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Full text of "Die Christliche Kunst; Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst und Kunstwissenschaft"

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DIE  CHRISTLICHE  KUNST 


ZWÖLFTER  JAHRGANG  1915/1916 


F.  BRUCKMANN  A.G.,  MÜNCHEN 


DIE  CHRISTLICHE  KUNST 

MONATSCHRIFT 

FÜR  ALLE  GEBIETE  DER  CHRISTLICHEN  KUNST 

UND  DER  KUNSTWISSENSCHAFT  SOWIE  FÜR 

DAS  GESAMTE  KUNSTLEBEN 


ZWÖLFTER  JAHRGANG  1915/1916 


IN  VERBINDUNG  MIT  DER 
DEUTSCHEN  GESELLSCHAFT  FÜR  CHRISTLICHE  KUNST 

HERAUSGEGEBEN  VON  DER 

GESELLSCHAFT  FÜR  CHRISTLICHE  KUNST 

GMBH 

MÜNCHEN 


INHALT  DES  ZWÖLFTEN  JAHRGANGES 


(Die  klc 
Abkiirzunpen  hinter  den  Künstlern 


en  ZilTcrn  bczeiciinen  die  Sciicnzablen  der   .Beilage. 1 

:a:  Arch.  =  Architekt;   Bildh.  =  Bildhauer;   M,  =  Maler;   Glm.  =  Glasmalc: 


A.  LITERARISCHER  TEIL 


I.  GRÖSSERE  ABHANDLUNGEN 

Seite 

Dalberg,  G.  K.  L.  Huberti  de',  Die  russische  Reli- 
giosität in  ilirer  Rüclcwirkung  auf  die  Kunst 
Rußlands 149,  173 

Demleitner,  J.,  Die  Kirche  der  Taubstummenanstah 
in  DiUingen  161 

Doering,  Dr.  Osl<ar,  Martin  von  Feuerstein 1 

—  Neue  Arbeiten  von  Augustin  Fächer 217 

—  Bildhauer  Gg.  Schreiner 289 

Feulner,  Dr.  Adolf,  Die  neue  Pfarrkirche  in  Milberts- 

hofen  und  ilir  Deckengemälde   109 

Funke,  Dr.  Max  R.,  Fremde  Einflüsse  in  der  japa- 
nischen Kunst 71 

Georg  von  Hauberrisser 200 

Harter-Hart,  Josef,  Die  Wandbehänge  der  ehema- 
ligen Stiftskirche  in  Gaisten 296 

Heihneyer,  Alexander,  Architekt  Fritz  Fuchsenberger    65 
Hoche,'P.,  Die  Bedeutung  des  Werkunterrichts  für 

Kunst  und  Kultur 269 

Jestädt,  Eine  Perle  des  Fritzlarer  Dommuseums  .  .  210 

Kirchenbauten  von  Fritz  Kunst 265 

Lappe,  Josef,  Der  Christusdom  zu  Drontheim. . . .    33 
Lauscher,  Dr.  A.,    Der    neue  Hochaltar    der   Pfarr- 
kirche z.  hl.  Dionysius  in  Essen-Borheck 189 

Levering,  Gustav,  Anton  Pruska 211 

Mader,  Felix,  Der  Meister  d..-s  Kottingwörther  Altars     97 
Patzak,    Dr.   Bernhard,    Die    St.   Ignatiuskirche    zu 

Görz  und  ihr  Baumeister  Christoph  Tausch....  332 
Staudhamer,  Seb.,  Der  Grundgedanke  von  Raffaels 

Bild  der  hl.  Cäcilia 119 

Steffen,  Hugo,  Der  Christusdom  zu  Drontheim...  122 

—  Oskar  Hofifeld  f 13'-' 

Zih,  Wilhelm,  Rene  Kuder   129 

—  Franz  Simm 3:^1 


II.  BERICHTE  ÜBER  AUSSTEL- 
LUNGEN (Vgl.  auch  IV.) 

Baden-Baden,  KriegsausstcUung :;i 

Berlin,  Ausstellung  von  Werken  deutscher  Künstler 
des  19.  Jahrhunderts  im  Kunstsalon  Fritz  Gur- 
litt.     Von  Dr.  Hans  Schmidkunz ig 

—  Berliner  Sccession  Herbst  1915.  Von  Dr.  Hans 
Schmidkunz '.1 

—  Die  Berliner  Aquarell-Ausstellung.  Von  Dr.  Hans 
Schmidkunz 11 

—  Freie  Secession  1916.  Von  Dr.  Hans  Schmidkunz      ;;:: 

—  Große    Berliner    Kunstausstellung    1915.     Von 

Dr.  Hans  Schmidkunz 25 

—  Kriegskunst-Ausstellungen.  Von  Dr.  Hans  Schmid- 
kunz       ■"" 

—  Wiener  Kunstschau  in  Berlin.  Von  Dr.  Hans 
Schmidkunz 22 


Dresden,  Ausstellung  der  Dresdener  Künstlerver- 
einigung       4.i 

Köln,  Ausstellung  neuerer  Kunst  aus  Kölner  Pri- 
vatbesitz.    Von  Dr.  A.  Huppertz 32 

München,  Ausstellung  des  Bundes  Bayern.  Von 
Dr.  Oskar  Doering ' 116 

—  Ausstellung  der  Münchener  Künstlergenossen- 
schaft. Von  Dr.  E.  Heidegger .=> 

—  Die  Münchener  Secession 17 

—  Rene  Kuder-.Ausstellung.  Von  Dr.  Osk.  Doering      21 

—  Sommerausstellung  191 6  der  Münchener  Seces- 
sion. Von  Dr.  Oskar  Doering 312 

Wien,  Die  Herbstausstellung  im  Wiener  Künsiler- 
haus.  Von  Richard  Riedl 18 

—  Wiener  Kunstbrief    Von  Richard  Riedl 40 

Wiesbaden,    Die    Ausstellungen    im    Wiesbadener 

Museum 31 

III.  KLEINERE  AUFSÄTZE 

Bogenrieder,  Franz  X.,  Die  Wandmalereien  in  der 
> Alten  Kirche«  zu  Garmisch 238 

Doering,  Dr.  Oskar,  Krankenanstalt  des  Dritten 
Ordens  zu  Nymphenburg 181 

—  Glasgemälde  in  der  St.  Maximilianskirche  zu 
München l-j 

—  Eine  Nachbildung  der  »Anbetung  der  Weisen« 

des  Hugo  van  der  Goes ^.  ■ .  I» 

—  Landschaftszeichnungen  Ludwig  Bolgianos  ....  19 

—  Neue  Werke  von  Thomas  Buscher 21 

—  Das  Grabmal  der  Familie  von  Orterer 20 

—  Werke  von  Georg  Busch  aus  den  letzten  Jahren  •£> 

—  Zwei  neue  Altargemälde  für  Altötting ".0 

—  Glasmalereien  als  Kriegserinnerungszeichen  ...      17 
Fränkel  Dr.  L ,   Von   wieder   aufgetauchten    alten 

deutschen  Bildern 17 

Franke  Ilse,  Das  Sakramentshäuschen 319 

Grothe,  L.,  Bildhauer  Joseph  Köpf  f 157 

Heidegger,  Dr.  E.,  Die  Kunst  dem  Volke 1 

Herbert,  M.,  Aus  deutschem  Blute 96 

—  Der  Handkuß 96 

—  Nike  von  Samothrake 237 

—  Verona 237 

—  Die  Madonnen  des  Michel  Angelo 280 

—  Madonna  von  Grünew.ald  in  Stuppach   280 

Huppertz,  Dr.  Andreas,  Neuer  Bischofsstab 188 

Riedl,  Richard,  Marienaltar  von  E.  Klotz 216 

Scherg,  Dr.  Th.  J.,  Gedanken  zum  Münchener  Wald- 

friedliofe  15 

Schwenk,  Ludwig,   Die    neue  Kirche   in  Straßdorf 

bei  Gmünd 121 

Semrau-Thorn,  Arthur,  Kreuzigungsgruppe 216 

Staudhamer,  Seb.,  Künstler,  beherziget  es! 32 

—  Religiöse  Denkmale  für  Krieger 87 

—  Friedhöfe  und  Kriegsgedenkzeichen 88 

—  Leitsätze  für  Wettbewerbe 91 


A.  LITERARISCHER  TEIL 


Seile 

Staudlumer,  Seb.,  Wiederum  Kriegsgedenkzeichen  170 

Steffen,  Hugo,  August  Rincklake 50 

Stückelberg,  E.  A.,  Zur  künstlerischen  Reform  der 

Wallfahrtszeichen 281 

Witte  Robert  B  ,    Ein  neues  photogrammetrisches 

Verfahren "1 

Wörndle,    Heinz  von,   Einem  Tiroler  Bildschnitzer 

zum  Gedenken 22 

Zils,  W.,  Karl  Johann  Bauer  f 45 

—  Carl  Johann  Bccker-Gundahl 240 

Christian  Unterpieringer  f 320 

Der  hl.  Kreuzweg   in   der  Müncliener  Maximilians- 
kirche    60 

Huldigungsadresse  und  \\'idraungbbljtt 275 

Ludwig  Möckel  t 271 

Neue  Studentenfahne  285 


IV.  VON  KUNSTAUSSTELLUNGEN, 
SAMMLUNGEN,  KUNSTVEREINEN, 

MUSEEN 

Köln,  Ars  Sacra.    Verein  zur  Förderung  religiöser 
Kunst,  E.  V si 

—  Christlicher  Kunstverein  des  Erzbistums  Köln.  .       8 
München,    Ausstellung    von    Malereien  Alwin  Ar- 

neggers 286 

—  Deutsche  Gesellschaft  für  christliche  Kunst.  95,  158 

—  Die  Kuder-Ausstellung --2 

—  Die  Münchener  Jahresausstellung  im  Kgl.  Glas- 
palast    i:'. 

—  Galerie  Eduard  Schulte l" 

—  Jahresausstellung  im  Glaspalast "« 

—  Münchener  Secession in 

—  Sammlung  von  Kriegsdenkmünzen  aus  der  Münz- 
prägeanstalt L.  Chr.  Lauer,  Nürnberg in 

—  Sommerausstellung  der  Münchener  Secession  . .  SO 

—  Vortrag  über  Kriegsgedenkzeichen 34 

Münster,  Ausstellung  über  Friedhofkunst  und  Krie- 
gerehrung      4:1,  47 

Wien,  Wiener  Ausstellungen 4s 

—  Wiener  Kunstbrief ic 


V.KUNSTLERISCHE  WETTBEWERBE 

Berlin,  Preisausschreiben  für  kleinere  Kriegs-  und 
Kriegerdenkmäler 336 

Breslau,  Preisausschreiben  des  Schlesischen  Bun- 
des für  Heimatschutz 313 

München,  Preisausschreiben  für  den  Neubau  der 
St.  Korbinianskirche 158 

—  Wettbewerb    für    die    künstlerische  Ausmalung 

der  St.  Maximilianskirche 188 

—  Wettbewerb  für  eine  Monstranz 42 

—  Wettbewerb  für  Entwürfe  zu  einer  neuen  St.  Kor- 
binianskirche in  München    ::n 

—  Wettbewerb  für  Glasmalereien   10,  1:; 

—  Zwei  Preisausausschreiben  des  ^Münchner  Bun- 
des«   344 

Wien,  Entscheidung  des  Preisgerichts  im  Wettbe- 
bewerb  um  Entwürfe  von  Denkmälern  für  die 
gefallenen  österreichischen  Krieger  im  Weltkrieg 
1914/15 126 

—  Preisausschreiben  lür  bildende  Künstler-Schüler 

der  k.  k.  Akademie  der  bildenden  Künste 4S 


VI.  MITTEILUNGEN    ÜBER    SONSTI- 
GES KUNSTSCHAFFEN 

Seite 

Angerniair,  Hans,  Bildli 128 

Auer  M.,  Stickerei i:; 

Baierl,  Theodor  M 31 1 

Baumann,  Franz,  Arch 128 

Boßlet,  A.,  Arch 159 

Bradl,  Jak.,  Bildh ;«; 

Breitkopf  Cosel,  Joseph,  Bildh 159 

Busch,  Carl,  Kunstglasm 7,  4s 

Busch,  Georg,  Bildh 128 

Buscher,  'I  homas,  Bildh 44,  128 

Colombo,  Karl,  Arch 2 

Dietrich,  Franz  X.,  M l'.» 

Eberz,  Joseph,  M 128 

Fellermej'er,  Jos.,  M 19 

Figel,  Albert,  M :k 

Fuge!,  Gebhard,  M :;s 

Grässel,  Prof.  Arch 20 

Hahn,  Hermann,  Bildh k; 

Hartig,  Ed.,  Bildh.  und  Medailleur 7 

Haverkamp,  W.,  Bildh s 

Huber-Feldkirch,  M 22 

Hubcr-Sulzemoos,  Han?,  M 2;; 

Kuld,  Josef,  Arch :k 

Locher,  Bonifaz,  M 344 

Miller,  Hans,  Bildh :w 

Müller,  Prof.  A 43 

Otterpohl,  Franz,  M 36 

Fächer,  Augustin,  M 2 

Reich,  Prof.  Josef,  Bildh 2:! 

Sand,  Carl  Ludwig,  Bildh ifi 

Schiestl,  Heinz,  M 43 

Schildhorn,  Franz,  Bildh 2 

Schleibner,  Prof.  Kaspar,  M 4:', 

Schmid,  Anton,  Bildh 36 

Szoldatics,  Georg,  M 16 

Taglang,  H  ,  Bildh 36 

Voege,  F.,  Glasm 36 

VII.  PERSONALNOTIZEN 

Beißel,  P.  Stephan  f 2 

Bertsch,  Wilhelm,  Arch.  7 16 

Braun,  Prof.  Louis  7 20 

Dütsch,  Eugen  Kaspar,  Bildh.  f 16 

Feuerstein,  Martin  v,  M 159 

Frische,  Rudolf,  M 2 

Fuchs,  Franz,  M 10 

Gehrig,  Oskar,  M.  u.  Schriftst 128 

Halm  Dr.  Philipp  Maria,  Direktor 159 

Hassak,  Max,  Regierungs-  u.  Baurat 16 

Jarl,  Otto,  Bildh.  j 128 

Max,  Gabriel  von  f 128 

Oberländer,  Adolf,  M s 

Schneider,  Prof.  Herrn.,  M 43 

Steinhausen,  Wilhelm,  M 16 

Wenglein,  Josef,  M 8 

Zembrod,  Anton,  Bildh.  f 128 

Zumbusch,  Kaspar  R.  von,  Bildh.  f 7 

VIII.  BESPROCHENE  BÜCHER 

Biehle,  Johannes,  Theorie  des  Kirchenbaues 2 

Bornemann,  Lic,  Die  Marktkirche  zu  Clausthal  im 

Oberharz 4 

Brandt,  Paul,  Sehen  und  Erkennen 44 

Burger,  Dr.  Fritz,  Handbuch  der  Kunstwissen'jchart  48 

Dombart,  Th.,  Schwabing s 


VI 


^  A.  LITERARISCHER  TEIL 


REPRODUKTIONEN  ^ 


Dölger,  Dr.  Franz  Jos.,  Konstantin  der  Große  und 

seine  Zeit 27 

Doering,    Dr.  Oskar,   Moderne   Meister   christlicher 

Kunst U 

Eberz,  Josef,  Kämpfe 21 

Ferretti,    P.  Lodovico,    II   sepolcro    di   Pio    IX.  in 
Roma  neir  antico  nartece  della  Basilica  di  S.  Lo- 

renzo  fuori  le  mura 20 

Gvsi,  Dr.  Fritz,    Die   Entwicklung    der   kirchlichen 
Architektur  in  der  deutschen  Schweiz  im  17.  und 

I S.  Jahrhundert 27 

Henner,  Dr.  Theodor,  Altfränkische  Bilder  1916   .      21) 
Kappel,  Dr.  Joh  Ev.,  Der  Dom  des  hl.  Stephan  zu 

Passau  21 

Malkowsky,  Georg,  Kultur-  und  Kunstströmungen 

in  deutschen  Landen 2.5 

Pinder,  Wilhelm,  Mittelalterliche  Plastik  Würzburgs        ?, 

Pionier,  Der s,  as^  160 

Richter,  Prof.  Dr.  Otto,  Das  alte  Rom v. 

Rodt,  Eduard  von,  Bernische  Kirchen :: 

Schierghofer,  Georg,  Altbayerns  Umritte  und  Leon- 

hardifahrten 4 

Schlecht,  Josef,  Kalender  Bayerischer  und  Schwä- 
bischer Kunst  1916 20 

Verein  »Heimat«   in  Kaufbeuren,  Neuer  deutscher 

Kalender  für  das  Jahr  1916 2.5 

Weber,  G.  Anton,  Dürers  schriftlicher  Nachlaß  in 

Übersetzung  und  mit  Erklärungen 2.8 

W'einhart,  Dr.  Benedikt,  Das  Neue  Testament  ....      16 
Wolf,  O Jilo,  Tempelmaße   1 


IX.  VERSCHIEDENES 


Alte  Wandbilder 42 

Berichtigung sc 

Beruf  der  Kunst 283 

Bischöfliche  Bildnisse ]-5 

Das  Bildnis  eines  Knaben 10 

Das  Nackte  in  der  Kunst  bei  den  Kirchenvätern..  15 

Die  Universität  Würzburg 43 

Dresden,  Kreuzweg    für    die    kathol.  Hofkirche   in 

Dresden 10 

Druckfehler S 

Fünf  Gedenkhlätter  für  Gefallene s 

Köln,  Generaldirektor  für  Kunst  und  Kunstgewerbe  35 

Kunst  und  Krieg SC 

Kunstauftrag  der  Stadt  Wien 48 

Lektüre  ins  Feld 15 

Lichtbildervortrag  über  Kriegsgedenkkunst 47 

Lübeck,  Kriegsgedächtnishalle 23 

Martin  von  Feuersteins  Kriegsgedächtnisblatt 6 

Nürnberg,  Eine  Kriegsgedächtniskircbe 128 

Renten-  und  Pensionsanstalt  für  deutsche  bildende 

Künstler 43 

Schliengen,  Denkmal  für  Gefallene 36 

Soldaten-Lektüre   159 

Versteuerung  des  Kunstbesitzes 16 

Vivatbänder  und  eiserne  Medaillen 7 

Wien,  Bilder  für  die  Wiener  kommunale  Ehrengalerie  128 

Zu  dem  Bilde  auf  S.  557 341 

Zu  den  Bildern  des  Heltes  11    48 


B.  REPRODUKTIONEN 


I.  KUNSTBEILAGEN: 


Amerongen,  Frid.  L.  B.  von,  Jesus  bei  Niko- 

demus I\' 

Feuerstein,  M.  von,  Bella  niatribus  detestata  III 

—  Pietä II 

—  St.  Thomas  Aquinas I 

Fachsenberger,  Fritz,  Portal  des  k.  Bezirks- 
amtsgebäudes zu  Schweinfurt VI 

—  Presbyterium  der  Kirche  in  Adelsdorf.  .  V 
Hauberrisser,  Dr.  Georg  von,  St.  Paulskirche 

in  München XI 

Huber-Sulzemoos,  Hans,   Malerei  für   einen 
Flügelaltar   in    der  neuen   Pfarrkirche   zu 

Cöln-Zollstock XXI 

Kuder,  Rene,  Der  Friede VIII 

—  Schwere  Wolken IX 


Klotz,  Edmund,  Hochaltar  der  Leopoldskirche 

in  Wien-Floridsdorf XII 

Kuolt,  Karl,   Hl.  Sebastian XIX 

Locher,  B.  u.  Müller,  Andr.,  Krankenheilung  Vll 

Moldrickx,  Leo,  Bischofstab X 

Fächer,  Aug.,  Bayerische  Diözesanpatrone.  .  XIV 

—  Maria  Verkündigung XIII 

Pruska,  Anton,  Kruzifixus XV 

—  Madonna  auf  dem  Throne XVI 

—  Marienaltar  in  der  neuen  St.  Annakirche 

zu  München XVIIl 

Simm,  Franz,  Vor  der  Töpferbude XXIII 

Steidle,  Rieh.,  Von  einer  Studentenfahne...  X\'!I 

r/iom<i,  /,.,  Hl.  Blut XXII 

Westjälischer  Meister,  Geburt   Christi XX 


Seite 
Albert-Nürnberg,    P.astik  an   der  Carl 
Prcihcrrl.     v.     Thiingenschen      Grab- 

k,-ipclle  in  Burgsiim 77 

Allmann,   Bildh.,    Neue    Sludentcnfahne  285 

—  Von  einer  Suidentenfahne,  Sonder« 
beilagc  . XVI 

Angcrmair,  Hans,  Monstranz-Entwurf  48,50 

—  I'lastik  am  Portal  des  Kgl.  Beziiks- 
amtsgebäudes  zu  Schweinfurt,  Sonder, 
beilage VI 

—  Plastik    im    Presbyterium    der    Kirche 

in   Adelsdorf Sondcrbcilage      V 

Angermair,  Jak.,  Hochaltar 163 

Bachmann,  Anton,     Monstranz-Entwurf 

46,  53.  55, 
Baierl,   Theodor,    Christus  am   Kreuz  .  172 

—  ll^r   Auferstandene 175 

—  Der  Welthciland 178 


IL  ABBILDUNGEN  IM  TEXT: 

Seite 
Baierl,  Theodor,  Die  hl    Margareta  .    .  179 

—  Die  klugen  Jungfrauen 164 

—  Die  törichten  Jungfrauen 165 

—  I.  Kreuzwegstation 161 

—  Glasgemäldc 176,   177 

—  Hl.  Anna 174 

—  Kreuz.ibnahme 173 

—  Kreuzwegstalionen 171 

—  Moses 174 

Bauer,  Karl  Joh.,  Altatkreuz 60 

—  Ehrengc-ichenke 59 

—  Elektrische  Lampe 60 

—  Fingerhüte  und    Manschettenknöpfe  .    t>3 

—  Fruchtschalc 63 

—  Grablaterne 57 

—  Halsschmuck      58 

—  Kelche 61 

—  Pokal 62 


Seite 

Bauer,  Karl  Joh.,  Standuhr 64 

Baumann,  Franz,  Grablaterne  .  ...  57 
Brey,   H.,  Malerei    am    neuen  Hochaltar 

in   Essen-Korbeck 194 

Croissant,    Malerei    der   prot.   Kirche  in 

Oberlusladt 84 

Eberz,  Josef,  Moorlandschaft 284 

~  Zwei  Mütter 284 

Fassnacht,  Josef,  Familienportr.Ht  Kunst- 

maler   Fieiwirth-Lützow 33 

Feuerstein,  Martin  von,    Anbetung  der 

Hirten  und   Konige 8 

—  Ancilla  Domini 27 

—  Auferstehungscngel 2 

—  Aus  der  Brotvermehrung 10 

—  Aus  der  Mannalese 11 

—  Ave  Maria 26 

—  Brot  des  hl.  Antonius 13 


B.  REPRODUKTIONEN 


VII 


Seile 
Feuerstein,    Martin    von,    Christus   :im 
Kreuz 9 

—  U:is  frastmahl  des  Simon 5 

—  Der  HeihinJ 23 

—  Der  hl.   Fridolin 16 

—  Uie  hl.  Marg.irita 21 

—  Die  hl.  Odilia 18 

—  Eine  Seele  himmelwärts 1 

—  Exlibris 22 

—  Geißelung 29 

—  Geburt  Christi 28 

—  Hl.   Margerita 19 

—  Himmelfahrt  Maria      15 

—  Maria  Heimsuchung 25 

—  Maria   Verkündigung 3 

—  Marii»  Vermählung 4 

—  Oberer  Teil  des  Margaritabildes    .   .     20 

—  Prozession •....       7 

—  Verehrung  Maria   durch  die  Stände  .     12 

—  Vom  Kriege 30,  31 

Franziskanerinnen  zu  Hohenwart, 

Casula 218,  219 

Fuchsenberger,    Fritz,    Dorfstraße    in 
Adelsdorf 81 

—  Ecke  im  Vorstandszimmer    der    Ober- 
postdirektion Bamberg 75 

—  Einfriedung 66 

—  Eingang  zur  kath.  Pfarrkirche  in 
Adelsdorf 65 

—  Filialkirche  Hassenbach 95 

—  Filialkirche  Kraisdorf  bei  Ebern  87,  88,  89 

—  Gnadenkapellc 96 

—  Grabmal  von  Orterer,  Entwurf    ...   208 

—  Hausgarten  im  bischbll.  Palast  zu 
Speyer 94 

—  Hochaltar  der  Stadtpfarrkirche   in 
Ehingen 92,  93 

—  Kapelle  Stockheim 94 

—  Carl  Freiherrl.  von  Thüngensche  Grab- 
kapelle in  Burgsinn 77 

—  Kath.  Kirche  in  Adelsdorf  .   .    .   .  80,  81 

—  Kirche  in   Burgsinn     .    .        .    .  76,  78,  79 

—  Kircheninneres 95 

—  Kirchenrestauration  Miirsbach  ....     91 

—  Kommunionbank 77 

—  K.  Postamt  Burgkunstadt 71 

—  Oberpostdirektion  Bamberg    .    .    .     73,  74 

—  Pfarrhaus  in  Vlfiesenthau 68 

—  Portal     der    K.    Oberpostdirektion     in 
Bamberg 72 

—  Prot.  Kirche  Oberlustadt  82.  83,  84,  85,  86 

—  Prot.   Pfarrhaus  EgIoBitein 69 

—  Prot.   Pfarrhaus  in  Kunreuth      ....     69 

—  Schalterhalle 74 

—  Schulhaus  in  Kloster  Ebrach    ....     70 

—  Schulhaus  in  Ettleben 71 

—  Treppenhaus •     ...     73 

—  Umbau  der  alten  Maut  in  Bamberg  66,  67 

—  Zimmer    des  Voistandes  im  K.  Amts- 
gericht Eltmann 90 

—  Zimmer  des  Vorstandes  im  Kreisarchiv 

in  Bambere 75 

ürasegger,  Georg,  Dionysiusstatue  .    .  192 

—  Donatusstatue 193 

Hauberrisser,  Gg.  von,  Deutschordens- 
burg in   Busau 202 

—  Entwurf    zu    einem    neuen    Nalional- 
museum  in  München 201 

—  Privathaus 206,  207 

—  Rathaus  .n  St    Johann-Saar 205 

—  Rathaus  in  Wiesbaden 204 

—  Rathaussaal  in  Ulm 203 

Herkommer,    Hans,    Kirche    in   bt-aß- 

dorf 124,  125,  126,  127,  128 

Hoser,   Franz,  Monstranz-Entwurf  43,  46,  47 
Huber-Sulzemoos,  Hans,  Blaue  Berge  .  319 

—  Mädchenbildnis 313 

—  Madonna 317 

—  Mcorblumen       318 

—  Kapelle 315 

—  Rast 316 

—  Studienzeichnung 314 

Huyer,  Ludwig,  Medaille    ; 39 

Immenkamp,  Wilh.,    Ein    Feldgrauer  .  188 
Kau,   Georg,  Kapelle  der  Krankenanstalt 

^ymph.„b^r^ 185,   186,   187 

Kickton,  Oberbaurat,  Kaiserliche  Kirche 

in    Cadinen 310,  311,  312 

Kotarbinsky,      Die      Auferstehung     des 

Lazarus •    ....    180 

Kuball,  Christel,  Glasgemälde  im  alten 

Rathans  zu  Thorn 215 

Kuder,  Ren«,  Alte  Frauen  .    .  136,   144,   146 

—  Alter  Kirchhof 130 


Kudcr,   Rcni,   Ausmars 

—  Ausrufer 

—  Auszug  zur  Arbeit  . 

—  Beim  Schanzengrabe 

—  Blick  auf  Notre  Dai: 

—  Brotvermehrung   .    . 

—  Brückenbau    .... 

—  Das  Abkochen      .    . 

—  Das  Frühstück      .    . 

—  Der  Jahrmarkt  .    .    . 


Di< 


Male.e 


.    135 
.    133 


Sakristeitüre 129 

—  Essenempfang 151 

—  Feldgrauer     .    .    338,  339,  340,  341,  342 

—  Feldmesse 160 


ufer 


142 


—  Marktschreier 137 

—  Markirchertal 141 

—  Nächtlicher  Appell 155 

—  Nebelstimnuing .140 

—  Pferdestudien 156,   157 

—  Polnische  Flüchtlinge 158 

—  Pont  Neuf,  Paris 139 

—  Regenstimmung 140,   141 

—  Schwieriger  Transport 152 

—  Sockenstopferin 138 

—  Soldat 153,   154 

—  Studie  zum  Jahrmarkt 134 

—  Unter  dem  Schatten  des  Kreuzes   .       337 

—  VValdbach 131,   142 

—  Zwanesarbeit 159 

Kunst,  Fritz,  Herz  Jesu-Kirche  zu  Ufen 

272    273 

—  Hochaltar  in  Rittel .'274 

—  Monstranz-Entwurf 55 

—  Rosenkranzkirche  in  Rittel 275 

—  St.  Bonif.atiuskirche    und    Pfarrhof   in 
Hamburg-Eimsbüttel 265 

—  St.  Bonifaliuskirche  in  Hamburg- tims- 
büttel 266,  267,  268,  269,  270 

—  Tabernakel  in  Rittel 276 

Kuolt,  Karl,  Der  barmherzige  Sainaritan  286 

—  Ornament  zu  einem  Schreibtisch    .    .      :n 

—  Porträtbüste 287 

—  Schreibtisch 288 

Kurz,  Michael,  Monstranz-Entwurf    .    .      45 
Lang,   G.  Joh.,  Monstranz-Entwurf    .    .      56 
Lederer,  Josef,  Mcnstianz-Entwuif    .    .     56 
Leyrer,  Cosmas,  Metallaltar  in  der  Filial  - 
kirche Kraisdotf 88 

Marr,  K.  v.,   Deckengemälde      ....      79 
Neuhaus,    Hermann,    Exposilionskrone- 

Entwurf 197 

—  Hochaltarleuchter-Entwurf 198 

—  Mensa  des  neuen  Hochaltars  in  Borbeck  189 

—  Monstranz-Entwürfe 50,  51,  200 

—  Neuer    Hochaltar    der  Kirche   in  Bor- 
beck      191 

—  St.  Josef.kapelle 199 

—  Tabernakelleuchter-Entwurf     ....    195 

—  Tabernakelture- Entwurf 196 

Nockher,  Ferdinand,  Aus  einer 

Huldigungsadressc      ....  278,  279,  280 

—  Widmungsblatt 277 

Fächer,  Augustin,  Alba,  Stola,  Maripel  220 

—  Casula 218,  219 

—  Christus  tritt  die  Kelter 233 

—  David 232 

—  Die    vier    Gelübde    des    Eenediktiner- 
urdens 234 

—  Die  14  Nolhelfer 235 

—  Entwurf  zu  einem  Pluviale 222 

—  Entwürfe  für  Dalmatika  und  Velum  .   223 

—  Hl.  Benediktus 230 

—  Hl.   Michael       236 

—  Jesu  Tod  am  Kieuze 229 

—  Kelch 224 

—  Kelchvelum 221 

—  Meßbucheinband 226,  227 

—  Messe  Papst  Gregors  d.  Gr 231 

—  Meßkannchen 225 

—  Teller  für  Meßkannchen 225 

Preisinger,    Michael,    Kriegserinnerung  216 
Pruska,  Anton,  Christi  Geburt    ....  243 

—  Der  Seelenwager      247 

—  Die  Paradiesessttöme 241 

—  Die  Seligen 246 

—  Die  Verdammten 247 

—  Früchteträger 262 

—  Hauptportal     der    Neuen    St.    Anna- 
kirche in  München      245 

—  Hauseck  an  der  Brunnstraße  in 
München 254 


Seite 

Pruska,  Anton,  Hl.  Ambrosius   ....  252 

—  Hl.   Athanasius 253 

—  Hl.  Augustin 250 

—  Hl.   Barbara      244 

—  Hl.   Basilius 251 

—  Hl.   I.   Chrysostomus 253 

—  HI.  Georg 249,  259 

—  Hl.  Gregor  d.   Gr 250 

—  Hl.  Gregor  v.   N 251 

—  Hl     Hieronymus 252 

—  Hl.   Katharina       244 

—  Hl.   Leonhard 260 

—  Hl.   Weudelin 260 

—  Herz  Jesu 248 

—  Kinderfries 261 

—  Kruzilixus 257 

—  M,aria  und  Johannes   unter  dem  Kreuz  256 

—  Maria  Verkündigung 242 

—  Pfeilerschmuck 260 

—  Porfatmed-Villnn 264 

—  Saalwappen 263 

—  Von  der  Hauptfassade  der  neuen 

St.  Bennokirche  in  München     ....  255 

—  Zwei  Gewolbeträger 263 

—  Zwei   Propheten 258 

Raffael,  Hl.  Cäcilia 121 

Rank,   Franz,  Kapelle  der  Kranken- 
anstalt Nymphenburg 186 

Reiter,  Franz,  Der  hl.  Georg  ii 


117 


—  Der  hl.   Georg  mit  dem  Giftbecher    .    116 

—  Der  hl.  Georg  tauft  den  König.    .    .    115 

—  Der  hl.  Georg  tötet  den  Drachen  .    .    114 

—  Deckenbild 113 

—  Enthauptung  des  hl    Georg      ....    119 

—  Farbige  Studie  zum  hl.   Georg    ...    112 

—  Handstudien ,117 

—  Kopfstudien 115,  118 

—  Studie  zum  hl.  Georg 120 

—  Trauernde  Frai.en 118 

Resch,  Wilhelm  S.,  Monstranz-Entwürf.^ 

44,  49,  52 

—  Plastik  in  der  prot.  Kirche  Oberlustadt  83 
Rossmann,  Max,    Malerei  in  der  Filial 

kirche  Kraisdorf 88,  89 

Schmautz,  J.,  Monstranz-Entwurf  ...  47 
Schmidt,  Frh.  von,  Hochaltar  in  Braunau  292 
Schreiner,  Georg,  Altar  der  Kaiserlichen 

Kirche  zu  Cadinen 305 

—  Altar  in  der  evangel.  Kirche  zu  Oliva  295 

—  Altäre  in  Oberschneiding 303 

—  Anbetung  der  Könige 294 

—  Der  zwölfjährige  lesus 294 

—  Haupt  Christi 289 

—  Hl.  Barbara       290 

—  Hl.   Kath.arina 290 

—  Hl.  Paulus 297 

—  Hochaltar  Antonienhütte 293 

—  Hochaltar  Brunau 292 

—  Hochaltar  Hausham 301 

—  Hochaltar  Königshutte 299 

—  Hochaltar  Regensburg-Reinhausen  .  302 
^   lesus  und  die  weinenden  Flauen    .    .   306 

—  Johannes  Evangelist 296 

—  Kanzel  in   der  Kaiserlichen  Kirche  zu 
Cadinen 309 

—  Kommet  Alle  zu  mir 298 

—  Kreuzabnahme 307 

—  Kreuzigungsgnippe 304 

—  Orgel    in    der  Kaiserlichen  Kirche    zu 
Cadinen      308 


Pie 


291 


Schreiner,    Georg,    St.  Antonius    von 

Padua 300 

Schwarzmann,  Constantin,    Monstranz- 
Entwurf      48 

Seitz,  Joset,  Monstranz-Entwürfe     ...     54 

Simm  Franz,   Alte  Frau 327 

—  Alter  Herr      325 

—  Frau  im  Pflegerinkleid 326 

—  Frau  mit  Kerzenlicht 324 

—  Kleine  Gäste 321 

—  Laufendes  Mädchen 322 

—  Madonna  am  Hause  des  Kunstlers      .  323 

—  Mann,  Pfeife  stopfend 329 

—  Singender  Knabe 328 

Simm-Mayer,  Marie,  Bischof  Pankratius 

von  Dinkel 330 

Simon,  M.,  Monstranz-Entwurf  ....  44 
Steidle,  Richard,  Neue  Studentenfahnc  .  285 
Steinbach,   Nikolaus,   Altarleuchter  .    .  170 

—  Modell  zu  einem  Relief 189 

—  Evangelienieliefs 192,   193 

Steinicken,  Eduard,  Hochaltar    ...    .163 


VIII 


Seite 
Steinicken,  Eduard,  Hochaltarkieiiz  •   ■  166 

_  Scit.n»l.arkr=i,z l« 

Strobel,  Max,  Kelch •   •  ":! 

—  Meßbucheinband 226,  227 

—  Meßkännchen .  225 

Swedomskij,    Die  Auferstehung  des  La- 

Thoma,  Leonhardt,  Kriegszeichnung  .   .  331 

_   Monslranz-Entwurf ,  '     '  "    ^^ 

üeberbacher,   Heinrich,    Grabmal    von 

—  ReTiefs  vom  Oräbma'l  von  Orterer  .  .  209 
Wasnetzov/,  W.  M.,   Taufe    des  Grcß- 

fu.sten  Wladimir •    •    ■  181 

Waupotizh,  Max,  Monstranz-Entwurl  .  ^3 
■Widmer,  Prof.,    Plastik    am    Portal    der 

k.  Oberpostdirektion  Bamberg  ....  '^ 
Winker,    Christian,    Chrisiusfigur    auf 

einem  Meßbucheinband Z2b 

Witte,  August,  Expositionskrone  ....  197 
_  Hochaltar  in  Essen-Borbeck 92 

—  Hochaltarleuchter JH» 

—  Lämmchen  und  Tote 1«* 


B.  REPRODUKTIONEN 


Witte,  August,    Metalltrcibarbeit    am 

Hochaltar  in  Eorbeck       189 

—  Tabernakelleuchter 195 

—  Tabertiakeltüre 196 

Zängl,  Christian,  Meßbucheinband  226,  227 

_   Meflkannchen 225 

Zettler,  Franz   X.,   Der  Auferstandene  .  175 

Zum  Artikel   von   J.  Demleitner,   Uie 

Kirche     der    Taubstummenanstalt     in 

Dillingen  161,    163,    164,    165,    166, 

167,  168,  169,  170,  171 

Zum  Artikel  von  Dr.  O.  Doering,  Kran. 

kenanstalt  des  Dritten  Ordens  «i  Nym- 

phenbure 185,  186,  187 

Zum    Artikel    von    Dr.   O.   Doenng, 

Wettbewerb  für  eine  Mons'ranz      .    .    42 
Zum    Artikel    von    Dr.  A.  Lauscher- 
Köln,  Der  neue  Hochaltar  der  Pfarr. 
kirche    zum    hl.    Dionysius    in    Essen- 
Bo.beck    189,    190,    191,    192,    193, 
194,    195,    196,    197,    198,    199,  200 
Zum  Artikel    von    E.  A.  Stückelberg, 
Zur  künstlerischen  Reform    der  Wall- 
fahrtszeichen   281,  282,  283 


Illustrationen  zu  kunsthistorischen 
Aufsätzen: 

Seite 
Bogenrieder,  Franz  X.,    Die  Wandma- 
lereien    in     der     »Alten    Kirche      zu 

Garmisch         238,  239,  240 

Dalberg,  G.  H.  L.  Hubert!  de'.  Die  rus- 
sische    Religiosität     und     die     Kunst 
Rußlaidi    .   .    .  IfO,  181,  182,  183,  184 
lestädt,  Dechant,    Eine  Peile  des  Fritz- 

laier  Do.nmuseums   ....  211,  212,  213 
Lappe,  Josef,  Der  Christusdom  zu  Droni- 

heim  .   .  34,  35,  36,  37,  38,  39,  40,  41 
Mader,  Felix,  Der  Meiner  des  Kotting- 
wo.ther  Altars    97,  98,  99,  100,  101, 
102,  103,   104,   105,    106,    107,   108, 
'         '                               109,  HO,  111 
Patzak,  Dr.  Bernhard,  Die  St.  Ignatius- 
kirche    zu    Gbrz    und    ihr   Baumeister 
Christoph  Tausch     ....  333,  334,  335 
Steffen,     Hugo,      Der     Christusdom     zu 
Drontheim 122,   123 


Nachbildung  oder  sonstige  Verwertung  der  hier  veröffentlichten  Kunstwerke  ist  nicht  gestattet. 


S.  Thomas  Aquinas 

Bens  scripsisti  do  me,  Thoma,  quam  recipies  mercedcm? 
Qui  respondit:  Domine,  non  nisi  Te 


MARTIN  VON"  FEUERSTEIN 


UM.  M.l.l.L  IIIMIII.LW  AKIS 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN 

Von  Dr.  O.  DÜERING 
Hierzu  die  Abbildungen  dieser  Nummer 


Das  Schaffen  einesMeisters  vom  Range  dessen, 
über  den  hier  gesprochen  werden  soll,  auf 
eingeschränktem  Räume  zu  analysieren,  ist  nur 
möglicli  unter  weitgehendem  Verzichte  auf  die 
Betrachtung  seiner  Werke  im  einzelnen.  Das 
Schaffen  Feuersteins  besitzt  einen  Umfang,  der 
quantitativ  zu  der  mit  Recht  bewunderten  Qua- 
lität in  geradem  Verhältnisse  steht.  Was  ich 
zu  sagen  habe,  vermag  also  nur  an  einzelnes 
anzuknüpfen,  und  hierfür  können  nur  einige 
neueste  Schöpfungen  in  Betracht  kommen,  die 
der  weiteren  Öffentlichkeit  bisher  weniger,  ja 
vereinzelt  noch  gar  nicht  bekannt  sind. 

Es  ist  üblich,  wenn  man  die  Eigenart  eines 
Künstlers  erklären  will,  zunächst  nach  den  Mo- 
menten seines  Lebens  und  seiner  Entwicklung 
zu  suchen,  welche  diese  Eigenart  hätten  ge- 
fährden können.  Kann  man  dann  feststellen, 
daß  sie  sich  trotzdem  herausgebildet  und  ihre 
eigentümlichen  Wege  gesucht  habe,  die  großen 
Zielen  entgegenführen,  so  kommt  ihre  Stärke 
um  so  voller  zur  Überzeugung.  Also  seien 
auch  betreffs  Feuersteins  die  Stationen  dieses 


Entwicklungsweges  vorweg  kurz  gekennzeich- 
net. Er  ist  geborener  Elsässer,  1856  in  Barr  zur 
Welt  gekommen.  Er  wuchs  unter  dem  Ein- 
flüsse der  Kunstübung  des  Vaters  auf,  der  sich 
als  Bildhauer  und  Altarschnitzer  auszeichnete. 
Seit  1875  genoß  er  an  der  Münchener  Aka- 
demie Unterricht  beiSträhuber,  Löfftz  und  Diez, 
ging  1880  zu  weiterer  Ausbildung  nach  Paris 
und  1882  nach  Italien.  Ein  Jahr  später  von 
dort  zurückgekehrt,  wandte  er  sich  nach  Mün- 
chen, wo  er  seitdem  verblieben  und  eine  der 
größten  Künstlerpersönlichkeiten  der  Akade- 
mie geworden  ist.  Alle  jene  Lehrer  mit  ihren 
so  verschiedenartigen  Richtungen  und  Indivi- 
dualitäten, alle  von  ihm  aufgesuchten  Kunst- 
stätten mit  ihren  Schätzen  vorbildlicher  alter 
und  verführerischer  moderner  Kunst,  sie  haben 
das  eine  bei  Feuerstein  fertiggebracht,  die  in 
ihm  liegenden  Fähigkeiten  zu  wecken,  ihm 
deutlich  zu  machen,  was  für  ihn  das  Rich- 
tigste sei. 

In  der  auf  solche  Art  gestärkten,  gereiften 
Eigenart  des  mit  den  äußeren  Ausdrucksmit- 


Die  christliche  Kunst.     XII. 


^  MARTIN  VON  FEUERSTEIN  ^ 


teln  seines  Strebens  gerüsteten  Künstlers  lebt 
Wahrheit  und  Tiefe  des  Gedankens,  Energie 
der  Tat,  Ruhe  und  feuriges  Bewegen,  Kraft 
und  Zartheit,  Fülle  der  Phantasie  und  Einheit 
des  WoUens.  Es  überwiegt  das  Gemüt,  die 
tief  innerliche  Empfindung.  Dies  alles,  hat 
bei  Feuerstein  zusammengewirkt  und  eine  Fülle 
hervorragender  Werke  der  christlichen  Malerei 
entstehen  und  gedeihen  lassen  von  den  ersten 
Anfängen  seiner  selbständigen  Betätigung  bis 
zum  heutigen  Tage  —  von  den  Wandmale- 
reien in  der  Kirche  von  Moosweiler  bei  Zabern 
bis  zu  der  herrlichen  Beweinung  Christi,  deren 
Wiedergabe  dieses  Heft   ziert.') 

')  Vgl.  den  mit  26  Abbildungen  nach  Feuerstein  aus- 
gestatteten Aufsatz  über  die  Ausmalung  der  Kirche  des 
hl.  Antonius  zu  Padua  im  III.  Jahrgang  dieser  Zeitschrift, 
S.  265  tf.;  —  ferner  I.  Jahrgang,  S.  49  und  j8;  —  II. 
lahrgang,  farbige  Sonderbeilage;  —  V.Jahrgang,  S.  341 
und  farbige  Sonderbeilage;  —  außerdem  mehrere  Jahres- 
mappen der  Deutschen  Gesellschaft  für  christliche  Kunst 
(1893,  1894,  1897,  1901,  190^,  1908,  191 1,  1912),  in 
denen  der  Künstler  mit  12  Bildern  vertreten  ist.      D.  RcJ. 


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I.  V.  l-IiUERSTKIS  AUFEKSTEHUXGSENGEL 

Von  einem  Glasgemiilde  in  der  Hl.  Ceistkirche  zu  München 

Text  S.  3 


Die  Glasmalerei-Entwürfe  Feuersteins 
behandeln  die  Zeichnung  in  einer  Klarheit  und 
Ruhe,  welche  die  seiner  Gemälde  fast  noch 
übertrifft.  Mit  Recht  —  ist  sie  doch  hier  die 
eigentliche  Herrscherin,  welche  den  in  den  Glas- 
scheiben gegebenen  Farben  die  Flächenbegren- 
zung vorschreibt  und  zugleich  mittels  der 
Schwarzlot-Schattierung  diesen  Flächen  Leben 
verleiht.  Das  Verhältnis  zwischen  Zeichnung 
und  Farbe  ist  also  wenigstens  zum  Teil  ein 
anderes  als  bei  derWandmalerei  (mit  Einschluß 
der  Mosaik)  und  bei  der  Tafelmalerei,  beson- 
ders der  letzteren.  Hier  besitzt  die  Farbe  un- 
behinderte Möglichkeiten  des  Ausdruckes  und 
der  Entfaltung  feinster  Übergänge.  Das  far- 
bige Glas  an  sich  dagegen  ist  des  ersteren 
überhaupt  nicht  fähig,  der  letzteren  nur  in 
eingeschränktem  Maße.  Es  gibt  Kunstgriffe, 
um  diesem  Mangel  in  etwas  abzuhelfen.  So 
das  Atzen  und  Abschleifen  der  sogenannten 
Überfanggläser.  Aber  dergleichen  widerspricht, 
genau  betrachtet,  dem  Stilcharakter  der  Glas- 
malerei, nähert  sie  der  Tafelmalerei,  verwischt 
so  ihre  natürliche  Art  und  beeinträchtigt  die 
engen  Beziehungen  zwischen  der  Malerei  des 
Fensters  und  der  zugehörigen  Architektur. 
Glasmalerei-Entwürfe  werden  also  material- 
gerecht nur  von  einem  Künstler  geschaffen 
werden  können,  der  ein  Zeichner  ersten  Ranges 
ist;  der  ferner  das  natürliche  Gefühl  für  die 
Sonderheit  der  dekorativen  Zwecke  dieses 
Kunstzweiges  besitzt;  und  der  alsKolorist  über 
die  Fähigkeit  verfügt,  die  Widerspenstigkeit 
des  farbigen  Materials  jenen  Zwecken  zu  unter- 
werfen und  es  zu  hohenWirkungen  zu  zwingen. 
Diese  letzteren  sind  vielfältiger  Art.  Das  Glas- 
gemälde hat  zunächst  den  künstlerischen  Zweck, 
das  Kircheninnere  zu  einem  in  sich  geschlos- 
senen Räume  mit  selbständiger  Wirkung  zu 
gestalten,  dem  es  mit  seinen  kräftigen  oder 
sanften  Reflexen  an  Wänden,  Säulen,  Pfeilern 
und  Skulpturen  Leben  einhaucht.  Unter  diesen 
Gesichtspunkten  ist  die  Glasmalerei  zu  ihren 
guten  Zeiten  aufgefaßt  und  behandelt  worden, 
seit  dem  frühen  Mittelalter  bis  zur  späten  Gotik. 
In  der  Renaissance  läßt  die  Fähigkeit  nach, 
und  im  Barock  hört  sie  allmählich  ganz  auf, 
im  Zusammenhange  mit  den  neuen  Stil-  und 
Raumprohlemen  der  Architektur. 

Es  lülk  sich  darüber  streiten,  ob  man  alte 
Barockkirchen  heute  mit  gemalten  Fenstern 
versehen  darf.  Die  Denkmalpflege,  sowie  die 
Auffassung  des  Kunsthistorikers  und  des  im 
Geiste  alter  Kunst  empfindenden  Ästhetikers 
wird  diese  Frage  verneinen.  Der  Geschmack 
des  Volkes,  zumal  im  Süden  unseres  Vater- 
landes, wo  man  für  die  Reize  der  Farbe  aus 
natürlichen  und  kulturellen  Gründen  empfang- 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN 


lieber  ist  als  im  Norden,  und  wo  man  darum 
auch  den  Kirchenraum,  in  dem  man  betet  und 
den  man  liebt,  gern  so  prächtig  wie  möglich 
ausgeschmückt  sieht  —  jener  Volkssinn  küm- 
mert sich  nicht  um  kunsthistorische  Erwä- 
gungen, sondern  neigt  der  farbigen  Behand- 
lung von  Kirciienfenstern  zu.  So  hat  denn 
die  moderne  Glasmalerei  in  mittelalterlichen 
wie  in  nachmittelalterlichen  Kirchen  neuer- 
dings reicblicli  Gelegenheit  gefunden,  sich  zu 
betätigen.  Sie  hat  bei  der  Lösung  dieser  Auf- 
gaben ihre  Technik  nach  allen  Richtungen  nicht 
nur  wiedergefunden,  sondern  auch  Wesent- 
liches dazu  entdeckt  und  so  eine  neue  Ent- 
wicklung erlebt,  die  noch  lange  nicht  abge- 
schlossen sein  kann.  Schon  darum  nicht,  weil 
jeder  Fall  sein  Individuelles  besitzt  wegen  der 
so  verschiedenartigen  Lage,  Architektur,  Aus- 
schmückung der  Kirchen  und  wegen  der  Ab- 
weichungen der  Volksart  der  Gemeinden,  der 
flüssigen   Geldmittel  usw. 

Zu  diesen  Betrachtungen  sind  wir  durch 
die  Glasmalerei-Entwürfe  Feuersteins  gebracht 
worden,  die  er  mehrfach  gerade  für  Kirchen 
des  Barockstiles  geschaff'en  hat.  In  der  Hei- 
liggeistkirche zu  München  sieht  man  u.  a. 
eine  Verkündigung  und  eine  Auferstehung. 
Das  Beiwerk  zeigt  Annäherung  an  die  For- 
menwelt des  Rokoko,  ohne  sich  in  Abhängig- 
keit davon  zu  begeben.  Die  Figuren  sind 
durchaus  neuzeitlich  aufgefaßt,  voll  keuscher 
Innigkeit  und  Vergeistigung  bei  Maria,  voll 
überirdischer  Anmut  beim  Verkündigungs- 
boten (Abb.  S.  3),  voll  Hoheit  beim  Engel 
der  Auferstehung  (Abb.  S.  2).  So  ist  der 
stilistische  Zusammenhang  mit  der  Umge- 
bung hergestellt  und  doch  die  Selbständig- 
keit des  heutigen  Künstlers  gewahrt.  Wäh- 
rend bei  diesen  Werken  mehr  der  dekorative 
Zweck  zum  Ausdrucke  gelangt,  gehen  andere 
mehr  auf  den  der  Belehrung  und  Erzählung 
aus.  So  eine  Vermählung  Maria  (Abb.  S.  4); 
ferner  ein  Bild  mit  der  Szene  der  zu  Füßen 
Christi  knienden  Sünderin  (Abb.  S.  5);  end- 
lich eine  historische  Darstellung  (Abb.  S.  7). 
Die  hier  abgebildeten  Entwürfe  zu  den  drei 
letzteren  Gemälden  befinden  sich  im  Besitze 
der  Mayerschen  Hofkunstanstalt  zu  München. 

Wie  Feuerstein  den  durch  die  Natur  von 
Material  und  Technik  gestellten  Bedingungen 
Rechnung  zu  tragen  versteht,  beweisen  außer 
seinen  Entwürfen  für  Glasmalereien  auch  die 
für  Mosaik.  Bei  solchen  Werken  erstrebt  die 
Stilisierung  größere  Einfachheit,  die  Neben- 
dinge bleiben  fort  mit  Rücksicht  auf  die  Archi- 
tekturfläche, welcher  das  Bild  sich  einordnen 
muß.  Daraus  folgt  die  Notwendigkeit  des 
Verzichtes   auf   alle   perspektivischen  Tiefen- 


M.  V.  lEL'HKSlEIX 


MARIA  VKKKUNniGUNG 


em   Clasgem.ilJe  dir  Hl.  Gtistkirche 
Münchtn.   —    Tixt  S.  J 


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MARTIN'  VO\  FKLF.KSTKIX 

Entwurf  fiir  ein   Clasgem.ilde.   —    Text  S. 

Wirkungen,  ferner  die  breite  Behandlung  der 
Farbenflächen,  wahrend  für  die  Anlage  von 
Einzelheiten,  wie  Gewandungen  oder  der- 
gleichen, die  Rücksicht  auf  ihre  Herstellung 
aus  den  Ton- oder  Glasstiften  maßgeblich  bleibt. 
Als  Beispiele  seien  zwei  der  Bilder  aus  Jung 
St.  Peter  in  Straßburg  gezeigt  —  eins  mit  der 
Anbetung  der  Weisen,  eins  mit  dem  Kruzi- 
tixus  und  den  um  ihn  trauernden  Freunden 
(Abb.  S.  8  u.  9).  Die  Kompositionen  sind  in  der 
Zahl  der  Figuren  eingeschränkt,  Architektur 
in  größtem  Zuge  behandelt,  die  Hintergründe 
Gold,  durch  welches  die  Farben  charaktervoll 
gehoben  werden.  So  entsteht  jener  Eindruck 
unvergleichlicher  Feierlichkeit,  den  die  alte 
Kunst  erreicht,  und  dessen  Geheimnis  sie  der 
neuen  hinterlassen  hat. 

Von  den  Wandgemälden  der  Kirche  zu 


Oberehnheim  mögen  zwei 
Kartonfragmente  einen  Be- 
griffgeben (Abb.  S.  lou.  11). 
Auf  dem  einen  Blatte  sieht 
man,  wie  die  Israeliten  das 
Manna  sammeln  und  ver- 
zehren, auf  dem  andern  das 
Wunder  der  Brotvermeh- 
rang  —  Vorbilder  der 
Spende  des  Leibes  Christi. 
In  klarer  ruhiger  Erzählung 
sind  die  beiden  Szenen  wie- 
dergegeben. Die  Gewan- 
dung der  Personen  knüpft 
an  jene  aus  der  Zeit  des 
späten  Mittelalters  an.  Das 
findet  sich  bei  Feuerstein 
häufig;  es  ist  das  Mittel- 
ding zwischen  einer  rein 
antiquarischen  und  rein  mo- 
dernen Darstellungsart,  es 
entrückt  die  Personen  und 
Vorgänge  ihrer  eigenen  Zeit 
und  Wirklichkeit,  entfernt 
sie  zugleich  aus  zu  großer 
Nähe  der  Gegenwart,  gibt 
ihnen  zeit-  und  ortlose  all- 
gemeine Bedeutung,  wäh- 
rend doch  anderseits  der 
Charakter  der  Wahrheit  und 
Wirklichkeit  sichtbar  ge- 
wahrt bleibt.  Ein  Entwurf 
zu  einem  Wandbilde  feiert 
die  der  hl.  Jungfrau  von 
Menschen  jedes  Standes, 
Alters  und  Geschlechtes  ge- 
zollte Verehrung  (Abb. 
S.  12).  Die  in  eine  gotische 
Spitzbogenfläche  kompo- 
nierte Darstellung  zeigt  eine 
Bogenarchitektur ,  die  sich  in  eine  breite 
mittlere  und  zwei  schmälere  Seitenflächen  zer- 
legt, also  dem  Bilde  die  Anordnung  eines 
Tript\xhons  verleiht.  Innerhalb  dieser  drei 
Felder  stellte  der  Künstler  in  der  Mitte  die 
hl.  Jungfrau  dar,  mit  ihrem  Kinde  thronend 
vor  der  Hütte,  wo  Jesus  geboren  ward;  über 
ihr  erglänzt  der  Stern  und  singen  die  Engel 
ihr  Gloria;  neben  ihr  steht  St. Joseph;  rechts 
von  ihr  bringen  die  drei  Weisen  ihre  Gaben 
dar,  links  stehen  und  knien  mancherlei  .Men- 
schen voll  Glauben  und  Vertrauen.  Dieser 
Gruppe  schließt  sich  auf  der  dort  befindlichen 
Seitenfläche  eine  Schar  von  Trauernden  an, 
die  man  aus  dem  Tore  der  Stadt  heraus  zu 
der  Consolatrix  afflictorum  —  der  Trösterin 
der  Betrübten  —  wallfahrten  sieht;  auf  dem 
Teilbilde  rechts   erblickt   man  Flehende,    die 


MAKIA   VI;KMAIII  LX( 


e^  MARTIN  VON  FEUERSTEIN  P^ 


ihr  Heil  bei  dem  Auxilium 
Christianorum,  der  Hilfe 
der  Christenheit,  suchen 
und  finden.  Was  sie  alle 
denken,  fühlen  und  sagen, 
klingt  wider  in  den  Worten 
des  Spruchbandes  zu  Füßen 
des  Bildes:  Sancta  Mater 
Dei  genitrix  ora  pro  nobis. 
Klar  ist  die  Komposition, 
fest  in  sich  geschlossen,  voll 
Wahrheit  und  Feierlichkeit. 
Von  Altargemälden 
Feuersteins  haben  die  letz- 
ten Jahre  mehrere  entstehen 
sehen.  1909  schuf  er  das 
Werk  für  die  Kirche  von 
Freiburg-Haslach:  St.  An- 
tonius von  Padua,  Almosen 
spendend  (Abb.  S.  13).  Still 
schreitet  der  Heilige  dahin, 
von  einem  Klosterbruder 
begleitet,  der  einen  Korb 
mit  Brot  trägt.  Die  Armen 
und  Elenden  warten  der 
Spenden  und  nehmen  sie  in 
Dankbarkeit  hin.  Jede  dieser 
Volksfiguren  ist  eine  Mei- 
sterleistung, ganz  besonders 
der  greise  Bettler  und  die 
beiden  Kinder  zur  Rechten 
des  Heiligen.  Eine  ins  Ideale 
erhobene  Naturwahrheit 
gibt  dem  Bilde  zugleich  Le- 
ben und  Würde.  Sie  wird 
zur  Feierlichkeit  gesteigert 
durch  die  Figur  des  hl.  An- 
tonius, die  doch  dabei  ganz 
derWirklichkeit  abgelauscht 
zu  sein  scheint.  —  Die  Himmelfahrt  Maria  hat 
Feuerstein  auf  dem  Altarbilde  der  Kirche  zu 
St.  Mergen  in  Baden  dargestellt  (Abb.  S.  15). 
Man  könnte  versucht  sein,  von  dem  Bilde 
zu  rühmen,  es  wetteifere  an  Innigkeit  und 
seelischer  Tiefe  wie  an  Schönheit  seiner  Li- 
nien mit  Meisterwerken  der  Vergangenheit, 
aber  ich  glaube,  daß  man  es  besser  aner- 
kennt, wenn  man  sagt,  es  sei  eine  der  voll- 
kommensten Gestaltungen  dieses  niemals 
alternden  Gegenstandes  im  Geist  und  Formen- 
sinne unserer  Zeit.  Die  schöne  Leichtigkeit 
der  Bewegung  erhält  ihre  Grundlage  und  gibt 
dem  Auge  des  Beschauers  eine  Vergleichsmög- 
lichkeit durch  die  tiefschwebende  Gestalt  des 
großen,  Rosen  streuenden  Engels.  —  Die 
St.  Fridolinskirche  in  Mülhausen  im  Elsaß  er- 
hielt ein  Altarbild,  das  die  Missionstätigkeit 
des  Kirchenschutzheiligen  feiert  (Abb.  S.  16). 


DAS  G.^SlM.'kHI,  DES  SIMON 
Text  S.  3 


St. Fridolin,  vielleicht  ein  Schottenmönch,  ent- 
faltete in  der  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts 
seine  folgenreiche  Wirksamkeit  in  der  Gegend 
des  Bodensees.  Demgemäß  stellte  Feuerstein 
den  Heiligen  dar,  wie  er  am  Ufer  des  Sees  dem 
Volke  predigt.  Frauen,  Kinder  und  wetter- 
harte Männer  lauschen  den  begeisterten  Wor- 
ten des  Fremden,  der  ihnen  das  Kreuz  Christi 
bringt  und  ihnen  Lehren  verkündet,  ob  denen 
ihnen  die  Ahnung  des  Heils  aufgeht.  In  der 
Ferne  sieht  man  eine  im  Bau  begriffene  Kirche. 
Das  Bild  gehört  zu  den  erzählenden  in  der  Art 
wie  Feuerstein  erzählt.  Das  historische  Er- 
eignis ist  lebendig,  wahr,  überzeugend  dar- 
gestellt und  doch  durch  die  Größe  der  Auf- 
fassung zum  Ideal  erhoben.  —  Die  Malereien 
in  der  Kirche  zu  Geberschweier  fanden  im 
September  1912  mit  der  Vollendung  der  »Krö- 
nung  Maria«    ihren   Abschluß.     Das   schöne 


^  MARTIN  VON  FEUERSTEIN  ^ 


Bild  zeigt  Jesum  und  die  hl.  Jungfrau  vor  einer 
strahlenden  Sonne  auf  einem  marmornen 
Throne  sitzend;  Maria  hält  die  Hände  ge- 
faltet und  neigt  sich  demütig,  um  die  von 
Edelsteinen  strahlende  Krone  zu  empfangen. 
Der  hl.  Geist  schwebt  über  der  Gruppe,  und 
ganz  oben  erhebt  Gottvater  die  segnende 
Hand.  Die  himmlischen  Heerscharen  aber 
stimmen  Jubelh3'mnen  an  und  begleiten  ihre 
Weisen  mit  dem  Klange  von  mancherlei  In- 
strumenten. Ein  Bild  voll  tiefer  Frömmigkeit, 
ein  Lied  der  innigsten  Verehrung  Mariens, 
zu  den  Werken  eines  Fra  Angelico  ein  wür- 
diges Gegenstück,  das  unsere  Zeit  geschaffen 
hat.  —  Das  Altargemälde  in  der  Kranken- 
hauskapelle der  Niederbronner  Schwestern  zu 
Straßburg  verherrlicht  die  hl.Odilia(Abb.S.i8). 
Wir  sehen  eine  dieser  barmherzigen  Wohl- 
täterinnen, wie  sie  einem  zur  Erde  gesunkenen, 
von  einem  jungen  Mädchen  gestützten  Kran- 
ken Labung  reicht.  Zwei  Schwestern  tragen 
weiteren  Bedarf  herbei,  eine  wandernde  arme 
Familie  wartet  im  Hintergrunde.  Von  fern 
sieht  man  das  Kloster  Hohenburg.  In  den 
Lütten  aber  erscheint,  auf  Wolken  kniend, 
die  hl.  Äbtissin  Odilia,  die  Patronin  des  Elsaß 
und  der  Stadt  Straßburg.  Die  Hände  zur  Für- 
bitte erhoben  blickt  sie  auf  die  Gruppe  drun- 
ten hernieder,  ein  Engel  hält  den  Stab  ihrer 
Amtswürde,  ein  anderer  ihr  Attribut,  das 
Buch,  auf  dessen  aufgeschlagenen  Blättern 
zwei  Augen  liegen.  So  vereinigen  sich  bei 
diesem  Werke  zwei  Szenen ,  eine  irdische 
und  eine  himmlische,  zu  einem  Einklänge 
von  feierlicher  Schönheit.  —  Zwei  Altarge- 
mälde schuf  der  Künstler  191 3  für  die  Kol- 
legiumskirche Maria  Hilf  in  Schwyz.  Das 
eine  zeigt  den  hl.  Thomas  von  Aquino  vor 
dem  Bilde  des  Heilandes,  der  dem  getreuen 
Verkünder  seiner  Lehre  den  verdienten  Lohn 
verspricht  (Abb.  s.  farbige  Sonderbeilage).  Mit 
überzeugender  Kraft  ist  die  Seelenbewegung 
des  Heiligen  zum  Ausdrucke  gebracht,  der 
von  Dankbarkeit  und  Begeisterung  hingerissen 
zu  dem  auf  wunderbare  Art  lebendig  gewor- 
denen Kruzifixe  emporblickt.  In  der  Durch- 
führung und  Charakterisierung  der  Figuren, 
wie  in  der  zeichnerischen  und  farbigen  Be- 
handlung zeigt  das  Gemälde  so  außerordent- 
liche Eigenschaften,  daß  man  dem  Meister 
zustimmen  muß,  wenn  er  es  für  sein  bestes 
Werk  erklärt.  Das  andere  Bild  zeigt  zwei 
Knaben,  die  von  ihrem  hl.  Schutzengel  vor 
dem  Feuertode  gerettet  werden.  Die  Dar- 
stellung hat  Bezug  auf  einen  Brand,  der  das 
Kollegium  schwer  heimsuchte,  ohne  daß  doch 
einer  der  Zöglinge  an  Leib  und  Leben  Scha- 
den erlitt.     Im  Hintergrunde    sieht  man  das 


brennende  Kolleg,  vorn  führt  der  Engel  die 
Knaben  insFreie;  beide  sind  prächtig  charakteri- 
siert —  der  eine  in  seiner  Angst  und  Bestür- 
zung, der  andere  in  seiner  ruhigen  frommen 
Zuversicht.  —  Welche  Lieblichkeit  lebt  in 
dem  Bilde  der  hl.  Margareta  (Abb.  S.  20  und 
21).  In  waldiger  Wildnis  kniet  sie;  zu  ihren 
Füßen  liegt  der  Teufel,  der  sie  in  Gestalt 
eines  Drachen  oft  zu  schrecken  und  im  Glau- 
ben irre  zu  machen  versuchte;  sie  aber  blieb 
allezeit  standhaft  und  hielt  dem  Widersacher 
das  Kreuz  entgegen,  vor  dessen  Gewalt  er 
unterlag.  Auch  auf  dem  Gemälde  Feuersteins 
ist  dieser  Zug  angedeutet.  Glaubensvoll,  ihrer 
Standhaftigkeit  bewußt,  blickt  Margareta  zum 
Himmel  empor,  wo  ihr  in  lichten  Wolken 
thronend  die  hl.  Jungfrau  erscheint.  Engel 
bringen  ihr  und  dem  Jesuskinde  Verehrung 
dar;  einer  aber  schwebt  abwärts,  um  der 
hl.  Margareta  die  himmlische  Krone  auf  das 
Haupt  zu  setzen.  —  Ergreifende  Gestaltung 
fand  durch  die  Kunst  Feuersteins  das  Wort 
»Kommet  her  zu  mir,  die  ihr  mühselig  und 
beladen  seid«  (Abb.  S.  23).  Welche  Zeit,  wel- 
ches Menschengeschlecht  hätte  nicht  des  vom 
Heilande  gespendeten  Trostes  bedurft  und  be- 
darf seiner  noch?  So  hat  unser  Künstler  die 
Angehörigen  der  verschiedensten  Stände  und 
Völker  um  Jesum  versammelt,  der  in  ihrer 
Mitte  steht  und  voll  Erbarmen  seine  Hände 
aufhebt,  als  wolle  er  sie  alle  an  sein  Herz 
ziehen.  Die  Großen  der  Welt,  Papst  und 
Kaiser,  knien  zu  seinen  Füßen,  gegenüber 
drängen  sich  mancherlei  Menschen  fremder 
Zonen,  eine  Mutter  hat  sich  vor  Jesu  nieder- 
geworfen und  hebt  ihm  ihr  Kindlein  entgegen; 
den  Hintergrund  der  Nische,  vor  welcher  der 
Herr  steht,  erfüllt  eine  Menge  von  Personen, 
man  erkennt  einen  Mönch  und  einen  Bauer. 
Wirkt  der  Entwurf  durch  seinen  gegenständ- 
lichen Inhalt  stärkstens  auf  das  Gemüt,  so  tut 
er  es  nicht  minder  für  das  Auge  durch  die 
Art  der  Komposition,  in  welcher  sich  Strenge 
und  Freiheit  vereinigen.  Feuerstein  hat  eine 
allzu  symmetrische  Aufstellung  der  Gruppen 
vermieden,  er  trennt  die  den  ^'ordergrund  er- 
füllenden Personen  nicht  durch  eine  gerade 
Linie  in  der  Richtung  der  Mittelaxe,  sondern 
durch  eine  schräg  verlaufende,  löst  dadurch 
alle  Strenge  und  hebt  die  Feierlichkeit  des 
Eindruckes,  statt  sie  zu  beeinträchtigen.  Trotz 
des  Reichtums  an  Einzelheiten  und  fremden 
Typen  verflacht  sich  doch  das  Interesse  an 
der  Darstellung  nicht  am  Äußerlichen,  son- 
dern bleibt  dem  geistigen  Inhalte  des  Bildes 
ungeschmälert  erhalten,  der  in  der  schlichten 
Gestalt  des  göttlichen  Heilandes  seinen  Mittel- 
punkt und  seine  Vollendung  findet. 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN 


PROZESSION 


S^i  MARTIN  VON  FEUERSTEIN  EM 


MAU  I  l\   VON   lia-EKSTEIN 


AXHinrNG   DHR  HIKTKN   UKD  KON'IGE 


Entwurf  /,lr  Mosa:k.   —    Text  S.  4 


Derselbe  Zug  innerer  Würde,  welcher  diesen 
für  Monumentalzwecke  bestimmten  Werken 
eigen  ist,  kennzeichnet  auch  die  übrigen 
Malereien  Feuersteins.  Zu  den  rein  histo- 
rischen Darstellungen  gehört  sein  Gemälde 
der  Erziehung  des  hl.  Ludwig.  Erst  zwölf  Jahre 
alt,  war  dieser  1236  zur  Königswürde  gelangt; 
die  Vormundschaft  führte  seine  Mutter  Bianca 
von  Kastilien.  An  ihrer  Seite  sitzend,  durch 
den  Nimbus  bereits  als  Heiliger  gekennzeichnet, 
lauscht  der  lernbegierige  Knabe  den  Lehren 
der  Weisheit,  die  ein  Dominikaner  ihm  ver- 
kündigt, während  andere  Geistliche  und  kirch- 
licheWürdenträger  tief  sinnend  zuhören.  Durch 
das  große  offene  Fenster  sieht  man  über  Häuser 
und  Dächer  hinweg  die  Türme  der  Notre- 
Dame-Kirche  —  eine  Zutat,  die  für  die  äußere 


wie  für  die  innere  Wirkung  des  Bildes  gleich 
bedeutsam  ist.  Die  Charakterisierung  der  Per- 
sonen ist  bestimmt  und  interessereich.  Be- 
sonders fein  ist  die  Haltung  des  dozierenden 
Mönches,  der  mit  Schärfe  seme  Beweisgründe 
darlegt,  nicht  minder  die  des  königlichen  Kna- 
ben, dem  man  recht  die  Spannung  ansieht, 
womit  er  jedes  Wort  des  Lehrers  verfolgt. 
Vom  koloristischen  Standpunkte  beachtens- 
wert ist  die  Farbenreihe  rot-weiß-grün-weiß- 
schwarz, die  durch  die  reiche  Goldstickerei 
des  blauen  Mantels  der  Königin  unterbrochen 
und  durch  den  Goldbrokat  des  Thronbalda- 
chins kraftvoll  gesteigert  wird.  Vorzüglich 
passen  dazu  die  stilleren  und  doch  belebten 
Farben  der  Wandfläche  und  des  Fußteppichs. 
Die  Stimmung  und  Wirkung  des  Raumes  ist 


^^  MARTIN  VON  FEUERSTEIN  ©3S 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN" 

Entwurf  für  Mosaik.   —   Tc 


:t  S.  4.   —   Mit  (J:nt!imigung  ,ifr  Verlagianstalt  Benziger  &-^ 


CIIKIS'IT'S  AM  KRELTZ 
Einsiedeln 


sehrschön.  —  »EineSeele himmelwärts«  nennt 
der  Künstler  das  rührende  Bild  eines  toten 
jungen  Mädchens,  das  von  Engeln  zur  ewigen 
Heimat  begleitet  wird  (Abb.  S.  i).  Wie 
schlummernd  liegt  sie  da.  Zwei  der  himm- 
lischen Boten  tragen  sie,  einer  hält  in  seinen 
Händen  die  Krone  des  Lebens,  einer  die  Palme 
des  Sieges  und  Lohnes.  So  schweben  sie  em- 
por, und  unter  ihnen  versinkt,  was  irdisch  ist. 
Bewegungen  und  Ausdruck  der  Gestalten  sind 
voll  Lieblichkeit,  Anmut  und  hohen  Ernstes. 
—  Zu  den  höchsten  Zierden  der  Martinskirche 
im  elsässischen  Kolmar  gehört  die  köstliche 
»Madonna  im  Rosenhag«  des  »hübschen  ; 
Martin  Schongauer  —  der  des  großen  Albrecht 


Dürers  Lehrer  war.  Im  ganzen  Umkreise  der 
Kunst  des  späten  Mittelalters  wird  man  keine 
Malerei  finden,  die  mit  dieser  an  Innigkeit  der 
Empfindung,  an  echt  deutscher  Gemütstiefe 
wetteifern  kann.  Schönheit  des  Geistes  sieht 
man  in  diesem  Bilde  vereinigt  mit  Lieblich- 
keit der  Form  und  Farbe.  Es  galt,  dies  Juwel 
vor  Beschädigung  zu  bewahren  und  es  zu 
diesem  Zwecke  mit  zwei  schützenden  Flügeln 
zu  versehen.  So  erhielt  es  gleichzeitig  die  Art 
eines  Klappaltärchens.  Ein  Sohn  des  Landes 
sollte  mit  der  Lösung  dieser  Aufgabe  betraut 
werden,  und  Feuerstein  wurde  dazu  ausersehen. 
Man  stellte  den  neuzeitlichen  Meister  dem  alten 
an  die  Seite  und  bezeugte  durch  den  Auftrag, 


Dia  chrlsüiche  Kunst.    XII. 


^^  MARTIN  VON  FEUERSTEIN  ^ 


MAKIIS'    VON   lECHUSTEIX 

Teil  lies  Karions 


AI  S  DI'K   HKOrVERMEHKUNG 


WaudbiU  in   Obereltniu-i 


daß  man  diese  beiden  Martine  als  einander 
ebenbürtig  ansah.  Wäre  Feuerstein  es  nicht, 
so  hätte  er  sich  bemüht,  seine  Malerei  der 
Schongaucrschen  in  Stil  und  Technik  so  ähn- 
hch  wie  möglich  zu  machen.  Geschieht  dies 
nicht  unzählige  Male  bei  Ergänzungen  alter 
Kunstwerke.''    Und  gibt  es  nicht  immer  noch 


Leute  genug,  die  derlei  unfreie  Arbeit  gerade 
als  das  allein  Richtige  anschauen .'  Das  Künstler- 
tum  Feuersteins  war  nicht  gesonnen,  sich  in 
solche  Abhängigkeit  zu  begeben.  Als  er  die 
beiden  Flügel  malte,  schuf  er  eine  Verkündi- 
gungsszene von  völliger  äußerlicher  und  inner- 
licher Selbständigkeit,    der   alten  Kunst  aber 


^  MARTIN  VON  FEUERSTEIN  ^ 


MAiniN   VO\  FEUERSTEIN 


AUS  DER  MAXXALESE 


Teil  des  Kartons  zu 


aide  in  Oiereltithe 


innig  verwandt  durch  Tiefe  des  Gefühls-  und 
Glaubensinhaltes,  an  eigenartiger  Schönheit 
ihr  gleichwertig  (Abb.  S.  26  und  27).  Glück- 
lichste Schaflensaugenblicke  waren  es,  welche 
diese  beiden  Figuren  entstehen  ließen:  diesen 
Engel,  der  sich  auf  ein  Knie  niedergelassen 
hat   und    die    rechte    Hand    segnend    erhebt. 


während  sein  Auge  und  liebliches  Antlitz  sich 
auf  die  Gebenedeite  richtet  und  seine  Lippen 
zu  dem  Gruße  sich  öffnen;  diese  Jungfrau, 
die  der  himmlische  Bote  beim  andächtigen 
Lesen  antraf.  In  staunender  Verwunderung 
und  demütiger  Hingabe  an  den  göttlichen 
Willen  erhebt  sie  beide  Hände;  das  edle  stille 


MARTIN  VON  FEUKRSTEIN  VEREHRUNG  MARIA  DURCH  DIE  STANDE 

Entwurf  zu  ehitm    WniulHIJ.  —   Trxt  S.  4 


g^i  MARTIN  VON  FEUERSTEIN  ^ 


13 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN 

Altarlrild  in  Freiiurg-Haslach.  —   Text  S.  J. 


^ltvg  der   Verlags, 


BROT  UES  HL.  ANTONIUS 
statt  Einziger  &=   Co.,  A.-G-,   Einsiedeln 


Angesicht  mit  den  gesenkten  Augen  und  die 
leise  Neigung  des  Körpers  sprechen  das  »Es 
geschehe'..  Höchste  Reinheit  und  Schhchtheit 
der  Empfindung  atmet  dieses  Bild.  Herrlich 
ist  der  Gegensatz  der  beiden  Figuren.  Man 
sehe  z.  B.  Mariens  einfaches  Gewand,  das  als 
einzigen  Schmuck  die  in  den  Mantelsaum  ein- 


gestickten Worte  zeigt;  Ecce  ancilla  Domini; 
daneben  der  Engel,  von  reich  gemustertem 
Mantel  umwallt,  die  Fittiche  geschmückt  mit 
den  Augen  der  Pfauenfedern,  so  erinnernd 
an  das  uralte  Symbol  der  Unsterblichkeit. 
Ferner  den  lockigen  Kopf  des  Engelknaben 
und  jenen  der  Jungfrau,  von  dem  das  lange 


M 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN  ö^ 


Haar   in    weichen  Wellen    auf  die    Schultern 
herabfließt. 

Alles,  was  des  Christen  Herz  bewegt,  findet 
unvergleichlichen  Ausdruck  in  den  herrlichen 
Gesetzen  des  Rosenkranzes.  So  umfaßt  sein 
Inhalt  auch  alles,  was  eines  Künstlers  Geist 
sehen,  seine  Hand  gestalten  kann:  Hohes  und 
Niederes,  Heiliges  und  Weltliches,  Zartes  und 
Herbes,  Ruhe  und  Leidenschaft,  Leben  und 
Tod,  Verdammnis  und  Erlösung,  er  findet 
Raum,  Landschaft,  Tier,  Mensch,  Engel  und 
Gott.  Und  er  wird  mit  seinen  Farben,  Formen 
und  Gestalten  ein  Herold  der  erhabensten 
Lehren,  die  der  Menschheit  zuteil  geworden. 
Ich  kenne  ein  ganz  kleines  Büchlein  von  großer 
Feinheit,  Gemüts-  und  Glaubenstiefe  —  es  ist 
J.M.  Stillfrieds  »Im  Rosengarten  unserer  lieben 
Frau«  —  es  begleitet  in  Betrachtungen  und 
Meinungen  die  Teile  des  Rosenkranzes;  Füh- 
richs Zeichnungen  geben  den  Gedanken  sicht- 
bare Form.  Ebenbürtig  reihen  diesen  großen, 
tiefen,  so  echt  deutschen  Kunstwerken  die 
Rosenkranzbilder  Feuersteins  sich  an.  Eben- 
bürtig, weil  sie,  in  Auffassung  und  Durch- 
führung neu,  den  Glaubensinhalt  in  vollen- 
deter äußerer  Schönheit  und  mit  derselben 
inneren  Kraft  zur  Geltung  bringen.  Zu  den 
Mitteln  dieser  Wirkung  gehört  im  beson- 
deren Maße  die  Einfachheit  und  die  durch 
die  kreisrunde  Form  stark  geförderte  Ge- 
schlossenheit der  Kompositionen.  Die  Andeu- 
tung der  Ortlichkeiten  hält  sich  im  größten 
Zuge,  die  Zahl  der  Personen  ist  überall  auf 
das  Notwendigste  beschränkt.  Die  Behand- 
lung hält  an  den  malerischen  Grundsätzen 
fest  und  ist  doch  von  fast  reliefartiger  Strenge. 
Diese  äußere  Einfachheit  gibt  der  Charakter- 
schilderung um  so  größere  Kraft.  Bilder  von 
außerordentlichster  Wirkung  sind  dabei.  So 
die  Heimsuchung  mit  dem  prachtvollen  Kon- 
trast der  beiden  Frauengestalten ;  die  Anbe- 
tung des  neugeborenen  Heilandes  mit  der 
wunderbar  innig  empfundenen  Figur  der 
Mutter  (Abb.  S.  28);  die  Geißelung  mit  dem 
(zeichnerisch  unübertrefflich  gegebenen)  Er- 
löser, der  erschöpft  an  der  Säule  niederge- 
sunken ist  und  uns  seinen  mahnenden  Blick 
ins  Herz  bohrt  (Abb.  S.  29);  der  Tod  Christi; 
Mariens  Aufnahme  in  den  Himmel  und  end- 
lich iiire  Krönung.  Die  Farben  sind  reich 
und  voll,  dabei  von  stiller  Harmonie.  Bis- 
weilen erheben  sie  sich  zur  Pracht;  so  bei 
der  Lichtmalerei  des  Weihnachtsbildes;  bei 
der  Aufopferung  mit  der  Nebeneinanderstel- 
lung des  blauen  Mantels  Maria  und  des  brau- 
nen Rockes  Josephs  und  dem  reichen  Goid- 
brokatmuster  des  Gewandes  Simeons  zwischen 
beiden ;  bei  der  Marienkrönung  mit  dem  Ak- 


kord des  zarten  Hellblau,  Rosa  und  dem 
reichen  Granatapfelmuster  des  Brokatteppichs 
im  Hintergrunde. 

Um  auch  einer  der  kleineren  Arbeiten 
Feuersteins  zu  gedenken,  erwähne  ich  ein 
Exlibris  (Abb.  S.  22).  Es  zeigt  die  sinnbild- 
lichen Gestalten  der  altklassischen  Wissen- 
schaft und  der  christlichen  Religion,  im  Hin- 
tergrunde erscheinen  die  Trümmer  des  alten 
Rom,  daneben  die  von  überirdischen  Strah- 
len umleuchtete  Kirche  St.  Peters.  Am  Fuße 
der  Darstellung  steht  die  Inschrift:  Prope 
Romam  semper. 

Die  durch  die  Kriegsereignisse  des  Jahres 
1914  hervorgerufene  ungeheure  Erregung 
mußte  ihren  Einfluß  auch  auf  Feuerstein  aus- 
üben. So  entstand  ein  Werk,  welches  in  der 
ganzen  Entwicklung  dieses  Künstlers  einzig 
in  seiner  Art  ist,  das  mit  dämonischer  Leiden- 
schaft erfüllte  Bella  matribus  detestata  —  die 
von  den  Müttern  verwünschten  Kriege  (Abb. 
nachS.  24  u.  30  u.  51).  Es  ist,  als  fände  der  Mei- 
ster keine  Grenzen  für  die  Fülle  künstlerischer 
Eingebungen,  welche  dieser  Gegenstand  ihm 
liefert  —  nicht  weniger  als  viermal  hat  er 
ihn  gestaltet,  dreimal  in  Entwürfen  und  Zeich- 
nungen, neuestens  in  einem  Gemälde  von 
überwältigender  Wirkung.  Verheert  vom 
Kriege  ist  das  weite  Land,  in  Flammen  ver- 
lodern die  verwüsteten  Wohnstätten,  erschla- 
gen liegen  die  Männer,  weiter  ziehen  die 
feindlichen  Horden,  neuen  Untaten  entgegen. 
Die  Frauen  und  Mütter  aber,  heimatlos  und 
glückberaubt,  senden  den  Verwüstern  Flüche 
nach;  andere  suchen  Hilfe  beim  Kreuze  des 
Herrn.  Jede  der  vier  Fassungen  dieses  Ge- 
genstandes findet  neue  Ausdrücke,  weiß  ihm 
neue  Seiten  abzugewinnen.  Eine  düstere,  ge- 
waltige Poesie  liegt  in  ihnen,  die  Poesie  eines  ■ 
Mannes,  der  mit  gleicher  Stärke  denkt  und 
empfindet.  Es  verkündigt  sich  in  diesen 
Kriegsbildern  eine  Leidenschaft,  die  man  im 
sonstigen  künstlerischen  Schafften  unserer 
Tage  vergebens  sucht,  und  die  uns  auch  bei 
Feuerstein  mit  einer  plötzlich  ausbrechenden 
elementaren  Kraft  entgegenbraust;  auch  in 
seinem  bisherigen  Lebenswerke  hat  man  sie 
noch  nicht  herauszufüiilen  vermocht.  Wer 
es  fertig  bringen  konnte,  die  Eigenart  dieses 
Werkes  neben  die  seines  früheren  Schaffens 
zu  stellen,  den  darf,  den  muß  man  als  einen 
der  größten  Künstler  bewundern,  die  unsere 
Zeit  hervorgebracht  hat.  —  Das  Kriegsbild 
hat  auch  zur  Entstehung  eines  herrlichen  reli- 
giösen Werkes  Anlaß  gegeben  —  es  ist  die 
von  uns  abgebildete  Piet.'i  (Abb.  Einschaltblatt 
nach  S.  16).  Das  Bild  ist  entstanden  aus  der 
Gruppe    des   erschlagenen  Kriegers  mit  dem 


IS 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN  HIMMELFAHRT  MARIA 

Altarbild  zu  St.  Mergen  in  Baden.   —    Text  S.  J 
Mit  Genehmigung  der   l'erlagsanstalt  Benziger  tf  Co-,  A.-G.,  Einsiedeln 


i6 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN  DER  HL  FRIDOLIN 

Text  S.S.   —  i'it  Genehmigung  der    VerlagsaitsLill  Beiiziger  &'  Co  ,  A.-C,  Einsiedeln 


^  DIE  MÜNCHENER  SECESSION  6SS 


17 


über  die  Leiche  sich  wertenden  Weibe ;  der 
Vergleich  der  beiden  Bilder  läßt  das  leicht 
erkennen.  Bestimmt  ist  es  als  Votivbild  für 
glückliche  Rückkehr  aus  dem  Kriege  —  und 
so  hängt  auch  dies  schöne  Werk  engstens  mit 
dem  Ereignisse  der  Gegenwart  zusammen.  — 
Dasselbe  tut  ein  Erinnerungsblatt,  welches 
mit  den  Gestahen  der  Hll.  Georg,  Mauritius, 
Barbara  und  Michael  geschmückt  ist.  Es  wird 
bei  der  Gesellschaft  für  christliche  Kunst  er- 
scheinen. 

Am  6.  Januar  191 6  ist  der  60.  Geburtstag 
Martin  von  Feuersteins.  Von  Herzen  hoffen 
und  wünschen  wir,  daß  es  ihm  beschieden 
sein  möge,  noch  lange  zu  schaffen  und  zu 
wirken  zur  Förderung  und  zur  Ehre  der 
deutschen  Kunst  und  des  christlichen  Geistes, 
welcher  der  ihrige  bleiben  soll  und  muß. 

DIE  MÜNCHENER  SECESSION 

Dem  Umfange  der  heurigen  Secessions- 
ausstellungisteine  Beeinträchtigung  durch 
den  Krieg  nicht  anzumerken.  Sie  ist  sogar 
reicher  beschickt  worden  als  manche  ihrer 
Vorgängerinnen.  In  entgegenkommender  Art 
hat  sie  auch  diesmal  einer  beträchtlichen  Zahl 
von  jüngeren  Kräften  Zulaß  gewährt  und  ist 
damit  ihrer  gerechtfertigten  Gepflogenheit 
treu  geblieben,  nicht  einseitig  ältere  Rich- 
tungen zu  pflegen,  sondern  auch  heranstre- 
benden die  Möglichkeit  zu  geben,  sich  auf 
ihre  Echtheit  prüfen  zu  lassen.  Daß  die  Aus- 
stellung außerdem  nicht  lediglich  darauf 
herauskommt  zu  zeigen,  in  wie  verschiedener 
Auffassung  malerische,  vor  allem  koloristische 
Probleme  gelöst  werden  können,  und  in  wel- 
cher Art  des  Vortrages  die  einzelnen  Künstler- 
individualitäten sich  aussprechen,  sondern  daß 
auch  der  Gegenstand  zu  seinem  Rechte  kommt, 
dafür  sorgt  vor  allem  der  Krieg.  Es  wäre 
unnatürlich ,  wenn  er  nicht  eine  ganze 
Reihe  von  Künstlern  zu  kräftigem  Schaffen  an- 
regen würde.  Nach  zwei  Richtungen  kommt 
dies  zur  Geltung.  Die  eine  ist  die  repro- 
duktive, illustrative.  Ihre  Erzeugnisse  ent- 
stehen auf  den  Kriegsschauplätzen.  Die  in 
unendlicher  Menge  sich  darbietenden  Einzel- 
szenen, Ortsbilder,  Soldatentypen,  diePersonen 
der  Heerführer,  das  alles  wird,  wie  es  sich 
von  selbst  versteht,  in  besonders  kennzeich- 
nenden Situationen  und  Augenblicken  fest- 
gehalten. Es  bildet  mitsammen  ein  unschätz- 
bares historisches  Material,  von  dem  noch 
fernste  Zukunft  Nutzen  und  Belehrung  haben 
wird.  Außerdem  entsteht  durch  die  beson- 
deren Bedingungen  und  Schwierigkeiten,  unter 
denen  die  künstlerische  Aufgabe  trelöst  werden 


muß,  eine  eigenartige  Kunst,  die  mehr  als 
andere  auf  der  Vereinfachung  beruht,  und  die 
nur  gedeihen  kann  unter  den  Händen  von 
Zeichnern  und  Malern,  denen  es  gegeben  ist, 
mit  schnellstem  Blicke  das  Wesentlichste,  den 
Kern  der  Dinge  zu  erkennen.  Sie  müssen 
also  von  vornherein  eine  großzügige  Anlage 
mitbringen,  finden  aber  hier  Gelegenheit, 
diese  Anlage  zu größterEntwicklungzubringen. 
Auf  diese  Weise  steigert  sich  das  ursprüng- 
lich Illustrative  und  Reproduktive,  ohne  von 
diesen  Eigenschaften  einzubüßen,  ins  Allge- 
meine und  Begrirt'liche.  So  hat  Otto  Bau- 
riedl  Skizzen  vom  Winterfeldzuge  der  Baye- 
rischen Schneeschuhtruppe  in  den  Vogesen 
geliefert.  Der  Dillschen  Serie  von  zwanzig 
Kriegsbildern  sieht  man  teilweise  die  Eile  an, 
auchwill  bei  einzelnen  davon  nicht  einleuch- 
ten, wie  sie  an  Ort  und  Stelle  entstanden 
sein  können,  da  sie  ihren  Schauplatz  auf  der 
feindlichen  Seite  haben.  Eine  große  Reihe 
technisch  wie  gegenständlich  interessanter 
Aufnahmen  in  Farben  wie  in  Bleistift  hat 
Hans  von  Hayek  vom  westlichen  Kriegsschau- 
platze geschickt.  Man  könnte  bei  ihm  fast 
an  eine  Vorahnung  glauben,  die  ihn  kurz 
vor  dem  Kriege  dazu  trieb,  Studien  auf  den 
bayerischen  Manövergeländen  zu  machen  und 
jene  ausgezeichneten  Arbeiten  zu  schaffen,  die 
er  seinerzeit  in  der  Galerie  Heinemann  aus- 
stellte. Das  war  die  Vorschule  für  die  jetzige 
Aufgabe,  und  die  Art,  wie  er  diese  zu  lösen 
versteht,  stellt  ihn  in  die  erste  Reihe  der  auf 
gleichem  Gebiet  Tätigen.  Er  schildert  Orte, 
um  welche  die  Kämpfe  getobt  haben,  zeichnet 
Massenansammlungen  von  Truppen,  charak- 
teristische Einzelheiten,  Gefechtsstellen  aus 
den  Gegenden  von  Lille,  Arras  usw.  in  einer 
Weise,  "die  unmittelbar  überzeugend  wirkt. 
Federzeichnungen  aus  den  Vogesenkämpfen 
zeigt  E.  Baudrexel.  H.Goebels  und  G.  Greve- 
Lindaus  Studien  sind  in  Steinzeichnung,  die 
von  H.  Pampel  und  E.  Oppler  in  Radierung, 
die  von  E.  Burmester  in  Holzschnitt  herge- 
stellt worden.  Eine  überaus  interessante  und 
auch  umfangreiche  Sammlung  von  zumeist 
farbigen  Zeichnungen  hat  der  Dachauer  F. 
Klemmer  ausgestellt.  Seine  Vorliebe  geht  aut 
die  Schilderung  von  Geschützen,  außerdem 
von  Ortsbildern,  mit  besonderem  Erfolge  aber 
auf  die  von  prächtigen,  humorvoll  beobach- 
teten Typen  baverischer  Soldaten.  Von  anderen 
Kriegsschilderern  verwandter  Art  seien  noch 
F.  Wimmer,  E.  Wolff-Filseck  und  E.  Thöny 
genannt.  —  Realistischer  Empfindung  dürfte 
diese  Art  den  Krieg  zu  malen,  mehr  sagen 
als  die  zweite,  die  ich  zuvor  andeutete.  Sie 
geht    darauf  aus,    die    Idee    des  Krieges    zu 


Die  christliche  Kunst. 


MARTIN  VON  1  r.UliRSTEIN 


DIE  HL.  ODll.IA 


dir  KapMe  des  Kra„ke,ikamtB  der  Niederhrontur  Schwester,,  zn  Straßlmrg.  -  Text  S.  0 
Der  untere   Teil  erschien  im    Verlag   Hirmer.  München 


DIE  MUNCIIIINER  SECESSION 


19 


versinnbildlichen  und  bedient  sich  dazu  sehr 
verschiedenartiger  Mittel  der  Technik  wie  der 
Sprache.  Kein  Zweifel,  daß  diese  Art,  wenn 
sie  die  erstrebten  tiefen  Gemütswirkungen 
erreichen  will,  bei  ihrem  vorwiegenden  Ver- 
zichte auf  die  Wirklichkeit  des  Gegenstandes 
und  bei  der  Notwendigkeit,  aus  einer  inneren 
Fülle  und  Größe  subjektive  Anschauungen  zu 
schöpfen,  vor  viel  größeren  Schwierigkeiten 
steht  als  jene  erstere.  Am  leichtesten  tun 
sich  hier  solche  Künstler,  welche  die  Dinge 
und  Gedanken  vom  satiri- 
schen Standpunkte  ansehen, 
wie  O.  Gulbransson.  Doch 
blieb  dergleichen  dies- 
mal vereinzelt,  was 
man  bei  des  Krieges 
furchtbarem  Ernste  be- 
grüßen darf.  Den  letz- 
teren in  ergreifender  Art 
verallgemeinert  zu  versinn- 
bildlichen strebte  u.  a.  Th. 
Heine,  mit  bedeutenderem 
Gelingen  E.  Erler,  der  durch 
diese  Neuartigkeit  des  In- 
haltes seiner  vorzüglich  ra- 
dierten Blätter  in  Erstaunen 
setzt.  Er  hat  auf  diesem  Ge- 
biet einen  wirklichen  Erfolg 
errungen,  den  man  z.  B.  A. 
Hengelers  »Kriegsfurie«, 
einem  schreiend  über  eine 
Landschaft  hineilenden  Wei- 
be, kaum  zugestehen  kann. 
Den  erheblichsten  Anteil 
an  der  verallgemeinerten 
Betrachtung  des  Krieges  hat 
die  Plastik.  So  mit  den 
Kriegs- undTrauermedaillen 
J.  Gangls,  den  gedankenrei- 
chen Medaillen  und  Plaketten  von  H.  Lindl, 
A.  Zadikow,  L.  Gies,F.  Großhans  und  anderen. 
Diese  Kriegskunst  verleiht  der  heurigen 
Secessionsausstellung  ihr  eigenes  Gepräge. 
Mit  den  übrigen  Darbietungen  würde  sie  sich 
von  denen  anderer  Jahre  nur  insoweit  unter- 
scheiden, als  sie,  wie  schon  bemerkt,  eine 
Reihe  von  Erzeugnissen  allerneuester  Gattung 
zur  Schau  bringt.  Eine  Anzahl  von  Malern 
tritt  uns  zum  ersten  Male  in  der  Secession 
entgegen,  die  zuvor  in  der  »Neuen  Secession  ; 
erschienen  und  nach  meinem  Empfinden  dort 
an  ihrem  angemesseneren  Platze  gewesen 
sind.  Die  Secession  fand  sich  bereit,  die  Male- 
reien E.  Burmesters,  K.  Schwalbachs,  J.  Hüthers, 
die  stark  skizzenhaft  gegebenen  Arbeiten 
H.  Völckers,  A.  Sohn-Rethels,  M.  Obermaiers, 
O.  van  Houts,  H.  Eberhards  und  andere  Un- 


FLUtRSTUN 
E„tivur/.    Ig/ 


fertigkeiten  bei  sich  zuzulassen.  Daß  unter 
diesen  Malereien  sich  auch  solche  befinden, 
welche  religiöse  Stofl"e  zum  Gegenstande  ihrer 
Versuche  machen,  sei  erwähnt,  um  es  grund- 
sätzlich zu  mißbilligen.  Ich  berühre  damit 
eine  Sache,  die  zu  den  am  wenigsten  erquick- 
lichen gehört.  Denn  die  Zunahme  von  Aus- 
stellungsobjekten, die  nach  Motiven  des  Glau- 
benslebens entstanden  sind,  steht  leider  nicht 
im  gleichen  Verhältnisse  zu  der  Würde  ihrer 
Auffassung.  Besonders  häufig  erscheint  der 
Gekreuzigte,  meist  unzu- 
länglich, zuweilen  auch  mit 
technischer  Meisterschaft 
behandelt,  aber  in  keinem 
Falle  als  Träger  und  Erreger 
religiöser  Gefühle.  Eine  in 
Tempera  ausgeführte  Kreu- 
zigungsgruppe F.  Naagers 
ist  die  umfangreichste  Male- 
rei dieser  Art.  Sie  zeigt,  wo- 
hin die  äußerliche  Erfassung 
eines  temperamentvollen 
Vorbildes  —  ich  meine  den 
Kruzifixus  von  Grünewalds 
Isen heimer  Altar  —  führen 
kann.  Auch  die  Plastik  bie- 
tet derartiges,  darunter  die 
von  W.  Gerstel  als  Ganzakt 
gegebene  bronzene  Statu- 
ette eines  »Propheten«,  viel- 
leicht Jonas,  der  einzig  für 
diese  Auffassung  paßte,  aber 
einer  würdigeren  Haltung 
bedurfte.  Von  demselben 
Bildhauer  ist  ein  »Toter 
Christus«,  zu  welchem  der 
'"  '^'  ^'"^  Anblick  der  bekannten  Gips- 
"'"     '  '  '   ■'  abgüssepompejanischerLei- 

chcn  die  Anregung  gege- 
ben zu  haben  scheint.  Von  den  Malereien 
ähnlichen  Inhaltes  gedenke  ich  der » Mystischen 
Krankenheilung«  und  der  »Kreuzigungsphan- 
tasie« A.  von  Kellers,  zweier  Werke,  deren 
Technik  man  bewundern,und  deren  Inhalt  man 
gänzlich  ablehnen  muß.  Das  gleiche  giltvonder 
»Kreuzigung«  und  noch  mehr  von  der  »Kreuz- 
abnahme .  F.  von  Stucks.  Daß  dieser  Künst- 
ler auch  zweimal  die  alttestamentliche  Susanna 
geschildert  hat,  kann  ebenfalls  nur  unter  dem 
Gesichtspunkte  der  malerischen  Vollendung 
anerkannt  werden;  die  Wirkung  bleibt  die 
einer  fühlbaren  Sinnlichkeit.  Eins  seiner  alten 
Themen  in  neuer  Fassung  behandelte  Stuck 
auch  in  dem  farbig  delikaten  Stücke  »Neben- 
buhler«, dem  Thema  Krieg  entrichtete  er 
seinen  Zoll  in  einer  an  blaugrünen  Akten 
reichen    Allegorie    »Feinde    ringsum;.    Von 


^  DIE  MÜNCHENER  SECESSION  ^ 


MAKTix  VON  m:l i:Ksri:ix 


/  'erl.,gs.i?:sl„ll  Be 


OBI-UKK    lEII.  DES  MARCiAKll  ABILDES  SEITE  ;i 


Werken,  die  religiöse  Gedanken  in  angemes- 
senerer Art  behandeln,  seien  einige  hervorge- 
hoben. So  Ch.  Landenbergers  »Kain«,  der 
nach  vollbrachtem  Brudermorde  enttlieht,  des- 
selben Künstlers  Studienkopf  Maria,  beson- 
ders aber  Becker-Gundahls  farbige  Studien  zu 
einer  Kreuzigung,  R.  Mauchs  schöner  Holz- 
schnitt Maria  Patrona  Bavariae. 

Zahlreich  und  zum  großen  Teil  auch  quali- 
tätvoll sind  die  ausgestellten  Bildnisse.  Ich 
erwähne  die  Damenporträts  des  Grafen  von 
Kalckreuth,  Knirrs  Darstellungen  seiner  Söhne, 
Pechel-Lösches  Selbstbildnis  mit  verbunde- 
nem Kopf,  Trübners  Bildnis  seines  Sohnes  in 
Rüstung,  H.  von  Habermanns  Selbstporträt, 
L.  Corinths  ausgezeichneten  Gerhard  Haupt- 
mann im  Interieur,  Werke  von  F.  Strobentz, 
C.  Hommel,  I-'.  Rhein,  H.  Spiro,  H.  Gröber. 
Obenan  stehen  die  sechs  von  L.Samberger  ge- 
zeigten Porträtwerke.  Das  Bildnis  S.M.König 
Ludwigs  III.  scheint  mir  in  seiner  Art  das  be- 
merkenswerteste. Unter  Verzicht  auf  jegliches 
Pathos,  ausgehend  auf  die  Wirklichkeit  der  Er- 
scheinung, umfaßt  es  die  Wahrheit  der  in  die- 
sem   großen   und   tiefen  Charakter  sich  ver- 


kündenden Idee.  Ein  Meisterwerk  ist  auch 
jedes  andere  der  ausgestellten  Samberger- 
Bildnisse,  besonders  hervorragend  das  tieffar- 
bige des  P.  Aschenbrenner  S.  J.  und  das  hell- 
tönige  Hans  von  Haveks.  Dazu  kommt  ein 
ebenfalls  hellfarbiges  und  doch  ganz  anders 
empfundenes  Porträt  Emanuel  von  Seidels, 
ein  in  kraftvollen  tiefen  Tönen  durchgeführtes 
Matthäus  Schiestls,  endlich  das  überaus  cha- 
rakteristische von  Richard  Winternitz.  Jedes 
verkündet  die  staunenswerte  Fähigkeit  Sam- 
bergers,  seine  Personen  im  Innersten  zu  be- 
obachten und  ihr  Äußeres  bei  sprechender 
Ähnlichkeit  als  die  einzig  mögliche  Ausdrucks- 
form ihrer  geistigen  Eigenart  klar  zu  machen. 
Mit  dieser  Fähigkeit  steht  Samberger  in  der 
ganzen  neueren  Kunst  vereinzelt  und  uner- 
reicht da.  Bedeutsames  leistet  auf  dem  Ge- 
biete des  Porträtfaches  auch  dieses  Mal  die 
Plastik.  Ich  nenne  die  Büsten  und  Medaillen 
von  B.  Elkan,  A.  von  Hildebrands  lebensvolle 
Büste  S.  K.  H.  des  Kronprinzen  Rupprecht  von 
Bayern,  L.  Kindlers  Prinzregenten  Luitpold, 
Ulfert  Janssens  in  grüner  Bronze  gegebene 
»Witwe«,  G.  Kolbes  charakteristisches  Herren 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN  DIE  HL.  MARGARITA 

Altarbild  für  die  Hnuikapelle  des  Frhr.  v.  Gezmen-WaUeck  in    Wien.  —    Text  S   6.    —    Mit  Genehmigung   der   l'irlagsanstalt 

Benziger  ^r'  Cf>  ,  A  -G  ,  Eiti%iedeln 


^  EINEM  TIROLER  BILDSCHNITZER  ZUM  GEDENKEN  ^ 


porträt,  die  vornehmen  Porträtplaketten  von 
E.  Eckart,  B.  Rungas'  u.  a.  E.  Kurz'  Büste  des 
t  Bildhauers  Floßmann,  H.  Schwegerles  Bild- 
nisleistungen, von  denen  besonders  die  Pla- 
kette Ludwigs  III.  hervorzuheben  ist.  Eine 
sinnige  tüchtige  Arbeit  ist  das  Relief  mit  den 
Bildnissen  des  Kunstmalers  Freiwirth  Lützow 
und  seiner  Gemahlin  von  Joseph  Faßnacht,  der 
auch  eine  von  S.  M.  dem  König  angekaufte 
Bronze  »Rabe  mit  Eidechse«  ausgestellt  hat. 
Die  Landschaft  ist,  wie  immer,  die  umfang- 
reichste Gruppe.  Felix  Bürgers  hat  drei  über- 
aus feine  Studien  ausgestellt,  von  denen  ein 
Abend  in  den  Bergen  genannt  sei.  L.  Dill 
bietet  zwei  seiner  typischen  Mooslandschaften, 
A.Faure  eine  nächtliche  Wirtshausszene  in  der 
Campagna,  starke  Wirkung  erreicht  O.  Graf 
mit  dem  Brande  einer  kleinen  italienischen 
Bergstadt.  A.  Lamm  zeigt  Jura-Landschaften, 
W.  Lehmann  farbenfrische  Studien  aus  dem 
Isartal,  Meyer-Basel  zartgegebene  Motive  von 
der  Insel  Reichenau  zur  Blütezeit  und  anderes. 
R.Pietzsch  malte  u.a.  die  Kirche  von  Harlachina: 


>Z_ 


i4€x-LiBRis :  D^'  Carl  Hommgll 


■1 


-  Jfeo&gy^ü'i' 


MARTIN-  VOK  FliUKUS  FEIN 


im  Herbst,  C.  Reiser  brachte  Impressionen  aus 
Florenz.  So  ist  die  Landschaft  samt  den  mit  ihr 
verwandten  Darstellungsgebieten  in  beachtens- 
werter Qualität  vertreten,  freilich  ohne  mit 
irgend  einer  Leistung  über  Gewohntes  hin- 
auszugehen. —  Interieurs  finden  sich  zum  Teil 
von  hoher  Vollendung.  So  zwei  koloristisch 
delikate  Stücke  von  Ch.  Vetter  und  ein  von 
Wolfl-Filseck  vorzüglich  gemaltes  Zimmer  mit 
Lichtreflexen  auf  einem  dunkel  glasierten  Ka- 
chelofen. J.  Kühn  jun.  schilderte  ein  paar  In- 
nenräume mit  Tischen  und  entwickelte  dabei 
den  Reiz  seines  perlmutterartigen  Kolorits. 
Nicht  minder  interessant  ist  eine  Reihe  von 
Stilleben.  So  malte  R.  Nissl  einen  lebhaft 
farbigen  Blumenstrauß  vor  einer  grauen  Gar- 
dine und  ein  zweites  ganz  ausgezeichnetes 
Stück  vor  dem  Hintergrunde  eines  weißen 
Vorhanges.  Auch  die  Blumenstücke  von  C. 
Piepho,  die  Stilleben  von  H.  Niestle  dürfen 
nicht  unerwähnt  bleiben. 

EINEM  TIROLER  BILD- 
SCHNITZER ZUM  GEDENKEN 

(Matthäus  Schies tl  sen.:   1834 — 1915) 

In  einer  bitterkalten  Februarnacht  vor  53  Jah- 
ren war  ich  zum  erstenmal  in  der  altehr- 
würdigen Bischofsstadt  gelandet ;  die  Nachtfahrt 
durch  den  Steigerwald  von  der  Donau  nord- 
wärts war  frostig  genug  gewesen,  im  Hotel 
»Zum  Schwanen«  war  frühmorgens  das  Wasser 
im  Waschbecken  eingefroren  und  im  glitzern- 
den Rauhreif  standen  die  Heiligenstatuen  auf 
der  alten  Mainbrücke  Würzburgs,  unter  deren 
Mauerquadern  die  Eisschollen  knirschend  vor- 
überttieben,  auf  dessen  Domtürme  die  Zinnen 
der  .Marienfeste  im  fahlen  Morgenscheine  her- 
niederschauten. Bei  Meister  Reublein  in  der 
alten  Brombachergasse  fand  ich  dann  duartier 
und  Bett  im  sonnigen  Mansardenstübchen,  in 
dessen  blankes  Giebelfenster  der  gotische  Turm 
der  lieblichen  Marienkapelle  herübergrüßte; 
nebenan  und  gegenüber  trieb  auf  ähnlichen 
»Buden«  Studentenulk  seine  üppigen  Blüten 
und  der  biedere  Gastgeb  im  Erdgeschosse  bot 
gerne  dem  Durstigen  kühlen  Trank.  Aber  in 
der  Mansarde  wucherte  nur  zu  bald  ein  Un- 
kräutlein —  das  Heimweh. 

Wohl  lockte  dann  die  Februarsonne  in  den 
folgenden  Wochen  an  manchem  freien  Nach- 
mittag zur  Streife  in  der  Umgebung,  übers 
Käppeli  hinüber  nach  dem  Höchbergerforst, 
wo  die  ersten  Frühlingsboten  blühten,  ins 
Nachbarstädtle  Heidingsfeld,  den  Steinberg 
liinauf  über  die  »Dürrbacher  Steige«  nach  dem 
Weineldorado  von  Unterdürrbach,  oder  ich 
schaute  —  einsam  —  vom  Galgenberg  im 
»Letzten  Hieb«,  wo  das  »Erzherzog-Karl-Zim- 
mer« vom  Siege  des  edlen  Habsburgers  über 
General  Jourdan  erzählt,  der  Sonne  nach,  wenn 
sie  liinter  den  Mauern  der  Feste  zur  Rüste 
ging.  Aber  das  Hennweh  blieb  und  auch 
der  »väterliche«  Rat  des  Chefs  fruchtete  nicht 
viel:  Gehn  sie  unter  Menschen!  Beim  » San- 
derbräu«  wurde  der  erste  Versuch  gemacht  auf 


23 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN 

EntwurJ  zu 


AUartildt.   —    Text  S.  6 


DER  HEILAND 


e^  EINEM  TIROLER  BILDSCHNITZER  ZUM  GEDENKEN  ^ 


vollgepropfter  Bank  mit  einem  Maßkrug  und  > Geschwol- 
lenen« (VV'ürsten)  zwisclien  ein  paar  Spießbürger  einge- 
keilt. Die  erste  Frage  an  den  Nachharn  zur  Recluen 
erntete  kurze  Ablehnung —  und  beim  Bruder  zur  Linken 
lautete  die  prägnante  Antwon  ebensovielsagend;  damit 
hatte  der  Tiroleibub  genug  und  flüchtete  wieder  auf  seine 
Mansardenstube,  wo  das  Heimweh  doch  halbwegs  durch 
traute  briefliche  Grüße  aus  den  Heimatbergen  und  aus 
der  lieben  Kaiserstadt  an  der  Donau  gemildert  wurde 
und  beim  stillen  Lampenhcht  Bergschildereien  Adolf 
Pichlers,  Zingerles  und  anderer  tirolischer  Schriftsteller 
über  manche  bange  Stunde  hinweghalfen:  sie  gaben 
dazumal  auch  den  ersten  Anstoß  zu  »Versuchen  der 
Feder«  —  und  so  manchesmal  brannte  über  Mitternacht 
hinaus  die  kleine  Öllampe 

All  das  und  ein  paar  gute  Kameraden  —  sonst  nur 
zur  Schwermut  stimmende  Ode,  bis  eines  Tages  Gottes 
Fügung  die  Schritte  hinlenkte  in  eine  echt  malerische 
>Rumpelkammers  die  offiziell  als  »Atelier«  bezeichnet 
wurde.  Da  arbeitete  zwischen  Holzblöcken  und  allem 
möglichen  sonstigen  Materiale  ein  Mann  im  groben  Ar- 
beitskittel, eine  untersetzte,  stämmige  Figur,  den  dichten 
Haarwald  und  Vollbart  bereits  leicht  meliert,  mit  klaren 
leuchtenden  Augen,  sein  Stemmeisen  und  Hammer  kräf- 
tig handhabend,  daß  die  Späne  nur  davon  stoben:  der 
geschäftliche  Auftrag  war  bald  entrichtet,  ein  Wort  gab 
das  andere,  man  kam  ins  Plaudern  —  ein  tirolischer 
Landsmann,  ein  Freund  war  gefunden  I  Wohl  nur  all- 
zuschnell verflog  die  erste  Stunde  —  wohltuender  Aus- 
sprache, allein  solches  kam  nun  öfter  und  der  iMittags- 
tisch  ward  oft  genug  gekürzt,  nur  um  bei  dem  ständig 
emsigen  Meister  ein  Stündlein  verplaudern  zu  können. 
Gab's  doch  so  Manches  da  zu  sehen  und  wanderten  doch 
gemeinsam  die  Gedanken  zurück  in  die  fernen  Tiroler- 
berge wo  auch  Matthäus  Schiestl  kein  Fremder  war  unter 
seinen  Zunftkollegen  Michel  Stolz,  Miller,  Trenkwalder 
und  anderen  Kunstjüngern. 

