wir aber erfreuen uns
an seiner Originalität.
Als Simm durch einen Zufall auf
die Zopfzeit kam, übertrug er die
kleine präzise Wiedergabe der Zeich-
nung auf die Ölmalerei. Der Ge-
genstand gewinnt nur da Bedeu-
tung, wo er eine malerische Dar-
stellung ermöglicht. Seine Gemälde
bleiben auch malerisch reizvoll und
interessant, wenn ihnen der kultur-
geschichtliche Gegenstand ganz ge-
nommen ist. Der Inhalt ruft keinen
selbständigen Eindruck hervor, ob-
wohl wir das Stilvolle einer inter-
essanten Zeit, die er lebendig werden ließ,
mitempfinden. Das Mißverhältnis der Malerei
zum Gegenstand, das uns bei zahlreichen
Genremalern stört, fällt bei der Unter- und
Einordnung des Gegenstandes trotz liebevoller
Detaildurchbildung unter eine große einfache
Hauptform nicht auf. Obwohl Simm sich durch
eingehendes Studium ein großes historisches
Verständnis erwarb, sind seine Werke keine
bloße Nachahinung, sondern lebensvolle, von
schöpferischer Phantasie bedingte Bilder, deren
originelle Seite der Gefühlsausdruck seiner
Gestalten ist. Auf diesen legt er nach sorg-
fältigen Studien den größten Nachdruck. Kurz,
seine Bilder sind keine Gewaltakte.
Das scharfe Charakterisierungsmoment
kommt bei den Porträts, die das Wesent-
zum Fest, 1910 Der Kardinal, 1912 Die Gratulanten,
1913/16 In der Sommerfrische, Vor der Töpferbude,
Trödlerin, Kleine Gäste.
331
Darum ist ergrimmt der Zorn des Herrn tdi:
dersein Volk, er streckt die Haad dawider aus
und sdüagtes. daß die Berge beben, und
ihre Leichen mie Koth. ia den Gassen liegen.
Und bei ail dem roendel sieh sein. Zorn nicht alj
sondern seine Hand bleibt noch, ausgestreckte
LEONHARD THOMA (MÜNCHEN)
Zeichnung.
l'gl. dazu Isaiiis _$, 20— SJ
KRIEGSBILD
43*
332
DIE IGNATIUSKIRCHE ZU GORZ UND IHR BAUMEISTER
liehe der Erscheinung klar und groß fest-
halten, zum Durchbruch.
In die Werkstatt des Künstlers führen bis-
her unveröffentlichte Studien. Man sieht, wie
er sich bemüht, aus jeder Gestalt, vor allen
den Köpfen, das Beste herauszuholen. Feder
und Stift hatte Simm bis zu Kriegsbeginn nur
mehr in den Dienst der »Fliegenden Blätter«
gestellt. Einen willkommenen Anlaß, sich der
liebgewordenen Griftelkunst zu bedienen, bot
der Auftrag für das Armee Oberkommando 6
eine Osternkarte zu zeichnen. Welche Stim-
mung, welches tiefinnige Gemüt spricht aus
dem mit dem gut geschauten Pferd eine Ein-
heit bildenden Ulanen, der das Wegkreuz
mit einem Büschel der ersten Frühlingsboten
schmückt. Ein echter Simm in seinem ovalen
Rahmen, aus dem die Trommel leise hervor-
ragt, ist die im Auftrag des Bayer. Landes-
komitees für freiwillige Krankenpflege im
Kriege gemalte Postkarte. »Jung-Deutschland«
marschiert vor für eine gesunde, herzerfri-
schende deutsche Kunst, als deren tüchtiger
Vertreter Franz Simm galt, ehe der Krieg uns
wachrüttelte, und weitergelten wird.
DIE ST. IGNATIUSKIRCHE ZU
GORZ UND IHR BAUMEISTER
CHRISTOPH TAUSCH
Kunstliistorisclie Studie
von Professor Dr. BEKXH.\RD PATZAK (Breslau)
(Vgl. die Abb. S. 335-5^5)
"Vu den bedeutendsten Kunstbauten, welche
^ jüngst unter der rücksichtslosen, vanda-
lischen Beschießung durch die Italiener in
Trümmer sanken, zählt auch leider die monu-
mentale Jesuitenkirche des hl. Ignatius (Abb.
S. 3 3 3 oben) auf der Piazza grande zu Görz. Sie
gehörte zu den vortrefflichsten Barockschöp-
fungen der Pozzoschule auf österreichischem
Boden, und sie verdient eine kunsthistorische
Würdigung.
Ziemlich spät nach ihrer Niederlassung
(1615) in Görz begannen die Jesuiten im
Jahre 1654 den Bau ihrer Ordenskirche neben
dem schon stehenden schlichten Kollegiat-
gebäude. Im folgenden Jahre stürzten je-
doch die Mauern ein, und der unbekannte
erste Baumeister mußte sich vor Gericht
verantworten und das Gebäude von neuem
auf eigene Kosten autiühren. Im Jahre 1680
wurde am Hochaltare und an dem wunder-
vollen Marmortabernakel (Abb. S. 335) gear-
beitet. Die zweite Bauperiode des Gottes-
hauses begann im Jahre 1721 ').
') Vgl. Czoernig : D.is Land Görz und (iradisca,
Band I (1873;, Seite 914, Anmerkung 2. l'erncr;
In den von G. D. Della Bona-) ohne
nähere Quellenangabe veröftentlichten Zitaten
aus den Annalen der Görzer Jesuiten, die
vermutlich aus der in der Privatbibliothek
des Grafen Coroninio) aufbewahrten »Litterae
annuae« stammen, heißt es in wörtlicher
Übersetzung folgendermaßen: »172 1. Er-
richtet wurden in diesem Jahre über die
Hälfte die Kirchenwände, welche die Stirn-
giebel und die Flanken der äußeren Kirche
bilden ; fertig gestellt wurden die vier ge-
waltigen runden Säulen mit ihren von kunst-
fertigem Meißel vortrefflich und sorgfältig zu
erhabener und glanzvoller Wirkung ausge-
arbeiteten Kapitellen aus wohlgeglättetem
Stein ; ferner wurden mehrere andere äußere
Zieraten mit Bekrönungen und Kapitellen von
vornehmer Arbeit vollendet. Zugleich erhielt
unser Tempel hinter dem prachtvollen mar-
mornen Tabernakel unseres Altares ein von
der unteren Wand bis ans Gewölbe
des Gotteshauses sich ausdehnendes
Gemälde, das einen von acht Säulen
gestützten Hochaltar, inmitten aber
den gottseligen Stifter (gemeint ist St. Ig-
natius), von Engeln in den Himmel er-
hoben, überdies aber die heiligste Drei-
faltigkeit darstellt, von sehr elegan-
tem Pinsel einer kunstfertigen Hand,
das Werk eines gewissen unserer Brü-
der Coadjutoren, nicht ohne außerordent-
liche Bewunderung von den Pilgern betrach-
tet, von den Kennern auf über 1000 Reichs-
taler abgeschätzt. Auf alles dies wurden
insgesamt 3393 rheinische Goldgulden auf-
gewendet.«
Aus dieseiu Ordensbericht erhellt zunächst
klar und deutlich, daß der erwähnte da-
malige »Coadjutor« des Görzer Jesuitenkol-
legiums im Jahre 1721 jene Scheinarchitek-
tur des Hochaltares malte -i), über die Lem-
men 5) folgendes bemerkt: »Er (Andrea del
Planiscig im »Forum Julii«, II (1911}, Seile 53 — 39,
(ohne Quellenangabe).
=) Osservazioni ed aggiunte di G. D. Della Bona
sopra alcuni passi delllstoria della Contea di Gorizia
di Carlo Morelli, Band IV, Seite 232 ff. 1-olgendes \Veil<,
d.is über die Görzer Kirche weitere Auskunl't geben
dürfte, war mir niclit zugänglich: Mons. Dott. de
Pavissich, Genesi della Chicsa e parrocchia di S. Ig-
nazio in Gorizia. In: La Messa d'oro o il Giubileo
saccrdotale di Don. F. Zoratti. Ricordo dei suoi vene-
ratori. Gorizia i8g8.
3) \'gl. B. Duhr: Geschichte der Jesuiten, II, Seite 348.
■t) Hiernach ist zu berichtigen die Angabe bei : L.
Burgemeistcr, Die Jesuitenbauten in Breslau, insbeson-
dere die Mathiaskirche und das L'niversitätsgebäude,
Breslau 1901, Seite 2.( : » . . . . zwischendurch 1722 in
Görz«.
5) (I.emmen :) Tirolisches Künstlerlexikon . . . von
einem \'erchrer der Künste, Innsbruck 1850, Seite 196.
e^ DIE IGNATIUSKIRCHE ZU GORZ UND IHR BAUMEISTER ?^3
133
IGNATIUSKIRCHE ZU GORZ VON CHR. TAUSCH
Text S. 33' ff-
Pozzo) hatte unter andern auch einen Jesuiten-
Laienbruder Christoph Tauscii zum Scho-
laren, von weichem zu Görz in der Jesuiten-
iiirche der Hochaltar sammt dem Blatte an
der Mauer sehr künstlich gemahlt worden
ist« (Abb. S. 334).
Leider hatte das offenbar al fresco aus-
geführte Gemälde schon vor seiner bedauerns-
werten Vernichtung stark gelitten. Die Schein-
architektur, die, beiläufig bemerkt, an den
von Pozzo in der römischen Ordenskirche
Sant' Ignazio geschaiTenen Marienaltar •), der
ersten dieser perspektivischen Gattung -), er-
innerte, war beträchtlich verwischt. Unter
dem dichten Staubüberzuge erkannte man den
') Vgl. Pozzo: Perspectivae pictorum atque architec-
torum, II. Pars. Augsburg 1709, Figura 67: Ein gemahl-
ter Altar in der Ignatius-Kirclie zu Rom.
") Vgl. C. Gurlltl : Geschichte des Barockstiles in Ita-
lien, V, Stuttgart 1887, Seite 465.
auf Wolken knieenden, von Engeln getra-
genen hl. Ignatius. Betend blickte er zu
Gottvater und Christus empor, über deren
Häuptern rechterhand oben der heilige Geist
in Gestalt einer Taube schwebte. Diesen
Scheinaltar der Görzer Jesuitenkirche hat
dann Tausch später (1722 — 24) mit einigen
unwesentlichen Abänderungen in seinem
kraftvoll majestätischen Hochaltare der Bres-
lauer Namen-Jesukirche in die Wirklichkeit
übertragen.
Warnun Christoph Tausch jenerim betreffen-
den Ordensbericht erwähnte > Coadjutor«, der
die Görzer Ignazkirche mit jenem Scheinaltar
in der Art Pozzos schmückte, so war er als
gelernter Architekt zweifellos auch der Ur-
heber des Entwurfes für den gleichzeitigen (!),
im Jahre 1721 ausgeführten Bau der in den
»Liiterae annuae« erwähnten Schmuckfassade
des Gotteshauses; oder er errichtete sie nach
334 ^ DIE IGNATIUSKIRCHE ZU GORZ UND IHR BAUMEISTER ^
iWERlii I)I;R IGS'ATIUSKIRCHE IN COR/
i'e'- s-sss
einem früheren Entwurf seines Lehrers. Das
hatte denn auch bereits Albert Ilg ') ver-
mutet, der sich in seinen »Reisenotizen aus
Krain, Kärnten und dem Görzischen« folgen-
dermaßen äußerte: ^ Auf der Rückfahrt von
Italien nach Weißenfels kam ich durch Görz,
wo mich die imposante Fassade der ehe-
maligen Jesuitenkirche auf der piazza grande
entzückte. Schade, daß die dorf kirchen-
mäßigen Zwiebeln der beiden Türme diesen
großartigen Bau verunstalten. Er ist eine
der vornehmsten Barock-Fassaden, echt italie-
nischen Charakters, in Osterreich; gleich-
wohl bleibt uns die Literatur in dem Falle
alle Auskunft schuldig. Die Mittelpartie mit
den vier mächtigen korinthischen Halbsäulen,
den verkröpften Gesimsen, dem Balkon da-
zwischen, darüber das Tympanon, die flan-
kierenden Türme, mit ihren Stockwerken
') In : Mitteilungen der K. K. Zcntrall<ommission N.
F.Wien 1890, XVI. Jahrgang, Seite 121; vgl. hierzu:
A. Ilg, Kunstgeschichtliche Charakterbilder aus Öster-
reich-Ungarn, Prag 1893, Seite 277.
und flachen Wandpilastern, der
Statuenschmuck und das Portal
mit gebrochenem Bogengiebel,
alles das in wahrhaft grandiosen
^'erhältnissen, hat einen Gesamt-
charakter, der bald an Lorenzo
Bernini, bald an Carlo Rainaldi
erinnert. Das Chronostikon der
Portal-Inschrift gibt aber erst das
Jahr 1721 (?) an 2). Das Innere
entspricht zwar in architektoni-
scher Hinsicht der prachtvollen
Fassade, bietet aber in der Ein-
richtung, Altären und Gemälden,
wenig Hervorragendes. Interes-
sant ist nur der von dem Je-
suiten-Laienbruder Christoph
Tausch, einem Schüler des be-
rühmten Andrea Pozzo, ent-
worfene Hochaltar (Tschisch-
ka, Kunst und Altertum . . . , Wien
1836, pag. 178). Ob er etwa
auch der Architekt der gan-
zen Kirche sei, weiß ich nicht,
doch wäre es nicht unmög-
lich«.
Ganz in der Art Pozzos war
in der Tat die plastische Durch-
formung des Mittelrisalites (vgl.
Abb. S. 333) vermittels Halbsäulen
mit verkröpftem Gebälk und Kon-
solen unter dem Kranzgesims
durchgeführt, auf dem als Aus-
klänge der tragenden Stützen um-
gekehrte, also mit ihren Schnek-
ken nach unten gestellte, langgezogene Vo-
lutenkonsolen3) aufsetzen. Sie sind für die
Pozzoschule typisch geworden und treten im
Schafli"enswerk des Frater Christof Tausch im-
merund immer wieder auf Besonders charakte-
ristisch war ferner an den Turniecken der
Görzer Kirchenfassade die durch die dreiteili-
gen, flachen Pilasterbündel entstehende starke
Verkröpfung des Gebälkes, wodurch ein rhyth-
mischbewegtes Linienspiel von einander durch-
kreuzenden Horizontalen und Vertikalen und
hiermit ein im bildmalerischen Sinne höchst
wirkungsvoller Kontrast von lichtbestrahlten
Flächen und pikanten Zierschatten erzeugt
wurde. Typisch waren endlich die geknick-
ten Fenstervcrdachungen des dritten Stock-
=) Die Inschrift l.iutet: >DIVo IgnaTIo De LoJoLa
SoCIetatls JesV fVndatorl«. — Daraus ergibt sich nicht
die Jahrcszalil 1721, sondern 1723.
3) Vgl. z. B. Pozzos »Theatrum sacrunn für Sant'
Ignazio zu Rom in: Pozzo, Perspectivae pictonmi atque
architectorum, I. Pars (Ausgabe von Joh. Boxbarth)
Augsburg 1706, Figura 71.
^^ DIE IGNATIUSKIRCHE ZU GÖRZ UND IHR BAUMEISTER ©^
335
TABERXAKEL AUF DEM HOCHALTAR DER IGXATIÜSKIRCHE 1\'
Text S. 3Ji
Werkes, die, wie ich an anderer Stelle zeigen
werde, Tausch auch weiterhin gern ver-
wendet hat. Ein Blick auf die Innenarchi-
tektur des nunmehr zerstörten Gotteshauses
belehrte ohne weiteres den Kenner des
Tauschwerkes, daß sie ebenfalls ein Werk
dieses von der kunsthistorischen Forschung
bisher noch zu wenig gewürdigten '), be-
') Völlig unzureichend ist die dürftige Biographie
bei L. Burgemeister, a. a. O. Seite 23 — 24 (I). — Ab-
gesehen davon, dalJ Verfasser das SchafFenswerk des
deutenden Maler-Architekten gewesen sein
muß. Es kehrte nämlich hier im Grunde
genommen dasselbe, nur ins Monumentale
gesteigerte Dekorationsprinzip wie in seinen
Jesuitenkirchen zu Trentschin (1712 — 171 5,
Meisters, mit Ausnahme seiner Breslauer Namen-Jesu-
kirche, gar nicht kannte, beruhen seine Mitteilungen
lediglich auf einigen rein biographischen Notizen, die
P. Bernhard Duhr S. J. aus den Ordenskatalogen für
ihn mühsam ermittelt und zu bequemer Benützung zu-
sammengestellt hatte.
!36
PREISAUSSCHREIBEN FÜR KRIEGS- UXD KRIEGERDENKMÄLER
nicht 1714/15, wie L. Burgemeister ') fälsch-
lich angibt) und in Erlau {1716 — 1719) in
Ungarn wieder: Die in Görz wie in Erlau
der Kanneluren ermangelnden Pilaster, die
Kapitelle und verkröpften Gebälke waren
wuchtiger geworden und luden infolgedessen
mehr aus wie dort. Man merkte an der
Innendekoration der Görzer Kirche, daß der
Künstler den italienischen Barockstil, insbe-
sondere den römischen, den er bisher nur
aus der theoretischen Unterweisung Pozzos
kannte, nunmehr an der Quelle studiert hatte.
Erst im Jahre 1720, also unmittelbar vor
seiner Berufung nach Görz, hatte Christoph
Tausch in Rom geweilt ^).
Wohl kaum mehr nach dem Entwurf des
Frater Tausch wurden dann schließlich laut
dem erwähnten Ordensbericht in den Jahren
1722/23 die von Ilg getadelten, wie die
»Litterae annuae« besagen, provisorischen
Turmhauben, ferner die Kischenstatuen und
das Portal fertig gestellt. Die Beendigung
dieser Arbeiten hat der vielbegehrte Künstler
nicht mehr abgewartet. Denn noch im
Jahre 17223) begegnen wir ihm, wie ich in
meiner Tauschbiographie 4) eingehend aus-
geführt habe, in Schlesien in vielseitigste
Tätigkeit vertieft, wohin er von dem kunst-
sinnigen Breslauer Fürstbischof Franz Lud-
wig, dem Ptalzgrafen von Neuburg, berufen
worden war 5).
Jedenfalls bildete der nunmehr bedauer-
') Ebenda, Seite 25. — Das richtige Datum ergibt
sich vielmehr aus den von mir in der Königlich Unga-
rischen Universitätsbibliothek zu Budapest entdeckten
> Annuae Collegii et Domus probationis trenchinensis<
(Sign. A. b. 115, Seite 102 ff).
-') Zu berichtigen bei L. Burgemeister, a. a. O. Seite 24 :
»Tausch hatte mit seinem Meister Pozzo sieben Jahre in Ita-
lien als Maler und Architekt gearbeitet «. —Der im Jahre 1 702
von Leopold I. nach Wien berufene Maler- Architekt Pozzo
verließ um diese Zeit, wie die authentische Biographie
von Francesco Baldinucci (Atti della I. R. .Accaderaia di
scienze lettere ed arti degli Agiati in Rovereto, I, Anno
1912, Seite 231: Lavita del Padre Andrea Pozzo scritta
da Francesco Baldinucci. Studio del Socio Prof. Dott.
E. Benvenuti) ausdrücklich betont, Italien, »um es nie
mehr wieder zu sehen«. — An den italienischen
Arbeiten seines Lehrers Pozzo (f 1709) konnte also
Tausch nicht mehr mitarbeiten.
3) Nicht erst 1725 wie bei L. Burgemeister, a. a. O.
Seite 24.
<) Diese wird demnächst in meinem Werke : »Die
Jesuitenbauten zu Breslau und ihre Architekten, ein
Beitrag zur Geschichte des Barockstiles in Deutschland«
erscheinen.
5) Vgl. Wien, Bibl. Pal, Vind. Cod. 123 16. Annuae
Literae Provinciae Bohemiae Societatis JESU Nissae ad
annum 175 1, Seite 82: » ... donec ejusdera Romae
annutu Serenissimi Principis, ac Episcopi nostri postu-
lato, ac obsequiis concessus, ipsos octo annos Archi-
tecli munere functus, anis suae insignia exstruxit monu-
menta, quae hodiedum etiam Exteris admirationi sunt«.
licherweise zugrunde gegangene herrliche
Bau der Görzer Jesuitenkirche des hl. Igna-
tius einen entwicklungsgeschichtlich wichti-
gen Markstein in seinem künstlerischen
Werdegange.
PREISAUSSCHREIBEN FÜR KLEINERE
KRIEGS- UND KRIEGERDENKMALER
P)em großen Kriege sowohl wie seinen Toten werden
berechtigterweise voraussichtlich zahlreiche Denk-
mäler erstehen. Der Bund deutscher Gelehrter und
Künstler (Kulturbund) will für seinen Teil versuchen,
mit dazu beizutragen, daß diese Werke, die das Bild
unserer öffentlichen Kunstpflege wesentlich beeinflussen,
in einem künstlerischen Sinne geschaffen werden, der
sie würdig ersclieinen läßt, als sichtbarer Ausdruck für
die Taten unseres Volkes zu gelten.
Der Bund will nicht nur schlechte und übereilte Mo-
numente verhindern, sondern mithelfen, gute zu schaffen.
Als besonders wichtig erscheint die künstlerische
Lösung kleinerer Aufgaben, denn kleinere Denkmäler
werden naturgemäß besonders zahlreich geschaffen
werden und der Träger des Kunstgedankens für wei-
teste Schichten des Volkes iu den kleinen Städten und
auf dem flachen Lande sein.
Da dieser wichtige Teil unserer Kunst bisher fast
überwiegend unzulänglichen künstlerischen Kräften und
einer schlechten Kunstindustrie überlassen blieb, so er-
geht hiermit an die reichsdeutschen Künstler ein Preis-
ausschreiben zur Erlangung von Entwürfen solcher
kleinen Denkmalsgebilde.
Dieser Wettbewerb soll einmal ein Ansporn für
unsere Künstler sein, ihre Kunst diesen Aufgaben zu-
zuwenden, zum andern bezweckt der Bund, sich mit
seinen Mitteln dafür einzusetzen, daß den Schöpfern
hers'orragender Entwürfe im gegebenen Falle Gelegen-
heit zur Betätigung werde.
Die Herausgabe eines Werkes mit den aus-
gezeichneten Arbeiten ist ins -Auge gefaßt.
Es werden folgende Aufgaben gestellt: Entwürfe für:
I. Grabsteine und Grabkreuze für gefallene Krieger in
der Heimat; 2. Gedenktafeln, sowohl plastische wie
gemalte; 3. einfache Monumente, deren Herstellung die
Summe von 5000 Mark nicht überschreiten soll; 4. Bild-
stöcke; 5. Gedächtniskapellen für Gefallene, Ausfüh-
rungssumme nicht über 12000 Mark. Zu den einzelnen
Aufgaben ist folgendes zu bemerken :
Zu I: Grabsteine und Grabkreuze. Wetter-
festes Material ist Vorbedingung. Kunststein, Eisen
oder dergleichen sind nicht ausgeschlossen. Die Bild-
größe des dargestellten Werkes soll nicht unter 20 cm
sein und nicht 40 cm übersteigen. Ein Maßstab und
eine Maßstabsfigur sind miteinzuzeichnen. Die Art der
Zeichnung, ob geometrische Zeichnung, Schaubild oder
Photographie nach .Modell, ist freigestellt.
Zu 2: Gedenktafeln. Diese Tafeln sind für das
Innere oder Äußere öffentlicher Gebäude wie Rathäuser,
Kirchen. Schulen usw. gedacht, sie sind als plastische
Gebilde für .Metall, Holz, Stein und gebrannten Ton
oder für kleine Kirchgemeinden als bemalte Holztafeln
zu entwerfen. Besonders erwünscht sind solche Tafeln,
die eine gute Lösung für die Anordnung zahlreicher
Namen erbringen. Auf gute und lesbare Schrift soll
besonders geachtet werden. Verlangt werden für die
plastischen Tafeln Photographien nach einem plasti-
schen Modell nicht unter 20 cm und nicht über 40 cm,
für die bemalten Tafeln farbige Darstellungen in glei-
cher Größe. Die Hauptmaße sind einzuschreiben. Ver-
langt wird die Beigabe einer Schriftprobe in natürlicher
Größe, in Photographie oder Zeichnung.
PREISAUSSCHREIBEN PCR KRIEGS- UND KRIEGERDENKMÄLER
337
RENE KUDER
Zu 3: Einfache Monumente. Erinnerungsmale
fiir die Gefallenen von Ortschaften, Körperschaften oder
Truppenteilen. Auch kleine Brunnen und Brunnen-
häuschen mit einem passenden Hinweis auf den Krieg
oder die Gefallenen sind nicht ausgeschlossen. A\'ener-
fesngkeit ist auch hier Bedingung. Verlangt wird ein
Blatt mit einer geometrischen Zeichnung der Hanptan-
sicht im Maßstab 1 : 10 und der Nebenansichten in
kleinerem Maßstabe, femer ein zvseites Blatt mit einem
Schaubude im Maßstabe i : 10 oder sta- dessen eine
gute Photographie nach einem plastischen Modell im
Slaßstab 1:10. Die letztere Fonn ist besonders er-
wünscht. Eine Maßstabsfigur ist mitzozeichnen.
Zu 4: Bildstöcke. Es soll der Versuch gemacht
werden, den BUdstockgedanken, wie er jetzt lediglich
religiösen Zwecken dient, der Kriegerehrung nutzbar
zu "machen. Dabei ist für katholische Gegenden die
Verbindung nüt Darstellungen religiösen Charakters er-
wünscht, für protestantische Gegenden nicht unbedingt
erforderlich. Für protestantische Gegenden wird über-
m« dsziscüche Kaist. XO. jz.
338
RENE KUDER
FELDGRAUER (ZEICHNUNG, 1916)
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FELDGRAUER (ZEICHNUNG, 1916)
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FELDGRAUER (ZEICHNUNG, 1916)
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FELDGRAUER (ZEICHNUNG, 1916)
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RENE KUDER
FELDGRAUER (ZEICHNUNG, 1916)
PREISAUSSCHREIBEN
343
haupt mehr Wert darauf gelegt, daß älinlich den Bild-
stöcken und Walllahrtszeichen der katholischen Lande,
wie sie an Wegekreuzungen oder anderen charakteri-
stischen Stellen der Landschaft aufgestellt sind, ein-
prägsame kleine Gebilde erfunden werden, die den Ge-
danken des süddeutschen Bildstocks schöpferisch er-
weitern. Die Art der Zeichnung, ob geometrische Zeich-
nung, Schaubild oder Photographie nach Modell, ist
freigestellt. Bildgröße des Werkes nicht unter 20 cm
und nicht über 40 cm. Maßstab und Maßstabsfigur
sind mitzuzeichnen.
Zu 5: Gedächtniskapellen. Gleich den Bild-
stöcken eignen sich auch Kapellen in der Art der heu-
tigen Andachts- und Walllahrtskapellen zur Ehrung
unserer Gefallenen und zu Gedächtniszeichen für die
große Zeit. Auch diese Aufgabe ist für katholische
und protestantische Gegenden verschieden zu lösen.
Die Baukosten sollen 12000 Mark nicht übersteigen.
Es ist kenntlich zu machen, wie die Umgebung ge-
dacht ist. Verlangt werden Zeichnungen im Maßstab
I : 20, Grundriß, Schnitt und Aufriß i : 50, sowie Schau-
bild oder Aufnahme nach plastischem Modell. Maß-
stabsfigur ist einzuzeichnen.
Sämtliche Zeichnungen sind ungerahmt einzureichen.
Die einzelne Blattgröße darf das Maß 50 : 70 nicht
überschreiten. Um diese Größe einzuhalten, können
die vorgeschriebenen Maßstäbe im Notfall verkleinert
werden. Die genauen Preise für die Gesamtherstellung
ohne Fundament, aber mit Honorar, sind anzugeben.
Neben der künstlerisch selbständigen Verwendung hi-
storischer Sinnbilder sollen insbesondere gute Ausdrucks-
formen für das moderne Kriegsgerät angestrebt werden.
Zur Verteilung gelangen Preise im Gesamtbetrage
von 15000 Mark, und zwar 5 Preise zu 1000 Mark,
IG Preise zu 500 Mark, 25 Preise zu 200 Mark.
Diese 40 Preise sollen unter allen Umständen zur
Verteilung kommen, und zwar für alle Aufgaben mög-
lichst gleichmäßig. Eine andere Verteilung behält sich
jedoch das Preisgericht vor. Die preisgekrönten Ent-
würfe werden Eigentum des Bundes deutscher Gelehrter
und Künstler. Auch von den übrigen Arbeiten soll
eine Anzahl angekauft werden. Außerdem kann auf
»ehrenvolle Erwähnung« erkannt werden.
Das Preisgericht besteht aus den Herren: Amers-
dorffer (Berlin), Behrens (Neubabelsberg), Billing
(Karlsrühe), Blunck (Berlin), Graul (Leipzig), Hahn
(München), Hosaeus (Berlin), Hul^er - Feldkirch
(Düsseldorf), Kutschmann (Berlin), Manzel (Berlin),
Meier-Graefe (Berlin), Poelzi g (Dresden), Schaper
(Berlin), Seeck (Berlin), Tuaillon (Berlin).
Die Arbeiten müssen bis zum 25. Oktober an die
Geschäftsstelle des Bundes deutscher Gelehrter und
Künstler (Kulturbund), Berlin, Unter den Linden 38,
gelangt oder bis zu diesem Tage bei der Post einge-
liefert sein. Jeder Entwurf ist mit einem Kennwort zu
versehen, Name und genaue Adresse des Einsenders
sind in einem geschlossenen Umschlag mit demselben
Kennwort beizufügen, auch ist eine Adresse für die
Rücksendung anzugeben. Die Entwürfe werden öffent-
lich ausgestellt. Entwürfe, die dem Programm nicht
entsprechen, werden von der Beurteilung ausgeschlos-
sen. Der Teilnehmer am Wettbewerb erklärt sich mit
den Bedingungen einverstanden und auch damit, daß
seine Arbeiten ausgestellt sowie in dem vom Kultur-
bund geplanten Sammelwerk veröflentlicht werden.
Die Beteiligung an dem Wettbev.-erb unter Einhal-
tung der angeführten Bedingungen ist jedem reichs-
deutschen Künstler freigestellt. Es ist jedoch gestattet,
außerhalb des Wettbewerbes Arbeiten unter Namens-
nennung einzureichen. Diese Arbeiten kommen für die
Zuei kennung eines Preises nicht in Frage, werden aber
unter der Bezeichnung »außer Wettbewerb« mit öfFent-
licli ausgestellt. Sie sollen aucn gleich den preisge-
krönten Arbeiten für die Veröfl'entlichung durch das
Sammelwerk in Aussicht genommen wie auch gegebe-
nenfalls zur Ausführung empfohlen werden.
PREISAUSSCHREIBEN
Der Vorstand des Schlesischen Bundes für Heimat-
schutz ruft zu einem Wettbewerb auf zur Einsendung
von Entwürfen zu Kriegergrabmalen und Kriegergedenk-
tafeln, die zur Ausführung in schlesischem Marmor be-
stimmt sind und dieses Gestein in seinen verschiedenen
Behandlungsarten charaktenslisch zum Ausdruck bringen.
Das Marmorwerk W. Thust, Gnadenfrei i. Schles., stellt
uns zur Preisverteilung 1600 Mark zur Verfügung. Es
werden verlangt : Gruppe I: Kriegergrabmale für Reihen-
gräber und bevorzugte Grabstätten, wie Randgräber,
Oftiziersgrabstätten, Grabansaramlungen (Ehrenfriedhöfe)
und dergleichen. Gruppe 11: Kriegergedenksteine zur
freien Aufstellung auf Friedhöfen, an Kirchen usw. und
Wandgedenktafeln für Friedhofsmauern , innere und
äußere Kirchenwände, an Hauswände und dergleichen.
Gedacht ist an Gedenksteine und Tafeln, die den Kirchen-
gemeinden zur Erhaltung des Gedächtnisses auch derjeni-
gen gefallenen Gemeindemitglieder dienen sollen, die
nicht innerhalb des Gemeindefriedliofes beerdigt sind. Auf
den Steinen wären außer der Widmungsschrift die Na-
men der gefallenen Gemeindemitglieder anzubringen.
Es wird sich häufig empfehlen, statt einer Gedenk-
tafel besondere kleine Schrifttafeln, für jeden Gefalle-
nen eine, mit einem gemeinsamen Widmungsstein zu-
sammenzufassen. Die Anwendung des Einzelstückes
im Gesamtrahmen ist anzugeben. Bei frei auizustellen-
den Gedenksteinen ist der Charakter des Friedhofes
unbedingt zu vermeiden.
Durch den Wettbewerb werden Entwürfe für Grab-
male und Gedenktafeln zur Ausführung in mehrfachen
Verhältnissen gewünscht, besonders reiche Entwürfe (rei-
cher bildhauerischer Schmuck) sind zu vermeiden. Die
Entwürfe werden auf Blättern von 30:40 cm erbeten.
Sie müssen maßstäblich gezeichnet sein unter Angabe
des Maßstabes. Die Art der Flächenbehandlung des
Ganzen oder einzelner Teile ist anzugeben. Jedes Blatt
ist mit einem Kennwort und der Gruppenbezeichnung
zu versehen. Die Verfassernamen und genauen Adressen
sind den Entwürfen in verschlossenem Briefumschlag,
der das Kennwort trägt, beizulegen. Jeder Teilnehmer
erklärt sich damit einverstanden, daß die Entwürfe öfient-
lich ausgestellt und d.e ausgezeichneten und angekauften
unter Mitwirkung des -Sclilesischen Bundes für Heimat-
schutz« veröff'entlicht werden.
Als Preise werden ausgesetzt : für Gruppe 1 : i erster
Preis von 200 Mark, i zweiter Preis von 150 Mark,
6 Preise von je 75 Mark; für Gruppe 11: i erster Preis
von 200 Mark, i zweiter Preis von 150 Mark, 6 Preise
von je 75 Mark. Die Firma W. Thust beabsichtigt den
Ankauf weiterer Entwürfe nicht unter 50 Mark; sie er-
wirbt für sich das Ausführungsrecht für die mit Preisen
ausgezeichneten und angekauften Entwürfe.
Als Preisrichter werden wirken : Provinzialkonser-
vator, Regierungs- und liaurat Dr. Burgemeister, Archi-
tekt Effenberger, Königlicher Gartenbaudirektor Erbe,
Bildhauer Professor von Gosen, Architekt Königlicher
Baurat Grosser, Konsistorialrat Hain, Fürstbischöflicher
Rat Dr. Jensch, Techniker Georg Müller, als Vertreter
der Firma W. Tliust, Gnadenfrei, Vorsitzender des Scliles.
Bundes für Heimatschutz, Univers.-Professor Dr. Siebs,
W. Thust, Inhaber der Firma W. Thust, Gnadenfrei,
Stellvertretender Direktor der Königlichen Kunstakademie
Breslau, Maler Prof. Wislicenus.
Zur Teilnahme am Wettbewerb sind alle Künstler
berechtigt, die ihren Wohnsitz in den Provinzen Schle-
344
VERMISCHTE NACHRICHTEN ^
RENE KÜDER
AUSMARSCH
sien, Posen, Ost- und Westpreußen und den besetzten
russischen Gebieten haben. Die Entwürfe sind porto-
und bestellgeldfrei bis zum 6. Oktober an das Sekre-
tariat der Königl. Akademie für Kunst und Kunstge-
werbe, Breslau, Kaiserin-Augusta-Platz 5, einzureichen.
Die Sendungen sind außen als zum Wettbewerb des
Schlesischen Bundes für Heimatschutz gehörig zu be-
zeichnen. Auskunft erteilt der Geschäftsfülirer des
Schlesischen Bundes für Heimatschutz, Architekt EHen-
berger, Breslau XVI, .\uenstraße 20.
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Zu dem auf S. 337 abgebildeten Gemälde nahm der
Künstler die Anregung von einem durch einen Fried-
hof gezogenen Schützengraben.
Zwei Preisausschreiben. Der >Münchner Bund«
erLißt zwei Preisausschreiben für alle Künstler Deutscli-
lands. Das eine Preisausschreiben betrifi't einen Wett-
bewerb um ganzseitige Illustrationen in Scliwarzweiß
oder mehrfarbig für eine Weihnachtsnummer der neuen
Monatsschrift »Unser Vaterland«, die Graf von Both-
mer herausgibt und die bei J. F. Lehmann in Mün-
chen erscheint. Als i. Preis wurden 500 M., als
2. Preise je 250 M. ausgesetzt. Der zweite Wettbewerb
betrifft Kopfleisten, Schlußstücke und Zierstücke für
die gleiche Monatsschrift. Dafür wurde ein i. Preis zu
100 M. und zwei 2. Preise zu je 75 M. ausgesetzt. Für
beide Wettbewerbe behält sich die Scliriftleitung den
Ankauf anderer nicht preisgekrönter Arbeiten vor. Die
näheren Wettbewerbsbedingungen sind beim Münchner
Bund, München, Elisenstraße 3 und beim Herausgeber
zu erfahren. Der Schlußtermin beider Wettbewerbe
ist der 10. September.
Bonifa z Locher. — Die Wallfahrtskirche zu Gai-
mersheim erhielt einen neuen Deckenschmuck in drei
Gemälden, die Bonifaz Locher (München) kürzlich voll-
endet hat. Das Werk verdankt sein Entstehen dem
dortigen Pfärrherrn und es ist besonders erfreulich, daß
es trotz dem Kriege entstand. Als Darsiellungsgegen-
stände wurden gewählt: Maria Opferung, die hl. Familie
und Maria in der Verklärung.
Eine neue Fahne erhielt auf \'eranlassung des
Herrn Stadtpfarrers Madiener die Stadtpfarrkirche in
Monheira (Schwaben). Der Entwurf stammt von Kunst-
tnaler Theodor Baierl. Die Ausführung geschah zum
Teil in Batik, zum Teil in Stickerei. Die Batikarbeiten
wurden an der Kunstgewerbeschule in München ausge-
führt, die Stickerei von den Franziskanerinnen in Dillingen.
Für die Redaktion
Gesellschaft für christliche Kanst, GmbH.
BEILAGE
DIE KUNST DEM VOLKE
DIE KUNST DEM VOLKE.
r)ie zunehmende Vertiefung des sozialen Emplindens
unserer Zeit hat mit innerer Notwendigkeit dazu
geführt, daß dem VoII<e die Tore immer weiter geötl'net
werden, welche ihm lange versperrt waren, jene Tore,
durch welche der Weg zum Verständnisse wahrer Kunst
geht. Ist doch über ihren W'ert als mächtiges Hills-
mittel der Volkserziehung jetzt jeder Zweifel behoben,
sind doch auch die bereits erreichten Erfolge nicht mehr
zu verkennen. Daß die Durchdringung der Volksseele
mit einem sittigenden Kunstgefühl nicht mit einem
Schlage niöghch ist, darüber kann man sich freilich
nicht täusclien und darf es auch niclit, muß vielmehr
aus dieser Überzeugung das Gebot ableiten, unermüd-
lich weiterzuarbeiten und vor allem dabei die heran-
wachsende Generation im Auge zu behalten. Beim
Anfange des Krieges ist ein schönes Wort gesprochen
worden: »Wir wollen kämpfen, damit unsere Kinder
es einmal besser haben als wir.« Dieser Ausspruch
paßt auch auf die hier in Rede stehenden Bestrebungen.
Dem Volke mul3 unter Aufbietung aller Kraft ein Besitz
wieder erkämpft werden, dessen es sich ehemals erfreut
und mit dessen Hilfe es Vorbildliches geschaffen hat.
Es muß allmählich jenes künstlerische Feingefühl und
damit jene moraUschen Eigenschaften wiedergewinnen ;
dieser einstige Besitz muß wieder in der Volksseele
seinen Platz erhalten wie in alten Zeiten, wo Kunst und
Kunstgefühl einen selbstverständlichen Teil des Daseins
bildete. Die neueren Bestrebungen >die Kunst dem
Volke< zugänglich, vertraut, lieb und notwendig zu
machen, reichen bereits einige Jalirzehnte zurück; ihres
Zieles vollbewußt und systematisch sind sie aber eigent-
lich erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit geworden.
DienAllgemeine Vereinigung für christliche
Kunst« ist es, welche sich dieser Aufgabe mit Eifer
angenommen und in wenigen Jahren erreicht hat, daß
ihr Streben als erfolgreich anerkannt werden muß. Im
sechsten Jahrgange befinden sich jetzt jene trefflichen
Monographien, die sie unter dem programmatischen
Gesamttitel >Die Kunst dem Volke« herausgibt.
Jährlich erscheinen vier Hefte zu dem überaus billigen
Preise von 80 (im Jahresabonnement 75) Pfennigen;
zurzeit liegt das zweiundzwanzigste vor. Auf 2'/2 Bogen
großen Oktavformates bietet jedes 50 bis 60 vorzüglich
ausgeführte Abbildungen von Kunstwerken ersten Ranges,
dabei durchweg von solchen, welche für die Bildung
des Auges und Gemütes von Nutzen sein und jeglichem
rein empfindenden Beschauer zu wahrhalter Freude ge-
reichen müssen. Dieser Zweck desästhetisclien Genusses
und der daraus sich ergebenden Folgen für die Ge-
schmacks- und Geistesbildung ist es, worauf es ankommt;
nicht etwa darauf, eine Nation von Kunsthistorikern und
Kunstkritikern heranzubilden. Den in den einzelnen
Heften nach bestimmten Thematen vereinigten Gruppen
geht jedesmal ein Text zur Seite, der aus der Feder
eines anerkannten Kenners des betrefl'enden Gebietes
stammt; Grundsatz ist klare Gemeinverständlichkeit bei
eigenem wissenschaftlichem Wert, Fernhalten von lach-
gelehrsamen Auseinandersetzungen nebst der zugehörigen
Terminologie, sowie von jeglicher Polemik wissenschaft-
licher, politischer, konfessioneller oder sonstiger Art.
Ist somit dafür gesorgt, daß der Genuß am Kunstwerke
und die Vertiefung in dessen Eigenart und Scliönheit
durch nichts beeinträchtigt, vielmehr kräftig gefördert
wird, so ist gleichzeitiges Ziel, den Blick auch zu er-
weitern. Die modernste Kunst, über deren Wert die
Akten noch nicht geschlossen sind, ist absiclitlich niclit
in den Bereich der Betrachtung gezogen worden, dafür
aber die ältere aus sehr verschiedenen Epochen und Be-
zirken des christhchen Kunstschafiens.
Den weitesten Raum nimmt bisher die Malerei ein.
weil sie dem erst zu schulenden Geiste am leichtesten
zugänglich ist. Doch ist einmal auch das scliwierigere
Gebiet der Plastik und in mehreren Fällen das der
monumentalen Baukunst betreten worden. Einige Hefte
geben ikonographische Überblicke, eins übernimmt die
Führung zu den Schätzen einer der berühmtesten Kunst-
stätten der Welt, dem Vatikan. Das Verdienst hier-
bei den Führer zu machen, erwarb sich der Rektor des
deutschen Canipo Santo in Rom, Msgr. Anton de Waal.
Hefte ikonograp hischen Inhaltes sind »Weih-
nachten in der Malerei« von Dr. Joh. Damrich und »Die
Madonna in der Malerei« von P. M. C. Nieuwbarn O. P.
Drei Monographien beschäftigten sich mit Meisterwerken
der Architektur. Alle drei schrieb Dr. Oskar Doering.
In zweien betrachtete er die berühmtesten Kathedralen
der verschiedensten Länder — eine gedrängte Einfüh-
rung in das Wesen vorbildlichen Kirclienbaus, und eine
Darlegung, wie dessen Ideal je nach der Mannigfaltig-
keit zeitlicher und örtlicher Bedingungen verschieden-
artig angestrebt worden ist. Das dritte dieser Baukunst-
hefte bespricht ein Thema, welches gerade jetzt beson-
deres Interesse erregen muß, »Die deutsche Burg«.
Jedem von uns muß das Herz aufgehen beim Anblicke
dieser ehrwürdigen Reste. Ist es doch, als sprächen
sie zu uns:
»von heleden lobebaeren, von grözer arebeit,
von freude unt hochgeziten, von weinen unde klagen,
von kuener recken striten.« —
Das Plastikheft (Text gleichfalls von Dr. Doering)
macht mit der herrlichen Feinheit der Arbeiten bekannt,
die dem Luca della Robbia und seinem Kreise ihre
Entstehung verdanken. — Von jenen Monographien,
die sich mit der Malerei beschäftigen, sind zwei der
Betrachtung wichtiger alter Malschulen gewidmet.
Dr. Damrich bearbeitete »Die altschwäbische Malerei«,
Dr. Andreas Huppertz- Köln »Die altkölnische Maler-
si-hule«. Beide Hefte bieten Bilder, deren echt deutsche
An und Gemütstiefe einen unwideistehlichen Zauber
ausüben. Die übrigen Malereihefte sind durchweg bio-
graphischer Art. Man findet Murillo (Doppelheft von
Dr. Adolf Fäh), Peter. Paul Rubens (von Dr. Walter
Rothes) ; von italienischen Malern wurden bisher Beato
Angelico und Domenico Ghirlandajo gewürdigt, ersterer
durch P. Fr. Innocenz M. Strunk O. P., letzterer durch
Dr. Walter Bombe. Bei weitem die meisten Mono-
graphien dieser Gruppe aber gelten deutschen Künstlern,
und zwar zumeist neueren. Die ältere Zeit kam mit
Albrecht Dürer und dem jungem Hans Holbein zu
ihrem Recht ; über beide schrieb Dr. Damrich. Zahl-
reiclie Meister der Malerei erwählte man aus dem
19. Jahrhundert. In den Werken von Ludwig Richter
und Moritz von Schwind (beide Monographien von
Dr. Hyazinth Holland), in denen Joseph von Führichs
(ilin schilderte Heinrich von VVörndle) waltet jegliche
Tiefe echt deutschen Empfindens. Zu den Höhen ge-
waltigster Kunst erhebt es sich in den Schöpfungen
des großen Peter von Cornelius, dessen Monographie
von Max Fürst stammt. Waffen klirren in den pracht-
vollen Schlachtenmalereien des Theodor Horschelt. Das
von Dr. Holland über diesen letzteren verfaßte Heft
bildet einen der schönsten Beiträge zu der Kriegslite-
ratur, auf die jetzt aller Augen gerichtet sind. Noch
dazu lernt das deutsche Volk hier einen Künstler
würdigen, der viel zu wenig bekannt ist- — Auf
Grund aller dieser Monographien sind auch Lichtbilder-
vorträge hergestellt worden ; die Bezugsbedingungen
teilt die Allgemeine Vereinigung für chtistliche Kunst
(München, Karlstraße 55) mit. — Dem vielseitigen
Streben der Vereinigung, welches in der »Kunst dem
Volke« sich kundgibt, und in dem sie rühmlicher-
weise auch unter jetzigen schwierigen Verhältnissen
VERMISCHTE NACHRICHTEN. - BÜCHERSCHAU
nicht nachläßt, darf von Herzen auch fernerhin jener
Erfolg gewünscht werden, den es vollauf verdient.
Dr. E. Heidegger.
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Maler Rudolf Frische, ein geborner Osnahrücker,
hat sich vor einiger Zeit in seiner Heimatstadt nieder-
gelassen. Frische lebt fast ausschheßlich der kirchlichen
Kunst und hat schon vieles auf diesem Gebiete geschaffen.
Die St. Johanneskirche in München-Haid-
hausen erhielt ein neues gemaltes Fenster, das den
lil. Märtyrern gewidmet ist. Der Entwurf stammt von
Augustin Fächer und wurde von der Kirchmairschen
Glasmalerei in Haidhausen ausgeführt.
Bildhauer Franz Schildhorn hat im Auftrage
des Herrn Stadipfarrers Hellmair in Landsberg am Lech
eine HerzJesu-Statue gefertigt.
Dem gelehrten Kunsthistoriker P.Stephan
Beißel, dessen Ableben wir in der vorigen Nummer
berichteten, widmete P. Joseph Braun in den »Stimmen
der Zeitc (6. Heft des 89. Bandes) einen Nachruf, auf
den wir die vielen Verehrer des Heimgegangenen hin-
weisen.
Gelsenkirchen inW. In Anwesenheit von Ver-
tretern der staatlichen, städtischen und geistlichen Be-
hörden wurde vergangenen März das Liebfrauenstift der
Sl. Georgs-Pfarrei mit einer dem Ernst der Zeit entspre-
chenden schlichten Einweihungsfeier seiner Bestimmung
übergeben. Die nach den Plänen des Architekten Karl
Colombo-Köln geschaffenen Anlagen zeigen eine groß-
zügige und praktische Lösung eines wirklich modernen
Heinis für erwerbstätige Mädchen und eines zu Ge-
meindezwecken dienenden Saalbaues. Das Liebfrauen-
stift enthält u. a. Festsaal für 800 Personen mit Bühne
etc., kleinere Sitzungs- und Vereins-Säle, Hauskapelle,
Speisesaal nebst Erholungsräumen und Heim für über
100 erwerbstätige Mädchen und Dienstmädchen. Haus-
haltungs-, Koch- und Näh-Schulen werden von Schwe-
stern geleitet. Die der St. Georgs-Pfarre angegliederten
Jünglings- und anderen Vereine finden eine schöne Stätte
im Liebfrauenstift.
BÜCHERSCHAU
Theorie des Kirchenbaues vom Standpunkte des
Kirchenmusikers und des Redners, raiteinerGlocken-
kunde in ihrer Beziehung zum Kirchenbau mit 14 Ab-
bildungen und 2 Tabellen. Von Johannes Biehle, Kir-
chenmusikdirektor in Bautzen. (A. Ziemsen Verlag,
Wittenberg, 191 3.)
In dem von Dr. Th. Scheffer herausgegebenen Werke
»Die Bücher der Kirche« ist ein zweiter Band über die
Theorie des Kirchenbaues, Raumbildungen der Orgel-
empore und Aufstellung des Sängerchores, kurz über
die neuesten Anforderungen einer Kirche bezüglich ihrer
Akustik erschienen, welchen der Kirchenmusikdirektor
Johannes Biehle in Bautzen bearbeitet hat. Wenn auch
schon über dieses Thema zahlreiche Abhandlungen in
den verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht wur-
den und mancherlei Mängel daraufhin in letzter Zeit
Beseitigung fanden, so gingen die Anregungen dazu
doch immer von Architekten aus. Es ist nun interessant
und wohl zum ersten Male der Fall, daß ein Kirchen-
musikdirektor die Feder ergriff und auf Grund seiner
langjährigen faclimännischen Erfalirungen den Architek-
ten und Gemeinden, die im Begrifi'e stehen, eine neue
Kirche zu erbauen, zahlreiche Winke und treffliche Rat-
schläge gibt, die er in seiner langjährigen Praxis gesam-
melt hat.
Es ist bekanntlich unmöglich, daß der Techniker bezw.
Architekt von heute den vielverzweigten Anforderungen,
die man an ihn auf allen Gebieten stellt, bis auf Einzel-
heiten gerecht werden kann. Für die vollständige Kennt-
nis der zahlreichen, hier in Betracht kommenden Berufe
reichten ja kaum mehrere Lebensalter aus I Ich erinnere
nur an das große Spezialgebiet der Heizung, Lüftung
usw. Einmal hat der Architekt eine Kirche zu bauen,
das andere Mal ein Theater, später zeitgemäße Stallun-
gen, einen Bahnhof, Schulen usw. Wenn er auch im
großen ganzen — was ja die Hauptsache ist — die ver-
schiedenen Objekte beherrschen muß, so ist es doch
sehr notwendig, auch die Ansichten von Spezialfach-
leuten der diesbezüglichen Gewerbe anzuhören; denn
nur Hand in Hand mit diesen kann etwas Vollkommenes
geschaffen werden.
Schon einer der bekanntesten Kirchenbaumeister, Bau-
rat Gräbner in Dresden, hat bei Errichtung von Kirchen
auf die Notwendigkeit der praktischen Anlage von Sän-
geremporen unter Zugrundelegung der Ratschläge eines
Kirchenmusikers hingewiesen.
Nach der Orgelstärke ist auch die Zahl der zu ver-
wendenden Sänger bezw. Musiker zu berechnen, aber
auch die Orgelstärke und die Sängerempore nach der
Größe und dem Umfange einer Kirche zu bestimmen,
welch' letzteres nicht immer der Fall ist. Denn oft ist
schon nach Fertigstellung eines Gotteshauses bei dem
der Architekt seine Tätigkeit aus Mangel an Geldmitteln
für die innere Einrichtung beenden mußte, nachträglich
eine Orgel aufgestellt worden, die viel zu gewaltig für
die mittlere beziehungsweise kleine Kirche war.
Das vorliegende interessante Buch behandelt nun eine
allgemeine Begründung der baulichen Forderungen einer
Kirche, die Bestimmung der Orgelgröße, des Klangwertes
der Orgel nach Einheiten, dann ihre Beziehungen zu
anderen Klangkörpern und die bauliche Anlage des Chor-
raumes, endhch die Stellung des Spieltisches. Auch der
Beleuchtung wurde gedacht, was eine Notwendigkeit ist.
Weiter behandelt Biehle die Gruppierungsmöglichkeiten
des Altarraumes zu Chor und Orgel und deren Einord-
nung im Grundriß der Kirche. Von weiterem Interesse
sind die Erfahrungen des Autors über die Orgelaufstel-
lung: wenn der Chorraum an der Südseite, die Orgel
an der Westseite liegt und umgekehrt, wenn letztere an
der Südseite aufgestellt wird oder die Orgel mit dem
Altarraum verbunden ist.
Vom confessionellen Standpunkte aus sind die Urteile
manchmal einseitig, im allgemeinen jedoch treffend.' Mit
dem vorgeschlagenen Kirchenbausystem erinnert er uns
an manche protestantischen Kirchen des 18. Jahrhunderts.
Weiter ordnet Biehle geeignete Nebenräume für Kirchen-
musik an. Auch der Raumakustik gedachte er und geht
auf die physikalischen Vorörterungen über, sowie auf
Größe der Grundrißgestahung nach akustischen Gesichts-
punkten, wobei freilich seine Theorie manchmal von
der Wirklichkeit abweicht. Mittel für eine gute Akustik
sind wolil bekannt. Die von Biehle erwähnten Kork-
platten und Korkkörner, welche in Kirchen zur Erzeu-
gung einer guten Akustik zur Anwendung gelangten,
sind erfahrungsgemäß nicht immer zuverlässig, auch ist
oftmals ihre Anbringung viel zu umständlich. Das beste
Material für eine treffliche Schallwirkung ist immer Holz,
was Verfasser des Buches aucli zugibt. Wir haben seiner
Zeit im »Pionier« einen Artikel darüber gebracht. Da nun
die Kirchen immer mehr in Beton und Eisenbeton zur
Ausführung gelangen, ein Material, welches bekanntlich
die schlecliteste Akustik ergibt, so wären vielleicht hier
auch einige Winke darüber am Platze gewesen. Denn
wie ungünstig Musik und Gesang, desgleichen Predigten
BÜCHERSCHAU
in solchen Kirchen mit gewölbten Eisenbetondecken
wirken, ist bekannt.
Zum Schlüsse bringt der Verfasser eine fesselnde Stu-
die über Glockeiikunde in Berücksichtigung ihrer Be-
ziehung zum Kirchen- und Städtebau. Er bespriclit die
Piiysik der Glocke und die Metliodc der akustischen Un-
tersuchung und gibt in Tabellen und Formeln die Er-
gebnisse an, geht dann zum Schluß auf die Bewertung
von Glocken und auf praktische Fragen, über Bronze-
und Gußstahl-Glocken über.