Am  schönsten  aber  waren  doch  die  Abende  am  Main- 
ufer, wo  die  schweren  Lastschiffe  im  Hafen  schaukelten, 
in  seiner  schlichten  Wohnung  oder  in  verborgenem  Win- 
kel iiTi  Kafiee  Strobl  wie  im  Dominikaner-Kaffee  usw., 
Letztgenanntes  mir  besonders  wert,  dieweil  ich  dort 
so  ganz  zufällig  die  Todesnachricht  meines  verehrten 
Professors  von  Kripp  gelesen:  wie  so  manches  andere 
Stück  Alt-Würzburg  sind  auch  diese  altgemütlichen  Gast- 
stätten inzwischen  zumeist  der  »Stadtverschönerung«  zum 
Opfer  gefallen  und  so  mancher  alte  Straßenname  hat 
einer  moderneren  Bezeichnung  weichen  müssen.  Für  die- 
ses Gedenken  sind  die  alten  Namen  bis  heutzutage  erhalten 
geblieben.  Auch  in  die  »Union«  führte  er  den  Fremd- 
ling ein,  wo  er  als  katholischer  Künstler  gerne  gesehe- 
ner Stammgast  war :  Hettinger,  Stamminger,  Schanz  u.a.m. 
waren  da  die  tonangebenden  Teilnehmer  der  allerdings 
verhältnismäßig  kleinen  Tafelrunde.  Und  auf  dem  Heim- 
gang in  stiller  Nacht  gahs  dann  immer  noch  einen  froh- 
gemütlichen Gedankenaustausch  gespickt  mit  Tiroler 
Reminiszenzen  in  einem  der  schon  genannten  »verschwie- 
genen Winkel«  —  oft  genug  bis  über  die  mitternächtige 
Stunde.  Das  ging  nun  so  etliche  Wochen  fort  und  dieser 
ständige  Verkehr  mit  einem  biederen  Landsmann,  der 
freundlich  und  gefällig  in  jeder  Hinsicht  schon  durch 
sein  gottesfürchtiges  Beispiel  auf  ein  jugendliches  Herz 
einwirken  mußte,  scheuchte  allgemach  die  Schatten,  so 
daß  auch  der  Frühlingsonnenschein  belebenderen  Ein- 
druck machte  trotz  der  braungefärbten  Rebengelände  und 
den  »gugelhupfförmigen  Bergen«  des  Maintales.  Und 
dann  kam  im  Märzen  die  Einberufung  zur  Militärpflicht, 
mit  ihr  das  Scheiden  aus  der  Frankenstadt  und  zugleich 
der  Abschied  von  einer  wahren  Künstlerseele,  einem 
väterlichen  Freunde:  nicht  mehr  habe  ich  seitdem  ihn 
gesprochen,  allein  die  Erinnerung  an  ihn  ist  in  treuem 
Herzen    bewahrt    geblieben,    denn    solch     edle    Seele 


konnte  nur  guten  Samen  ausstreuen.  Die  Nachricht,  daß 
der  alte  Freund  aus  langverschwundener  Zeit  heimge- 
gangen, hat  das  Erinnern  an  stille  Wochen  aufs  neue 
geweckt  und  Vater  Schiestl,  dessen  kunstfleissige  Söhne 
dazumal  noch  Bürschlein  waren,  steht  wieder  lebendig  vor 
meinen  Augen.  Matthäus  Schiestl  ward  am  5,  August 
1834  zu  Obergreider  bei  Hippach  im  Zillertal  (Tirol) 
geboren,  erhielt  bei  Krontaler  in  Kufstein  die  erste  Lehre 
in  der  Bildhauerei  und  zog  nach  verschiedenen  Wander- 
jahren nach  München,  wo  er  bei  G.  Gabi,  M.  Schmidt 
u.  a.  vielfache  Anregung  empfing.  186;  kam  der  tüch- 
tige Bildschnitzer,  nachdem  er  ein  paar  Jährlein  zu  Salz- 
burg gesessen  und  dort  seinem  Landsmann  Bildhauer 
Johannes  Piger  den  Weg  geebnet  hatte,  nach  ^\'ürzburg, 
das  ihm  im  Laufe  der  lahre  zur  zweiten  Heimat  geworden. 
Von  dort  lieferte  er  zahlreiche  Werke  seines  Meiseis  in  alle 
Welt  hinaus.  Viele  Schöpfungen  aus  seiner  Hand  schmük- 
ken  Kapellen  und  Kirchen  des  gesamten  Frankenlandes, 
darunter  z.  B.  die  originellen  Altar-  und  Stationswerke  der 
romanischen  Adalberokirche  in  der  Sanderau (Würzburg); 
vieles  ging  ins  Ausland,  auch  nach  Österreich  und  Ungarn. 
Prächtige  Figuren  —  namentlich  männliche  Gestalten 
manchmal  bis  zu  Überlebensgroße  waren  sein  Fach  — 
waren  beredte  Zeugen  seiner  Tüchtigkeit,  wobei  er  zumeist 
mit  besonderer  Aufmerksamkeit  auch  die  dezente  Poly- 
chromierung  der  großen  wie  kleinen  Figuren  mit  außer- 
ordentlicher Liebe  selbst  besorgte.  Das  Schnitzen  von 
Krippen-Darstellungen  zählte  zu  seinen  Lieblingsbeschäf- 
tigungen. Er  war,  wie  mit  Recht  ein  Würzburger-Lokal- 
blatt von  ihm  rühmte,  »der  Tvp  eines  altbewährten 
tüchtigen  Tiroler  Holzschnitzers;  namentlich  seine  Kir- 
chenkunst-Schöpfungen, z.  B.  Kruzifixe  usw.,  waren  Ar- 
beiten, die  von  künstlerischem  Empfinden  und  trefllicher 
Tradition  zeugten  .  Dabei  scheute  der  Künstler  keine 
Opfer  an  Zeit  und  Mühe,  wenn  es  galt,  irgend  ein  gutes 
Werk  zu  fördern  und  stellte  sich  freudig  in  den  Dienst 
der  christlichen  Charitas;  oft  genug  haben  bei  Auffüh- 
rungen von  Oratorien  und  verschiedenen  Wohltätigkeits- 
veranstaltungen von  Schiestl  gestellte  »lebende  Bilder': 
wesentlichen  Anteil  am  Erfolge  gehabt.  Zählte  er  doch 
zu  denen,  für  die  des  Evangelisten  Wort  galt:  »Selig  die 
Friedsamen,  sie  werden  Kinder  Gottes  genannt  werden«. 

Unermüdlich  schaffend  bis  ins  hohe  Alter  lebte  er 
nur  seiner  Kunst  und  seiner  Familie,  und  das  bereits 
erwälmte  Würzburgerblatt  bemerkt  noch  hiezu:»Hier 
war  der  alte  Schiestl  mit  seinem  von  weißem  Bart  um- 
rahmten Charakterkopf  eine  allgemein  bekannte  Persön- 
lichkeit. Hochgeachtet  war  er  wegen  seines  biederen, 
gutherzigen  Charakters,  seiner  innigen  Frömmigkeit  und 
Schlichtheit  des  Wesens«.  So  erzog  er  auch  seine  drei 
Söhne,  in  deren  Schaffen  sich  alttirolische  Überlieferung 
mit  fränkischer  Volkskunst  zu  eigenartiger  Vereinigung 
mischt;  der  .\lteste,  Heinz  ist  seines  Vaters  Erbe,  Pro- 
fessor Maler  Matthäus  Schiestl  wirkt  in  München,  Pro- 
fessor Rudolf  Schiestl  an  der  Kunstgewerbeschule  von 
Nürnberg. 

Erst  in  späteren  Jahren  gönnte  er  sich  alljährlich 
einige  Wochen  der  Ruhe  und  Erholung  im  gemütlichen 
Künstlerhäuschen  seiner  Söhne  auf  dem  Schwendberg 
im  geliebten  Zillertale,  wohin  es  ihn  mit  allen  Fasern 
seines  Herzens  immer  wieder  zog;  er  sollte  diese  Be- 
haglichkeit nicht  allzulange  genießen.  Im  verflossenen 
Winter  übersiedelte  Schiestl  zu  seiner  einzigen  verhei- 
rateten Tochter  nach  Sendelbach  a.  M.,  wo  er  nach  kur- 
zem Krankenlager  am  11.  März  d.  J.  selig  in  Gott  ver- 
schied; unter  großer  Beteiligung  der  dortigen  Einw'ohner- 
schaft,  zahlreicher  Freunde  usw.  bettete  man  ihn  hier 
am  Ortsiriedhofe  zur  letzten  Ruhe.  Seine  Werke  sichern 
ihm  ein  stetes  ehrendes  und  unvergängliches  Andenken. 

So  seien  diese  kurzen  Zeilen  dem  Heimgegangenen 
Gruß  eines  dankbaren  Herzens  aus  der  fernen  Berghei- 
mat.    R.   L   P.  Heinz  V.  Wörndle,  Innsbruck 


GROSSE  BERLINER  KUNSTAUSSTELLUNG  1915 


25 


MARTIN  VON   FEI  liKSTlilX 


MAKIA    lli;iMSUCHUXG 


Aus  d,m   K.-trIm 


GROSSE  BERLINER  KUNST- 
AUSSTELLUNG 191 5 

Von  Dr.  Hans  Schmidkunz  (Berlin-Halensee) 

VY/ährend  sonst  der  »große«  Berliner  Kunstmarkt  die 
öden  Räume  am  Lehrter  Bahnhof  mit  kaum  über- 
schaubaren Massen  füllte,  hat  er  sicli  diesmal,  kriegs- 
bedrängt, mit  einem  kleineren  Vorrat  in  die  freundlichen 
Gemächer  der  Kgl.  Akademie  der  Künste  am  Pariser 
Platz  geflüchtet  und  dort  seine  Schau  nacheinander  in 
Hälften  von  Mai  bis  Juli  und  von  August  bis  Oktober 
gebracht. 

Der  Ausschluß  fremdländischer  Gäste  legt  nun  wie- 
der die  heikle  Frage  nahe,  ob  und  wie  hier  ein  Gesamt- 
charakter von  spezifisch  deutscher  Kunst  zu  erkennen 
sei.  Erschwert  wird  eine  solche  Erkenntnis  dadurch,  daß 
diesmal  auch  Deutsches  außerhalb  Berlins  nur  wenig  — 
am  meisten  noch  aus  Düsseldorf — gekommen  ist,  und 
daß  sich  kaum  etwas  Abstoßendes,  doch  auch  nur  wenig 
Packendes  eingefunden  hat. 

Immerhin  mögen  alte  Kennzeichnungen  wiederum 
versucht  werden:  natürlicher  Gegenstandssinn  an  Stelle 
von  Stilisierungskünsten,  Malerei  des  > festen  Blickes« 
und  der  kräftigen  Zeichnung  statt  eines  Auflösens  in 
Erscheinungskünste,  Naturstimmung  statt  Oberfiächen- 
kunst.  Wie  wenig  Verlaß  auf  solche  Angaben  ist,  leuch- 
tet bald  ein.  Am  ehesten  lenken  sie  zu  einem  Vorzug 
der  Landschaftsmalerei  sowie  zu  ihrer  poetischen  Seite; 


und  viel  Landschaft  mit  mancher  Märchenstimmung  ist 
denn  in  der  Tat  vorhanden. 

Für  Religiöses  fällt  wieder  nicht  viel  ab.  Von  E.  von 
Gebhardt  hatten  wir  hierin  den  letzten  Jaliren  genug, 
um  ihn  würdigen  zu  können;  trotzdem  überraschen  die 
jetzt  ausgestellten  Gemälde  von  ihm  —  die  Beispiele  des 
physiognomischen  Ausdrucks  wie  >Das  kananäische 
Weib«  noch  mehr  als  die  der  Szenenkomposition  wie 
>Pelri  Verleugnung«.  Eigenartig  ist  der  Anklang  an  Bibli- 
sches in  F.  Paczkas  »Zwei  Müttern«:  eine  Frau  in 
moderner  Frauenkleidung  weint  ihren  Schmerz  aus  an 
der  Brust  einer  anderen  Frau  die  durch  ihre  Physio- 
gnomie und  zeitlosere  Kleidung  als  Gottesmutter  gedeu- 
tet werden  kann.  Angereiht  seien  hier  gleich  zwei  an- 
dere Bilder  vom  Schmerz  über  einen  Kriegsgefallenen: 
das  Aquarell  vonO.  Höppner  »Der  Sohn«,  das  in  sei- 
ner Darstellung  der  an  der  Bahre  des  Gefallenen  trau- 
ernden Eltern  einen  trefflichen  Ausdruck  von  Schlicht- 
heit gibt,  und  die  üppige  Malerei  von  P.  Barthel  »Der 
Einzige«,  die  einen  Vater  im  Prunkgemach  zeigt,  einsam 
versunken  in  Trauer  vor  dem  Andenken  an  den  Sohn. 

Zu  den  religiösen  Motiven  zurückkehrend,  finden  wir 
zwei  biblische  Wanderszenen.  Die  »Flucht  nach  Ägyp- 
ten« von  P.  Harnisch,  ein  wenig  an  Böcklins  »Das 
Maultier  sucht  im  Nebel«  usw.  erinnernd,  zeigt  mit  viel 
Farben-  und  Lichtwirkungen  die  lieilige  Familie,  wie  sie, 
geführt  von  einem  Engel,  einen  Steg  über  einer  Schlucht 
überschreitet.  Ebenfalls  vorwiegend  landschaftlich  ge- 
dacht ist  »Die  Heimkehr  vom  Tempel«  von  F.  Schütz. 
Einen  guten  Anlauf  beeinträchtigt  W.  Pape  in   seinem 


Die  christliche  Ku; 


26 


GROSSE  BERLINER  KUNSTAUSSTELLUNG  1915 


M.  V.  TEUERSTEIX 

Tixt  S.  9 
Mif  Geitehtnigufig  der   l'erlaffsanstall  Benziger  i^  Co 


AVE  MARIA 


A.'G,,  Ehisiedetn 


»Du  aber  bleibest« :  Christus  im  Grab,  Maria 
an  ilim  hingesunken,  zu  den  Seiten  ein  Vor- 
hang, gehalten  von  einer  weibhchen  und  einer 
geharnischten  männlichen  Gestalt,  dazu  Licht- 
wirkungen .  .  . 

Mit  der  Inschrift  »Emporgestiegen  ist  der 
Tod  in  unser  Fenster,  eingegangen  in  unsere 
Paläste«  stellt  H.  Frobenius  in  einer  Neben- 
einanderreihung  schmerzvoller  Gestalten  »Die 
Klage«  dar  —  mehr  Absicht  als  Wirkung. 
Lieber  verweilt  man  bei  den  Kirchenszenen; 
H.  Kohlscliein  malt  unter  dem  Titel  »Die 
Moselbauern«  zwei  kernige  Gestalten  in  einem 
Kircheninterieur,  dessen  Hintergrund  impressio- 
nistische Künste  zeigt;  und  M.  Rabes  entfaltet 
seine  efiektvolle  Weise  im  »Gottesdienst  in 
der  zerstörten  Kirche  in  Lyck«.  Ein  Kruzifix 
gibt  einer  Hügellandschaft  mit  verstreuten  Lei- 
chen Stimmung  in  H.  Köckes  »Nach  der 
Schlacht«. 

An  Kriegsbildern  war  sonst  nicht  viel  gekom- 
men. Unter  den  maritimen  mag  H.  Bohrdts 
Tempera  »Torpediert«  erwähnt  sein. 

Eher  als  in  einem  Ideenporträt  »Deutsche 
Hoffnung«  von  F.  Burger  ist  deutsche  Art 
anderswo  zu  finden.  So  etwa  in  A.  Härtens 
waldig-lauschiger  >  Osterfeier«  oder  in  H.H  e  n  d- 
richs  rotglühendem  »Gralswunder  aus  Parsi- 
fal«  oder  in  W.  Firles  »Torfarbeiter«  oder 
besonders  in  der  gut  eindrucksvollen  und  mit 
Recht  bereits  beliebt  gewordenen  »Friesischen 
Braut«  von  O.  H.Engel.  Auch  F.  Stassens 
»Im  Paradies«  mag  hier  erwähnt  sein:  vor 
einer  Mutter  mit  Kind  spielt  ein  alter  König 
die  Harfe,  und  Engel  schweben  darüber  herab; 
das  Ganze  in  der  bündig  bestimmten  Vortrags- 
weise dieses  Künstlers.  »Frühhng«  von  H.  Lan- 
den berger  verringert  den  gut  poetischen 
Eindruck  einer  Landschaft,  die  durcli  eine  blu- 
mentragende weibliche  Gestalt  als  Raumschie- 
ber übersclinitten  wird,  durch  deren  weniger 
eindrucksvollen  Gesichtsausdruck;  und  eine 
räumlich  analoge  Koni  position  von  J.  S  c  h  m  u  z- 
Baudiss  »Bildnis«  wirkt  am  ehesten  durch 
saftige  Farben  und  virtuose  Farbenübergänge, 
an  die  keramische  Tätigkeit  des  Künstlers  er- 
innernd. 

.\uch  im  übrigen  ist  mit  der  malerischen 
l'orträtkunst  nicht  viel  los;  Farbeneindrücke 
herrschen  vor;  oder  man  merkt  wieder  die 
Absicht  wie  etwa  in  W.  Geffckens  sonst  gut 
fröhlich  gestimmtem  großem  Gruppenbild  »Aus 
dem  Kreise  der  Zwanglosen«,  das  in  kleinerem 
Format  wohl  günstiger  wirken  würde.  Am 
anziehendsten  ist  vielleicht  das  Jünglingsbild- 
nis von  H.  Looschen,  das  mit  seinen  fast 
nur  grauen  Tönen  doch  lebhaft  farbig  wirkt. 

Als  Tierdarsteller  in  landschaftlichem  Rah- 
men finden  wir  u.  a.  wieder  den  nun  ver- 
storbenen O.  Frenze!  (»Im  Herbstwald«,  mit 
hübschen  Lichtreflexen)  und  den  jüngeren,  uns 
seit  einigen  .\usstellungen  sympathisch  bekann- 
ten H.  Schmidt  (^Steinadlerpaar«). 

Stilleben  und  Innenräume  wiedeiholcn 
gleichfalls  Bekanntes.  Zum  Verweilen  laden  am 
ehesten  ein  die  »Antiken  Gläser«  eineranschei- 
nend jüngeren  Malerin  A.  Herrniann  und  ganz 
besonders  die  »Stube  in  Vierlanden«  des  sinni- 
gen Altmeisters  R.  Eichstaedt:  an  diesem 
Hereintluten  des  Lichtes  durch  die  Gardinen 
auf  einen  Eßtisch  würde  ein  Menzel  wohl 
seine  helle  Freude  gehabt  haben. 


©^  GROSSE  BERLINER  KUNSTAUSSTELLUNG  191 5  ^ 


27 


Nun  wieder  die  Fülle  der  Landschaften  und 
die  Hoffnung,  ihnen  das  eigenllich  Deutsche 
abzulauschen  I  Gilt  es  Märchenstimniung,  so 
steht  O.  Modersohn  mit  der  überzeugenden 
Forniensprache  seines  «Herbst  im  Moor«  und 
seines  »Im  Sommer«  voran;  wie  aus  dem  letz- 
teren Bilde  vor  den  Schafen  und  Bäumen  usw. 
die  kleine  Hirtin  herausblickt  —  diese  Heiniat- 
kunst  nimmt  uns  kein  Fremder  weg  und 
ersetzt  uns  kein  Oberflächensport.  Ein  Mär- 
chengeist waltet  auch  über  W.  Feldmanns 
>Der  Steg«  (Mondaufgang). 

Die  grünen  Acker  an  den  roten  Häuschen 
inmitten  welliger  Hügel  nennt  Elsa  Genest- 
Arndt  wohl  mit  Recht  »Deutsches  Land«. 
Fast  bis  zu  geometrischen  Formen  geht  die 
feste  Zeichnung  in  F.  Türckes  »Abend  in  der 
Rhön«:  flächenhaft,  mit  wenigen,  aber  gut 
wirkenden  Farben,  zeigt  sie  sich  im  »Blick  auf 
den  Hohenstein,  Franken«  von  W.  Ter  Hell; 
und  mit  einer  stimmungsvollen  Verbindung 
von  Einheitlichkeit  und  Mannigfaltigkeit  spricht 
sie  aus  dem  »Kanal  in  Flandern«  von  A.  Scher- 
ves.  Stille  Waldesstimmung  gibt  G.  Hol- 
steins »Ruhige  Waldecke  am  Venu«  sowie 
O.  Thieles  »Agnetendorf  im  Riesengebirge«. 

Altbekannte  bringen  weitere  Beispiele  ihres 
Könnens.  So  E.  Bracht  mit  dem  Glanz  seines 
»Sonnenuntergangs  im  Winter«.  So  der  dies- 
malige Austellungspräsident  C.Langhammer 
mit  seinem  kräftig  hellen  »Maienglühen  im 
Buchenwald«.  So  K.  Heffner  mit  seiner  einen 
Kanal  darstellenden  -Landschaft« ;  dann  G.  M. 
Meinzolt  mit  einem  »Hochsommer«,  K.  Lei- 
pold  mit  Sturmbildern  aus  Venedig,  R.  Kai- 
ser mit  seinem  vom  Nahen  ins  Ferne  führen- 
den Gemälde  »Das  Schalkenmehren-Maar  in 
derEifel«,  E.  Erler  mit  seinem  Hochalpenbild 
»Letzte  Mahd«,  E.  Kolbe  mit  einem  stini- 
mungsreichen  »Tauenden  Bachs.  Die  alte 
Weise  von  A.  Schlabitz  (Tempera  »Reith 
in  Tirol«)  findet  kaum  irgendwo  einen  sie 
kränkenden  sezessionistischen  Gegensatz,  etwa 
ausgenommen  die  starken  Farben  im  »Herbst 
auf  dem  Hunsrück«  von  E.  Rentsch.  Eine 
frische  Künstlerkraft  lernen  wir  kennen  in 
F.Lindau,  dessen  Gemälde  »Am  Wasser« 
mit  einfachen  lockeren  Formen  weite  Flächen 
gut  anscliaulich  macht. 

Aus  Städtebildern  Eindrücke  zu  gewinnen 
bemühen  sich  H.  Hartig,  der  die  Wucht  mär- 
kischer Architektur  mit  seinem  »St.  Marien  in 
Prenzlau«  ausprägt,  und  L.  Lej eune,  dessen 
»Häuser  vom  Bach«  wieder  den  Charakterzug 
des  Festen,  Bündigen  tragen. 

Die  Architektur  fehlt  diesmal  ganz,  und  die 
Graphik,  in  der  sonst  die  Berliner  von  der 
»Großen«  wohl  ihr  Bestes  geben,  kommt 
spärlich  und  fast  ohne  den  Ehrgeiz  technischer 
Besonderheiten.  Gerade  noch  der  farbige  Holz- 
schnitt erweckt  Aufmerksamkeit:  einfach  und 
wirkungsvoll  erscheint  C.  A.  Brendels  »Der 
verlorene  Sohn« ;  daneben  seien  Blumenstücke 
von  E.  Consent  ins  und  J.  Metzner  sowie 
der  Schwarzweiß-Schnitt  »ImZirkus«  von  P. 
Kuhfuß  genannt.  Zur  Radierung,  in  der 
u.  a.  M.  Fingesten  ein  Kriegsschauerbild 
»Die  Pflüger«  und  L.  Schnell  ein  stilles 
märkisches  Landschaftsbild  »An  der  krummen 
Lanke«  bringt,  kommt  wieder  der  weiche  Reiz 
der  Kaltnadel  in  »Wäscherin  bei  der  Arbeit« 
von  Elsb.  Siemers  und   besonders   das  mit 


.  FEUERSTEIN 


.^XCII,L.\  DOMINI 


I^Iit  Genehjnignitg  der   l'eylagsajistalt  Benziger  ^  Co.,  A.-G.,   F.tnsiedeln 


28 


^  GROSSE  BERLINER  KUNSTAUSSTELLUNG  191 5  ®^ 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN' 

Text  S.  14.  —  Mit  Gem-hmigi. 


GEBURT  CHRISTI 


■  der   Verlagsaiistalt  Bc-nzi^ 


'  Co.,  A.-G.,   Einsiedeln 


wenigen  Strichen  charaliteristisch  darstellende  Bildnis 
»Der  amerikanische  Radierer  Josef  Pennell«  von  P.  Herr- 
mann (der  selbst  in  zwei  tüchtigen  Porträts  dargestellt 
ist:  einem  gemalten  von  G.  L.  Meyn  und  einem  plasti- 
schen von  M.  Schau ß). 

Die  Lithographie  fällt  lediglich  auf  in  einer  Mono- 
typie  von  A.  Roegels  »Im  Park«  und  dann  in  einer 
achtgliederigen  Serie  von  J.Teich  mann:  mit  bräun- 
licher Tönung  sind  da  jugendliche  Mädchenkörper  in 
Gruppen  zusammengestellt,  welche  Ausdrucksszenen  wie 
»Die  Hingerissenen«,  »Die  Andächtigen«  usw.  vorführen 
—  verdienstlich  durch  ein  Streben  nach  seelischer  Sprache, 
doch  bald  durch  Hinförmigkcit  und  Pathos   ermüdend. 

Aus  der  Plastik  seien  Plaketten  vornweggenommen. 
Vor  allem  A.  Seilers  »Madonna« :  Flächen  und  Linien, 
plastische  und  malerische  Haltung  vereinigen  sich  zu 
einer  lieblichen  Darstellung,  der  eine  weite  Aufmerksam- 
keh  gewünscht  werden  darf  Mit  scharfer  Linienführung 


modelliert  C.  O  tt  eine  >St.  Barbara« ;  Kriegsszenen  kom- 
men von  F.Schenkel  mit  antikisierenden  und  von 
E.Müller-Erfurt  mit  modernen  Gestalten. 

Die  Großplastik  ist  nur  in  wenigen  Stücken  vertreten, 
darunter  jedoch  mit  einer  Meisterleistung  der  Ausdrucks- 
und Bewegungskunst:  F.  Dorrenbachs  »Der  Mönch 
Walter  Dodde  in  der  Schlacht  bei  Worringen«.  Ein 
»Relief  zur  Erinnerung  an  1914  — 1913.  Gips-Steintönung« 
von  B.Wendel  mit  der  Unterschrift  »Der  Wille  siegt« 
stellt  in  rundlicher  Linienfülirung  mit  bündiger  Ge- 
schlossenheit die  Bezwingung  eines  Ungeheuers  dar, 
das  auf  eine  Frau  mit  Kind  losgestürzt  war.  Mehr  pathos- 
haft ist  wieder  das  fast  vollplastische  Relief  von  J.  Som- 
mer »Der  deutsche  Michel  1914«  mit  einer  stürmenden 
Bewegung. 

Bildnisbüsten  könnten  noch  zum  Verweilen  reizen ;  so 
R.  B  o  e  1 1  zi  gs  » Herr  Hans  Rochus  von  Rochow-Reckahn « 
(ein  Nachkomme  des  vielgenannten  Pädagogen). 


^  GROSSE  BERLINER  KUNSTAUSSTELLUNG  1915 


29 


MARTIN  VON  FEUERSTEIN 

Text  S.  14-  —  Mit  Genchn 


GEISSELUNG 


^iitig  der  Verlugsatistalt  Benziga 


A.-G.,  Einsiedebt 


Die  Kleinplastik  enthält  diesmal  einige  Überschrei- 
tungen des  Tanzerinnen-und  Bären -Niveaus  der  typi- 
schen Ausstellungen.  Die  poljxhrome  Holzstatuette  von 
A.  Hoffmann  »Zum  Rhein«  ist  in  der  Schlichtheit,  mit 
der  sie  einen  marschierenden  und  singenden  Krieger 
darstellt,  echter  gefühlt  als  G.  Cassels  unfarbige  Holz- 
plastik »Die  Fahne«.  Gute  Holzkunst  erscheint  auch  in 
dem  Liebespaar,  das  K.  Jerman  »Weltenfern«  nennt; 
und  ein  gelungenes  Charakterstückchen  in  Holz  ist 
H.  Arnheims  »Stiefelputzer«.  Die  Bronze-Kleinkunst  er- 
freut am  ehesten  in  einer  »Schäferin«  von  O.  Placzek 
und  besonders  einem  »Geigenspieler«  von  W.  Schulze- 
T  h  e  w  i  s. 

Bald  nach  Schluß  der  ersten  Abteilung  des  diesmali- 
gen verkleinerten  Jahrmarktes  der  Berliner  Kunst  wurde 
seine  zweite  Abteilung  eröffnet  (15.  August  bis  Ende 
Oktober).  Sie  bietet  nicht  viel  Neues  gegenüber  den 
früheren  Berliner  »Großen«   und   noch  weniger  gegen- 


über jener  ersten  Abteilung.  So  laßt  sich  wieder  man- 
ches Gute  übergehen,  das  nur  eben  Bekanntes  fortsetzt. 
.-Vuch  für  eine  spezifisch  christliche  Kunst  fällt  nament- 
lich in  der  Malerei  nur  wenig  ab.  Des  altangesehenen 
Stuttgarters  Chr.  Speyer  Temperabild  sFlucht  nach 
Ägypten'!,  an  Archaistisches  aus  Secessionon  erinnernd, 
bietet  hauptsächlich  einen  Landschaftsblick  in  ein  Tal 
hinab  von  einer  Höhe  aus,  auf  der  die  heiligen  Ge- 
stalten im  Abendlicht  weiterziehen.  Schlicht  und  innig 
stellt  O.  Popp  unter  dem  Titel  »Leid«  den  verlorenen 
Sohn  als  Schweinehirten  dar.  Ein  Spiel  von  Grün-  und 
Rotklecksen  ist  W.  Blankes  »Prozession«.  Ansichten 
aus  Kirchengebäuden  sind  ausgestellt  von  W.  Beck- 
mann (»Aus  der  Marienkirche  in  Lübeck«),  von  O. 
Schmidt-Cassella  (»Alte  Kirche  auf  Walcheren«) 
und  besonders  gut  von  \V.  Lucas  (»Franziskanerkirche 
in  Paderborns)  sowie  von  Grete  Waldau  (»In  einer 
schlesischen   Kitclie«  :. 


es^  GROSSE  BERLINER  KUNSTAUSSTELLUNG  191 5  ©^ 


MARTIX   VÜ\ 


Um  die  Monumenlalmalerei  einigermaßen  zu  retten, 
ist  ein  wandgerechtes  Temperabild  von  O.  iMarcus 
da:  »Kosaken  zerstören  Scliöneberg  im  Siebenjährigen 
Kriege«;  in  seine  etwas  scharf  kräftigen  Züge  des  phv- 
siognomischen  Ausdrucks  lebt  sich  der  Beschauer  all- 
mählich hinein.  Dem  gegenwärtigen  Krieg  ist  das  Ge- 
mälde von  A.  Otto  »Die  beiden  Brüder<  gewidmet: 
vor  einer  brennenden  Mühle  betrauert  der  eine  Krieger 
still  den  Gefallenen. 

Unter  den  übrigen  Szenenbildern  ragt  äußerlich  das 
umfangreiche  Triptychon  »Der  Arbeiten  von  W.  Firle 
hervor;  man  ist  aber  baß  verwundert,  von  diesem  fein- 
sinnigen Künstler  ein  so  sehr  durch  aufdringliche  Ab- 
sicht störendes  Werk  zu  sehen,  und  freut  sich  um  so 
mehr  einiger  kleinerer  und  einfacherer  Kompositionen: 
so  des  fast  Oberländerschen  Temperabildes  »Beim  Ein- 
siedler« von  E.  Reimer  und  der  fast  Waldmüllerschen 
»Wandermusikanten«   von  M.  Schaefer. 

Was  wir  neulicli  als  spezifisch  deutsch  zu  kennzeichnen 
versuchten,  tritt  etwa  in  Th.  Winters  »Walther  von  der 
Vogelweide«  hervor,  allerdings  abgesehen  von  etwas 
unbeholfener  Zeichnung  und  Farbe;  und  es  ist  erfreu- 
lich, daß  dem  nämlichen  Thema  in  ähnlicher,  doch  in 
mehr   heiterer    als   ernster   und    mehr    gemütlicher    als 


herber  Weise  ein  Farbenholzschnitt  von  C.A.Brendel 
gilt.  Die  Wandmalereiweise  von  S.  Lucius  findet  sich 
in  dem  Gemälde  »Die  Gefährten«  wieder.  Eine  origi- 
nelle Auffassung  hat  das  Temperabild  sNausikaa«  (mit 
dem  verwilderten  Odysseus)  von  A.  Hoff  mann  von 
Vestenhof  zu  einer  lebhaft  bewegten  Szene  gemacht. 

Ein  hübsches  »Bairisches  B.iuernmädchen«  von 
H.Groehcr  leitet  uns  zu  den  bildnisähnlichen  und  den 
eigentlich  porträtierenden  Gemälden  hinüber.  Derersteren 
Art  gehört  P.  Plontkes  »Tischgesellschaft«  an,  die 
einen  bevorzugten  Platz  und  auch  sonstige  Gunst  gefun- 
den hat;  der  Künstler  scheint  aber  doch  noch  ein 
tiefergehendes  Können  als  das  in  diesen  vier  Figuren 
Entfaltete  zu  besitzen. 

Neben  Bildnissen  berühmter  Generale  von  heute  — 
an  denen  besonders  G.  L.  Meyn  und  Fr.  Triebsch 
ihre  Kunst  zeigen  —  entgeht  das  liebliche  Porträt 
H.  Seegers  »Meine Tochter«  leicht  der  Aufmerksamkeit. 
Außerdem  verdienen  Beachtung  noch  die  Männerpor- 
träts von  R.  Fuhrv  und  Heia  Peters  sowie  die 
Frauenporträls  von  F.  Encke  und  W.  Geffcken; 
das  letztere  gilt  unter  dem  Titel  »Porträt  der  Schau- 
spielerin Frau  R.  als  »Zarin«  eine  zugleich  physiogno- 
mische  und  (rot-) farbige  Studie. 


^^  GROSSE  BERLINER  KUNSTAUSSTELLUNG   1915  ^a 


31 


MARTIN-  VON  FEUERSTEIN 


VOM  KRIEGE 


Auf  Reichtum  und  Kraft  der  Farben  richtet  sich  im 
übrigen  auch  diesmal  wenig  Interesse,  etwa  ausgenom- 
men die  üppige  Interieurdarstellung  P.  Bartels  >Die 
grüne  Decke«,  die  Landschaften  »Scheidende  Sonne« 
von  J.  R  heder  und  »Moor«  von  H.  Rüter,  sowie 
die  besonders  leuchtend  farbigen  Aquarelle  »Herbst  auf 
dem  Hunsrück«  und  »Herbstbäume«  von  E.  Rentsch. 
Ein  Farbenspiel  von  Weiß,  Blau  und  Grün  ist  R.  Kohtz' 
»Krieger  im  Frühling«. 

Zu  den  übrigen  Landschaften  sind  auch  zwei  Szenen- 
bilder zu  zählen:  der  Weihnachtsbesuch«  vonFr.  Hoff- 
mann-Fallersleben  und  die  »Bergeinsamkeit«  — 
durcli  einen  männlichen  Akt  mit  Pferd  belebt  —  von 
Fr.  M  ü  1 1  e  r  ■  M  ü  n  s  t  e  r.  Beide  Werke  führen  uns  gleich- 
falls wieder  in  die  Kunstweise  ein,  der  man  deutsche 
Besonderheit  nachrühmen  kann.  Dem  norddeutschen 
Landschaftcharakter  suchen  u.  a.  H.  Licht  und  P.Vor- 
gang gerecht  zu  werden:  jener  unter  dem  Titel  »Nord- 
deutscher See  am  .\bend«,  dieser  mit  einem  »Märki- 
schen Waldsee«.  Eine  fast  geometrisch  arbeitende  stim- 
mungsvolle Flächenkunst  in  dem  »Bauernland«  von  A. 
Weczerzick  kontrastiert  mit  dem  Schleierhaften,  das 
durch  die  Darstellung  feuchter  Luft  über  einen  Wald- 
see gebreitet  ist  und  von  dem  Künstler,   K.  Heffner, 


als  ».Adagio«  bezeichnet  wird.  Der  Zartheit  dieses  Bil- 
des treten  die  fast  wuchtigen  Nebelmassen  gegenüber, 
die  auf  O.  Antoines  Bild  »In  der  Höhe«  einen  Luft- 
ballon umgeben. 

Die  Erinnerung  an  die  neuliche  Meisterleistung  in 
Dettmanns  Kriegsbildern  ist  den  Aquarellen  und  Blei- 
stiftzeichnungen (samt  einem  Ölgemälde),  die  K.  Oenike 
vom  westlichen  Kriegsschauplatz  aus  Vigneulles  usw. 
bringt,  nicht  günstig;  sie  sind  sympathische,  aber  etwas 
einförmige  und  mehr  nur  reproduktive  Darstellungen. 
Ein  einzelnes  kleines  Aquarell  von  E.  Lübbert  »Der 
Mensch  in  Nöten  lernt  wieder  beten!«  fällt  gut  auf, 
stört  aber  doch  wieder  durch  eine  Forciertheit.  Zwang- 
los und  gefühlsreich  ist  die  Ölstudie  »Galizischer  Bett- 
ler« von  E.  Wolfsfeld. 

Die  eigentliche  Graphik  ist  diesmal  wieder  durch 
das  Ungewöhnliche  eines  wirklichen  Kupferstiches  be- 
reichert^ durch  L.  Schnells  »Simson  und  Delila«.  Mag 
auch  der  vorliegende  Probedruck  noch  kein  ganz  sicheres 
Urteil  gestatten,  und  mag  auch  eine  große,  zu  stets  er- 
neutem Betrachten  einladende  Feinheit  in  der  Einzel- 
durchführung beachtenswert  sein :  es  scheint  doch,  daß 
die  gegenwärtige  Vorherrschaft  der  Radierung  auch 
diesen  Kupferstich  an  die  Schwesterkunst  so  angenähert 


32 


^  KUNSTLER,  BEHERZIGET  ES!  ^ 


hat,  daß  der  großlinige  Zug,  der  sonst  ebenso  wie  die  Zart- 
heit der  Striche  die  Grabstichelliunst  auszeichnen  kann, 
hier  noch  nicht  wieder   vollständig  gefunden  ist. 

Unter  den  ausgestellten  Radierungen  widmen  sich 
einige  dem  Thema  des  weiblichen  Leides:  »Frau  im 
Schmerz«  von  Ilse  Schütze-Schur  und  »Herzeloyde« 
von  A.Stein.  Nach  Flüchenkunst  strebt  das  »Helden- 
grab«  von  H.  Gattiker,  und  nach  figürlicher  Kraft, 
doch  mit  hodlerartiger  Force  und  wenig  anziehendem 
Endeindruck,  die   >Beweinung'.   von  F.  Fingesten. 

Zu  dem  oben  erwähnten  Farbholzschnitt  kommt  noch 
ein  anderer  hübscher  hinzu:  M.Philip  ps  >Drei  Gaukler«. 
Eine  Steinzeichnung  >  Pappeln  mit  Mülile «  stellt  W.  Schön 
aus,  und  Lotte  Nicklass  bringt  mit  dem  Thema  »Tanz- 
szene« eine  geschnittene  Silhouette  (jetzt  taucht  für  diese 
Technik  der  Name   »Scherenschnitt«   auf). 

In  der  Plastik  steht  wieder  ein  Werk  christlicher 
Kunst  voran:  der  scharf  charakterisierende  und  aus- 
drucksreiche »Johannes  der  Täufer«  von  A.  Varnesi. 
Manches  ist  dem  Kriegssturm  und  Kriegstod  gewidmet: 
dem  ersteren  die  große  Bronzestatue  eines  stürmenden 
Trommlers,alsKriegerdenkmal  für  Zeitz  vonW.  S  c  h  m  a  r  j  e 
geschaffen.  Die  Vollplastik  eines  Reiters  »DeutscheWehn 
von  A.  Hußmann,  kräftig  wirkend  durch  gestraffte 
Haltung,  das  weniger  kraftige  hocliplastische  Relief 
»Grabmal  für  einen  Reiter«  von  R.  Kübart  und  das 
Rundrelief  »Grabdenkmal«  vonM.  Schauss  sind  tüch- 
tige Ausdruckswerke  ohne  künstliclies  Pathos. 

Bildnisbüsten  erfreuen  zum  Teil  abermals:  eine  in 
bronziertem  Gips  mit  dem  Namen  »Großmutter«  von 
V.  Bour  b  o  tt,  zwei  farblose  von  R.  Boel  tzig  (Frauen- 
porträt) und  von  W.  Palm (männhches Porträt);  dazu  eine 
Statuette  (weibliches  Porträt)  in  Holz  von  G.  Schmidt- 
Cassel.  Ein  so  recht  und  echt  holzkünstlerisches  Werk 
hat  Meister  A.  Puch egger  vorgefülirt:  einen  »Uliu  , 
dessen  markant  breite  Flächen  mit  ihrer  Maserung  das  Tier 
ganz  köstlich  schildern.  UndE.  Gomanskvs  Vogelbildnis 
»DerHerrGeheimrat«  ist  gleichfalls  ein  treffliches  Humor- 
stück. 

KÜNSTLER,  BEHERZIGET  ES! 

Anläßlich  der  Besprechung  einer  Ausstellung 
schreibt  Paul  Westheim  in  der  Frankfurter 
Zeitung  (r6.  April  191 5):  »Will  jemand  be- 
deutende vaterländische  Persönlichkeiten  oder 
vaterländische  Vorgänge  darstellen,  soll  er 
mehr  können  als  die  andern.  Wenn  jemand 
Hindenburg  malen  will,  wollen  wir  nicht  gleich 
in  eine  selige  Verzückung  fallen,  weil  er  gar 
.so  patriotisch  ist.  Wir  wollen  ihn  vielmehr 
fragen:  Hindenburg?  Du  willst  den  Hinden- 
burg malen.'  Holla,  mein  Junge,  du  bist  nicht 
ängstlich!  Was  berechtigt  dich  zu  einem  so 
kühnen  Unternehmen.'  Wo  sind  die  Leistun- 
gen, auf  die  du  dich  stützen  kannst.^ 

Wir  geben  diesen  gesunden  Grundsatz  wieder 
einerseits,  weil  er  in  einem  Blatte  stand,  das 
andere  Wege  geht,  als  wir,  anderseits,  weil 
derselbe  in  noch  viel  höherem  Maße  für  die 
religiöse  Kunst  gilt,  als  für  die  vaterländische. 
Will  jemand  Persönlichkeiten  der  heiligen 
Religion  oder  religiöse  Vorgänge  darstellen, 
soll  er  mehr  können  als  die  andern.  Wenn 
jemand  Christum  malen  will,  oder  die  Gottes- 
mutter, wollen  wir  die  Arbeit  nicht  schon 
um  des  Gegenstandes  der  Darstellung  willen 


gutheißen.  Wir  wollen  ihn  vielmehr  fragen: 
Christus?  Die  heiligste  Jungfrau?  Da  hast  du 
dir  die  denkbar  höchste  Aufgabe  gestellt.  Was 
berechtigt  dich  zu  einem  so  kühnen  Unter- 
nehmen ?  Würdest  du  Hindenburg  malen,  ohne 
den  \'ersuch,  dich  in  sein  Wesen,  seinen  ge- 
waltigen Geist,  seinen  großen  Charakter 
hineinzuleben?  Und  Christum,  den  Gottmen- 
schen, den  Großen  und  Allerheiligen  willst 
du  malen,  ohne  Christum  zu  kennen,  ohne  dich 
in  sein  himmlisches  Leben  zu  vertiefen,  ohne 
dich  in  die  Heilige  Schrift  und  Glaubenslehre 
einzufühlen.  Ihn  willst  du  malen  wie  ein 
stupides  altes  Berufsmodell  ?  Du  willst  ihn 
malen,  weil  du  einmal  mit  so  etwas  einiges 
Geld  erwerben  willst,  aber  ohne  inneren  Be- 
ruf. Du  willst  die  Madonna  malen  und  hast 
noch  nie  über  den  Englischen  Gruß  nachge- 
dacht, geschweige  denn  über  die  Laurenta- 
nische  Litanei?  Darum  schrickst  auch  nicht  da- 
vor zurück,  an  ihrer  statt  ein  würdeloses  Weib 
zu  malen,  dem  du  ganz  zu  unrecht  den  erhabe- 
nen Namen  beilegst,  welchen  der  Engel  bei 
der  Begrüßung  mit  heiliger  Scheu  aussprach. 
Du  willst  die  Apostel  malen,  die  voll  des 
heiligen  Geistes  waren,  die  großen  Heiligen, 
Helden  der  Gottes-  und  Nächstenliebe,  und 
kümmerst  dich  nicht  um  ihre  Taten  noch 
darum,  wie  deren  Wesen  aus  deinen  Bildern 
spricht;  du  bringst  es  nicht  über  konventio- 
nelle Malstudien,  weil  dir  Liebe  und  das  heilige 
Feuer  fehlt.  Das  ist  nicht  christliche  Kunst, 
selbst  wenn  du  das  Handwerkliche  der  Male- 
rei noch  so  geschickt  beherrschen  würdest. 
Im  christlichen  Kunstwerk  verhalten  sich  Tech- 
nik und  Gestalt  wie  Leib  und  Seele:  im  ge- 
sunden Leib  muß  eine  Seele  und  zwar  eine 
gesunde  Seele  wohnen.  Wem  die  Kraft  oder 
der  Wille  zum  Höchsten  abgeht,  der  möge 
sich  mit  anderen  Kunstzweigen  begnügen. 
Vollen  Anspruch  auf  das  Vertrauen  des 
gläubigen  Volkes  und  seiner  Sachwalter  kann 
nur  ein  Künstler  erwarten,  dem  es  inwendig 
um  das  zu  tun  ist,  was  er  darstellt.  Es  läßt 
sich  nicht  in  Abrede  stellen,  daß  die  seit  mehr 
als  einem  halben  Jahrhundert  vielfach  zur 
Schau  getragene  Abwendung  der  Kunst  von 
den  christlichen  Lebensgrundsätzen  und  die 
häufige  Mißachtung  des  Klerus  durch  eine 
gewisse  Kunst  in  letzterem  eine  wohlbegreif- 
liche Zurückhaltung  vor  jenen  Künstlern,  deren 
Gesinnung  man  nicht  kannte,  erzeugen  mußte 
und  daß  auch  diese  Erscheinung  mit  Ursache 
war,  wenn  die  Geistlichen  lieber  zu  als  religiös 
bekannten  Unternehmern  gingen.  Möge  die 
wieder  aufgenommene  Fühlung  zwischen 
Klerus  und  Künstlerschaft  nicht  unlieb  gestört 
werden !  s.  st.uidh..mcr 


Frid.  L    B.  de  A 


Jesus  dixit  Nicodemo:  Sicut  Moyses  exaltavit  serpentem  in  deserto, 
ita  exaltari  oportet  filium  hominis 


JOSEPH  FASSXACHT  (MÜXCHEX) 


Kunstausstellung  191S  'i^*'  Seces^ 


lAMilJEXPOKTRAT  KUNSTMALER  IKEIWIK'IH  l.UTZOW 
München,  —    Text  S.  22 


DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM,  NORWEGEN 

Von  Josef  Lappe,  Porsgrund  (Norwegen) 
(Hierzu  die  Abb.  S.  33 — 41) 


Templet  saa  I  med  de  brustne  buer 

I  det  höie  Kor. 
Endnu  grä  som  gubben  vidt  det  slcucr, 

Taler  mindets  ord. 
Templets  sprängte  mur  kan  prägt  ei  däklie, 

Knust  er  Olavs  skrin. 
Ruinen  seht  ihr,   seht  gebrochene  Bogen 

In  dem  hohen  Chor, 
Wie  ein  grauer  Greis,   und   alte  Psalmen 

Ragend  hoch  empor,  [raunend, 

Hoch  ob  Land  und  Meer!  —  Verrauscht!  — 

[Verweht !  — 

Zerbrochen  Olavs  güldner  Schrein  I 

H.   Ibsen. 

Unter  allen  Bauwerken  der  weiten  skandi- 
navischen Lande  gebührt  als  dem  historisch 
bedeutsamsten  und  architektonisch  hervor- 
ragendsten dem  Dome  zu  Drontheim  die  Palme. 
Norwegen,  das  im  vorigen  Jahre  das  hundert- 
jährige Jubiläum  seiner  politischen  Wieder- 
geburt feierte,  betrachtet  seit  fast  einem  Jahr- 
tausend ihn  als  sein  köstlichstes  Juwel,  als  sein 
hehres  nationales  Heiligtum').  »Des  Landes 
Augapfel«  hat  man  ihn  bezeichnend  genannt; 
denn  wie  man  aus  des  Menschen  Auge  des 
Menschen  Seele  liest,  so  gibt  die  Kathedrale 
an  den  Ufern  des  Fjordes  von  Drontheim  uns 


')  cfr.  Norges  Kirker  i  Middelalderen  av  riksantikvar 
Dr.  Harry  Fett,  Cammermeyer,  Kristiania.  Vore  Fädres 
Verk,  Norges  Kunst  i  middelalderen  av  Prof.  Dr.  Die- 
trichson,  Gyldendal,  Kristiania. 


ein  getreues  Bild  von  des  nordischen  Volkes 
Seele,  seiner  politischen  und  kulturellen  »Saga«, 
seiner  Größe,  seinem  tiefen  Fall  und  seiner 
Wiedergeburt  zu  neuer  Freiheit  und  neuen 
Ehren.  In  der  Jugendzeit  des  Königreichs  Nor- 
wegen erbaut,  verblieb  des  Domes  Geschick 
mit  dem  des  Landes  aufs  innigste  verquickt. 
Dieser  Umstand  ist  es,  der  mehr  noch  als  des 
Bauwerks  imponierende  Dimensionen,  mehr 
als  die  üppige  Schönheit  seiner  unvergleich- 
lichen Klöppelarbeiten  in  Stein,  mehr  als  die 
eindrucksvoll-wuchtigen  und  doch  edlen  Linien 
der  romanischen  Partien  des  Querschiftes,  von 
des  großen  Eysteins  Hand  gezogen,  mehr  als 
die  in  ihrem  Ruin  noch  entzückenden  Reste 
der  reichen  Rosette  der  Westfassade  —  dieser 
somit  wesentlich  historische  Umstand  ist  es, 
der,  wenn  auch  nicht  allein,  so  doch  in  erster 
Linie  die  Liebe  und  Verehrung  für  die  nörd- 
lichste Kathedrale  der  Welt  in  dem  Herzen 
eines  jeden  Norwegers  einen  ehrenvollen  Platz 
behaupten  läßt.  Der  Dom  von  Drontheim  ist 
eben  die  Geschichte  Norwegens  in  Stein. 

Am  29.  Juli  1030  fiel  der  Held,  der  wie  kein 
anderer  sich  um  die  Christianisierung  Nor- 
wegens verdient  gemacht  hat,  der  hl.  Olav, 
in  der  Schlacht  bei  Stiklestad,  unweit  Dront- 
heim. Mit  dem  Schwerte  in  der  Hand  hatte 
er  seinen  heidnischen  Landsleuten  die  Religion 


Die  christliche  Kunst.     XII. 


34 


DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM 


des  Kreuzes  aufzwingen  wollen.  Doch  die 
meisten  von  ihnen  trotzten  beharrlich  seinen 
Bemühungen.  Dann  kam  jener  blutige  Tag  von 
Stiklestad.  St.  Olavs  Tod  söhnte  selbst  seine 
erbittertsten  Feinde  mit  ihm  und  dem  Christen- 
tume  aus.  Auf  seine  Fürbitte  hin  erfolgte 
Wunderzeichen  umgaben  seine  Person  mit  der 
Gloriole  des  Heiligen  und  Olav  Kyrre  (1066 


endgültige  Stätte  gefunden.  An  der  Vigil  des 
Festes  des  hl.  Olav  —  das  Jahr  ist  nicht  be- 
kannt, jedenfalls  jedoch  vor  1093  —  wurde 
die  Kirche  eingeweiht.  Sie  war,  wie  alle 
Bischofskirchen,  der  hl.  Dreifaltigkeit  geweiht. 
Doch  nannte  man  sie,  wie  alle  norwegischen 
Bischofskirchen,  gemeiniglich  Christuskirche, 
manchmal  auch  St.  Olavskirche.    Die -Kirche 


DER  llOM  IN   DRONTHEIM  \  CR   so  |AHREN 
l'gl.  AU.  S.SS  mid  36  oben.  —   Text  S.jsff 


bis  1093)  begann  alsbald  den  Bau  jener  Kirche, 
die  zugleich  ein  würdiges  Mausoleum  für  den 
königlichen  Blutzeugen  werden  sollte,  den 
Christusdom  im  alten  Nidaros  (Drontheim). 
Eine  der  Hauptsorgen  Olav  Kyrres  war  die 
Einführung  geordneter  hierarchischer  Verliält- 
nisse,  wie  auch  die  damit  zusammenhängende 
Erbauung  von  Bischofskirchen.  Zum  Patron 
der  im  Jahre  1077  in  Angriff  genommenen 
Drontheimer  Bischofskirche  und  zugleich  zum 
Schutzpatron  für  das  ganze  Land  erwählte 
Olav  Kyrre  den  hl.  Olav.  Die  Christuskirche 
in  Nidaros  war  einschiffig  mit  traditioneller 
etwas  niedrigerer  und  schmälerer  Chorapsis 
am  östlichen  Ende  des  Kirchenschiffes.  Ihre 
vor  einigen  Jahrzehnten  aufgedeckten  Grund- 
mauern laufen  unter  den  Pfeilern  her,  die  das 
Mittelschiff  des  jetzigen  Langchores  tragen. 
Sie  war  somit  von  verhältnismäßig  ansehn- 
licher Größe.  Der  Hochaltar  stand  genau  an 
der  Stelle,  wo  im  ersten  Winter  nach  .St.  Olavs 
Tod  des  Heiligen  Leiche  aufbewahrt  worden 
war.  Dort  hatte  nunmehr  der  Schrein  mit 
den  Gebeinen  des  könighchen  Märtyrers  eine 


hatte  kaum  80  Jahre  gestanden,  als  die  außer- 
ordentlich glücklich  sich  entwickelnden  kirch-- 
liehen  Verhältnisse  und  die  Errichtung  des 
Drontheimer  Erzbistums  einen  Um-  oder  Neu- 
bau forderten.  Die  erste  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts sah  auch  im  übrigen  Norwegen  neue 
Kirchen,  und  zwar  dreischiftige  Basiliken,  er- 
stehen; so  z.  B.  die  St.  Halvardskirche,  die 
Marienkirche  und  die  Christuskirche  in  Bergen, 
die  St.  Svithunskirche  in  Stavanger  und  die 
Domkirche  in  Hamar.  Als  im  Jahre  11 52  die 
Errichtung  einer  norwegisclien  Kirchenprovinz 
beschlossen  wurde,  war  es  allen  klar,  daß  die 
Stadt  des  hl.  Olav  der  Sitz  des  Metropoliten 
und  die  Kirche  des  hl.  Olav  Metropolitankirche 
werden  müsse.  Eine  Kirche,  in  deren  Chor 
ein  aus  24  Kanonikern  bestehendes  Domkapitel 
Platz  fand  und  die  eine  entsprechende  Anzahl 
von  Altären  aufwies,  war  jedoch  Olav  Kyrres 
Christuskirche  nicht.  Sie  mußte  somit  ent- 
sprechend umgebaut  werden. 

Die  Thronbesteigung  des  Königs  Magnus 
Erlingssön  (1164)  inaugurierte  eine  politische 
Friedensepoche,  die  der  Entwicklung  der  kirch- 


e^  DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM  e^ 


35 


liehen  Verhältnisse  im  Lande,  beson- 
ders auch  den  Arbeiten  an  der  Dront- 
heimer  Kathedralkirche  sehr  zustatten 
kam.  Der  erste  norwegische  Erz- 
bischof Reidar  starb  allerdings  bereits 
auf  dem  Heimwege  von  Rom,  wo  er 
sich  das  Pallium  geholt.  Ob  sein 
Nachfolger  Jon,  früher  Bischof  von 
Stavanger,  die  Bauarbeiten  überhaupt 
in  Angriff"  nahm,  steht  dahin.  Sicher 
jedoch  ist.  daß  der  eigentliche  Um- 
resp.  Neubau  der  Kathedrale  von 
Drontheim  das  große  und  unsterb- 
liche Verdienst  des  in  jeder  Hinsicht 
außerordentlich  her%-orragenden  Erz- 
bischofs Eystein  Erlandsön  ist  (1157 
bis  1188).  In  jenen  Zeiten  des  Schis- 
mas schloß  Eystein  sich  dem  recht- 
mäßigen Papste  Alexander  III.  an,  und 
erhielt  aus  seinen  Händen  das  Pal- 
lium. Die  Ungunst  der  Zeiten  brachte 
es  mit  sich,  daß  Eystein  erst  im  Jahre 
1161,  also  nach  dreijähriger  Abwesen- 
heit, im  Besitze  des  Palliums  in  sein 
Erzbistum  im  hohen  Norden  zurück- 
kehren konnte.  Man  geht  kaum  fehl 
in  der  Annahme,  daß  er  auf  seiner 
Reise  nach  und  von  Rom,  die  ihn 
durch  Deutschland  und  Italien  führte, 
mit  größtem  Interesse  die  Kirchen- 
bauten studiert  hat,  die  jene  Zeit  ent-  nc 
stehen  sah;  so  z.  B.  den  eben  (1145) 
vollendeten  Dom  in  Lund  (Schwe- 
den), die  Kirchen  von  Viborg  (11 3  3)  und  Ribe 
(11 34)  in  Dänemark,  Groß  St.  Martin  in  Köln 
(1141),  die  Abteikirche  Maria  Laach  (11 56), 
den  Dom  von  Speyer  (1137)  und  die  Dom- 
kirchen in  Mainz  und  Worms;  in  Norditalien 
St.  Zeno  in  Verona  (1238),  den  Dom  zu 
Pisa  (1150)  und  San  Michele  in  Pavia  (1147). 
Professor  Dr.  Dietrichsons  Annahme,  daß  er 
auch  Frankreich  bereist  und  dort  mit  der  er- 
wachenden Gotik  bekannt  geworden  sei,  er- 
scheint mir  sehr  schlecht  begründet.  Sollte 
Eystein,  von  Avignon  kommend,  wirklich  die 
frühgotischen  Kirchen  und  Kathedralen  in 
Clermont-Ferrand,  Sens  und  St.  Denis  gesehen 
haben,  so  bleibt  es  unverständlich,  daß  es  erst 
der  etwa  20  Jahre  später  stattfindenden  In- 
augenscheinnahme der  Kathedrale  von  Canter- 
bury,  deren  Gotik  doch  aus  Sens  in  Frankreich 
nach  dort  importiert  worden  war,  bedurfte, 
um  Eystein  zu  dem  enragierten  Förderer  der 
Gotik  zu  machen,  als  der  er  sich  später  er- 
wiesen hat.  Vielleicht  hat  weder  Alexander  III. 
noch  auch  Eystein  Avignon  je  gesehen. 
Dietrichson  scheint  übrigens  allen  Ernstes  das 
Schisma  zur  Zeit  Friedrich  Barbarossas  mit  dem 


zu  DRONTHEIM.     OKTOGOX,   LANGCHOR,  VIERUNG  UND 
QUERSCHIi-F.     SEIT   iwo  VOLLENDET 


großen  abendländischen  Schisma  zu  identifi- 
zieren und  auf  diese  Annahme  seine  Hypothese 
zu  bauen.  — 

In  den  sechziger  Jahren  des  12.  Jahrhunderts 
setzte  die  eigentliche  Bautätigkeit  an  derDront- 
heimer  Kathedrale  ein.  Olav  Kyrres  Kirche 
sollte,  mit  zwei  schmalen  Seitenschiffen  ver- 
sehen, erhalten  bleiben  und  das  Chor  der 
erweiterten  Kathedralkirche  abgeben,  der  west- 
liche (Fassaden-)  Giebel  sollte  fallen  und  an 
seine  Stelle  ein  romanisches  Querschiff  sich 
erheben,  an  dessen  Westseite  sich  ein  drei- 
schiffiges  Langhaus,  ebenfalls  im  romanischen 
Stile,  anschlielkn  sollte.  Das  erwähnte  Quer- 
schiff erhielt  eine  (innere)  Länge  von  148'  und 
eine  Breite  von  44'  und  an  beiden  Querarmen 
je  eine  nach  Osten  hin  gelegene,  unter  präch- 
tigem anglonormannischem  Rundbogen  zum 
Querschiffinnern  hin  sich  öffnende  viereckige 
Kapelle.  Die  vier  mächtigen  Hauptpfeiler  der 
Vierung  weisen  dieselbe  Entfernung  vonein- 
ander auf  wie  die  Grundmauern  der  Längs- 
wände der  Olav  Kyrreschen  Kirche.  Jedes  der 
vier  Querschiffenden  ward  von  einem  schlanken 
Türmchen  überbaut.    Das  eigentliche  Längs- 


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36 


DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM  ^^ 


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DOM  ZU  DROXTHKIM.     \OKDSi;ri  H 


DOM  ZU  DRONTHEIM.     SC'DSEITE 


schiff  der  nach  Westen  hin  zu  erweiternden 
Kirche  sollte  dreischiftig  und  etwa  loo  Fuß 
lang  werden.  Wie  das  Querschiff,  so  sollte 
auch  das  zu  erweiternde  Längsschiff  drei  Etagen 
aufweisen:  Arkaden,  Triforium  und  Kleresto- 
rium  und,  wie  das  Querschiff,  einen  Umgang 
in  der  Triforienhöhe.  Eystein  leitete  selbst  die 
Bauarbeit  und  im  Laufe  von  1 8  Jahren  reifte 
seine  herrliche  Idee  verhältnismäßig  rasch  ihrer 
Verwirklichung  und  das  Werk  seiner  Vollen- 


dung entgegen.  Um  seinem  Sohn  Magnus 
Erlingsön  den  norwegischen  Königsthron  zu 
sichern,  bedurfte  Erling  Skakke  der  Hilfe  der 
geistlichen  Gewalt,  die  er  sich  wahrscheinlich 
durch  reiche  Beiträge  für  den  Bau  der  Dront- 
heimer  Kathedrale  zu  sichern  gesucht  haben 
wird.  Im  Jahre  1178  stockten  plötzlich  die 
Arbeiten.  Sverre  Sigurdsön  hatte,  jung  und 
ohne  alleGefolgschaft,  im  Jahre  1 1 74  den  Boden 
Norwegens  betreten.     Mit  zwei  leeren,  aber 


T..\LlSri:iX  IM   DOM  zu   nUONIIIEIM 


KS  DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM 


37 


DOM  7V  DROXTHEIM.     AUS  DHM  SEIIENSCHIFl  K   DES 
LANGCHORKS 

Starken  Händen  wollte  er  sich  das  Reich,  in 
dem  einst  seine  Väter  geherrscht, zurückerobern, 
allen  Gewalten  zum  Trotz.  1177  begann  er 
seinen  Kampf,  1 184  war  er  anerkannter  Allein- 
herrscher im  weiten  Lande.  Eystein  hatte  vor 
ihm  flüchten  müssen  und  zwar,  wie  eine  in 
den  siebziger  Jahren  des  19.  Jahrhunderts  in 
einer  englischen  Bibliothek  aufgefundene  Hand- 
schrift dartut,  nach  England,  wo  er  im  Bene- 


DOM  ZC  DRONTHEIM.     AUS  DEM  HOCHCHOR 
Tfxt  S.  3S.     Vgl.  Alb.  S.  jS 

diktinerkloster  Bury  St.  Edmunds,  in  dessen 
Kirche  des  englischen  Königs  und  Märtyrers 
Edmunds  hl.  Leib  ruhte,  gastliche  Aufnahme 
fand.  Nicht  weit  von  St.  Edmunds  lag  Canter- 
bury,  wo  1 5  Jahre  zuvor  Erzbischof  Thomas 
Becker  von  der  Hand  allzu  königlich  gesinnter 
Adeliger  in  seiner  Kirche  meuchlings  ermordet 
worden  war.  Vier  Jahre  darnach  brannte  die 
Kirche  ab,  und  nunmehr  sah  Eystein  das  erste 


DOM  ZU   I)KO\  IHi;i.\l.      IIUI  i>l;l 


-  /  >/.  .■(/■/..  ,i/r 


^  DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM  ^ 


DOM  ZU  nROXTHEIM.  I  .\\i,'  I 
(HOCHCHOR 


gotische  Gotteshaus  auf  enghschem  Boden 
über  dem  Grabe  seines  ehemaligen  Amtsbruders 
erstehen  und  sich  vollenden.  Die  Bauarbeiten 
leitete  Guillaume  de  Sens,  der  Erbauer  der 
Kathedrale  von  Sens.  Hier,  unter  den  hohen 
Bogen  des  Münsters  von  Canterbury,  zwischen 
himmelanstrebenden  Pillaren  hat  sich  Eystein 
für  die  Gotik  begeistert;  und  als  ihm  die  Um- 
stände die  Rückkehr  nach  Drontheim  ermög- 
lichten ,  da  hielt  mit  ihm  die  Gotik  ihren 
Einzug  in  Norwegen.  Dies  geschah  im  Jahre 
1183,  kaum  dreißig  Jahre  nach  Vollendung 
der  ersten  gotischen  Kirche  in  Frankreich, 
und  nur  neun  Jahre  nach  ihrer  Überführung 
aus  Frankreich  nach  England. 

Mit  neuem  Mute  und  neuen  Ideen  bereichert 
setzte  Eystein  die  Verwirklichung  seiner  Lieb- 
lingsidee fort.  Doch  schon  am  26.  Januar  1 188 
ereilte  ihn  der  Tod.  In  der  Sakristei  des  Domes 
wurde  er  beigesetzt.  Seit  dem  Jahre  seiner 
Kanonisierung  (i  229)  befanden  sich  seine  sterb- 
hchen  Überreste  in  einem  Schreine  über  einem 
der  Altäre  der  Domkirche.  Im  Jahre  1537 
wanderte  der  Schrein  in  die  Kgl.  Münze  nach 
Kopenhagen. 

Die  erste  Arbeit,  die  Eystein  nach  seiner 
Rückkehr  aus  England  in  Angriff"  hatte  nehmen 


lassen,  war  die  Erbauung  des  unvergleich- 
lichen Oktogons  über  dem  Schreine  des 
hl.01av(Abb.S.  37).  Es  dürfte  wenige  go- 
tische Kirchen  geben, deren  Chorabschluß 
so  rein  und  reich  ist,  wie  der  des  Domes 
zu  Drontheim.  Das  Oktogon  ist  seine 
schönste  architektonische  Zier  und  zu- 
gleich die  herrlichste  architektonische 
Arbeit  in  allen  nördlichen  Ländern.  In- 
wieweit jedoch  seine  jetzige  Fassung  den 
Ideen  Eysteins  entspricht,  dürfte  kaum 
mehr  festzustellen  sein.  —  Wahrschein- 
lich hat  Eystein  noch  die  Vollendung 
des  Querschiffes  geschaut  (Abb.  S.  39). 
Obgleich  die  Bauarbeiten  im  ersten 
Jahrzehnt  nach  Eysteins  Tod  nur  lang- 
sam vonstatten  gingen,  so  steht  doch 
fest,  daß  vor  1230  die  Erweiterung  der 
Olav  Kyrreschen  Kirche  in  ein  drei- 
schiffiges  Langchor  beendigt  war.  Gleich- 
zeitig war  man  mit  dem  Ausbau  des 
längst  begonnenen  und  für  die  anglo- 
normannischen  Kirchen  charakteristi- 
schen Hauptturmes  über  der  Vierung 
beschäftigt..  Das  Innere  desselben  zierte 
ein  prächtiges  gotisches  Triforium  und 
darüber  in  einer  Höhe  von  100'  das 
Klerestorium,  an  das  sich  der  Turm- 
helm anschloß. 

Was  jedem  Beschauer  des  Domes  auf- 
fallen mußte,  war  die  verschwenderische 
Fülle  feinster  Details,  eine  Menge  prächtiger 
Charakterköpfe  und  stilisierter  Blumen  an  allen 
Ecken  und  Enden.  Das  Material,  das  bei  der 
Erbauung  des  Domes  zur  Verwendung  kam, 
war  bläulich-grauer  Kleberstein,  der  sich  außer- 
ordentlich leicht  bearbeiten  ließ  und  überdies 
sehr  haltbar  war. 

Des  Domes  östliche  Hälfte  —  Hochchor, 
Langchor  und  Querschiif  —  standen  in  den 
ersten  Jahrzehnten  des  13.  Jahrhunderts  voll- 
endet da.  Doch  von  dem  im  romanischen 
Stile  begonnenen  westlichenTeile,  dem  eigent- 
lichen Schiffe,  standen  wenig  mehr  als  die 
Grundmauern.  Man  entschloß  sich  zur  Weiter- 
führung des  alten  Torso  im  Sinne  der  Gotik. 
Im  Jahre  1248,  also  in  demselben  Jahre,  in 
dem  im  heiligen  Köln  der  Grundstein  zum 
herrlichsten  deutschen  Dome  gelegt  wurde, 
legte  man  dort,  wo  die  Wogen  des  Atlanti- 
schen Ozeans  in  die  des  Nördlichen  Eismeeres 
übergehen,  im  heiligen  Nidaros,  den  Grund- 
stein zum  Schiffe  der  norwegischen  Metro- 
politankirche  (Abb.  S.  37). 

Das  Langhaus,  dessen  Erbauung  und  Voll- 
lendung  in  die  Zeit  des  Erzbischofs  Sigurd 
fällt,  stand  an  Pracht  und  Reichtum  den  übrigen 
Teilen  des  Gotteshauses  nicht  nach.   Zu  An- 


^  DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM  ^^^ 


39 


fang  des  14.  Jahrhunderts  fand  die  feier- 
liche Einweihung  der  fertigen  Katiie- 
drale  statt.  —  Wie  jetzt  allsoninierlich 
ein  internationales  Touristenpublikum 
die  Täler  von  Norwegen  durchzieht,  so 
durchzogen  in  alter  Zeit  allsomnierlich 
Pilger  aus  aller  Herren  Länder  die  nur- 
wegischen  Lande  und  die  Waldtäler  hall- 
ten wider  von  frommen  Walllahrtsge- 
sängen.  Und  mit  größter  Feierlichkeit 
und  Pracht  wurde  alljährlich  des  hl.  Olavs 
Fest  Ende  Juli  im  alten  Nidaros  gefeiert. 
Im  Triumphzuge  trug  man  den  goldenen 
Schrein  mit  den  Gebeinen  des  Heiligen 
zum  Klange  der  Glocken  und  zu  den 
Tönen  der  (unlängst  aufgefundenen) 
herrlichen  Olavssequenz  durch  die  Stra- 
ßen der  Stadt: 

Lux  illuxit  laetabunda 
Lux  illustris,  lux  jocunda, 
Lux  digna  preconio. 
In  solempne  gaudium 
Prorumpat  fidelium 
Cincera  devotio.  — 

Gloriosus  hodie  Christi  martir  glorie 

Subliniatus  solio. 
Pro  eternis  brevia  commutavit  gaudia 

Felici  comniercio.  — 

Insignis  martiris  insignis  gloria 

Dulcis  est  gaudii  dulcis  materia. 
Insiste  canticis  mater  ecclesia 
Celesti  jubilo  tange  celestia. 

Und  füllen  wir  die  Kirche  mit  Bildern  und 
Altären,  mit  betenden  Scharen,  mit  wallenden 
Prozessionsfahnen,  mit  Chorgesang  und  Orgel- 
klang und  weißen  Weihrauchwolken  unter 
hohen  Gewölbebogen,  und  dem  Glänze  von 
tausend  Lichtern,  so  haben  wir  ein  Bild,  das 
durch  ein  festhches  Interieur  von  Notre  Dame 
in  Paris  oder  der  Westminsterabteikirche  in 
London  kaum  überboten  würde. 

Die  Gesamtlänge  der  Kirche  belief  sich  auf 
103  m.  Der  hohe  Helm  überragte  um  ein  be- 
deutendes die  übrigen  Teile  der  Kirche.  Wenig- 
stens 25  Altäre  wies  das  Innere  auf,  nebst 
kostbaren  Malereien  und  reichen  Plastiken. 
Von  den  Gemälden  und  den  prächtigen  bunten 
Kirchenfenstern  ist  leider  jede  Spur  verschwun- 
den. 

Wie  die  Westfassade  ausgesehen  hat,  ist 
außerordentlich  schwer  zu  sagen.  Sie  ist  nur 
bis  zur  Triforienhöhe  erhalten.  Ein  Kupfer- 
stich aus  dem  Jahre  1661  zeigt  über  dem  Haupt- 
portale das  Bild  des  Gekreuzigten  zwischen 
Mariaundjohannes. In  den  zahlreichenNischen 
standen  die  Bilder  der  Apostel  und  anderer 
Heiliger,  wovon  nur  noch  zwei  erhalten  sind. 
In  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  (der 
Zeit  der  Hansa)  wurde  der  bis  dahin  für  die 


DUM  ZU  DROXTHEIM.     AIS  DEM  QUERSCHIFF 

Arbeiten  am  Dome  maßgebende  englische  Ein- 
fluß durch  deutschen  abgelöst,  der  jedoch  bereits 
nach  einigen  Dezennien  französischen  Ein- 
flüssen weichen  mußte.  Daß  französische  Gotik 
der  Westtassade  in  dominierender  Weise  ihr 
Gepräge  gegeben  haben  dürfte,  hat  Dietrichson, 
wie  mir  scheint,  überzeugend  dargetan. 

Bis  zum  Jahre  1537  befand  sich  der  gol- 
dene Schrein  mit  den  Gebeinen  des  hl.  Olav 
über  dem  Hochaltare  des  Drontheimer  Domes. 
Im  genannten  Jahre  wurde  er  von  den  däni- 
schen Machthabern,  die  im  Lande  die  Lehre 
Luthers  eingeführt,  nach  Kopenhagen  ge- 
bracht und  dort  geplündert  und  ein  geschmolzen. 
1570  führten  Schweden  die  sterblichen  Über- 
reste des  Heiligen  nach  Drontheim  zurück, 
wo  er  im  Dome  wieder  beigesetzt  wurde. 
Als  man  jedoch  begann,  ihn  wieder  zu  ver- 
ehren wie  in  alter  Zeit,  veranlaßten  die  luthe- 
rischen Behörden  die  endgültige  Entfernung 
der  Reliquien  des  Heiligen,  und  niemand  weiß, 
wo  sie  sich  nunmehr  linden.   — 

Mit  dem  im  15.  Jahrhundert  einsetzenden 
und  im  16.  Jahrhundert  sich  vollendenden 
Verfall  des  norwegischen  Reiches  ging  der 
Verfall  der  Kathedrale  Hand  in  Hand.  Die 
Restaurierungsarbeiten,    die    der    Brand    des 


40 


DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM  ©^ 


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KAHITEI-LE  AUS  DEM  HOCHCHOK  DES  DOMES  ZU  DRONTHEIM 


Gotteshauses  im  Jahre  1328  nötig  gemacht 
hatte,  wurden  jäh  durch  den  Schwarzen  Tod 
abgebrochen.  1432  brannte  die  Kirche  zum 
zweiten  Male  und  1531  zum  dritten  Male. 
Das  früher  katholische  und  politisch  unab- 
hängige Norwegen  hatte  inzwischen  seinen 
alten  Glauben  und  seine  Autonomie  eingebüßt 
und  der  herrliche  Dom  in  Drontheini  sank  in 
Schutt  und  Asche.  —  Endlich  brach  im  Jahre 
1 814  jener  lichte  Maitag  an,  der  dem  Lande 
eine  neue  und  freie 
\'erfassung  brachte 
und  Norwegen  wie  ein 
Phönix  aus  der  Asche 
zu  neuem  Leben  er- 
stehen sah.  Zu  den 
ersten,  die  für  den 
Wiederaufbau  des 
Domes  von  Dront- 
heim  ihr  gewichtiges 
Wort  in  die  Wagschale 
legten,  gehören  der 
damals  in  Dresden  an- 
sässige hervorragende 
Maler  Professor  Dahl 
und  der  Dichter  Hen- 
rik Wergeland,  der  in 
vielbeachteten  Versen 
als  eines  der  Ziele,  das 
sich  des  neuen  Nor- 
wegens neues  Stor- 
thing  (Parlament)  ge- 
setzt, die  Wiederer- 
bauung der  Haakons- 
halle  in  Bergen  und 
der  St.  Olavskirche  in 
Drontheim  bezeich- 
nete: 

>HaakonsHalog01avsKirke 
Reise  vilde  de  av  sinis.« 


SKILPTUR   AX   DER  WESTLICHEK   LANGS-(HAUPTSCHIFF-) 
WAND  DES  DO.MES  ZU  DROKTHEIM 


Björnstjerne  Björnson  plädierte  sogar  für  die 
Rückgabe  des  Gotteshauses,  das  Katholiken 
seine  Entstehung  verdanke,  an  die  Katholiken 
des  Landes. 

Seit  1872  liegen  die  Restaurierungsarbeiten 
in  bewährten  Händen  und  schon  stehen  Hoch- 
chor (Oktogon),  Langchor,  Querschiff,  Vie- 
rungsturm und  Sakristei  wieder  da  in  alter 
Pracht.  Christie  und  Nordhagen  sind  die 
Namen  jener  norwegischen  Architekten,  die 
sich  um  den  Wieder- 
aufbau, für  den  auch 
der  Deutsche  Kaiser 
durch  einen  jährlichen 
Beitrag  von  1000  Mark 
sein  Interesse  bekun- 
det, in  besonderer 
Weise  verdient  ge- 
macht haben. 

Auf  der  am  15.  Mai 
vorigen  Jahres  in  der 
norwegischen  Haupt- 
und  Residenzstadt  Kri- 
stiania eröffneten  Ju- 
biläumsausstellung 
1814 —  19 14)  fand 
sich  in  einer  beson- 
deren Abteilung  der 
Kunsthalle  eine  Reihe 
von  interessanten  und 
auf  die  Drontheimer 
Kathedrale  bezüg- 
lichen Zeichnungen, 
Piiotographien  und 
Dokumente,  u.  a.  auch 
ein  großes  Modell,  das 
den  St.  Olavsdom  pla- 
stisch darstellt,  wie  er 
sich  nach  einigen  Jah- 
ren vollendet  präsen- 


DER  CllRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM  ^:s 


41 


DOM  ZU  DKON'THEIM.    KIXCANG  ZUM  HDCIH.IIOR 


DOM   /U   ÜKn\llli:iM.     KAI'Ul  II 


tieren  wird  zum  Stolze  der  norwegisclien 
Nation  und  zur  Freude  eines  von  Jahr 
zu  Jahr  sich  mehrenden  internationalen 
Publikums,  das  auf  seinen  Reisen  in  das 
»Traumland    des  Nordens«,   in    das    »Mitter- 


nachtssonnenland« die  alte  norwegische  Me- 
tropole und  ihren  und  des  Landes  schön- 
stes Juwel,  den  Christus-  oder  Olavsdom  zu 
schauen  und  zu  bewundern  Gelegenheit  ha- 
ben wird. 


KAPIIKI.l,  AI  s   Kl  \1    IU)i  IICIIOK 
DES  DOMIib  zu  DRONTHEIM 


nie  christliche  Kunst.     XII. 


42 


WETTBEWERB  PUR  EINE  MONSTRANZ  ^ 


ALTAR  DER  KIRCHE  DER  VEREINIGTEN  HOSPITIEN  IN  TRIEK, 
WELCHEN  DIE  ENTWCRFE  S.  45-56  GEDACHT  WAREN 

WETTBEWERB  FÜR  EINE 
MONSTRANZ 

(Hierzu  die  Abb.  S.  42 — 56) 

Kurze  Zeit  nach  der  an  dieser  Stelle  bereits 
besprochenen  Ausstellung  der  Wettbe- 
werbentwürfe  für  Kriegervereinstahnen  zeigte 
die  Deutsche  Gesellschaft  für  christliche  Kunst 
die  Ergebnisse  eines  von  ihr  ausgeschriebenen 
Wettbewerbes,  bei  dem  es  galt,  Entwürfe  für 
eine  Monstranz  zu  erlangen.  Sie  wird  von 
der  Hospitienverwaltung  Trier  für  den  Taber- 
nakel des  Hochaltares  ihrer  Kirche  gewünscht. 
Dieser  ist  ein  in  reichem  und  elegantem  Ba- 
rockstil ausgeführtes  Werk.  Der  Tabernakel 
ist  verhältnismäßig  einfach  gehalten,  die  1,05  m 
hohe  und  0,51  m  breite  Nische  des  Exposi- 
tionsthrones ist  mit  reicher  Verzierung  ein- 
gewölbt, ihre  glatte  Wandung  durch  schmale 
Stäbe  in  vertikaler  und  horizontaler  Richtung 
in  schlichte  Rechtecksfelder  zerlegt,  so  daß 
der  Hintergrund  die  Formen  des  Sanktissimums 
nicht  stört.  Die  rechts  und  links  angrenzenden 


Partien  des  Altaraufsatzes  sind  dafür 
um  so  schmuckvoller  ausgeführt.  Es 
wurde  gewünscht,  daß  die  neue  Mon- 
stranz, für  deren  Ausführung  1900 
Mark  zur  Verfügung  stehen,  zu  dem 
'  Altare  und  zu  der  Kirche  passen  solle 
(Abb.  nebenan),  doch  war  keine  stilisti- 
sche Abhängigkeit  vorgeschrieben, 
vielmehr  auch  dem  modernen  Formen- 
empfinden Freiheit  gelassen.  So  ist 
man  unzweifelhaft  auf  dem  rechten 
Wege,  demselben,  auf  dem  auch  die 
Kunst  der  Vorzeit  emporgestiegen  ist 
und  sich  weiter  hat  entwickeln  kön- 
nen. Nicht  die  Äußerlichkeit  der 
Form  macht  das  Kunstwerk,  sondern 
die  Echtheit  der  Empfindung  und  der 
künstlerische  Geist,  welcher  sich  selbst 
die  passende  und  richtige  Ausdrucks- 
form schafft.  Diese  aber  harmoniert, 
eben  weil  sie  Kunst  ist,  auch  mit 
anderer  Kunst  und  anderem  äußerem 
Stil.  — 

Zur  Verteilung  von  Preisen  wur- 
den im  ganzen  760  Mark  verwandt. 
Zur  Teilnahme  an  dem  Wettbewerbe 
gelangten  53  Entwürfe.  Von  ihnen 
wurden  sieben  mit  Geldpreisen,  fünf 
mit  Anerkennungen  bedacht.  So  war 
auch  diesmal  wieder  ein  befriedigen- 
des Ergebnis  festzustellen,  bei  dem 
noch  wesentlich  in  Betracht  kam, 
FLiR  daß  sich  auch  unter  den  nicht  preis- 

gekrönten Entwürfen  eine  Anzahl 
recht  tüchtiger  Leistungen  befand; 
Arbeiten,  die  ihrer  äußeren  Form  oder  ihrem 
geistigen  Gehalte  nach  als  gänzlich  verfehlt  zu 
bezeichnen  wären,  kamen  überhaupt  nicht 
vor.  Bemerkenswert  war  nicht  allein  die  Be- 
reitwilligkeit, mit  welcher  die  der  Deutschen 
Gesellschaft  angehörigen  Künstler  auf  die  ge- 
botene Anregung  eingegangen  waren,  sondern 
besonders  auch  die  starke  Selbständigkeit,  mit 
der  sie  sich  der  Lösung  der  Aufgabe  angenom- 
men hatten.  Der  Geist  des  Barock,  die  in  dessen 
Denkmälern  glühende  religiöse  Empfindung 
ist  es,  welche  diese  jetzigen  Werke  durch- 
dringt. Von  den  Motiven  der  alten  künst- 
lerischen Ausgestaltung  war  so  viel  verwandt, 
als  zum  Ausdrucke  jener  Gefühle,  die  sich  im 
Empfinden  des  modernen  Menschen  difieren- 
zieren,  notwendig  ist.  Im  übrigen  herrschte 
volle  Unabhängigkeit,  das  Zeichen  innerlicher 
Kraft;  Werke  rein  imitatorischer  Gestalt  waren 
nur  vereinzelt  eingereicht  worden.  So  war  also 
auch  dieser  Wettbewerb  ein  Beweis  dafür, 
daß  die  neueste  christliche  Kunst  in  einer 
lebendigen  Entwicklung  begriffen  ist,  die  bei 


WETTBEWERB  FÜR  EINE  MONSTRANZ  ^S3 


43 


richtiger  Anregung  Leitung  und  För- 
derung weiter  Gutes  verheißt.  Wenn 
sich  die  darauf  gegründeten  Hoft'nun- 
gen  nicht  erfüllen  würden,  so  läge 
dies,  wie  deutlich  zu  sehen,  nicht 
daran,  daß  es  unseren  Künstlern  an 
Talent  und  Geistesfrische  fehlte,  son- 
dern daß  ihrem  Streben  seitens  der 
Besteller  und  Auftraggeber  nicht  das 
nötige  Verständnis  entgegengebracht 
würde.  Gerade  von  ihnen  muß  erhofft 
werden,  daß  sie  allmählich  ihre  Zu- 
rückhaltung gegenüber  den  Schöp- 
fungen der  wirklichen,  d.  h.  der 
lebendigen ,  nichtnachahmerischen 
Kunst  ablegen,  Vertrauen  zu  ihr  fassen 
und  so  in  ein  Freundschaftsverhältnis 
zu  ihr  treten,  welches  nach  allen 
Richtungen  nur  förderlich  sein  kann. 
Rechte  Pflege  der  kirchlichen  Kunst 
gehört  auch  mit  zur  Seelsorge,  und 
zwar  zu  ihren  sehr  wichtigen  und 
kräftigen  Mitteln. 

Wir  überblicken  kurz  die  mit  Prei- 
sen und  Anerkennungen  ausgezeich- 
neten Entwürfe.  An  erster  Stelle 
(200  Mark)  steht  der  Bildhauer  F.  Ho- 
ser in  München  mit  dem  Projekt 
»Entzünde  mein  Herz«.  Seine  ovale, 
oben  zugespitzte  Monstranz  ist  für 
die  Ausführung  in  Gold  mit  Silber 
und  Email  gedacht.  Neben  der  von 
silbernem  Gewölk  umgebenen  Glas- 
kapsel knien  zwei  Engel,  darüber  sieht 
man  Gottvater  mit  der  Weltkugel  und 
die  Taube;  diese  Mittelgruppe  ist  von 
blauen  Trauben  und  silbernem  Wein- 
laub umgeben,  das  ganze  Gebilde  er- 
scheint von  Strahlen  umleuchtet  und 
eingefaßt.  100  Mark  erhielt  der  Bild- 
hauer W.  S.  Resch  in  München 
für  den  Entwurf  ;•  Abendmahl«.  Das 
höchst  selbständig  empfundene  Werk 
zeigt  über  dem  Fuße  die  in  kräftigem 
breitem  Relief  ausgeführte  Gruppe 
des  Heilandes  zwischen  den  zwölf 
Aposteln.  Darüber  schwebt  die  Kap- 
sel mit  der  Lunula,  umgeben  von 
einem  zierlichen  Kranze  roter  und  grüner 
Steinchen.  Leicht  gezeichnete  Strahlen  um- 
geben diesen  Mittelteil ,  sie  werden  von 
einem  schmalen  Ornamentstreifen  durchzo- 
gen und  zusammengehalten.  Unterhalb  der 
Figurengruppe  hängen  zwei  aus  Edelsteinen 
hergestellte  Zierate.  Einen  weiteren  100  Mark- 
preis gewann  der  Architekt  M.  Simon  in 
München  für  den  Entwurf  » Evangelisten ;<. 
Der  Name  erklärt   sich   aus   der   unter  dem 


ENTWURF  VON  BILDHAUER  FRANZ  HOSER  (MÜNCHEN) 
Prtis  von  !oo  Mark.   —   Text  nebtnan 

Mittelteil  angebrachten  Gruppe  der  vier  hei- 
ligen Männer,  die  in  Verehrung  zu  dem 
Corpus  Christi  emporschauen.  Der  Mittelteil 
ist  von  prächtigen,  abwechselnd  glatten  und 
ornamentierten  Strahlen  umgeben.  Ein  zarter 
Ornamentenkranzbildet  die  äußere  Begrenzung 
des  Ganzen.  Ein  Preis  von  90  Mark  wurde 
dem  Architekten  Michael  Kurz  in  Augs- 
burg-Göggingen  für  das  Projekt  »Osten- 
sorium«   zugebilligt.    Das  mit  großer  stilisti- 


44 


^  WETTBEWERB  FÜR  EINE  MONSTRANZ  ^^ 


M01)I:M,  VOX   RII-DH.  \V.  S.  RESCH   (MLNCHKNI 
Ein   Pr,-is  vnn   luv  Mark.   —    Text  S.  43 


EXTWURF  VOK  ARCHITEKT  M.  SIMON'  (MÜNCHEN) 
Em  Preis  von  loo  Mark.  —    Text  S.  43 


scher  Unabhängigkeit  entworfene  Werl:  zeigt 
über  einem  mit  grünen  Steinen  besetzten  nied- 
rigen Fuße  eine  nach  oben  breiter  werdende, 
glatte  elfenbeinerne  Säule.  Der  Hauptteil  der 
Monstranz  ist  zusammengesetzt  aus  einander 
durchschneidenden  Halbkreisen,  die  mit  Perlen 
eingefaßt,  mit  palniblattartigen  Blättern  aus- 
gefüllt und  mit  je  einem  grünen  Stein  ge- 
ziert sind.  Der  ovale  Mittelteil  zeigt  eben- 
solchen Schmuck.  Die  Lunula  ist  zart  orna- 
mentiert. Das  Ganze  endigt  oben  in  der  Form 
des  Kielbogens  und  ist  mit  einem  sehr  klaren 
Geflecht  dünner  Metallfäden  eingefaßt,  zwi- 
schen denen  Strahlen  hervorbrechen,  die  aus 
Perlen  zusammengesetzt  sind.  Die  Bekrönung 
bildet  ein  grünes  Kreuz.  Ein  90  Markpreis 
wurde  ferner  dem  Münchener  Architekten 
J.  Schmautz  für  »Rosenkranz«  zuteil.  Die 
sehr  lebhaft  und  farbenprächtig  wirkende 
Monstranz  besitzt  einen  ganz  mit  Rosenlaub 


überzogenen  Fuß,  aus  dem  der  Knauf  sanft 
hervortritt.  Der  obere  ovale  Teil  erscheint 
als  ein  großes  goldenes  Rosengeranke  mit 
darin  blühenden  silbernen  Heckenrosen  und 
dazwischen  verteilten  sechs  Emailbildern.  Sie 
stellen  vor  den  heiligen  Rochus,  den  Olberg, 
die  Geißelung,  die  Dornenkrönung,  die  Kreuz- 
tragung,  die  Kreuzigung.  Oben  thront  Gott- 
vater in  ganzer  Figur;  die  Bekrönung  bildet 
ein  in  drei  Rosen  endendes  Kreuz.  Die  ovale 
Mitte  ist  mit  bunten  Steinen  eingefaßt,  mit 
solchen  auch  die  auf  einem  Rosenästchen  an- 
gebrachte Lunula  besetzt.  Das  Ganze  ist  poe- 
tisch gedacht,  wirkt  aber  für  mein  Empfinden 
etwas  überreich.  Einen  gleichen  Preis  gewann 
F.  Hoser  für  »Gast  der  Seele«.  Der  Entwurf 
zeigt  ein  Gebilde  aus  Gold  mit  blauer  und 
grüner  Email.  Über  dem  kräftig  entwickelten 
Fuße  steigt  eine  aus  Stäben  gebildete  Säule 
auf.     Die    Mitte    ist    herzförmig,    von  einem 


^aä  GEDANKEN  ZUM  MUNCHENER  WALDFRIEDHOFE 


45 


emaillierten  Kranze  umgeben,  darüber  schwebt 
die  Taube.  Die  Einfassung  zeigt  blaue  Trau- 
ben mit  silbernen  Blättern,  ganz  oben  ragt 
das  Kreuz  mit  blauer  Email  und  goldenen 
Strahlen.  Endlich  erhielt  einen  Preis  des  glei- 
chen Betrages  der  Architekt  A.  Bach  mann 
in  München  —  Motto  »Original«.  In  Wirk- 
lichkeit unterscheidet  sich  dieser  Entwurf  von 
allen  übrigen  durch  die  Art  seiner  Zeichnung. 
Sie  geht  auf  ein  architektonisches  Gebilde  aus, 
verwandt  jenen  altitalienischen  fünfteiligen 
Altargemälden,  welche  man  Ancona  nennt. 
In  der  Mitte  sieht  man  die  Kapsel  mit  der 
Lunula  und  zwei  kindlichen  Engeln,  in  den 
je  zwei  Seitenteilen  rechts  und  links  davon 
die  ganzen  Figuren  der  vier  Evangelisten. 
Oben  erscheint  der  Ecce  homo  in  halber  Figur ; 
kleine  Engel  dienen  zur  Belebung,  das  ganze 
endigt  in  einer  Krone.  Anerkennungen  er- 
hielten F.  Hoser  (»Mein  Leib«),  Bildhauer 
H.  Angermaier  in  München  (»Juli  1915«), 
der  Goldschmied  Konstantin  Schwarz- 
mann in  Trier  (»Die  gute  alte  Zeit  1915«), 
W.  S.  Resch  (»Leib  des  Herrn«),  der  Maler 
Leonhard  Thoma  in  München  (»Drei- 
faltigkeit«). Mit  Rücksicht  auf  den  Raum 
müssen  wir  uns  das  nähere  Eingehen  aut 
diese  in  vielen  Beziehungen  interessanten  Ent- 
würfe versagen.  Dücrintr 


GEDANKEN  ZUM  MÜNCHENER 
WALDFRIEDHOFE 

Von  Dr.  TH.  J.  SCHERG,  Freising 

Seit  der  Waldfriedhof  in  München  besteht, 
wurde  er  von  dem  Schreiber  dieser  Zeilen 
fast  alljährlich  mehrere  Male  besucht.  Es  ist 
etwas  überaus  Erquickendes,  die  Herrlichkeit 
dieser  Anlage  zu  den  verschiedenen  Jahres- 
zeiten auf  Auge  und  Herz  wirken  zu  lassen 
und  dabei  das  Wechselnde  mit  dem  Be- 
harrenden zu  vergleichen.  Da  wechselt  die 
bunte  Blumenpracht  des  Sommers  mit  der 
weichen,  in  der  Farbe  einheitlichen,  doch  in 
den  Bildungen  vielgestaltigen  Schneedecke 
des  Winters.  Dem  vogel-  und  sangesbeleb- 
ten Frühling  stellt  sich  der  stille  Herbst,  dem 
strahlend  aufkeimenden  Vorfrühlinge  der 
im  Goldglanze  entschlummernde  Spätherbst 
gegenüber.  Aus  all  dem  Wechsel  erheben 
sich  wie  die  Grundmauern  und  das  Dach 
eines  herrlich  ausgestatteten  und  reich  be- 
stellten Gebäudes  als  gleichbleibende  und 
dauernde  Elemente  die  Kunstwerke  der  Grab- 
denkmäler und  die  Naturkinder  des  immer- 
grünen Nadelwaldes. 

Während  jedoch  der  Wechsel   der  Jahres- 


ENTWURF  VON  ARCHITEKT  MICHAEL  KURZ  (GÖGGINGEN 

BEI  AUGSBURG) 

Ein  Preis  von  qo  Mark.   —   Text  S.  43 

Zeiten  nur  ein  vorübergehender  ist  und  kein 
vergangener  Frühling  seinem  nächstjährigen 
Nachfolger  das  Platzrecht  streitig  macht,  be- 
steht zwischen  der  Waldnatur  und  den  Kunst- 
erzeugnissen ein  stiller,  aber  steter  Kampf, 
der,  wenn  er,  wie  in  den  verstrichenen  acht 
Jahren,  weitergeht,  in  Bälde  zur  Folge  haben 
wird,  daß  der  Wa Idfriedhof  sich  in  einen 
Kunstpark  verwandeln  wird  und  zuletzt 
bei  der  Steife  des  Ziergartens  anlangt, 
zu  der  andere  Friedhofsanlagen,  z.  B.  der 
Münchener  Ostfriedhof,  aus  einstigen  Acker- 
feldern heraus  sich  erhoben  haben'). 

Wer  zum  ersten  Male  vom  Waldfried- 
hofe hörte,  der  dachte  sich,  wie  gewiß  auch 
seine   Gründer,   als   hervorstechendstes,   aber 

')  Was  hier  zum  Münchener  Waldfriedhofe  bemerlct  ist, 
besitzt  grundsatzhclie  Bedeutung  für  alle  Friedhöfe  und 
wurde  deshalb  in  diese  Zeitschrift  übernommen.  D.  Red. 


46 


^9  GEDANKEN  ZUM  MÜNCHENER  WALDFRIEDHOFE  ^^ 


ENTWURF  VON'   RILDHAÜER  I  RA\/  HOSER  (MCXCHEN) 
Ein  Preis  von  qo  Mark.  —    Text  S.  44 


KNTWURF  VO\   AUCH    A\TO\   HACIIMAXN'  (MUNXIIEN) 
Ein  Preis  von  go  Mark.  —   Text  S.  44 


auch  bleibendes  Merkmal  den  Wald,  und 
zwar  den  Wald  in  deutscher,  bayerischer, 
Münchener  Erscheinungsform,  der  den  ganzen 
Friedhof  zu  beherrschen  und  dem  alles  zu 
ihm  Hineingebrachte  sich  unterzuordnen  habe: 
Gräber,  Grabschmuck  und  Grabdenkmäler. 

Man  sah  im  Geiste  die  Grabhügel  sich  an 
die  Bäume  schmiegen,  als  hauptsächlichen 
Grabschmuck  den  Baum  selbst  oder  höch- 
stens andere  bodenständige  Kinder  des  Wal- 
des und  das  Grabdenkmal  in  Größe  und 
Form  nur  so  weit  hervortreten,  als  zur  Fest- 
haltung der  Personalien  des  Entschlummerten 
notwendig  erscheinen  möchte. 

Anfangs  war  es  auch  so;  doch  schon  nach 
kurzer  Zeit  änderte  sich  vieles,  teils  aus  un- 
abweislichen  Gründen,  teils  jedoch  auch  aus 
Umständen,  die  vermieden  werden  könnten. 

Unvermeidlich  wird  es  sein,  daß  Flächen 
für    Gräbergruppen    zur    Verfügung    gestellt 


werden,  wie  dies  auch  unter  möglichster 
Kleinhaltung  dieser  Flächen  geschah  mit  dem 
Bemühen,  sie  in  das  Waldganze  wie  natür- 
liche Lichtungen  einzubauen.  Diese  Not- 
wendigkeit ergibt  sich  aus  dem  praktischen 
Bedürfnis,  eine  starke  Belegungsmöglichkeit') 
zu  scharten. 

Unabstellbar  ist  auch  der  Unterschied  der 
Denkmäler  hinsichtlich  ihres  Kunstwertes  und 
vor  allem  ihrer  Herstellungskosten.  Eigent- 
lich widerspricht  der  soziale  Unterschied  dem 
Gedanken  des  Waldfriedhofes;  denn  der 
Wald  ändert  seine  Erscheinung  nicht,  ob  ein 

')  Der  Gedanke,  die  Belegungsmöglichkcit  etwa  durch 
die  Feuerbestattung  zu  erhöhen,  scheidet  aus,  da  er- 
fahrungsgemäß die  Grabdenkmäler  und  Bestattungs- 
tlächen  der  Kingcäscherten  einen  nicht  minder  großen 
Raum  beanspruchen  wie  die  Gräber  der  in  der  Erde 
Ruhenden.  Die  Anlage  von  Kolumbarien  oder  Urnen- 
häusern würde  aber  gerade  der  Idee  eines  WaldlVied- 
liofes  völlig  widerstreiten. 


GEDANKEN  ZUM  MÜNCHEN  ER  WALDFRIEDHOFE  'S3i 


47 


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ENTWURF  VON   ARCIL  J,  bCHMAUTZ  (MÜN'CHEN) 
Ein  Preis  von  Qo  Mark.  —    Text  S.  44 


ENTWLKI    VON'   BILDH.  PKANZ   HOSEK   (MÜNCHEN) 


Reicher  oder  ein  Armer  ihn  betritt,  ob  der 
Ministersohn  oder  der  Sohn  des  Taglöhners 
bei  den  Argonnenkämpfen  unter  den  Wald- 
bäumen den  Heldentod  erleidet  und  das  An- 
recht auf  das  Heldengrab  erwirbt.  So  oder 
doch  ähnlich  sollte  es  auch  im  Waldfried- 
hofe sein.  Doch  wer  die  Menschheit  und  ihre 
Geschichte  kennt,  wird  sich  vor  gewalttätiger 
Gleichmacherei  hüten,  zumal  gerade  diese 
einen  Todesstoß  für  die  Kunst  bedeuten 
würde,  gleichviel,  ob  sie  am  Prunkgrabmal 
des  Millionärs  oder  am  Marterlkreuz  des  Ar- 
beiters in  ihrer  Eigenart  sich  entfalten  will. 
Indes  ist  es  nicht  zu  übersehen,  daß  der 
soziale  Unterschied  im  Waldfriedhofe  mehr 
hervorzutreten  beginnt,  als  es  am  Anlange 
der  Fall  war.  Wie  in  den  einzelnen  Be- 
zirken desselben  Vorschriften  über  die  Größe 
und  damit  im  allgemeinen  auch  über  die 
Erscheinungsform   und   den   Preis   der  Grab- 


mäler  bestehen,  so  dürfte  auch  der  Wunsch 
nach  einer  nicht  allzu  weit  gesteckten  Höchst- 
grenze des  Flächenmaßes  der  Ruhestätten 
wie  der  auf  ihnen  sich  erhebenden  Denk- 
mäler nicht  als  ganz  unberechtigt  erscheinen- 

Gewiß  ist  es  angemessen,  daß  die  breitert 
Hauptwege  größeren  Grabanlagen  vorbehalten 
werden,  schon  damit  aus  künstlerischen  Grün- 
den Straße  und  Grab  mit  Denkmal  sich  das 
Gleichgewicht  halten.  Auch  wirkt  es  wie 
ein  Halt-  und  Grundpunkt,  wenn  da  und  dort 
in  künstlerischer  Verstreuung  ein  größeres 
Grabmal  sich  aus  dem  Geäste  der  Bäume 
erhebt. 

Es  bleibt  jedoch  zur  Erwägung  offen,  ob 
der  Grabfläche  und  der  Denkmalsgröße  solche 
Verhältnisse  eingeräumt  werden  müssen,  wie 
dies  beispielsweise  bei  Paul  Heyse  und  bei 
der  Familie  Bürkel  geschehen  ist.  Die  beiden 
erwähnten  Grabmäler  zeigen  neben  ihrer  Aus- 


48 


©^  GEDANKEN  ZUM  MUNCHENER  WALDFRIEDHOFE  ^ 


>\    l;ll  IUI.   IIA\S  AXGKRMAIR  (MLNCHEN) 
Atter  kennung 


KMW  Ul;l  VOK  GOLI)SCHMIKI)CÜN'srA\ri\-  SCHWARZ- 
MANN  (TRIliR).   —  Anrrktnnung 


dehnung  noch  eine  andere  Eigenart,  die  bei 
der  Ausdenkung  und  Anlegung  des  Wald- 
friedhofes wohl  nicht  beabsichtigt  war.  Sie 
sind  niinilich  für  den  Holzapfelkreuther  Wald 

—  und  dieser  ist  nun  einmal  der  Rahmen 
und  der  Boden  des  Münchener  Waldfriedhofes 

—  in  keiner  Weise  bodenständig.  Man 
ist  vor  ihnen  veranlaßt,  sich  viel  eher  in 
einem  griechischen  Palmenhaine  oder  auf  einer 
afrikanischen  Wüstenfläche  als  im  Holzapfel- 
kreuther  Walde  zu  vermuten,  so  landfremd 
sind  Stoff  und  Art:  Marmor,  fernländische 
Löwen   und  jonische  Säulen. 

Gerade  hinsichtlich  dieser  Säulen  am  Heyse- 
grabe hatte  ich  jüngst  ein  eigenartiges  Er- 
lebnis. Zwei  Damen  trefi'en  mich  in  der  Nähe 
des  Grabmales  und  fragen,  wo  es  sei.  Es  sei 
erkenntlich  an  den  dorischen  Säulen.  Ich 
sah  einst  den  Blumenberg  auf  Heyses  Grab 
wenige  Tage  nach  der  Beisetzung  und  hatte 


die  schöne  es  umschließende  Tannengruppe 
im  Gedächtnisse,  fand  auch  nach  kurzer  Um- 
schau die  Stelle  wieder.  Jetzt  aber  entstan- 
den den  Damen  Zweifel;  denn  sie  suchten 
dorische  Säulen  und  hier  waren  jonische 
zu  sehen.  Der  in  großer  Schritt  sichtbare 
Name  »Paul  Heyse«  verscheuchte  alle  Be- 
denken über  die  Echtheit  des  Grabes;  nicht 
jedoch  waren  die  »dorischen  Säulen«  aus 
dem  Vorstellungskreise  der  beiden  Besuche- 
rinnen hinauszubringen  und  so  erklärten  sie 
einfach:  »Ach  ja,  das  sind  ja  dorische  Säu- 
len.« Mir  lag  es  ferne,  die  Ruhe  des  Wald- 
friedhofes durch  einen  Streit  über  dorisch 
oder  jonisch  zu  unterbrechen,  doch  es  tat  mir 
leid,  daß  die  herrlichen,  das  Grab  umsäumen- 
den deutschen  Fichten  ob  der  Suche  nach  den 
griechischen  Säulen  von  den  beiden  Beschaue- 
rinnen nicht  eines  Blickes  gewürdigt  wurden. 
Wie    traut    und    schön  ist  doch  der  Stuhl 


^  GEDANKEN  ZUM  MÜNCHENER  WALDFRIEDHOFE  ©^ 


49 


ENTWURF  VOX  MALER  LEOXHARI)  THOMA  (MÜNCHEN) 
Anerkennung 


MODELL  VON   BILDHAUER  \V.  S.  UESCH  (MÜNCHEN) 
Anerkennung 


aus  Birkenholz,  den  man  zuweilen  an  Grä- 
bern findet  und  der  dem  Vorübergehenden 
berichtet,  daß  hier  ein  treuer  Freund  zuwei- 
len in  früher  Morgen-  oder  stiller  Abend- 
stunde traute  Totenwache  hält,  um  unter 
Waldesrauschen  und  Vogelsang  dieVergangen- 
heit  mit  der  Gegenwart  zu  verbinden  und 
vom  Diesseits  in  das  jenseits  hinüberzuschauen. 
Doch  wenn  ich  nicht  irre,  werden  diese  Bir- 
kenstühle weniger  oder  halten  in  ihrer  Ver- 
mehrung mit  dem  Ausbau  des  Friedhofes  nicht 
gleichen  Schritt;  allerdings  ist  vor  Löwenpaaren 
und  griechischen  Säulenreihen  auch  kein  Platz 
für  einfach  gezimmerte  deutsche  Birkenstühle. 

Wie  bei  den  Kunstdenkmälern  so  ziehen 
auch  im  Pflanzenschmucke  Ausländer  ein 
und  machen  als  fremde  Gartenerzeugnisse  den 
heimischen  Waldeskindern  den  Boden  streitig. 

Im  Hinblick  auf  die  erwähnten  Punkte, 
denen  sich  noch  manches  beifügen  ließe,  dürfte 


die  Bitte  nicht  unangebracht  sein,  zurückzu- 
kehren zur  Einfachheit  und  Natürlichkeit,  zu 
beharren  bei  deutscher  Bodenständigkeit  und 
bayerischer,  heimischer  Eigenart.  Anders  soll 
ein  Waldfriedhof  in  Athen  oder  Kairo,  anders 
einer  in  München  sein.  Hier  sollen  deutsche 
Bäume  über  Grabmälern  rauschen,  die  deutsche 
Meister  nach  heimischer  Art  aus  bodenstän- 
digem Materiale  fertigten,  und  heimatliche 
Zierpflanzen  mögen  wetteifern  an  Farbenpracht 
und  Formenreichtum  mit  dem  Wohlklange 
des  vielstimmigen  Liedes,  das  den  Kehlen  der 
gefiederten  Sänger  entströmt.  Ihre  Anwesen- 
heit und  ihr  Gesang  wahren  dem  Waldfried- 
hofe das  deutlichste  Merkmal  des  Waldes. 
Möge  der  Friedhof  so  waldig  bleiben,  daß 
ihre  Daseinsmöglichkeit  nicht  vermindert 
wird  und  möge  alles,  was  an  Kunst  in  den 
Friedhof  kommt,  stets  passen  zu  echten  deut- 
schen Waldestönen. 


Die  christliche  Kunst.    XII. 


50 


AUGUST  RINCKLAKE  ®^ 


EN'TW.V.  Bll,nil.  HANS  AXGERMAIR  (MÜNCHEN) 


ENl'W.  V.  AKCHIIHKl'  NiailAl/S  (KÖLN) 


AUGUST  RINCKLAKE 

past  ganz  vergessen  in  dem  Sturme  des 
^  bewegten  Lebens  ist  der  aus  einem  alten 
Künstlergeschlechte  stammende  Kirchengoti- 
ker  Architekt  Professor  August  Rincklake 
am  19.  August  191 5  gestorben.  Einst  wie 
ein  leuchtender  Stern  am  Himmel  der  Kunst 
aufgehend,  verschwand  er  allmählich  in  dunk- 
ler Nacht. 

Vor  vielen  anderen  verdient  Augusr  Rinck- 
lake ein  dauerndes  Andenken  nicht  bloß 
wegen  seiner  hohen  Begabung,  sondern  weit 
mehr  wegen  des  heiligen  Ernstes,  des  rast- 
losen Eifers  und  der  seltenen  Begeisterung, 
die  sein  ganzes  Wesen  durchdrang.  Eines 
jedoch  fehlte  ihm,  um  sich  unter  den  ge- 
feiertsten Namen  in  der  heutigen  Kunst  einen 
der  ersten  Ehrenplätze  zu  erringen:  das  Glück, 
ohne  welches  der  beste  Künstler  nicht  zu 
der  Höhe  gelangen   kann,   die  ihm  gebührt. 