Es ist hochinteressant, über all diese Fragen einen
praktischen Kirchenmusiker, wie Biehle einer ist, zu hören
und wir müssen seine wertvollen Erfihrungen, die er
in seinem ausgezeichneten Werke niederlegte, Anerken-
nung zollen. Jedem Architekten für Kirchenbau, des-
gleichen baulustigen Kirchengemeinden sei daher dieses
Buch bestens empfohlen. Steilen
Wilhelm Finder, Mittelalterliche Plastik
Würzburgs. Würzburg 191 1. Curt Kabitzsch(A. Stubers
Verlag). Preis ungeb. :2M.
Die Kunstgeschichte der Würzburger Zone war, wie teil-
weise auch die anderer Gebiete, lange ein Aschenbrödel ge-
wesen. Außer Rienienschneider kannte man keinen Künst-
ler bezw, keine Epoche näher. Henners Altfränkische
Bilder machten weite Kreise auf den reichen Kunstbesitz
Frankens aufmerksam. Kellers Bahhasar Neumann eröff-
nete dann den Reigen der monographischen Arbeiten.
Einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der unter-
fränkischen Kunstgeschichte bedeutet die vorliegende
Arbeit Pinders über Würzburgs mittelalterliche Plastik.
Für die Geschichte der Würzburger Plastik bildet sie
den Sockelbau. Die Untersuchungen erstrecken sich über
die plastischen Erscheinungen der Würzburger Zone vom
Ende des 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Was
von da ab bis zu den achtziger Jahren folgt, betrachtet
Pinder als Vorbereitung auf Riemenschneider. Pinder be-
ginnt, wie bemerkt, mit dem Ende des 13. Jahrhunderts.
Die Zeit voraus ist nämhch, von dem Grabstein des
Bischofs Gottfried von Spitzenberg (fiigo) und orna-
mentaler Bauplastik abgesehen, in Würzburg nicht ver-
treten. An der großen plastischen Epoche des I3.jalir-
hunderts liatte Würzburg keinen Anteil, wenigstens sind
keine Denkmäler erhalten. Nur das Epitaph des Bischofs
Mangold von Neuenburg (f 1305) bezeichnet einen Nach-
klang der Epoche. Die Untersuchung beginnt also mit
dem Schluß des 15. Jahrhunders. Um diese Zeit ent-
stand die Deutscliordenskirche mit ihrer bisher wenig
bekannten sehr bedeutenden Bauplastik. Groß ist der
Bestand im 14. Jahrhundert, der Mehrzahl nach Grab-
denkmäler. Im 1 5. Jahrhundert kommen dazu die wert-
vollen Portalskulpturen der Marienkapelle.
Mit gewissenhaftester Sorgfalt hat Pinder den gan-
zen Bestand aufgesucht und mit tiefem Verständnis ge-
schichthch und kunstgeschichtlich geordnet. Manche bis-
herige Irrtümer werden dabei korrigiert, die inneren
Zusammenhänge aufgesucht. Den methodischen Apparat
beherrscht der Verfasser vollständig. In Detailfragen
mögen ja abweichende Meinungen gelegentlich mög-
lich sein. Die Beiziehung der Siegel z. B. zur Bestim-
mung der lokalen Entwicklung setzt den Beweis voraus,
daß sie wirklich in Würzburg angefertigt wurden, was
eben nicht sicher ist.
Die Ausstattung des Bandes ist tadellos; 56 Tafeln
mit Autotypien illustrieren die Darstellung. Wir nannten
die Pindersche Monographie den Sockelbau für die Ge-
schichte der Würzburger Plastik. Inzwischen ist bereits
die nachriemenschneidersche Zeit durch L. Bruhns be-
handelt worden. Wir hoffen, daß sich weitere Arbeiten
über die reiche Epoche unter Fürstbischof Julius und
über das nicht minder reiche 18. Jahrhundert anreihen
werden. F. Mader
Schwabing. Briefliche Plaudereien von
Th. Dombart. Mit 92 Abbildungen. 1913 Bayerland-
verlag G. m. b. H. zu München. VIII und 150 Seiten 8".
Brosch. M. 2.50, geb. M. 3.50.
Die Behandlung eines spröden historischen Stoffes
in Briefform ist namentlich in der bayerischen Literatur
keine Seltenheit. Sie war vor loo Jahren sehr beliebt.
Es braucht in diesem Falle nur an von übernbergs
> Reisen durch Bayern < erinnert zu werden. Jetzt taucht,
wie alles im Leben, so auch in der Literatur diese
Art des populärwissenschafthchen Essayisten wieder auf.
Der Historiker wird sich mit ihr nur schwer abfinden.
Bietet sie doch oft dem tatsächlichen Nichtwisser einen
willkommenen Deckmantel fürobeillächliches Geschwätz.
Dieser Vorwurf trifft allerdings auf Dombarts Plaudereien
nicht zu. Mit großer Liebe und bewundernswertem
Fleiß, von dem die am Schlüsse des ^\'erkes angegebene
Fülle der durchgearbeiteten Literatur und Akten zeugt,
trug er zusammen, was er über seinen Heimatsort
finden konnte. Ja einige Kaphel bieten fast des Guten
zu viel, so daß es schwer fällt, sich durch die Unmenge
von Namen durchzulesen, die in erster Linie die Kenner
Scliwabinger Verhältnisse angeht. In den einzelnen
Kapiteln, welche der Geschichte der »Künstlerstadt« von
ihrer Gründung um 500 bis zur Einverleibung Milbeils-
hofens (1913), über das im Jahrgang 1911/12 der
»Christlichen Kunst< gehandelt wurde, nachgehen, finden
sich auch wertvolle Angaben allgemeiner, volk-skund-
licher und kunsthistorischer Art. In letzterer Beziehung
ist namentlich das reiche Abbildungsmaterial interessant.
So bilden die Votivbilder und Bilder aus der alten
Nikolaikirche und das Schidersche Gemälde vom Chi-
nesischen Turm aus der öffentlichen Kunstsammlung
zu Basel für den Künstler und Kunsthistoriker wahre
Kabinettstücke. w. ziis
Eduard von Rodt, Bernische Kirchen. Ein
Beitrag zu ihrer Geschichte. Mit 100 Illustrationen.
Bern, Francke, 1912.
Wohl der beste Kenner der bernischen Kunstgeschichte,
der Architekt Ed. v. Rodt hat die Bundeshauptstadt be-
reits in sechs Bänden behandelt, in denen er je ein
Jahrhundert seiner Heimat kulturhistorisch und kunst-
geschichtlich beleuchtete. Von den bernischen Burgen
wandte er sich nun den Kirchen des Kantons zu. Es
handelt sich im Rodtschen Werke keineswegs um eine
lokale Kunstgeschichte im engen Sinne, sondern um
die geschichtliche Verfolgung der Kirchen des Landes,
in der das kunsthistorische Interesse und die Vorliebe
für Volkskunde deutlich hervortreten. Aus den sagen-
haften Spuren des römischen Christentums in der Schweiz
tritt die Wirksamkeit der irischen Glaubensboten hervor,
mit dem 8. Jahrhundert eröffnen sich die historischen
Quellen und 1050 begegnet uns die erste Klosterstif-
tung in Rüeggisberg. Reiches kirchliches Leben ent-
wickelt sich nun in der Entstehung von Gotteshäusern
und Klöstern, deren Einkünfte ihre besondere Berück-
sichtigung fanden. Damit sind die Grundlagen für einen
kirchengeschichtlichen Rückblick bis zum 16. Jahrhun-
dert gelegt. Man muß bekennen, daß der Nichtkatholik
sich auf dem ihm fremden Gebiete mit ernster Objek-
tivität bewegt. Ein wehmutsvolles Kapitel ist über-
schrieben : Die Reformation und das Schicksal der Gottes-
häuser. Was vom Münster in Bern gesagt wird: »also
wurden in disem grülichen Sturm in der lütkilchen
25 altär und das sacramenthus geschhssen, die götzen
zerschlagen und in des kilchhofs schütte vergraben«,
gilt für das ganze Land. Die Kirchenorganisation nach
der Reformation führt in etwas auffallender Weise zum
Kirchenbau vor derselben, in welchem v. Rodt mit dem
Interesse der Archäologen die Bauten stilkritisch zu
Gruppen ordnet, aber auch den Glasgemälden, selbst
VERMISCHTE NACHRICHTEN
der Ausstellung war Hermanns kleines Bildchen »Gassen-
schenke«: ein in zerstreutem Lichte stehender Raum
mit bläulicher Wandfarbe, darin der Schenktisch, hinten
durch eine olVene Tür Ausblick in das helle Licht des
Gartens, dieses Licht auf dem nassen Boden des Innen-
raumes sich spiegelnd. Etwas konstruiert schien August
Riepers »Freundinnen«, zwei junge Mädchen in Volks-
tracht in einem bäuerlichen Wohnräume vor einem
geöffneten brandroten Schranke. Stille Wirkung tat
P. FelgentretTs »Oberbayerische Bauernstube« mit ihrer
braunen Holztäfelung und dem durch rotverhängte
Fenster eindringenden Lichte. Überaus delikate Farben-
wirkung übte das zartblaue Rokoko-Interieur, welches
FI. Rumpelt im Uphagenhause zu Danzig beobachtete.
Bei dem Bilde »In der blauen Stube« von L. Blume-
Siebert war das zarte Blaugrau der Wand der inter-
essante Gegensatz zu den im übrigen herrschenden
warmen Tönen der Ausstattung und der Personen.
Starkfarbig war eine Bauernstube von Müller -Wischin.
Auch diesmal fesselte die Gruppe der Stilleben-
malerei durch einen Reichtum klar beobachteter und
vorzüghch wiedergegebener Motive. In erster Linie
möchte ich dabei der Werke von August Hermann-
AUgäu gedenken, seiner warmtönigen Mispeln, seines
Wildstillebens, eines anderen mit Nußhähern und der-
gleichen. Marie A\'eger malte ein dunkeltöniges Bild mit
Steinpilzen, G. Thoma-Höfele ein lebhaft farbiges mit
Porzellan und Silber. Stark dekorativ war ein Still-
leben von L. AdamKunz, farbig und technisch inter-
essant »Die blaue Vase« von A. de Bouche. Tüchtige
Blumenstücke waren u. a. von Meyer-Waldeck, Franz
Frankl, Franz Guillery. Miniaturhafte Feinheit besaß
F. Simms »Trödlerin«, deren eigene Gestalt allerdings
innerhalb ihres bunten Krams reichlich ideahsiert er-
schien.
Die rein um ihrer selbst willen behandelte Land-
schaft fand sich in einer verhältnismäßig nur geringen
Zahl von Werken, deren durchweg bedeutende dualität
hervorzuheben ist. In großzügigem Vortrage, cliarakter-
voUeni Kolorit und hellem Lichte behandelte Ludwig
Bolgiano Motive aus dem Chiemgau und aus Traun-
stein. Eine Leistung von feinem Reize war Alb.Wenks
unter saftgrünen Bäumen dahinströmender Gebirgsbach.
Derselbe Künstler brachte auch eine wohl etwas allzu
lichte Studie aus der Partnachklamni. Zwei Föhn-
stimmungen mit prachtvollem Gegensatze grauen Him-
mels und stilltönigen Landes gegen tiefblaue Berge
malte Alb. Stagura. Mit fein graubraunen Tönen und
großer Linie erweckte August Finks »Herbst im Moos«
Erinnerung an die Auffassungen der älteren Münchener
Landschaftsschule. Durch treffliche Schneemalerei zeich-
neten sich ü. a. Werke von H. Klalt, Otto Rau, C
Keßler, Müller-Landeck aus. Eine Brücke in Eichstätt
malte Voß mit feinsilbriger Spiegelung, M. Landschreiber
einen sonnigen Abend am Ammersee und einen Durch-
blick durch herbstliche Bäume auf eine hohe Felswand,
in Maienblüte stehende Bäume M. ünterwalder. Eine
feine Morgenstimmung aus dem Herzogspark mit Bir-
ken und blühenden Disteln bot Jos. Schoverer. An
den Chiemsee führte Joh. Friedr. Engels delikat ge-
raalter Einbaum, H. Kochs fein- poetischer »Kloster-
friede« (Studie von Frauenchiemsee). Zu den ausge-
zeichnetsten Darbietungen der Ausstellung gehörte Josef
Woplhers »Fischfang am Chiemsee«, ein wegen der
lebendigen Schilderung des Vorganges, wie wegen der
Behandlung der Landschaft gleich hervorragendes \\'erk.
Leopold Schönchen malte ein in grauer Stinmiung ge-
hahenes Meeresbild, ferner einen Kutter auf leicht be-
wegtem Wasser mit feiner Zusammenstellung weißer,
grauer und bläulicher Töne, sowie mit schönen Lüften.
Großen Reiz gaben namentlich die letzteren auch einem
mit Bevorzugung von Blau durchgeführten Hochsee-
bilde desselben Meisters. Kraftvoll war ein Meer bei
aufziehendem Gewitter von Alf. Bachmann.
Von Graphiken gab es sehr wenig. P. Götz-
Rächnitz behandelte in zwei Holzschnitten mit alle-
gorischer Auffassung das Thema »Das Kriegsziel«. Paul
Geißler zeigte mehrere von jenen feinen, selbst gedruck-
ten Radierungen, zu welchen ihm Architekturgruppen
aus unseren alten deutschen Städten die dankbaren
Motive liefern.
Unter den Plastiken zeichnete sich Alois Stehles
lebensgroße Marmorbüste des Fürsten von HohenzoUern
ebenso sehr durch die Pracht ihres Materials wie durch
ihre trotz des etwas pathetischen Vortrages überzeugende
Lebensechtheit aus. Innerlich empl'unden und anmutig
war die bronzene Statuette eines Landmädchens, wel-
ches betend dasteht, von Emil Maniquet. Treulich
beobachtete Dackln hatte Emil Wünsche in Bronze
dargestellt. Adolf Daumiller zeigte eine Anzahl von
Medaillen mit Bildnissen, Allegorien und dergleichen, Ar-
beiten, die trotz ihrer Kleinheit durch die Kraft ihres
Vortrages bedeutend wirkten. Porträtplaketten, sowie
umfängliche Medaillen in Eisen und Bronze, die bei
großzügiger Stilisierung doch voller Leben waren,
brachte Eduard Beyrer als Bestandteil einer etwas größe-
ren Auswahl seiner Plastiken. Endlich sei eines von
Richard Aigner ausgestellten, in Gips geformten Knaben-
kopfes gedacht, der sich durch trefThche Schilderung
eines in dem Gesichte sich aussprechenden kindlichen
Eigensinnes auszeichnete. Dr. i£. Hei.icf.'i:cr
VERMISCHTE NACHRICHTEN
M. von Feuersteins Kriegsgedächtnisblatt.
Am Schlüsse des Aufsatzes über Martin von Feuerstein
(im ersten Hefte des neuen [ahrganges der „Christlichen
Kunst") wurde kurz auf ein von diesem Meister ge-
schafienes Erinnerungsblatt hingewiesen, welches im
Verlage der Gesellschaft für christliche Kunst erscheinen
würde. Das Werk hat die Bestimmung, dem Ehren-
gedächtnisse gefallener, wie auch am Leben gebliebener
sowohl deutscher, wie österreichischer Kriegsteilnehmer
zu dienen. Das Erinnerungsblatt liegt nunmehr vor und
zwar in zwei verschieden großen Ausg.tben (52 : 23
bezw. 42 : 30,5 cmi. Man sieht in der Mitte eine hoch-
rechteckige, am Fuße derselben eine schmälere quer-
laufende graue Fläche, für die Erinnerungsinschritten.
Die erstere zeigt außerdem einen Spruch oder Vers;
mehrere alte und neue Fassungen sind dafür gewählt
worden, so daß jeder Erwerber eines solchen Blattes
iinden dürfte, was ihm zusagt. — Während die untere
leere Inschriftiläche nur einfach eingelaßt ist, prangt die
obere in herrlichem Schmucke. Ein breiter, in edeln
schlichten Linien gehaltener Rahmen umgibt sie. Er ist
mit Blumen- und l'ruclitgirlanden geziert, zwischen ihnen
hängen Täfelchen mit den |ahreszahlen 1914 und 1915,
zwei leer gebliebene Täfelchen können noch weitere
Jahreszahlen aufnehmen. Links oben hängen über-
einander die Wappen Deutschlands und t)sterreich-
Ungarns. Dieser Rahmen bildet eine plortenartige Ar-
chitektur. Von der Unterkante der großen Inschrilt-
lläche senken sich zwei breite Stufen nach vorn ; auf
diesen ist eine der schönsten Figurengruppen angeordnet,
welche Feuerstein geschafTen hat — sie gehört zu den
prachtvollen Eingebungen, welche dem Geiste des Künst-
lers durch die gewaltigen Eindrücke und ]->regungen
dieser Kriegszeit zu teil geworden sind. Beieinander
erblickt man die vier großen Schutzpatrone des Kricger-
•standes. Ganz vorn links steht St. Mauritius als römischer
Legionssoldat; er hält die Hände um die Stange des
Adlerfeldzeichens gelaltet und blickt betend empor.
Hinter ilim steht ein deutsches Feldgeschütz, zu seinen
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Füßen liegt neben modernen Waffen und Aiisrüstungs-
gegenständen eine schwarz-weilS-rote 1-alnie. Hinter dem
Geschütze ragt auf prachtvollem schwarjem Rosse die
ritterliche Gestalt des hl. Georg in blinkender Stahl-
rüstung ohne Helm. Neben dem Geschütze rechts kniet
die gekrönte St. Barbara; sie halt einen Palmzweig in
der Hand und schaut betend mit begeistertem Ausdrucke
gen Himmel. Hinzein steht auf der rechten Seite der
hl. Erzengel Michael. Seine Rechte stützt sich auf den
mächtigen Flamberg, die Linke schwingt einen goldenen
Schild aufwärts, auf dem die Worte Deo et patriae ge-
schrieben stehen. Die Anordnung der Figuren ist voll
Ruhe und Erhabenheit. Ausdrucks- und bedeutungsvoll
sind die Gesichter. Vergeistigt erscheinen auch die
Farben, und doch sind sie voller Leben und größter
Mannigfaltigkeit. Bewunderungswürdig ist die \'er-
quickung der rein phanta.stischen Elemente mit antiken,
mittelalterlichen und modernen, des überirdischen Idealis-
mus mit dem Realismus, der höchsten Poesie mit der
Wirklichkeit. Das schöne Erinnerungsblatt darf als eine
der bedeutendsten Erscheinungen seiner Art begrüßt
werden.
Erzherzog- Friedrich - Medaille von dem
akademischen Bildhauer und Medailleur
F^duard Hartig in Wien. Zugunsten der ofl'iziellen
Kriegsfürsorge hat der auf dem Gebiete der Medaillen-
kunde bestbekannte Wiener Künstler eine Gedenk-
medaille mit dem Bildnis des Oberkommandierenden
der österreichisch-ungarischen Armee geschaffen. Das
in Bronze hergestellte Werk zeigt die Züge des so
rasch populär gewordenen Erzherzogs in überaus
lebendiger und charakteristischer Ausführung. Die Rück-
seite ziert die Gestalt der Pallas Athene als Kriegsgöttin,
die sich mit der Linken auf eine Ehrentafel mit den
Namen der siegreichen V'oifahren des Feldmarschalls,
der Erzherzöge Karl und Albrecht, stützt. Die Tafel
selbst ist mit einem aus Lorheer gewundenen Sieges-
kranze geschmückt. In der Rechten hält die Kriegs-
göttin Speer und Schild. Die Umschrift lautet: «Dem
Oberkommandierenden unserer siegreichen Armeen.<
K.
Vivatbänder und eiserne Medaillen. Die
Sitte, das Andenken an die Ereignisse eines Krieges,
an siegreiche Schlachten und Heerführer durch bunte,
nach künstlerischen Entwürfen liergestellte Seidenbänder,
sogenannte Vivatbänder zu ehren, hat sich nun auch
in Osterreich, speziell in Wien mit großem Erfolge ein-
gebürgert. Schon im Siebenjährigen Kriege, in den Kriegen
Friedrichs des Großen und der Kaiserin Maria Theresia
waren solche Vivatbänder im Verkehr und dem gegen-
wärtigen gemeinsamen Waffengang der deutschen und
österreichischen Armee war es vorbehalten, diesen
schönen Brauch neu erstehen zu sehen. Die künst-
lerischen Entwürfe stammen von hervorragenden öster-
reichischen Malern, wie Otto Friedrich, Professor
Rudolf Jett mar, Max Liebenwein, Dachauer,
Offner und anderen. Einige der schönsten Vivat-
bänder sind: tVivat die Bundes treue», «Vivat
die Bezwinger von Warschau und Iwangorod»,
das «Deutschmeisterband», die Bänder für «Erz-
herzog Friedrich», «Conrad von Hötzendorf>,
die Bänder zu Ehren der «Helden von Tirol».
Eine zweite künstlerische Aktion zugunsten der Kriegs-
fürsorge bildet die Einführung von Kriegserinnerungs-
Medaillen aus Eisen und Zink an Stelle der für
Militärzwecke benötigten Bronze. Diese Medaillen
sind dazu bestimmt; ein dauerndes Zeichen der Er-
innerung an unsere große eiserne Zeit zu bilden, ähn-
Uch jenem eisernen Schmuck und den eisernen Me-
daillen, wie sie aus gleichen Beweggründen vor hun-
dert Jahren zur Zeit der Freiheitskriege geschaffen
wurden und die heute bei Sammlern und Kunstfreunden
sich größter Wertschätzung erfreuen. Die Entwürfe
stammen sämtlich von bekannten österreichischen Bilii-
hauern. .Ms die drei ersten Medaillen sind zu nennen :
«Die Kaiserhuldigungs-Medaille» zur Erinnerung
an den i8. August 191 5 von Bildhauer Hejde, die
«U-Boot-Medaille» von H. Zite, eine durch ihre
originelle Komposition sehr interessante Schöpfung,
und die zur .Anerkennung der Leistungen unserer Ar-
tillerie hergestellte «50,5-Zentimeter - Mörser • Me-
daille», eine prächtige Gabe Meister Hans Schwa-
thes. .Alles in allem sind die Wiener Künstler bestrebt,
ihr Teil dazu beizutragen, das Los der vom Kriege
Betroffenen nach Kräften zu mildern, möge aber auch
die Allgemeinheit ihr Bestes tun, den von den Begleit-
erscheinungen der gegenwärtigen großen aber schweren
Zeit hart bedrängten Künstlern gleiches mit gleichem
zu vergelten. u.
Zum Wiederaufbau Ostpreußens. Für die
Wiederaufbauung der Stadt und des Kreises Orteisburg
hat bekanntlich die Stadt BerHn die Patenstelle über-
nommen und sind die Schäden wiederliolt von Ver-
tretern Berlins besichtigt worden. Die große katholische
Pfarrkirche zu Orteisburg, welche besonders stark ge-
litten hat, soll, um einen würdigen Gottesdienst nicht
zu stören, schon jetzt wieder hergestellt werden. Die
wertvollen alten Glasfenster müssen vor allem zum Teil
ganz neu angefertigt werden, zum Teil restauriert bezw.
ergänzt werden. Eigenartig ist, daß ein großer Teil
der Fenster weniger durch Kanonenkugeln, als durch
den Brand des danebenstehenden, jetzt vollständig ab-
gebrannten Pfarrhauses in Mitleidenschaft gezogen wur-
den. Die verbindenden Bleisprossen sind durch die
Glut direkt zu Klumpen geschmolzen. Mit der kunst-
vollen Herstellung der zerstörten Kirchenfenster hat
man nunmehr den Kunstglasmaler C. Busch, Berlin-
Südende betraut.
Kaspar R. von Zumbuschf- In Rimsting in
Bayern ist in der Nacht des 27. September einer von
den Großen gestorben, einer, dessen ganzes Lehen nur
Arbeit bedeutete, Arbeit allerdings, die auch von einem
nur selten erreichten glänzenden Erfolg begleitet und
gekrönt war. Kaspar Ritter von Zumbusch, wir
Wiener dürfen ihn als einen der unsrigen bezeichnen,
war volle vierzig Jahre hindurch der sozusagen offizielle
Plastiker, dem, last mühelos die ehrenvollsten und
lohnendsten öffentlichen Aufträge zufielen. Zumbusch
war am 23. November 1850 in Herzebrock in Westfalen
geboren und studierte in München unter Professor Halbig.
Nachdem er seine Studien in Rom beendet hatte, kehrte
er nach München zurück, wo er zuerst durch seinen
Sieg in der Konkurrenz um das König Ma:-;-Denkm al
bekannt wurde. Das Modell dieses Denkmals, das auf
der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 großes Auf-
sehen erregte, war die unmittelbare Anregung zu einer
Berufung des Künstlers nach Wien als Lehrer an die
.Akademie der bildenden Künste, wo die Bildhauerschule
zeitweise verwaist war. Hans Gasser war tot, Tilgner,
Hellmer, unsere nachmaligen großen Meister, erst im
Werden. Zumbusch kam mit dem größten Auftrag nach
Wien, der seit Jahrzehnten bei uns vergeben worden
war, mit dem für das Maria Theresien-Denkmal.
In welch hervorragender Weise er seiner künstlerischen
Aufgabe gerecht wurde, ist jedem Wiener bekannt.
Außer dem Maria Theresia Denkmal schuf Zumbusch
für Wien noch das herrUche Beethoven-Denkmal,
die beiden Reiterstandbilder Radetzkys und des
Erzherzogs Albrecht, die Kolossalstatue Kaiser
Franz Josefs in der Universität, das große
Relief mit dem Reiterbild des Kaisers am
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Wiener Rathausturm, sowie überaus zahlreiche
Büsten und Grabdenkmäler.
Während seiner Wirksamkeit in Wien erhielt der
Künstler auch ehrenvolle, große Aufträge aus Deutsch-
land, so wurde ihm die Ausführung der Kolossal-
Statue Kaiser Wilhelms I. auf dem Wittekind-
berge übertragen. Eine seiner schönsten Büsten ist
die des jugendlichen Königs Lud wi g II., für den
er später noch sechs Marmorstatuetten, die Helden -
gestaltenderOpernRic ha rd Wagners darstellend,
ausgeführt hat, die sich im Schloli Linderhof be-
finden. Als weitere hervorragende Schöpfungen des
berülimten Meisters gelten noch: die Mariensäule
in Paderborn, die Statue des Grafen Rumford
in München, das Siegesdenkmal in Augsburg
sowie eine ganze Reihe von Statuen und Fi-
gurenschmuck für eine große Anzahl katho-
lischer Kirchen. Zumbusch erreichte ein Alter von
fast 85 Jahren und hinterläßt einen Sohn, den Maler
Ludwig von Zumbusch in München, der auch in Wien
kein Fremder mehr ist. Richard Ricdi
Der „Christliche Kunstverein des Erzbistums
Köln" veröffentlicht soeben seinen ständigen Jahres-
bericht für 1914 im üblichen anziehenden Gewände.
Diese mit Recht anerkannte und beliebte [ahresüber-
sicht stellt fest, daß der Ernst der langdauernden
Kriegszeit auf manchen Gebieten Rückkehr zum Ein-
fachen, Gesunden und Natürlichen anbahnt und das
unsere deutsche Eigenart verunstaltende Fremdländische
wegfegt. Daran anknüpfend, nimmt sie gegen das neu-
zeitliche Bestreben, unser Kunstleben vom heimischen
Nährboden loszureißen, Stellung, verurteilt das selbst-
zufriedene Beharren beim einmal Erreichten sowie das
fieberhafte Voranpeitschen zu ganz neuen Kunstformen
und verficht ruhige, besonnene Weiterentwicklung im
Anschluß an die echt künstlerisch durchgebildete Kunst-
sprache unserer Vorfahren, aber unter verständnisvoller
Berücksichtigung der berechtigten Erfordernisse der
Gegenwart. Der Bericht bringt zum 100 jährigen Ge-
burtstage des Mitbegründers des Vereines, Dr. jur. Chri-
stian Hermann Vosen (geboren zu Köln 9. Juli 1815),
dessen ausführliche Lebensbeschreibung nebst einem
sprechenden Bildnis des hochverdienten Mannes. Aus
den Neuerwerbungen des mit dem Verein verbun-
denen ErzbischölHchen Diözesanmuseums sind erwähnens-
wert: die Denkmünze des Marschalls des Konklave für
die Papstwahl 19 14; ein aus dem Nachlasse des Kar-
dinalerzbischofs von Köln Dr. Philippus Krementz her-
rührendes Gemälde altdeutscher Schule von ca. isoo:
die heiligen Fabian und Sebastian ; eine Bingener Gold-
münze des Mainzer Erzbischofs Johannes II. (1597 — 1419).
Aus dem Schatze der mittelalterlichen Holzgebilde des
Diözesanmuseums wird eine aus dem 14. Jahrhundert
stammende Sitzfigur des heiligen Nikolaus, bemerkens-
wert durch die Miniaturmalereien des Sockels, in Wort
und Bild vorgeführt, desgleichen ein Schmerzensmann
aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Den Entwurf einer
Kriegergedenkkapelle für die Gemeinde Niederzier von
Diözesanbaumeistcr Heinrich Renard vergegenwärtigt
eine gute Wiedergabe. Die ständige Ausstellung
neuer Kunstwerke im Kölner Diözesanmuseum bestand
das ganze Kriegsjahr fort, von 25 Künstlern beschickt
und in der Tagespresse regelmäßig anerkennend ge-
würdigt. Der Verein zählt jetzt 1 179 Mitglieder gegen
1174 im Vorjahre und besitzt außer dem Museums-
gebäude und den Sammlungen ein Vermögen von
15 1 15 Mark. 11.
In unserem Bericht über die Ausstellung der Ber-
liner Akademie der Künste, Frühjahr 1915 (XI/io),
war eine „Madonna" von W. H AVER KAMP er-
wähnt, mit einer- Andeutung des Bedauerns, daß das
Werk nur erst in unedlem Material und geringer Größe
vorlag. Nachträglich wurde uns bekannt, daß es bereits
in der neuen katholischen Marienkirche zu Berlin-
Friedenau (Laubacherstraße) einen Platz auf einem Seiten-
altar gefunden hat, und zwar in großer polychromer
Ausführung. Der Gesamteindruck bestätigt und erhöht
noch die liebliche Wirkung, welche das Werk in der
unfarbigen kleinen Gestalt ausgeübt hat. Die bunte
Färbung ist von einer bei Polvchromien so seltenen
\'orsicht und Zartheit, wenn auch, etwa auf den Hän-
den der Mutter, das dabei wohl Schwierigste, das In-
karnat, nicht überall mit so voller Warme gelungen ist,
daß der Eindruck des „Wächsernen" gänzlich über-
wunden scheint, jedenfalls empfielilt sich für jeden
Kunstfreund ein Besuch dieser gut stimmungsvollen
Liebfrauendarstellung und der sie beherbergenden Kirche,
die — mit neuromanischen Formen — auch archi-
tektonisch durch Grundriß und Auiliau Beachtung ver-
dient. H. Sjhm.
Adolf Oberländer beging am i. Oktober seinen
70. Geburtstag. Der Künstler ist jedermann aus den
Fliegenden Blättern vertraut.
Joseph Wenglein, der ausgezeichnete Münchener
Landschaftsmaler, feierte seinen 70. Geburtstag am
5. Oktober.
Fünf Gedenkblätter für Gefallene aus einem
Preisausschreiben des Dürerbundes sind im Verlag von
Georg D. W. Callwey (München) erschienen. Das Bild
von K. Lipus stellt drei Feldgraue beim Abschied vom
Grabe eines Kameraden in schlichter Weise und wahrer
Empfindung dar. Bruno Bielefeld! stellt ein mit dem
Holzkreuz gesclmiücktes Kriegergrab vor eine von den
Strahlen der Sonne übergossene Ideallandschaft, die
>verklärte« Heimat. Unter dem Titel »Durch Todesnacht
bricht ew'ges Morgenrott zeigt R. Budzinski einen
tot hingestreckten Krieger, dessen Kopf ausdrucksvoll
durchgezeichnet ist, während vom Körper (bis gegen
die Mitte) und der über ihm gesenkten Fahne nur fluch-
tige Andeutungen gegeben sind; ein Lichtstrora über-
flutet das Antlitz des Entschlafenen. Das primitive Bild
von Berta Schmitz »Einer für alle — alle für einen«
ist symbolisch : über den dunklen Erdboden hin, auf
dem sich ein schlichtes Kreuz erhebt, lodert ein Flam-
menbündel zum düsteren Himmel empor. Betende Lan-
zenträger knien unter dem Sternenhimmel in gebirgiger
Gegend auf dem farbigen Steindruck (die andern Blätter
sind schwarz-weiß) von Hugo Grimm. Aus dem
Gesagten geht hervor, daß die fünf schön ausgeführten
Bilder einer allgemein menschlichen Würde und Weihe
nicht entbehren. l?ei dreien bildet das Kreuz den geistigen
Mittelpunkt; die Darstellung von Rudoph Lipus wird der
katholischen Empfindungsweise am besten gerecht.
DER PIONIER
Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunst-
fragen und kirchliches Kunsthandwerk. — VIII. Jahr-
gang, I. Heft, Oktober 191 5. — Verlag der Gesellschaft
lür christliche Kunst, GmbH, München, Karlstr. 6. —
Der vollständige Jahrgang M ?. — (portofrei M 3.60).
Aus dem Inhalt des i. Heftes: Die Himmelfahrt Ma-
rieiis von Tizian in Venedig. — Aus der Werkstätte des
Goldschmieds. Edelsteine. — Mitteilungen und Anre-
gungen. — 8 Abbildungen.
Druckfehler. In der letzten Nummer, S. 32,
rechte Spalte lies in Zeile 19: Lauretanische (statt: Lau-
rentanische), ferner in Zeile 36: Gehalt (statt: Gestalt).
BEILAGE
BERLINER SECESSION HERBST 191 5
BERLINER SECESSION HERBST 191 5
Von Dr. Hans Schmidkunz (BerlinHalensee)
V/tan wird allmählich älter und behäbiger, kauft sich
ein Häuschen und sieht gern Gäste — aber beileibe
keine ungeberdigen — bei sich. So hat sich jetzt die
alte, die Slamm-Secession nahe ihrem früheren Heim
den Gartentrakt eines Berliner Mietshauses gebaut, mit
einem für Plastikzicr geeigneten Gärtchen, alles klein,
aber mit der Absicht mehrerer Ausstellungen im Jahr
und auch einer sonstigen Hergabe der Räume für künst-
lerisches Leben mehrfacher Art.
Die erste eigene, in der Gesamtzählung 27. Ausstellung
fand hier vom Oktober bis Dezember 191 5 statt. Retro-
spektiv war sie in doppeltem Sinn : einerseits wieder durch
eine Zusammenstellung alter Meister, andererseits durch
das Ueberwiegen eines mit der Zeit von selbst kom-
menden konservativen Zuges, sowie durch das Fehlen
einer Schicht neuester Opposition, das ja schon durch
das Zurücktreten des Auslandes erklärlicher wird. Man
hatte das Gefühl, die Ergebnisse der gesamten Secessions-
arbeit wie ein abgesclilossenes Kapitel der Kunstgeschichte
überblicken zu können.
Die eigentlich retrospektive Abteilung brachte vor
allem neben Bildnissen von W. Leibl eine Ergänzung
seines »Kreises« durch Franz Schider: dessen »Dame
mit Kind« ist alte Kunst im guten Sinne des Wortes;
wenn aber dessen »Weihnachten bei Leibl« als eine
Parodie oder Karikatur oder wenigstens Entwurfsskizze
vorgeführt wäre, so würde man es wohl gerne so hin-
nehmen. Die mehreren Bilder von Ad. Menzel sind
bei dem hier mit ihm getriebenen Kult keine Ausgrabung,
erfreuen jedoch immer wieder durch scharfen Situations-
ausdruck, beispielsweise in der Darstellung von Mini-
stranten, die sich an einem Altare zu schaffen machen,
oder in der des Arztes mit seiner ängstlichen Patientin.
Aus H. V. Maries spricht weniger als aus A. Feuer-
bachs »Mädchen mit totem Vogel« und seiner »Grab-
legung Alarichs I.«, die der Künstler wohl nur als Skizze
betrachtet hat, während sie von einem Heutigen voraus-
sichtlich als fertiges Reduktionswerk ausgegeben werden
würde.
Auch in der Gegenwarts-Abteilung muten einige wie
retrospektiv und hiemit als historisch gesichert an. Was aber
A. A. Oberländer dem bäuerlichen Leben abgewinnt,
mutet zugleich als frischeste Jugend an- Neben einem
echten rechten Sommergemälde H. Thomas stehen
zwei Bilder von C. Strathmann, die diesen vordem
vielleicht verblüffendsten Secessionisten als einen Meister
lieblicher und subtiler Durcharbeitung der Pflanzennatur
zeigen: sein »Frühling« von 191 5 und seine »Vase mit
Feldblumen« könnenden radikalsten wie den traditionell-
sten Geschmack befriedigen. Und wenn man L. Ury
bereits für ein Inventarstück aus den Anfängen der
Moderne halten konnte, so mag man es vielleicht vor
dem verschwimmenden Gelb und Grün seiner Gemälde
»Holländische Mühlen« und »Bei Rotterdam« bestätigt
finden; allein seine »Sintflut« (von 1906) dringt darüber
zu einer neuen Monumentalkraft vor.
In der Bildnismalerei hebt sich neben der Benützung
des Porträts für Formeneigensinn eine Kunst sowohl
der sorgfältigeren Durcharbeitung wie auch der seelischen
Vertiefung heraus. In ersterer Hinsicht fällt H. Reiffer-
scheids Bildnis einer an einem Spiegeltisch sitzenden
Dame auf — man möchte meinen, ein neues Verfaliren
farbiger Graphik vor sich zu haben. In letzteier Hinsicht
ragen L. v. Königs Bildnisse mit ihrer fahlen (besonders
für das »einer gelähmten Dame« passenden) Farbe hervor;
und das frischflotte »Herrenporträt« J. Oppenheimers
wird durch ein ähnhch anmutendes Stilleben desselben,
»Feuerlihen«, ergänzt.
Vielleicht darf man als das Hauptergebnis der ganzen
Sezessionsgeschichte eine Kunst der markant charakteri-
stischen Vereinfachung bezeichnen. Nicht nur das Ganze
wird auf wenige Formelemente zurückgeführt, wie z. B.
in W. Röhrichts »Damenporträt« ; auch reichliche
Einzelheiten werden auf Einfachstes und auf so Gleich-
artiges reduziert, daß dann die Gesamtwirkung, wie
wenig reizvoll sie auch sonst sein mag, doch gut »zu-
sammengeht«. Dies gilt besonders von F. Heckendorfs
»Berliner Vorortlandschaft« und noch mehr von seinem
vielleicht berühmt werdenden Kriegsbild »Notbrücke.
Uebergang über die Angerapp«. Auch auf die über
B. Beckers »Günzburg« liegende einheitliche Blässe
darf hingewiesen werden.
Das Markante wird hier allerdings manchmal bis zur
Unerquicklichkeit derb naturalistisch. Nicht immer ver-
söhnt damit eine Kraft der Charakterisierung, am ehesten
noch in den Gemälden des jetzigen Vorsitzenden
L. Corinth. Neben Stilleben, für die jedoch seine Kunst
wahrlich nicht still genug ist, bringt er ein gut sprechendes
Doppelporträt zweier Sezessionisten und als ein Haupt-
stück der Ausstellung sein »Weib Potiphars«. Auch hier
würde man wohl noch befriedigter sein, wenn man
diese Gegenüberstellung des üppigen Frauenaktes und des
mönchsartigen Joseph eher als eine burleske Kapuzinade
betrachten dürfte. Verwunderlicher aber ist, daß Frau
Corinth (C. Berend) ihrem weniger kraftmeinernden
Geschmack doch einen solchen gräßlichen »Menschen-
salat« abgewinnen konnte, wie es ihre »Steinigung« ist.
Wieder erträglicher wirkt die Schärfe einer markanten
Naturalistik in H. Krayns »Großstadt« ; käme noch
mehr Innigkeit dazu, so könnte man beinahe an den
Belgier E. Laermans denken.
An ruhigerer, leiserer, anmutigerer, intimerer Kunst
fehlt es nun auch nicht. Selbst T. T. Heine — »Eine
Brücke bei München« — wird zart und fein. Dem stillen
Leid des »Polnischen Flüchtlings« von H. Struck ist
im Grunde verwandt die anspruchslose Freude, die
M. A. Stremel mit seiner »Walfischgasse in Ulm im
Siegesschmuck« (mitten rückwärts der Münsterturm)
kündet. Auch Landschaften erfreuen in ähnlicher Weise;
so die Frühhngs- und Sommerlyriken von P. Franck;
so E. Bischolf-Culms »Abend am Kurischen Haff«
(eine rechte Freiluft). Und der frühverstorbene Kölner
E. Altmann prägte in seinem »Spaziergang« eindrucks-
voll die Einfügung eines Wanderers in eine Wind- und
Wetter-Landschaft aus.
Spezifische Darstellungstechniken stehen reichlich zur
Auswahl da. Mit Flecken wird nach wie vor gespielt —
in V. Friedemanns »Felsiger Insel« oder in einem
Offiziersporträt E. Spiros; E. Kuithan aber kann doch
Wertvolleres leisten als seine »Sonne«. Anderswo wer-
den die Flecken wieder mal zu Nudeln — in H. Gersons
»Flucht« und »Der Morgen« (Arbeitergang zur Fabrik);
dann steigert sich der Nudelstil zu einem Holzscheitstil
— in M. Caspar-Filsers »Vorstadtgärtnerei«. Was
in der Ateliersprache »Schmiß« heißt, fehlt am wenig-
sten und wird dort am interessantesten, wo es im klei-
nen zur Geltung kommt; aus solchen Elementen setzen
sich etwa P.Bachs »Großstadt« und O.Erichs »Turm-
bau« (in einer Gegend von Laubenkolonien) zusammen,
und das einheitliclie Lila des >Ziegen«-Bildes von A. E.
Herstein ist das zartere Resultat einer heftigeren Tech-
nik. Eine flockigere Flottheit und Zartheit, klar in den
Gesichts- und wirrer in anderen Partien, fast eine Ver-
bindung von Rokoko und Radikalismus, liegt in R. F. K.
Scholtz' »Bildnis einer jungen Dame«. Wer das Inein-
anderweben von Lokal- und Reflexfarben studieren will,
dem hilft wohl W.Jordans blaugrüne »Rast im Walde«.
Und die gelbgrünen Flächen mit weißer Mitte aus
M. Melzers früherer Großgraphik finden sich wieder
in »Schwere Artillerie in Przemysl«.
Graphik selbst fehlt diesmal um so eher, als ihr bald
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Wiener Rat hausturm, sowie überaus zahlreiche
Büsten und Grabdenkmäler.
Während seiner Wirksamkeit in Wien erhieh der
Künstler auch ehrenvolle, große Aufträge aus Deutsch-
land, so wurde ihm die Ausführung der Kolossal-
Statue Kaiser Wilhelms I. auf dem Wittekind-
berge überiragen. Eine seiner schönsten Büsten ist
die des jugendlichen Königs Ludwig II., für den
er später noch sechs Marmorstatuetten, die Helden-
gestalten der Opern Richard Wagners darstellend,
ausgeführt hat, die sich im Schloß Linderhof be-
linden. Als weitere hervorragende Schöpfungen des
berühmten Meisters gelten noch: die Mariensäule
in Paderborn, die Statue des Grafen Rumford
in München, das Siegesdenkmal in Augsburg
sowie eine ganze Reihe von Statuen und Fi-
gurenschmuck für eine große Anzahl katho-
lischer Kirchen. Zumbusch erreichte ein Alter von
fast 85 Jahren und hinterläßt einen Sohn, den Maler
Ludwig von Zumbusch in München, der auch in Wien
kein Fremder mehr ist. Richard Riedi
Der „Christliche Kunstverein des Erzbistums
Köln" veröffentlicht soeben seinen ständigen Jahres-
bericht für 1914 im üblichen anziehenden Gewände.
Diese mit Recht anerkannte und beliebte Jahresüber-
sicht stellt fest, daß der Ernst der langdauemden
Kriegszeit auf manchen Gebieten Rückkehr zum Ein-
fachen, Gesunden und Natürlichen anbahnt und das
unsere deutsche Eigenart verunstaltende Fremdländische
wegfegt. Daran anknüpfend, nimmt sie gegen das neu-
zeitliche Bestreben, unser Kunstleben vom heimischen
Nährboden loszureißen, Stellung, verurteilt das selbst-
zufriedene Beharren beim einmal Erreichten sowie das
fieberhafte Voranpeiischen zu ganz neuen Kunstformen
und verficht ruhige, besonnene Weiterentwicklung im
Anschluß an die echt künstlerisch durchgebildete Kunst-
sprache unserer Vorfahren, aber unter verständnisvoller
Berücksichtigung der berechtigten Erfordernisse der
Gegenwart. Der Bericht bringt zum 1 00 jährigen Ge-
burtstage des Mitbegründers des Vereines, Dr. jur. Chri-
stian Hermann Vosen (geboren zu Köln 9. Juli 1815),
dessen ausführliche Lebensbeschreibung nebst einem
sprechenden Bildnis des hochverdienten Mannes. Aus
den Neuerwerbungen des mit dem Verein verbun-
denen Erzbischöllichen Diözesanmuseums sind erwähnens-
wert: die Denkmünze des Marschalls des Konklave für
die Papstwahl 1914; ein aus dem Nachlasse des Kar-
dinalerzbischofs von Köln Dr. Philippus Krementz her-
rührendes Gemälde altdeutscher Schule von ca. 1500:
die heiligen Fabian und Sebastian ; eine Bingener Gold-
münze des Mainzer Erzbischofs Johannes II. (1397 — 1419).
Aus dem Schatze der mittelalterlichen Holzgebilde des
Diözesanmuseums wird eine aus dem 14. Jahrhundert
stammende Sitzfigur des heiligen Nikolaus, bemerkens-
wert durch die Miniaturmalereien des Sockels, in Wort
und Bild vorgeführt, desgleichen ein Schmerzensmann
aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Den Entwurf einer
Kriegergedenkkapelle für die Gemeinde Niederzier von
Diözesanbaumeister Heinrich Renard vergegenwärtigt
eine gute Wiedergabe. Die ständige Ausstellung
neuer Kunstwerke im Kölner Diözesanmuseum bestand
das ganze Kriegsjahr fort, von 2? Künstlern beschickt
und in der Tagespresse regelmäßig anerkennend ge-
würdigt. Der Verein zählt jetzt 1 179 Mitglieder gegen
1174 im Vorjahre und besitzt außer dem Museums-
gebäude und den Sammlungen ein \'ermügen von
15115 Mark. 11.
In unserem Bericht über die Ausstellung der Ber-
liner Akademie der Künste, Frühjahr 1915 (XI 10),
war eine „Madonna" von W. HA\'ERK.\.\IP er-
wähnt, mit einer- Andeutung des Bedauerns, daß das
Werk nur erst in unedlem .Material und geringer Größe
vorlag. Nachträglich wurde uns bekannt, daß es bereits
in der neuen katholischen Marienkirclie zu Berlin-
Friedenau (Laubacherstraße) einen Platz auf einem Seiten-
altar gelunden hat, und zwar in großer polvchromer
.Ausführung. Der Gesamteindruck bestätigt und erhöht
noch die liebliche Wirkung, welche das Werk in der
unfarbigen kleinen Gestalt ausgeübt hat. Die bunte
Färbung ist von einer bei Polvchromien so seltenen
\'orsicht und Zartheit, wenn auch, etwa auf den Hän-
den der Mutter, das dabei wohl Schwierigste, das In-
karnat, nicht überall mit so voller Wärme gelungen ist,
daß der Eindruck des „Wächsernen" gänzlich über-
wunden scheint, ledenfalls empfiehlt sich für jeden
Kunstfreund ein Besuch dieser gut stimmungsvollen
Liebfrauendarstellung und der sie beherbergenden Kirche,
die — mit neuromanischen Formen — auch archi-
tektonisch durch Grundriß und Aufbau Beachtung ver-
dient. H. S;hm.
Adolf Oberländer beging am i. Oktober seinen
70. Geburtstag. Der Künstler ist jedermann aus den
Fliegenden Blättern vertraut.
Joseph W englein, der ausgezeichnete Münchener
Landschaftsmaler, feierte seinen 70. Geburtstag am
5. Oktober.
Fünf Gedenkblätter für Gefallene aus einem
Preisausschreiben des Dürerbundes sind im Verlag von
Georg D. W. Callwey (München) erschienen. Das Bild
von R. Lipus stellt drei Feldgraue beim Abschied vom
Grabe eines K.tmeraden in schlichter Weise und wahrer
Empfindung dar. Bruno Biele fei dt stellt ein mit dem
Holzkreuz geschmücktes Kriegergrab vor eine von den
Strahlen der Sonne übergossene Ideallandschaft, die
»verklärte« Heimat. Unter dem Titel »Durch Todesnacht
bricht ew'ges Morgenrot< zeigt R. Budzinski einen
tot hingestreckten Krieger, dessen Kopf ausdrucksvoll
durchgezeichnet ist, während vom Körper (bis gegen
die Mitte) und der über ihm gesenkten Fahne nur flüch-
tige Andeutungen gegeben sind; ein Lichtstrom über-
flutet das Antlitz des Entschlafenen. Das primitive Bild
von Berta Schmitz »Einer für alle — alle für einen«
ist symbolisch : über den dunklen Erdboden hin, auf
dem sich ein schlichtes Kreuz erhebt, lodert ein Flam-
menbündel zum düsteren Himmel empor. Betende Lan-
zenträger knien unter dem Sternenhimmel in gebirgiger
Gegend auf dem farbigen Steindruck (die andern Blätter
sind schwarz- weiß) von Hugo Grimm. Aus dem
Gesagten geht hervor, daß die fünf schön ausgeführten
Bilder einer allgemein menschlichen Würde und Weihe
nicht entbehren. Bei dreien bildet das Kreuz den geistigen
Mittelpunkt; die Darstellung von Rudoph Lipus wird der
katholischen Einpfindungswcise am besten gerecht.
DER PIONIER
Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunst-
fragen und kirchliches Kunstliandwerk. — VIII. Jahr-
gang, I. Heft, Oktober 191 5. — Verlag der Gesellschaft
für christliche Kunst, GmbH, München, Karlstr. 6. —
Der vollständige Jahrgang M 3.— (portofrei M 3.60).
.•\us dem Inhalt des l. Heftes: Die Himmelfahrt Ma-
riens von Tizian in Venedig. — Aus der Werkstätte des
Goldschmieds. Edelsteine. — Mitteilungen und Anre-
gungen. — 8 Abbildungen.
Druckfehler. In der letzten Nummer, S. 32,
rechte Spalte lies in Zeile 19: Lauretanische (statt: Lau-
rentanische), ferner in Zeile 36: Gehalt (statt: Gestalt).
Für die Redaktion vtrintwonlich : S. Slaudhimer (Promcniidcpbti 3); Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, G.
Dmclc von F. Brtickmann A.G. — Sümtliche in München.
BEILAGE
BERLINER SECESSION HERBST 191 5
BERLINER SECESSION HERBST 191 5
Von Dr. Hans Schmidkiinz (Berlin-Halensee)
Man wird allmählich älter und behäbiger, kauft sich
ein Häuschen und sieht gern Gäste — aber beileibe
keine ungeberdigen — bei sich. So hat sich jetzt die
alte, die Stamm-Secession nahe ihrem früheren Heim
den Gartentrakt eines Berliner Mietshauses gebaut, mit
einem für Plastikzier geeigneten Gärtchen, alles klein,
aber mit der Absicht mehrerer Ausstellungen im Jahr
und auch einer sonstigen Hergabe der Räume für künst-
lerisches Leben mehrfacher Art.
Die erste eigene, in der Gesamtzählung 27. Ausstellung
fand hier vom Oktober bis Dezember 191 5 statt. Retro-
spektiv war sie in doppeltem Sinn ; einerseits wieder durch
eine Zusammenstellung alter Meister, andererseits durch
das Ueberwiegen eines mit der Zeit von selbst kom-
menden konservativen Zuges, sowie durcli das Fehlen
einer Schicht neuester Opposition, das ja schon durch
das Zurücktreten des Auslandes erklärlicher wird. Man
hatte das Gefühl, die Ergebnisse der gesamten Secessions-
arbeit wie ein abgeschlossenes Kapitel der Kunstgeschichte
überblicken zu können.
Die eigentlich retrospektive Abteilung brachte vor
allem neben Bildnissen von W. Leibl eine Ergänzung
seines »Kreises« durch Franz Schi d er : dessen >Dame
mit Kind« ist alte Kunst im guten Sinne des Wortes;
wenn aber dessen »Weihnachten bei Leibl« als eine
Parodie oder Karikatur oder wenigstens Entwurfsskizze
vorgeführt wäre, so würde man es wohl gerne so hin-
nehmen. Die mehreren Bilder von Ad. Menzel sind
bei dem hier mit ihm getriebenen Kult keine Ausgrabung,
erfreuen jedoch immer wieder durch scharfen Situations-
ausdruck, beispielsweise in der Darstellung von Mini-
stranten, die sich an einem Altare zu schaffen machen,
oder in der des Arztes mit seiner ängstliclien Patientin.
Aus H. V. Maries spricht weniger als aus A. Feuer-
bachs >Mädchen mit totem Vogel« und seiner »Grab-
legung Alarichs I.«, die der Künstler wohl nur als Skizze
betrachtet hat, während sie von einem Heutigen voraus-
sichtlich als fertiges Reduktionswerk ausgegeben werden
würde.
Auch in der Gegenwarts-Abteilung muten einige wie
retrospektiv und hiemit als historisch gesichert an. Was aber
A. A. Oberländer dem bäuerlichen Leben abgewinnt,
mutet zugleich als frischeste Jugend an. Neben einem
echten rechten Sommergemälde H. Thomas stehen
zwei Bilder von C. Strathmann, die diesen vordem
vielleicht verblüffendsten Secessionisten als einen Meister
lieblicher und subtiler Durcharbeitung der Pflanzennatur
zeigen: sein »Frühling« von 191; und seine »Vase mit
Feldblumen« können den radikalsten wie den traditionell-
sten Geschmack befriedigen. Und wenn man L. Ury
bereits für ein Inventarstück aus den Anfängen der
Moderne halten konnte, so mag man es vielleicht vor
dem verschwimmenden Gelb und Grün seiner Gemälde
»Holländische Mühlen« und »Bei Rotterdam« bestätigt
finden; allein seine »Sintflut« (von 1906) dringt darüber
zu einer neuen Monumentalkraft vor.
In der Bildnismalerei hebt sich neben der Benützung
des Porträts für Formeneigensinn eine Kunst sowohl
der sorgfältigeren Durcharbeitung wie auch der seelischen
Vertiefung heraus. In ersterer Hinsicht föllt H. Reiffer-
scheid s Bildnis einer an einem Spiegeltisch sitzenden
Dame auf — man möchte meinen, ein neues Verfahren
farbiger Graphik vor sich zu haben. In letzteier Hinsicht
ragen L. v. Königs Bildnisse mit ihrer fahlen (besonders
für das »einer gelähmten Dame« passenden) Farbe hervor;
und das frischflotte »Herrenporträt« J. Oppenheimers
wird durch ein ähnlich anmutendes Stilleben desselben,
»Feuerlilien«, ergänzt.
Vielleicht darf man als das Hauptergebnis der ganzen
Sezessionsgeschichte eine Kunst der markant charakteri-
stischen Vereinfachung bezeichnen. Nicht nur das Ganze
wird auf v/enige Formelemente zurückgeführt, wie z. B.
in W.Röhrichts »Damenporträt«: auch reichliche
Einzelheiten werden auf Einfachstes und auf so Gleich-
artiges reduziert, daß dann die Gesamtwirkung, wie
wenig reizvoll sie auch sonst sein mag, doch gut »zu-
sammengeht«. Dies gilt besonders von F. Heckendorfs
»Berliner Vorortlandschaft« und noch mehr von seinem
vielleicht berühmt werdenden Kriegsbild »Notbrücke.
Uebergang über die Angerapp«. Auch auf die über
B. Beckers »Günzburg« liegende einheitliche Blässe
darf hingewiesen werden.
Das Markante wird hier allerdings manchmal bis zur
Unerquicklichkeit derb naturalistisch. Nicht immer ver-
söhnt damit eine Kraft der Charakterisierung, am ehesten
noch in den Gemälden des jetzigen Vorsitzenden
L. Corinth. Neben Stilleben, für die jedoch seine Kunst
wahrlich nicht still genug ist, bringt er ein gut sprechendes
Doppelporträt zweier Sezessionisten und als ein Haupt-
stück der Ausstellung sein »Weib Potiphars«. Auch hier
würde man wohl noch befriedigter sein, wenn man
diese Gegenüberstellung des üppigen Frauenaktes und des
mönchsartigen Joseph eher als eine burleske Kapuzinade
betrachten dürfte. Verwunderlicher aber ist, daß Frau
Corinth (C. Berend) ihrem weniger kraftmeinernden
Geschmack doch einen solchen gräßliclien »Menschen-
salat« abgewinnen konnte, wie es ihre »Steinigung« ist.
Wieder erträglicher wirkt die Schärfe einer markanten
Naturalistik in H. Krayns »Großstadt«; käme noch
mehr Innigkeit dazu, so könnte man beinahe an den
Belgier E. Laermans denken.
An ruhigerer, leiserer, anmutigerer, intimerer Kunst
fehlt es nun auch nicht. Selbst T. T. Heine — »Eine
Brücke bei München« — wird zart und fein. Dem stillen
Leid des »Polnischen Flüchtlings« von H. Struck ist
im Grunde verwandt die anspruchslose Freude, die
M. A. Stremel mit seiner »Walfischgasse in Ulm im
Siegesschmuck« (mitten rückwärts der Münsterturm)
kündet. Auch Landschaften erfreuen in ähnlicher Weise;
so die Frühlings- und Sommerlyriken von P. Franck;
so E. Bischof f-Culms »Abend am Kurischen Haff«
(eine rechte Freiluft). Und der frühverstorbene Kölner
£. Altmann prägte in seinem »Spaziergang« eindrucks-
voll die Einfügung eines Wanderers in eine Wind- und
Wetter-Landschaft aus.
Spezifische Darstellungstechniken stehen reichlich zur
Auswahl da. Mit Flecken wird nach wie vor gespielt —
in V. Friedemanns »Felsiger Insel« oder in einem
Olfiziersporträt E. Spiros; E. Kuithan aber kann doch
Wertvolleres leisten als seine »Sonne«. Anderswo wer-
den die Flecken wieder mal zu Nudeln — in H. Gersons
»Flucht« und »Der Morgen« (Arbeitergang zur Fabrik);
dann steigert sich der Nudelstil zu einem Holzscheitstil
— in M. Caspar-Filsers »Vorstadtgärtnerei«. Was
in der Ateliersprachc »Schmiß« heißt, fehlt am wenig-
sten und wird dort am interessantesten, wo es im klei-
nen zur Geltung kommt; aus solchen Elementen setzen
sich etwa P.Bachs »Großstadt« und O.Erichs »Turm-
bau« (in einer Gegend von Laubenkolonien) zusammen,
und das einheitliche Lila des »Ziegen«-Bi!des von A. E.
Herstein ist das zartere Resultat einer heftigeren Tech-
nik. Eine flockigere Flottheit und Zartheit, klar in den
Gesichts- und wirrer in anderen Partien, fast eine Ver-
bindung von Rokoko und Radikalismus, liegt in R. F. K.
Scholtz' »Bildnis einer jungen Dame«. Wer das Inein-
■ anderweben von Lokal- und Reflexfarben studieren will,
dem hilft wohl W.Jordans blaugrüne »Rastim Walde«.
Und die gelbgrünen Flächen mit weißer Mitte aus
M. Melzers früherer Großgraphik finden sich wieder
in »Schwere Artillerie in Przemysl«.
Graphik selbst fehlt diesmal um so eher, als ihr bald
WETTBEWERB FÜR GLASMALEREIEN
wieder eine Sonderausstellung gewidmet werden soll Die
Litliographien >Krieg und Kunst« von mehreren der Aus-
steller bieten über den Typus sezessionistischer Graphik
hinaus nichts wesentlich Neues. Hervorragend: Bischoff
Culms zerstörtes Gehöft mit trauernder Frauengestalt;
E. Büttners Wagen mit Kriegsfurie stimmt besser als
sein »Sputj-Gemälde; E. Opplers gefangene Russen
sind ein beredter Ausdruck.
Bei all dem bleibt für eine christliche Kunst in
anderem als bloß stofflichem Sinn kaum etwas übrig.
Immerhin findet sich etwas wie eine religiöse Innigkeit
in zwei Bildern von E, Klossowskv, der bisher am
ehesten durch Buchwerke über französische Künstler be-
kannt war, und zwar besonders in seinem »St. Hubertus«.
Der »St. Georg« — mit ebenso unnötig kleinem Format,
wie andere Modernitäten eine Kleinigkeit in Überformat
bringen — leidet auch unter Unklarheit; soweit man
durch sie hindurchdringt, kann man an der betenden
Frauengestalt im Hintergrund und — wenn wir nicht
mißverstehen — an der den Ritter auf dem Pferde he-
gleitenden Madonna Gefallen finden. Die »Prozession
in Bagni di Lucca« von B. Becker mag erwähnt,
W. Jaeckels »St. Sebastian« trotz eines modischen
Rotgelb als Aktbewegungs-Studie hervorgehoben sein.
Des nämlichen Künstlers »Sturmangriff« ist wuchtig
und läßt die Darstellung glaubhaft .erscheinen; allmäh-
lich aber möchte man von so »Transitorischem« doch
wieder befreit sein. —
In der plastischen Abteilung führt sich ein Neu-
ling, F. Huf, recht günstig durch einen Akt »Stehen-
des Mädchen« ein (der überhaupt nachlässige Katalog
nennt das nämliche Werk als Illustration »Gehende
Frau«). Wäre das Werk in dauernderem Material aus-
geführt, so würde seine, durch einen Leidenszug im
Gesicht noch gesteigerte Bedeutung wohl verstärkt sein.
Als eine »Studie in Holz« mag auch der kleine weib-
liche Akt von 1. A. Mu r m ann erwähnt werden, K. Geld-
machers »Eva«-Statuete aber doch nur als Beispie!
für eine Forcierung von Seltsamkeit.
Was sonst in diesen Ausstellungen E. Barlach leistete,
leistet diesmal F. Metzner: leidensvolle Frauengestalten
in architektonisch vereinfaclicnden Formen und anderes —
worunter aber die Gartenplastiken doch wenig locken.
Monumentaler ist E. Wencks umfangreiches »Modell zum
Eugen-Richter-Denkmal in Berlin«, das den Parlamentarier
in der Situation eines wuchtigen Auftretens zeigt.
Reich an technischen Verschiedenheiten und zum
Teil auch an seelischem Ausdruck waren plastische
Bildnisse. Gegenüber dem glatt ausgeglichenen von
V. H. Zwinz zeigen die von E. Wenck und besonders
von M.Müller eine Fleckentechnik; in einem Frauen-
porträt des letzteren tritt sie auf der Mittelpartie des
Gesichtes zugunsten einer ruhigeren Ausgeglichenheit
zurück. Sodann steht dem scharfmarkigen Bronzebildnis
H. Schaefers die gleichsam verschleierte Büste von
L. L. Wulf gegenüber. Wer sich in die exotischen
Künstlichkeiten modernster Plastik hineingelebt hat, mag
an J. Schiffners » Aegyptischem Kopf« und mit mehr
Recht an G. Kochs »Masken« Gefallen finden. Daß
A. V. Hildebrand mit seiner »Büste Ihrer Kgl. Hoheit
der Herzogin Karl Theodor von Bayern« (Bronze) eine
Meisterleistung an — in doppeltem Sinn — adeligem
Ausdruck geschaffen hat, ist begreiflich.
Spezialliebhaber konnten an den — in älterer Weise
kräftig plastischen — Plaketten von W. Lohbach und
an dem reichlichen farbig glasierten Steinzeug mit
Porzellan-Einlagen, allerlei Getier darstellend, von
E. Pottner mannigfaches Gefallen finden.
WETTBEWERB FÜR GLASMALEREIEN
Dei dem Wettbewerbe, den heuer die Deutsche Gesell-
schaft für christliche Kunst veranstaltete und dessen
Ergebnisse im März ausgestellt waren (vgl. Heft 7 dieses
Jalirgangs) gab es auch eine Gruppe von Glasmalerei-
Entwürfen. Mit Fug waren sie mitberücksichtigt worden,
sind doch die Erzeugnisse dieser Kunst vermöge ihrer
starken dekorativen Eigenschaften, welche das Auge in
Anspruch nehmen und die Aufmerksamkeit auf die in
dieser Weise ausgeführten figürlichen Darstellungen, In-
schriften usw. lenken, in hervorragendem Maße befähigt,
für die Zwecke der Kriegserinneruiigen verwandt zu
werden. Aus derselben Erwägung heraus wurde seitens
des Verbandes deutscher Glasmalereien heuer ein Wett-
bewerb ausgeschrieben. Er sollte ursprünglich schon im
Mai zum Austrag gebracht werden, doch verursachten
die Ereignisse des Krieges Störung und Verzögerung,
Erst jetzt ist man imstande, die eingereichten Entwürfe
beim Kunstvereine zu München der Öffentlichkeit zu
zeigen.
Wie angedeutet, ist der Zweck des Wettbewerbes der,
Entwürfe für Glasmalereien zu erlangen, um dadurch die
Erinnerung an die Ruhmes- und Heldentaten unserer
Krieger festlialten zu helfen. Die Werke sollen zur Ver-
wendung teils in weltlichen, teils in kirchlichen Gebäuden
geeignet sein. Als selbstverständliche Bedingung galt,
daß die Entwürfe künstlerisch und technisch einwand-
frei wären. Zur Beteiligung waren alle Künstler deutscher
und österreichisch-ungarischer Staatsangehörigkeit, auch
wenn sie in neutralen Staaten leben, eingeladen. Inhaltlich
hatten sich die Entwürfe auf den Weltkrieg zu beziehen;
sie sollten kriegerische Taten oder denkwürdige Ereig-
nisse verherrlichen, durften aber auch dem Andenken
einzelner Gefillener gewidmet sein. Zwei Gruppen waren
ins Auge gefaßt. Die eine sollte Glasscheiben mit welt-
lichen Darstellungen, sogenannte Kabinettscheiben, die
andere kirchliche Gemäldefenster umfassen. Das Preis-
gericht war zusammengesetzt aus Vertretern des Ver-
bandes deutscher Ginsmalerei, Architekten und einzelnen
Glasmalern. Preise gab es in Höhe von 500, 300 und
2üO Mark, außerdem standen 100 Mark für Ankäufe zur
Verfügung. Die Verteilung der Gesamtsumme ist schließ-
lich, wie es öfter geht, auf andere Weise erfolgt. Die
erste Gruppe erhielt vier Preise (250, 200 und zweimal
100 Mark), die zweite drei (zu je 150 Mark). Bedenkt
man die große Zahl der zur Beteiligung eingeladenen
Künstler, so muß die Menge der eingereichten Wettbe-
werbentwürfe verhältnismäßig gering erscheinen, beson-
ders aber dann, wenn man sich des entsprechenden
Verliältnisses bei dem Wettbewerbe der Deutschen Ge-
sellschaft erinnert. Was eingereicht wurde, entspricht im
allgemeinen den gestellten Bedingungen. Docli fehlt es
nicht an Werken, die künstlerisch wie technisch zu Ein-
wänden Anlaß geben. Nach der ersteren Richtung un-
zulänglich sind mehrere Entwürfe von futuristischer Auf-
fassung. Bei einer .'\nzahl vermag die Zeichnung der
Figuren nicht zu befriedigen, die nach expressionkstischen
Grundsätzen angelegt sind. Im ganzen scheint mir frei-
lich, daß bei der von der Glasmalerei erforderten flächigen
Behandlung und vorwiegend dekorativen Wirkung der
Malerei, bei welchen es auf Modellierung weniger an-
kommt als auf starkes Kolorit, jene expressionistische
Art nicht unbedingt auszuschließen wäre. Damit soll
allerdings nichts zur Entschuldigung der Absichtlichkeit
mancher groben Zeichenfehler gesagt sein. Die Technik,
soweit sie sich besonders bei den in kleinem Maßstabe
gegebenen Entwürfen für die Kirchenfenster beurteilen
läßt, entspricht im allgemeinen der bewährten traditio-
nellen. Willkürliche, die Farbenzusammenhange un-
natürlich durchschneidende kommen wenig vor, eben-
so nichtssagend regelmäßige. Was für Gläser verwandt
BÜCHERSCHAU
werden sollen, ist aus den Entwürfen nur mit Schwie-
rigkeit zu erkennen, Joch scheinen auch nach dieser
Richtung hin die Grundsatze des gujen Geschmackes
zu walten, also wesentlich die edel wirkenden Antik-
gläser, nicht aber Üpaleszent-, Kathcdral- und ähnliche
nicht empfelilenswerte Gattungen ins Auge gefaßt zu
sein. Der Stil der entworfenen Glasmalereien entspriclit
mit wenigen Ausnahmen der Tatsaclie, daß das farbige
Glasgemälde eine mosaikartige Zusammensetzung ver-
schiedenfarbiger Gläser ist und zur Erhaltung seiner
Natur auch bleiben muß. Nur gelegentlich kommt ein-
mal ein Stück vor, welches nach .\rt der Tafelmalerei
mit aufgetragenen Schmelzfarben und daher ohne Ver-
wendung der Bleiruten gearbeitet ist. Kann somit das
Ergebnis nach der künstlerischen und technischen Seite
hin als günstig bezeichnet werden, so ist dies im großen
Ganzen auch noch der des geistigen Inhaltes der Fall.
Man darf anerkennen, daß die ausgesprochenen Ge-
danken, mögen sie auch nicht durchweg sonderlich neu
oder tief sein, doch meistens eines schönen Sclivvunges
des Vortrages nicht entbehren. Platte illustrative oder
geradhin geschmacklose Werke sind nur in sehr ge-
ringer Zahl vorhanden.
Wir betrachten die prämiierten Entwürfe. In der
Gruppe A (Kabinettscheiben) erhielt den ersten Preis
Regierungsbaumeister Dar r- H anno v er (Motto >Tod
und Siegt). Die von ihm gezeichnete Scheibe besitzt
hochovale Form. Um ein in der Mitte derselben kon-
zentrisch angebrachtes Oval sind acht Felder gruppiert.
In dem obersten befindet sich wieder eine kreisrunde
Fläche. Auf ihr ist die Insclirift zu lesen »Der l'od ist
verschlungen in den Sieg 19 14 — 15«. Da jedes der
Felder eine in sich abgeschlossene Darstellung enthält,
so ist die Einteilung streng geometrisch ; innerhalb die-
ser Bildflächen sind die Gläser mittels schmälerer Blei-
ruten zusammengefügt. Die Figuren sind heroisch und
allegorisch, woraus der Künstler die Wahl überwiegend
nackter Gestalten abgeleitet hat. Das Mitteloval zeigt
ihrer zwei, die mit Schwertern in den Händen zum
Kampfe gehen. Die Felder ringsum enthalten trauernd
Dasitzende in Frontal- und Profilansiclit, unten befindet
sich die pietiartige Gruppe eines Toten, der von einer
Frau beklagt wird. Die Färbung ist fast durchgängig
hell, die Umrisse sind stark gezeichnet, kräftige Farben
bieten nur die vereinzelt vorkommenden Gewänder.
Die Wirkung der Scheibe ist tief, sowohl nach der
künstlerischen wie nach der inhaltlichen Seite hin. —
Den zweiten Preis erhielt Frau Erna Raabe, geb.
Freiin von Holzhausen (Motto »Nach der Schlacht«).
Eine einfache, auf sehr wenige Figuren eingeschränkte
Darstellung weist einige Gefallene, über ihnen drei sich
aufbäumende Rosse. Die Scheibe ist quadratisch. Von
Farben sind nur Blau und Braun zur Verwendung ge-
langt. DieZeiclmung hat etwas Expressionistisches, ohne
auszuarten. Vielmehr übt das Werk mit der Melancholie
seines Kolorits und der Strenge seiner Komposition gute
Wirkung. — Dritter Preisträger ist Wilhelm Wunder-
wald-Düsseldorf (Motto »Weltbrand«). Fr bietet
eine länglich achteckige Scheibe in einer reinen, nicht
wie bei Darr mit einzelnen Farbenflecken durchsetzten
Grisaillemalerei. In der Mitte sieht man die Erdkugel.
Links von ihr schreitet ein deutscher Soldat an der Seite
vines österreichischen zum Sturm, im Vordergrunde
unten lauert ein Türke mit Krummsäbel, ein mächtiger
Adler breitet seine Schwingen über dieser Gruppe aus.
Auf der anderen Seite bemühen sich Vertreter der ver-
schiedenen feindlichen Völker, die Erdkugel ins Rollen
zu bringen, um ihre Gegner zu erdrücken. Rauch und
Flammen umwallen diese Darstellung von allen Seiten.
Die Linien der Verbleiung sind frei geführt und .schlie-
ßen sich den Umrissen der Figuren im großen Ganzen
n. — Die mit dem vierten Pi-eise bedachte Scheibe von
Richard M auck- Mün chen (Motto »Landsturm«) ist
kreisrund. Sie vertritt jene zuvor gekennzeichnete Art
der ohne Verbleiung ausgeführten Schmelzmalerei. Die
anmutige Darstellung schildert vor der im Hintergrunde
sichtbaren, an den Türmen der Frauenkirche kenntlichen
Stadt München den Ausmarsch zweier Landstürmer.
Der eine von ihnen nimmt Abschied von seiner Frau
und seinem Kinde, die herzugeeilt kommen. Die Far-
ben sind mannigfaltig und lebhaft und dürften im Ver-
ein mit der sympathischen Szene diesem Entwürfe zahl-
reiche Freunde gewinnen. — Auch von den nicht mit
Auszeichnungen bedachten Entwürfen der Gruppe A
möchte ich einige mitervvähnen. Zweimal wiederholt
sich das Motto >Heldengrab«. Die betrefl'enden Werke
stammen ersichtlich von ganz verschiedenen Künstlern,
von denen ein jeder auf seine Art tiefgehende Wir-
kungen zu erreichen wußte. Der eine zeichnete ein aus
Birkenästen hergerichtetes Kreuz, an welchem ein Kranz
hängt. Unten legt ein Adler einen Lorbeerzweig auf
den Helm und Mantel des Gefallenen; der mit starker
Einfachheit stilisierte landschaftliche Hintergrund ist von
unten nach oben aus Dunkelviolett in Gelbgrau abge-
tönt. — Der andere viereckige Entwurf zeigt zwischen
zwei als Seiteneinrahmung dienenden niedrigen Säulen
ein lockiges kleines Mädchen; es steht an einem Grabe,
auf diesem ist ein aus Baumästen gebildetes einfaches
Kreuz aufgestellt, der Helm des Gefallenen hängt oben
darauf. Der Hintergrund ist damaszieit. Über dieser
Darstellung sieht man in der Mitte ein Medaillon mn
dem Kruzifixus, die Flächen rechts und Hnks davon
sind mit modern aufgefaßten Kriegsszenen erfüllt. Am
unteren Rande des Bildes liest man auf einer Tafel ein
kleines Gebet in Versen. Das Werk gehört für mich
zu den sympathischsten der Ausstellung; echt deutsche
Poesie in münchenerischer Auffassung lebt darin. — Der
Entwurf »Heimkehr« zeigt zwei mit Blumen geschmückte
Feldgraue vor einem warmtönigen Hintergrunde. — Von
vier kleinen Einzelblättern, die von einer und derselben
Hand gezeichnet sind, erwähne ich den schlichten und
eindrucksvollen »Abschied von der Heimat« und das
in bedeutender Auffassung entworfene »Kriegsbanner«,
welches in den Händen eines nackten Reiters weht. —
Noch erwähnt sei »Dreieinigkeit«, ein Entwurl mit den
Wappen der Zentralmächte und der Türkei; unter ihnen
befinden sich drei längliche, auf der Spitze stehende
Dreiecke ; in zweien sieht man je ein Schwert, in dem
mittleren eine Fackel, alle umwunden mit Lorbeer-
zweigen. Den Fonds bilden Querstreifen in den Far-
ben Schwarz, Weiß, Rot, Blau und Gelb.
(Schluß folgt)
BÜCHERSCHAU
Moderne Meister christlicher Kunst. Plastiker,
Band I: Georg Busch. Von Dr. Oskar Docring 96S.
in groß 8°. Mit 88 Abbildungen im Text und 6 Tafeln.
\'erlagsanstalt Glaube und Kunst (Parcus & Co.) Mün-
chen 1916. Preis geb. M. 6. — .
Die kunstwissenschaftliche Literatur ist reich an M'er-
ken über Erscheinungen und Leistungen früherer Zeiten,
beschäftigt sich auch in zahlreichen Schriften mit noch
lebenden Meistern profaner Kunst, aber leider sehr spär-
lich sind bisher die Vertreter der religiösen Malerei und
Plastik fortgekommen. Ein Unternehmen, welches -dar-
auf ausgeht, die in letzterer Richtung fühlbare Lücke
auszufüllen, der ÖfTentlichkeit sine ira et studio zu zei-
gen, was wir an unseren großen Meistern neuester christ-
licher Kunst haben und von ihnen erwarten dürfen,
verdient daher als zeitgemäß begrüßt zu werden. Es
ist die Münchener Verlagsanstalt Glaube und Kunst
(Parcus & Co.), die den Wagemut besitzt, inmitten der
BÜCHERSCHAU
Kriegszeit mit der Herausgabe einer Reihe solcher Ein-
zelschriften zu beginnen. Eine Doppelreihe ist beabsich-
tigt; die eine soll Maler, die andere Plastiker behandeln.
Ein erstes Heft sollte das Schaffen Gebhard Fugeis
schildern; der Krieg hat den Autor P. Ansgar Pöllmann
an der Durchführung seiner Arbeit vorläufig behindert.
So wurde denn mit der Plastikergruppe begonnen.
Das erste überhaupt erschienene Heft der neuen
Monographien hat und erfüllt die Aufgabe, die Tätig-
keit Georg Buschs zu schildern. Dr. Oskar Doering be-
gründet seine Darlegungen auf eine kurze Betraclitung
über moderne cliristhche Kunst im allgemeinen, erzählt
dann von Georg Buschs Jugend, künstlerischer Erziehung
und in großen skizzenhaften Zügen von dem späteren
Leben des Künstlers, um sich darauf zunächst derjenigen
Richtung von Buschs Lebensarbeit zuzuwenden, die für
die christliche Kunst, ihre Vertreter und ilire Populari-
sierung so wichtig ist — der organisatorischen. Man
darf hofTen, daß durch die eingeliende Schilderung dieser
Dinge, wofür der Verfasser auch eigene Aufzeichnungen
Buschs im Wortlaute wiedergibt, die Öffentlichkeit noch
mehr denn bisher auf die Bedeutung der durch seine
Initiative ins Leben gerufenen Einrichtungen aufmerksam
werden, von ihrem Nutzen sich überzeugen und sich
bereit finden wird, sich nehmend und gebend daran zu
beteiligen. Für die Hebung des Wertzustandes der christ-
lichen Kunst, für die Besserung der wirtschaftlichen und
damit auch der sozialen Lage der christlichen Künstler
sind Buschs Gründungen; der Albrecht Dürer- Verein,
die »Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst«, die
»Gesellschaft für christliche Kunst, GmbH, und die
künstlerisch wertvolle, dabei volksiüniliche und billige
Monographienreihe: »Die Kunst dem Vo!ke< (herausge-
geben von der »Allgemeinen Vereinigung für christ-
liche Kunst«) von einer Bedeutung, deren Tragweite
sich vorläufig nur ahnen läßt.
Hätte Georg Busch nichts anderes geleistet, als alle
diese Dinge ins Leben zu rufen, so verdiente er schon
als eine der auf dem Gebiete der Kunst und Kunstfür-
sorge erhebliclisten Personen anerkannt zu werden. Nun
ist er doch aber vor allem selbst schaffender Künstler,
und zwar der I5esten einer. — Ihn als solchen zu wür-
digen, seine Werke zu prüfen, zu ordnen, zu schildern,
ist der Zweck, welchen das Doeringsche Buch in erster
Linie zu verfolgen unternimmt. Dem Verfasser kam es
darauf an, die in Buschs künstlerischer Wirksamkeit ent-
haltenen und ausgedrückten Gedanken klar zu legen
und zu erweisen, in welcher Art und nacli welchen Rich-
tungen diese Gedanken wirksam und fruchtbar geworden
sind. Doering sieht also von chronologischer Erzählung
ab und ordnet Buschs Werke nach inhaltliclien Gruppen.
Um aber dennoch die zeitliche Reihenfolge niclit aus
den Augen zu verlieren und auch dem nacliprüfenden
Blicke die im Laufe der Zeit sicli äußernden Stilver-
schieJenheiten und Entwicklungsphasen zugängliclier zu
machen, ist nicht allein jeder Abbildung eines Kunst
Werkes die Jahreszalil seiner Entstehung hinzugefügt,
sondern anhangsweise dem Buche auch noch ein nach
der zeitlichen Reihenfolge geordnetes Verzeiclinis der
abgebildeten Werke beigegeben worden. So erfüllt der
Text alle äußeren und inneren Anforderungen.
Die Reihe der von Busch gestalteten Gedanken und
Motive wird, wie es bei einem Künstler der christlichen
Richtung sinngemäß ist, durch die Betrachtung seiner
religiösen Werke eröffnet. Man sieht die von ihm ge-
schafTenen Altäre, so den in romanischem Stil gehaltenen
Hroznata-AItar zu Tepl, den Altar zu Homburg, man
bewundert den in ausführlichen Darlegungen geschil-
derten herrlichen" Kreuzweg der Münchener St. Pauls-
kirche, dem sich jener der Ludwigshafener Dreifaltigkeits-
kirche als schlichteres, aber an künstlerischen Quali-
täten nicht geringeres Seitenstück anschließt. Gleich
danach folgt ein wichtigstes Stück der Kunst Georg
Buschs, das 1912 entstandene Begräbnis Christi, jenes
Gruppenwerk, welches die Vorzüge der Freiplastik mit
denen des Reliefs vereinigt, den geschilderten Vorgang
mi: außerordentlicher Tiefe der Charakterisierung und
Empfindung erfaßt und zugleich ein Meisterwerk der
Bronzetechnik ist. Von hier ergibt sich von selbst der
Übergang zu den Grabmälern. Ausgezeichnete sind
darunter, wie das Matthäus MüUersche in Eltville, das
Frhr. von Hertlingsche in München, das Abelsche in
Dießen. Reich an Schönheit und erfüllt von majestä-
tischer Hoheit sind besonders die auf diesen Grabmälern
erscheinenden Heilandsgestalien. Mit ihnen wetteifern,
ergreifend durch Innigkeit und himmlische Erhabenheit
Buschs Madonnen. Zu den schönsten gehört die in
ihrer Form gotisch anmutende aus DeutschKrawarn,
ferner eine aus dem Besitze des Prinzen Johann Georg
von Sachsen ; zart und hold ist die jugendliche Mater
amabilis. An die Verkörperungen Christi und Maria
schließen sich diejenigen zahlreicher Heiligen. Hier
begrüßen wir außer manchem schon Bekannten (z. B.
Antonius, Hubertus, Augustin mit seiner Mutter Monika,
Paulus und andere mehr) auch verschiedene neuere.
Erst 1914 entstanden ist eine für Bamberg bestimmte
Gruppe des Kaisers Heinrich II. mit seiner Gemahlin
Kunigunde, ein Werk voll prächtiger Personenschilderung
und starker, edler Wirkung der Formen.
Mit entsprechendem Übergänge kommt das Buch all-
mählich auf die Darstellungen von Personen neuer Zeit.
Hierbei bleibt es mit der Schilderung der großen, von
Buscli geschafi'enen Bischofsgrabmäler noch auf jenem
Grenzbezirke religiöser Kunst, wo diese sich mit der
des Profanbildnisses berührt, um dann ganz auf dieses
Gebiet überzulenken. Niemand wird ohne Bewunderung
sehen, welcher ausgezeichnet naturwahren Charakter-
schilderung dieser Künster fähig ist. Bildnisse wie die
der Bischöfe Haffner, Leonrod, Riedel, Stein usw., der
Emilie von Ringseis, Martin Greifs, des Grafen Preysing
stellen ihren Anfertiger mit in die erste Reihe der
Porträtbildliauer. Als feinen Beobachter des Lebens
hat er sich von Anfang lier bewiesen z. B. mit dem
»Verlorenen Sohn«,, ganz besonders auch mit seinen
Kinderstudien: dem »Betenden Mädchen«, dem »Vater-
unser«, dem etwas realistischen »Schreihals« usw. Aus
diesem Reiche der Wirklichkeit führt Doerings Mono-
graphie d.mn wieder hinaus in das der profanen Alle-
gorie. Hierher gehört der Augsburger Herkulesbrunnen,
vor allem aber das ausgezeichnete Fricdensdenkmal, wel-
ches Busch 1911 in Gioß-Steinheim aulstellen durfte,
der Stadt, wo er seine Jugend verlebt liat. — Die Illu-
strationen genügen durch ihre beträchtliche Zahl auch
weitgellenden Ansprüchen, interessieren durch viele bis-
her nicht veröfl^entlichte Stücke, erfreuen durch aus-
nahmslos vorzügliclie technische Ausiührung. Die Ver-
lagsanstalt hat das Buch vornehm ausgestattet. Man
darf nach dieser ersten Probe auf die folgenden Bände
gespannt sein.
Dr. Martin Hilgenroth
Für die Redaktion
i
BEILAGE
NEUE GLASGEMÄLDE. — WETTBEWERB
GLASGEMÄLDE IN DER ST. MAXI-
MILIANSKIRCHE ZU MÜNCHEN
r^ie künstlerische Verglasung der dreizehn Fenster in
den beiden Seitenschiffen des Langhauses der Mün-
chener St. Maximilianskirche ist nun vollendet. Entworfen
und auch ausgeführt sind diese Werke von Franz Hof-
stötter. Die schmale, holie Form der Fenster mit dem
rundbogigen Schluß eröfi'nete für die Wahl figürlicher
Darstellungen nur die Möglichkeit, in jedem der Fen-
ster je eine aufrechtstehende Gestalt unterzubringen.
Also jenen Gedanken aufzunehmen, dessen Ausfülirung
sich in den ältesten erhaltenen figürlichen Glasmalereien
Deutschlands (im .'Vugsburger Dome) findet. Gleich-
zeitig mußte darauf Bedacht genommen werden, die
Belichtung der Kirche, die später durch die beabsich-
tigte Mosaizierung noch an Helligkeit einbüßen dürfte,
so wenig als möglich durch die farbigen Malereien zu
beeinträchtigen. Jede Darstellung ist also von einem
hellen Rande umgeben, eine Anordnung, die jenem
Zwecke genügt, überdies dazu dient, die Bilder kraftvoll
hervortreten zu lassen. Man sieht die Reihe der hei-
ligen Apostel. Von ihnen befinden sich in den sechs
Fenstern der westlichen Längswand (vom Hauptein-
gange aus gezählt) Matthias, ludas Taddäus, Simon,
Matthäus, Bartholomäus und Philippus. In den sieben
Fenstern der östlichen Wand sieht man die hll. Petrus,
Paulus, Andreas, Jakobus major, Johannes, Thomas und
Jakobus minor. Aufgefaßt sind sie als Fürsten des
Geistes und Glaubens, und demgemäß ist ihre Haltung
und Gebärde, sowie ihre Gewandung charakterisiert
worden. Jeder steht vor einer rechteckigen, durch
schmale, gemalte Architektur eingefaßten ÖfTnung, durch
welche man die als Hintergrund dienende Landschaft
erbhckt. Diese ist keineswegs naturalistisch, sondern
in größtem Zuge stilisiert. Über Andeutungen von Ge-
lände und Pflanzenwuchs, mit starker Bevorzugung leb-
haft grüner Töne, erhebt sich klarer Himmel; er ist
zart gefärbt, gelegentlich durch wenige Wolken oder
durch die grünen Zweige eines stilisierten Baumes unter-
brochen. Dieses Rechteck ist dann von dem zuvor
erwähnten Rande eingefaßt. Er besteht aus ungleich
großen, viereckigen, undurchsichtigen Scheiben; sie
haben weißliche, hellgraue, grünliche oder bläuliche
Färbung. Alle diese schwachen oder neutralen Töne
dienen dazu, die gewaltigen Farbenakkorde der Figuren
erst recht zur Geltung zu bringen. Der Entwurf der
Gewänder nähert sich vereinzelt, z. B. bei Matthäus, den
Formen des 13. Jahrhunderts, paßt sich also in solchem
Falle dem Zeitcharakter der Kirchenarchitektur an. Doch
ist trotzdem von irgendwelchen Einschränkungen histo-
rischer Art nicht im mindesten die Rede. Die Durch-
führung der Fenster wahrt sich vielmehr die gleiche
völlige Selbständigkeit, welche zu den wesentlichsten
Vorzügen der sämtHchen Hofstötterschen Werke inner-
halb dieser Kirche gehört. Die Untergewänder, Gürtel,
Mäntel usw. prangen in den reichsten und vielfältigsten
Farben, Rot in mannigfachsten Abstufungen herrscht
vor, und die weißen, blauen und sonstigen kalten Töne
werden von den warmen mit solcher Energie um-
schlossen, daß alles sich zu starken Harmonien ver-
einigt. Ebenso zwingt die Größe der Hauptlinien die
Masse der bewegten kleineren zur Ruhe. Erheblich
trägt hierzu die Art der Verbleiung bei. Breite und
energische Bleiruten führen die Herrschaft, Linien von
untergeordneter Bedeutung sind durch schmale Bleiruten
gebildet. Sehr reichhche Verwendung fanden Über-
fanggläser, und zwar vielfach solche, die mehr als eine
Farbe aufweisen. Sie ermöghchten die Verwendung
größerer, zusammenhängender Glasflächen, was der
ruhigen Wirkung der Bilder zu statten kommt. Mag
Die christliche Kunst. XII. 6. i. März 1916
diese Technik auch nicht inehr der ursprünglichen Na-
tur der reinen mosaikartigen Zusatnmenfügung der
Lokalfarben entsprechen, wie dies bei den alten Vor-
bildern der Fall ist, so ist zu bedenken, daß hier eben
neuartige Probleme gelöst werden; die modernste Tech-
nik will und darf zeigen, daß auch sie das Recht der
Existenz und der Entfaltung ihrer Kräfte besitzt. —
Ihre imposante Wirkung verdanken die dreizehn Ge-
stalten aber nicht nur dem Feuer ihres Kolorits und
der Größe ihrer Zeichnung. Sic wird verinnerlicht
durch die Erhabenheit der Haltung, durch die könig-
liche Ruhe, mit welcher die Apostel zu dem Beschauer
hernieder-, vor sich hin- oder aufwäitsblicken. Mit
wenigen Ausnahmen (Simon, Taddäus, Petrus, Johannes)
rein frontal aufgestellt, sind sie Verkörperungen jener
unendlichen geistigen Überlegenheit, welche ihnen auf
Erden durch den Auftrag Christi und durch den Empfang
des Heiligen Geistes zuteil geworden ist. Die Köpfe
sind durchweg stark und schlicht modelliert und im
höchsten Grade ausdrucksvoll. In der Weise, wie der
Künstler die Apostel aufgefaßt hat, gehören sie aber
nicht mehr dieser Welt an, sondern der himmlischen,
in welcher sie zur Seite des Heilandes über die Kirche
und den Glauben ihre herrschende und schützende
Macht ausüben. Dieser überirdische Charakter spricht
sich auch in dem fast gänzlichen Mangel an äußerer
Handlung und Bewegung aus. Dennoch ist ein jeder
(außer durch die Äußerlichkeit seines Attributes) inner-
lich und kraftvoll charakterisiert. Zu den schönsten
Gestahen in dieser Beziehung gehören Matthäus, Pe-
trus, der herrliche ältere Jakobus, der jugendliche Jo-
hannes, der in Begeisterung den Kelch emporhebt.
Stärkere- Gemütsäußerungen zeigen sich selten, so bei
dem lebhaften Matthias und bei Thomas; bei letzterem
hat das Nachsinnen und das halb zweifelnde Suchen
bewunderungswürdigen Ausdruck gefunden. — Auch
diese dreizehn neuen Fenster tragen dazu bei, die Mün-
chener Maximilianskirche als eine der merkwürdigsten
modernen Erscheinungen zu kennzeichnen.
Dr. O. Doering
WETTBEWERB FÜR GLASMALEREI
(Schluß)
In der Gruppe B (Geraäldefenster für Kirchen usw.)
erhielt einen Preis der Entwurf von Hildegard Dockal-
Walniceck-München, zwei Preise erlangte der Mün-
chener Albert FigeL Das Figelsche Projekt mit dem
Motto >Flammenzeichen< besitzt kreisrunde Form. Auf
einem Schlachtfelde steht der Tod als Ritter; er trägt
eine goldene Rüstung und einen flatternden dunkel-
blauen Mantel, mit einem blutigroten Schwerte holt er
zum Schlage aus; im Hintergrunde erkennt man eine
brennende Stadt. Das Kolorit bewegt sich in vollen
roten, gelben, blauen und helleren grünen Tönen. —
Für ein hohes schmales Kirchenfenster gedacht ist Figels
zweiter Entwurf (Motto >Heldenmut«). Die Bildfläche
ist in eine breitere mittlere und zwei schmälere seit-
liche Bahnen geteilt. Die Mitte der Komposition nimmt
die Figur des auf dem rotbraunen Drachen stehenden
hl. Georg ein. Auch er erglänzt in goldenem Harnisch,
um den ein grüner Mantel flattert, seine Hand hält ein
stählernes Schwert mit blutiger Spitze, die Linke den
braunen Schild. Ein wenig unterhalb, zu den Seiten
des HeiHgen stehen zwei kleine Engel in blauen Ge-
wändern, einer hat das Eiserne Kreuz, der andere einen
goldenen Kranz in seinen Händen. Unten sieht man
einen sitzenden, von einem Spruchband umgebenen
gelben Löwen, über dem Heiligen einen Adler in einem
goldenen Kranze. Der ganze obere Teil des Fensters
ist eingefaßt von einer grünen Girlande, an der kleine
DIE BERLINER AaUARELLAUSSTELLUNG
Wappen angebracht sind. Alle diese farbigen Bestand-
teile heben sich mit energischer Wirksamkeit von einem
damaszierten Grisaillefonds ab. — Der Dockalsche Ent-
wurf (Motto >Die Schutzpatrone«) zeichnet sich durch
lebhafte Farbenwirkung aus. Sie wird hauptsächlich
durch das Rot fortlaufender Rosengirlanden herbeige-
führt, welche sämtliche Bilderflächen einrahmen. Von
letzterem ist die mittlere, die das Ganze beherrscht, mit
der Darstellung des über den gefesselten nackten Teufel
siegreich sich erhebenden Kruzifixus geschmückt. Rechts
und links von ihm befinden sich je drei viereckige Dar-
stellungen. Sie zeigen je einen Krieger der Land- und
Seemacht, der bei seinem Kampfe, Marsche oder Ge-
bete den Beistand eines Heiligen genießt, nämlich
S- Michaels, Georgs, Josephs, Petrus', Mauritius', sowie
der hl. Barl^ara. Die Landschaften sind nur angedeutet,
der Hintergrund ist ein etwas weichliches Blau. Ebenso
der für den oben zwischen Sonne und Mond auf dem
Regenbogen segnend sitzenden Gottvater. Ganz unten
sieht man eine Berglandschaft mit einem Dorfe, im
■Vordergründe betend kniende männliche und weibliche
Personen, unter letzteren eine Braut. Auch diesem Ent-
würfe, der sich wegen seiner stark individuellen Art
am besten für einen Chorabschluß eignen würde, dürfte
es wegen seiner poetischen Auffassung und seiner schö-
nen Lichtwirkung an Beifall nicht fehlen. — Von be-
deutenderen nichtprämiierten Leistungen der Gruppe B
erwähne ich noch das Projekt »Ehrung« wegen der
vornehmen Durchführung des blauen ornamentierten
Fonds seiner Bildfiäche (S. Georg). Sie ist ganz nach
unten gerückt, wie man es ähnlich auch z. B. bei den
alten Fenstern der Münchener Frauenkirche beobachten
kann, während die obere Hälfte lediglich Grisaillever-
glasung besitzt — eine Anordnung, die darum praktisch
ist, weil dadurch die Bildmalerei besser im Sehbereiche
des Beschauers bleibt. Docring
DIE BERLINER AQUARELL-
AUSSTELLUNG
Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)
r)em Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten
Kreuz überließ der Kaiser eine Auswahl (zirka
700: 3600) aus seiner Aquarell-Sammlung für eine, durcli
andere solche Schätze ergänzte, Ausstellung im Berliner
Kunstgewerbemuseum. Die Sammlung stammt haupt-
sächlich von Friedrich-Wilhelm IV., der sich durch sie,
neben der Förderung sehr verschiedenartiger Künstler,
die Erinnerung an Liebhngsgegenden, an eigene Bauten
usw. sichern wollte. Damit stehen wir bereits in einem
Stück vom Wesen des Aquarells, und die vorliegende
Ausstellung fördert dessen Verständnis weiter.
Die Wasserfarbenmalerei bietet durch ihre Bequem-
lichkeit eine Unabhängigkeit vom Atelier, durch ihre
Einfichheit eine ebensolche von Traditionen der »Gale-
rie« : an die Stelle von überlieferten Farbentönen, von
Sondermethoden, von Verführungen zum Großtun
treten Helligkeit und Luftigkeit, Beweglichkeit und
Frische, ümstandslosigkeit, Unmittelbarkeit und Natür-
lichkeit. Das macht das Aquarell zur Reisemalerei, aber
auch zur Inhalts- und Reproduktionskunst, sowie zur
Technik für Amateure und zum Teil von ihnen. So
recht etwas für reisende Engländer! Ob wirklich deren
Interessen den Ausgang der Aquarellmalerei — Ende
des 18. Jahrhunderts — bildeten, bedarf noch einer
Ueberprüfung; eine nachforschende und vergleichende
Ausstellung würde sich um so mehr lohnen, als die
jetzige und sonstige bisherige Aquarell-Zusammen-
stellungen sicli örtlich oder zeitlich bescliränken.
Die Regierungszeit jenes »Romantikers« (1840— 1861)
führt uns in die dem Empire folgenden Richtungen
des Biedermeiers und einer Romantik, die freilich nur
teilweis echt war. Schinkel starb zu Beginn jener
Zeit (1841); seine Schüler, zumal Persius und Stüler,
setzten seine Berliner und Potsdamer Bautätigkeit fort;
der gotisch erneuerte Rhein und die beständigeren
Überlieferungen der süddeutschen Länder interessierten
in weiteren Kreisen. So bot sich dem schon von
vornherein geringeren Wert des WasserfarbenbilJes für
eine künstlerisch individuelle Formensprache wenig
Gelegenheit zur Steigerung; die getreulich abpinselnden
Zeichnungskünstler standen im Vordergrund. Um so
mehr interessiert das, was neben ihnen doch noch an
Eigensprache auftritt. Auch die Farbenmöglichkeiten
des Aquarells helfen dazu. Für eine Zeit, die noch an
Farbenscheu und an Brüchen der malerischen Tradition
litt, war es von Vorteil, daß jener König den jungen
E. Hildebrandt (1818 — 1868") in ferne Gegenden ent-
sendete ; nun sehen wir wieder die koloristischen Er-
gebnisse dieser Reisen vor uns, einschließlich besonders
hübscher Bilder aus dem Harz.
Doch auch die eigenartigeren Aquarellisten scheiden
sich : die einen erliegen den Gefahren der Weichlich-
keit und Süßlichkeit, die anderen wagen Kräftigeres,
Herberes. Zu den ersteren gehört Frdr. Eibner (1826
bis 1877), zu den letzteren Stan. Grafv. Kalckreuth
(1821 — 1894). Wirkliche Größe liegt in seinen — aller-
dings ungewohnt dunklen — Berglandschaften aus
Oberbayern und Östereich. Lieblich, zierlich sind
Eibners Darstellungen süddeutscher Kirchen. Aber nun
vergleiche man mit seinen .Vquarellen der Dome zu
Freiburg i. B., zu Bamberg (1842), zu Straßburg (1857)
die des Freiburgers und die einer äußeren Seitenpartie
des Kölners (1853) von Franz Alt (geb. 1821), und
sehe, was da an Realismus im guten Wortsinn und
beinahe an Wucht erscheint! Überhaupt kann dieser
Bruder eines Größeren hier geradezu eine »Entdeckung«
bekommen. Rudolf Alt (1812 — 1905) bleibt mit seinen
Wiener und anderen Architektur-Ansichten freilich ein
einzigartiger Meister, trotz oder wegen seiner eindring-
lichen Detailarbeit, die doch immer wieder zu einem
einhehlichen Ganzen zusammengeht. Aber wenn uns
der Bruder Franz die Innsbrucker Frauenkirche (1844)
oder die Vorhalle von San Marco in Venedig (1852)
vorführt, so freut man sich doch über eine besondere
Wärme, die von dieser Darstellungsweise ausstrahlt.
Kommt man dann zu dem damaligen Berliner Haupt-
künstler der Architekturmalerei, zu C. Graeb (1816 bis
1884), so steht man meist wieder vor der korrekten
Abzeichnung, im.merhin dankbar für das Interesse, das
z. B. die nach altchristlichen Formen gebildete Pots-
damer Friedenskirche (1845 — 1850) in mehreren Dar-
stellungen bietet. Dazu kommen sonstige Kirchen aus
jener Gegend und Zeit; unter ihnen ist die Charlotten-
burger Schloßkapelle doch etwas eigenartiger wieder-
gegeben. Nennen wir noch F. W. Kloß, der mehre-
ren Berliner Kirchen Abbildungen gewidmet hat, und
springen wir dann abermals in eine andere Sphäre!
Erinnerungen an die Schack-Galerie und an die spe-
zifischen Interessen ihres Schöpfers steigen auf, wenn
wir vor Franz Catel (1778 — 1856) und vor E N. Neu-
reut her (1806 — 1882) stehen I Jener gibt eine Ansicht
von Rom (1820), dieser eine vom »Wurmsee« und
seiner Umgebung; aber beide verstehen es, ihre Veduten
so farbig zu halten und ihnen so den Eindruck von
Kompositionen zu verleihen, daß einem wirklich etwas
romantisch zumute wird.
Es ist schwerlich Zufall, daß diese beiden Stücke auf
derselben Tafel mit ein paar Proben aus den »Berliner
Nazarenern« vereinigt sind. Unberühmte Namen treten
hervor: in Zeichnungen stellt P. Mila die »Anbetung
der Könige« sowie die »Ankunft der Rebekka im Hause
LEKTÜRE INS FELD. — VERMISCHTE NACHRICHTEN
Abrahams« und P. Rittig die >Ankunft der Sarah bei
den Ehern des Tobias< dar; dazu ein H. %■. Hess
>Gegrüßet seist du, Maria<.
Einen breiten Raum nehmen Bilder von ahen rheini-
schen Kirchen ein; Ad. Wcgelin war da eigens be-
auftragt und besonders lleißig (die Künstlernamen sind
dabei nicht deutlich genug verzeichnet). Ist's eine Ein-
sicht in eine partielle Überschätzung des Kölner Domes
oder eine etwas langweilige Wiedeigabe, daß uns Dar-
stellungen von anderen, mindestens im Grundriß inter-
essanteren Kirchen Kölns noch mehr anziehen? Sankt
Maria im Kapitol, wovon hier ein Querschift" zu sehen,
und eine Partie von Sankt Gereon reizen auch durch
sehr wirkungsvolle, gut weiche Darstellungen; dazu
der Kreuzgang von Sankt Severin, die Krypta von
Sankt Cäcilia u. a.
Weniger Freude bietet die gekünstelte Gotik bei-
spielsweise der rheinischen Burg Stolzenfels in der
Wiedergabe durch den Düsseldorfer K. J. Scheuren
(1810 — 1887). Im Verhältnis dazu sind Innenausstattun-
gen von Berliner und anderen Schlössern — in Bildern
von verschiedenen — naturgemäßer, schon infolge
näheren Anschlusses an Barock- und spätere Über-
lieferungen ; neben pathetischen Großräumen zeigen
namentlich Interieurs für weibliche Bewohner manche
natürliche Anmut.
Auch ferneres Deutsche und Ausländische lockt in
verschiedenen Darstellungen, nicht zuletzt Danzig mit
mehreren Aufnahmen seiner Marienkirche und mit an-
deren dortigen Kirchen (J. K. Schultz 1801 — 1875
u. a.), sowie Warschau und Benachbartes (Gregorovius).
Nach Venedig führen wieder E. Gerhardt mit der
Taufkapelle von San Marco (1846), C. Werner mit
zwei flott gemalten Portalen, von Heiligenstatuen um-
geben, aus San Giorgio (1851).
Schließen wir mit den zahlreichen Erinnerungen an
Oberbayern und besonders München (F. Eibner,
K. A. Lebscliee, F. Zeiß u.a.), so fesseln uns am
ehesten Münchencr Stadtansichten von H. Doli: ihre
lockere, flockige Art weist doch schon aus Biedermeier
in eine Zukunft.
LEKTÜRE INS FELD
Wir berichteten in der letzten Nummer, S. 159, über
die Empfehlung, die Oberlehrer Joseph Gieben für die
Hefte >Die Kunst dem Volke« (Verlag der Allgemei-
nen Vereinigung für christliche Kunst, München, Karl-
straße 53) veröffentlicht hat. Nochmals weisen wir
dringend darauf hin.
Bisher sind folgende Monographien erschienen:
I. Albrecht Dürer, von Dr. Joh. Damrich, mit 60 Ab-
bildungen. 2. Ludwig Richter, von Dr. Hyazinth
Holland, mit 66 Abbildungen. 3. Weihnachten in
der Malerei, von Dr. Joh. Damrich, mh 48 Abbil-
dungen. 4. Beato Angelico, von P. Fr. Innozenz
M.Strunk, O. P., mit 65 Abbildungen. 5. Berühmte
Kathedralen des Mittelalters, von Dr. Oscar
Doering Dachau, mit 61 Abbildungen. 6. Joseph Rit-
tervonFührich, seinLeben und seineKunst,
von Heinrich von Wörndle, mit 64 Abbildungen.
7. Moritz von Schwind, von Dr. Hyazinth Holland,
mit 56 Abbildungen. 8. Berühmte Kathedralen
der nachmittelalterlichen Zeit, von Dr. Oscar
Doering-Dachau, mit 50 Abbildungen. 9. Hans Hol-
bein d. J., von Dr. Joh. Damrich, mit 55 Abbildungen.
lO./il. Murillo, von Dr. Adolf Fäh, mit 83 Abbil-
dungen. 12. Die Madonna in der Malerei, von
P. M. C. Nieuwbarn, O. P., mit 63 Abbildungen.
13. Ein Besuch im Vatikan, von Anton de Waal,
mit 58 Abbildungen. 14. Die Künstlerfamilie
della Robbia, von Dr. Oscar Doering-Dachau, mit
60 Abbildungen. 15. Die Altschwäbische Ma-
lerei, von Dr. Joh. Damrich, mit 50 Abbildungen.
16. Peter Paul Rubens, von Dr. Walter Rothes,
mit 55 .Abbildungen. 17/18. Die Altkölnische
Malerschule, von Dr. Andreas Huppertz, Köln, mit
105 .Abbildungen. 19. Domenico Ghirlandajo,
von Dr. Walter Bombe, mit 53 Abbildungen 20. Theo-
dor Horschelt, Schlachtenmaler, von Dr. Hyazinth
Holland, mit 64 Abbildungen. 21. Die deutsche
Burg, von Dr. O. Doering, mit 69 Abbildungen.
22. Peter von Cornelius, von Max Fürst, mit 56
Abbildungen. 23/24. Schlachtenmaler Albrecht
Adam und seine Familie, von Dr. Hyazinth Hol-
land, mit 108 Abbildungen.
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Das Nackte in der Kunst bei den Kirchen-
vätern. — In der Katholischen Kirchenzeitung, Nr. 47,
191 5 (Verlag A. Pustet in Salzburg) behandelt Prof
Dr. Gottfried Brunner dieses Thema und trägt damit
zur besseren Beurteilung der Frage nach der Zulässig-
keit der bildnerischen Darstellung des nackten mensch-
lichen Körpers in schätzenswerter Weise bei. Diese
Frage selbst wird, wie der Verfasser zutreffend bemerkt,
wohl nie aus dem Meinufigsstreit der Kulturmenschen
verschwinden. In der Praxis wird man auf Kompro-
misse angewiesen bleiben.
Die alten Kirchenschriftsteller haben das Thema
nicht um seiner selbst willen, von Berufs wegen, be-
handelt, sondern streiften es nur nebenbei und selten.
Prof Brunner versäumt nicht, bei seiner Untersuchung
die sehr wichtige Unterscheidung zu machen: Wie
stellen sich die angezogenen Schriftsteller zum Nackten
in der Natur, wie zum Nackten in der Kunst?
Zur ersten Frage kommen zum Wort: Cj'prian, Am-
brosius, Hieronymus, Chrysostomus, die Apostol. Kon-
stitutionen, auch auf Clemens Alexandrinus und Ter-
tullian wird hingewiesen. Das Ergebnis faßt Prof B.
in das Urteil zusammen: »So sehr die Väter auf Ehr-
barkeit und Schamhaftigkeit dringen, so sehen sie doch
im menschlichen Leib ein herrliches Werk Gottes.
Nicht finsterer Naturhaß spricht aus ihren Worten, son-
dern einerseits Bewunderung der Weisheit des Schöpfers,
andererseits die aus der Erfahrung geschöpfte Besorg-
nis über die Gefahren, die der Anblick des nackten
Körpers für die große Mehrzahl der schwachen Men-
schen mit sich bringt.«
Über die Frage des Nackten in der Kunst finden
sich Äußerungen bei Justin, Tatian, Clemens von Ale-
xandrien, Arnobius, Eusebius von Cäsarea, Zeno von
Verona, Theodoret, Sidonius ApoUinaris, Isidor von
Pelusium. Aus diesen Stimmen kann geschlossen wer-
den : »Wo die Väter gegen die Darstellung des Nackten
im Bilde eifern, da tun sie es nur, insoferne dasselbe
im ganzen Zusammenhang der dargestellten Handlung
und Persönlichkeit (Venus) die Vorstellung unsittlicher
Handlungen hervorrufen muß, oder wo das Bildwerk
zur Verherrlichung unsittlicher (historischer oder mytho-
logischer Persönlichkeiten dient. Außerhalb dieses
Falles verwerfen sie die künstlerische Darstellung des
Nackten nicht. Ihr Schweigen hierüber ist mehr als
beredt, und der einzige Isidor von Pelusium kann mit
Fug und Recht als Vertreter von vielen gelten.« Letz-
terer tritt ausdrücklich für die Berechtigung des Nackten
in der bildenden Kunst ein.