Rincklake  wurde  am  15.  Februar  1843  zu 
Münster  in  Westf.  geboren,  wo  die  Vorfahren 


schon  seit  Menschengedenken  als  Künstler, 
namentlich  als  Maler  und  Architekten,  wirk- 
ten. Der  Großoheim  war  der  Maler  Rinck- 
lake, der  1764^1813  mit  dem  von  Goethe 
hochgeschätzten  Kreise  der  Fürstin  Gallitzin, 
des  Ministers  Franz  von  Fürstenberg  und  des 
Grafen  Leopold  von  Stollberg  freundschaft- 
lichen Umgang  hatte.  Nach  alter  Sitte,  wie 
es  die  Zeit  des  19.  Jahrhunderts  bei  Gotikern 
verlangte,  erlernte  der  junge  Rincklake,  nach- 
weislich gleich  seinen  Vorfahren,  das  Stein- 
metzhandwerk, aus  welchem  Stande  so  viele 
unserer  besten  Meister  der  Kirchenbaukunst 
und  Gotik  alter  und  neuerer  Zeit  hervor- 
gingen. Wie  einst  Friedrich  Schmidt  in 
Wien  neben  seiner  praktischen  Tätigkeit  am 
Dombau  zu  Köln  die  Steinmetzschule  da- 
selbst besuchte,  so  auch  Rincklake,  der  in 
diese  mit  15  Jahren  eintrat.  Dann  ging  er, 
der  Sitte  gemäß,  auf  die  Wanderschaft,  oder 
wie  der  Rheinländer  sagt,  in  die  Fremde, 
durchzog  Süddeutschland  und  arbeitete  da 
und  dort,  bis  er  zu  Friedrich  Schmidt   nach 


AUGUST  RINCKLAKE 


51 


lA'TWUKl-  VON'   ARCH.  NEUIIAIS  (IvDl.N) 


ENTWURF  \OS'   AKClin  1;K  I'  XEUIIALS  (Kl"'l^") 


Wien  kam,  der,  aus  Deutschland  stammend, 
sich  dort  als  Dombaumeister  von  St.  Stephan 
einen  Namen  gemacht  hatte.  Als  Steinmetz 
fand  Rincklake  Arbeitsgelegenheit  am  Dome, 
doch  seine  Sehnsucht,  aufzurücken  und  in 
des  Meisters  Bauhütte  und  Baustube  arbeiten 
zu  können,  wurde  rasch  erfüllt,  da  Schmidt 
die  Fähigkeiten  des  jungen  Künstlers  er- 
kannte. Durch  eisernen  Fleiß  und  Besuch 
der  Abendkurse  der  dortigen  Fortbildungs- 
schulen, wo  er  die  Lücken  in  seiner  all- 
gemeinen Schulbildung  auszufüllen  suchte, 
wurde  er  baldigst  erster  Mitarbeiter  Schmidts 
in  dessen  Atelier.  Er  betraute  ihn  mit  der 
Anfertigung  größerer  Arbeiten,  worauf  er 
1866  als  Bauleiter  Schmidtscher  Entwürfe 
nach  Düsseldorf  kam.  Bald  machte  er  sich 
selbständig,  indem  er  einen  privaten  Auftrag 
zum  Marien -Hospital  und  weitere  andere 
kirchliche  Arbeiten  daselbst  erhielt,  was  nach 
befriedigender  Vollendung  dieser  Bauten  zur 
Folge  hatte,  daß  er  mit  Entwürfen  kleinerer 
Kirchenbauten  und  Restaurierungen  alter  Bau- 


denkmäler sowohl  am  Niederrhein  als  auch 
in  seiner  Heimat  Westfalen  betraut  wurde. 
Das  ererbte  handwerkliche  Talent  für  Kunst- 
gewerbe kam  hier  durch  eine  Reihe  glänzen- 
der Erzeugnisse,  wie  Entwürfe  zu  Kelchen, 
Altären  usw.,  zur  Geltung,  die  auch  aus- 
geführt wurden.  Auf  der  Wiener  Weltaus- 
stellung 1873  glänzten  seine  mit  dem  i.  Preise 
gekrönten  Arbeiten  und  es  schien  ihm  von 
nun  an  das  Glück  gewogen  zu  sein.  Als 
lustiger  Rheinländer  wurde  er  auch  Mitglied 
des  Düsseldorfer  Malkastens,  und  der  kürzlich 
verstorbene  bekannte  Münchener  Maler  Will- 
roider,  der  Ende  der  achtziger  Jahre  in  Düssel- 
dorf lebte,  erzählte  von  mancherlei  fröhlichen 
Stunden  und  Veranstaltungen  dortselbst,  an 
denen  unser  Rincklake  durch  allerlei  künst- 
lerische Einfälle  das  Fest  verschönerte.  So- 
bald eben  ein  Künstler  der  alltäglichsten 
Sorgen  enthoben  ist  und  ihm  Erfolg  blüht, 
erwacht  auch  seine  Frohnatur,  deren  künst- 
lerische Phantasie  den  Mitmenschen  die  Feste 
veredeln  hilft. 


52 


AUGUST  RINCKLAKE  ®^ 


MODLI  L  VDN   BII.nHAUI-R  W.  S.  RESCH  (MÜNCHENi 


MODEIL  V()\   BIIDHAUER  \V.  S.  RESCH  {MÜNCHEN') 


Eine  glänzende  Leistung,  von  allen  bedeu- 
tenden Gotikern  anerkannt,  waren  seine  Ent- 
würfe für  die  Innenausstattung  des  Kölner 
Domes,  die  das  Domkapitel  als  kostbaren 
Schatz  verwahrt.  Doch  blieben  dieselben  bis 
heutigen  Tages  unausgeführt. 

Durch  dies  starke  Hervortreten  seiner  eigen- 
artigen, mittelalterlichen  Kunstweise  erhielt 
er  im  Jahre  1876  eine  Professur  an  derTech- 
nischen  Hochschule  zu  Braunschweig.  Die 
alte  Carola -Wilhelmina  wurde  in  eben  jener 
Zeit  zur  Hochschule  erhoben  und  bedurfte 
für  die  Gotik  eines  Lehrers.  Die  Hoffnungen 
aber,  die  sich  Rincklake  in  dem  fast  ganz 
protestantischen  Lande  hinsichtlich  Aufträgen 
machte,  waren  vergebens.  Auch  lehrte  und 
baute  der  berühmte  Gotiker  C.  W.  Hase  in 
dem  benachbarten  Hannover,  dem  gegen 
Mitte  der  achtziger  Jahre  v.  Jahrb.  auch  die 
Restaurierung  der  Burg  Dankwarderode  in 
Braunschweig  übertragen  wurde.  Zudem  stand 
gewissermafkn  der  Meister  vom  alten  Schlage, 
wie  Rincklake   einer  war,    dem    nun    einmal 


bei  technischen  Hochschulen  ohne  vorher- 
gehende Praxis  geübten  Examenstudium  fremd 
gegenüber. 

Schwere  Schicksalsschläge  aller  Art,  Miß- 
erfolge auf  Mißerfolge  bei  Konkurrenzen  und 
Aufträgen  stellten  sich  bei  dem  auf  der  Höhe 
des  Schaffens  stehenden  Meister  ein.  Eine 
Enttäuschung  folgte  der  anderen,  so  daß  er 
sich  ganz  von  Freundeskreisen  zurückzog 
und  der  Einsamkeit  lebte.  Nur  die  Freude 
an  dem  seit  früher  Zeit  gepflegten  Sammeln 
alter  Bilder  und  kunstgewerblicher  Schätze, 
der  Genuß,  sich  in  alte  Kunst-  und  Baudenk- 
mäler zu  vertiefen,  gaben  dem  Meister  die 
gehörige  Spannkraft  wieder.  Da  ihm  Auf- 
träge versagt  blieben,  glaubte  er  aufs  neue 
durch  Beteiligung  an  Konkurrenzen  wieder 
hochzukommen,  doch  auch  diese  blieben, 
bis  auf  einige  Ankäufe,  erfolglos.  Es  wäre 
jedoch  verfehlt,  zu  glauben,  daß  unser  Alt- 
meister der  Neuzeit  nicht  Rechnung  getragen 
hätte.  Nein,  er  war  in  vieler  Hinsicht  sogar 
ein  Bahnbrecher  und  Neuerer  auf  dem  Ge- 


!^®  AUGUST  RINCKLAKE 


53 


ENTWURF  VO\   BIIDH.  MAX  WAl  l'OI  IZII  (MÜNCHEN') 


ENTW.  VON   ARCH.  ANTON  HACHMANN  (MÜNCHEN) 


biete  des  Verkehrs,  wie  seine  unausgeführten 
Entwürfe  auf  nichtkirchüchem  Gebiete,  wie 
Bahnhofsbauten,  beweisen.  Er  hatte  so  treff- 
liche, praktische  Ideen,  die  sich  erst  die 
Gegenwart  zunutze  machte.  Ob  es  ein  Fehler 
war,  daß  der  vielseitige  Mann  —  der  analog 
manchen  alten  Meistern,  z.  B.  Leonardo  da 
Vinci  —  sich  mit  Dingen  beschäftigte,  die 
weit  entfernt  von  seinem  Fache  lagen,  wol- 
len wir  dahingestellt  sein  lassen.  Denn  seine 
mit  unsägHcher  Beharrlichkeit  und  großen 
Opfern  an  Zeit  und  Geld  fortgesetzten  Ver- 
besserungsversuche auf  dem  Gebiete  der  Pe- 
troleum- und  Gasbeleuchtung,  des  Baukon- 
struktionswesens usw.  waren  ohne  Erfolg. 
Die  Untätigkeit  trieb  den  rastlosen,  begabten 
Mann  auf  allerhand  Ideen. 

Durch  die  Erfolglosigkeit  seiner  Bestrebun- 
gen verbittert,  vertauschte  er  1891  seinen 
Aufenthalt  Braunschweig  mit  Berlin,  wo  er 
sich  als  Privatarchitekt  ein  Arbeitsfeld  suchte, 
und  trat  mit  eigenartigen  Entwürfen  bei 
Konkurrenzen,  wie  Esseg  in  Ungarn  und  an- 


dern hervor,  aber  die  Ausführungen  erhielt  er 
nicht.  Auch  Berlin,  wo  er  die  Hoff"nung 
hegte,  wieder  emporzukommen,  schlug  fehl. 
Zuletzt  veranlaßte  ihn  sein  Bruder,  der  bis 
dahin  in  Münster  als  Architekt  wirkte  und 
in  das  Benediktinerkloster  Maria -Laach  ein- 
trat, 1897  in  die  Vaterstadt  zurückzukehren 
und  seine  Praxis  zu  übernehmen.  Nach 
mehreren  Jahren  verließ  er  auch  diese  Stätte 
wieder,  denn  der  rührige  Geist  wollte  sich 
nicht  in  die  gedrängten  Verhältnisse  fügen; 
er  spürte  mit  Recht  noch  Großes  in  sich. 
Nach  vielen  Wanderungen  kehrte  Aug.  Rinck- 
lake  gebrochen  von  Köln  nach  Berlin  zurück. 
Infolge  neuer  Enttäuschungen  erlitt  er  dort 
einen  heftigen  Schlaganfall,  der  den  Tod  des 
vielgeprüften  Mannes  verursachte.  Betrauert 
von  seiner  Familie  und  Freunden,  desgleichen 
von  seinen  wenigen  Schülern,  wurde  er  auf 
dem  Hedwigsfriedhofe  zu  Berlin  beerdigt. 
So  endete  sein  Künstlerleben. 

Was  aber  Rincklake  trotz  seiner  Mißerfolge 
groß    machte    und    Bewunderung   erweckte. 


54 


^  KARL  JOHANN  BAUER  ®^ 


IlMIKD  JOS.  SKITZ  (MUNXHEX) 


ENTW.  V.  GOI.DSCHM.   |OS.  SEITZ  (MÜNXHEN) 


war  die  Originalität  seiner  geistreichen  Ent- 
würfe, die  teilweise  unausgeführt  blieben. 
Der  viel  verkannte  Mann  verfügte  über  einen 
malerischen  Architektursinn,  den  man  heut- 
zutage in  der  mittelalterlichen  Architektur, 
mit  den  Errungenschaften  der  Neuzeit  ver- 
bunden, nur  noch  selten  antrifft.  Die  Ka- 
pelle in  Hosterwitz  für  den  Prinzen  Georg 
von  Sachsen,  die  Kultusbauten  in  den  Rhein- 
landen und  Westfalen,  die  Wohnhausbauten 
in  Köln  und  Düsseldorf  die  malerischen 
Innenarchitekturen  von  Kirchen,  wovon  viele 
zerstreut  zur  Ausführung  kamen,  endlich  die 
zahlreichen  ausgeführten  Entwürfe  zu  Meß- 
gewändern, Kelchen  und  sonstigen  kirch- 
lichen Geräten  haben  Rincklake  einen  dauern- 
den Ehrenplatz  gesichert.  »Mit  sicherem  Blick, 
der  Gegenwart  weit  vorauseilend«,  sagte 
Zetsche  an  seinem  Grabe,  stellte  er  so  zu 
Anfang  der  achtziger  Jahre  in  seinen  Entwürfen 
für  den  Umbau  des  Lübecker  Bahnhofes  — 
später  des  BraunschweigerZentralbahnhofes  — 
schon   den    Grundgedanken  auf,    der   für   so 


viele  neuere  Großbahnhöfe  maßgebend  ge- 
worden ist:  Tieferlegen  der  Gleise  in  Ein- 
schnitte und  Überführung  der  Bahnsteig- 
zugänge und  Straßen  in  Geländehöhe.  Die 
Zeit  aber  war  dafür  noch  nicht  reif 

Mit  August  Rincklake  ging  ein  edler  Mensch, 
der  einstmals  in  seiner  Glanzzeit  mit  vollen 
Händen  im  Verborgenen  gab  und  manches 
Talent  förderte,  ein  Künstler  von  hoher 
Idealität  des  Strebens  ins  Grab.  Wären  ihm 
Erfolge  beschieden  gewesen,  die  Kunst  hätte 
Bedeutendes  von  ihm  erwarten  dürfen. 

Arch.  Hugo  Sterten 


KARL  JOHANN  BAUER  f 

Von  W.  ZI  LS -München 
(Hierzu  die  .\bb.  S.  57 — 64) 

Im  8.  Jahrgang  (191 1  — 12,  S.  141  ff.)  dieser 
Zeitschrift  wurde  von  einem  Kunstgewcrbler 
gehandelt,  der,  obwohl  noch  jung  an  Jahren, 
unser  ganzes  Interesse  erregte.  Heute,  nach 
kaum  drei  Jahren,  kommen  wir  auf  denselben 


KARL  JOHANN  BAUER  ©saa 


55 


ENTW.  VON'   ARCHITEKT  1  RHZ  Kl  XST  (KOI.N) 


ENTW.  VON  ARCH.  ANT.  BACHMANN  (MÜNCHEN) 


Münchener  Goldschmied  Karl  Johann  Bauer 
zurück,  zurück  in  einem  Klagelied  auf  seinen 
Heldentod. 

Froh  hatte  Bauer  am  12.  September  des 
vergangenen  Jahres  Frau  und  Kind,  Werk- 
statt und  Laden  verlassen,  um  als  Unter- 
oftizier  der  Landwehr  im  17.  Res.  Regiment 
dem  Vaterlande  zu  dienen.  Tatkräftig  und 
lebensfreudig,  wie  er  seiner  Kunst  nach- 
gegangen war,  versah  er  seinen  Dienst.  Hoch- 
gemut schrieb  er  heim,  wie  gut  ihm  Be- 
wegung und  Soldateska  bekomme.  Am 
6.  November  zog  er  ins  Feld,  am  16.  traf  ihn 
die  feindliche  Kugel.  Nachdem  die  Familie 
in  Hangen  und  Bangen  auf  Nachricht  von 
dem  Vermißtgeglaubten  über  ein  halbes  Jahr 
gewartet  hatte,  ward  ihr  im  Juli  d.  Js.  die 
bestätigende  Kunde  von  dem  Heldentode 
eines  Vielversprechenden. 

Als  einen  Vielversprechenden  hatte  die 
Christliche  Kunst  Bauer  gefeiert,  von  einem 
Vielversprechenden  hatte  sie  es  damals  am 
Schlüsse  des  fraglichen  Artikels  als  wünschens- 


wert erscheinen  lassen,  daß  er  die  Vorzüg- 
lichkeit und  den  Ernst  seiner  Leistungen, 
seine  feine  Erfindungsgabe  einmal  der  christ- 
lichen Kunst  widme.  Bauer  kam  diesem 
Wunsche  nach.  In  seiner  Werkstätte,  die 
unter  der  Leitung  seiner  Witwe  ein  talen- 
tierter Schüler  fortführt,  hängt  noch  der 
Entwurf  zu  einer  Monstranz,  die,  für 
eine  Tiroler  Kirche  bestellt,  durch  den  Krieg 
nicht  zur  Ausführung  kam.  Daß  sie  nach 
dem  Kriege  aus  Bauers  Werkstätte  hervor- 
gehen möge,  als  Geist  von  seinem  Geiste, 
ist  unser  Wunsch. 

Der  in  der  Vergangenheit  der  Jahrhunderte 
lebende  Kunsthistoriker  lehnt  auf  den  ersten 
Blick  Bauers  Werke  ab.  Er  betrachtet  seine 
Werke  und  empfindet  mit  Wehmut  zunächst 
das  Fehlen  aller  äußerlichen  stilistischen 
Merkmale  der  alten  Art.  Wir  freuen  uns, 
jenem  nachahmenden  Kunstgewerbe,  dem 
nichts  so  sehr  als  der  Geist  der  Alten  man- 
gelte, entronnen  zu  sein  und  uns  an  einer 
neuen,    den    gerade    im   vergangenen   Jahre 


56 


^  KARL  JOHANN  BAUER  ©^ 


ENTW.  V.  BIl.DH.  G.  JOH.  LASG  (OBEKAMMERGAU) 


l-:\r\V.  V.  ARCII.  10:5.  I  KDKKI  1(  (MCnCI11;\) 


abermals  mächtig  veränderten  Grundlagen 
des  gesellschaftlichen,  wirtschaftlichen  und 
technischen  Lebens  entsprechenden  Ausdrucks- 
kunst erfreuen  zu  können.  Bauer  war  ein 
typischer  Vertreter  jener  angewandten  Kunst, 
die  aufgebaut  ist  auf  den  modernen  und  doch 
so  alten  Forderungen  der  Gediegenheit  des 
Materials,  der  Gründlichkeit  der  Ausführung, 
des  Geistes  der  Erfindung,  der  Feinheit  der 
Formensprache,  der  Harmonie  der  Farbe. 
Von  diesen  neu  aufgestellten  und  wieder- 
erworbenen Erfordernissen  finden  wir  in  allen 
seinen  Werken  etwas.  Von  Zweckmäßigkeit 
und  Materialgerechtigkeit  sprechen  die  hier 
abgebildeten  Gegenstände,  sie  erinnern  aber 
trotzdem  auch  an  eine  alte,  gute,  längst  ent- 
schwundene Zeit.  In  Bauers  Werkstatt  ist 
keine  Maschine  zu  finden,  auch  lieferte  er 
keine  Vorlage  für  sie  zur  hundert-  und  tau- 
sendfältigen Herstellung.  Auf  Be.stellung  oder 
aus  eigenem  Antrieb  entstand  ein  Kelch,  ein 
Becher,  ein  Geschmeide  durch  der  Hände 
Arbeit,  keines  gleich  dem  Vorausgegangenen 


und  daher  alle  den  Reiz  der  Originalität,  des 
Persönlichen  an  sich  tragend,  bei  dem  die 
Hingebung  des  Augenblicks  mitsprach.  Wie 
ein  Vertreter  der  Gotik  stieg  er  nicht  als 
Künstler  von  der  Kunst  zum  Handwerk, 
sondern  arbeitete  sich  als  Handwerker  zum 
Künstler  empor. 

Bei  seinem  Vater,  einem  Münchener  Kupfer- 
schmied, lernte  der  im  Jahre  1877  Geborene 
die  ersten  Einblicke  in  die  Metallkunst. 
Seine  Lehrzeit  bei  dem  Ziseleur  Stähle  schloß 
eine  mit  dem  Lehrlingspreis  des  Münchener 
Kunstgewerbevereins  ausgezeichnete  Arbeit 
ab.  In  dem  von  allem  mittelalterlichen 
Reiz  noch  angefüllten  Schwaz  in  Nordtirol 
und  Kevelar,  in  den  Münchner  Werkstätten 
Rothmüller,  Steinicken  und  Mayrhofer,  in  der 
gewerblichen  Fortbildungsschule  unter  Har- 
rach vervollkommnete  er  sein  Können  bis 
zur  vollen  Reife,  von  der  im  Jahre  1903  erst- 
mals in  eigener  Werkstätte  in  Schwabing 
Zeugnis  ablegte.  Die  Leitung  der  Ziseleur- 
klasse an  der  Schule  Wilhelm  von  Debschitz' 


KARL  JOHANN  BAUER 


57 


.KABLA'IERNE 


Architekt  Franz  Bau 


gab  er  nach  zwei  Jahren  (1907)  auf,  da  seine 
Werkstätte,  die  er  1909  mit  einem  Laden 
zur  Bewähigung  der  immer  mehr  anwach- 
senden Aufträge  in  der  Barerstraße  zusammen- 
legte, seine  ganze  Kraft  erforderte.  Die  be- 
reits früher  und  jetzt  veröffentHchten  Arbeiten, 
ein  Bruchteil  seines  Gesamtschaffens,  sprechen 
von  einer  staunenswerten  Schaffenskraft. 
Und  doch  lernte  er  noch  stets  weiter.  Als 
Kunstgewerbler  im  guten,  alten  Sinne  war 
er  darauf  bedacht,  alle  in  sein  Fach  einschla- 
genden Techniken  zu  beherrschen.  So  er- 
lernte er  erst  vor  kurzem  die  Kunst  des 
Emaillierens,  zu  deren  Ausführung  er  sich 
die  Einrichtung  erwarb.  Noch  seine  letzte 
Arbeit,  ein  Ehrenaufsatz  für  Kommerzienrat 
Thannhauser  (München),  beweist  das  neue 
Können. 

Modern  im  guten  Sinne,  dem  die  Origina- 
litätssucht fern  ist,  vermied  es  Bauer  auch  in 


seinem  Schaffen  das  Vorbild  der  Alten  streng 
abzuweisen.  Wenn  er  sich  auch  als  Künstler 
seiner  Zeit  bewußt  war,  daß  die  Schönheit 
eines  Gegenstandes  in  ihm  hegen  müsse  und 
nicht  in  der  Zutat,  so  war  er  doch  weit  da- 
von entfernt,  z.  B.  jedes  Ornament  zurückzu- 
weisen, das  nur  an  richtigen  Ansatzpunkten 
Berechtigung  habe.  Wie  er  in  dem  einen 
der  abgebildeten  Kelche  den  achteckigen  Fuß 
der  Gotik  entlieh,  die  Schale  des  Akademi- 
schen Seglervereins  mit  romanischen  Buch- 
staben krönte,  so  finden  sich  z.  B.  auf  den 
beiden  rechten  Fingerhüten  Zeugnisse  der 
schmückenden  Tätigkeit  der  Kunst,  wie  sie 
uns  als  Bandstreifen  und  Quadrate,  nach  der 
neuesten  Forschung,  schon  aus  der  keltischen 
Zeit  überliefert  sind.  Und  doch  ist  der  Zie- 
rat nicht  Selbstzweck,  er  betont  dort  deko- 
rativ, wo  wir  ihn  nicht  missen  möchten.  Wie 
Bauer   seine    eigenen  Wege  ging,   so  suchte 


Die  cbristllche  Kunst.    XII. 


58 


59 


6o  ^  KREUZWEG  IN  DER  MÜNCHENER  MAXIMILIANSKIRCHE 


KAKl.   |.  hAL  KU 


KI.KKIK.  LAMI'K 


KAKL  K  1!AL  KR 


All  AKKRKCZ  (BKKGKRISTALK) 


er  eben  auch  im  Ornament  im  Gegensatz 
zu  seinen  zeitgenössischen  Gewerblern  Ab- 
wechslung unter  freier  Anlehnung  an  die  Ver- 
gangenheit. Wo  er  einmal,  bei  der  elektri- 
schen Stehlampe,  den  gefaßten  Gedanken 
wiederholt,  da  dient  die  Häufung  zur  Unter- 
streichung des  Materialwertes.  Auf  die  eigen- 
tümliche moderne  Art  der  oxydierten  Silber- 
bearbeitung, der  abwechselnden  belebenden 
Verwendung  von  Farbsteinen  und  Perlen, 
Elfenbein  und  Holz  nochmals  näher  einzu- 
gehen, erübrigt  sich,  da  das  früher  hier  Ge- 
sagte dieser  Tätigkeit  gerecht  wurde  und  da- 
her nachgelesen  werden  kann.  Es  erübrigt 
sich  nur  noch,  der  eigentümlichen  filigran- 
artigen Arbeiten,  die  uns  an  dem  Bergkri- 
stallkreuz und  dem  Halsschmuck  begegnen, 
zu  gedenken. 


Überdenkt  man  die  allzufrüh  beendete  Le- 
bensarbeit Karl  Job.  Bauers,  so  muß  dem  Be- 
dauern Ausdruck  verliehen  werden,  daß  der 
Krieg  eine  solch  selbständige  künstlerische  Per- 
sönlichkeit von  einem  derartigen  Reichtum  an 
Gedanken  und  einer  solchen  Mannigfaltigkeit 
des  künstlerischen  Gefühls  raubte,  raubte  zum 
Nachteil  des  Münchner  Kunstgewerbes,  dem 
Männer  wie  der  Gefallene  mehr  aufhelfen 
können,  als  alle  Gewerbeschaumärkte  und 
ähnliches. 

DER  HL.  KREUZWEG  IN  DER 
MÜNCHENER  MAXIMILIANSKIRCHE 

Cclion    im   9.  Bande    unserer  Zeitschrift,    ebenso   auch 

in  der  Jahresmappe    der  Deutschen  Gesellschaft  191 5 

ist  von  dem  hl.  Kreuzwege  die  Rede  gewesen,  welchen 

der    Münchener   Franz    Hofstötter   in   der  Maximilians- 


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KREUZWEG  IN  DER  MUNCHENER  MAXIMILIANSKIRCHE  ®^ 


KARL  |OH.  BAUER 


der  Stadt  München  anläßlich  der  Aussteilung 
München  iqoS 


kirche  damals  auszuführen  begann. 
Wir  kommen  darauf  zurück,  weil  jetzt 
das  ganze  Werk  vollendet  ist.  Seinen 
vollen  Eindruck  wird  es  machen, 
wenn  einmal  der  bestehenden  Absicht 
oemaß  die  jetzt  leeren,  weiügelblichen 
Wandflächen  mit  Mosaik  überzogen 
sein  werden.  Erst  dann  werden  die 
Gemälde  ihre  volle  Leuchtkraft  ent- 
falten, werden  die  bereits  mosaizierten 
oberen  Lünetten  verständlich  werden 
und  die  seitlichen  skulptienen  Einrah- 
mungen keine  nur  einseitig  vorteilhaft 
wirkende  Existenz  mehr  führen.  Den 
Beweis  für  das  Zutreffende  dieser  Ver- 
mutungen erhält  man  durch  den  An- 
blick der  in  jener  Weise  bereits  aus- 
gefiJhrten  westlichen  Querschiffwand. 
Übersieht  man  die  1 5  Bilder  —  denn 
außer  den  14  Stationen  ist  noch  das 
Gebet  am  Olberge  als  Einleitung  aus- 
geführt worden  —  so  wird  man  ge- 
wahr, dali  zwischen  ihnen  ein  gewisser 
stilistischer  Unterschied  existiert  in  der 
Weise,  daß  die  drei  ersten  und  die  drei 
letzten  Bilder  der  ganzen  Reihe  eine 
Gruppe  für  sich  bilden,  die  dazwischen 
befindlichen  neun  aber  eine  zweite, 
welche  sich  mit  jener  nur  als  nahe 
verwandt  erweist.  Es  sind  Kinder  des- 
selben Vaters,  nur  etwas  voneinander 
verscliieden  im  Aus>ehen  und  in  der 
Art,  ihre  geistige  Begabung  zu  äußern. 
Daß  dies  so  geworden  und  dadurch 
in  den  Kreuzweg  ein  leiser  Mangel  an 
Einheitlichkeit  gekommen  ist,  geht  auf 
äußere  Ursaclien  zurück.  Sie  mögen 
hier  unerörtert  bleiben,  weil  sie  mit 
der  Person  und  dem  Talente  des  Künst- 
lers nichts  zu  tun  haben.  Bei  den  sechs 
älteren  Bildern,  die  ehemals  hier  be- 
sprochen worden  sind,  interessiert  eine 
bedeutendere  geistige  Erfassung,  ein 
tieferer  Mystizismus  und  Svmbolismus, 
im  ganzen  eine  stärkere  künstlerische 
Originalität.  Die  neueren  Bilder  zei- 
gen mehr  Neigung  zum  Erzählen,  sind 
aucli  in  den  Farben  nicht  so  bedeu- 
tungsreich und  nicht  von  solchem  ge- 
heimnisvollen Reize  wie  die  sechs 
früheren  Bilder.  Der  allgemeinen  Ver- 
ständlichkeit unseres  Publikums  und 
mithin  auch  dem  gegenwärtigen  Ge- 
schmacke  breiterer  Kreise  kommen  sie 
dadurch  entgegen,  doch  steht  außer 
Frage ,  daß  nicht  hierin  das  höchste 
Ziel  der  Kunst  zu  suchen  ist.  Wollte 
ein  Maler  alles  dergleichen  berücksich- 
tigen —  Hofstötter  hat  dies  nicht  ge- 
tan —  so  verfiele  er  schließlich  in  gänz- 
liche Befangenheit  und  käme  auf  jenem 
Punkte  wieder  an,  von  dem  unsere 
neuere  christliche  Kunst  sich  unbedingt 
lossagen  muß,  wenn  sie  neben  oder 
gar  über  der  profanen  die  in  diesen 
Dingen  so  äußerst  widerstrebliche 
öffentliche  Meinung  für  sich  gewinnen 
will.  Der  Künstler  hat  aber  sicher  er- 
reicht, daß  sein  Kreuzweg  unter  den 
neuesten  Werken  gleichen  Inhaltes  als 
etwas  durchaus  Beachtenswertes  und 
Erhebliches  dasteht. 


^  KREUZWEG  IN  DER  MUNCHENER  MAXIMILIANSKIRCHE  ^ 


63 


K-\RL  lOllANN   BALI;K 


FIXGERHÜTE  UND  MANSCHETTENKNOPFE 


Die  Gruppen  zeigen  starke  und  innerliclie  Charal<te- 
risierung  der  Vertreter  des  Guten  und  des  Schlechten, 
hohe  Vereinfachung,  die  auf  Nebendinge  so  gut  wie 
ganz  verzichtet,  besonders  auch  die  Hintergründe  durch- 
weg liauni  andeutet  und  statt  ihrer  nur  symbolisch 
wirlcende  Farbenabtönungen  benutzt ;  die  Komposition 
besitzt  große  Linien.  Alle  Starke  ist  auf  den  geistigen 
Gehalt  der  Vorgänge  gelegt,  welcher  bei  den  neueren 
Bildern  in  etwas  realistischerer  Durchführung  ausge- 
staltet ist  als  bei  den  nervösen,  zum  Teil  fast  visionär 
wirkenden  früheren.  Diesen  Schöpfungen,  wie  der  Be- 
weinung des  Leichnams  oder  dem  durch  halb  sche- 
menhafte Engel  verehrten  Heiland  im  Grabe,  läßt  sich 
von  den  neueren  kaum  eine  zur  Seite  stellen,  es  sei 
denn  etwa  jene  der  Entkleidung  mit  ihrer  absichtlich 
ins  Große  gehenden  Behandlung  des  Christuskörpers 
und  des  in  einem  rätselhaft  tiefen  Blau  versinkenden 
Hintergrundes. 

Wir  müssen  uns  auf  diese  Andeutungen  beschränken. 


Doch  sei  nicht  unerwähnt,  daß  der  ursprüngliche  De- 
korationsgedanke voll  bewußt  bei  den  seltsamen  und 
tiefgründigen  skulplierten  Einrahmungsfiguren  durchge- 
führt ist.  Sie  deuten  auf  die  Menschheit,  welche  um 
der  Nachfolge  Christi  willen  leidet.  Die  Stationsbilder 
sind  mit  Wachsfarben  auf  Holztafcln  gemah,  die  mit 
der  Wand  nicht  bündig,  sondern  etwas  vertieft  liegen. 
Unterhalb  sind  die  Mauetflächen  mit  Platten  aus  Kirch- 
heimer  Muschelkalk  belegt,  der  auf  besondere  Weise  erst 
seiner  Porosität  beraubt  und  dann  poliert  ist.  An  sieben 
Stellen  befindet  sich  gerade  unterhalb  der  Bilder  je  ein 
einzelner,  in  starkem  Relief  gearbeiteter  Kopf  einer  der 
typologischen  Figuren.  Man  sieht  Johannes  den  Täufer, 
den  ägyptischen  Joseph,  den  geduldigen  Job,  Tobias, 
Moses,  den  jungen  David,  den  armen  Lazarus.  —  Außer 
ihrem  Erbauungszwecke  erfüllen  die  Hofstötterschen 
Kreuzwegbilder  samt  ihrer  Aufmachung  schon  jetzt  in 
hervorragendem  Maße  jenen  als  raumsclimückende  Ele- 
mente. II   O. 


KARL  JOHANN   BAUER 


FRUCHTSCHAI.E 


Silber  mit  farbigen  Steinen  und  Gla. 


64 


KARL  JOHANN'  BAUER 

Gehäuse  Ebenlwlzt  Zifferblatt  Silber  getrieben 


STANDUHR 


PRESBYTERIUM  DER  VON  FRITZ  FUCHSENBERGER  ERBAUTEN  KIRCHE  IN  ADELSDORF 


FRITZ  FUCHSEXBERGER 


Plastik  von  Prof.   M'idmer-Nür 


EINGANG  ZLU  KA  1  1 1.  I'l  AUKKllvClll.   IN    AlJLLbUUKl    (lyo;) 
erg.     Vgl.  Abb.  S.  So  und  Sl.  —   Text  S.  6g 


ARCHITEKT  FRITZ  FUCHSENBERGER 

(Hierzu  die  Abbildungen  dieses  Heftes) 


Obwohl  die  Architektur  nicht  etwa  wie  die 
Musik  Stimmungen  ausdrückt,  so  spricht 
doch  aus  ihr  beredt  der  Geist  der  Zeiten.  Am 
deuthchsten  illustriert  das  die  Architekturge- 
schichte. Im  19.  Jahrhundert  zur  Zeit  der  Klas- 
siker in  der  Literatur  war  sie  antik;  zur  Zeit 
der  Romantiker  wurde  sie  gotisch  und  in  der 
Zeit  des  Historismus  eklektisch,  bis  sie  sich 
in  neuerer  Zeit  wieder  auf  das  Problem  der 
Form  besann  und  dadurch  auch  eine  Zeitlang 
höchst  problematisch  experimentiert. 

Letztere  Periode  konnte  natürlich  nur  von 
kurzer  Dauer  sein.  Denn  die  Architektur  ist 
immer  eine  von  praktischen  Bedürfnissen  ge- 
leitete Kunst.  Und  da  sie  unmittelbar  an  die 
Bedürfnisse  der  Gegenwart  und  an  die  Zweck- 
bestimmung gebunden  ist,  kann  sie  auch  in 
ihrer  Entwicklung  keine  Sprünge  machen.  Jede 


neue  Erscheinung  in  der  Architektur  kann 
sich  daher  nur  auf  Grund  der  schon  vorher- 
gegangenen entwickeln,  um  nach  ewigen  eher- 
nen Gesetzen  dieser  Entwicklung  das  Neue 
an  das  Alte  anzuknüpfen. 

Diese  Stetigkeit  der  Entwicklung  zeigt  am 
schönsten  der  Kirchenbau.  Der  Kultus  und 
die  kirchlichen  Bedürfnisse  bleiben  immer  die- 
selben und  so  ergibt  sich  auch  für  die  archi- 
tektonische Neugestaltung  von  Kirchen  eine 
gewisse  gesetzmäßige  Entwicklung  der  wesent- 
hchen  oder  Grundformen  des  Kirchenhaues. 
Aber  dieses  Prinzip,  das  durch  alle  Stilvvand- 
lungen  hindurchgeht,  hinderte  keineswegs  die 
Entfaltung  größtmöglicher  Mannigfaltigkeit 
und  Vielgesfaltigkeit  der  Zeitstile:  antik,  ro- 
manisch, gotisch,  Rokoko  und  Empire.  Dem 
Architekten    bleibt   daher  immer  noch  Spiel- 


Die  christliche  Kunst.     XII.     3.     i.  Dezember  1915. 


(,(, 


^  ARCHITEKT  FRITZ  FUCHSENBERGER  ^ 


I-KITZ  FUCHSEXBKKl.hl 


räum  genug  für  die  Betätigung  seines  indivi- 
duell gearteten  Formwillens,  genug  Freiheit, 
um  innerhalb  der  durch  die  Zweckbestimmung 
gegebenen  Grenzen  und  innerhalb  der  in  ihren 
Grundzügen  gegebenen  Formensprache  sich 
immer  wieder  in  neuen  überraschenden  Wen- 
dungen und  Kombinationen  auszudrücken. 
Er  wird  in  allen  Fällen  das  Richtige  er- 
greifen, wenn  er  in  seinem  Schaffen  ein  Kind 
seiner  Zeit  ist  und  sich  immer  der  Ausdrucks- 
mittel bedient,  welche  ihm  eben  die  Gegenwart 
darbietet.  Gerade  in  der  Architektur  bewährt 
sich  wie  überhaupt  im  menschlichen  Schaffen 
dasWort:  xDerLebende  hat  recht!«  Und  beson- 
ders wird  derjenige  recht  behalten,  der  es  wie 
unser  Künstler  versteht:  an  das  Gestrige  das 
Heute,  an  das  Ende  den  Anfang  anzuknüpfen. 
Gleich  zu  Beginn  seiner  Laufbahn  als  Ar- 
chitekt, welche  Fritz  Fuchsenberger  nach  Ab- 
solvierung des  Gymnasiums  den  üblichen  Wer- 
degang   zu  den  Staatsbauämtern  einschlagen 


1  IM  KIhDl  S" 


lUCHSEN'UERGER 

Grundriß  des  Obergeschosses, 


ließ,  bot  sich  unserem 
Künstler  eine  für  die 
Entwicklung  seines  Ta- 
lentes überaus  günstige 
Gelegenheit,  daß  er 
gleich  auf  den  Boden 
seiner  Heimat  und  mit- 
ten hinein  in  eine  reich 
gestaltete  künstlerische 
\'ergangenheit  gestellt 
wurde.  Damit  trat  an 
Stelle  eines  blutlosen 
akademischen  Ideals  so- 
gleich eine  reiche  Wirk- 
lichkeit, in  den  volks- 
tümlich gemütlichen 
künstlerischen  Aus- 
drucksformen der  frän- 
kischen Meisterwerke. 
Das  künstlerische  Erfas- 
"""  sen  dieser  Wirklichkeit 

mußte  ihn  mächtig  för- 
dern, zudem  er  ja  auch  sofort  Gelegenheit 
hatte,  als  Staatsbaupraktikant  sich  praktisch 
zu  betätigen. 

Seine  Mitarbeit  am  Bau  des  Kgl.  Kreisarchiv- 
gebäudes in  Bamberg  gab  gleich  Veranlassung, 
seine  Geschicklichkeit  in  der  Anpassung  an 
die  heimische  Welt  der  Bauformen  zu  bekun- 
den (Abb.  S.  66  und  75).  Der  im  reichen  Bam- 
berger Barockstil  der  Markgrafenzeit  gehaltene 
Bau  erhielt  eine  vornehme  Ausstattung.  Der 
prächtig  gehaltenen  Fassade  entspricht  daher 
auch  eine  reicher  gestaltete,  architektonisch 
gehaltene  Einfriedigung.  Diese  im  Stil  der 
alten  Garten-  und  Parkarchitektur  gehaltene 
Einfriedigung  stammt  von  Fuchsenberger. 
Bemerkenswert  erscheint  hier  das  verständnis- 
volle Eingehen  des  Zeichnerarchitekten  auf  die 
Eigenart  des  fränkischen  Sandsteins  und  der 
dadurch  bedingten  dekorativen  Formgebung. 
Fuchsenberger  handhabt  diese  Formensprache 
so  gut  wie  einer  der  alten  markgräi  liehen  Ar- 
chitekten. Eine  ebenso 
glückliche  Lösung  er- 
fuhren auch  die  anderen 
Aufgaben,  die  ihm  hier 
übertragen  waren:  die 
Ausstattung  des  Stie- 
genhauses und  die  Ein- 
richtung und  Möblie- 
rung verschiedener  In- 
nenräume. Man  muß 
hierbei  besonders  auf 
die  Ausführung  des  De- 
tails achten  und  wissen, 
daß  alle  diese  bemer- 
kenswerten Leistungen 


UMBAU  DER  ALTEN  MAUr  IX  BAMBERG 
Vgl.  Abb.  S.  67  unten 


©^  ARCHITEKT  FRITZ  FUCHSENBERGER  es^ 


67 


kunstgewerblicher  Arbeiten,  die  sonst  in 
großen  Städten  bekannte  kunstgewerbliche 
Werkstätten  ausführen,  allein  von  dem 
jungen  Architekten  mit  Bamberger  Hand- 
werksmeistern erzielt  wurden. 

Auch  bei  kleineren  Nutzbauten,  denen 
er  sich  bei  und  neben  seiner  Tätigkeit  als 
Staatsbaubeamter  in  der  Folge  zuwenden 
konnte,  bei  Schulen,  Krankenhäusern,  An- 
stalten, Postämtern  gewahren  wir  eine  be- 
merkenswerte Durchbildung  architektoni- 
scher Details  mit  besonders  glücklicher 
Betonung  gewisser  Dominanten  am  Bau: 
Giebel,  Portale  und  dergleichen.  Immer 
findet  dabei  das  bodenständige  Material 
einen  sinngemäßen  und  durch  die  künst- 
lerische Gestaltung  gesteigerten  Ausdruck. 
Wie  sich  allmählich  in  dem  durch  Studium 
und  Erlahrung  gereifteren  Künstler  der 
Geist  der  heimischen  Baukunst  spiegelte  und 
wie  er  es  verstand,  das  durch  die  X'erhält- 
nisse  gebotene  Neue  an  das  schon  beste- 
hende Alte  anzuknüpfen,  dafür  spricht  viel- 
leicht am  besten  sein  Umbau  der  alten  Maut 
in  Bamberg.  Das  bayerische  Generalkon- 
servatorium äußerte  sich  nach  Abschluß  des 
Umbaues  darüber:  »daß  die  Lösung  dieser 
Aufgabe,  das  Innere  des  Hauses  den  An- 
forderungen der  Neuzeit  und  der  entspre- 
chenden Rentabilität  unter  Wahrung  der 
bestehenden  Außenarchitektur  anzupassen, 
in  geradezu  vortrefflicher  Weise  gelungen 
sei!«   (Abb.  S.  66—67.) 

Seine   bisher  gesammelten  Erfahrungen 
und    sein     an     den     bisher    ausgeführten 
Bauten:     Pfarrgebäude    zu   Wiesenthau, 
Egloffstein  und  Kunreuth    in  der  Fränki- 
schen Schweiz,  Pfarrgebäude   in  Westheim 
im  Steigerwald,   desgleichen  die  Schwestern- 
anstalten zu  Burgsinn,  Wernfeld,  Brend- 
lorenzen,    Pflegeanstalt  Gremsdorf,    Schloß- 
umbauten Prieger  und  von  Grunelius  und  an- 
deren geschultes  Können  konnte  er  bald  auch 
in    den     Dienst     einer 
größeren  Aufgabe  stel- 
len.      Seine    Mitarbeit 
am    Bamberger    (3ber- 
postdirektionsgebäude 
erstrekte  sich    auf  eine 
reiche  Detailarbeit    au- 
ßen   an    der    Fassade, 
den  Portalen   und   vor 
allem  auf  die  innereAus- 
gestaltung :  die  Schalter- 
vorhalle,   Stiegenhaus, 
Dienst-,  Wohn-  und  Bu- 
reauräume   (Abb.  S.  72 
bis  75). 


<i«  Martin  Her. 
Text  nedejiait 


Die  .Schaltervorhalle  erhielt  eine  bemerkens- 
werte Gestaltung  durch  die  Verbindung  des 
gelben  Jurakalksteins,  mit  weißen  Putzflächen 
und  mit  den  braun  gebeizten,  reich  geschnitz- 
ten Holzeinbauten.  Die  architektonisch  deko- 
rative Wirkung  dieses  Raumes  wird  noch  ge- 
steigert durch  die  geschickte  Anbringung  der 


IRITZ  FLXHSENBERGER 

Grundriß  des  Erdgescho 


UMBAU  DER  .^l.TEN  M.-VUT  IN    B.\MBERG 
Vgl-  Al'b.  ol'en,  —   Text  oben 


ARCHITEKT  FRITZ  FUCHSENBERGER  ^ 


1  RITZ  FUCHSEXBERGER 


I'IAIvRHAUS  IN   WIESENTHAU  (u;os) 


Lichtquellen,  der  Beleuchtungskörper  und 
durch  ihre  gute  formale  Durchbildung.  Bei 
der  Ausstattung  der  einzelnen  Innenräume, 
der  getäfelten  Zimmer,  Möbel,  Stoffe,  Beleuch- 
tungs-  und  Heizungskörper  hat  der  Architekt 
auf  das  Zusammen- 
gehen von  Form 
und  Farbe  größten 
Wert  gelegt.  Durch 
Verwendung  ge- 
schickt ausgewähl- 
ter reizvoller  Ma- 
terialien :  Glas,  Me- 
talle, Intarsien,  an 
Möbeln  und  Täfe- 
lungen und  derglei- 
chen sind  bemer- 
kenswerte dekora- 
tive Wirkungen  er- 
reicht worden.  Und 
er  konnte  das  alles 
erzielen  trotz  der 
bei  solchen  Aufga- 
ben gebotenen  Be- 
schränkungen, vor 
allem  in  der  Ein- 
haltung der  dafür 
angesetzten  Mittel. 
Seine  in  der  Ar- 
chitektur und  Hand-  ,,,„,  rvam-SBmci:K 
werkskunst  gesam-  £rt,r/>nHu. 


melten  Erfahrungen  konnte  er  aber  erst  zur 
vollen  Entfaltung  auf  einem  Gebiete  bringen, 
wo  die  künstlerische  Gestaltung  weniger  durch 
den  Zweck  eingeschränkt  und  behindert,  sich 
freier  und  selbständiger  geben  konnte.  In 
diesem  Sinne  bietet 
der  Kirchenbau  der 
architektonischen 
Gestaltung  eine  der 
reizvollsten  und 
schönsten  Aufga- 
ben. Dennüberdem 
Zwecke  steht  im- 
mer noch  die  ideale 

Grundstimmung 
der  Kirche  selbst. 
Zudem  bildet  die 
Kirche  gewisser- 
maßen eine  Ver- 
sammlungsstätte  al- 
ler Künste,  Archi- 
tektur, Malerei  und 
angewandte  Kunst 
durchdringen  sich 
hier,  gehen  inein- 
ander über  und  er- 
gänzen einander. 
Die  Kirche  als  Ge- 
samikunstwerk  bie- 
PFAURiiAusiNwiEsiMiiM-  tctsomitdem  Ar- 
ygi,  „if,,  chitekten  eine  em- 


e^  ARCHITEKT  FRITZ  FUCHSENBERGER  ^ 


69 


zige  Schaffensgelegenheit,  bei  der  er 
alle  Register  seines  Talents  und  seiner 
Kunst  ziehen  kann.  Die  ersten  Auf- 
gaben, die  unser  Architekt  auf  diesem 
Gebiete  zu  lösen  hatte,  waren  An-  und 
Umbauten  an  alten  Landkirchen.  Dabei 
kam  ihm  gerade  seine  vernünftige  Wer- 
tung alter  Stilarten,  die  ihn  den  gol- 
denen Mittelweg  zwischen  Altem  und 
Neuem  gehen  hieß,  sehr  zustatten.  Ge- 
rade weil  ihm  ein  hervorragendes  Ver- 
ständnis für  das  historisch  Gewordene 
eigen  ist,  empfand  er  darin  wie  die 
Künstler  der  Übergangszeiten,  die  das 
Neue  unbedenklich  an  das  bereits  vor- 
handene Alte  sinngemäß  angliederten. 
Mit  der  Devise  »Nur  keine  Kopie,  son- 
dern alles  neuzeitlich  und  selbstän- 
dig«, kam  er  dem  dringenden  Bedürf- 
nis, der  modernen  angewandten  Kunst 
und  dem  modernen  Kunstgewerbe  Raum 
zu  gehen,  entgegen. 

Gleich  eine  seiner  ersten  Arbeiten,  der 
Predigtstuhl  in   der  Kirche   zu   Grafen- 
reinfeld  und  die  Restauration  der  Pfarr- 
kirche   zu    Mürsbach,  Bez. -Amt   Ebern, 
zeigt,  wie  er  es  verstand,  sowohl  in  der 
Form  als  auch  im  Materialausdruck  neu  und 
überraschend  zu  wirken.    Und  dieses  Verfah- 
ren war  im  Rahmen  einer  Barockkirche  voll- 
kommen gerechtfertigt.     Denn  gerade  diese 
Stilrichtung    äußerte    sich    für   die    damalige 
Zeit    nicht   weniger    neu   und    überra- 
schend durch  Anwendung  neuer  Mate- 
rialien und  Ausdrucksmittel  (Abb.  S.  9 1 ). 

Sein  feinsinniges  Einfühlen  in  den 
Geist  dieser  Tradition  beweist  weiter 
der  Bau  der  Gnadenkapelle  Erlach  bei 
Weismain.  Der  hübsche  Bau  ist  in  der 
Formensprache  des  heimischen  Barock 
im  fränkischen  Sandstein  erbaut  und  in 
der  Anpassung  an  die  heimische  Bau- 
kunst ein  im  besten  Sinne  bodenstän- 
diges Bauwerk  (Abb.  S.  96). 

Wiederum  auf  eine  andere  Weise  ist 
die  Kirche  zu  Adelsdorf  gestimmt;  sie 
ist  mehr  in  einer  romanisierenden  For- 
mensprache gehalten.  Außerordentlich 
gelungen  ist  die  Gestaltung  jener  Partie 
der  Außenseite,  welcher  die  Treppe  mit 
den  beiden  Säulen  angegliedert  ist ;  eine 
Situation,  die  der  Architekt  zur  An- 
bringung guter  Plastik  in  vorbildlicher 
Weise  gewertet  und  ausgestaltet  hat 
(Abb.S.  65,  80  u.  81).  Das  außerordent- 
lich schöne  Presbyterium  dieser  Kirche 
mit  der  Plastik  und  Malerei  von  Hans 
Angermair  ist  den  Mitgliedern  der  Deut-         nurz  fuchsenberger 


ERITZ  rUCHSEKBERGER  PROT.  I'FARRH.'iUS  IN   Kl'NREUTH  (1907) 

sehen  Gesellschaft  für  christliche  Kunst  ja  be- 
reits durch  die  Publikation  in  der  Jahresmappe 
bekannt  geworden  (Mappe  191 1;  s.  Beil.). 

Wie  dieser  Künstler  als  Architekt  bei  der 
Um-  und  Ausoestaltuna;  von  Kirchen  die  be- 


PROl.  I'FARKIIAL'S  FGLOFFSTEIN  (1904) 


70 


ARCHITEKT  FRITZ  FÜCHSENBERGER  ©SU 


Miliz  I  l'Chsi:xbi:kgkk        schlihals  ix  ki.osier  hbrach  (i.j,.6) 


sonderen  Verhältnisse  wahrzunehmen  versteht 
und  zuzeiten  bei  Beschränkung  der  Mittel 
aus  der  Not  eine  Tugend  zu  machen  weiß, 
dafür  spricht  vielleicht  am  überzeugendsten  der 
Umbau  der  Kirche  von  Burgsinn  (Abb.  S.  76 -79). 
Hier  war  bei  dem  geringen  Budget  an  eine 
reichere  architektonische  Ausgestaltung  nicht 
zu  denken  und  daher  die  Verwendung  der 
Farbe  als  Bauelement  geboten.  Die  Farbe 
sollte  den  Raum  in  dem  durch  die  räumliche 
Gestaltung  vorgebildeten  Sinne  weiter  aus- 
gestalten und  schmücken;  ein  Gedanke,  dem 
durch  die  Ausführung  des  grandiosen  Decken- 
bildes von  Akademie-Prof.  Karl  von  Marr  eine 
glänzende  Erfüllung  ward.  Nicht  weniger 
wirksam  erwies  sich  auch  der  farbige  Schmuck 
der  Empore  und  der  Glasfenster  durch  Bilder 
von  Prol.  Pius  Ferdinand  Messerschmidt.  Auch 
bei  der  Kirche  zu  Kraisdort  bot  sich  Gelegen- 
heit für  eine  malerische  Ausgestaltung,  die  der 
bekannte  Münchner  Maler  Max  Roßmann  sehr 
glücklich  auf  den  volkstümlichen  Ton  der 
Dorfkirche  stimmte. 

In  weitgehendem  Maße  beschäftigte  Fuch- 
senberger  bei  Gestaltung  der  Altäre,  des 
Kirchengestühls  und  der  Geräte  das  Kunst- 
handwerk: Beispiele  für  solche  überaus  ge- 
lungene, prächtige  Arbeiten  bieten  der  Hoch- 
altar in  der  Kirche  von  FJiingen  a.  D.  (Abb. 
S.  92 — 93),  die  innere   Einrichtung   der  Kar- 


meliterkirche zu  Bamberg,  die  Beicht- 
stühle, die  Beleuchtungskörper  und  die 
Seitentabernakel  der  Pfarrkirche  zu 
Mürsbach,  die  Kommunionbank,  d  e 
Kanzel,  die  Orgelempore  der  Pfarr- 
kirche zu  Burgsinn  u.  a. 

Daß  bei  aller  Verwendung  moderner 
Ausdrucksmittel  und  Materialien  dabei 
doch  der  Charakter  der  fränkischen 
Dortkirche  vollkommen  gewahrt  wurde, 
davon  überzeugen  unsere  Bilder.  So 
schreibt  Dr.  Ludwig  Baur  über  die 
Orgelempore  zu  Burgsinn  (Abb.  S.  78): 
»Da  sie  sich  von  allen  Extravaganzen 
freihält,  wird  trotz  ihres  modernen  Cha- 
rakters, der  religiöse  Stimmungscharak- 
ter des  Gotteshauses  nicht  nur  nicht 
gestört,  sondern  verstärkt  und  unter- 
stützt.« Von  der  mit  Worten  schwer 
wiederzugebenden  Intimität  und  Stim- 
mung dieser  \\'irkungen  geben  aller- 
dings auch  einfarbige  Bilder  nur  einen 
schwachen  Schein. 

Es  bleibt  ein  nicht  genug  anzuerken- 
nendes Verdienst  unseres  Architekten, 
daß  er  sich  bei  jeder  dieser  Aufgaben  be- 
mühte, immer  das  Möglichste  zu  leisten 
und  durch  Heranziehung  erster  Kräfte 
auch  die  einfache  Dorfkirche  durch  Kunst  zu 
adeln. 

Der  Architekt  ist  heute  mehr  denn  je  der 
Mann  für  alles.  Wie  ein  Organisator  steht 
er  im  öffentlichen  Leben  und  täglich  kommen 
an  ihn  neue  Aulgaben  heran,  denen  er  Ge- 
stalt und  Form  geben  soll.  Der  größte  Teil 
seiner  Tätigkeit  wird  durch  Anforderungen 
des  nur  Nützlichen  und  Zweckmäßigen  ab- 
sorbiert, und  es  ist  oftmals  sehr  schwer,  der 
Geschäftigkeit  des  modernen  Lebens  gegen- 
über den  künstlerischen  Standpunkt  zu  wahren. 
Wer  aber  bei  all  diesen  Aufgaben  auch  den 
künstlerischen  Standpunkt  vertritt  und  in  sei- 
nen Arbeiten  zur  Geltung  bringt,  verdient  als 
Künstler  beachtet  und  gehört  zu  werden. 

Bei  all  diesen  Arbeiten,  die  wir  hier  be- 
sprochen haben,  konnten  wir  wahrnehmen, 
daß  unser  Künstler  von  Anfang  an  bestrebt 
war,  bei  jeder  ihm  gewordenen  Aufgabe  inner- 
halb der  Grenzen  des  Möglichen  das  Mög- 
lichste zu  leisten.  Ob  es  sich  um  den  Uni- 
oder  Neubau  einer  Kirche  handelt,  oder  um 
den  Entwurf  für  ein  Grabmal,  Möbel  oder 
Beleuchtungskörper,  immer  sucht  er  der  Auf- 
gabe die  künstlerische  Seite  abzugewinnen 
und  sie  mit  künstlerischen  Mitteln  zu  lösen. 
und  so  erwuchsen  ihm  aus  jeder  Autgabe 
und  Situation  heraus  neue  Gedanken,  kamen 
ihm  neue  Einfälle  und  Erfindungen.    Darum 


FREMDE  EINFLUSSE  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST  e^ 


71 


1  KH7,  1  ICIISKN'liERGliK 


sciiri.iiAi's  i\  1-71  ri.ii;i:\  UEi  sciiwiaxi  rui  (ivns) 


erscheint  uns  im  Hinblick  auf  das  bisher  Ent- 
standene sein  Scharten  überaus  reich,  viel- 
gestaltig und  fruchtbar  und  darum  auch  be- 
sonders aussichtsreich  und  wertvoll  als  eines 
Schöpfers  auf  dem  Gebiete  der  christlichen 
Kunst.  Alexander  Heilmeyer 

FREMDE  EINFLÜSSE  IN  DER 
JAPANISCHEN  KUNST 

Von  Dr  MAX  R.  FUNKE 
Tn  den  Klöstern  zu  Horyuji  und  Koyasan, 
*  in  den  großen  Tempeln  und  in  den  Museen 
zu  Nara  und  Kyoto  finden  wir  seltsame 
Überraschungen,  herrlich  gemeißelte  Gott- 
heiten,   einzelne   interessant,    manche    ausge- 


sprochen schön.  Einige  sind  mit  gefalteten 
Händen,  andere  kniend  wie  christliche  Heilige 
abgebildet,  andere  wieder  haben  Aureolen, 
Lotosblumen  haltend,  scheinen  zu  träumen, 
Träume,  die  Meditationen  sind.  Eine  Gestalt, 
eine  Art  Tiara  auf  dem  Kopf,  hat  sechs  Hände, 
zwei  davon  sind  gefaltet  und  die  anderen  weit 
ausgestreckt,  die  wunderlichsten  Gegenstände 
haltend,  und  diese  Gestalt  steht  auf  einem  zu 
Boden  gestürzten  Dämon').  —  Eine  andere  Ge- 
stalt wieder  ruht  auf  dem  Geringel  einer  großen, 


'j  Wir  veröffentlichen  vorliegenden  Aufsatz  aus  beson- 
derer Veranlassung,  reden  aber  keineswegs  jener  über- 
schwenglichen Huldigung  das  Wort,  welche  vor  mehreren 
Jahren  gegenüber  der  ostasiatischen  Kunst  eingerissen  und 
nur  bei  Spezialforschern  zu  verstehen  ist.  D.  Red. 


FRITZ  FUCHSENBERGER 


K.  POSTAMT  BURGKUKSTADT  (1905) 


^  FREMDE  EINFLÜSSE  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST  ^ 


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■ 


FRITZ  FUCHSEN'BERGER 


K.  OBERPOSTDIREKTIOX  1\  BAMBERG.    PORTAL  (1906) 
Plastik  Prof.  Widmer- Nürnberg 


giftigen  Schlange.  Nahe  dabei  steht  ein  großer 
Steinblock,  der  auf  dem  oberen  Teile  seiner  ge- 
meißelten Flache  ein  Reliefbild  Buddhas,  auf 
einem  Lotos  in  Betrachtung  versunken,  dar- 
stellt. Ich  sehe  eine  andere  auf  dem  Lotos 
ruhende  Gestalt  mit  dem  Schwert  in  der 
Hand,  von  lohendem  Feuer  umgeben,  es  ist 
Fudo-Sama-Buddha  als  der  Unbewegliche,  der 
Unerschütterliche.  Das  Schwert  bedeutet  In- 
tellekt, das  Feuer  Kraft.  Ein  anderer  Buddha 
daneben  ist  in  Meditationen  versunken  mit 
dem  Knäuel  von  Stricken  in  der  Hand;  dies 
sind  die  Stricke,  welche  die  Leidenschaltcn 
und  Gelüste  binden.  Hier  ist  auch  ein  schlum- 
mernder  Buddha,    mit   dem   sanften   milden 


Ausdruck  eines  Kinderantlitzes  mit  geschlos- 
senen Augen,  die  Wange  in  die  Hand  ge- 
schmiegt, in  Nirvana.  Hier  diese  feierliche 
Figur  in  sitzender  Stellung,  die  in  einer  Hand 
eine  Vase  hält,  die  andere  erklärend,  wie  ein 
Lehrer,  erhebt,  ist  YakushiSamaBuddha,  der 
Allheiler,  der  Arzt  der  Seelen.  Und  unter  all 
den  Statuen  von  Shaka,  Amida  und  Yakushi 
sehen  wir  Buddha,  auf  dem  Lotus  thronend, 
mit  halbgeschlossenen  Augen,  auf  der  Stirn 
das  Wahrheitszeichen,  in  einer  Ruhe  und 
Feierlichkeit,  die  weder  Schmerz  noch  Ver- 
gnügen ausdrückt.  Viele  dieser  Skulpturen 
stellen  Buddha  in  meditierender  oder  ermah- 
nender Stellung  dar,  einzelne  auch  in  schla- 


PORTAL  DES  KGL.  BEZIRKSAMTSGEBÄUDES  ZU  SCHWEINFURT 
VON  FRITZ  FUCHSENBERGER 


FREMDE  EINFLÜSSE  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST 


73 


I  KITZ  1 ICHSEXBERGER 

Obeyposidirektion 


IREI'PENHAUS 


fender  Stellung,  mit  dem  ruhevoll  träumenden 
Antlitz  eines  Kindes,  eines  japanischen  Kin- 
des, das  ist  Nirvana.  Neben  den  vielen,  vielen 
gemeißelten  Gottheiten  sehen  wir  ein  Bas- 
relief mit  zahllosen  Armen.  Das  erste  Paar 
Hände  ist  gefaltet,  während  von  der  Schulter- 
linie unzählige  Arme  nach  allen  Richtungen 
herausragen,  alle  möglichen  Dinge  wesenlos, 
geisterhaft  haltend,  gleichsam  Bitten  erfüllend 
und  vielleicht  die  Allmacht  der  Liebe  sym- 
bolisierend. Dies  ist  nur  eine  der  vielen  For- 
men von  Kwan-on,  der 
milden  Göttin,  der  Göttin 
der  Barmherzigkeit,  die  der 
armen  Menschenseelen  wil- 
len die  Ruhe  Nirvana  ver- 
schmähte. Sie  selbst  wird 
stets  als  schönes,  heiteres 
japanisches  Mädchen  abge- 
bildet, meist  mit  vier  Ar- 
men, aber  hier  erscheint 
sie  als  Senshu  Kwan-on, 
die  tausendarmige  Kwan-on . 
Hier  ist  eine  schöne,  jung- 
fräuliche Gestalt,  sie  steht 
auf  einer  Lilie,  es  ist  Kwan- 
on-Sama.  Rührend  ist  die 
weiße  Steingestalt  des  Jizo,        iruz  i  ucihsknhei. 


des  Gespielen  der  toten  Kinder.  Wie  ein 
schöner  Knabe  mit  halbgeschlossenen  Lidern, 
das  Antlitz  verklärt  durch  ein  Lächeln,  wie 
es  nur  der  buddhistischen  Kunst  eigen  ist.  Er 
lächelt  dasselbe  sanfte  Lächeln,  archaistisch  ge- 
heimnisvoll und  sein  weiches  Kindergesicht 
ist  rührend. 

Andere  Bosatsu,  die  Bodhisattva  aus  Indien, 
sehen  wir  geschmückt  zum  Unterschied  des 
schmucklosen  Buddha,  weil  erstere  noch  dem 
Leben  angehören.  Und  die  Rakan,  die  Arhat 
der  Inder,  die  Schüler  Buddha,  kaum  beklei- 
det, mit  langen  Haaren,  heftig  in  ihren  Weh- 
klagen, noch  den  menschlichen  Leidenschaf- 
ten ergeben,  von  denen  sich  ihr  Herr  befreit 
hat,  sitzen  neben  Bonzen,  Heiligen,  indischen 
Mönchen.  Buddha,  Bosatsu,  Rakan  und  Bon- 
zen, diese  Opfervotive,  skulptiert  oder  gemalt, 
in  den  Klöstern  von  den  Mönchen  selbst, 
sind  nur  Repliken  eines  Typus,  eines  Aus- 
drucks. Seit  der  Einführung  des  Buddhismus 
in  Japan  gegen  das  Ende  des  6.  Jahrhun- 
derts malten  und  skulptierten  die  meisten 
Bonzen,  d.  h.  sie  ließen  die  Bilder  und  die 
Büsten  von  Künstlern  anfertigen,  und  es  war 
damals  Sitte,  daß  ein  berühmter  Bonze  an 
all  den  Gemälden  und  Statuen  eine  letzte 
Hand  daran  legte,  indem  er  den  Porträts  so- 
wie den  Büsten  die  Augen  öffnete.  Deshalb 
bezeichnete  man  ihn  stets  als  Schöpfer  des 
Kunstwerks. 

Die  schönsten  Werke  dieser  buddhistischen 
Kunstbilder  sind  die  Nyo-i-rin  Kwan-on  im 
Chuguin  bei  Horyu-ji  zu  Yamato  (um  die 
Wende  des  7.  Jahrhunderts),  Kwan-on  im  Sang- 
watsudo  im  Todai-ji  zu  Nara  (zweite  Hälfte 
des  8.  Jahrhunderts),  Shaka  im  Shin-Yakushi- 
ji  bei  Nara  (8.  oder  9.  Jahrhundert),  Amida 
Botsu  im  Hokai-ji  zu  Uji  von  Jocho  (um  die 
Wende  des  11.  Jahrhunderts),  Dai-Botsu  in 
Kama-Kura  (1252),  Shaka-  und  Yakushi,  Nyo- 


christUche  Kunst 


74 


7S 


7^ 


©^  FREMDE  EINFLÜSSE  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST  ^ 


rai ,  von  Tori- 
Busshi  im  Horvu- 
ji  aus  der  Suiko- 
Epoche  (um  die 
Wende  des  y.Jalir- 
hundertsjundYa- 
kushi  imYakushi- 
ji  zu  Nara  au^ 
der  TempyoEpo 
che  (722—748). 
Die  japanischen 
Klöster  sind  reich 
an  gemalten  Por- 
träts der  Rakan; 
so  besitzt  gerade 
das  Dai-toku-ji 
in  Kyoto  deren 
schönste  Serien. 
Hierher  gehören 
auch  die  indi- 
schen Mönchs- 
bildnisse, besser 
japanische  in  in- 
disclier  Tracht, 
wie  Yuima,  ein 
trockner  Lack  im 
Hokke-ji  zu  Nara, 

wahrscheinlich  aus  dem  8.  Jahrhundert  und 
derselbe  von  Unkei  (12. — 13.  Jahrhundert). 
Neben  diesen  Porträts  finden  wir  noch  in 
bunter  Reihe  gemalte  Bildnisse  von  Shotoku- 
Taishi  (um  die  Wende  des  7.  Jahrhunderts), 
Kakemonos  des  Tempelschatzes  im  Horyu  ji 
von  Shogun-Yoshimasa  in  Mönchstracht  im 
Gingaku-ji  zu  Kyoto  (15.  Jahrhundert).  Der 
Kakemonos  Jit-chin  im  Louvrc  ist  trotz  seiner 


FR]  rz  rUCHSEXBERGER 
Erweiterungsbau. 


großen  Retusche 
ein  äußerst  gutes 
Exemplar    dieser 

buddhistischen 
Porträtkunst.  Die 
Holzbildnisse  Ro- 
ben aus  dem  Ende 
des  8.  Jahrhun- 
derts im  Roben- 
do  bei  Todai-ji 
zu  Nara,  sowie 
Kwanshin,  auch 
aus  dem  8.  Jahr- 
hundert, im  Tos- 
hodai-ji,  stellen 
japanische  Bon- 
zen dar.  Vom 
13. — 15.  Jahrhun- 
dert skulptierte 
und  malte  man 
nach  Herzenslust 
Porträts  hoher 
Persönlichkeiten , 
welche  für  den 
Buddhismus  Pro- 
paganda mach- 
ten. Viele  dieser 
Porträts  sind  mit  einem  minutiösen  Realis- 
mus umgeben,  so  das  Holzbildnis  des  fünf- 
ten Vize-Shogun  von  Kamakura,  Toki3'ori 
Hojo  im  Jagdkostüm  (13.  Jahrhundert)  und 
der  Kakemono  Minamoto  Yoritomo  von  Fuji- 
wara-Takanobu  (12.  Jahrhundert).  Auf  diese 
Kunstform  in  Japan  war  die  chinesische  Kunst 
der  T'ang  nicht  ohne  Einfluß  gewesen. 

Die  einstigen   präbuddhistischen  Kunstreli- 


KIRCHE  IN   BURGSIXX  (i 
Hiriß  unten.  —   Tejcl  S.  70 


TRITZ  FfCHSEXBERGER 


GRUXDRISS  DER  KIRCHE  IX  BURGSIXX 


©^  FREMDE  EINFLÜSSE  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST  ®^ 


77 


I  Kiiz  1  iciisu\bi;rc,ek 


KOMMLTNIONBANK  IN  DIK  I\1RCIII£  ZU  BL'KGSINK  (i^.,6) 
Alicrl-Niiriil'trg.      tgl.  Abi:  S.  79 


quieii  in  Japan  sind  plumpe  Tonliguren,  welclie 
Menschen  und  Pferde  darstellen.  Es  war  da- 
mals eine  alte  Sitte,  um  das  Grab  der  Mika- 
dos einige  seiner  Vasallen  lebendig  einzu- 
graben so,  daß  nur  die  Köpfe  aus  der  Erde 
sahen,  welche  schließlich  von  wilden  Hunden 
und  Raben  gefressen  wurden.  Diese  barba- 
rische Sitte  verging  bald  und  man  begrub 
mit  dem  Mikado  tönerne  Menschenfiguren. 
Das  kaiserliche 
Museum  in  Tokio 
besitzt  eine  Men- 
ge solcher  Ton- 
statuetten. Zwi- 
schen diesen  und 
den  ersten  Wer- 
ken der  buddhi- 
stischen Kunst 
besteht  kein  Zu- 
sammenhang,we- 
der in  der  Ent- 
lehnung noch  in 
der  Technik.  So 
gehört  Kokuzo 
Bosatsu  im  Stil 
Hammen  im  Mu- 
seum zu  Nara  als 
ältestes  Exemplar 

wahrscheinlich 
der  SuikoEpoche 
(593  bis  628  n. 
Chr.)  an  undSha- 
ka  sowie  Yakushi 
Nyorai  von  Tori 
Busshi  (607-623) 
im  Kondo  des 
Horyu  ji.  Mit  dem 
Beginn  des  Jahres 
1330,  das  ist  jene 
Epoche  der  Wirr- 
nisse und  Kämpfe 
zwischen  beiden 
Höfen    des    We- 


iRirz  iLijisi:NiiKi 


stens  und  Ostens,  zwischen  den  zwei  Kaiser- 
familien Ashikaya,  welche  siegte,  und  Kama- 
kura,  die  sich  nach  Kyoto  zurückziehen  mußte, 
ging  diese  Kunst  nach  sieben  Jahrhunderten 
glorreichen  Blühens  dahin.  Zwar  verschwand 
sie  nicht  mit  einem  Schlag,  sondern  sie  wie- 
derholte sich.  Seit  dem  ii.  Jahrhundert  hat 
Jocho  den  Kanon  der  Schule  geschrieben, 
der  einzigen  Schule  der  Bildhauerkunst,  welche 
sich  in  Japan  vom 
Vater  auf  den 
Sohn  oder  durch 
Adoption  bis  heu- 
te vererbte.  Nach 
dem  Untergang 
der  buddhisti- 
schen Skulpturen 
haben  dicjapaner 
das  Interesse  für 
die  menschliche 
Darstellung  nicht 
verloren;  die  Ma- 
ler der  Schule 
Tosa  seit  dem 
S.Jahrhundert, die 
Maskenbildhauer 
der  lyrischen  Dra- 
men, die  No  im 
14.    Jahrhundert, 

die    Netsuke- 
Schnitzer  im   i6. 
Jahrhundert    und 
die     Farbholz- 
schnitzer    der 
Volkschule    vom 
17. — -19.  Jahrhun- 
dert.      Was    die 

menschlichen 
und  tierischen  Sil- 
houetten anbe- 
trifft, so  sind  sie 
keineswegs  aus 
den    Meisterwer- 


KAHI     I-KE1II1-K|;L,  \()N    rilCXGENSCHE 
GKABKAPELLE  IX  BURGSINN'  (1907) 
'Jon  Albert-Nürnl'trg 


7« 


&m  FREMDE  EINFLÜSSE  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST 


HUT/.  rUCII5EXBElU,i;K 


Orgelempore.   —    Text  S. 


ken  der  Ukiyo-e,  der  Volksschule  (vom  Ende 
des  17.  bis  zur  ersten  Hälfte  des  19.  Jahr- 
hunderts) entlehnt.  Seit  dem  12  Jahrhun- 
dert (Makimonos  von  Toba  Sojo)  in  der  Zeit 
der  buddhistischen  Kunst  hatten  die  Japaner 
einen  freien  Geschmack  für  die  Karikatur 
gezeigt.  Die  Werke  eines  Iwasa  Matahel 
(Ende  des  14.  Jahrhunderts),  des  größten 
Freundes  der  Volksschule,  ähneln  in  vieler  Be- 
ziehung in  ihrem  Sujet  wie  Technik  gewissen 
Bildnissen  aus  der  Tosa  Schule  (13.  Jahrhun- 
dert), vergleiche  die  Wandbilder  in  den  beiden 
Sälen  des  Schlosses  zu  Nagoya,  Straßensze- 
nen aus  Osaka  und  Kioto  darstellend.  Defor- 
mation wie  Karikatur  in  der  Bildhauerkunst 
gehen  nicht  erst  von  den  Nctsuke  (16.  Jahr- 
hundert) aus,  sondern  sind  schon  in  der  Hälfte 
des  8.  Jahrhunderts  vorhanden  gewesen,  wie 
uns  die  Tonstatuetten,  eine  Gruppe  des  Nir- 
vana  vorstellend,  im  Museum  zu  Nara  be- 
weisen. Meisterhaft  haben  es  die  Japaner  ver- 


standen, die  Karikatur  auch 
auf  das  Tierleben  zu  übertra- 
gen. Da  erscheinen  in  bunter 
Reihe  burleske  Prozessionen, 
in  welchen  Insekten  in  gezier- 
ten Posen,  furchtsame  Hasen, 
heuchlerische  Füchse  und  zere- 
moniöse  Frösche  feierlich  auf- 
marschieren. Berühmt  sind  ja 
die  Tierkarikaturen  von  Toba- 
Sojo,  die  Makimonoskizzen 
von  Kakuyin  (12.  Jahrhundert) 
im  Museum  zu  Kioto  und 
die  karikaturenhaften  Skizzen 
einer  Fuchshochzeit  von  Ikkai, 
Ukida(erstenHälftedesi4.Jahr- 
hunderts)  im  Stil  der  alten 
Tosaschule  gehalten. 

Auf  Innendekors  der  Stores, 
hellen  Matten,  der  schwarzen 
Lackkästen,  zwischen  den  Sim- 
sen der  Türen  bemerken  wir 
irgend  eine  Gartenecke,  wo 
Zwergbäume,  Bambusstauden 
stehen  und  dazwischen  über 
Felsen  und  Gestein  ein  sich 
schlängelnder  Gebirgsbach 
rauscht.  Dann  die  pracht- 
vollen Landschaftsdekore,  Blu- 
men- und  Neujahrsfeste,  poeti- 
sche Spiele,  galante  Feste  un- 
ter blühenden  Kirschbäumen, 
Träumereien  in  der  Dämme- 
rung oder  im  Mondenschein 
am  Ufer  eines  wildwogenden 
Meeres,  nächtliche  Kahnfahr- 
ten, prächtig  illuminiert  mit 
Papierlaternen;  unsere  Verwunderungen  vor 
den  hundert  Aussichten  des  Fuji-Yama  oder 
den  acht  Schönheiten  des  Biwasees,  blau  das 
Meer  unter  einem  blauen  Himmel,  blau  die 
Flüsse  zwischen  beschneiten  Ufern,  blau  die 
besternte  Nacht,  scharlachrot  die  Dämme- 
rungen, weiß  die  Kirschbäume  und  gelbbraun 
der  Erdboden,  hier  der  rote  Fuji,  dort  der 
braune  Fuji  und  dann  wieder  der  blaue  Fuji. 
Und  in  all  dieser  Farbenpracht  bewundern 
wir  von  neuem  die  Frauen  beim  Bad,  im 
Hause  und  im  Freien,  junge  Mädchen  spielen 
mit  Katzen  und  lassen  sich  von  ihren  langge- 
schweiften Hähnen  oder  Liebhabern  bewun- 
dern, in  schönen  Rohen,  deren  schmiegsame 
lange  Linien  in  grüner,  schwarzer  oder  vio- 
letter Harmonie  widerstrahlen,  sehen  wir 
sie  in  harmonischer  Haltung  trippeln,  auf 
Malten  sitzen,  in  ihren  graziösen  Bewegun- 
gen des  Kopfes,  des  Nackens  und  der  Schul- 
tern, Raflinements,    die   unserm   Auge  Über- 


KlKCllE  IX   BURGSIKX 


FRHMDH  EINFLÜSSE  IN  DER  lAPANISCHEN  KUNST 


79 


KIRCHE  I\   BURGSIXK  (1906) 


Mit  dem   Gemäldr  des   hngrl: 


raschung,     Erstaunen    oder    gar    Schrecken 
auslösen. 

Hier  sehen  wir  junge  Mädchen  in  ihren 
vollen  Formen  eines  Moronobu,  dort  wieder 
wahre  Skelette  eines  Harunobu,  oder  die 
schmächtigen,  langaufgeschossenen  Frauen- 
gestalten eines  Utamaro.  Unter  einem  dünnen, 
fast  zerbrechlichen  Halse  strebt  wie  eine 
Blumenkrone  die  blauschwarze  Frisur  der 
Japanerin  empor,  man  sieht  nur  drei  Viertel 
des  Gesicht,  manchmal  auch  ein  verlorenes 
Profil,  dessen  Angesicht  in  einem  Spiegel 
wiedererscheinf,  immer  geneigt,  steif,  unemp- 
findlich, ohne  Freude,  ohne  Schmerz,  biswei- 
len kaum  melancholisch  oder  ein  wenig 
lächelnd;  Physiognomien  zierlicher  prachtvoll 
gekleideter  Bürgermädchen,  in  unbestimmter 
Haltung,  im  unpersönlichen  Ausdruck,  Physio- 
gnomien von  Geishas  und  Kurtisanen,  sche- 
matische Gesichtszüge,  welche  kaum  variieren. 
Das  sind  »Frauenbilder  dieser  eintägigen  Welt«, 


sagt  Moronobu,  »Immergrüne  Pflanzen«,  meint 
Sukinobu  von  seinen  Modellen. 

Und  nun  das  Nackte!  Die  Japaner  hatten 
immer  Gelegenheit  gehabt,  das  Nackte  zu 
sehen  und  zu  studieren:  die  nackten  Athle- 
ten während  der  Kämpfe,  die  nackten  Beine 
der  Yinrikishamänner  und  der  Reispflanzer, 
die  Nacktheit  der  Frauen  und  Männer  in  den 
öfl'entlichen  Bädern,  wo  beide  Geschlechter 
zusammen  baden.  Sie  sehen  das  Nackte,  aber 
sie  betrachten  es  nicht,  nicht  etwa,  daß  sie  un- 
fähig wären,  es  zu  zeichnen  oder  zu  model- 
lieren: die  buddhistische  Kunst  hat  uns  nur 
den  Torso  zum  Betrachten  gelassen,  wie  z.  B. 
der  Torso  des  Nio  im  Kofuku-ji  zu  Nara 
(8.  Jahrhundert),  doch  nach  dem  14.  Jahrhun- 
dert beschränkte  sich  das  Nackte  lediglich  nur 
auf  das  Gesicht,  auf  eine  leere  Physiognomie. 

Seit  sechs  Jahrhunderten,  seitdem  die  große 
buddhistische  Bildhauerkunst  nachgelassen  hat, 
lebt  der  Japaner  nur  noch  in  der  Karikatur, 


3o 


S:M  FKEVrOE  EINPLÜSSE  TV  DEK  TAP ANISCHEN  KUNST  ^M 


Tgfi.  JSB..  S^.  äs  tuidl  Se..  —  Taxe  S.-  Sif 


&  sr  airnrfei  sraff  cEe  Tiarweßi  äfcertriig..  Heuie 
liefet  er  Lami-sclrafeii,  Cfeferrgs-  nnd  Felspartiem,, 
Wasserfälle,  Lagimeii,  See-  und  Golfdarstel- 
kraigen;.  Anivingücli  sind  die  Laadschaften 
dmrdi  die  fe-mddlustisciiem  Lehrern  der  Zensekte 
EreemfinJät  worden.  Sie  sind  keine  DarsteEnn- 
gen  fä^fanöscher  Szemerieii;,.  sondern  Nacfc- 
jiBirnrmgPT),  ans,  diinesiscfaen  Werken  derX  ang- 
SiM-  wnä  Nord-Scmg-r  der  Ynan-  end  Ming- 
E^jm-astie.  So'  gab  es  Ende  der  Fnjiwara-Pe- 
ric'^  -- i  ies  ri.  and  12.  JaJiriinnderts) 
eir  r  Sdxnle  der  Landschaft.    Bie 

Ec.^-   ^..:i  Franen  verwandten  ilire  Zeit 

anf  die  fnsnma,  den  Papierwändett^  und  anf 
(ä&  Biabn,  den  Wandsch  rrmen,  zn  den  aia%e- 
zeicIaneteB  Sprachen  nnd  Liedern  Landschafts- 
stücte  r™  rnalen.  Diese  Szenerien  wnrden 
na;'  "i-.on   der  Yamato-Schole  ansge- 

ffii "  •  :■;  zaHreicher  Landschaften  der 

T'.     -  •    ' -- •  -  -    .Vns  der  Tang- 

©■;  "  —  :  rsiczt  das  Mn- 

se .  .  .  .;.iterwerke:  Ge- 

bir .  :  "'aiistücken  von  Wa- 

Ta.-      -  •;    and  der  Wasserfall 

von  7\('iü,-"Ä'ci.  ^.i.  Jaüiüandert).  Aas  der  Song- 


Dynastie  (960 — 1259),  sind  die  Ma- 
kemono  von  Mue-clii(Mokkei),  von 
Chao-chang  (Nord- Sang- Dynastie 
960 — 1126),  von  Ma-Yuan  (Siid- 
Song-Dynastie  427 — 1259)  und 
von  Ma-Kaei,  älterem  Bruder  von 
JiLi-Yaan,  vorhanden.  In  der  Yuan 
(1280 — 1567)  and  Ming-DynastLe 
(1567  — 1643)  kam  der  Kursivstil 
(sosho)  an^  tmd  die  japanischen 
Eainstler  der  Higashima-Periode 
(iilrtte  des  ij.  Jahrhunderts)  ahm- 
ten mit  sehr  großem  Geschick  die 
kostbaren  Schöpfungen  eines  Mu- 
chi  und  Ma-Yuan  nach.  Josetsu, 
ein  chinesischer  Priester  der  Ming- 
Dynastie,  welcher  sich  später  als 
Japaner  naturalisieren  ließ,  führte 
in  Japan  die  prachtvollen  buddhisti- 
schen Monochrome  ein ;  sein  Schü- 
ler Shubun  beeinflußte  Sesshtr, 
einen  Priester  der  Zensekte  und 
Schöpfer  der  berühmten  Land- 
schaften der  vier  Jahreszeiten;  Kano 
Masanobu  gründete  gegen  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  die  Kano- 
Schnle  und  sein  Sohn  Kano  Moto- 
nobn  malte  die  acht  berühmten 
Szenen  in  Hsiao  und  Hsiang,  so- 
wie die  vortreffHchen  Wandge- 
mälde im  Museum  zu  Kioto,  jene 
brausenden  Meereswellen  über 
Schieferfelsen. 
Die  japanischen  Künstler,  nicht  zufrieden 
Euit  den  prachtvoll  gelungenen  Reproduktio- 
nen der  acht  berühmten  chinesischen  Ansich- 
ten in  Hsiao  und  Hsiang  an  der  Südküste 
des  Tung-ting-Sees :  Abendgeläute  von  fernem 
Tempel,  Abend  im  Fischerdorf^  Angenehme 
Wmde  im  Bergdörfchen,  Heimkehrende  Seg- 
ler, Seelandschaft  im  Herbstmond,  WUdgänse, 
Äbendregen,  Abendschnee  am  Ufer,  von  dem 
Chinesen  Mu  chi  (Sang-Dynastie)  und  von 
Japanern  Soami,  Shokei,  und  ganz  besonders 
von  Kano  Motonobn  meisterhaft  produziert 
worden,  japanisierten  sie  Ln  die  acht  Schön- 
heiten des  Biwa-Sees;  Sonnenuntergang  in 
Seta,  der  Ishuyama  im  Herbstmond,  Winter- 
abend anf  dem  Hirayama,,  Glockengeläute  in 
MSderä,  aus  Yabase  zurückkehrende  Segel- 
boote, Sonnenschein  in  Awaza,  Abendregen 
in  Karasaki  und  WUdgänse  über  Eüatau.  Ob- 
gleich unser  Atige  noch  vom  Buddhismus 
umnebelt,  bewundert  es  von  neuem  Räche 
vsie  Farbe,  die  während  ihres  tausendjährigen 
Bestandes  von  ihrer  Festigkeit  una  Glanz 
nichts  verloren  haben.  Beredsamer  als  diese 
Gemälde  sind   gewisse  Gänen   des   alten  Ja- 


€53«  rRHNtni-   l-lNM.ÜSSl-  IN   DKR  lAPANlSCHKN   KUXST  ßSÄ 


Si 


pans,  buddhisti- 
sche Zutluchts- 
ortc,  wo  Eingc- 
weilue  ihren 
Gottesdienst  ab- 
halten, jene  Gär- 
ten ,  welche 
noch  heute  Kyo- 
to berühmt  ma- 
chen, die  vom 
14.  Jahrhundert 
iuid  17.  Jahr- 
hundert von 
Künstlern,  wie 
Soami  und  Ko- 
bori  Enshu  für 
die  Shoi^un  und 
Edlen  zeichne- 
ten, welche  sich 
den  Kopt  rasie- 
ren lieL^en,  be- 
deckt mit  ei- 
nem     rituellen 

Schleier  von  der  Welt  Abschied  nahmen  und 
Inkyo  wurden  I  Kinkakuji,  Ginkakuji,  Katsura, 
Daitokuji,  Xanzenji,  Myoshinji  .  .  .  Hier  wie- 
der andere  abgesonderte  Gärten  in  Miniatur, 
umhegt  von  dichten  Baunigruppen  und  um- 
geben von  einem  künstlichen  ^ee,  wo  der 
Garten  eine  Insel  bildet,  in  welchem  man 
kleine  Rambuskioske  oder  y.wischen  immer- 
grünen Zwergbäumen  kleine  Häuschen  aus 
Holz  und  Papier  errichtete,  um  sich  dort  un- 
gesiön  den  poetitschen  Übungen,  den  Tce- 
zeremonien  und  Blumenarrangements  hinzu- 
geben.   Der  Japaner  in  seinem  Jubel,  in  seiner 


Freude,  gewürzt 
mit  einer  Dosis 

Emplindung, 
liebt  alles  das, 
was  er  nicht 
rweimal  sehen 
kann.  So  liebt 
er  unendlich 
wälirend        der 

Winterszeit, 
wenn  es  drau- 
ßen friert  und 
schneit,  und  er 
sein  Papierhäus- 
chen heizen 
muli,  in  seinem 
Zimmer     einen 

Holzschnitt 
oder  einen  Ka- 
kemono  eines 
Wasserfalls  oder 
einer  Sommer- 
landschaft auf- 
zuhängen, während  ihm  in  den  Hundstagen 
ein  W'interbild  unendliche  Freude  bereitet. 
Auch  rindet  er  nicht  minder\'ergnügen  daran, 
den  Abend  mit  seinen  Freunden  am  Golf  von 
Tokio  zu  verbringen,  um  den  Aufstieg  des 
Mondes  anzusehen.  Immer  ist  es  das  Rauschen 
eines  W^asserfolles,  das  Vergehen  einer  Jahres- 
zeit, das  Gleiten  des  Mondes,  klassische  Bilder 
gewisser  Eintagsfliegen,  die  d.is  freudige  \'olk 
von  heute  wie  liie  Aszeten  von  ehedem  sich  ge- 
fallen zu  betrachten.  Man  vergleicht  einen  wert- 
vollen Farbschnitt  eines  Hokusai  mit  einem  Ka- 
kemono  eines  Motonabu;  die  Landschaft  hat 


i«n 

! 

S—l'P 

O  O  O  c 


enauh-iß  Ar  A%\-ir  jW  ,<ä>äA>»/,     Vfi,  S,  as  «»-'"  ■?" 


82 


FREMDE  EINFLÜSSE  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST  ©^ 


l-KirZ  HXII,stNt;hKl.hl< 


i'Kl.)l.  KlKl.HEM  MUAU   OHLRLLblALlI 
(PFALZ)  (1911) 


ihre  buddhistische  Ruhe,  ihre  Eintönigkeit, 
ihre  Allgemeinheit,  ihr  Düster  verloren,  sie 
ist  kein  Traumgebilde  mehr,  sondern  eine 
wirklich  vorhandene  Gegend  des  Tokaido, 
des  Fuji  oder  des  BiwaSees.  Boden,  Meer 
und  Himmel  erstrahlen  in  den  lebhaftesten 
Farben  und  unter  blühenden  Kirschbäumen 
belustigt  sich  eine  gar  bunte  fröhliche  Menge 
beim  Sake,  oder  sie  schwatzt,  leiht  ihr  Ohr 
dem  näselnden  Klang  einer  Laute,  dem  Ge- 
sang der  Geisha,  oder  sie  ergötzt  sich  damit, 
kleine  Gedichte  an  Baumzweige  aufzuhängen. 
Dieser  Enthusiasmus,  die  Wiedererneuerung 
des  Lebens  zu  feiern,  finden  wir  ebenfalls 
bei  Betrachtung  der  zitternden  und  brausen- 
den Landschaften.  Hanshu  Sanjin  tat  nicht 
unrecht,  wenn  er  im  Vorwort  zu  Hokusai- 
Mangua  sagt:  Die  Handlungen  und  das  Äu- 
ßere der  Menschen  drücken  bewunderungs- 
würdig ihre  Gefühle  der  Hoffnung  und  Täu- 
schung, der  Leiden  und  Freuden  aus.  Aber 
die  widerhallenden  Gebirge,  die  brausenden 
Stürme,  die  zitternden  Bäume  und  die  Pflan- 
zen haben  auch  ihre  eigenen  Charakterzüge 
und  die  Vögel,  die  Reptilien  und  die  Fische, 
sie  alle  sind  voll  von  Lebenskraft  und  unsere 
Herzen  erfreuen  sich,  eine  solche  Fülle  von 
Glück  und  Freude  der  Natur  zu  betrachten. 


Wie  sie  sich  über  die  Land- 
schaften, über  die  Blumen,  über 
die  Tiere  beugen !  Man  kann  sagen, 
daß  befreit  von  einem  hundert- 
jährigen fremden  Einfluß,  sie  wie- 
der zur  Natur  zurückkehren,  wenn 
auch  nicht  in  allen  Naturformen, 
so  wenigstens  in  der  menschlichen. 
In  Nashi-Honvvanji  zu  Kyoto,  in 
den  Nekropolen  der  Tokugawa  zu 
Nikko,  Shiha  zu  Neno,  in  der  Kunst 
eines  Hidari  Jingoro  (1594 — 1634) 
und  seiner  Schüler,  wenigstens 
schreibt  man  ihm  das  skulptierte 
Tor  des  Nishi  Honwanji  und  in 
Nikko  zwei  Elefanten  und  eine 
Katze  zu,  gibt  es  keine  Spur  der 
buddhistischen  Skulpturen  mehr, 
welche  als  große  erhaltene  Arbeit 
die  menschliche  Figur  darstellt, 
von  der  Architektur  losgelöst,  die 
sie  beschützt,  eine  bewegliche 
Kunst,  gekommen  von  außen,  eine 
unbewegliche  Skulptur  als  Basrelief, 
bleibt  sie  den  Gebäuden  angehängt, 
die  sie  schmückt,  impressionistische 
Skulpturen  von  Wolken,  Blumen, 
Bäumen  und  Tieren. 

An  Treppengeländern,  Mauern, 
Hausfassaden,  Toren  und  an  den 
geschnitzten  und  bemalten  Holzfüllungen  se- 
hen wir  stolze  Pfaue  mit  langen  Federschwei- 
fen und  Finken  unter  Pfirsich-,  Pflaumen- 
und  Kirschenblüten  zerstreut  sitzen;  Sumpf- 
vögel wiegen  sich,  ihre  Köpfe  in  das  Laub 
versunken,  Seevögel  fliegen  strichweise  zwi- 
schen Wolken  und  Meereswogen.  Unter  den 
Dachsimsen  der  großen  Tore  (Torii)  erschei- 
nen in  gar  bunter  Reihe  Elefanten,  Tiger, 
Affen,  Katzen,  Silber-  und  Golddrachen.  Und 
die  Vögel,  Fische,  Insekten,  Drachen,  Wolken, 
Wellen,  Bambus,  Kirschblüten  und  Chrysan- 
themen finden  wir  auch  auf  Netsuke,  Lacke 
und  Schwertscheiden,  Steingut,  kurz  auf  allen 
Oberflächen  aus  Elfenbein,  Holz,  Metall  und 
Ton.  Eulen,  Adler,  Falken,  Phönixe,  Hähne, 
schneeweiße  Reiher,  Nachtigallen  und  Stieg- 
litze, sammetartige  Tiger,  schöngefärbte  Hir- 
sche, Affen  weibchen,  ihre  Jungen  flöhend,  Rau- 
pen, Eidechsen,  Schildkröten,  Frösche,  Käfer 
aus  grüner  Bronze,  smaragdene  Libellen: 
alles  unvergeßliche  Farbschnittsilhouetten 
eines  Korin,  Okyo,  Ganku,  Sesson,  Hokusai, 
Hiroshige  und  sind  oft  wahrer  und  getreuer 
wiedergegeben,  als  die  besten  Frauengestaltcn 
eines  Ütamaro. 

Dort  wieder  andere  Tiergestalten!  DerHirsch 
der    buddhistischen     Entstehungsgeschichten 


^  FREMDR  EINFLÜSSE  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST 


FRITZ  FUCHSEXBERGER 


Wilhelm  Resch-Miinche 


l'KOT.   KIRCHE  OBERLlilAUr  (PFALZ)  (191 1) 
Vgl.  Abb.  S.  S2—S6 


Steht,  ganz  Anmut,  in  schneeigem  Stein  auf 
der  Spitze  von  Toros  (V'otivlaternen).  Dann 
sehe  ich  ein  prachtvoll  gemeißeltes  Bild  eines 
Fisches,  eigentlich  die  Idee  eines  Fisches,  von 
dem  Bildhauer  zu  grotesker  Schönheitswir- 
kung verwendet.  Er  krönt  den  Gipfel  einer 
Gedenksäule.  Der  weitgeötfnete  Rachen,  der 
eine  dichte  Zahnreihe  zeigt,  ruht  auf  der  Spitze 
des  Blocks,  der  den  Namen  des  Verstorbenen 
tragt.  Die  Rückenflosse  und  der  emporge- 
steckte Schwanz  ist  zu  einer  phantastischen 
Groteske  ausgestaltet.  Das  ist  ein  Mokugyo, 
dasselbe  buddhistische  Emblem,  jenes  hohe 
hölzerne,  golden  und  purpurn  lackierte  Ding, 
auf  welche  die  Priester,  während  sie  das  Su- 
tra  singen,  mit  dem  umwundenen  Hammer 
schlagen.  Und  an  einer  anderen  Stelle  ge- 
wahre ich  endlich  die  Kitsune  >Füchse«,  idea- 
lisierte Füchse,  vergeistigte  Füchse,  Füchse 
von  unbeschreiblicher  Anmut  aus  irgendeinem 
grauen  Gestein  gemeißelt.  Diese  geheimnis- 
vollen, geisterhaften  Geschöpfe  haben  ge- 
schlitzte, unheimlich  funkelnde  Augen  und 
sie  scheinen  zu  knurren.  Als  Diener  des  Reis- 
gottes, Vasallen  Inari-Samas,  gehören  sie  nicht 


zur  buddhistischen  Ikonographie,  sondern  zur 
Bilderwelt  des  Shintoismus. 

Der  buddhistische  Glaube,  in  einer  Zeit  von 
sieben  Jahrhunderten  (7. — 14.  Jahrhundert) 
flößte  den  Japanern  die  Kunst  der  menschli- 
chen Figur  ein,  welche  ausschließlich  in  der 
Unpersönlichkeit  und  Physiognomie  eines 
Buddha  und  seiner  Schüler  dargestellt  wurde. 
Die  ersten  buddhistischen  Werke  in  Japan 
sind,  wie  schon  oben  erwähnt,  unförmliche 
Menschen-  und  Pferdebildnisse  aus  Ton,  welche 
man  um  die  kaiserlichen  Gräber  als  Vertreter 
der  Vasallen  begrub.  Das  ist  eine  fremde  Kunst, 
verbunden  mit  einer  fremden  Religion.  Der 
Buddhismus,  gegen  Ende  des  8.  Jahrhunderts 
aus  Korea  eingeführt,  brachte  auch  die  korea- 
nische Kunst  mit  nach  Japan,  deren  Werke 
wir  leider  nicht  kennen.  Aber  dennoch  gibt 
es  einen  koreanischen  Künstler,  dem  man 
eine  der  ältesten  buddhistischen  Skulpturen 
von  Japan,  die  Statue,  halb  Lack  und  halb 
Holz,  auf  einer  Seite  geschnitzt  und  auf  einer 
Seite  flach  im  Hammen-Stil  Kokuzo  Bosatsu, 
zuschreibt,  welche,  wie  man  glaubt,  der  Re- 
gierungszeit  der    Kaiserin    Suiko    (593—628) 


84 


e^  FREMDE  HIXFr.ÜSSF,  I\  DER   lAPAXISCHEN  KUNST  ®S^ 


I  l;HZ  I  LCHSENBERGHR 


Miit,   Landau   (P/alz) 


angehört  und  im  Museum  zu  Nara  aufbewahrt 
wird.  Auch  nimmt  man  an,  daß  der  kleine 
tragbare  Altar  aus  vergoldeter  Bronze  im  Hor- 
yu-ji  aus  Korea  gekommen  ist,  aber  sicherlich 
ist  es  unrecht,  wenn  Doncho  die  gemalten 
Fresken  der  vier  Paradiese  an  den  Mauern 
des  Kondo  des  Sanktuar  im  Horyn-ji  zu  Nara 
einem  koreanischen  Künstler  zugeschrieben 
werden;  denn  die  Fresken  sind  bei  der  Aus- 
besserung des  Tempels  im  8.  Jahrhundert 
angefertigt  worden.  Nach  Korea  sind  die 
buddhistische  Kunst,  Religion  und  Zivilisation 
von  China  ausgekommen  und  in  China  selbst 
aus  Indien    eingeführt.    Die    alte  chinesische 


Skulptur  teilt  sich  in 
zwei  Gruppen:  die  eine 
des  5.  Jahrhunderts  in 
NordShan-si,  etwa  15 
Kilometer  westlich  von 
Ta-T'on-fu,  der  Haupt- 
stadt im  5.  Jahrhundert 
der  nördlichenWei-Dy- 
nastie  und  die  andere 
des  6. — S.Jahrhunderts 
im  Hohlweg  des  Long- 
men,  15  Kilometer  süd- 
lich von  Honan-fu,  der 
Stadt,  wohin  die  Nord- 
Wei  im  Jahre  494  ihre 
Hauptstadt  verlegten 
und  welche  im  7.  Jahr- 
hundert die  östliche 
Hauptstadt  der  T'ang 
wurde.  In  Long-men 
führten  die  Wei  im 
6.  Jahrhundert  Skulp- 
turen aus,  die  mit  jenen 
ihrer  Vorfahren  bei  Ta- 
t'on-fu  identisch  sind; 
diese  neuen  Tempel 
schützten  die  Tang 
des  7.  und  8.  Jahrhun- 
derts. Bei  Ta-t'onfu 
wurden  ins  Gefels  Grot- 
ten und  Nischen  von 
I  —  30m  Höhe  geschla- 
gen und  den  buddhisti- 
schen Göttlichkeiten 
geweiht;  die  einen  in 
Miniatur,  die  anderen 
in  ungewöhnlicher  Grö- 
ße. Die  Skulpturen  die- 
ser Sanktuars  waren 
fromme  Werke  von 
Kaiser  und  Edelleuten. 
Fast  alle  diese  Skulp- 
turen stellen  wie  die 
primitiven  Skulpturen 
lapans  den  mahnenden,  wie  meditierenden 
Buddha  dar. 

Übrigens  bemerkten  wir  in  den  Grotten  von 
Long-men  aus  der  Epoche  der  T'ang  (7.  und 
8.  Jahrhundert)  zwei,  manchmal  auch  vier 
Buddha,  Kolosse  von  furchtbarem  Aussehen, 
welche  an  beiden  Seiten  des  Eingangs  stehen, 
um  die  Grotte  vor  dem  Eindringen  der  Dä- 
monen zu  schützen.  Diese  himmlischen  Könige 
sind  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  Abkömm- 
linge des  Vajrap.ini.  Während  der  T'ang-Dyna- 
stie  sind  sie  in  die  buddhistische  Kunst  auf- 
genommen und  sie  sind  es,  welche  wir  noch 
heute  an  den  Eingängen  der  groüen  buddhi- 


i;ullK  ÜliUULLiTADT   (I'1-AI./.j 


S2^  FREMDE  ElNl-LÜSSn  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST 


8S 


stischen  Tempel  in 
China  und  Japan  fin- 
den und  nichts  erin- 
nert mehr  an  die  bei- 
den himmlischen  Kö- 
nige des  Tadai  ji  zu 
Nara. 

Es  gibt  noch  andere 
buddhistische  Werke 
in  Japan,  die  sich  eng 
an  die  chinesische 
Kunst  anschliessen: 
die  vier  Mahärajahs 
des  Himmels  im  Hor- 
ju-ji,  die  Steinlöwen 
des  Todai  ji  zu  Nara, 
dem  Chinesen  Chan- 
Huo-Kin  zugeschrie- 
ben. Diese  buddhisti- 
sche Kunst  in  China 
ist  eine  eingeführte 
Kunst.  Schon  V'ajra 
pane  fungierte  als 
Schutzherr  neben 
Buddha  auf  den  in 
Gandhara  im  Nord- 
westen Indiens  autge- 
fandenen  Basreliefs 
und  gewisse  Statuen 
der  Nord -Wei  Dyna- 
stie (5.  bis  6.Jahrhun- 
dert)sitzend,  die  Beine 
gekreuzt,  einer  hinter 
dem  anderen,  haben 
alle  dieselbe  Stellung, 
welche  man  an  den 
Statuetten  von  Gan- 
dhara wiederfindet, 
dessen  eine  bis  nach 
Turfan,  dem  heuti- 
gen   Chinesisch -Tur- 

keslan,      vordrang. 
Hierin  haben  wir  eine 

Handhabe,  daß  die  Kunst  der  Nord-Wei  von 
der  Gandhära-Kunst  beeinflußt  worden  ist; 
d.  h.  die  alte  Kunst  aus  der  Gegend  des  Indus 
hat  sich  durch  Zentralasien  bis  nach  Turfan 
erstreckt,  wo  die  Nord-Wei,  welche  damals 
in  Ost-Turkestan  militärische  Erfolge  erziel- 
ten, sie  kennen  lernten.  Also  der  Nord-Wei- 
Dynastie  im  5.  und  6.  Jahrhundert  war  es 
beschieden,  die  indo-buddhistische  Kunst  von 
Turkestan  nach  Ta  t'on-fu  ins  westliche  China 
zu  bringen  und  erst  später  gelangte  sie  in- 
folge Eroberung  nach  Ho  nan-fu,  wo  sie  unter 
den  T'ang  im  7.  und  8.  Jahrhundert  blühte. 
Im  Altertum  bestand  in  Turfan  eine  Kultur, 
teils  chinesisch,   teils  iranisch,  teils  hinduisch 


l-RITZ  I  L  CHSEXBERGER 


l'KOr,  KIRCHE  ülilCRl  ISTADT  (l'F.^LZ) 
;  v/.  AU.  S.  Sj  u>nl  S4 

und  es  war  vielleicht  im  2.  Jahrhundert  vor 
unserer  Zeitrechnung,  daß  dorthin  vermutlich 
durch  Turkvölker  aus  Kothan  der  Buddhismus 
und  die  Kunst  gelangte.  Wenigstens  zeigen 
uns  dies  die  erfolgreichen  E.xpeditionsresultate 
von  Aurel  Stein  aus  den  Jahren  1900,  1901 
und  1906  — 1908,  Lecoq  1902 — 1903  und 
Paul  Pelliot  1906— 1908.  Etappenmäßig  schritt 
der  Buddhismus  und  die  indische  Kunst  von 
Gandh.ira  über  Turkestan  nach  China,  schließ- 
lich über  Korea  nach  Japan  vor.  Der  Han- 
kaiser Ming  schickte  im  ersten  Jahrhundert 
unserer  Zeitrechnung  einen  Gesandten  nach 
Indien,  welcher  auf  weißen  Pferden  nicht  nur 
die  heiligen  Bücher  der  neuen  Lehre,  sondern 


86 


^  FREMDE  EINFLÜSSE  IN  DER  JAPANISCHEN  KUNST  ®as 


I-RII/  MCHSIiNBERGEK 


I'RÜ  1 .  KIRCHE  OUERI.L'! 


auch  buddhistische  Gemälde  helmbrachte. 
Missionare  aus  Indien  kamen  nach  China 
während  der  fünf  und  sechs  ersten  Jahr- 
hunderte unserer  Zeitrechnung  und  predig- 
ten daselbst;  chinesische  Pilger  trotzten  dem 
Hunger,  Durst,  Kälte  und  dem  Sand  Turke- 
stans,  um  die  heiligen  buddhistischen  Orte 
zu  besuchen.  Doch  plötzlich  im  8.  Jahrhun- 
dert stockte  dieser  kulturelle  Verkehr  beider 
Länder  für  immer  und  erst  viel  später  stellte 
der  Islam  den  alten  Buddhismus  in  Chinesisch- 
Turkestan  wieder   her. 

Der  direkte  Einfluß  der  indischen  Kunst 
auf  die  chinesische  hörte  auf.  Nur  der  Bud- 
dhismus und  Buddhatyp  kam  auf  Japan  über 
und  obgleich  infolge  der  Tradition  in  Japan 
keine  Statuen  nordindischen  Urspungs  exi- 
stieren, weisen  viele  Werke,  besonders  die 
Holzfiguren  der  beiden  Mönche  aus  Gandh.'ira, 
Asanga  und  Wasubandhu,  im  Kofuku-ji  zu 
Nara  auf  indischen  Einfluß  hin,  ebenso  die 
eifgesichtige  Kwan-on  im  Hokke-ji  zu  Yamato, 
die  nach  einer  Tradition  das  Werk  eines  bud- 
dhistischen Gandhära-Bildhauers  sein  soll,  so 
auch  die  neungesichtige  Kwanon  im  Iloryu-ji, 


die  Bronzefigur  des  Avalokitecvara  im 
kaiserlichen  Palast  und  die  Holzstatue 
des  tausendarmigen  Avalokitecvara  im 
Chomyo-ji  und  O'mi.  Alles  ist  an 
ihnen  indisch,  selbst  die  Bekleidung 
und  ihr  Faltenwurf  des  Arya  Avaloki- 
tecvara, der  Bodhisattva  an  den  Fres- 
ken des  Kondo  imHoryu-ji,  der  Glücks- 
göttin Sri  im  Joruri-ji  zu  Yamashiro, 
einer  Statue  aus  der  Tempyo-Epoche 
(8.  Jahrhundert)  und  der  Bonten  und 
Teishakuten,  Sangwatsudo  im  Todai-ji 
zu  Nara  (in  der  zweiten  Hälfte  des 
8.  Jahrhunderts).  Vor  und  während 
der  Regierung  der  Kaiserin  Suiko 
(593  —  628)  ist  der  Einfluß  der  buddhi- 
stischen Kunst  Nordwest-Indiens  meist 
mit  chinesischen  und  koreanischen 
Elementen  versetzt,  denn  es  waren  aus- 
schließlich chinesische  und  koreanische 
Künstler,  die  Fürst  Shotoku  Taishi 
nach  Yamato  kommen  ließ,  um  dort 
zu  malen  und  zu  skulpieren.  Doch 
während  der  sogenannten  Tempyo-Pe- 
riode  (722 — 748)  und  ganz  besonders 
im  8.  Jahrhundert  war  der  indische 
Einfluß  durch  die  Vermittlung  der  chi- 
nesischen Kunst  der  T'ang  weit  vor- 
herrschender. Man  vergleiche  nur 
Kleidung  und  Ausdruck  des  Kokuzo- 
''^°'  Bosatsu  im  Nara-Museum,  des  Shaka 
oder  des  Yakushi  von  Tori-Busshi  im 
Horyu  ji,  des  Akusa-Garbhaim  Horyu-ji 
(alle  aus  dem  Ende  des  6.  und  7.  Jahrhunderts), 
die  Amida-  und  Bodhisattva-Typen  an  den 
Fresken  im  Horyu-ji,  an  den  Statuetten  eben 
daselbst,  die  sich  jedoch  jetzt  im  Nara-Mu- 
seum befinden,  den  Buddha  in  Yakushi  ji 
(718)  der  Bonten  und  Taishaku-ten  (zweite 
des  Hälfte  8.  Jahrhunderts)  im  Todai-ji  zu  Nara. 
Gegen  Ende  des  S.Jahrhunderts  verschwanden 
die  edlen  indischen  Formen,  an  deren  Stelle 
fette  plumpe  Gestalten  traten,  Kunstregeln,  die 
im  9.  Jahrhundert  der  Kanon  festlegte.  Auf 
den  Skulpturen  von  Jocho,  ganz  besonders 
der  Buddha  im  Hokai-ji  zu  Uji  und  den  Ge- 
mälden von  Yenshin,  Sodzu  »Amida  und  die 
25  Bodhisattva«  im  Hachimanko  zu  Koya-san, 
erscheint  die  menschliche  Figur  in  wahre 
Fettwülste  eingehüllt.  In  der  Epoche  der  Ka- 
makura,  unter  dem  Meißel  eines  Kwai-kei  und 
Unkei  (Ende  des  12.  und  Anfang  des  13. Jahr- 
hunderts) trat  mehr  Muskulatur  auf,  eine  japa- 
nische Eigenheit,  welche  die  chinesische  und 
koreanische  Kunst  nicht  kennen;  nur  Buddha 
in  seiner  indischen  Gestalt  bleibt  unverändert 
bestehen. 


^  RELIGIÖSE  DENKMALE  FÜR  KRIEGER  ^^^ 


87 


RELIGIÖSE   DENKMALE 
FÜR  KRIEGER 

In  einem  Autsatz  über  »Krieger- 
denkzeichen im  Felde  und  in 
der  Heimat«,  den  Prof.  F.  W. 
Grombacliim  9.  Heft  der  »Plastik« 
veröffentlichte ,  lesen  wir  auf 
S.  79:  »Bei  Veröffentlichungen 
über  Kriegerdenkmäler  und  Krie- 
gergrabstätten ffndet  man  viel- 
fach, anscheinend  absichtlich, 
jeden  Hinweis  auf  Glaube  und 
Religion  vermieden;  ich  finde 
das  unrichtig.  Neben  den  an  den 
Krieg  erinnernden  Attributen 
kann  auch  das  S3'mbol  des  Glau- 
bens stehen,  dadurch  allein,  meine 
ich,  können  diese  Gedenkzeichen 
bei  uns  der  Landbevölkerung 
nähergebracht  werden,  sie  müs- 
sen neben  der  Erinnerung  an  die 
Kriegszeit,  an  die  Gefallenen 
und  die  heil  zurückkommenden 
Kriegsteilnehmer  den  einfachen 
Leuten  auch  in  religiöser  Hinsicht 
etwas  sein,  und  werden  ihnen 
darum,  wenn  dies  der  Fall  ist,  um 
so  wertvoller  und  unentbehrlich «. 
Dem  Verfasser  danken  wir  für 
seine  Feststellung  der  eigentüm- 
lichen, von  uns  längst  beobachte- 
ten Tatsache,  daß  sich  mit  Ge- 
räusch hervorgetretene  Publika- 
tionen von  Entwürfen  lür  Kriegs- 
erinnerungen über  alle  Religion 
hinwegsetzen  oder  sie  nur  in  dünnster  Ver- 
dünnung zulassen.  Wir  danken  ihm  dafür, 
daß  er  von  dieser  traurigen  Erscheinung  be- 
kennt: »Ich  finde  das  unrichtig«.  Nur  möch- 
ten wir  seine  Begründung,  die  bloß  eine  Seite 
der  Sache  berührt,  bestimmter  fassen.  Nicht 
allein  aus  Entgegenkommen  gegen  die  Ge- 
fühle der  »einfachen  Leute«,  denen  man  die 
Denkmäler  durch  Rücksichtnahme  auf  ihre 
christliche  Gesinnung  sympathischer  machen 
muß,  sondern  aus  Grundsatz  wollen  wir  an 
den  Denkmälern  den  religiösen  Geist  nicht 
missen.  Von  allen  großen  Gedanken  und  Ge- 
fühlen steht  an  erster  Stelle  unsere  heilige 
Religion.  Auf  ihr  beruhen  die  Gefühle,  welche 
die  wahre  Vaterlandsliebe  ausmachen,  als 
auf  einer  unverrückbaren  Grundfeste:  Treue 
gegen  die  Obrigkeit,  innere  Opferwilligkeit 
gegenüber  dem  Gesetze,  Pflichtgefühl  wegen 
des  allerhöchsten  Herrn  im  Himmel,  Selbst- 
vergessenheit bis  zum  Tode  für  die  Volks- 
genossen.   Wahrhaftig,    es  wäre  schon   weit 


FKrrZ  FUCHSENBERGER 


FILIALKIRCHE  KKAISDORF  BEI  EBERX  {1912) 
Vgl.  Abb.  S.SS  und  Sg 


auf  einer  schiefen  Ebene  mit  uns  gekommen, 
wenn  sich  religiöse  Gedenkzeichen  an  den 
Krieg  und  seine  Opfer  nur  mehr  für  einfache 
Leute  auf  dem  Lande,  aber  nicht  für  die  so- 
genannten Gebildeten  und  die  einfachen  Leute 
in  der  Stadt  eigneten.  Gerade  in  den  Städten, 
wo  Auftraggeber  und  Künster  in  letzterer 
Zeit  dem  mündigen  und  unmündigen  Pu- 
blikum an  Plätzen  und  Häusern  selten  mehr 
etwas  anderes  vorzusetzen  wußten  als:  nackter 
Mann,  nackte  Frau,  nackte  überfütterte  Kin- 
der, wäre  für  Künstler  und  Auftraggeber  eine 
Auffrischung  ihrer  Phantasie  aus  dem  Jung- 
brunnen des  Christentums  und  für  die  Ge- 
samtheit ein  Hinweis  auf  den  Ernst  des  dies- 
seitigen und  jenseitigen  Lebens  vonnöten. 
Haben  nicht  bei  Kriegsbeginn  alle  Volks- 
kreise in  Stadt  und  Land  den  Herrn  über 
Leben  und  Tod,  den  Lenker  der  Schlachten 
inbrünstig  angerufen?  Bekunden  draußen  im 
Felde  nicht  auch  zahllose  Krieger  aus  den 
Städten  gläubigen  Sinn?  Erheben  nicht  Für- 


88 


^  FRIEDHÖFE  UND  KRIEGSGEDENKZEICHEN  ^ 


I  KH7  1  l  CHSKNBERGER 


I  IIJALKIRCHE  KKAlsnORF 


Malerei  voti  Max  Koßi 


sten  und  Vornehme,  hochgebildete  Männer 
und  Frauen  gemeinsam  mit  einfachen  Leuten 
in  den  Gotteshäusern  unserer  Städte  ihre 
Hände  um  des  Alimächtigen  Schutz  für  das 
Vaterland  und  seine  Verteidiger?  Soll  es  dann, 
wenn  der  Krieg  mit  Gottes  Gnade  hoffentlich 
siegreich  beendet  ist,  auch  mit  dem  Danke 
aus  sein? 

Der  Klerus  darf  auf  diesem  Gebiete  auf 
seiner  Hut  sein  und  möge  rechtzeitig  ein- 
greifen, wobei  die  gebildeten  Laien  ihm  freu- 
dig zur  Seite  stehen  sollten,  sie  haben  allen 
Grund  dazu.  Der  Blinde  könnte  allgemach 
sehen,  daß  die  christliche  Kunst  nicht  Stecken- 
pferd oder  Luxus  ist,  der  zu  allerletzt  kommt. 

S.  Staudhamer 

FRIEDHÖFE  UND   KRIEGS- 
GEDENKZEICHEN 

Ein  Vorschlag 
Tn  einer  Zuschrift  aus  München  wird  aus- 
*  geführt:  -Zahllose  Familien  sahen  Söhne, 
Gatten  oder  Brüder,  selbst  den  Vater  draußen 
auf  dem  Schlachtfelde  fallen,  die  teuern  Ueber- 
reste    ruhen   in  fremder  Erde,    denn  nur  die 


wenigsten  konnten  sie  heimbringen  lassen. 
Und  so  viele  der  Hinterbliebenen  möchten 
doch  eine  Erinnerungsstätte  an  das  gefallene 
Mitglied  der  Familie  haben,  nicht  bloß  an 
einem  Denkmal  mit  dem  Namen  aller,  son- 
dern an  einem  Plätzchen,  das  speziell  ihnen 
geweiht  ist.«  Dann  wird  die  Frage  aufge- 
worfen, ob  nicht  die  städtischen  Behörden  zu  ge- 
winnen wären,  leer  gewordene  Stellen  imalten 
nördlichen  Friedhof  zu  München,  der  aufge- 
lassen wird,  abzutreten,  damit  dort  für  in 
der  Fremde  begrabene  Krieger  aus  München 
Erinnerungszeichen,  Kreuze,  Kapellen  u.  dgl. 
errichtet  werden  könnten.  Mit  letzterer  Frage 
haben  wir  uns  an  dieser  Stelle  nicht  zu  be- 
fassen ;  doch  glauben  wir  den  in  der  Zuschrift 
niedergelegten  Gedanken  verfolgen  zu  sollen. 
In  den  städtischen  Friedhöfen  pflegen  sich 
an  alle  inneren  Wände  der  Umfassungsmauern 
Grabdenkmäler  anzulehnen.  Auch  auf  dem 
Lande  geschieht  vielfach  das  gleiche,  liäutig 
leider  noch  dazu  in  recht  unglücklicher  Weise; 
da  die  EViedhöfe  auf  dem  Lande  mit  niedrigen 
Mauern  eingefaßt  sind,  so  ragen  die  an  ihnen 
angebrachten  Grabsteine  zur  Hälfte  über  die 
Einfriedung  empor  und  zerschneiden  unschön 


e^  FRIEDHOFE  UND  KRIEGSGEDENKZEICHEN  6^ 


FRITZ  FUCHSENBERGER 


FILIALKIRCHE  KRAISDORF 


til  Jen  ApostMildern 


die  Mauerlinie,  der  auf  diese  Weise  alle  Ruhe 
und  der  Eindruck  des  Umschließens  genom- 
men ist.  Wo  es  noch  freie  Stellen  an  der 
Innenseite  einer  Friedhofsmauer  gibt,  wäre 
die  Anbringung  von  Epitaphien,  die  sich  dem 
Gemäuer  bescheiden  einordnen,  zu  begrüßen. 
In  Städten  könnten  die  öden  Außenwände 
der  Gottesackermauern  es  sehr  wohl  vertragen, 
wenn  sie  durch  edle  Gedenktafeln  für  in  frem- 


der Erde  bestattete  Krieger  geziert  würden. 
Namentlich  gilt  das  von  Wänden,  die  dem 
Verkehr  zugewendet  sind.  Auch  auf  dem 
Lande  gibt  es  Friedhöfe,  deren  Ummauerung 
außen  stellenweise  zu  plastischem  Schmucke 
herausfordert,  desgleichen,  bei  höher  gelegenen 
Kirchen,  Treppenaufgänge  und  Stützmauern, 
denen  Gedenktafeln  der  erwähnten  Art  und 
Zweckbestimmung  zur  Zierde  gereichen  müß- 


Dle  christliche  Kui 


90 


TRITZ  FrCHSF.KRFRGHR 


/IMMHR   DES  VORSTAXDF.S 


A'.  Amtsgericht  Eltmann  tgog 


e^  LEITSATZE  FÜR  WETTBEWERBE  ©^ 


91 


teil.  Schutzmauern  an  Stra- 
ßen- und  Eisenbahnbauten 
böten  für  derartige  Zeichen 
der  Pietät  ebenfalls  er- 
wünschten Hintergrund. 
Von  Seelsorgern  und  welt- 
lichen Behörden  aufgemun- 
tert, sollten  die  Gemeinden 
den  wohlhabenderen  Ange- 
hörigen Gefallener  oder  den 
bessergestellten  glücklich 
Heimgekehrten  nahelegen, 
ihre  religiöse  und  vaterlän- 
dische Gesinnung  durch 
Errichtung  würdiger  Erin- 
nerungszeichen zum  See- 
lenheil und  zur  Ehre  der 
Ihrigen  wie  zur  allgemei- 
nen Erbauung  zu  betätigen. 

Nicht  zuletzt  wären  die 
Wände  der  Pfarr-  und  Filial- 
kirchen und  der  Kapellen 
zur  Aufnahme  religiös  emp- 
fundener und  künstlerisch 
ausgeführter  Gedenkzei- 
chen in  Malerei  und  Plastik 
den  einzelnen  Ortsinsassen 
oder  einer  Gemeinsamkeit 
von  Ortsbewohnern  anzu- 
bieten. Auch  aufgelassene 
Friedhöfe  und  solche,  de- 
ren Auflassung  bevorsteht, 
könnten  den  Gemeindean- 
gehörigen für  private  Erin- 
nerungszeichen und  Denk- 
mäler, die  sich  auf  die 
Kriegsteilnehmer  beziehen, 
zur  Verfügung  gestellt  werden.  Bei  einiger- 
maßen planmäßigem  Vorgehen  könnten  diese 
ehrwürdigen  Stätten,  welche  die  Überreste 
von  vielen  Generationen  der  Gemeindeange- 
hörigen in  ihrem  Schöße  bergen,  auf  dem 
angedeuteten  Wege  vor  der  Profanierung  ge- 
rettet und  zu  heiligen  Hainen  umgestaltet 
werden,  die  dem  ganzen  Ort  zu  ewiger  Zierde 
gereichen  und  höchst  sinnige  Denkmäler  an 
unsere    einzig  große  Zeit  bilden  würden. 

Zur  Lösung  aller  einschlägigen  Fragen  stellt 
die  Deutsche  Gesellschaft  für  christliche  Kunst 
jedermann  ihren  Rat  und  ihre  künstlerische 
Beihilfe  kostenlos  zur  \'erfügung.  Wer  den 
Seinen  ein  religiös  empfundenes  künstlerisches 
Erinnerungsmal  an  den  Krieg  öffentlich  auf- 
stellt, bekennt  vor  aller  Welt:  Ich  und  mein 
Haus  wollen  dem  Herrn  und  dem  Vaterlande 
dienen !  S.  Staudhamer 


IKITZ  I  LCHSEXBERGER 


KIRCHEXKESTAURATIÜX  MURSBACH,  B.A.  EBERN 
Text  S.  6g 

LEITSÄTZE  FÜR  WETTBEWERBE 

An  manchen  Orten  trägt  man  sich  mit  dem 
Gedanken,  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
lür  Kriegsgedenkzeichen  Wettbewerbe  zu  ver- 
anstalten, anderwärts  werden  Denkmalaus- 
schüsse auf  diesem  Wege  folgen.  Über  das 
Wettbewerbswesen  herrschen  immer  noch 
irrige  Auffassungen, obgleich  es  an  Aufklärungs- 
arbeit nicht  mangelt  und  die  »Christliche 
Kunst;:  sowohl  als  auch  »Der  Pionier«  jeden 
Anlaß  benützt,  um  gewisse  Mißstände  zu  be- 
kämpfen. Deshalb  wollen  wir  nach  dem  Grund- 
satz: »Steter  Tropfen  höhlt  den  Stein;  wieder 
einmal  auf  die  Hauptpunkte  hinweisen,  die 
bei  einem  richtigen  Wettbewerb  beachtet  sein 
müssen  ■). 


')  Wir  verweisen  auch  auf  den  i.  Abschnitt  im  i.  Heft 
der  »Konkurrenzen  der  Deutschen  Gesellschaft  für  christ- 
liche Kunst«,  München,  Verlag  der  Gesellschaft  für  christ- 
hche  Kunst,  G.  m.  b.  H. 


92 


s^  LEITSATZE  FÜR  WETTBEWERBE  ©^ 


F.  FUCHSENBERGER 


SKIZZE  ZUM   HüCHAETARE  DER  STAl 
l'IARRKIRCHE  EHINGEN  a.D.   (icji; 


I.  Das  Ausschreiben.  —  Zweck  eines 
Künstler-Wettbewerbes  ist  die  Erlangung  von 
Entwürfen  zu  einem  geplanten  Werke  der 
Kunst.  Der  Inhalt  des  Ausschreibens,  auf 
Grund  dessen  die  Künstler  vom  Wettbewerb 
nähere  Kenntnis  erhalten  und  das  die  Bedin- 
gungen aufzählt,  muß  mit  aller  Sorgfalt  fest- 
gestellt werden.  Dies  läßt  sich  nur  durch 
engste  Zusammenarbeit  der  Veranstalter  eines 
Wettbewerbes  mit  Männern  erreichen,  die  auf 
dem  Gebiete  der  Wettbewerbe  Erfahrungen 
besitzen  und  mit  Künstlern,  welche  das  be- 
sondere Kunstgebiet,  in  dessen  Rahmen  ein 
Wettbewerb  sich  einreiht,  durch  eigenes  Schaf- 
fen beherrschen.  Alle  Angaben  müssen  kurz 
und  unzweideutig  gefaßt  sein,  jene  Forde- 
rungen, an  welche  man  die  Teilnehmer  am 
Wettbewerb  strenge  binden  will,  sind  genau 
von  solchen  Angaben  auszuscheiden,  die  nur 
als  Winke  und  Anregungen  gemeint  sind. 
Vorbehalte,  durch  welche  der  Zweck  des  Aus- 
schreibens nachträglich  umgangen  werden 
könnte,  sind  nicht  zulässig.  Dem  V^erdacht, 
als  könnte  die  Absicht  bestehen,  die  einge- 
laufenen Entwürfe  unter  Umgehung  der  Ur- 
heber   geschäftlich    auszunützen,    ist    vorzu- 


beugen. Der  Zeitpunkt  für  die  Einsen- 
dung der  Entwürfe  soll  nicht  zu  knapp 
bemessen  sein.  Zu  vermeiden  sind  Be- 
stimmungen, welche  den  Bewerbern 
größere  Geldauslagen  verursachen.  Das 
Ausschreiben  hat  sich  darüber  auszu- 
sprechen, ob  sich  alle  Künstler  am  Wett- 
bewerb beteiligen  können,  oder  nur 
Künstler  eines  Landes,  einer  Vereinigung, 
eines  Bezirkes,  einer  Stadt.  Unzweck- 
mäßig ist  es,  den  Kreis  der  Berechtigten 
sehr  eng  zu  ziehen. 

2.  Zusammensetzung  des  Preis- 
gerichtes. —  Über  die  Einsendungen 
entscheidet  ein  Preisgericht,  das  für  die- 
sen Zweck  aufgestellt  wird.  Seine  Zu- 
sammensetzung ist  sehr  wichtig  und  es 
ist  zu  trachten,  hervorragende  Kräfte 
dafür  zu  gewinnen.  Das  Preisgericht  hat 
in  erster  Linie  die  künstlerischen  Rück- 
sichten zu  wahren,  weshalb  die  Mehrzahl 
der  Preisrichter  tüchtige  ausübende 
Künstler  sein  und  einige  von  ihnen  dem- 
jenigen Kunstzweig  angehören  müssen, 
in  welchen  der  Wettbewerb  fällt.  Die 
für  den  Eintritt  in  das  Preisgericht  in 
Betracht  gezogenen  Personen  sind  um 
ihreZustimmung  zu  befragen  und  müssen 
sich  im  Falle  der  Annahme  ausdrücklich 
'T"  mit  dem  Wortlaut  des  Ausschreibens 
'  einverstanden  erklären.  Alle  Preisrichter 

müssen  im  Ausschreiben  aufgeführt  wer- 
den. Künstler,  welche  in  das  Preisgericht  ein- 
treten, dürfen  sich  am  Wettbewerb  nicht  be- 
teiligen. 

3.  Tätigkeit  des  Preisgerichtes.  —  Die 
Namen  der  Urheber  der  eingesandten  Ent- 
würfe bleiben  dem  Preisgericht  und  jedermann 
strengstens  geheim,  bis  das  Preisgericht  seine 
Tätigkeit  abgeschlossen  hat.  Die  Entwürfe 
werden  nach  einem  vom  Verfasser  willkürlich 
gewählten  Kennwort  (Motto)  bezeichnet.  Hat 
das  Preisgericht  sein  Urteil  gefällt  und  schrift- 
lich niedergelegt,  so  stellt  es  die  Namen  der 
Urheber  der  mit  Auszeichnungen  bedachten 
Entwürfe  fest,  während  alle  übrigen  Konkur- 
renten auch  nach  der  Entscheidung  jedermann 
unbekannt  bleiben,  soweit  sie  nicht  selbst  das 
Geheimnis  lüften.  Das  Preisgericht  hat  bei 
seinen  Entscheidungen  jene  Erwägungen  in 
die  Wagschale  zu  werfen,  von  denen  das 
Ausschreiben  bestimmt  war,  und  deshalb  bei 
Wettbewerben  zur  Erlangung  künstlerischer 
Entwürfe  zunächst  einzig  den  Maßstab  der 
Kunst,  bei  Wettbewerben  für  r e  1  i  g  i  ö  s  e  Kunst- 
werke den  Maßstab  religiöser  Kunst  anzu- 
legen. Waren  außer  den  künstlerischen  Eigen- 
schaften der  Entwürfe  nach  dem  Ausschreiben 


FRITZ  FUCHSENBERGER 


l'gl.  Aii.  S.  gs.  —   Text  S.  yo 


HUCHALTAR  IN  EHINGEN  a.  D. 


9-1 


@^  LEITSATZE  FÜR  WETTBEWERBE  ^ 


1  RITZ  ILCHSENBERGEK 


HAU.SÜAKTKN  IM  BISCHOFI,.   PALAST  ZU  SPlilER  (■•;I2) 


auch  noch  andere  Bestimmungen  zu  berück- 
sichtigen, wie  Kostenpunkt,  Aufstellungsort, 
Material,  rein  praktische  Vorschriften,  so  hat 
das  Preisgericht  die  Entwürfe  auch  daraufhin 
zu  prüfen,  wie  es  überhaupt  in  allem  an  den 
Wortlaut  des  Ausschreibens  gebunden  ist. 
Bestehen  über  eine  Sache  Zweifel,  so  muß 
sich  das  Preisgericht  vor  seinen  Entscheidungen 
darüber  durch  Beratung  und  Abstimmung 
einigen. 

4)  Entschädigun- 
gen an  die  Teil- 
nehmer am  We 1 1 - 
bewerbe.  —  Für  die 
besten  Entwürfe  wer- 
den Geldpreise  ausge- 
setzt. Die  für  Preise 
bestimmte  Summe 
muß  im  Ausschreiben 
genannt  sein,  sie  mul.N 
in  einem  geziemenden 
Verhältnis  zur  Arbeits- 
leistung und  zu  dem 
für  die  Ausführung 
aufzuwendenden  Be- 
trage stehen,  sie  muß 
restlos  ausbczahltwer- 
den,  über  die  Art  ihrer 
Verteilung  hat  sich 
das   Ausschreiben   zu       f.  fuchsekberger 


äußern.  Je  höher  die  Preise,  desto  sicherer 
ist  der  Erfolg  des  Wettbewerbes.  —  Außer 
Preisen  können  noch  Ankäufe  von  Entwürfen 
in  Aussicht  genommen  sein.  Tüchtige  Ent- 
würfe, denen  keine  Geldpreise  zuerkannt  wer- 
den können,  werden  öfters  durch  Anerken- 
nungen geehrt.  —  Es  ist  dahin  zu  trachten, 
daß  der  vom  Preisgericht  als  beste  Arbeit  be- 
zeichnete Entwurf  oder  doch  einer  der  preis- 
gekrönten ausgeführt 
und  eine  dahinge- 
hende Bestimmung  in 
das  Ausschreiben  aut- 
genommen wird. 

5.  Engere  Wett- 
bewerbe. —  Werden 
zu  einem  Wettbewerb 
einige  wenige  Künst- 
ler persönlich  einge- 
laden, so  bezeichnet 
man  ihn  als  engeren, 
jedem  der  Teilneh- 
mer ist  in  diesem  Fall 
für  sein  Projekt  eine 
in  dem  Einladungs- 
schreiben zu  nennen- 
de bestimmte  Summe 
zu  entrichten.  Auch 
müssen  jedem  Einge- 
KAPELLE  sTocKiiEi.M  tüFR.)       ladcueu    die    Namen 


^^  DEUTSCHE  GESELLSCHAFT  FÜR  CHRISTLICHE  KUNST  ^ 


95 


der  Mitbewerber  bekanntgegeben  wer- 
den. Im  übrigen  gilt  für  die  engeren 
Wettbewerbe  alles,  was  bei  allgemei- 
nen Wettbewerben  einzuhalten  ist. 

6.    Erschlichene    Wettbewerbe. 
—   Ein   infolge   gewisser   Gewohnhei- 
ten  von    Unternehmern    lange    schon 
wuchernder  Krebsschaden  frißt  immer 
noch  weiter:  man  veranstaltet  geheime 
Submissionen,  durch  die  man  sich  die 
Vorteile   eines  Wettbewerbes  erschlei 
chen  will,  ohne  die  aus  einem  richtigen 
Wettbewerb  sich  ergebenden  Pflichten 
zu    übernehmen.     Wie    das    gemacht 
wird?  Sehr  einfach.    Man  teilt  diesem 
und  jenem  und  einem  dritten  —  Künst- 
lern   und   Unternehmern  —  mit,  daß 
die  Vergebung  einer  Arbeit,  z.  B.  einer 
Kirchenausmalung,    in  Aussicht  steht, 
legt  dem  Adressaten  nahe   oder  stellt 
ihm  anheim,  einen  Entwurf  unverbind- 
lich einzusenden,  verschweigt  aber,  daß  man 
in  derselben  Sache  auch  schon  mit   anderen 
in  Verbindung    getreten.    Leute,    welche   die 
Kunst  geschäftsmäßig  betreiben,  gehen  ohne 
Bedenken  darauf  ein,  da  sie  schon  allerlei  auf 
Lager  haben  und  ihnen  ihre  Entwürfe  nicht 
viel  Kopfzerbrechen  verursachen.  Auch  Künst- 
ler, die  noch  nicht  hereingelegt  wurden,  ge- 
raten unschwer  in  die  Falle.    Auf  diese  Weise 
erhält  der  Fragesteller  einige  Entwürfe  kosten- 
los  zusammen;  er  trifft  die  Wahl,    indem  er 
sich  ohne  Beruf  ein  Richteramt   anmaßt,  an 
dessen  Ausübung  die  gewiegtesten  Fachleute 
nur  mit  Zagen  herantreten;   —  er  ruft  aber 
auch  gerechte  Erbitteruug  hervor  und  schädigt 
das  Ansehen  seines  Standes.    Meistens   dürfte 


I  KIT/.  rUCHSEN'BERGER 


1  ll.I.^LKIRCIIE  HASSENBACH 


FRITZ  FUCHSENBERGER 


der  Billigste  den  Zuschlag  erhalten,  die  übrigen 
können  sehen,  daß  sie  ihre  Entwürfe  wieder 
zurückerlangen,    ohne    auch    noch   an    ihrem 
geistigen  Eigentum  geschädigt  worden  zu  sein, 
da  vielfach  geglaubt  wird,  ein  vorgelegter  Ent- 
wurf könne  nach  Belieben  geplündert  werden. 
Jeder   Künstler   sollte,    bevor   er   eine  Skizze 
auf  eine  Aufforderung  hin  vorlegt,  tunlichst 
sich  klar  über  seine  Bedingungen    bzw.  das, 
was  Rechtens  ist,   aussprechen,   nämlich  daß 
sein  Entwurf,  wenn  ein  Auftrag  nicht  zustande 
kommt,  mit  einer  bestimmten  Summe  zu  ent- 
lohnen ist  und  sein  volles  geistiges  Eigentum 
bleibt,    d.  h.,    daß    derselbe    in    keiner  Weise 
von   einem  andern    verwendet,    umgearbeitet 
oder  sonstwie  ausgenützt  werden  darf.  Mögen 
unsere  Leser  in  ihrem  Kreise  den 
Unfug  erschlichener  Wettbewerbe 
bekämpfen;  ob  es  den  Schuldigen 
angenehm    oder    unangenehm    in 
den  Ohren  klingt,  muß  ihnen  be- 
greiflich gemacht  werden,  daß  sie 
etwas  Tadelnwertes  tun. 

S.  Staudhanicr 

DEUTSCHE  GESELLSCHAFT 
FÜR   CHRISTLICHE  KUNST 

Im  November  wurde  die  Ein- 
ladung an  die  Künstler-Mitglieder 
versendet,  Nachbildungen  von 
Werken  ihrer  Hand  behufs  Vor- 
lage an  die  diesjährige  Jury  zur 
Auswahl  für  die  J  a  h  r  e  s  m  a  p  p  e 
191 6  bis  zum  10.  Dezember  an 
die  Geschäftsstelle  (München,  Karl- 
KiRciiENiNN'EREs      Straße  6)  einzusenden. 


96 


^  AUS  DEUTSCHEM  BLUTE.  —  DER  HANDKUSS  ©^ 


IKIIZ  IL'CHbENBEUGER  CN'AnKNKAPEI.l.E 

Erlach  iri  H-'c-isrnnitt  (igojj.   —    Text  S.  6g 

Ferner  erging  an  die  Künstler-Mitglieder 
die  Einladung,  an  die  obige  Adresse  zum 
gleichen  Termin  Originalwerke  zum  Ankaufe 
für  die  Verlosung  1 9 1 5  gelangen  zu  lassen, 
da  die  Vorstandschaft  beabsichtigt,  die  An- 
käufe noch  vor  Weihnachten   vorzunehmen. 

Bei  der  Herstellung  der  heurigen  Jah- 
resmappe haben  sich  aus  den  durch  den  Krieg 
hervorgerufenen  Verhältnissen  Verzögerungen 
ergeben.  Doch  wird  die  Mappe  in  Bälde  zur 
Versendung  gelangen.  Sie  enthält  vorzüg- 
liche Bildwerke  und  darf  sicher  auf  freudige 
Aufnahme  rechnen.  Vertreten  sind  die  Künst- 
ler: Bachmann,  E.  Endler,  M.  Frank,  F.  Zell, 
Fuchsenberger;  —  Blaser,  Busch,  Buscher, 
Hoser,  Kittler,  Resch,  Balthasar  Schmitt,  Uber- 
bacher;  K.  Gerhard,  Huber-Sulzemoos,  Fritz 
Kunz,  Locher,  Theodor  Nüttgens,  B.  Rice, 
Samberger,    Schumacher,    Leonhard  Thoma. 

AUS  DEUTSCHEM  BLUTE 

Aus  deutschem  Blute  kam  er,  deutschem  Mark, 
Der  an  Italiens  Wände  hingeschrieben 
Sein  übermächtig  Hassen  und  sein  Lieben. 
All  sein  Bekenntnis,  mutig,  riesenstark. 

Sein  Geist  —  Teutonengeist,  den  nichts  be- 
zwingt. 
Er  rüttelt  an  des  Weltalls  Säulenpforten, 
Ob  sie  ihn  auch  im  Sturz  begrabend  morden. 
Frei  bleibt  die  Seele,   ewig  neu  beschwingt. 


In  diesen  Tagen,  da  sich  Wall  auf  Wall 
Zum    Himmel    türmt,    der    Völker    Herz   zu 

scheiden 
Des  Neides  Pflüge  tiefe  Runen  schneiden 
Bleibt  doch  sein  Namen  uns  geliebter  Schall. 

Denn  er  ist  unser.  Stamm  von  unserm  Stamm. 
Wie  Shakespeare  bis  aufs  letzte  Wort  Germane 
Und  er  bleibt  unser.    Seine  Ruhmesfahne 
Soll  aufrecht  wehn  auf  unsrer  Berge  Kamm.') 

M-  Herbert 

DER  HANDKUSS 

Ihr  weißes  Sterbekleid,  brokatgewirkt, 

Floß  lang  und    schwer   entlang    des    Sarges, 

Borden, 
Ihr  Antlitz  einst  so  wegemüd  und  blaß 
Und  leidvergrämt,  war  wieder  jung  geworden. 

Um  ihre  Lippen,  sonst  so  herb  gepreßt. 
Flog  eines  Lächelns  freigelass'ner  Falter 
Im  Kerzenschein.     Der  Strahl   der  Ewigkeit 
Nahm  von  ihr  Lebens  Bitternis  und  Alter. 

Sie  hatten  ihr  den  Brautflor  silberlicht 
Ob  Haar  und  Busen  züchtiglich  gebreitet, 
Lorbeer  und  Rosen  säumten  ihr  das  Bett, 
Sie  war  wie  eine,  die  zum  Feste  schreitet. 

Und  ihre  Hände  lagen  fein  und  schmal, 
Als  wollten  sie  das  heiße  Herz  noch  halten 
Gebetverschlungen  auf  der  Brust  geschränkt, 
Sie  strahlten  heller  als  die  Seidenfalten. 

So  edle  Hände  hatte  nie  erschaut 
Buonaroti  in  den  langen  Tagen 
Der  Lebenszeit.    Er  stand  gebannt  am  Tode 
Sollt  er  die  Hände  ihr  zu  küssen  wagen? 

Sie  bot  sie  immer  flüchtig  nur  zum  Gruß. 
Er  meinte  noch  den  leichten  Druck  zu  spüren. 
Den  scheu  sie  wie  mit  Mädchenfingern  gab: 
Und  nun  —  sie  mit  den  Lippen  zu  berühren? 

Jedoch  er  tat's.  —  Er  beugte  weinend  sich: 
Du  große  Seele  kannst  es  nicht  versagen ! 
Das  letzte  Zeichen  meiner  tiefen  Treu 
Soll  deine  Hand  im  Lichte  Gottes  tragen ! 

M.  Herbert 

')  Michel.ingelo  s;laubte  von  dem  ghibellinischen 
.\delsgeschleclite  der  Grafen  von  Canossa  abzustammen, 
dessen  Stammutter  eine  Schwester  des  Kaisers  Hein- 
rich II.  war.  Diese  Annalime  war  irrig;  die  Dichterin 
aber  geht  in  ihrem  markigen  Sonett  davon  aus,  um 
festzulegen,  daß  der  große  Meister  durch  die  Tiefe  und 
Männlichl<eit  seiner  Kirnst  dem  deutschen  Wesen  ver- 
wandt und  teuer  ist,  wie  denn  auch  die  deutsche  For- 
schung mit  großer  Hingebung  dem  Künstler  nachge- 
gangen ist.  D.  Red. 


Heile  mich,  o  Herr,  so  werde  ich  geheilt  werden; 
hilf  mir,  so  wird  mir  geholfen  seini   jerem.  i? 


^^^^^w<?^^.^^^^_ii^^^. 


^iifi'Jatsii^  -yyyiiJiti-r.Tcg-  '?^^^Ä«l!:>^ 


ALTARSCHREIN  AUS  DER  KIRCHE  IN  KOTTINGWÖRTH  BEI  BEILNGRIES,   DIÖZ.  EICHSTÄTT 
l'g^l.  die  Abb.  S.  IOI  —  I03.  —    Ttxt  S.  100 


DER  MEISTER  DES  KOTTINGWÖRTHER  ALTARS 

Von  FELIX  MADER 
(Hierzu  die  Abb.  S.  97 — in) 


Das  Gebiet  des  ehemaligen  Hochstiftes  Eich- 
stätt  bewahrt  einen  reichen  Schatz  von 
mittelalterhchen  Holzskulpturen.  Längere  Stu- 
dien führten  mich  auf  die  Spur  eines  Meisters, 
der  von  den  achtziger  Jahren  des  15.  Jahr- 
hunderts bis  in  die  Frühzeit  des  folgenden 
seine  Tätigkeit  entfaltete.  Die  örtliche  Ver- 
teilung der  in  Frage  kommenden  Schöpfungen 
führt  zu  der  Vermutung,  daß  er  nicht  in  Eich- 
stätt  selber,  sondern  im  Ostgebiet  des  Hoch- 
stiftes, in  Beilngries,  Berching  oder  Greding 
ansässig  war.  Die  Kunst  war  eben  damals 
nicht  so  an  die  großen  Städte  gebunden 
wie  heute.  Saß  doch  auch  um  1480  in  dem 
Dorfe  Dietfurt,  westlich  von  Eichstätt,  ein 
Künster,  der  Hafner  Vogel,  von  dem  das 
Kloster  Heidenheim  im  genannten  Jahr  die 
Tonfiguren  der  hl.  drei  Könige  und  ein  Marien- 


bildnis kaufte').  Auch  wenn  Vogel  die  Modelle 
nicht  selber  geschaffen  haben  sollte,  ist  die 
Notiz  von  Interesse.  Der  Dorfhafner  lieferte 
sicher  keine  Minderwertigkeiten,  sonst  hätte 
Kloster  Heidenheim  nicht  bei  ihm  gekauft. 

Es  steht  also  nichts  im  Weg,  den  Meister 
des  Kottingwörther  Altars  in  der  romantischen 
Juragegend  um  Beilngries  zu  suchen^). 

Seine  Schöpfungen.  Außerhalb  der  Mauern 
von  Beilngries,  am  Abhang  des  Arzberges,  liegt 
malerisch  die  Bühlkirche,  ein  spätgotischer 
Bau    aus    der    Zeit    des    Eichstätter    Bischofs 


')  A.  Gümbel  i.  Repert.  f.  Kunstwissenscli.,  XXVIII 
(1905),  S.  450. 

=)  Auch  Würzburg  bestellte  im  17.  Jahrhundert  bei 
Bildhauern,  die  in  Forchtenberg,  Miltenberg,  Windsheim 
wohnten.  Vgl.  F.  Mader,  Kunstdenkmäler  der  Stadt  Würz- 
burg, S.  690. 


Die  christliche  Kunst.     XII. 


^  DER  MEISTER  DES  KOTTINGWORTHER  ALTARS  ©sas 


VEKKÜN'DIGUNG  UND  BESCHKEIDUNG  VOM  SPÄTGOTISCHEN'  HAUPTALTAR  IN   DER  BÜHLKIRCHE   HEI   BEILNGRIES 

Um  14S0.  —   Text  S.  99 


;ISIL   —   liC  IILKIRCHE  Bi:i   Hi:n.NGRIES,   DIOZ.  EICHSTA  I  1 
Um  14S0.  —  Ttxl  S.  gg 


DER  MEISTER  DES  KOTTINGWORTHER  ALTARS  ©aa 


99 


Wilhelm  von  Reichenau.  Ein 
Schlußstein  im  Chor  meldet, 
daß  um  1476  am  Chor  gebaut 
wurde'). 

\'om  mittelalterlichen  Haupt- 
altar der  Kirche  haben  sich  die 
Flügelreliefs  erhalten :  Verkün- 
digung Mariens,  Geburt  und  Be- 
schneidung Christi,  Anbetung 
der  Weisen  (Abb.  S.  98  —  99). 

Wie  vielfach  in  der  Spätgotik 
und  Renaissancezeit  gebräuch- 
lich war,  hat  sich  der  Schnit- 
zer in  der  Komposition  der 
Szenen  teilweise  an  Vorbilder 
angelehnt.  Die  Darstellung  der 
Geburt  Christi  und  die  Anbe- 
tung der  hl.  drei  Könige  stimmt 
nämlich  augenfällig  überein  mit 
den  Tafelbildern  in  der  Maria- 
hilfkirche zuNeumarkt  i.Obpf.2) 
Vermutlich  benutzten  beide, 
Maler  und  Bildschnitzer,  die 
gleichen  graphischen  Vorbilder. 
Es  gelang  allerdings  nicht,  die- 
selben ausfindig  zu  machen, 
weswegen  mit  der  Möglichkeit 
gerechnet  werden  muß,  daß  der 
Schnitzer  an  die  Bilder  sich  an- 
lehnte. Die  Möglichkeit  besteht. 
Die  Tafelbilder  entstanden  1478, 
die  Reliefs  sind  etwas  jünger. 
Freilich  ist  der  ursprüngliche 
Standort  der  Neumarkter  Tafeln 
unbekannt.  Der  Kirche  wurden  sie  im  19.  Jahr- 
hundert geschenkt. 

Die  Komposition  der  Beilngrieser  Reliefs 
ist  also  für  jeden  Fall  beim  Maler  zu  leihen 
gegangen.  Nur  das  Beschncidungsrelief  scheint 
auf  des  Schnitzers  eigener  Erfindung  zu  be- 
ruhen. Sie  ist  beträchtlich  schwächer  als  die 
des  Malers  bezw.  Stechers.  Die  vielen  Statisten 
im  Hintergrund  der  Szene  stehen  im  primi- 
tivsten Nebeneinander  da  und  scheinen  sich 
zu  langweilen.  Auch  sonst  fehlt  es  nicht  an 
formalen  Schwächen.  Die  Darstellung  des 
Kniens  bewältigt  der  Schnitzer  nicht  völlig, 
das  Jesuskind  auf  dem  Relief  der  Geburt  liegt 
unbeholfen  da,  die  schreitende  Bewegung  des 
Mohrenkönigs  ist  nicht  geglückt.  Dafür  ent- 
schädigt aber,  wie  bei  so  vielen  Spätgotikern, 
die  innere  Vertiefung,  die  schlichte,  unmittel- 
bare Auffassung,  die  gehaltvolle  Charakteristik. 
Das  Schönheitsempfinden  des  Meisters  zeigt 
durchgehends  einen  gewissen   barocken  Ein- 

')  Kunstdenkmäler  der  Oberpfalz,  XII,  B.-.\.  Beilngries, 
S.   18. 

^)  Dieselben,  XVII,  Tat".  II. 


■WBETUNG   DER  KUMüE.    - 


BLIILKIKCIIE    Bi;i    liElLNGRIES,   DIOZ.  EICHSTATT 
'i  1480.   —    Text  nehettan 


schlag.  Leben  war  ihm  mehr  als  abgeklärte 
Form.  Man  sieht  das  an  seinem  Beilngrieser 
Marientypus:  Anmut  und  Würde  fehlt  nicht, 
aber  gesunde  Kraft  spricht  bestimmend  mit. 
Eine  wahre  Auslese  scharfgeschnittener,  son- 
nengebräunter T)'pen  bieten  die  Männer- 
gestalten. Mit  hingebender  Treue  und  Sicher- 
heit sind  sie  der  Natur  nachmodelliert.  Der 
dickbackige  Mohrenkönig  ist  gewiß  realisti- 
scher als  nötig  wäre,  aber  Charakterköpfe  wie 
St.  Joseph  und  die  beiden  anderen  Könige 
gehen  über  Durchschnittsleistungen  beträcht- 
lich hinaus. 

Der  Gewandstil  ist  stark  von  der  weichen 
Art  beeinflußt,  die  die  drei  ersten  Viertel  des 
1 5.  Jahrhunderts  charakterisiert.  Bezeichnend 
ist  das  Beschneidungsrelief.  Aber  das  bewegte, 
flutende  Barock,  das  mit  Ende  der  siebziger 
Jahre  einsetzt,  spricht  auch  schon  mit,  zunächst 
noch  zahm  und  schüchtern.  Den  Reliefs  ent- 
standen also  bald  nach  Vollendung  des  Chor- 
baues der  Kirche,  um   1480. 

Zwei  Reliefgruppen  im  Diözesanmu- 
seum  reihen  sich  zunächst  an.    Sie  stammen 


'3* 


es^  DER  MEISTER  DES  KOTTINGWÖRTHER  ALTARS  ^ 


SHCHS  APOSTEL  AUS  FREYSTADT 
Text  unten 

aus  Freystadt').  Freystadt  gehörte  allerdings 
zur  Pfalz,  lag  aber  an  der  Grenze  des  Hoch- 
stiftes und  zwar  in  nächster  Nähe  des  Gebietes, 
das  die  meisten  Schöpfungen  unseres  Schnit- 
zers besitzt.  Es  handelt  sich  um  zwei  Gruppen 
von  je  drei  Aposteln.  Sie  scheinen  zu  einer 
größeren  Gruppe  gehört  zu  haben,  die  den 
Tod  Mariens  darstellte.  In  den  Gesichtszügen 
der  Apostel  malt  sich  nämlich  durchgehends 
schmerzliche  Ergriffenheit  (Abb.  oben).  Die 
Mehrzahl  schaut  teilnahmsvoll  aufeinen  Gegen- 
stand bezw.  auf  eine  Person,  die  in  der  Mitte 
der  Gruppe  sich  befand,  zwei  erheben  trauernd 
den  Blick  nach  oben.  Wahrscheinlich  kniete 
Maria  inmitten  der  versammelten  Apostel, 
ein  Typus  des  Marientodes,  der  ja  öfter  vor- 
kommt. Veit  Stoß  hatte  kurz  zuvor  die  Szene 
auf  seinem  Krakauer  Altar  so  geschildert, 
desgleichen  manch  anderer  Meister. 

Die    Köpfe    der    Apostel    zeigen    dieselbe 


')  Seb.  Mutzl  in  Eichstalts  Kunst,  München   1901, 
S.  85. 


scharfe,  energisch  durchgebildete  Cha- 
rakteristik wie  die  Beilngrieser  Re- 
liefs. Knorrige,  sonnenverbrannte 
Gestalten,  aber  Gestalten  voll  kerni- 
gen inneren  Lebens.  Auch  die 
knochigen  Hände  sind  voll  Ausdruck. 
Die  Auffassung  und  Schnitztechnik 
des  Meisters  prägt  sich  aufs  bestimm- 
teste aus,  der  Faltenstil  ist  der  der 
Beilngrieser  Reliefs. 

Ich  komme  zu  dem  erhaltenen 
Hauptwerk  des  Meisters,  zum  Kot- 
tingwörther  Altar. 

Eine  Stunde  unterhalb  Beilngries 
liegt  am  Altmühlufer  malerisch  das 
uralte  Kottingwörth  mit  seiner  zwei- 
türmigen  Kirche.  In  der  frühgoti- 
schen Veitskapelle  des  schönen  Got- 
teshauses befand  sich  bis  vor  unge- 
fähr vierzig  Jahren  der  in  Frage 
stehende  Altar.  Bischof  Franz  Leo- 
pold von  Leonrod  erwarb  ihn  unter 
Zustimmung  der  in  Frage  kommen- 
den Stellen  für  die  größere  Kapelle 
des  Bischofspalais  in  Eichstätt^). 

Es  handelt  sich  um  einen  Schrein- 
altar.    Im  Schrein  befinden  sich  die 
fast  lebensgroßen    Statuen   St.  Vitus, 
Modestus  und  Kreszentia  (Abb.  S.  97). 
Die    Innnenseiten    der  Flügel    sind 
mit    vier    Reliefszenen    geschmückt: 
Taufe    des   hl.  Vitus,    eine   Kranken- 
heilung durch  ihn,  Peinigung  durch 
die  Schergen  (Abb.  S.  102),  Martertod 
imOelkessel(Abb.  S.  103).  Die  Außen- 
seiten schmücken  gemalte  Szenen  aus  St. Vitus' 
Leben,    gute    Bilder,    die   aber  für  uns  hier 
nicht    in    Betracht    kommen.      Die    Predella 
stammt  von  einem  anderen  mittelalterlichen 
Altar. 

Der  Kottingwörther  Schrein  strahlt  jene 
tiefe,  fesselnde  Wirkung  aus,  wie  sie  allen 
wirklichen  Kunstschöpfungen,  mögen  sie  wel- 
cher Periode  immer  angehören,  eigen  ist.  Der 
Reiz,  den  die  lebendige  Blume  vor  der  ge- 
machten voraus  hat,  ruht  auf  den  in  goldene 
Gewänder  gekleideten  Gestalten  des  Altars. 
Zum  erstenmal  tritt  uns  hier  der  Meister 
mit  seinem  Können  als  statuarius  entgegen. 
Und  dieses  Können  ist  bedeutend.  In  gerader, 
sicherer  Haltung  stehen  die  drei  Schreinfiguren 
da,  groß  und  schlank  gebildet,  in  formen- 
reicher Gewandung,  die  die  Abhängigkeit  vom 
körperlichen  Substrat  folgerichtig  ausdrückt. 
Klar   und    übersichtlich    gruppieren    sich    die 

=)  Fr.  X.  Herb  in  Eichstätts  Kunst,  S.  61  f.  —  Ueber 
Kottingwörth  vergl.  Kunstdenkmäler  des  B.-A.  Beilngrie?, 

S.  100  ff. 


DER  MEISTER  DES  KOTTINGWORTHER  ALTARS  ©S^  loi 


HL.  Mlil)l_sl  l.  ■ 


Schrein  dfs  Kcttiii^u 


—    I  i-/.  AU:  S.  qy.  —    Tex 


III.    i-,  Kl  .s/]-.Xll.\ 
■I.»   und  unten 


Drapierungsmotive,  nur  ausnahmsweise  drin- 
gen die  barocken  Neigungen  des  Meisters  und 
der  Zeit  durch.  Bedeutend  ist  die  Charakte- 
ristik. Ein  Kopf  wie  der  des  Modestus  gehört 
zu  den  Kabinettstücken  der  spätgotischen 
Plastik.  Die  beiden  andern  stehen  nicht  zurück. 
Die  Charakteristik  steht  aber  dem  Künstler  so 
hoch,  bezeichnenderweise,  daß  er  vor  einer 
Nuance  ins  Genrehafte  nicht  zurückschreckt. 

Die  Hände  dienen  ihm  dazu,  die  Figuren 
in  seelischen  Konnex  zu  bringen.  Modestus 
und  Kreszentia  zeigen  auf  ihren  Pflegling  hin, 
auch  ihre  Gesamthaltung  ist  der  Mittelfigur 
zugewendet.  Also  eine  Art  sacra  conversazione. 

Ich  komme  zu  den  Flügelreliets.  Sie 
sind  sehr  figurenreich,  gedrängt  komponiert, 
und  zwar  oflensichtlich  eigene  Erfindung  des 


Schnitzers.  Graphische  Vorlagen  können  nicht 
vorausgesetzt  werden.  Dem  Beschneidungs- 
relief  in  Beilngries  gegenüber  fällt  der  Fort- 
schritt in  der  Gruppierung  auf:  sie  ist  bewegter, 
flüssiger.  Es  fehlt  auch  hier  nicht  an  formalen 
Schwächen,  aber  die  übrigen  Qualitäten  wiegen 
sie  weit  auf,  namentlich  die  markante  Charak- 
teristik. Letztere  bildet  den  kürzesten  stil- 
kritischen Verbindungsweg  mitdenBeilngrieser 
und  Freystädter  Schöpfungen :  überall  die 
gleichen  sehnigen  und  knochigen  Männer- 
gestalten, die  gleiche  Art  jugendlicher  Er- 
scheinungen. Vitus  mit  seinem  breiten  flächigen 
Typus  gehört  unbedingt  in  den  gleichen 
Formenkreis  wie  die  Beiingrieser  Marienfigur 
und  wie  der  Engel  Gabriel  auf  der  dortigen 
Verkündigungsszene  (S.  98). 


102  e^  DER  MEISTER  DES  KOTTINGWORTHER  ALTARS  ®» 


MARI  VRIUM  D1£S  Hl,.  VITLS 
Vgl.  AH.  S.  gy.  —  Text  S.  loo 


In  der  Gewandung  klingt  die  ältere  weiche 
Art  noch  mehr  nach  als  in  den  Schreinfiguren. 

Als  Entstehungszeit  kommen  die  neunziger 
Jahre  des  Jahrhunderts  in  Betracht. 

Derbisher gewonnene  Ueberblick ermöglicht 
es,  zwei  große  Einzelfiguren  als  Schöpfungen 
des  begabten  Meisters  zu  erkennen.  Zunächst 
eine  Marienstatue  auf  dem  nördlichen  Seiten- 
altar in  der  Pfarrkirche  zu  Großhebing  (Abb. 
S.  104I.).  Eine  bedeutende  Schöpfung  !  Ent- 
standen ist  sie  ungefähr  gleichzeitig  mit  den 
Beilngrieser  Reliefs.  Wie  dort  dokumentiert 
sichder  Meister  auch  hier  als  begeisterter  Realist. 
Sein  Marienoriginal  nahm  er  sich  mitten  aus 
dem  Leben :  eine  junge  Frau,  stattlich,  gesund 
und  kräftig,  nicht  idealschön,  aber  eben  ganz 
lebenswahr.  Sinnend,  nachdenklich  wendet  sie 
sich  dem  Jesuskind  zu.  Das  Kind  ist  sehr  schön. 
Den  Formen  des  kindlichen  Körpers  zeigt 
sich  der  Schnitzer  völlig  gewachsen,  die  Be- 


wegung ist  frei  und  rh3-thmisch,  der  Ausdruck 
des  schönen  Köpfchens  ungemein  seelenvoll. 
Etwas  wie  Wehmut  scheint  aus  dem  Kind 
zu  sprechen.  Mit  beiden  Händchen  hält  es 
einen  Apfel  vor  sich,  jedenfalls  den  Paradies- 
apfel. Dieser  Umstand  erklärt  die  Stimmung 
bei  Mutter  und  Kind.  Also  wie  häufig  bei 
den  mittelalterlichen  Madonnenmeistern  eine 
sehr  vertiefte  Auffassung  mit  mystischen  An- 
klängen. 

Mit  einem  wahren  Enthusiasmus  für  flutende 
und  rauschende  Formen  bildete  der  Schnitzer 
die  Gewandung  Mariens:  das  Pathos  der  acht- 
ziger Jahre  wollte  seinen  Tribut  haben.  Es 
muß  sich  aber  dem  weichen  Stil  anbequemen, 
in  dem  der  Künstler  aufgewachsen  ist.  Die 
Zugehörigkeit  zum  fraglichen  Opus  betreffend, 
wolle  man  den  Typus  Mariens  mit  der  Beiln- 
grieser Mariendarstellung  vergleichen,  namen- 
lich am  Dreikönigsrelief.  Man  verü;leiche  ferner 


DER  MEISTER  DES  KOTTINGWORTHER  ALTARS  e^ 


103 


MAklhRlOÜ  DEb  HL.  Mll'b  IM  OLI\£»EL 
r^-l.  Ali.  S.  97.  —    Tcjci  S.  100 


den  hl.  Vitus  am  Kottingwörther  Altar.  Der 
gleiche  persönliche  Stil,  auch  die  gleichen 
technischen  Manieren  prägen  sich  mit  der 
wünschenswertesten  Erkennbarkeit  aus. 

Die  zweite  Figur  steht  jetzt  in  der  Kirche 
zu  Esselberg,  in  der  Nähe  von  Großhebing. 
Es  handelt  sich  um  eine  Apostelstatue, 
gegenwärtig  durch  die  nicht  glückliche  Bei- 
gabe eines  Lilienstengels  als  St.  Joseph  cha- 
rakterisiert (Abb.  S.  105).  Das  Bildwerk  befand 
sich  früher  in  Großhebing  in  Privatbesitz, 
stammt  also  möglicherweise  aus  der  dortigen 
Pfarrkirche.  Die  Figur  ist  etwas  jünger  als  die 
Großhebinger  Madonna  und  etwas  älter  als 
der  Kottingwörther  Altar.  Die  künstlerischen 
Qualitäten  der  Schreinfiguren  des  genannten 
Altars  kommen  auch  der  Esselberger  Statue  zu. 
Der  Typus  des  vollbärtigen  Apostels  findet 
sich  wieder  in  Beilngries  auf  dem  Beschnei- 
dungsrelief  und  in  Berching  auf  dem  Sippen- 


relief (Abb.  S.  106),  wovon  sogleich  die  Rede 
sein  wird.  Die  Gewandung  bewegt  sich  in  rei- 
chen, volltönenden  Rhythmen.  Das  Bedingtsein 
durch  den  Körper  ist  aber  weniger  ausgedrückt 
als  das  am  Kottingwörther  Altar  der  Fall  ist. 
Der  eben  erwähnte  Hochaltar  der  altehr- 
würdigen Lorenzikirche  in  Berching  gehört 
zweifellos  unserem  Meister  an.  Erhalten  ist 
von  der  umfangreichen  Anlage  die  Schrein- 
gruppe, Maria  Krönung  darstellend,  und  vier 
Flügelreliefs.  Sie  schildern  die  Diakonatsweihe 
des  hl.  Laurentius,  sein  Verhör  vor  dem 
Richter,  seine  Grablegung,  außerdem  die  hl. 
Sippe  (Abb.  S.  106  und  107).  Die  interessanten 
Bildwerke  sind  heute  einem  modernromani- 
schen Altaraufsatz  eingegüedert.  Auch  die 
Außenbilder  haben  sich  erhalten.  Sie  hängen 
einzeln  an  den  Wänden  der  Kirche").    Es  sind 

')  Kunstdenkmäler   des  B.-A.  Beilngries,   S.  37,  40  u. 
Tafel  Il-V. 


104 


^  DER  MEISTER  DES  KOTTINGWÜRTHER  ALTARS  ffiSSi 


.MAIUENSTATUE  IK  GUOSSHHBIXG 
Text  S.  IUI 


MAKlEXSTATUli  IX   DLR  I'E  lEKSKlKCIlE  Zu 
EICHSTÄTT.  —   Text  S.  106 


deren  acht  wie  am  Kottingwörther  Altar.  Die 
beiden  Altäre  hatten  also  rückseits  stehende 
gemalte  Seitenflügel,  die  nur  bei  geschlossenem 
Schrein  sichtbar  wurden. 

In  den  Visitationsprotokollen  des  Eichstätter 
Generalvikars  Priefer,  1601 — 02  niederge- 
schrieben, steht  die  Bemerkung,  der  Altar  sei 
im  Jahre  1302  gemacht  worden:  >  altare  coro- 
nationis  B.  Virg.  et  s.  patroni  (i.  e.  s.  Laurentii) 
magnum  ex  sculptis  imaginibus  Anno  1502 
factum«').     Diese    Notiz,    die    sich    mit    der 

')  Ordinariatsarchiv  Eichstätt,  Vitus  Priefer,  Visitations- 
protokolle von  1601/02,  tom.  II,  fol.  241'-  Vgl.  Pasto- 
ralblatt 1862,  S.  177. 


wünschenswertesten  Sicherheit  auf  die  erhal- 
tenen Skulpturen  bezieht,  wurde  von  Priefer 
ofl^enbar  auf  Grund  einer  am  Altar  ange- 
brachten Inschrift  oder  Jahreszahl  gemacht. 
Für  den  ersten  Augenblick  befremdet  die 
Jahreszahl.  Man  würde  die  Berchinger  Skulp- 
turen mit  Rücksicht  auf  deren  Gewandstil, 
der  mit  bayerischen  Arbeiten  der  Renaissance- 
zeit Berührungspunkte  zeigt,  etwas  später  an- 
setzen. Dennoch  dürfte  die  Priefersche  Notiz 
richtig  sein.  Die  Schreinfiguren  in  Berching 
stehen  denen  am  Kottingwörther  Altar  so  nahe, 
daß  der  Unterschied  nur  wenige  Grade  aus- 
macht.    Daceaen   sind   die  Flü"elreliefs  fort- 


DER  MEISTER  DES  KOTTINGWORTHER  ALTARS  mm 


105 


geschrittener  —  im  stilistischen  Sinn  —  als 
jene  am  Kottingwörther  Altar.  Die  Beein- 
flussung durch  den  alteren  weichen  Stil  hat 
völlig  aufgehört.  Schrein  und  Flügel  stimmen 
in  Berching  in  der  stilistischen  Aufmachung 
vollständig  überein.  Die  jüngere  Entstehungs- 
zeit macht  diese  Erscheinung  ohne  weiteres 
verständlich.  Der  Meister  hat  den  Anschluß 
an  den  Zeitstil  völlig  gefunden;  die  barocken 
Momente,  die  mitsprechen,  sind  eine  Nach- 
wirkung der  Schule,  aus  welcher  der  Meister 
hervorgegangen  ist,  das  gleiche  künstlerische 
Empfinden  wie  an  der  Großhebinger  Madonna, 
aber  dem  Zeitstil  gemäß  formuliert. 

Der  Zeit  entsprechend,  die  von  der  Formen- 
klärung durch  die  Renaissance  beherrscht  zu 
werden  anfängt,  oder  von  deren  Formenglätte, 
wenn  man  will,  geben  sich  die  Berchinger 
Figuren  kultivierter  als  die  vorausgehenden 
Arbeiten,  wenn  man  deren  herben  Realismus  in 
den  Vordergrund  stellt,  mehr  der  typischen 
Konzentration  zugeführt  im  Gegensatz  zu  der 
älteren  naiven  Vorliebe  für  reiches,  selbstän- 
diges Detail.  Sie  gehören  aber  besimmt  der 
gleichen  Rasse  an.  Zweifler  bitte  ich  die  Ber- 
chinger Marienfigur  mit  dem  Kottingwörther 
Vitus  in  Vergleich  zu  stellen,  Gottvater  und 
Gottsohn  mit  Modestus  und  dabei  noch  zu 
beachten,  daß  die  Berchinger  Figuren  durch 
eine  moderne  Fassung  geglättet  sind.  Die 
Schreinfiguren  bilden  dann  das  feste  Bindeglied 
zwischen  den  Berchinger  Flügelreliefs  und 
den  älteren  Reliefarbeiten.  Ohne  sie  wäre  die 
Brücke  schwer  zu  finden,  das  muß  zugegeben 
werden. 

Was  den  seelischen  Charakter  der  Berchinger 
Skulpturen  anbetrifft,  so  ruhtauf  der  Krönungs- 
gruppe eine  ungewöhnlich  teierliche,  würde- 
volle Stimmung.  Die  überschlanken  Propor- 
tionen bei  Gottvater  und  Gottsohn  erhöhen 
diesen  Eindruck.  Die  gedrängte  Gruppierung 
hängt  offensichtlich  mit  der  ursprünglichen 
Gestaltung  des  Schreins  zusammen.  Die  er- 
haltenen drei  Figuren  füllten  denselben  nur 
halb.  Die  heutigen  Nebenfiguren  sind  nicht 
zugehörig.  Man  muß  also  annehmen,  daß  die 
Krönungsgruppe  ursprünglich  von  weiteren 
Figuren  umgeben  war,  die  verloren  sind,  ent- 
weder von  Engeln,  ähnlich  dem  Schaffnerschen 
Altar  in  Wettenhausen,  oder  zwei  großen 
Heiligenfiguren,  wie  es  beim  Hauptaltar  in 
Schwabach  der  Fall  ist. 

Seelenvolle  Innerlichkeit  spricht  aus  den 
Flügelreliefs,  namentlich  aus  der  Sippendar- 
stellung, die  fürinnere  Vertiefung  ja  am  meisten 
Anhaltspunkte  bot.  Die  Einreihung  dieses 
Motives  ist  auffallend.  Sie  macht  es  wahr- 
scheinlich,  daß   im   Schrein    neben   der  Krö- 


nIATLE  IN'   ES^ELBERO 
Text  S.  loj 


nungsgruppe  die  Figuren  St.  Laurentius  und 
St.  Anna  standen,  also  eine  Schreinanordnung 
wie  am  Schwabacher  Altar.  Die  Verehrung 
der  hl.  Anna  war  um  die  Entstehungszeit  des 
Berchinger  Altars  im  höchsten  Flor.  Auch 
in  Berching  scheint  sie  sehr  gepflegt  worden 
zu  sein.  Die  zweite  Kirche  der  Stadt,  die 
heutige  Pfarrkirche,  erhielt  um  die  fragliche 
Zeit  einen  Altar  der  Heiligen,  woraus  sich 
später  sogar  eine  eigene  St.  Annakapelle  ent- 
wickelte»). 

Dem  Berchinger  Altar  steht  zeitlich  eine 
Marienstatue  nahe,  die  in  der  Peterskirche 

I)  Pastoralblatt  der  Diözese  Eichstätt  1858,  S.  108. 
Ueber  spätgotische  St.  Annabildnisse  im  Hochstift  Ei.:h- 
stätt  vgl.  meinen  Aufsatz  im  Sammelblatt  des  Hist.  Ver. 
Eichst.itt,  191 1. 


Die  chrisüichc  Kunst.    XII. 


io6 


^  DER  MEISTER  DES  KOTTINGWORTHER  ALTARS  ©S^ 


\t).M   ll(.l(  HAI  lARi;  DER  LORIAV    ..    i_l:L   _;     1;1£RCH1NG,   DIÖZESE  EICHSTÄTT 
Text  S-  tvj-los 


in  Eichstätt  sich  befindet  (Abb.  S.  i04r.).  Sie 
gehört  sicher  dem  Kottingwörther  Meister  an. 
Seine  Art,  die  Draperien  zu  gestalten,  bildet 
eine  singulare  Erscheinung  in  der  spätgotischen 
Plastik  des  Hochstiftes  Eichstätt,  die  Verglei- 
chung  ist  deshalb  leicht.  Der  Typus  Mariens 
hat  viel  Verwandtes  mit  der  Kreszentia  des 
Kottingwörther  Altars  und  mit  den  Frauen 
des  Berchinger  Sippenreliefs :  keine  weiche 
Schönheit,  sondern  Betonung  des  Charakte- 
ristischen, ja  ein  Stich  ins  Herbe,  ist  all  diesen 
Frauengestalten  eigen. 

Die  Madonna  der  Peterskirche  gehört  gleich 
der  Großhebinger  zu  den  zahlreichen  Marien- 
figuren des  Mittelalters,  die  das  mariologische 
Problem  von  seiner  tiefsten  Seite  erfassen. 
Würde  und  Ernst  verkörpern  sich  in  Maria. 
Entzückend  schildert  der  Künstler  wieder  die 
Psyche  des  Kindes:  nicht  einen  hübschen, 
liebenswürdigen  Knaben  schuf  er,  sondern 
ein  Jesuskind,  das  mit  sinnigem  Ausdruck  den 
Betern  sich  zuwendet  und  sie  segnet.  Der 
Gestus  des  Segnens  scheint  ursprünglich  zu 
sein.  Wenn  geringer  begabten  Schnitzern  die 
Uebersetzung  der  Natur  in  die  überweltliche 
Sphäre  weniger  glückte,  so  kann  das  bei  der 
Schwierigkeit  der  Aufgabe  nicht  überraschen. 

Die  bisher  genannten  Schöpfungen  geben 
sich  als  Werke  eines  Meisters  deutlich  zu  er- 


kennen. Wir  nannten  ihn  den  Kottingwörther 
Meister.  Ich  reihe  noch  einige  Skulpturen  an, 
die  in  seine  Richtung  fallen,  eine  definitive 
Zuteilung  jedoch  nicht  gestatten. 

Die  Kirche  in  Hausen  bei  Greding  besitzt 
drei  Apostelrelieffiguren:  Petrus,  Paulus  und 
Johannes  (Abb.  S.  io8).  Die  Figuren  stehen 
ausgesprochen  unter  dem  Einfluß  der  Renais- 
sance, die  im  Eichstätter  Gebiet  mit  Loy  Hering 
seit  ca.  15 14  ihren  Einzug  hielt.  Daß  die 
Bildschnitzer  des  Hochstiftes  dem  Einfluß 
seiner  Schöpfungen  sich  entzogen  hätten,  ist 
nicht  anzunehmen,  wohl  aber  das  Gegenteil. 
Die  Hausener  Figuren  zeigen  das:  die  über- 
schlanken Proportionen,  die  sich  schon  teil- 
weise am  Berchinger  Altar  geltend  machen, 
die  Reduktion  des  reichen  Details  in  der  Ge- 
wandung und  die  Charakteristik  der  Apostel, 
sind  auf  Rechnung  der  Renaissance  zu  setzen. 
Es  gewährt  namentlich  großes  Interesse,  zu 
beobachten,  wie  der  spätgotische  Realist  in 
der  Charakterschilderung  mit  dem  Renaissance- 
ideal sich  abfindet.  Er  bleibt  Charakterschil- 
derer,  sucht  aber  gleichzeitig  den  Forderungen 
auf  formale  Schönheit,  die  dem  Typus  zustrebt, 
gerecht  zu  werden.  Also  ein  Kompromiß,  der 
zu  etwas  manierierten  Gestalten  geführt  hat. 
Bezeichnend  ist  der  Pauluskopf  mit  dem  ge- 
strähnten Flachsbart.    Die    gezwungene  Hai- 


DER  MEISTF.ll  DES  KOTTINGWOimiER  ALTARS  ©as 


107 


tung  der  drei  Figuren  scheint  durch 
den  engen  Raum  verschuldet  zu 
sein,  in  den  sie  hineingezwängt 
werden  mußten. 

Aus  der  Hausener  Kirclie  kam 
eine  Sa!  vatorb  üs  te  in  Privat- 
besitz (Abb.  S.  109),  Sie  ist  gleich- 
zeitig mit  den  Aposteltiguren  viel- 
leicht Rest  einer  Standtigur;  daß 
sie  vom  Meister  der  Apostel 
stammt,  ist  ohne  weiteres  klar.  Es 
fällt  aber  auch  die  Verwandtschaft 
mit  den  Berchinger  Krönungstigu- 
ren  in  die  Augen.  Mit  ihnen  hat 
der  Hausener  Christus  die  lange 
Kopfbildung  gemeinsam,  gleich 
den  Aposteln,  und  das  gleiche 
figürliche  Ideal.  Wie  auf  den  Ber- 
chinger Figuren  ruht  auf  diesem 
Salvator  Hoheit  und  Würde,  aber 
nicht  unnahbar.  Die  benignitas 
et  humanitas  salvatoris  spricht  ver- 
trauenerweckend mit.  Die  Inspi- 
ration des  Künstlers  war  unbedingt 
bedeutend.  Man  erinnert  sich  an 
die  Inschrift  des  Genter  Altars  zu 
Füßen  Gottvaters:  »Leben  ohne 
Tod  im  Haupte,  Jugend  ohne  Alter 
auf  der  Stirne,  Freude  ohne  Trauer 
zur  Rechten,  Sicherheit  ohne  Furcht 
zur  Linken«. 

Zwei  Apostelfiguren  in  der 
Kirche  zu  Pfraundorf  bei  Beiln- 
gries  fallen  in  die  Richtung  der 
Hausener  Skulpturen.  Ein  hl.  Se- 
bastian in  der  Kapelle  zu  Kai- 
dorf, ebenfalls  bei  Beilngries, 
könnte  eine  Werkstattarbeit  sein'), 
auch  ein  hl.  S ebas tian  in  Rök- 
kenhofen  kommt,  wenn  die  Er- 
innerung nicht  täuscht,  in  Frage. 

Eine  Reihe  von  Berührungs- 
punkten mit  den  jüngeren  Arbeiten 
des  Kottingwörther  Meisters  hat 
ein  Altarwerk  in  Burgober- 
bach bei  Ansbach.  Ich  will  aber 
nicht  gesagt  haben,  daß  es  ihm 
wirklich  angehört,  das  gestatten 
verschiedene  Bedenken  nicht.  Für 
jeden  Fall  ist  die  Konstatierung 
von  Interesse,  daß  in  beträcht- 
licher Entfernung  von  der  Zone, 
die  die  vorausgehenden  Werke  ber- 
gen, verwandte  Erscheinungen  auf- 
treten.    Da    Burgoberbach   Besitz 


BEGRÄBNIS  DES  HL.  LAUREN TIUS 
KW.  A/>6.  S.  106 


')  Abbild,  i.  Kunstdenkmäler   des  B.-A. 
Beilngries,  S.  99. 


l'gl.  AU.  S.  106 


io8 


e^  DER  MEISTER  DES  KOTTINGWÖRTHER  ALTARS  ^ 


DKKl   Al'OSTIiL  IX   DEK  KIRCHE  ZU   HAUSEX  Bi;i   GKEDIXl,  (I)IOZ.  HICHSTATT) 
Tejrt  S.  106 


des  Hochstiftes  Eichstätt  war'),  wäre  der  Zu- 
sammenhang ja  sehr   erklärlich. 

Der  Altar  stand  ursprünglich  in  der  Leon- 
hardil^irche  in  Burgoberbach.  Um  die  Mitte 
des  19.  Jahrhunderts  versetzte  man  ihn  in  die 
Pfarrkirche.  Bei  diesem  Anlaß  mußte  er  sich 
starke  Eingriffe  in  den  ursprünglichen  Bestand 
gefallen  lassen.  An  Stelle  der  Mitteltigur  im 
Schrein,  St.  Leonhard,  trat  ein  moderner 
Nikolaus,  auch  die  Predella  ist  neu.  Die  Gruppe 
der  Zwölf  Apostel,  die  darin  gestanden  war, 
ist  verschollen.  Erhalten  sind  die  beiden 
Schreinfiguren  St.  Stephan  und  Sebastian  (Abb. 
S.  iio  u.  in),  die  Flügelreliefliguren  St.  Chri- 
stophorus  und  Wendelin,  ferner  die  Außcn- 
bilder  der  Flügel  mit  Szenen  aus  Leonhards 
Leben.  Die  Statue  des  hl.  Leonhard  (Abb. 
S.  iior.)  kam  in  die  kath.  Pfarrkirche  zu 
Absberg. 

')  Vgl.  Bundschuh,  Hist.-iopogr.  Lexilion  von  1-ran- 
ken,  Ulm  1799,  I,  508  tf. 


Was  die  Burgo- 
berbacher Figuren 
mit  dem  Kotting- 
wörther  Meister  ver- 
bindet, das  ist  die 
Auswahl  der  Typen, 
das  figürliche  Ideal. 
Die  drei  Heiligen  — 
die  Flügelreliefs  sind 
nur  dekorativ  zu 
werten  —  nament- 
lich Sebastian  und 
Stephanus,  haben 
jene  schmalen,  läng- 
lichen Köpfe  mit 
manieriert  behandel- 
tem Mund  und  knap- 
pen Knien,  wie  sie 
die  Berchinger  und 
Hausener  Figuren 
auch  zeigen.  Kurz 
gesagt,  es  besteht 
Familien  Verwandt- 
schaft, die  leichter 
gesehen,  als  analy- 
siert wird.  Auch  die 
überschlanken  Kör- 
perproportionen 
sind  gemeinsam. 
Das  Gefühl  für  pla- 
stische Geschlossen- 
heit zeigt  gegenüber 
Berching  und  Hau- 
sen einen  bestimm- 
ten Fortschritt,  die 
Leonhardsfigur  we- 
nigstens. Die  Ge- 
stalt des  Heiligen  ist  von  innen  heraus  ent- 
wickelt, das  Bedingtsein  der  Gewandung  vom 
Körper  klar  ausgedrückt  unter  Zurückdrän- 
gung der  Draperiedetails,  die  noch  weiter  geht 
als  bei  den  Hausener  Figuren.  Das  wäre  also 
ein  Wachsen  des  Verständnisses  für  den  Genius 
der  Renaissance. 

Ich  bemerke  aber  nochmals  ausdrücklich, 
daß  mir  die  Bedenken  für  eine  bestimmte 
Zuteilung  sehr  wohl  bekannt  sind.  Für  Kriti- 
ker ist  es  eine  wertvolle  Uebung,  den  hl. 
Leonhard  mit  den  Seitentiguren  zu  vergleichen. 
Der  Kunsthistoriker,  der  den  Leonhard  dem 
Meister  der  Seitenfiguren  auf  stilkritischem 
Wege  zuteilen  würde,  dürfte  starken  Bedenken 
begegnen.  Glücklicherweise  bestehen  aber 
lokale  Traditionen,  die  Urkundenwert  haben. 
Das  sind  des  Kottingwönher  Meisters  Werke. 
Seinen  Namen  kennen  wir  nicht,  werden  ilin 
voraussichtlich  auch  nicht  kennen  lernen.  Er 
war  keiner  von  den  Geringen.   Die  Zeit  seines 


^  DIE  NEUE  PFARRKIRCHE  IN  MILBERTSHOFEN  ^S 


109 


SALVATORBÜSTE  AUS  DER  KIRCHE  1\  HAUSEX 
Text  S.  107 

Schaffens  fällt  in  eine  Periode,  die  innerhalb 
Dezennien  einen  raschen  Wechsel  von  Stil- 
bewegungen aufweist.  Welches  waren  die 
inneren  treibenden  Kräfte  dieser  Bewegung? 
Um  die  Wende  des  Jahrhunderts  das  Ein- 
dringen der  Kenntnis  italienischer  Kunst,  die 
unmittelbar  oder,  wie  jedenfalls  in  unserem 
Fall,  mittelbar  wirkte.  Aber  was  bewirkte  die 
barocke  Hochflut  der  achtziger  Jahre?  Welche 
innern  Kräfte  waren  da  in  Tätigkeit?  Man 
hat  von  »seelischer  Erregtheit«  gesprochen 
und  darin  eine  Wegbahnung  für  die  religiösen 
Umwälzungen  des  16.  Jahrhunderts  gefunden. 
Das  ist  Täuschung.  Ebbe  und  Flut,  Ruhe 
und  Bewegung  wechseln  in  der  Formenwelt 
der  Kunst  ständig,  auch  in  den  übrigen  Jahr- 
hunderten, am  meisten  in  der  modernen  Zeit. 
Auf  klassische  Tendenzen  folgen  wieder  ba- 
rocke. Ein  Beispiel :  Die  Hochflut  des  Barocks 
in  der  Spätzeit  des  17.  Jahrhunderts  glättet 
sich  mit  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  immer 


mehr,  um  mit  dem  feinen  Laub-  und  Band- 
werk der  zwanziger  Jahre  zur  ruhigsten  Aus- 
drucksweise überzugehen.  Aber  das  Ansteigen 
beginnt  sofort  wieder  und  erhebt  sich  zu 
einer  wahrhaft  barocken  Hochflut  im  Muschel- 
werk des  Rokoko  gegen  die  Mitte  des  Jahr- 
hunderts, um  abermals  in  allmählich  abstei- 
gender Bewegung  in  die  Ebbe  des  Klassizismus 
auszulaufen.  Das  romanische  und  gotische 
Mittelalter  unterlag  den  gleichen  Gesetzen, 
nur  waren  die  Fristen  etwas  länger  gesteckt. 
Es  handelt  sich  also  um  ein  durchgehendes 
Gesetz,  das  dem  Kunstschaff'en  immanent  ist. 
Die  absolute  Schönheit,  die  in  der  Kunst  sich 
widerspiegelt,  ist  unerschöpflich.  Keine  Stil- 
weise kann  sie  annähernd  genügend  ausdrük- 
ken,  auch  die  Gotik  nicht,  die  man  im  19.  Jahr- 
hundert auf  doktrinärem  Weg  zur  absolut 
kirchlichen  Kunst  zu  stempeln  suchte.  Der  Ver- 
such führte  zur  traurigsten  Inferiorität.  Wech- 
sel und  Vielgestaltigkeit  ist  ein  überragendes 
Weltgesetz,  auch  in  der  Kunst.  Daß,  zunächst 
von  der  Kunst  gesprochen,  auch  psychologische 
Faktoren  mitwirken,  die  cupiditas  rerum  no- 
varum,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Sie  kann 
ein  Uebel  sein,  wie  die  modernen  Bewegungen 
zeigen,  die  keine  Reife  über  lauter  Unruhe 
und  Modesucht  aufkommen  lassen,  kann  aber 
auch  eine  psychische  Kraft  sein,  die  vor 
Verknöcherung  und  Versumpfung  bewahrt, 
wie  ein  Blick  auf  die  romanische  und  gotische 
Misere  des   19.  Jahrhunderts  beweist. 

DIE  NEUE  PFARRKIRCHE  IN  MIL- 
BERTSHOFEN UND  IHR  DECKEN- 
GEMÄLDE 

Von  DR.  ADOLF  FEULNER 

(Hierzu  die  Abb.  S.   112  bis   120) 

\  Tun  ist  mit  der  Fertigstellung  der  Decken- 
^  ^  maierei  die  neue  Pfarrkirche  in  Milberts- 
hofen  trotz  der  Ungunst  der  Zeiten  zur 
Vollendung  gelangt.  Wenige  Stücke  der 
Ausstattung  fehlen  noch ;  doch  werden  diese 
kaum  eine  Änderung  des  Gesamteindruckes 
bedingen.  An  dem  Bau,  so  wie  er  jetzt  steht, 
kann  man  das  Wollen  und  Können  unserer 
Zeit  auf  dem  Gebiete  ländlicher  Kirchenar- 
chitektur gut  ersehen  und  da  die  Kirche,  alles 
in  allem,  zu  den  erfreulichsten  Leistungen 
unserer  jüngsten  Künstlergeneration  gehört, 
nehmen  wir  Anlaß,  auch  hier  ausführlich  dar- 
auf hinzuweisen. 

Wir  geben  zunächst  die  wichtigsten  Daten. 
Eine  neue  Kirche  war  in  Milbertshofen  schon 
längere    Zeit    geplant,    der   Kirchenbauverein 


DIE  NEUE  PFARRKIRCHE  IN  MILBERTSHOFEN 


IIL.  STKI'HANIS 
urtn  von  einem  Altar 


Burgoberbach.     Hier. 


IIL.  li;ü\hakii 

—   Text  S.  ,07  und  loS 


bestand  schon  Jahrzehnte,  und  mit  Rücksicht 
auf  die  Nähe  Münchens  und  die  bevorstehende 
Einverleibung  in  die  Stadtgemeinde  hatte 
man  anfangs  einen  größeren,  wenig  origi- 
nellen Bau  projektiert.  Er  ist  das  Verdienst 
des  jetzigen  Stadtpfarrers  Joseph  Ströbl,  daß 
schließlich  ein  kleineres  Projekt,  das  sich  den 
immerhin  noch  ländlichen  Verhältnissen  besser 
anpaßt,  zur  Ausführung  kam.  Ströbl  hat  auch 
mit  zielbewußter  Energie  und  sicherem  Ver- 
ständnis die  entsprechenden  Kräfte  unter  den 
jüngeren  Künstlern  zu  gewinnen  verstanden 
und  keine  Mühe  gescheut,  um  eine  Kirche 
zu  erhalten,  die  von  den  ausgetretenen  Bah- 
nen gotischer  oder  romanischer  Stilnachah- 
mung abweichend,  den  praktischen  und  ästhe- 
tischen   Bedürfnissen    unserer    Zeit    gerecht 


wird.  Am  11.  September  1910  war  der 
Grundstein  zum  Bau  gelegt  worden,  am 
28.  April  1912  erfolgte  die  Einweihung.  Den 
Entwurf  zum  Bau  mit  der  gesamten  Aus- 
stattung, zu  den  Altären,  zu  Kanzel  und 
Gestühl  hat  Otho  Orlando  Kurz  geschaffen. 
Die  Ausführung  der  Bauarbeiten  lag  in  den 
Händen  der  Architekten  Eduard  Herbert  und 
Otho  Orlando  Kurz,  die  der  Holzschnitzar- 
beiten bei  Ignaz  Bader  und  Osterrieder.  Die 
plastischen  Werke,  das  modern  stilisierte 
Hochrelief  des  Hochaltares,  die  naturalistisch 
in  der  Art  der  Frührenaissance  Donatellos 
behandelten  Figuren,  das  Kruzifix  über  dem 
Südeingang  und  St.  Johannes  auf  dem  Schall- 
deckel der  Kanzel  sind  von  Karl  Baur,  der 
auch  die  Reliets  zu  den  Seitenaltären  fertigen 


DIE  NEUE  PFARRKIRCHE  IN  MILBERTSHOFEN 


wird.  Schöpfer  der  Decken- 
malerei, auf  die  wir  iiernacii 
ausführlich  zurückkommen 
werden,  ist  Franz  Reiter. 

Eine  vollkommen  neue 
Lösung  für  den  katholischen 
Kirchenbau  hat  die  moderne 
Architektur  noch  nicht  ge- 
bracht. Man  hat  in  moder- 
nen Architekturformen  ältere 
Ideen  überarbeitet,  man  hat 
sich  im  Grundriß  und  Aufriß 
an  Beispiele  alter  Stiltormen 
angeschlossen,  mit  Vorliebe 
zuletzt  an  Formen  romani- 
scher Kunst,  weil  diese  dem 
modernen  Streben  nach  tek- 
tonischer  Kunst  am  meisten 
entgegenkamen.  Auch  Kurz 
hat  sich  an  ältere  Vorbilder 
angelehnt,  an  Vorbilder  aus 
der  Zeit,  die  in  Bayern  die 
originellsten ,  am  meisten 
selbständigen  Kirchenbauten 
geschaffen  hat,  an  solche  des 
späten  i8.  Jahrhunderts.  Im 
südlichen  Bayern  zeigen  die 
Schöpfungen  der  Lechtaler 
Architekten  ähnliche  Grund- 
rißlösungen ;  auch  Details, 
wie  die  Fensterfiguration  sind 
dort  zu  finden,  während  die 
Formen  des  Turmes  an  alt- 
bayerische Zopfkirchen  erin- 
nern. Anderes  ist  wieder 
freier  und  selbständig,  wie 
man  überhaupt  von  Nach- 
ahmung nicht  sprechen  kann. 
Daß  das  Vorbild  der  engeren 
Heimat  entnommen  ist,  ist 
sicher  ein  Vorzug;  eine 
Kirche  in  diesen  mit  dem  Boden  verwachse- 
nen Formen  schließt  sich  mit  größerer  Selbst- 
verständlichkeit dem  Landschaftsbilde  ein. 
Ebenso  daß  Formen  der  ländlichen  Archi- 
tektur gewählt  wurden ;  die  Kirche  ist  nicht 
in  ein  fläusermeer  eingebettet,  sondern  steht 
frei,  in  dem  ebenen  Gelände  fast  beherr- 
schend da.  Die  malerische  Gliederung  der 
Außenarchitektur,  die  Zusammengruppierung 
der  Bauteile,  von  Langhaus,  Turm  und  Sa- 
kristeianbauten, dazu  die  Formen  des  ge- 
brochenen, steilen  Daches,  die  Figuration  der 
Fenster,  alles  das  zusammen  bewirkt  den 
reizvollen  Eindruck.  Noch  ein  Umstand  hat 
vielleicht  den  Anschluß  an  die  Architektur 
des  späten  i8.  Jahrhunderts  veranlaßt.  Die 
Grundrißlösungen  dieser  Zeit  kommen  auch 


HL.  SEB. 
Burgoberbach. 


modernen,  praktischen  Be- 
dürfnissen am  meisten  ent- 
gegen, die  Zentralanlage  mit 
dem  mächtigen,  hellen  Schiff, 
an  das  sich  in  der  Längs- 
achse Chor  und  Orgelvor- 
halle anschließen,  läßt  über- 
all den  Blick  auf  die  Altäre 
frei  und  gewährt  auch  der 
Kanzel,  die  in  der  Mitte  der 
Nordwand  angebracht  ist, 
den  prominenten  Platz. 

Die  Durcharbeitung  des 
Einzelnen  im  Innern  ist  eben- 
falls selbständig.  Die  Gliede- 
rung der  Langhauswände 
durch  Pilaster  mit  freiem  Ro- 
kokokapitäl,  auf  welchem  das 
abschließende  strenge  Gebälk 
ruht,  die  Aufteilung  in  Fel- 
der lehnt  sich  nur  im  allge- 
meinen an  ältere  Stilmuster 
an.  Die  grazile  Leichtigkeit 
der  Architektur  des  1 8.  Jahr- 
hunderts ist  überall  mit  mo- 
dernem Sinn  für  Monumen- 
talität gemildert;  die  Gliede- 
rung ist  schwerer,  wuchtiger, 
sie  bewegt  sich  in  Abkür- 
zungen, wo  der  alte  Stil  sich 
frei  auslebt.  Manche  Lösung 
zeigt  sogar  Freiheiten,  die 
auch  der  originellste  Zopf- 
architekt nicht  gewagt  hätte, 
wie  den  Anschluß  des  Chor- 
bogens  an  die  Wandgliede- 
rung, die  mit  einer  Voluten- 
endung abfällt,  während  das 
im  Zwickel  übrigbleibende 
Gebälkstück  einfach  durch 
eine  Blattrosette  verdeckt 
wird.  Dann  eines,  was  dem  historisch  versier- 
ten Beschauer  am  meisten  auffällt,  die  Ver- 
schiedenartigkeit der  Wandghederung  in  Chor, 
Schiff"  und  Orgelvorhalle.  Der  Chor  mit  dem 
dreiseitigen  Schuß,  dem  auf  Konsolen  sitzen- 
den Kappengewölbe  mit  Rippen  aus  stukkierten 
Lorbeerstäben  und  den  übrigen  Stukkaturmo- 
tiven der  süddeutschen  Renaissance  macht 
mehr  den  Eindruck  eines  Baues  des  17.  Jahr- 
hunderts, während  der  durch  das  starre,  auf 
freien  Konsolen  aufruhende  Gebälk  abge- 
trennte Orgelanbau  mit  der  ungegliederten 
Wand,  der  Kassettendecke,  und  der  auf 
stämmigen,  jonischen  Säulen  ruhenden  Empore 
die  ohne  engere  Verbindung  in  den  Raum 
hineingestellt  ist,  modern  gehalten  ist.  Das 
sind  Lösungen,  die  vielleicht  manchen  male- 


ASTIAN 

Text  S.  108 


DIE  NEUE  PFARRKIRCHE  IN  MILBERTSHOFEN 


1  ARBIGE  STUDIE  ZUM  HL.  GEORG 


rischen  Reiz  verbürgen ;  ob  die  Zusammen- 
stellung dreier  verschiedenartig  behandelter 
und  unter  sich  verbindungsloser  Raumkom- 
partimente  ästhetische  Vorteile  bietet,  darüber 
läßt  sich  streiten. 

Auch  die  Ornamentik  geht  von  Vorbildern 
des  i8.  Jahrhunderts  ab;  sie  verwendet 
schweren,  italienisierenden  Akanthus,  der  auch 
an  den  Seitenaltären  wiederkehrt.  Die  har- 
monische Zusammenstimmung  eines  jeden 
Details  mit  dem  Gesamtraum  in  der  Weise, 
daß  nirgends  eine  Leere  entsteht,  daß  jedes 
Ornament  in  den  Rhythmus  der  Architektur 
verflochten  wird,  ist  das  Charakteristikum  von 
Baustilen,  die  natürlich  aus  der  Kultur  eines 
Zeitalters  emporgewachsen  sind,  bei  denen 
der  Stilwillen  bis  in  die  kleinsten  Teile  hinein- 
sprießt. An  der  Ornamentik  spürt  man  zuerst 
das  Nachempfundene.  Auch  hier  erscheint 
die  Ornamentik  etwas  einförmig,  sie  hat  nicht 
das  Leben,  das  man  bei  Bauten  dieser  Art 
gewohnt  ist.  Etwas  schwer  wirkt  auch  die 
Bemalung  der  Wände,  die  Abtönung  mit 
dunklem  Ocker  und  starkem  Grau.  Da  auch 
die  an  sich  bewegten  Altäre  zu  einfarbig  ge- 


halten sind,  mit  zu  weitgehender  Ver- 
wendung von  Silber  und  kaltem  Grau- 
grün, würde  der  Gesamtraum  mono- 
ton erscheinen,  wenn  er  nicht  durch 
das  Deckengemälde  das  richtige  Le- 
ben  erhielte  (Abb.  S.  113). 

Bei  der  Konkurrenz  um  das  Decken- 
gemälde wurde  von  der  Jury,  zu  der 
auch  V.  Habermann,  v.  Feuerstein  und 
V.  Hackl  gehörten,  dem  Entwurf  von 
Franz  Reiter  der  I.  Preis  zuerkannt, 
»weil  die  wohlbefriedigende  Kompo- 
sition im  vollen  Einklang  mit  der 
umgebenden  Architektur  steht  .Reiter 
tolgt  hierin  der  besten  Barocktradi- 
tion. Das  Deckengemälde  ist  nicht 
als  rein  tektonische  Dekoration  behan- 
delt, die  wie  ein  Teppich  die  Wand 
schmücken  will  —  man  darf,  um  ein 
modernes  Beispiel  anzuführen,  nur  an 
Becker -Gundahls  Wandgemälde  in 
der  Münchener  St.  Annakirche  den- 
ken — ,  es  verfolgt  noch  weiteren 
Zweck.  Wie  es  der  Stil  erfordert, 
will  es  den  Hochdrang  der  Architek- 
tur zum  Ausklang  bringen,  es  will 
raumerweiternd  wirken.  An  der  Decke 
öffnet  sich  gleichsam  ein  neuer  Raum, 
der  mit  dem  sonnigen,  von  dunkeln 
Wolken  durchkreuzten  Himmel  endet. 
Man  dachte  sich  im  18.  Jahrhundert 
die  Deckengemälde  als  Visionen, 
welche  durch  die  illusionistische  Be- 
handlung, die  perspektivische  Verkürzung 
dem  Beschauer  nahe  gebracht  worden  sind. 
Auf  die  konsequente  Durchführung  des  Illu- 
sionismus ist  hier  verzichtet,  Kompromisse 
waren,  da  die  gegebene  Fläche  stärker  be- 
rücksichtigt werden  mußte,  auch  hier  nötig. 
Der  Beibehaltung  eines  einheitlichen  Flucht- 
punktes für  das  ganze  Deckengemälde  stand 
die  Längsform  entgegen,  die  zu  starke  Ver- 
kürzungen ergeben  hätte ;  es  sind  deshalb 
zwei  Fluchtpunkte  gewählt,  die  etwa  in  Höhe 
der  großen  Evangelistenfiguren  liegen.  Aus 
dem  gleichen  Grunde  wurde  auch  nicht  eine 
einheitliche,  durchgehende  Komposition  ge- 
wählt, sondern  die  Decke  aufgelöst  in  Ein- 
zelbilder mit  Darstellungen  der  wichtigsten 
Episoden  aus  der  Legende  des  Titularheili- 
gen.  Darin  kommt  die  Komposition  moder- 
nem, tektonischem  Empfinden  entgegen,  sie 
berücksichtigt  moderne  Bedürfnisse  für  eine 
Monumentaldekoration.  Auch  fehlt  der  Ar- 
chitektur die  nötige  ekstatische  Steigerung  und 
das  Deckengemälde  ist  durch  eine  zu  breite 
und  plastisch  vortretende  Umrahmung  abge- 
trennt.     Die    Verkürzungen    treten    deshalb 


113 


FRANZ  REITER  (MÜNCHEN) 

Text  S.  113  iis  t/S 


DECKENBILD    IN 
MILBERTSHOFEN 


Die  christliche  Kunst.    XII. 


114 


^  DIE  NEUE  PFARRKIRCHE  IN  MILBERTSHOFEN  ^ 


FRANZ  REITER 


DER  HL.  GEORG  TÖTET  DEN  DRACHEN 


K<iyt,^,:.    ]'gl.  Aih.  S. 


zurück,  die  perspektivischen  Künsteleien,  die 
auf  Deckengemälden  des  i8.  Jahrhunderts  oft 
unangenehm  wirken,  fehlen,  die  einzelnen 
Figuren  sind  wie  auf  einem  Fries  aneinander 
gereiht.  Die  vier  großen  Szenen  sind  in  die 
Hauptachsen  hineingesetzt.  Sie  werden  ge- 
trennt durch  die  großen  Figuren  der  vier 
Evangelisten  in  den  Diagonalen,  die  als  Stein- 
figuren zur  Architektur  des  Podestes  gehören, 
auf  welchem  die  Handlung  sich  abspielt.  Diese 
Figuren  wirken  als  deutliche  Cäsuren,  auch 
im  farbigen  Aufbau.  Sie  trennen  als  neutrale 
Töne  die  farbigen  Pointen  in  den  einzelnen 
Gruppen  und  bringen  sie  dadurch  zur  volle- 
ren Wirkung.  Damit  aber  doch  die  Einheit- 
lichkeit gewahrt  bleibt,  sind  Schlußbild  und 
Anfangsbild  durch  die  durchgehende,  schmale 
Landschaft,  die  beiden  übrigen  Szenen  durch 
die  gemeinschaftliche  Architektur  verbunden. 
Jedes  der  vier  Bilder  ist  in  den  so  entste- 
henden Rahmen  hineinkomponiert,  die  Grup- 
pen an  den  Breitseiten  entfalten  sich  mit 
größerem  Reichtum  und  steigen  am  Rande 
bei  den  Evangelistenfiguren  wieder  empor, 
die  Gruppen  in  der  Liingsachse  sind  strenger 
zentral  disponiert. 

Der   Inhalt   des  Deckengemäldes    war    ge- 


geben; es  sind,  wie  gesagt,  Szenen  aus  der 
Legende  des  hl.  Georg,  des  Kirchenpatrones. 
Die  Szenen  sind  inhaltlich  in  zeitlicher  Folge 
angeordnet.  Gegen  Osten,  dem  Eintretenden 
zuerst  sichtbar,  und  darum  besonders  wirk- 
sam in  monumental  vereinfachter  Komposition: 
St.  Georg  tötet  den  Drachen.  Der  Heilige 
in  blinkender  Rüstung  des  i6.  Jahrhunderts, 
das  charaktervolle  Haupt  unbedeckt,  sticht 
nach  dem  Drachen,  der  sich  am  Boden  windet. 
Farbig  liegt  der  Nachdruck  auf  der  Figur  des 
Heiligen  auf  dem  Pferde ;  das  übrige  tritt 
zurück.  Es  folgt  (gegen  Süden)  ein  Breitbild, 
die  Taufe  des  Königs  von  Silena.  St.  Georg, 
der  jugendliche  Ritter,  steht  in  der  Mitte  aut 
einer  Treppe  und  gießt  Taufwasser  auf  das 
Haupt  des  Königs,  der  vor  ihm  kniet.  Der 
große  Mantel  des  Königs  wird  von  zwei 
Mohrenknaben  aus  dem  Gefolge  gehalten,  die 
prächtige,  großzügig  erfundene  Draperie  füllt 
die  ganze  seitliche  Fläche  und  bringt  wirk- 
same Ruhe.  Andere  Männer  des  Gefolges, 
unter  denen  verschiedene  Charakterköpfe 
aus  der  Münchener  Künstlerschaft  leicht  zu 
erkennen  sind,  blicken  von  rückwärts  her- 
ein. Neben  dem  Heiligen  trägt  ein  Mönch 
das    Rituale.     Eine    zweite  Szene,   St.  Georg 


DIE  NEUE  PFARRKIRCHE  IN  MILBERTSHOFEN  ®2ii 


115 


FRANZ  RKITER 


,i:ORG    lAUl-r  DEN'  KOKIG 


Karton.    ;>/.  AI*.  S. 


segnet  den  auf  Befehl  des  Kaisers  Diokletian 
ihm  gereichten  Giftbecher,  ist  in  den  glei- 
chen Rahmen  gesetzt,  aber  in  der  Kompo- 
sition durch  den  Taufstein  davon  getrennt 
und  auch  farbig  mehr  zurückgedrängt.  Der 
Heilige,  zum  Martyrium  bereit,  blickt  verklärt 
nach  oben.  Vor  ihm  steht  ein  Orientale  im 
mächtigen  Mantel ;  der  Kaiser,  ebenfalls  als 
Orientale   gedacht,   blickt  vom  Pferde    herab 


staunend  herein.  Andere  Nebenfiguren  schlie- 
ßen die  Gruppe,  die  sich  seitlich  gegen  die 
Evangelistenfigur  heraufschiebt. 

Die  Szene  in  der  Längsachse  gegen  Westen, 
der  Heilige  wird  im  siedenden  Ol  gemartert, 
ist  wieder  streng  zentral  angelegt  und  auf 
wenige  Figuren  in  symmetrischer  Anordnung 
beschränkt.  In  der  Mitte  steht  der  Heilige 
im   Kessel,  die   Hände    betend    zum  Himmel 


STLDIEX  VON  IRAN/,  REH  EK  7UM  KOPl'  DES  HL.  GEORG  UND  ZU  JENEM  DES  HINTER  .ST.  GEORG  STEHENDEN 
BUCHTR.^GERS  IN  DER  SZENE  DER  TAUFE  DES  KÖNIGS  (ABB.  OBEN) 


ii6 


^  DIE  NEUE  PFARRKIRCHE  IN  MILBERTSHOFEN  ^ 


FRANZ  REITER 


DER  HL.  GEORG  MIT  DEM  GIl  TBECHER 


l's/.  Ai-/>.  S.  ijj 


erhoben.  Ein  großer,  dunkler  Henker  stößt 
in  das  Ol,  ein  anderer,  eine  besonders  schöne 
rhythmisch  gegliederte  Aktfigur,  legt  Holz 
in  das  Feuer.  Seitlich  blicken  über  die  Ba- 
lustrade einige  Figuren  herein,  rechts  mit  be- 
fehlender Gebärde  der  Kaiser,  links  stehen 
zwei  Männer  des  Gefolges.  Wenn  der  Künst- 
ler hier  sein  Selbstporträt  angebracht  hat, 
folgt  er  auch  darin  alter  Gewohnheit.  Die 
Lücken  zwischen  den  Figuren  sind  nur  auf 
dem  hier  abgebildeten  Karton  sichtbar,  auf 
dem  Deckengemälde  wird  der  Raum  durch 
dunkelfarbige  Wolken  gefüllt. 

Die  dramatische  Schlußszene,  St.  Georgs 
Enthauptung,  ist  in  die  nördliche  Breitseite 
wieder  analog  dem  gegenüberliegenden  Breit- 
bild komponiert.  St.  Georg  kniet  in  der  Mitte 
am  Boden  und  blickt  gottergeben  zum 
Himmel  empor,  wo  im  hellen  Lichte  ver- 
schwimmend die  Dreifaltigkeit  erscheint.  Ein 
Knecht  bindet  ihm  die  Hände,  ein  herkuli- 
scher, in  der  dunkeln  Silhouette  machtvoll 
wirkender  Henker  holt  zum  Schlage  aus. 
Schon  folgt  die  Strafe  Gottes.  Vom  Blitze 
getroffen  sinkt  der  Kaiser  vom  Pferde,  das 
sich  aufbäumt  und  mit  Mühe  von  einem 
Diener  gehalten    wird.     Leute    aus   dem  Ge- 


folge liegen  bereits  getroffen  am  Boden. 
Seitlich  haben  sich  zwei  Frauen  angstvoll 
zusammengeschmiegt.  Die  beiden  glücklich 
erfundenen  Figuren,  die  gut  in  die  steile 
Dreiecksfläche  hineingesetzt  sind,  schließen 
die  Seite  günstig  ab  und  führen,  die  Kompo- 
sition am  Rande  ausgleichend,  nach  oben 
empor.  Die  Gruppe  der  Dreifaltigkeit  ist 
nicht  nach  der  Hauptachse  des  Bildes  gerichtet. 
Für  den,  der  an  die  Absichten  barocker 
Deckengemälde  gewöhnt  ist,  wirkt  dies  an- 
fangs störend;  doch  treten  die  Figuren  zu 
sehr  zurück. 

Reiters  Deckengemälde  ist  künstlerisch  von 
großem  Wurf  und  zugleich  bis  in  die  gering- 
sten Nebensächlichkeiten  überdacht,  ja  mit 
fast  ängstlicher  Sorgfalt  durchkomponiert. 
Man  muß  eben  berücksichtigen ,  daß  ein 
Deckengemälde  in  einer  barocken  Kirche  sehr 
viele  Rücksicht  auf  den  Gesamtraum  und  da- 
mit sehr  viele  Verstandesarbeit  erfordert;  Im- 
provisationen verträgt  der  Raum  nicht.  Aus 
den  hier  abgebildeten  Vorarbeiten,  vor  allem 
den  durchgezeichneten  Kartons  zu  den  ein- 
zelnen Gruppen,  die  in  Originalgröße  (durch- 
schnittüche  Länge  4  m)  gehalten  der  Aus- 
führung zugrunde  lagen,  und  mehreren  Ein- 


DIE  NEUE  PFARRKIRCHE  IN  MILBERTSHOFEN  ©^ 


117 


FRANZ  REITER 


)ER  HL.  GEORG  IM  KESSEL  GEMARTERT 


zelstudien  ersieht  man  den  Weg  von  der 
ersten  Idee  bis  zur  Ausführung  und  man  kann 
daran  ermessen,  welche  Arbeit  ein  Werk  von 
dieser  Bedeutung  verlangt,  um  allen  dekora- 
tiven Rücksichten  gerecht  zu  werden.  Im 
Anschluß  an  die  erste  Ideenskizze  ist  jede 
Gruppe  für  sich  durchgearbeitet,  jede  Einzel- 
figur, ja  fast  jeder  Kopf  und  jede  Hand  durch 
Naturstudien  vertieft  worden.  Die  nötige, 
großzügige 


stellte  sich  bei 
der  Raschheit 
und  Gewandt- 
heit erfordern- 
den Ausfüh- 
rung, bei  der 
Übersetzung 
durch  die  Pin- 
selarbeit von 
selbst  wieder 
ein.  Eines  kam 
dabei  dem  Ma- 
ler zugute; 
Reiter  war  trü- 
ber für  die 
Glasmalerei 


HANDSTUDIEN  VON    FRANZ    REITER 
SEITE  DES 


tätig  und  hat  sich  bei  dieser  Technik  in  die 
freie,  dekorative  Stilistik  hineingelebt.  Das 
ganze  Deckengemälde  ist  in  Kaseinfarben  Stück 
für  Stück  fertig  gemalt,  die  Primamalerei  in 
reinen  Farben  gibt  dem  Bilde  die  Frische  der 
Freskotechnik,  sie  sichert  auch,  die  Stabilität 
der  Decke  vorausgesetzt,  die  Dauerhaftigkeit 
des  Werkes.  In  der  Farbengebung  selbst,  in 
der  kühlen  Tonigkeit,  der  ausgiebigen  Ver- 
wendung  von 

Ultramarin 
spürt  man  die 
Schule  Herte- 
richs,  der  Rei- 
ter an  der  Mün- 
chener Aka- 
demie ange- 
hört hat. 

Das  Decken- 
gemälde inMil- 
bertshofen  ist 
das  erste,  grö- 
ßere Werk,  mit 
dem  Reiter  vor 
die  Olfentlich- 

ZU    DEN   FIGUREN  AUF    DER   RECHTEN  kClt     tritt     Und 

OBIGEN  BILDES  Wir  tügen  des- 


ii8 


Din  NEUE  PFARRKIRCHE  I\  MILBERTSHOFEN 


FRANZ  RILITER 


TRAUERNDE  FRAUEN 


Karton.     Vgl.  Abb.  S.  113 


halb  noch  kurz  einige  biographische  Nach- 
richten an.  Reiter  ist  ein  Vorarlberger,  seine 
Heimat  ist  Höchst;  geboren  ist  er  1875  i'^ 
Oberösterreich.  Er  war  zuerst  Glasmaler,  lernte 
dann  bei  Schmid-Reutte  das  Aktzeichnen. 
Seit  1897  besuchte  er 
an  der  Münchener  Aka- 
demie die  Schulen  von 
Hackl,   von   Feuerstein 


und  Herterich.  Auf  der  Akademie  hat  er  sich  bei 
einer  Weihnachtskonkurrenz  für  den  Entwurf 
eines  Wandbildes  zu  einem  Musiksaale  den 
I .  Preis  erworben ;  ferner  hat  er  sich  den  Baron 
Bielschen  Preis  zur  Erhaltung  der  Fresko- 
malerei geholt  und  so 
berechtigt  sein  bisheri- 
ges Schaffen  zu  den 
besten  Hoffnungen. 


STUDIE  VON  F.  REH  EU   ZUM  KOPF  DER  KNIENDEN 
yUU  AUF  OBIGER  DARSTELLUNG 


DER  GRUNDGEDANKE  VON  RAFFAl-LS  HL.  CACILIA  ^ 


119 


1  KA\/  REITER 


1  X  1  UAL  riL  XG   DES  HE    GEORG 


A 


DER  GRUNDGEDANKE 

VON  RAFFAELS  BILD  DER 

HL.  CÄCILIA 

(Vgl.  Abb.  S.  121) 

uf  diesem  erhabenen  Gemälde  in  der  Samm- 
ung zu  Bologna  gruppieren  sich  um  die 
hl.  Cäcilie  halbkreisförmig  vier  Personen :  zu 
ihrer  Rechten  stehen  Paulus  und  Johannes, 
links  die  hl.  Magdalena  und  ein  hl.  Bischof, 
der  durch  kein  sicheres  Attribut')  gekennzeich- 
net ist  und  fast  allgemein  für  den  hl.  Augustin 
gehalten  wird,  während  von  anderer  Seite 
an  den  hl.  Petronius  gedacht  wurde.  Letz- 
terer war  der  Patron  der  Stadt  Bologna  und 
das  Bild  wurde  für  eine  Bologneser  Kirche, 
St.  Giovanni  in  Monte  15 16  im  Auftrag  des 
Kardinals  Lorenzo  Pucci  di  SS.  Quatro  ge- 
fertigt. Wenn  der  Bischof  den  hl.  Petronius 
vorstellen  soll,  so  hätten  wir  zur  Seite  Cä- 
ciliens  die  Patrone  der  Stadt  und  der  Kirche. 
Die  Wahl  der  hl.  Johannes  und  Petronius 
wäre  einer  Erwägung  entsprungen,  die  zu- 
nächst dem  Grundgedanken  der  Darstellung 
eines  Cäcilienbildes  innerlich  fremd  wäre,  und 
dieser  Umstand  müßte  uns  veranlassen,  auch 
für  die  Wahl  von  Paulus  und  Magdalena 
einen  äußeren,  zufälligen  Umstand  vorauszu- 

')  Das   Engeklien    in    der  Krümmung    des   Bischofs- 
stabes kann   als  Hinweis    auf  den  hl.  Augusiin   gelten. 


setzen,  was  ja  bei  den  sonstigen  »heiligen 
Konversationen«  der  italienischen  Kunst  zu- 
zutreffen pflegt;  die  Entstehungsgeschichte 
des  Bildes  gibt  jedoch  hierfür  keinerlei  Finger- 
zeige. 

Betrachter  und  Erklärer  des  Bildes  ziehen 
es  vor,  für  die  Zusammenstellung  der  Ge- 
stalten des  Cäcilienbildes  eine  einheitliche 
theologische  oder  philosophische  Idee  anzu- 
nehmen. Für  Deutinger^)  liegt  die  Einheit 
des  Gedankens  in  der  musikalischen  und  poeti- 
schen Stimmung:  Cäcilia  läßt  beim  Anhören 
der  himmlischen  Melodien  die  Musikinstru- 
mente sinken  und  verfällt  in  selige  Ver- 
zückung. Neben  ihr  steht  der  seelenvolle 
Jünger  der  sinnigen  Liebe,  der  Dichter  und 
Sänger  und  Seher  unter  den  Aposteln.  Auf 
der  andern  Seite  sehen  wir  Augustinus,  der 
in  seinen  Retraktationen  bemerkt,  er  habe 
sechs  Bücher  über  die  Musik  geschrieben. 
An  Johannes  reiht  sich  Paulus  als  der  erste 
aller  spekulativen  Geister  des  Christentums, 
der  Töne  vernommen  und  Dinge  geschaut, 
die  keines  Menschen  Zunge  auszusprechen 
vermag.  Einen  Gegensatz  zu  dem  nach  innen 
gekehrten  Weltapostel  bildet  auf  der  anderen 
Seite  die  hl.  Magdalena,  »das  Kind  der  hei- 
teren Sinnlichkeit  ....  noch  der  Welt  zu- 
gewendet,   aber    schon    mit    einem    Anfluge 


^)  Bilder  des  Geistes  in  Kunst  und  Natur. 


^  DER  GRUNDGEDANKE  VON  RAFFAELS  HL.  CÄCILIA 


der  Rührung  und  jener  reuigen  Beklommen- 
heit, jenes  tiefen  Gefühls,  das  ihm  lehrte, 
wie  alle  Liebe  verloren  sei,  die  sich  nicht  zu 
dem  Göttlichen  und  Ewigen  allein  wendet«. 

Gut  ist  die  Bemerkung  Deutingers,  daß 
die  Gegenüberstellung  der  Denker  Paulus  und 
Augustin  und  der  Gefühlsmenschen  Johannes 
und  Magdalena  alle  Gestalten  in  einem  geistigen 
Rhythmus  vereinigt.  Doch  einen  streng  ge- 
schlossenen Bildgedanken,  der  die  Zusammen- 
gehörigkeit der  Gestalten  begründet,  fand 
Deutinger  nicht.  Jene  geistig  durchgebildeten 
Männer  aber,  welche  Raffael  bei  der  Zusam- 
menstellung der  tiefsinnigen  Stanzenbilder  zur 
Seite  standen,  werden  ihn  auch  in  seinem 
übrigen  Schallen  beraten  haben  und  der 
Kardinal,  welcher  das  Cäcilienbild  bei  ihm, 
dem  damals  führenden  Maler  Roms,  bestellte, 
ein  Vertrauter  Papst  Leos  X.,  war  ohne 
Zweifel  bestrebt,  das  Thema,  das  er  gewählt 
hatte,  nach  der  theologischen  Seite  hin  zu 
vertiefen  und  auszureifen. 

Ausführlich  verbreitet  sich  Carl  Justi  über 
das  Cäcilienbild  in  einem  Aufsatz,  der  im 
XVII.  Jahrgang  (1904)  der  »Zeitschrift  für 
christliche  Kunst«  (S.  131  fl)  veröffentlicht  ist. 
Justi  geht  von  der  Annahme  aus,  daß  ein 
tieferer  Zusammenhang  zwischen  der  legen- 
darischen Hauptgestalt  und  ihrer  Umgebung 
bestehe  und  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  nach- 
weisen lasse.  Der  Kern  der  Cäcilienlegende 
sei  gewesen  der  Sieg  religiöser  Uberzeugunt^ 
über  alle  Beweggründe  und  Rücksichten  der 
Standes-  und  nationalen  Vorurteile,  der  Ehre 
und  des  Glücks.  Die  Christin  weist  den 
heidnischen  Bräutigam  von  sich,  zeigt  ihm 
aber  einen  Weg,  der  die  Möglichkeit  einer 
Seelengemeinschaft  eröffnet  und  er  wird  ver- 
möge seiner  Liebe  zu  ihr  auch  Christ,  die 
Braut  verweigert  das  Götzenopferund  empfängt 
für  Jesus  die  tödlichen  Streiche.  So  wurde, 
sagt  Justi,  die  Tochter  des  alten  Hauses  der 
Meteller  zur  Heroin  der  himmlischen  Liebe. 
Diese  göttliche  Liebe  sei  ein  erhöhter  Geistes- 
zustand; ihn  begleite  die  Musik  und  der 
himmlische  Hochzeitsgesang.  Darauf  baut 
Justi  seine  Ansicht,  daß  diese  Idee  der  Liebe 
auf  Raffaels  Bild  die  Auswahl  der  um  Cäcilia 
stehenden  Heiligen  geleitet  habe,  die  Heroen 
dieser  Idee  seien,  groß  im  Reich  des  Himmels 
durch  die  Liebe.  Von  Magdalena  sagte 
Christus  selbst:  Dilexit  multum  (sie  hat  in 
hohem  Maße  geliebt);  Paulus  hat  den  Hym- 
nus auf  die  Liebe  geschrieben ;  Johannes  hat 
gesprochen:  »Gott  ist  die  Liebe,  wer  in  der 
Liebe  bleibt,  der  bleibt  in  Gott  und  Gott  in 
ihm«;  Augustinus  bezeugt  die  natürliche  Be- 
stimmung   des    menschlichen    Herzens    zur 


Gottesliebe  in  dem  unvergleichlichen  Wort: 
»Du  hast  uns  zu  dir  geschaffen,  und  unser 
Herz  ist  ruhelos,  bis  es  in  dir  ruhet.« 

Justi  hat  die  Akten  über  das  Martyrium  der 
hl.  Cäcilia  und  die  Liturgie  herangezogen; 
da  er  sich  hiervon  nicht  rückhaltlos  genug 
führen  ließ,  drang  er  auch  nicht  völlig  in 
den  geistigen  Autbau  des  Bildes  ein.  Wer 
die  Legende  und  das  Offizium  der  Heiligen 
auf  sich  wirken  läßt,  gewinnt  den  Eindruck, 
daß  dort  der  treibende  Gedanke  in  der  Ent- 
schlossenheit Cäciliens  liegt,  trotz  allem  aus 
Liebe  zu  Christus  jungfräulich  zu  bleiben, 
ein  Gedanke,  der  weiter  geht,  als  jener,  den 
Justi  seiner  Erklärung  zugrunde  legt. 