Bischöfliche Bildnisse. — Der Petrus Veriag in
Trier gab ein farbiges Blatt mit dem Bildnisse des
großen Mainzer Bischofs Wilhelm Emanuel Freiherr
von Ketteier heraus, das der Darmstädier Maler Pro-
VERMISCHTE NACHRICHTEN. — BÜCHERSCHAU
fessor Noack 1851 malte, ferner ein gleichfalls farbiges
Bildnis des Herrn Bischofs Dr. Michael Felix Korum
von Trier.
Das Bildnis eines Knaben (wohl der Ivleine
Titus) von Rembrandt ging aus dem Besitze des Lord
Spencer für 700000 Mark in andere Hände über.
Georg Szoldatics, ein ungarischer Künstler und
Schüler von Ludwig Seitz in Rom, malte nach dem
Leben ein Bildnis Benedikts XV., das die zarte und
doch sehr eindrucksvolle Gestalt des Papstes glücklich
wiedergibt. Das Gemälde wurde bei Benziger & Co.
in Einsiedeln farbig reproduziert.
Bildhauer Eugen Kaspar Dütsch (München)
fiel am 29. Januar infolge eines Halsschusses, nachdem
ihm sein Bruder (ebenfalls Bildhauer) bereits im Helden-
tod vorangegangen war. Er stand im 28. Lebensjahre.
Maler Franz Fuchs, der als österreichischer
Major im Felde steht, erhielt >für tapferes Verhalten
vor dem Feinde« das Signum laudis am Bande der
Tapferkeits-Medaille.
Wilhelm Stein hausen (Frankfurt a. M.) beging
am 2. Februar den 70. Geburtstag. Sein jüngstes Werk
sind die soeben vollendeten Fresken in der prot. Lukas-
kirche zu Frankfurt.
In München starb am 8. Februar Stadtbaurat Ar-
chitekt Wilhelm Bert seh, der Vorstand der Hochbau-
abteilung des Städtischen Bauamtes. Baurat Bertsch,
ein geborener (1865) Münchner, verhalf bei den Aus-
stellungshallen im Stadt. Ausstellungspark, dessen Ge-
samtanlage (1907/08) ihm anvertraut war, dem Eisen-
beton zu seiner vollen ästhetischen Anerkennung. Von
seinen Schulbauten ist vor allem die Volksschule an
der Versaillersstral3e zu nennen, bei der der Grundriß
eines zweireihigen Gebäudes mit quergestelltem ein-
reihigem Anbau interessant gelöst ist und die Verbin-
dung von romanischen und Renaissancemotiven be-
friedigt.
Professor Hermann Hahn (München) erhielt von
der Stadt Wiesbaden den Auftrag, für dessen Museum
eine Goethe-Figur zu schaffen. Der Künstler will das
Denkmal, das zwischen den antiken vier Säulen zu
stehen kommt, in klassischem Stil mit Goethe als Ju-
piter auf Wolken thronend darstellen.
Versteuerung des Kunstbesitzes. Nachdem
in der Tagespresse die Frage eingehend besprochen
wurde, ob es angängig und möglich sei, den Kunstbe-
sitz zu versteuern, stellt sich heraus, daß eine solche
Steuer nicht in Aussicht genommen ist.
Kriegsdenkmünzen. Die Münzprägeanstalt L. Chr.
L a u e r (Nürnberg) liat dem K. Kriegsarchiv inMünchen eine
Sammlung der von ihr geprägten Kriegsdenkmünzen ge-
geschenkt, die später noch erweitert werden soll und im
Kuppelsaal des Armeemuseums als Leihgabe >für ewige
Zeiten« zur Aufstellung kam. Sämtliche Stempel für Taler,
Medaillen und Plaketten und Entwürfe hierzu sind aus dem
Kunstatelier der Firma hervorgegangen. Die Modelle der
Porträts stammen teils von auswärtigen Künstlern, teils
von solchen der Firma und wurden durch Verkleinerung
auf der Gravier- und Reduziermaschine in den verschie-
denen Größen in Stahl geschnitten. Von den entwer-
fenden Künstlern nennen wir O. Hoppe, A.Hummel,
Bildhauer Wolf, E. Wrede, A. Hennig, Ferd. Lieber-
mann, Fr.König, Professor Seh wabe und Bildhauer
Ziegler. Die Erinnerungsmünzen zeichnen sich vor ähn-
lichen Stücken, wie sie auch aus der bayerischen Münze —
bei Geldstücken aus praktisclien Gesichtspunkten der
schnellen Abnützung im täglichen Verkehr — hervorge-
hen, vor allem durch ihre erliabene Arbeit gegenüber
der sonst üblichen Flachprägung aus. In sauberer Ar-
beit zeigen sie in feiner Bronzemischung oder in Silber
die Brustbilder der deutschen Bundesfürsten, des öster-
reichischen Kaisers, von Staatsmännern, Heerführern und
Helden zur See. Künstlerischen vorbildlichen Charakter
tragen die Münzen mit Sinnbildern wie der besonders
gelungene Titanenkampf Otto Hoppes und die deutsch-
österre'che Bündnismünze, deren Vorderseite ein schön
ausgefülltes, harmonisches Ganzes bildet. Die christ-
liche Kunst ist mit einem hl. Georg auf einer Anhänge-
münze vertreten. Eigenartig ist Wolfs Brotvertei-
lungsmünze. Volkskundlichen Wert besitzen die
Spottmünzen, wie sie uns ähnlich aus den ältesten
Zeiten überliefert sind, mit dem einen Franzosen und
Russen darstellenden Vexierkopf und dem Volkswitz von
den »unzertrennlichen« friedlichen Heerfülirern -= — — -
rre[nch
Es ist nur zu wünschen, daß die Anstalt sich ihre Stoffe
auch mehr aus der christlichen Kunst nimmt. z.
Regierungs- und Baurat Max Hasak, Privatdozent
an der Technischen Hochschule in Berlin, beging am
15. Februar seinen 60. Geburtstag.
Neues Werk von Bildhauer Carl Ludwig
Sand in München. — In Elbersroth (Mittelfranken)
wurde kürzlich ein Denkstein (»Marterl«) aufgestellt,
das der angeseliene Bildhauer Karl Ludwig Sand aus-
führte. Es ist 3'/2 Meter hoch, aus blauem Muschel-
kalkstein, mit einem Christus am Kreuz bekrönt und
fügt sich als prächtige Zier schön dem Dorfbilde ein.
Pfarrer Ludwig Heumann, der im vorigen Jahre die
Preise zu dem sehr anregenden Wettbewerb für Krie-
gervereinsfahnen bezahlte, ließ das Denkmal zur Er-
innerung an unsere große Zeit errichten. Er gab da-
mit allen Stellen und Personen, die etwas für die Kunst
tun können — und sollen, ein leuchtendes Beispiel,
sich, den Künstlern und seiner Gemeinde zur Ehre.
Wer schon jetzt einen Auftrag zu verwirklichen ver-
mag, spreche nicht: »Später nach dem Krieg!« son-
dern helle sogleich die Lage erleichtern. Für das
»später« lasse er die Zukunft sorgen. — Über C. L.
Sand vgl. Heft 4 des vor. Jgg., S. 99 fF.
Münchener Secession. Die Sommerausstellung
der Münchner Secession wird wie bisher auch in die-
sem Jahre im K. Kunstausstellungsgebäude am Königs-
platz abgehalten werden. An dieser Ausstellung kön-
nen sich auch diesmal wieder Nichtmitglieder beteiligen.
Die Ausstellungspapiere gelangen Ende März zum Ver-
sand. Nähere Auskunft erteilt die Geschäftsstelle der
Secession, München, Königsplatz i.
BÜCHERSCHAU
Das Neue Testament. Nach der Vulgata über-
setzt von Dr. Benedikt Weinhart. Illustr. Taschenaus-
gabe. Mit 40 Bildern nach Friedrich Overbeck und
4 Kärtchen. Herder in Freiburg. Preis in Leinen
M. 2.20.
Ich finde die Ausgabe textlich sehr wertvoll und
begrüße namentlich auch die Beigabe der herrlichen
Overbeckschen Bilder. So klein das Format ist, so
vorzüglich sind doch trotzdem die Wiedergaben. Sie
werden sicher dazu beitragen, dieser Ausgabe der hei-
ligen Schriften weite Verbreitung zu sichern.
Für die Redaktio
BEILAGE
VON WIEDER AUFGETAUCHTEN ALTEN BILDERN
VON WIEDER AUFGETAUCHTEN
ALTEN DEUTSCHEN BILDERN
Von Professor Dr. L. Frankel
I. Am 9. August v.Js. fand die erste gründliche wissen-
schaftliche Besichtigung des alten Deutschordenshauses
zu Franlifurt a. M. mit den Kunstwerken und Bildern
der Kirche, der Sal^ristei, des imposanten Stiegenhauses,
des Rittersaales und der andern historiscli oder künst-
lerisch bemerkenswerten Räume stau. Professor Dr.
Julius Hülsen führte und gab dazu in übersichtlicher
.Anschaulichkeit einen Umriß der Entstehung des erin-
nerungsreichen Baus und der vielgestaltigen Vergangen-
heit des Hauses selbst und der Kirche insbesondere.
»Heute, wo jeder Tag ein Blatt in der Weltgeschichte
füllt, weht dem Beschauer auch ein frischerer Zug aus
alten Dokumenten entgegen. Ein solcher Zeuge, ein
solches Dokument ist das Deutschordenshaus. Hier
spricht aus jedem Stein von Kirche und Haus die Ge-
schichte.« Urkundlich erscheint zuerst 1193 an diesem
Platz ein Hospital mit kleiner Kapelle, dann ging das
Besitztum an die Deutschmeister über, und Hospital
nebst Kirche blieben eng mit dem Geschick Frankfurts
verbunden, so besonders im Schmalkadischen Krieg, wo
sie arg litten. Im Dreißigjährigen Krieg schenkte Gustav
Adolf das Besitztum den Protestanten ; nach dem West-
fälischen Frieden bekam es der Orden zurück. Napo-
leon I. säkularisierte den Orden und zog sein Besitztum
ein. Der Wiener Kongreß sprach es Österreich zu, dieses
gab Kirche und Palast 1856 den Deutschmeistern, die
1881 den Gesamtbesitz an die katholische Gemeinde
verkauften. Der Neuhau der heutigen Kirche begann
im 14. Jahrliundert, trotz ihrer geringen Ausmaße eines
der schönsten gotischen Bauwerke Frankfurts, wurde
1750 in Barock umgebaut und mit neuer Fassade ver-
sehen und 1885 von Kirchenbaumeister Meckel in der
ursprünglichen Form wieder hergestellt. Die beim Ent-
fernen der Stuckatur aufgedeckten alten Wandbilder bil-
den einen wesentlichen Schmuck der Kirche; sie sind
teilweise aufgelVischt. Die interessantesten Ausführungen
des Redners waren die über das große und großartige
Altarbild »Die Himmelfahrt iMariä« des berühmten
Meisters Giovanni Battista Piazetta (geboren 1682 zu
Venedig), ein wahrhaft monumentales Kunstwerk von
neun Meter Hohe und fünf Meter Breite, 1756 vom kunst-
freundlichen ^\■ittelshacher Clemens August hergeschenkt.
Französische Plünderer haben es unter General Kleber
im Jahre 1796 aus der Deutschordenskirche geraubt und
die französische Konsularregierung 1801 der Stadt Lille
geschenkt. Die Einnahme letzlerer 19 14 brachte Deutsch-
land wieder sein rechtmäßiges Eigentum. Das Bild be-
findet sich jetzt in Berlin. Durch Granatsplitter leicht
beschädigt, hat es doch an Aussehen und Wert keinerlei
Einbuße erlitten. Wie über das Kunstwerk weiter verfügt
wird, weiß man heute noch nicht sicher. In Frankfurt a.M.,
dessen Stadtverwaltung und katholische Gemeinde ent-
sprechende und, wie es soeben heißt, erfolgreiche Schritte
getan haben, erhofft man allerdings, daß das Bild den
alten Platz in der Deutschordenskirche bekäme. Be-
sondere Verdienste in der Saciie erwarb sich ein kunst-
sinniger Frankfurter Bürger, Nikolaus Manskopf. Die-
ser zeigte den Anwesenden ein lehrreiches Bild, eine
Photographie eines alten Gemäldes, das, in Fürstlich
reußischem Besitze, einen Ahnherrn dieses Geschlechts
darstellt, wie er in der Frankfurter Kirche zum Deutsch-
ordensritter geschlagen wird. Übrigens liegt das Deutsch-
ordenshaus mit der Kirche in einem Teile der links-
mainischen Vorstadt Frankfurts, Sachsenhausens, der in
nächster Zukunft einschneidenden baulichen Verände-
rungen unterworfen und dessen Gesamteindruck groß-
zügig und prächtig werden soll. Dann wird das ehr-
Die christliche Kunst. Xll 7. 1. April 1016
würdige Deutschordenshaus mit der Kirche in neuem
Gewand und Rahmen ein eclites Schmuckstück des
neuen Südviettels der alten Reiclisstadt bilden.
IL Die neuentdeckten Werke des Meisters
Franc ke. Jüngst ist es gelungen, von einem der
größten altdeutschen Künstler, dem Hamburger Meister
Francke, den der vor einiger Zeit verstorbene Alfred
Lichtwarck, der Direktor der Hamburger Kunsthalle,
wieder entdeckt hatte, außer seinen Gemälden, dem Stolz
des eben genannten Museums, auch Bildhauerwerke
nachzuweisen. Wie nämlich die meisten altdeutschen
Künstler, stellte Francke in seiner Werkstatt beiderlei
Dinge für Altarwerke her. Nun wies Viktor C. Habicht
in der „Zeitsclirift für bildende Kunst" soeben nach,
wie die von ihm als Schöpfungen Franckes erkannten
Schnitzereien des Altars in der katholischen Kirche zu
Schiede hausen bei Osnabrück so starke Ver-
wandtschaft mit den entsprechenden Darstellungen auf
dem Hamburger Altar —- Geburt Christi und
Anbetung der Könige — zeigen, daß an der gleichen
Herkunft nicht zu zweifeln ist. Ein Engel, der bei der
Geburt des Jesuskindes ein Tuch am Feuer wärmt, so-
wie ein Page, der bei der Anbetung der Heiligen drei
Könige einem alten König die Sporen löst, gehören
zu den schönsten Erfindungen dieses vergessen ge-
wesenen Genius. Verfolgt man die Spuren des Bild-
hauers Francke weiter, so wie kürzlich zu Nykyrko
in Finnland ein Altar aus seiner Werkstatt mit Ge-
mälden und Plastiken ans Licht kam, so bekommt
seine noch längst nicht nach Gebühr gewürdigte Per-
sönlichkeit ein deutlicher ausgeprägtes Meistergesicht.
III. Gnesener Fresken. Wertvolle künstlerische
Funde erbrachten die Wiederherstellungsarbeiten der ka-
tholischen St. Johanniskirche zu Gnesen. Bei den
Innenarbeiten an diesem im Jahre 1243 erbauten Gottes-
hause wurden im Chorraum, in den Nischen und hinter
dem Hauptaltar acht große Freskogemälde frei-
gelegt, die jahrhundertelang unter Verputz versteckt ge-
legen. Die Bromberger Königliche Regierung ordnete
sofort eine eigene Kommission ab, um das Weitere lür
Schutz und Restaurierung zu veranlassen. Unter den
10 Gotteshäusern des nur 25 000 Einwohner zählenden
Stadtchens Gnesen steht natürlich der an Kunstschätzen
reiche, fast 1000 Jahre alte Dom an erster Stelle. Je-
doch steht seit einiger Zeit eben die namentlich in
architektonischer Beziehung beachtenswerte Kirche zu
St. Johannis, die auf eine 700jährige Vergangenheit zu-
rückblickt und der katholischen Schulgemeinde gehört,
mehr als sonst im Vordergrunde des Interesses. Bei
jenen auf staatliche Veranlassung jetzt ausgeführten durch-
greifenden Erneuerungsarbeiten nämlich wurden durch
Zufall im Innern die großen Freskogemälde unter dicker
Tüncherschichte aufgedeckt. Diese Bilder, von denen
besonders die an der Wand hinter dem Altar aufge-
fundenen bedeutenden Kunstwert zu besitzen scheinen,
sollen nach Möglichkeit in ihrer ehemaligen Farben-
pracht wiederhergestellt werden. Die zuständige Be-
hörde der Posener Staatsregierung hat bereits die dazu
erforderlichen Maßnahmen ergriffen.
IV. Das Altarwerk Scorels vor Kriegsgefahr
gesichert. Zu Obervellach (Kärnten) befindet sich
ein herrliches Altarwerk (1520) Jan van Scorels, je-
nes hervorragenden Holländers, der für Wendung der
niederländischen Kunst zum Italianismus bedeutsam ge-
wirkt hat. 1881 ward es von Obervellach nach Wien
gebracht, wo es von Karl Scliellein, dem Restaurator
der Belvedere-Galerie, einer gründlichen Reinigung unter-
zogen wurde ; es hat dann die Obervellacher Ortskirche
seit seiner Heimkehr bis jetzt nicht mehr verlassen. Nun-
AUSSTELLUNG IM WIENER KÜNSTLERHAUS
mehr im Sommer 191 5 haben sich jedoch die zustän-
d^en Behörden veranlagt gesehen, diesen kostbaren
Kunstschatz in Sicherheit zu bringen, weil er an seinem
Standort infolge der Nähe der italienischen Angrifisfront
allzusehr der Boinbengefahr ausgesetzt war. Daher ist
der Altar neuerdings auf Veranlassung der österreichi-
schen k. k. Zentralkommission für Denkmalspflege nach
Wien t'eschafft worden, woselbst er in den Aufbe-
wahrungsräumen der Staatsgalerie untergebracht ist und
neu in den allgemeinen Gesichtskreis tritt. Mit zwei
auf beiden Seiten bemalten Flügeln stellt er die heilige
Sippe dar.
DIE HERBSTAUSSTELLUNG IM WIENER
KUNSTLERHAUS
T/^aum daß die bereits mehrfach erwähnte Kriegsbilder-
^ Ausstellung ihre Pforten geschlossen hatte, wurde
die alljährliche Herbstausstellung im Wiener Künstler-
haus, von dessen Dach noch immer die Rote-Kreuz-
Fahne weht, eröffnet. Diesmal konnte nur das Ober-
geschoß seinem ursprünglichen Zwecke zugänglich ge-
macht werden, da ja die großen Säle im Erdgeschoß
unseren verwundeten und erkrankten Kriegern einge-
räumt sind. Die Ausstellung ist infolgedessen natürlich
nicht so umfangreich, wie es ihre Vorgängerinnen in
Friedenszeit zu sein pflegen, ersetzt aber glücklicher-
weise an Qualität, was ihr an Quantität diesmal ab-
geht. Übrigens sind woiil sämthche bekannte Namen
der Wiener Künstlerschaft vertreten und das Erfreulichste
mit an der gegenwärtigen Ausstellung ist der Um-
stand, daß der Vermerk >Angekauft« recht häufig zu
bemerken ist.
Wenn auch in den Wiener Ausstellungen das reli-
giöse Moment im allgemeinen gerade nicht sonderlich
bevorzugt wird, so läßt sich dieses Mal mit Genug-
tuung feststellen, daß einige Bilder mit mehr oder
minder religiösem Einschlag vorhanden sind. Am meisten
in die .\ugen fallend ist Temples >Festmesse im Künst-
lerhaus«, das einen Gottesdienst im Lazarett dieses
Hauses darstellt. Es ist von tiefer Wirkung, von aus-
gezeichneter Komposition. Das viele Weiß in den
Meßgewändern und den Trachten der Pflegerinnen, die
gedämpfte Farbe dazwischen von Uniformen, von Ver-
wundeten, die auf ihrem fahrbaren Lager unter den
Andächtigen Platz gefunden haben, ist in meisterhafter
Weise verteilt, nicht zu vergessen die charakteristischen
Köpfe, die sämtlich Porträts sind. Vorzüglich in Kompo-
sition wie Ausführung ist auch das religiöse Genrebild :
»Bittgang im Gebirge« von Rudolf Glotz, der in diesetn
Temperabild eine hochanerkennenswerte Leistung bietet.
Ueber Alpenmatten schreiten einige knochige Bauern-
gestalten, eckige schwer daherstapfende Männer und
Frauen, die uns den Rücken kehren. Die nachhaltige
und eindrucksvolle Wirkung dieses Bildes dürfte sich
bei einer Ausführung im Großen noch steigern. Recht
stinmiungsvoll hat Julius von Blaas eine Szene »Bitt für
uns« gemalt: einen vor einem Bildstock andächtig beten-
den Landmann. Eichhorns Bild »Am Kircheneingang«
ist aus dem ruthenischen ^'olksleben geschöpft, eine
ebenso schöne wie fleißige Arbeit. Eigenartig aber
durchaus vornehm in der Empfindung wirkt Currj's
»Christus am Brunnen«, das sowohl im Figürlichen wie
Landschaftlichen einen seine besonderen Wege gehen-
den denkenden Künstler verrät. J. Kinzl stellt eine an-
sehnliclie Studie »Das Kreuz; aus (vermutlich aus dem
Kircheneingang zu Weissenkirchen in der Wachau\ be-
merkenswert durch das prächtige Licht, das durch die
Lücken der alten Holztüre hereindringt und um das
Kruzifix in Streifen aufflitzt. Eine treffliche Architektur
i;t auch Graners »Christusfigur« in der Mauernische
zwischen den Strebepfeilern an der Apsis der Stefans
kirche, die durch ihre Einfachheit und Sicherheit ange-
nehm auffällt; auch des gleichen Künstlers »Blick auf die
Karlskirche« zeigt große Vorzüge.
Profanes Genrebild und Landschaft sind wie
auch sonst wieder sehr zahlreich vertreten und es dürfte
wohl genügen, das Wesentlichste hiervon kurz zu skiz-
zieren. Zuerst Schachingers > Kirchweihfest«, ein leben-
diger Farbenrhnhmus, mit großer koloristischer Feinheit
ausgeführt. Tom von Dreger bringt eine ausgezeichnete
Porträtstudie »Der Talmudisf-, Lanvie ein »Zigeuner-
mädchen« und köstliche »Wiener Vorstadtbuben«, Karl
von Probst ein feines Bild »Kleine Gäste«, Gsur eine
»Glasbläserei«, Duxas »In der Scheune«, Viktor Scharf
»Lesendes Mädchen«, Helene Wörndle »Im Garten«,
Isidor Epstein »Auf einer \'eranda«, Windhager »Der
erste Schultag«. Bei den Landschalten fesselt J. Kauf-
manns »Flüchtling aus Zboro« durch seine sinnig charak-
teristische ,\usführung. Goltz »Abend an der Reichs-
brücke in Wien« besticht durch seine vorzügliche Farben-
technik. Gellers Studien aus der Wachau — Weißen-
kirchen — fesseln den Beschauer durch ihre große Natur-
wahrheit und geschickte .Ausführung nicht minder seine
malerischen Hof-Interieurs. David Kohn zeigt einen alten
polnischen Flüchtling in beredter Rötelkunst. O Lynch
of Town, der Steirer mit dem englischen Namen, hat
die »Kar wendelspitze vom Kreuzberg« aus gemalt und
zwar in einer selten gesehenen Pracht, Kasparides stellt
einen > Herbstabend' aus, an dem die au<;gezeichnete
Modellierung und Tonreinheit besonders wirkungsvoll
in die Erscheinung tritt. Brunners »Bergplateau«, Dar-
nauts «Stubentorbrücke«, Hans Massmanns »Das einsame
Haus«, Adolf Kaufmanns »Heranziehendes Gewitter«,
Tomees »Wienerwald', Ranzonis »Winterbilder«, Zofls
»Yserkanal bei Ypern«, Charlemonts ».\lra< müssen un-
bedingt erwähnt werden. Sehr bedeutend ist auch die
»Atelierecke« des eben erwähnten Meisters. Ein reizen-
des Stilleben • — Marionetten — mit viel Fleiß und Ver
ständnis gemalt, bringt Charlemonts Tochter Lilly. Die
Altniederländischen Trachtenbilder Hans Hampas sollen
ihres ausnehmend prächtigen Kolorits wegen aufgeführt
werden; auch das Stilleben Hörwariers findet viele
Beachtung.
An Porträts sind es hauptsächlich solche von Fer-
raris (Frau Jeritza und Alfred Grünfeld). Temple (des
Künstlers Gattin). Rauchinger, Stalzer, Nine Zarkowich
und Anderen, von den früheren Ausstellungen her Be-
kannte, die uns auftauen. Auch Altmeister .Angeli bringt
wieder einige Herren- und Damenporträts zur Ausstellung.
Bei den Porträts möchten wir nicht das Damenbildnis
von Fritz Zerritsch vergessen, das seiner vielseitigen Vor-
züge in malerischer wie zeichnerischer Hinsicht wegen
Bewunderung findet. Sehr gediegene Studienköpfe findet
man von Krestvn, L. Mayer und Ernst Peyer, dessen
»Oberösterreicherin« geradezu erfrischt. In der Gra-
phik ist es wieder Fritz Zerritsch, der besonders auf-
fällt. Er glänzt mit einer Kohlenzeichnung, ein Amateur-
quartett darstellend, das in gutem Sinne natürlich —
an Schnitzers Joachim -Quartett anklingt und erinnert.
Recht hübsche und wertvolle Radierungen sind von
Ciold, Hradil, Emma Hrnczyrz, Herta Gobany-Czoernig
und Raimund Wolf ausgestellt. Die Plastik ist in sehr
beschränktem Umfange vertreten. Hier sind es in erster
Linie die Büsten von Alfonso Canziani, dem Scliöpter
des geistvollen Dante-Denkmals, die wohltuend hervor-
ragen. Auch Sendls lustitia — ungewohnterweise ohne
Binde — , aus Holz geschnitzt, ist eine tüchtige Leistung.
Sonst sind meist nur noch Werke der Kleinplastik vor-
handen, so Gorniks lebensvoll »Attakierender Dragoner«.
Kirschs und Hackstocks »Porträtplaketten«. Anmutig
ausgeführt ist eine kleine Keramik Schwerdtners, die
Porzellanfigur einer »Schwester vom Roten Kreuz.
VAN DER GOES. - L. BOLGIANü. - VERMISCHTE NACHRICHTEN
Ehe dieser Bericht zum Schlüsse gelangt, sollen auch
noch einige Kunstwerke genannt werden, die Augen-
blicksbilder des gewaltigen Ringens der Nationen zum
Vorwurf haben. Adolf Schwarz stellt (neben einigen
sehr hübschen Stimmungen von der dalmatinischen
Küste) ein vorzüglich gemaltes Bild »Die Kaperung
eines italienischen Dampfers durch ein österreichisch-
ungarisches Unterseeboot« aus, Julius von Blaas eine
Bäuerin am Pflug, betitelt >Sein braves \Veib<, der
verwundete Bauer schreitet nebenher. Windhagers > 191 5 «,
die frischen Farbenskizzen Fahringers und die feinen
Zeichnungen Breidwiesers sind in der Hauptsache die
Schöpfungen, die uns vom Kriege in anschaulicher Ge-
staltung erzählen. ' Riclurd RieJl
EINE NACHBILDUNG DER »ANBETUNG
DER WEISEN« DES HUGO VAN DER
GOES
Im >Pionier< (Septemberheft des Jahrganges 1914— 15)
habe ich die vom Berliner Kaiser Friedrich-Museum
jüngst aus Spanien erworbene Anbetung der Weisen
des Flamen Hugo van der Goes (f 1482) einer Be-
sprechung unterzogen. Von dem herrlichen Gemälde
liegt jetzt eine in reinem Farbenlichtdruck liergestellte
Nachbildung vor. Sie besitzt eine Bildgröße von
66:40,2 cm, ist also nur auf etwa ein Viertel der
Originalgröße reduziert worden, wodurch es möglich
war, jede zeichnerische und koloristische Feinheit des
Vorbildes klar und gleichwertig wiederzugeben. Die
Reproduktion ist in dem rührahch bekannten Verlag
>Vereinigte Kunstinstitute A.-G. vormals Otto
Troitzsch, Berlin-Schöneberg« erschienen, der
sich seit langen Jahren um die Vervielfältigung erster
Meisterwerke alter und moderner Malerei verdient
macht. Auch das hier in Rede stehende Blatt ist eine
technische Leistung vorzüglichsten Ranges; es wird
die Ansprüche und Wünsche des Sammlers, Historikers
und Kunstliebhabers befriedigen; ganz besonders ist es
zum erlesenen Wandschmucke von Wohnungen und
Kapellen geeignet. — Das Original stammt aus der
Blütezeit älterer flandrischer Kunst; ich vermute, daß
es bald nach seiner Entstehung nach Spanien gekom-
men ist, welches damals mit den Niederlanden in
engem politischem und kulturellem Zusammenhange sich
befand; in den letzten Jahren des 16. Jalirhunderts
wurde es dann, vielleicht weil es den veränderten
Kunstauffassungen nicht mehr zu entsprechen schien,
dem damals gegründeten Kloster Monforte (in Nord-
spanien) überwiesen, und dort dürfte es meines Er-
achtens gewesen sein, wo man, um seine Aufstellung
zu ermöglichen, es seines oberen Aufsatzes und seiner
Flügel beraubt hat. Der Verlust ist sicher höchlich zu
bedauern; aber was uns übrig geblieben, ist gleichwohl
ein Kunstwerk von ausgezeichnetsten Eigenschaften.
Die Charakterisierung der Personen geht großenteils
in Tiefen, welche nur dem mit Seherblick begnadeten
Künstlergenius ergründbar sind. Von wundervoller
Feinheit ist die Ausführung jeglicher Einzelheit — selbst
der scheinbar unbedeutendsten, wie des valenzianischen
und des kölnischen Gefäßes in der Nische oben, oder
der Blumen und Gräser; daneben sehe man die Male-
rei der herrlichen Gewandstoffe aus Venedig, der ver-
schiedenen Pelzsorten usw. Wie die Nachbildung
keiner dieser Feinheiten etwas schuldig bleibt, so auch
keiner Nuance der Färbung. Sie ist lebhaft — viel-
leicht war ursprüngUch das Bild für einen ungünstig
beleuchteten Raum bestimmt — und doch voll herr-
licher Harmonie und Vornehmheit. Der älteste der
Weisen mit seinem tiefroten Mantel bildet den Mittel-
punkt, um ihn gruppieren sich andere Schattierungen
von Rot, dann folgt Blau, Violett, goldig getöntes Gelb
usw. Die Gesamtwirkung der Reproduktion komtnt der
des Originals so nahe, als es mit Hilfe neuester Tech-
nik nur möglich ist. — Der Preis des Blattes ist auf
Feinpapier 20 M., auf imitiert Japanpapier 50 M.
LANDSCHAFTSZEICHNUNGEN LUDWIG
BOLGIANOS
pine kleine Kollektion von Zeichnungen des Professors
Ludwig Bolgiano, die während zweier Oktober-
wochen beim Münchener Kunstverein ausgestellt war,
gewährte interessanten Einblick in das Schaffen dieses
ausgezeichneten Landschafters. Sie gab die Möglichkeit,
sein Talent nach einer Seite zu würdigen, die man im
allgemeinen weniger bei ihm kennt, während sie doch
charakteristisch für ihn ist. In den Ausstellungen des
Glaspalastes, Kunstvereins usw. erscheint Bolgiano für
gewöhnlich mit Gemälden von breiter Pinselführung
und kraftvollem Kolorit ; er erreicht damit Wirkungen,
die sich des Beschauers ohne weiteres bemächtigen.
Viel schwerer ist dies für die Zeichnung, sie ist in ihren
Ausdrucksmöglichkeiten von vornherein eingeschränkt
und muß somit innerliche Eigenschaften besitzen, die,
um gewürdigt werden zu können, wieder vorzugs-
weise auf innerliches Verständnis und größere Abstrak-
tionsfähigkeit des Beschauers angewiesen sind. Bolgianos
jetzt in die Öffentlichkeit gebrachte Landschaftszeich-
nungen sind während der letzten zehn Jahre entstanden;
Motive aus Bayern und Tirol überwiegen, einige stam-
men von Rügen, auch aus Norwegen. Am liebsten
sucht Bolgiano solche, bei denen sich Landschaft und
Architektur vereinen ; er fand sie z. B. in Regensburg,
Nördlingen, Rothenburg, Tittmoning, Donauwörth,
Riedenburg, Eichstätt, Burghausen, Wasserburg, Sterzing,
Riva usw. Landschaft ohne Belebung durch Menschen-
werk erscheint in Bolgianos Studien aus dem Wörnitz-
tale, Rügen usf. Ausgezeichnete Kunst der Verein-
fachung kennzeichnet diese Werke; zum Vorzüglich-
sten gehört auf vielen von ihnen die Schilderung von
Wasserspiegelungen. Ausgeführt sind die Studien mit
Tusche, Kreide oder Bleistift. Daß der Kolorist auf
farbige Reize nicht völlig verzichten mochte, ist erklär-
lich. Also hat er vieles auf getöntem Fonds gezeich-
net und auch manclies mit leichten Farben angelegt.
Dennoch befleißigte er sich größter Zurückhahung, der-
art, daß er sich vielfach darauf beschränkte, nur mit
Weiß zu höhen. Gelegenthch, wie bei einer Zeich-
nung der Eichstätter Willibaldsburg — einem Blatte
von prachtvoller Einfachheit — ist auch hiervon abge-
sehen. Jedes Blatt wirkt als in sich abgeschlossenes,
vollendetes Gemälde, sicher und tiefgründig in seiner
Charakterisierung, still und doch lebensvoll. Doenng
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Dresden. Die katholische Hofkirche in Dresden soll
einen Kreuzweg erhalten. Eine Kommission, deren
Sitzung S.Kgl. Hoheit Prinz Johann Georg beiwohnte, be-
schloß über" die Platzfrage, Ausführungsart und Wahl
eines Künstlers. Man entschied sich für Malerei, die
Ausführung wurde auf Vorschlag S. K. H. des Prinzen
dem Maler Franz Xaver Dietrich (München) über-
tragen, nachdem sich die Kommission von der hohen
Begabung des Künstlers überzeugt hatte, dessen letztes
großes Werk, das Hochaltarbild der Himmelfahrt Maria
für die Kirche in Neustift bei Freising war.
Das Grabmal des Rechnungsrates Ch. Übelacker
und seiner Tochter Maria im Waldfriedhof zu München
BÜCHERSCHAU
wurde von dem Maler Jos. Fellermeyer in Berlin
mit einem Bilde »Caritas« geschmückt, das die Züge
von Frl. Marie Übelacker festhält.
Am 19. Januir verstarb zu München Professor Louis
Braun im Aller von 80 Jahren. Der Verstorbene, dessen
Namen einst in der Entwicklungsgeschichte der Schlach-
tenmalerei, der er sich nach dem Kriege 70/71 mit be-
sonderer Hingabe widmete, einen guten Klang haben
wird, widmete sich seit den achziger Jahren aucn der
Landschafts- und Genrekunst. Zwei stimmungsvolle Ge-
mälde in seinem Atelier zeugen noch von dieser Kunstbe-
tätigung. In dem künstlerischen Nachlasse Brauns, eines
nie Rastenden, befinden sich einige Kohle- und Bleistift-
skizzen, die wie der Einzug Prinz Leopolds in Warschau,
ein Kirkisen- und Tatarenlager an der Grenze und kriegs-
gefangene Franzosen beim Hopfenzupfen beweisen, wie
sich der Künstler noch kurz vor seinem Hinscheiden
mit den Eindrücken dieses Krieges auf seine Art abfand.
Wenig gewürdigt wird Brauns Kompositionstalent, das
ihn zur Bewältigung der figurenreichen Schlachten- und
Panoramabilder befähigte. Seine treffsichere Zeichen-
kunst, die er mit Leichtigkeit ausführte, stellte er in
früheren Jahren auch in den Dienst der Illustration.
Stadtbaurat Professor Dr. Grass el vollendete Modell
und Pläne zu einer neuen protestantischen Kirche in
München, die am Valleyplalz als Friedenskirche ent-
stehen soll. Der Architekt lebte sich ganz ein in den
Stil der altprotestantischen Saalkirchen. Unter Verzicht-
leistung auf eine Chornische stellt er hinter den Altar
an die schrägabgeschnittene Wand die als Schmuckstück
gedachte reichgeschnitzte Kanzel. Um nach außen den
für uns gewohnten Kirchencharakter zu bewahren, be-
nutzt er einen chorähnlichen Anbau zur Unterbringung
des Konfirmandensaals und der karitativen Zwecken
dienenden Räumlichkeiten. Das Innere, ein Rechteck
mit abgeschrägten Ecken, erhält durch seine Schachtel-
form, die Kassettendecke, die verzierten Zwickel zwischen
den Pfeilern und die Fassungen einen warmen Ton.
BÜCHERSCHAU
Kalender Bayerischer und Schwäbischer
Kunst 1916 von Joseph Schlecht. München, Gesell-
schaft für christliche Kunst G. m. b. H. (F. Bruck-
mann A -G.)
Wiederum zieht Joseph Schlechts «Kalender
Bayerischer und Schwäbischer Kunst« in die Lande
und erobert sich die Herzen jener, die mit ganzer
Seele an heimathcher Kunst und heimatlichem Boden
hängen. Heuer ganz besonders ! Nicht bloß, weil der
gegenüber anderen Jahren vermehrte Umfang und rei-
chere Bilderschmuck die ungels ochene Spannkraft des
deutschen Geisteslebens auch nach dieser Richtung. hin
zum Ausdruck bringt, sondern vor allem deshalb, weil
es die Absicht des verdienten Herausgebers ist, »künftig
auch die Volkskünste mehr als dies bisher geschah, zu
berücksichtigen. Unsere Wohnhäuser mi Gebirge wie
im Flachlande, unsere altbayerischen und schwäbischen
Landkirchen, unsere kleinen Museen und Sammlungen
bieten Stoff genug hierfür« (S. 22). Möchten die für
dieses Mal noch etwas schüchternen Versuche, auch
die Volkskunst in Schlechts Kunstkalender heimisch zu
machen, von selten der Fachleute tatkräftige Unter-
stützung finden! Schade, daß Max Hoefler nicht mehr
lebt, er hätte dem Herausgeber für diesen trefflichen
Gedanken mit beiden Händen gedankt und ihm für
diesen Plan die ganze Liebe seines Herzens und die
ganze Kraft seines Geistes geliehen. Ein dankenswertes
Objekt für solche Bestrebungen wäre z. B. die meines
Wissens nach dieser Hinsicht noch nicht ausf^ebeutete
reichhaltige Kunstsammlung des im vergangenen Jahre
verstorbenen Bezirksgeometers Staudinger in Tölz.
Unter den Beiträgen nennen wir im einzelnen den
aus Phil. M. Halms Feder stammenden Artikel »Aus
Belgien« (S.5— 5), der den Spuren des Kunstsinns Max Ema-
nuels in dem nunmehr eroberten Belgien nachgeht.
Von Hans Karlinger stammt »Ein romanisches Wand-
gemälde aus Kloster Prülening« (S. 5- — 7), von Otto
H artig »Der Ehrenspiegel des Hauses Österreich«
(S. 8 - 9). Unser ganz besonderes Interesse erregt
Richard Wiebel mit seinem Aufsatz über »Irsee«
(S. 12 — 14). Wer je einmal die Kanzel der Irseer
Klosterkiiche in ihrem originellen Aufbau gesehen hat,
in dem wird der Wunsch lebhaft werden, es möchte
doch auch in unseren modernen Kanzelbau etwas mehr
Geist hineinfahren. Die Kanzel ist doch mehr als Kiste
und Deckel ! — Wenn übrigens der Besucher Irsees
seinen Weg nicht über Leinau, sondern die alte Reichs-
stadt Kaufbeuren nimmt, dann entdeckt er in dem sonst
an alten Kunstschätzen nicht gerade reichen Städtchen
doch auch ein Kleinod : die in ihrer baulichen Anlage
wie in ihrem Bilderschmuck gleich originelle Blasius-
kirche. Vielleicht bringt sie der »Kalender« im näch-
sten Jahre!? — Vom Herausgeber selbst stammen die
beiden Abhandlungen »Bernhard Strigel und Hans zu
Schwaz« (S. 9 — 11) und »Roman Anton Boos«(S.2i).
Von der in ihrer Anlage sehr alten Kirche »St. Kassian
in Regensburg« (S. 19 — 21) berichiet J. A. Endres.
Felix Mader verfolgt die Tätigkeit des »Dominikus
Zimmermann in Würzburg« (S. 14 — 16). Ad. Feul-
ner berichtet über die prachtvolle Klosterkirche von
»Zwiefalten« (S. 16 — 19), ein Werk des Johann Michael
Fischer. — Auf wenig Seiten viel Genuß ! Das ist das
beste, was man von Kunstpublikationen sagen kann.
Bamberg. Ludwig Fischer
Altf änkische Bilder 1916 mit erläuterndem Text
von Dr. Theodor Henner. Herausgegeben und ge-
druckt in der Kgl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A.-G.,
Würzburg.
Im 22. Jahrgang liegt der »Altfränkische Kalender«
unter welchem Namen sich die »Altfränkischen Bilder«
weit über Frankens Gauen Freunde erwarben, vor, trotz
allen durch den Krieg gebotenen Hemmnissen und dem
Tod seines Begründers, ^^'ie der Herausgeber im Vor-
wort, so gedenken auch wir schmerzlich des Todes
(29. Juni 191 5) des Geh. Kommerzienrats Dr. Heinr.
Stürtz, der mit dem Kalender eine vorbildliche Einrich-
tung schuf, ohne dabei, wie es bei ähnlichen Unter-
nehmungen meist der Fall zu sein pflegt, die geschäft-
lichen Interessen in den Vordergrund zu stellen. Wir
freuen uns daher, die »Bilder« trotz dem Tode des Be-
gründers durch das Verdienst Dr. Henners im alten
Rahmen begrüßen zu können. Die Umschlagbilder
nehmen unauffällig und doch wirksam auf die rauhe
Jetztzeit Bezug in den »Segnungen des Friedens«, wie
sie der Einband der Beurkundung über die letztvoll-
zogene Wahl eines AX'ürzburger Fürstbischofs (1795)
enthalten, und einem Landsturm-Reitersmann von Anno
1814. Von dem eigentlichen Inhalt und reichen kunst-
und kulturgeschichtlich interessanten Bildermaterial
mögen wir vor allem auf das »ostfränkische Herzogs-
schwert« von ungefähr 1460 sowie die Artikel »Bay-
reuth« und »Creußen« verweisen. In »Aug. Geist«
tauchen die Erinnerungen an die Zeit König Ludwigs 1.
auf, unter dessen Einfluß auch dieser Landschaftsmaler
stand. w. z.
Für die Redakti
-rlich ; S, Staodhai
BEILAGE
WERKE VON TH. BUSCHER. — KUDERAUSSTELLUNG
NEUE WERKE VON THOMAS
BUSCHER
r^as kleinere Portal der Nordfront der Mün-
'-^ ebener St. Paulskirche hat durch zwei, im
Dezember vorigen Jahres aufgestellte lebens-
große Statuen, die Professor Thomas Buscher
angefertigt hat, eine hervorragende Zierde
erhalten. Dargestellt sind Kaiser Heinrich II.
und seine Gemahlin Kunigunde. Des ersteren
Antlitz ist mit freier Aultassung jenem ange-
ähnelt, welches die Statue des Kaisers am
Portale des Bamberger Domes zeigt, jedoch
individueller; die Augen haben einen etwas
müden Ausdruck, wie die jemandes, der
schwere Gedankenarbeit verrichtet. Vom Schei-
tel fließt das lockige Haar hernieder, der Bart
ist kurz und leicht gelockt. Der Kaiser steht,
wie auch die Kaiserin, in ruhiger Haltung da.
Auf dem Haupte trägt er die Krone, über
dem Untergewande den schweren, in ruhigen,
schönen Falten fließenden Mantel, der am
Halse durch eine Schnur zusammengehalten
wird und über den Armen prächtig drapiert
ist. Die rechte Hand hält das Szepter schräge
vor der Brust, die Linke den Reichsapfel.
Das Antlitz der hl. Kunigunde, die auf der
(vom Beschauer) rechten Seite des Portalvor-
baus steht, ist des Künstlers freie Eingebung;
es zeigt frauenhaften, reinen und edlen Aus-
druck. Das Haar ist in zwei dicken Flechten
angeordnet, die wulstig die Ohren bedecken.
Mit beiden Händen hält die Kaiserin das
Modell des Bamberger Domes. Auch sie ist
gekrönt. Über dem Untergewande trägt sie
eine ärmellose Jacke, deren längliche, unten
zugespitzte Form dazudient, die Figur schlanker
erscheinen zu lassen; außerdem einen Mantel,
der aufgeraff't und unter dem rechten Arm
eingeklemmt ist, während über dem linken
Arm ein Bausch hängt; die Anordnung be-
wirkt, daß der Stoft' vor der Mittelpartie eine
schöne Biegung macht. Überhaupt zeichnet
sich die, Figur durch einen Linienschwung
aus, der bei aller monumentalen Ruhe leichte
Anmut besitzt und zu der größeren Wucht
der Kaisergestalt gleichzeitig den Gegensatz
und die Ergänzung liefert. Die Formengebung
entspricht dem Stil der Kirche, deren Gotik
sich der des 14. Jahrhunderts anschließt. —
Das Material ist Sandstein. Er zeigt leichte
hellgelbliche Tönung und die Figuren wirken
daher warm vor dem grauen Hintergrund
der Architektur. In der Nähe betrachtet, er-
weisen sie sich als zart polychromiert, wie
es etwa solche älteren Statuen sind, deren
ursprüngliche Bemalung seit langer Zeit atmo-
Die clitistliclie Kunst. XII. 8. t. Mai I916
sphärischen Einflüssen ausgesetzt war. An
den Gewändern findet sich grünlicher und
rötlicher Anhauch, die Lippen und Augen
sind ganz leicht gefärbt, ebenso des Kaisers
Haare; die der Kaiserin sind zart vergoldet,
auch das Szepter, der Reichsapfel, die Kronen,
die gestickten und befransten Gewandsäume.
Der Eindruck ist vornehm und wohltuend.
— Die Sockelkonsolen sind aus grauem Kalk-
stein und mit je einem musizierenden Manns-
figürchen geschmückt, welches nach mittel-
alterlicher Auffassung ein sinnbildliches, profan
scheinendes Gebilde ist.- ^'.Doering
ren£ kuder-ausstellung;
Jn den Räumen der Gesellschaft" für christliche Kunst
wurde am 14. Februar eine für einige Wochen be-
rechnete Ausstellung von Werken Rene Kuders eröffnet.
Unsere Zeitschrift hat die Persönlichkeit und das Schaffen
dieses Künstlers im heurigen Februarhefte besprochen
und eine Anzahl Kuderscher Arbeiten abgebildet, auch
auf frühere Gelegenheiten hingewiesen, wo Wort und
Bild ihm gegolten haben. So ist für den Leser dieser
Zeilen eine Grundlage geschaffen, um sich von der Aus-
stellung einen Begriff' machen zu können. Natürlich
kann durch jene Dinge die Anschauung der Originale
nicht ersetzt werden. Erst sie geben die rechten Auf-
schlüsse, erst ihre Anzahl vermittelt auch eine Vorstel-
lung von dem Fleiße und der äußeren künstlerischen
Leistungsfähigkeit dieses jungen Mannes, der als fertiger
Meister an die Oeffbntlichkeit zu treten vermochte, als ein
Künstler,dessen Talente solche Könner wie Arthur Kampf
und Max Liebermann gleich auf die erste Probe hin Aner-
kennung zollten. Seine Ausstellung war geeignet, die
Vermutung zu rechtfertigen, man werde ihn jenen
Meistern einst gleich schätzen müssen. Schon jetzt
dürfen wir sagen, daß wir an ihm einen der ganz
Bedeutenden unter den Modernen besitzen. Gehoben
von Lebhaftigkeit unbefangenen Empfindens; darauf be-
dacht, dies frisch, aufnähme- und ausdrucksfähig zu er-
halten; belebt von Wärme des Gefühls; ausgerüstet mit
Schärfe eindringlicher Beobachtungsgabe und mit der
Fähigkeit, und dabei mit der Gewissenhaftigkeit, seine
Beobachtungen kennzeichnend, treffend, überzeugend
wiederzugeben ; erfüllt von der Begeisterung für die
Schönheit und von Ehrfurcht vor der Wahrheit — so er-
greift Kuder seine Gegenstände, so zeichnet und malt
er sie. Die Ausstellung zeigte ihre Fülle, und auch die
eine starke Wurzel, aus der diese erwächst: das Natur-
gesetz. Indem Kuder diesem nachgeht, es in den Er-
scheinungen zu ergründen sucht, gelangt er dazu, es
zu verstehen und auszulegen. So läßt er den Geist
der Landschaft in einfacher, stiller, ergreifend großer
Sprache zu uns reden. Auf kleinem Räume mächtige
Linien und Flächen, redende Farben. Und noch eins:
Der Heimatsgedanke I Er erfüllt diese Werke für uns
mit Leben und Wahrheit; das verbürgt, daß er es auch
für andere Zeiten und Menschen tun wird. Man denke
an die Heimatkunst der alten Niederländer. L^eberhaupt :
jede echte Kunst ist Heimatkunst. Wörtlich genommen
wählt Kuder für seine .Landschaften die Motive seiner
Heimat, das Elsaß — stammt er doch aus der Gegend
von Schlettstadt. Die Bearbeitung dieser Motive ist in
seinen Bildern teils Selbstzweck, teils dient sie zur Ge-
staltung der Oertlichkeiten und Hintergründe für figür-
liche Darstellungen. Die Landschaften von Kuder sind
für mich fast das Schönste von allem, was er bietet.
WIENER KUNSTSCHAU IN BERLIN. — VERMISCHTE NACHRICHTEN
Und doch unterliegt keinem Zweifel, daß die figürlichen
Werke diesen ebenbürtig sind. Ich verweise bei allem,
was ich hier mit Hinblick auf die Ausstellung sage, auf
die Abbildungen des Hebruarheftes ; die Vorbilder zu
ihnen waren sämtlich dort zu sehen. An manchen
figürlichen Werken — zürn Teil auch anderen — möchte
man Anflug französischen Wesens bemerken. Das liegt
am Gegenstande, der in Frankreich gefunden worden
ist, am Tvp des dortigen Volkes und seines »MiUeus«.
Kuder fesselten Gestalten, Gruppen, Vorgänge in Paris,
er sah einen Jahrmarkt, eine Versteigerung und der-
gleichen dort; er ließ die Straßen- und Uferbilder auf
sich wirken; und dies alles hielt er mit der ihm eignen
Wahrheitsliebe fest, charakteristisch durch und durch.
Das Verständnis für die französischen Motive war ihm,
dem Elsässer, leichter erreichbar, als mancher andere es
sich aneignen könnte. Wo Kuder deutsche Anregungen
benutzt, zeigt sich sofort, daß jener fremde Anflug nur
Aeußerlichkeit ist. Schon seine Landschaften können
hierüber völHg beruhigen. Wem sie in dieser Hinsicht
nicht genügen, der betrachte die Zeichnungen, die Kuder
— gegenwärtig selbst Soldat — inmitten des Kriegs-
getümmels zu schaffen imstande ist. Sie lehren, wie
er mit innerlichster .Anteilnahme die Regungen des deut-
schen Gemütes mitfühlt, sie als seine eigenen erkennt
und so ihnen Form gibt. Sie lehren auch, daß Kuder
ein Zeichner ist — und was für einer I — und daß die
Farbe, so hoch er sie einschätzt, ihm doch weder be-
rechneter, noch seinen künstlerischen Willen benebeln-
der Hauptzweck ist. Auf dem Zeichnen zu beruhen,
war aber allzeit eins der Merkmale deutschen Kunst-
schaffens. Ganz und gar deutsch endlich ist die Art
seiner religiösen Bilder. Seiner Bergpredigt zum Bei-
spiel, oder seiner Brotvermehrung. Nur wer deutsch
fühlt, schildert Menschen in dieser Art, malt den Hei-
land so göttlich-menschlich zugleich, so erhaben und
dabei einfach, ohne Pose und gibt dem Vorgange unbe-
fangen den Hintergrund, aus dem der Berg der Hoch-
königsburg aufragt. Doering
D
WIENER KUNSTSCHAU IN BERLIN
Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)
as neue Haus der Berliner Secession beherbergte im
Januar und Februar d. J. eine kleine Ausstellung
von Gemälden und Zeichnungen wienerischer Künstler.
Dem örtlichen Kenner sagte sie schwerlich Neues. Der
>Pompfineber«-Stil, den der Umschlag des Kataloges
zeigt, wiederholt sich allerdings nicht sehr in den Kunst-
werken selbst, die ja diesmal kaum etwas eigenthch
Dekoratives enthalten. Hofl'entlich aber meint niemand,
hier eine die große Kunststätte kennzeichnende Gesamt-
ühersicht zu finden : einige erfolgreiclie Schöpfer von
Atelier-Spezialitäten machen noch kein Wien.
G. Klimts Lokalruhm ist nun durch den des jüngeren
O. Kokoschka ergänzt. Der Typus, den jener durch
seine schmuckartigen Phantasien geschaffen hat, wieder-
holt sich jetzt durch Gemälde wie »Der Tod und die
Liebe« ; ein Kinderbildnis scheint uns das Beste zu sein;
von seinen Zeichnungen enthalten viele nicht viel mehr,
als was ein unreifer Pubertätsdrang auf verschwiegenen
Wänden phantasiert. An diesen Virtuosen eines Damen-
spieles erinnert — u. a. durch die gehäufte Komposition
— M. Kurzweils >Der traurige Prinz<, doch trotz
einiger Künstelungen mit reicherem seelischem Gehalt.
Kokoschkas Geschicklichkeit der Herausarbeitung von
Formen eines Trauer-.Ausdruckes aus Grundlinien von
leise geometrischer (z. B. rautenförmiger) .'\rt bewährt
sich in seinem Gemälde »Heimsuchung«; ein Portr.ät
unter seinen Zeichnungen ist erfreuliclier als seine ge-
malten Bildnisse mit den überforcierten Händen. Auch
ihm tritt ein weniger künstelnder Aehnhcher zur Seite,
der hier wohl neue A. Kolig; ein Gemälde »Frau mit
Blumen« fällt günstig auf.
Gleichfalls ein Neuer ist A. Faistauer. Er besitzt
eine braune Farbenart — nicht die brühige der Epigontn
des Altdeutschen, vielmehr eine mehr in's einzelne durch-
arbeitende, die seine Akte, Stilleben usw. zu einem be-
merkenswerten Gegensatz gegen die moderne Hellmalerei
macht. Zwei Landschaften von ihm gelten dem Donau -
Städtchen Dürnstein; und dieses sowie überhaupt die
stets beliebter werdende altschöne Wachau hat es auch
anderen Künstlern angetan: einem B. Löffler und
einem C. Moll, der (in einem analogen Verhältnis, wie
es anderswo zwischen Leistikow und seinen Genossen
besteht) mit still sinnigen Landschaften dem sonstigen
Forte des Sezessionswesens ein Piano gegenüberstellt.
Die verspreizte Dekorationsweise K. Mosers tritt in
ein paar darstellenden Gemälden wohl nicht nach jeder-
manns Geschmack hervor, in einigen Landschaften ge-
schmackvoller zurück.
Denken wir uns mehrere der bisher angedeuteten
Künstelungen so zusammengehäuft, daß man wieder
»Weniger wäre mehr« rufen möchte ■ — und man hat
die wahrlich nicht sehr motiviert erscheinenden Gemälde
»Entschwebung« u. dgl. von E. Schiele. Zu dem,
was man ein gynäkologisches Malheur nennen möchte,
trägt H. Fischer bei; unter seinen Zeiclmungen sind
zum Teil gute Porträts.
Wer sich für weitere moderne Malkniffe interessiert,
wird etwas Besonderes vielleicht nicht an den Gelbbraun-
Studien F. Andris, wohl aber an dem finden, was
»Schwellf.irben« heißen mag und diesmal von P. Gü-
tersloh vertreten wird: auf je einem Flächenstück
fängt die Farbe am Rand mit geringer Sättigung an
und steigert sich gegen die Mitte zu — crescendo,
decrescendo. Gütersloh bringt aiich eine Madonna,
in Formen, als wäre sie aus dem Stein eines Kreuz-
ganges herausgewachsen.
Wieder eine andere Koloritweise ist eine Art Auf-
lösung und EntSättigung der Farben bei F. A. Harta,
einem gleichfalls noch kaum Bekannten. »Der Krieg«
und — an das erinnernd, was oben zu Schiele be-
merkt wurde — eine »Vision« werden vielleicht noch
berühmt; eher möchte man's dem Gem.älde »Jakob ringt
mit dem Engel« gönnen. Unter Hartas Zeichnungen
usw. befindet sich eine Radierung, Christus am Kreuz
mit Maria und Johannes darstellend, die das heute .so
beliebte Formenspiel kräftiger Strahlungen benützt.
Reichhahige Graphiken, teils Tiere, teils Kinder vom
Balkan u. dgl. darstellend, zeigt L. Jungnickel, von
dem auch ein Gemälde jUeberschwemmung« auffällt;
und E. Lang gibt in Holzschnitten mit Weiß_ auf
Schwarz Architekturen sowie Svmbolistisches.
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Mosaik von Joseph Huber-Feldkirch. — Am
4. März wurden die in den vorhergegangenen Wochen
eingesetzten Mos.aikbildcr der Chorapsis der Pfarrkirche
St. Mechtern zu Köln-Ehrcnfeld der Kirche feierlich über-
geben. Sie sind im Auftrage des Kunstvercins für
Rheinland und Westfalen unter Mitwirkung der Ge-
meinde entstanden. Den oberen Teil der Apsis nimmt
das Brustbild Christi ein, im mittleren Teil zieht sich
ein Streifen heiliger Märtyrer hin.
Die Kuder-Ausstellung im Ausstellungsraum
der D. Gesellschaft für christliche Kunst in München
wurde von S. M. dem König Ludwig und von S. K. II.
Prinz Johann Georg von Sachsen besucht.
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Lübeck. — Museumsdirektor Dr. Schäfer schlug in
den »Lübeckschen Blättern« vor, die nicht mehr für
den Gottesdienst verwendete Katharinenkirche in eine
Kriegsgedächtni.shalle umzuwandeln. An der Stelle,
wo ehemals der Hauptaltar gestanden sein mag, solle
ein kirchlich gestimmtes Werk der Plastik errichtet
werden, das den Opfermut der Zeit zum Ausdruck
bringe. Die Fenster sollten Glasmalereien, die Wände
und Pfeiler plastische Bildwerke, Gemälde und Wappen-
tafeln erhalten. — Also eine Idee, deren Verwirklichung
seit langem für die neue Maximilianskirche in München
geplant ist.
Hans Huber-Sulzetnoos hat ein Altargemälde
für die neue katholische Pfarrkirche von Köln-Zollstock
vollendet; das Werk ist für einen der Seitenaltäre be-
stimmt. Es ist als Triptychon gestaltet ; in der Höhe
erhebt es sich mit seiner geschnitzten Bekrönung bis
zum Gewölbe. Der Mittelteil zeigt die hl. Familie in
Nazareth. St. Josef ist im Freien damit beschäftigt, einen
B.ilken mit der Säge zu bearbeiten, der Jesusknabe hilft
dem Nährvater rüstig dabei. Im Hintergrund sieht man
Maria aus dem Hause hervortreten, um den Arbeiten-
den Früchte zur Erquickung zu bringen. Das landschaft-
liclie Element kommt besonders stark zur Geltung: Ein
grolier Apfelbaum mit schon herbstlich vergilbendem
Laube spendet im Vordergrunde Schatten; weiter hinten
überblickt man grüne Wiesen und Hügel ; blaue Berg-
ketten bilden den Abschluß in der Ferne. Der Hinter-
grund des Mittelbildes setzt sich in beiden Flügeln fort,
rechts mit der Berglandschaft, links mit dem Hause;
auch der bearbeitete Balken ragt noch ein Stück weit
in das rechte Flügelbild hinein. In jedem Flügel sieht
man die Figur eines stehenden Engels, welcher, der
Gruppe des Mittelbildes zugewandt, mit dieser in stiller
und inniger Beziehung steht. Der Engel des linken
Flügels spielt Geige, der des rechten verharrt in Be-
wunderung und Verehrung. Bei aller Feierlichkeit fehlt
doch beiden Engeln ein hieratischer Zug; so wird die
Einheitlichkeit der Auffassung gewahrt, und das gesamte
Werk behält etwas menschlich Ansprechendes nach der
Art, die in alter deutsclier Kunst — Cranach, Altdorfer
u. a. — und auch bei neueren (L. Richter) so freund-
liche Wirkungen ausübt. — ■ Die Außenseiten der Flügel
zeigen Bemalung mit üppig blühenden Tulpen, Mai-
blumen und stilisierten wilden Rosen vor dem Hinter-
grunde blauen Himmels. Die Ausführung ist in Tempera
und Ol erfolgt. Die Farben zeigen reiche und harmo-
nische Skala ; besonders das lichte Kolorit der Gewänder
und Flügel der Engel hat etwas überraschend Zartes,
Lyrisches. Beherrschend wirkt das lebhafte Rot des
Josefsgewandes. Es dient vor allem dazu, dem Bilde
eine kräftige Fernwirkung zu sichern. Die Sorgfalt der
Zeiclinung tritt überall hervor. — Das Werk zeigt
Rahmung in Natureiche; es besitzt eine niedere Predella
mit 'geschnitzten und vergoldeten Zierden und einen
Aufsatz von ebenso behandeltem Weinlaub ; in einem
von Strahlen umgebenen Medaillon erscheint die Halb-
figur Gottvaters. noering
Ein Denkmal des Weltkrieges in Österreich.
Während die mancherlei .Ausstellungen der jüngsten Zeit
sich mit mehr oder weniger Erfolg — meist leider das
letztere — die Aufgabe stellten, Entwürfe von Denk-
mälern und Gedenksteinen für die gelallenen heimat-
lichen Helden des großen Krieges sowie Zeichnungen
machtvoller Erinnerungsbauten der Allgemeinheit ver-
traut zu machen, hat der Wiener Künstler Professor
Josef Reich in monatelanger Arbeit ein Denkmal
des Weltkriegs geschaffen, in dem Gotteshause der
kleinen Stadt Mistelbach in Niederösterreich. Die Bilder
führen die Geschehnisse des gegenwärtigen Weltkrieges
in allegorischer Form vor Augen. Wir geben hier den
gedanklichen Inhalt von zweien dieser vielfigurigen
Kompositionen. Das erste iNot und Hilfe< wird von
drei Gruppen gebildet. Rechts die martialischen, dü-
steren, haßerlüllten Physiognomien der Feinde, deren
Gestalten meist den wilden Hilfsvölkern ferner Gestade
entnommen scheinen. Links eine flüchtende Familie,
von der besonders die Figur der Mutter mit ihrem um
Hilfe zum Himmel flehenden Blick warm und lebens-
wahr empfunden ist. Über diesen beiden Gruppen
erblickt man die Schar der Erzengel — darunter Sankt
Michael und den heiligen Martin (den Patron der Mistel-
bacher Kirche), welche sich mit flammenden Schwertern
den Feinden entgegenwerfen. Ein Engel trägt das Me-
daillon mit den Bildnissen der beiden Kaiser — Franz
Josefund Wilhelms II. — , zwei weitere Engel beschützen
die Wappen Deutschlands und Österreich-Ungarns. Ganz
links erblickt man den Friedensengel mit lang herab-
wallendem Schleier, welch letzterer sich fürsorglich um
die Gestalten der Flüchtlinge breitet. — Das zweite
Gemälde zeigt in seinem großen Figurenreichtum »Mär-
tyrer und Opfer.« Im Mittelgrunde tlu'ont Maria,
die Königin der Märtyrer, mit Rosen geschmückt, über
ihr schwebt ein Dornenkranz, umgeben von einer Reihe
kleiner Engel. Zur Linken Marias kniet das ermordete
Thronfolgerpaar. Die Herzogin von Hohenburg hält
ihr jüngstes Kind in Händen und weist einen sterbenden
Krieger, der von einer Pflegerin betreut wird, auf die
Gottesmutter mit ilirem überirdisch verklärten Schmerz
hin. Der linke Teil des Bildes zeigt eine Anzahl kniender
Kriegtr: einen alten Tiroler Schützen, einen gereiften
Mann und eitren Jüngling, der in seinen Armen eine
Fahne hält. Überragt wird diese Gruppe von der ehr-
würdigen Gestalt Pius X., der segnend seine Hände
über sie breitet. In Mitte des Bildes huldigen junge
Mädchen der Gottesmutter, im Hintergrunde spielt eine
Scliar kleiner, herziger Kindergestalten als Symbohk für
den bethlehemitischen Kindermord. — Wieweit es dem
Künstler gelungen ist, die Überfülle literarischer Ge-
danken über den Illustrationsstil hinaus zu monumentaler
Gestaltung zu bringen, wird erst eine etwas fernere
Zukunft feststellen. Richard Riedl.
Ars Sacra. Verein zurFörderung religiöser
Kunst, E.V., Köln. Der Verein Ars sacra, der den
Lesern dieser Zeitschrift durch seine Ausstellung in der
Dorf kirche der Deutschen Werkbundausstellung Köln 1 9 14
bekannt ist (vgl. XI. Jahrgang Seite 49 — 57), hielt am
7. Februar in der Kölner Bürgergesellschaft seine Jahres-
haupt versam ml ung ab, welche von Geistlichen,
Künstlern und sonstigen Kunstfreunden gut besucht
war. Der Vorsitzende Dr. Huppertz gab einen Bericht
über das verflossene Vereinsjahr, dem wir folgendes
entnehmen. Im Zeichen des Weltkrieges ist der Verein
in das Jahr 191 5 eingetreten, und in demselben Zeichen
hat er leider auch dieses Jahr, das vierte Vereinsjahr,
beschließen inüssen. Bedeutet der Krieg nun auch
für die Kunst einen beklagenswerten Schlag, so hat er
sie doch anderseits vor eine besondere Aufgabe ge-
stellt, und diese Aufgabe hat ausschließlich die Tätig-
keit des Vereins Ars sacra im verflossenen Vereinsjahre
bestimmt, nämlich die Schaff'ung künstlerischer und in
unserem Falle auch, den Zielen des Vereins entsprechend,
religiöser, christlicher Kriegsgedenkzeichen. Nach Vor-
beratungen noch im Jahre 1914 wurde in der ersten
Versammlung des Jahres 191 5 eine Ausstellung
christlicher Kriegsgedenkzeichen beschlossen.
Die Ausstellung wurde am i. Juni im Lichthofe des
Kölner Kunstgewerbemuseums mit einer zweckentspre-
chenden Ansprache des Vorsitzenden an die erschiene-
nen Geistlichen, Künstler und andere Kunstfreunde er-
öfl'net. Vorher waren an rund 2400 Geistliche der
BUCHERSCHAU
Erzdiözese Köln Einladungen zur Eröffnung bezw. Be-
sichtigung der Ausstellung nebst einem reich illustrier-
ten und einem vom Vorsitzenden verfaßten Aufsatze
>Der Krieg und die christliche Kunst« versandt worden.
Da ein wesentlicher Teil der 'dem Verein angehörigen
Künstler zum Heeresdienst einberufen war, wurde die
Ausstellung von nur i6 Künstlern, jedoch mit über
1 50 Entwürfen zu liünstlerischen Kriegsgedenkzeichen
aller Art beschickt. Nach Inhalt und Anordnung war
sie sehr gefällig und anregend. Zweck der Ausstellung
war in erster Linie, die Geistlichkeit von einer über-
eilten Beschaffung unkünstlerisclier Erinnerungsmale für
gefallene Krieger zurückzuhalten und ihre Aufmerksam-
keit auf echt künstlerisches Schaffen zu lenken. Eigent-
liche Auftrage wurden, wie es auch im Vorwort zum
Prospekte hieß, auch im Interesse der im Felde stehen-
den Mitglieder, erst nach Friedensscliluß erwartet.
Dennoch sind als Wirkung der Ausstellung schon an-
sehnliche, unerwartete Aufträge erteilt, weitere in Aus-
sicht gestellt worden, und zwar auf Gedächtniskapellen,
Kapelleneinbauten in Kirchen, Denkmäler und Gedenk-
tafeln, Wandmalereien, Mosaiken und Glasgemälde,
ferner auch Aufträge auf andere, nicht auf den Krieg
bezügliche Werke der christlichen Kunst, vor allem an
solche Künstler, welche die Ausstellung gut und reich
beschickt und den Prospekt mit Illustrationen ausge-
stattet hatten. Diese Tatsache zeigt deutlich, welcher
Wert Ausstellungen und illustrierten Publikationen bei-
zumessen ist. Die Ausstellung wurde am 15. Septem-
ber geschlossen. Es liegt nahe, dieselbe nach hoffent-
lich baldigetn Friedensschlüsse in vermelirter und ver-
besserter Auflage zu wiederholen.
Noch eine erfreuliche Wirkung der Ausstellung ist
der Beitritt vieler neuer Mitglieder zum Verein. Ein
Verlust von Mitgliedern infolge des Krieges ist bisher
nicht zu verzeichnen; dagegen starb, am 3. Juli Bild-
hauer Hubert Menniken, der an der Berliner Aka-
demie ein Meisteratelier innehalte. Schon allein die
Arbeit, welche er in der Dorfkirche der Werkbund-
ausstellung zeigte, eine Pietä in Bronze (Abb. a. a. O.
Seite 56), genügt zu der Feststellung, daß wir den Tod
Mennikens als eines tüclnigen christlichen Künstlers
beklagen dürfen. Er entstammte der aus der Blüte
der Raerener Steinzeugkunst bekannten Künstlerfamilie
Menneken. Ehre seinem Andenken ! — Für das neue
Vereinsjahr wurde durch Zuruf der bisherige Vorstand
wiedergewählt; ihm gehören an Dr. A. Huppertz, Geistl.
Rektor, Vorsitzender, Heinrich Renard, Architekt B.D. A.,
Erzdiözesanbaumeister, stellvertr. Vorsitzender, Jos. Klee-
fisch, Kgl. Hofgoldschmied, Kassenwart, Simon Kirsch-
baum, Bildhauer, Schriftführer, Prof. Georg Grasegger,
Bildhauer, Johannes Osten, akad. Maler, Theodor Roß,
Architekt B. D. A., Stadtverordneter. Für Herbst 1916
wurde die Veranstaltung einer Ausstellung'fch ri st-
licher Kunst in Köln beschlossen.
Bücherschau;
Kämpfe. 15 Originallithographien von Josef Eberz,
Druck der graph. Kunstanstalt Haufler und Wiest, Stutt-
gart. Das Titelblatt zeigt unter den ausgebreiteten Fittigen
des deutschen und des österreichischen Adlers die Grtrppe
eines gefallenen Kriegers und einer Trauernden. Dann
folgen die Blätter: i?wei .Mütter, Schrecken, Verband-
platz, Neue Gräber, Sterbender Krieger, Klagende Frauen,
Vereint, Trauernde, Heimatlos, Einsames Sterben, Ka-
meraden, Pflegerinnen, Betender Soldat, Geschändet,
Die Eltern. — Die Blätter sind aus tiefer Empfindung
geboren. Wie bei seinen sonstigen .-Xtbeitcn bedient sicli
der Künstler auch hier der expressionistischen Ausdriicks-
weise, die dazu dienen soll, durch Vernachlässigung der
Einzelformen, durch Steigerung der Gebärdensprache
und Einhaltung gewisser enggezogener Regeln für die
Linienführung den geistigen Gehalt allein herauszuarbeiten.
Auf diesem Wege unterliegt man jedoch der Gefahr,
unverständlich zu werden, den Eindruck gesuchten oder
unvermögenden Stammeins zu erwecken und all-
mählich in Eintönigkeit, in eine formale und geistige
Zwangsjacke, vielleicht in Verwilderung zu verfallen.
Trotz den aus der »Richtung« hervorgehenden Be-
engungen, von denen sich auch vorliegende Blätter nicht
frei halten, weiß Eberz vermöge seiner persönlichen Be-
gabung einen starken Eindruck zu vermitteln und wird
jenen Beschauern zu Herzen sprechen, die sich geduldig
in seine Auffassung hineinleben. — Die Technik der
Litliographie ist für expressionistische Impressionen sehr
günstig und wurde aucli von Eberz gewählt. s. St.
Der Dom des hl. Stephan zu Passau. In Ver-
gangenheit und Gegenwart. Ein Beitrag zur Kunstge-
schichte Süddeutschlands. Mit Originalzeichnungen des
Verfassers. Von Dr. Joh. Ev. Kappel. Lex.-S". (VIT,
193 S.) Preis brosch. in auffallendem Umschlag M. 4.80.
Unsere gewiß nicht literaturarme Zeit ist an gedie-
genen Kunstmonographien nicht so ersprießlich, als man
es bei der großen allgemeinen Buchproduktivität an-
nehmen sollte. Die Spaltung in der Kunstwissenschaft
braclite es mit sich, daß entweder historische, das künst-
lerische Eingehen auf den Gegenstand vermissende Ar-
beiten entstanden, oder rein analytische Abhandlungen,
die mit stolzer Verachtung an der geschichtlichen Hilfs-
wissenschaft vorübergingen. Eine den Durchschnitt
kunstliistorischer Bücher übertreffende, von ebenso
großem Forscherfleiß als künstlerischer Einfühlung zeu-
gende Arbeit lieferte Dr. Kappel in dem oben aufge-
führten Werli, das nach den beiden skizzierten Rich-
tungen hin vollauf Genüge tut. Der Verfasser stellt
mit Recht die Charakteristik des neuen Domes, dem
sein jetziger Baucharakter in der Zeitfolge den Platz
hinter die acht bayerischen Schwestern, die Marksteine
in der Baukunstentwicklung der deutschen Bischofsstädte,
anweist, an den Schluß. Er gewinnt hierdurch einen
breiten Raum für die auf Grund eingehender Studien in
den Archiven zu Passau, München und Landsliut und
nach persönlichen Forschungen im Innenraum, über den
ausgedelmten Gewölbeanlagen, sich ergebende bauge-
schichtliche Darstellung, die auch nicht versäumt, inter-
essante Streillichter auf die Ortsgeschichte zu werfen und
diese mit der Landesgeschichte in Einklang zu bringen.
Der Passauer Dom stammt in seiner heutigen Ge-
staltung aus jener Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg,
als auf die profane sowohl wie sakrale Baukunst des
katholisclien Südens Italien befruchtend einwirkte.
Neben der Theatinerhofkirche in München (1663/75),
St. Florian bei Linz (1686/ 1708) u. a. nimmt die Dom-
kirche in Passau eine völlig gleichberechtigte Stelle
ein. Die erste Nachricht vom ersten Bau stammt
aus der Lebensbeschreibung des hl. Severin von Eu-
gippius um 511. Daß die altchristliche Kirche zu
Batavis auf dem granitnen Felsplateau der schmalen
Halbinsel zwischen Donau und Inn auf dem Prätorium
des römischen Lagers stand, nimmt Kappel als selbst-
verständlich an. Unter Tassilo III. fand um 768 eine
Erweiterung der Basilika in bescheidenen Ausmaßen
statt, deren Fundamente noch erhalten sein könn'en.
Nach dem wütenden Stadtbrand vom 21. Mai ti8i
begann sofort die Wiedererhebung des ausgebrannten
Domes, dessen Hauptanlage sich wie später im 17. Jalir-
hundert erhalten hatte. Mit längeren durch kircliliche
und politische Verhältnisse bedingten Unterbrechungen
erstreckte sich die Erweiterung, für die das Jahr 1254
einen Wendepunkt bedeutete, auf das 14. Jahriiundert,
in dem die ausgedehnte Anlage der jetzigen Kirche
BUCHERSCHAU
erwuchs. Die zweite Veränderung brachte kein Natur-
ereignis, sondern die seit der Wende des 15. Jahr-
hunderts in Deutschhmd eindringende Gotik, die im
15. Jahrhundert ihren Siegeseinzug in l'assau hielt.
1407 wurde durch Georg von Hohenlohe der Grund-
stein zum Neuhau gelegt, den Hans der Krunienauer
als Baumeister leitete. Ohne vollendet zu werden,
zog sich der Bau an die 150 Jahre hin. Nähere bau-
geschichtliche Einzelheiten bei dem allmählichen Wandel
der Katliedrale in den spätgotischen Dom lassen sich
nur vermutungsweise angeben. Sicher steht fest, daß
die ursprüngliche Anlage mit dem erhöliten Mittelschiff"
und den niedrigen schmalen Seitenschiffen beibehalten
wurde. Der in der Geschichte anderer Städte nur
selten in diesem Umfang zu verzeichnenden Brandkata-
strophe von 1662 fiel der Prachtbau bis auf das Mauer-
werk zum Opfer, das am Fronleichnamstag desselben
Jahres größtenteils unter donnerndem Getöse einstürzte.
Mit großer Umsicln trug das Domkapitel das über es
gekommene Leid. Der Chorbruder Graf von Khuen
ließ als Dombaumeister unter den schwierigsten finan-
ziellen Verhältnissen die Räumungsarbeiten vornehmen,
die vornehmlich der Baumeister M. Wolf Sakra besorgte,
der auch unter dem Leiter des neuen Barockdomes
Lurago mitarbeitete. Obwohl das Domkapitel, allen
Schwierigkeiten trotzend die Wiedererhebung der Kathe-
drale in Angriff" genommen hatte, konnte diese doch
erst nach einheithchem Plan und Leitung des Fürstbi-
schofs (seit 1664) Wenzeslaus Graf von Thun vor sich
gehen. .\ls ehemaliger Propst in Scamozzis und
Solaris Salzburger Dom berief er" die besten künstle-
rischen Kräfte, wie den Baumeister des Thunschen
Palastes in Prag Carlo Lurago, die Stukkaturen und
Freskomaler Carlone, de AUio, Solati, mit denen Münch-
ner, Salzburger und Wiener Meister wetteiferten. Die
Dombauhilfe, mit der am 10. Mai 1662 eingesetzt
worden war, und eine kurfürstliche Bausteuer brachten
es zustande, daß der Fürstbischof mit Lurago, der nicht
167g sondern am 12. Oktober 16S4 zu Passau starb,
das erste Geding abschließen konnte. Bereits vor dem
abermaligen Brand am 29. Juli 1680, der den Neubau
zur Ruine maclite, wurde an der Innenausstattung ge-
arbeitet. Stukkateur war Giovanni Battista, nicht sein
Verwandter Carlo Antonio — Carlone. Unter denkbar
ungünstigen Verhältnissen, wie sie allein schon der
Türkeneinfall ergab, wurde die Fortsetzung des Baues
wieder aufgenommen, so daß dieser am Todestag
Luragos soweit seiner Vollendung entgegengeführt war,
daß keine neue Oberleitung ernannt zu werden brauchte.
Nachdem das Jahr 1803 mit der Säkularisation die Plün-
derung der Kirchengeräte, das Jahr 1813 die Nieder-
reißung des Kreuzganges gebracht hatte, wurde der
Dom von 1840/70 innen und aul3en unter Bevorzugung
wirkungsvoller Effekte nach dem damaligen Geschmack
>restauriert<. Wie bei der Münchner Frauenkirche — ge-
meinsam ist, um nur eins zu nennen, die Entfernung
des mächtigen kunstgeschmiedeten Eisengitters — kamen
uns heute barbarisch erscheinende Änderungen vor. In
den Jahren 1896/97 setzte Prof Frhr. H. von Schmidt
den beiden Türmen ein abschließendes Stockwerk mit
Kuppeldachung, entsprechend dem Kuppelmotiv über dem
Achtecksaufbau der Vierungskuppel, auf Dieselbe Zeit
gab dem Äußern in anderer Beziehung seinen Barock-
charakter wieder, der ihm seine Stelle in der Kunst-
geschichte angewiesen hatte. — Studiert man Kappeis
für eine Einzeldarstellung umfangreiches Werk durch,
so wird man am Schlüsse doppelt ungern ein Namens-
und Sachregister sowie eiri Verzeichnis des reichen
Bildermaterials vermissen. W. Zils München
>Neuer deutscher Kalender für das Jahr 1916.«
Vom Verein >Heimat« in Kaufbeuren, Preis M. i. — .
Die Bedeutung, die dem künstlerischen Wandkalen-
der in Bezug auf die Förderung der Geschmackskultur
zukommt, ist bedauerlicherweise allzulange verkannt
worden, um so mehr dürfen wir uns nunmehr von
Jahr zu Jalir über die Zunahme des Interesses auf
diesem Gebiete erfreuen. Der Heimat Bund, tier von
Kaufbeuren aus seine grünen Hefte ^Deutsche Gaue«
verbreitet, und sich unermüdlich bestrebt zeigt, das
Verständnis und die Liebe für deutsches, bodenständiges
Wesen in Volkskunst, Sitten und Gebräuchen zu er-
halten und neu zu beleben, gibt auch alljährlich einen
Wandkalender heraus, der ihm als Gabe an seine Mit-
glieder dient und im übrigen für M. i. — erhältlich ist.
>Dem deutschen Volke gewidmet von MaximiHan
Liebenwein dem Maler und Christian Frank, dem
Schreiber«, heißt es in der Überschrift, und wir können
uns alsbald überzeugen, daß wir diesem Zusammen-
wirken ein sehr glückliches Ergebnis verdanken. Lieben-
wein hat, wie im vergangenen Jahre so auch für 1916,
ein stimmungsvolles Titelbild, und zwar diesmal eine
Szene aus dem deutschen Freiheitskriege 181 3 beige-
steuert, das der opferreichen Gegenwart vorzüglich an-
gepaßt erscheint. Die kraftvollen Darstellungen der
Sternzeichen für die einzelnen Monate bilden gleich-
zeitig die Teilung des Kalendariums in zwei Halbjahre.
Außerdem ist das Blatt reich geschmückt durch kleine
Signets, die in lapidarem Stile auf die verschiedenen
Feiertage des kirchlichen Jahres und historische Bege-
benheiten Bezug nehmen.
Christian Frank führt uns innerhalb des Kalendariums
die wichtigsten Ereignisse des ersten erfolgreichen
Kriegsjahres vor Augen, und schafft dadurch eine Über-
sichtlichkeit, die uns bei der raschen Folge bedeutungs-
voller Ereignisse ganz besonders willkommen und not-
wendig erscheint. Dem schmucken, dekorativ wirksamen
Kalenderblatt wäre die weiteste Verbreitung, insbeson-
dere auch auf dem mit minderwertigen Erzeugnissen
überschwemmten Lande, zu wünschen. Den beiden
Autoren gebülirt herzlicher Dank für ihr verdienstvolles,
gemeinsames Werk. FerJ. Nockhcr-AIienbcuem
Kultur- und Kunstströmungen in deutschen
Landen. Von Georg Malkowsky. Verlag von George
Westermann. Braunschweig und Berlin 191 3. I. Schle-
sien in Wort und Bild. Preis kart. M. 6. — .
Die früliere Kunstgeschichte hat sich auf ihr eigent-
lichstes Gebiet beschränkt und den kulturgeschichtlichen
Hintergrund des künstlerisclien Scliaft'ens in ihre Dar-
stellung nicht aufgenommen. Sache anderer Kräfte war
es, den Kulturerscheinungen auf den Grund zu gehen
und jene Methode vorbereiten zu helfen, die inzwischen
mit Recht beliebt wurde: die Betrachtung des künst-
lerischen Lebens im Zusammenhang mit der Gesamt-
kultur. Besonders fruchtbar wird diese Methode bei der
Behandlung bestimmter Bezirke. Unentbehrlich ist sie in
Publikationen, die als Monographien erscheinen und als
solche ein größeres Leserpublikum für sich gewinnen
wollen. Sie wurde denn auch für das vorliegende Unter-
nehmen gewählt. An erster Stelle wird die schlesische
Ostmark behandelt, »weil sie eine deutsclie Kulturgrenze
gegen rasseverschiedene Nachbarnationen zu bewahren
von jeher berufen war«. Alle deutschen Bundesstaaten
sollen folgen.
Wie bei allen derartigen Einzeldarstellungen muß man
bei Lesung des vorliegenden Buches bereits eine gewisse
zusammenfassende Kenntnis im Gebiete der Kunstge-
schiclrte besitzen, um mit Nutzen und tieferem Interesse
folgen zu können. Nur dann werden die gebotenen
lehrreichen Einzelzüge tiefere Spuren im Leser hinter-
lassen. Es läul"t neben der Lokalgeschichte jene der ört-
lichen Kunst parallel, aber den schwer in Worte zu
fassenden tieferen geistigen Zusammenhang zwischen
26
BUCHERSCHAU
beiden muß der Leser selbst herausfinden, und das wird
wenigen gelingen. Einen Anlauf nach dieser Richtung
könnte man in den Bemerkungen über den Barockstil
vermuten, die aber nicht zutreffen. Wie früher in Kunst-
geschichten, so jetzt noch in populären Büchern üblich,
wird d.is aus Italien gekommene Barock ohne weiteres
für ein Erzeugnis der Gegenreformation, des Jesuitismus,
angesehen, eine Darstellung, die manchen Kreisen na-
mentlich solange sehr willkommen sein mußte, als man
dem Barockstil alle Schlechtigkeiten zuschrieb. Der
Barockstil wollte keine triumphierende Fanfare gegen
den Protestantismus sein und war es nicht. Hat man
nicht gleichzeitig mit Kirchen aucli Schlösser und Pa-
läste jeder Art in denselben Formen und mit ähnlichem
Schwung und Prunk gebaut? — Das reich illustrierte
Buch ist geeignet, durch die Abbildungen die Kenntnis
eines in künstlerischer Beziehung noch viel zu wenig
beachteten und doch so reichen Landes zu verbreiten
und in den Schlesiern die Liebe zu ihrer Heimat zu
steigern. Der Text ist weniger zuverlässig und nicht
von Irrtümern frei. S. Siaudhamer
Das alte Rom. Von Prof. Dr. Otto Richter, Geh.
Regierungsrat. Mit einem Bilderanhang und vier Plänen
(Preis M 125). Druck und Verlag von B. G. Teubner
in Leipzig-Berlin, 191 5.
»Aus Natur- und Geisteswelt, Sammlung wissen-
schaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen« Dieser
Sammlung ist ein Ideines Büchlein entsprungen, das den
Titel >Das alte Rom< führt. Ein Spezial- bezw. Fach-
buch für Künstler oder Gelehrte soll das Büchlein nicht
sein, deren gibt es genügend in dickbändigen Werken
mit reicliem Bilder- und Rekonstruktionsmaterial. Nicht
leicht war es aber bisher, ein kurzgefaßtes Büchlein
über das alte Rom zu finden, welches man beim Stu-
dium an Ort und Stelle bequem in der Hand halten
kann, um darin nachzuschlagen. Unsere bekannten Füh-
rer behandeln alles gemeinsam. Sie geleiten die Frem-
den durch die Stadt und beschreiben diese im allge-
meinen, ohne auf spezielle Sehenswürdigkeiten, wie
z. B. auf die Schätze des antiken Rom, mit sachlicher
Gründlichkeit einzugehen. Deshalb ist es zu begrüßen,
daß Professor Richter mit einem leicht mitzuführenden
Büclilein an uns herantrat, welches uns iäst nur das
antike Rom schildert und zur Darstellung bringt.
Das kleine Werk führt uns in Lage und Bodenge-
staltung des alten Rom ein, die der Autor mit großer
Sachlichkeit aus allen ihm zur Verfügung stehenden
Hilfsquellen, bezw. auf Grund eigener Studien und Kri-
tik schildert ; dann in die Entwicklungs- und Zerstörungs-
geschichte. Er beschreibt das Zentrum Roms, seine
Kaiserfora und den Kapitolinischen Hügel. Hier dürfte
das Werk — vielleicht auf Kosten der etwas zu weit
ausgedehnten Geschichtsschilderungen — und zwar im
Zusammenhang mit dem Forum Romanum die Schön-
heit, die architektonische Gruppierung der Tempel- und
Bauwerke beleuchten, denn es ist gewiß nicht von
Schaden, wenn auch Laien und kunstsinnige Besucher
auf den eigenartigen Städtebau Roms, die malerische
Lage und Stellung seiner antiken Baudenkmäler zu einem
Vergleich mit der Periode des reichgestalteten 16. Jahr-
hunderts angeleitet werden. Sehr richtig bemerkt der
Autor, daß der Kapitolinische Hügel einst mit Privat-
häusern bebaut war. Eingehend beleuchtet er den Pa-
latin und beschreibt trefflich alle Einzelheiten, doch
auch den Resten der einstigen Monumentalmalereien in
den Ruinen, die in ihrer eindrucksvollen Originalität
von hervorragender Bedeutung sind, dürfte der Autor
einige Worte schenken. Sacra via und Velia sind treff-
lich geschildert. Er kommt dann auf die Stadtteile am
Tiber zu sprechen, welche gegenwärtig aktuell sind, da
viele Änderungen dort vor sich gehen sollen. Weiter
bespricht er die Vorstädte im Süden des Marsfeldes,
dann das Marsfeld selbst, namentlich seinen südlichen
Teil, wobei er mit großer Liebe das berühmte Pantheon
eingehend schildert. Dieses ist in allen seinen Phasen,
unter Zugrundelegung der Geschichtsquellen, bis ins
17. Jahrhundert hinein beleuchtet, wobei Richter manche
Irrtümer bloßlegte, z. B. jenen über die vergoldeten Erz-
balken der Vorhalle, die Urban VIII. abgedeckt und zur
Herstellung des Tabernakels in St. Peter verwendet haben
sollte. Weiter beschreibt er den nördlichen Teil des
Marsfeldes, dann die siebente Region (Via lata), Trans
Tiberim, die Tiberinsel, den Osten Roms mit Quirinal
und die langgestreckte Bergzunge des Caelius, sowie
die Vorstädte an der Via Appia mit den Bau- und Grab-
denkmälern.
Dem ausgezeichneten Buche würde es zugute kom-
men, wenn das Abbildungsmaterial des alten Rom in
einer allenfallsigen späteren Auflage noch vervollstän-
digt werden konnte, z. B. an guten und sicheren Rekon-
struktionen der Ansichten des Kolosseums und mancher
anderer Bilder klassischer Baudenkmäler Roms. Dadurch
würde das vorzügliche, leichte und faßliche Buch nicht
beschwert, wenn zumal die zahlreichen Schlußblätter,
die die vom Verlag herausgegebenen Werke ankündigen,
in Wegfall kämen, bezw. verkürzt würden, und an deren
Stelle weiteres Abbildungsmaterial treten könnte.
Das Werk empfehlen wir nicht nur allen Reisenden,
sondern auch Künstlern und Gelehrten, desgl. Kunst- und
Geschichtsliebhabern, die daheim studieren wollen, da
es in klarer Übersicht das alte Rom beleuchtet.
Steflen
Ferretti, P. Lodovico, dei Pred., II sepolcro
di Pio IX in Roma nell' antico nartece della Basilica
di S. Lorenzo fuori le mura. Monografia illustrata.
gr. 8° (II u. 116 S.) L. 2.50, Firenze 191 5, Tipogr. Do-
menicana.
Kein Rompilger wird, wenn irgend möglich, ver-
säumen, das vor den Toren gelegene Heiligtum von
S. Lorenzo zu besuchen. Denn dort draußen erwartet
ihn in zypressendüsterer Einsamkeit eine Basilika ebenso
ehrwürdiger Traditionen, wie wundervoller Innenkunst,
dort tritt er in die einzigschöne weihevolle Grabkapelle
Pius' IX. Welche Stimmung senkt sich auf den Be-
sucher, wenn er niedersteigt zur Krypta vor den schlicht-
ernsten, formenfeinen Marmorsarkophag des im Rufe
der Heiligkeit verstorbenen Papstes, wenn er dann, um
sich blickend, gewahr wird, was Cattaneos und Seitzens
Kunst aus diesem einst verschütteten, konstantinischen
Raum geschaffen hat I Die herrlichen Mosaiken unseres
römisch-münchnerischen Landsmannes Seitz, eine gran-
diose Fortsetzung der kostbaren enkaustischen Decken-
bilder der Galleria dei Candelabri im \'atikan, die schim-
mernden Mosaiktapeteinvände mit Hunderten von klei-
nen Wappenschildern, lauter Stiftungsdenkmäler edler
Spender, unter ihnen, zu unserer größten Genugtuung,
zahlreiche deutsche Namen. — Wahrlich, ein weilie-
voUer Raum, ein Heiligtum für sich, das über fromme
Pilgerneugier hinaus unser tiefstes Interesse erweckt
und beansprucht.
Diesem Interesse kommt vorliegende Monographie
des gelehrten Dominikaners am römischen CoUegio An-
gelico in hohem Grade entgegen. Ohne weitschweifig
zu werden, erfahren wir in klarer, warmer Sprache die
Baugeschichte der Krypta bis zu ihrer Restauration durch
Pius IX., ilire Ausgestaltung durch Catianeo und Seitz,
insbesondere erhalten wir eine sehr eingehende Be-
schreibung und Erklärung des Heiligtums in der erst-
maligen und späteren jetzigen Fassung. Ein ausführ-
licher Anhang behandelt biographisch Cattaneo als Ar-
chitekten, Seitz als Maler, gibt die Korrespondenz mit
dem großen Förderer der Sache, dem Grafen Aquaderni
wieder und enthält die Inschriften der bis jetzt vor-
BUCHERSCHAU
handenen 640 Spender-Wappenscliilde. Unterstützt wird
die Arbeit durch ^3 sehr schöne Abbildungen, 11 davon
auf eigenen Hinsch.ilttafehi und das Titelblatt in farben-
ph(3\ographischer Wiedergabe. Der niedrige Preis steht
zur hohen textlichen wie buchtechnisclien Leistung in
keinem Verhältnis. G. Gichtd
Dr. Fritz Gysi. Die Entwicklung der kirch-
lichen Architektur in der deutschen Schweiz
im 17. und 18. Jahrhundert. Trüb & Cie., Aarau und
Zürich 1914.
Seitdem Dr. R. Rahn in seiner »Geschichte der bilden-
den Künste in der Schweiz«, 1876, die heimischen Mo-
numente bis zum Schlüsse des Mittelalters mit voller
fachmännischer Tüchtigkeit und Stoffbeherrschung be-
handelt hat, ist für die Epoche der Renaissance und
Neuzeit die Fortsetzung der schweizerischen Kunstge-
schichte auf der Rahnschen Grundlage nicht möglicli
gewesen. Es fehlte bisher an den unumgänglich not-
wendigen Vorarbeiten, welche der Scharfsinn des Zür-
cher Gelehrten zusammenfassen und in ihrer Entwick-
lung hätte darstellen können. Dr. Gysi leistet in seiner
Entwicklung der schweizerischen Architektur im 17. und
18. Jahrhundert einen wertvollen Beitrag hierzu, den er
auf die kirchliche Baukunst und mit Recht nur auf die
deutschen Kantone beschränkte. Merkwürdig zeichnet
der Autor den Hintergrund der »großartigen Bautätig-
keit« dieser Epoche: »Die Geistlichkeit heirschte im
Lande und machte sich zum Hüter aller Kultur und
Gelehrsamkeit. Dem Glanz und der Macht der Kirche
wurde alles geopfert ■ — das Volk aber ließ man in der
tiefsten Unwissenheit.« Letztere Beliauptung bedarf der
Beweise, die nicht leicht zu erbringen sind. Nach einer
Übersicht über die Architekten der Epoche berührt der
Autor die merkwürdige Tatsache, daß die Spätgotik in
der Scliweiz, von spärlichen Ausnahmen abgesehen, un-
mittelbar zum Barock übergehl, dessen einschiffige und
dreischiffige Kirchen wie die Zentralbauten besprochen
werden, um die Umbauten der Barockzeit kurz zu streifen.
In ähnlicher Weise wird das 18. Jahrhundert behandelt.
— Den weitaus interessantesten Teil der Arbeit bildet
die Besprechung der einzelnen Bauglieder, der man ent-
nehmen muß, daß der Verfasser seinen Stoff bis in alle
Details vollständig beherrscht. In der Würdigung der
plastischen Dekoration ist in der farbigen Tönung die
Restaurationswut des 19. Jalirhunderts mit ihrer Vorliebe
für Gold und weiche Wirkung nicht berücksichtigt, da
die ursprüngliche Hervorhebung des Stuck aus dem
weißen Grunde nur unbedeutende Varianteir aufwies.
In den Registern müssen wir die Vollständigkeit der
Aufnahme einer lokalgeschichilich sehr zerstreuten Lite-
ratur anerkennen. Einzig Hiller: »Au im Bregenzer-
wald« wurde übersehen, die fleißige Jubiläumsschrift,
der wir die Tatsache entnehmen, daß sich daselbst die
Zunft der Maurer, Zimmerleute und Steinhauer bis 1865
erhalten hat. Den Schluß der Arbeit bilden 56 Tafeln,
in denen jedocli leider jeder Grundriß ausgeschlossen
ist. Nur Innenräume und Außenansichten nach photo-
graphischen Aufnahmen begegnen uns, auf welche im
Texte hingewiesen wird. Für den wertvollen Beitrag
zur schweizerischen Kunstgeschichte des 17. und 18. Jahr-
hunderts sind wir F. Gj'si aufrichtig dankbar. Die künf-
tige Forschung findet hier ein reiches Material in über-
sichthcher Anordnung, eine Frucht ernster Studien und
mühevoller Arbeit. Dr. .\do!f Fäh
Konstantin der Große und seine Zeit. Ge-
sammelte Studien. In Verbindung mit Freunden des
deutschen Campo Santo in Rom herausgegeben von
Dr. Franz Jos. Dölger. Mit 22 Tafeln und 7 Abbil-
dungen im Text. (XIX. Supplementheft der Römischen
Quartalschrift). Lex. 8°. XII und 448 Seiten. Freiburg
191 3. Herderschc Verlagshandlung. M. 20. — .
Das vorliegende Buch verdankt seine Entstehung
zwei festlichen Veranlassungen: einer wehgeschicht-
lichen, dem Konstantins-Jubiläum 1913, und einer
privaten, dem goldenen Priesterjubiläum des Rektors
des deutschen Campo Santo in Rom, Mgr. Dr. A. de
Waal (11. Oktober 1912). Diesen beiden Anlässen
entsprechend zeigt sich das Buch inhaltlich als Be-
trachtung der Person und der Zeit jenes Kaisers, wel-
chem die christliche Kirche ihre staatliche Anerkennung
verdankt; in der Art der Behandlung dieses umfassen-
den Themas erweist es sich als Leistung von Reich-
haltigkeit und wissenschaftlicher Strenge. Nicht aus
einer Feder stammt der Text, sondern er ist die Zu-
sammenstellung von 19 Einzelstudien, deren Verfasser
zu dem Campo .Santo und seinem hochverdienten
Rektor in engeren Beziehungen stehen. Die Heraus-
gabe besorgte Dr. F. J. Dölger, Professor für allgemeine
Religionsgeschichte und vergleichende Religionswissen-
schaft an der Universität Münster i. W. ; von ihm ist
die letzte der 19 Studien, behandelnd »Die Taufe Kon-
stantins und ihre Probleme«. Die Absicht war-, die Pei'-
sönlichkeit Konstantins aus der religiösen Bewegung
der Zeit zu erklären. Dazu waren Untersuchungen ge-
schichtlicher wie kunstgeschichtlicher Art notwendig.
Bei der Vielheit der Verlasser, die durchaus unabhängig
von einander arbeiteten, lag nun die Gefahr nahe, daß
eine Zersplitterung der allgemeinen Auffassung eintreten
könnte. Umsomehr darf man Anerkennung dafür zol-
len, daß trotzdem ein einheitliches Bild erreicht worden
ist, und man kann diese Tatsache als bedeutsames Zei-
chen dafür ansehen, in wieweitgehender Art sich die
Auffassungen über die Persönlichkeit Konstantins ab-
geklärt haben. — Von den Studien geschichtlichen In-
teresses erwähne ich außer der Dölgerschen eine von
E. Krebs über »Die Religionen im Römerreiche zu Be-
ginn des 4. Jahrhunderts; eine über »Das Toleranz-
reskript 313« von J. Wittig; die andern historischen
Beiträge sind von A. Müller, F. Bulicz, J. M. Pfättisch,
A. Wikenhauser, K. von Landmann, J. P. Kirsch. —
Wir haben unsere Aufmerksamkeit hier vor allem den
kunstgfschichtlichen Beiträgen zuzuwenden. Sie be-
ginnen mit einer Untersuchung von E. Becker über den
»Protest gegen den Kaiserkult und die Verherrlichung
des Sieges am Pons Milvius in der altchristlichen Kunst
der konstantinischen Zeit«. Hingewiesen wird auf den
Einfluß, welchen gerade die Ablehnung der den Impe-
ratoren gezollten göttlichefi Verehrung auf das Schick-
sal der ersten Christen übte, die hierdurch in Menge
zum Martyrium gelangten. Typologische Vorbilder fand
die altchristhche Kunst in den Nebukadnezar- und He-
rodes-Szenen der heiligen Schriften ; sie stellte jene
auf Sarkophagen, Lampen und Goldgläsern dar. Diesem,
wie den übrigen kunstv/issenschaftlichen Aufsätzen des
Buches dienen gut ausgeführte Abbildungen zur Er-
läuterung. In dem zweiten Aufsatze schildert J. Leuf-
kens den »Triumphbogen Konstantins« nach seinen
Hauptzügen. Zu erinnern wäre die Einzelheit, daß
im Colosseum Christen als Märtyrer niclit geendigt
sind. A. Baumstark betrachtet »Konstantiniana aus sy-
rischer Kunst und Liturgie«. Befinden sich doch gerade
in Syrien bedeutungsvollste Denkn^äler syrischer Kunst,
die mit dem Namen jenes Kaisers verknüpft sind. Die
Frage, wie die Liturgie und Kunst gerade jener Gegend
das Andenken des Kaisers in Ehren gehaUen habe,
wird erörtert an der Federzeichnung eines jakobitischen
Homiliars und der mutmaßlichen Apsismosaik der kon-
stantinischen Martyrions-Basilika zu Jerusalem, am Kon--
stantinszyklus eines illustrierten nestorianischen Evan-
geliars und am Kirchengesangbuch des Severus von
Antiochia. Wie »Konstantin der Große und die hl. He-
BÜCHERSCHAU.
DER PIONIER
lena in der Kunst des chrisilichen Orients« gemeinsam
dargestellt worden sind, schildert nach sehr merkwür-
digen Denkmälern eigenen Besitzes Johann Georg, Her-
zog zu Sachsen. F. Witte unterzieht »Die Kolossal-
statue Konstantins des Großen in der Vorhalle von
S. Giovanni in Laterano« einer genauen Betraclitung.
Er kommt zu dem Ergebnisse, das Werk etwa auf das
Jahr 520 zu datieren; höchstwahrscheinlich ist ihm, daß
die Statue ein getreues Porträt des Kaisers sei, während
sie stilistisch ihm als ein Denkmal jener »verfallenden,
verfaulenden« Römerkunst erscheint, »die nur einem
dekadenten, entnervten Volke eigen sein konnte.« Eine
Studie von H. Swoboda prüft, in welchem Verhältnisse
das »Bronzemonogramm Christi aus Aquileja« zu dem
Original-Labarum stehe und kommt zu dem Ergebnis,
daß das durch einen glücklichen Umstand erhalten ge-
bliebene Stück kein Legionslabarum gewesen sei, und
dem leider verschollenen Urbilde sehr nahe stehe, wenn
es ihm auch nicht unmittelbar gleiche. J. Wilpeit be-
schreibt und untersucht »Die Malereien der Grabkam-
mer des Trebius Justus aus dem Ende der konslanti-
nischen Zeit«. Die künstlerisch höchst beachtenswerten,
gegenständlich einzigartigen Fresken wurden 1910 in
einem Cömeterium an der Via Latina entdeckt. Die
Zugehörigkeit der dargestellten Personen zu einer christ-
lichen häretischen Sekte deutet Wilpert an, und eine
italienisch geschriebene Studie von 0. Marucchi gelangt
dazu, für diese Sekte ägyptische Herkunft nachzuweisen.
M. Schwarz bietet eine entwicklungsgeschichtliche Studie
über »Das Stilprinzip der altchristhchen Architektur«.
Die Eigenart der Ursprünge des altchristhchen Baustils
wird an den römischen Denkmälern untersucht und als
Ergebnis festgesteUt, daß hier nicht der Geist des Chri-
stentums einen neuen Stil geschaffen habe, sondern
daß dies durch Künstler erfolgt sei, welche befähigt
waren, »in der handwerklichen Errungenschaft des Ge-
wölbebaus, der Arkade und dem Rundbogenfenster ein
Stilprinzip für die Durchbildung der flächenhaft ver-
laufenden Mauer« zu erkennen und auszunützen. Ein
Standpunkt, dem man mit Einschränkung zu gunsten
des Christentums sich anschließen darf. Endlich spricht
J. Strzygowski weitblickend von der »Bedeutung der
Gründung Konstantinopels für die Entwicklung der
christlichen Kunst«. Unsere notgedrungen ganz kurzen
Angaben müssen genügen. Sie dürften von der Viel-
seitigkeit wertvoller Anregungen und Belehrungen,
welche das Buch als eine in Wahrheit würdige Fest-
gabe über alle Zweige der konstantinischen bildenden
Kunst des Occidents und Orients bietet, eine Vorstel-
lung geben. Doerlng
Weber, G. Anton, Dürers Schriftlicher Nachlaß
in Übersetzung und mit Erklärungen. Regensburg und
Rom 1912. Verlag von Friedrich Pustet. 8°, 220 Seiten,
brosch. M. 3. — , in Leinwandband M. 4. — .
Der schriftstellernde Künstler gehört der Neuzeit an.
Es erklärt sich dies wohl vielfach daraus, daß viele der mo-
dernsten Werke der schriftlichen Erläuterung bedürfen:
»Was hat sich der Künstler gedacht?« Für die Auffas-
sung, die Künstler schlechthin vom Schreiben haben,
sei auf die Aussprüche zweier bedeutender Münchner
Künstler, darunter des Präsidenten und Führers einer
großen Künstlergruppe, hingewiesen. Der eine, der
den glanzvollen Namen einer alten Künstlerfamilic hoch-
hält, sagte mir; Zum Schreiben habe ich keine Zeit.
Und was von mir schriftlich vorhanden ist, bleibt in
meinem Schreibtisch bis nacli meinem Tode. Der
andere bat mich, nach seinem Diktat seine Lebensbe-
■schreibung aufzuzeichnen, seine Finger seien des Schrei-
bens so ungewohnt. — In der Tat, wenn der Künstler
seiner Mitwelt was zu sagen hat, greift er zu Pinsel
und Palette, zu Meißel und Hammer und doch hat es
lange vor den »protestierenden« und reklamebedürfti-
gcn Künstlern der Neuzeit zu allen Zeiten Künstler ge-
geben, die es zum Schreiben drängte, sei es um Er-
fahrungen, die sie bei langjähriger Kunstausübung ge-
sammelt hatten, niederzulegen, sei es um Erklärungen
zu Bildern zu geben. Mit welcher Scheu dies oft ge-
schah, dafür ist Lionardo da Vinci der beste Beweis,
der bekanntlich seine Geheimnisse durch die Spiegel-
schrift zu verhe'mlichen suchte. Den »gedruckten«
Künstler finden wir infolgedessen selten. Zu den Künst-
lern, die noch zu Lebzeiten einen Verleger suchten und
fanden, gehört Albrecht Dürer.") Drängte es den Künst-
ler, in diesen Werken seine gesammelten Erfahrungen
zu Nutz und Frommen der deutschen Kunst kom-
menden Künstlergeschlechtern mitzuteilen, so hat er
uns auch Schriftliches hinterlassen, von dem wir an-
nehmen dürfen, daß es nicht für die Öffentlichkeit be-
stimmt war. Es ist der sogenannte schriftliche Nach-
laß Dürers, den 1893 K. Lange und F. Fuße in Halle
herausgaben und der jetzt abermals von dem Verfasser
der Lebensbeschreibung Dürers G. A. Weber in unsere
heutige Sprache übertragen und mit wertvollen Anmer-
kungen versehen, vorliegt. Die Einleitung bildet Dürers
Familienchronik, die mit den Nachrichten über
seinen Vater beginnen, die er vier Jahre vor seinem
Toäe aus dessen Schriften niederschrieb. Die .\nhäng-
lichkeit an seine Eltern, die in großer Gottesfurcht der
großen Familie vorstanden, spricht sich auch aus dem
Gedenkbuch aus, das uns außerdem noch von wirt-
schaftlichen Sorgen des Künstlers erzälilt, von denen
auch in den Briefen, so im Neujahrsglückwunschbrief
an Willibald Pirkheimer die Rede ist. Die Briefe aus
Italien sprechen davon, daß dem deutschen Meister die
iialienischen Maler sehr abhold waren. Gelegentlich
beschwert sich Dürer, daß ihm die Italiener seine Kup-
ferstiche und Holzschnitte, von deren \'erkauf er lebte,
nachmachten. Auch sonst zeigen uns die Briefe, daß
das Leben Dürers nicht frei war von den kleinlichen
Sorgen, die einen Künstler meist bis zum Ende dieses
Lebens begleiten. Sie v/erfen auch charakteristische
Schlaglichter auf des Künstlers Schaffen. Interessant
ist namentlich auch die technische Seite. In den Ge-
dichten, die in die Jahre 1509 und 10 fallen und
denen in ihrer mangelhaften Form und in den gequäl-
ten Reimen kein literarisch-ästhetischer Wert zukommt,
tritt uns ein tiefes religiöses Gefühl (namentlich in den
7 Tagzeiten) entgegen. Von besonderem Wert für die
Beurteilung des Entwicklungsganges ist das Tagebuch
der Reise in die Niederlande, während die Auf-
zeichnungen verschiedenen Inhalts wertvolle,
allerdings bereits von der Kunstgeschichte benutzte Auf-
klärungen über Gemälde und Zeichnungen geben. Et-
was Übel flüssig erscheint bei der besprochenen Neu-
ausgabe von Dürers schriftUchem Nachlaß der Anhang
mit Auszügen aus den gedruckten Lehrschriften. Wer
diese heute noch benötigt, wird zu einer Gesamtaus-
gabe greifen müssen. w. /il'
DER PIONIER
Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunst-
fragen und kirchliches Kunsthandwerk. Gesellschaft für
Christi. Kunst, München, Karlstr. 6. — Preis des voll-
ständigen Jahrgangs M 3.—, portofrei M 3.60. — Reich
illustriert. Format der vorliegenden Zeitschrift, zu welcher
der Pionier eine Ergänzung bildet.
>) 1525 Unterweisung der Messune mit Zirkel und Richtscheit,
1527 Unterricht zur Befestigung der Städte, Schlösser und Flecken,
1528 Vier Bücher von menschlicher Proportion.
: 3) ; Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, Gn
- Sämtliche in Miincben.