Hier  setzt  die  sehr  ansprechende  Erklärung 


lAUBlGl;  STUDIli  VON'  FR.  REHER  ZUM  HL.  (lEOKG  Bl:l 
DER  TAUFE.     Vfl.  AU.  S.  IIS 


^  DER  GRUNDGEDANKE  VON  RAFFAELS  HL.  CÄCILIA  ^ 


ein,  welche  der  auch  niusikahsch  durchge- 
bildete Stadtpfarrer  Dr.  Roth  (Wiesensteig) 
jüngst  in  Nr.  2  des  »Archiv  für  ciiristliche 
Kunst«  veröffentlichte.  Roth  geht  von 
dem  Inhalt  des  Responsoriums  aus :  Can- 
tantibus  organis  Caecilia  virgo  in  corde 
SUD  soli  Domino  decantabat  dicens:  Fiat, 
Domine,  cor  meum  et  corpus  meum  im- 
maculatum,  ut  non  confundar  (Während 
die  weltlichen  Weisen  ertönten,  sang  die 
Jungfrau  Cäcilia  in  ihrem  Herzen  dem 
einen  Gott,  indem  sie  sprach :  Möge,  o 
Herr,  mein  Herz  und  Körper  unversehrt 
bleiben,  auf  daß  ich  nicht  zuschanden 
werde!).  Nach  Roth  steht  Cäcilia  wie 
am  Vorabend  der  Hochzeit  im  Festge- 
wande  vor  uns,  sie  weist  die  Hochzeits- 
musik von  sich,  denn  sie  verschmäht  den 
Vollzug  der  Ehe,  und  sieht  im  Geiste 
den  himmlischen  Bräutigam,  zu  dem  sie 
um  Bewahrung  ihrer  Unversehrtheit  betet. 

Wenn  diese  Auffassung  der  Hauptfigur 
richtig    ist,    was   sich    kaum    bezweifeln 
läßt,  und  wenn    ferner  zwischen  Cäcilia 
und  den  Heiligen  um  sie  inhaltlich  eine 
Gemeinsamkeit  besteht,  so  muß  die  Wahl 
gerade  dieser  vier  Gestalten  in  erster  Linie 
mit    Rücksicht    auf   deren    Stellung    zur 
Jungfräulichkeit  erfolgt  sein.  Roth  nimmt 
das  an:  in  Johannes  und  Paulus  (L  Kor.  7, 
7.  25.  37)  zur  Rechten  Cäciliens  erblickt 
er    zwei    Vertreter    der    unverletzten 
Reinheit,  links  erkennt  er  zwei  Vertreter 
der  wiedererworbenen,  nämlich 
Magdalena  und  Augustin.    Zur  Erhärtung 
seiner  geistvollen  neuen  Auslegung  weist 
er  auf  den  Umstand  hin,  daß  die  Oratio  super 
populum  der  Messe  am  Mittwoch  nach  dem 
2.  Sonntag  Quadragesimae  (Statio  ad  sanctam 
Caeciliam)  mit  den  Worten  beginnt:   »Deus, 
innocentiae    restitutor  et   amator«  (»O  Gott, 
du  Wiederhersteller  und  Liebhaber   der  Un- 
schuld)« ').  Dem  Besteller  und  dem  Künstler, 
die  beide  in  Rom  wirkten,    sei  es    nahe   ge- 
legen,   den  Gedanken    dieses  Gebetes   aufzu- 
greifen und  durch  das  Bild  aus  der  römischen 
Cäcilienkirche  in  die  zu  Bologna  befindliche 
zu  übertragen. 

In  kirchenmusikalischen  Kreisen  liebt  man 
das  Cäcilienbild  Raflaels  als  die  vornehmste 
Darstellung  der  Patronin  der  heiligen  Musik. 
Die  alten  Bilder  enthalten  keine  Anspielung 
auf  ein  Verhältnis  Cäcihens  zur  Musik.  Erst 


')  Weder  diese  Worte,  noch  der  übrige  Inhalt  der 
Oration  nötigt  zur  Annahme,  daß  die  Üration  nicht 
allein  die  verlorene  und  durch  Buße  wiederzugewinnende, 
sondern  auch  die  unversehrt  bewahrte  Unschuld  in  sich 
schließt,  was  den  Beweiswert  jedoch  nicht  schmälert. 


l-FAEL  HL.  CÄCILIA 

Pinakothek  zu  Bologna.   —   Text  S.  /ig  — 122 

im  15.  und  nainentlich  seit  dem  i6.  Jahr- 
hundert gab  man  ihr  Musikinstrumente  bezw. 
eine  Orgel  als  Attribute ;  später  stempelte 
man  sie  frischweg  zur  Erfinderin  der  Orgel. 
Dieses  geschah  wohl  im  Hinblick  auf  die 
Stelle  ihrer  Märtyrerakten;  »Cantantibus  or- 
ganis ....  Caecilia  virgo  decantabat  Domino«, 
die  man  schließlich  so  auffaßte,  daß  die 
Heilige  zur  Orgel  sang.  Ob  Raft'ael  sie  als 
Musikpatronin  darstellen  wollte,  ist  sehr  frag- 
lich ;  man  möchte  es  verneinen,  wenn  man 
nicht  Deutingers  unwahrscheinliche  Ausle- 
gung des  Bildes  übernehmen  will.  Der  Meister 
illustrierte  nur  die  obige  Stelle  aus  den  Mär- 
tyrerakten bezw.  dem  Offizium  und  die  zum 
Teil  beschädigten  Instrumente  am  Boden  be- 
deuten die  verschmähte  irdische  Hochzeits- 
freude, die  duftig  gemalten  Engel  in  den 
Lüften,  die  kompositionell  bescheiden  zurück- 
treten, sinnbilden  die  begeisterte  Gebetsstim- 
mung Cäciliens,  die  er  doch  nicht  seihst  sin- 
gend   darstellen  durfte.    Dennoch    brauchen 


Die  christliche  ICunst.     XII. 


^  DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM  ^ 


sich  die  Freunde  der  Kirchenmusik  die  Liebe 
zu  der  herrhchen  Darstellung  der  Musikpatro- 
nin nicht  sclimälern  zu  lassen.  Raffaels  Genius 
hat  vorweggenommen,  was  unsere  Zeit  von 
einem  Bild  der  Musikpatronin  erwartet.  Eine 
glückliche  Stunde  war  es,  als  Raftael  sich 
infolge  gedanklicher  und  künstlerischer  Erwä- 
gungen entschloß,  bei  den  Engeln  von  seinem 
früheren  Entwurf  abzugehen  und  sie  nicht  auf 
Instrumenten  spielen,  sondern  singen  zu  lassen ; 
doch  ein  programmatisches  Bekenntnis  zur 
kirchlichen  Vokalmusik  unter  Ablehnung  der 
Instrumentalmusik  lag  dem  Künstler  fern. 
Hätte  er  eine  Verherrlichung  der  kirchlichen 
Musik  beabsichtigt,  so  hätte  er  sich  die  Ge- 
stalten Davids  und  des  hl.  Ambrosius  nicht 
entgehen  lassen  und  schwerlich  an  Magda- 
lena, auch  kaum  an  Paulus  gedacht.  Die 
Instrumente  und  der  Engelchor  bereichern 
das  Bild,  insbesondere  die  Hauptfigur,  ge- 
danklich und  kompositioneil  gleich  glücklich 
und  heben  die  hl.  Cäcilia  als  geistigen  und 
künstlerischen  Mittelpunkt  gebührend  hervor, 
während  sonst  die  wuchtige  Gestalt  des 
hl.  Paulus  und  die  herrlich  aufgebaute 
hl.  Magdalena  zu  gleichwertig,  um  nicht  zu 
sagen  beengend  neben  ihr  stünden. 


Sendet  den  Soldaten  ins  Feld  und  in  die  Lazarette  die 
spottbilligen,  reich  illustrierten  Monographien  der 
Allgeineinen  Vereinigung  für  christliche  Kunst  (München, 
Karlstraße  53). 


DER  CHRISTUSDOM  ZU 
DRONTHEIM 

Von  HUGO  STEFFEN,  Architekt,  München 
(Vgl.  Abb.  S.  122  u.  125) 
"Tu  dem  fesselnden  Aufsatz  »Der  Christus- 
^  dom  zu  Drontheim,  Norwegen«,  im 
2.  Hefte  des  laufenden  Jahrgangs  dieser  Zeit- 
schrift, mögen ,  nebst  Beigabe  des  Grund- 
risses und  eines  Querschnittes  dieses  Gottes- 
hauses, noch  einige  tachtechnische  Bemer- 
kungen Raum  finden. 

Der  Dom  zu  Drontheim  trägt  in  seiner 
gesamten  Anlage  und  Formensprache  den 
Bautvpus  der  nördlichen  Länder.  Der  lang- 
gestreckte Grundriß,  in  Form  eines  lateinischen 
Kreuzes  angelegt,  zeigt  in  konstruktiver  Hin- 
sicht einen  großzügigen,  der  besten  Zeit  der 
Gotik  entsprungenen  Baugedanken.  Der  Ar- 
chitekt hat  dabei  sehr  sinnig  dem  Chor  durch 
Ausgestaltung  des  Oktogons  die  reichste  Aus- 
bildung zugewendet  und  hier,  über  dem  Alier- 
heiligsten,  einen  sichtbaren  Baukörper  ge- 
schaffen, der  äußerlich  mächtig  kundgibt,  daß 
darunter  das  Höchste  bewahrt  ist.  Eine  kon- 
struktive Betonung  enthält  auch  das  Querschifl 
durch  die  Vierung,  welche  äußerlich  den  Turm- 
bau kennzeichnet.  Der  ganze  Baugedanke  des 
Grundrisses  findet  sinnig  seinen  Abschluß 
durch  zwei  Türme,  die  das  lange  Schiff  nicht 
nur  als  Abschluß  kennzeichnen,  sondern  es 
auch  vor  einem  Ausbiegen  schützen  und  ge- 


->  ;a     —    .-o^tr^  ;y-^c^  ^^  -^m:  jl 


GRVNDRISS  Di;S  DOMUS  7.V  DKOXTIIEIM.     ZEICHNUNG  VON  HUGO  STEFFEN 
Fgl.  Aili.  S.  123:  feriter  Abb.  in  lle/l  2,  S.  34  und  3S.  —   Text  oben 


^  DER  CHRISTUSDOM  ZU  DRONTHEIM  ^ 


123 


wissermaßen   den   Schub    des   Lang- 
hauses aufnehmen.   Abweichend  von 
den  meisten  anderen  Kirchenbauten 
sind  diese  beiden  projel^tierten  End- 
türme ,    die    somit    ein    verlängertes 
Schiff  bilden    würden,    nicht  an  der 
Kopfseite   angelegt,   sondern  zu  bei- 
den Seiten  des  Schiffes.     Die- 
ser formale  Gedanke   ist  hier 
sehr   gut   zum   Ausdruck    ge- 
bracht.   Gewiß    hatte   der  Er- 
bauer Wert  auf  eine  größere 
Ausbildung  dieser  beiden  Tür- 
me gelegt,  welche,  mit   samt 
dem  sich  anschließenden  Lang- 
hause, also  vom  Querschiff  bis 
zu    den    genannten   Türmen, 
in  ihrer  oberen  Ausbil- 
dungunausgeführt blie- 
ben.   Die  Strebepfeiler 
des  Schiffes  nach  dem 
Chore  zusind  äußerlich 
nur     als     eine 
Art  Lisenen  ge- 
dacht.   In  dem 
starken  Mauer- 
werke  sind  er- 
stere  jedoch  ent- 
halten. 

Von  maleri- 
scher Wirkung 
ist  die  neben 
dem  Chore  an- 
gelegte Kapelle,  ^/^Jl 
sog.  Clemens- 
kirche, die  im 
Verein  mit  dem 
Dome  ein  be- 
zauberndes Bild  gibt.  Diese  romanische  Kapelle 
ist  der  älteste  Teil  des  jetzigen  Kirchenbaues. 

Der  Formensprache  nach  zu  urteilen,  scheint 
mir,  wie  bei  den  meisten  unserer  Kathedralen, 
so  auch  hier,  alle  Jahrhunderte  daran  gear- 
beitet worden  zu  sein.  Die  Architekturformen 
des  Maßwerkes,  Nasen  etc.,  des  Triforiums 
vom  Hochaltar,  abgebildet  auf  Seite  37,  Heft  2, 
gehören  der  spätmittelalterlichen  Bauperiode 
an.  Die  Vorder-  und  Gesichtsseite  des  Acht- 
eckes (Oktogon)  vom  Hochaltar,  wie  sie  aut 
Seite  38  genannten  Heftes  zur  Darstellung 
gelangte,  zeigt  wohl  ein  originelles  Architek- 
turbild, geschaffen  und  gebildet  aus  allen 
Jahrhunderten,  entstammt  aber  keineswegs  der 
besten  Zeit  der  Gotik.  Ja,  selbst  auch  über 
die  Schönheit  des  Aufbaues  und  der  Einzel- 
heiten läßt  sich  streiten.  Mir  scheint,  als 
wenn  die  drei  unteren  Bogenstellungen  mit 
samt   den    Säulen    und  Kapitalen  der  besten 


OKTOGON  DES  DOMES  ZU  DRONTHEIM.     ZEICHNUNG  VON  H.  STEFFEN 
Schnitt  durch  A — B  des  Grundrisses.  —    Text  nebenan 


Zeit  der  Gotik  angehören,  desgl.  die 
zu  beiden   Seiten  aus  je  drei  Bögen 
gebildete  Architektur  über  den  unteren 
ögen,    welche    als   Fortsetzung   der 
Arkaden  des  Schiffes  sich  hier  herum- 
ziehen   und   sich    an  das  sonderbare 
in    der  Mitte  über  dem  Hauptbogen 
befindliche   Gebälk   anlehnen. 
Dieses  Gebälk,  siehe  Abb.  S.  38, 
gehört  entschieden  der  späte- 
sten Zeit  an. 

Im  Jahre  1537  ist  dort  die 
Reformation    eingetreten  und 
damals   scheint  vieles   an  der 
Kirche    verändert    oder    viel- 
eicht    fertiggestellt     worden 
sein.    Jedenfalls  datiert  dieses 
repräsentable     Gebälk, 
woran  sich  je  diese  drei 
zu  beiden  Seiten  aufge- 
stellten erwähnten  Bo- 
gen   anschließen,    aus 
dem     Anfange 
des  16. Jahrhun- 
derts, denn  ein 
leiserHauchder 

Renaissance 
macht  sich  hier 
in  der  Gesamt- 
komposition 
fühlbar.     Auch 
ein     einheit- 
licher     Rhyth- 
mus ,     wie     er 
streng   der   be- 
sten   Zeit     der 
Gotik  eigen  ist, 
liegt  nicht  mehr 
darin.    Es  ist  eben  ein  dekoratives  Architek- 
turbild von  Formen    der  Frühgotik  bis  zum 
Nahen  der  Renaissance. 

Erwähnenswert  sei  hier  noch  der  nach 
alter  Sitte  Kirchen  und  mittelalterliche  Dome 
umgebende  Friedhof  welcher  hervorragende 
Grabdenkmäler  aufweist  und  Träger  einstiger 
berühmter  Namen  nennt. 

In  Berichten  wird  die  Festigkeit  des  alten 
Gebäudes  und  die  Bindekraft  des  Mörtels 
hervorgehoben.  Eine  alte  Inschrift  sagt: 
»Ampla  haec  erat  aedes  calce  adeo  coagmen- 
tata,  ut  vix  solvi  posset  et  destrui,  quo  tem- 
pore dirui  jussit  Egsteinus  Archiepiscopus.« 

In  dem  geschichtlichen  Aufsatze  sind  auf 
Seite  34  und  35  die  Außenseiten  des  Domes 
vor  und  nach  der  Restaurierung  abgebildet. 
Das  altgewohnte,  malerische  Bild  des  Domes 
zu  Drontheim  ist  jetzt  ganz  verändert.  Ver- 
schwunden   ist    die     herrliche    Renaissance- 


124 


^  NEUE  KIRCHE  IN  STRASSDORF  BEI  GMÜND  ©^ 


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HANS  HERKüMMER 


KIRCHE  IX  STRASSDOKl- 


kuppel,  welche  außen  das  Oktogon  krönte. 
An  ihre  Stelle  ist  — •  wie  beim  Vierungs- 
turme —  ein  achteckiger  neugotischer  Helm 
getreten.  Was  nun  schöner  ist,  wollen  wir 
dahingestellt  sein  lassen.  Aber  das  darf  ge- 
sagt werden :  Ein  selten  reizvolles  Architek- 
turbild bot  der  Dom  vor  der  Restaurierung 
bezw.  seinen  Umbauten  dar!  Gewiß  bedurfte 
er  einer  gründlichen  Restaurierung,  aber  warum 
alles  wieder  einheitlich  gotisch  gestalten  r 
Vom  Standpunkte  unserer  heutigen  deutschen 
Denkmalpflege  denkt  man  darüber  anders  und 
hat  in  dieser  Beziehung  zum  Glück  auch 
Fortschritte  gemacht.  Gerade,  daß  Jahrhun- 
derte hindurch  Generationen  ihre  Gedanken, 
also  den  Stempel  ihrer  Zeit,  solchen  Bau- 
denkmalen aufdrückten,  macht  diese  so  reich, 
malerisch  und  geschichtlich  wertvoll!  (Vgl. 
Abb.  S.  123.) 

Es  sei  mir  nur  gestattet  vom  hohen  Norden 
aus  nach  Süddcutschland  einen  weiten  Sprung 


zu  tun,  zur  Frauenkirche  in  München.  Wem 
würde  es  wohl  jetzt  einfallen,  das  weltbe- 
rühmte und  altgewohnte  Wahrzeichen  der 
Türme  zu  zerstören,  weil  eben  die  interes- 
santen Kuppeln  nicht,  wie  der  Bau,  gotisch 
sind  ?  Zwar  wollte  man  in  den  fünfziger 
Jahren  vorigen  Jahrhunderts,  als  bei  uns  in 
Deutschland  auch  wieder  alles  gotisch  werden 
sollte  und  aus  den  gotischen  Kirchen,  so 
auch  bei  der  Frauenkirche  in  München,  alles, 
was  nicht  gotisch  war,  iiinausgeworfen  wurde, 
die  Hauben  der  Türme  durch  gotische  Helme 
ersetzen,  wozu  Bürklein  ein  Projekt  fertigte. 
Zum  Glück  ist  aber  das  herrliche  Wahrzei- 
chen von  München  unangetastet  geblieben. 
Dies  sei  nur  bei  Betrachtung  des  Architek- 
turbildes, welches  auf  Seite  34  vorgeführt 
wurde,  gesagt. 

Der  Dom  zu  Drontheim  hoch  oben  im 
Norden  bildet  einen  Markstein  in  der  Kunst- 
geschichte, vor  allem  in  der  Kirchenbaukunst 
Skandinaviens,  denn  schon  die  ältesten  Be- 
richte erschöpfen  sich  mit  Recht  einstimmig 
in  Lobeserhebungen  über  diesen  kunstvollen 
und   herrlichen  Bau. 

Zu  dem  beigegebenen  Grundriß  soll  hier 
noch  bemerkt  werden,  daß  der  Chorbau  in 
nicht  rechtwinkeliger  Form  zu  dem  vorderen 
Bautrakt  ausgeführt  wurde. 

DIE  NEUE  KIRCHE  IN  STRASSDORF 
BEI  GMÜND 

(Abb.  S.  124—128) 
Inmitten  der  Liashochfläche,  die  sich  zu  den  Füßen  der 

drei  Kaiserberge  Staufen,  Recliberg  und  Stuilen  er- 
streckt, erliebt  sich  die  neue  Kirche  von  StraCdorf, 
einem  Dorf,  dessen  männliche  Bevöll;erung  hauptsäcli- 
lieh  im  nahen  Schwäbisch -Gmünd  beschältigt  ist.  Die 
l;leine  alte  Kirche,  die  arcliitelctonisch  und  landschaftlich 
einen  ausgezeichneten  Eindruck  macht,  erwies  sich  als 
zu  klein.  So  entschloß  man  sich,  nachdem  der  Plan 
einer  Vergrößerung  der  alten  Kirche  wieder  aufgegeben 
war,  zum  Neubau  am  andern  Ende  des  Dorfes.  Die 
alte  Kirche  blieb  zur  Freude  aller  Kunstverständigen 
und  der  Dorfeinwohner  erhalten.  Kommt  man  von  der 
in  einer  Mulde  liegenden  Dorfmitte  gegen  den  auf  der 
Höhe  liegenden  Neubau,  so  fallt  die  wohlgelbrmte 
Turmspitze  mit  dem  klar  gehaltenen  Zifferblatt  dem 
Wanderer  ins  Auge.  Nach  einigen  hundert  Metern 
wird  denn  auch  die  ganze  Kirche  an  der  linken  Straßen- 
seite  sichtbar,    ein    bescheidenes,   eclites  Landkirchlein. 

Zunächst  ist  der  äußere  und  innere  Eindruck  auf 
Massenwirkung  liingearbeitet,  stets  wird  aufbauende 
Konstruktion  und  Rohstolf  ehrlich  gezeigt.  Der  Grund- 
riß ist  einfacli,  nur  in  der  Nalie  des  Chores  durch  die 
Seitenaltare  etwas  reiclier  gegliedert.  Das  Dach  ist, 
ohne  unschön  groß  zu  sein,  weit  herab  gezogen,  hübsch 
geformte  Strebepfeiler  teilen  sich  mit  einfachen  Fenster- 
öffnungen in  die  maßvoll  gehaltenen  Mauerflachen. 
Der  Haupteingang  ist  dreiteilig,  über  demselben  ist  das 
Bild  des  Schutzheiligen  der  Kirche,  des  hl.  Cyriak,  von 
Bildhauer  Deibele,  Gmünd  gefertigt,  zur  Aufstellung  ge- 
bracht. 


^  NEUE  KIRCHE  IN  STRASSDORF  BEI  GMÜND  6^ 


125 


Der  Architekt,  Regierungsbau- 
meister Hans  Ilerkonuner  von 
Gmünd,  erklärte  dem  Verfasser 
nach  einer  wiederhohen  Besich- 
tigung auf  dessen  Anerkennung, 
daß  er  sich  auch  redhch  Mülie 
gegeben  habe.  Er  hatte  bei  meh- 
reren deutschen  Preisausschreiben 
hervorragende  Erfolge  zu  ver- 
zeichnen; aber  mit  diesem  Bau- 
werk hat  er  sicher  sein  Bestes 
geleistet.  Er  konnte  gerade  noch 
der  Weihe  durch  den  h.  H.  Bi- 
schof V.  Keppler,  Rottenburg,  bei- 
wohnen, als  ihn  das  Vaterland 
an  die  Front  in  den  Cheppywald 
rief;  dort  hat  er  schon  niancli 
gute  Nachricht  über  seinen  wohl- 
verdienten Erfolg  in  Straßdorf 
hören  dürfen. 

Tritt  man  in  das  Innere  der 
Kirche,  so  ist  man  überrascht  von 
der  außerordentlichen  Gediegen- 
heit und  dem  liohen  künstleri- 
schen Wert  der  Gesamtwirkung. 
Das  Schiff  ist  als  Tonnengewölbe 
ausgebildet  und  durch  schön  ver- 
teilte Balken  akustisch  zweckmä- 
ßig gebaut.  Am  Ende  des  Ton- 
nengewölbes zweigen  rechts  und 
links  je  ein  Seitenaltar  ab,  wäh- 
rend der  Chor  in  der  Form  eines 
Kugelgewölbes  einen  würdevol- 
len reichen  verzierten  Abschluß 
bildet.  Stets  ist  auf  zweckmä- 
ßige Materialzusammenstellungen 
Nachdruck  gelegt:  die  Altäre 
stellen   z.  B.   eine    wohlgeformte 

Harmonie  von  Holz-  und  Metallarbeiten  dar,  denen  sich 
der  auch  für  die  Schallbrechung  förderliche  Wandtep- 
pich würdig  anschließt.  Am  meisten  fällt  wohl  die 
außerordentlich  reiche  Verwendung  erstklassiger  Metall- 
arbeiten ins  Auge,  die  sowohl  bei  den  Beleuchtungs- 
körpern als  auch  beim  Taufstein  und  namentlich  beim 
Hochaltar  und  den  Seitenaltären  in  die  Erscheinung 
treten.  Der  Hochaltar  zeigt  konzentrische  Wiederholung 
der  Gewölbelinien  und  steigert  so  seinen  Platz  im 
Brennpunkt;  die  Nebenaltäre  lassen  im  Unterbau  die 
horizontale,  im  Aufbau  die  vertikale  Linienführung 
hervortreten.  Der  Hnke  Seitenaltar  stellt  die  unbefleckte 
Empfingnis  in  vortrefllich  empfundener  Feinheit  dar, 
ohne  in  den  häufigen  Fehler  der  theatralischen  Pose  zu 
verfallen ;  die  Madonna  ist  ein  Werk  des  Bildhauers 
Höfer,  Dresden.  Im  rechten  Seitenaltar  steht  eine  aus- 
nehmend gut  gelungene  Schutzengelfigur  des  Münchener 
Bildhauers  Bleeker,  ausgeführt  in  Holz.  Die  Wandtep- 
piche dieser  beiden  Seitenaltäre  sind  das  Ergebnis  eines 
Wettbewerbs  der  Stuttgarter  Kunstgewerbeschule.  Vor 
dem  Hochaltar  ist  ein  Bogenfries  mit  dem  Gleichnis  von 
den  klugen  und  törichten  Jungfrauen  geschmückt,  wäh- 
rend sich  an  der  Grundlinie  des  Kugelgewölbes  ge- 
malte Apostelfiguren  harmonisch  einfügen.  Der  Hoch- 
altar selbst  läßt  in  wohltuendem  Gegensatz  zu  vielen 
neueren  Erzeugnissen  eine  edle  Holzfarbe  erkennen, 
wobei  nur  Monstranz  und  das  Bild  im  Mittelfeld  heraus- 
treten; rechts  und  links  davon  sind  zwei  besonders 
gelungene  Beleuchtungskörper  hervorzuheben. 

Die  beiden  Seitenaltäre  werden  durch   zwei  Fenster 


HAXS  HERKOMMER  (GMÜND) 


KIRCHE  IN  STR.-\SSDORF 


mit  Glasmalereien  belichtet ;  deren  Technik  läßt  ein  er- 
folgreiches Streben  nach  Wiedergewinnung  der  alten 
Höhe  dieser  Technik  erkennen;  sie  sind  ein  Werk  der 
Firma  Puhl  &:  Wagner  in  Heinersdorf  Berlin.  Das  linke 
Fenster  zeigt  das  Gleichnis  vom  Sämann,  während  rechts 
der  Schlag  Moses  gegen  den  Felsen  zur  Darstellung 
gelangt  ist.  Wie  Lichter  im  Räume  wirken  auch  schon 
bei  Tage  die  an  Ketten  aufgehängten  schön  gearbeiteten 
Beleuchtungskörper  aus  Duranametall,  die  von  der  Firma 
Hörner  in  Gmünd,  Baizer-Waldstetten  und  Wörner- 
Stuttgart  hergestellt  sind. 

Das  Kirchengestühl  hat  eine  gedämpft  grüne  Farbe; 
die  Form  ist  außerordentlich  wohlgelungen  und  prak- 
tisch gruppiert,  durch  ein  neues  Verfahren  tritt  die 
Maserierung  der  Holzlinien  besonders  angenehm  hervor. 
Die  zahlreichen  Metallarbeiten  erklären  sich  aus  dem 
Hauptberuf  vieler  Dorfeinwohner,  die  als  Gold-  und 
Silberschmiede  in  Gmünd  tätig  sind.  Die  Bemalung  der 
Kirche  macht  ihren  Meistern,  Schenk  und  Kaiser-Stutt- 
gart alle  Ehre. 

Die  Orgelempore  überrascht  durch  den  reichlichen 
Platz  und  die  reichliche  Verteilung  der  Bankreihen. 
Die  Orgel  selbst  läßt  die  konstruktiven  Linien  unver- 
hüllt hervortreten  und  zeigt  einen  ausgezeichneten  Klang, 
der  dem  vorübergehenden  Wanderer  schon  angenehm 
auffallt. 

Man  darf  den  Erbauer  ebenso  wie  die  Gemeinde 
Straßdorf  zu  ihrer  neuen  Kirche  beglückwünschen,  die 
häufig  das  Ziel  der  reichlich  in  die  herrliche  Gegend 
kommenden  Wanderer  abgeben  wird.        Ludwig  Schwenk 


126     ®»  WETTBEWERB  FÜR  OSTERREICHISCHE  KRIEGSDENKMALER  ^ 


ENTSCHEIDUNG    DES   PREISGERICHTS 

IM  WETTBEWERB  UM  ENTWÜRFE  VON 

DENKMÄLERN   FÜR  DIE   GEFALLENEN 

OSTERREICHISCHEN     KRIEGER     IM 

WELTKRIEG  1914/15 

veranstaltet  vom  K.  K.  Ministerium  für  Kultus 
und  Unterricht  in  Wien 

Als  im  Februar  des  Jahres  191s  die  genannte  Behörde 
einen  Wettbewerb  um  Entwürfe  von  Denltmälern  für 
die  gefallenen  österreichischen  Krieger  ausschrieb,  war 
sie  von  der  Absicht  geleitet,  der  Künstlerschaft  durch 
die  Stellung  einer  großen,  ebenso  zeitgemäßen  und  des 
allgemeinen  Interesses  sicheren,  wie  künstlerisch  ver- 
wertbaren Aufgabe  eine  erfolgverheißende  Anregung 
zum  künstlerischen  Schaffen  zu  geben  und  hierdurch 
der  in  Künstlerkreisen  damals  vielfach  bemerkbaren, 
geradezu  lähmenden  Mutlosigkeit  nach  Kräften  entgegen- 
zuwirken. Anderseits  sollte  durch  die  zu  gewärtigen- 
den Entwürfe  nicht  nur  die  Verwirklicliung  der  zwei- 
fellos unmittelbar  nach  Beendigung  des  Krieges  an 
zahlreichen  Orten  der  Monarchie  auftauchenden  Wünsche 
nach  Errichtung  derartiger  Erinncrungsdenkmäler  recht- 
zeitig künstlerisch  vorbereitet,  in  greifbare  Formen  ge- 
bracht und  dadurch  günstig  beeinflußt  werden,  sondern 
in  vielen  Fällen  wohl  aucli  überhaupt  erst  die  Anregung 
und  der  Ansporn  zu  einer  solchen  Denkmalsschöpfung 
gegeben  und  auf  diese  Weise  der  gesamten  Künstler- 
schaft ein  weites  und  reiches  Arbeitsgebiet  eröffnet 
werden.  In  diesem  Sinne  ist  die  in  Rede  stehende 
Maßnahme  auch  als  eine  Fürsorgeaktion  anzusehen, 
bei  der  die  Preise  ungeachtet  der  relativen  Höhe  der 
hierfür  bestimmten  Summe  neben  jenem  Hauptziel  von 
um  so  untergeordneterer  Bedeutung  sind,  als  für  derar- 
tige augenblickliche  Abhilfe  seitens  der  staatlichen 
Kunstverwaltung  schon  durch  eine  Reihe  anderer  Mafi- 


HANS  lIEKKOMMliU  (GMÜND) 


Orgelempore,  —    Text  S.  I2J 


nahmen  vorgesorgt  wurde    und   auch   in  Zukunft  nach 
Bedarf  vorgesorgt  werden  soll. 

Daß  eine  der  sonst  üblichen,  eng  umschriebenen, 
ein  bestimmtes  Denkmal  auf  einem  im  voraus  bestimm- 
ten Standort  ins  Auge  fassenden  Konkurrenzen  zur 
Erreichung  jenes  Hauptzieles  kaum  beitragen  würde, 
unterlag  keinem  Zweifel.  Die  staatliche  Kunstverwaltung 
entschloß  sich  daher,  nach  eingehender  Beratung  der 
Angelegenheit  durch  die  ständige  Kunstkommission  des 
Ministeriums  (Sektion  für  bildende  Kunst),  welcher 
Vertreter  aller  Kunstgattungen  und  Ricluungen  ange- 
hören, einen  Wettbewerb  auszuschreiben,  in  welchem 
den  Künstlern  die  tunlichste  Freiheit  eingeräumt  wurde 
und  es  ilmen  überlassen  blieb,  sowohl  den  Standort, 
der  ihnen  aus  künstlerischen  und  auch  aus  praktischen 
Erwägungen  am  geeignetsten  erschien,  als  die  diesem 
Standort  angemessene  Art,  Form  und  Größe  des  Denk- 
mals selbst  zu  wählen,  und  zu  welchem  Werke  der 
Architektur,  der  Plastik  und  der  Malerei  wie  auch  solche 
des  Zusammenwirkens  dieser  Künste  zugelassen  wurden. 
Nur  auf  diese  Weise  war  jene  Fülle  von  Vorschlägen 
und  Anregungen  zu  gewärtigen,  die  dann  zu  lohnenden 
Aufträgen  und  zur  Schaffung  zahlreicher  Kunstwerke 
in  den  verschiedensten  Orten  und  Gegenden  Oester- 
reichs  führen  sollen,  eine  Erwartung,  die  zum  Teil  be- 
reits in  Erfüllung  gegangen  ist,  zum  Teil  hoffentlich 
noch  in  Erfüllung  gehen  wird. 

Termingemäß  sind  zu  diesem  Wettbewerb  225  Ent- 
würfe aller  Kunstgattungen  eingesandt  worden.  Es  ist 
nicht  leicht  gewesen,  diese  große  Zahl  von  teilweise 
sehr  umfangreichen  Aibeiten  in  den  verhältnismäßig 
beengten  Ausstellungsräumen  der  Zedlitzhalle  unterzu- 
bringen und  aufzustellen.  Ebenso  ist  auch  die  Aufgabe 
der  Preisrichter  eine  außerordentlich  schwierige  gewe- 
sen; die  genaue  Prüfung,  Sichtung,  Abwägung  und 
Beurteilung  der  zahlreichen  und  verschiedenartigen 
Arbeiten  hat  einen  großen  Aufwand  an  Zeit,  Mühe, 
Gewissenhaftigkeit  und  Sachkenntnis  erfordert.  Das 
Ergebnis  dieser  Beratungen  des  Preisgerichtes  liegt  nun- 
mehr vor  und  läßt  sich  in  fol- 
gendem zusammenfassen :  in  der 
Absicht,  die  Preise  der  Q.ualität 
der  eingereichten  Arbeiten  tun- 
lichst anzupassen,  gelangte  das 
Preisgericht  zu  dem  einstimmig 
gefaßten  Beschlüsse,  von  dem 
Preisschenia  der  Konkur- 
ren zausschreibung  abzuse- 
ilen und  die  für  Preise  zur  Ver- 
fügung stehende  Summe  von 
66000  Kronen  wie  nachstehend 
vermerkt  zu  verteilen.  Es  wurden 
zuerkannt : 

Fünf  Preise  zu  je  8000  Kro- 
nen. Den  Entwürfen  tnit  den 
Kennworten  »Die  drei  Künste« 
(Verfasser  Architekt  Franz  Gün- 
ther, Maler  Albert  Janesch, 
Architekt  Friedrich  Pindt  in 
Wien).  Motto:  A.  E.J.  O.  M.  (Ver- 
fasser: Architekt  E.  Hoppe,  M. 
Kämmerer  und  O.  S  c  li  ö  n  t  h  a  1 
in  Wien).  »Augustinerkirche«  (Ver- 
fasser: Professor  Rudolf  Jett 
mar  in  Wien).  >\\'eihestätte  den 
gefallenen  Helden  <  (Verfasser; 
Professor  Josef  Müllner  in 
Wien)  und  »Leopoldsberg<  (Ver- 
fasser: Professor  Oberbaurat 
Friedrich  Ohniann  in  Wien). 
Zwei  Preise  zu  je  5000 
Kronen.  Den  Entwürfen  mit  den 


KIRCHE  IN  SIRASSDOKF 


WETTBEWERB  FÜR  ÖSTERREICHISCHE  KRIEGSDENKMÄLER  mm     127 


HANS  1II:KK0MMER  (G.MUXD) 


Blici  au/  das  Pre stylet 


NEUE  KIRCHE  IN  STRASSDORl-   BEI  SCHWABLSCIl  (,MI  Nl) 
■//.      Text  S.  I2S 


Kennworten  >Studien<  (V'erfasser:  Architekt  Prolessor 
Artur  Payr  in  Innsbruck  und  »Sursum  corda« 
(Verfasser  Architekt  Baurat  Karl  Sei  dl  und  Maler 
Karl  Haßmann  in  Wien). 

Zwei  Preise  zu  je  4000  Kronen.  Den  Entwürfen 
>Nike«  (Verfasser:  Maler  A.  H.  Schräm  in  Wien)  und 
sDonau«  (Verfasser  Bildhauer  Franz  Seifert  in  Wien). 

Acht  Preise  zu  je  1000  Kronen.  Den  Entwürfen 
»Achilles«  (Verfasser:  Bildhauer  Alexander  Jaray  in 
Wien).  »Ehrenschuld«  (Verfasser:  Bildhauer  Ferdi- 
nand Lügerth  und  Architekt  Adolf  Thomas  in 
Wien).  »Der  Sieg«  (Verfasser:  Architekt  Richard 
Novak  in  Prag).  »Doppeladler«  (Bildhauer  Ferdinand 
Opitz  in  Wien).  »Mit  dem  Ruhme  der  Gefallenen« 
(Verfasser:  Bildhauer  W.  Prokop  in  Prag).  »Kriegssaat« 
(Bildhauer  Michael  Six  in  Wien).  »Votivkirche« 
(Architekt  Baurat  Anton  Weber  und  Bildhauer  Willy 
Bormann  in  Wien)  und  »Wahrzeichen«  (Verfasser  un- 
genannt). Außer  diesen  zuerteilten  Preisen  wurde 
noch  eine  Reihe  von  Künstlern  mit  »ehrender  Er- 
wähnung«  hervorgehoben. 

Die  preisgekrönten  sowolil  wie  auch  die  übrigen 
Arbeiten  wurden  in  der  Zedlitzhalle,  der  Ausstellungs- 
stätte des  Wirtschaftsverbandes  der  österreichischen 
Künstlerschaft,  der  Öffentlichkeit  zugänglich  gemacht, 
wodurch  es  uns  möglich  ist,  aus  eigener  Anschauung 
über  das  Gebotene  zu  urteilen.  Wie  bei  den  meisten 
künstlerischen  Wettbewerben,  so  haben  auch  diesmal 
die  Künstler  durch  die  überaus  große  Beteiligung  der 
Allgemeinheit  namhafte  Opfer  gebracht  und  selbst  den 
Preisträgern  erwuchsen  so  bedeutende  Kosten,  daß 
diese  durch  den  ihnen  zuerkannten  Preis  kaum  gedeckt 


erscheinen.  Bei  einem  Rundgang  durch  die  stimmungs- 
voll wirkende  Ausstellung  fallt  besonders  die  künstle- 
rische Qualität  einer  ganzen  Reihe  von  Arbeiten  auf. 
Es  sind  teils  Schöpfungen  einer  hochfliegenden  künst- 
lerischen Phantasie  in  Erz  und  Marmor  gedacht,  teils 
kleinere  Arbeiten,  die  in  beschränktem  Gemeinwesen 
immerhin  ausgeführt  werden  könnten.  Oh  mann  und 
Schräm  stellen  z.  B.  ihr  Kolossal- Weltkriegsdenkmal 
auf  den  Leopoldsberg,  weithin  schauend,  wie  ein  Wahr- 
zeichen über  das  ganze  Wiener  Donaubecken.  Schräm 
festlich  in  prunkendem  Aulschwung  mit  überwiegend 
malerischer  Kraft,  Ohmann  wieder  mit  dem  Massen- 
aufgebot architektonischer  Elemente,  die  durch  die 
Wuclit  der  Erscheinung  wirken  und  des  Nachts  durch 
die  Feuerzeichen,  die  von  der  Attika  des  Hauptbaues 
flammen,  in  die  Erscheinung  treten.  Seidl  schuf  einen 
schlank  aufragenden  Kuppelbau,  von  Haßmaun  durch 
sehr  schöne  Mosaikentwürfe  im  Innern  wirkungsvoll 
belebt,  Architektur  und  Malerei  vereinigen  sich  hier 
zum  Ausdruck  der  Apotheose. 

Einen  mächtigen  Eindruck  macht  der  von  den  Ar- 
chitekten Hoppe,  Kämmerer  und  Schönthal  ge- 
schalTene  Riesensarkophag,  in  einen  Ringwall  gestellt, 
ein  Motiv,  das  auch  bei  dem  lichterfüllten  Entwurf 
Müllners  wiederkehrt.  Jettmars  Bilderfries  für  eine 
Seitenwand  der  Augustinerkirche  in  Wien,  der  Rund- 
tempel des  Innsbruckers  Payr  und  der  Entwurf  Sei- 
ferts sind  zweifellos  ganz  hervorragende  Schöpfungen, 
denen  man  nur  wünschen  könnte,  daß  sie  in  Wirklich- 
keit in  angepaßter  Umgebung  entstehen  möchten. 

An  Kriegerdenkmalen  einfacherer  Art  ist  natürlich 
kein  Mangel,  aber  nur  verhältnismäßig  wenige  werden 


128 


e^  VERMISCHTE  NACHRICHTEN  ^ 


H.  HERKOMMER 


KIRCHE  IX  STRASSDOKF 


rortalbau.   —    Tfxt  S.  t^4 

der  Erwartung  und  Vorstellung  gerecht,  die  man  im 
allgemeinen  von  solchen  Arbeiten  gevvolint  ist;  das  re- 
ligiöse Moment  ist  zu  sehr  vernaclilassigt,  das  Dekora- 
tive zu  sehr  in  den  Vordergrund  gerückt.  Nichtsdesto- 
weniger dürfte  manches  dieser  Erinnerungszeichen  an 
den  großen  Krieg  als  Andenken  an  die  heldenhaften 
Opfer  des  Kampfes  um  die  heimatliche  Scholle  zur 
Ausführung  gelangen  können.  Vieles  allerdings  ist  auch 
banal  in  der  Idee  und  mehr  oder  minder  dilettantisch 
in  der  Ausführung. 

Es  läßt  sich  leider  nicht  wegstreiten,  daß  das  Ge- 
samtergebnis des  Wettbewerbes,  so  rühmenswert  seine 
Absicht  war,  ein  megatives«  genannt  werden  muß. 
Es  geht  dieser  bedauerliche  Umstand  schon  aus  der 
Tatsache  hervor,  daß  die  Jury  in  ihrem  Gutachten 
keines  der  Projekte  zur  Annahme  und  Ausführung  in 
Vorschlag  braclite.  Der  Gedanke,  der  das  Unterrichts- 
ministerium bei  diesem  Wettbewerb  leitete,  durch  ilm 
eine  Fülle  von  Anregungen  und  Vorschlägen  für  Krieger- 
nionumente  zu  erhalten,  ist  ja  wohl  zum  Teil  erreicht 
worden,  lioffen  wir,  daß  auf  Grund  dieser  nunmehr 
vorliandenen  Anregungen  ein  reiclies  Arbeitsgebiet  sich 
vorbereite,  das  nach  endgültigem  Schluß  des  Welt- 
krieges unsern  Künstlern  eine  Entschädigung  für  die 
harten  Jahre  des  Darbens,  dem  Volke  aber  eine  Reihe 
stimmungsvoller,  von  ernster  dem  Zwecke  angepaßter 
Würde  getragener,  wahrhaft  künstlerischer  Erinnerungs- 
zeichen   an    seine   gefallenen    tapferen   Söhne    bringen 

möge.  Ricliard  RIcdl 

VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Herr  Architekt  Franz  Baumann  (München)  teilt 
uns  berichtigend  mit,  daß  der  auf  S.  6i  (Heft  II)  links 


abgebildete  Kelch  auf  einen    von    ihm   gefertigten  Ent- 
wurf zurückgeht. 

Eine  Kriegsgedächtniskirche.  Zu  dauernder 
Erinnerung  an  den  gegenwärtigen  bedeutungsvollen  Ab- 
schnitt vaterländischer  Geschichte  wird  in  Nürnberg  ein 
kirchlicher  Monumentalbau  errichtet  werden.  S.M.König 
Ludwig  III.  von  Bayern  h.at  das  Protektorat  übernommen. 

Bildhauer  Anton  Zembod  (Hannover)  erlitt  am 
10.  September  in  Rußland  den  Heldentod  für  das 
Vaterland. 

Bildhauer  Professor  Thomas  Buscher  (Mün- 
chen) vollendete  kürzlich  für  ein  Portal  der  St.  Pauls- 
kirche in  München  die  Statuen  des  hl.  Heinrich  und 
der  lil.  Kunigunde  in  Stein. 

Zu  den  Sonderbeilagen  der  vorigen  Num- 
mer. —  Die  Malerei  und  Plastik  im  Presbyterium  der 
Kirche  zu  Adelsdorf  stammen,  wie  auf  S.  6g  des  Textes 
bemerkt  ist,  von  Bildhauer  Hans  Angermair  in 
München;  desgleichen  auch  die  plastischen  Arbeiten  am 
Portal  des  Kgl.  Bezirksamtsgebäudes  zu  Schweinfurt. 

Bildhauer  Professor  Georg  Busch  vollendete 
für  die  Stadtpfarrkirche  zu  Weilheim  eine  Herz  jesu- 
Statue  und  eine  Schutzmantel-Madonna.  Im  Auftrage 
S.  K.  H.  des  Prinzen  Johann  Georg  von  Sachsen  fer- 
tigte er  eine  Holzstatuette  des  hl.  Johann  Nepomuk 
und  im  Auftrag  des  h.  H.  Bischofs  Dr.  Antonius  von 
Henle  in  Regensburg  dessen  Marmorbüste  für  eine 
Anstalt. 

Unser  Mitarbeiter  Oskar  Gehrig,  der  seit 
langem  im  Felde  stellt,  wurde  für  seine  Tätigkeit  bei 
der  Einnahme  von  Kowno  mit  dem  Eisernen  Kreuz 
ausgezeichnet. 

Gabriel  von  Max  starb  am  24.  Nov.  in  München. 
Zu  Prag  am  23.  Aug.  1840  geboren,  kam  er  im  Jahre 
1865  an  die  Münchener  Akademie  zu  Piloty,  zu  dessen 
glänzendsten  und  erfolgreichsten  Scliülern  er  zählte. 
Gereizt  durch  die  malerische  und  mvstische  Seite  der 
Themen  malte  er  auch  einige  religiöse  Stoffe  in  seiner 
zum  Weichlichen  neigenden  Art. 

Die  Stadt  Wiesbaden  kaufte  auf  einer  dortigen 
Kunstausstellung  das  Bild  der  Kreuztragung  von  Joseph 
Eberz  (Stuttgart). 

Bilder  f  ü  r  die  Wiener  kommunale  Ehren- 
galerie.  —  In  Anbetracht  der  großen  Notlage,  in  der 
sich  gegenwärtig  viele  Künstler  befinden,  hat  sich  die 
Wiener  Gemeindevertretung  entschlossen,  noch  einige 
Bildnisse  für  die  Galerie  ihrer  Ehrenbürger  malen  zu 
lassen.  Der  Stadtrat  beschlo(!  daher  die  Anfertigung 
weiterer  zehn  Bilder  und  genelimigte  hierfür  den  er- 
forderlichen Betrag  von  locoo  Kronen.  Die  Vergebung 
der  zu  malenden  Bilder  hat  an  tüchtige,  nachweisbar 
in  Notlage  geratene  Wiener  Künstler  von  Fall  zu  Fall 
zu  erfolgen. 

Bildhauer  Otto  Jarl  in  Wien  f.  —  Einer  der 
besten  plastischen  Künstler  der  österreichischen  Haupt- 
und  Residenzstadt,  Tierbildhauer  Otto  Jaii,  ein  gebür- 
tiger Schwede,  ist  am  16.  November  d.  J.  gestorben. 
Seine  Schöpfungen  auf  diesem  in  Wien  und  Oesterreich 
verhältnismäßig  noch  wenig  gepflegten  Gebiete,  waren 
durchweg  hervorragende  Leistungen,  insbesonders  sein 
»Eisbär«,  den  seinerzeit  Kaiser  Alexander  III.  von  Ruß- 
land erworben  hat.  Sein  HackherDenkmal,  eine  gewal- 
tige Löwenfigur,  auf  dem  Grazer  Scliloßberg,  zeigt  die 
feine  Beobachtung  und  Sicherheit,  die  dem  Künstler  bei 
der  Schaffung  seiner  Gestalten  zur  Verfügung  standen. 


Für  die  Redaktion 


iiliche  Kunst,  GmbH. 


Wer  wird  hinaulsteigen  den  Berg  des  Herrn,  wer  stehen  an  seinem  heiligen  Ürtef    Wer  scluildlose  H.inde 
hat  und  ein  reines  Herz.     Ps.  23,  3.  4. 


RENE  KUDER 

Von  \V.  ZILS-München 
(Zu  den  Abbildungen  dieses  Heftes) 


Die  Freilichtmalerei,  von  den  Deutschen 
»Pleinairmalerei«  genannt,  kam  nach  der 
Meinung  aller  zünftigen  Kunstschriftsteller 
von  Frankreich  zu  uns  herein.  Diejenigen, 
die  sich  heute  der  Vergangenheit  nur  ungern 
erinnern  oder  sie  gar  ableugnen,  wobei  sie 
ins  Gegenteil  fallen  und  eine  Befruchtung  der 
deutschen  Kunst  durch  ihre  französische 
Schwester  mit  jener  Sicherheit  bestreiten, 
mit  der  sie  dieselbe  früher  betonten,  setzten 
sich  etwa  vor  zwanzig  Jahren  für  eine  fran- 
zösische Kunst  in  Deutschland  ein.  »Plein- 
air«  mußte  unter  allen  Umständen  gemalt 
werden.  Gewichtige  Stimmen  erhoben  sich 
bereits  damals  und  meinten,  die  deutsche 
Kunst    habe    schon    vor   dieser   Entdeckung 


durch  die  eigene  Naturbeobachtung  mit  dem 
Licht-  und  Luftproblem  gerungen,  zu  dessen 
Lösung  allerdings  französische  Technik  nicht 
unwesentlich  beitrug. 

Ein  ganz  bezeichnendes  Schulbeispiel,  wie 
der  Künstler  durch  selbsttätiges  Betrachten 
der  Umwelt  zur  Freilichtmalerei  kommt,  ist 
Rene  Kuder,  mit  dem  wir  uns  im  folgen- 
den zu  beschäftigen  haben.  Bei  einem  Plau- 
derstündchen, in  dem  er  uns  von  seinem 
früheren  Leben  und  jetzigen  Soldatenstand 
erzählte,  fragten  wir  ihn,  wo  er  malen  ge- 
lernt habe.  >In  der  Natur«,  war  die  Antwort, 
»auf  keiner  Akademie,  in  keiner  Galerie  durch 
Kopieren.  Was  ich  da  draußen  sah  beim 
Herumwandern    über    Felder    und     Wiesen, 


Die  christliche  1 


130 


^^  ren£  KUDER  ö^ 


KENi:  KUDER 


ALTEK  KIRCHHOF 


forderte  mich  zur  hellen,  lichten  Farbenge- 
bung  auf,  während  ich  heute  noch  bei  der 
Beschäftigung  mit  Innenraumstücken  mich 
dunkler  Farben  bedienen  würde.«  Dieses 
Selbstbekenntnis  des  Künstlers  nimmt  eine 
Charakterisierung  seines  Werdegangs  und 
seiner  Werke  vorweg. 

Kuder,  der  am  23.  Nov.  1882  in  Weiler  im 
Kreise  Schlettstadt  (Elsaß)  geboren  ward,  kam 
in  frühester  Jugend  aus  eigenem  Trieb  zur 
Natur.  Jm  täglichen  Anblick  ihres  Lebens 
offenbarte  sich  ihm  sein  künstlerischer  Be- 
ruf und  seines  Wesens  Art.  Der  Vater, 
der  mit  Geschmack  Bilderbücher  kolorierte, 
lehrte   ihn    die    Liebe   zur  Natur.     Von  ihm 


erfuhr  er  etwas  vom  Werden  der  Erde,  von 
Versteinerungen  und  Sternbildern,  Momente, 
die  ihn  veranlaßten,  offenen  Sinnes  und  schar- 
fen Blickes  die  Schönheiten  seines  Landes  zu 
betrachten.  Kaum  war  der  Gedanke  geboren, 
das,  was  er  in  Büchern  sah,  selbst  darzu- 
stellen, so  folgte  ihm  die  Tat.  Der  junge 
Kuder  ging  noch  während  der  Zeit  des  Be- 
suches der  Volksschule  seines  Heimatortes 
in  Weilers  Gemarkung  und  zeichnete,  was 
er  vorfand.  Korrektor  der  Bilder  war  der 
Vater.  Neben  ihm  ist  der  Künstler  seinem 
Lehrer  Bittinger  noch  heute  zu  von 
\'erehrung  getragenem  Dank  verpflichtet.  Der 
einfache  Volksschullehrer  hatte  die   Anlagen 


^  RENE  KUDER  ^^ 


131 


RENH  KUDER 


seines  Schülers  erkannt  und  tat  sein  mög- 
lichstes, sie  zu  fördern.  Wenn  der  Vater 
auch  von  Zuneigung  gegen  die  Kunst  beseelt 
war,  so  widersetzte  er  sich  doch  mit  aller 
Macht  dem  Wunsch  des  Sohnes,  nach  dem  Aus- 
tritt aus  der  Schule  mit  14  Jahren  die  Kunst- 
schule besuchen  zu  dürfen.  Die  Vorstellung 
vom  »Maler  im  Dachstübchen«  war  aus- 
schlaggebend, Rene  einem  praktischen  Be- 
ruf zuzuführen.  Der  Vater  ließ  ihm  dabei 
so  viel  Zeit,  daß  er  sich  mit  Farben,  die  er 
ihm  selbst  zutrug,  und  mit  Büchern  weiter  bil- 
den konnte  mit  der  Begründung,  daß  der 
Mensch  nie  zu  viel  wisse  und   daß    man  für 


sich  selbst  zur  eigenen  inneren  Befriedigung 
weiterstreben  müsse.  Endlich  im  20.  Lebens- 
jahr setzte  Kuder  den  Eintritt  in  die  Straß- 
burger Kunstgewerbeschule  durch. 
Die  in  den  Ferien  mitgebrachten  guten,  von 
Können  und  Fortgang  sprechenden  Zeug- 
nisse brachen  den  letzten  Widerstand  des 
Vaters.  Dem  Künstler  stand  die  Kunst  offen. 
Das  figürliche  Zeichnen  namentlich  unter 
dem  Lehrer  Jordan  fand  nach  dem  Ver- 
lassen Straßburgs  im  Jahre  1905  an  der 
Münchner  Akademie  seine  Fortsetzung 
in  dem  Aktzeichnen.  Seine  Lehrer  Feuer- 
stein,  Löfftz    und    Marr    förderten    das 


132 


e^  ren£  kuder  ^ 


Talent  und  wiesen  ihm  auf  Grund  eines  in 
Straßburg  für  einen  Freund  illustrierten  Meß- 
buches mit  Randzeichnungen,  das  ihm  schon 
die  prüfungslose  Aufnahme  gesichert  hatte, 
ein  Meisteratelier  an.  In  dieser  Zeit  entstand 
u.  a.  vor  der  Natur  das  Aquarell  Isartal  (Abb. 
S.  142). 

Ausgestattet  mit  der  kleinen  und  großen 
Medaille  anläßlich  der  üblichen  Semesteraus- 
stellungen, zog  Kuder  unangekrSnkelt  von 
irgend  einer  Richtung  Einfluß  in  die  Heimat, 
um  zu  malen,  wie  er  wollte.  Er  wußte,  daß  er 
erst  hier  den  innigen  Kontakt  mit  der  gro- 
ßen Natur  finden  und  etwas  werden  könnte, 
was  wir  mit  Fug  und  Recht  den  Heimat- 
künstler nennen  dürfen,  der  für  das  Elsaß 
die  Bedeutung  zu  gewinnen  verspricht,  die 
sich  ein  Thoma  in  der  künstlerischen  Durch- 
dringung des  Schwarzwaldes  vor  ihm  erwarb. 
Einer  äußersten  Betätigung  der  Individuali- 
tät, der  das  Bizarre  verhaßt  ist,  setzte  jetzt  nur 
mehr  eine  Macht  —  die  Natur  Schranken. 
Hier,    in  seiner    bodenständigen  Umgebung, 


erfüllte  sich  Dürers  Satz  in  den  handschrift- 
lichen »Entwürfen  zur  Einleitung«  :  »Die 
Kunst  des  Malens  wird  besser  durch  Lieb  und 
Lust  gelernt,  denn  durch  Zwang.«  Der 
äußere  Erfolg  blieb  dann  auch  nicht  aus. 
Bei  einem  Wettbewerb  für  die  »Woche«  er- 
kannten ihm  die  Preisrichter  M.  Liebermann, 
A.  Kampf,  Manzel  und  R.  Reinecke  den 
IL  Preis  zu  (Abb.  unten). 

In  demselben  Jahre  1912  entstanden  Bilder 
wie  »Der  Friede«  und  »Waldbach«  und 
»Schwere  Wolken«  (Abb.  Sonderbeil.,  S.  131, 
138 — 141),  die  des  Künstlers  stärkste  Seite 
dartun:  Die  Landschaft  seiner  Heimat.  Ihr 
widmet  er  sich  seit  der  Rückkehr  mit  einer 
wahren  Inbrunst  und  frischen  und  gesun- 
den Freude  an  den  Farben.  Ohne  Experi- 
mente malt  Kuder  als  Naturalist  die  Natur 
so,  wie  er  sie  sieht  und  fühlt.  Nach  eigenem 
Bekenntnis  treibt  ihn  das  Verlangen,  dem 
Beschauer  den  Eindruck  so  zu  vermitteln, 
wie  er  ihn  selbst  gewonnen.  Die  geschmack- 
volle Färbung  gibt  ihm  das  Tageslicht,  dessen 


RENE  KUDER 


tll,   I()I2 ;  prämiiert  in  Lierlin.   —    Trxt  ote. 


D.\S  1  KUllSrCCK 


RENli  KU  DER 


133 


RENE  KLIDER 


DIE  VERSTEIGERUNG 


feine  Stimmungen  die  leiclite  mit  Wasser- 
dämpfen staric  gesättigte  Luft  des  Elsaß,  die 
den  Himmel  in  voller  Bläue  nur  selten  strahlen 
läßt,  noch  intimer  gestalten.  Sein  Pinsel  ist 
breit,  seine  Farben  sind  duftig. 

Wie  auf  Kuder  der  Besuch  der  Kunstge- 
werbeschule und  Akademie  ohne  wesentlichen 
Einfluß  blieb,  so  veränderte  auch  eine  Stu- 
dienreise nach  Paris  im  Jahre  19 12  wenig 
seine  Farben-  und  Formgebung.  Als  den 
Heimatkünstler  zeigt  er  sich  in  seinen  künf- 
tigen Werken  auch  dort,  wo  er  aus  dem 
Leben  seines  Volkes  (Frühstück,  Ver- 
steigerung, Jahrmarkt,  Abb.  S.  132 — 135)  er- 
zählt. Wie  in  der  Landschaft,  so  tritt  uns 
auch  in  diesen  genrehaften  Szenen  der 
Naturalist  entgegen,  der  selbständige,  frische 
Beobachter,  dem  es  auch  nicht  an  dem  nöti- 
gen Vorrat  Phantasie  und  Sinn  für  die  Schat- 


tenseiten und  Vorzüge  seines  Volkes  ge- 
bricht. Ein  Bild  wie  »Der  Jahrmarkt«  (Abb. 
S.  135)  gewinnt  bei  einer  längeren  Betrach- 
tung. Trotz  einer  Vielheit  von  Begebenheiten 
ermüdet  das  Auge  nicht,  befällt  das  Gehirn 
keine  Langeweile.  Alles  lebt,  spricht,  und 
erzählt,  ob  es  nun  der  mit  Einsetzung  seiner 
Lungenkraft  geschäftsgewandte  Marktschreier 
oder  der  stillbedachte  Bauer  tut,  der  mehr  mit 
Schläue  als  mit  dem  in  der  Tasche  noch  zu- 
rückgehaltenen Geldbeutel  die  kritisch  be- 
trachteten Ferkel  erstehen  will. 

Es  ist  nur  zu  klar,  daß  eine  Individualität 
von  der  Selbständigkeit  Kuders  sich  auch 
auf  eigene  Weise  mit  dem  Krieg  abfand.  Die 
Kriegserklärung  überraschte  ihn  in  seinem 
Heimatorte.  Während  der  Gemeindediener 
(Abb.  S.  145)  mit  der  Trommel  durch  die  Stra- 
ßen zog,  um  die  Mobilmachung  auszurufen, 


134 


:m  RENE  KUDER  mm 


RLSE  KLDEU 


STUDIE  ZUM  lAHRMARKT  (,S.  ij;) 
i'fiß  an/gestizt€ii   Lichtern 


Männlein  und  Weiblein  auf  die  Gassen 
rannten,  hielt  des  Künstlers  Stift  die  einzel- 
nen Gestalten  fest.  Hier  (Abb.  S.  144)  die  ent- 
geisterte Frau,  der  die  Tatsache  nicht  so 
schnell  bewußt  wird,  deren  Erstaunen  über 
das  eben  Gehörte,  die  Mienen  des  Antlitzes 
und  die  Bewegung  der  Hand  bezeichnen,  dort 
die  alte  Mutter  (Abb.  S.  146),  der  die  Nach- 
richt, die  Vorahnung  der  kommenden  Schrek- 
ken  und  Nöten  die  Tränen  aus  den  Augen 
zwingt.  Als  dann  der  Krieg  ausbrach,  Ka- 
nonendonner die  Ruhe  seiner  Heimat  er- 
schüttern machte,  Granaten  die  als  :  Friede  : 
bezeichnete  Weide  durchfurchten  und  auf 
ihr  Freund  und  Feind  im  Todesschlafe  ver- 
einigtwurden, schuf  der  Künstler  Kriegshilder, 
die  eine  weitere  und  schnellere  Verbrei- 
tung verdienten  als  die  durchgängig  unwah- 
ren, dabei  unkünstlerischen  und  einen  Ein- 
blick in  das  wahre  Kriegsgetriebe  nicht  ver- 
mittelnden »Schlachtenbilderx,  die  sich  mit 
Hilfe  geschäftstüchtiger  Verleger  durchzu- 
setzen vermochten,  ganz  zu  schweigen  von 
dem  »Kitsch«  der  im  Atelier  gestellten  Sze- 
nen, w'ie  sie   die  Postkartenauslagen  unserer 


Geschäfte  aufweisen.  (Einen  Trost  —  dies 
nur  nebenbei  —  bieten  Karten  aus  Frank- 
reich, England  und  vor  allem  Italien,  die 
das  Beiwort  » barbarisch  <  verdienen.)  Den 
Kriegsarheiten  Kuders  kommt  ein  Wert  zu, 
der  den  des  Augenblicks  übersteigt.  Selbst 
noch  »Zivilist«,  aber  zum  Arbeiten  einberu- 
fen, betrachtet  er  seitwärts  die  Arbeiterba- 
taillone. Arm  und  reich,  jung  und  alt  im 
Alter  von  17 — 50  Jahren,  mußten,  soweit 
nicht  wehrfähig,  am  i.  August  zur  Arbeit 
ausziehen,  Straßen  bauen  und  Schützengräben 
auswerfen.  Als  die  Franzosen  vorübergehend 
im  Elsaß  einbrachen,  trieben  sie  die  Bewohner 
zur  Zwangsarbeit  (Abb.  159).  Äußerst  fein 
sind  hier  die  weißen  Uniformen  der  Küras- 
siere zur  Erzielung  malerischer  Wirkungen  ver- 
wendet. Das  Leben  und  Treiben  der  zum 
Landsturm  gerechneten  Arbeiterbataillone  ver- 
folgt Kuder  in  einer  Reihe  (Abb.  S.  147 — 15 1) 
Federzeichnungen,  die  höchst  elegant  und 
schnell  hingeworfen,  das  Charakteristische 
festhalten.  Der  eigene  Diensteintritt  im  Fe- 
bruar 191 5  gab  Kuder  Gelegenheit  zum  Ab- 
lauschen mancher  feinen  Einzelheiten.    Nach 


^  RENIi  KUDER  ^ 


135 


RENE  KUDER 


A'/uareh,  1914.  —    Tfxt  S.  133 


DER  JAHRMARKT 


dem  Dienst  war  es  in  freien  Stunden  die 
Kunst,  die  oft  unter  den  mißlichisten  Um- 
ständen in  Scheunen  oder  auf  dem  Heuboden 
ausgeübt,  Erholung  bot.  Der  Gegensatz  zwi- 
schen Leben  und  Tod,  wie  ihn  am  schärfsten 
das  Schlachtfeld  liefert,  ließ  in  ihm  die  ernste 
bis  ins  Altertum  zurückgehende  und  nament- 
lich im  christlichen  Mittelalter  gepflegte  Idee 
des  »Totentanzes«  aufleben  in  Bildern,  die 
im  »Pionier«  erscheinen  werden.  Ob  nun 
Kuder  das  Putzen  oder  Tränken  der  Pferde 
(Abb.  S.  146 — 147)  oder  den  schwierigen 
Transport  einer  Proviantkolonne  (Abb.  S.  152) 
schildert,  immer  ist  es  die  Meisterschaft  der 
Zeichnung,  das  tiefe  psychologische  Erfassen, 
das  wir  bewundern.  Er  bedient  sich  des 
Bleis  mit  aufgehöhtem  Weiß  oder  der  Feder, 
deren  Anwendung  er  besonders  bevorzugt. 
Wenn  wir  uns  zum  Schlüsse  mit  den  Be- 
ziehungen des  Künstlers  zur  christlichen 
Kunst  beschäftigen,  so  geschieht  dies  nicht, 
weil  sie  die  geringste  unter  seinen  Kunst- 
betätigungen ist.  Im  Gegenteil  finden  sich 
in  ihr  alle  Vorzüge  seines  Schaffens  vereint. 
Daß  ein  Künstler,  der  sich  entschieden  gegen 
das    Häßlich-Gemeine    wie    auch    gegen    das 


Oberflächliche  in  der  Kunst  ausspricht,  seine 
Kunst  in  den  Dienst  der  sittlichen  Erziehung 
des  Menschen  stellt,  ist  selbstverständlich. 
Gerade  hier,  wo  es  sich  um  das  Höchste, 
Reinste  in  jedermanns  Leben  handelt,  kommt 
es  wie  in  keiner  Kunstgattung  nicht  allein 
auf  das  Was,  sondern  auch  auf  das  Wie  an. 
Eindringlich  ist  in  Nr.  i  des  12.  Jahrgangs  der 
»Christlichen  Künste«;  auf  diese  Forderung 
hingewiesen. 

Den  Lesern  unserer  Zeitschrift  ist  ja  Kuder 
kein  Fremder  mehr.  In  Heft  5  und  8  des 
X.  Jahrgangs  wurden  bereits  zwei  farbige 
Blätter  veröffentlicht.  Die  Jahresmappe  191 3 
brachte  die  >:Ruhe  auf  der  Flucht«,  zu  der 
Abb.  S.  142  eine  Aquarell -Studie  bildet,  de- 
ren Schwarz-Weiß-Wiedergabe  die  koloristi- 
schen Feinheiten  ahnen  läßt.  Im  Jahre  191 3 
zeichnete  Kuder  für  die  Kirche  in  Meisengott 
bei  Schlettstadt  die  Kartons  zu  12  Fenstern, 
die  von  der  Hofglasmalerei  van  Treeck 
in  München  ausgeführt  wurden.  Zwei  von 
ihnen  wurden  leider  Opfer  des  Krieges,  der 
auch  die  Ausführung  der  Deckengemälde 
für  dieselbe  Kirche,  die  in  der  Skizze  be- 
reits vollendet  sind,  hinderte.     Als   aufmerk- 


136 


^  OSKAR  HOSSFELD  ^ 


samer  Leser  der  Hl.  Schrift,  dessen  Altes 
Testament  ihn  ob  seiner  markigen  Sprache 
am  stärksten  anzieht,  schildert  der  Künstler 
die  historisch-religiösen  Begebenheiten.  Reiche 
künstlerische  Phantasie  entbehrt  seine  christ- 
liche Kunst  ebensowenig  wie  seine  profan 
erzählende.  Aus  dem  Jahre  19  lo  stammt  noch 
ein  Entwurf  zu  einem  Supraportabild  über 
einer  Sakristei  (Abb.  S.  129),  das  leider  noch 
der  Ausführung  harrt;  ihre  Schwierigkeit 
besteht  vielleicht  darin,  daß  das  Bild  nicht 
für  die  Kirche,  sondern  für  die  Sakristei  ge- 


dacht ist,  die  ja  meist  aus  finanziellen  Grün- 
den in  kalter  Nüchternheit  gehalten  wird. 
Welche  hehre  Auffassung  von  dem  Priester- 
stande spricht  aus  dem  Bilde :  Nur  der,  der 
schuldlose  Hände  zeigen  kann  und  ein  reines 
Herz,  trete  an  die  Stufen  des  Altars.  Einer 
wurde  vom  richtenden  Engel  für  schuldig 
befunden  und  verhüllt  aus  Trauer  und  Reue 
den  Kopf  durch  den  Arm,  da  er  nicht  mehr 
wagt,  den  Blick  zum  Heiligsten  zu  erheben. 
Während  diesem  Bilde  ein  alttestamentlicher 
Text  zugrunde  liegt,  dient  dem  Künstler  in 
einer  Vorlage  zu  einem  Kom- 
munionbild (Abb.  S.  14^)  die 
wunderbare  Brotvermehrung 
zum  gestaltenden  künstlerischen 
Stoff.  Straftist  die  Komposition, 
die  die  hehre  Gestalt  Christi  in 
plastischer  Größe  in  die  Mitte 
stellt,  prächtig  ist  die  Farben- 
gebung,  einzelne  Personen,  wie 
die  Mutter  mit  dem  Kinde 
(Hnks  vom  Beschauer)  und  den 
beiden  Kindern  rechts,  sind  von 
entzückender  Schönheit. 

Auch  die  christlichen  Dar- 
stellungen setzt  Kuder  in  die 
freie  Landschaft,  nicht  weil  es 
die  »Mode«  verlangt,  sondern 
weil  es  ihn,  den  Heimatkünst- 
ler, dazu  treibt,  für  dessen 
Schaffen  ein  weiteres  Wort  Dü- 
rers zutrifft:  »Wahrhaftig  steckt 
die  Kunst  in  der  Natur.  Wer 
sie  heraus  kann  reißen,  der  hat 
sie. « 


OSKAR  HOSSFELD  f 


KEXli  KUDER 

Zeichnung  \ 


igf4  auf  Grau.    Studie  . 


Al.li;  1  RAU 
arit  (vgl-  Mb.  S   I3S) 


Die  Zahl  der  Meister  mittel- 
alterlicher Baukunst  wird 
immer  geringer,  einer  nach 
dem  andern  geht  dahin,  um 
einem  neuen  Geschlechte  mit 
anderen  Zielen  Platz  zu  ma- 
chen. Gerade  in  den  letzten 
Jahren  mußten  wir  eine  auffal- 
lend lange  Reihe  hervorragen- 
der Meister  der  älteren  Schule 
zur  ewigen  Ruhe  geleiten  und 
manchen  unersetzlichen  \'erlust 
beklagen,  den  die  Kunst  dabei 
erlitt.  Auch  der  in  Rede  stehende 
Künstler,  der  Geh.  Oberbaurat 
Oskar  Hoßfeld,  war  ein  Mann 
von  ernstem  Kunstwollen,  nur 
dem    Wahren,     Schönen     und 


®2Si  OSKAR  HOSSFELD  ^sm 


137 


RENE  KUDER 


MARKTSCHREIER 


!t   Ifeifi  gehöht,  SliiJit 


•Jahrtnarkt  (Abb.  S.  135) 


Guten  nachstrebend,  abhold  allen  krankhaften 
Strömungen  und  Versuchen  in  der  Kunst, 
aber  mit  der  Zeit  gehend  und  redlich  be- 
müht, das  Alte  mit  dem  Neuen  in  gesunden 
Bahnen  zu  vereinen.  Hoßfeld  war  zeit  seines 
Lebens  ein  Kämpfer  und  so  blieben  auch 
ihm,  wie  so  vielen  unserer  Altmeister,  manche 
oftmals  gehässige  Anfeindungen  nicht  erspart, 
die  mehreremale  sogar  seine  Stellung  be- 
drohten. 

Oskar  Hoßfeld  stand  im  68.  Lebensjahre, 
als  er  in  Bad  Wildungen,  wo  er  Heilung 
suchte,  am  i6.  Oktober  191 5  für  immer  seine 
Augen  schloß.  Er  wurde  am  4.  Juni  1848 
in  Schulpforta,  jener  Stadt  der  berühmten 
sächsischen  Fürstenschule,  geboren  und  er- 
hielt auch  an  dieser  Anstalt  eine  umfassende, 
gediegene  allgemeine  Bildung,  die  ihm  zeit- 
lebens zu  statten  kam.  In  dem  ehemaligen, 
alten  Zisterzienserkloster,  wo  die  Schule  ihr 
Heim  hatte,  reifte  auch  —  wie  er  dem  Schrei- 
ber dieses  Ende  der  achtziger  Jahre  als  Re- 
dakteur der  vom  preußischen  Ministerium 
herausgegebenen  Zeitschrift  für  Bauwesen 
einmal  erzählte  —  der  Gedanke  in  ihm,  Ar- 
chitekt zu  werden  und  vornehmlich  Archi- 
tekturstudien für  mittelalterliche  Bauweise  zu 


machen,  um  sich  später  darin  betätigen  zu 
können.  Nach  Absolvierung  der  Fürstenschule 
ging  er  nach  Berlin  zum  Studium  an  der 
dortigen  alten  Bauakademie.  Im  Jahre  1872 
machte  er  das  erste  Staatsexamen,  wurde 
kgl.Regierungsbauführerund  1876  Regierungs- 
baumeister. Bei  der  für  die  ehemaligen 
Studierenden  der  Kgl.  Bauakademie  vom 
preußischen  Staate  gestifteten  Konkurrenz  um 
den  Schinkelpreis  ging  er  mit  dem  Entwürfe  zu 
einer  Landesbibliothek  als  Sieger  hervor,  wor- 
auf er,  damaliger  Sitte  zufolge,  eine  längere 
Reise  nach  Italien  unternahm. 

Kein  Geringerer  als  der  frühere  bekannte 
Berliner  Architekt  Professor  Heinrich  Strack 
hatte  längst  sein  Augenmerk  auf  den  jungen 
Künstler  gerichtet  und  nahm  ihn  in  sein 
Architekturatelier  auf  Strack  beschäftigte  sich 
damals  mit  dem  Neubau  der  Nationalgalerie, 
vor  allem  mit  der  Errichtung  der  Siegessäule 
auf  dem  Königsplatz  in  Berlin  und  dort  fand 
Hoßfeld  durch  Anfertigung  von  Details  und 
Innendekorationen  für  ersteres  Gebäude  in 
den  Jahren  1872-1876  interessante  Betätigung. 
Später  sahen  wir  ihn  als  Hofbauinspektor 
für  die  Königsschlösser  Berlin  und  Charlotten- 
burg, worauf  er  in  den  preußischen  engeren 


I3S 


es^  OSKAR  HOSSFELD  ^ 


KliNH  KfDER 


Staatsdienst  eintrat.  1899  wurde  er  als  vor- 
tragender Rat  ins  Ministerium  der  öffentliciien 
Arbeiten  berufen  und  übernahm  gleichzeitig 
in  dieser  Zeit  die  von  Tiedemann  und  später 
dann  von  Karl  Schäfer  glücklich  geführte 
Redaktion  der  Zeitschrift  für  Bauwesen  und 
des  Zentralblattes  der  Bauverwaltung.  Diese 
Tätigkeit  währte  bis    1900. 

Nach  der  Pensionierung  des  seinerzeit  in 
Berlin  bezw.  Preufkn  hochangesehenen  Ar- 
chitekten Prof.  Adler,  der  im  preußischen 
Bauwesen,  sowie  im  Lehrkörper  der  Bau- 
akademie, der  späteren  techn.  Hochschule, 
eine  große  Rolle  spielte,  übernahm  Hoßfeld 
an  Stelle  dieses  verdienten  Fachmannes  das 
Dezernat  für  die  Museumsbauten,  das  Kirchen- 
bauwesen und  die  Denkmalpflege  in  Preußen. 
Diese   Zeit    dürfte    die    erfolgreichste    seines 


Lebens  gewesen  sein, 
obgleich  ihm  durch 
sein  aktuelles,  neue 
Bahnen  betretendes 
Fingreifen  in  der  Denk- 
malpflege manche  Un- 
annehmlichkeiten wi- 
derfuhren. Jetzt  hat 
man  größtenteils  aner- 
kannt, wie  segensreich 
Hoßleld  seinerzeit  da- 
mit wirkte  und  wie 
glücklich  er  es  ver- 
stand, bahnbrechend 
in  alle  Gebiete  einzu- 
greifen. In  den  15  Jah- 
ren seiner  vorgenann- 
ten Tätigkeit  hat  er, 
namentlich  was  den 
Kirchenbau  anbetraf, 
im  Rahmen  der  staat- 
lichen Faktoren  aul  die 
Frfordernisse  einer  hei- 
matlichen, bodenstän- 
digen Bauweise  hinge- 
wiesen und  Ertolge 
erzielt.  Mit  der  ihm 
eigenen,  von  hohen 
Idealen  geleitetenSorg- 
falt  widmete  er  auch 
allen,  selbst  den  ge- 
ringsten Bedürfnissen 
des  Kultusdienstes,  ein- 
gehendste Aufmerk- 
samkeit. Zahlreich  sind 
seine  Schriften,  die  da- 
mals Aufsehen  erreg- 
ten. Er  scheute  sich 
nicht,  ungeachtet  sei- 
ner hohen  Stellung  als 
preußischer  hoher  Staatsbeamter,  aus  dem 
Rahmen  herauszutreten  und,  frei  von  allen 
Fesseln,  die  Wahrheit  zu  sagen,  w^as  ihm 
Ireilich  —  wie  seinerzeit  Karl  Schäfer  —  oft- 
mals Unannehmlichkeiten  bereitete.  Als  höchste 
Ehre  muß  ihm  aber  nachgerühmt  werden, 
daß  er  der  eigentliche  Apostel  war,  der  schon 
Ende  der  80  er  Jahre  vorigen  Jahrhunderts 
eine  volkstümliche  Bauweise,  der  jeweiligen 
Gegend  entsprechend,  laut  und  mächtig  for- 
derte, ein  Verlangen,  das  späterhin  in  allen 
Gauen  unseres  deutschen  \'aterlandes  ein- 
setzte. Der  unvergeßliche  Münchener  Alt- 
meister Gabriel  v.  Seidl  war  es  auch,  der 
Hoßfeld  vollen  Beifall  zollte  und  mit  ihm  in 
reicliem  Briefwechsel  und  persönlichen  Be- 
ziehungen stand. 

Die     preußische    Staatsregierung    schätzte 


SOCKENSTOPFERIX 


139 


RENE  KUDER 


BLICK  AUF  XOTRE-DAME  IX  PARIS 


RENE  KUDER 


PONT  NEUE,  PARIS 


140 


KENi;  KUDER 


\1  |;|  1  MIMML'XG 


RENH  KUDER 


REGENSTIMMING 


Ai/uarell,   igt! 


141 


RENK  KCDER 


KEGEXSTIMMUXG 


RENE  KUDER 


MARKIRCIIEKTAL 


Aiiuarell,    igi4 


142 


RENE  KUÜER 


Aquarell.   —    Je.xt  S. 


RENi;  KUDER 


Aquarell  von   IQI2,  Studie  i^iit   KasI  au/  a'er  Flucht  nach  Agypttn.   —    Text  S.  13s 


S^  OSKAR  HOSSFELD  ^ 


143 


REXH  KUDER 


BROTVERMEHRUNG 


igiS,  E'itwiir/  zu 


ul.ilJ.  —   Teil  S.  136 


Heinrich  Hoßfeld  sehr  hoch  und  berief  ihn 
zum  Mitghed  der  kgl.  preußischen  Akademie 
des  Bauwesens.  Kein  Wunder,  daß  die  Körper- 
schaft der  technischen  Hochschule  zu  Berlin 
ihm  einen  Lehrstuhl  für  baukünstlerische 
Ästhetik  und  Bauformenlehre  für  Ingenieure 
antrug,  den  er  auch  von  1890  bis  1895 
übernahm. 

Zahlreich  sind  seine  trefflichen  Restaurie- 
rungen mittelalterlicher  Kirchen  Mittel-  und 
Norddeutschlands.  Von  diesen  möge  nur  die 
Wiederherstellung  der  Marienkirche  in  Haders- 
leben und  die  der  Jacobikirche  in  Stettin 
hier  Erwähnung  finden.  Erfolgreich  war  er 
auch  in  Wettbewerben  z.  B.  jenen  für  die 
Bebauung  der  Museumsinsel  in  Berlin  und 
des  Kollegienhauses  der  Universität  Straßburg. 
Auch  das  schöne  Rathaus  in  Lützen  ist  von 
ihm  geschaffen  worden.  Nebenbei  war  er 
ein  gesuchter  Preisrichter  bei  Wettbewerben 


nicht  nur  im  Bauwesen,  sondern  auch  im 
Kunstgewerbe  und  bei  monumentaler  Aus- 
stattung von  Innenräumen,  desgleichen  für 
Malereien. 

Denkmalpflege,  Heimatschutz  und  vor  allem 
Kirchenbau  nach  den  örtlichen  Verhältnissen 
waren  seine  schönsten  und  erfolgreichsten 
Bestrebungen,  für  die  wir  dem  Dahinge- 
schiedenen nicht  genug  danken  können. 
Darin  war  er  groß,  nicht  nur  als  Künstler, 
sondern  auch  als  gelehrter  Architekt.  Er  war 
auch  Gründer  der  bei  Ernst  &  Korn  in  Berlin 
erschienenen,  mit  preußischen  Staatsmitteln 
dotierten  Zeitschrift  »Denkmalpflege«  und 
Mitbegründer  —  eigentlich  Gründer  —  des 
segensreich  wirkenden  >  Deutschen  Bundes 
Heimatschutz;:,  der  schon  oft  der  Entstellung 
schöner  Gegenden  und  Ortschaften  vorbeugte. 

Der  rührige,  selbstschaffende  Architekt  und 
Beamte     des     preußischen     Bauwesens    war 


144 


RENE  KUDER 


ALTE  FRAU 


Zeichnung,   ig  14-   —    Text  S.  134 


145 


RENE  KUDER 


Zeidmuug  von  ,g,^.  _   Text  S.  ,jj 


AUSRUFER 


Die  christliche  Kunst.     XII. 


146 


^^  AUSSTELLUNG  DES  BUNDES  »BAYERN«  S^ 


literarisch  sehr  tätig.  So  erschien  im  Jahre 
1915  bereits  die  4.  Auflage  von  »Stadt-  und 
Landkirchen«,  die  viel  Aufsehen  erregte. 
Daran  anschließend  erwirkte  er  auch  die 
Erlaubnis  vom  preußischen  Staate,  seine  und 
die  unter  seiner  Leitung  entstandenen  Ent- 
würfe und  Bauausführungen  zahlreicher  Stadt- 
und  Landkirchen  auf  der  großen  Berliner 
Kunstausstellung  auszustellen.  Interessant 
sind  im  oben  erwähnten  Buche  seine  zahl- 
reichen Bekenntnisse,  von  denen  hier  einige 
folgen  mögen.    sWie    sich   unser   staatlicher 


REXi;  KUDKK 


Zeichnuttg  von  rgi4.   —    'ffxl  S-  IS4 


Kirchenbau  von  den  Verirrungen  fern  ge- 
halten hat,  denen  um  die  Wende  des  Jahr- 
hunderts weite  Kreise  der  Bevölkerung  ver- 
fielen, indem  sie  in  dem  Bruche  mit  der 
Überlieferung  das  Heft  für  die  Fortentwick- 
lung erblickten,  ebenso  ist  er  jetzt,  nachdem 
man  wieder  >.  historischer«  geworden  ist,  be- 
müht, sich  vor  der  Modeströmung  der  Bieder- 
meierei, des  bis  zur  kärglichsten  Nüchtern- 
heit verwässerten  Klassizismus  zu  hüten.  So 
ganz  leicht  freilich  ist  dieses  Bemühen  nicht. 
Gegen  Modeströmungen  zu  schwimmen  ist 
schwer.«  Und  weiter  erörtert 
er  in  dem  Buche  den  Ziegel- 
steinbau. »Der  Ziegelsteinbau 
muß,  wenn  er  heimatlich  blei- 
ben und  seinen  Ernst,  seine 
Kraft  behalten  will,  Anschluß 
an  die  Bausteinkunst  des  Mittel- 
alters, insbesondere  der  Gotik 
suchen.«  Er  klagt  dann  über 
den  Verfall  bezw.  die  Vernach- 
lässigung des  Studiums  mit- 
telalterlicher Kirchenbaukunst. 
Wirklichen  Dorfkirchen  be- 
gegne man  immer  noch  recht 
selten  unter  den  Kirchenbau- 
ten, die  heutzutage  auf  unseren 
Dörfern  entstehen  und  mit  den 
kleineren  Stadtkirchen  verhalte 
es  sich  ebenso.  Letztere  Äuße- 
rung bezieht  sich  auf  Mittel- 
und  Norddeutschland,  in  Bayern 
ist  es  in  den  letzten  Jahren 
besser  geworden. 

So  ist  denn  wieder  einer 
unserer  Besten  dahingegangen, 
der  in  unserer  schnellebigen 
Zeit  die  vielen  Auswüchse  in 
der  bildenden  Kunst  mit  geisti- 
gen und  künstlerischen  Waffen 
bekämpfte.  Die  vielen  Angriffe, 
die  er  sich  infolgedessen  oft- 
mals zuzog,  hat  der  äußerst  vor- 
nehme und  feingebildete  Mann 
mit  Würde  ertragen. 

.Architekt  Hugo  Steffen 


AUSSTELLUNG 
DES   BUNDES  »BAYERN« 

Tn  den  Räumen  des  Müiichcner  Kunst- 
vereins, welcher  der  Kimstlert;enos- 
scnschaft  für  die  beiden  an  dieser  Stelle 
besprochenen  Ausstellungen  Gast- 
freundschaft gewährte,  hatte  am  14.  No- 
vember auch  der  Bund  » Bayern <  eine 
auf  die  Dauer  von  zwei  Wochen  be- 
rechnete  Sonderschau  eröffnet.     Eine 


eas  AUSSTELLUNG  DES  BUNDES     BAYERN:  ©2a 


M7 


^anöfturm« 


ünvfXiq  wrtbMt.). 


Fedtrzeichnu„g 


Kiuler.  —   Text  S.  134 


Anzahl  von  bekanntesten  Münchener  Künstlern  gehört  zu 
dieser  Vereinigung.  Ihre  Leistungen  schaffen  für  die  der 
Gruppe  im  ganzen  ein  Wertmaß  von  beträchtliclier  Höhe. 
Keines  der  zahlreichen  Werke  dieser  »Bayern «-Ausstel- 
lung war  geringen  Ranges,  mehreres  außergewöhnlich 
bedeutend.  Letzteres  läßt  sich  besonders  den  Bildnissen 
nachrühmen,  die  auch  ihrer  Menge  nach  neben  den  Land- 
schaften die  Vorherrschaft  in  dieser  Ausstellung  führten. 
So  waren  die  mit  Kreide  gezeichneten  Köpfe  von  Carl 
Bios  voll  Lebenswahrlieit  und  Kraft  der  Charakteristik,  die 
um  so  überzeugender  wirkte,  je  einfaclier,  von  allem 
äußerlichen  Eft'ekt  frei  der  Vortrag  war.  Tiefe  Wirkung 
tat  auch  das  von  Carl  von  Marr  in  Öl  gemalte  Brustbild 
eines  älteren,  melancliolisch  blickenden  Mannes  vor 
braunrotem  Hintergrunde.  Mehrere  porträtistische  Stu- 
dienzeichnungen desselben  Künstlers  reihten  sich  diesen 
Werken  gleichwertig  an.  Raffael  Schuster -Woldan 
brachte  eine  Anzahl  von  bemerkenswerten  Bildniswerken. 
Feinen  Reiz  besitzt  das  Porträt  (Kniestück)  einer  jungen 
Dame  in  hellblauer  Seide  mit  weißem  Schleier  vor 
grauem  Hmtergrunde,  aus  dem  sich  links  ein  dunkel- 
grüner Vorhang  heraushebt,  seltsam  wirkt  der  stark 
grüne  Farbenfleck  einer  in  der  Hand  der  Dame  befind- 
lichen Feige.  Der  gleiche  Künstler  brachte  ein  Bildnis 
des  Grafen  H.  zu  Lerchenfeld-Köfering.  Das  191 2  ent- 
standene Gemälde  zeigt  vor  dunkelgrauem  Hintergrunde 
den  DargestelUen  in  Kniestück,  stehend,  schwarz  ge- 
kleidet, mit  einer  Wendung  des  Körpers  nach  Iinl<s, 
das  Antlitz   aber    geradeaus   blickend.     EndHch    dürfen 


zwei  mit  farbiger  Kreide  gezeichnete  Kopfbildnisse  Peter 
Roseggers  —  eins  in  rötlichem  Ton  geradeaus,  ein 
grünhches  in  Profil  —  nicht  vergessen  werden;  sie  er- 
wiesen sich  als  Studien,  welche  dartun,  daß  Tiefgründig- 
keit nicht  von  der  Starke  äußerer  Mittel  abhängig  ist. 
Gerade  beim  Bildnisse  wird  man  diese  Eigenschaft  be- 
sonders schätzen ;  wir  wollen  die  Person  sehen,  kennen 
und  begreifen  lernen  — ,  hierzu  soll  des  Künstlers  Werk 
helfen,  soll  der  Nachwelt  bleibende  Lebens-  und  Cha- 
rakterbilder hinterlassen,  nicht  aber  Arbeiten  von  äußer- 
liclier  Madie.  Die  gekennzeichneten  Vorzüge  finden 
sich  auch  bei  dem  von  Georg  Schuster- Woldan  gemal- 
ten, freundlichen  Bildnisse  eines  kleinen  Mädchens  in 
winterlicher  Kleidung.  Ferner  bei  einer  Reihe  von  Por- 
trätwerken Walther  Geffckens.  Ich  erwähne  von  ihm 
eine  sitzende  Dame  in  Weiß  innerhalb  eines  dunkel- 
tönigen  Raumes,  ein  Bildnis  F.  Basils  in  feldgrauer 
Uniform;  das  kräftig  und  dabei  doch  höclist  vornehm 
farbige  Porträt  einer  sitzenden  älteren  Dame  in  grauem 
Kleide  vor  hellem  Hintergrund.  Etwas  Genrehaftes  hatte 
die  von  Ernst  Liebermann  gegebene  Gruppe  zweier 
Damen,  von  denen  eine  in  ein  weißes  Kostüm  der 
Großmütterzeit,  die  andere  in  ein  grünes  ländliches 
gekleidet  ist;  kräftig  heben  sich  die  Gestalten  von 
grauem  Hintergrunde  ab.  Studien  von  feinem  Reize 
waren  das  Brustbild  einer  Dame  von  Hermann  Völker- 
ling,  ferner  die  beiden  in  farbiger  Kreide  gegebenen 
Kinderköpfchen  von  Fritz  Kunz.  Hans  Hammer  por- 
trätierte mit  lebhaftem,  warmem  Kolorit  eine  Dame  in 


148 


AUSSTELLUNG  DES  BUNDES  »BAYERN« 


iTf^H^vH 


jSanÖfhirm. 


^rim  ^t(|oii^gnflrtttmt.2. 


Federztichnung  von  Rtni  Kuder.   —   Tfxt  S.  134 


blaurotem  Kleide  vor  einem  helleren  Hintergrunde  in 
verwandten  Tönen.  —  Unter  den  szenischen  Dar- 
stellungen fanden  sich  ganze  zwei  religiöse.  Raffael 
Schuster-Woldan  malte  eine  »Beweinung«,  bei  der  ich 
die  weibliche  Gestalt  allerdings  nicht  als  die  der  Gottes- 
mutter, sondern  als  jene  Magdalcnens  ansprechen 
möchte;  so  aufgefaßt  entspricht  das  Bild  dem  Gefühl 
des  christlichen  Beschauers  besser.  In  frohen  hellen 
Farben  malte  Fritz  Kunz  eine  heilige  Familie.  Maria 
sitzt  am  Spinnrocken,  Joseph  hobelt  an  einem  Brette, 
kleine  liebliclie  Englein  holen  die  lockigen  Hobelspäne 
und  bringen  sie  dem  Jesuskinde  zu  Spiel  und  Scherz 
—  das  Ganze  ein  erfreuliches  Idyll,  dessen  Anmut 
noch  gesteigert  wird  durch  den  im  Hintergrunde  sich 
auftuenden  Ausblick  auf  eine  frühlingsgrüne  Wiese  und 
einen  Baum  in  Blütenpracht.  Carl  von  Marrs  >Lux  in 
tenebris«  ist  eine  mit  lebensgroßen  Figuren  gestaltete 
Phantasie  über  das  Motiv:  Nackte  und  bekleidete  Figur: 
ein  geflügeltes  Mädchen,  das  in  seinen  .Armen  ein 
lichtumflossenes  Lamm  trägt,  naht  sich  einer  nackten 
weiblichen  Gestalt,  sie  auf  das  Lamm  hinweisend.  Aus 
dem  dämmernden  Dunkel  des  Bildes  leuchtet  der  Glanz 
des  Lammes.  Das  malerische  Thema  wird  durch  eine 
Allegorie  getragen,  die  von  Tizians  »Himmlische  und 
irdische  Liebe<  eingegeben  sein  mag.  Von  szenischen 
Bildern  profanen  Inhaltes  erwähne  ich  die  Kriegsfeder- 
zeichnungen von  J.  Wackerle;  sie,  sowie  einige  Werke 
von  H.  Eißfeldt  waren  fast  das  einzige,  was  diesmal  dem 
zeitgemäOesten  aller  Gegenstände  galt.  Um  so  friedlicher 


war  das  von  feinem  Humor  erfüllte  Gemälde  »Die 
Schecken«  von  \  P.  F.  Messerschmidt  —  eine  rote  Herr- 
scliaftskutsche  der  Rokokozeit,  der  .Ausfahrt  der  Herr- 
schaft harrend,  innerhalb  eines  malerischen  Kleinresi- 
denzbildes. Dieselbe  Epoche  lieferte  auch  für  GefFcken 
die  Motive  zu  zwei  anmutigen  Schilderungen  plaudern- 
der Gruppen  von  Herren  und  Damen  in  einem  Innen- 
raum. —  Dieser  letztere  hatte  um  seiner  selbst  willen 
verschiedentlich  interessante  Behandlung  erfaliren.  So 
in  den  vornehmen,  ruhigen  Studien  aus  der  Münchener 
Residenz  von  B.  Bios;  auch  hei  E.  Liebermanns  alter 
Frau,  die  in  ihrer  gewölbten  sclilichten  Behausung  am 
Fenster  sitzt.  —  Von  Stilleben  erwähne  ich  eins  mit 
antiker  Bronzebüste  und  anderen  Gegenständen,  in 
welchem  B.  Bios  das  Problem  der  Harmonisierung  ver- 
scliiedenster  grüner  Töne  mit  Glück  zu  lösen  versucht 
halte.  —  Die  Landschaftsmalerei  endlich  bot  des  Wert- 
vollen eine  Fülle,  aus  der  nur  Erlieblichstes  hervorge- 
hoben werden  kann.  Hierzu  rechne  ich  H.  Urbans 
»Alte  Brücke«,  ein  italienisches  Motiv  von  heller  Farbe, 
bei  der  allerdings  der  sonst  für  die  Art  dieses  Künst- 
lers bezeichnende  perlmulterartige  Schimmer  weniger 
auffällt;  neuartig  für  ihn  war  die  Ruine  eines  verbrannten 
Hauses;  ein  von  niederem  herbstlichem  Walde  be- 
grenzter flinmiernder  See  bot  Spiegelung  einiger  leb- 
liaft  roter  H.iusdächer;  prächtige  Zeichnungen  von 
scheinbarer  Einfachheit  waren  nach  Motiven  von  der 
italienischen  felsigen  Meeresküste  entstanden.  Eine 
Reihe  tüchtiger  .Arbeiten  bot  Fritz  Rabending;  Studien 


<S2a  DIR  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  mm      149 


SflnBTtttrm, 


4>n§  norod^n. 


3, 


Kene  Kuder,  —   Text  S.  134 


mit  farbenleuchtenden  Blumenplantagen,  ferner  kolo- 
ristisch und  vortraglich  Icraftvolle  Landschaften  mit  Vieh 
in  interessanten  Beleuchtungen  malte  A.  Lüderkelleve; 
Hafenbilder  und  einen  gelblich  daherbrausenden  Wild- 
bach Claus  Bergen;  alte  Architekturen  E.  Liebermann ; 
charaktervolle     Hochgebirgsstudien     waren    u.  a.     von 

F.    Hoch    und    P.    Bürck.  Doering 


DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT 

in  ihrer  Rückwirkung  auf  die  Kunst 
Rußlands.* 

Als  unter  Großfürst  Wladimir,  dem  Heiligen, 
'^  im  Jahre  988  die  Russen  sich  taufen  lie- 
ßen, war  die  orientalische  von  der  okziden- 
talen  Kirche  noch  nicht  endgültig  geschieden. 
Aus  dem  allgemeinen  Strombette  wurde  sie 
darnach  in  die  byzantinische  Trennung  her- 

*)  Zugleich  eine  Fortsetzung  zur  Abhandlung  über 
>Die  neuere  religiöse  Kunst  Rußlands t  in  Heft  10, 
2.  Jahrg.,  S.  2501".  —  Der  Aufsatz  wurde  im  Sommer 
1906  geschrieben,  mußte  aber  wegen  Raummangels  bis 
jetzt  zurückgestellt  werden.     D.  Red. 


übergezogen,  wie  in  eine  ruhige,  den  Stürmen 
unzugängliche,  aber  auch  jedem  Lebensdrang 
verschlossene  Bucht,  bedingend  und  bedingt 
durch  den  weichen,  duldend  veranlagten  Volks- 
charakter. 

Einige  Formabweichungen  vom  »Kirchen- 
reglement«, z.  B.  eine  andre  Art  der  Hostienbe- 
reitung, waren  im  Streit  mit  den  Päpsten  seit 
dem  Konstantinopler  Patriarchen  Photios  zum 
Prinzip  erhoben  worden.  Den  Neubekehrten  als 
Verbündeten  vermachte  das  zerfallende  By- 
zanz  diese  gesuchten  Scheidungsgründe,  und 
ihrem  Kinderherzen  impfte  es  den  Haß  ein 
gegen  den  ganzen  Westen,  dessen  geschicht- 
liche Gestaltung  eine  günstigere  und  dessen 
energische  Tätigkeit  eine  glücklichere  ward. 
So  begann  für  Gesamtrußland  die  Periode  des 
byzantinischen  Einflusses,  der  »byzantinischen 
Ordnung«,  der  »byzantinischen  Reglementie- 
rung <,  die  bis  zu  den  Reformen  Peters  währte. 

Da  seine  Nichtbeachtung  seitens  der  Päpste 
die  Ursache  der  Zweiteilung  des  Christentums 
war,    redete  Byzanz   dem   unwissenden  Volk 


150      e^  DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  ^sm 


^mAjUmtüf 


J)rltrfmbau,4, 


A'cwt'  Kitder.  —    Text  S.  134 


leicht  ein,  daß  das  »Reglement«,  die  »Regle- 
mentierung;; das  Hauptsächliche  an  der  Reli- 
gion, das  Wesen  des  Glaubens,  die  Rettung 
der  Seele,  der  Weg  zum  Himmel  sei.  Scheu 
und  Ehrfurcht  ließ  die  gläubigen  Herzen  alle 
Kräfte  anwenden,  heldenhafte  Anstrengungen 
machen,  bis  zum  Martyrium  und  zur  Selbst- 
kreuzigung, um  ihr  jugendliches  Wesen  in  die 
erstarrenden  Formen  hineinzuzwängen.  Mehr 
als  ein  halbes  Jahrtausend  wirkte  das  »Regle- 
ment« als  die  Hinterlassenschaft  der  griechi- 
schen Mönche,  die  Rußland  tauften  und  in 
die  Lehre  nahmen.  Die  Form  bezwingt  zum 
Schluß  auch  den  Geist.  Rußland  hat  geistig 
sich  immer  mehr,  immer  tiefer  »abtöten 
lassen.  Der  Unterschied  zwischen  Ruhe  und 
Bewegung,  Beschaulichkeit  und  Arbeit,  passi- 
vem Dulden  und  aktivem  Kampf  gegen  das 
Böse,  — ■  das  ist  es,  was  die  griechisch-ortho- 
doxe Kirche  von  dem  Katholizismus  trennt; 
und  da  die  Religion  die  Seele  der  Nation  ist, 
so  trennen  diese  Gegensätze  auch  Rußland 
von  den  westeuropäischen  Völkern. 


»Ich  glaube,  daß  das  wichtigste  und  ursprüng- 
lichste seelische  Bedürfnis  des  russischen  Vol- 
kes —  das  Bedürfnis  des  dauernden  und  unstill- 
baren Leidens  —  überall  und  in  allem  ist. 
Dieses  Bedürfnis  zu  leiden,  eignet  ihm  schon 
von  Urbeginn  an.  Dieser  Leidenszug  zieht 
sich  durch  seine  ganze  Geschichte  und  hat 
seinen  Ursprung  nicht  in  äußeren  Mißgeschik- 
ken  und  Höhen,  sondern  tief  in  dem  Herzen 
des  Volks.  Das  russische  Volk  findet  selbst 
in  seinem  Glück  noch  immer  einen  Teil  Leid, 
da  ihm  sonst  dieses  Glück  nicht  vollkommen 
schiene.«  Im  Tagebuch  Fedor  Michailowitsch 
Dostojewskis,  des  tiefsten  Deuters  russischer 
Art,  stellen  diese  Worte.  Sie  geben  den  Schlüssel 
zum  Verständnis  über  ein  Hundertdreißigmil- 
lionenvolk,  mit  seinem  dumpfen  Fatalismus 
und  stumpfer  Ergebenheit.  Nur  daraus  begreift 
man  die  Erscheinungen  einer  letzten  Resi- 
gnation und  ahnt  die  Schwermut,  die  sich 
in  diesem  Nicht-ankämpfen-wollen  wider  das 
Schicksal  verbirgt.  Die  demütige  Leidbereit- 
schaft spiegelt  sich  in  all  den  Lebensformen 


®3S  DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  ea§      1 5 1 


^anftftttrm. 


(^ff^mmpfanQ,^, 


Retie  Kuder.   —   Text  S.  IS4 


wider.  Darauf  ist  die  starre  Ergebung  zurück- 
zuführen, die  ihre  Formel  in  dem  vielzitier- 
ten »  Nitschewo  «  gefunden  hat;  darauf  zum 
Teil  die  tiefe  und  bedingungslose  Frömmig- 
keit, die  bei  all  ihrer  Intensität  doch  frei  von 
Unduldsamkeit  ist,  das  Sich-fügen  Gott  und 
dem  Väterchen  Zar  gegenüber.  Wohlver- 
standen: nicht  beim  Proletariat  und  der  In- 
telligenz der  Großstädte,  nur  dort,  wo  in  der 
breiten  Masse  alle  Eigentümlichkeiten  der  rus- 
sischen Volkspsyche  sich  rein  bewahrt.  Und 
möchten  auch  die  Juden-Pogrome  gegen 
diesen  weichen  Charakter  sprechen:  so  ver- 
band sich  hier  etwas  religiöser  Fanatismus 
gegen  die  »  Mörder  Christi «  mehr  mit  wirt- 
schaftlichen Argumenten  gegen  die  Monopoli- 
sierung des  Handels  in  deren  Händen,  wie 
mit  slawischen  Rasse-Instinkten  — und  der  Be- 
amten-Oligarchie paßten  sie,  zusammen  mit 
der  sonstigen  » Reinigung «  zugunsten  der 
Orthodoxie  und  des  Slawophilentums,  in  ihren 
politischen  Machtbestrebungen. 

Etwas  Melancholisches    und  für  den  Fort- 


schritt Verlorenes,  etwas  Leidendes,  ja  sogar 
Rührendes  —  neben  aller  zeitweisen  Raserei  — 
gibt'  so  dem  russischen  Osten  seine  mora- 
lische Physiognomie.  Wie  das  Weinen,  der 
Schmerz  um  verstorbene  Verwandte,  Freunde, 
dem  Asiaten  eine  unverzeihliche  Schwäche, 
ebenso  würde  die  zornige  Erregung  über  die 
Vergehen    eines    andern,    über   das  Böse  — 

—  einfach  eine  Sünde,  einen  Fehltritt  und 
einen  »  Fall «  des  Heiligen  bedeuten.  Die  rus- 
sischen Heiligen  haben  in  der  Tat  nie  jeman- 
den getadelt.  Nur  hier  und  da  eine  stille  Träne, 
ein  leiser  Vorwurf,  so  ganz  nebenbei,  fast 
ohne  Worte,  beinahe  nur  in  der  Seele.  So 
kam  der  hl.  Theodosius,  bald  nach  Rußlands 
Bekehrung,  zu  einem  großfürstlichen  Schmaus 

—  und  er  stellte  sich  abseits  und  begann  zu 
weinen.  Als  man  ihn  fragte,  weshalb  er  weine, 
antwortete  er:  »Bruder,  ich  denke,  wird's  auch 
im  Jenseits  ebenso  lustig  sein.''«  Fürst  und 
Gäste  wurden  verlegen  und  hörten  auf  zu 
schwelgen.  Wie  der  Heilige  den  Tadel  scheute, 
feinfühlig,    so  schämte  sich   der  Fürst  seines 


152      e^  DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS ©^ 


RENE  KUDER 


SCHWIERIGER  TRANSPORT 


Federzeichnung  von   igi4-  —    Text  S.  IJS 


Festes  beim  Anblick  des  von  Beten  und  Fasten 
Ausgemergelten  —  und  beide  küßten  einan- 
der die  Hand  in  gegenseitiger,  geheimnis- 
voller Unterwürfigkeit  Das  ist  ein  Beispiel 
des  charakteristischen  Benehmens  der  Russen. 
Bomben  und  Grausamkeiten,  Überstürzung 
und  Siedehitze  bezeichnen  dann  häufig  den 
Gegenpol,  wie  ja  ein  Extrem  immer  in  das 
andere  überschlägt.  Das  Leben  bewegt  sich 
und  gleicht  sich  in  solch  Gegensätzen  aus. 
Kern  der  russischen  Religiosität  ist  das  Er- 
warten oder  Bangen  vor  den  Geheimnissen 
des  Jenseits.  Der  Russe  hat  die  geheimnis- 
volle Schönheit  des  Todes  nicht  bloß  erfaßt, 
er  geht  ihr  entgegen,  er  versteht  es  zu  ster- 
ben, er  wird  in  der  Krankheit,  im  Leiden 
schöner;  besonders  aber  —  angesichts  des 
Sarges.  Das  Leben  ist  die  Nacht,  der  Tod 
der  Sonnenaufgang,  und  der  ewige  Tag  ist 
»dort«.  Nur  kommt  ihm  diese  Anschauung 
erst  im  Alter,  mit  den  Jahren.  Der  junge 
Russe  besucht  wenig  die  Kirche  —  die  Jugend 
begeht  sogar  gern  Blasphemien;  sie  findet 
nichts,  was  ihr  in  Tempeln,  Liturgien,  Kirchen- 
melodien,   im    Sinn  der  Worte,   die   man  in 


den  Kirchen  hört,  in  der  Kirchenmalerei  zu- 
sagen würde.  Dazu  kommt,  daß  das  Familien- 
leben, mit  seltenen  Ausnahmen  bei  den  ge- 
bildeten Klassen,  kein  gefestigtes  und  sehr 
reizvolles  oder  warmes  ist,  —  ein  Vorwurf, 
der  z.  B.  in  einem  der  neuesten  Stücke  S.  Naid- 
jonows,  in  »Wanjuschins  Kinder«,  deutlich 
genug  herausspricht.  Um  gute  oder  schlechte 
Ehe  kümmert  sich  die  Kirche  nicht,  gemäß 
der  Forderung  des  berühmten  Moskauer  Metro- 
politen Philaret,  der  beinahe  als  heilig  gilt 
und  die  erste  Kirchenautorität  des  i8.  und 
19.  Jahrhunderts  ist.  Auch  in  den  reiferen 
Jahren,  so  lange  die  Kräfte  des  Lebens  über 
die  Todeskeime  im  Menschen  den  Sieg  da- 
vontragen, wenn  die  materielle  Not,  die 
Pflicht,  die  Arbeit,  den  Geist  an  das  wirkliche 
Leben  schmieden,  besucht  der  Russe  nicht 
zu  oft  den  Gottesdienst,  spottet,  leugnet.  Nun 
aber  überschreitet  er  das  fünfzigste  Jahr.  Da 
kommen  Krankheiten,  Leiden  in  der  Familie 
sind  durchgemacht,  das  Vermögen  oft  ver- 
schleudert, die  Kinder  sind  flügge  geworden. 
In  diesem  Alter  empfindet  der  Russe,  wie 
einsam,  überflüssig,  unnötig  er  ist.  Und  aui 


153 


RENE  KUDER 


SOLDAT,  SCHIEBEND 


Zeichnung  von  ig  14,  Studie  zu  Abi.  S.  132 


Die  chrlsUiche  Kunst.    XII. 