BEILAGE
GRABMAL V. ORTERER. — WERKE VON G. BUSCH
DAS GRABMAL DER FAMILIE
VON ORTERER
(Zu den Abbildungen S. 208 und 209)
P)as hier in Rede stehende Werk ist im Aprilhefte
des gegenwärtigen Jahrganges dieser Zeitsclirift ab-
gebildet. Seine Eigenschaften rechtfeitigen eine ge-
nauere Betrachtung. Zwei bewährte Künstler, der
Architel<t Professor Fuchsenberger und der Bildhauer
Heinrich Uberbacher, haben sich vereinigt, um dieses
Kunstwerk zu scharten, das 1914 seinen Platz auf dem
Münchener Ostfriedhofe erhalten hat. Es ist drei Meter
hoch und besteht aus Untersberger Marmor. Formen-
empfmdung der Antike vereinigt sich in diesem Grab-
mal mit Gedankeiiinhalt des Christentums. Die Gestalt
ist die der altgriechischen Stelen, zeigt mithin eine
hochrechteckige Steintafel, die mit einem Giebeldreieck
bekrönt ist. Der formale Unterschied gegen jene Grab-
raäler des Altertums besteht wesentlich in dem größe-
ren Maßstabe des neuen Werkes, ferner darin, daß die
ganze Hälfte des Steines der Inschrift vorbelialten ist, die
bei den antiken Denkmälern allerkürzeste Fassung zeigt
und nebenlier angebracht wird; endlich darin, daß die
Bildfläche zum Teil in den Stein vertieft ist, eine Nische
darin bildet. Der Architekt behandelte den oberen
Teil des Grabmales kapellenartig: zwei Pfeiler tragen
scheinbar den Giebel, die Mittelpartie wurde zurückge-
schoben. Dem Bildhauer blielj die Ausschmückung
der kraftvoll gegliederten Fläche überlassen, die von
vornherein mit starker Licht- und Schattenwirkung be-
gabt war. Die drei Flächen mit ihren Reliefs fügen
sich ähnlich einem Altartriptychon zusammen : ein Mit-
telbild mit szenischer Darstellung, zwei Flügel mit je
einer Einzelfigur. Das Mittelrelief zeigt die Beweinung
Christi. Stille Trauer waltet in der Gruppe, tief in
sich gekehrte Empfindung, die sich nicht durch laute
und heftige Bewegung Luft zu machen sucht. Dem-
entsprechend zeigen die Antlitze der Personen den Aus-
druck frommen Nachsinnens über das große Geheimnis
des Todes, dem der Stachel genommen ist. In der
Behandlung des Christusaktes, der Flächen, der Gewand-
falten usw., auch des Hintergrundes, klingt dieser
Grundgedanke der Zurückhaltung und des Ausschlusses
alles Irdischen und Kleinlichen nach. Die Seitenflächen
zeigen in sanflen Vertiefungen die Relieffiguren der
beiden Namenspatrone des von Ortererschen Ehepaares,
den hl. Georg und die hl. Rosa von Lima — beide
aufrecht stehend und auf die Art kräftige lineare Gegen-
sätze gegen die unter dem starken Einfluß der Hori-
zontale des Christuskörpers stehende Mittelgruppe. Der
ornamentale Schmuck des Grabmals beschränkt sich
fast nur auf umrahmende und abgrenzende Eier-, Perl-
und Blätterstäbe. Doering
WERKE VON GEORG BUSCH AUS DEN
LETZTEN JAHREN
Tn den Ausstellungsräumen der Gesellschaft für christ-
liche Kunst waren kurze Zeit vier neue Werke von
Professor Georg Busch zu sehen, zwei größere kirch-
liche dekorative Skulpturen, eine Statuette und eine
Porträtbüste.
Die letztere stellt den Bischof von Regensburg, Ex-
zellenz Dr. Antonius von Henle, dar. Das für eine An-
stalt ausgeführte Werk ist aus edlem Laaser Marmor
gemeißelt. In den Zügen des Bischofes spricht sich
Güte und Strenge, Milde und Ernst aus, man begreift
die Begeisterung, Teilnahme und Tatkraft, welche er
den realen wie den idealen Dingen der Welt und
Überwelt zuwendet.
Die christliche Kunst. XII. 9. i. Juni 1916
Für den Prinzen Johann Georg von Sachsen hat
Busch eine etwa zwei Drittel Meter hohe Statuette des
hl. Johannes Nepomuk in Holz geschnitzt. Der in ganzer
Figur dargestellte Heilige steht in jener ruhigen, mit
nur leiser Bewegung viel sagenden Haltung da, welche
auch anderen derartigen Werken Georg Busch's das
Interesse sichert. Die Joliannesstatuette zeigt den
Heiligen in priesterlichem Chorgewande. Mit leise ge-
senktem Haupte, die Augen zu Boden gerichtet, drückt
er mit beiden Händen ein schlichtes Kreuz an seine
Brust. Wir sehen, daß er in Treue zum Kreuze das
Martyrium auf sich nimmt, um das Geheimnis der
hl. Beichte zu wahren. Die Schnitzerei geht in Einzel-
heiten ein, ohne doch in Kleinlichkeit zu verfallen.
Mit feiner Kunst der Oberflächenbehandlung sind die
Stofte geschildert. Färbung ist erfolgt, aber in so zu-
rücklialtender Weise, daß trotzdem das Holz seine na-
türliche Schönheit fast durchweg zur Geltung bringt.
Die Statuette steht auf einer dunklen hölzernen Säule;
ihr Kapital ladet breit aus und bildet eine auf drei
Bögen ruhende Brücke. Zur Andeutung der Legende
dient der über dem Wasser schwebende goldene Hei-
ligenschein mit den fünf Sternen.
Die größeren Skulpturen — beide sind polychro-
mierte Holzschnitzereien — sind Stiftungen für die
Pl'arrkirche zu Weilheim, die eine ist als Votivgabe um
die glückliche Rückkehr eines Kriegers bestimmt. Dies
^\'erk ist eine Herz Jesu-Statue, bei welcher Busch den
Gedanken gestaltet hat, den Heiland als Friedensfürsten
zu verherrlichen. Die Verkörperung der Idee ist neu-
artig, das Motiv der Figur mit dem des großen Zeit-
ereignisses verschmolzen und in Form und Vortrag zum
Ausdrucke gebracht. — Die Pfarrkirche von Weilheim
ist ein Renaissancebau, verwandt der Münchener Micliaels-
kirche, die Ausstattung barock. Dem entsprechend hat
Busch für die Herz-Jesu Figur und auch für die andere,
ein Schutzmantelbild, freie Anlehnung an den Barock-
stil gewählt. Doch betrifft dies wesentlich nur die
dekorativen und ornamentalen Elemente, einschließlich
der Bemalung. Die Figuren zeigen schlichte, leicht
bewegte Haltung, Maria breitet mit beiden Armen den
schützenden Maritel aus, Jesus hält mit der rechten Hand
die Falten des Übergewandes zusammen, so daß über
der Brust das von Strahlen umflossene Herz sichtbar
wird, mit der Linken hebt er den friedenverkündenden
Ölzweig empor. Maria zeigt den blauen Sternenmantel
und ein weißes Unterkleid, geschmückt mit dem alten,
sinnvollen Motive goldener Ähren. Die starke dekora-
tive Wirkung beider Skulpturen erhöht ihr Hintergrund,
der aus goldenen Strahlen besteht. Diese sieht man
beim Schutzmantelbilde durchzogen von einem Kreise
silbernen Gewölkes; aus ihm schauen zw'ölf geflügelte
Engelköpfchen auf die Madonna hin, welche auf diese
Art festlich eingerahmt wird.
Diesen Werken schheßen sich zwei an, welche im
März 1916 zur Ausführung gelangt sind. Das eine ist
die große Gruppe des hl. Heinrich II. mit seiner Ge-
mahlin, der hl. Kunigunde. Im Modell ist die Arbeit
schon seit 191 5 vollendet; Beschreibung und Abbildung
konnten daher bereits in meinem Buche über Georg
Busch gegeben werden. Die beiden Heiligen thronen,
lebensgroß dargestellt, nebeneinander; Heinrich in
ernstem Selbstbewußtsein und erfüllt von der Bedeutung
seiner Aufgabe als Stifter des Bamberger Bistums ;
Kunigunde blickt, an ihn sich schmiegend, voll inniger
Frömmigkeit zum Himmel empor. Für den Kopf des
Kaisers hat jener der berühmten frühgotischen Statue
an der Adamspforte des Bamberger Domes den Leit-
gedanken hergegeben, das Antlitj der Kaiserin ist frei
erfunden und von vergeistigter Schönheit. Bestimmt
ist das eindrucksvolle Altarwerk für die neue St. Otto-
kirche zu Bamberg. Sie kann sich, falls die Grundsätze
WERKE VON K. SCHLEIBNER UND L. THOMA
für ihre Ausschmückung weiterhin die gleichen bleiben,
zu einer bemerkenswerten Stätte neuer christHcher Kunst
entwickeln. Besitzt sie doch auch schon eine marmorne
Madonna von Balth. Schmitt. Ausgeführt wurde die
von Busch geschaffene Gruppe in rotem Uniersberger Mar-
mor, dessen Farbe die Gestalten mit warmem Leben
erfüllt. Die Gewänder sind poliert, die Gesichter
leicht gefärbt. Polychrome Behandlung mit reichlicher
Verwendung von Gold zeigen die Kronen, sowie
das Kreuz, welches Kunigunde in den Händen hält.
Zu dem Altarwerke gehören ferner zwei Reliefs; das
eine zeigt die hl. Kunigunde, die zum Beweise ihrer
Unschuld über glühende Pflugscharen schreitet; das
andere den Tod Heinrichs und seinen Abschied von
der jungfräulichen Gemahlin. Die Gruppen sind streng
und trotzdem lebensvoll gezeichnet. In Material und
technischer Behandlung entsprechen die Rehefs der
Hauptgruppe. — Das neueste Werk von Georg Busch
ist eine Figur des hl. Aloysius, der am Betpulte kniet.
Sie verdankt ihre Entstehung dem Wunsche eines Eltern-
paares, dem vor dem Feinde gefallenen Sohne ein
Zeichen frommer Erinnerung zu widmen. Der Be-
stimmungsort der Figur ist die St. josepliskirche zu
Spever; dort wird sie an einem der Pfeiler ihren Platz
finden. Die halblebensgroße Figur ist aus Holz ge-
schnitzt und, ähnlich wie zuvor beim hl. Johannes
Nepomuk beschrieben, verschiedenartig leicht getönt.
Die Haltung des durcli schöne ruhige Linie ausgezeich-
neten Werke.':, das Antlitz, die zusammengelegten, sehr
schön gearbeiteten Hände, alles ist der Ausdruck tiefster,
religiöser Ergriffenheit. Die Figur ruht auf einer Kon-
sole, die vergoldet, mit stilisierten Lilien geschmückt
und mit Inschriften versehen ist. Doering
ZWEI NEUE ALTARGEMÄLDE FÜR
ALTÖTTING
p"ür einen Seitenaltar der St. Anna-Basilika von Alt-
ötting hat Prof. Schleibner ein Gemälde vollendet,
während er an dem für einen anderen dortigen Altar
bestimmten Seitenstücke dazu noch beschäftigt ist. Das
letzte Werk gilt der Ehre der hl. vierzehn Nothelfer,
die sich um die hl. Jungfrau scharen. Die Entwürfe
sind da, die Ausführung des Gemäldes ist begonnen.
Als Gegenstand des ersteren, nunmehr fertigen Werkes,
war der hl. Rupertus ausersehen, die Wahl der Dar-
stellung aber freigestellt. Rupertus lebte am Ende des
7. Jahrhunderts und kam, von Herzog Theodo IL her-
beigerufen, um 696 nacli Bayern. Seine Wirksamkeit
galt hier besonders dem Stifte Regensburg; die Über-
lieferung schreibt ihm auch die Stiftung der Altöttinger
Wallfahrt zu. Als für Bayern besonders folgenreiches,
überdies geschichtlich beglaubigtes Ereignis aus detn
Leben des hl. Rupert erwählte Prof. Schleibner die zu
Regensburg vollzogene Taufe jenes Herzogs und ver-
band damit eine Hindeutung auf die legendenhafte Wall-
fahrtstifiung durch Anbringung des Gnadenbildes, das
von über der Taufszene schwebenden Engeln getragen
wird. Die Taufe erfolgt innerhalb einer Taufkapelle.
Vor dem Halbrund des Bauwerkes steht auf Stufen der
steinerne Taufkessel. Vorn kniet der Herzog mit ent-
blößtem Oberkörper, indem er seinen Mantel mit dem
rechten Arm am Hinuntersinken hindert. In demütiger
Haltung und doch mit fürstlicher Hoheit empfängt er
den Guß des Taufwassers, das der hl. Bischof aus einer
flachen Schale über das Haupt des Herzogs ausschüttet.
Mehrere geistliche und weltliche Würdenträger wohnen
der hl. Handlung als Zeugen bei. Außer einem ideal
aufgefaßten greisen Könige sieht man mehrere bildnis-
ähnlich geschilderte Personen, unter ihnen den Regensbur-
ger Bischof von Senestrej-. Von zwei anderen hält der eine
ein prächtiges Vortragkreuz, ein anderer eine Fahne
Das Vorbild der letzteren befindet sich im Münchener
Armeemuseum ; sie ist mit dem Wappen der bayeri-
schen Herzöge und dem darüber schwebenden Auge
Gottes geschmückt. Ein ganz vorn rechts knieender
Page hält das Schwert Theodos. Die Charakterisierung
der Personen ist bei den frei gestalteten tief und feier-
lich, naturgemäß individuell bei den bildnisähnlichen;
beides schließt sich zwanglos zusammen, und das Ge-
mälde zeigt sich dadurch mit Idealismus und Lebens-
echtheit zugleich erfüllt. Sehr anmutig sind die Gestal-
ten der schwebenden Engel. Die Komposition ist klar
und einfach, die größte Kraft der Formen und Farben
auf den unteren Teil des Bildes, die Leichtigkeit und
Anmut auf den oberen gelegt. Mit den Einzelheiten
schaltete der Künstler mit Recht nach freier Eingebung.
Die Farben sind voll Leuchtkraft und Fülle, besonders
schön das herrliche Blau des Herzogsmantels. Die Wahl
der Technik — Tempera mit Öl — war der farbigen
Wirkung besonders förderlich.
Tm Asamsaale zu München war vom 25. — 31. März
die große Malerei ausgestellt, welche seither den
Hochaltar der St. Anna-Basilika zu Altötiing schmückt.
Das Wirken des Künstlers, Leonhard Thoma, ist
den Lesern der >Christlichen Kunst« im Jahrgang 1915
vorgefülirt worden, eins seiner Werke findet sich auch
in der Jahresmappe 191 5 der Deutschen Gesellschaft
für christliche Kunst beschrieben und abgebildet. Die
neueste Schöpfung des Künstlers schließt sich seinen
früheren, von denen in der Ausstellung zahlreiche Ab-
bildungen und Entwürfe mit zu sehen waren, würdig
an. Der Altöttinger Hochaltar gilt der Ehre der Schutz-
patronin der Kirche St. Anna. In der Anordnung lehnt
er sich an die großen Altarwerke des Barock an: ein
Aufbau mit drei übereinander befindlichen .Abteilungen.
Zu Unterst das gewaltige Hauptbild, darüber ein kleine-
res, zu oberst eine Schnitzerei, die gegenständlich zu
den zwei Gemälden gehört. Im Hauptbilde sieht man
die hl. Anna mit der jugendlichen Maria. Auf einem
marmornen Sockel sitzt die erstere, an ihrer linken
Seite steht Maria. Diese schaut voll Güte und Liebe
zu zwei Gruppen von Personen hernieder, die sich
rechts und links von dem Sockel versammelt haben.
Die Gruppe rechts von ihr zeigt den im vollen Schmucke
seines heiligen Amtes knienden Papst Pius X.; er hält
die Urkunde in der Hand, in welcher er der Kirche
St. Anna den Charakter der Basilika verliehen hat. Das
Modell der Kirche steht vor ilmi am Boden. Neben
dem Papste ragt die erhabene Gestalt des Prinzregenten
Luitpold als Stifter des Altöttinger Altares, ihm zur Seite
der allzu früh verstorbene junge Prinz Luitpold. Ganz
rechts erscheint ein Kapuziner. Die Gruppe links von
Maria zeigt eine Anzahl von Wallfahrern. Sehr schön
ist eine Mutter mit ihrer kranken Tochter; ein Krieger
in feldgrauer Uniform und eine hinter ihm stehende
junge Witwe deuten auf die Entstehungszeit der Ma-
lerei. An dem Sockel sieht man die als Relief gemalte
Bundeslade, das Symbol der Unbefleckten Empfängnis.
— Zur Rechten der beiden Mittelfiguren steht neben
einer Säulenarchitektur St. Joseph. Der andächtige Blick
der hl. Anna geht zum Himmel hinauf, von welchem
Engel herniederschweben und Blumen streuen, und wo
die allerheiligste Dreifaltigkeit in Majestät wohnt. Ihre
drei Personen sind in beiden oberen Abteilungen des
.'Mtares verteilt, in der Weise, daß Gottvater und Jesus
gemalt das obere Bildfeld einnehmen , während die
Taube ganz oben in Schnitzerei ausgefülirt ist. Die
Farben des mächtigen Werkes sind voll Kraft und Fülle,
und geeignet, in der Kirche vorzügliche dekorative Wir-
kung zu tun. Gehoben wird diese durch den archi-
ZUR PHOTOGRAMMETRIE.
AUSSTELLUNGEN WIESBADEN UND BADEN 15ADEN
tektonisclien Aufbau und die Einrahmung der Bilder,
aus welcher das bayerische Königswappen bedeutungs-
voll hervortritt. Doerins
EIN NEUES PHOTOGRAMMETRISCHES
VERFAHREN
Tm Verlage F. C. W. Vogel, Leipzig, ist soeben ein neues
Werk (Photogranimetrie ohne Spezialkamera, 26 Abb.,
2 Beilg. Preis 3 Markl des bekannten Polizeifachmannes
Dr. Heindl erschienen, das insbesondere die Aufmerk-
samkeit aller derer, die sich mit Denkmalpflege befassen,
erregen muß. Bislang war es immer nur mit großer
Umrechnung verknüpft, aus einer Photographie die Län-
gen- und Höhenmaße eines Bauwerkes oder Innenrau-
mes und deren Details zu bestimmen. Ganz genaue
Maße konnten aber nicht festgestellt werden. In vielen
Fällen ist eine Aufmessung nicht möglich, sei es, daß
man infolge der Entfernung nicht mehr nachmessen
kann, sei es, daß eine Berührung des Objektes verboten
oder eine Beschädigung zu fürchten ist.
Photogrammetrische Aufnahmen, die vor allem für
Archive der Denkmalpflege notwendig sind, sind schon
im 18. Jahrhundert von S. H. Lambert (1728— 1777) ver-
sucht, aber nicht praktisch ausgenutzt worden. Der In-
genieur Beautemps-Beaupre war der erste, der bei durch-
geführten geometrischen Aufnahmen auf einer Weltreise
(1791- — i793)perspektivischeBilder anwendete. A. Lausse-
dat brachte 1850 die camera lucida von Wellaston
zur Anwendung. Spätere Reisende wie der Geonieter
Dr. Jordan benutzten immer nocli in sehr komplizierter
Weise gewöhnliche Photographien. Der bekannte Kri-
minalist Bertillon schlug eine Spezialmethode für poli-
zeiliche Zwecke vor. Sein hier angewendetes Ver-
fahren der photogrammetrischen Aufnahmen teilt uns erst-
malig Dr. Heindl in seiner Broschüre mit. Bei Bertillons
Methode werden als Maßstäbe weiße Papierstreifen von
1 m Länge und 5 — 10 cm Breite, auf denen die Dezi-
meter aufgezeichnet sind, mögUchst zahlreich an den
Wänden des aufzunehmenden Raumes angebracht. Ein-
fach ist das Verfahren nicht und hat den Nachteil, daß
jene Gegenstände, die nicht gerade zufällig sicli in der
Bildebene eines dieser Zettel befinden, nicht genau ge-
messen werden können.
Heindlbenötigt nun für seine Messungen weiternichts,
als eine quadratische 50 cm große Platte, die auf dem
Boden gelegt und niitphotographiert wird. Die Tafel
enthält am unteren Rande eine Zentiraetersl;ala. Ferner
ist eine Diagonale aufgezeichnet und ein Halbkreis mit
den Graden i — 180. Als einzige Regel ist zu beachten:
Die Tafel muß so gelegt werden, daß sie auf der Matt-
scheibe und dem photographischen Bild wagrecht er-
scheint.
An Hand einer großen Anzahl von Beispielen
zeigt uns der Verfasser, wie überaus einfach die Be-
rechnung der Maße und Winkel und die Umrechnung
der Ansicht in einen Grundriß ist. In einem besonderen
Abschnitt sind die Beweise zu den aufgestellten Berech-
nungen zusammengestellt. Das Buch wird sich jeden-
falls, obwohl in der Hauptsache für Kriminalisten ge-
schrieben, unter Architekten und Kunsthistorikern viele
Freunde erwerben. Robert B. Witte
DIE AUSSTELLUNGEN ZU WIESBADEN
UND BADEN-BADEN
jV/rit einer angenehmen Sachlichkeit hat Theodor
Fischer den Neubau des Wiesbadener Museums
ausgestattet; als ein edler Zweckbau steht diese Ver-
bindung zweier einfacher Baublocks durch eine Kuppel-
halle in der mit Luxusbauten mehr als genug geseg-
neten Fremdenstadt. Der äußeren Sachlichkeit ent-
spricht die innere Gliederung, die in der einen Raum-
hälfte die Galerie, in der andern die Ausstellungen
moderner Kunst unterbringt. Die ziemlich unbekannte,
docli mit solidem Geschmack aus der Sammlung Pa-
gen stech er, der des Nassauischen Kunstvereins und
der Wiesbadener Kunstgesellschaft gebildete Sammlung
birgt neben einer Repräsentation der Malkunst des
ig. Jalirhunderts und verschiedenen weniger in ihrer
Einzelheit bedeutenden, als eben allgemeine Begrifl'e
vermittelnden Werken der italienischen, niederiändischen
und altdeutschen Malerei eine kleine Trübner-Samm-
lung, die wirklich nicht im verborgenen zu blühen
brauchte. Diese Sammlungen allein rechtfertigen schon
den Bau eines Museums ; hierzu kam das Bedürfnis, an
diesem Brennpunkt des Verkehrs eine Ausstellungs-
und Kaufvermittlungsstelle zu unterhalten. Daß der
Gedanke fruchtbar war, beweist die überraschend gute
Verkaufszahl der Eröffnungs-Ausstellung.
Diese selbst als Richtunggeber für weitere Veran-
staltungen zu nehmen, geht nicht an, weil Kücksichten
lokaler Natur manches Durchschnittliche zuließen. Den
Hauptraum nehmen die älteren Führer der Moderne
ein: Liebermann, Corinth, Slevogt. Lieber-
manns zur Technik gewordene Flüchtigkeit und Co-
rinths ungebändigtes Draufgängertum verwischen sich
völlig vor der nie genug zu rühmenden Malkultur
Trübners; ein männlicher Kopf aus den siebziger
Jahren und die Bilder von Stift Neuburg geben Auf-
takt und Ausklang eines respektablen Stückes deutscher
Malkunst. Bei den Münchnern sind die Jugendillustra-
toren gänzlich vermieden mit Ausnahme Weisger-
bers. Mit Wehmut steht man vor dem Ende dieses
Schaffens, das kein Abschluß hatte werden sollen. Der
kühne Illustrator stand eben im Anfang einer Monu-
mentalität, von der diese groß gesehenen Darstellungen
die schönsten Hoffnungen hatten erwecken können.
Die graphische Abteilung läßt angenehm eine ziem-
liche Sichtung fühlen. Man hat so dem einzelnen die
Möghchkeit einer wirklichen Aussprache gegeben. Zu
nennen sind >Lithographien aus dem Krieg« von Ed-
win Scharff, die lebendigen Holzschnitte Wilhelm
Laages, neben der zarten Liniensprache Orliks und
Carl H ofe rs.
Der Plastik verschaffen zwei Sonderräume mehr als
sonst Geltung und abgegrenzte Wirkung. Antes, El-
kan und Fritz Huf bestreiten den ersten Raum, wäh-
rend die acht Wände des weiteren Sonderraumes von
der Rhythmik der gesteigerten Bewegung Lehm bruclc-
scher Figuren harmonisch belebt werden. Die Mitte
bildet die Gestalt einer »Trauernden« von Karl Albiker.
T Tber die diesjährige zweite Kriegsausstellung läßt sich
^ wieder nicht allzuviel Neues sagen, doch haben einige
jüngere Künstler Werke geschickt, die eine Erwähnung
verdienen. Wie im Vorjahr beherrschen die Ausstellung
alte Gäste; der badische Malerkreis mit Thoma, Trüb-
ner, Dill, Feld, Bethmann, Schönleber hat der
Ausstellung den gewohnten Rahmen gegeben und ihre
meist schon gesehenen Werke bilden den Maßstab und
Hort der künstlerischen Tradition. Von einer neuen
Seite lernt man Ludwig Dill kennen. Er ist unter die
Kriegsmaler gegangen, nicht im Sinn der allzuvielen,
ermüdend wirkenden Illustratoren, die auch hier eine
Unmenge ihrer nichtssagenden Lebensausschnitte aus
Etappe und Reservestellungen bringen, sondern in einer
weit monumentaleren Erfassung des W'esentlichen.
War schon der Landschafter Dill weit entfernt von
jedem realistischen Leben der Natur und der Landschaft,
so entrückt Dill die großen Kriegsgeschehnisse in eine
AUSSTELLUNG AUS KÖLNER PRIVATBESITZ
zeitlos-monumentale Unwirklichkeit, der kein Eindruck
von Gesehenem, wirklich Geschehenem anhaftet, deren
Wesen visionär zu nennen ist. Diese technisch breit
und starkfarbig gemalten kleinen Ausschnitte einer
großen Erscheinung baut Dill mit einer sicheren Struk-
tur von Bäumen, Brücken, zerschossenen Häusern auf,
die die Ereignisse in schönem Rhythmus organisch ent-
wickeln helfen. Mit den schlichtesten Mitteln inhalts-
schwerer Gebärdensprache weiß er die Vision des ge-
waltigen Ringens ungeheurer Massen hervorzubringen
und es ist eine Freude, den reifen Meister diesen V^'eg
reinster expressionistischer Gestaltung schreiten zu sehen.
— Der kleine Dill-Saal gibt einen Maßstab, an dem
man unzufrieden Vieles in den Räumen der Malerei
mißt. Von den jüngeren sieht man daneben mit Freuden
den Trübnerschüler Hans Spung, der nach langen
koloristischen Versuchen wieder zu seinem echtesten
Können, dem Porträt, zurückkehrt. Es hängen von ihm
Arbeiten da, die in unserer Zeit soviel bedeuten wie
die Bildniskunst des jungen Trübner damals. — Drei
junge Graphiker dürften die beste Ausbeute aus der
reichen graphischen Sammlung darstellen; Wilhelm
O esterle, Artur RiederundHansNadler. Vieles
ist bei ihnen noch im Werden, aber erstaunlich bei
allen die Wahl des Inhaltlichen und seine technische
Bewältigung. Große Stofie (biblische und soziale Themen)
werden in kleinformatigen Radierungen von Oesterle
versucht, sein Bemühen um klare Komposition schei-
tert in manchen Stücken an der Figurenfülle. Nadler
erschöpft die wenigen Figuren seiner sozialen Kunst
in Ausdruck und Komposition. Graphik solcher Art gibt
uns gerade heute mehr als alle reichlich wuchernde
Kriegsillustration. — Die Plastik — sonst immer gut
vertreten in Baden — bietet kaum Bedeutendes. Die
Nennenswerten, Elkan und P. P. Pfeiffer, sind ge-
nügend bekannt. h, l. m.
AUSSTELLUNG NEUERER KUNST AUS
KÖLNER PRIVATBESITZ
Jahraus, jahrein bringen unsere Kunstzeitschriften Be-
richte und Besprechungen von Kunstausstellungen.
Wir vernehmen immer wieder, was gemacht, gezeigt
und geboten wird ; doch erfahren wir nicht oder nur
selten, wo die Kunstwerke bleiben, oder besser, wir
bemerken wenig von einer greifbaren Wirkung all die-
ser Veranstaltungen. Gewiß die Künstler und andere
Kenner des Kunstlebens wissen es, daß wohl weitaus
das meiste Ausstellungsgut, wenn es nicht zunächst
eine Wanderung zu anderen Ausstellungen oder in den
Kunsthandel antritt, wieder in seine Geburtsstätte, ins
AteHer des Künstlers, zurückwandert und daselbst an
den Wanden oder in dunklen Gelassen längere oder
kürzere Zeit sein Dasein fristet, um endUch vielleicht
einmal einen Liebhaber zu finden. Wohl zieht auch
in den Ausstellungen das manchem Werke angeheftete
Zettelchen mit dem inhaltreichen Wort »Verkauft« die
Blicke und vielleicht erst dadurch überhaupt die Auf-
merksamkeit und Beachtung vieler Besucher auf sich.
Aber wohin das Werk wandert, welche Rolle es von
nun an als Kulturfaktor spielt, wie es weiterliin die
eigentliche Aufgabe des Kunstwerks erfüllt, bleibt uns
zumeist verborgen. Da auch nur verhältnismäßig wenige
Kunstwerke den \\'eg in ein Museum finden, darf nach
dem vorhin Gesagten eine Ausstellung aus Privatbesitz
von vornherein mit dem lebhaften Interesse der Kunst-
freunde, abgesehen von der leicht begreiflichen Neu-
gierde der Menge, rechnen. Eine solche Ausstellung
gibt uns Kenntnis von dem Geschmack und von be-
sonderen Neigungen des einzelnen Sammlers, ferner
von der Bedeumng eines Ortes für das Kunstleben, und
endlich erlaubt sie auch ein allerdings mehr oder min-
der zutreffendes Urteil über den Wert einer Kunstrich-
tung, insofern sich eine praktische Beurteilung derselben
aus der größeren oder geringeren Zahl erworbener
Werke überhaupt oder aus dem Umstände, ob die
Werke einer bestimmten Kunstrichtung in den Besitz
von Sammlern mit anerkanntem Geschmack und Urteil
gelangt sind, ergibt.
Solche Ausstellungen hat der Kölnische Kunst-
verein bereits vor einigen Jahren veranstaltet ; eine der-
selben umfaßte nur Werke der alten Zeit, eine andere
zeigte Porträts, eine dritte nur neuere Werke, wobei
den meisten Besuchern die Überraschung wurde, daß
unter anderen das aus vielen Reproduktionen bekannte,
Angelus genannte Bild von Segantini, die Überfahrt
einer Scliafherde beim Aveläuten, sich im Besitz einer
Kölner Dame befindet. Nun hat der Kölnische Kunst-
verein wiederum eine Ausstellung von Kunst in Köl-
ner Privatbesitz, und zwar zunächst wieder von neue-
ren, damals nicht gezeigten bezw. noch nicht existie-
renden \\'erken veranstaltet. Wie eigentlich zu erwarten
ist, läßt eine Kritik sich in die Worte zusammenfassen :
Über Geschmackssachen läßt sich nicht streiten. Doch
muß anerkannt werden, daß man die Ausstellungsräume
mit einem vorwiegenden Gefühl der Freude und des
Genusses durchwandert und wiederholt durchwandern
kann. Denn manches Stück begegnet uns da, das un-
bestreitbaren Geschmack des Besitzers verrät und auch
in einem guten Museum seinen Platz haben dürfte. Es
ist hier nicht möglich, alle ausgestellten Arbeilen ein-
zeln auch nur zu nennen.
Die vorhin ausgesprochene Anerkennung gilt vor
allem den Werken solcher Meister, die wir fast als
Klassiker der neueren Zeit ansprechen möchten, zunächst
Ansei m Feuerbach mit einem sehr frühen Bildchen
»Rokokodamen am Wassere, dann Wilhelm Leibl
mit einem Kinderköpfchen, das allerdings nicht zu sei-
nen höchsten Leistungen zählt, und Leibls Freunde
Johann Sperl mit dem wonnig im Waldesgrün ein-
gebetteten Häuschen Leibls in Aibling und Karl Schuch
mit einem seiner köstlichen Obststilleben. Dazu kommt
Hans Thoma mit drei guten Arbeiten, einem alt-
meisterlich gemalten, schwer tragenden Apfelbaum vom
Jahre 1878, einem Kinderbildnis von 1S8S und einer
Landschaft am Gardasee in der Dämmerung, Oswald
Achenbach mit einem Bilde vom Niederrhein »Heim-
kehr von der Kirmes < in welchem wir seine Hand
wahrhaftig kaum erkennen ; diese Arbeit mutet uns mehr
an als seine italienischen Bilder. Weiter Eduard von
Gebhardt, Fritz von Uhde und Wilhelm Trüb-
ner, dieser mit mehreren teils seiir, teils weniger un-
serm Geschmack zusagenden Arbeiten, Karl Hage-
m eistet mit einer schon 1880 geschaff'enen, farben-
frischen Freilichtlandschaft vom Schwielowsee in der
Mark, eins der besten Bilder der Ausstellung, Max
Liebermann gefällt uns in seinen früheren Bildern,
denen wir gern in guten Museen begegnen, immer
noch weitaus besser als in recht vielen seiner neueren
Arbeiten, von denen eine größere Anzahl, vor allem
sattsam bekannte Strandbilder, gezeigt werden. Der
neueste Liebermann hat in Köln eine Gemeinde ge-
funden. Einen ganz anderen Geschmack bekunden die
beiden Besitzer mehrerer figürlichen und landschaft-
lichen Bilder von Karl Haider, einer hl. Familie, eines
>Entsagung< benannten Frauenbildnisses sowie von
zwei der bekannten oberbayerischen Landschaften.
Von sehr verschiedenem Werte sind die ausgestellten
Werke der Künstler, die wir nur noch nennen können,
der Rheinländer Juhus Bretz, Felix Bürgers (Am
Wasser), Max Ciarenbach, Ernst Hardt, Gerhard Janssen,
August Neven Du Mont (Diner), Max Stern
(Viehmarkt am Niederrhein', Fritz Westendorp, der
FREIE SECESSION BERLIN 191 6
Münchener Hugo von Habermaiin, Franz von Stuck,
Adolf Hengeler (Im Bergwirtshaus), Albert Weiß-
gerber, Heinrich von Zügel (V^ehtreiber) und Angelo
Jank, ferner Ulrich Hübner (Lübecker Hafen bei
Morgensonne), \\'alter Leistikow, Leopold von Kalck-
reuth (Bildnis eines Jagers), Arthur Kampf (Aus
Sevilla), Gotthardt Kühl und Emil Nolde. Auch aller-
modernste Maler sind mit einigen Arbeiten vertreten.
Um solchen Gesclimack abzugewinnen, dürfte mancher
zu früh geboren sein. Das Ausland tritt diesmal, den
Zeitumständen entsprechend, zurück. Ausgestellt sind
einige Werke von Albert AndrO, Gustave Courbet,
Pablo Picasso, Camille Pissarro, Auguste Renoir, Eduard
Vuillard, Ferdinand Hodler und Jozef Israels. Damit
haben wir wohl die nennenswerteren Maler aufgeführt.
Die Plastik scheint, nach den wenigen ausgestellten
Arbeiten zu urteilen, von denen keine besonders erwähnens-
wert ist, in Köln etwas stiefmütterlich behandelt zu werden.
Nun aber reiht sich den Werken der Malerei und Plastik
eine sehr bemerkenswerte, von nur einem einzigen Be-
sitzer mit anerkennenswertem Geschmack gesammelte
große Anzahl von Originalgraphiken an, fast durch-
weg hervorragende Arbeiten u. a. von Bone, Brangwvn,
Cameron, Corot, Isabey, Israels, Klinger, Legros, Lie-
bermann, Manet, Meryon, MiUet, Munch, Rops, Shan-
non, Stauffer-Bern, Strang, Whistler und Zorn. Endlich
seien noch zum Teil guten Geschmack verratende Er-
zeugnisse des Kunstgewerbes der neuesten Zeit:
Gläser, Keramiken, Emails, Bucheinbände usw. erwähnt.
Ausdrücklich aber hiüssen wir Arbeiten wie eine das
Kind anbetende Madonna in Emailtechnik als wenig
würdig und die als verzerrte Karikatur in Keramik ge-
gebenen hl. Drei Könige entschieden ablehnen.
Übersieht man nun alle die genannten und ange-
deuteten Kunstwerke und ihre Zahl (über 100 Gemälde)
und zieht in Betracht, daß wohl die meisten in den
letzten Jahren erworben wurden — wer Ausstellungen
bereist hat, dem dürften manche Erinnerungen kom-
men — , so kann man bequem den Schluß ziehen,
w-elche Bedeutung der Stadt Köln für Kunst und Künst-
ler der neueren Zeit zukommt. HinsichtHch der Samm-
ler läßt diese Ausstellung, was auffallen mag, darauf
schließen, daß die Erwerbungen durchaus nicht dem
Eifer entsprechen, mit welchem Köln zum deutschen
V^orort der allerneuesten Kunst gemacht worden ist;
vielmehr hat in den Kreisen der Sammler Vorsicht und
Zurückhaltung und ein gewisser, am guten Alten gebil-
deter Konservatismus anscheinend durchaus die Vor-
herrschaft. — Eine Erweiterung des Urteils über Köln
als Kunststadt werden zwei weitere Veranstaltungen
des Kunstvereins, wieder eine Porträtausstellung und
eine Ausstellung von ebenfalls noch nicht gezeigten
Werken alter Kunst aus Privatbesitz ermöglichen.
Dr. A. Huppertz, Köln
FREIE SECESSION BERLIN 1916
Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)
r)ie ältere, aber sezessionierte Sezessionsgruppe kennen
wir aus unserem Sammelbericht von Juli 1914 (in
X. 10). Es sind die um Liebermann, mit Slevogt
usw. Nun haben sie sich zum zweitenmal gezeigt, in
dem vorher von def jüngeren Gruppe benützten Haus,
vom 5. Februar bis 5. April. Die (gelinde gesagt) große
Verschiedenheit der Richtungen und Q.ualitäten, die hier
Anblick und Urteil erschwert, scheint dem Publikum
zu gefallen : Es ist auffallend viel verkauft.
Natürlich wurde auch eine Rückschau zur Erhöhung
des eigenen Beständigkeitswertes gemacht, jedoch nur
zum Teil abgesondert, zum Teil hineingemischt. Sie
reicht zurück bis auf ein sympathisches Bild >Adam und
Eva< von L. Cranach d. J., geht über eine helle, na-
turalistische und doch zugleich etwas heroische > Land-
schaft mit Stierherde und Figuren< von F. de Goya,
über ein eindrucksvolles weibliclies Bildnis von O.Runge,
über eine »Studie zum Grafen von Gleichen« M. v.
Schwinds und über zwei Bilder bekannter Art von
K. Spitz weg (dem gleichzeitig bei Scliulte eine Son-
derausstellung gewidmet wurde) zu A. Böcklin, dessen
»Kämpfende Zentauren« gut bewegte Gesichter zeigen,
sowie zu H. V. Marc es, dessen Eigenart in einem weib-
lichen Akt »Unschuld« und in anderem günstiger als
sonst zur Geltung kommt. Auch mehrere freundliche
Schöpfungen A. A. O berlän d ers und H.Thomas
lassen sich hier anreihen.
In des Letzteren außerordentlich stimmungsvollem
»Maria Himmelfahrtstag« liegt wohl eher etwas Reli-
giöses als in den nicht wenigen Gemälden Modernster,
die biblische Stoffe — sagen wir; traktieren. Voran
darf dabei wohl die Erinnerung an den verstorbenen
Präsidenten der Münchener »Neuen Secession«, A. Weis-
gerber, stehen: sein bei kräftiger Natürlichkeit doch
phantasiereicher »Absalon« sowie Bildnisse usw. —
worunter sein Selbstbildnis hervorragt — scheinen all-
gemein zu gefallen. Sodann gibt es eine »Verkündigung«
von H. V. Hab ermann, die leidlich sein würde, wenn
nicht ein Dummheitsausdruck abstieße; ein »Abendmahl«
von O. Hettner, dessen Vorzug einer kräftig bewegten
Darstellung von Andacht und Hingabe doch auch ge-
stört wird durch die skizzige, etwas gliederpuppige
Zeichnung, ein »Idyll« desselben Künstlers fällt durch
rautenförmige Grundzüge auf; eine Madonna (mit hl. Jo-
seph und mit Gott in den Wolken) von dem unsererseits
mehrmals gekennzeichneten M. Melzer; eine anschau-
liche, doch gut bürgerliche Naturphantasie »Geist Gottes
schwebte über dem Wasser« von Chr. Rohlfs; eine
lebhaft erregte, grünfahl gehaltene Darstellung Christi
mit den Jüngern im Schiff »O ihr Kleingläubigen« von
E. Waske. Auch der jetzt nicht seltene Typus von
Stilleben mit Heiligenliguren ist vertreten: H.Müller
zeigt einen solchen »St. Andreas« — anscheinend wieder
mit besonderem Interesse an einem komischen Gesicht.
Drei Verstorbene, die den jüngeren Kreisen anzuge-
hören scheinen, hinterlassen ein verhältnismäßig gutes
Andenken. Von dem Kölner E.Alt mann sind u.a.
schwedische Landschaften zu sehen, mit großzügiger
Naturhingabe bei sorgloser, improvisierender Strich-
weise. Auch A.Meister (u. a. mit einem Pariser Stadt-
blick) und K. Wieck (von dem besonders kleine ein-
fache Stilleben u. dgl. auffallen) finden ein beifälliges
Andenken.
Im ganzen herrscht Impressionistisches, oder sagen
wir: Improvisionistisches, oder nennen wirs gleich:
Nurnichtakademisches ; und die Zeichnung tritt meist
wieder hinter die Farbe zurück. Manchmal ist sie prä-
ziser; so in landschaftlichen Darstellungen aus Kolberg
von E. Matthes; so in den lebhaften Bewegungen,
welche die Bäume usw. auf W. Röslers Landschaften
zeigen; so in den wirbelnden Linien von Fr. Schuhes
Dorf- und Strandbildern. Ein Straßenbild von Lene
Schneider-Kainer ist skizzig, aber wenigstens nicht
tapetenflächig. Auch perspektivische Spässe kommen
vor; so in einem Zirkusstück und einer Straßenszene
von E.L.Kirchner und »Das Caft^haus« des uns in
den letzten Jahren durch charakteristische Szenen be-
kannt gewordenen Kl. Richter ist gute Witzblatt-
zeichnung. Der diesem Künstler ähnliche M. Zeller
zeigt eine kräftige Darstellung »Krankenbett«. Die
Flecken als malerische Elemente weichen größeren
Flächen oder sind wenigstens, wie bei W. R o s a m
(»Heimarbeiterin«), ausgeglichener.
Zahlreich sind die Farben-Besonderheiten, vom Glü-
hendsten bis zum Mattesten. Wieder finden sich die
VORTRAG ÜBER KRIEGSGEDENKZEICHEN
Schwellfarben, die vom Rand einer Fläche gegen die
Mitte zu satter oder dunkler werderi; so bei M. Reell-
ste in, nur mit weniger stetigen Übergängen, als sie
sonst vorkommen. Wie dessen >Herbstlandschaft< eine
Gelbbraunglut zeigt, so kelirt das jetzt beliebte Motiv
der radialen Sonnenfluten in dem >Mann am Fenster«
von Br. Krauskopf wieder, der gleichfalls mit Schwell-
farben arbeitet (seine >Landschaft« möchte man für
eine Darstellung fressender Pflanzen halten). Das Loh-
farbige mit der Strahlen- und Ringsonne findet sicli
auch in H.Heusers >Abend bei Darmstadti. Beson-
ders beliebt scheint eine Pfirsichfarbe zu werden ; so
bei dem obenerwähnten Altmann (neben einem röt-
lichen Hellbraun), bei O. Beyer (»Abend in Vieville«)
und mit einem besonderen Glühen bei E. Gotzmann
(>Dorfteich<). Daneben gibt es ein Rosa in den Akten
auf A. Degners »Bacchanal«, mit dem Typus der
»dummen Gesichter«. Dann geht es durch die Oliv-
reflexe aufL. v. Hofmanns nicht mehr neuem »Schma-
lem Ufer« zu dem (sonst noch häufigeren) Gelb der
»Gefangenen Frauen« von K.Tuch (gleichfalls schon
typisch) und zu dem Seitenstück dazu in Graubraun,
den »Frauen am Meer« von K. Hofer. Bald sind wir
bei dem fahlen Licht der Reiterfiguren angelangt, welche
W. Kohlhoff als »Kampf« zeigt, dann bei dem ganz
blassen der »Ruhenden Reiterin« von O. Th. W.Stein
und endlich bei der fast völligen Farblosigkeit des
Bildes »Der Trauernde« von E. R. Weiß, dessen Bild-
nisse usw. dem für expressionistische, impressionistische
und sonstige Wandlungen eines Künstlers Interessierten
wohl näher zu tun geben können. Wer sonst noch
Lust zum Beobachten moderner Malnuancen hat, mag
bei dem Schwimmerigen des »Bailokales« von W. Bau-
gerter oder bei den zwar schütteren, aber nicht dürf-
tigen Farben auf den Landschaften von W. Klemm
oder bei den Farbenphantasien von W. Röhricht
(»Sommerabend« u. a.) verweilen.
Mit solchen Besonderheiten ist durchschnittlich die
künstlerische Bedeutung solcher Werke erschöpft. Nun
kommen natürhch auch die Überkünstler, voran die
Gauguinisten: R. Janthur (»Landschaft« u. a ) und
L. Kainer (»Garten in Ceylon« u. a.), sowie ein noch
mauligeres und extremitätigeres »Ruhendes Mädchen«
von O. Müller; auch der Bergsee, den E. Heckel
»Gläserner Tag« nennt, oder selbst ein »Stilleben« von
O. Moll befreit den Beschauer kaum aus seinen Schmer-
zen. Wo dieser sich beruhigen kann, •dort waltet häu-
fig ein Zug zur Graphik; so bei einem Musikerbildnis
Ida Gerhardis, bei Gartenbildern E. Orliks (das
nämliche Objekt mal vor dem Regen, mal im Winter),
bei einem Mädchenbildnis B. Pankoks, bei Fr. Rhein
(»Gärtnerei« u. a.), etwa auch bei den gut anschaulichen
»Kreidefelsen auf Rügen« von O. Ipotaczyk. Hübsch
oder nett sind E. Gablers »Hauswand mit Blumen«,
M. Gieseckes »Fliegende Fische«, Dora Hitz' »Halle
eines alten Palastes«, R. Sewalds »Kreuzgang« und
eine jedenfalls reich durchgearbeitete »Berglandschaft«
neben zarten »Herbstblumen« von Maria Slavona.
— D.1S Kriegsthema ist kaum öfter als einmal ver-
wertet, nämlich in R. Sterls »Kameraden« (die einen
Verwundeten aus dem Schützengraben tragen).
Den Liebhabern von alten bekannten Secessions-
namen mag noch gedient sein durch die Aufzälilung
einiger Künstler mit Fortsetzungen ihres Früheren. So
finden wir wieder: H. Baluschek (»Kupferhütte«),
B. Bern eis (»Komposition« mit Darstellung eines luzi-
ferartigen männlichen Aktes, der innerhalb der Umrisse
eines Gebirges emporblickt), W. Bondy (dessen Bild-
nisse ihn wieder als einen Gegensatz zur Gewaltsam-
keit des sonstigen Sezessionistischen zeigen), Th. v.
Brockhusen (»Frühlingssonne«, auch wieder radial),
C. Herrmann (der einen Herbstmorgen und einen
Herbstnachmittag aus den Münchener Isaranlagen bringt).
U. Hübner (mit der bewegten Regenstimmung seines
»Hamburg«), L. v. Kalckreuth (»Interieur, Blick auf
den Garten«), M. Liebermann (unter dessen Bildern
ein »Vorraum mit Tonne« hervorgehoben sei), M. Sle-
vogt (mit einem so recht impressionistischen »Bauern-
jäger in der Pfalz«), und neben W. Trübner (u. a. ein
lauschiges »Schloß Lichtenberg«), Alice Trübner f
(deren »Schneelandschaft«, »Schloß Hemsbach« u. a.
manchen vielleicht wenigstens milder anmuten als
W. Trübners Art).
In der sezessionistischen Plastik fordern die ausge-
renkten und zerquetschten, puppigen und ruppigen
Fratzen, von den langen, häufig kropfigen Monstren bis
herab zu den Knetpüppchen, immer mehr auch ent-
gegenkommende Kritiker heraus. Die »Jünglinge« und
dgl. von E. de Fiori und von W. Lehm brück sowie
die »Badende» u.a. von R. Sintenis und W. Ste-
gers »Mädchenfigur« sind Hauptbeispiele dafür. Die
zwei Erstgenannten malen auch; speziell de Fiori
bringt neben einer Fleckenskizze »Reiter« eine »Prome-
nade«, die etwa als das Modejournal des Uberkünstlers
gelten kann. Umgekehrt erscheint diesmal die Gra-
phikerin K. Kollwitz plastisch, und zwar mit einem
in Flächen spielenden »Liebespaar«. Gruppen im Ty-
pus der zwei Menschen oder dgl. treten hinter Einzel-
figuren zurück (W. Steger, »Gruppe«, die vielleicht
als eine eigens »rhythmische« Leistung gedacht ist,
analog dem Gemälde »Gruppe« von E. Scharff). Die
tupfige Darstellungsweise erscheint' in dem umfangrei-
clien Relief der »Grablegung« von H. Krückeberg
(deren Komposition wohl besser ist als ihre Gesichter),
in schwer erttäglichen weiblichen Figuren von G. Lesch-
nitzer, in ausdrucksvollen Büsten von Marg. Moll,
deren »Wasserträgerin« hinwieder zum schwer Erträg-
lichen gehört. Weicher, glatter ist diese Tupfenart bei
K.Schäfer, noch glatter bei E. Honig (männliche
Bildnisbüste). Dann zeigen sich wieder E. Barlach (be-
sonders mit einem »Hunger«), C. Ebbinghaus (mit
vielerlei, darunter markanten Bildnisbüsten), B. Frydag
(ein »Holzträger« und ein Steinrelief »Eseltreiber« sind
hervorragend), A.Gaul (»Laufende Bären«), W.Gerstel
(mit bald kräftigen, bald eigenartig affektierten Darstel-
lungen »Amazone» u.a.), H. Haller (»Stehendes Mäd-
chen«). Fr. Klimsch, G. Kolbe und A. Kraus
bringen mancherlei bemerkenswerte Bildnisse, und an
netten Kinderporträts (Georgi u. a.) fehlts auch nicht.
Zwei Bildnisbüsten A. v. Hildebrands überragen
sehr vieles.
VORTRAG ÜBER KRIEGSGEDENK-
ZEICHEN
Am Abend des i. Mai hielt Domdekan Dr. S. Huber
im großen Saale des Hotel Union zu München vor
einer zahlreichen Versammlung einen Vortrag über
Kriegsgedenkzeichen. Der Zweck der Veranstaltung
war, auf die Bedeutung des 191 5 von der Deutschen
Gesellschaft für christliche Kunst mit dem bekannten
ausgezeichneten Erfolge durchgeführten Wettbewerbes
hinzuweisen und für die Förderung der dabei verfolg-
ten Absichten einzutreten. Dementsprechend wurden
auch die damals mit Preisen und Anerkennungen aus-
gezeichneten Entwürfe in Lichtbildern vorgeführt. Ein-
leitende Worte sprach S. Exzellenz Dr. Wilhelm von
Haiß, der I. Präsident der D. Gesellschaft für christliche
Kunst, welche Veranstalterin des Vortrags war. Nach-
drücklicli betonte er die Wichtigkeit jenes Wettbewer-
bes. Durch diesen ist es ermöglicht, für Stadt und
Land Kriegsgedenkzeichen zu schaffen, die in ihrer
künstlerischen Vollendung und mit ihrem tiefen geisti-
VERMISCHTE NACHRICHTEN
gen Gehalte den hohen Zwecken der Deutschen Ge-
sellschaft entsprechen. Es kommt darauf an, immer
weitere Kreise für diese Aufgabe zu gewinnen. Der
nach dieser Einfülirung folgende V'ortrag war so anre-
gend, daß man von ihm wohl eine Förderung jener
Absicht erhoffen darf. Dr. Huber begann mit dem Hin-
weise auf einen früher an anderer Stelle von ihm ge-
haltenen Vortrag über Krieg und Kunst. Die damals
von ilmi gezeigten Bilder aus verschiedensten Zeiten
haben vor Augen geführt, welch reiche Anregungen
der Krieg für die Kunst zu liefern vermag. So sei man
berechtigt, auch von dem jetzigen Kriege derartiges zu
erwarten. Schöne Ansätze seien bereits vorhanden, an
weiteren ersprießlichen Folgen werde es nicht fehlen.
Die großen Ereignisse verlangen auch künstlerische Dar-
stellung, die Persönlichkeiten großer Manner Würdigung
ihrer dauernden Wichtigkeit in Gestalt von Denkmalen.
Der Wille des durch die gewaltigen Ereignisse in sei-
nem tii.tsten Bewußtsein ergrifl'enen Volkes werde ver-
langen, daß die Kunst diesem Bewußtsein Ausdruck
verleihe. Zu den- Erfüllungen dieses Erwartens gehöre
der von der Deutschen Gesellschal't für christliche Kunst
veranstaltete Wettbewerb ; er gebe zugleich den daheim-
gebliebenen Künstlern die Möglichkeit zur Entfaltung
ihres Talentes und zur Aussprache lioher Gedanken.
Sehr beherzigenswert waren die Ausführungen des
Redners über die Notwendigkeit des religiösen Ein-
schlages auch bei der Kunst des Krieges ; zumal bei
solchen ^^'erken, die dem Ehrengedächtnisse der ge-
fallenen Helden gewidmet seien. Dankbarkeit und
Trauer erheischen die Errichtung würdiger Denkmale,
die ihrer Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn sie
vom Geiste der Religion erfüllt seien. Gerade darum
finde der Wettbewerb der Deutschen Gesellschaft für
christliche Kunst so lebhafte Teilnahme. Zwei Haupt-
gruppen von Denkmalen seien gesucht: erstens solche
für gefallene Krieger, anzubringen in oder an Kirchen,
an Häusern oder auch im Freien ; zweitens Erinnerungs-
zeichen. Die bei dem Wettbewerbe vorgelegten Ent-
würfe besäßen nur skizzenhafte Form, die aber genüge,
die Verschiedenartigkeit der brauchbaren Formen und
Ideen klar zu stellen. — An diese allgemeinen Betrach-
tungen schloß sich die Besprechung jener Entwürfe im
einzelnen. Der Redner hatte sich das reiche Material
in der Art angeordnet, daß er die Entwicklung des
Denkm.ilgedankens von den einfacheren Lösungen zu
den schmuckvollen durchführte. Er begann die Unter-
suchung der Epitaphien mit der jener schlichten vier-
eckigen Platten, die vorzugsweise für die Aufnahme
von Namensinschriften bestimmt sind. Entwürfe von
deir Antonio, Burger und Grasegger lieferten Stoff zur
Erklärung des harmonischen Verhältnisses von Höhe
und Breite und des Gr.ides der Wichtigkeit, die das
dabei sparsam angewandte Ornament in Anspruch
nimmt. Großzügigen, einfachen, figürlichen Schmuck
voll tiefen Sinnes zeigt eine Tafel von Resch, mannig-
fache Auff;issung, von bedeutenden dekorativen und
geistigen Wirkungen eine Anzahl von Denktafeln in
Formen des Rokoko (Auer, Blaser u. a.). Die Anpas-
sung an den Stil der Kirchengebäude wird bei allen
diesen Dingen bestens erreicht werden. Gerade die
Verbreitung der einfachen Gedenkplatten sei lebhaft zu
empfehlen. — Hiernach ließ der Vortragende solche
mit reicherer Gliederung und stärker betontem Figuren-
schmucke folgen, wies auf die Schönheit der Maßver-
hältnisse, der Einteilung der Kompositionen, des Linien-
spiels hin, erläuterte, in welcher Weise die Figuren
eine beherrschende Rolle spielen und untersuchte die
Bedingungen der Verwendbarkeit der einzelnen Ent-
würfe innerhalb bestimmter Umgebung im Interesse
der von den Künstlern beabsichtigten Wirkungen. Zur
Sprache kamen dabei Arbeiten von Ruppert, Unter-
pieringer, Grasegger, Resch, Altmann, Kopp, Kuolt,
Überbaclicr, Cleve, Guntermann, Köpf, Kraus und an-
deren. — Eine Sonderbetrachtung galt den gemalten
Gedenktafeln von Fuchs, Lechner, Selzer, Gerhard,
Baumhauer; besonders der Entwurf des letzteren fand
eingehende Würdigung. — Dann wieder der Plastik
sich zuwendend besprach der Redner solche Werke,
bei denen das Hauptaugenmerk auf das figürliche Ele-
ment gewandt ist und die Inschrift weniger in Betracht
kommt, also besonders Bildwerke an Hausecken, an
Mauern, in Straßen, auf Plätzen (Hans Miller, Hoser,
Selzer u. a.), ferner den St. Barbaraaltar von Wallisch
und Erb. Von da kam Dr. Huber auf die Kleinarchi-
tekturen, zuerst auf die mehr künstlichen (Bachmann),
weiterhin auf jene, die sich mit natürlicher Schlichtheit
dem Charakter des Orts- und Landschaftsbildes ein-
fügen, also auf die Kapellen (u. a. Steidle, Simon, Ho-
ser), Bildstöcke uud Betsäulen (Hoser, Kraus, Miller) ;
die Vorzüge dieser poesievollen, volkstümlichen Werke,
deren Herstellung noch dazu nicht durch große Kost-
spieligkeit erschwert wird, die sich also gerade zu recht
weiter Verbreitung eignen, fanden beredte Würdigung.
Die Lichtbilder dürften zur Empfehlung aller dieser
Plastiken, Bauten und Malereien noch wesentlich bei-
getragen haben; geradezu überraschend ist, wie durch
die starke Vergrößerung der Bilder, welche den Lesern
der >Christlichen Kunst« aus Heft 7 des Jahrganges
191 5 bekannt sind, die monumentalen Eigenschaften
der Entwürfe erst recht zum Bewußtsein gebracht wur-
den. Dasselbe war auch mit den Fahnen (Lorch, Alb-
recht, Kiesgen, Heimckes), hängenden Zierden (Oster-
mann, Simon), Glasmalereien (H. Schiestl, Figel)>
Leuchtern (Miller) usw. der Fall. — Auf die Gruppe
der Etinnerungszeichen eingehend besprach Dr. Huber
die Gedenkblätter (M. Schiestl, Lechner, Daringer, Alb-
rechtskirchinger, Resch, Wirnhier, Kunst u. a.), die Me-
daillen, Plaketten und Anhänger (Ostertag, Ruppert,
Daumiller, Waupotizch, Grasegger). Die Bilder von
Huber-Sulzemoos machten den stimmungsvollen Be-
schluß.
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Köln. Eine Neuerung, welche für das Kunstleben
in Köln von besonderer Bedeutung werden kann, ist
die Schaffung der Stellung eines städtischen General-
direktors für Kunst und Kunstgewerbe. Die-
ser ist nicht als Nachfolger des verstorbenen Ersten
Direktors des Wallraf-Richartz- Museums gedacht, er
soll überhaupt mit der Leitung der Museen nichts zu
tun haben ; vielmehr wird ihm die Aufgabe gestellt
sein, auswärts wieder größeres Interesse für den rei-
chen Kunstbesitz der Stadt zu wecken, die Interessen
der Künstlerschaft tatkräftig zu fördern, die Sammel-
tätigkeit noch mehr anzuregen und in gute Bahnen zu
lenken, für die Hebung des Kunstgewerbes zu wirken
und besonders auch sich für die stärkere Belebung des
Kölner Kunsthandels einzusetzen. Der Oberbürger-
meister ist seitens der Stadtverordnetenversammlung
ermächtigt worden, nach dem Kriege auf diesen Posten
Prof. Dr. Georg Biermann in Darmstadt zu berufen.
Gegen diese in geheimen Sitzungen getroffene Neue-
rung hat sich in einem Teile der Presse und in Krei-
sen der Bürgerschaft lebhafter Widerspruch erhoben.
Abgesehen von der Person des in Aussicht Genomme-
nen weist man hin auf die Kostspieligkeit, besonders
aber auf andere, wichtigere Aufgaben, welche der Stadt
nach dem Kriege und infolge desselben erwachsen,
dann auch auf die beträchtlichen Summen, welche die
Stadt bisher schon für die Kunst aufgebracht hat bezw.
noch abträgt, vor allem auf den Millionenzuschuß zur
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Werkbundausstellung (ob der Staat infolge des Kriegs-
ausbruchs entschädigend eintreten wird?), und auf die
hohe Kaufsumme für die Erwerbung der Leiblsamm-
lung. Wenn man allerdings bedenl<t, daß, wie jetzt bekannt
wird, die Möglichkeit bestand, die Sammlungfür die Stadt
mit 800000 Mark zu erwerben, und schließlich 1V4 Mil-
lionen bezahlt wurden, welche Summe durch die
Amortisation auf über i'/^ Millionen anwachsen wird;
wenn man ferner erwägt, daß die Rückgängigmachung
der unter der letzten Direktion eingeleiteten Erwerbung
einer größeren Anzahl von Gemälden neuester Zeit,
deren Wert man bestreitet, nur zum Teil gelungen ist,
von Werken, die wahrscheinlich nie ausgestellt werden,
dann wird ein auf Unwillen und Vorsicht gegründetes
Widerstreben gegen den Plan jener großen Aktion be-
greiflich. Dazu kann man sich auch nicht der Empfin-
dung erwehren, daß es sich darum handelt, auch der
Kunst, wie anderen lokalpolitischen Faktoren, die Rolle
einer Dienerin kommunaler Politik zur Hebung lokalen
Ansehens im Wettbewerb mit anderen Kunststätten
anzuweisen, womit aber das Vorhandensein auch ideale-
rer Beweggründe nicht angezweifelt wird. Immerhin
darf jedermann wünschen, daß der Stadt Köln die
historisch berechtigte Bedeutung als hervorragende Pflege-
stätte der Kunst gewahrt bezw. wiedererworben werde,
daß es jedoch mit richtigen Mitteln geschehe, und daß
letzthin vor allem der Kunst gedient werde. b.
München. ■ — Die Jahres-Ausstellung im Glaspalast
beginnt am i.Juli und dauert bis spätestens Ende Ok-
tober. Anmeldunsen haben bis spätestens 31. Mai ein-
schließlich zu erfolgen. Schluß der Einsendungen:
31. Mai, 5 Uhr abends.
In Schliengen (Baden) wurde die Vorhalle (Läute-
raum) der Pfarrkirche unter Verwendung einer alten
Madonnenstatue als Denkmal für die Gefallenen aus-
gestaltet.
Kriegskunst in der Dorfkirche. — Für die
Decke der »Kapelle bei der Eich« unweit Ellwangen
schuf Professor Gebhard Fugel ein Gemälde, das
dem Kriegsjahr 1914/1 5 gewidmetist. Unter den Figuren
des Bildes sind die in der Gegend» Gefallenen verewigt.
In der St. Ludwigskirche in Ludwigs-
hafen a. Rhein, welche Anfang des vorigen Jahr-
hunderts von dem berühmten Architekten Hübsch in
Karlsruhe erbaut wurde, sind in den letzten zwei Jah-
ren unter der Oberleitung des .Architekten Joseph
Kuld in Mannheim verschiedene Arbeiten ausge-
führt worden. Neben einer ZirkuLitionsLufiheizung
durch die Firma Wagner in Ludwigshafen, war es na-
mentlich die Malerei der Chorapsis (die von dem Maler
Süßmaier, einem Schüler Schraudolphs seinerzeit bemalt
wurde), die jetzt einer Renovation unterzogen werden
mußte. Den figürlichen Teil hatte der Kunstmaler
Franz Otterpohl aus München, den dekorativen
die Firma Acker & Wolf in Ludwigshafen aus-
geführt. Gleichzeitig sind die Chor- und die Seiten-
schiffenster erneuert worden. Erstere erhielten Dar-
stellungen, die auf das hl. Altarsakrament Bezug haben,
während in letzteren die 15 Geheimnisse des Rosen-
kranzes dargestellt sind, Diese Fenster sind aus dem
Atelier der Glasmalerei F. Voege in Mannheim
hervorgegangen. Als Schluß des Ganzen hat nun un-
längst eine Pietii Aufstellung gefunden, die von dem
Bildhauer H. Taglang in Mannheim ausgeführt
wurde.
Ansbach. Der Ausschuß für die Errichtung eines
Kriegs Wahrzeichens in Ansbach hat einen Ent-
wurf des Professors und Direktors Bradl in Ober-
ammergau als in jeder Beziehung geeignet anerkannt
und dem Professor Bradl die Ausführung des Wahr-
zeichens übertragen. Es kommt in der Nordostecke
des Rathauses zur Aufstellung und stellt eine Säule
mit figürlicher Bekrönung dar.
Bildhauer Hans Miller (München) modellierte
für die beiden Port.ile der Ostseite der St. Bennokirche
in München je ein Tympanonrelief, die von Bildhauer
Anton Schmid ausgeführt wurden. Die Darstellungen
nehmen auf die gegenwärtige Kriegszeit Bezug. Die
eine schildert Judas Makkabäus im Kampfe und trägt
die Inschrift: »Nicht die Größe des Heeres, sondern
der Himmel verleiht den Sieg.« Die andere zeigt Kaiser
Konstantin d. Gr. zu Pferd mit dem Kreuzzeichen und
der Inschrift: »In diesem Zeichen wirst du siegen.«
Maler Albert Figel (München) vollendete die Kar-
tons für die Kriegsfenster der Kirche in Mergentheim
(Württemberg).
Die Sommerausstellung der Münchener Se-
cession wurde am 20. Mai feierlich eröffnet.
Erledigung eines Wettbewerbes. — Anläßlich
des Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen St. Kor-
binianskirche in München liefen 104 Projekte ein. Das
Preisgericht bestand aus den Herren: Prof Hocheder,
Architekt, — Stadt. Baurat Prof. Dr. Hans Grässel,
— Professor Richard Berndl, Architekt, — Korn-
merzienrat Stierstorfer, — Domdekan Dr. Seb. Hu-
ber, — Oberregierungsrat Walser, — Stadtpfarrer
g. R. Wagner, — Stadtpfarrer g. R. Gilg. — Den
I. Preis erhielt ein Entwurf von Prof. Herm. Buchert,
den II. jener des Architekten Ant. Hatzi jun., den 111.
der Entwurf des Dipl.-Ing. Hans Atzenbeck, den IV.
jener des städt. Ingenieurs F. X. Knöpfle. Zum An-
kauf wurden empfohlen je ein Entwurf von Hans
Brühl, Griesemer, K. Höpfel, Jos. Buchert.
Kunst und Krieg. — Unter der allgemeinen Preis-
steigerung leiden natürlich auch unsere Künstler und
dies ganz besonders, wenn sie wieder abhängig sind
von Geschäftsleuten. Ganz unverständlich ist daher das
Vorgehen einer Kirchenverwaltung, die einem nam-
haften Künstler die durch die Preissteigerung im Stein-
metzbetriebe und vermehrte Nebenkosten infolge des
Krieges wohl begründete Melirforderung glatt ablehnt
und sich hierbei auf den Vertrag stützen will, der zu
Beginn bezw. knapp vor dem Kriege abgeschlossen
wurde. In billiger Erkenntnis der bitteren Zeit zahlt
man für jede Arbeit, jeden Gegenstand, (ür alle Lebens-
mittel mehr, nur die Kunst soll vogelfrei bleiben • —
kein Wunder, wenn das Vorgehen der Kirchenverwal-
tung in Künstlerkreisen bittere Verstimmung hervorruft
und als Mißachtung und geringwertige Einschätzung
unserer Künstler empfunden wird. f. Fuchsenbergcr
Berichtigung. Der in Heft 7 auf S. 203 abge-
bildete Saal ist nicht der Rathaussaal in Ulm, sondern
der Festsaal in dem von Prof. Dr. Georg von Hauber-
risser erbauten und auf S. 205 wiedergegebenen Rat-
hause zu St. Johann a. Saar.
iiliche Kunsl, GmbH.
BEILAGE
KRIEGSKUNSTAUSSTELLUNGEN IN BERLIN
KRIEGSKUNST-AUSSTELLUNGEN IN
BERLIN
Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)i
pinen Überblick über das, >\vas unsere deutschen
Künstler in der Darstellung des Weltkrieges bisher
geleistet haben«, wollte die Kgl. Akademie der
Künste in ihrer K riegsbilder- Ausstellung Fe-
bruar bis April 191 6 geben. Sie hat eine auffallend
große Zahl von Künstlern, meist aus Berlin, zusammen-
gebracht; und zwar sind es teils Kriegsmaler, die der
Stellvertretende Geiieralstab von Kriegsbeginn an nach
allen Kriegsschauplatzen entsendet hat, teils Mitkämpfer,
die »in den Stunden der Ruhe ihre Kunst in der Dar-
stellung des Krieges geübt haben«. Schon die Früh-
jahrsausstellung 191 5 der Akademie (siehe unser
Heft Xl/io) hatte einige Gruppen von Kriegsbildern
gebracht; und die Eindrücke von damals kehren auch
im jetzigen größeren Rahmen wieder.
Hauptsache: wir sind im großen ganzen von den
Riesenschinken, von der bloßen Spielart des Land-
schaftsbildes, von der bloßen Optik der Eflfektszenen
und von der wohlpräparierten Tugend erlöst, sind in
die Intimität der Einzelhandlungen, der Einzelzustände
und der örtlichen Stimmungen hineingeführt, mit aus-
gesprochener »Gegenständlichkeit« und mit vorwiegend
mehr linearer als flächiger und punktiger Formgebung.
Allerdings muß man dabei absehen von dem Umstände,
daü sich auch hier schließlich »alles« findet, vom Um-
fangreichsten bis zum Kleinsten, vom künstlerisch In-
nigsten bis herab zu jenen illustrativen Zeichnungen,
vor deren Fixigkeit man »paff'« sein kann. Das typische
Großbild, das im ersten Saal ungefähr jeder Ausstellung
oder Galerie dem Besucher die für das Auffinden der
meist weit hinten versteckten unscheinbaren Verdienste
nötige Zeit verkürzt, ist diesmal H. Kohlscheins »Aus-
zug der kriegsgefangenen Besatzung von Maubeuge« —
wirklich gute Düsseldorfer Malkunst.
Ähnlich steht es mit den vielen Bildnissen von Heer-
führern usw. Man könnte sagen: die einen Porträts
ragen hervor, und die anderen werden hervorgeragt.
Zu den letzteren gehört jedenfalls das Gemälde, mit
welchem H.Vogel das Zusammenarbeiten Hinden-
burgs und Ludendorffs verewigt. Zu den ersteren
gehören jedenfalls Porträts von Fritz Reusing (Prinz
Leopold v. B., General v. Below u. a.), sowie das
eine (Admir. v. Schröder) Frz. Eichhorsts, der zu-
gleich in mehreren Einzelszenen, zum Teil von der
Nationalgalerie angekauft, den günstigen Eindruck von
früheren Ausstellungen her fortsetzt. Auch Fritz Erler
erfreut durch ein Kronprinzenbild und überhaupt durch
eine Steigerung seiner dekorativ-stilisierenden Kunst, die
bisher manchen mindestens kühl lassen konnte, zu einer
gut geistigen Darstellung («Die Stunde des Sturms« u.a.);
wir konnten ihn derart schon vorher in einer Sonder-
ausstellung bei Schulte kennen lernen (»Wo kommst
du her in dem roten Kleid« u. a.). Gute Porträts sind
noch eines von OttmarBegas und viele von A.Busch.
Neben den schier unzähligen Generälen ist der Franzis-
kanerpater Raymundus (Prof. Dr. Dreiling) von
H. Wislicenus in eindrucksvoller Weise porträtiert.
Als Toter ist anscheinend von allen nur P. duente
zu beklagen, der — übrigens auch als Forscher und
Pfleger der Heimat gerühmt — als Kriegsfreiwilliger am
Hartmannsweilerkopf fiel. In zwei zarten schlichten Blei-
stiftzeichnungen, die in irgend einem rückwärtigen Aus-
stellungswinkel hingen, schildert er Ausbhcke von jenem
Berg.
Bleistiftzeichnungen entfalteten diesmal überhaupt
mancherlei intimere Kunst. Die von O. Heichert,
zum Teil farbig, mehrere von der Nationalgalerie an-
Dl« christliche KuDst XII. lo. i. Juli 1016
gekauft, dürfen wohl voranstehen. So besonders sein
»Kircheninneres«, etwa auch »Die Beichte« (ein Geist-
licher im Lazarett); Sturmszenen (aber eben nicht
»stürmisch«) und Ruheszenen (z. B. »Der Mundharmo-
nikaspieler« im Schützengraben) usw. geben die an-
schaulichsten Bilder. Virtuoseste und doch klarste sind
wieder von Rieh. Müller da, besonders in Darstel-
lungen zerschossener Gebäude u. dgl. wie z. B. des
Treppenhauses der ausgebrannten Universitätsbibliothek
zu Löwen. Dazu mehrere Bleistiftskizzen von H. L.
Braune und ein reichhaltiges, aber doch über Schemata
wenigstens einigermaßen hinausgehendes Gedenkblatt
»Den gefallenen Kameraden« von H.Arnold.
Dem Werte nach im Mittelpunkte steht wohl wieder,
wie schon vorm Jahre, L. Dettmann, z. T. mit be-
rechtigter Wiederholung des früheren Materials. Was
wir damals über dieses gesagt, bestätigt sich uns auch
jetzt. Wie da seine russische Bäuerin über ein Schlacht-
feld geht, oder wie er einem alten polnisch-htauischen
Kirchhof seine Eigenstimmung abgewinnt u. dgl. m.,
das wird womöghch noch überboten durch seine »Kriegs-
freiwilligen« : wie sind diese paar andächtigen jungen
Gestalten in der Kirche individuell verschieden und doch
hinwider gleichmäßig zusammengehalten durch das sie
gemeinsam beseelende Gefühl !
Wie schon damals, so hat jetzt neben Dettmann
die Reihe der Darstellungen von Fritz Rhein einen
schweren Stand, etwa ein Generalsporträt ausgenommen.
Eine gewisse Zartheit, eine geschickte Leichtigkeit bei-
spielsweise in dem Guaschebild »Posten«, das hebt über
ORNAMLM ,L LIM.M i^llKLIL: 1 ISlU VON' KAIU, KL'OLT
Iff/. Abb. S, 2SS
KRIEGSKUNSTAUSSTELLÜNGEN IN BERLIN
einen kühlen und nicht eben ins Große oder Tiefe
gehenden Eindruck kaum hinaus.
So sehr man in Sezessionsausstellungen das Ausgeben
des Skizzenhaften für Vollendetes bedauern kann; hier
lebt man sich in die anspruchslose Flüchtigkeit von
>Studien< bald anerkennend hinein, sei's nun die >Weg-
nähme einer russischen Batterie« von E. Mattschaß
oder C. Saltzmanns >Tsingtau«. An verweilenderen
Ausführungen fehlt es gleichfalls nicht, wie beispiels-
weise bei den die fliegende Maasbrücke überschreiten-
den Kolonnen von A. Obst.
Schwerer als bei sonstigen Ausstellungen wird dem
Referenten hier das Dilemma, ob er mehr für viele
verdienstvolle Einzelleistungen oder mehr für den Schutz
des Lesers vor knappen Aufzählungen von Namen und
Titeln sorgen soll. Diesmal rufen noch gar viele nach
Beachtung. So jedenfalls M. Fabian mit seiner in
Graugrün und Gelbbraun gehaltenen >Kathedrale von
Roye<, mit dem >Soldatenkirchhof in Bolimow<, mit
einem lUnterstandsbau«. So P. Folkerts mit »Gottes-
dienst in der Höhle von Vassens«. So J. Goossens
mit einem gut malerischen > Dankgebet« (am Eingang
der zerschossenen Kirche von Hattonchatel). So C. Heß-
mert mit seiner »Burg der vier Haimonskinder in den
Ardennen«. So G. Lebrecht: >Erstürmung von Di.\-
muiden« und >KiHd Bahr (Dardanellen)«, wo das Schwarz
und das Hell gut hervortreten. So der diesmal malerisch
und zeichnerisch kommende Bildhauer L. Manzel mit
russischen Gefangenen usw., mit einer massenkräftigen
>Einnahme von Kowno« und besonders einem hinwider
mehr detailscharfen >Übergang nach Olita«. So
H. Me\'er-Kassel mit einem Schützengraben, W. Mo-
risse mit einem russischen Kirchhof, H. Peters mit
einer Schlachtfeldrast und einer »Krankenschwester«,
P. Rieth mit französischen Infanteristen, W. Schreuer
mit einem Stadt-Regenbild »Aus der Champagne« und
einem zart hellen »Am Narew«, A. Sohn-Rethel mit
einem Stimmungsbild von französischen Gefangenen
und einem »Einrücken der Reserven, Argonnen«, F.
Spiegel mit einer »Zerschossenen Kirche in Radymnow«
u. dgl., R. Sterl mit feinen Einzeldarstellungen und be-
sonders einer stimmungsvollen »Höhe lo8«, E. Voll-
behr mit einem dreifachen Vogesen-Schlachtbild vom
12. Okt. 1915 (das vom Hauptmann als getreu bestätigt
ist), P. G. Vowe mit einer Batterie in den Vogesen,
endlich C. Ziegra mit Darstellungen aus Serbien (»Ver-
senkte Donaudampfer« u. a.).
Bei dem Vorwiegen der farblosen oder leichtfarbigen
Zeichnung tritt hier die eigentliche Graphik wenig
deutlich hervor. Und doch ist vor allem in Holz-
schnitten Wertvolles geleistet durch den Viererzyklus
»Aus der Offenbarung Johannis« von H. Lietzmann
(als Fünferzyklus veröffentlicht) und besonders durch eine
Siebenerreihe von J. Weiss; diese trägt Titel wie
»Gott mit den Deutschen«, und auf einem Triptychon
»Die Leiden, Weltkrieg, Der Friede«. In beiden Zyklen
lohnt sich besonders eine Aufmerksamkeit auf die Ver-
wendung und Behandlung schwarzer Flächen. Radie-
rungen sind nicht häufig; einige von O. Graf gelten
dem »Klosterhof von Messines«, den „Arbeitern des
Krieges u. a.; die von E. Oppler stellen Bilder aus
Lille und aus den Karpathen dar, darunter eine Ruthenen-
hütte, die außerdem auch malerisch behandelt ist.
Etwas häuliger sind Lithographien: von E.Feyerabend
»Bei Ripont«, von H. Kaiser Straßenkämpfe im
Westen, von C. Kappstein einiges Stimmungsvolle
aus dem Osten, von G. Tippel »Panik« u. a. — Die
Plastik kommt am ehesten in Betracht durch Portrat-
büsten von A. Kraus und durch Plaketten von K.
K o w a 1 c z e w s k i . —
Zwei Künstler aus dieser Akademie-Ausstellung haben
wir trotz Erwähnungswürdigkeit noch nicht genannt.
Der eine ist W. Georgi. Noch besser als durch ein
dort ausgestelltes Generalsporträt u. a. konnte man die-
sen Karlsruher kennen lernen durch eine größere Samm-
lung von Bildern aus dem Westkriege, die bei Schulte
ausgestelh waren. Er kommt der kriegsdarstellenden
Kunst D e 1 1 m a n n s nahe, immerhin mit geringerer Tiefe
der geistigen und Stiramungskraft. Denkt man bei jenem
kaum an die Darstellungsweise, so macht sich bei
Georgi die geschickte Zeichnungskunst, in größeren
Formen als dort, direkter fühlbar. Jedenfalls zeigt er
viel Ergreifendes in seiner Charakteristik von verlorenen
Heimen u. dgl. m. — Wie neben Dettmann Rhein
etwas zurücktritt, so neben Georgi der gleichzeitig
mit ihm durch eine größere Kriegsbildersamralung ver-
tretene Münchener H. v. Hayek.
Der andere im vorigen noch übergangene Künstler
ist R. Pfaehler V. Othegraven. NamentHch Stellungen
und Auffahrten von Geschützen, aber auch ein »Vor-
marsch in Rußland«, sind das Thema für seine kräftig
bewegte Zeichnung- Weitere Beispiele davon befinden
sich in einer Ausstellung »Die Kunst im Kriege«,
welche vom Hagener »Museum für Kunst im
Handel und Gewerbe«, unterstützt durch mehrere
künstlerische und soziale Verbände, auf Wanderung ge-
sendet ist und zu Berlin im Hause der (alten) »Seces-
sion« Unterkunft gefunden hat. In ihr spielen die
Malerei und ihre Nächstverwandten nicht die Hauptrolle;
die wenigen Gemälde sind mindestens nicht erwähnens-
wert, die — zumeist im Feld entstandenen — Zeich-
nungen sind spärhch ; in der Graphik fallen günstig auf:
eine Radierung von E. Bischoff-Culm, Kaiser Wil-
helm II. in lebhaftem Dahinschreiten darstellend, und
mehreres Originelle aus der Münchener Schule F. H.
Ehmckes, das kurz als »Beschießungsphantasien« be-
zeichnet werden kann. Von der gegenwärtigen Ent-
faltung der Glasmalerei gibt Zeugnis ein bei Heiners-
dorf f hergestelltes Werk von H. Ben gen, zwei Krieger
mit Fahnenschwur darstellend.
Hauptsächlich aber gilt die Ausstellung jenes Mu-
seums der Kunstpflege im Sinne des Streitens für Ge-
schmack, Vernunft, Zusammenklang und soziale För-
derung. Schade, daß die Gegenbeispiele »Kriegsgreuel«
nicht noch umfassender zusammengebracht worden sind
(eine Mundharmonika »U 9« läßt ahnen, was es da
noch alles gibt), und daß manch anderes auf dieser
Ausstellung, samt ihrem Plakat und einigen Schriftformen,
selber nicht weit vom Gegenbeispiel entfernt istl Freude
machen sodann die aus Invalidenkursen hervorgegange-
nen Arbeiten, »gesammelt unter dem Gesichtspunkt der
Geschmacksbildung in der Erholungszeit« ; neben einer
Verwundetenschule in Düsseldorf ist in Hagen selbst
dafür gesorgt worden. Der Leidenschaft des Benageins
wurde durch Entwürfe für solche »Nagelfiguren« ent-
gegengekommen, die dazu taugen ; da gibt es einen Flam-
menbaum, eine Flamniensäule usw., sowie eine
Spruchsäule mit der Inschrift, die vier lotrechte Reihen
faßt: »Dank dir Gott mit Herz und Hand — Schlag
Fluch Spott dem Feinde Bund — Schlag ihrem Haß,
Schlag ilirem Neid — Gott uns laß den Sieg im Streit«.
Kunstgewerblich fallen hübsche Kriegstruhen sowie
eiserner Kriegsschmuck auf; manche Posamentarbeiten
usw. stammen aus dem Österreicliischen Museum
für Kunst und Industrie. Auch Plakate und Drucksachen
gibt es; letztere sind zum Teil in behördlichen Erlassen
aus Westfalen verwendet. Schaumünzen und Gedenk-
medaillcn hahen sich hier an eine scharf plastische
Formgebung.
Weiterhin werden Erholungsheime (z. B. eines von
A. EndcU für ein Seebad^) vorgeführt; ebenso Pläne
für Ostpreußen, bei denen allerdings die hervorstechende
Rechteckigkeit eine Geschmacksfrage sein mag; sodann
Denkmäler. Unter diesen dürften die überreichen
KRIEGSKUNSTAUSSTELLUNGEN IN BERLIN
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LUDWIG HÜYER (WIEN)
MEDAILLE AUF DEN PROTEKTOR DER ALLGEMEINEN FRÜH|AHRS-AUSSTELLUNG WIEN
modernen Entwürfe von R. v. Miller trotz ihrer Inter-
essantheit doch hinter den schlichten Leistungen aus
dem Kampfgebiet zurückstehen ; ein Modell von H.
Hahn für das Bismarck-Denkmal am Bodensee läßt sich
in der gegebenen Vorführung nicht leicht beurteilen;
und Metznersche Entwürfe sind von bekannter Art.
Dazu kommen historische Beispiele in Photos: >Das
Grabmal der Vergangenheit«, ebenso »Das Denkmal«
und »Der Friedhof«. In einer besonderen Blätterfolge
ist die Einordnung des Denkmals in die Architektur
und ins Stadtbild, überhaupt der Standort des Denk-
males, sowie die Raumgestaltung gezeigt; neben »ein-
gebauten Denkmälern« kommt »die freisilhouettierende
Aufstellung der Renaissance- und Barockzeit im Sinne
einer raumkünstlerischen Gesamtgestaltung«.
Für Ehrenfriedhöfe und Soldatengräber wird unter-
schieden zwischen Friedhöfen auf dem Schlachtfeld,
Ehrenfriedhöfen in Städten und Einzelgräbern; mehrere
Künstler und öffentliche Stellen haben hier Vorschläge
und Ausführungen zustande gebracht. Am eigenartigsten
ist dabei wohl Br. Evere vorgegangen: jedes Grab ist
ein Blumenbeet, und für die Reihen sind die Blumen
so ausgewählt, daß zusammenhängende Farbeneindrücke
entstehen, die sich jedoch wieder nach den drei gärt-
nerischen Jahreszeiten abstufen.
Dem Gesamtprogramm der Ausstellung: »Vergleichs-
und Studienmaterial zu den Problemen künstlerischer
Natur beizubringen, die der Krieg aufrollt«, dient schließ-
lich auch oder erstlich eine Abteilung »Siedelungen«.
Sie beschäftigt sich mit dem plötzlichen Anwachsen von
Städten und der Entstehung neuer Ortschaften. Bei
diesen Darstellungen — unter denen die Metzendorf-
Kolonie Margaretenhöhe bei Essen hervorgehoben sei
— werden auch durch die moderne Vorhebe für groß-
linige Formen günstige Wirkungen hervorgebracht; und
gut schlicht ist Br. Tauts Entwurf eines Invalidenheims
mit Werkstatt für Falkenberg.
Das Berliner Kunstgewerbemuseum hat sich
an dem Getriebe der Kriegsausstellungen durch zwei
Veranstaltungen beteiligt. Die eine sollte eine sonst
blühende, jetzt begreiflicherweise im Erfolg eingeschränkte
Kunstindustrie der weiteren Welt in Erinnerung bringen.
So kam dort eine Ausstellung böhmischer Kunst-
und Glaserzeugnisse zustande. Auch wenn man
diese österreichische Knnstproduktion bereits aus Literatur
und Museen hochscnätzen gelernt hat, kann man hier
doch voll neuer Bewunderung stehen, namentlich in
Hinsicht der geschmackvollen Besonnenheit, mit der da
uralte Überlieferungen in gut fortschrittlicher Weise
fortgeführt sind, und die doch vor energischen Wir-
kungen in vielfältigen Formen und Farben (mit man-
nigfachen blassen Zartheiten, aber auch mit viel Schwarz
und Weiß) nicht zurückschreckt. Eine ganze Menge
von Glasfabriken vertreten samt den dortigen Fach-
schulen den Ruhm der Orte Haida und Steinschönau
und weichen, soweit unsere Erinnerung reicht, keinem
Ausland — höchstens vielleicht französische Vasen-
phantasien ausgenommen.
Die andere Veranstaltung des Kunstgewerbemuseums
war eine, in Berlin 19. März bis 16. April beginnende
Wanderausstellung »Kriegergrabmal und Krieger-
denkmal«, zusammengestellt von der Städtischen
Kunst halle in Mannheim mit Hilfe des dortigen
Bundes zur Einbürgerung der bildenden Kunst. Aus-
gangspunkt: das Verlangen nach dem tiefen Ernst und
der schlichten Würde, die allein der stillen Größe der
toten Helden gemäß seien, nach einer besonnenen Kunst,
die durch Sachlichkeit und Selbstbeherrschung den
mannhaften Geist der schweren Zeit ausdrücke. Im
Gegensatze zu den Grabmälern sei für die neuen Denk-
mäler Zeit nötig. Wir seien es unseren Kämpfern
schuldig, auf ihre Rückkehr zu warten, ehe wir uns für
die Dauer entscheiden. »Sie werden, so hoffen wir,
aus ihren ergreifenden Erlebnissen den Haß gegen die
große Geste und das leere Pathos heimbringen und dazu
helfen, daß die künstlerische Gesinnung des deutschen
Volkes sich einstelle auf innerliche, wahrhaftige Einfalt
und Größe.«
Beginnen wir den Einblick in diese Ausstellung von
rückwärts, so finden wir ebenso wie in der Hagener
eine, allerdings auf das Kriegerische beschränkte, Samm-
lung älterer Kriegergrabmäler und -denkmäler von der
Vorzeit bis zu »den edlen Schöpfungen aus der Zeit des
Klassizismus, die in Gehalt und Form den Geist der
Freiheitskriege atmen«, und deren Gesinnung, »das Be-
scheidene, Vornehme, Innerliche, und die Reife ihrer
bildnerischen und architektonischen Gest.ilt«, unseren
Künstlern und Bestellern Maßstab, Hilfe, Ziel werden
sollte. — In dieser Abteilung »Kriegergrabmäler 1790
bis 1850« steht voran der Lehrer Schinkels, der Erbauer
WIENER KUNSTBRIEF
des hierzulande beliebten Schlosses Paretz: Friedrich
Gilly (1771 — 1800); Werke von K. F. Schinkel selbst
fehlen natürlich nicht. In der Abteilung »Denkmäler
der Befreiungskriege« überraschen als ganz besonders
eigenartig die von C. D. Friedrich (1774 — 1840), dem
hier seit einiger Zeit wiedererweckten pommerschen
Landschaftsmaler.
lieginnen wir den Ausstellungsbesuch von vorne, so
bekommen wir zuerst mit Photos vorhandener Grab-
miler zu tun, teils aus dem inneren Land (z. B. vom
Münchener Waldfriedhof mit seiner reichen Abwechs-
lung von Formen), teils aus dem Kampfgebiet. Hier
komme alles darauf an, daß man >nur das Notwendige
in möglichst bodenständigen Baustoffen und guten Ver-
hältnissen für die Dauer herrichte«, eingefügt in die
Landschaft, mit Vermeidung der gefährlichen Unkunst
des Kleinlichen, Lauten, Bunten, der »Riesenmotive im
Zwergenformat«. — Bei diesem Material mögen die Arten
von Kreuzen interessieren. Hier wie auch bei den Ent-
würfen herrscht die einfachste Kreuzesform vor. Dann
aber erscheint häufig das »Eiserne«, d. h. die von
Schinkel geprägte, aus dem alten Malteserkreuz ab-
leitbare Gestalt mit den nach außen verbreiterten Armen,
häufig in der Mitte oder hinter den Armen einen Kreis
tragend. Außerdem zeigt sich als beliebt die Endigung
der Arme in Kleeblättern, also die Grundform des
Patriarchenkreuzes, mit zwei oder auch drei Querarmen,
von denen nicht selten der unterste schräg steht (von
links oben nach rechts unten). Auch die kreuzförmigen
Flugzeugflügel kommen zwischen den Kreuzen vor.
Die Hauptmasse der Ausstellung bilden neue Ent-
würfe, Vorschläge usw. Von den Aufnahmen aus
dem Felde selbst sind sie nicht durchgehends geschieden
oder unterscheidbar. So in der Sonderabteilung aus
dem Arbeitsgebiete des K. K. Militärkommandobereiches
Krakau. Merkwürdig, wie einem beim Eintritt in diese
österreichisch-ungarische Abteilung eine Stimmung des
Farbenfreudigen oder gleichsam des Melodiösen umfaßt!
Unter den Aufnahmen des Vorhandenen fällt hier ein
Feldkreuz auf (Kote 402 bei Tarnöw Mai 191 5), dessen
Christusbild durch feindliche Granaten teilweise zerstört
wurde, und dem der Sinnspruch »Sicut dolor vester
sie est dolor meus« beigegeben ist. Unter den Pro-
jekten erwähnen wir solche für einen neuen Helden-
friedhof bei Limanowa.
Objektaufnahmen und Entwürfe verbinden sich in
den Ausführungen eines Auftrages des preußischen
Kriegsministeriums im Einvernehmen mit dem Kultus-
ministerium: Architekten und Bildhauer samt Garten-
künstlern bereisten die Kriegsgebiete und machten auf
Grund der Befunde bestimmte Vorschläge zur Vervoll-
kommnung und Erhaltung, die zugleich als Beispiele für
ähnliche Fälle dienen können. Von den hier ausge-
stellten Beispielen dafür, meist nur in knappen Skizzen,
seien neben denen von Br. Paul und L. Manzel für
Suwaiki und von H. Poelzig für Grodno die von U.
Janssen (Stuttgart) für Bjelostok-Slonim als besonders
gut angepaßt und als im besten Sinn elementar gerühmt.
Im übrigen ist an Entwürfen noch viel Mannigfaltiges
der Anerkennung wert. So die Rundanlagen von H.
Maß in Lübeck; so Entwürfe von W. Kreis in Düssel-
dorf; solche von O. Bartning in Berlin u.a.; die
Wiener Kunstgewerbeschule zeigt die von dort bekannten
zart aparten, manchmal auch sehr reichen Gestaltungen.
Mit Recht ist darauf hingewiesen, daß sich Ideal-
entwürfe ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhält-
nisse nicht verwerten lassen, daß endgültige Lösungen
nur jeweilig für den einzelnen Fall, den Standort, die
Umgebung ausgeprobt werden können und daß sie unter
berufener Leitung langsam reifen sollten. Immerhin
gibt es doch auch »ortlose« Weisungen. So die, daß
beieinander stehende Grabzeichen in größerer Anzahl
stets aus gleichem Stoff, in gleicher Größe und in mög-
lichst gleichen Formen sein sollten. So auch die War-
nung vor »kleinlichen Motiven gefälliger Parkkunst«,
welche »die ruhigen Linien wahrer Größe verzärteln«,
und vor den »völlig unwirksamen Ziergärtchen in der
Einöde der Schlachtfelder«. Von neu zu pflanzenden
»Heldenliainen« ist natürlich abgesehen worden, dagegen
auf Anschluß an vorhandene Naturobjekte wie Hügel
oder Baumgruppen Bedacht genommen. Wir möchten
noch als eine gleichfalls ort- (und zeit-) lose Bitte die
hinzufügen, neben so würdigen und überschaubaren
Schriftformen, wie sie hier (z. B. aus der Schule W.
Haverkamps in Berlin) vorkommen, etwas zurück-
haltender gegen solche zu sein, die fast in mutwilliger
Weise schwer leserlich gehalten sind — und ebenso
gegen derart geschmacklose Verwendungen des doch
künstlerisch nicht widerspenstigen Rohziegelmateriales,
wie sie aus der Hand eines berühmten Berliner Modernen
ausgestellt sind.
Freude macht schließlich auch der Eifer von zuge-
hörigen Vereinen usw. Preise waren ausgeschrieben
vom Verein deutscher Granitwerke ; den ersten erhielt
der Münchener H. Haas. Gut ländlich arbeitet die
Bayerische Landesgewerbeanstalt zu Nürnberg ; auch der
Bayerische Verein für Volkskunst und Volkskunde fällt
gut auf; und unter den bayerischen Künstlern ragt
0.0. Kurz hervor. Ein sächsischer und ein steirischer
Bund für Heimatschutz tragen das Ihrige bei. Unschein-
bar, aber gut eigenartig sind endlich die Entwürfe der
Warmbrunner Holzschnitzschule.
WIENER KUNSTBRIEF
Aquarell-Ausstellung im Künstlerhaus. —
Dürerbund-Ausstellung — Ausstellung der
Vereinigung bildender Künstlerinnen. Kunst-
Auktion im Dorotheum.
VY7enn es zu Beginn des Krieges und auch noch einige
Zeit nachher den Anschein hatte, als würde das
Wiener Kunstleben, soweit die bildenden Künste in Be-
tracht kommen, vollständig erstarren, so ist jetzt nach
mehr als zwanzigmonatlicher Dauer des ungeheueren
Ringens nichts mehr davon zu spüren und auch die
Kauflust des Pubhkums, besonders einzelner Gönner
— das Kaiserliche Haus und die Gemeinde Wien gehen
meist mit gutem Beispiel voraus — , zeugt von einer
erfreuUchen Regsamkeit.
Kaum, daß die alljährliche Herbst-Ausstellung im
Künstlerhause geschlossen war, kommt der Aquarelli-
sten-Klub, um sich den kunstliebenden Kreisen Wiens
vorzustellen. Aber nicht allein auf Aquarelle, die der
Ausstellung ihren Namen gegeben, beschränkt sich die
diesmalige Kunstschau, sie vereinigt in ihrem Rahmen
auch Tempera, Pastell, Radierungen und Zeichnungen,
selbst die Kleinplastik hat bei ihr freundliche Unterkunft
gefunden. Was aber bei allen neueren Ausstellungen
der Wiener Künstlerschaft unerfreulich auffällt, ist die
Vernachlässigung der »religiösen« Kunst, die angesichts
ihrer Bedeutung bedauerlicherweise viel zu sehr bei-
seite geschoben wird. Diesmal ist es A. D. Goltz
ganz allein, der das rehgiöse Motiv zur Geltung bringt.
In sechs stiminungsvollen Bildern — eine Aquarellen-
folge — bringt der Künstler ein Stück Marienleben,
mit vieler Feinheit illustriert.
Unter den der kriegerischen Atmosphäre entrückten
ausgestellten Schöpfungen, welchen wir zuerst unsere
Aufmerksamkeit zuwenden wollen, ist manches sehr
Beachtenswertes zu verzeichnen. Besonders Landschaft
und Genre herrschen, wie auch sonst meist, hier vor.
Hugo Darnauts Nachmittagssonne sowie sein farben-
sattes Wienerwaldbild bestechen durch ihr leuchtendes
WIENER KUNSTBRIEF
Kolorit und den Stimmungsgehalt, der aus ihnen spricht.
Karl Duxa bringt wertvolle westfälische Interieurs,
Kar pell US einen fröhlichen AlraLMirausch, Hugo Char-
lemont ein Stilleben, Rothaug neben einer Dryade
einen kraftvollen Bergfrühling, Kinzel ein Idyll aus
alten Tagen. Etwas sehr Feines stellt Kasparides in
seinem Bild >Reif< aus, dessen vielseitige Vorzüge sich
auch in seinem zweiten Bild > Spätabend am See« offen-
sichtlich geltend machen. Ranzoni bringt vorzüg-
lich gemalte Guaschen: »Marienkirche in Bud weis« und
»Regensburg« und »Ulm«, Tomec solche aus der
rebenumkränzten Wachau, welch letztere für unsere
heimisclien Künstler ein unerschöpflicher Quell bleibt;
Hlavacek führt uns in einer der prächtigen Gärten in
Döbling, Maria Egners mit >Arabba«in die Bergwelt
der Doiomitenstraße, Julius von Blaas zeigt eine
realistisch gemalte Schotterfuhr mit einem feinen land-
schaftlichen Hintergrund. Des weiteren sieht man von
Max Suppan tschitsch ein Aquarell Osterstimmung,
von Leitner ein paar Temperabilder aus der Türmitzer
Gegend »Das stille Tal« und »Der Hohlweg«, von Grill
gleichfalls eine Ansicht von Regensburg und von Wilt
einen Herbstflor aus dem Mirabellgarten in Salzburg.
Prachtvoll ist das Tempera Gemälde »Tauernpaßi von
Anton Kaiser, einem unserer besten Radierer. Ed.
Zetterle, der getreueste Pfleger der Aquarelltechnik,
glänzt mit einigen landschaftlichen Motiven, außerdem
durch ein Blumenstück »Spätherbst«. Karl Pippichs
Alter Schloßhof in Eppan bei Bozen löst eine gute
dekorative Wirkung aus. Mit ehrlich gemalten, gut
beobachteten Genrebildern tun sich hervor: Delitz mit
seinen »Russischen Bäuerinnen«, Germela mit »Leuten
von Zeeland«, Onken mit den Bildern von Abbazia
und vom Gardasee, Liesel Kingel mit dem Verlassenen
Garten, Therese Schachner mit einem Angbacher
(Wachauer) Motiv, Fischer-Köy Strand mit seinem
prahlerisch-prunkenden »Landsknecht« wie mit »Sere-
nissimus und die Höckerin«, Ferdinand Brunner
mit seinem »Einsamen Dörfchen». Eine starke koloristi-
sche Wirkung erzielt auch Ameseder mit seinem
Klosterhof, der auch durch seine Architektur angenehm
fesselt. Die Architektur an sich ist in der gegenwärtigen
Ausstellung nicht übermäßig zahlreich, aber durchweg
mit guten Arbeiten vertreten. Aus dem mehrfach vor-
handenen Mittelwert ragen hervor: Graners Wiener
Studien, von diesen wieder der alte Wiener Univer-
sitätsplatz, von Straka einige Alt- Wiener Höfe, von
Johanna Kaserer ein hübscher Blick über alte Dächer
in Struden. Kanopa ist nach Bayern gegangen und
überrascht uns mit dem Augsburger Rathausplatz. Bei
den Porträts treten Klemens von Pausinger und
Rauchinger mit einigen sehr bemerkenswerten Pastells
hervor, auch Viktor Scharfs weibliche Bildnisstudie
in Kohle, Hessl's Studienkopf sowie die Porträt-
zeichnungen von Wind hager, Stössel, Granitsch,
Curry, Grill, die Miniaturen von Annie Zarko-
witsch, die Pastellstudie Michaleks, Kanopas
Frauenbildnis und die Aquarellbildnisse Ludwig Kochs,
letztere meist Porträts hoher militärischer Würdenträger,
sind tüchtige Leistungen.
Von den Radierern haben sich Thuma, Raimund
Wolf und Stössel, alle alte Bekannte, eingefunden;
zu diesen tritt diesmal noch ein Neuling, Stephan
Eggeier, hinzu, der sich mit seinen »Vagabunden«, zwei
Schabkunstblättern, und einem Selbstporträt vorteilhaft ein-
führt. Die vorzüglichen Zeichnungen Veiths aus seinen
Skizzenbüchern sollen noch besondershervorgehoben sein.
Unter den mannigfachen Darbietungen der dem gegen-
wärtigen Weltkriege entnommenen Motive ist es 1. N.
Geller, der durch hohe malerische Q.ualität seiner
Arbeiten auffällt. Es sind etwa zwei Dutzend mit
farbiger Kreide gehöhte Federzeichnungen, von denen
die beiden Studien »Eine von den Russen verwüstete
Stadt« und eine »Zerstörte Kirche« aus der Gegend
von Lubhn, sich durch Stimmungsgehalt und Größe
der Auffassung auszeichnen. Gsurs Feldmesse der
Deutschmeister könnte nicht würdiger zur Darstellung
gebracht werden. Karlinskys Bilder vom Korps Hoff-
mann, Adolf Schwarz, das Auslaufen der Eskader
aus Pola, Karl Pippichs kolorierte Zeichnungen —
insbesondere sein Trainlager bei Mondschein — , die
interessanten Schilderungen Fahringers, die von
Stacheldraht durchzogenen Gebirgsmassiven von Prinz,
Hans Larwins marschierende drei Soldaten, die charak-
teristischen Typen von John Cluincy Adams, Schu-
ster, Klein und anderen sind durchwegs bemerkens-
werte Leistungen aus den großen Geschehnissen des
Ringens der Völker.
Wie schon eingangs dieser Zeilen erwähnt, ist auch
die Kleinplastik lobenswert vertreten. Die Groß-
plastik fehlt, da zur Zeit für diese keine Aufträge vor-
handen sind. Der Hauptauftraggeber, der Staat, hat
jetzt für statuarische Werke kein Geld übrig. Unter
den Kleinplastikern sind es C. M. Seh werd tner, der
Urheber des so volkstümlich gewordenen Schwarz-
Gelben Kreuzes, mit drei kleinen fein durchgearbeiteten
Bronzen: »Berittener Tiroler Landesschütze auf Wache«,
der Handgran.itenwerfer und die >Schleichpatrouille<,
Zeleznys Held, Perls Löwengruppe, Cancianis aus-
drucksvoller Arljeiter, Lewandowskis Porträt-Relief
des Grafen Dzieduszycki und die Bronze-Medaille »Auf
dem Felde der Ehre«, die auf der Reversseite das Bild
der Madonna von Czenstochau trägt ferner Endstorfers
Kinderköpfchen, die sich anspruchslos, aber mit Ge-
schmack der Ausstellung eingefügt haben.
Im Kunstsalon Wawra hat der »Dürerbund«
diesmal seine Kunstschau veranstaltet, die sehr gewählt
ist und neben einer Kollektivausstellung des im Felde
weilenden Oberleutnants Hayd, im ganzen ungefähr
150 Nummern umfassen dürfte. Viele dieser Objekte
hätten gewiß auch die Jury der älteren Künstlerver-
einigungen befriedigt und würden zweifellos Zierden
jeder größeren Ausstellung sein, so z. B. die mit hohem
Verständnis und bedeutendem Können geschaffenen
Flottenbilder von Frhr. von Ehrmanns. Zwei aus-
gezeichnete Bilder bringt Hans Grötzinger, ein Inte-
rieur »In meinem Heim« und «Die Kirche im Erdberg«.
Besonders interessant sind die Aquarelle von Fritz
Lach. Die »Kartoffelernte«, auch im figürlichen Teil
wertvoll, wird viel beachtet, doch sind die landschaft-
hch-architektonischen Stoffe von dem Künstler bevor-
zugt. Für das Bild »Die Kartoffelernte« erhielt Fritz
Lach den Preis der Stadt Wien. Gute Raumverteilung
und großzügige Beliandlung sind den Bildern von
Erich Lamm eigen. Hans Schachingers Kirch-
gang zeigt ein lebhaft feines Kolorit, Karl Lorenz
Sonnige Mühle in Mergenstetten besitzt neben großem
Stimmungsgehalt viele technische Vorzüge. Von mehreren
Bildern Drahs ragt eine Partie bei Tülle ausdrucks-
voll hervor; auch August Aichberger und Ernst
Stifler lassen einige recht hübsche landschaftliche
Motive in gewandter Ausführung und durchweg poesie-
voll gedacht in der Ausstellung sehen. Als feinfühliger
Künstler aus der Rumpier Schule gibt Paul Hansa
einige Werke von zarter Technik und schlichter Ein-
facliheit. Weitere beachtenswerte Arbeiten finden sich
noch von Alfred Wesemann, Franz Schütz,
Alexander Scherba, Leop. Widlizka, Anton
Fikulka, Josef Rausnitz, Karl Probst, Theodor
von Lindenau, Elsa Schwarz, R. Kiemer, Emma
Löwenstamm und F. Körberl. Mit den frischen
Karikaturen unseres heimatlichen Hans Kaplan sei
nunmehr der Bericht über die gegenwärtige Ausstellung
des Dürerbundes beendet.
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Gänzlich unter dem Zeichen der Jurylosigkeit steht
die Ausstellung der Vereinigung bildender
Künstlerinnen. Wenn in den früheren Ausstellungen
dieser Vereinigung sich manches Revolutionäre und
Hypermodernisierende etwas übermäßig breit gemacht
hatte, so ist diesmal eine Wandlung zum Besseren ein-
getreten. Natürlich sind es Genre und Landschaft, die
das Ganze beherrschen, aber auch an hübschen und
fleißig gemalten Porträtstudien ist kein Mangel. Maria
Frimbergers Himmelpfortslegende, Jsa Jechls
Wiener Typen, Anka von Löwenthals Hannakin,
auch Olga von Wisinger ist mit einer prächtigen
Herbstlandschaft vertreten, Maria Egner mit Trut-
hähnen aus dem Odenwald, Frau Neumann-Pisling
und Dora Kiefel mit feinen Stilleben, ferner Agate
Adler, Baronin Kraus, Ella Rother und manche
andere, die wegen Mangel eines Katalogs zu schwer
festzustellen sind, haben manches Gute gebracht. An
»Zeichnungen« ist viel des Trefflichen zu sehen.
Von Frau von Murad-Michalkowska: Die Kanzel
der Stephanskirche und der AndromedaBrunnen Raphael
Donners. Bei den Porträts bringt Jose f ine Swoboda
eine ganze Kollektion Miniaturbildnisse und Studien-
köpfe. Minna Löbel hat ein Frauenbildnis in ganzer
Figur ausgestellt, Marianne Hausmann ein Porträt
von Professor Grünhut, Theresa von Mor eine hüb-
sche farbige Zeichnung. Mit Bildnisstudien stellten sich
auch noch Angela Adler und Frau Baronin Brand-
Krieghammer ein. Über Erwarten zahlreich und gut
ist die Radierung vertreten durch eine Reihe Blätter.
Die Skizzen aus Paris und London von Tanna Hörne s-
Kasimir verraten eine glückliche Hand, aber auch
die Blätter von Maria Adler, Fanni Faber, Magda
von Lere h, AdaSchweinburg, Mariska Augustin,
Blanke Glossy und Mitzi Merbach sind lobenswert.
Mit originellen Holzschnitten hat sich Ella Tornquist
— ein starkes Talent — eingefunden. Die Plastik wird
hauptsächlich durch Josefine Ch risten, Johanna
Meier-Michl und M. von Horsetzky vertreten, in
kleineren keramischen Kunstwerken durch Frau
Schwartz-Lehmann, Sitte, Neuwirth und John.
In der modernen Abteilung sind die Radierungen von
Helene von Kulczyczka, >Aus der Geschichte eines un-
glücklichen Volkes«, die in Käthe Kollwitz ihr unver-
kennbares Vorbild haben, zu nennen, von Henriette
Goldenberg das Triptvchon Aschenbrödel, von Elsa
Ohjen-Kasimir ein Strandbild, von Johanna Freund eine
Studie; auch Frau Luise Fraenkel Hahns Blumenvase
zählt mit zu den besten Leistungen. Ihre individuell
ausgeprägte Richtung oder Stellung zeigen die Symbo-
listin Pecival-Chalupek, die ihre hohe dekorative Be-
gabung zeigende Carola Nahovska, ferner Frau Edith
von Krafft-Granström und Minna Podhajska. Auch
Spitzen, Stickereien und Handarbeiten verschiedenster
Art schließt diese über Erwarten reichhaltige Ausstellung
ein, doch würde es selbstverständlich zu weit führen,
auch hierüber zu berichten.
Mit der neuesten Bilder-Auktionim>Dorotheum«
wollen wir unseren Kunstbrief aus der Kaiserstadt an
der Donau beschließen. Nach nahezu anderthalbjähriger
Kriegsdauer wagte man es zum ersten Male wieder,
eine größere Versteigerung von Gemälden zu veran-
stalten, doch war man über ihren pekuniären Erfolg
sehr im Zweifel. Und nun geschah das Unerwartete.