154 


RENE  KUDER  SOLDAT 

Zeiciunmg  von   ,qt4,   Studie  zu  dem  Bild  ,, Nächtlicher  Apt-c"'  (Mb.  S.  IJS) 


DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  ©SS      1 5  5 


RENE  KUDER 


NÄCHTLICHER  APPELL 


Ft'derieichnung  : 


einmal  —  tritt  er  in  die  Kirche  und  tindet 
dort  alles,  und  alles  ist  ihm  so  vertraut,  so 
verständlich,  so  furchtbar  notwendig.  Als  ob 
sie  bloß  daraufgewartet  hätte,  daß  er  gebrech- 
lich, gebeugt,  arm,  von  Freunden  und  An- 
gehörigen verlassen,  —  so  empfängt  sie  ihn 
mit  unendlicher  Sanftmut  und  Sorgfalt,  sie 
verzeiht  ihm  sein  verflossenes,  ungeordnetes 
Leben.  Der  schwache  Greis,  der  kranke,  über- 
flüssige, hat  auf  einmal  hier  ein  Vaterhaus 
gefunden.  Er  betritt  freudig  die  Stufenleiter 
zur  Ewigkeit.  Er  vergißt  die  Welt  dem  Tem- 
pel zuliebe.  Theater,  Schauspiele,  Freude 
und  Lust  sind  ihm  ein  Greuel,  »das  Reich 
des  Satans«,  'der  geistige  Antichrist«.  Er 
möchte  Christus  finden.  Ihn  lockt  das  bleiche 
Antlitz  des  Herrn,  mit  seinen  Leichentüchern, 
in  die  ihn  Joseph  von  Arimathäa  und  Mag- 
dalena gehüllt.  Der  gebrechliche  Greis,  die 
Greisin,  —  sie  bereiten  für  sich  selbst  alles 
zum  Tode  Gehörige  vor.  Sie  legen  in  ein 
besonderes  Bündel  reine,  eigenartig  genähte, 
breite  Wäschestücke,  die  ihnen  als  Toten- 
gewänder dienen  sollen,  dazu  ein  hölzernes 
Kreuzlein  aus  Zypressenholz,  das  man  ihnen 


um  den  Hals  hängen  soll,  wenn  sie  im  Sarge 
liegen.  Dies  Bündel  mit  dem  »  Sterblichen  « 
vergessen  die  Russen  nie,  mit  sich  zu  nehmen. 
Frauen  waschen  den  Körper  des  Toten  und 
legen  ihn  in  den  Sarg,  mit  dem  zubereiteten 
Leichenhemd,  aus  dem  aller  Reichtum,  jede 
Spur  von  Gold  und  Seide  entfernt  worden 
ist.  Zum  Sarge  wird  eine  Nonne  geholt,  die 
die  ganze  Zeit  vor  der  Beerdigung,  beson- 
ders aber  die  ganze  Nacht  hindurch  ununter- 
brochen die  Psalmen  Davids  liest,  das  gelieb- 
teste russische  Volksbuch.  Die  Kirche  schickt 
für  den  Verschiedenen  eine  goldgewirkte 
Decke  aus  einem  besonderen  Brokatstoff,  der 
nur  für  die  Meßgewänder  der  Priester  ver- 
wendet wird.  Um  den  Toten  stellt  man  große, 
brennende  Wachskerzen,  die  in  silberschim- 
mernden, der  Kirche  entnommenen  Kande- 
labern stecken,  von  besonderer  Form, 

Für  die  Russen  sind  die  Begriffe:  sich  dem 
Tode  nähern«  und  »sich  der  Heiligkeit  nähern« 
so  eng  mit  einander  verwachsen,  so  ein  und 
dasselbe  bedeutend,  daß  auch  die  Irreligiösen 
sich  nicht  davon  freimachen  können.  Sogar 
die  weltgebildetsten  Menschen,  wie  Turgen- 


I S6      ^  DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  ^ 


REXE  KUDER 


PFERDESTUDIE 


jew  und  Herzen,  Atheisten,  Nihilisten  emp- 
finden in  den  ernstesten  Lebensmomenten 
diesen  immer  wieder  auflebenden,  uralten, 
ursprünglichen  Glauben  ihres  Volkes  —  daß 
sterben  heiliger  sei  denn  leben.  Stirbt  einem 
Bauernweib  sein  ein-  oder  zweijähriges  Kind, 
so  sagt  es  mit  Freude:  »Gott  sei  gelobt  — 
das  Kind  wird  keine  Sünden  begehen.«  Die 
Motivierung  ist:  -  Leben  heißt  sündigen,  wie 
in  den  Kirchenliedern  gesungen  wird:  ,Der 
Mensch  kann  keinen  Augenblick  sündenrein 
verleben'.  Weshalb  denn  weinen?  Mein  Kind 
ist  bei  Gott;  wir  (die  Erwachsenen)  werden 
es  dort  (jenseits)  nicht  so  gut  haben.«  »Sich 
abtöten«  wird  so  mehr  als  ein  Begriff,  mehr 
als  ein  Ideal.  Düster  und  der  Erde  grollend, 
hat  der  » russische  Glaube «  so  gar  nichts 
Jugendliches.  Alles  Lebende,  Lebendige,  Ar- 
beitsfreudige, Menschen-  und  Menschheits- 
vertrauende ist  verwischt,  ausgerodet.  Daher 
die  Tendenz:  aus  der  Religion  alle  mensch- 
lichen Eigenschaften,  alles  Gewöhnliche,  Ir- 
dische, Durchschnittliche  auszumerzen  und 
nichts  als  das  Himmlische,  Göttliche,  Über- 
natürliche übrig  zu  lassen.  Nach  dieser  fest- 


bestimmten Richtung  konnte  die  Orthodoxie 
nicht  anders  als  zu  einer  Apotheose  des  Todes 
gelangen,  —  und  daher  auch  manche  Ten- 
denzen, die  historische  Wahrheit  des  Evan- 
geliums anders  leuchten  zu  lassen.  Wassili 
Rosanow  in  Melniks  Sammelwerk  >  Russen 
über  Rußland  «  meint  sogar  sagen  zu  können, 
Rußland  finde  selbst  das  irdische  Leben  des 
Heilands  zu  grob  und  reich;  es  hört  nur  mit 
halbgeöffnetem  Ohre  des  Erlösers  Lehren, 
Parabeln,  Gebote.  Das  alles  behält  es  im  Ge- 
dächtnis, erfaßt  es  jedoch  nicht  mit  dem  Geist. 
Aber  da  hängt  der  Erlöser  am  Kreuze.  Ruß- 
land spannt  seine  Aufmerksamkeit  an,  das  Ohr 
öffnet  sich  ganz,  das  Herz  pocht.  Es  durch- 
lebt mit  Christus  die  ganze  unsägliche  Trauer 
von  Golgatha.  Christus  ist  tot,  Rußland  ist 
angsterfüllt.  Tatsachen,  lebendige  und  gegen- 
wärtige, sieht  und  fühlt  es,  es  ist  keine  Ge- 
schichte. Aber  das  ist  noch  nicht  alles  —  das 
ist  noch  nicht  die  » Quintessenz  des  russischen 
Glaubens«.  In  den  Evangelien  ist  zu  lesen, 
wie  nach  der  Geschichte  vom  Erdenwallen 
des  Heilandes,  in  kurzen  Kapiteln  über  wenige 
Tage  seines  Seins  nach  dem  Tode  und  nach 


^  BILDHAUER  JOSEPH  KOPF  e^ 


157 


RENE  KUUEK 


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I'tEKUSlUUlE 


ui,  mit   Weiß  au/gehbht 


der  Grablegung  berichtet  wird.  Bald  erscheint 
er  seinen  Jüngern,  bald  verschwindet  er  wieder. 
Die  Reden  sind  kurz  und  geheimnisvoll,  Reden 
und  Erscheinungen  —  alles  trägt  Zeichen  des 
Geheimnisses  vom  Jenseits  .  .  .  Und  an  diese 
blassen,  jenseitigen  Schlußkapitel  erinnert  der 
»russische  Glaube«,  wie  man  zuweilen  die 
orthodoxe  Kirche  nennt  .  .  . 

(Schluß  folgt) 

BILDHAUER  JOSEPH  KÖPF  f 

Am  23.  Dezember  versammelte  sich  im 
^  Schwabinger  neuen  Friedhofe  eine  grö- 
ßere Trauergemeinde,  um  den  Bildhauer  Jo- 
seph Köpf  zur  letzten  Ruhestätte  zu  geleiten. 
1867  in  Schongau  geboren,  begann  er  seine 
Studien  in  der  Schnitzschule  Partenkirchen 
und  vollendete  in  München  seine  Ausbildung. 
Köpf  arbeitete  am  Reichstagsbau  unterProfessor 
Vogel,  kehrte  dann  nach  München  zurück, 
um  gemeinsam  mit  seinem  Kollegen  Müller 
an  der  plastischen  Ausschmückung  der  Ma- 
ximilianskirche zu  arbeiten.  Nach  diesem 
begann  er  sich  um  größere  Aufträge   zu  be- 


werben ;  eine  seiner  ersten  Arbeiten,  der  Brun- 
nen im  Cafe  Gaßner,  sicherte  ihm  weitere 
lohnende  Aufgaben,  so  half  er  die  Rathaus- 
fassade mit  figürlichem  Schmucke  versehen 
usw.  Kopfs  große  Arbeitsfreudigkeit,  sein 
hervorragendes  Können,  sowie  sein  feinsin- 
niges Zusammenarbeiten  mit  dem  Architek- 
ten erwarb  ihm  viele  Freunde,  für  die  er 
andauernd  beschäftigt  war ;  größere  Arbeiten 
führte  er  noch  in  Fürth  aus  und  in  Augs- 
burg die  Abschlußfiguren  am  Hochablaß. 
Seine  größte  Aufgabe  war  aber  wohl  die 
Ausschmückung  des  Schloßgartens  für  Schloß 
Weidenkamm,  Besitz  der  Gräfin  von  Tatten- 
bach.  Hier  war  Köpf  von  seinem  langjäh- 
rigen Freunde  Architekt  Bauer-Ulm  vor  eine 
Aufgabe  gestellt,  wie  sie  selten  einem  Künst- 
ler in  so  gebundener  Form  zuteil  wird,  und 
mit  ganzer  Hingabe  und  Liebe  hat  er  diese 
Aufgabe  gelöst. 

Wer  je  Gelegenheit  hatte,  den  Menschen 
Köpf  kennen  zu  lernen,  der  mußte  ihn  lieb- 
gewinnen, sein  sprudelnder  Humor,  sein  um- 
fassendes Wissen  war  für  seine  engeren  Freun- 
de eine  Quelle  reinster  Freude.  Kopfs  Tod  war 


158 


^9  MITTEILUNG  —  VERMISCHTE  NACHRICHTEN  ^ 


die  Folge  eines  Unglücl^sfalles ;  es  war,  als 
hätte  er  sein  Scheiden  geahnt,  so  vollendete 
er  noch  einige  Tage  vor  seinem  Tode  eine 
für  das  Schloß  Weidenkamm  bestimmte  Gruppe. 
Ein  tragischer  Zufall  fügte  es,  daß  er  auf  den 
gleichen  Tag  wie  sein  ihm  ein  Jahr  früher 
im  Tode  vorausgegangener  bester  Freund, 
Architekt  Bauer-Ulm,  aus  dem  Leben  schied. 

L.  Grothe 

MITTEILUNG 

Deutsche  Gesellschaft  für  christ- 
liche Kunst.  Juryi9i6.  —  Die  Jury  die- 
ses Jahres  setzt  sich  aus  folgenden  8  Herren 
zusammen:  Architekten:  Konservator  Prof. 
Jakob  Angermair,  Hans  Schurr; —  Bild- 
hauer: Franz  Drexler,  Franz  Schildhorn  ;  — 
Maler:  Xaver  Dietrich,  Augustin  Fächer;  — 
Kunstfreunde:  Inspektor  Peter  Dörfler, 
Superior  Johann  Bapt,  Pfalfenbüchler.  Sämt- 
liche in  München. 

VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Preisausschreiben  für  den  Neubau  der 
St.  Kor  b  inianskirche  in  Münclien.     Die  Kalho- 


lische  Gesaintkirclienverwaltung  Münclien  eröffnet  unter 
den  in  München  wolinenden  Architeliten  und  Künstlern 
einen  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für 
die  neue  St.  Korbinianskirche  am  Gotzingerplatz.  Die 
Unterlagen  d.  s.  Lagcplan  und  Bedingungen  können 
vom  Baubureau  der  Kath.  Gesamtkirchengemeinde  Mün- 
clien, Nyniphenburgerstraße  38/!  Seitenbau,  gegen  eine 
Gebühr  von  zwei  Mark  bezogen  werden.  Das  Projekt 
umfaßt  Kirche  mit  Sakristei,  angebautem  Pfarrhaus  und 
Wohnhaus  für  Kirchenangestellte.  Verlangt  werden 
Grundrisse,  geometrische  Fassaden  und  Schnitte  im 
Maßslabe  i  :  200  sowie  eine  Perspektive  über  das  Ge- 
samtbild vom  Gotzingerplatz  aus  in  gleichem  Maßstäbe, 
ferner  Kostenvoransclilag  nach  umbautem  Raum.  Sämt- 
liche Blätter  des  Projektes  sind  als  einfiiche  Linien- 
zeichnungen (nicht  farbig  und  nicht  mit  Kohle  gezeich- 
net") einzureichen.  Das  Preisgericht  setzt  sich  zusammen 
aus  folgenden  Herren:  Ein  Vertreter  des  Erzbischöflichen 
Ordinariats:  H.  Domdekan  Dr.  Huber.  Aus  der  Ge- 
samtkirchenveiwaltung:  Vorsitzender  H.  Geistl.  Rat 
J.Wagner,  H.  Geistl.  Rat  Gilg,  Oberregierungsrat  Walser. 
Aus  dem  Kirchengemeindekollegium:  Kommerzienrat 
Stierstorfer,  Professor  Bernd!.  Aus  den  Künstlern: 
Prof.  Freiherr  von  Schmidt,  Professor  Hocheder,  Prof. 
und  Stadt.  Baurat  Dr.  Grässel,  An  Preisen  werden  ver- 
teilt: I.  Preis  zu  Mk.  2500,  II  Preis  zu  Mk.  2000, 
III.  Preis  zu  Mk.  1 500,  IV.  Preis  zu  Mk.  1000.  Außerdem 
stehen  Mk.  2000  für  .Ankauf  von  weiteren  Projekten 
zur  Verfügung.  Dem  Preisgericht  bleibt  es  vorbehalten, 
die  Gesamtsumme  auch  in  anderer  Weise  zu  verteilen. 
Die  mit  Preisen  bedachten  oder  angekauften  Entwürfe 
gehen  ins  l:igentum  der  Kath.  Gesamtkirchengemeinde 


RENU  KUDER 


I'OLNISCIIE  ILLCHTLINGE 


^  SOLDATEN  LEKTÜRE  eas 


159 


RENK  KUDER 


/<?/J.  —   Ti:xt  S.  134 


ZWANGSARBEIT 


München  über.  Die  Entwürfe  sind  verschlossen  bis 
spätestens  15.  April  1916,  abends  6  Uhr,  im  Baubureau 
der  Kath.  Gesamtkirchengemeinde  München,  Nymphen- 
burgerstraüe  3  8/1  Seitenbau,  einzureichen. 

Dr.  Philipp  Maria  Halm,  der  sclion  seit  dem 
Ableben  des  Direktors  Dr.  Hans  Stegmann  die  Ge- 
schalte des  Kgl.  Bayerischen  Xationalmuseums  geführt 
hatte,  wurde  zum  Direktor  dieser  großartigen  Samm- 
lung ernannt.  Er  wurde  am  i.  Oktober  1866  in  Mainz 
geboren. 

Rheingönheim  (Pfalz).  —  Am  6. Dezember  wurde 
die  von  Architekt  A.  Boßlet  erbaute  kath.  Pfarrkirche 
eingeweiht.  Die  Kirche  ist  abgebildet  im  X.Jahrgang, 
S.   193,  besprochen  ebenda  S.   195. 

Professor  Martin  von  Feuerstein,  dem  die 
erste  Nummer  des  laufenden  Jahrganges  gewidmet  ist, 
beging  am  6.  Januar  den  60.  Geburtstag.  Die  Vor- 
standschaft der  Deutschen  Gesellschaft  für  christliche 
Kunst  beglückwünschte  ihn  und  dankte  ihm  bei  diesem 
Anlaß  für  seine  Tätigkeit  als  langjähriges  Vorstands- 
mitglied und   als  Juror. 

Bildhauer  Joseph  Breitkopf- Cosel  hat  im 
Auftrag  der  Königl.  Regierung  für  die  Kgl.  Taubstum- 


menanstalt Neukölln  das  Hochrelief  >Erleuchtung«,  so- 
wie für  das  Kg!.  Gymnasium  Spandau  die  figürlichen 
Gruppen  »Gelehrsamkeit«  und  >WeItkunde<  geschaffen. 
Auch  führte  er  dekorative  Skulpturen  für  die  Kgl.  Berg- 
akademie (Erweiterungsbau  der  Kgl.  Technischen  Hoch- 
schule Berlin)  und  das  Kgl.  Polizeidienst-Gebäude  Schö- 
neberg aus.  Die  eiserne  Medaille  >Militärische  Vor- 
bereitung der  Jugend  1915«  ist  ihm  nach  seinen  Ent- 
würfen vom  General-Kommissariat  zur  Ausführung  über- 
tragen. 

SOLDATEN-LEKTÜRE 

Oberlehrer  Joseph  Gieben,  der  als  Leutnant  und  Kom- 
pagnieführer im  Felde  steht,  schreibt  in  Nr.  971  (191 5)  der 
>Kölnischen  Volkszeitung«:  iWer  will,  bekommt  eine 
Menge  Lesestoff  in  den  Schützengraben  geschickt,  ko- 
stenfrei oder  gegen  billiges  Geld:  Zeitungen,  Zeitschriften, 
Broschüren,  Bücher.  Sie  sind  meistens  auf  den  Krieg 
zugeschnitten,  politisch,  patriotisch,  religiös  gehalten. 
Auch  Unterlialtungsbücher,  gute  und  schlechte,  von 
jeder  Welt-  und  Lebensanschauung.  Aber  abgesehen 
von  illustrierten  Zeitschriften  und  Witzblättern  zweifel- 
haften Wertes  bekommt  er  wohl  viel  zum  Lesen  und 
N;ichdenken,  aber  wenig  oder  nichts  zum  Anscliauen. 
Der  Krieg  macht  geistig  träge  oder  martert  das  Hirn 
durch  die  ewige  Anspannung.     Man  mag  oft  gern  lesen 


i6o 


^  SOLDATEN-LEKTÜRE  —  DER  PIONIER  ^ 


RENIi  KUDER 


—  aber  viel  angenehmer,  beruhigender  als  das  Denken, 
eine  viel  bessere  Erholung  und  Abspannung  gibt  manch- 
mal das  Anschauen  guter  Bilder.  Bilder,  die  zum  Her- 
zen sprechen  und  zum  Gemüt,  die  durch  ihre  Kunst, 
ihre  Linien  und  Formen  und  Flächen  reden  zum  Ge- 
fühl, nicht  sprechen  oder  wenigstens  niclit  vorerst  zum 
Gedanken.  Wir  müssen  die  leere  Einbildungskraft  mit 
guten  und  zum  Edlen  anregenden  Darstellungen  füllen. 
Das  soll  gute  Kunst  tun.  Wir  müssen  die  ol't  so 
grauenhaft  grausamen  Eindrücke  des  Krieges  durch  an- 
dere Bilder  vertreiben.  Das  kann  nur  gute  Kunst. 
Wir  müssen  die  müßigen  Stunden,  in  dentn  der  Win- 
ter uns  im  Schützengraben  mit  Sclmee  eindeckt,  gut 
ausfüllen  und  diese  Zeit  zur  Saat  benützen  für  die  Zu- 
kunft. Die  Vorstellungen,  mit  denen  wir  aus  dem 
Kriege  zur  Heimat  wiederkommen,  werden  uns  im 
Frieden  beherrschen.  Darum  gute  Nahrung  für  die 
Phantasie.  Woher  sie  nehmen?  Da  möchte  ich  ver- 
weisen auf  die  guten  Monographien  der  Allgemeinen 
Vereinigung  für  christliche  Kunst,  München.  Sie  bieten 
lur  denkbar  billiges  Geld  (besonders  bei  Parliebezug) 
sehr  viele  Bilder  aus  der  besten  christlich  gerichteten 
deutschen  und  ausländischen  Kunst.  Schon  das  Be- 
trachten der  Bilder  wird  wie  ein  Jungbrunnen  auf  den 
Schützengrabensoldatcn  und  den  Kranken  und  Verwun- 
deten im  Lazarett  wirken.  Und  wenn  so  das  Interesse 
geweckt  und  das  Gemüt  vollgesogen  ist  von  diesem 
Schönen  und  Guten,  wird  aucli  der  Text  gelesen  wer- 
den, gern  gelesen  werden.  Ich  möchte  besonders  alle 
Sammelstellen  für  Liebesgaben,  Vereine,  Rotes  Kreuz, 
Bibliotheken,  LesestoflTsammlungen  usw.  sowie  einzelne 
Wohltäter  dringend  hierauf  hinweisen.« 


Die  Monographien  kosten  pro  Nummer  80  Pfg.  (1  K), 
imAbonnement(vierHefte)  5  Mk.  ('5K6oh).  JevierMono- 
graphien  bilden  einen  Band.  Die  Einbanddecke  hierzu 
kostet  I  Mk.  (i  K  20  h).  Der  gebundene  Jahrgang  4.50  Mk. 
Die  Ortsgruppen  ^Vereine,  Schulen  etc.)  erhalten  die  Mono- 
graphien bei  gemeinsamem,  nur  direktem  Bezüge  von  der 
Geschäftsstelle  bei  Bestellung  von  etwa  zwanzig  zu  dem 
liierfür  bestimmten  Vorzugspreise.  Auskunft  bei  der  Ge- 
scliäftsstelle,  München,  Karlstr.  53/0.  Die  Monographien 
eignen  sich  auch  bestens  als  Festgesclienk  für  die  Jugend. 

DER  PIONIER 

Monatsblätter  für  christliche  Kunst,  praktische  Kunst- 
fragen und  kirchliches  Kunsthandwerk.  Vlll.  Jahrgang, 
Heft  I  —  5  (Oktober  1915  — Februar  1916).  —  Verlag  der 
Gesellschaft  für  christliche  Kunst,  G.  m.  b.  H.,  München 
(KarlstraOe  6).  Preis  des  vollständigen  Jahrganges  M.  5. — 
(portofrei  M.  5.60). 

Erscheint  unter  der  gleichen  Redaktion  und  im  gleichen 
Fonnat,  wie  »Die  christliche  Kunst<,  ist  inhaltlich  in  sich 
abgeschlossen,  bildet  aber  zugleich  auch  eine  erwünschte 
Beilage  und  Ergänzung  zur  >(;hristlichen  Kunst«. 

Aus  dem  Inhalt  der  Hefte  i  —  5  des  laufenden  Jahr- 
gangs: Die  Hinunelfahrt  Mariens  von  Tizian.  —  Aus  der 
Werkstätte  des  Goldschmieds :  Edelsteine.  —  Über  Bau- 
ausführung von  Kirchen :  I.  Einleitung,  II.  Baugrund  und 
Fundierung  der  Gebäude.  —  Die  Beschießung  der  Kathe- 
drale von  Reims.  —  Monstranzen.  —  Glocken  und  Orgel- 
gehäuse. —  Totenschilde.  —  Zur  Darstellung  des  Kruzi- 
fixus.  —  Religiöse  Inschriften.  —  Zahlreiche  kleinere  Mit- 
teilungen und  Anregungen. 


Bischofstab 

Getriebene  Arbeit,   Email  und  Elfenbein, 

Dem    hochw.  Herrn  Weihbischof  Dr.  Petrus  Lausberg   gewidmet   von 
seinen  ehemaligen  Alumnen  im  Priesterseminar  zu  Köln  1900 — 1914. 

Entwurf  und  Ausführung  von  Leo  Moldrickx,  Köln 


THEODOR  BAIERL 

In  der   Tatiishi 


Ul;l  i   /WEGSTATIOX 
aintnltskirJie  zu    üiüingtn   i  igoSJ.   —    Text  S.  164 


DIE  KIRCHE  DER  TAUBSTUMMENANSTALT  IN  DILLINGEN 

Von  J.  DEMLEITNER 
(Hierzu  die  Abb.  S.  161   bis   173) 


Als  noch  die  Bischöfe  von  Augsburg  im 
hohen  Schloß  zu  Dillingen  residierten, 
ihre  Prälaten  und  Beamten  in  der  Stadt  sich 
vornehme  Wohnungen  bauten,  als  noch  die 
■weitberühmte  Jesuiten-Universität  viel  adeli- 
ges und  reiches  Publikum  aus  allen  Ländern 
Europas  anzog  und  die  Stifte  und  Klöster 
der  Stadt  noch  über  reiche  Mittel  verfügten, 
da  war  reges,  künstlerisches  Leben  in  Dil- 
lingen und  die  Baumeister,  die  Maler,  Bild- 
hauer und  Goldschmiede  hatten  viel  zu  tun. 
Heute  noch  sind  die  vornehme  Hauptstraße, 
die  schönen  Kirchen  und  Studiengebäude 
und  viele  Bauten  der  näheren  und  weiteren 
Umgebung  von  Dillingen  und  manches  Stück 
Kleinkunst  in  Museen  und  Kirchen  lebende 
Zeugen  der  künstlerischen  Tätigkeit  einer 
Provinzstadt  in  früheren  Zeiten.  Doch  die 
Stürme    der  Aufklärungszeit,    die    napoleoni- 


schen Kriege  und  besonders  die  Säkularisa- 
tion haben  mit  einem  Schlage  dies  künstlerische 
Leben  zerstört.  Seit  vollen  hundert  Jahren 
ist  in  Dillingen  kein  Werk  von  künstleri- 
schem Wert  entstanden,  aber  vieles  vom 
guten  Alten  zerstört  oder  verschleppt  worden 
oder  sonstwie  zugrunde  gegangen.  Unter 
solchen  Umständen  kann  es  Herrn  Domka- 
pitular  M.  Niedermair  in  Augsburg,  dem 
Vorstand  der  Wagnerschen  Wohltätigkeits- 
anstalten in  Bayern,  nicht  hoch  genug  ange- 
rechnet werden,  in  der  Anstalt  für  taub- 
stumme Mädchen  zu  Dillingen  durch  Hebung 
und  Förderung  der  Paramentenstickerei  der 
Kunst  wieder  eine  Heimstätte  bereitet  zu 
haben.  Hat  er  schon  als  Stadtpfarrer  von 
Dillingen  seiner  Pfarrkirche  in  zwei  Altarge- 
mälden von  Fugel  und  zwei  großen  getriebe- 
nen Engeln  Werke  von  bedeutendem  künst- 


L)ie  chrtslllclie  Kunsl,     XII.     6      I.  Kurz  i 


l62 


KIRCHE  DER  TAUBSTUMMENANSTALT  IN  DILLINGEN  ss23 


KIHCIIl-:   I>1;R  TAUBSTL'MMKNANSTAI.T  zu   DILI.IXGKX  I\  SCIIWAKEN'  (HAVEKX) 
Ttxt  S.  ibi  ff. 


lerischem  Werte  geschenkt,  so  hat  er  vollends 
durcli  Heranziehung  erstkhissiger  Künstler 
und  Kunsthandwerker  zur  Ausstattung  der 
Taubstummenkirche  diese  zu  einem  Schatz- 
kästlein   modernkirchlichcr    Kunst    gemacht. 


Die  jetzige  Anstaltskirche  ist  eine  Erwei- 
terung des  alten  Baues  vom  Jahre  1859  in 
nicht  gerade  glücklichen  neuromanischen 
Formen,  hat  aber  den  Vorzug  einseitiger 
Lichtzuführung.      Kunstmaler  Th.  Baierl  in 


i63 


iiligliiaiiiMiMiliiliilliliiiiBli^^ 


MaiBiiiaiaiMMiMMiiiitMütel 


JAKOB  ANGERMAIR  UND  EDUARD  STEINICKEN 

Kirche  der  Taubstummenanstalt  i?t   Dillingen.  —   Text  S.  löj 


HOCHALTAR 


i64  e^  KIRCHE  DHR  TAUBSTUMMENANSTALT  IN  DILLINGEN  ^:^ 


THEODOR  BAIEKI. 


:,/u!nt  in  der   Taul-stuti 


München,  der  zurzeit  mit  der  Ausmalung 
des  Langliauses  der  Herz-Jesukirciie  zu  Pfer- 
see-Augsburg  beschäftigt  ist,  hat  es  verstan- 
den, durch  geschickte  Aufteilung  und  Tönung 
der  Flächen  die  Raumwirkung  wesentlich  zu 
verbessern  und  hat  vor  allem  bei  der  Aus- 
führung der  Malereien  auf  die  Größe  des 
Raumes  verständige  Rücksicht  genommen. 
Die  beiden  Längsseiten  der  Kirche  schmückt 
der  Kreuzweg,  mit  seiner  dekorativen  Um- 
rahmung direkt  auf  die  Wand  gemalt  (Abb. 
S.  i6i,  171).  Vielleicht  ist  die  Darstellung  des 
Kreuzweges  mit  seinen  14  Stationen  für 
einen  Künstler  eines  der  interessantesten, 
sicher  aber  eines  der  schwierigsten  religiösen 
Themen  und  es  liegt  die  Gefahr  nahe,  daß 
der  Künstler  schon  in  den  ersten  Stationen 
seine  Kraft  ausgibt  und  zu  den  letzten  Statio- 
nen nichts  Neues  mehr  zu  sagen  weiß. 
Baierl  hat  verstanden,  inlialtlich  und  formell 
diesen  Schwierigkeiten  zu  begegnen.  Von 
Station  zu  Station  steigert  sich  die  Passion 
des  Herrn.  Immer  ist  Christus  der  ideelle 
Mittelpunkt  der  Szene.  Das  ist  ein  Heiland, 
der  nicht  bloß  ein  Kreuz  trägt,  der  auch 
innerlich  mitleidet,  die  Sündenschuld  der 
Menschheit  auf  sich  lasten  fühlt.  Es  ist  kaum 
zu    glauben,    mit    wie    wenig  Mitteln    Baierl 


DIH  KLUGEN   |L"NGFRAL"EN' 
■che  zu   PilUugcn.     Vgl.  Al-b.  S.  l6j.   —    Text  unten 

auskommt.  Nur  ein  paar  Figuren  braucht 
er,  die  nicht  als  Statisten  und  Raumfüller 
da  sind,  sondern  wirklich  am  großen  Drama 
teilnehmen.  Nur  wenige  Farben  hat  seine 
Palette:  schwarz  und  weiß  in  den  verschie- 
denen Abstufungen  herrschen  vor,  dazu  nur 
wenig  Rot,  Grün  und  Gold  bei  dunkelvioletteni 
Hintergrund.  Mit  ungemeinem  Fleiß  und 
tiefem  Durchdringen  ist  jede  Figur  gezeich- 
net, jeder  Muskel  nach  seiner  Funktion  stu- 
diert, jeder  Nerv  belebt.  Gerade  diese  klare 
zeichnerische  Durcharbeitung  der  Figuren 
läßt  die  bunten  Farben  entbehren  und  gibt 
ihnen  etwas  ungemein  Lebendiges,  Wahres 
und  Monumentales. 

Noch  mehr  als  beim  Kreuzweg  kommen 
diese  charakteristischen  Eigenschaften  von 
Baierls  Kunst  bei  den  klugen  und  törichten 
Jungfrauen  am  Chorbogen  zur  Geltung.  Kein 
überquellendes  Pathos,  keine  süßliche  Senti- 
mentalität, feierliche  Ruhe  und  Würde  in 
Haltung  und  Geste,  wunderbarer  Rh^-thmus 
in  Linie  und  Farbe.  Man  fühlt  sich  hinge- 
rissen und  beglückt  von  soviel  Schönheit 
(Abb.  S.  164  u.  165). 

Den  Höhe-  und  Mittelpunkt  des  Bilder- 
zyklus bildet  der  überlebensgroße  Christus 
in  der  Chorapsis,    wie  er   als  Herr   und  Ge- 


esaa  KIRCHI:  DER  TAUBSTUMMENANSTALT  IN  DILLINGEN  ©S^  165 


THEODOR   HAlEUl, 

Karton. 


';c/ülirt  in  der   Tautstnmmi-nanstaltskirche  zu  Dillin 


DIE  TÖRICHTEN  JUNGFRAUEN 
Igl.  Abb.  S.  164.  —   Text  S.  164 


Bieter  des  Universums  in  seiner  überwältigen- 
den Majestät,  von  Engelflügeln  getragen,  aus 
der  Unendlichkeit  herabzuschweben  scheint, 
angetan  mit  einem  faltenreichen  Goldmantel, 
als  Gnadenbringer  den  einen,  als  Richter 
den  andern  (Abb.  S.  162).  Diese  Engel  haben 
wirklich  Leben,  diese  Wolken  sind  in  wallen- 
der Bewegung.  Es  liegt  etwas  von  der 
großen  Stimmung  der  Mosaikbilder  in  alt- 
christlichen Chorapsiden  in  diesem  Bilde. 
Hier  stehen  wir  wirklich  vor  Kunstwerken, 
eingehaucht  von  ernster  religiöser  und  künst- 
lerischer Auffassung,  ebenso  weit  entfernt 
von  falschem  Archaismus  und  unverständ- 
lichem Futurismus,  wie  von  abstoßendem 
Realismus  oder  süßlich  frömmelnder  Senti- 
mentalität. Das  sind  keine  bunten  Bilder- 
bogen, die  vielleicht  auf  den  ersten  Blick 
dem  Laien  gefallen  und  angenehm  unter- 
halten mögen,  hier  ist  ernste,  hohe  Kunst 
für  ernste,  denkende  Menschen,  die  Aug' 
und  Herz  erfreut  und  die  Größe  und  Er- 
habenheit der  religiösen  Wahrheiten  predigt. 
Von  den  Geschichtsschreibern  moderner 
kirchlicher  Kunst  dürfen  diese  Arbeiten 
Baierls  nicht  übersehen  werden. 

Zur  vollen  Geltung  kommen   diese  Bilder 
erst,  seit  im  vergangenen  Herbst  die  übrige 


Ausstattung  der  Kirche  vollendet  wurde.  Die 
Altäre  sind  von  Prof.  Jak.  Angermair- 
München  entworfen  und  schließen  sich  den 
romanischen  Stilformen  an,  ohne  romanisch 
zu  sein.  Über  den  Mensen  aus  gelblichem 
Sandstein  mit  offener  Säulenarchitektur  er- 
heben sich  einfache  Retabeln  (Abb.  S.  163,  168 
und  169).  Der  Choraltar  ist  naturgemäß 
reicher  ausgestattet  und  der  Überbau  ganz 
von  vergoldetem  Messing  mit  Emailschmuck. 
Das  Mittelstück  ist  als  Tabernakel  ausgebaut 
und  flankiert  von  zwei  grünen  Malachit- 
säulen. Die  Tabernakeltüren  zeigen  die 
Symbole  des  Altarssakramentes  und  zwei 
Strophen  des  Fange  linqua  als  Schmuck.  Im 
Dreipaß  über  dem  Tabernakel  ist  eine  Herz- 
JesuHgur  als  Brustbild  angebracht.  Den  Al- 
tar krönt  ein  Kreuz  aus  Bergkristall.  Die 
Seitenflügel  sind  dreimal  kassettiert  mit  rei- 
chem wechselndem  Dekor  und  anbetenden 
Engelköpfchen  mit  Email  (entworfen  von 
Konservator  Schmuderer-München).  Vielleicht 
wirkt  die  Kassettierung  etwas  monoton  und 
hätten  Ganzfiguren  bessere  Wirkung  gemacht. 
Altarleuchter,  Altarkreuze,  Kanontafeln,  alles 
sind  originelle  Arbeiten  von  prächtiger  Wir- 
kung. Die  Seitenaltäre  sind  wesentlich  ein- 
facher, ganz    von  Sandstein    und    architekto- 


i66 


EDUARD  STEINICKEN  CIN  FIRMA 
STEINICKEN  &  LOHR)  •®® 

Taubstumitirnaiiilalt  in  Dillvigen 


HOCHALTARKREUZ 


i67 


EDUARD  STEINICKEN  (IN  FIRMA 
STEINICKEN  &  LOHR)  ®® 


SEITENALTARKREUZ 


isialt  in  Dillingen 


KIRCHE  DER  TAUBSTUMMENANSTALT  IN  DILLINGEN  fej^ 


nisch  sich  vorzüglich  dem  Bau  ein-  und 
unterordnend.  Die  vergoldeten  Bronzereliefs 
sind  von  Valentin  Kraus -München  entwor- 
fen und  in  der  Kgl.  Erzgießerei  von  Miller 
ausgeführt.  Bedeutende  Kunstwerke,  die  sich 
auf  die  Schutzheiligen  der  Anstalt  beziehen. 
Zur  Vermittelung  zwischen  Malerei  und  Pla- 
stik sind  über  den  Seitenaltären  zwei  ganz 
flach  gehaltene  Reliefs  in  Rundform,  die  hl.  Fa- 
milie und  den    göttlichen  Kinderfreund   dar- 


Si:rrKXAl,TAIi\VA\D   DUR   KIKCIII.   |)y;i! 
IN  DILLIXC.HN.  —   7V. 


Stellend,  angebracht  (von  Bildhauer  Hans 
Angermair,  vgl.  Abb.  im  XL  Jahrg.  S.  2-19). 
Sämtliche  Treib-,  Ziselier-  und  Emailarbeiten 
nebst  den  Beleuchtungskörpern  und  Apostel- 
leuchtern sind  aus  der  Kunstwerkstätte 
Steinicken  &:  Lohr  in  München  hervor- 
gegangen. 

In  der  stehengebliebenen  Chorapsis  der  alten 
Kapelle  befindet  sich  das  Grab  des  Gründers 
der  Anstalt,  des  sei.  Regens  Wagner  und 
nebenan  an  der  Wand  ein  Epitaph 
von  Frz.  Hoser-München,  das  den 
einfachen  großen  Mann  der  Chari- 
tas  in  schlichter,  feiner  Weise  ehrt 
(siehe  Christi.  Kunst,  XL  Jahrg., 
6.  Heft,  Einschaltbild). 

Die  gelungene  Ausstattung  die- 
ser Kirche  zeigt  aufs  neue,  daß 
unsere  Zeit  wohl  die  Fähigkeit 
besitzt,  schöne  und  erbauliche 
kirchliche  Räume  zu  schaffen,  ohne 
sklavisch  frühere  Stilformen  nach- 
zuahmen. Man  muß  gerade  in 
dieser  Kirche  einem  Gottesdienste 
beigewohnt  haben,  wenn  z.  B.  in 
früher,  nächtlicher  Morgenstunde 
die  Klosterfrauen  zur  hl.  Kommu- 
nion gehen.  Wenn  die  zahlreichen 
Kerzen  auf  den  Altären  brennen 
und  sich  im  Glanz  des  Goldes  und 
Emails  verhundertfältigen  und  alles 
flammt  und  glitzert  und  zu  leben 
scheint  wie  von  tausend  schwe- 
benden Sternen  erfüllt,  dazu  wie 
Engelsingen  die  leisen  Akkorde 
des  Harmoniums.  Hier  der  welt- 
entrückte ernste  Chor  der  Nonnen, 
die  zum  Altare  schreiten,  droben 
im  Bilde  die  feierliche  Schar  der 
klugen  Jungfrauen,  die  dem  Bräu- 
tigam entgegengehen.  Inmitten 
der  eucharistische  Gott  im  Taber- 
nakel, dem  sich  alles  beugt,  und 
drüber  im  Goldglanz  das  majestä- 
tische Bild  des  Weltenrichters.  Das 
ist  ein  großartiges  Regem,  cui 
omnia  vivunt,  venite  adoremus  I ') 
Das  ist  ein  Gottesdienst,  dessen  my- 
stischem Zauber  sich  niemand  ent- 
ziehen kann,  der  einen  auf  die  Knie 
zwingt,  anzubeten.  Hier  sind  Kunst 
und  Religion  schwesterlich  vereint. 
Auch  das  dürfte  Herrn  Domkapi- 
tular  Niedermair  bewogen  haben, 
die  Anstaltskirche  mit  so  hoher 
Kunst     auszustatten.      Die     taub- 

i'AiHsrrMMiA'ASSi  AI  r  ')  Den  König,  dem  alles  lebt,  kommet, 

:/  i.  i6j  lasset  uns  anbeten ! 


SEITENALTARWAND  DER  KIRCHE  DER  TAUBSTUMMENANSTALT  IN  DILLINGEN 

Text  S.  i6s 


Die  christliche  Kunst     XII      6 


170 


WIEDERUM  KRIEGSGEDENKZEICHEN 


stummen  Mädchen,  welche  Tag  für  Tag  in  den 
weiten  Arbeitssälen  die  Nadelkunst  pflegen, 
sollen  hier  nicht  bloß  einen  Ort  seelischer 
Erholung  und  Stärkung  haben,  diesen  Armen, 
welche  bei  Vermittlung  von  Sinneseindrücken 
fast  nur  auf  die  Augen  angewiesen  sind,  soll 
diese  Kirche  zugleich  eine  Hochschule  edler 
Kunst  und  feinen  Geschmackes  sein  und  so 
fördernd  auf  ihre  Kunsttätigkeit  einwirken. 
So  betrachtet  machen  sich  die  Aufwendungen 
für  die  Anstaltskirche  in  ideellem  und  prak- 
tischem Sinne  reichlich  bezahlt. 

WIEDERUM  KRIEGSGEDENK- 
ZEICHEN 

Kaum  läßt  sich  die  Fülle  der  Aufsätze  über- 
blicken,   welche    über    Kriegergrabmäler 
und  Kriegsgedenkzeichen   veröti'entlicht  wer- 


den. Alle  Verfasser  scheinen  im  Namen  der 
Kunst  oder  doch  des  Geschmacks  und  der 
Kultur  sprechen  zu  wollen,  und  da  wimmelt  es 
von  Entrüstung  über  »Schund  ;  und  >  Kitsch«, 
von  summarischen  Verdammungsurteilen  ge- 
gen die  zur  Erinnerung  an  den  siebziger  Krieg 
entstandenen  Denkmäler,  von  eindringlichen 
Ratschlägen  für  die  Gegenwart.  Gleichwohl 
fällt  selten  ein  keimfähiges  Korn  für  die  Kunst 
ab,  da  man  zu  viel  in  verschwommenen,  halb- 
poetischen, patriotischen  und  sozialen  Stim- 
mungen spricht,  die  in  der  Tat  für  die  Grab- 
mäler  und  Friedhofaniagen  im  Felde  maß- 
gebend bleiben,  von  der  hohen  Kunst,  die 
dauernde  Werke  schafft,  jedoch  absehen,  um 
nicht  zu  sagen,  von  ihr  ablenken. 

Gleichwohl  können  Erörterungen  über 
ethische  und  allgemein  menschliche  Werte 
anläßlich  der  Frage  der  Festhaltung  des  Krie- 


EDUARD  STEIKICKEN  (IN  FIRMA  STEINMCKEN  S:  LOHR) 

Kirckf  der  Tauhstuii 


ALTARLEUCHTER 


aiiitatt  in  DilUnge. 


SSIS  WIEDHRUM  KRIEGSGEDENKZEICHEN  ®2Si 


171 


ft»T.»»»»»»T<t»>n»»»»t..»»»i^?i»t*>T»t»iiTr 


THEODOR  BAIERL 


KREUZWEGSTATIONEN 


Kirche  der   T.xuhstuii 


„statt  in  DillingeH.  —   Text  S.  164 


ges  durch  die  Kunst  dieser  letzteren  Nutzen 
bringen,  wenn  sie  in  der  Künstlerschaft  die 
Erkenntnis  vertiefen,  daß  die  Kunst  aus  dem 
Geistesleben  der  Zeit  herauswachsen,  es  be- 
fruchten, verklären,  der  Zukunft  erhalten  muß 
und  daß  sie  sich  andernfalls  abseits  des  frucht- 
baren Bodens  und  der  erfrischenden  Quellen 
stellt,  Luxus  wird,  verweichlicht,  verdorrt. 
Das  Spiel  kühl  formaler  Lösungen  oder  sym- 
bolistischer Allerweltsgedanken    kann    weder 


die  Gegenwart  noch  die  Zukunft  befriedigen, 
bleibt  dem  Herzen  der  Gesündesten  im  Volke 
fremd.  Die  Kunstwerke,  die  wir  brauchen, 
müssen  aus  den  Tiefen  einer  mit  dem  Volke 
fühlenden,  aber  stärker  und  klarer,  als  dieses, 
empfindenden  Künstlerseele  geboren  sein. 
Nur  jener  Künstler  vermag  unserer  großen 
Zeit  zu  genügen  und  ihre  heiligsten  Ange- 
legenheiten der  Nachwelt  geziemend  zu  über- 
liefern,   der    mit    den    Besten    seines  Volkes 


THEODOR  BAJERL 


KREUZWEGSTATIONEN 


Kirehe  der   7 aubstiinnnenanstalt  iti   Dillingen 


172 


^  WIEDERUM  KRIEGSGEDENKZEICHEN  ^^ 


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Munster  zu    l'illlngen 


CHRISTUS  AM  KREUZ  (190S) 
Badrn 


trauert  und  kämpft  und  leidet,  opfert  und 
jubelt.  Kann  einer  das,  so  mag  er  sehen, 
wie  er  die  jeweilige  Aufgabe,  die  Vaterlands- 
liebe, Religion  und  Familiensinn  ihm  stellen, 
im  Bilde  gestalten  kann :  jetzt  bescheiden  und 
schlicht,  dann  feierlich  und  erhaben,  in  be- 
sonderen Fällen  mit  Schwung  und  Macht,  — 
hier  in  Anlehnung  an  die  freie  Natur,  in 
Hag  und  Hain,  dort  im  Friedhofe,  an  Haus 
und  Kirche,  oder  aber  an  öffentlichen  Plätzen 
der  Städte.  Der  Besteller  wird  mit  dem 
Künstler  unaufdringlich  die  Möglichkeiten 
des  gedanklichen  Inhalts  beraten,  dann  jedoch 
soll  der  Künstler  allein  gestalten. 

Von  mancher  Seite  wird  zum  Abwarten 
gemahnt,  denn  es  sei  noch  lange  nicht  die 
Zeit  für  Denkmäler.  Zu  allgemeinen  Denk- 
mälern, das  ist  richtig,  hat  es  immerhin  noch 
gute  Weile,  aber  es  ist  jedermanns  heiliges 
Recht,  Erinnerungsmale  an  Familienangehö- 
rige schon  jetzt  errichten  zu  lassen,  und  des- 
halb darf  mit  Mahnungen  und  Warnungen 
nicht  zugewartet  werden,  bis  es  zu  spät  ist. 
Die  Geschäfte  warten  ja  auch  nicht  bis  nach 
dem  Kriege    und    da    sie    an    das   Publikum 


herantreten,  bleiben  sie  weit  im  Vorteil  ge- 
genüber den  Künstlern,  die  allerdings  ab- 
warten müssen,  ob  man  überhaupt  zu  ihnen 
kommt.  Man  sagt:  Wartet  die  Rückkehr  der 
im  Felde  stehenden  Künstler  ab,  die  sind  es, 
welche  die  Kriegserinnerungen  schaffen  sol- 
len, sie  allein  werden  es  vermögen.  Es  ist 
gewiß  zu  wünschen  und  zu  hoflen,  daß  der 
Krieg  die  Künstler  draußen  läutert  und  mensch- 
lich größer  macht;  allein  man  darf  doch  den 
Daheimgebliebenen  nicht  die  Fähigkeit  ab- 
sprechen, mit  den  Brüdern  im  Felde  mitzu- 
fühlen und  ihre  Taten  in  Ehrfurcht  auf  sich 
einwirken  zu  lassen.  Wenn  es  gelingt,  einer 
innerlich  reifer  gewordenen  Kunst  schon  jetzt 
den  Boden  zu  bereiten,  dann  wird  nach  dem 
Krieg  für  alle  Künstler  ein  fruchtbares  Arbeits- 
feld bereit  stehen;  gelingt  das  nicht,  so 
werden  die  vom  Kampfe  heimgekehrten  Künst- 
ler sich  nicht  ehrenvoll  auszuwirken  vermö- 
gen, sie  werden  darben  gleich  den  anderen. 
Denn  nach  wie  vor  haben  die  Künstler  mit 
der  eisernen  Tatsache  zu  rechnen,  daß  sie 
von  der  Volksverfassung  abhängen  und  der 
Auftraggeber  entscheidet.  s.  Staudliamer 


mm  DIE  RUSSISCHI:  Rl-MGIOSITAT  UXD  DIE  KUXS  T  RUSSLANDS  ms      173 


THhODOK   liAll-.RI 


KREUZABNAHME  (n;o.S) 


tfem  Bilderzyldiis  im  Munster  zu    Vitliugt-n   in  ßiitii-u 


DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT 

in  ihrer  Rückwirkung  a  u f  d i e  Kunst 

Rußlands 

(Schluß) 

Wie  so  die  ganze  russische  Religiosität 
eigentlich  auf  das  Jenseits  des  Grabes  gerich- 
tet ist,  auf  ein  Sich-Abtöten,  wie  ihr  etwas 
Melancholisches,  ja  Trauriges  anhaftet;  wie 
die  orthodoxe  Kirche  nicht  nur  aus  der 
»Menschwerdungdes Gottessohnes«  das  »Leib- 
liche «  ausgeschaltet  hat,  sondern  auch  in- 
different allem  Lebenden,  der  ganzen  realen 
Welt  gegenübersteht  und  so  dem  religiösen 
Licht  den  Weg  zu  den  menschlichen  Be- 
ziehungen versperrt:  so  zeigtauch  die  religiöse 
Kunst  Rußlands  aufs  deutlichste  den  Geist 
einer,  ich  möchte  sagen,  nervenlosen  Aszese, 
der  Verneinung  der  sichtbaren  Welt,  der  Feind- 
schaft gegen  alles  Körperliche. 

Wie  die  Kirchenmelodien  sind  die  russischen 
Kirchenmalereien  »geistig«,  in  strenger  Über- 
einstimmung mit  dem  allgemeinen  Bau  der 
Kirche.  So  wird,  gegen  das  historische  Wort, 
die  Mutter  Gottes  nie  in  zartem  Alter,  nie 
so  jugendlich  dargestellt,   wie  sie  tatsachlich 


zur  Zeit  der  Geburt  Christi  war.  Sie  wird 
immer  ah  alte  oder  alternde  Frau  gemalt,  im 
Alter  von  ungefähr  40  Jahren,  und  sieht  des- 
halb auf  den  Bildern,  wo  sie  den  (verhüllten) 
Jesus  auf  den  Knien  hält,  eher  wie  eine  Amme, 
die  irgend  ein  unglückliches  und  fremdes  Kind 
pflegt,  als  wie  die  glückliche  Mutter  aus.  Ihr 
Gesicht  ist  immer  schmerzerfüllt,  und  nicht 
selten  wird  sie  mit  einer  Träne,  die  aus  dem 
Auge  quillt,  abgebildet.  Überhaupt  ist,  im 
Gegensatz  zu  unserer  Auflassung,  Golgatha 
bereits  nach  Bethlehem  übertragen  und  dort 
alles  Frohe,  Verheißende,  Hoflende  ausge- 
rodet. 

unbekleidete  kindliche  Figuren,  wie  auf 
unsern  klassischen  Bildern,  oder  Maria,  die 
das  Kind  Jesus  an  Herz  und  Busen  drückt 
wären  unmöglich  in  einem  russischen  Gottes 
haus.  Auch  werden  in  der  orthodo.xen  Malerei 
in  der  eigenartigen  und  ursprünglichen  so 
wohl  wie  in  der  überall  verbreiteten  Kunst 
nie  Tiere  um  die  Krippe  gemalt,  —  Kühe 
Esel,  sogar  die  Hirten  fehlen  gänzlich.  Alles 
Animalische  ist  eben  von  der  Orthodoxie 
energisch  zurückgewiesen  worden.  Sie  verab- 
scheut das  Hineintragen  des  »Gewöhnlichen« 
in    die  Religion    und    setzt    an    Stelle    eines 


174 


DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS 


MOSES 

VON  TH.  BAIERL, 

IN  PFERSEE 


menschlichen  Ereignisses  ver- 
schleiernd gerne  ein  rein  ver- 
bales, rein  begriffliches,  auch 
wenn  sie  dabei,  entgegen  dem 
Text  des  Evangeliums,  jeden 
Tropfen  Lebensblut  auspreßt. 
Man  muß  all  dies  als  ehrlicher 
Beschauer  um  so  schärfer  her- 
vorheben, weil  die  okzidentale 
Art  und  Kunst  seit  der  byzan- 
tinischen Trennung  sich  weit 
lebendiger,  poesievoller,  be- 
weglicher bewährt  hat.  Mögen 
doch  die  Kritiker  des  Katholi- 
zismus und  seiner  Kunst  ein- 
mal solch  unbefangene  Ver- 
gleiche ziehen !  Das  Resultat 
wird  sie  jedenfalls  in  Erstaunen 
setzen. 

Diesem  Wesen  des  »russi- 
schen Glaubens«,  der  außer- 
dem den  Geheimnissen  des 
Jenseits  besonders  entgegen- 
drängt, entspricht  es,  daß  im  Gegensatz  zu 
der  Fleischwerdung  des  Gottesworts,  zur  Ge- 
burt und  Jugend  Christi,  im  Gegensatz  zur 
Mijtterlichkeit  Marias,  vor  allem  die  Himmel- 
fahrt der  heiligen  Jungfrau  und  die  Krönung 
Marias  in  der  Orthodoxie  grell  unterstrichen 
sind.  In  Rußland  gibt  es  eine  Menge  Kir- 
chen zur  »Assumption«  ;  die  russischen  Kaiser 
werden  in  Moskau  in  der  Assumptionskirche 
gekrönt  (Abb.  S.  184);  das  strengste  zwei- 
wöchige Fasten  ist  das  vom  i.  bis  zum  15.  Au- 
gust, und  »Maria  Himmelfahrts-Tag«  ist  eines 
der  größten  Jahresfeste.  Auch  das  Fest  der 
Epiphanie  Marias  (i.  Oktober)  ist  sehr  beliebt 
und  häufig  werden  Kirchen  diesem  Tag  zu 
Ehren  erbaut.  Indessen  ist  die  Unterlage  dieses 
Festes  eines  der  Wunder,  das  einst  im  10.  Jahr- 
hundert in  Konstantinopel  bei  der  Versenkung 
von  Marias  Gewand  ins  Meer  geschehen  sein 
soll.  Als  die  Schiffe  der  noch  heidnischen 
Russen  sich  der  Stadt  von  der  Seeseite  näher- 
ten und  die  Bewohner  keine  Rettung  mehr 
sahen,  versenkten  diese  das  wundertätige  Ge- 
wand der  Mutter  Gottes  ins  Meer.  Ein  un- 
geheurer Seesturm  entstand  und  zerstreute 
die  feindlichen  Schiffe.  Das  russische  Herz 
erfaßt  überhaupt  mit  Kraft  das  Wunder.  Alles 
Menschliche,  Gewöhnliche,  nicht  Übernatür- 
liche bedeutet  nichts,  verdient  nicht  Beach- 
tung, aber  das  Wunder,  wie  die  Verwerfung 
des  Irdischen,  ist  mit  großer  Tiefe  und  Zärt- 
lichkeit von  der  russischen  Empfindung  und 
Phantasie  konzipiert  und  verherrlicht  worden. 
Infolge  dieses  Überschwangs,  und  es  ist 
dies  wieder    charakteristisch,    berauscht    sich 


HL    ANNA 

VON  TH.  BAIERI., 

IN  PFERSEE 


der  Russe  in  der  religiösen 
Kunsttradition  gerne  an  einer 
leisen  Ekstase.  Im  goldenen 
Glanz  der  altertümlichen 
Kunst,  auch  der  prächtigen, 
starken  und  willensfesten,  er- 
scheint ihm  das  Heiligenbild 
immer  als  etwas  Überirdi- 
sches, als  eine  lebendige  Ver- 
heißung des  Zukünftigen.  So 
ist  ihm  die  in  der  bj-zantini- 
schen  Ikonographie  soge- 
nannte »Oranta«  (d.  h.  das 
kolossale  Heiligenbild  aus  Mo- 
saik, das  auf  der  Altarwand 
der  hl.  Sophia-Kathedrale  zu 
Kiew  aus  dem  11.  Jahrhun- 
dert aufbewahrt  geblieben  und 
im  Volke  und  in  der  Literatur 
unter  dem  Namen  »Die  un- 
zerstörbare Wand«  bekannt 
ist,  und  das  man  als  eine 
Art  Grundtypus  bezeichnen 
darf):  das  Symbol  der  irdischen  Kirche,  das 
Symbol  der  Menschheit,  die  nur  in  ihrem 
Bunde  mit  dem  Himmel  unzerstörbar  ist.  Die 
heilige  Jungfrau,  auch  hier  beinahe  als  Greisin 
dargestellt  und  ohne  lesuskind,  im  blauen  Rock, 
unter  dem  auf  rhombischer  Standfläche  die 
roten  Schuhe  hervortreten,  erhebt  betend  ihre 
Arme  gen  Himmel.  Im  wesentlichen  bis  heute 
verkörperte  das  Bild  der  Gottesmutter  den 
alten,  spezifisch  russischen,  religiösen  Kunstge- 
schmack, und  auch  in  den  meisten  modernen 
Weiterbildungen  schwingen  ähnliche  Töne 
mit,  bei  allem  Tasten  nach  Entwicklung  und 
Originalität. 

Dies  alles  findet  seinen  Widerhall  auch  in 
dem  Äußeren  der  Kirche,  den  Formalitäten 
im  Kirchen-Ritus,  den  Äußerungen  der  Reli- 
giosität im  öffentlichen  Leben.  So  entfalten 
bekanntlich  die  Oster-Prozessionen  besonders 
ein  großes  Gepränge.  Unter  Beteiligung  der 
ganzen  Stadt,  der  Spitzen  der  Behörden,  des 
Militärs,  unter  den  Klängen  der  Musikkapellen, 
dem  Krachen  der  Böller  finden  sie  statt,  ein 
endloser  Triumphzug  bewegt  sich  durch  die 
Straßen,  überall  erschallt  der  Ostergruß  und 
die  Osterantwort:  »Christus  ist  erstanden.  — 
Er  ist  wahrhaft  auferstanden. «  Menschen- 
scheu ist,  wo  es  sich  um  Ausübung  religiöser 
Akte  handelt,  unbekannt.  Wie  der  Grieche 
macht  der  Russe  oft  das  Kreuzzeichen,  nament- 
lich wenn  geläutet  wird  oder  wenn  er  an 
einer  Kirche  vorübergeht.  Bei  Prozessionen, 
öffentlichen  Weihungen  u.  dgl.,  bei  denen 
der  orthodoxe  Priester  in  kirchlichen  Gewän- 
dern erscheint,    beten    alle   Anwesenden  mit 


175 


THEODOR  BAIERL 


DER  AUFERSTANDENE 


Ausge/iihrt  von  der  F.  X.  Zettltrsdun  Glasmaler. 


176      ©2S  DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  ^ 


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GLASüEMALDE 


entblößtem  Haupte;  nie  lindet  dabei  eine 
Störung  statt.  Man  hätte  seinerzeit,  mehr  als 
geschehen,  beachten  müssen,  daß  bei  der  Er- 
öffnung der  Reichsduma,  mit  der  das  Zaren- 
reich in  die  Reihe  der  modernen  Staatsver- 
fassungen einrücken  wollte,  ein  altes  religiöses 
Moment  aus  der  Feier  hervorstach:  In  der 
Mitte  des  Georgs-Thronsaales  im  Winterpalais 
war  das  berühmte  Heiligenbild  aus  dem  Peter- 
häuschen aufgestellt,  das  Peter  der  Große  auf 
allen  seinen  Reisen  mitgeführt  hat.  Zur  Seite 
dieses  Heiligenbildes  nun  standen  die  Mit- 
glieder der  Duma,  und  vor  ihm  machte  der 
Zar  mit  der  Zarin  und  der  Zarin-Mutter  halt, 
als  er  zum  Thron  schritt,  um  die  Begrüßungs- 
ansprache an  die  Erwählten  des  Volkes  zu 
richten.  Der  Metropolit,  der  dem  Zaren  vor- 


ausging, grüßte  mit  dem  Kreuz  in  der  Hand 
das  Bild,  und  daran  schloß  sich  ein  kurzer 
Gottesdienst.  Dann  erst  vollzog  sich  der  eigent- 
liche politische  Akt. 

Trotzdem  wäre  es  gänzlich  falsch,  der  Kirche 
in  Rußland  etwa  einen  maßgebenden  oder 
gar  entscheidenden  EinflulJ  auf  die  Gesell- 
schaft zuzusprechen,  oder  auf  die  große  um- 
wälzende Bewegung,  die  das  ganze  Reich 
jetzt  erschüttert.  Versteinertes  byzantinisches 
Erbe,  aus  Eigennutz  dem  Wunderglauben  Vor- 
schub leistend,  in  ihren  oft  ungebildeten 
(Gliedern  beim  \'olke  nicht  geachtet,  hat  die 
Orthodo.xie,  trotz  der  großen  Menge  von 
Gotteshäusern,  trotz  der  Unzahl  von  Priestern, 
Mönchen  und  Nonnen,  trotz  des  ungeheuren, 
in   Kirchen  und  Klöstern  aufgehäuften  Reich- 


^a  DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  ©SS      177 


TH.  BAIEKL  GLASGEMALDE 

Kath.  Kirchf  in  Sch-.viin/urt 

tums,  den  man  auf  20  Milliarden  Franken 
schätzt,  jeden  sozialen  Einfluß  auf  das  Volk 
längst  verloren.  Das  russische  Volk  betrach- 
tet den  Geistlichen  nur  als  einen  von  ihm 
bezahlten  Diener,  der  in  seinem  Auftrag  den 
komplizierten  Zeremonialdienst  ausübt.  Und 
wenn  man  den  Russen  in  der  Kirche  sieht, 
sich  weder  um  Anfang  noch  Endfe  des  Gottes- 
dienstes kümmernd,  kommend  und  gehend, 
wann  es  ihm  beliebt,  hat  man  oft  den  Ein- 
druck, als  sei  er  nur  gekommen,  um  sich  zu 
überzeugen,  ob  die  Aufträge  auch  ordnungs- 
mäßig verrichtet  werden.  Der  Mann  aus  dem 
Volk  begnügt  sich  damit,  seine  Kopfbedeckung 
abzunehmen,  sein  Kreuz  zu  schlagen,  nieder- 
zuknien und  die  Stirn  bis  auf  den  Boden  zu 
beugen,  Heiligenbilder  zu  küssen  und  schlanke 


Lichtchen  vor  ihnen  aufzustecken.  Er  tut  das 
mit  einer  schönen  Würde  und  einem  Ernst, 
—  selbst  mitten  auf  dem  belebten  Gehsteig 
vor  einer  der  zahlreichen  Kapellen  oder  einem 
an  der  Wand  eines  Hauses  befestigten  Heili- 
genbild — ,  der  den  Spott  des  Andersgläubigen 
gar  nicht  aufkommen  läßt.  Gerade  Andersgläu- 
bige stellen  der  russischen  Geistlichkeit  das 
Zeugnis  aus,  daß  sie  Meister  eines  solchen  Zere- 
monialdienstes  ist,  und  daß  sie  ihm,  in  großen 
Kirchen  wenigstens,  eine  Weihe  und  Feierhch- 
keit  von  grandioser  Wirkung  zu  geben  weiß, 
mit  rein  äußerlichen,  aber  künstlerisch  ange- 
wandten Mitteln.  So  schrieb  jüngst  P.  v.  Szcze- 
panski,  als  er  einem  solchen  Gottesdienst  zum 
erstenmal  beiwohnte,  in  der  Erlöserkirche 
in  Moskau,  es  sei  dies  für  ihn  ein  Ereignis 
gewesen,  dem  er  keine  andere  künstlerische 
Sensation  an  die  Seite  zu  stellen  wüßte.  Ein 
riesiger  Bau  in  Kreuzform,  von  einer  Kuppel 
gekrönt,  ein  Koloß,  der  Moskaus  Häusermeer 
überragt,  ist  diese  Dankeskirche,  die  zum  An- 
denken an  den  Untergang  der  Napoleonischen 
Armee  errichtet  wurde  (Abb.S.  182  u.  183).  Da 
ist  während  einer  Abendandacht  der  Raum 
nur  durch  Kerzen  erleuchtet.  Ihr  Schein  reicht 
hinauf  bis  ungefähr  zwei  Zimmer  Höhe, 
flackert  über  Heihgenbilder,  goldene  Rahmen, 
kostbares  Gestein.  Darüber  verschwimmt  aUes 
im  Halbdunkel.  Man  ahnt  nur,  daß  oben  eine 
Kuppel  sich  wölbt,  hoch  wie  der  Himmel.  Das 
vergoldete  Gitterwerk  vor  dem  Allerheiligsten 
blinkert,  rechts  und  links  davor  sind  zwei 
Sängerchöre  in  Nischen  aufgestellt.  Sie  sind 
in  schwarze  Talare  mit  roten  Seidenärmeln 
gekleidet.  Die  brennende  Kerze,  die  jeder 
Sänger  neben  dem  Notenblatt  hält,  beleuchtet 
grell  hier  ein  weißes  Blatt,  dort  einen  roten  Är- 
mel, da  ein  charakteristisches  Profil.  Im  Mit- 
telraum davor  stehen  die  Andächtigen  —  die 
russische  Kirche  kennt  keine  Sitzplätze.  Der 
Boden  ist  mit  dickem  Teppich  belegt,  trotz 
des  fortwährenden  Kommens  und  Gehens 
hört  man  keinen  Schritt.  Vor  dem  goldenen 
Gitterwerk  schreiten  Priester  in  brokatenen  Ge- 
wändern, verschwinden  in  den  Seitentürchen 
rechts,  kommen  nach  kurzer  Zeit  aus  dem  Sei- 
tentürchen links  wieder  zum  Vorschein  .... 
Und  die  beiden  Chöre  singen,  Männer-  und 
Knabenchöre,  ohne  Instrumentalbegleitung. 
Unerhört  schöne  Stimmen,  die  Bässe  beson- 
ders —  gewaltig  wie  eine  Urkraft  und  ver- 
hallend wie  der  Ton  einer  sonoren  Kirchen- 
glocke. Einfache,  fast  eintönige,  strenge  Me- 
lodien, in  denen  das  »Herr,  erbarme  Dich« 
immer  wieder  erklingt  —  bittend,  flehend,  im- 
mer inbrünstiger,  zuletzt  mit  dem  Schrei  der 
Verzweiflung.     Und    endfich    geschieht    das 


Die  christliche  Kunst.    XII. 


178      e^  DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  ^ 


THEODOR  BAIERL 


Karton  für  Riedau  (tgijj 


DER  WELTHEILAXD 


Wunder!  Jubelnd  fallen  die  Knabenchöre  wie 
Engelstinimen  ein,  geräuschlos,  wie  von  einer 
höheren  Macht  bewegt,  schlagen  die  beiden 
Flügel  der  Haupttüre  zum  AUerheiligsten  zu- 
rück, man  sieht  hinein  in  eine  durch  geschickte 
Lichteranordnung  suggerierte  Unendlichkeit; 
man  sieht  die  verschwimmenden  Umrisse  eines 
Priesters  in  goldbrokateneni  Gewand,  der  et- 
was Geheimnisvolles  vornimmt  —  das  alles 
nur  Sekunden  — ,  und  lautlos  schlagen  die 
Türflügel  zum  AUerheiligsten  zu.  Wer  das 
zum  erstenmal  erlebte,  fühlt  sich  von  mysti- 
schem Schauer  überrieselt.  Anders  ist  die 
Szene:  ohne  den  großen  künstlerisch  dirigier- 


ten Apparat,  etwa  in  einem  der  alten  Klöster 
Moskaus.  Da  psalmodieren  junge  Mönche 
mit  Haaren,  die  ihnen  bis  über  den  Gürtel 
fielen,  der  ihre  Kutte  über  den  Hüften  zu- 
sammenhält —  gut  gepflegte,  mit  dem  Lok- 
kenstock gewellte  Haare  — ,  vor  dem  Altar, 
und  die  im  offenen  Viereck  davor  aufgestell- 
ten älteren  Mönche  unterhalten  sich  während 
dessen  ganz  ungeniert,  brechen  mitten  in  ihrem 
Schwätzen  ab,  um  mit  dem  Herr,  erbarme 
Dich«  einzufallen  .  .  .  Mögen  die  zehn  oder 
zwölf  anwesenden  armen  Leute  keinen  An- 
stoß daran  nehmen:  es  stört,  ist  indignierend, 
läßt  den  Andersgläubigen  spötteln,  und  diese 


179 


THEODOR  BAIERL 


Altarliitd  in  Aiterhof« 


DIE  HL.  MARGARETA 


i8o     ^  DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  ^ 


Weltlichkeit  macht  es  erklärlich,  wenn  der 
Russe  diese  Geistlichen  gering  achtet  und 
seinen  Respekt  für  die  Heiligen  aufspart  .  .  . 
Eine  an  Heiligenbildern  und  Gotteshäusern 
reichere  Stadt  als  Moskau  gibt  es  sicher  nicht. 
Der  Fremde,  der  im  Eilzug  durch  die  einför- 
migen Gegenden  dahinfliegt,  vorbei  an  Hüt- 
ten, Kornfeldern, Sümpfen  und  Wäldern,  staunt 
schon  über  die  Zahllosigkeit  der  Kirchen  links 
und  rechts,  die  mit  ihren  Mauern,  im  Sonnen- 
licht freudig  funkelnden  Kuppeln  und  dem 
goldenen  byzantinischen  Kreuz  in  den  Him- 
mel hineingreifen.  Je  mehr  er  sich  Moskau 
nähert,  um  so  öfter  wird  ihm  dieser  Anblick, 
bis  plötzlich  ein  einziges  gleißendes  Goldmeer 
am  Horizont  ihm  verkündet,  daß  man  sich  be- 
reits dem  ehrwürdigen  Mütterchen,  der  Stadt 
mit  dem  goldenen  Haupt  und  den  weißen 
Mauern  nähere.  Gleich  einem  unübersehbaren 
Walde,  dessen  Bäume  aus  Gold  sind,  erhebt 
sich  über  den  geschwungenen  Kuppeln  die 
Menge  der  in  der  Sonne  brennenden  Kreuze. 
Vierzig  mal  vierzig  Kirchen  und  Kapellen  sind 
es,    die   so  ihren  frommen  Gruß  auf  Meilen 


DIE  AUIERSIEllUNG  DES  L.'iZARUS 
Cemiilde  von  Kotarbinskij  und  Swedomskij  in  der   Wladin 
Kathedrale  zu  Kiew.     Vgl.  II.  Jgg.,  S.  231 


hinaus  dem  Nahenden  entgegensenden,  und 
demütig  fällt  der  russische  »Pilger«,  sobald 
er  am  Horizont  die  ersten  Kreuze  des  heiligen 
Moskau  auftauchen  sieht,  nieder  und  küßt  die 
Erde.  Etwas  Sonderbares:  diese  Barfüßler,  in 
ihrer  rastlosen  Wanderschaft  —  wie  sie  der 
russische  Maler  Perow  im  Bild  festgehalten 
hat!  Tausende  von  Meilen  werden  von  die- 
sen Pilgern  zu  Fuß  zurückgelegt,  hunderte 
von  berühmten  Wallfahrtsorten  besucht,  von 
Kloster  zu  Kloster,  um  fromme  Gebete  zu 
verrichten  und  für  das  Seelenheil  zu  beten. 
Von  dem  Solovez-Kloster,  das  hoch  im  eisigen 
Norden,  initten  im  Weißen  Meer  liegt,  pilgern 
sie  nach  dem  Berg  Athos  —  ewige  rastlose 
Wanderer,  Fanatiker  eines  glühenden  Glau- 
bens. Die  Städte  scheuen  sie  in  der  Regel. 
Furcht  vor  Polizistenränken,  denen  sich  der 
^Landstreicher«  (das  lieblose  Wort  ersetzt  bei 
den  Behörden  den  Begriff'  »Pilger«),  der  Paß- 
lose, aussetzt,  hält  sie  ferne.  Nur  beim  heiligen 
Mütterchen  Moskau  mit  den  weißen  Mauern 
und  goldenen  Kuppeln  machen  sie  eine  Aus- 
nahme. Um  den  Heiligtümern  des  Kreml  ihre 
Verehrung  zu  erweisen,  scheuen  sie  selbst  die 
Berührung  mit  der  Polizei  nicht.  Noch  mehr 
Verehrung  genießt  dort  das  Bild  der  iberi- 
schen Mutter  Gottes,  obwohl  es  nur  die  Ko- 
pie eines  Bildes  in  einem  der  Klöster  auf  dem 
Berg  Athos  ist.  Es  thront  in  einer  kleinen 
Kapelle,  die  sich  an  die  iberische  Pforte  an- 
lehnt. Viele  Wunder  berichtet  die  Legende 
über  Alter,  Ursprung  und  Besonderheiten.  Nur 
eines  sei  hier  nacherzählt:  Zuerst  war  das  Bild 
auf  dem  Altar  in  der  Kirche  aufgestellt  —  am 
nächsten  Morgen  schwebte  es  über  der  Außen- 
pforte des  Klosters;  und  das  wiederholte  sich 
so  lange,  bis  die  Mönche  begriffen  hatten,  daß 
das  Bild  sich  selbst  seinen  Platz  zu  wählen 
wünsche,  und  es  über  der  Außenpiorte  an 
einen  Nagel  hingen,  wo  es  denn  auch  bis 
heute  geblieben  ist. 

Unzähliges  wäre  zu  berichten,  wollte  man 
einzeln  allem  Kirchlichen  und  Religiösen  nach- 
gehen in  diesem  —  an  Wunderglauben  aller 
Art  (siehe  Johann  von  Kronstadt)  noch  lieute 
überreichen  —  Land,  und  über  jedes  Gottes- 
haus berichten,  hinüber  bis  zur  letzten  Kapelle 
im  äußersten  Sibirien  und  hinunter  bis  zum 
alten  LawraKloster  im  Süden.  »Eine  Pro- 
vinz Gottes«  nannte  es  einmal  ein  Dichter; 
und  nach  der  Meinung  des  schöngeistigen 
Priesters  Petrow  in  Moskau  gibt  es  kein  Volk, 
das  in  einem  so  persimlichen  \'erhältnis  zu 
seinem  Gott  stünde,  wie  die  Russen;  deshalb 
mag  es  in  der  Gewitterwolke,  die  in  den  letz- 
ten Jahren  über  ihm  schwebt,  wohl  untuittel- 
bar  Gottes  Hand  sehen.  —  Bei  der  Unmög- 


W.  M.  WASNETZOW  TAUFE  DES  GROSSFURSTEN  WLADIMIR 

Gemälde  in  der    Wladimir-Kathedrale  zu  Kieiv.     l'gl.  IL  Jahrgang  (igosioö),  S.  232 


DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS 


INNENANSICHT  EINES  TEILS  DER  ERLÖSERKIRCHE  IN  MOSKAU 

Text  s. m 


lichkeit  der  Einzelnaufführung  sei  nur  noch 
das  wichtigste  aus  der  Hauptstadt  hier  genannt 
statt  einer  vollständigen  Aufzahlung  aller  Kir- 
chen und  Kapellen," die  die  Ihrigen  mit  un- 
aufhörlichem Geläute  zur  Andacht  rufen  Da 
ist  zunächst  rechts  des  großen  Peterhofer  Lust- 
schlosses die  von  Rastretti  erbaute  Kirche  deren 
vergoldete  fünf  Kuppeln  jedermann  auffallen 
müssen.  Im  Innern  erinnern  die  goldenen 
Schüsseln  von  Taschk(^nt  und  Chokand  daran 
daß  die  Bewohner  dieser  Länder  1865  und  66 
den  Russen  durch  das  Überreichen  von  Salz 
und  Brot  ihre  Unterwürfigkeit  bezeugten.  — 


In  der  Residenz  seihst:  das  Ssmolnykloster, 
das  zuerst  ein  Findelhaus  begründete;  die  Is- 
mailow-Kathedrale;  diePovitzkikirche,  die  mit 
ihren  fünf  hellblau  schimmernden  Kuppeln 
schon  von  weitem  zu  erkennen  ist;  und  alle 
an  Pracht  und  Reichtum  überragend,  die  Ka- 
sanische Kathedrale,  die  sich  in  ähnlicher  Weise 
an  der  Peterskirche  in  Rom  als  Vorbild  an- 
lehnt, wie  es  die  Isaakskirche  mit  dem  Pan- 
theon tut.  Es  ist  zwar  die  unnachahmliche 
Größe  der  Originale  in  beiden  Lallen  bei 
weitem  nicht  erreicht  worden,  aber  die  halb- 
kreisförmige Kolonnade   mit  den  132  kenn- 


^  DIE  RUSSISCHE  RELIGIOSITÄT  UND  DIE  KUNST  RUSSLANDS  ^      183 


ERLOSERKlRCIli;  IN  MUSICAL" . 
Ttxt  S.  177 


KAI'LI  IKNAKIHjLK   IIUJXOSIAS 


thischen  Säulen,  die  bronzene  Kuppel  mit 
dem  Kreuz,  sowie  im  Innern  das  mit  Gold 
und  Edelsteinen  geschmückte  wundertätige 
Muttergottesbild,  und  die  an  den  Wänden  hän- 
genden eroberten  feindlichen  Fahnen  stempeln 
das  Haus  der  Kasanschen  Mutter  Gottes  doch 
zu  einem  der  charakteristischsten  in  Petersburg. 
Wie  dielsaakskirche  derSchauplatz  der  höch- 
sten Kirchenfeste  ist,  so  gleicht  der  Newsky- 
Prospekt,  die  schönste  und  längste  Petersburger 
Straße,  einer  Bühne,  auf  der  sich  in  tausend 
wechselnden  Gestalten  das  weltliche  Leben  ab- 


spielt, das  die  wunderlichsten  Gegensätze  ruhig 
nebeneinander  erblicken  läßt:  eine  deutsche 
Buchhandlung,  ein  chinesischer  Teeladen,  ein 
russisches  Restaurant,  ein  Bäckerladen,  ein 
Palast,  ein  Modemagazin,  eine  Apotheke,  die 
holländische,  die  armenische,  die  lutherische 
Peters-,  die  katholische  Katharinen-Kirche  in 
derselben  Straßenfront,  —  außer  der  Kasan- 
schen Kathedrale.  Wenn  hier  die  Andäch- 
tigen vor  einem  Heiligenbilde  in  die  Knie 
sinken  und  mit  der  Stirn  die  Erde  berühren, 
wird  kaum  zehn  Schritte  davon  um  fünf  Ko- 


KRANKENANSTALT  DES  DRITTEN  ORDENS  ZU  NYMPHENBURG 


bau  der  Kathedrale  der  heili- 
gen Dreieinigkeit  mit  den  zwei 
viereckigen  Türmen  zur  Seite, 
und  die  Kirche  der  Verkün- 
digung Maria  mit  dem  Grab 
des  Feldmarschalls  Suwarow. 
Wir  betreten  den  Kirchhof  des 
Klosters,  wo  die  vornehmsten 
Geschlechter  Rußlands,  Feld- 
marschälle, Gouverneure,  Erz- 
bischöt'e,  Senatoren  u.  a.  die 
ewige  Ruhestatte  gefunden 
haben;  auch  Dostojewski,  der 
Dichter  des  :  Raskolnikow« 
hat  hier  ein  kostbares  Grab- 
mal. So  wild  in  dieser  stol- 
zen und  berauschenden  Stadt 
die  Weltkinder  von  Genuß  zu 
Genuß  durchs  Leben  jagen,  so 
ruhig  und  ernst  geht  es  unter 
den  Bäumen  des  Kirchhofs, 
in  den  Hallen  dieses  Klosters 
zu  .  .  .  Weltlust  und  Entsa- 
gung .  .  .  Leben  und  Tod  .  .  . 
Wo  und  für  wen  gälte  der 
Goethesche  Satz  nicht:  »Zwi- 
schen Sinnenglück  und  See- 
lenfrieden — ■  bleibt  dem 
Menschen  nur  die  bange 
WahL? 

Dr.  G,  K.  L.  Huberti  de'  Dalberg 


INXKKE  ANSICHT  DliR  K  A  I  HEÜKAI.I 


l)l-.l<  HIMMELFAHRT  MARIAE  IK  MÜSKAL' 
<t  S.  ,74 


peken  mit  einer  Heftigkeit  gefeilscht,  als  handle 
es  sich  dabei  um  ein  Vermögen;  dazwischen 
ein  Durcheinander  von  Straßenverkäufern, 
Bettlern,  Arbeitern,  Kutschern,  vornehmen 
Damen,  Generälen  und  Soldaten,  Schülern, 
Studenten,  Beamten,  einer  aus  den  ver- 
schiedensten Elementen  und  cfen  fremdesten 
Völkern  (Perser,  Tataren,  Kaukasier,  Chi- 
nesen) gemischten  Menge.  Fast  fünf  Kilo- 
meter lang,  endigt  der  Prospekt  bei  einem 
Komplex  von  Gebäuden,  Kirchen  und  Kapel- 
len, welcher  das  AIexander-Newsk}'-Kloster 
bildet  und  nächst  den  in  Moskau  und  Kiew 
befindlichen  mit  zu  den  höchsten  Heiligtümern 
zäiilt.  Noch  brandet  der  Lärm  der  Straße  mit 
den  tausendfältigen  Regungen  des  Ehrgeizes 
und  der  Genußsucht  in  den  Ohren,  und  schon 
umfängt  uns  hier  auf  Schritt  und  Tritt  ein 
Friede,  der  die  Frage  nahelegt,  ob  die  vor- 
nehmen Herren  und  Damen,  die  in  ihren 
Schlitten  vorbeisausen,  oder  die  stillen  Klo- 
sterleute, die  vergnügt  und  selbstzufrieden  um 
sich  blicken,  die  beneidenswertere  glücklichere 
Existenz  führen.    Wir  betrachten  den  Kuppel- 


KRANKENANSTALT  DES  DRITTEN 
ORDENS  ZU  NYMPHENBURG 

Tm  Jahre  1912  erhielt  die  dicht  beim  Botanischen  Garten 
in  München  belegene  Krankenanstalt  des  Dritten  Or- 
dens eine  notwendige  Ergänzung  durch  den  Bau  einer 
Kapelle.  Der  Architelit,  Professor  Franz  Rank,  wählte 
die  Formen  eines  modern  aufgefaßten  Barock  und  trug 
damit  gleichzeitig  den  Münchener  historischen  Über- 
lieferungen und  den  Ansprüchen  der  Gegenwart  wie 
der  speziellen  Bestimmung  dieses  Raumes  Rechnung. 
Dem  Milteltrakte  des  hufeisenförmigen  Krankenhaus- 
gebäudes rechtwinklig  angefügt,  besteht  der  Bau  aus 
zwei  Teilen  übereinander:  der  untere,  gleich  hoch  wie 
das  Erdgeschoß  des  Hauses,  dient  Wirtschaftszwecken, 
der  obere  ist  die  Kapelle;  sie  hat  gleiche  Firsthöhe  wie 
das  Hauptgebäude,  die  Höhe  ihres  Innenraumes  ent- 
spricht also  der  von  zwei  Stockwerken  bei  jenem.  Über- 
höht wird  sie  durcli  einen  runden  Dachreiter  mit  flacli- 
gedrückter,  zwiebellörmiger  Kuppel.  Die  Kapelle  ist 
einschiltig:  ihr  Grundriß  zeigt  in  der  Achsenrichtung 
nacheinander  folgend  zwei  Rechtecke,  dann  ein  Oval, 
an  welches  sich  der  Halbkreisraum  der  Altarnische  an- 
setzt. Der  erste  der  beiden  rechteckigen  Räume  ist  die 
Vorhalle,  die  mit  dem  Kirchenschiffe  durch  eine  breite 
Tür  in  unbehinderter  Verbindung  steht.  Die  Belichtung 
der  Kapelle  erfolgt  von  den  beiden  Längsseiten  her  durch 
je  zwei  gröliexe  längliche  und  ein  kleines  kreisrundes 
Fenster,   außerdem    durch    die   Fensterreihe   des  Dach- 


KRANKENANSTALTSKAPELLE  IN  NYMPHENBURG  ©^ 


reitertambours.  Infolge  Zahl  uiui  Größe  der  Lichtötlnungen 
ist  der  Innenrauni  sehr  hell,  und  durch  die  weiße  Farbe 
der  Wandflächen  im  Schiffe  wird  dies  noch  gesteigert. 

Daß  wir  erst  jetzt  genauer  auf  diese  Kapelle  zu 
spreclien  kommen,  liegt  daran,  daß  ihre  Ausschmückung 
bisher  noch  nicht  fertig  war.  Nun,  da  dies  seit  Anfang 
Juni  der  Fall  ist,  kann  sie  erst  als  ein  Ganzes  beurteilt 
werden.  Der  Abschluß  der  Arbeiten  erfolgte  durch  die 
Vollendung  der  Apsidenausmalung.  Ehe  von  ihr  die 
Rede  ist,  möge  die  sonstige  künstlerische  Ausstattung 
betrachtet  werden. 

Die  Fenster  zeigen  Glasmalereien.  Die  Entwürfe  dazu 
w-urden  von  dem  M.üer  Augustin  Fächer  geliefert,   die 


Ausführung  erfolgte  in  der  Glasmalcreianstalt  von  Bock- 
horni.  Jedes  Fenster  zeigt  auf  farblosem  Grunde  je  eine 
Figur.  Man  sieht  den  hl.  Bischof  Arnulf,  den  hl.  Fran- 
ziskus, die  hl.  Elisabetli  als  Patronin  der  Kapelle  und 
ein  zweites  Mal  als  Schützerin  der  Kranken  (vgl.  Abb. 
S.  187).  Die  Gewander  sind  in  kräftigen  Farben  gehalten 
und  die  Figuren  besitzen  daher  eine  beträchtliche  Leucht- 
kraft. Es  läßt  sich  darüber  streiten,  ob  farbige  Fenster 
dem  Barockstile  entsprechen.  Würde  es  sich  um  einen 
Bau  aus  alter  Zeit  handeln,  so  täten  sie  es  nicht.  Das 
Barock  hat  derlei  Glasmalerei  nicht  mehr  ausgeführt, 
dafür  aber  mit  seinen  bescheidenen  Schwarz-  und  Weiß- 
Zeiclmungen,  in  die  allenfalls  hier  und  da  ein  Wappen- 


EMPORENSEITE  DER  KAPELLE  DER  KRANKEXAXSTALT  DES  IIL  OKDKN'S  1\   ML  NCllLN  \ 's  .MIHENBURG 

Tixt  S.  1S4—1SS 


Die  diristliche  Kunst.    XH.    6. 


iSb 


KRANKENANSTALTSKAPELLE  IN  NYMPHENBURG 


KAPELLE  DER  KRANKENANSTALT  DES  IIL  ORDENS  IN  MÜNCHEN-NYMPHENBLRG,  ERBAU  T  \  OX  FRANZ  RANK, 
AUSGEMALT  VON  GEORG  KAU  I.  |.  191; 


scheibclien  oder  dergleichen  eingelassen  wurde,  oder 
mit  seinen  völlig  farblosen  Fenstern  sehr  feine  Stim- 
mungen erzeugt.  Es  wäre  nach  meinem  Empfinden 
vielleicht  auch  für  die  Wirkung  des  Innern  der  Elisa- 
bethenkapelle von  Vorteil  gewesen,  die  Fenster  in  gleicher 
Art  zu  behandeln. 

Der  zwischen  zwei  rundbogigen  Seitendurchgängen 
aufgestellte  Altar  mit  seinem  Aufsatze  ist  von  Professor 
Rank  entworfen,  die  daran  befindlichen  Schnitzereien 
wurden  ausgeführt  durch  den  Bildhauer  Joseph  Huber 
(Abb.  oben).  Der  Stipes  des  Ahares  besteht  aus  rotem 
Marmor,  die  Leuchterstufe  bis  jetzt  aus  grau  angestri- 
chenem Holz.  Der  von  Strahlen  umgebene,  von  zwei 
kleinen  Engeln  flankierte  Tabernakel  mit  dem  Exposi- 
tionsthrone erglänzt  in  prachtvoller  Vergoldung.  In  der 
Rundbogennische  des  letzteren  steht  für  gewöhnlich  ein 
silbernes  Altarkreuz  (Entwurf  von  Rank,  Ausführung  von 
Hofgoldarbeiter  Harrach  &  Sohn).  Da  es  sich,  wie  nocli 
mehr  dasSanktissimum,  von  dem  goldglänzenden  Hinter- 
grunde für  das  Auge  nicht  deutlich  genug  abhebt,  so 
hat  man  die  Hinterwand  mit  einem  weißseidenen  Be- 
hänge versehen.  Der  Altaraufsatz  besteht  aus  zwei,  auf 
zwei  kleinen  Säulenpaaren  ruhenden  Füllhörnern.  Wo 
sie  sich  mit  ihren  spitzen  Enden  zu  einem  flachen  Bogen 
vereinigen,  tragen  sie  einen  Sockel,  auf  dem  sich  eine 
große  bildhauerische  Gruppe  erhebt.  Sie  besteht  aus 
der  edlen  Gestalt  der  hl.  Elisabeth,  welche  einen  Kranken 
labt;  ein  anmutiges  Englein  sitzt  Mandoline  spielend 
daneben.  Die  Figuren  sind  polychrom  behandelt;  ein 
veredelter  Naturalismus  beherrscht  die  Auffassung,  die 
lineare  wie  die  koloristische  Durchführung.  Schon  f^rüher, 
noch  mehr  jetzt,  nachdem  die  Wandmalerei  der  Apsis- 
nische  fertig  geworden,  mußte  dafür  gesorgt  sein,  daß 
die  Gruppe  sich  aus   ihrer  Umgebung  klar  heraushob. 


Dies  wurde  erreicht,  indem  man  sie  mit  einem  Rahmen 
umgab,  innerhalb  dessen  sie  frei  dasteht.  Er  ist  nach 
Rankschem  Entwürfe  (Ausführung  von  Hofschlosser  Hock) 
in  Schmiedeeisen  gearbeitet  und  vergoldet.  Er  zeigt  die 
Form  einer  Rosengirlande;  die  Blumen  dienen  als  elek- 
trische Lampen.  Die  Durchgänge  rechts  und  links  vom 
Altare  sind  oben  mit  den  Monogrammen  Christi  und 
Maria  geschmückt.  Die  Farbenwirkung  des  Altares  ist 
beim  unteren  Teile  auf  den  Zusammenklang  von  Grau 
und  Gold  gestimmt,  belebend  wirkt  das  milde  Rot  des 
Stipes.  Die  beiden  Türöffnungen  hat  man  mit  Vorhängen 
aus    schwerem    goldfarbigem   Seidenstoffe    geschlossen. 

Quer  über  die  Altarnische  zieht  sich  die  Horizontale 
des  Triumphbalkens;  er  besteht  aus  Eisen,  weil  er  nicht 
nur  als  Schmuck  dient,  sondern  vor  allem  auch  zu  dem 
Zwecke,  den  Druck  der  Gewolbespannung  auszugleichen. 
Auf  diesem  Balken  ist  ein  schon  und  lebenswahr  ge- 
schnitzter und  bemalter  Kruzifixus  aufgestellt. 

Die  von  der  Decke  der  Kapelle  hernieder  hängenden 
sechs  Lüster  sind  zierlich  aus  Scluiiiedeeiscn  oearbeitet 
und  farbig  behandelt;  sie  sind  vom  Kunstschlosser  Hier! 
gefertigt,  die  Entwürfe  stammen  von  Professor  Rank. 
Von  diesem  sind  auch  die  Rahmen  zu  den  Kreuzweg- 
stationen, sowie  die  Apo.stelleuchter.  Man  sieht  die  ersteren 
—  Stahlstiche  nacli  Führich  —  in  hölzernen  Einrah- 
mungen von  erlesen  vornehmer  Form  und  Bemalung 
(grün,  grau,  schwarz  und  gold).  Ausgeführt  wurden 
die  Ralimen  vom  Bildhauer  Scheel.  Die  schmiedeeisernen 
Wandleuchter  (gearbeitet  von  Hock)  entsprechen  in  ihrer 
Färbung  jenen  Bilderrahmen. 

Vornehm  und  wirkungsvoll  heben  sich  diese  Stücke 
von  den  weißen  Wandflächen  des  Kirchenschiffes  ab. 
Im  übrigen  sind  diese  nur  durch  schmale  Rankenorna- 
mente eingerahmt,  die  sich  auch  um  die  Fensteröffnungen 


e^i  KRANKEN  ANSTALTSKAPl'LLE  IN  NYMPHEN  BURG  ^ 


187 


APSIS  DER  KAPELLE  DER  KRAXKENANSTALT  DES  IIL  ORDENS  IN   MUNCflEN 
(Text  unten) 


herumziehen,  ferner  durch  schlicht  geschriebene  Sprüche 
oberhalb  der  letzteren.  An  den  Emporenbrüstungen  sieht 
man  altchristliche  Symbole  gemalt:  den  eucharistischen 
Brotkorb  mit  dem  Fische,  die  Taube  mit  dem  Ölzweige, 
den  Hirsch  an  der  Quelle,  den  Brunnen  des  Lebens  usw. 
(Abb.  S.  186). 

Schaut  nun  von  der  Tür  der  Vorhalle  in  die  Kapelle 
hinein,  so  haftet  der  Blick  vor  allem  auf  der  Ausmalung 
der  Apsisnische  (Abb.  S.  186  und  187).  Für  diese  Arbeit 
wurde  im  Jahre  1914  durch  die  Deutsche  Gesellschaft 
für  christliche  Kunst  ein  Wettbewerb  ausgeschrieben, 
dessen  nähere  Bedingungen  damals  in  dieser  Zeitschrift 
veröffenthcht  worden  sind.  Zur  Ausführung  wurde  der 
Entwurf  von  Georg  Kau  bestimmt.  Seine  Idee  verband 
mit  der  Erfüllung  des  dekorativen  Zweckes  die  eines 
dreifachen  geistigen:  die  Verherrlichung  der  hl.EHsabeth, 
der  Patronin  dieser  Kapelle;  die  des  Dritten  Ordens  in 
einer  Anzahl  auserlesener  Persönlichkeiten,  die  ihm  an- 
gehört und  zur  Zierde  gereicht  haben;  endlich  die  des 
Gottesreiches.  Seine  Ehre  zu  feiern,  ist  der  gesamte 
künstlerische  Schmuck  dieser  Kapelle  bestimmt.  Mit 
mächtiger  Schrift  am  Triumphbalken  verkündigt  sich 
dieser  Gedanke  in  den  Gebetworten:  »Zukomme  uns 
dein  Reich <.  Er  erklingt  in  den  Fenster-  und  Emporen- 
bildern, er  kommt  am  stärksten  zum  Ausdrucke  auch 
in  dem  Preise  des  Dritten  Ordens,  der  sich  ja  um  die 
Ausbreitung  des  Reiches  Gottes  so  hohe  Verdienste  er- 
worben hat.  Nebeneinander  stehen  acht  überlebensgroße 
Personen  als  Verkörperungen  der  vom  Herrn  in  seiner 
Predigt    am   Berge    gepriesenen    acht   Seligkeiten.     Die 


Reihe  wird  eröffnet  durch  den  Stifter  des  Dritten  Ordens, 
den  hl.  Franziskus,  den  Vertreter  der  Armen  im  Geiste; 
die  Sanftmut  lebt  in  der  Person  des  sei.  Johann  Baptist 
Vianney,  die  Trauer  in  der  der  hl.  Margareta  von  Cor- 
tona.  In  der  Majestät  königlicher  Würde  und  dabei 
hungernd  und  dürstend  nach  Gerechtigkeit  erscheint  der 
französische  König  Ludwig  IX.,  der  Heilige.  Es  lolgen 
die  hl.  Elisabeth,  die  Patronin  des  dritten  Ordens  und 
der  Patron  der  Pestkranken  St.  Rochus  als  Vorbilder  der 
Barmherzigkeit.  Die  Reinheit  des  Herzens  wird  verkörpert 
durch  die  sei.  Kreszentia  von  Kauf  beuten,  die  Friedfertig- 
keit durch  die  hl.  Elisabeth  von  Ponugal.  Den  Schluß 
macht  ein  jugendlicher  Japaner;  er  trägt  ein  Kreuz  und 
erinnert  so  an  die  blutige  Christenverfolgung  zu  Nanga- 
saki  im  Jahre  1630;  er  ist  der  Vertreter  jener,  die  um 
der  Gerechtigkeit  willen  Verfolgung  leiden.  Den  Hinter- 
grund zu  diesen  Figuren  bildet  die  Wand  einer  herrlichen 
Rosenlaube,  in  welcher  Vöglein  und  Schmetterlinge 
schweben.  Das  streng  und  doch  in  leichter  Anmut  ge- 
zeichnete Stabwerk  endet  oben  in  einem  Kranze.  Reich 
ist  das  Laub  und  üppig  der  Schmuck  der  unzähligen 
Rosen;  sie  erinnern  an  die  wunderbare  Verwandlung 
des  Brotes,  welches  EHsabeth  den  Kranken  und  Armen 
bringen  wollte.  Am  vorderen  Rande  des  Bildes,  nächst 
der  Wand  des  Kirchenschiffes,  schweben  kleine  Engel 
mit  roten  Flügeln.  Das  tiefe  Rot  der  Rosen  ist  zart  und 
gedämpft,  das  Laub  dunkel  blaugrün,  dazu  kommt  zartes 
Blau  und  Weiß  von  Himmel  und  Wolken.  Die  Färbung 
der  acht  Figuren  ist  abwechslungsreich  und  dabei  doch 
zurückhaltend  —  man  sieht  braun,  weiß,  gelblich,  der 


S4* 


^  NEUER  BISCHOFSSTAB.  —  WETTBEWERB  ^ 


WILHELM  LMMENKAMP  (MÜN'CHEN) 

König  trägt  weißes  Untergewand  mit  Golddeltor,  dar- 
über einen  gelben  Mantel  mit  blauem  Futter,  Elisabeili 
ein  zart  grünliches  Kleid,  roten  Mantel  mit  Hermelin. 
Alles  in  allem  ein  edel  stilisiertes  Kolorit  von  großer 
stiller  Wirkung.  Sie  ist  besonders  anzuerl;ennen  in  An- 
betracht der  schwierigen  Beleuchtungsverhältnisse  der 
Kapelle,  die  wiederholt  zu  Änderungen  zwangen.  An- 
zuerkennen ist,  wie  der  Künstler  es  verstanden  hat,  trotz 
der  fortwährenden  Wiederkehr  der  gleichen  wenigen 
Pllanzenmotive  alle  Einförmigkeit  zu  vermeiden,  und 
obgleich  er  ein  reich  belebtes  Bild  schuf,  diesem  doch 
vollständige  Ruhe  des  Eindruckes  zu  wahren.  —  Die 
Vorstandscliaft  der  Krankenanstalt  des  Dritten  Ordens  in 
München-Nymphenburg  hat  durch  den  Wettbewerb  nicht 
nur  zahlreichen  Künstlern  Gelegenheit  gegeben,  sich  an 
der  Lösung  einer  immerhin  bedeutenden  dekorativen 
Aufgabe  zu  versuchen,  sondern  hat  auch  veranlaßt,  daß 
München  um  ein  schönes,  in  hohem  Grade  beachtens- 
wertes Kunstwerk  reicher  geworden  ist.  Docrins 


NEUER  BISCHOFSSTAB 

(Abb.  Sonderbeilage) 

T")as  zweite  Heft  des XI.  Jahrgangs 
brachte  die  in  Silber  getriebene 
und  mit  Goldtauschierung  ver- 
zierte Madonna  von  Leo  Mol- 
drickx  (Köln).  Eine  gleichzeitig 
gearbeitete,  hervorragende  Lei- 
stung ist  sein  Bischofsstab  für  den 
neuen  Kölner  Weih  bischof  Dr.  Pe- 
ter Lausherg,  welchen  ihm,  dem 
bisherigen  Präses  desPriesiersemi- 
nars,  seine  früheren  Seminaristen 
widmeten.  Moldrickx  geht  hier 
von  dem  beliebten  Schema  eines 
architektonischen  Aufbaus  der 
Krümme  ab  und  kehrt  zur  Grund- 
form des  gekrümmten  Hirten- 
stabes zurück.  Diesen  umgibt  er 
oben  mit  Bandgeflecht,  welches 
zunächst  am  Knaule  vier  Elfen- 
beinreliefs und  Steine  umschließt. 
Die  Reliefs  sind  kräftig,  aber  doch 
weich  aus  dem  Materiale  heraus- 
gearbeitet, so  daß  sie  nicht,  wie 
so  oft  Elfenbeinreliefs  in  Verbin- 
dung mit  Goldschmiedearbeiten, 
flau  wirken.  Die  Reliefs  enthal- 
ten Darstellungen  aus  dem  Leben 
des  hl.  Petrus,  des  Namenspatro- 
nes  des  Bischofs.  Über  dem 
Knaufe  sind  in  den  Schaft  vier 
weitere  Reliefs  getrieben;  sie  zei- 
gen Heilige,  welche  zu  den  bis- 
herigen Wirkungskreisen  des  Bi- 
schofs in  Beziehung  stehen,  wie 
auch  die  vier  Wappen  in  Email. 
Im  übrigen  sind  die  Flächen 
zwischen  den  Bändern  mit  größe- 
ren, mattblauen  Emailplatten,  die 
durch  leine  Goldstege  in  Felder 
geteilt  und  belebt  werden,  sowie 
mit  kleineren  Emails  und  Steinen 
gefüllt.  Die  Emails  zeichnen  sich 
durch  saubere  und  akkurate,  der 
wenig  erhöhten  Umrahmung 
sorgfältig  angepaßte  Ausführung 
und  durch  ihre  recht  vornehm 
zum  Golde  gestimmten  Farben  aus.  Als  Füllung  der 
Krümme  sehen  wir  die  in  Silber  getriebene  Figur  des 
Guten  Hirten.  Durch  Mattierung  und  Häramerung  des 
Metalls  ist  erreicht,  daß  das  Auge  den  Stab  in  seiner 
wirklichen  Stärke  sieht,  während  die  sonst  übliche  Poli- 
tur einen  Stab  je  nach  dem  Einfallen  des  Lichtes  dünner 
erscheinen  läßt.  Mit  Freude  verzeichnen  wir  auch  diese 
originelle    .\rbeit    des   Meisters   in  Erwartung   weiterer 

Leistungen.  Dr.  Huppertz  CKöln) 

WETTBEWERB 

Über  den  in  Aussicht  genommenen  Wett- 
bewerb Für  die  künstlerische  Ausmalung 
der  St.  Maximilianskirche  in  München  wer- 
den wir  berichten,  sobald  sich  darüber 
Sicheres  sagen  läßt. 


EIN-  FELDGR.-\LER 


ST,  PAULSKIRCHE  IN  MÜNCHEN  VON  DR.  GEORG  VON   HAUBERRISSER 


HERMANN  NEUHAUS  (KÖLN) 

Modelt  des  Hirschrelie/s 


Nik.  Steinbach,   MetaUtreiiarieil 


MENSA  DES  NEUEN  HOCHALTARS  IN   BORBECK 
lon  Atig.  Witte.  —    Text  S.  iqi 


DER  NEUE  HOCHALTAR  DER  PFARRKIRCHE  ZUM  HL.  DIONYSIUS 

IN  ESSEN-BORBECK 

(Hierzu  die  Abbildungen  S.  189  bis  200) 


eine  der  schönsten  und  dankbarsten,  freilich 
*—  auch  der  schwierigsten  und  verantwor- 
tungsreichsten Autgaben,  an  welchen  die 
kirchliche  Kunst  der  Gegenwart  ihr  Können 
zu  erproben  hat,  stellt  unzweifelhaft  das  Al- 
tarproblem. Wenigstens  dann,  wenn  es  sich 
um  den  Sakramentsaltar  handelt,  der  in  den 
allermeisten  Fällen  zugleich  der  Hochaltar 
ist.  Das  Mittelalter  pflegte  das  Allerheiligste 
in  ein  Wandtabernakel  einzuschließen,  und  war 
damit  der  Notwendigkeit,  das  heilige  Gezelt 
organisch  in  den  Altar  einzugliedern,  für  ge- 
wöhnlich überhoben ;  eines  Expositoriums  be- 
durfte es  noch  weniger.  Später  erlassene 
kirchliche  Bestimmungen  schufen  hierin  durch- 
greifenden Wandel.  Die  Aufbewahrung  des 
Allerheiligsten  auf  dem  Altare  wurde  vorge- 
schrieben, die  von  der  Spätgotik  so  reizvoll 
ausgestalteten  »Sakramentshäuschen  j  verloren 
ihre  Bedeutung.  Die  damit  dem  Altarbau 
gestellte  Aufgabe  löste  die  Barockperiode  mit 
anerkennenswertem    Geschick ,    jedoch    blieb 


zu  beklagen,  daß  Tabernakel  und  Thronus 
von  dem  mächtigen  Fassadenbau  des  Auf- 
satzes nicht  selten  erdrückt  wurden.  Neue 
Lösungsversuche  brachte  die  im  vorigen  Jahr- 
hundert proklamierte  Rückkehr  zu  den  mittel- 
alterlichen Stilformen.  Inzwischen  hat  der 
Kult  der  heiligen  Eucharistie  eine  außerordent- 
liche Steigerung  erfahren,  das  Geheimnis  des 
Altares  ist  nachdrücklicher  als  je  zuvor  in 
den  Mittelpunkt  des  religiösen  und  gottes- 
dienstlichen Lebens  getreten,  die  Aussetzung 
des  Allerheiligsten  ist  weit  häufiger  gewor- 
den —  alles  Momente,  die  für  die  moderne 
Altarkunst  bedeutsame  Aufgaben  und  Forde- 
rungen in  sich  bergen.  Sie  lassen  sich  kurz 
dahin  präzisieren,  daß  der  Altar  in  seiner 
ganzen  Ausgestaltung  die  Idee  des  Gottes- 
zelts und  Gottesthrons  zu  ebenso  deutlichem 
wie  künstlerisch  vollendetem  Ausdruck  zu 
bringen   hat. 

Auf  eine  glanzvolle  Umrahmung  des  eucha- 
ristischen  Mittel-  und  Brennpunktes  der  Litur- 


Die  chrfstllche  Ku: 


190     ^  NEUER  HOCHALTAR  DER  DIONYSIUSKIRCHE  IN  BORBECK  ©SS 


gie  wie  der  privaten  Andacht  kann  und  darf     Tat  eine  locis.ende  Aufgabe,  diese  tiefsinnige 
natürlich  nicht  verzichtet  werden.     Aber  sie      Symbolik  in  die  Sprache  der  Kunst  zu  über- 


darf nicht  selbstsüchtig  und 
selbstherrlich  Auge  und  Auf- 
merksamkeit in  ihren  Bann 
zwingen.  Hin  zum  Allerheilig- 
sten,  nicht  von  ihm  weg  muß 
sie  führen,  sie  darf  nicht  zen- 
trifugal wirken.  Die  liebens- 
würdige Redseligkeit  des  goti- 
schen Altarwerks  mit  seiner 
Fülle  unterhaltsamer  Schilde- 
rungen in  Bild  und  Bildnerei 
gerät  mit  dieser  Forderung 
leicht  in  Konflikt,  nicht  min- 
der auch  die  imponierende 
Wucht  des  mächtigen  Barock- 
altars mit  seinem  Bilder-  und 
Statuenschmuck.  Am  besten 
wird  ihr  jedenfalls  entspro- 
chen, wenn  eine  einheitliche 
Idee,  die  sich  mit  dem  eucha- 
ristischen  Geheimnisse  inner- 
lich berührt,  das  Ganze  be- 
herrscht und  zusammen- 
schließt. 

In  dem  neuen  Hochaltar  der 
Pfarrkirche  zu  Borbeck  ist 
dieses  Postulat  in  einer  Weise 
verwirklicht,  die  eine  Würdi- 
gung dieserinmitten  derKriegs- 
wirren  vollendeten  Schöpfung 
rheinischer  Kunst  an  die- 
ser Stelle  wohl  rechtfertigen 
dürfte. 

Als  Leitmotiv  für  das  ge- 
plante Altarwerk  bestimmte 
Herr  Pfarrer  Hamm  eis- Bor- 
beck die  Johanneische  Vision 
des  himmlischen  Jerusalems  (Apok.  21,2  bis 
22,3):  »Ich  sah  die  heilige  Stadt,  das  neue 
Jerusalem,  vom  Himmel  her,  von  Gott,  her- 
niedersteigen, geziert  wie  eine  Braut,  die  für 
ihren  Bräutigam  sich  geschiuückt  hat.  Und 
ich  hörte  vom  Throne  her  eine  starke  Stimme 
rufen:  Siehe  die  Wohnung  Gottes  unter  den 
Menschen!  Und  er  wird  bei  ihnen  wohnen, 
und  sie  werden  sein  Volk  sein,  und  er,  Gott 
selber,  wird  unter  ihnen  sein  als  ihr  Gott« 
(Apok.  21,2  und  3).  Es  bedarf  keiner  gewag- 
ten Deutungskünste,  um  diese  Stelle  auf  das 
Geheimnis  der  heiligen  Eucharistie  zu  bezie- 
hen. Die  sehr  ins  einzelne  gehende  Schilde- 
rung der  Gottesstadt,  wie  sie  der  Seher  von 
Patmos  weiterhin  entwickelt,  bot  der  künst- 
lerischen Gestaltung  der  schönen  Idee  feste 
Richtlinien  und  eine  schier  unerschöpfliche 
Fülle  dankbarer  Einzelmotive.   Es  war  in  der 


SCHNITT  DES  NEUEN"   HOCHALTARS 

DER   KIRCHE  IN  ESSEN-BORBECK 

l'gl.  Abb.  S,  iqi 


setzen  ! 

Aber  freilich  —  so  schön 
die  Aufgabe  war,  ebenso 
schwierig  war  sie  auch.  Es 
sollte  etwas  Neues  geschaffen, 
nicht  eine  Anleihe  bei  der 
^'ergangenheit  gemacht  wer- 
den. Im  Rheinland  bedeutet 
es  ein  kleines  Wagnis,  wenn 
Besteller  und  Künstler  sich 
entschließen,  moderner  Kunst 
den  Weg  ins  Heiligtum 
zu  bahnen ;  die  Tradition 
ist  einstweilen  noch  in  bevor- 
rechtetem Besitzstande.  In 
Borbeck  fand  man  erfreulicher- 
weise den  Mut  zu  diesem 
Wagnisse,  obschon  mancher- 
lei Schwierigkeiten  hervortra- 
ten, deren  Bewältigung  keine 
leichte  Sache  war.  Die  Raum- 
verhältnisse waren  nicht  gün- 
stig. Das  Innere  der  neu- 
gotischen Borbecker  Pfarr- 
kirche, eine  langgestreckte, 
dreischiffige  Halle  mit  viel  zu 
niedrigem  Mittelschiff"  und  da- 
durch bedingtem  starkem  Miß- 
verhältnisse der  Höhe  zur 
Länge  und  Breite,  stellt  sicher- 
lich kein  ideales  Raumbild 
dar.  Der  Eindruck  des  Dump- 
fen, Seh  werfälligen.  Lastenden, 
den  das  weiträumige  Schiff 
macht,  forderte  gebieterisch 
einen  klaren  festen  Raumab- 
schluß nach  Osten  hin,  wo  bis- 
her die  tiefherabreichenden  Fenster  der  Ap- 
sis  mit  ihren  großfigurigen  Glasgemälden 
das  Gegenteil  eines  solchen  erzielt  hatten. 
Dem  neuen  Hochaltar  mußte  also  eine  Lei- 
stung aufgebürdet  werden,  ähnlich  derjeni- 
gen, die  im  Mittelalter  der  Lettner  übernahm, 
der  das  Schiff  gegen  den  Chor  abgrenzte  und 
so  dem  ersteren  die  Wirkung  des  geschlosse- 
nes Raumes  sicherte.  Dabei  drohte  ihm 
aber  eine  Gefahr,  die  dem  Lettner  erspart 
blieb,  von  der  rückseitigen  Belichtung  durch 
die  bedenklich  nahen  Riesenfenster  der  Apsis, 
deren  mißHche  l'olge  die  Verdunkelung  seiner 
Schauseite  sein  mußte. 

Begreiflich,  daß  nicht  gleich  der  erste  Wurt 
gelang.  Aber  man  ließ  sich  nicht  entmuti- 
gen. Der  Kölner  Architekt  B.  D.  A.  Herm. 
Neu  haus,  in  dessen  Hand  das  Projekt  ge- 
legt worden  war,  ruhte  nicht,    bis    eine   Lö- 


NEUER  HOCHALTAR  DER  DIONYSIUSKIRCHE  IN  BORBECK  ©:2a      191 


HERMANN  NEUHAUS 


\i-ui;k  imciiAi,! ai;  dir  InIkchk  i\  i;okbeck 


sung  gefunden  war,  die  diesen  Namen  voll- 
auf verdiente  und  auch  den  Beifall  der  maß- 
gebenden Stellen  fand.  Der  Ausbruch  des 
Krieges,  der  die  Ateliers  der  schaffenden 
Künstler  entvölkerte  und  auch  Herrn  Neu- 
haus selber  zu  den  Fahnen  rief,  brachte  neue 
Hindernisse.  Aber  auch  sie  wurden  glück- 
lich überwunden,  und  in  verhältnismäßig  kur- 
zer Zeit  stand  das  prächtige  Werk  vollen- 
det da. 

Die  Mensa  des  früheren  Hochaltares  ist  bei- 
behalten (Abb.  S.  189).  Sie  wurde  mit  tief- 
rotem  französischem  Marmor  umkleidet,  der 
in  Platten  von  2  cm  Stärke  auf  Beton- 
grund versetzt  wurde.  Die  Ausführung  in 
massiven  Marmorblöcken  widerriet  sich  schon 
wegen    der    Kostspieligkeit    des    ausgesucht 


edlen  Materials,  aber  auch  wegen  der  starken 
Niederschläge,  die  an  massiven  Marmorkon- 
struktionen bei  feuchter  Witterung  aufzu- 
treten pflegen.  Für  die  Altarstufen  wurde 
grüner  griechischer  Marmor  (Vert  de  Tinos) 
gewählt,  der  mit  dem  satten  Rot  der  Mensa 
prachtvoll  zusammenklingt.  Dem  Aufsatz  des 
Altares  wurde  die  Form  einer  nach  dem 
Schiffe  hin  in  mächtigem  Spitzbogen  sich 
öffnenden  Concha  gegeben,  welche  in  Rabitz 
ausgeführt  wurde  und  in  ihrem  etwas  rauh 
gelassenen  Verputz  einen  vortrefflichen  Mal- 
grund darbot.  Mit  den  Chorwänden  ist  der 
Aufbau  durch  zwei  Durchgänge  mit  brücken- 
artiger Überdachung  verbunden,  so  daß  ein 
vollständiger  Raumabschluß  in  ähnlicherWeise, 
wie  ihn    die  Kunst   des  Barock    herzustellen 


192 


VOM  NEUEN  HOCHALTAR  IN  ESSENBORBECK 

Die  Evangelistenreli^fs  entivor/en  von   Bildhauer  Nikolaus  Steinbach   in   Köln, 

in   Treibarbeit  ausgeführt  von  Aug.  IViite  in  Aachen.    —    Die  Dionysiusstatue 

von   Georg    Grasegger  in  Köln 


193 


VOM  NEUEN  HOCHALTAR  IN  ESSEN  BORBECK 

DU  Evang,lnte„rdu-/s  .nf.vor/en  von  Bildhauer  Nikolaus  SUinbach  in  Köln, 

in   Treibarbeit  a,.see/i'hrt  von  A.gust  Witte  in  Aachen.  -  Die  Donatusstatue 

von  Georg  Crasegger  in  Köln 


194 


VOM  NEUEN  HOCHALTAR  IN  ESSEN  BORBECK 

Malerei:  H.  Brey,   Geldern, 
Ldmmchen  und  Tore:    l^iHe,  Aachen 


NEUER  HOCHALTAR  DER  DIONYSIUSKIRCHE  IN  BORBECK 


'95 


liebte,  gewonnen  wurde.  Mit  Aus- 
nahme der  eigentlichen  Concha 
wurde  der  gesamte  Aufbau  des  Al- 
tares in  gelbem  spanischem  Broka- 
tellomarmor  ausgeführt.  Den  Spitz- 
bogen umsäumt  ein  in  Kupfer 
getriebener,  vergoldeter  Kamm,  des- 
sen Trauben-  und  Ahrenmotiv  sinn- 
voll auf  die  eucharistischen  Gestalten 
hindeutet;  über  die  Durchgänge 
hin  spinnt  er  sich  als  prächtige  Ro- 
sengirlande mit  Blättern,  Knospen 
und  vollerschlossenen  Blüten  zu  den 
Chorwänden  fort.  Im  Interesse  der 
stärkeren  plastiscken  Wirkung  ist 
der  Kamm  nicht  aus  der  Platte  ge- 
trieben, sondern  in  einzeln  getrie- 
benen Ranken  ausgeführt,  die  dann 
ineinander  verflochten  wurden  und 
ein  ungemein  reizvoll  durchbro- 
chenes, luftiges  Flechtwerk  darstel- 
len. Den  krönenden  Abschluß  des 
Aufbaus  bildet  das  in  eine  Gold- 
strahlen entsendende  Sonne  hinein- 
gestellte Monogramm  Christi. 