Am Schlüsse der Auktion waren für nicht
weniger als 3 50 ooo Kronen Gemälde verkauft,
ein Ertrag, der selbst in Friedenszeiten nicht häufig
erreicht wurde. In der Hauptsache war es der künst-
lerische Nachlaß des verstorbenen Direktors der Länder-
bank. Palmer, dem man noch eine Anzahl weiterer
Bilder angliederte. Richard Ricdl
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Alte Wandbilder. — Die Wiederauffindung älte-
rer W'andmalereien ist seit etlicher Zeit an der Tages-
ordnung. Sehr oft stellt sich dabei heraus, daß die
mit beträchtlichem Aufwände von Mühe und Kosten
der Vergessenheit entrissenen Reste besser hätten un-
entdeckt bleiben dürfen; nur bisweilen zeigen sie sich
als Denkmäler höheren Wertes. Dies letztere darf man
bis zu einem gewissen Grade auch von zwei Wand-
malerei-Fragmenten anerkennen, die ein Zufall bei
den im Jahre 1912 in der alten Augustinerkirche
zu München in Gange befindlichen Arbeiten bekannt
werden ließ. Sie fanden sich bei der Eröffnung eines
seit 1805 vermauert gewesenen kleinen Raumes, und
zwar nicht, wie sonst so häufig, unter einer Tünche,
sondern wohlerhalten — wenn man diesen Ausdruck
gegenüber dem Umstände gebrauchen darf, daß die
eine Figur zu Hälfte vernichtet ist. Ich will nur sagen,
daß die Malereireste sich in ihrer völligen farbigen
Frische erhalten haben. Der Raum enthält einige Stu-
fen einer Wendeltreppe, die in alter Zeit zur Orgel-
empore und zum Dachspeicher emporführte und später
außer Gebrauch gesetzt worden ist. Dieser Raum bil-
det im Grundrisse ein Quadrat von 1,60 m und ist
annähernd 2'/a m hoch. Innerhalb dieses Raumes (er
liegt im ersten Geschosse des Polizeigebäudes in den
jetzigen Büros des Münchener Adreßbuchamtes und ist
nur mittelst einer Leiter zugänglich) sieht man an zwei
Wänden je eine Malerei. Die Zeit ihrer Entstehung ist
auf der einen angegeben: 1494; die beiden 4 sind
schon in heutiger Form, nicht mehr in der gotischen
(als halbe 8) geschrieben. Beide Malereien stammen
ersichtlich aus derselben Zeit und von derselben Hand.
Leider hat später ein Wändebekritzler seinen Namen,
einen Schnörkel und die Jahreszahl 1650 mit einem
spitzen Instrument in die eine Wand eingeschrieben;
so ist der Irrtum erregt worden, dies sei die Entste-
hungszeit des nicht datierten Bildes und jener Unnütze
gar dessen Maler. Vielleicht war er es auch, der mit
einer Kerze ein schwarzes Kreuz auf das Bild geräu-
chert hat. Die datierte Malerei zeigt den kreuztragen-
den Heiland, die nicht datierte das Schweißtuch der
hl. Veronika. Die erstere Gestalt schreitet nach (vom
Beschauer) links, also stiegenabwärts. Die Figur ist
Profil, das ausdrucksvolle Gesicht ist nach vorn gerich-
tet. Leider ist die vordere Mitte der Figur zerstört,
von dem herabhängenden linken Arm sieht man nur
etwas mehr als die breite, mit Blut besprenkelte Hand.
Das Schweißtuch ist (abgesehen von der Anräuche-
rung) tadellos erhalten. Das Tuch ist weiß, die Fal-
ten und Schatten sind mit grünlicher Farbe ausgeführt.
Der Kopf ist von einem in drei Strahlen verlaufenden
roten Nimbus umgeben. Die Strahlen zeigen die Form
gotischer Lilien. Da für den senkrecht aufsteigenden
Strahl auf dem Tuche nicht mehr Platz genug war, so
geht er einfach ein Stück weit darüber hinaus. Das
ganz von vorn gesehene Antlitz zeigt kräftige gesunde
Farbe (so auch beim Kreuzträger, während dessen Hand
leichenfarbig ist), derbe Form, etwas schwere Augen-
deckel. Der Blick geht abwärts mit leichter Wendung
nach rechts. Selir sorgfältig ist die Malerei des dunkeln,
herunterhängenden, leicht lockigen Haares. Der Aus-
druck des Antlitzes ist voll Schwermut. Blutige Tropfen
fallen von ihm hernieder. — Beide Malereien sind als
Werke eines nicht eben bedeutenden M.ilcrs anzusehen,
aber als die eines solchen, der unter dem Einflüsse
guter Schultradition stand. Die Münchener .-^rt jener
Zeit ist in Form und Farbe unverkennbar. — Was der
Anlaß gewesen ist, das enge Gehäuse dieser Wendel-
stiege also zu schmücken, ist nicht mehr erkennbar,
übrigens auch nebensächlich. Dagegen bleibt bei der
VERMISCHTE NACHRICHTEN
fragmentarischen Art dieser Malereien die Frage z\i er-
wägen, ob nicht, was mir wahrscheinlich vorl<omnit,
sie zwei Teile einer ganzen Reihe von Passionsbildern
gewesen sind. Diese würde, der Gelirichtung des
kreuztragenden Christus entsprecliend, von oben nach
unten verlaufen sein. Etwas Entscheidendes l.ißt sich
aber über alle diese Dinge nicht sagen. Docring
Die unter dem Protektorat Seiner Königlichen
Hoheit des Großherzogs von Sachsen stehende
Renten- und Pensionsanstalt für deutsche bil-
dende Künstler (Maler, Bildhauer, Arclütekten, Kunst-
gewerbler, Zeichner, Kupferstecher usw.) mit dem Sitze
in Weimar hat soeben den Bericht für das 22. Ge-
schäftsjahr erscheinen lassen. Bei der Anstalt haben sich
die Folgen des Krieges nur in einem gegenüber früheren
Jahren wesentlich geringeren Zugang an Mitgliedern und
in einer Erhöhung der Beitragsrückstände fühlbar ge-
macht, ^^'irku^gen, die nur vorübergehend und daher
bedeutungslos sind. Das mündelsicher angelegte Ver-
mögen der Anstalt beträgt 1499957,02 M. Außerdem
besitzen die Ortsverbände ein eigenes Veimögen von
106 865,59 M., dessen Zinsertrag die Beitragszahlung ihrer
Mitglieder erleichtern soll. An 89 Rentner wurden
im verflossenen Jahre 23932,07 M. ausbezahlt. Jeder
Rentner erhält neben den durch die Beitragsleistung
selbst erworbenen, versicherungstechnisch bereclineten
Renten einen Zuschuß, der gegenwärtig 80 M. jährlich
beträgt und 27'/s% der gesamten Renten ausmacht.
Außerdem werden den in Not geratenen Mitgliedern aus
einer besonderen Hilfskasse sowie aus den Erträgen ver-
schiedener Stiftungen Beihilfen gewährt. Die Ortsver-
bandsvorstände in den Städten Berlin, Darmstadt,
Dessau, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Ham-
burg, Hannover, Karlsruhe, Königsberg i. F.,
Leipzig, München, Nürnberg, Posen, Stuttgart
und Weimar geben bereitwilligst nähere Auskunft über
die Bestimmungen der Satzung. Auch durch die Ge-
schäftsstelle in Weimar wird der Jahresbericht und die
Satzung auf V\'unsch kostenlos zugesandt und jede ge-
wünschte Auskunft erteilt.
Eine Ausstellung über Friedhofskunst und
Kriegerehrung veranstaltet der Westfälische Hei-
matbund Anfang Juli im Kreuzgang des Domes zu
Münster. In dieser Ausstellung, über die der Komman-
dierende General des Stellvertretenden Generalkomman-
dos des VII. Armeekorps, Exzellenz Freiherr von Gayl,
und der Oberpräsident der Provinz Westfalen, Se. Durch-
laucht Dr. Carl Prinz zu Ratibor und Corvey, das Pro-
tektorat übernommen haben, sollen neben vorbildlichen
alten Schöpfungen auf dem Gebiete der Friedhofkunst
und Kriegerehrung vornehmlich auch neuere ausgeführte
Arbeiten und Planungen von Ehrenfriedhöfen und Einzel-
gräbern aus der Provinz Westfalen, dem Fürstentum
Lippe-Detmold und dem Osnabrücker Land gezeigt
werden. Es ist in Aussicht genommen, die besten der
eingelieferten Arbeiten im Modell herstellen zu lassen.
Die Ausstellung wird später auch in andere Städte der
genannten Landesteile wandern.
Die Münchener Jahresausstellung im Kgl.
Glaspalast. Die Ausstellung wird am i.Juli eröff-
net. Seine Majestät der König und Ihre Majestät die
Königin haben Ihr Erscheinen dabei zugesagt. Nach-
dem die Vorarbeiten in der Hauptsache beendet sind,
läßt sich nunmehr ein Überblick über die Gestaltung
der Ausstellung gewinnen und es ist zu erwarten, daß
dieselbe hinter denen der letzten Friedensjahre nicht
zurückbleibe, sondern daß sie vielmehr durch ihre Reich-
haltigkeit und die Mannigfahigkeit der künstlerischen
Eindrücke das Interesse der Besucher in erhöhtem Maße
in Ansprucli nehmen werde. Dafür dürften schon meh-
rere wertvolle, eigens erbetene Kollektionen bürgen,
aus deren Anzahl das graphische Kriegswerk Dettmanns
sowie eine gewählte Sammlung des bekannten Land-
schafters llagemeister besonders hervorzuheben sind.
Unter den Münchener Kollektionen ist eine dem An-
denken des früheren Präsidenten v. Petersen gewidmet.
Die Teilnahme der Luitpold-Gruppe, der Bayern, des
Bundes und der sonst auch vertretenen künstlerischen
Fachverbände ist ebenfalls gesichert, so daß diese Jah-
resausstellung trotz der Kriegszeit das gewohnte Bild,
aber in einer vielfach nach neuen künstlerischen Ge-
sichtspunkten getrotfenen Anordnung, zeigen wird.
Die Galerie Eduard Schulte eröffnete am
IG. Juni ihre neue Ausstellung mit einer Sonderausstel-
lung von 60 Werken des Aussteller- Verb an des
Münchener Künstler. Gleichzeitig sind neu ausge-
stellt: Anselm Feuerbach »Versuchung des heiligen
Antonius <, Prof. Dr. Hans Thoma »Wiesenbächlein«,
Kriegsbilder »Vor Verdun« von Martin Frost- Lichter-
felde, Hochgebirgslandschaften von Carl Reiser-Mün-
chen, Innenräume und Städtebilder von Julius Schräg-
München, Landschaften von Hans Strohbach-Dres-
den und Marinebilder von Albert Wenk- München.
Die Universität Würzburg sendete ihren Stu-
denten heuer einen schönen und erhebenden Oster-
gruß: auf feinem Karton zwei Dichtungen und drei
Bilder, letztere von Heinz Seh lest 1.
Ein neuer Traghimmel nach einem Entwurf
von Prof. A. Müller wurde von der Stickerei M. Auer
für Pfaffing bei Wasserburg (Oberbayern) ausgeführt.
Professor Kaspar Seh leibner vollendete ein
Familien-Votivbild für den im vorigen Herbst verstor-
benen Reichsarchivdirektor Geheimrat von Baumann. Das
Gemälde schmückt das St. Primuskirchlein in Bad Adel-
holzen (Oberbay.), wo Dr. von Baumann begraben liegt.
Professor Hermann Schneider, der künstlerische
Schriftleiter der »Fliegenden Blätter<, feierte am 15. Juni
sein 70. Wiegenfest. Ehe Schneiders Wirksamkeit
die Schriftleitung restlos ausfüllte, war er selbst als
ausübender Künstler tätig. Die gute Schule eines Dyk
an der Kunstgewerbeschule in München, Moritz von
Schwinds und (seit 1866) Pilotys an der Akademie der
bildenden Künste spricht aus jenen Bildern, wie sie bis
vor 20 Jahren von der Kritik und dem kaufkräftigen
Publikum wohlgefällig aufgenommen, entstanden. Bis
vor kurzem hielt man dafür, über die Piloty-Schule zur
Tagesordnung übergehen zu können. Bei der jetzigen
Selbstbesinnung und der einsetzenden Berechtigungs-
anerkennung des Gegenstandes in der Kunst erinnert
man sich der Piloty-Schüler und ihrer Werke mit freu-
digem Genuß. Auch Schneider schuf nach der Rück-
kehr von der italienischen Studienreise in jenem Geist,
der einst (mit Wirkungen auf den heutigen Tag) eine
große Künstlerschaft beseelte: Historienbilder großen
Stils, Kostümbilder, Szenen aus der Antike. Bei allen
diesen Werken, die in ihrer Gesamtheit aufzuführen zu
weit ginge, fällt neben der straffen Komposition, der
erreichten Stimmungskraft die ausgezeichnete Zeichnungs-'
gäbe auf, die der Sohn des Mitbegründers der »Fliegen-
den« Gelegenheit hatte in deren Dienst zu stellen. Die
Verdienste, die sich Hermann Schneider seit über
20 Jahren in der Leitung des deutschen Witzblattes
von internationalem Ruf erwarb, beruhen einmal in
dessen Gediegenheit hinsichtlich des künstlerischen wie in-
haltlichen Ausdrucks. Das gute Alte zulassen und dem
Modernen, soweit das Bereclrtigungsdasein aus ihm spricht.
BÜCHERSCHAU
nicht die Tore verschließen, scheint der erste Grundsatz
seiner Leitung in langen, nieinungswechselnden Jahren
gewesen zu sein. Schneider eignet noch ein zweites
Verdienst, auf das in der jetzigen Zeit hingewiesen
werden muß! Die »Fliegenden Blätter< sind das ein-
zige größere deutsche Witzblatt künstlerischen
Stils, das sein eigenes Volk nicht verspottend, den
Feinden Deutschlands in diesem Weltkrieg keinen Stoff
zum höhnenden Gelächter bot!
Ein neugotischer Schnitzaltar. Realistik und
eine auf die (arbige Wirkung gotischer Kirchen berech-
nete Farbenfreudigkeit sind es, die gemeinsam mit ein
oder zwei Flügelpaaren den Charakter der gotischen
holzgeschnitzten Flügelaltäre ausmachen, wie sie um
die Mitte des 14. Jahrhunderts in Deutschland heimisch
wurden, um dann gegen Ende des 15. Jahrhunderts
eine dominierende Beherrschung im Raumbild der Kir-
chen einzunehmen. Ohne sich von sklavischer Nach-
ahmung leiten zu lassen, drang Professor Thomas
Buscher (München) in diesen Geist der Spätgotik und
Frührenaissance ein mit seinem neuesten Werk, das für
die Stadtpfarrkirche St. Martin zu Tauberbischofs-
heim in Baden bestimmt, in der letzten Maiwoche zur
Besichtigung ausgestellt war.
Der Altar mit zwei Flügelpaaren hat seinen Mittel-
punkt im Mittelschrein, in (dem Holzschnittfiguren auf-
gestellt bezw. Hochreliefs auf den Flügeln angebracht
sind. Die Mitte nimmt die Vollfigur des auf dem
Sessel sitzenden Kirchenpatrons in Lebensgröße ein.
Neben dem hl. Martin stehen ebenfalls in Rundplastik
die hl. Lioba, die Gründerin der Stadt Tauberbischofs-
heim, und der hl. Sebastian, der Schutzheilige der Stadt.
Die beiden äußeren Flügel erzählen ebenso wie die
inneren von dem Leben des römischen Kriegers und
späteren Bischofs. Auf den erstgenannten Flügeln ist
dargestellt, wie der Soldat zur Spätherbstzeit mit einem
nackten Armen seinen Mantel teilt. Es ist nicht Amiens,
vor dessen Toren sich die Begebenheit abspielte, son-
dern Homburg, der von dem Bestimmungsort des Altars
nur zwei Stunden entfernte Heimatort des Künstlers.
Eine Äußerlichkeit, die uns einen Fingerzeig gibt, wie
sehr und warum der Meister mit inniger Liebe an sei-
nem Werke hing, das eine kleine Lebensarbeit repräsen-
tiert sowohl in der künstlerischen Durchbildung des
Gedankens als der Ausführung bis ins kleinste Detail.
Die liebevolle Plinneigung zum Gegenstand spricht auch
aus dem rechten äußeren Flügel mit der Darstellung
der Heilung eines Kindes durch den heiligen Bischof,
zu dem die Großmutter in der Gestalt der Künstler-
Mutter in der um die Heilung ihres Enkelkindes bangen-
den Besorgnis emporblickt. Der Realismus, der sich
in dem herben Antlitz der alten Frau ausdrückt, hat
sein Gegenstück in den zwei inneren Flügeln mit der
Darstellung der Klostergründung und des Beistandes,
den der Heilige als Bischof dem hl. Liborius in der
Sterbestunde leistete. Die Personen, vor allem der
Lector und der sich vordrängende Kirchendiener, die
hier zur Füllung dienen, sind keine herkömmlichen
wesenlosen Personen, sondern Typen, die uns an die
Schaffensart der Alten erinnern, die solange suchten,
bis sie das ihnen am geeignetsten erschienene Modell
gefunden.
Noch mehr offenbart sich die Charakterisierungs-
gabe Buschers in den vier Brustbildern der EvangeHsten
an der Predella über dem Altartisch. Diese ausgepräg-
ten klaren Männerköpfe wirken auch ohne jeden süß-
lichen Heiligencharakter überzeugend als Verkünder des
Gotteswortes. Daß der Künstler sich selbst als hl. Lukas
verewigte, zeugt davon, wie er sich in den Sinn und
Gebrauch der alten Meister einlebte.
Wenn uns der Schrein mit seinen Flügeln als der
Mittelpunkt für die Modellierungsgabe des menschlichen
Körpeis gilt, so steigert sich die Kunst bis zur Meister-
schaft in dem Tabernakel. Als wichtigstes Ausdrucks-
mittel diente dem Künstler hier wie in dem Aufbau
mit der Kreuzigungsgruppe das duchbrochene Ranken-
motiv. Den Tabernakelbaldachin bilden Rebenstöcke,
zwischen denen Engel hindurchblicken und zur Anbe-
tung des Allerheiligsten in ungezwungener Art auffor-
dern. Das vorzüglich aus einem Stück geschnittene
Werk beleben Vögel, die auf den Blättern sitzen oder
an den Beeren picken. Luftig und leicht wie der Bal-
dachin ist der durch ein kräftiges Gesims getrennte,
sich allmählich in die Fialen verjüngende Aufbau mit
der Kreuzigungsgruppe in der Mitte. Blätter, Blüten
und Früchte wechseln bunt miteinander ab, kein Orna-
ment wiederholt sich. Zu der Kreuzigungsgruppe leiten
in den Tagen der stillen Woche, in denen der Altar
geschlossen wird, gedanklich die dann sichtbaren, seit-
lich angebrachten Randfiguren der Heiligen Ludwig und
Veronika über.
Alles ist gedanklich fein durchdacht, in der Ausfüh-
rung klug abgemessen und erwogen, so daß ein Monu-
mentalwerk mit einzigartiger Gesarat- und Einzelwirkung
zustande kam, zu dem sich seit langem kein Künstler
mehr die Zeit in dieser ausführlichen Vollendung nahm.
W. Zili-MBncheo
BÜCHERSCHAU
Sehen und Erkennen. Eine Anleitung zu ver-
gleichender Kunstbetrachtung von Paul Brandt.
272 S. 8°. Mit 414 Abbildungen und einer farbigen
Tafel. Verlag Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig. 191 1.
Preis geb. M. 5. — .
Dieses Buch verdient unter den vielen Führern zur
Kunst einen hervorragenden Platz. Zur Begründung
bedarf es wohl nur der Bemerkung, daß der Verfasser
sich in geschickter Weise die Methode Heinrich Wölff-
lins zunutze macht. Im besonderen ist das Buch so
angeordnet, daß auf zwei gegenüberliegenden Seiten
zwei oder mehr Abbildungen von Werken der Archi-
tektur, der Plastik oder der Malerei zusammengesteOt
sind, welche ihrem Gegenstande oder ihrer formalen
Behandlung nach Vergleichspunkte bieten. An Hand
solcher ausgezeichnet reproduzierter Werke und des
darunter stehenden, jedesmal in sich abgeschlossenen
Textes wird der Leser durch die Geschichte der Kunst,
angefangen vom Hünengrab und der ägyptischen Grab-
malkunst bis zur Kunst der neuesten Zeit geführt unter
Berücksichtigung sowohl historischer Entwicklungen
wie vor allem des künstlerischen Gehaltes. So erfüllt
das Buch sein im Titel > Sehen und Erkennen« gege-
benes Verspreclien in ausgezeiclineter Weise und weckt
dazu noch ein gutes Empfinden für die Kunstformen.
Der Preis ist in Anbetracht des Gebotenen und der
sehr guten Ausstattung auffallend billig zu nennen.
Der Wert des Buches wird nicht herabgemindert, wenn
z. B. S. 148 von den Mönchen, welche an der Leiche
des hl. Franz von Assisi das Libera singen, gesagt wird,
daß sie die Totenmesse zelebrieren, oder wenn es
S. 187 heißt, daß die mittelalterliche Kirche die Evan-
gelistensymbole entwickelt habe, die in Wiiklichkeit
aber schon in der altchristlichen Kunst voll ausgeprägt
sind. Vgl. z. B. das Mosaik am Triumphbogen von
S. ApoUinare in Classe in Ravenna und zahlreiche an-
dere Darstellungen bis hinauf ins 4. Jahrhundert.
Dr. A. Huppertz, Köln
Fttr die Rediklion vcnniwonlich : S. Suadbimcr (Promenadeplatz 3) : Verlag der Gesellschaft für cbrisilicbe Konst, GmbH.
Dnick von F. Brnckmann A. G. — Sämtlicbe in München.
BEILAGE
AUSSTELLUNG DER DRESDENER KÜNSTLERVEREINIGUNG
AUSSTELLUNG DER DRESDENER
KÜNSTLERVEREINIGUNG
Tn der sächsischen Hauptstadt lagen leider bisheran die
Verhältnisse für ständig sich wiederholende kleinere
Kunstausstellungen sehr im argen. Die beiden Kunst-
handlungen Arnold (Gutbier) und Richter halten für
Ausstellungen einer Künstlergemeinschaft unzureichende
Räume. Der Kunstverein auf der »Terrasse« lionntc
keinem Verein Räume dauernd zur Verfügung stellen.
Das Ausstellungsgebäude am Großen Garten kann nur
für sehr große Darbietungen in Frage kommen. Der
älteste Dresdener Künstlerverein, Die Kunstgenossenschaft,
hat in der Grunaerstraße ihr eigenes Heim. Im Laui'c
der Jahre hat sie die Führung, trotzdem tüchiige Künst-
ler zu ihren Mitgliedern zählen, vollständig verloren.
Architekten und Kunstgewerbler, die sich für die im
Jahre 191 6 in Dresden stattgefundene Kunstgewerbe-
ausstellung fanden, gründeten die Zunft, der sich später
die Elbier anschlössen. Aus diesem Zusammenschluß
entstand die Künstlervereinigung, die heute über 90 Mit-
glieder, darunter Architekten, Bildhauer und Maler an-
erkannten Rufes, zählt.
Es ist wohl kein bloßer Zufall, wenn der verstorbene
Stadtbaurat Hans Erl wein, der langjährige Vorsitzende
dieser Vereinigung, im Auftrag der Stadt Dresden einen
neuen Ausstellungsbau schuf, der der Dresdener Künst-
lervereinigung auf die Dauer von vorläufig fünf Jahren
für ihre Ausstellungen überlassen werden soll. Erlwein
verlegte ihn draußen an der Lenn&traße unmittelbar
vor dem großen .Ausstellungsgebäude. In klassisch
strenger Formensprache stellte er einen größeren Mittel-
pavillon auf quadratischem Grundriß hin, der durcli
Gänge mit 2 seitlichen Pavillons verbunden ist. Den
durch Säulen aufgeteilten Mittelbau wird eine Reiter-
gruppe von Professor Wrba, die in der Ausstellung zu
sehen ist, krönen. Infolge der Beschlagnahme der Bronze
kann an den Guß dieser Gruppe vorderhand nicht
gedacht werden. Die .Außenseiten der Verbindungsgänge
haben Nischen erhalten, die im Laufe der Zeit Piastiken
aufnehmen sollen. Mit Ausnahme der gut im Maßstab
gehaltenen, hochgezogenen Eingangshalle, die reiche
Stuckverzierungen zeigt, sind alle anderen Ausstellungs-
räume, ihrem Zweck entsprechend, einfach gehalten.
In diese neue Kunsthalle ist nunmehr die Künstler-
vereinigung Dresden eingezogen, um uns alljährlich in
mehteren Ausstellungen mit ihren Arbeiten bekannt zu
machen. Die erste Ausstellung wirkt vielverheißend.
Anerkennungswert ist, daß auch die junge Künstler-
schaft zu Wort kommen durfte. Die Hängekommission
hat in vorbildhcher Weise gearbeitet.
In der Eingangshalle selber, die in ihrer formvoll-
endeten Architektur die sorgsame Hand der letzten Jahre
Erlweins erkennen läßt, sehen wir nur Plastiken. Eine
stilistisch prachtvolle Arbeit ist der Negerkopf von
Heinrichjobst, der in allen Einzelheiten durchstudiert
und im Ton der Bronze glänzend gelungen ist. Von
Ulfert Janssen stehen 2 Büsten dort, die im .Aufbau
renaissancistisch gehalten sind, aber nicht heranreichen
an die seinerzeit so prächtig gelungene Büste des Malers
Koppen, die in der Münchener Glyptothek zu sehen ist.
W. Lehmbruck, der lange Zeit in Paris weilte, zeigt
uns mehrere seiner charakteristischen Arbeiten, die mit
unserer .Ansicht über Plastik garnicht übereinstimmen
wollen. Nicht allein das äußerste Betonen des inneren
Erlebens auf Kosten der plastischen Durcharbeit, sondern
auch das mehr originell als schön wirkende Abschneiden
des Werkes — so ist eine Büste unterhalb der Brust,
eine sitzende Figur mit halbem oder viertel Bein dar-
gestellt — hebt allzusehr das Malerische in den Vorder-
grund. Und doch fühlt man immer wieder, welch
tüchtiger Plastiker Lehmbruck sein könnte.
Die cliristliche Kunst. Xll ii. i. August 1916
Der durch einen schmalen Verbindungsgang an-
hängende Plasiiksaal ist leider so weiß und so klein
gehalten, daß größere Werke nicht zur Geltung kommen.
Wir hören, daß der Saal neu getönt werden soll. In
diesem Kaum fesselt zunächst Wrbas formvollendete
Reitergruppe, die demnächst das .Ausstellungsgebäude
krönen soll. Auf einem ruhig dahinschreitenden Pferd
thront eine weibliche Gestalt. Streng im Stil, praclitvoll
in der geschlossenen Komposition klingt die ganze
Gruppe zusammen. Auch die beiden Figuren vom
MönckebergBrunnen in Hamburg, sowie die Seiten-
figur für das Lahmann Denkmal auf dem Weißen Hirsch
zeigen dieselbe feine Hand für Stilisierung und Form.
Wir sehen noch die flott modellierte und charakteristisch
getroffene Büste des \'aters des Meisters.
Robert Diez zeigt drei etwas konventionell ge-
haltene Büsten und einen Teil eines Denkmals, eine
Pietä, die in der Auflassung interessant, in der Kompo-
sition weniger gut gelungen erscheint. In starkem Re-
lief gehalten liegt Christi Leichnam auf einem vor der
Wand vorspringenden Sockel, die Mutter Gottes im
Hintergrund hält voller Innigkeit mit der linken Hand
das Haupt Christi, und legt die andere Hand auf seine
Brust. Es ist eine religiös tief empfundene Arbeit.
Selmar Werner hat diesmal eine größere Bronze-
arbeit— Mutter und Kind — eingesandt; eine herbe, streng
empfundene Frauengestalt, die ihr Kind an der Brust
hält. August Schreitmüller stellt eine weniger be-
friedigende Arbeit in Bronze »Erwachen« aus. Seine
Büsten, besonders die seiner Frau, sind charakteristischer
für seine Schaffensart. Sehr gut empfunden ist der
Christus von Pöppelmann — ein fein durchgearbei-
tetes, voller Empfindung gezeichnetes Werk. Arthur
Lange, von dem auch die im Vorsaal stehende Diana
stammt, stellt zwei kleinere Plastiken aus, Delphin und
.Morgen. Gut vertreten sind auswärtige Künstler wie
Max Klinger mit der vornehm einfacli gehaltenen
Marmorbüste Professor Wundts. Hugo Lederer mit
dem Marmorkopf Heinrich Heines — ein Fragment des
Hamburger Heine-Denkmals; Fritz Huf mit dem fast
ins Ornamentale gezogenen Schädel des Dichters Reiner
.Maria Rilke und Ernst Barlach, den man wieder gerne
sieht, mit dem ruhenden Wanderer, eine seiner typischen
Holzschnitzereien. Kleine Plastiken sind in den übrigen
Räumen verteilt.
Von den älteren Dresdener Malern zeigt EugenBracht
zwei kleinere, fein empfundene Bilder: Kastanienallee
und Gutshof Rheinsberg; das größere Bild: der Pflüger
hat nicht die gleiche Wärme trotz der Eigenart der Auf-
fassung und des großen Zuges. Otto Guß mann ist mit
einer Reihe Bildnisse vertreten, die wiederum das reiche
Können und die farbige Palette des Meisters zeigen. Das.
Blumenstilleben ist tonisch sehr schön gehalten und
ganz aus der Farbe herausgemalt. Robert Sterl gibt
vor allem in den Schiffsziehern an der Wolga ein pracht-
voll ausgeglichenes Stück von hohem malerischem Reiz
und straffster Komposition; es gehört mit zu den besten
seiner Steinbruchbilder. Wohl als inneres Erlebnis seiner
Reise an die Front sind die beiden Bilder: Kameraden
und Grablegung anzusprechen. Beide im goldigen Ton,
bei einfachster Farbengebung gehalten, sind sie voller
Ruhe und wirken durch die Unmittelbarkeit und Ein-
fachheit, mit der Sterl den Vorgang darstellt. Ganz
Farbe ist das Bildnis von Schuch am Dirigentenpult,
voll von stärkstem Licht und Rasse. Charakteristische
Bilder für die einmal eingeschlagene Bahn sehen wir
von Bantzer, Claudius und Emanuel Hegen barth.
Von jüngeren Künstlern bringt uns eine Überraschung
Paul Rössler, der mit drei Temperabilder in breiter
Art heruntergemalt, wie alte kostbare Glasfenster schim-
mernd, vertreten ist. Vor allem zeigt die Aktstudie
feines Empfinden und hohes zeichnerisches Können.
46
WIENER KUNSTBRIEF. — AUSSTELLUNG GURLITT IN BERLIN
Von H. Nadler sehen wir zwei größere Bilder: Familien-
bild und Schmerz, das letztere vor allem durch die
Schlichtheit der Darstellung und Ruhe in den tonischen
Abstimmung bemerkenswert.
Starlc in Farbe, besonders auch durch die Gegen-
sätze wirlcend, fallen die Bilder von Cilio-Jensen auf;
vor allem das Bildnis der Frau Lange und das der
Mutterrait Kind. Er wähnens wert sind noch F r i t z B e c k e r t,
Ernst Richard Dietze vor allem in seinem Bildnis vom
verstorbenen Maler Wilhelm Claus, weniger gut in dem
Frauenbildnis; Josef Hegenbanh, Meyer-Buch-
wald mit seinen kraftvoll heruntergemalten Bildnissen,
Johannes Ufer, Paul Wilhelm u. a. Überraschend
gut wirkt das Damenbildnis von Walter Kurau und
das Herrenbildnis von Fritz Stolz sowie die kleinen
Porträts der beiden Sohne Wrbas von Paul Perks.
Von den Malern jüngster Richtung, die sich laut
und eindringlich gebärden, ist der interessanteste Felix
Müller, der mit großem Ernst an seine Arbeit heran-
geht, ohne indes irgendwie Ausgeglichenes geben zu
können. August Boeckstiegel arbeitet in derselben
Richtung. Ganz enttäuscht Richard Dreher, der gegen-
über seinen früheren Bildern und Zeichnungen, voll-
kommen versagt. Es ist schade, daß Dreher, der ge-
rade in der Malerei so große Zukunft liatte, eine Rich-
tung genommen hat, die mit Malerei kaum mehr etwas
zu tun hat.
Von auswärtigen Malern sehen wir durchweg Ar-
beiten bester Art; vor allem ist da Stuck zu nennen,
der mit seiner Amazone und Kentaur, das in der Idee
aus zwei seiner Plastiken hervorgegangen ist, sein Können
zeigt. Louis C o r i n t h zeigt sein ganzes Können in zwei
breitgemalten Bildern: Liebeskampf und Geschlachtetes
Schwein. Wilhelm Trübner hat das lebensgroße Bild-
nis seines Sohnes in Rüstung geschickt; Schramm Zittau
die Meute unter Bäumen; Slevogt die südliche Land-
schaft Taormina; Von Hofmann Am Berge Gibad und
Schmales Ufer, zwei in der Bewegung prachtvoll ge-
zeichnete Akte. Robert Breyer, der seine Berufung als
Lehrer für die Dresdener Akademie leider abgesagt hat,
zeigt ein vornehmes Stilleben von hellrot und blauem
Kaffeegeschirr. Max Klinger sandte ein älteres Bild der
Frau Asenijeff; Von Habermann ein Damenporträt. Die
Abendlandschaft vonW a 1 d e m a r R ö sl e r ist vielleicht, be-
dingt durch ihre Größe, nicht ganz zusammen gebracht.
Die Aktstudie von Weisgerber ist malerisch von höch-
stem Reiz; Pech st ein interessiert vor allem in seinem
stark farbigen Stilleben.
Jedenfalls ist die Kunstausstellung eine der besten,
die wir seit langem hier in Dresden gesehen haben,
wenn auch nicht zu leugnen ist, daß sie durch die Be-
teiligung auswäriiger Künstler wertvoller geworden ist.
WIENER KUNSTBRIEF
Die Amerling- Auktion. Nach viertägiger Dauer
ist in den Räumen des Dorolheums die Versteigerung
des künstlerischen Nachlasses Meister Amerlings been-
det worden. Sie galt einem wohltätigen Zweck,, denn
Amerlings Witwe, die nachmalige Gräfin Marie Hoyos,
hatte im Sinne des Künstlers vor ihrem Ableben testa-
mentarisch verfügt, d.iß die Wiener Künstlergenossen-
schaft als Erbin eingesetzt würde und zwar unter der Be-
dingung, daß aus dem Ergebnis der zu versteigernden
Sammlung ein Friedrich- und Marie-Amerling-Fonds zur
Unterstützung bedürftiger Künstler geschaffen werde.
Dieses Ergebnis war nun erfreulicherweise ein überaus
günstiges, es brachte die gewaltige Summe von 835000
Kronen ein, so daß diese Stiftung in ihrer Wirkung
für die Künstlcrschaft und die österreichische Kunst ge-
wiß eine sehr segensreiche sein wird.
Die Sammlung, von Amerling mit feinstem künst-
lerischem Geschmack angelegt, vermehrt und gepflegt,
wies nicht weniger als tausend Nummern auf und es
spricht für den Wert derselben schon der Umstand,
daß bereits vor der öffentlichen Versteigerung für
diesen Schatz der Betrag von einer halben Million von
privater Seite geboten wurde. Aus dem reichen Nach-
laß sieht man unter den Gemälden alter Meister vor
allem die herrliche Karfreitagsprozession von Magnasco,
dann einen Brueghel den Alteren und viele hervorra-
gend schöne Werke aus den italienischen, veneziani-
schen und niederländischen Schulen. Unter den alten
Handzeichnungen findet man einen Dürer, einen Greuze ;
nicht weniger als 70 Arbeiten geben von der Kunst
alter deutscherund österreichischer Silberschmiede Kunde.
Unter anderen findet sich das Prachtwerk einer monu-
mentalen astronomischen Uhr in Gestalt einer Mon-
stranz mit zahlreichen allegorischen Darstellungen, fer-
ner durchwegs kunstwertige Stücke von Arbeiten in
Eisen, in Glas, Stein und Elfenbein, Musikinstrumente,
Waffen und Silberschmiede-Arbeiten, MajoHken und
Fayencen, Arbeiten in Holz, Bronze, Kupfer, Messing
und Zinn usw., nicht zu vergessen die wundervolle
Kunstmöbel-Sammlung und die eigenartig schönen Ge-
genstande österreichischer Volkskunst. Ein Teil der
Kunstwerke wurde für das Ausland — die Schweiz und
Holland — erworben, ein großer Teil natürlich für das
deutsche Reich, das wir in Österreich heute nicht mehr
zum Ausland zählen. Die Absicht der Stifter, durch
ihr Vermächtnis bedürftigen Künstern in Zeiten der Not
beistehen und helfen zu können, hat sich jedenfalls in
glänzendster Weise erfüllt. Richard RieJl
DEUTSCHE KUNSTLER DES 19. JAHR-
HUNDERTS
o
bwohl wir sonst die Alltags-Ausstellungen der Kunst-
salons möglichst in einem zusammenfassenden Kunst-
brief unterzubringen versuchen, drängt doch eine Ein-
zelerscheinung zu einem Sonderbericht. Seit der Jahr-
hundertausstellung in der Berliner Nationalgalerie ist
der neueren deutschen Kunstgeschichte selten ein so
lehrreicher Rückblick gewidmet worden, wie es — zum
Besten der Kriegshilfe für bildende Künstler — die
Sammlung von Werken deutscher Künstler des
19. Jahrhunderts war, die der Kunstsalon Fritz
Gurlitt zu Berlin im Frühjahr 191 6 zeigte. Zwar ist
es nichts Besonderes, daß man sich wieder mal an
Schöpfungen Allbekannter freuen konnte: u.a. an einer
Wolkenstudie und dergleichen des alten J. C. C. Dahl,
an >Mutter und Kind« und sonstigen Bildnissen A-
Feuerbachs, an intensiv sinnvollen, wenn auch we
niger dem .Vnschauungssinn entgegenkommenden Land-
schaften K. Rottinanns, an Spitz weg-Sinnigkeiten,
an Steff eckschen Porträts, an einem Kinderkopf li. J.
v. Steinles, endlich an Bddern H.Thomas und be-
sonders an Radierungen nach ihm von F. A. Born er,
die vielleicht manclien noch mehr interessieren können
als die Vorlagen. Aber daß eine nicht geringe Zahl
minderbekannter Künstler und Kunstwerke zum Vor-
schein kommen, und daß wir da in ein Streben hinein-
blicken, das von Sinn und Sache, von Halt und Ge-
stalt spricht, aucli wenn's nur erst die Zeit der Kulisse
und noch nicht die der Tapete war: das lohnt ein
\'erweilcn, das läßt Erinnerungen von anno Sc hack
aufsteigen und an eine Zukunft denken, die festhalten
wird, was heute noch lebendig wirkt. Wir wählen
auch nur das aus, was uns besonders auffiel, in zeit-
licher Anreihung.
J. H. W. Tischbein (1751 — 1829), der Goetlie-
AUSSTELLUNG GURLITT: DEUTSCHE KÜNSTLER DES 19. JAHRHUNDERTS
47
Po'trätist, zeigt in farbigen Zeichnungen (> Mutter und
Kind«, >Winzerfest« u.a.). wie sicli ilini in kl.tssizistisclie
Formen gut Rcalistisclies liineindrängte, und wie aucli
damals dekorative Entwüil'e (mit spiingenden Tieren)
eine Raunil<unst sucliten. Dann jener oberfränlcisclie
J. C. Reinliart (i 761 — 1847), der lange in Rom eine
Rolle mit heroischen Land.sclialten spielte und in dem
hier zu sehenden Bild die Atalanta den Zentauren töten
läßt, mit steifen Figürchen unter riesenhaften Bäumen
— wohl ein Vorgeschmack nächstjähriger Secessions-
ausstellungen. Auch der Dresdener G. v. Kügelgen
(1772 — 1820), der Vater des >alten Mannes«, kommt
mit einem seiner Bildnisse. Was eine frühere Zeit an
historischen Idealen in die italienische Landschaft hinein-
legte, sagt uns F. Catel (1778 — 1856) in seiner damals
erfolgreichen Manier, mit Rosa in Rosa und Grün in
Grün. Das Familienhaupt der Wiener Stadtbild-Künst-
ler und Lelirer seiner Söhne Rudolf und Franz,
J. Alt (17S9 — 1872), huldigt dem (Seradheits- und Steif-
heitsideal durch ein »Scliönbrunn« ; wie gut läßt es
sich mit Späterem vergleichen ! An die beiden Tier-
maler J. Deiker (1822 — 189$) und K. F. Deiker (1856
bis 1892) ist die Erinnerung wohl nocli aufrecht, kaum
jedoch an deren Vater in Wetzlar F. Deiker (1792 bis
1843), von dem hier trefi'liche Bildnisse zum Vorschein
kommen. Auch der Blechen-Schüler und Italien-
landschafter unter Catelschem Einfluß F. A. Elsasser
(1810 — 1845) ragt hervor. Der Dresdener Dahl-Schü-
1er, Reiseschilderer und Künstlerpatriarch K. R. Kum-
mer (1810 — 1889) erfreut durch eine »Gebirgsland-
straße« und — von 1885 — eine Postkutsche. Das rich-
tige gute alte Genre aus München bringt K. v. Enhuber
(1811 — 1867). Der vielgereiste Landschafter L. Gurlitt
aus Altona (1812 — 1897), Vater des Architekturhisto-
rikers, fällt durch holsteinische Landschaften auf Der
Schweriner Th. Fischer (1817 — 1875) ist durch ein
Bildnis vertreten. Fast Böcklinisch, nur spitziger ge-
malt, ist der >Gebirgsbach« des, unserem Gedächtnis
anscheinend entschwundenen, Düsseldorfers K. Jung-
heim (1S30 — 1880). Aber noch lebt wohl der Rhein-
pfilzer und Münchener K. Mathes (1842 oder 1843)
und hat mit seinem »Interieur« die Kunst des Grau in
Grau so bewährt, dal! sie auch von heute sein könnte ;
die Lindenschmit-Schule scheint lange vorzuhalten.
Vertrauter klingt der Name des frühe gut vorgeschritte-
nen A. Stabil aus Winterthur (1842 — 1901), dessen
'Landschaft« gut auffällt. Auch E.Jettel (1845 — 1901)
scheint inzwischen in die >retrospektive« Liebe aufge-
nommen zu sein ; ein Chieniseebild rechtfertigt es. Der
Ansbacher Th. Alt (1846), Mitschüler Lei bis, hier
mit einem Porträt seiner Mutter vertreten, zählt auch
noch zu den Lebenden.
Merkwürdig gering ist die religiöse Kunst vorhanden,
obwohl ihr Kügelgen und Mathes und gar Steinle
nahestanden, und obwohl wir uns da in den Zeiten der
Nazarener, der Alt-Düsseldorfer und der Idealisten vom
ApoUinarisberg bewegen. Gerade noch der »Studien-
köpf eines Mönches« erinnert an solclie Interessen und
an einen der würdigsten, seelischesten Darsteller von
Religiösem: an den Hanauer G. Cornicelius (1825
bis 1898).
Hcrlin-Halcnsee Dr. ILiils SchmidliUnz
GLASMALEREIEN ALS KRIEGSERINNE-
RUNGSZEICHEN
pur die katholische Pfarrkirche von Mergentheim hat
Albert Figel zwei Glasmalereien geschaffen, die
in der Zettlerschen Anstalt ausgeführt worden sind.
Ihren Platz werden sie im Chore der Kirche be-
kommen. Vier Fenster sind daselbst vorhanden, von
denen zwei, damit der Raum nicht zu sehr verdunkelt
werde, helle \erglasung behalten sollen. Die Figel-
sehen Fenster sind Kriegserinnerungszeichen ; die Kir-
chengemeinde verdient Anerkennung dafür, daß sie das
Gedächtnis ihrer gefallenen und die Ehre ihrer heim-
gekehrten Helden auf solche Art zu feiern beschlossen
hat. — Die Bilder, von denen jedes 10 Meter lioch
ist, werden miteinander verbunden durch ihren ge-
danklichen Inhalt, äußerlich durch die Gleichmäßig-
keit ihrer Anordnung, auch durch die in zwei Teile
zerlegte Schrift »Durch Kampf« — »Zum Sieg«. Ein
jedes zeigt unten eine größere Fläche zur Unterbringung
der Namen von Gefallenen, dabei in einem Bilde das
Eiserne Kreuz, in dem andern das Kreuz des Deutsch-
ordens, dem die Kirche von Mergentheim ihre Entste-
hung verdankt. Darüber erheben sicli, umgeben von
streng aufgeftßtem Ornamentschmucke, die in je fünf
Flächen untergebrachten figürlichen Darstellungen. —
Das Fenster links ehrt die Gefallenen. Hier sieht man
von unten nach oben : den Abschied eines Kriegers
von Weib und Kind ; seinen Tod auf dem Schlacht-
felde, bei ihm eine Krankenschwester, im Hintergrunde
eine brennende Ortschaft ; endlich sein Grab, das von
einem Kinde mit einem Rosenkranze geschmückt wird.
Darüber, von den erwähnten Bildern durch einen Schrift-
streifen getrennt, thront eine in ergreifender Weise dar-
gestellte Pietä, und oberhalb dieser sieht man zwei
weinende Engel. — Das Fenster rechts gedenkt der
Heimgekehrten, gleichfalls in drei Darstellungen : das
Wiedersehen von \'ater und Sohn in der irdischen Hei-
mat; das Dankgebet des Kriegers an einem Feldkreuze;
die himmlische Belohnung durch den göttlichen Hei-
land, der dem Helden einen Lorbeerkranz aufs Haupt
setzt. Auch hier folgt ein querlaufender Streifen mit
einem Spruche. Darüber erblickt man die fürbittende
Muttergottes in einer Strahlenglorie, ganz oben zwei
Engel, die über dem Haupte der hl. Jungfrau eine Krone
halten. In kleineren Seitenflächen, die zwischen dem
Ornamente ausgespart sind, wurden in jedem Fenster vier
Wappen angebracht: das deutsche, österreichischunga-
rische, bulgarische, türkische ; — das preußische, baye-
rische, württembergische und sächsische. — Der Stil
der Zeichnungen paßt sich dem frühgotischen der Kirche
an, doch sind die szenischen Darstellungen mit voller
Naturwahrheit gegeben, dabei ruhig und groß stilisiert.
Die Farben sind, wie bei Figel gewohnt, tief und stark,
voller Leuchtkraft, die geschickt angeordnete Verbleiung
der Gläser trägt wesentlich zur Lebendigkeit der Wir-
kung bei. Docring
VERMISCHTE NACHRICHTEN
Die Ausstellung über Fried hofskunst und
Krieger eh rung, die der Westfälisclie Heimat-
bund für Anfang Juli im Kreuzgang des Domes zu
Münster plante, ist bis September verschoben worden.
Die Eröffnung ist nunmelir auf den 12. September fest-
gesetzt. Der Westfälische Heimatbund kommt mit dieser
Verlegung der Eröffnung einem aus Künstlerkreisen
geäußerten Wunsclie entgegen. Die Scliwierigkeit, ent-
sprechende Arbeitskräfte zu beschaflen, stellte die Fertig-
stellung einer Reihe interessanter Ausstellungsstücke in
Frage. Deshalb ist die Einlieferungsfrist nunmehr bis
zum 20. August verlängert worden.
Kriegsgedenkzeichen. — Am 20. März 1916
wurde in der zahlreich besuchten sozialen Priesterkon-
ferenz zu Altötting ein Lichtbilder-Vortrag über Kriegs-
gedenkkunst abgehalten. Referent war H. H. Dr. Kappel,
Maler und Kunsthistoriker aus München. Unter Hinweis
auf die auch staatlicherseits in allen Teilen unseres
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BUCHERSCHAU
deutschen Landes einsetzenden Bestrebungen zur För-
derung echter, guter Kriegsgedächtniskunst, verbreitete
sich der Vortragende eingehend über den im Vorjahr
von der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst ver-
anstalteten Wettbewerb an der Hand der von dieser
Gesellschaft lierausgegebenen ausgezeichneten Licht-
bilderserie. Die vielfachen Vorschlage über die Art und
Weise der künstlerischen Gestaltung von Kriegsgedenk-
zeichen durch die Baukunst, Bildnerei, Malerei und
durch das Kunstgewerbe wurden allseits mit größtem
Interesse aufgenommen. Es besteht die wohlbcgründete
Hoffnung, daß die begrüßenswerten Anregungen der
Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst nach dem
Kriege recht viel praktisches Leben gewinnen. a.V.
Herr Edwin Graf von Henckel-Donnersmarck,
der bekannte schlesische Magnat und Rennstallbesitzer,
z. Z. im Felde, dessen Rennstall sich in Hoppegarten
befindet, hat anläßlich des für uns glücklichen Fort-
ganges des Weltkrieges für die Kirche daselbst ein
Kriegsgedenkfenster gestiftet und den Kunst- und Glas-
maler Carl Busch, Berlin-Südende, nach dessen Ent-
wurf, mit der Herstellung betraut.
Preisausschreiben für bildende Künstler-
Schüler der k- k. Akademie der bildenden
Künste in Wien. In der k. k. Akademie der bilden-
den Künste in Wien gelangen in diesem Jahre sechs
>Hof-« oder sogenannte »Kaiserpreise« zur Vergebung
und zwar drei Preise erster Klasse (goldene Medaillen
im Gewichte von sechzig Dukaten) und drei Preise
zweiter Klasse (silberne Medaille in der Größe der gol-
denen nebst sechs Dukaten). Es sind jedoch nur im
matrikulierte, in einem der im Reichsrate vertretenen
Länder heimatberechtigter Schüler der Akademie, deren
Ausbildung schon die Fähigkeit höherer Kunstrichtung
in sich schließt, berechtigt, sich an dieser Preisbewer-
bung zu beteiligen. Die Arbeiten müssen zur Zeit der
AkademieSchulausstcUung abgeliefert werden. Das
akademische Professoren-Kollegium hat folgende Kon-
kurrenzaufgaben festgestellt: i. Malerei: Aus den sieben
Werken der Barmherzigkeit, Nummer sechs; Die Ge-
fangenen erlö.en. 2. Bildhauerei : Aeneas verläßt Troja,
seinen Vater Anchises am Rücken tragend und seinen
kleinen Sohn Askanios führend. 5. Architektur: Ent-
wurf für ein Museum zur Unterbringung von Erinne-
rungen an den Weltkrieg. r.
Kunstauftrag der Stadt Wien. Der Wiener
Stadtrat hat die Anfertigung eines Bildes, Bürgermeister
Dr. Vv'eiskirchner unter den Truppen an der Isonzo-
front darstellend, mit den Kosten von 5000 Kronen
genehmigt. Ferner hat der Stadtrat 15000 Kronen zur
Erteilung von Notstandsaufträgen an Wiener Bildhauer
bewilligt.
Wiener Ausstellungen. Seit unserem jüngsten
Ausstellungsbcricht hat nunmehr auch die Wiener Früh-
jahr Sausstellung, die wie auch sonst, außerordent-
lich reichhaltig beschickt war, ihre Pforten geschlossen.
I{s genügt zu sagen, daß neben einigen neueren Talen-
ten in der Hauptsache wieder die wohlbekannten Wie-
ner Meister vertreten waren und zwar durchweg in
recht würdiger und anerkennenswerter Weise. Die
Ausstellung ließ uns aber auch, wie die meisten ilirer
Vorgängerinnen, das religiöse Motiv fast ganz vermis-
sen; außer Cancianis prächtiger »Pietas« — Christus
schmerzerfüllt auf einem mit Totenschädeln bestreuten
Wege wandelnd und Zeleznys ergreifender »Mater
dolorosa« — haben wir keine größere religiöse Ar-
beit bemerkt. Zimmermanns >Lasset die Klei-
nen zu mir kommen«, ist ein sehr hübsches Bild,
gehört aber doch schon in ein anderes Gebiet. Sonst
ist im allgemeinen ziemlich viel Raum von den Schöp-
fungen mit Motiven aus dem Vv'elikrieg eingenommen,
die aber mehr oder minder den schon früher bespro-
chenen ähnlich sind. Von sonstigen Ausstellungen, an
denen in Wien nachgerade etwas zu viel des Guten
getan wird, sind zu erwähnen: Die >Dezenniums-
ausstellung des österreichischen Künstler-
bundes«, die »Ausstellung des Wirtschaftsver-
bandes bildender Künstler«, die Kollektivaus-
stellungen Uriel Birnbaum (Kunstsalon Heller),
Ludwig Michalek (Kunstsalon Halm & Goldniann),
die Kollektion der Brüder Goncourt, die Samm-
lung von Hofrat Professor Emil Zuckerkand!
mit prachtvollen Stücken .\ltwiener Porzellans hatte sich
mit Recht die Bewunderung distinguierter Kunstkreise
in hohem Grade erworben und selbstversändlich auch
einen glänzenden materiellen Erfolg aufzuweisen. R.
BÜCHERSCHAU
Handbuch der Kunstwissenschaft. Heraus-
gegeben von Dr. Fritz Burger in München in Verbin-
dung mit den Universitäls-Professoren Curtius-Erlangen,
Egger-Graz, Hartmann-Straßburg, Herzfeld und Wulfi-
Berlin, Neuwirth-Leipzig, Weese-Bern, Willich und Ober-
bibliothekar Leidinger-München. Mit ca. 5000 Abbil-
dungen. In Lieferungen ä M. 1.50 (Akademische Ver-
lagsgesellschaft, Neubabelsberg), Lieferung n — 28.
Seit unserer letzten Besprechung dieses großen, ori-
ginellen und sehr gediegenen Unternehmens erschie-
nen die Lieferungen 15 — 28 in rascher Aufeinander-
folge, alle nicht minder reichhaltig und schön ausge-
stattet als die früheren. Mit Lieferung 1 3 beginnt
Dr. Ludwig Curtius den Abschnitt »Die antike Kunst«.
Die Malerei und Plastik des Mittülalters wird im 16. Heft
von Dr. Georg Graf Vitztum in Angriff genommen.
Dr. Wilhelm Pinder bearbeitet, beginnend mit Liefe-
rung 1 7, die deutsche Plastik vom ausgehenden Mittel-
alter bis zum Ende der Renaissance. In der 18. Liefe-
rung eröffnet Dr. Ing. Hans Willich den .\bschnitt über
die Baukunst der Renaissance bis zum Tode Michel-
angelos. In den anderen Lieferungen werden die frü-
her begonnenen Abschnitte weiter geführt. Für jetzt
nur dieser Hinweis, gesonderte Besprechungen der ein-
zelnen Partien folgen.
Am 22. Mai ist der Herausgeber Dr. Fritz Burger
vor Verdun gefallen. Für die Fortführung der Arbeiten
des Herausgebers wurde Prof. Dr. Brinckirrann gewonnen.
Eine weitere Arbeitsteilung unter Beiziehung einiger
neuer Mitarbeiter ist vorgesehen, um das Erscheinen
des Handbuches nicht ins Stocken kommen zu lassen,
da eine Anzahl der alten Mitarbeiter im Felde steht. s.Si.
ZU DEN BILDERN DIESES HEFTES
Die farbige Sonderbeilage gibt ein Gemälde wieder,
welches sich in der Kgl. Alten Pinakothek zu München
befindet. Das Original, von einem westfälischen Maler,
stammt aus der Zeit um 1450 — 1460.
Das Einschaltblatt nach S. 312, ein Altargemälde zu
Köln-Zollstock von Johann Huber-Sulzemoos, w-urde in
der Beilage zum 8. Hefte, S. 25, ausführlicli besprochen.
Von dem genannten Künstler stammen die Originale
zu den Abb. S. 511 — 519. Huber Sulzenioos ist am
21. März 1875 zu Sulzemoos geboren.
die Redaktion
licfa : S. Suudha
istliche Kunst, GmbH.
N Die Christliche Kunst
7810
C48
Jg. 12
PLEASE DO NOT REMOVE
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