Dem  mächtigen  marmornen  Kör- 
per des  Hochaltars  galt  es  nun  Seele 
und  Leben  einzuhauchen,  eine  Auf- 
gabe, in  deren  Lösung  sich  Maler 
und  Goldschmied  zu  teilen  hatten. 
Im  engsten  Anschlüsse  an  die  jo- 
hanneische  Schilderung  des  himmli- 
schen Jerusalem  zeigt  die  Concha 
die  hohe  Mauer  der  Gottesstadt  mit 
zwölf  geöffneten  Toren  (Apok.21, 
12),  deren  messinggetriebene  ver- 
goldete Füllungen  die  strahlende 
Pracht  der  heiligen  Stadt  wenig- 
stens ahnen  lassen.  Die  heilige 
Zwölfzahl  beherrscht  auch  das  Fun- 
dament der  Mauer  (Apok.  21,  14 
und  19);  auf  zwölf  Grundsteinen 
ruht  sie,  die  bezeichnet  sind  mit 
den  Namen  der  zwölf  Apostel  des 
Lammes  (V.  14)  und  geschmückt 
mit  allerlei  köstlichen  Edelsteinen ; 
sie  werden  (V.  19  und  20)  im  ein- 
zelnen aufgezählt.  Der  Künstler  ist 
dem  heiligen  Text  treulich  gefolgt, 
nur  daß  statt  der  bloßen  Namen 
der  Apostel  in  Anlehnung  an  früh- 
christliche Vorbilder  beiderseits 
sechs  nach  der  Mitte  hin  schrei- 
tende Lämmer,  in  vergoldeter 
Bronze  gearbeitet,  den  zwölfteiligen 
Mauersockel  beleben.  An  oder  viel- 
mehr über  den  Toren  halten  Engel- 
gestalten Wache;  ihre  farbenpräch- 


TABERNAKELLEUCHTER 
«  H.  Meuhaus,  Aus/nhruttg  ; 


196 


NEUER  HOCHALTAR  DER  DIONYSIUSKIRCHE  IN  BORBECK 


tige  Gewandung  hebt  sich  wirkungsvoll  ab  von 
dem  leuchtenden  Goldgrund.  In  der  Höhe  er- 
scheint das  göttliche  Lamm,  von  dem  gol- 
dene Strahlen  ausgehen  und  herniedergleiten 
auf  die  heilige  Stadt,  die  >  nicht  der  Sonne 
bedarf  und  nicht  des  Mondes,  daß  sie  in  ihr 
scheinen,  denn  ihre  Leuchte  ist  das  Lamm« 
(V.  23). 

Gezelt  und  Thron  des  Gotteslammes  — 
das  und  nichts  anderes  will  der  Altar  sein. 
Darum  steht  das  Tabernakel  völlig  frei,  durch 
nichts  verdeckt  und  eingeengt,  vor  der  schim- 
mernden Pracht  der  Concha.  Es  dient  zu- 
gleich als  Thronus  für  die  Exposition  des 
AUerheiligsten.  Der  übliche  säulengetragene 
Baldachin   fehlt ;   ganz  frei  soll  sich  das  Sank- 


TABERN.'^KELTORE  des  neuen  HOCHALTARS 
H.  Ntuhaus,  Auf/,  in   Trtiklcchiiik  und  Email  von 


tissimum  den  frommen  Blicken  der  anbeten- 
den Gemeinde  zeigen.  Dafür  schwebt  von  der 
Höhe  des  überwölbenden  Spitzbogens  eine 
prachtvolle  Krone  (Abb.  S.  197)  in  köstlicher 
Treibarbeit  mit  grünem  Emailschmuck  hernie- 
der; auf  ihrer  knaufartig  gestalteten  Spitze  er- 
scheint die  Taube,  das  Symbol  des  hl.  Geistes, 
dessen  gnadenspendendes  Walten  in  der  heili- 
gen Eucharistie  seine  schönsten  Triumphe 
feiert.  Vom  Gnadensegen  des  hl.  Sakraments 
erzählt  in  sinnvoller  Symbolik  der  Schmuck 
der  Tabernakeltür  (Abb.  unten).  Inhaltlich  be- 
stimmte ihn  derAnfang  des  22. Kapitels,  wo  der 
hl. Seher  erzählt;  »Und  er  (der  Engel)  zeigte 
mir  den  Strom  des  Wassers  des  Lebens,  der 
hell  war  wie  Kristall  und  herkam  vom  Throne 
Gottes  und  des  Lam- 
mes. Inmitten  der 
Straße  beiderseits  des 
Lebensstromes  stand 
der  Baum  des  Lebens, 
der  zwölferlei  Früchte 
trägt  und  für  jeden 
Monat  seine  Frucht 
bringt,  und  die  Blätter 
des  Baumes  sind  zur 
Heilung  der  Völker« 
(22,  I  und  2).  Ge- 
sclückte  Künstlerhand 
hat  das  reizvolle  Mo- 
tiv mit  feinstem  Ge- 
schmack und  bewun- 
derungswürdiger 
technischer  Vollen- 
dung auszuschöpfen 
verstau  den.  DerGrund 
ist  in  blauem  Email 
gehalten,  die  Blätter 
sind  in  Mattgold  ge- 
trieben, die  köstlichen 
I'rüchte  durch  Edel- 
steine angedeutet;  für 
die  klare  Flut  des  Le- 
bensstromes ist  ein 
lichter  Emailton  ge- 
wählt. Das  Ganze 
verschmilzt  zu  einem 
Farbenakkord  von 
entzückender  Schön- 
heit. —  Der  sonstige 
Schmuck  des  Altar- 
werks hält  sich  in 
ziemlich  enggezoge- 
nen Grenzen.  Jede 
Überladung,  alles  was 
die  ruhige  Geschlos- 
ivT  u,^PDI^r-I•  senheit    des    Gesamt- 

IN  BORBEClv  .  r  1      J 

Aug.  witu.  -  T,xi  r..bf„au  euidrucks    gefährden 


197 


FREIHÄNGENDE  EXPOSITIONSKRONE 


über  dem    Tnternakd  des  ne 

von  H.  Neuhnus   in  Köln,     y 

von  Aug.  Witte 


en  .Altars  in  Essen-Borbick.  Eni-diurj 
is/uhrung  in  Treibarbeit  mit  Email 
1  .-iachen.  —   Text  S.  iqb 


Die  christliche  Kunst.    XII,     7 


198 


NEUER  HOCHALTAR  DER  DIONYSIUSKIRCHE  IN  BORBECK  ©S^ 


lli  M  II  \l   I  \KI  I  1  eil  I  HR 

Ellt'.viir/  rv«    //.   .\V;,/'l.j;,i,    Au!/ukr:i,ig  Aug.    Wittt 

für  den  iieutii  Altar  in  llorbeck 

würde,  ist  sorglich  vermieden.  Die  Schauseite 
der  Mensa  zeigt  in  der  Mitte  eine  treft  hohe  Treib- 
arbeit, den  Lebensbrunnen,  an  dem  zwei  fein 
modelherte  Hirsche  ihren  Durst  loschen  — 
Bilder  der  Seelen,  die  aus  der  eucharistischen 
Gnadenquelle  Hinimelskraft  schöpfen ;  seit- 
lich in  quadratischer  Fläche  je  eine  Vase  mit 
daraus  hervorquellendem  Rankenwerk  (Abb. 
S.  189).    Die  Brückenbedachungen  der  beiden 


seitlichen  Durchgänge,  die  mit  Teppichen  in 
der  jeweiligen  Festzeit  entsprechenden  Farben 
geschlossen  sind,  empfingen  einen  passenden 
Schmuck  durch  die  quadratisch  umrahmten, 
in  Kupfer  getriebenen  und  vergoldeten  Me- 
daillons der  vier  Evangelisten  mit  dem  A 
und  Q,  die  auf  die  ewige  Gottheit  des  eucha- 
ristischen Heilandes  hindeuten  (Apok.  21,   6). 

Von  erheblicher  Bedeutung  für  die  Ge- 
samtwirkung sind  die  den  Aufbau  flankieren- 
den, prachtvoll  modellierten  Statuen  des 
Pfarrpatrons,  des  heiligen  Bischofs  und  Blut- 
zeugen Dionysius,  und  des  Soldatenmärtyrers 
St.  Donatus,  deren  lebendig  bewegte  Silhouette 
den  strengen  Ernst  des  Aufbaues  mildert  und 
belebt.  Einstweilen  sind  es  noch  erst  Mo- 
delle, doch  hat  sich  für  die  Ausführung  be- 
reits ein  gebefreudiger  Stifter  gefunden  (Abb. 
S.  192  und    193). 

Zusammenfassend  darf  gesagt  werden,  daß 
der  neue  Borbecker  Hochaltar  in  der  Reihe 
neuerer  und  neuester  Lösungsversuche  des 
Altarproblems  einen  ehrenvollen  Platz  bean- 
spruchen darf  Klare  und  straff  geschlossene 
Komposition,  Einheitlichkeit  und  lichtvolle 
Durchführung  der  dem  Ganzen  zugrunde  lie- 
genden Jdee,  Verzicht  auf  alles  und  jedes 
Beiwerk,  das  lediglich  als  Zutat  und  Dekor 
erscheinen  würde,  vorbildliche  Sorgfalt  der 
technischen  Ausführung  und  endlich  die 
außerordentlich  glückliche  farbige  Wirkung, 
das  alles  macht  den  Altar  zu  einem  Meister- 
werk, zu  welchem  man  den  Meister,  der  es 
entwarf,  die  Künstler,  die  es  ausführten,  und 
die  Gemeinde  die  es  besitzt,  beglückwünschen 
darf  Es  wird  noch  wesentlich  an  eindrucks- 
voller Wirkung  gewinnen,  w-enn  einmal  die 
störende  Bemalung  des  Chores  beseitigt  und 
das  untere  Drittel  der  Apsisfenster,  wenn 
nicht  entfernt,  dann  wenigstens  so  stark  ver- 
dunkelt sein  wird,  daß  der  Altar  einen  Hinter- 
grund, von  dem  er  sich  abheben  kann,  und 
bessere  Belichtung  gewinnt. 

Die  Kosten  beliefen  sich  aut  insgesamt 
32  500  Mark. 

Gleichzeitig  mit  der  Ausführung  des  Hoch- 
altars wurde  die  an  der  Südseite  des  Chores 
gelegene  vormalige  Taufkapelle  in  eine  Jo- 
sephskapelle umgewandelt  und  durch  einen 
dreiteiligen  Mauerdurchbruch  mit  dem  Kir- 
cheninnern  verbunden.  Der  kleine  Raum 
birgt  einen  einfach  gehaltenen  Marmoraltar 
mit  sitzender  Statue  des  hl.  Joseph  und  macht 
mit  seiner  geschmackvollen  Bemalung  und 
seiner  in  freundlichwarmem  Ton  gehaltenen 
Marmorverkleidung  einen  recht  anheimelnden 
Eindruck  (Abb.  S.  199). 

Es  erübrigt  noch,  derjenigen  ehrenvoll  zu 


NEUER  HOCHALTAR  DER  DIONYSIUSKIRCHE  IN  BORBECK  ^S      199 


HER.MAXX  XtLllALi 


Gesamtbild  des  Dttrchbritchs  zu 


ST.  JOSEPHS-KAPELLE 
Kapelle  der  F/arrkircke  in  Borbeck.  —    Text  S.  igS 


gedenken,  die  ihre  Kräfte  in  den  Dienst  des 
schönen  Werkes  gestellt  haben.  Der  Ge- 
samtentwurf wie  auch  die  sämtlichen  Detail- 
zeichnungen zu  den  Marmor-  und  Metäll- 
arbeiten  lieferte  Architekt  B.  D.  A.  Hermann 
Neuhaus-Köln,  der  auch  bereits  für  das 
Altarkreuz  und  die  Monstranz  vorläufige  Ent- 
würfe vorgelegt  hat  (Abb.  S.  200).  Ihm  war 
auch  die  Leitung  und  Überwachung  der  ge- 
samten Arbeiten  anvertraut.  Die  Marmor- 
arbeiten führte  die  Firma].  P.  Rader m acher- 
Aachen,  Hoflief.  Sr.  Maj.  des  Kaisers,  aus.  Die 
sämtlichen  Metall-  und  Goldschmiedearbeiten 
entstammen  dem  rühmlichst  bekannten  Ate- 


liers des  Hof-  und  Stiftsgoldschmieds  Aug. 
Witte-Aachen,  Kunstmaler  Heinrich  Brey- 
Geldern  lieferte  die  Kartons  und  führte  die 
Bemalung  der  Concha  und  der  Josephskapelle 
aus.  Die  Modelle  zu  dem  Hirschrelief  der 
Mensa,  den  Evangelistenmedaillons  und  der 
Josephsgruppe  lieferte  Bildhauer  Jos.  Stein- 
bach-Köln, diejenigen  der  beiden  freistehen- 
den Figuren  der  Pfarrpatrone  Bildhauer  Prof. 
Georg  Grasegger,  Lehrer  an  der  Kunst- 
gewerbeschule in.  Köln. 

Als  sachkundiger  Berater  machte  sich  Kon- 
servator Dr.  Fritz  Witte-Köln  um  das  Werk 
besonders  verdient.  Dr.  A.  Lauscher-Köln 


GEORG  VON  HAUBERRISSER 


ENTWURF  ZU  EINER  MONSTRANZ  FÜR  ESSEN- BORBECK 
Text  S.  tgc) 


GEORG  VON  HAUBERRISSER 

Hierzu  Abb.  S.  201—207  "'tI  '•  Sonderbeilage 

In  treuer  Verehrung  für  den  Altmeister 
A  mittelalterlicher  Baukunst,  Georg  v.  Hauber- 
risser,  der,  seit  kurzem  75  Jahre  alt,  auf  eine 
reiche  baukünstlerische  Tätigkeit  sowohl  in 
Deutschland  als  auch  in  Österreich  zurück- 
blicken kann  und  in  voller  Frische,  wie  ein 
Jugendlicher,  weiterschafft,  soll  dieser  Artikel 
geschrieben  sein. 

Einiger  Vertreter  mittelalterlicher  Baukunst 
in  den  letzten  Dezennien  vorigen  Jahrhun- 
derts: Ungewitter,  Hase,  Friedr.  Schmidt, 
Meckel,  Schäfer  und  Hehl  haben  wir  in 
Heft  7,  Jahrgang  191 2  und  S.  97  ff.  des  Jahr- 
gangs 1904  in  Ehren  gedacht,  einen  Lorbeer 
diesen  Kämpfern  und  Helden  gewunden,  die 
sich,  der  eine  mehr,  der  andere  weniger,  trotz 


allerhand  Mißgeschick  durchge- 
arbeitet haben,  herrliche  Werke 
schufen  und  einen  Kreis  Schüler 
bildeten,  von  denen  Georg  Hauber- 
risser  als  fruchtbarster  an  erster 
Stelle  steht. 

Der  Münchener  Meister,  ein 
Schüler  des  berühmten  Gotikers 
Friedrich  Schmidt  in  Wien,  hält 
in  unserer  hastigen,  schnellebigen 
Zeit,  die  Neuerungen  auf  Neue- 
rungen in  der  Kunst  auftauchen 
und  oftmals  auch  rasch  wieder- 
verschwinden läßt,  das  Banner 
der  mittelalterlichen  Kunst  hoch. 
Wie  ein  großer  Schatzmeister  einer 
mächtigen  Kunstperiode  der  Ver- 
gangenheit, so  steht  er  vor  uns, 
ein  Epigone,  der  noch  einmal  den 
Geist  einer  verschwundenen  Kul- 
tur aufbauen  läßt  und  diese  mit 
der  neuen  Zeit  und  deren  tech- 
nischen Anforderungen  zu  verbin- 
den strebt.  Nicht  rechts  und  links 
schauend,  geht  er  geradeaus  seine 
Wege,  unbekümmert,  wie  An- 
dersdenkende sein  Schaffen  kriti- 
sieren. Das  Barett  auf  dem  Kopfe, 
wie  ein  echter  mittelalterlicher 
Meister,  treffen  wir  ihn  in  seiner 
)Bauhütte«,  dem  Atelier  an,  lä- 
chelnd über  solche  Urteile,  als 
wenn  er  sagen  wollte :  Macht's 
besser ! 

Und  welch  guten  Humor  ent- 
faltet der  immer  liebenswürdige 
Künstler,  wenn  er  nach  getaner 
Arbeit  die  Künstlervereinigung  der 
»Geselligen«  aufsucht  und  dort  als 
einer  der  Senioren  an  den  "Aposteltisch«  in- 
mitten seiner  lieben  Altersgenossen  —  bekann- 
ten Malern,  Bildhauern  und  Architekten  —  den 
gewohnten  Platz  einnimmt,  alle  durch  seinen 
Frohsinn  und  manch  guten  Witz  erheiternd. 
Ja,  in  seiner  lieben  »Geselligen«  im  großen 
Künstlerkreise  von  Freunden  alten  Schlages 
weilt  er  am  liebsten,  denn  da  ist  gut  sein  und 
Anregung  beseelt  das  Künstlerherz  zum 
Schaffen  für  den  kommenden  Tag.  Dort  ist 
der  inzwischen  Ehrenmitglied  gewordene 
Meister  aus  Anlaß  seines  60.  bezw.  70.  Ge- 
burtstages hoch  gefeiert  worden.  Zu  ersterem 
hatten  seine  alten  Getreuen  unverhofft  ein 
köstlich  Festspiel  vorbereitet,  in  welchem 
Meister  Jörg  Ganghofer,  der  Erbauer  der 
Münchener  Frauenkirche,  auf  der  Bühne  er- 
schien und  seinem  Kollegen  aus  neuer  Zeit 
gratulierte  und  in  humorvoller  Rede  feierte. 


^  GEORG  VON  HAUBERRISSER  ES^ 


Der  inzwisclien  verstorbene,  damals  bald 
Sojährige  bekannte  Kunstmaler  Julius  Frank 
stellte  meisterhaft,  im  Gewand  des  15.  Jahr- 
hunderts, den  Ganghofer  dar  und  gab  ihm 
ganz  den  charakteristischen  Typus  des  Bau- 
meisters aus  alter  Zeit,  wie  es  wohl  kein 
Jüngerer  besser  verstanden  hätte.  Meister 
Ganghofer  hatte  es  sich  nicht  nehmen  lassen, 
zu  dem  Geburtstage  seines  um  vier  Jahrhunderte 
später  geborenen  Kollegen  Hauberrisser  vom 
Himmel  herunterzusteigen  und  dabei  gleich- 
zeitig sein  liebes  München  von  heute  zu  be- 
trachten. Er  wandelt  einsam  in  den  Straßen, 
schaut  und  prüft  die  Häuser  und  das  jetzige 
Leben,  wobei  er  sich  mancherlei  treffender, 
satirischer  Seitenhiebe  nicht  enthalten  kann. 
Doch  als  er  am  Marienplatze  ankam  und 
Hauberrissers  Rathausbauten,  vor  allem 
die  damals  im  Bau  begriffene  St.  Paulskirche 
auf  der  Theresienwiese  sah,  da  zog  er  seine 
Mütze,  da  hatte  er  Respekt  und  begrüßte 
und  feierte  den  Jubilar,  wobei  alle  die  Mit- 
glieder aus  innerer  Überzeugung  und  von 
ganzem  Herzen  in  das  Urteil  Ganghofers 
(Franks)  einstimmten. 

Dies  sei  nur  ein  kleines  Beispiel,  wie  be- 
liebt Hauberrisser  bei  seinen  zahlreichen  Künst- 
lerfreunden aller  Gattungen  ist,  die  ihn  als 
wahren  Freund  und  Künstler  zu  achten  und 
zu  schätzen  wissen. 

»Was  ein  Häkchen  werden    will,    krümmt 


sich  bei  Zeiten.«  Früh  sehen  wir  ihn  schon 
zum  künftigen  Beruf  vorbereitet,  doch  sein 
Vater,  ein  angesehener  Fachmann,  ahnte 
wohl  damals  nicht,  was  der  Sohn  später 
als  Baukünstler  für  eine  Rolle  spielen  sollte. 
Bei  der  1865  ausgeschriebenen  Rathauskon- 
kurrenz in  München  beteiligte  er  sich  in 
jungen  Jahren,  und  trat  mit  einem  gotischen 
Entwurf  hervor,  was  für  ihn  ausschlaggebend 
war.  Trotzdem  der  gotische  Stil  —  gemäß 
dem  Konkurrenzprogramme  —  damals  aus- 
geschlossen sein  sollte,  erregte  Hauberrissers 
prächtiger  Entwurf  bei  den  Stadtvätern  Auf- 
sehen und  wurde,  trotz  der  Klausel,  zur  Aus- 
führung gewählt. 

»Glück  habe  ich  auch  gehabt«,  sagte  er 
einmal  zu  mir.  Nach  meinem  Dafürhalten 
ist  dieser  Ausspruch  ein  nicht  zu  unter- 
schätzender, schöner  Zug  unseres  Künstlers, 
worin  er  freimütig  anerkannte,  was  nur  zu 
oft  andere  Meister  nicht  Wort  haben  wollen. 
Doch  wissen  wir  ja  alle  aus  eigener  Erfahrung, 
daß  zu  dem  gröfJten  Können  auch  ein  Teil- 
chen Glück  nicht  fehlen  darf! 

In  Graz  als  Sohn  eines  aus  den  Rhein- 
landen nach  Österreich  eingewanderten,  an- 
gesehenen Baumeisters  am  19.  März  1841 
geboren,  besuchte  Hauberrisser  das  Tech- 
nikum, die  heutige  Technische  Hochschule  in 
Graz,  worauf  er  1862  nach  München  ging 
und    daselbst    an   der  Akademie   unter   Neu- 


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DR.  GEORG  VON  HAUBERRISSER 


ENTWURF  zu  EINEM  NEUEN  N.^TIONALMUSEUM  IN  MÜNCHEN 
Text  S.  204 


GEORG  VON  HAUBERRISSER  mm 


DR.  GEORG  VON  HAUBERRISSER 


reuther,  Ziebland  und  Lange  seine  Studien 
fortsetzte.  Der  damalige  Ruf  der  Bauakade- 
mie in  Berlin,  wo  Namen  wie  Strack  und 
Böttcher  eine  große  Anziehungskraft  auf 
junge  Architekten  ausübten,  zog  auch  Hauber- 
risser  an,  weshalb  er  zur  weiteren  Ausbil- 
dung nach  Berlin  ging.  Um  sich  jedoch  in 
der  mittelalterlichen  Bauweise  zu  vervoll- 
kommnen, vollendete  er  seine  Studien  an  der 
Akademie  der  Künste  in  Wien,  wo  der 
große  Gotiker  Friedrich  Schmidt  wirkte. 
Wir  sehen  hieraus,  daß  Hauberrisser  eine 
vielseitige  und  gute  Ausbildung  als  Architekt 
sich  aneignen  konnte. 


Von  entscheidendem  Einfluß  für  Hauber- 
rissers  ganzes  Leben  war  die  Schule  Wiens 
unter  dem  Gotiker  Friedrich  Schmidt.  Kurz 
nach  seinem  Weggange  von  dort  beteiligte 
er  sich  an  der  schon  erwähnten  Rathaus- 
konkurrenz in  München  mit  Erfolg,  erhielt 
die  Ausführung  und  seitdem  wurde  er  für 
die  späteren  An-  und  Neubauten  der  Rat- 
hausarchitekt der  bayerischen  Hauptstadt. 
Dadurch  zu  Namen  gekommen,  baute  er 
das  Rathaus  zu  Kaufbeuren,  dann  jenes  in 
Wiesbaden  (Abb.  S.  204)  und  St.  Johann  an 
der  Saar,  Bauten,  in  denen  er  den  Stil  der 
Spätzeit    deutscher    Gotik    bezw.    deutscher 


203 


204 


e^ü  GEORG  VON  HAUBERRISSER  ^ 


DK.  GKORG  VON  HAUBERRISSER 


RATHAUS  IX  WIESBADEN 


Renaissance  zur  Anwendung  brachte.  Her- 
vorragend ist  seine  Tätigkeit  in  kirchlichen 
Bauten;  so  schuf  er  zwischen  1881  —  91  die 
Herz-Jesu- Kirche  im  Osten,  im  Stadtteil  Leon- 
hard,  an  der  Naglergasse  zu  Graz.  Endlich 
1892 — 1906  baute  er  die  ansehnliche,  präch- 
tige, in  den  reichen  Formen  der  Gotik  gehal- 
tene St.  Paulskirche  auf  der  Theresienwiese 
in  München,  auf  die  wir  später  eingehen 
werden  (vgl.  I.  Sonderheilage). 

Beim  Wettbewerb  zum  Rathaus  in  Wies- 
baden, 1882,  erhielt  Hauberrisser  die  Aus- 
führung. Es  folgt  sodann  der  Bau  des  Kaul- 
bachmuseums in  München,  dem  in  und  um 
München  und  anderwärts  eine  Reihe  von 
städtischen  und  ländlichen  Wohnhäusern 
folgten,  unter  ihnen  die  Häuser  Defregger 
und  Hailcr  in  München  (Abb.  S.  206  u.  207), 
sowie  Schloß  Näher  bei  Lindau.  Eines  der 
umfangreichsten  Werke  des  Meisters  ist  die 
Wiederherstellung  der  Deutsch-Ordensburg 
Busau  im  ncirdlichen  Mähren  für  den  Erz- 
herzog Eugen  von  Österreich.  Die  Hochburg 
aus  drei  Stilepochen :  Gotik,  Frührenaissance 
und  Renaissance  des  17.  Jahrhunderts,  ist  aut 
einem  ziemlich  steilen  Berg  gelegen,  weithin 
.sichtbar    und    gewährt    prachtvolle    Aussicht 


auf  die  Sudeten.  Die  noch  vorhandenen 
Mauern  der  früheren  Burganlage  wurden  teil- 
weise benutzt.    (Abb.  S.  202.) 

Offenbar  in  Anlehnung  an  die  Wirkung 
der  reichen  Rathäuser  in  Belgien  ist  das  neue 
Rathaus  in  München  entstanden.  Um  dem 
Grade  des  Reichtums  vom  neuen  Teile  zu 
folgen,  mußte  sich  der  ältere  Teil  eine  Um- 
gestaltung gefallen  lassen,  so  daß  nunmehr 
eine  einheitliche  Baugruppe  mit  mächtigem 
Turm  den  Marienplatz  ziert  und  hier  ein 
Städtebild  geschaffen  ist,  das  an  manches 
schöne  Städtebild  in  Belgien  erinnert  (Abb. 
Jahrgang  VII,  Seite  238 — 240). 

Bekannt  ist  sein  glänzendes  Projekt  für  das 
neue  Nationalmuseum  in  München  (Abb. 
S.  201),  wozu  seinerzeit  eine  engere  Konkur- 
renz veranstaltet  wurde,  worauf  Professor  Ga- 
briel v.  Seidls  Entwurf  zur  Ausführung  kam. 
Einen  sehr  bedeutenden  Teil  der  Tätigkeit 
Hauberrissers  nehmen  die  Wiederherstel- 
lungsbauten ein :  die  Wiederherstellung  der 
Rathäuser  in  Ulm  (Abb.  S.  203)  und  Lands- 
hut, dann  der  Sebalduskirche  in  Nürnberg, 
die  er  in  Gemeinschaft  mit  seinem  Schüler 
Prof.  Schmitz  in  Nürnberg  durchführte,  u.  a. 
mehr.    Soweit   die   Lebensbeschreibung   und 


©S^  GEORG  VON  HAUBERRISSER  ^^ 


205 


GEORG  VON  HAUBERRISSER 


RATHAUS  IN  ST.  [OHANN  A.  D.  SAAR 


die  Bautätigkeit  in  Umrissen.  Es  soll  nun 
auf  einige  Werke  des  Meisters  näher  einge- 
gangen werden. 

Durchwandern  wir  das  Münchener  feine 
Villenviertel  nach  derTheresienwiese  zu,  dort, 
wo  alljährlich  das  Oktoberfest  abgehalten 
wird,  so  überrascht  uns  als  Abschluß  des 
Platzes  ein  prachtvoller  gotischer  Kirchenbau, 
der  auf  den  ersten  Blick  seinen  Schöpfer  als 


vollendeten  Meister  der  Gotik  erkennen  läßt. 
Es  ist  die  St.  Paulskirche  von  Hauberrisser, 
welcher  bei  der  vom  Pfarramt  für  die  ge- 
samte deutsche  Architektenwelt  ausgeschrie- 
benen Konkurrenz  einen  Preis  erwarb  und 
später,  nach  Umarbeitung  seines  Konkurrenz- 
planes, auch  die  Ausführung  erhielt.  Im  Juli 
1892  erfolgte  die  feierliche  Grundsteinlegung 
und  1904  war  die  Kirche  bis  auf  einen  Teil 


Die  christliche  Kunst.    XII.    7. 


206 


GEORG  VON  HAUBERRISSER 


GEORG  VON  HAUHERRISSEK 


PRIVATHAUS  HAILER,  MÜNCHEN 


der  inneren  Ausstattung  vollendet  (Abb.  Son- 
derbeilage, ferner  im  I.  Jahrg.  S.  97 — 107). 
Der  Grundriß  der  Kirche  zeigt  eine  drei- 
schiffige  Anlage  von  76  m  Länge  und  27  m 
Breite  mit  Querschiff  und  einem  nach  Osten 
liegenden  Chor.  Für  die  äußere  Architektur 
wählte  Hauberrisser  die  malerische  Frühgotik 
und  stellte,  da  die  nach  der  Stadt  zu  liegende 
Chorseite  besonders  berücksichtigt  werden 
sollte,  den  mächtigen  Hauptturm  auf  die 
Mauern  des  Vorchores,  flankierte  aber  auch 
die  entgegengesetzte  westliche  Front  mit 
zwei  schlanken  Seitentürmen,  zwischen  denen 
der     Mittelgiebel     emporstrebt.      Besonders 


malerisch  wirken  die  verschiede- 
nen Portale  mit  ihren  Vorhallen, 
vor  allem  das  Hauptportal  durch 
den  diskreten  Farbenschmuck 
nebst  matterVergoldung  des  spitz- 
bogigen  Tympanons,  einer  Bild- 
hauerarbeit Professor  Waderes  in 
München,  eines  gebürtigen  El- 
sässers. 

Die  beiden  schlanken  Türme 
der  Westseite,  die  sich  oberhalb 
der  Galerien  aus  dem  Viereck  ins 
Sechseck  verjüngen,  erreichen 
mit  ihren  Streben,  Fialen,  Turm- 
giebeln und  spitzen  Helmen  die 
Höhe  von  76  m  und  flankieren 
den  mit  freistehendem  Pfosten- 
werk schattig  gegliederten  West- 
giebel. Darunter  durchbricht  ein 
mächtiges  Radfenster  von  10  m 
Durchmesser  die  Firstwand, deren 
Hauptportal  ein  schlichter  Vorbau 
ist,  aus  dessen  Giebelnische  die 
Figur  des  Kirchenpatrons  hernie- 
derschaut. Der  Haupteingang 
selbst  mit  obigem  spitzbogigem 
Tympanon  zeigt  Christus  als 
Weltenrichter  in  schimmernder 
Mandorla,  umgeben  von  den 
Symbolen  der  vier  Evangelisten 
und  über  den  Reihen  der  Apo- 
stel, die  seitlich  der  sitzenden 
Muttergottes  angeordnet  sind. 
Die  einfach  massigen  Seiten- 
fassaden ohne  Galerien,  aber 
von  zwei-  und  dreiteiligen  Fen- 
stern mit  reichen,  mannigfal- 
tigen Maßwerkbildungen  durch- 
brochen, sind  nurdurch  die  schwe- 
ren Strebepfeiler  gegliedert,  deren 
Schwibbogen  über  die  Verda- 
chung der  Seitenschiffe  zu  den 
28,75  ™  hohen  Mauern  des  Mit- 
telschiffes herübergreifen.  Den 
westlichen  Abschluß  bilden  die  Giebel  der 
Kreuzarme,  die  mit  Rücksicht  auf  die  Wirkung 
des  Hauptturms  und  der  ganzen  Baugruppe,  so- 
wie als  Folge  der  inneren  Ausgestaltung  nicht 
zur  Höhe  des  Hauptschiffs  emporgeführt 
wurden.  Ihre  Fassaden,  mit  reichen  Portal- 
An-  und  Vorbauten,  werden  von  seitlichen 
Strebepfeilern  gestützt,  von  breiten,  fünfge- 
teilten Maßwerkfenstern  durchbrochen  und 
im  steilen,  halenbegrenzten  Giebel  aus  der 
Südseite  durch  schmale  Nischen  gegliedert. 
Schlank  emporstrebende  Treppentürmchen, 
oben  achteckig,  mit  spitzen  Dachhelmen  sind 
jeweils  östlich  angebaut  und    vermitteln  den 


^  GEORG  VON  HAUßERRISSER  ^ 


207 


DR.  GEORG  VON  HALBERRISSER 


PRIVATHAUS 


Übergang  einerseits  zu  der  Marienkapelle, 
anderseits  zu  der  zweigeschossigen  Sakristei 
mit  reizvoller  Eingangshalle.  Dahinter  schließt 
sich  der  aus  fünf  Seiten  des  Achtecks  gebil- 
dete Hochchor  an  mit  schlanken  Strebe- 
pfeilern, hohen,  zweiteiligen  Maßwerkfenstern, 
einer  spitzbogigen  Zwerggalerie  und  dem 
kräftigen  Hauptgesims. 

Über  all  diesen  Bauteilen  erhebt  sich,  von 
mächtigen  Streben  gestützt,  die  gewaltig  im- 
ponierende Masse  des  Hauptturmes,  der  hier 
nicht,  wie  sonst  üblich,  auf  den  Pfeilern  der 
Vierung  aufruht,  sondern  auf  zwei  starken 
elliptischen,    die,    im  Innern    nicht    sichtbar, 


über  dem  Chorgewölbe  den  Druck  auf  die 
verstärkten  seitlichen  Chormauern  und  Strebe- 
pfeiler übertragen. 

Das  Ganze  ist  ein  geniales  konstruktives 
Kunststück,  das  als  äußerst  kühn,  aber  auch 
als  vollkommen  zweckentsprechend  und 
wirkungsvoll  bezeichnet  werden  muß.  Über 
einer  Zwerggalerie  löst  sich  die  Masse  des 
Turms  allmählich  leicht  aus  dem  Viereck 
ins  Achteck,  wird  umringt  und  flankiert  von 
Fialen  und  Türmchen  und  weiter  oben  noch- 
mals von  einer  auf  Konsolen  aufruhenden 
Galerie  horizontal  gegliedert.  Dann  aber 
streben  die    von    schmalen  Maßwerkfenstern 


»7* 


208 


e^  GEORG  VON  HAUBERRISSER  €^ 


durchbrochenen  Mauern  unaufhaltsam  empor 
bis  zu  den  hohen  Giebeln  mit  Maßwerk- 
füllungen, hinter  denen  sich  die  krabbenge- 
zierten Gräten  der  bleigedeckten  Kuppel  in 
schlankem  Anstieg  zur  Laterne  erheben. 
Diese,  von  Streben  und  Fialen  gestützt  und 
umgeben,  endigt  in  einem  reich  gegliederten 
Riesen ,  der  von  weithin  schimmerndem 
Kreuze  bekrönt  wird.  So  klingt  das  ganze 
Kirchengebäude  in  mächtigem  Akkorde  in 
diesem  logisch  und  wirksam  aufgebauten 
Hauptturm   aus,    der   noch   dadurch    erhöhte 


GR.\DMAL  VON'  ORTERER 

Entwurf  von  F.  Fuchsenberger^    Plastiken  von  Heinrich   L'berbacher 
Ausge/iihrt  igi4 


Bedeutung  besitzt,  weil  er,  über  dem  idealen 
Mittelpunkte  des  Ganzen,  dem  Chorhause, 
aufgebaut,  diese  heihgste  Stätte  weithin  sicht- 
bar bezeichnet. 

Das  12,60  m  breite  Hauptschiff,  das  sich 
in  acht  breiten,  auf  derbkräftigen  Rundsäulen 
aufruhenden  Spitzbogenarkaden  nach  den 
Seitenschiffen  zu  öffnet,  ist  von  Kreuzge- 
wölben überspannt,  deren  Rippen  aus  figu- 
ralen  Konsolen  herauswachsen.  Darunter 
gliedern  schlanke,  auf  den  Kapitalen  der 
Arkadeiisäulen  aufstehende  Dreiviertelsäulchen 
mit  Triforiengalerien  die  Wandflächen, 
während  darüber  schmale  Fenster  die  weit- 
räumige Halle  belichten.  Der  Hochaltar  ist 
ein  reich  spätgotischer  Baldachinaltar  mit 
Figuren  von  Gg.  Busch  und  unter  dem 
Baldachin  steht  ein  Metallaltar  mit  Reliefs 
von  Albertshofer,  ausgeführt  von  Harrach 
&  Sohn.  Im  Westen  schließt  über  tiefan- 
setzenden Spitzbogen  eine  Orgelempore 
mit  zierlicher  Brüstung  und  kleinem  Kanzel- 
ausbau die  drei  Schiffe  ab  und  östlich  ist 
ein  Querhaus  dem  Chor  vorgeschoben, 
dessen  Vierung  von  zvlindrischen  Pfeilern 
mit  vorgelegten  Diensten  getragen  wird. 
Im  linken  Querschiftarm,  zu  dessen  Em- 
pore eine  reizvolle,  nach  der  Kirche  zu 
offene  Wendelstiege  emporführt,  steht  der 
St.  Josephsaltar,  ein  reich  geschnitztes  und 
vergoldetes  Schreinwerk  auf  steinerner 
Mensa,  das  aus  Entwürfen  Professor  von 
Hauberrissers  hervorgegangen  ist  und  seinen 
farbig  gefaßten  figürlichen  Schmuck  von 
der  Hand  des  Bildhauers  Prof  Buscher 
erhielt.  Ihm  entspricht  in  der  an  das  süd- 
liche Querschiff  angebauten  schmalen  Ma- 
rienkapelle ein  stimmungsvoller  Flügelaltar, 
der  gleichfalls  nach  Zeichnungen  Hauber- 
rissers in  den  Werkstätten  von  Ritzler  an- 
gefertigt und  mit  Gemälden  von  Professor 
Gabriel  v.  Hackl  sowie  Skulpturen  von 
Prof  Busch  geziert  wurde.  Nach  der  Mitte 
des  Querschiffes  öffnet  sich  in  reich  pro- 
filiertem Triumphbogen  das  verschmälerte 
und  etwas  erhöhte  Chorhaus,  an  dessen 
rechter  Seite  in  der  Art  eines  hochragen- 
den Sakramentshäuschens  die  Verkleidung 
der  Wendeltreppe  eingebaut  ist,  auf  der 
man  zum  Hauptturm  emporsteigt.  Ihr 
gegenüber  belebt  über  der  Sakristeipforte 
eine  schmale  Galerie  mit  Maßwerkbrüstung 
auf  kräftigen  Kragsteinen  die  Wandfläche, 
wälirend  die  Mauern  der  Chorendigung, 
des  Altarraumes,  neben  den  hohen  Maß- 
werkfenstern von  fein  profilierten  Gewölbe- 
diensten durchzogen  werden.  Im  rechten 
Seitenschiff  steht  der  von  Hauberrisser  in 


5^3  GEORG  VON  HAUBERRISSER  e^ 


209 


HEINRICH  Oberbacher 


RELIEFS  VOM  GRAÜMAL  \(JN   elKTEKI-K  (i^i,) 


Grundriß  und  Autbau  im  Übergangsstil  zur  Re- 
naissance frei  erfundeneGeorgsaltar  mit  Figuren 
von  Albertshofer.  Die  Architel^tur-  bezw.Struk- 
turteile  im  Innern  der  Kirche  sind  aus  gelbgrau- 
em Sandstein  hergestellt,  während  die  Wand- 
flächen einen  einfachen  Mauerverputz  zeigen 
und  später  hoffentlich  einmal  bemalt  werden. 

Besonderes  Augenmerk  richtete  der  Erbauer, 
welcher  übrigens  der  Gewohnheit  seiner 
mittelalterlichen  Kollegen  treu  bleibend,  alle 
kleinsten  Details  selbst  entwarf,  auf  das  zum 
Bau  verwendete  Material,  das  an  der  präch- 
tigen Wirkung  des  Gotteshauses  großen  An- 
teil hat.  Die  Ausführung  des  Ornamentalen 
mit  Figürlichem  und  der  Wasserspeier  lag 
in  den  Händen  des  Bildhauers  Simon  Korn. 
Der  ganze  Bau  macht  eine  erhebende  Wir- 
kung. Mitsamt  der  Innenausstattung  betrug 
die  Kostensumme  dieser  prächtigen  Kirche 
zirka  1,700000  Mark,  was  zum  Teil  durch 
Stiftungen   und   Lotterie   aufgebracht  wurde. 

Die  bedeutendste  Bauaufgabe,  das  Lebens- 
werk Hauberrissers,  ist  jedoch  das  Rathaus 
zu  München.  Am  4.  Juni  1867  wurde  mit 
dem  Bau  begonnen,  doch  niemand  ahnte 
damals,  daß  er  später  eine  so  durchgreifende 
Erweiterung  erfahren  sollte.  Am  i.  August 
1874  fand  die  Übergabe  des  schönen  Baues 
am  Marienplatze,  Ecke  Dienerstraße,  statt, 
welcher  wie  aus  einem  Gusse,  abgeschlossen 


vor  uns  steht  und  den  gelungensten  Teil 
des  Ganzen  bildet. 

Schon  in  dem  ersten  Dezennium  seines 
Bestandes  erwies  sich  das  Gebäude  als  viel 
zu  klein  und  es  wurden  nach  der  Diener- 
und Burgstraße  zu  Erweiterungen  vorgenom- 
men, wozu  der  Rat  einige  Häuser  angekauft 
hatte.  Die  Stadt  wuchs  aber  gewissermaßen 
dem  Rathaus  über  den  Kopf,  bis  sich  endlich 
der  Magistrat  entschloß,  auch  die  übrigen 
Häuser  des  Blockes  gegen  Ende  des  19.  Jahr- 
hunderts anzukaufen,  abzubrechen  und  die 
Grundstücke  sämtlich  zu  Rathauszwecken  zu 
verwenden.  Professor  Hauberrisser  wurde 
nun  mit  der  vollständigen  Bebauung  beauf- 
tragt. Das  neue  Rathaus  erhielt  nach  dem 
Marienplatze  zu  einen  Turm  und  schon  am 
29.  November  1905  konnte  mit  dem  in 
Kupfer  getriebenen  Münchener  Kindl  die 
Spitze  des  neuen  Rathausturmes  bekrönt 
werden.  Zur  Jahreswende  1908/09  waren  fast 
alle  Räume  des  gesamten  Rathauskomplexes 
bezogen.  Bis  zu  jenem  Zeitpunkte  haben 
die  Ausgaben  für  Münchens  neues  Rathaus, 
inkl.  Grunderwerb   15  507794  Mk.  betragen. 

Der  ganze  im  gotischen  Stil  errichtete 
Monumentalbau  bildet  nun  in  seiner  Grund- 
fläche ein  unregelmäßiges  Viereck  von 
9159  m^  Flächeninhalt  mit  einer  Frontlänge 
von  98,5  m  am  Marienplatze. 


EINE  PERLE  DES  FRITZLARER  DOMMUSEUMS  ®^ 


Die  im  Anfang  der  siebziger  Jahre  errichtete 
Fassade  nach  dem  Marienplatze  zu  ist  in 
Backsteinrohbau  mit  Sandsteinarchitektur  aus- 
geführt, die  übrigen  jetzt  vollendeten  Teile 
nach  dieser  Seite  und  in  der  Weinstraße 
durchwegs  in  Kelheimer  Kalkstein.  Höchst 
dekorativ  sind  die  zahlreichen,  auf  die  Ge- 
schichte Bayerns  und  Münchens  bezugneh- 
menden Skulpturen.  In  der  Mitte  der  Front, 
unter  einem  gotischen  Baldachin,  ist  die 
Reiterstatue  des  f  Prinzregenten  Luitpold  von 
Ferdinand  von  Miller  in  vergoldeter  Bronze 
aufgestellt.  Der  Rathausturm  erhielt  im  Früh- 
renaissance-Stil einen  Spielwerkserker,  aus 
Kupfer  getrieben,  woraus  täglich  1 1  Uhr  vor- 
mittags das  Glockenspiel  ertönt  und  ver- 
schiedene mechanische  Figuren  erscheinen. 

Bekanntlich  haben  die  meisten  unserer 
deutschen  Marktplätze  durch  die  Verände- 
rungen der  Neuzeit  ihr  charakteristisches 
und  anheimelndes  Bild  verloren.  So  war 
auch  der  Marktplatz  bezw.  Marienplatz  in 
München,  den  einstens  mit  Laubengängen 
versehene,  erkergeschmückte  Giebelbauten  des 
altdeutschen  Bürgertums  umrahmten,  ein 
stummer,  aber  doch  vielsagender  Zeuge  einer 
entlegenen  Vergangenheit.  Meister  Hauber- 
risser  hat  nun  der  alten  und  neuen  Zeit 
Rechnung  getragen  und  die  Laubengänge, 
die  einstens  die  Fronten  des  Marienplatzes 
belebten,  bei  seinen  Rathausbauten  in  neuer 
Gestalt  wieder  aufleben  lassen.  Er  hat  in 
den  neuen  Rathausbauten  ein  Bild  von  äußerst 
malerischer  Wirkung  geschaffen.  Manche 
Unannehmlichkeiten  mußte  er  erfahren  und 
viele  oftmals  gehässige  Kritiken  über  sich 
ergehen  lassen.  Doch  das  ist  nun  einmal  das 
Los  der  Künstler  und  vor  allem  der  Architekten. 
»Wer  will  bauen  auf  der  Gassen,  muß  sich 
vieles  gefallen  lassen«,  sagt  ein  alter  Spruch 
des  17.  Jahrhunderts.  Jetzt,  da  der  Bau 
vollendet,  wird  namentlich  auch  vom  Aus- 
lande anerkannt,  daß  Meister  Hauberrissers 
Rathaus  ein  künstlerisch  vollendetes  Werk 
ist,  das  dem  Marienplatze  und  der  Stadt 
München  zur  Zierde  gereicht. 

An  zahlreichen  Anerkennungen  und  Aus- 
zeichnungen hat  es  unserem  Meister  nicht 
gefehlt.  Er  ist  Ehrendoktor  der  Technischen 
Hochschule  in  Graz  und  die  Akademie  in 
München  ernannte  ihn  zum  Ehrenmitgliede. 
Gleiche  Auszeichnungen  erwies  ihm  die  Aka- 
demie zu  Wien,  sowie  die  Society  of  Architects 
in  London.  Von  seinen  Orden  und  Auszeich- 
nungen soll  hier  nur  der  Maximiliansorden  iur 
Kunst  und  Wissenschaft,  sowie  der  bayerische 
Kronenorden,  mit  dem  der  persönliche  Adel 
verbunden    ist,    erwähnt    sein.    Die    geistige 


und  körperliche  Frische  aber,  welcher  sich 
unser  Altmeister  mittelalterlicher  Baukunst 
im  8.  Jahrzehnt  seines  Lebens  erfreut,  läßt 
hoffen,  daß  noch  manches  Werk  von  ihm 
erstehen  wird.  Mit  Freuden  kann  er  zurück- 
blicken auf  ein  Leben,  welches  an  Mühe  und 
Arbeit  reich,  aber  ebenso  groß  an  Erfolg  war. 

EINE  PERLE  DES  FRITZLARER 
DOMMUSEUMS 

Von  Dechant  JESTADT,  Fritzlar 
FAer  Fritzlarer  Domschatz  ist  besonders  durch 
L^  die  kunsthistorische  Ausstellung  zu  Düssel- 
dorf im  Jahre  1902  weiten  Kreisen  bekannt 
geworden.  Weniger  bekannt  ist  das  im 
Herbst  1912  errichtete  Fritzlarer  Dommuseum, 
und  doch  birgt  auch  dieses  kostbare  Schätze. 
Mit  einem  derselben  möchten  diese  Zeilen 
die  deutsche  Kunstwelt  bekannt  machen,  mit 
der  Fritzlarer  Pietä  (Abb.  S.  211). 

Nicht  bloß  Bücher,  auch  Kunstwerke  haben 
ihre  Geschicke  und  Geschichte.  Unsere  Pietä 
hat  früheren  frommen  Geschlechtern  im  Dome 
zu  Fritzlar  Jahrhunderte  hindurch  zur  Erbau- 
ung gedient.  Da  mag  gar  manches  schwere 
und  leidkranke  Herz  hier  vor  der  Schmerzens- 
mutter im  stillen  Dämmer  des  Domes  sein 
Weh  geklagt  und  ausgeweint  haben,  um  ge- 
tröstet und  gestärkt  von  dannen  zu  gehen. 
Aber  dann  kam  eine  andere  Zeit  und  mit 
ihr  andere  Menschen.  Für  sie  war  unsere 
Pietä  ein  Fremdling  geworden,  ein  Prediger 
in  der  Wüste,  ein  Ärgernis.  Ihnen  redete 
diese  Schmerzensmutter  eine  fremde,  unbe- 
kannte Sprache.  Sie  erbaute  nicht  mehr,  sie 
schreckte  förmlich  ab,  denn  sie  schien  den 
neuen  Menschen  so  grausig  und  gräßlich. 
Geringschätzig  kehrten  sie  ihr  den  Rücken, 
um  ihre  Liebe  und  Verehrung  neueren,  ober- 
flächlichen, süßlichen  Darstellungen  zuzuwen- 
den, und  es  entsprach  ganz  ihrem  Empfinden 
und  Wunsche,  als  schließlich  die  alte  Pietä, 
um  weiteren  Anstoß  zu  vermeiden,  der 
Oifentlichkeit  und  dem  Kult  entzogen  und 
in  einer  unzugänglichen,  dunkeln  Turmecke 
des  Fritzlarer  Domes  untergebracht  wurde. 
Wie  lange  sie  da  ein  Leben  der  Verbannung 
geführt  hat,  entzieht  sich  der  Kenntnis,  aber 
vor  sechs  Jahren  wurde  sie  hier  wieder  ent- 
deckt, um  nun  im  Dommuseum  einen  Ehren- 
platz einzunehmen. 

Die  Fritzlarer  Pietä  hatte  sich  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  gewiß  nicht  geändert,  sie 
war  dieselbe  geblieben  wie  trüber,  groß  und 
stark,  voll  gewaltiger  Kraft  und  Emptindung. 
Aber  die  Menschen  waren  mit  der  Zeit  klein 
und  schwachnervig  geworden.     Großes,  star- 


EINE  PERLE  DES  FRITZLARER  DOMMUSEUMS  ^S3 


kes  Emptinden  konnten  sie  nicht  mehr  ver-  ilim.     Ganz  eingetaucht  ist    er   in    ein  Meer 

stehen  und   ertragen.     Das    erhob    sie    nicht  voll  herzkrampfenden  Leides, 
melir,  das  erdrückte  sie.    Nun  ist  aber  wieder  Lange  genug  hat  Maria  heldenhaft  gegen 

eine  große  Zeit  angebrochen,  und  Herz  und  die  Tränen  angekämpft.     Aber   nun,   da   sie 

Auge  sind  wieder    mehr   eingestellt    worden  den  Leichnam  ihres  Sohnes  auf  ihrem  Schöße 

für  das  Große.     Nun  werden  wir  wohl  wie-  trägt  und  die  klaffenden,  grausamen  Wunden 

der   besser   das  Große   verstehen   lernen,    an  in  der  Nähe  sieht,  da  tritt  die  Natur  in  ihre 

dem  wir  früher  achtlos  und  verächtlich  vor-  Rechte,  da  durchbrechen  die  verhaltenen  und 


übergegangen 
sind.  Auch  die 
Fritzlarer  Pietä 
wird     in    ihrer 

überragenden 
Größe  von  allen 
großen         und 

hochgemuten 
Seelen     wieder 
die  rechte  Wür- 
digung    erfah- 
ren. 

Aus  Eichen- 
holz ohne  Sok- 
kel  1,25  m  hoch, 
ist  sie  mit  ihrer 
alten  Bemalung 
noch  gut  er- 
halten.Dererste 
Eindruck,  den 
man  von  ihr 
empfängt,  ist 
der:  Hier  tritt 
leise  auf  und 
stehe  still,  hier 
ist  Offenbarung 
einer  großen, 
heiigen  Kunst. 
Die  Pietä  packt 
und  ergreift  mit 
jener  Unmittel- 
barkeit, wie  sie 
nurhoherKunst 
eigen  ist.  Hier 
hat  der  Schmerz, 
der  Schmerz  des 


PIETA  IM  DOMMUSEUM  ZU  FRITZLAR 
Zu  dem  Aufsatz   S.  2lo  ff. 


angestauten 
Tränenströme 
gewaltsam  die 
Schleusen  der 
Augen  und  rin- 
nen schwer  und 
bitter  über  die 
vollen  Wangen 
hernieder.  Und 
mit  den  Augen 
klagt  sein  Weh 
der  leise  geöff- 
nete Mund,  den 
von  der  Nase 
her  tiefe  Kum- 
merfalten um- 
ziehen. Und 
tiefe  Kummer- 
falten haben 
sich  eingegra- 
ben über  dem 
Nasenbein  zwi- 
schen den  hoch- 
gezogenen 
Brauen.  Aber 
all  dieser  düster 
wogende     und 

stürmende 
Schmerz  wird 
zusammenge- 
halten und  ver- 
klärt von  einer 
Gloriole  offe- 
nen goldnen 
Haares,  das  in 
reichen  Wellen- 


göttlichen Dulders  und  der  'seiner  heiligen  linien  über  Kopf,  Hals  und  Nacken  fließt. 
Mutter,  von  großer  Künstlerseele  mit  star-  Der  Kopf  wird  getragen  von  einem  kräf- 
kem  Wirklichkeitssinn  und  gewaltiger  Emp-  tigen,  faltigen  Halse,  der  herauswächst  aus 
findungs-  und  Gestaltungskraft  einen  from-  breiter  Schulter  und  aus  breiter,  ruhiger  und 
men,  ergreifenden  Ausdruck  gefunden.  flacher  Brust.  Diese  Partie  erinnert  noch 
Maria  sitzt  auf  einer  Brüstung,  die  in  rot-  stark  an  die  romanischen  Kopfreliquiare  aus 
goldner  Fassung  den  ernstschlichten  Farben-  Edelmetall,  die,  dem  harten  Metallcharakter 
tönen  des  unteren  Teiles  der  Gruppe  einen  entsprechend,  glatt  gearbeitet  waren  und 
feierlichen  Abschluß  und  Hintergrund  gibt,  weder  Bruch  noch  Falte  zeigten. 
Ihr  Kopf,  nach  rechts  dem  Haupte  des  auf  Maria  ist  angetan  mit  Kleid  und  Mantel, 
ihrem  Schöße  ruhenden  Leichnam  ihres  Der  Mantel  ist  an  Hals  und  Brust  weit  ge- 
Sohnes zugewendet,  erscheint  dem  Beschauer  öffnet  und  in  Ehrfurcht  über  die  Kniee  ge- 
in  Halbprofil.  Aber  was  für  ein  Marienkopf!  legt  zur  Unterlage  für  den  heiligen  Leib. 
Eine  ganze  Welt   voll    Empfindung   liegt   in  Unter  diesem  rauschen  Mantel  und  Kleid  in 


^  EINE  PERLE  DES  FRITZLARER  DOMMUSEUMS  es^ 


schönen    Vertikalfalten     zu    den    sichtbaren 
Füßen  nieder. 

Eine  Falte,  die  diagonal  vom  rechten  Knie 
abwärts  zum  linken  Fuß  zieht,  setzt  die 
Oberkörperlinie  des  Heilandes  großzügig  bis 
hinunter  auf  den  Boden  fort  und  teilt  zu- 
gleich die  ganze  untere  Gewandpartie  verti- 
kal in  zwei  Zonen.  Sie  ist  sachlich  dadurch 
begründet,  daß  fast 
die  ganze  Last  des 
heiligen  Leibes  mehr 
auf  dem  rechten 
Knie  Mariens  ruht, 
das  dadurch  wegen 
des  größeren  Druk- 
kes  gegen  das  linke 
etwas  gebeugt  wird. 
Horizontal  wird  die 
untere  Gewandung 
durch  das  Mantel- 
ende  gegliedert,  das 
wellenlinig  über  das 
Kleid  hinläuit  und  in 
Wellen- und  Schnek- 
kenfalten  schwer 
von  der  Brüstung, 
auf  der  Maria  sitzt, 
herniederfällt.  So 
zeigt  die  ganze  Ge- 
wandung horizontal 
und  vertikal  eine 
schöne  rhythmische 
Gliederung  und  Be- 
wegung. Kleid  und 
Mantel  Mariens  tra- 
gen wie  das  Lenden- 
tuch Jesu  eine 
schwere  und  breite, 
durch  Stuck  aufge- 
tragene Goldborte. 
Die  Bemalung  der 
ganzen  Gewandung 
in  Dunkelblau  und 
Grau  erhöht  den  er- 
greifendenEindruck. 

Von  rechts  nach  links,  quer  über  den  Schoß 
Mariens  gelagert,  ruht  der  Leichnam  des 
Heilandes.  Gegenüber  der  Mutter  ist  er  zu 
klein.  Aber  es  war  von  jeher  ein  schwieri- 
ges Problem,  das  Problem  der  Pietä,  das  dem 
Künstler  die  Aufgabe  stellt,  den  Leichnam 
eines  Mannes,  ruhend  auf  dem  Schöße  seiner 
Mutter,  glaubhaft  und  befriedigend  darzu- 
stellen. Die  Künstler  haben  es  verschieden 
zu  lösen  gesucht.  Michel  Angelo  bildet  seine 
Maria  übergroß.  Auf  ihrem  Schöße  ist  der 
Heiland  fest  und  sicher  gebettet.  Andere 
lassen  nur  das  Haupt  oder,   wie  Rogier  van 


riETA  L\I  PROVIN'ZIAL 
Vgl.  Abb.  S.  211  „<i,i  . 


der  Weyden,  den  Oberkörper  auf  Mariens 
Schoß  ruhen.  Das  Mittelalter  löst  das  Problem 
öfters  so,  daß  es,  um  das  Gefühl  der  Ruh- 
sicherheit zu  erwecken,  den  Leib  des  Herrn 
etwas  verkleinert.  So  auch  unser  Meister. 

Der  Christuskopf  von  mächtig  ergreifen- 
dem Realismus  ist  trotz  des  namenlosen, 
eben  überstandenen  Schmerzes,  der  noch 
aus  ihm  spricht, 
schön  und  edel. 
Mariens  Kopf  ist 
Kampf  Christi  Kopf 
ist  überstandener 
KampfMariens  Kopf 
ist  Empfindung  und 
Leben,  Christi  Kopt 
ist  Abendruhe  und 
Todesfrieden  nach 
schwerem  Tag  und 
leidvollem  Leben. 
Die  Augen  sind  ge- 
schlossen. Der  lech- 
zende Mund  ist  halb 
geöffnet,  als  habe  er 
eben  noch  gerufen: 
Mich  dürstet!«  und 
»Vater,  in  deine 
Hände  empfehle  ich 
meinen  Geist  I« 

Der  hagere,  ge- 
marterte Leib  mit 
dem  stark  hervor- 
tretenden Brustkorb 
liegt  hart  und  starr 
quer  über  der  Mutter 
Schoß,  hart  und  starr 
wie  ein  Schwert,  das 
ihre  Seele  durch- 
drungen. Selbst  das 
Lendentuch  macht 
die  Leichenstarre 
mit.  Sein  langer 
Zipfel  hängt  nicht  frei 
und  lose  herunter,um 
nicht  den  schönen 
Faltenwurf  zu  verdecken.  Schweiß-  und  blut- 
durchtränkt, hart  und  starr  unterstreicht  und 
betont  es  die  ergreifende  Diagonale  des 
Leichnams.  Das  aus  den  fünf  Wundmalen 
gesickerte  Blut  ist  geronnen  und  hat  sich  in 
langen,  breiten  Klumpen  traubenförmig  zu- 
sammengeballt. Die  fünf  Wundmale  selbst 
leuchten  wie  fünfblättrige  Rosen.  Manus 
eins  tornatilcs,  clavorum  cuspide  terebratae  .  .  . 
quasi  hyacinthis  refertae.  Brev.  rom.  fest, 
septum  dolorum*).    Neben  der  Seitenwunde 

•)  Seine  Hände  sind  durchbohrt,  von  der  Nägel  Spitze 
durchstochen . .  wie  voller  Hyazinthen  (rötlicher  Edelstein). 


MUSELM  ZU  BONN' 

./?.  -  r,-j-/  s.  2,s 


EDMUND  KLOTZ  (WIEN)  MADONNA  MIT  HERZOG  LEOPOLD  UND  SEINER  GEMAHLIN 

Hochaltar  der  Leopoldskirche  in  Wien-Floridsdorf 


EINE  PERLE  DES  FRITZLARER  DOMMUSEUMS 


213 


zeigt  sich  eine  rautenförmige  Ötlnung,  die  das  Bürgertum,  iiat  sich  zu  Macht  und  An- 
wohl  früher  ReHquien  barg.  Und  unzählige  sehen  emporgeschwungen.  Die  Ordensstifter 
Blutspritzer  —  kurz  lang  kurz  —  laufen  als  Franziskus  und  Dominikus,  die  Mystiker 
dekoratives  Motiv  wie  eine  laute,  erschütternde  Heinrich  Suso  und  Johannes  Tauler  haben 
Totenklage  über  den  ganzen  Leib.  das  religiöse  Leben  vertieft  und  verinnerlicht 
Mächtige  Herbigkeit  durchzieht  das  ganze  und  den  »Schmerzensmanns  und  die  »Schmer- 
Werk,  jene  Herbigkeit,  die  um  so  mehr  be-  zensmutterx  in  den  Mittelpunkt  der  Andacht 
friedigt,  je  öfter  man  sie  verkostet.  und  Verehrung  gestellt.    Und  das  Volk,  heim- 


Welchcr  Zeit  ^ 
hört  die  Fritzlarer 
Pietä  an  und  wel- 
cher Schule?  Sti- 
listische Gründe 
verweisen  sie  in  die 
Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts und  in  die 
Kölner  Schule.  We- 
nigstens schreibt 
Lübbecke  in  sei- 
nem orientieren- 
den Werke :  Die 
gotische  Kölner 
Plastik  des  14. Jahr- 
hunderts S.  loSfi'., 
XXXVII,  I,  die  mit 
unsrer  Pieta  nahe 
verwandte  Bonner 
Pietä  der  Kölner 
Schule  zu.  Der 
Meister  unserer 
Pieta  ist  unbekannt. 
Daß  der  Dom  in 
Fritzlar  ein  hervor- 
ragendes Werk  der 
Kölner  Schule  be- 
sitzt, befremdet 
nicht,  da  Fritzlar 
durch  sein  früheres 
Franziskanerklo- 
ster, das  der  Köl- 
nischen Minoriten- 
Ordensprovinz  an- 
gehörte, mit  Köln 
in  naher  Beziehung 
stand.  Auch  scheint 

der  Dom  in  Fritzlar,  nach  zwei  Reliquien- 
kästen zu  urteilen,  die  gleichfalls  das  Museum 
aufbewahrt,  einen  ganzen  Kölner  Reliquien- 
altar, ähnlich  dem  berühmten  Marienstatter, 
besessen  zu  haben. 

Wenn  aber  die  Kunst  die  edelste  Blüte 
der  Kultur  ist,  dann  müssen  wir  in  unserer 
Pieta  gleichsam  den  Niederschlag  der  Kuhur 
des  14.  Jahrhunderts  sehen.  Und  wirklich, 
die  Pieta  sagt  uns,  daß  die  unnahbare,  über- 
weltliche Majestät  der  romanischen  Zeit  vor- 
über ist,  vorüber  auch  die  adelig-höfische 
Zeit  des   13.  Jahrhunderts.     Der  dritte  Stand, 


PIETA  IM  DOM  ZU  WETZLAR 
Tfxt  S.  214 


gesucht  vom  harten 
Weh  des  schwar- 
zen Todes,  eilte  in 
Scharen  zu  den  Bil- 
dern des  Schmer- 
zesund suchte  dort 
gern  und  gierig 
Trostund  Zuflucht. 
Aus  dieser  Sum- 
me geistigen  Mate- 
rials schöpfte  der 
Meister  der  Fritz- 
larer Pietä  und 
schuf  mit  ihr  ein 
Werk  aus  der  Zeit 
für  die  Zeit.  In  der 
Pieta  herrscht  Rea- 
lismus, der  Realis- 
mus des  mystisch 
vertieften  und  ver- 
innerlichten  Bür- 
gertums. Maria  ist 
eine  Bürgersfrau, 
breit  und  stark. 
Breit  ist  ihrGesicht, 
breit  der  Hals,  der 
Nacken,  die  Hand. 
Ehrlich  und  na- 
turwahr ist  ihr 
Schmerz  geschil- 
dert, ehrlich  und 
naturwahrder  eben 
überstandene,  mar- 
tervolle Tod  ihres 
göttlichen  Sohnes. 
''■f  Da  ist   keine  Zim- 

perlichkeit und  kei- 
ne Ziererei,  kein  vornehmes  Zurückhalten  und 
Beschränken ,  da  ist  alles  offene,  unge- 
schminkte, kräftige,  volkstümliche  Sprache. 
Da  ist  alles  Wahrheit,  aufrichtige,  fromme, 
von  kindlichreligiösem  Gemüte  tief  und  inner- 
lich erfaßte  Wahrheit,  aber  darum  auch  über- 
zeugende, überwältigende,  bannende  Kraft. 
Außer  der  Fritzlarer  Piet.'i  stammt  wohl  von 
derselben  Werkstatt,  vielleich  von  demselben 
Meister  noch  die  bereits  oben  erwähnte  Pietä 
im  Bonner  Provinzialmuseum  Nr.  1 1 700 
(Abb.  S.  2 12),  früher  in  der  Sammlung  Röttgen 
(s.  Giemen  :  Kunstdenkmäler  der  Rheinprovinz 


214 


EINE  PERLE  DES  FRITZLARER  DOMMUSEUMS 


V  3,  S.  215,  Nr.  18,  Fig.  142  und  Giemen: 
Zeitschrift  für  bildende  Kunst  1903  S.  105). 
Die  Familienähnlichkeit  dieser  beiden  Figuren 
ist  offensichtlich  und  handgreiflich.  Noch 
eine  dritte  Pietä,  die  im  Dom  zu  Wetzlar,  ist, 
wenn  nicht  demselben  Meister,  so  doch  wenig- 
stens derselben  Schule  und  Richtung  zuzu- 
schreiben (Abb.  S.  213).  Derselbe  gesteigerte 
Realismus,  die  Haltung  und  Form  der  Arme 
und  Hände,  die  Behandlung  der  Wunden  und 
des  Brustkorbes  des  Heilandes,  die  Behand- 
lung der  Gewandung  Mariens,  die  Brüstung, 
auf  der  Maria  sitzt,  die  Rosetten  am  Sockel, 
die  Bemalung  —  all  das  bringt  die  Wetz- 
larer Pietä  in  enge  Verwandtschaft  mit  der 
Bonner  und  Fritzlarer  Pieta.  Meines  Er- 
achtens  folgen  die  drei  zeitlich  und  künstle- 
risch in  der  Reihenfolge:  Bonn — Fritzlar — 
Wetzlar.  Die  Bonner  Pieta,  90  cm  groß, 
also  beträchtlich  kleiner  als  die  Fritzlarer, 
geht  in  der  Schilderung  des  Grausigen  bis 
an  die  Grenze  des  Erträglichen.  Freilich, 
offen  und  ehrlich,  rückhaltlos,  aber  auch 
rücksichtslos  läßt  der  Meister  seine  Schmer- 
zensmutter mit  frontal  zugewandtem  Antlitz 
ihren  Schmerz  dem  Beschauer  direkt  ins 
Gesicht  hinein  klagen.  Der  blutüberströmte 
Leichnam  des  Heilandes  ist  abgemagert  zum 
Skelett.  Sein  Haupt  sinkt  wie  eine  geknickte 
Blume  kraft-  und  haltlos  nach  hinten.  Der 
Zipfel  des  Lendentuches  fällt  vorn  über  der 
Mutter  Schoß.  Die  Gruppe  zeigt  noch  einen 
auffallenden  Mangel  an  sicheren  Proportionen. 
Vor  allem  stört  die  übermäßige  Betonung 
der  Köpfe,  auch  ist  der  Faltenwurf  ohne  be- 
sonderen Reiz  und  Rhythmus. 

Der  Urheber  dieser  Gruppe  mag  durch 
diese  schonungslose  Darstellung  des  Schmerzes 
auf  die  Dauer  selber  nicht  befriedigt  gewesen 
sein,  daher  versuchte  er  in  der  Fritzlarer 
lebensgroßen  Pieta  eine  versöhnendere  und 
befriedigendere  Lösung.  Zugleich  bemühte 
er  sich,  die  Verhältnisse  besser  zu  gestalten. 
So  wird  die  Fritzlarer  Pieta  zu  einem  reiferen 
Werke.  Der  schmerzbewegte  Kopf  Mariens, 
wie  bei  der  Bonner  in  offenem  Haar  ohne 
Kopftuch,  ist  nicht  frontal,  sondern,  da  er 
teilnehmend  und  mitleidsvoll  dem  Haupte 
des  Heilandes  sich  zuneigt,  mehr  in  Halb- 
profil dem  Beschauer  zugewendet.  Mit  dieser 
einfachen  Kopfwendung  ist  viel  gewonnen. 
Einmal  ist  damit  die  Beziehung  zwischen 
Mutter  und  Sohn,  zwischen  Schmerz  und 
Grund  des  Schmerzes,  zum  Ausdruck  ge- 
bracht. Dann  aber  wird  damit  die  Schilde- 
rung des  Schmerzes  schonender,  erträglicher. 
Der  Beschauer  sieht  auch  jetzt  noch  den 
Schmerz,  aber  es  wird   ihm   erspart,   ihn   in 


seiner  ganzen  Schrecklichkeit  zu  sehen.  Er 
wird  ergriffen  davon,  aber  nicht  abgestoßen. 
Zudem  haben  die  Köpfe  der  Gruppe  glück- 
lichere Verhältnisse.  Das  Haupt  des  Heilan- 
des ist  schöner  und  edler,  umrahmt  von 
einem  vierfach  geteilten  Bart.  Sein  Leib  ist 
kein  bloßes  Knochengerüst  mehr,  die  ganze 
Haltung  desselben  ist  wie  die  der  Arme  na- 
türlicher. Die  Beine  des  Leichnams  hängen 
nicht  an  der  Seite  der  Mutter  schlaff  herunter, 
sondern  setzen  in  Todesstarre  die  straffe 
Diagonale  des  Oberkörpers  fort.  Die  Be- 
malung der  Fritzlarer  Pieta  ist  die  gleiche 
wie  bei  der  Bonner;  auch  das  aus  den  Wund- 
malen gesickerte  und  geronnene  Blut,  sowie 
die  Blutspritzer  wiederholen  sich.  Selbst  der 
Rosettenschmuck  am  Sockel  fehlt  nicht.  An 
der  Bonner  drei  große  vielblättrige,  an  der 
Fritzlarer  neun  fünfblättrige  Rosen. 

Die  Palme  scheint  mir  der  Wetzlarer  Pieta 
zu  gebühren.  Ist  die  Fritzlarer  einheitlicher, 
bewegter,  interessanter,  rassiger,  so  hat  die 
Wetzlarer  bei  allem  Realismus  einen  Zug 
zum  Idealismus,  sie  ist  ruhiger,  vornehmer, 
verklärter.  Die  Fritzlarer  ist  lebensgroß,  die 
Wetzlarer  überlebensgroß,  ein  Werk  von 
überwältigender  Wirkung.  Die  Neigung  des 
Kopfes  zum  Haupt  des  Heilandes  hin  ist 
wie  bei  der  Fritzlarer  Schmerzensmutter  ge- 
blieben, aber  das  freie,  reiche,  goldene  Haar 
ist  geschwunden.  Der  Kontrast  zwischen 
dem  schrillen  Schmerze  des  Gesichtes  und 
dem  festlichen  Sonnengold  des  Haares  scheint 
als  zu  grell  empfunden  worden  zu  sein.  Was 
geschieht?  Die  strahlende  Fülle  des  golde- 
nen Haares  wird  diskret  verborgen  und  be- 
deckt mit  einem  dichten  Kopfschleier.  In 
schlichter  Fassung  gehalten,  gibt  er  dem 
Kopte  eine  stimmungsvolle  Umrahmung  und 
dämpft  zugleich  den  Schmerz.  Und  dieser 
Schmerz  in  diesem  edlen,  feinen,  vornehmen 
Kopfe  ist  edler,  feiner,  verhaltener,  gotter- 
gebener als  in  der  Bonner  und  Fritzlarer 
Pieta.  Und  versöhnende  Sonnenwärme  und 
verklärendes  Sonnenlicht  fehlt  auch  nicht  in 
diesem  schmerzbewegtem  Gesichte.  Im  Fritz- 
larer Marienkopf  wirkt  die  goldene  Haarfülle 
schmerzverklärend.  Ein  sinnliches  Mittel.  In 
der  Wetzlarer  hat  der  Meister  ein  höheres, 
geistiges  gewählt.  Es  ist  die  Mutterliebe, 
die  wie  verklärender  Sonnenschein  aus  diesem 
weinenden  Mutterleid  herausleuchtet. 

Auch  der  Christus  der  Wetzlarer  Pietä 
zeigt  gegen  den  Fritzlarer  einige  Abweich- 
ungen. Der  Fritzlarer  Christus  ist  wie  der 
Bonner  zu  klein,  in  der  Wetzlarer  sollte  der 
Fehler  beseitigt  werden.  Leider  fällt  dabei 
der  Meister   ins   andere   Extrem.     Er  betont 


215 


Glasgemiilde  im  alten  Ratha 
zu   Thorn.  —   Text  S.  216 


CHRISTEL  KUBALL 
KREUZIGUNGSGRUPPE 


2l6 


mm  KREUZIGUNGSGRUPPE.  —  MARIENALTAR  ^ 


MICHAEL  PREISINGER 


KRIEGSERIXNERUN'G 


F.nHi;,,/ 


Christus  zu  sehr  und  macht  ihn  zu  groß ; 
auch  sind  insbesondere  Hände  und  Füße 
reichHch  groß  und  kräftig  ausgefallen.  Die 
langen  Beine  fallen  wie  bei  der  Bonner  Pietä 
an  der  linken  Seite  Mariens  herunter.  Das 
Lendentuch,  das  in  der  Fritzlarer  Gruppe 
eine  unnatürliche  Starrheit  und  Steilheit  an- 
genommen hatte,  schmiegt  sich  in  der  Wetz- 
larer natürlich  an  den  Körper  an.  Der  nur 
sanft  nach  hinten  geneigte  Christuskopf  der 
Wetzlarer  Figur  erreicht  indessen  die  künsr- 
lerische  Höhe  des  Fritzlarer  nicht. 

Am  Sockel  kehren  die  neun  fünfblätterigen 
Rosen  wieder. 

Im  übrigen  ist  die  Fassung  der  Wetzlarer 
Pietä  dieselbe  wie  bei  der  Bonner  und  Fritz- 
larer, nur  scheint  sie  mir  nicht  mehr  durch- 
weg die  alte  zu  sein.  Ein  späterer  empfind- 
samer Pinsel  scheint  die  mittelalterliche, 
kräftig-naturalistische  Darstellung  des  Schmer- 
zes, um  sie  dem  modernen  Empfinden  näher 
zu  bringen,  übermalt  und  gedämpft  zu  haben. 


KREUZIGUNGSGRUPPE 

Glasgemälde  nach  einem  Entwürfe  von  Christel  Kuball. 

(Vgl.  Abb.  S.  215) 
P)ie  Firma  Gebr.  Kuball-Hamburg  hat  nach  einem  Ent- 
würfe von  Christel  Kuball  ein  Glasgemälde  mit  der 
Darstellung  der  Kreuzigungsgruppe  für  eine  Ausstellung 
im  Städtischen  .Museum  zu  Thorn  gefertigt.  Die  Kompo- 
sition hat  sicli  in  geschickter  \Veise  der  gegebenen 
Hensterteilung  angepaßt.  Der  dargestellte  Vorgang  be- 
darf keiner  Erläuterung.  Die  Stellung  der  Figuren  ist 
so  gewählt,  daß  die  senkrechte  Teilung  der  Geschlos- 
senheit des  Bildes  keinen  Eintrag  tut.  Eine  feierlich 
ernste  Stimmung  ist  über  den  Vorgang  verbreitet.  Es 
ist  nichts  in  dem  Bilde,  das  die  Gedanken  nach  außen 
lenkt,  sondern  die  ganze  Stimmung  bleibt  in  dem  auf 
sich  gestellten  Vorgange  beschlossen.  Ein  wunderbar 
zusammengestelltes  Farbenspiel  gibt  dem  Bilde  einen 
besonders  hohen  Reiz.  Grüne  Stralilen  von  kräftiger 
und  matter  Tönung  fallen  schräge  auf  die  Christusge- 
stalt, die  in  ein  faliles  Grün  getaucht  ist.  Auch  das 
Gewand  der  Maria  Magdalena  schimmert  mattgrün, 
während  das  rötliclibraune  Haar  zu  den  satten  Farben 
der  anderen  Bildliälfte  hinüberleitet.  Gegen  den  dunkeln 
Hintergrund  des  Schächerkreuzes  heben  sich  die  Ge- 
stalten Maria  und  des  Johannes  ab.  Maria  trägt  ein 
graues  Gewand.  Über  ihr  rotschimmerndes  Haar,  das 
in  langen  Strähnen  herabfällt,  legt  sich  ein  leuchtend 
blauer  Schleier.  Johannes  trägt  über  einem  mattgrünen 
Gewände  einen  rotlila  Mantel.  Alle  über  das  Bild  aus- 
gegossenen Farben  wirken  zur  schönsten  Harmonie  zu- 
sammen. Man  kann  wohl  sagen,  daß  die  leuchtenden 
Farben  hinter  der  Wirkung  der  mittelalterlichen  Glas- 
malerei nicht  zurückstehen,  wie  wir  sie  hier  aus  dem 
14.  Jahrhundert  kennen.  Das  Glasgemälde  fügt  sich 
glücklich  in  die  tiefe  Fensternisclie  des  alten  Rathauses. 
Man  kann  sich  denken,  wie  sehr  die  Wirkung  des  Glas- 
gemäldes noch  erhöht  würde,  wenn  es  in  den  feier- 
lichen Raum  einer  Kapelle  oder  Sakristei  gefügt  würde. 

Prof.  Arthur  Semiau-Thorn. 


MARIENALTAR  VON  E.  KLOTZ 

(Zur  Sonderbeilage  nach  S.  212) 
Daß  sich  die  erhabene  Schöpferkraft  menschlichen  Geistes 
nirgends  leuchtender  offenbart  als  in  Kunst  und  Religion 
vereint,  davon  gibt  ein  plastisches  Kunstwerk  des  Wie- 
ners Edmund  Klotz  wieder  beredtes  Zeugnis.  Es  ist  eine 
Mariengruppe  für  den  Hauptaltar  der  Sankt  Leopolds- 
kirche in  WienFloridsdorf,  im  gewaltigen  Ausmaße  ge- 
scharten,  eine  sogenannte  Retable,  welche  die  (lOttes- 
mutter  mit  dem  Jesuskinde  darstellt,  zu  beiden  Seiten 
als  Adoranten  die  Gründer  des  Stiftes  Klosterneuburg, 
den  frommen  Herzog  Leopold  und  dessen  Gemahlin 
Agnes.  Es  entspricht  dieses  Kunstwerk  wohl  so  ganz 
den  Absichten,  die  der  kunstverständige  Biscliof  von 
Regensburg  erst  jüngst  in  seinem  Hirtenbrief  über  kirch- 
liche Kunst  ausführlich  dargelegt  hat,  die  in  der  Haupt- 
sache daliin  gellen,  daß  für  ein  kirchliches  Kunstwerk 
vor  allem  anderen  die  Vollkommenheit  der  äußeren 
Darstellung  in  engster  Verbindung  mit  dem  .Ausdruck 
eines  eclit  religiösen  Geistes  erlorderlich  sei.  Die  Gruppe 
ist  aus  getriebenem  Kupfer  liergestellt  und  feuervergoldet, 
die  L'mrahmung  in  Tombak  getrieben.  .Abgesehen  von 
dem  überraschend  schönen  GesamtEindruck,  kommen 
auch  die  einzelnen  Teile  aufs  vornehmste  zur  Geltung. 

Richard  RieJI 


MARIA  VE  RKUNDieU  Nß 


MALKREl  AUF  PERQAMT':NT  FÜR  EM" MISSALE 


NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER 


Von  Dr.  O.  DOERIN'G 
(Hierzu  die  Abb.  S.  217   bis  236) 


Die  Pachersche  Kunst  wurde  schon  früher 
in  dieser  Zeitschrift  (durch  Konrad  Weiß 
im  4.  Jahrg.  S.  145  ff.)  eingehend  gewürdigt, 
und  zwar  damals  vorwiegend  nach  der  Seite 
der  Glasmalerei.  In  einer  Anzahl  neuerdings 
fertiggestellter  Werke  zeigt  sie  sich  nach  Rich- 
tungen, die  damals  nur  zum  geringeren  Teile, 
überwiegend  gar  nicht  betrachtet  werden 
konnten. 

Von  einem  igroßen  Ornate«  ist  bisher  eine 
Casula,  eine  Stola,  eine  Alba,  eine  Kelch- 
decke und  eine  Bursa  ausgeführt  worden. 
Bisher  erst  in  Entwürfen  existieren  eine  Dal- 
matika,  zwei  Pluvialien,  ein  Velum,  Schuhe, 
Handschuhe  und  Mitra.  Die  Stickereien  sind 
von  den  ehrwürdigen  Frauen  Franziskane- 
rinnen zu  Hohenwarth  bei  Schrobenhausen 
in  kunstvoller  Weise  ausgeführt  worden.  Die 
Plattstich -Nadelmalerei  ist  auf  herrlichem 
weißem  Moircestoff  in  vielfarbiger  Seide,  so- 
wie mit  Goldfäden  und  dergleichen  gearbeitet. 
Die  Stola  ist  außerdem  an  beiden  Enden  mit 
je  einem  großen  Amethj'sten  besetzt.  Statt 
der  Fransen  hiingen  mit  Gold  übersponnene 
längliche  Körper  daran  (von  Wiedemann 
Söhne,  Hofgold-  und  Silberdrahtgespinst- und 
Tressen-Fabrik^).  Die  Casula  (Abb.  S.  2 1 8  u.  2 1 9) 
zeigt  in  der  Mitte  ihrer  Rückenfläche  inner- 
halb eines  grün  abgetönten  Kranzes  die  Halb- 
figur der  Madonna  mit  dem  Kinde.  Dieses 
Medaillon  dient  als  Mittelpunkt  für  ein  großes 
goldgesticktes  Kreuz.  In  seinen  Wmkeln 
sieht  man  je  drei  Cherubim,  deren  bunt- 
farbige Flügel  strahlenförmig  auseinander- 
streben. Der  weiße  Seitenfond  ist  mit  feinen 
goldenen  Ranken  und  schneckenförmigen 
Voluten  überzogen.  Unten  sind  die  Symbole 
der  Evangelisten,  das  Cluniacenserwappen, 
darunter  ein  Benediktinerwappen  mit  den 
Buchstaben  ^^  I.  O.  G.  D.  und  ein  solches  als 
allgemeines  Ordenswappen.  Die  entgegen- 
gesetzte Seite  der  Casel  zeigt  durchaus  ähn- 
liche Anordnung,  nur  in  anderer  Farbenge- 
bung;  innerhalb  des  Kranzes  ist  die  allerh. 
Dreifaltigkeit  durch  drei  verschlungene  Ringe 


')  Sämtliche  hier  genannten   kunstgewerblichen  Fir- 
men befinden  sich  in  München. 


symbolisiert.  Um  den  Hals  steht  der  Segens- 
spruch Benedicat  vos  omnipotens  deus  usw. 
Unten  prangt  das  heutige  Wappen  von  Klo- 
ster Scheyern.  Die  Casula  ist  mit  einfarbiger 
grüner  Seide  gefüttert.  Die  Alba  (Abb.  S.  220) 
ist  unten  mit  einem  Streifen  geschmückt,  der 
innerhalb  romanischen  Rankenwerkes  die  Na- 
men der  zwölf  Apostel  nebst  ihren  Symbolen 
aufweist;  die  Schilder,  innerhalb  deren  die 
letzteren  stehen,  sind  abwechselnd  rot  und 
blau,  die  Linien  in  Altgold  gestickt.  Die  kost- 
baren Stoße  für  die  sämtlichen  ausgeführten 
Stücke  sind  vom  Hoflieferanten  Gg.  Gerdeis- 
sen,  Firma  Schreibmayr. 

Die  erst  entworfenen  Teile  stimmen  nach 
dem  beabsichtigten  Material,  wie  in  ihrer 
stilistischen  Behandlung  genauestens  zu  den 
übrigen.  Die  Dalmatika  (Abb.  S.  223  links) 
ist  außer  mit  dem  Benediktinerkreuze  mit  den 
Medaillonbildern  von  vier  großen  Benedik- 
tinerheiligen geschmückt,  nämlich  des  S.  Mau- 
ritius, Placidus,  Rupertus  und  Corbinianus. 
Der  erste  hebt  sich  von  dem  Fond  eines  rot 
abschattierten  Schuppenmusters  ab,  Rupertus 
von  einem  ebensolchen  blauen.  Die  Hinter- 
gründe für  Placidus  und  Corbinian  sind  schlicht 
blau,  beziehungsweise  pfirsichfarben.  Auf  vier 
grauen  Schildern  sieht  man  die  Symbole  der 
vier  benediktinischen  Gelübde:  Armut,  Ge- 
horsam, Kasteiung,  Beharrlichkeit.  Die  Ach- 
seln sind  ebenfalls  mit  vier  kleinen  Schildchen 
belegt;  sie  zeigen  die  Namenszüge  der  Evan- 
gelisten, sowie  die  Anfangsbuchstaben  des 
Spruches  In  Omnibus  Glorificetur  Deus.  — 
Von  den  zwei  Pluvialien  ist  das  eine  an 
seinen  zwei  senkrechten  Rändern  mit  zwie- 
fachen Streifen  besetzt;  in  jedem  sieht  man 
je  sechs  Symbole  der  Tugenden.  Der  Doppel- 
streifen des  anderen  Pluviales  (Abb.  S.  222) 
zeigt  statt  dessen  Sinnbilder  der  zwölf  bene- 
diktinischen Regeln.  Die  rote  Schrift  befindet 
sich  hier  auf  spiralig  gezeichneten  breiten 
Bändern;  ihre  Rückseiten  sind  mit  abwech- 
selnd blauer  und  grüner  Ornamentierung  an- 
gedeutet. Auch  die  Schließen  zeigen  symbo- 
lischen Schmuck.  Die  Kappen  der  Pluvialien 
sind  nicht,  wie  neuerdings  sonst  üblich,  als  feste 
Platten    gebildet,    sondern    ihrem    ursprüng- 


■■  chtlsUlche  Kunst.    XII. 


2l8 


NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER 


AUGUSTIX  I'ACIIF.R 


!  :u   lloh.n-.varth  i-ri  Schr,4inhaus 


CASILA   (HLCKSEITK) 


liehen  Sinne  gemäß  wirklich  als  Kapuzen. 
Der  Fond  ist  hier,  wie  es  auch  bei  den  Sticke- 
reien der  Casula  und  auch  bei  der  Dalniatika 
der  Fall  ist,  mit  stilisierten  weiß-silbernen 
Wolken  bedeckt.  Innerhalb  ihrer  bilden  grüne 
Ranken  vier  kreisrunde  Medaillons.  Das 
mittelste  enthält  bei  der  einen  Cappa  das 
Brustbild  des  hl.  Benedikt,  bei  der  andern 
das  des  hl.  Gregor  des  Großen.  Der  letztere 
steht  auf  tiefblauem  Schuppenfond  (dieses 
Blau  gehört  mit  zu  den  schönsten  Farben 
der  Pacherschen  Skala),  während  der  erstere 


von  ebenso  behandeltem  rotem  Fond  sich 
abhebt.  Die  drei  anderen  Medaillons  sind 
mit  Blattornamenten  gefüllt,  ihre  rote  oder 
blaue  Farbe  ist  der  des  mittleren  Medaillons 
entgegengesetzt.  Beide  Kappen  sollen  mit 
hellgrüner  Seide  gefüttert  werden.  —  Das 
Veium  (Abb.  223  rechts)  besitzt  Stickereien  an 
seinen  beiden  Enden,  sowie  in  der  Mitte.  Hier 
sieht  man  das  Lamm  Gottes  innerhalb  eines 
grünen  geflochtenen  Kranzes.  Ihn  umgeben 
wieder  jene  stilisierten  Wolken,  die  mit  roten 
Blümchen  belebt  sind;  nach  auOen  verlaufen 


NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER  ^^ 


219 


AUGUSTIN  FÄCHER 


r^/.  AU.  S.  llS.   —    Text  S.  217 


CASULA  (VORDERSEITE) 


goldene  Strahlen.  An  beiden  Enden  des 
Velums  ist  je  ein  grünes  Geranke  gezeichnet. 
Es  bildet  je  sechs  Medaillons,  und  in  einem 
jeden  ist  eins  der  Leidenswerkzeuge  des  Herrn 
dargestellt.  Mehrere  sind  eigentümlich,  in 
der  älteren  Kunst  selten  nachzuweisen.  Hier- 
her gehört  das  Medaillon  mit  den  dreißig 
Silberlingen,  ferner  der  zum  Fesseln  des  Herrn 
dienende  Strick,  in  welchem  man  kleine 
eiserne  Haken  eingeflochten  sieht  —  ein  Mo- 
tiv, welches  sich  einmal  in  Venedig  findet. 
Die  Rute  ist  vom  Künstler  nicht  als  gebun- 


den, sondern  aufgelöst  gezeichnet,  weil  man 
sie  sonst  auf  einige  Entfernung  nicht  mehr 
erkennen  kann.  —  Die  Mitra  zeigt  auf  ihrer 
Vorderseite  ein  an  seinen  Enden  mit  Perlen 
besetztes  Doppelkreuz,  welches  von  rot  ge- 
flügelten Engeln  gehalten  wird.  Die  Binde 
ist  in  Vierecksflächen  geteilt,  die  abwechselnd 
mit  gesticktem  Ornament  und  mit  Ferien 
geschmückt  sind.  Die  herabhängenden  Bänder 
zeigen  die  Gesetzestafeln  des  alten  Bundes, 
sowie  je  ein  Klosterwappen.  —  Die  Hand- 
schuhe sind  weiß;  ihre  Oberseite  zeigt  je  ein 


^  NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER 


Kreuz  innerhalb  einer  roten  Wolke,  die 
breiten  Stulpen  der  Handschuhe  sind  mit 
Blattornamenten  geschmückt.  —  Endlich  ist 
der  weiße  Seidenfond  der  Schuhe  wieder  mit 
den  an  der  Casula  usw.  beobachteten  gol- 
denen Ranken-  und  Schneckenlinien  belebt, 
während  sich  bunte  Streifen  über  die  obere 
Fläche  hinziehen. 

Die  gesamte  Farbengebung  dieses  teils  fer- 


tigen, teils  entworfenen  großen  Ornates  ver- 
bindet Pracht  und  Lebendigkeit  mit  höchster 
\'ornehmheit.  Das  Weiß  des  Fonds  läßt  alle 
reiche  Koloristik  erst  recht  zu  ihrer  Kraft 
gelangen,  alles  leuchtet  in  festlicher  Herrlich- 
keit. Die  Stärke  der  angeschlagenen  Töne 
ergibt  sich  aus  zweierlei  künstlerischen  Er- 
wägungen. Erstens  entspricht  sie  dem  Cha- 
rakter der  dem  Meister  vorbildlichen  primitiven 


ALGUSTIN  I'ACHER 


ALBA,  STOLA,  MANIPEL 


NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER 


AUGUSTIN  FÄCHER 


.\.  Jff-,   S.  r^S,   die  dazugeho 


und  romanischen  Kunst;  hierüber  wird  unten 
noch  ein  Wort  zu  sagen  sein.  Zweitens  war 
die  Rücksicht  auf  kraftvolle,  nicht  leicht  zu 
überwindende  Fernwirkung  maßgeblich.  Hier- 
aus folgte  auch  die  Einfachheit  sowohl  der 
Hauptlinien,  wie  im  einzelnen  die  der  Ab- 
schattierungen.  So  sind  z.  B.  bei  den  Ge- 
sichtern die  Lichter  und  Schatten  kräftig  und 
flächig  voneinander  abgesetzt,  und  fließen 
nicht  etwa  sanft  ineinander  über.  Sie  behalten 
auf  die  Art  eine  charaktervolle  Herbigkeit. 
Übrigens  kommt  dies  auch  der  Technik  bei 
der  Ausführung  entgegen.  Zu  begrüßen  ist 
es,    daß    der    kirchlichen    Stickereikunst   ein- 


mal eine  Aufgabe  von  solchem  Umfange  und 
Werte  geboten  wird.  Die  Wirkungen  dürften 
nicht  ausbleiben. 

Zeigt  sich  mit  diesen  Dingen  Fächer  als 
Beherrscher  der  Faramentik'),  so  tritt  er  uns 
mit  den  nunmehr  zu  betrachtenden  Werken 
als  bedeutsamer  Meister  auf  dem  Gebiete  der 
Juwelierkunst  entgegen.  Wir  sehen  einen  Kelch, 
eine  Platte  mit  zwei  Meßkännchen  und  ein 
Meßbuch.  Das  letztere  wird  uns  den  Künst- 
ler auch  als  Miniaturmaler  ersten  Ranges  wür- 
digen lassen. 


')  Vgl.  die  .\bh.  im  X.  Jahrg.  S.  142  ff. 


^  NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER  ^ 


AÜGUSTIX  FÄCHER 


ENTWURF  ZU  EINEM  PLUVIALE 


Der  Kelch  (Abb.  S.  224)  ist  0,23  m  hoch,  hat 
oben  einen  Durchmesser  von  0,14,  am  Fuße 
von  0,17  m.  Er  besitzt  die  schlichte  Grund- 
form der  Kelche  romanischer  Zeiten,  also 
einen  kreisrunden  Fuß,  der  über  einen  Sockel- 
reifen mit  starker  Verjüngung  emporstrebt, 
und  eine  halbkugelige  Kuppa.  Zwischen  bei- 
den befindet  sich  der  kugelförmige  Nodus. 
Die  beiden  ersteren  Teile  sind  aus  vergol- 
detem Silber,  der  letztere  besteht  aus  einem 
Stücke  Rosenquarz,  die  Verbindung  mit  Fuß 
und  Kuppa  ist  durch  Metallbänder  hergestellt, 
die  oben  und  unten  von  je  einem  Perlstabe 
begrenzt  sind.  Die  belebenden  Ornamente 
der  Kuppa  zeigen  Formen  in  der  zuvor  cha- 
rakterisierten Art.  Die  aufsteigende  Fläche 
des  Fußes  ist  durch  senkrechte  Streifen  in 
drei  Abschnitte  geteilt,  deren  Relief-  und  Edel- 
steinschmuck zur  Symbolisierung  von  Glaube, 
Hoffnung  und  Liebe  dienen.  Der  erstere 
wird  charakterisiert   durch  die  Halbfigur  des 


hl.  Benedikt,  zur  Zierde  dienen  Amethyste ; 
als  Symbol  der  Hoffnung  erblicken  wir  die 
hl.  Maria,  als  Schmuck  sind  Malachite  ver- 
wandt; die  Liebe  verkörpert  sich  in  Christus 
und  in  der  Reinheit  von  Opalschmuck.  Um 
den  Sockelreifen  läuft  eine  Inschrift.  Eine 
weitere  Inschrift  ist  auf  einer  Silherplatte  an- 
gebracht, welche  innerhalb  des  Fußes  einge- 
lassen ist  und  verhindert,  daß  man  in  diesen, 
wie  sonst  so  gewöhnlich  und  so  häßlich,  gleich- 
sam als  in  einen  Trichter  hineinschauen  kann. 
Das  Wasser-  und  das  Weinkännchen  sind 
aus  Stücken  von  Elefantenzähnen  gearbeitet, 
die  in  vergoldetes  Silber  gefaßt  sind  (Abb. 
S.  225).  Die  Oberfläche  des  Elfenbeines  ist  un- 
gebleicht geblieben,  und  erfreut  darum  durch 
zarten  warmen  Ton,  mit  dem  die  Goldfarbe 
des  Metalls  prachtvoll  harmoniert.  Das  letztere 
zeigt  Bearbeitung  in  höchst  selbständig  emp- 
funden Formen  voll  tiefer  Bedeutung.  Der 
Deckel  erinnert  an  eine  Rundkirche  mit  Ap- 


e^i  NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER  ®2a 


223 


AUGUSTIN   FÄCHER 


ENTWÜRFE  PUR  DALMATIKA  UND  VELUM 


TeAt  S.  ziy  und  21S 


siden  und  hochstrebender  Kuppel;  die  Dächer 
dieser  Architektur  zeigen  Falten,  ähnlich  jenen 
bei  dem  großen  Reliquiar  des  Weifenschatzes, 
bei  diesen  Kännchen  aber  gemäß  dem  kleinen 
Maßstabe  des  Gegenstandes  zahlreicher  und 
zierlicher.  Am  merkwürdigsten  sind  die  Henkel, 
welche  in  der  stilisierten  Form  eines  Elefanten- 


kopfes mit  langem,  unten  schneckenförmig 
aufgerolltem  Rüssel  gezeichnet  sind.  Diese 
Henkel,  wie  auch  die  elfenbeinernen  Körper 
der  Kannen,  deuten  auf  die  mittelalterliche 
Anschauung,  welche  in  dem  Elefanten  das 
Symbol  der  Reinheit  und  Stärke  erblickte. 
Das  Elefantenmotiv  kehrt  auch  an  den  Griffen 


224 


NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER  mm 


AÜGLSTIN  rACHliR 

Aussf/iilirt  van   M.ix  Str„hel  (  Firi„a   Sank/j,'!i<i„,iserJ .    - 

der  Schale  wieder,  auf  welcher  die  Kännchen 
stehen.  Sie  besteht  aus  vergoldetem  Silber, 
die  Ränder  sind  mit  Rauchtopasen  und  Kaizen- 
augensteinen  geschmückt. 

Das  Meßbuch  (Abb.  S.  226  fT.)  besitzt  eine 
Höhe  von  0,42  m  bei  einer  Breite  von  0,32  m. 
Der  Deckel  besteht  aus  weißem  Schweinsleder 
und  zeigt  vorn  und  hinten  reichsten  Sclimuck. 
Er  überdeckt  die  Vorderseite  vollständig;  die 
Rückseite  zeigt  ein  groß  durchbrochenes  geo- 
metrisches Motiv,  welches  für  die  Wirkung 
des  Leders  um  fangreiche  Flächen  freiläßt.  Dieser 
Schmuck  besteht  aus  vergoldetem  Silber,  das 
wieder  aufs  feinste  bildnerisch  ausgearbeitet 
ist.  Die  Vorderseite  zeigt  in  der  Mitte  ein 
vertieftes  längliches  Achteck,  innerhalb  dessen 


Jesus  als  Weltrichter  aut 
dem  Regenbogen  thront, 
während  die  Erde  seiner 
Füße  Schemel  ist.  Unten 
bildet  der  Sternhimmel, 
oben  strahlendes  Licht  den 
Hintergrund.  In  den  Zwik- 
keln  des  Deckelvierecks  be- 
finden sich  die  S3-mbole  der 
vier  Evangelisten,  getrennt 
durch  ebenso  viele  Recht- 
ecke. Die  Namen  stehen 
in  der  Leibung  des  Acht- 
ecks. Die  Rechtecke  sind 
mit  Edelsteinen  besetzt,  in 
der  Mitte  jedesmal  mit 
einem  Lapislazuli,  ringsum 
Amethyste  und  Chryso- 
prase. Auf  den  Flügeln  der 
vier  apokalyptischen  Wesen 
sind  augenartig  je  neun 
Opale  mit  einem  in  je- 
den eingeschliffenen  Blut- 
stein verstreut.  Außerdem 
schmücken  die  Vorderseite 
des  Deckels  noch  Smaragde, 
Mondsteine,  Rubine,  Bril- 
lanten. Der  Regenbogen 
besteht  aus  translucidem 
Zellenschmelz  in  feinen  Sil- 
berfäden ,  das  Meer  aus 
kleinen  Stückchen  Malachit. 
Die  Heilandhgur  hat  der 
Bildhauer  Christian  Winker 
nach  Pacherschen  Entwür- 
fen modelliert  und  in  Elfen- 
bein geschnitten.  Die  Rück- 
seite des  Deckels  zeigt  in 
ihren  vier  Winkeln  je  ein 
Rechteck,  besetzt  mit  einem 
von  Strahlen  umgebenen 
Amethysten.  Zwischen  die- 
sen Flächen  und  den  Mittelpunkten  der  vier 
Seiten  sind  Verbindungslinien  durch  flache 
zweiteilige  Stäbe  hergestellt.  Ein  ovaler  Kranz 
in  der  Mitte  umgibt  den  Namen  Christi.  —  Bei 
allen  hier  beschriebenen  Stücken  ist  die  Metall- 
arbeit außerordentlich  fein,  bis  in  die  zartesten 
Einzelnheiten  ist  alles  mit  größter  Delikatesse 
ausgearbeitet.  Man  sehe  z.  B.  die  Elefanten- 
rüssel, die  Flügelfedern  der  apokalvptischen 
Tiere,  die  Lichtstrahlen  hinter  Christus,  über- 
haupt alles,  was  subtile  Arbeit  erfordert  und 
dabei  doch  des  großen  Zuges  nicht  entbehren 
darf.  Diese  Metallarbeiten  sind  von  MaxStrobel, 
Inhaber  der  Hotgoldschmiedehrma  Sanktjo- 
hannser  und  dem  Bildhauer  und  Ziseleur 
Florian   Zängl.    —  Schläg-t   man    den    Codex 


NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER  S^ 


225 


auf,  welcher  durcli  den 

Buchbindermeister 
Heinrich  Hutmacher 
gebunden  ist,  so  findet 
man  statt  des  Vorsatz- 
papieres  graue  Moir6- 
seide.  Innen  bewun- 
dert man  eine  Anzahl 
von  Pergamentblät- 
tern, die  mit  kunst- 
vollen Handmalereien 
bedeckt  sind.  Zum 
Schutze  der  Miniatu- 
ren dient  jedesmal  ein 
Stück  glatten  grauen 
Seidenstoffes.  Aus 
grauer  Seide  sind  auch 
die  sechs  Bänder,  die 
als  Lesezeichen  die- 
nen und  unten  mit 
je  einer  kleinen  Edel- 
steinkugel in  den 
symbolischen  Farben 
von  Glaube,  Liebe 
und  HoiTnung  besetzt 
sind.  Die  IMehrzahl 
der  Buchblätter  be- 
steht aus  Fapier;  sie 
sind  mit  den  zur 
hl.  Messe    gehörigen 

Texten  bedruckt  und  zwar  unter  Benutzung 
großformiger  Lettern,  bei  denen  es  keinen 
Unterschied  feiner  und  starker  Linien  gibt, 
und  die   also  auch  von  einem  Kurzsichtigen 


AÜGUSTIN  r'A<  III 
Ausgr/Ühr 


leicht  gelesen  werden 
können.  Den  gedruck- 
ten Textblättern  fehlt 
es  nicht  an  Handma- 
lereien, außerdem  ist 
jede  wichtige  Initiale, 
jeder  Schlußstrich 
usw.  mit  der  Hand 
gemalt  und  keins  wie 
das  andere. 

Von  den  erwähnten 
ganzseitigen  Miniatu- 
ren schildert  die  erste 

die  Verkündigung 
(Abb.  I,  Sonderbei- 
lage). Die  Wohnung 
Mariens  ist  nur  ange- 
deutet; der  Hinter- 
grund des  Bildes  ist 
ganz  erlüllt  durch  die 
unendliche  Menge  der 
Strahlen,  welche  von 
dem  Verkündigungs- 
engel ausgehen.  Über 

seinem  Haupte 
schwebt  die  Taube 
des  Hl.  Geistes.  Um 
den  Hals  trägt  er 
einen  kreuzförmigen 
Schmuck,  bestehend 
aus  den  Symbolen  der  allerheiligsten  Drei- 
ialtigkeit  und  einem  Perlengehänge.  Am  Fuße 
des  Bildes  verbreiten  sich  die  Äste  des  Apfel- 
baumes,  von  dessen  Früchten    das  Llreltern- 


MESSKANNCHEX 
roiel  und  Chr.  Zävgl 


AUGÜSTIX  FÄCHER 


TELLER  ZU  DEN  MESSKANXCHEN 


Die  christliche  Kunst.    XII. 


226 


AUGUSTIN  FÄCHER 

Die  Chrhtutßgiir  atisge/uhrt  7 

on   Christin) 

Ifiitker.  ,/„s  iihige  vnn 
Text  S.  224 

MESSBUCHEINBAKD  (VORDERSEITE) 

Max  Slrol,tl  uii.l  Christian  Ziiiigl  (MimchinJ 


AUGUSTIN  FÄCHER 


A,.sg,/Ührt  vnn   Max  Strotel,   /„/,.  d.  Fi,,„a  Sankijohan 
Text  S.  224 


MESSBUCilElXHAXlJ  (RLCKSEITE) 

nd  Christmn  Zangl  (MünchenJ 


228 


^  NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER  ©^ 


paar  im  Paradiese,  Gottes  Gebote  zuwider, 
aß.  Man  sieht  die  beiden  entfliehen,  während 
ein  Unwetter  die  Blätter  des  Baumes  abreißt, 
und  um  seine  Wurzel  und  durch  den  zer- 
borstenen Stamm  die  Schlange  sich  windet. 
Schön  gezeichnet  ist  die  Einrahmung  des 
Bildes,  anmutig  der  scheinbar  plastische  Fi- 
gurenschmuck daran,  auch  die  Reihe  der  oben 
überschauenden  Engelköpfchen.  Die  \'erkün- 
digung,  wie  jedes  der  folgenden  Bilder,  ist 
auf  eine  hauptsächliche  Farbenwirkung  ge- 
stimmt. Bei  dem  ersten  überwiegt  das  Grün  der 
Hoffnung,  es  leuchtet  in  den  Strahlen,  die  von 
dem  Engel  ausgehen;  die  Taube  schwebt  in 
violettem  Lichte,  während  Marias  Kleid  fein 
abgetöntes  Hellblau  zeigt. 

Durchaus  abweichend  wirkt  das  zweite  Bild, 
die  Kreuzigung  (Abb.  S.  229).  Der  Künstler 
ist  dabei  einer  Anregung  gefolgt,  die  er  durch 
die  Visionen  der  Katharina  Emmerich  er- 
halten hat.  Sie  berichtet,  bei  der  Kreuzigung 
sei  die  Luft  von  einem  rötlichen  Nebel  er- 
füllt gewesen.  Fächer  hat  das  dankbare  Motiv 
für  sich  benutzt  und  durch  die  Zusammen- 
stellung von  Rot  und  Schwarz  eine  seltsame 
koloristische  Wirkung  erreicht,  welche  durch 
ihren  mystischen  Zauber  tiefen  Eindruck  auf 
das  Gemüt  ausübt.  Die  Auffassung  der  Figuren 
ist  völlig  anders  als  bei  der  Verkündigung. 
Dort  Milde  und  Lieblichkeit,  hier  eine  Herb- 
heit, welche  jener  der  Grünwaldschen  Kreu- 
zigung am  Isenheimer  Altare  verwandt  ist, 
aber  für  unser  Empfinden  noch  darüber  hinaus- 
geht. Mit  rücksichtslosem  Naturalismus  ist 
der  Christuskörper  geschildert;  der  Künstler 
scheute  sich  nicht  vor  geradezu  grausamer 
Wiedergabe  des  von  den  Wunden  nieder- 
strömenden Blutes,  der  vom  Blutgerinsel  rot 
gefärbten  Haare,  des  abgezehrten,  schmählich 
mißhandelten  Körpers,  der  zusammenge- 
krampften  Finger.  Und  doch  schwebt  über 
dem  Ganzen  die  Hoheit,  die  künstlerische 
\'erklärung,  welche  den  Gekreuzigten  nicht 
als  Menschen,  sondern  als  Gottmenschen  er- 
kennen läßt.  Seine  Figur  allein  tritt  mit  völ- 
liger Klarheit  hervor.  Etwas  weniger  deut- 
lich sind  Maria  und  Johannes,  noch  weniger 
Magdalena,  während  der  Hauptmann  schon 
vom  rötlichen  Nebel  umwoben  ist,  und  die 
l-'iguren  der  Feinde  Christi  sich  darin  nur  noch 
mit  Mühe  erkennen  lassen.  In  der  Umrah- 
mung wiederholt  sich  das  schon  bei  den 
Meßkännchen  beobachtete  Elefantenmotiv. 
Oben  knien  zwei  Engel,  welche  den  Anblick 
des  Sterbens  Christi  nicht  ertragen  können 
und  ihr  Antlitz  abwenden. 

Das  dritte  Blatt  gilt  der  Verherrlichung  der 
Erzdiözese   MünchenFreising    (Abb.  Sonder- 


beil, nach  S.  232).  Oberhalb  der  Wappen  der 
Erzdiözese  (mit  dem  Mohren),  sowie  der  Bis- 
tümer Augsburg  (links  vom  Beschauer),  Passau 
(mit  dem  Wolfe)  und  Regensburg  (rechts)  thront 
der  Diözesanheilige  St.  Korbinian.  Hinter  ihm, 
oberhalb  des  Kapitals  einer  Säule  erscheint 
die  Himmelskönigin  mit  dem  Kinde.  Der 
große  Baum,  welcher  hier  den  Hintergrund 
bildet,  ist  eine  Erinnerung  an  jene  Linde  in 
Freising,  welche  St.  Korbinian,  der  Hauptpatron 
der  Erzdiözese,  selbst  gepflanzt  haben  soll,  und 
die  vor  jetzt  etwa  zehn  Jahren  durch  frev- 
lerische Hände  in  Brand  gesteckt  wurde.  Das 
Bild  des  hl.  Korbinian  ist  der  Mittelpunkt 
eines  hufeisenförmigen  Rahmens,  der  unten 
breit  ist  und  oben  sich  schmal  zwischen  dem 
Laube  des  Baumes  verliert.  Dieser  Rahmen 
umschließt  in  sechs  Medaillons  Büsten  von 
fünf  Heiligen,  den  weiteren  Patronen  der  Erz- 
diözese, und  einem  Engel.  Den  letzteren  sieht 
man  links  oben,  unter  ihm  folgen  St.  Nonno- 
sus  und  St.  Alexander;  rechts  sieht  man  von 
oben  nach  unten  St.  Justinus,  St.  Sigismun- 
dus  und  St.  Lambertus.  In  der  von  diesem 
Rahmen  freigelassenen  Fläche  unter  und  hinter 
dem  Baume  sieht  man  links  Freising,  dabei 
unten  den  Bären  des  hl.  Korbinian,  rechts 
München  mit  den  Türmen  der  Frauenkirche 
und  der  Kirche  St.  Peter.  Die  unterhalb  des 
ganzen  Bildes  befindliche  Inschrift  ist  in  dem- 
selben Charakter  gehalten  wie  die  Druckschrift 
des  Buches. 

Es  folgt  das  »Benediktusblatt«  (Abb.  S.  230). 
Der  Heilige,  ein  ehrwürdiger  Greis  mit  lang- 
wallendem Barte,  steht  in  seinem  schwarzen 
Gewände  hoch  aufgerichtet.  Während  er  in 
der  Linken  den  eigentümlichen  Benediktus- 
stab  hält,  breitet  er  beide  Arme  über  die  Wap- 
pen der  zehn  bayerischen  Benediktinerklöster. 
Über  jedem  Wappen  sieht  man  die  Halbfigur 
eines  Mönches,  dessen  Beschäftigung  jene 
ankündigt,  welche  für  das  betreffende  Kloster 
vorzugsweise  bezeichnend  ist:  für  Scheyern 
ist  es  die  Malerei,  für  Augsburg  der  Unter- 
richt, für  Weltenburg  die  Landwirtschaft,  für 
München  die  Seelsorge,  für  Ettal  die  Wissen- 
schaft, für  Metten  der  Gesang,  für  Ottobeuren 
die  Kunst,  für  Schäftlarn  der  Unterricht,  für 
Andechs  die  Zwangserziehung,  fürPlankstetten 
die  Frömmigkeit.  Alle  diese  Wappen  und 
Figuren  stehen  vor  einem  Hintergrunde  von 
goldenen  Früchten,  den  Sinnbildern  der  Ar- 
beitserfolge des  Benediktinerordens.  Unten 
erblickt  man  rechts  und  links  von  dem  Ordens- 
wappen das  Kloster  Scheyern,  wie  es  ehemals 
aussah,  nach  einem  alten  Stiche  gemalt. 

Von  den  nunmehr  sich  anschließenden 
gedruckten     Blättern     (ausgeführt     von     der 


229 


AUGUSTIN  FÄCHER 


JESU  TOD  AM  KREUZE 


Mnleni  an/  P,rga„„„t  im  Missale.   —    Tejt  S.  22S 


230 


AUGUSTIN  FÄCHER 


HL.  BENEDIKTUS 


Malerei  au/  rtrgamcnt  im  Atissalt.   —    Ttxt  S.  22S 


231 


Ordinarivm  miss/e. 

Sacerdos  paratus  cum  ingreditur  ad  Altare,  facta  illi 
debita  reverentia,  fignat  le  (igno  Crucis  a  fronte  ad  pectus, 
&  Clara  voce  dielt: 

|n  nomine  Patris,  &  Filii,  &  Spiritus  fancti,  Amen. 
Deinde  iunctis   manibus  ante   pectus,   incipit 
Antiphonam.     Introibo  ad  altare  Dei. 

Ministri  R.  Ad  Deum  qui  laetificat  juventutem 

meam. 

PoRea  alternatim  cum  miniflris  dicit  fequentem  Pfal- 
mum. 

Judica  me  Deus,  &  difcerne  caufam  meam  de  gente  non 
lancta:  ab  Nomine  iniquo  &  dololo  erue  me: 

Ouia  tu  es  Deus  fortitudo  mea:  quare  me  repulilli,  & 
quare  triflis  incedo,  dum  affligit  me  inimicus? 


AUGUSTIN  FÄCHER 


.Valen!  a,,/  Pa/.!, 


MESSE  PAPST  GREGORS  D.  GR. 

der  Messe.   -    Text  S.  232 


232 


^  NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER 


PR/EFA>UmTIONES. 


Sequens  Praefatio  cum  suo  cantu  dicitur  a  NatlvitatC  Domifli  usquc 
ad  Epiph.  (praeterquam  in  die  Octav.  S.  Joannis  Apost.)  &  in  Purificatione  B.  Mariao, 
&  in  Festo  Corporis  Christi,  &  per  Octavam,  nisi  in  ea  occurrat  Fcstum,  quod 
propriam  Praefationem  habeat.  Item  in  Transfiguratione  Domini,  4  in  _Fe^tO 
Sanctissimi  Nominis  Jesu. 


Per 


omni 


a   (ae-cu-la   (ae-cu-lo-rum.     R.  A-men. 


AUGÜSTIN  I'ACllER 


Jcr  Prii/atUmcn. 


Hübschmannschen  Hofbuchdruckerei,  Inhaber 
H.  Schrödl)  ist  das  erste  mit  einer  zum  In- 
troitus  passenden  gemahen  Vignette  ge- 
schmückt, welche  in  der  schönen  Farbenstim- 
mung rot  und  zart  hia  die  Messe  Gregors  d.Gr. 
darstellt  (Abb.  S.  231).  Die  Fraefationen  wer- 
den eingeleitet  durch  David,  welcher  vor  Gott 
die  Harfe  spielt;  die  Farbendominante  ist  Blau 
(Abb.  oben).  Als  Eingangsbild  des  Canon  Missae 
dient  die  Darstellung  Christi  als  Keltertreter; 
Engel  fangen  das  aus  der  Kelter  strömende  Blut 
auf  (Abb.  S.  233).  Als  Schlußvignette  schuf  der 
Künstler  ein  Sinnbild  der  vier  Gelübde  des 
Benediktinerordens  (Abb.  S.  234).     Auf  grau 


und  schwarz  behandelten  Wappenschildern  ist 
angedeutet  der  Gehorsam  durch  einen  Mönch 
mit  einem  Joche,  die  Armut  durch  ein  leeres 
Füllhorn,  die  Keuschheit  durch  Geißel  und 
Bußgürtel,  die  Beharrlichkeit  durch  eine  Fyra- 
mide,  welche  von  Stürmen  angeblasen  wird. 
Als  bedeutungsvolle  Zierde  der  Vignette  dient 
ein  Kranz  aus  einem  Distelzweige  als  Svmbol 
der  Entsagung. 

Wiederum  erscheint  ein  großes,  ganzseitig 
bemaltes  Pergamentblatt  (Abb.  S.235).  In  völlig 
herrschender  grüner  Farbenstimmung  ist  ein 
Engel  gemalt,  dessen  Flügel  gleich  einem  leich- 
ten Gespinste  sich  ausbreiten.    Er  hält  einen 


i'UMISLRiS.HiRE 
FOVLHFLEBILES. 


AUGUSTIN  FÄCHER 


BAYKRISCHF,  DlOZESATsTPATRONE 


MALEREI  AUF  PERGAMENT  FÜR  EIN  MISSALE 


253 


r/«S!»J«s^ 


Canon 

lll^iä^llK«»ll^SSi' 

MISS/E. 


Sacerdosextendens.elevans&jungens 

manus,    elevans    ad    coelum    oculos,    & 

ftatim     demittens,     profunde     inclinatus 

ante   Altare,    manibus    fuper   eo    politis, 

K  dicit: 

e  igitur,  clementiüime 
Pater,  per  Jefum  Chri- 
flum  Filium  tuum  Do- 
minum noftrum,  fup- 

plices    rogamus,    ac 

,  petimus.Oscuiatur  Altare,  uti  accepta 
habeas,  &  benedicas,  Jungit  manus, 

delnde  (ignat  tcr  luper  oblata,    haec  i' 

dona,  haec  i  munera,  haec  i 
(ancta    facrificia    illibata,  Extcniis 

manibus  prolequitur:    in  primis,  quae 

tibi  offerimus  pro  Ecclelia  tua 
lancta  catholica:  quam  pacificare, 
cuflodire,  adunare,  &  regere  dig- 
neris  toto  orbe  terrarum:  una 
cum  famulo  tuo  Papa  noflro  N. 
&  Antiftite  noflro  N.  &  omnibus 
orthodoxis,  atque  catholicae,  & 
apodolicae  fidei  cultoribus. 


AUGUSTIN  FÄCHER 


Malerei  zu  Beginn  des  Ka 


CHRISTUS  TRITT  DIE  KELTER 

Text  S  231 


Die  christliche  Kunst.    Xlt.    8. 


i34 


^  NEUE  ARBEITEN  VON  AUGUSTIN  FÄCHER 


AUGUSTIN  FÄCHER 


DIE  VIER  GELÜBDE  DES  BENEDIKTINERORDENS 
Schluß  der  Messe.  —   Text  S.  232 


Baum,  in  dessen  Ästen  die  Köpfe  der  hl.  vierzehn 
Nothelfer,  ein  jeder  in  einem  Medaillon,  mit 
höchster  Zierlichkeit  gemalt  sind.  Unten  sieht 
man  das  Benediktuskreuz.  Den  Beschluß  bil- 
det ein  Blatt  mit  einer  Textschrift  und  der 
Darstellung  des  hl.  Michael,  in  prachtvollem 
Kolorit  von  oben  nach  unten  aus  tiefem  Blau 
bis  in  zartes  Grün  übergehend  (Abb.  S.  235). 

Wir  haben  die  Überschau  über  die  neuesten 
Pacherschen  Werke  beendet,  mögen  aber 
nicht  davon  scheiden,  ohne  uns  über  ihre 
künstlerische  Art  und  Bedeutung  Rechenschaft 
zu  geben. 

Die  neuen  Paramenten  Entwürfe  Pachers 
bewähren  die  alten  Vorzüge  bei  noch  weiter 
gehendem  Reichtum.  Bei  ihnen,  wie  bei  den 
Metallgegenständen  und  bei  den  Miniaturen 
geht  der  Künstler  auf  die  Erreichung  durch- 
aus verschiedenartiger  Zwecke  aus;  für  einen 
jeden  davon  hat  er  seinen  eigenen  Stil,  in 
welchem  gewisse  Grundgedanken  zwar  wieder- 
kehren, während  doch  die  Durchführung  schon 
mit  Rücksicht  auf  die  Verschiedenheit  der  Ma- 
terialien jedesmal  durchaus  individuell  bleibt. 
Er  weiß  den  Bedingungen  der  Textilkunst 
ebenso  vollkonmien  und  in  hohem  Grade 
selbständig  gerecht  zu  werden,  wie  jenen  der 


Metalltechnik  und  der  Kleinmalerei.  Bei  der 
letzteren  hat  er  sich  vollkommenste  Freiheit 
bewahren  können,  bei  den  beiden  anderen 
war  er  durch  die  traditionelle  Form  der  zu 
schaffenden  Gegenstände  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  gebunden,  aber  nur  so  weit, 
wie  ein  Künstler  dieser  Art  sich  eben  binden 
läßt.  Innerhalb  der  gegebenen  Grenzen  be- 
wahrt er  sich  völlige  Unabhängigkeit.  So 
sind  bei  dem  Ornate  die  Stickereientwürfe 
durchaus  neuartig,  nur  für  den  flüchtigen 
Bück  älterer  Art  ähnlich.  Hier,  wie  bei  allen 
Gelegenheiten,  wo  es  auf  die  Bewältigung 
dekorativer  Aufgaben  ankommt,  folgt  Fächer 
der  Auffassung,  zu  der  er  sich  durch  ein- 
gehendes Studium  durchgearbeitet  hat.  Er 
erkennt  in  den  Ornamenten  unserer  roma- 
nischen Epoche  Gedanken,  welche  unmittelbar 
aus  dem  natürlichen  Stilempfinden  primitiver 
Zeiten  und  Völker  in  das  der  Kulturwelt  sich 
hinübergerettet  haben,  einer  Kulturwelt,  die 
sich  trotz  des  Hochstandes  ihrer  geistigen  Ent- 
wicklung doch  ursprüngliches,  natürliches 
Empfinden  zu  bewahren  verstanden  hatte. 
Die  Ornamentik  der  sogenannten  Naturvölker 
bietet  ihm  also  nicht  nur  Parallelen  zu  dem, 
was  die  romanische  Kunst  zu  zeichnen  liebte, 


235 


AUGUSTiN  FÄCHER  DIE  H  NOTHELFER 

Malerei  auf  Ptrgamiut  im  Missale.   —    Text  S.  234 


236 


/»^ 


^m 


OMINE   SANCTAE 
ET  INDIVIDVAE 
TRINITATIS  AD  LAVDEM 
ET  CLOR  I  AM    B.M.V  NEC 
NON  ALMAE  CRVCIS 


^ 


^ 


"s 


AUGUSTIN  FÄCHER 


HL.  MICHAEL 


NIKE  VON  SAMOTHRAKE. 


VERONA 


'37 


sondern  außerdem  eine  Unmenge  von  Moti- 
ven, vvekiie  von  jenen  mittelalterlichen  Künst- 
lern ohne  weiteres,  als  ihrem  Geiste  zusagend, 
übernommen  worden  wären.  Mit  jenemSchatze, 
der  weite  Möglichkeiten  eröffnet,  waltet  Fächer 
in  vollkommen  freier  Art,  er  verwendet  ihn, 
modelt  ihn,  durchdringt  ihn  mit  neuem  Geiste, 
so  wie  die  jeweilige  Aufgabe  es  wünschens- 
wert erscheinen  läßt.  So  beweist  er,  daß  seine 
Kunst,  die  er  im  20.  Jahrhundert  übt,  ihre 
Wurzeln  in  jenem  Boden  echter  Ürsprünglich- 
keit  stecken  hat,  aus  dem  allein  Neues,  Lebens- 
fähiges sich  entwickeln  kann.  Die  technische 
Durchführung  aller  Werke,  die  wir  betrach- 
teten, erwies  sich  uns  als  staunenswert  fein. 
Ganz  besonders  gilt  dies  von  der  Technik  der 
Miniaturen.  Die  in  allen  diesen  Arbeiten  le- 
bende und  wirkende  reiche  Phantasie  geht 
ihre  eigenen  Wege,  die  keine  Abwege  sind, 
denn  sie  führen  dorthin,  wo  seelische  Ver- 
tiefung, wo  lyrische,  dramatische  Stimmungen 
und  wo  die  Innigkeit  echter  Religiosität  da- 
heim sind.  Mit  seiner  Vorliebe  für  S3"mboli- 
sierung  erreicht  Fächer,  daß  er  auch  feinste 
Gedanken  auszusprechen  vermag,  die  sich  der 
eigentlichen  bildlich-gegenständlichen  Wieder- 
gabe entziehen.  Hier  helfen  ganz  wesentlich 
die  geheimnisvollen  Ornamente,  die  Farben, 
die  Edelsteine,  die  Wahl  der  Materialien  über- 
haupt. Nichts  ist  bei  ihm  unnütz,  nichts  wird 
geformt  oder  gemalt,  ohne  daß  es  etwas  Be- 
stimmtes aussprechen  soll.  Bei  dem  Missale, 
welches  unter  den  betrachteten  Gegenständen 
die  größte  Vielseitigkeit  besitzt,  ist  auf  diese 
Art  jeglicher  Zweck  erreicht,  der  erzählende, 
der  lehrende,  der  erhebende,  der  mystisch- 
andeutende. Bei  Fächers  Miniaturen  wird 
niemand  daraufkommen,  kunstgeschichtliche 
\'ergleichungen  anstellen  zu  wollen;  in  der 
Auffassung,  wie  in  der  Ausführung  könnte 
man  sie  als  Anfänge  eines  neuen  Miniatur- 
stiles ansehen,  wenn  die  persönliche  Art,  aus 
der  sie  hervorgegangen,  die  Vererbung  und 
Weiterentwicklung  nicht  vorweg  unwahr- 
scheinlich machte. 

NIKE  VON  SAMOTHRAKE 

Tn  ihren  Flügeln  rauscht  der  kühne  Sieg, 
A    Der  Sturm    des   Ozeans,  der  Braus  der 

Schlachten. 
Und  weit  ausschreitend  preist  sie  laut  den  Mut, 
Den  Stolz  der  Taten  und  das  Todverachten. 
Hell  kündet  sie  mit  der  Fosaune  Stoß 
Vom  hohen  Fels,  warum  es  wert  zu  leben, 
Ihr  windzerpeitschtes,    flatterndes  Gewand, 
Scheint  in  des  Himmels  Wolken  sie  zu  heben, 

M.  Herbert 


VERONA 

I. 

r^ie  Gärten  von  Verona  sind  versteckt, 
*-^Des  Marmors  Wunden  heilen  Rosenfluten 
An  Bild  und  Säule  üppig  aufgereckt 
Die  Furpurkelche  ihren  Traum  vergluten. 
Neptun,  der  seinen  rost'gen  Dreizack  hält, 
Thront  über  dem  geborst'nen  Wasserbecken. 
Olvmpisch  Lachen  aus  versunkner  Welt, 
WennschlankeNymphen  dieTritonen  wecken. 
Lorbeergesträuch  sich  mit  Zypressen  eint 
Und  flicht  dem  toten  Ruhme  dunkle  Kronen. 
Im  Grasgeschling  die  blut'ge  Träne  weint 
Ein  Buschen  liebesroter  Anemonen. 
Gemäuer  unter  Eppichs  Schutz  verträumt! 
Ist  hier  die  Laute  Romeos  erklungen? 
Und  wo  der  Mandelbauniin  Jugend  schäumt. 
Ward  alter  Haß  durch  selge  Lieb  bezwungen  r 

II. 
Verwittert  der  Falazzi  weiße  Fracht, 
\'or  Säulenfenstern  rohe  Bretterladen, 
Im  goldnen  Saale  brütet  schwere  Nacht, 
Die  Trauer  wandert  unter  den  Arkaden. 
Die  von  der  Scala  heben  trotzig  hoch 
Befehlend  ihres  Monuments  Fialen, 
Als  sollte  alles  ^'olk  der  Nachwelt  noch 
In  Ehrfurcht  zitternd  ihnen  Steuer  zahlen, 
Und  Bilder  leben  in  der  Dämmerung 
Uralter  Kirchen  ihren  Rausch  der  Farben. 
Sie  blieben  wie  die  Morgenröte  jung. 
Ob  auch  Geschlechter  kamen  und  verdarben. 
Auf  seinem  Sockel  steht  Firenzes  Sohn, 
Der  in  \'eronas  Mauern  Gast  gewesen, 
Auf  fremden  Treppen  —  O,  wie  lange  schon, 
Ist  er  von  seiner   Fremdheit    Qual    genesen. 

III. 
Mich  treibt  es  hin  zu  Fra  Giocondos  Bau, 
Der  stolzen  Linien  edles  Spiel  zu  grüßen 
Und  meine  enge  Seele  treibt  die  Schau 
So  strenger  Kunst  zu  Alighieris  Füßen. 
Ward  je  ein  Tor  so  wunderbar  geziert 
Als  des  Palastes  schöne  Eingangspforte? 
Hier  bebt  die  Heil'ge,  die  den  Herrn  gebiert. 
In  sich  gebeugt  vor  dem  ^'erkündgungswerk, 
Die  fromme  Jungfrau,   die  ihr  Antlitz  neigt, 
Befehle  des  Gebieters  zu  empfangen. 
Derweil  die  Scham  des  jungen  Mädchens  steigt 
In    ihre    weichen   zuchtgewohnten    Wangen. 
Du  hehrer  Engel  —  Paradieses  Traum  — 
Dir  naht  mein  Herz,  derBotschaftHeil  zu  hören. 
Herabgetragen  in  der  Erde  Raum  — 
Verwehter  Klang  aus  Cherubinenchören. 
Maria,  Mutter  —  Jungfrau  benedeit 
Inmitten  aller  Weiber  du  die  eine, 
Ganz  eingetaucht  in  Himmelsseligkeit, 
Ganz   überstrahlt   von    deines   Gottes   Reine. 

M.  Herbert 


238 


WANDMALEREIEN  IN  DER  ALTEN  KIRCHE  ZU  GARMISCH 


NEUALTGEDECKTE  WANDMALEREI   IN  DER   ALTEN  KlKCHh  ZL    GAKMISi  II 
rtjtt  7i,iten 


DIE  WANDMALEREIEN  IN  DER  >  ALTEN  KIRCHE«  ZU  GARMISCH 

Von  FRANZ  X.  BOGENRIEDER,  Garmisch 
Mit  drei  Originalaufnahmen  von  A.  Adam,  Buchdruckereihesitzer  in  Garmisch') 


\Tach  einem  Umlauf  von  zwei  Jahren  hat 
^  ^  die  Garmischer  »alte  Kirche«  im  September 
vorigen  Jahres  neuerdings  ein  großes  Stück 
des  farbenreichen  Kleides  vorgekehrt,  das  sie 
in  vergangenen  Jahrhunderten   trug. 

Diesmal  wurden  die  Flächen  an  der  Ost- 
wand (links  und  rechts  vom  Chorbogen  über 
den  beiden  Seitenaltären)  sowie  rückwärts  unter 
der  Empore  an  der  Westwand  der  Kirche 
bloßgelegt.  Auch  hier  kamen  reiche  Male- 
reien aus  der  Früh- und  Hochgotik  und  aus 
der  Frührenaissance  ans  Licht. 

Teile  von  Fresken  aus  den  Jahren  1330 — 1350 
hatten  sich  schon  vor  Jahrhunderten  hinter 
den  rechten  Seitenaltar  geflüchtet  und  sind 
dort  jeder  Ubermalung  glücklich  entronnen: 
Christus  am  Kreuze,  zu  seiner  Seite  in  früh- 
gotischen, primitiven  Schreinen  St.  Magda- 
lena und  St.  Margaret. 

In  die  gleiche  Zeit  gehört  der  frühgotische 
Wimperg,  der  im  Gewände  des  hl.  Andreas 
um  eine  Schicht  von  einem  Zentimeter  tiefer 
als  die  erste  Apostelserie  zutage  getreten  ist. 

')  Vergl.  dazu  Christi.  Kunst  X,  3,S.  731T. 


D  e  m  n  a  c  h  w  a  r  wohl  d  i  e  g  a  n  z  e  O  s  t  w  a  n  d 
bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts bemalt  worden  und  jene  Kreuzi- 
gungsgruppe ersetzte  augenscheinlich  einen 
Altaraufbau. 

In  den  Jahren  1420  — 1440  ist  darüber  die 
frühere  der  beiden  Aposielserien  entstanden, 
der  dann  100  Jahre  später  die  zweite  in  an- 
brechender Renaissanceart  folgte. 

Während  die  Malereien  an  der  Epistelseite 
noch  sehr  gut  erhalten  sind  (Abb.  S.  239) 
zeigt  die  Evangelienseite  durch  den  Versuch, 
von  der  zweiten  Malperiode  möglichst  viele 
Farben  zu  retten,  ein  dem  Laien  vielfach  un- 
verständliches Bild  (Abb.  S.  238). 

Die  Vorwürfe  beider  Perioden  sind  einfach 
und  für  jene  Zeit  gewohnt:  der  richtende 
Christus  sitzt  inmitten  seiner  Apostel.  Diese 
stehen  in  dunkel  grundierten  Nischen,  die 
durch  eine  gefällige  Architektur  zu  einem 
Säulengang  verbunden  sind.  Ihr  Gesicht  mit 
den  großen  Augen  ist  ausdrucksvoll,  das  Ge- 
wand, das  in  schlanker  Schönheit  an  ihren 
Gestalten  niederfließt,  reichgemustert. 


WANDMALEREIEN  IN  DER  ALTEN  KIRCHE  ZU  GARMISCH 


239 


NEU    ALI  üLlltCKTE   W  ANUMALhKEI   IN   DER   ALTEN   KIRCHE  ZU  GARMISCH 
Text  S.  23s  und  iintni 


Bewegter  sind  die  Bilder  zu  ihren  Füßen: 
Auferstehung  und  Gericht,  die  Erfüllung  der 
Heilandsworte  bei  Matth.  25,  34.  41. 

Rechts  vom  Richter  die  Auferstehung  der 
Guten  und  ihr  Einzug  in  das  Reich  der  Seligen. 
Petrus  öffnet  die  Himmelspforte,  hinter  der 
Sonne,  Mond  und  Sterne  strahlen.  Unter 
der  Türe  stehend  schaut  er  rückwärts  gegen 
den  Chorbogen,  wo  die  Seligen  —  unter 
ihnen  ein  Geräderter  —  vom  Todesschlafe 
sich  erheben  und  von  einem  Engel  geleitet 
freudig  zur  himmlischen  Heimat  ziehen. 

Links  vom  Richter  die  Auferstehung  der 
Bösen  und  ihre  Verwerfung.  Mit  flammendem 
Schwert  treibt  sie  ein  Gesandter  Gottes  dem 
ewigen  Schicksal  und  Verderben  entgegen: 
dem  weit  geöffneten  Höllenrachen,  aus  dem 
lange  Reihen  zermalmender  Zähne  und  heiße 
Flammen  glühenden  Feuers  Vergeltung  und 
Strafe  drohen. 

Diese  Malereien  zogen  sich  ursprünglich 
über  dem  niederen  schmalen  Chorbogen  hin. 
Als  dieser  1462  erhöht  und  erweitert  wurde 
und  dabei  die  Bilder  des  hl.  Johannes  und 
des  hl.  Petrus  empfindliche  Beschädigungen 
erlitten,  nahm  der  Meister,  der  in  dieser  Zeit 
den  Chor  ausmalte,  (in  der  Schrägung  des 
neuen  Bogens)  eine  vorläufige,  primitive  Er- 
gänzung   vor.     Die    Einwölbung    des    Lang- 


hauses 1522  vernichtete  abermals  zwei  Bilder, 
die  beiden  äußersten.  Das  gab  Anlaß,  die 
ganze  Wand  im  Geschmacke  der  beginnenden 
Renaissance  neu  zu  bemalen.  Die  Uneben- 
heiten der  ersten  Malereien  (u.  a.  die  er- 
haben gearbeiteten  und  in  reichem  Gold  ge- 
haltenen Nimben  der  Apostel)  wurden  in 
roher,  zerstörender  Weise  entfernt  und  die 
neuen  Malereien  unmittelbar  auf  die  alten 
aufgetragen,  die  Bilder  der  Apostel  kleiner 
angelegt,  zwei  weibliche  Figuren  eingefügt 
und  die  Auferstehung  und  das  Gericht  erhöht. 

Ein  Wappen  im  südlichen  Scheidebogen, 
weist  uns  auf  den  kunstliebenden  Freisinger 
Fürstbischof  Philipp,  Pfalzgraf  bei  Rhein, 
unter  dessen  Regierung  (1499  — 1541)  die 
letztgenannte  Arbeit  zur  Ausführung    kam-). 

In  das  Jahr  1522  gehört  auch  das  stimmungs- 
volle Bild  an  der  Empore  am  Westausgang 
der  Kirche:  das  Schweißtuch  Veronikas  (Abb. 
S.  240)  mit  auffallenden  Reminiszenzen  an 
Dürer.  Die  beiden  Ecken  an  der  Turmseite 
und  an  der  Nordwand  füllen  Blumen-  und 
Fruchtmotive. 

Inzwischen  haben  im  Chor  der  Kirche 
Hammer  und  Spachtel  schon  wieder  neue 
Felder  mit  reichen  Malereien  aus  den  Jahre  1462 

^)  Die  Grafschaft  Werdenfels  mit  dem  Hauptort  Gar- 
misch war  bekanntlich  ein  Freisingisches  Besitztum. 


240 


CARL  lOHANN  BECKER-GUNDAHL  ^^ 


angebrochen.  Mögen  immerhin  noch  einige 
Jahre  verrinnen,  bis  die  Mittel  flüssig  sind, 
daß  auch  diese  Auferstehung  feiern  dürfen, 
schon  heute  fühlt  sich  jeder  Besucher  zu 
höhrer  Andacht  <jezwungen  und    der   reiche 


Schatz,  den  er  schaut  und  die  Weihe,  die 
hier  zu  ihm  spricht,  läßt  ihn  die  Glaubens- 
innigkeit jener  Zeit  ahnen  und  ihren  tiefen 
Sinn  für  das  Heilandswort:  »Mein  Haus  ist 
ein  Bethaus«  (Luc.  19,  ^6). 


CARL  JOHANN  BECKER-GUNDAHL 

Zum  60.  Geburtstag 


/^arl  Job.  Becker  Guiidalil  trat  am  4  April  in  das  öo.Lebens- 
,  jähr  als  aufrechter,  den  einmal  beschrittenen  Weg 
nicht  verlassender  Künstler,  dessen  Schaffen  trotz  ver- 
schiedenartiger Widerstände  als  Gemeingut  der  Kunst- 
geschichte die  Jetztzeit  überleben  wird.  Becker  Gundahls 
Kunst  fand  an  dieser  Stelle,  im  Maiheft  des  2.  Jahrgangs 
(1905),  genauere  Würdigung.  Die  Winterausstellung 
1905/06  der  Secession,  von  der  weg  der  bayerische  Staat 
für  die  Neue  Pinakolliek  das  »Elternglück«  erwarb, 
lenkte  dann  besonders  die  Aufmerksamkeit  auf  den 
Künstler.  Seitdem  sind  10  Jahre  verflossen,  die  der 
inneren  und  äußeren  Kämpfe  nicht  entbehrten. 

Becker  Gundahl  hat  sich  gefunden,  eine  gesunde  Kunst 
erstand  wieder,  die  auf  eigene  Weise  das  in  der  Natur 
Geschaute  malerisch  übersetzt.  Es  geht  in  diesem  Sinne 
z.  Zt.  das  Hochaltarbild  —  Die  Taufe  Christi  im  Jordan  — 
für  die  Sollner  Pfarrkirche  der  \'ol!endung  entgegen. 
Damit  endigt  eine  Periode  im  Künstlerschaflen,  wrr 
können  sie  die  zweite  nennen,  die  abgelöst  werden  soll 
von  einer  dritten,  die  für  das  nächste  Jahrzehnt  viel  ver- 
spricht. 

Überschauen  wir  die  seit  der  genannten  VerötTent- 
lichung  erschienenen  Werke.  Nachdem  die  Bemalung 
des  Pavillons  im  Stadt.  Ausstellungspark  (Monatsbilder) 
Gelegenheit  zur  Übung  im  Umgehen  mit  nassem  Kalk 
geboten  hatte,  erwuchs  auf  Grund  der  Sammel.iusstellung 
von  1905/06  in  den  beiden  folgenden  Jaliren  mit  den 
in  Anordnung  und  .-Ausführung  gleich  eigenartigen 
Bildern  »Kommunion  der  Apostel«  und  »Hochzeit  zu 
Kana«  in  dem  Querschifle  der  neuen  St.  Annakirche 
in  München  erstmals  die  Aufgabe,  sich  mit  der  eigent- 
lichen Freskomalerei  abzufinden.  BeckerGundahl  müßte 
nicht  der  Künstler  sein,  der  er  ist,  wenn  er  nicht  diese 
Technik,    in    der    sich    die    besten   Meister   der    Zeiten 


und  Länder  versuchten,  liebgewonnen  hätte.  Zu  ihrer 
Bewältigung  gab  1909  der  durch  eine  Konkurrenz  er- 
rungene Aultrag,  die  Apside  der  Feuchter  Kirche  bei 
Nürnberg  auszumalen,  Gelegenheit.  Seitdem  hat  sich 
der  Künstler  in  der  Wandmalerei,  die  bei  dem  monu- 
mentalen Charakter  seiner  Kunst  sein  ureigenstes  Gebiet 
zu  werden  versprach,  nicht  mehr  betätigen  können. 
Gleich  bedauerlich  ist  die  Ruhe  des  Grifitls,  mit  dem 
er  in  der  Schwarzweißkunst  gediegene  Proben  ablegte. 
Bis  die  Buchillustration  den  Weg  zu  den  Beherrschern 
der  Zeichnung  gefunden  hat,  müssen  wir  uns  mit  den 
von  Zeit  zu  Zeit  auf  den  Secessionsausstellungen  er- 
scheinenden Studien  begnügen. 

In  den  letzten  Jahren  schuf  BeckerGundahl,  der  seit 
dem  Oktober  1910  als  Nachfolger  seines  Freundes  und 
Gönners  Rudolf  Seitz  dessen  Fach  der  dekorativen 
Malerei  an  der  Münchner  Akademie  der  bildenden  Künste 
vertritt,  verscliiedene  Kreuzigungen.  Eine,  deren  Abbil- 
dung im  Mittelstück  unsere  Zeitschrift  brachte  (V.  Jg., 
S.  330),  wurde  auf  Aufforderung  hin  für  die  Große 
Deutsche  Ausstellung  in  Stuttgart  erweitert.  Sie  schmückt 
heute  die  dortige  Staatsgalei'ie.  Eine  zweite  Kreuzigung, 
von  der  die  Kupferstichsammlung  mehrere  Studien 
erwarb,  liängt  zum  größten  Teil  fertig  im  Atelier.  Sie 
führt  über  zu  der  mit  dem  vollendeten  Lebensabschnitt 
einsetzenden  neuen  Arbeitsperiode,  die  der  Künstler 
seihst  charakterisierte  mit  den  Worten:  »Von  der  Natur 
ausgehend,  in  engerer  Anlehnung  an  sie  zu  ihr  zurück.« 
Als  Künstler,  dem  sich  die  Ausübung  der  christlichen 
Malerei  als  Ausfluß  des  Heizensbedürfnisses  ergibt,  dür- 
fen wir  der  Kreuzigung,  auf  der  sich  der  Meister  mit 
seiner  Familie  in  der  Ait  alter  Votivbilder  darstellt,  mit 
Spannung  entgegensehen. 

\V.  Zils-München 


.'iu-..:.  '    ^-■■^n^'v  ,-■    -iE&i. 


VERONIKABILD 
Trxi  S.  239 


ANTON  PRUSKA 


KRUZIFIXUS 


Hauskapelle  der  Villa  des  Professors  Wilhelm  von  Miller  in  Murnau.  —  Text  S.  256 


AXION"  PRLSKA 

DIE  PARADIESESSTROME 

Bfkro 

nitng  des   Brunnfii^  z 

0,    dir  St.  Ann 

ikirchi 

n  München 

Text  S.  24g.   - 

-    Vgl.  IX.  Jg. 

S.247 

ANTON  PRUSKA 

Zu  seinem   70.  Geburtstage 

Von  GUSTAV  LEVERIXG 

(Mit  38  Abbildungen) 


AUS  dem  bedauerlichen  Tiefstand,  in  den  die 
Münchener  Kunst  nach  der  Hochblüte 
unter  König  Ludwig  I.  um  die  Mitte  des  letzten 
Jahrhunderts  gesunken  war,  erhob  sie  sich  — 
und  in  ihrem  Gefolge  die  gesamte  deutsche 
Kunst  —  in  den  siebziger  Jahren  unter  dem 
alles  belebenden  Einfluß  des  eben  glorreich 
beendeten  Deutsch-Französischen  Krieges,  zu 
neuem,  raschem  und  mächtigem  Aufschwung, 
dessen  Kurve  seitdem,  wenn  auch  unter  man- 
cherlei Schwankungen,  eine  unverkennbar  auf- 
steigende Richtung  innegehalten  hat. 

Die  Künstler,  welche  diesen  rettenden  Um- 
schwung unter  der  Führung  des  Bildhauer- 
Architekten  Lorenz  Gedon,  des  genialen  Por- 
trätisten  Franz  von  Lenbach,  des  Erzgießers 
Ferdinand    von    Miller   und    des    erfindungs- 


reichen Malers  und  Zeichners  Franz  von  Seitz 
mit  zielbewußter  Energie  einleiteten,  fanden 
sich  bezeichnenderweise  auf  dem  Boden  des 
Kunstgewerbes  zusammen.  Der  Münchener 
Kunstgewerbeverein,  der,  schon  in  den  fünf- 
ziger Jahren  gegründet,  bis  dahin  nur  kümmer- 
lich vegetiert  hatte,  wurde  der  fruchtbare 
Boden,  aus  dem  diese  Neubelebung  der  Mün- 
chener Kunst  und  zugleich  des  Kunstgewerbes 
hervorsproßte.  Bildete  so  dieser  Verein  ge- 
wissermaßen die  Werkstätte,  in  der  sich  diese 
aufstrebende  Künstlergruppe  zu  realer  Betäti- 
gung ihrer  idealen  Ziele  vereinigte,  so  war  der 
seitdem  weithin  berühmt  gewordene  Künstler- 
klub »Allotria«  das  Feld,  auf  dem,  unter  der 
Pflege  einer  edlen  Geselligkeit,  in  geistvollen, 
oft  von  sprudelndem  Humor  gewürzten  Ge- 


nie christliche  Ku 


242 


ANTON  PRUSKA 


ANTON  PRUSKA 

An  der   Wand  des  südliche 


Teiles  des  Querschiffes  in  St.  Ann 


MARIA  VERKÜNDIGUNG 
(München).  —   Text  S.  !S4 


sprächen,  ein  lebendiger  Austausch  über  künst- 
lerische Fragen  und  Ideen  stattfand,  derüberaus 
fördernd  und  befruchtend  auf  die  Entwick- 
lung der  neuen  Kunstrichtung  einwirkte.  Den 
Bestrebungen  der  Urheber  dieser  Bewegung 
schlössen  sich  bald  eine  große  Zahl  jüngerer 
Kräfte  an,  wie  der  spätere  Altmeister  echt  bave- 
risch-deutscher  Baukunst,  Gabriel  von  Seidl, 
der  geniale  und  vielseitige  Maler  Rudolf 
von  Seitz,  der  jüngere  Ferdinand  von  Miller, 
Fritz  August  von  Kaulbach,  Baumeister  Romeis 
und  viele  andere;  sie  setzten  das  von  den 
älteren  Meistern  begonnene  Werk  mit  jugend- 
lichem Mut,  unermüdlicher  Tatkraft,  zäher 
Ausdauer  und  —  glücklichstem  Erfolg  fort. 
Den  ersten  sichtbaren  Markstein  der  neuen 
Ära  bildete  die  große  Münchener  Kunstge- 
werbeausstellung des  Jahres  1876;  sie  war 
gewissermaßen  der  Auftakt  zu  dem  glänzen- 
den Siegeslauf,  den  die  Münchener  Kunst 
und  das  Münchener  Kunstgewerbe  von  da 
an  genommen  hat. 

Unter  den  Künstlern  dieses  Kreises  befand 
sich  ein  junger  Bildhauer,  Anton  Pruska,  der 
sich  mit  Feuereifer  der  neuen  Bewegung  an- 
schloß und  sein  ganzes  Streben,  seine  Kraft 


und  sein  Können  einsetzte,  um  an  der  Lösung 
der  großen  Aufgabe  mitzuwirken,  und  ihm 
gebührt  unzweifelhaft  ein  bedeutender  Anteil 
daran,  daß  das  Ziel  so  ruhmvoll  erreicht 
wurde. 

Pruska  ist,  wie  so  mancher  unserer  be- 
deutenden Künstler,  aus  einfachsten  ländlichen 
Verhältnissen  hervorgegangen.  Er  wurde  am 
I.Juni  1846  in  dem  kleinen  deutsch-böhmi- 
schen Ortchen  Goldbrunn  geboren,  als  der 
Sohn  des  Pächters  des  dortigen,  im  Besitz 
des  Kaisers  von  Österreich  befindlichen 
Mineralbades.  Schon  früh  zeigte  der  Knabe 
einen  unbezwinglichen  Drang  und  ein  un- 
verkennbares Geschick,  aus  Holz  oder  Ton 
allerlei  Figuren  zu  schnitzen  und  zu  formen. 
Ein  regelmäßig  nach  Goldbrunn  wiederkeh- 
render Badegast,  der  K.  u.  K.  Oberstlandes- 
gerichtspräsident, Freiherr  von  Hennet,  be- 
obachtete das  Treiben  des  aufgeweckten 
Knaben,  faßte  Interesse  für  ihn  und  veran- 
laßte  den  Vater,  seinen  Sohn  in  eine  Gold- 
schmiedewcrkstätte  zu  geben,  um  zu  erproben, 
ob  das  gezeigte  Talent  sich  als  echt  bewähre. 
So  kam  der  1 2  jährige  Anton  nach  Karlsbad 
in  die  Werkstätte    des  eines  gewissen  Rufes 


ANTON  PRUSKA 


243 


ANTON  PRÜSKA 

An  der   Wand  des  südliche 


Teiles  des  Querschiffei 


CHRISTI  GEBURT 
in  St.  Amia  (München).  —    Text  S.  ij4 


als  geschickter  Goldschmied  genießenden 
Meisters  Barton;  in  seiner  Werkstatt  wurden 
alle  Arten  feinerer  Metallarbeiten  von  dem 
einfachsten  Kettchen  bis  zu  kunstvoll  gear- 
beiteten, meist  kirchlichen  Geräten  und  Figuren 
verfertigt.  Hier  übte  der  junge  Pruska  sich 
fleißig  im  Schnitzen  kleinerer  figürlicher  Gegen- 
stände; zugleich  beobachtete  er,  so  jung  er 
noch  war,  das  ganze  kunstgewerbliche  Han- 
tieren des  vielseitigen  Betriebes  mit  ofli"enen 
Augen.  Er  lernte  den  Nutzen  einer  tüchtigen 
handwerksmäßigen  Schulung  kennen,  die 
schließlich  doch  die  unentbehrliche  Grund- 
lage alles  künstlerischen  Schaff"ens  bildet,  die 
Bedeutung  des  Materials  für  die  Eigenart 
eines  Kunstwerks  würdigen  und  den  Wert 
einer  exakten  Ausführung  schätzen.  Wenn 
Pruska  in  seinem  späteren  künstlerischen 
Schaffen  eine  ausgesprochene  Vorliebe  für 
kunstgewerbliche  Arbeiten  behielt  und  schließ- 
lich auf  diesem  Gebiet  eine  so  außerordent- 
lich ersprießhche  Lehrtätigkeit  entfaltete,  so 
mag  dies  nicht  zum  wenigsten  auf  die  Er- 
fahrungen während  seines  Aufenthaltes  in 
der  schlichten  Goldschmiedewerkstätte  zurück- 
zuführen sein.    Seinem  Drang  nach  Höherem 


konnten  indessen  die  immerhin  primitiven 
Verhältnisse  hier  auf  die  Dauer  nicht  genügen. 
So  nahm  er  denn  den  Vorschlag  seines 
Gönners,  des  Freiherrn  von  Hennet,  der  ihm 
zeitlebens  in  väterlicher  Freundschaft  zugetan 
blieb,  in  das  Atelier  des  renommierten  Bild- 
hauers Emanuel  von  Max  in  Prag  als  Lehr- 
ling einzutreten,  dankbar  an.  Dieser  tüchtige 
Meister  —  übrigens  ein  Onkel  unseres  Ga- 
briel von  Max  —  der  sich  des  Rufes  eines 
der  bedeutendsten  zeitgenössischen  böhmi- 
schen Künstler  erfreute,  und  der  u.  a.  der 
Schöpfer  der  berühmten  Gruppe  der  beiden 
Heiligen  Kyrill  und  Methodus  in  der  Tein- 
kirche  zu  Prag  ist,  führte  Pruska  in  die  Grund- 
elemente der  Bildhauerkunst  ein;  auch  hier 
wurde  vor  allem  das  Handwerksmäßige  betont; 
er  lernte  modellieren  und  die  Bearbeitung 
des  Steins  mit  Meißel  und  Hammer  gründ- 
lich kennen.  Auch  bildete  sich  sein  Auge 
für  harmonische  Verhältnisse  und  für  die 
Gruppierung  der  Massen  an  dem  gegebenen 
Material;  doch  blieb  die  Ausbildung  insofern 
etwas  einseitig  und  lückenhaft,  als  verschie- 
dene Zweige  der  Bildhauerkunst  fast  gar 
nicht  gepflegt  wurden,  z.  B.  die  Ornamentik, 


244 


^  ANTON  PRUSKA  eas 


AXTON  PRUSKA 


A'i  der   Wand  des  nördlichen   Teiles  des  Querschiffei 


DIE  HEILIGEN  BARBARA  UKD  KATHARINA 
St.  Anna  (München).  —    Text  S.  IS 4 


die  bei  den  damals  herrschenden  Anschau- 
ungen vernachlässigt,  ja  verächtlich  behandelt 
wurde.  Desto  eifriger  gab  sich  der  angehende 
Kunstjünger  auf  der  Prager  Akademie  dem 
Studium  der  Antike  hin  und  hier  war  es 
auch,  wo  er  durch  unablässig  fleißiges  Zeich- 
nen nach  dem  lebenden  Modell  den  Grund 
legte  zu  seinereminenten  Kenntnisdes  mensch- 
lichen Körpers,  die  seine  späteren  Arbeiten 
so  hervorragend  auszeichnet. 

In  dem  Herzen  des  ideal  angelegten  Jüng- 
lings lebte  jedoch  eine  stille  Sehnsucht  nach  der 
als  Eldorado  gepriesenen  Kunststadt  München 
und  ihrer  Akademie,  deren  Ruf  schon  damals 


in  alle  Welt  gedrungen  war.  Sobald  er  durch 
exemplarische  Sparsamkeit  die  ihm  erforder- 
lich scheinenden  Mittel  zusammengebracht 
hatte,  wanderte  er  im  Jahre  1868  wohlgemut 
und  erwartungsvoll  über  den  Bayerischen  Wald 
nach  dem  schönen  Isarathen.  Nach  Ablegung 
einer  strengen  Prüfung,  die  er  mit  Auszeich- 
nung bestand,  wurde  er  auf  der  Akademie 
willkommen  geheißen  und  in  das  Atelier  des 
Professors  Max  Wiedenmann,  eines  ehemaligen 
Schwanthaler-Schülers,  aufgenommen.  Hier 
machte  er  eine  streng  systematische  Schulung 
durch.  Auf  der  Münchener  Kunstakademie 
herrschte  damals  ein  gewisser  Doktrinarismus, 


245 


HAUPTPORTAL  DER  NEUEN  ST.  ANNAKIRCHE  IN  MÜNCHEN 

MIT  DEN  TYMPANON-  UND  KAPITÄLSKULPTUREN 

VON  ANTON  PRUSKA 

V^l.  die  AU:  S.  246  n,td  247.  -    Text  S.  24q 


246 


ANTON  PRUSKA 


ANTON  I'RUSUA 


DIE  SELIGEN  (191;) 
Rtchten   Christi.     Muschelkalk.  —    kgl.  S.  243 


der  einer  freien  Entfaltung  künstlerischer 
Ideen  und  persönlicher  Eigenart  nicht  allzu 
günstig  war.  Man  hielt  sich  streng  an  die 
Werke  der  antiken  Kunst  und  war  noch  stark 
in  den  Traditionen  des  Klassizismus  befangen, 
dessen  Meister,  besonders  Schwanthaler,  als 
unerreichbare  Vorbilder  gepriesen  wurden. 
Demgegenüber  mußte  dem  aufstrebenden 
Kunstjünger  das  frisch  pulsierende  Leben, 
das  sich  gerade  damals  in  dem  Kreise  der 
Künstler  des  Kunstgewerbevereins  zu  regen 
begann,  besonders  reizvoll  erscheinen  und 
ihm  weit  mehr  Förderung  seiner  künstleri- 
schen Ziele  versprechen  als  der  etwas  pedan- 
tische Lehrgang  der  Akademie.  So  lockerten 
sich,  obwohl  Pruska  stets  eine  unbegrenzte 
Verehrung  für  seine  Lehrer  an  dieser  Hoch- 
schule und  besonders  für  den  ihm  väterlich 
wohlgesinnten  Altmeister  Moritz  von  Schwind 
bewahrte,  allmählich  seine  Beziehungen  zu 
der  Akademie  und  als  nun  seine  Ersparnisse 
zu  Ende  gingen  und  er  gezwungen  war,  für 
seinen  Lebensunterhalt  zu  sorgen,  da  wandte 
er  sich  entschlossen  praktischen  Arbeiten  zu.  Er 
trat  in  das  Atelier  des  Professors  Johann  Hirth 
ein,  wo  er  reichlich  Gelegenheit  hatte,  sich 
in  den  verschiedensten  Zweigen  und  Tech- 
niken der  bildenden  Kunst  und  des  Kunst- 
gewerbes auszubilden  und  sich  an  dem  ver- 
schiedenartigsten Material  zu  üben.  Hirth 
war  damals  stark  mit  Arbeiten  figürlicher  und 
ornamentaler  Natur  für  die  Schloßbauten 
König  Ludwigs  IL,  namentlich  fürden  »Linder- 
hof« beschäftigt  und  Pruska  hat  an  einem 
großen  Teil  dieser  prunkvollen  dekorativen 
Ausstattungskunst  mitgearbeitet. 

Eine  entscheidende  Wendung  in  dem  künst- 
lerischen Werden  Anton  Pruskas  brachte  das 


Jahr  1873.  Lorenz  Gedon,  der  geniale  Führer 
der  neuen  Kunstrichtung,  hatte  den  jungen 
Künstler  schon  längere  Zeit  beobachtet  und 
ihn  auch  wegen  seiner  liebenswürdigen  per- 
sönlichen Eigenschaften  schätzen  gelernt.  Er 
ersuchte  Pruska,  in  sein  Bildhaueratelier  ein- 
zutreten und  dieser  fand  sich  mit  Freuden 
dazu  bereit.  Gedon  war  damals  mit  der  Aus- 
führung des  Baues  der  Schackgalerie  beschäf- 
tigt, jener  Schöpfung,  die  mit  einem  Schlag 
einen  vollständigen  Umschwung  in  der  Mün- 
chener Architektur  hervorrief,  eines  Renais- 
sancebaues, nicht  nach  der  hergebrachten 
italienischen  Schablone,  sondern  mit  neuem 
Leben  von  echt  deutschem  Charakter  erfüllt. 
Man  hat  später,  als  sich  diese  neue  Bauart 
eingebürgert  hatte,  nichts  Außerordentliches 
mehr  an  diesem  Bau  gefunden ;  ja  man  hat 
ihn  in  der  Folge,  wohl  nicht  ganz  mit  Un- 
recht, hauptsächlich  wegen  seiner  unruhigen 
Silhouette,  stark  kritisiert;  damals  aber  be- 
deutete er  eine  befreiende  Tat,  die  der  Ode 
der  Bauten  jener  Zeit  ein  rasches  Ende  be- 
reitete und  die  in  ihren  Folgen  von  epoche- 
machender Bedeutung  war.  Der  Bau  erfor- 
derte an  der  Außenseite  und  im  Innern  reichen 
plastischen  Schmuck.  Gedon  übertrug  einen 
Teil  sowohl  der  figürlichen  als  der  ornamen- 
talen Arbeiten  an  Pruska,  der  es  ausgezeichnet 
verstand,  sich  in  die  Ideen  und  Gedanken 
des  Meisters  einzuleben  und  ihnen,  unter 
Waiirung  seiner  persönlichen  Eigenart,  tref- 
fenden Ausdruck  zu  geben.  So  ist  Pruska 
einer  der  verdienstvollsten  Mitarbeiter  an  die- 
sem originellen  Bau  geworden.  Auch  an  den 
späteren  Bauten  Gedons,  die  sich  immer  mehr 
vervollkommneten,  hat  l^ruska,  ebenso  wie 
an  seinen  rein  bildhauerischen  Arbeiten,  den 


e^«:!  ANTON  PRUSKA  ^S 


247 


ANTON  PRUSKA 


Fries  am  Hauplporlal  von  i/.  A'in.i 


Dil;  \i:kijamm'ii;x  (1913) 

zur  Linken    Christi.      Muschelkalk.  —    Vgl.  S.  ^4S 


tätigsten  Anteil  genommen.  Die  große  Viel- 
seitigkeit, die  Pruska,  besonders  auf  kunst- 
gewerblichem Gebiet,  auszeichnet  und  die  ihn 
für  seine  spätere  Lehrtätigkeit  an  der  Kunst- 
gewerbeschule so  hervorragend  geeignet  er- 
scheinen ließ,  hat  er  sich 
im  wesentlichen  in  Gedons 
Atelier  erworben. 

So  war  Pruska  durch  sei- 
nen Eintritt  in  dieses  Atelier 
mit  einemmal  mitten  in  die 
neue  Kunstströmung  hinein- 
gezogen; denn  Gedons  Ate- 
lier bildete  den  Mittelpunkt 
für  Münchens  neues  künst- 
lerisches Leben.  Hier  trafen 
sich  die  führenden  Meister; 
hier  wurden  alle  Fragen  über 
Kunstprobleme  auf  das  leb- 
hafteste erörtert,  neue  Pläne 
geschmiedet  und  große  Ent- 
würfe ausgearbeitet.  Man 
kann  sich  denken,  welchen 
Eindruck  dieser  geistige  Aus- 
tausch auf  den  jungen  Künst- 
ler machte  und  welch  tiefe 
Wirkung  er  auf  seine  ganze 
Auffassung  der  Kunst  aus- 
übte. Hier  hat  er  alle  Phasen 
der  stürmischen  Entwicklung 
Kunst  mitgemacht  und  mitgekämpft.  So  reifte 
Pruska  in  dem  Atelier  Gedons  zum  fertigen, 
in  sich  abgeschlossenen  und  sich  seiner  Kraft 
und  Eigenart  bewußt  gewordenen  Meister 
heran.  Zehn  Jahre  lang,  bis  zum  Tode  Ge- 
dons (1883),  blieb  er  des  verehrten  Meisters 
treuester  Mitarbeiter.  So  innig  und  freund- 
schaftlich hatte  sich  das  Verhältnis  zwischen 


.  PRUSKA,    DER  SEELEN  WAGER,    19 

In  der  Mitte  zivischen  obigen  Gruppen 

Vgl.  S.  24S 


der  Münchener 


beiden  gestaltet,  daß  Pruska  sich  berufen 
fühlte,  nach  dem  Hingang  des  Meisters  dessen 
unfertig  hinterlassene  Werke  im  Sinne  des 
Verblichenen  pietätvoll  zu  vollenden. 

Dann  machte  sich  Pruska  selbständig;  er 
gründete  ein  eigenes  Atelier 
und  entfaltete  eine  ausge- 
breitete rastlose  Tätigkeit, 
hauptsächlich  auf  dem  Ge- 
biete des  Kunstgewerbes.  Mit 
Vorliebe  machte  er  Entwürfe 
zu  Metallarbeiten,  die  ihn 
wieder  seinen  ersten  künst- 
lerischen Versuchen  in  der 
Goldschmiedewerkstätte  nä- 
her brachten.  Seine  Modelle 
in  Beleuchtungskörpern,  die 
meist  in  der  schon  damals 
Weltruf  genießenden  Bronze- 
warenfabrik von  L.  A.  Rie- 
dinger  in  Augsburg  ausge- 
führt wurden,  machten  auf 
mehreren  Ausstellungen, 
auch  in  München,  berechtig- 
tes Aufsehen  und  trugen  ihm 
staatliche  Auszeichnungen 
ein.  In  diese  Zeit  fällt  die 
Ausführung  der  prachtvollen 
Bismarck-Adresse  der  Stadt 
München,  die  Pruska  nach  einem  Entwurf 
des  ihm  nahe  befreundeten  Professors  Ru- 
dolf von  Seitz  anfertigte  und  die  die  leb- 
hafte Anerkennung  des  Eisernen  Kanzlers  fand. 
Nebenher  aber  gingen  immer  größere  archi- 
tekturplastische Arbeiten.  So  schuf  er  für  das 
von  Professor  Romeis  erbaute  Liebig-Palais  in 
Frankfurt  a.  M.  mehrere  dekorative  Plastiken, 
inbesondere  einen  reizenden  Kaminaufsatz,  an 


24S 


ANTON  PRUSKA  HERZ  JESU 

Am  Christiisallar  in  St.  Anna  zu  München.  —   Ttxt  S-  2S4 


ANTON  PRUSKA  MADONNA  AUF  DEM  THRONE 

Hauptfigur  des  Marienaltares  in  der  St.  Annakirche  zu  IVlünchen.  —  Text  S.  254 


^a  ANTON  PRUSKA  ©aa 


249 


dem  auch  Pruskas  humoristische  Ader  zur 
Geltung  gehängte  (Abb.  S.  261). 

Im  Jahre  1892  erhielt  Pruska  ein  höchst 
ehrenvolles  Anerbieten.  Geheimrat  Wallot, 
der  für  die  Durchführung  des  riesenhaften 
Baus  des  Reichstagsgebäudes  kongeniale  künst- 
lerische Mitarbeiter  brauchte  und  der  den 
Münchener  Künstler  Anton  Pruska,  dessen  Ruf 
schon  über  die  Grenzen  Bayerns  hinaus  gedrun- 
gen war,  hochschätzte,  bot  ihm  an,  einen 
größeren  Teil  des  plastischen  Schmucks  des 
R.eichstagsgebäudes  auszuführen.  Pruska  hätte 
sich  auf  wenigstens  drei  Jahre  verpflichten 
und  seinen  Wohnsitz  nach  Berlin  verlegen 
müssen.  So  verlockend  und  auszeichnend 
dieser  Vorschlag  für  unseren  Meister  war, 
so  konnte  er  sich  doch  nicht  entschließen, 
München,  seine  ihm  teuer  gewordene  zweite 
Heimat,  zu  verlassen  und  sich  aus  dem  Kreise 
seiner  Genossen  und  Freunde  und  von  den 
Arbeiten  loszulösen,  mit  denen  er  damals 
geradezu  überhäuft  war  und  die  ihm  ihrer 
Natur  nach  S3mipathischer  sein  mochten,  als 
die  Aufgaben  für  das  Reichstagsgebäude;  trotz- 
dem hat  Pruska  für  diesen  Bau  eine  Reihe 
dekorativer  Arbeiten  geliefert:  die  plastische 
Ausstattung  des  stimmungsvollen  kleinen 
Restaurationssaales  z.  B.  ist  ausschließlich  von 
seiner  Hand. 

In  Gedons  Atelier  hatte  Pruska  den  fast 
gleichalterigen  Baumeister  Gab rielSeidl  kennen 
gelernt.  Beide  Männer,  von  gleichem  Streben 
erfüllt  und  denselben  künstlerischen  Ideen 
huldigend,  fanden  sich  rasch.  Seidl,  der  sich 
auf  der  Kunstgewerbeausstellung  von  1876 
mit  seinem  »altdeutschen  Zimmer«  die  ersten 
Sporen  verdient  hatte  und  der  inzwischen 
durch  seine  epochemachenden  Bauten  schon 
ein  berühmter  Architekt  geworden  war, 
erkannte  in  Pruska  die  Persönlichkeit,  welche 
geeignet  war,  seinen  architektonischen  Schöp- 
fungen durch  die  Plastik  die  letzte  Weihe 
und  Vollendung  zu  geben.  Der  neue,  von 
Seidl  ins  Leben  gerufene  Baustil,  der  die 
deutsche  Renaissance  und  besonders  das  baye- 
rische Barock  wieder  zu  Ehren  brachte,  er- 
forderte reichlichen  plastischen,  sowohl  figür- 
lichen als  ornamentalen  Schmuck  und  zu 
keiner  Zeit  waren  vielleicht  Architektur  und 
Plastik  so  sehr  zu  gemeinschaftlichem  Zu- 
sammenarbeiten aufeinander  angewiesen,  wie 
in  den  beiden  letzten  Dezennien  des  vergan- 
genen Jahrhunderts.  Das  erste  große  Bauwerk, 
für  das  Seidl  Anton  Pruska  zur  Mitarbeit  ge- 
wann, war  die  romanische  St.  Annakirche  in 
München.  Für  Pruska  war  dieser  Stil  bisher 
ziemlich  fremd  gewesen  und  es  erforderte 
ein    intensives  Studium,    um    sich    in   seinen 


A\  ILIX   l'KL'M^A 


ll-'ü  A/il:  S.  i44 


Formen  einzuleben  und  sie  zugleich  mit  dem 
Geist  der  neuen  Zeit  zu  erfüllen.  Wie  glück- 
lich dies  Pruska  gelungen  ist,  beweist  die 
vollendete  Harmonie,  zu  der  sich  seine  pla- 
stischen Schöpfungen  mit  der  Architektur  des 
Baues  vereinigen.  Wie  hebt  z.  B.  das  Tym- 
panon  über  dem  Hauptportal  mit  Christus 
als  Weltenrichter  und  der  sich  unter  ihm 
hinziehende  Fries  des  Jüngsten  Gerichts  den 
Eindruck  der  machtvollen  Fassade,  wie  stim- 
mungsvoll fügt  sich  der  Brunnen  vor  der 
Westseite  mit  den  symbolischen  Gestalten 
der  vier  Flüsse  des  Paradieses  dem  Ganzen 
ein!     Auch    die    figürliche    und  ornamentale 


Die  christliche  Kui 


250 


A.  PRUSKA,  HL.  AUGUSTIN 


A.  l'KUSKA,  HL.  ÜRLGUR  ü.  GR. 
St.  Annakirche  in  München 


251 


A.  i'KL^KA,   IIL.  BASILIUS 


A.  PRUSKA,  HL.  GREGOR  V.  N. 
St,  Annakirche  In  MUmhen 


232 


A.  PRUSKA,  HL.  HIERONVMUS 


A.  PRUSKA,  HL.  A.MBROSllS 
Si.  Annakirche  in  München 


253 


A.  PRUMvA,  IIL.  i.  ^.i^Kl^o^,lO.\IL;s 


A.  PRUSKA,   HI  .  ATHAXAMLS 
Sl.  Antiakirche  in  München 


2S4 


<srM  ANTON   l'KUSKA  G;.M 


V,  fKV\l\\,    H\VA>-A  N 


VN   l'tK  «Kl.  NNMK  VV.t 


Ausstattung  ck-s  linu-in  wiinU-  l'iiislwi  last 
{;anz  übertr.if.fii.  I'r  ist  ilcr  SclmplLT  der 
Plastiken  des  lloclialtars,  des  Ciliristusaltars, 
lies  ergreifenden  Kriizilixns  über  dem  Joscphs- 
;iliai  inul  der  sicr  lieiligenliguren,  welche 
du-  W'.uui  d.iiiilHi  in  M)  meisterhafter  Weise 
j'Jii'ilern;  ebenso  siiul  die  griißen  Medaillons 
der  aeht  Kirchenväter  an  den  Wanden  des 
Mitielschilfs  von  seiner  Hand.  Das  Meister- 
werk l'rnskas  in  diesem  (icnteshaus  ist  jedoch 
A\c  ihroneiule  Madonna  mit  dem  Kinde  am 
Maiunaltai,  die  ims  in  ihrer  ernsten  I.ieb- 
hvhkcii  nni  andachtsvoller  lihrfiircht  erfüllt 
(Abb  S  .'ji  bis  .'>;;  und  2.  Sonderbeilage)'). 
\\  iini  uns  m  ilem  luu  bgewi'ijbten  Innern 
dei  St.  Annakirche  eine  weihevolle  Stimmung 
ergreilt,  so  beiiiht  dies  nicht  zinii  wenigsten 
anl  dei\  von  tiefer  Religiosität  erfidlten  Ge- 
stalten l'rnskas.  Noch  heute  ist  dieser  Meister 
nut  l'ri>iekten  fiU'  die  weitere  plastische  Atis- 
gestalinng  des  Innern  dieser  Kirche  beschäftigt; 
so  plant  er  die  Ausschntückung  der  Nische 
des  Josephsaltars  mit  den  Statuen  von  acht 
l'ri>nhetcn,  die  sich  zwischen  einer  jonisclien 
Sänlcnstelhmg  gruppieren  sollen, 

Puich  seine  .\rbeiten  an  der  St.  Annakirche 
kam  Tiiiska  in  nähere  Hei-iehungen  lu  der 
kirchlichen  Kin»st,  die  von  ihm  wahrend  der 
gaui^en  Dauer  seines  künstlerischen  SchatVens 
mit  Liebe  imd  Hingebung  gepflegt  wurde.  AulJtT 
i-ahlreichen  kleinplastischeu  Arbeiten  in  ver- 
schiedenstem Material,  wie  Kruzifixen,  Heili- 
genfiguren, vitualen  Geräten  usw.  in  der  kunst- 
gewerblichen Art,  .scluif  er  in  einer  stattlichen 
Reihe  itevier  oder  in  der  WiederherslcUung  be- 
grirtVuer  Kirchen  grC^liere  selbstätxdige  Kunst- 
werke, Hierbei  kau»  ihn\  .seine  intime  Kcnnt- 
ni.s  der  früheren  Stilavten  trertlich  zustatten; 
sie  helähigte  ihn,  Kirchen  der  verschiedensten 
Haufinn\en  mit  der  ihrem  architektoinischen 
(Charakter  entsprechenden  Plastik  ausaustatten, 
li\  München  hat  JVuska  außer  der  St.  Anna- 
kirche noch  mehrere  Gotteshäuser,  entweder 
an  der  AuL'enseite  oder  im  Innern,  mit  onu- 
mentalem  und  tigürlichetu  Schtuuck  versehen. 
Uer  l'assade  der  von  lVv>fessor  Romeis  er- 
batvten,  ebenfalls  r\>mauischen  St.  Hennokirche 
gibt  iVuskas  viberlebensgt\>lV  Kreuzigung?;- 
gruppe  in>  Giebelfeld  einen  erhabenen  und 
erhebenden  Abschluß  (Abb.  S,  25  %).  Für  den 
Hochaltar  der  twj  v<>n  Gabriel  v<>n  Seidl  er- 
bauten Rupertviskirv^he  schuf  IVuska  die  kolost- 
sale  sitaende  Statue  dieses  gr\>l»»eu  Missionars 
der  Havert\ ;  sie  ist  in  Oberamn^evgatt  aus  dem 
Stamm  einer  n\ehr  als  tausendiaht  igen  l  tnde 
geschnitist  wwden,   detfu  erates  Wachstum 


I 


eai  AXrcx  ??tC?AA  ler:? 


^w»  .4kinK  .'►• 


256 


©^  ANTON  PRUSKA  ®^ 


korinthischen  Säulen  flankierte  Nischen.  Die 
mittlere,  breitere  Nische  zeigt  das  Reiterstand- 
bild des  heiligen  Georg,  wie  er  den  Dra- 
chen tötet,  in  außerordentlicher  Lebendigkeit 
und  Naturtreue  und  doch  streng  in  dem 
durch  die  Architektur  der  Kirche  gebotenen 
Stil  (Abb.  S.  259).  Die  beiden  Heiligen  der 
Seitennischen,  der  heilige  Ludovicus  und  der 
heilige  Ernestus,  ergänzen  das  Mittelstück  in 
der  glücklichsten  Weise.  Für  die  Hauskapelle 
der  Villa  des  verstorbenen  Professors  Wilh.  von 
Miller  in  Murnau  schuf  Pruska  einen  ergrei- 
fenden und  doch  überraschend  naturalistisch 
aufgefaßten  Christus  am  Kreuz,  der  auch  für 
den  bereits  erwähnten  Kruzihxus  über  dem 
Josephsaltar  der  St.  Annakirche  als  Modell 
diente  (vgl.  i.  Sonderbeil.).  Auch  außerhalb 
Münchens  verfertigte  unser  Meister  bildne- 
rischen Schmuck  für  mehrere  Gotteshäuser. 
So  sind    die  in   Sandstein   ausgeführten    fünf 


Relieftafeln  der  gotischen  Alexanderkirche  in 
Zweibrücken,  die  in  ergreifender  Weise  Szenen 
aus  der  Leidensgeschichte  des  Herrn  darstellen, 
Werke  seiner  Hand.  Auch  die  Kirche  in 
Schweinfurt  erhielt  durch  Pruskas  Statuen  von 
fünf  Patriarchen  eine  hervorragende  Berei- 
cherung. 

Nahe  verwandt  und  fast  ebenso  reich  wie 
seine  Leistungen  in  der  kirchlichen  Kunst 
ist  Pruskas  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der 
Grabmalkunst.  Hier  verstand  es  der  Meister 
stets  vortrefflich,  das  Kunstwerk  in  Form 
und  Material  der  Stimmung  der  Umgebung 
auf  das  glücklichste  anzupassen.  Unter  den 
zahlreichen  Grabmonumenten  Pruskas  ist  in 
erster  Linie  die  Madonna  mit  dem  Kind  an 
dem  von  Gabriel  von  Seidl  erbauten  Familien- 
grab des  Großgärtners  Buchner  auf  dem  Süd- 
lichen Friedhof  in  München  zu  nennen.  Die 
in  der  Erzgießerei  von  Miller  gegossene,  über- 


ANTON  PRUSKA 


iMAlUA  UKD  lOHAXN'ES  UN'TKR  DEM  KREUZ 


^  ANTON  PRUSKA  ^ 


257 


ANTON  PRUSKA 

TonmodeU  : 


der  St.  Bennokirclie 


Vgl.  Aii.  S.  2JJ   ,md  !J6. 


KRUZIFIXUS 
tt  S.  254 


lebensgroße  Bronzefigur  der  Gottesmutter  im 
Strahlenkranz  auf  der  Mondsichel,  steht  auf 
einer  von  einem  reich  geschmückten  Kapitell 
gekrönten  Säule  in  ernster  Hoheit,  das  ganze 
Monument  überragend.  Der  überaus  lieb- 
liche und  doch  tiefernste  Gesichtsausdruck 
der  Himmelskönigin  wirkt  zugleich  tröstlich 
und  erhebend.  Bemerkenswert  ist  auch  die 
Wappentafel    in    Bronze,    von    Pruska    nach 


einem  Entwurf  von  Professor  Hupp  model- 
liert, für  das  ebenfalls  von  Gabriel  von  Seidl 
erbaute  Grabmal  des  Freiherrn  von  Hörn  im 
Nördlichen  Friedhof.  Eines  der  eindrucksvoll- 
sten Werke  Pruskas  ist  die  Pieta  an  dem  Grab- 
mal für  die  Eltern  Professor  Theodor  Fischers  in 
Schweinfurt.  In  den  engen  Raum  einer  nie- 
drigen, langgestreckten  Nische,  die  von  einer 
von  Professor  Fischer  selbst  entworfenen  Um- 


Dle  christlich.;  Kunst.    XII. 


258 


^  ANTON  PRUSKA  ©^ 


AXTON  PRUSKA 


ZWEI  PROPHETEX  (HOLZ,  1909) 


rahmung  aus  gotischem  Maßwerk  umschlos- 
sen wird,  ist  die  Gruppe  —  der  von  zwei 
knienden  Engeln  am  Kopf-  und  Fußende 
gehaltene,  liegende,  in  vorzüglicher  Anatomie 
ausgeführte  Leichnam  des  Herrn  und  die 
hinter  ihm  kniende,  in  Schmerz  aufgelöste 
Gottesmutter  —  mit  größter  Meisterschaft 
hineinkomponiert.  Ein  überaus  stimmungs- 
volles, wie  ein  Genrebild  anmutendes  Relief 
ist  die  Halbfigur  der  Madonna  mit  dem  Kinde 
an  einem  Grabmonument  imMünchenerWald- 
friedhof 

Kehren  wir  zur  profanen  Kunst  zurück,  so 
stoßen  wir  zunächst  wieder  auf  ein  Bauwerk 
Gabriel  von  Seidls,  zu  dessen  monumentaler 
Wirkung  die  Mitarbeit  Pruskas  wesentlich 
beiträgt:  das  Künstlerhaus  in  München.     An 


der  dem  Lenbachplatz  zugekehrten  Front  des 
Hauptbaues  sind  drei  von  Pruska  entworfene, 
in  Ton  gebrannte,  mächtige  Kartuschen  an- 
gebracht: das  in  eine,  feinste  Übereinstim- 
mung mit  der  Barockarchitektur  des  Hauses 
zeigende  Umrahmung  eingesetzte,  von  vier 
Putten  gehaltene,  große  Künstlerwappen  und 
zwei,  die  Musik  und  die  frohe  Geselligkeit 
symbolisierende,  reich  umrahmte  Schilder. 
In  dem  großen  Saal,  diesem  schönsten  Fest- 
saal Münchens,  hat  Pruska  mehrere  der  die 
Decke  und  die  Balustrade  tragenden  Karya- 
tiden, sowie  die  Plastik  der  monumentalen 
Uhr  modelliert. 

Der  Höhepunkt  des  gemeinsamen  künst- 
lerischen Schaffens  der  beiden  kongenialen 
Meister   ist    an    dem    Neubau    des    National- 


^^  ANTON  PRUSKA  ^;^ 


259 


AXION   TKUSKA 

Anttelteil  , 


Seitenaltars  eier  lilargaretJtejtkircke  . 


HL.  GEORG  (MODELL) 
','Sendling.  —   Text  S.  2j6 


museums  erreicht  worden,  der  um  die  Wende 
des  19.  Jahrhunders  vollendet  wurde.  Hier 
ergänzen  sich  Architektur  und  Plastik  zu  voll- 
endeter Harmonie.  Der  Architekt,  vor  dessen 
geistigem  Auge  das  fertige  Bild  eines  Baues 
steht,  wird  in  seinen  Entwürfen  auch  in  all- 
gemeinen Grundzügen  die  plastischen  Werke 
festlegen,  die  er  zur  harmonischen  Gestaltung 
des  Bauwerkes  für  notwendig  erachtet. 
Die  schwierige  Kunst  des  Architekturplasti- 
kers  besteht  darin,    sich  auf   das  intimste  in 


die  Absichten  des  Baumeisters  einzufühlen 
und  doch  seine  eigene  Art  kräftig  zu  be- 
wahren. Diese  versteht  Pruska  in  geradezu 
vorbildlicher  Weise.  Niemals  wirkt  seine 
Plastik  störend;  im  Gegenteil:  sie  hebt  stets 
den  Gesamteindruck  des  Ganzen;  und  doch 
sind  seine  Schöpfungen  selbständige  Kunst- 
werke, die  in  ihrer  derben  und  doch  gra- 
ziösen, von  echt  deutschem  Geist  durchdrun- 
genen Eigenart,  den  freischaffenden  Meister 
bekunden.     Betrachten  wir  in  diesem  Sinne 


26o 


^  ANTON  PRUSKA 


"~ —   'TTiiiiianiwhiiiriiiiiiiiiririiiMinnniiiiiiTMirriMnimfi 

ANTON  PRUSKA 


DIE  HEll.lGhN   WENDELIN  UND  LtOXllAKD  (TERKAKÜ  ITA) 
P/eiUrrt'lief  für  ein   Okono))iiegebdude  des  Schlosses  Klingeiiberg 


die  Fassade  des  Mittelbaues  des  National- 
museums'),  der  die  überragende  Dominante 
des  ganzen  Bauwerks  bildet,  so  wird  man 
gestehen  müssen,  daß  gerade  hier  die  Plastik 
die  unentbehrliche  Ergänzung  der  Architektur 
ist  und  ihr  erst  zur  vollen  Wirkung  verhilft. 
Nennt  man  die  beiden  Hauptschöpfer  des 
Nationalmuseums,  Gabriel  von  Seidl  und 
Rudolf  von  Seitz,  so  darf  der  Name  Anton 
Pruskas,  als  des  Dritten  im  Bunde,  nicht  ver- 
gessen werden.  — 

Noch  an  vielen  anderen  monumentalen 
und  Privatbauten  Gabriel  von  Seidls  hat 
Pruska  mitgearbeitet; 
in  allerneuesterZeit  hat 
er  für  den  Rathausbau 
in  Bremen(Abb.  S.  263), 

dessen  Vollendung 
Seidl  nicht  mehr  erle- 
ben durfte,  zahlreiche 
ornamentale  und  figür- 
liche Arbeiten  geliefert. 
Auch  für  andere,  ja  man 
darf  sagen,  für  die  mei- 
sten der  großen  Bau- 
meister Münchens,  hat 
Pruska  an  ihren  bedeu- 
tendsten Bauten  mitge- 
arbeitet: Für  Professor 
Romeis,  mit  dem  er 
eng  befreundet  war, 
schuf  er  u.  a.  ein  gro- 
ßes Relief  am  Liebig- 
Haus  in  Frankfurt  a.  M. ; 

')    Abb.   im    IX.  Jahrg., 
S.  268,  z.  T.  auch  im  I.  Jahrg. 


für  Professor  Emanuel  von  Seidl  mehrere 
ornamentale  Plastiken  an  dem  Hohenzollern- 
schloß  bei  Hechingen  in  Sigmaringen;  für  Pro- 
fessor Friedrich  von  Thiersch,  neben  vielem 
anderen,  interessante  Masken  als  Schlußsteine 
an  den  Fensterumrahmungen  des  Ergänzungs- 
baues der  Technischen  Hochschule;  für  Pro- 
fessor Hocheder  am  Neubau  des  Verkehrs- 
ministeriums die  beiden  reizenden  Früchte- 
träger über  dem  Hauptportal  an  der  Mars- 
straße (Abb.  S.  262).  Besondere  Erwähnung 
verdient  noch  Pruskas  Mitarbeit  an  den  Schloß- 
bauten des  Architekten  Max  Ostenrieder; 
z.  B.  an  dem  grandio- 
sen Schloß  Hohen- 
aschau  des  Freiherrn 
von  Cramer-Klett  und 
vor  allem  an  dem  Neu- 
bau des  Großherzog- 
lichen Schlosses  Col- 
mar-Berg  in  Luxem- 
burg; an  letzterem  ist 
ein  großer  Teil  der 
Außenplastik  und  der 
Innenausstattung  der 
prachtvollen  Säle  von 
Pruskas  Hand,  u.  a.  die 
reichstukkierte  Decke 
des  Empfangssaales,  de- 
ren Mittelstück  eine 
freie  Nachbildung  des 
Reichssiegcls  Kaiser 
Adolfs  von  Nassau  dar- 
stellt. Eine  der  rei- 
zendsten Arbeiten  Prus- 
kas   ist    die    Madonna 


I'FEII.ERSCH.MUCK 


ANTON  PRUSKA  ®^ 


261 


ANTON  PRUSKA 


nrelie/  im  Liebigpaln 


nk/urt  a.  M.   —    Text  S.  24g 


KINDERFRIES 


mit  dem  Kinde  in  der  Krone  eines  stilisierten 
Apfelbaumes,  der  den  Eckpfeiler  eines  Privat- 
hauses in  der  Brunnstraße  in  München  bildet 
(Abb.  S.  254).  Der  Mittelbau  des  von  Ober- 
baurat von  Mellinger  erbauten  Armeemuseums 
hat  durch  die  vier  mächtigen,  von  Pruska  mo- 
dellierten Waffentrophäen  der  Attika  einen 
imposanten  Abschluß  erhalten.  Die  Liste  der 
architektur-  und  der  freiplastischen  Werke 
Pruskas  ließe  sich  leicht  noch  verlängern. 

Mit  dieser,  fast  die  Leistungsfähigkeit  eines 
Menschenlebens  übersteigenden  Tätigkeit  ist 
das  Wirken  Anton  Pruskas  keineswegs  er- 
schöpft. Eine  der  verdienstvollsten  Seiten 
seines  Lebenswerks  ist  seine,  von  außerordent- 
lichem Erfolg  begleitete,  fast  20  Jahre  währende 
Lehrtätigkeit  an  der  K.  Kunstgewerbeschuie 
in  München.  So  ungern  der  vielbeschäftigte 
Meister  seine  freie  Künstlertätigkeit  aufgab, 
so  entschloß  er  sich  doch  nach  längerem 
Zögern,  dem  Drängen  seines  Freundes  Romeis, 
der  selbst  als  Lehrer  an  dieser  Anstalt  wirkte, 
und  der  das  ungewöhnliche  Lehrtalent  Pruskas 
erkannt  hatte,  nachzugeben  und  den  ihm  an- 
gebotenen Lehrstuhl  anzunehmen.  Im  Jahre 
1895  wurde  Anton  Pruska  zum  Professor  an 
der  K.  Kunstgewerbeschule  ernannt  und  ihm 
die  »Abteilung  der  dekorativen  Plastik«  über- 
tragen. Die  außerordentliche  Vielseitigkeit 
und  die  Beherrschung  der  verschiedenartig- 
sten Techniken,  die  sich  Pruska  im  Laufe 
der  Jahre  auf  kunstgewerblichem  Gebiet  er- 
worben, bildeten  jetzt  einen  kostbaren  Schatz 
für  seinen  Lehrberuf  In  seiner  Klasse,  die 
stets  stark  frequentiert  war,  wurde  in  Ton 
modelliert,    in  Holz  geschnitzt,    in  Stein  ge- 


meißelt und  die  verschiedensten  Arten  der 
Metallbearbeitung  gelehrt.  Pruska  verstand 
es  vorzüglich,  die  verschiedenen  Techniken 
klar  und  deutlich  zu  demonstrieren  und  vor 
den  Augen  des  Schülers  selbst  auszuführen, 
was  ihm  eine  entschiedene  Autorität  ver- 
schaffte. Vor  allem  wußte  Pruska  zu  indivi- 
dualisieren und  das  dem  Eleven  Eigenartige 
aus  ihm  herauszuholen.  Bei  aller  Strenge 
erwarb  er  sich  durch  Unparteilichkeit  und 
seine  mit  Wohlwollen  gepaarte  Liebenswür- 
digkeit die  Liebe  und  Verehrung  seiner  Schüler. 
Im  Laufe  der  Jahre  ist  aus  seiner  Schule  eine 
große  Zahl  trefflicher  Meister  hervorgegangen, 
die  des  verehrten  Lehrers  dankbar  gedenken  ; 
es  ließen  sich  leicht  eine  Reihe  von  Namen 
nennen,  die  guten  Klang  haben;  hier  sei  nur 
erwähnt:  Professor  Wackerle,  der  ausgezeich- 
nete Keramiker,  heute  an  leitender  Stelle  an 
der  Kunstgewerbeschule  in  Berlin;  Professor 
Seidler,  heute  ein  gesuchter  Lehrer  der  Bild- 
hauerkunst an  der  Akademie  der  Künste  in 
München  und  Pruskas  Lieblingsschüler,  Caspar 
Ruppert,  der  bis  heute  sein  treuester  Mitar- 
beiter geblieben  ist  und  der  an  einer  Reihe 
trefflicher,  aus  Pruskas  Atelier  stammender  Ar- 
beiten selbstschöpferischen  Anteil  hat;  so  ist 
der  prachtvolle  Bischofsthron,  den  das  Dom- 
kapitel von  Bamberg  dem  f  Erzbischof  von 
Schork  zu  seinem  fünfundzwanzigjährigen 
Bischofsjubiläum  als  Ehrengabe  darbrachte, 
und  der  durch  seine  stilvolle  Gediegenheit 
seiner  Zeit  berechtigtes  Aufsehen  machte,  auf 
einen  Entwurf  Rupperts  zurückzuführen.') 

')   Abbildungen    nach   Werken   Pruskas   finden   sich 
mit  Erläuterungen    in  folgenden   Jahresmappen    der  D. 


262 


^  ANTON  PRUSKA  ©2S 


ANTOX  PRUSKA 


I  RUCHTETRAGER 
in  MuHclun.  —   Text  S.  ibo 


Mit  großer  Befriedigung  darf  Professor 
Pruska,  dem  auch  äußere  Ehren  und  Aus- 
zeiciinungen  in  reichem  Maße  zufielen,  jetzt, 
nachdem  er  von  seinem  Lehramt  zurückge- 
treten ist,  auf  diese  segensreiche  Tätigkeit 
zurückbhcken. 

Ges.  f.  Christi.  Kunst:  1898  (Kruziri.\us) ;  —  1905  (Ma- 
ricnaltar  der  bt.  Annakirche  in  München,  hl.  Wendelin, 
hl.  Leonliard);  —  1905  (Josephsaltar  in  der  St.  Anna- 
kirche in  München,  St.  Georgsrclief,  Madonna,  thro- 
nender Christus,  hl.  Barbara,  lil.  Katharina);  —  1909  (die 
Hl.  Chrysostomus,  Athanasius,  Gregor,  Verkündigung). 


Aber  noch  kennt  der  Meister,  der  am  i.  Juni 
das  70.  lahr  vollendet,  keine  Ermüdung.  Noch 
heute,  wie  vor  fast  einem  halben  Jahrhundert, 
steht  Pruska  vom  frühen  Morgen  an,  mit 
jugendlicher  Elastizität  erfindend,  entwerfend 
und  ausführend  in  seinem  Atelier.  Wünschen 
wir  von  ganzem  Herzen,  daß  seine  Schaffens- 
freudigkeit noch  recht  lange  erhalten  bleiben 
möge,  zum  Nutzen  der  bildenden  Kunst  und 
des  Kunstgewerbes. 


263 


ANTON  PRÜSKA 


Jüithaus  in  Leipzig 
Ttxt  S.  l6o 


ZWEI  GEWÖLBETRÄGER  (1908) 


ANTON   PRUSKA 


SAALWAPPEN 


Rathaus  i,t   Brei. 
Text  S.  260 


264 


ANTON  PRUSKA 

Ausge/ührt  in  Mar. 


PORTRATMEDAILLOX 

td  Bronze,  igi4 


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FRITZ  KUNST  (KÖLN'-LINDEXTHAL) 


ST.  BOXIFATIUSKIKCHE  L'ND  PFARRHOF  IX  HAMBURG-EIMSBÜTTFL 
Gesamtalllage.   —    Text  S.  266  uiirl  zöS 


KIRCHENBAUTEN  VON  FRITZ  KUNST 


(Hierzu  die  Ahblldiingen  S.  265 — 276) 


Seit  den  neunziger  Jahren  vorigen  Jahrhun- 
derts setzte  in  Norddeutschland  auf  dem 
Gebiete  des  kathohschen  und  protestantischen 
Kirchenbaues  eine  rege  Tätigiteit  ein.  Archi- 
tekten, darunter  Kirchenbaumeister  von  Na- 
men, hatten  dort  Gelegenheit,  ihr  reiches 
Können  zur  Geltung  zu  bringen.  Es  entstan- 
den aber  auch  gerade  in  diesen  Gegenden, 
wo  einstmals  von  den  Altvordern  die  Ziegel- 
steinbauweise zu  höchster  Blüte  gebracht 
wurde,  neben  schönen  Gotteshäusern  Werke, 
die  äußerlich  schon  durch  ihre  geschmack- 
losen grellroten  oder  knallgelben  Ziegelstein- 
fassaden Kunde  gaben,  daß  sie  auch  im  In- 
nern nicht  zu  den  besten  gehörten.  Derartige 


Fälle  sind  aber  zum  Glück  in  den  letzten 
Jahren  immer  seltener  geworden.  Neben 
prächtigen,  in  historischen  Stilen  gehaltenen 
Kirchenbauten  entstanden  auch  moderne 
Werke,  die  in  ihrer  Gesamtanlage  und  äuße- 
ren Erscheinung,  in  Ziegel-,  Sandstein-  oder 
Putztassaden,  vornehm  und  als  sehr  gelungen 
zu  bezeichnen  sind  und  dabei  allen  sonsti- 
gen Anforderungen  entsprechen.  Auch  der 
Architekt  Fritz  Kunst  in  Köln  a.  Rh.  trat 
neuestens  in  Norddeutschland  durch  drei 
katholische  Kirchenbauten,  ein  Gotteshaus  in 
Hamburg  und  zwei  andere  im  westpreußi- 
schen Gebiete  hervor,  die  Beachtung  verdie- 
nen und  hier  gewürdigt  sein  sollen. 


Die  chrtstllchc  Ku: 


266 


^  KIRCHENBAUTEN  VON  FRITZ  KUNST  ^^ 


FRITZ  KL'XST  (KOI.X-LINDENTHAL) 


>T.  BONIFATIUSKIRCHE  IX  HAMBURG-EIMSBUTTEL 


Text  S.  26b  und  söS 


Von  den  drei  Kirchen  ist  die  St.  Bonifatius- 
kirche  in  Hamburg  (Abb.  S.  265 — 270)  die- 
jenige, welche  besonders  zur  Beachtung  nö- 
tigt. Diese  Kirche,  von  drei  Seiten  einge- 
baut, Hegt  am  Weiher  29,  in  der  Nähe  schö- 
ner Anlagen  und  mit  ihrer  Nordseite  an  der 
Straße.  Ein  nach  der  Westseite  zu  projektiertes 
Pfarrhaus  soll  nächstens  zur  Ausführung  kom- 
men. Dann  erst  wird  man  ein  geschlossenes 
Bild  von  der  Anlage  erhalten.  Ausgeführt 
ist  schon  eine  Kapelle  für  die  Schwestern 
an  der  Ostseite  gegen  den  Schulhof 

Die  Kirche,  aus  einem  Wettbewerb  der 
D.  Gesellschaft  für  christliche  Kunst  hervor- 
gegangen, ist  eine  dreischiffige  Basilika.  Die 
Sakristei  mit  darüber  betindlichem  Paramen- 
tenraum  liegt  an  der  Westseite.  Auch  für 
Zentralheizung  und  elektrische  Beleuchtung 
des  Kirchenraumes  ist  gesorgt;  ebenso  kann 
das  Geläute  und  die  Orgel  durch  elektrische 
Kraft  in  Betrieb  gesetzt  werden,  eine  Maß- 
nahme, die  Beachtung  verdient.  Der  Altar, 
welcher  nicht  recht  glücklich  wirkt,  ist  von 
einem  anderen  Künstler  entworfen.  Die  Orgel 
stammt  aus  einem  Konzertsaale  und  fand  hier 
Aufstellung  wie  sie  war;  sie  will  sich  nicht 
recht  einfügen.    Zu   bemerken  ist  noch,  daß 


die  Dächer  in  Schiefer,  der  Turm  in  Kupfer 
gedeckt  wurden. 

Der  Architekt  griff  zu  dem  Ziegelbau,  der 
dem  norddeutschen  Boden  entspricht  und 
im  Mittelalter  dortselbst  zur  höchsten  Vollen- 
dung gelangte.  Er  versuchte  diesen,  nament- 
lich außen,  mit  modernen  Motiven  zu  ver- 
schmelzen. Der  ornamentale  Schmuck,  wie 
Maßwerke  und  Gewände,  besteht  gleichfalls 
aus  Ziegelsteinen.  Diese  haben  das  für  Mittel- 
und   Norddeutschland   übliche   Reichsformat. 

Die  Kirche  macht  durch  den  an  der  Ein- 
gangsseite liegenden  mächtigen  Turm  nebst 
dem  Giebel  des  Kirchenschiffes  und  der  Vor- 
halle mit  Freitreppe  einen  stattlichen  Ein- 
druck nach  althergebrachter  Tradition.  Von 
Interesse  ist  die  Ausbildung  der  Strukturteile 
im  Kirchenraume  (Abb.  S.  270).  So  sind  die 
Schichten  der  Mauersteine  an  den  Bogen- 
stellungen  und  Rippenprofilen  der  Gewölbe 
usw.  sichtbar  zum  Ausdruck  gebracht,  wäh- 
rend die  Wände  verputzt  sind.  Es  ist  jene 
innere  Wandbclebung,  die  wir  an  mittelalter- 
lichen Kirchen  Norddeutschlands,  wie  in 
Lübeck  an  der  hl.  Geist-Spitalkirche,  an  han- 
noverschen und  märkischen  Kirchen  vorfin- 
den, wo   an  den    unverputzten,   stumpfroten 


^  KIRCHENBAUTEN  VON  FRITZ  KUNST  es« 


267 


FRITZ  KUNST  (KÖLN-LIN'DENTHAL) 


ST.  BOXIFATIUSKIRCHE  IX  HAMRURG-EIMSBUTTEL 
Tixt  S.  2b6  und  lös 


gemauerten  Pfeilern  die  Fugen  in  dicker 
weißer  Tünche  markiert  sind  und  leuchtend 
hervortreten,  während  die  Leibungen  der  Bo- 
genstellungen  und  die  Ansätze  der  Gewölbe 
gemalt  wurden.  Diese  bodenständige  Aus- 
drucksweise hat  Kunst  hier  wieder  ins  Leben 
gerufen. 

Entgegengesetzt  zu  diesem  mittelalterlichen 
Ziegelsteinbau  steht  die  Rosenkranzkirche  zu 
Kittel  in  Westpr.,  einer  waldreichen  Gegend  in 
der  Nähe  von  Konitz  (Abb.  S.  274 — 276).  Hier 
hat  der  Architekt  den  Putzbau  angewendet, 
um  mit  dem  Grün  des  Waldes  einen  harmo- 
nischen Zusammenklang  zu  scharten.  Der 
einschiffige  Grundriß  enthält  450  Sitzplätze. 
Der  Turm  befindet  sich  gegen  Ost  über  dem 
Altare.  Ein  Unterrichtssaal  mit  Garderobe 
ist  angegliedert.  Das  Innere  zeigt  Decken- 
bilder, die  Geheimnisse  des  hl.  Rosenkranzes 
darstellend.  Die  Ausmalung  der  Kirche  ge- 
schah durch  Maler  Silbernagel  aus  München- 
Bozen.  In  barocken,  heiteren  Formen  zeigt 
sich  die  Ausstattung  des  Innern  der  Kirche 
und  kommt  dem  Wesen  des  polnischen  Volks- 


charakters, dem  ein  Sinn  für  lebhafte  Schön- 
heit zu  eigen  ist,  damit  entgegen.  Die  De- 
tails und  Einzelheiten  der  Architektur  dürften 
hier  und  da  an  süddeutsche  Motive  erinnern. 
Durch  den  Bau  der  Herz-Jesukirche  in 
Ofen  (Abb.  S.  272  und  273),  gleichfalls  im 
westpreußischen  Gebiete,  fiel  dem  Künstler 
die  dankenswerte  Aufgabe  zu,  auf  einer  An- 
höhe in  landschaftlich  schöner  Gegend  ein 
Gotteshaus,  flankiert  durch  ein  Nebengebäude, 
in  malerischen,  trauten  Formen  zu  schaffen, 
was  ihm  auch  durch  den  am  Bergesabhange 
angelegten  Chor  der  Kirche  mit  Turm  und 
Pfarrhaus  wohl  gelungen  ist.  Der  Grundriß 
zeigt  eine  dreischiffige  Anlage  mit  500  Sitz- 
plätzen. Beim  Presbyterium  ist  rechts  eine 
Beichtkapelle  und  links  die  Sakristei  mit  dar- 
über befindlicher  Paramentenkammer  ange- 
legt. Links  beim  Haupteingange  wurde  eine 
Kapelle  zur  schwarzen  Muttergottes  (Czen- 
stochauer  Gnadenbild)  eingerichtet.  Das 
Äußere,  in  Putz  mit  weißer  Tünche,  das  rote 
Ziegeldach,  der  Turm  mit  Dachreiter  in  Kupfer 
gedeckt,  harmonieren  gut  in  der  Farbe.  Die 


268 


KIRCHENBAUTEN  VON  FRITZ  KUNST  ©^ 


FRITZ   KUNST   (KOLN-LIXDENTUAL),    BONIFATIUSKIRCHE    HAMBURG-EIMSUC  TTEl 
Tixt  S.  266  und  itS 


Pfeiler  im  Innern  sind  auf  Kämpferhöhe  mit 
rotglasierten  Ziegelsteinplättchen  verkleidet. 
Es  soll  durch  diese  Verkleidung  ein  Schutz 
gegen  Verschmutzen  geboten  sein  und  dem 
Abstoßen  der  Ecken  vorgebeugt  werden.  Die 
Malerei  ist  nach  Angaben  des  Architekten 
von  dem  oben  genannten  Maler  Job.  Silber- 
nagel (Schüler  von  Feuerstein  und  Gröber) 
ausgeführt.  Außer  einfacher  Linien-  und  Flä- 
chenbehandlung wurden  nur  einzelne  Stellen 
und  zwar  absichtlich  in  ansehnlicher  Größe, 
besonders  betont.  Der  Altar  nach  Entwürfen 
des  Architekten  von  dem  Bildhauer  Job. 
Schnitzer  in  Frankfurt  a.  M.  gefertigt,  ist  mit 
der  buntbemalten  Holzdecke  in  Einklang  ge- 
bracht. Kunst  zeichnete  hierzu  alle  Einzel- 
heiten und  der  Bauherr,  Pfarrer  Dr.  Krefft 
in  Höchstüblau,  hatte  in  jeder  Weise  dem 
Architekten  freie  Hand  gelassen.  Die  Kirche 
samt  Pfarrhaus   mit  vollständigem  Innenaus- 


bau hat  die  verhältnismäßig 
geringe  Summe  von  M.  90000 
erfordert. 

Das  ernste  Streben  des  Ar- 
chitekten, diese  Kirchenbau- 
ten der  ortsüblichen  Gegend 
anzupassen,  verdient  Beach- 
tung. Ob  nun  ein  Künstler 
streng  historisch  arbeitet,  der 
andere  wieder  mehr  sich  der 
modernen  Richtung  hingibt, 
ist  für  den  Kunstwert  an  sich 
gleich.  Sehr  schwierig  ist 
es,  die  alten  Formen  mit  den 
neuzeitlichen  zu  verbinden. 
Welche  Wege  ein  Architekt 
auch  gehen  mag,  er  ist  im 
Rechte,  wenn  er  Schönes, 
Harmonisches, Würdiges,  An- 
heimelndes zuwege  bringt. 
Darüber  vor  einem  Bauwerk 
prüfend  nachzugrübeln,  ge- 
währt Genuß,  erweitert  den 
Blick,  schärft  das  Urteil.  Bei 
der  St.  Bonifatiuskirche  in 
Hamburg  ist  Turm  und  Gie- 
belseite gut  zusammenge- 
stimmt; nur  der  Turm- 
abschluß wirkt  durch  das 
schlanke  Höhenmotiv  der 
Lisenen  fast  allzu  knapp, 
wobei  nicht  gesagt  sein  soll, 
daß  etwa  ein  hoher  Helm 
den  Turm  krönen  sollte.  Die 
langgestreckten  Lisenen  wie- 
derholen sich  auch  an  den 
beiderseitigen  Wandflächen  der  Eingangsvor- 
halle; hier  bilden  sie  ein  verbindendes 
Element  für  Turm  und  Front.  Die  Vorhalle 
besitzt  ein  schönes  Spitzbogenportal.  Daß 
der  Künstler  in  Einzelheiten  mit  der  alten 
Weise  brach  und  neuzeitliche  Ideen  in  An- 
wendung brachte,  ist  sehr  zu  begrüßen.  Er 
hatte  den  Mut,  individuell  zu  arbeiten  und 
dem  Bauwerke  den  Steiupel  des  zwanzigsten 
Jahrhunderts  aufzudrücken. 

Schön  und  harmonisch  wirkt  das  Innere 
der  Kirche  durch  die  erwähnte  Wiederbe- 
lebung der  dort  im  Mittelalter  geübten  Weise 
der  sichtbaren  Mauersteinstrukturen.  Ein 
stimmungsvoller,  feierlicher  Zug  liegt  darin ! 
Fritz  Kunst  besuchte  die  Bauschule  in  Karls- 
ruhe, später  die  dortige  Hochschule  und  war 
längere  Zeit  bei  Curiel  &  Moser,  dann  im 
Atelier    des    Architekten    Weiße    in    Mainz 


BEDEUTUNG  DES  WERKUNTERRICHTS  FÜR  KUNST  UND  KULTUR      269 


DIE  BEDEUTUNG  DES 

WERKUNTERRICHTS  FÜR 

KUNST  UND  KULTUR 

Es  kann  nicht  geleugnet  werden, 
daß  dem  Prinzip  des  neuen 
Werk-  oderdes  Handfertigkeitsunter- 
richts eine  hohe  Bedeutung  inne- 
wohnt. Es  ist  bekannt,  daß  dieser 
Unterricht  das  Kind  vom  Beginne 
bis  zum  Ende  der  Schule  auch 
praktisch  beschäftigen  will  mit  Aus- 
schneiden, Zeichnen,  Flechten,  For- 
men, Modellieren,  durch  Beschäfti- 
gung mit  dem  verschiedensten  Ma- 
terial wie  Papier,  Ton,  Holz,  Metall. 
Freudig  ist  dieser  Unterricht  schon 
deshalb  zu  begrüßen,  weil  er  eine 
wohltuende  Ergänzung  unserer  aus- 
geprägt geistigen  Kultur,  zur  bloßen 
Wort-  und  Gedankenbildung  schaflt. 
Er  führt  das  herbei,  was  dem  her- 
gebrachten Schulunterrichte  so  oft 
fehlt,  nämlich  praktisches  Handeln. 
Und  gerade  dadurch  werden  wieder 
eine  Menge  Werte  in  der  Persön- 
lichkeit des  Kindes  ausgelöst.  Zu- 
nächst kann  man  wohl  behaupten, 
daß  bei  den  meisten  Kindern  für 
die  praktische  Beschäftigung  eine 
starke  Teilnahme  vorhanden  sein 
wird,  jene  Teilnahme,  die  im  Wort- 
unterricht leider  so  oft  fehlt  und 
dadurch  den  Erfolg  des  ganzen  Un- 
terrichts so  oft  in  Frage  stellt.  Was 
Bogumil  Holz  in  seinem  ;  Buche  der  Kindheit« 
erzählt,  daß  ihm  die  Beschäftigung  mit  aller- 
lei Holzarbeiten  eine  so  reiche  Freude  be- 
reitet habe,  das  trifft  wohl  auf  alle  Kinder 
zu.  Das  Arbeiten  aber,  das  mit  Herz  und 
Hand  geschieht,  in  dem  wir  leben  und  we- 
ben, birgt  viel  Wertvolles  in  sich. 

Auch  das  wird  jeder  zugeben  müssen,  daß 
im  Werkunterricht  Auge  und  Hand  ganz 
bedeutend  geschult  werden.  Es  tut  aber  ganz 
besonders  not,  daß  unser  geschwächtes  Auge 
wieder  unbefangen  und  genau  sehen  lernt, 
daß  unsere  Hand  wieder  die  Geschicklichkeit 
erlangt,  die  jeder  Mensch  schon  zu  seinen 
täglichen  Verrichturigen  nötig  hat.  Daß  da- 
durch eine  eingehende  Kenntnis  des  Materials 
erzeugt  wird,  auch  der  ästhetische  Sinn 
reiche  Nahrung  erhält,  soll  ebenfalls  nicht 
unerwähnt  bleiben.  Hierin  liegt  vielleicht 
mit  sein  wesentlichster  Vorteil.  Denn  die 
künstlerische  Kultur  der  Massen  zeigt  durch- 
weg noch  einen  bedenklichen  Tiefstand.  Man 


IZ  KLNST,  BONIFATIUSKIRCHE  IN  HAMBURG-EIMSBÜTTEL 
Text  S.  266  icnd  268 

wird  das  zugeben,  wenn  man  einmal  an 
gewisse  Erscheinungen  denkt,  z.  B.  an  das 
Kapitel  Klein-  oder  Volkskunst,  ferner  an  die 
Geschenkindustrie  unserer  Tage.  Macht  sich 
nicht  auch  hier  die  allgemeine  Sucht  unserer 
Zeit  nach  einer  billigen  Vornehmtuerei  und 
Effekthascherei  bemerkbar?  Wieviel  von  dem, 
was  dem  notwendigen  Gebrauche  wie  dem 
Schmucke  des  Lebens  dient,  ist  für  künst- 
lerisches Empfinden  einwandfrei?  Wieviele 
Gegenstände  gibt  es,  bei  denen  das  Material 
so  lange  gepreßt,  gefärbt,  geglättet  wurde, 
bis  es  etwas  anderes,  natürlich  Besseres,  Vor- 
nehmeres darstellt  oder  vielmehr  vortäuscht, 
als  es  in  Wirklichkeit  ist.  Wie  oft  findet 
man,  daß  bei  solchen  Kunstgegenständen 
nicht  nur  die  Wahrheit,  sondern  auch  der 
Geschmack  beleidigt  wird,  wo,  wie  bei  den 
praktischen  Gebrauchsgegenständen,  das  Or- 
nament, das  doch  oft  Nebensache  oder  gar 
überflüssig  ist,  zur  Hauptsache  gemacht  wird 
oder    sinnlos    ausgeführt    ist.     Man    mustere 


2-0       BEDEUTUNG  DES  WERKUNTERRICHTS  FÜR  KUNST  UND  KULTUR 


nur  einmal  daraufhin  unsere  Läden,  man 
gehe  einmal  aufmerksamen  Blickes  die  Woh- 
nungen durch,  und  man  wird  zu  seiner 
Überraschung  wahrnehmen,  wieviel  Unkultur 
in  unserm  Leben  noch  vorherrscht,  wie  wir 
noch  viel  mehr  Geschmack  im  Alltag  zeigen 
müssen. 

Für  eine  bessere  Geschmacksbildung  ist 
nun  gerade  vom  Handfertigkeitsunterrichte 
manches  zu  erwarten.  Denn  hier  lernt  schon 
das  Kind  Wohlgefallen  finden  an  natürlichen 
Formen  und  Farben;  hier  lenkt  es  unter  auf- 
klärender Führung  des  Lehrers  auch  seine 
Blicke  auf  das  Material,  das  es  gerade  in 
seinen  Händen  hat;  es  lernt  gar  bald  die 
nachgemachten  Stoffe  von  den  echten  unter- 
scheiden. Es  merkt  an  der  eigenen  Arbeit, 
daß  der  Stoff  Wahrheit  verlangt,  daß  schlichte 
Wahrheit  hier  immer  schöner  ist  als  vor- 
nehm tuende  Nachahmerei.  Es  kommt  ihm 
der  Hauptgrundsatz  zum  Bewußtsein,  daß 
Festigkeit,  Haltbarkeit,  Gediegenheit  unerläß- 
liche Erfordernisse  für  seine  Schöpfungen  bil- 


IKITZ  KUXSr,    BON'IIATRSKIRCIIK  ZU   H.\MnfRG-KIMSHL- 
Blick  nach  Jtm  I'rcsl>ytcrii,m.   —   T,xt  S.  266 


den,  daß  ferner  Sachlichkeit  und  Zweckdien- 
lichkeit stets  eher  zu  verlangen  sind  als  jede 
Verzierung.  Sind  das  nicht  alles  höchst  wert- 
volle Anregungen  für  die  Geschmacksbildung 
des  heranwachsenden  Geschlechts.''  Und  liegt 
nicht  ein  besonderer  Vorzug  darin,  daß  das 
Kind  diese  Wahrheiten  nicht  bloß  durch  ab- 
strakte Belehrungen  erfährt,  sondern  im  prak- 
tischen Tun  selbst  erlebt?  So  dürfen  wir 
wohl  erwarten,  daß  der  Handfertigkeitsunter- 
richt, wenn  er  erst  auf  der  ganzen  Linie  an- 
erkannt ist,  unter  anderm  auch  wieder  zum 
Erwachen  einer  neuen,  frischen  Volkskunst 
führen  wird.  Was  diese  Kunst  aber  an  echten 
Werten  für  jedes  Haus,  auch  für  die  Familie 
des  kleinen  Mannes  zu  schaffen  imstande  ist, 
das  darf  durchaus  nicht  gering  angeschlagen 
werden,  das  bringt  Sonnenschein  in  die  Häu- 
ser, das  weckt  schlummernde  Kräfte  und 
hebt  die  gesamte  Volksbildung. 

Das  deutsche  Volk  läßt  sich  an  Tüchtig- 
keit von  keinem  Volke  der  Erde  übertreffen. 
Daher  rühren  seine  Erfolge.  Es  wird  nicht 
stille  stehen  und  besonders  in  den 
Dingen  des  guten  Geschmacks 
muß  es  noch  fortschreiten.  Manch 
schlechter  Geschmack  bekundet 
sich  gerade  jetzt  in  der  Kriegszeit. 
In  kleinlicher  Weise  wird  von 
geldhungrigen  Köpfen  an  unsern 
Gebrauchs-  und  Schmuckgegen- 
ständen der  »Geist  der  Zeit«  zu 
verbildlichen  gesucht.  Fast  alles 
im  Schaufenster  muß  kriegerisch 
anmuten.  Muß  dieser  Schmuck 
wahllos  aufs  kleinste  freie  Fleck- 
chen kommen?  Abgeschmackt 
ist  es,  den  Hindenburg  aufs  Ta- 
schentuch zu  drucken,  Streichhöl- 
zer in  einem  Luttschiffchen,  Kon- 
fekt in  einem  Schrapnell  aufzu- 
bewahren :  Von  solcher  Spielerei 
müssen  wir  uns  befreien.  Nach 
dem  Kriege,  wo  ein  sch'werer 
wirtschaftlicher  Kampf  droht,  müs- 
sen wir  aus  kulturellen  und  wirt- 
schaftlichen Gründen  würdige  Aus-' 
drucksformen  für  unser  Leben 
suchen,  wir  müssen  in  jeder  Be- 
ziehung die  bessere  Ware  her- 
stellen. Zur  Lösung  dieser  Auf- 
gabe wird  der  Werkunterricht  nach 
dem  Kriege  neben  tüchtiger  Gei- 
stes- und  Herzensbildung  mit  be- 
rufen sein. 

Aber  auch  das  darf  zugegeben 
werden,  daß  in  dieser  körperlichen 
Betätigung     »ein     Heilmittel     für 


e^  LUDWIG  MÖCKEL  ^ 


271 


die  immer  mehr  zunehmende  Nervosität  un- 
serer Tage  liegt«.  Die  einseitige  Beschäfti- 
gung mit  geistiger  Arbeit  macht  die  Nerven 
zuletzt  krankhaft  reizbar;  liier  aber  kann  der 
Geist  im  gewissen  Sinne  ausruhen,  hier  rücken 
währenddessen  andere  Kräfte  ins  1-eld  und 
machen  eine  mehr  harmonische  Bildung 
möglich. 

Man  hat  der  bloßen  »Lernschule«  den 
Vorwurf  gemacht,  daß  sie  zu  sehr  unifor- 
miere, daß  der  Klassenlehrer  zu  sehr  darauf 
bedacht  sein  müsse,  gleichmäßig  geförderte 
Schüler  weiterzugeben.  Die  Begabten  bleiben 
so  in  einem  Durchschnittsmaße  stecken,  wäh- 
rend die  Beschränkten  zu  dieser  Stufe  empor- 
gehoben werden.  Beim  Werkunterrichte  ist 
ein  Ausgleich  möglich,  denn  hier  hat  jeder  oft 
seine  besondere  Arbeit  vor  sich ;  hier  kann  des- 
halb jeder  nach  seiner  besonderen  Neigung 
und  Begabung  schaffen.  Hier  kann  der  Lehrer 
der  Individualität  des  Kindes  nachgehen.  Und 
dann  ist  es  von  großem  Werte,  wenn  der 
Lehrer  öfter  merkt,  daß  es  verschiedene  Be- 
gabungstypen gibt,  wenn  er  sieht,  daß  Schüler, 
die  es  in  der  rein  geistigen  Arbeit  zu  nichts 
bringen,  doch  eine  technische  Geschicklich- 
keit, einen  praktischen  Sinn,  ein  offenes  Auge 
besitzen.  Und  auch  diese  Gabe  ist  nicht  zu 
unterschätzen ;  obwohl  sich  die  Schule  oft 
hochmütig  über  diese  Befähigung  hinweg- 
setzt, wird  sie  im  wirklichen  Leben  doch  zu 
einer  entscheidenden  Mitgabe  der  Natur. 
Nicht  der  geringste  Vorteil  des  Werkunter- 
richts ist  es  überhaupt,  daß  er  die  Handar- 
beit wieder  mehr  zu  Ehren  bringt.  In  unser 
Denken  hat  sich  heute  der  Irrtum  einge- 
schlichen, als  sei  die  ausgeprägt  geistige  Kultur 
allein  Bildung,  und  die  bloße  körperliche  Tä- 
tigkeit gilt  daher  nicht  viel  im  Kurse  der 
Meinungen.  Daher  das  Zuströmen  in  alle 
sogenannten  geistigen  Berufe,  daher  der  Mangel 
an  tüchtigen  Anwärtern  in  allen  Ständen, 
die  auf  Handarbeit  angewiesen  sind.  Kommt 
es  nicht  vor,  daß  selbst  der,  der  nur  mecha- 
nisch Abschreiberdienste  tut,  hochmütig  auf 
den  Handwerker  herabsieht,  der  doch  in  sei- 
nem Beruf  ein  wahrer  Denker  und  Künstler 
sein  kann?  Es  kann  daher  nur  frommen,  wenn 
auch  die  Ansicht  wieder  zu  ihrem  Rechte 
kommt,  die  den  Wert  der  Handarbeit  ins 
helle  Licht  rückt,  zumal  sie  in  der  Gegen- 
wart für  unser  ringendes  deutsches  Volk 
auf  dem  Wirtschaftsmarkte  recht  ausschlag- 
gebend wird.  Die  hohe  Bedeutung  des  Werk- 
unterrichtes für  die  Charakterbildung  —  Fleiß, 
Mut,  Ausdauer,  Freude  des  Erfolges  —  dürfte 
kaum  von  jemand  bezweifelt  werden.  Ob 
die  Handarbeit  wirklich  mehr  als  der  Wort- 


unterricht imstande  ist,  sittlich  zu  beeinflussen, 
das  möge  dahingestellt  bleiben.  Es  mag  hier 
nur  nebenbei  bemerkt  werden,  daß  der 
schwedische  Pädagoge  Palmgren  den  höheren 
ethischen  Wert  der  Hausfrau  mit  darin  be- 
gründet sieht,  daß  sie  in  ihrem  Beruf  so  viel 
mit  den  Händen  zu  schaffen  hat. 

Der  Handarbeitsunterricht  hat  jedenfalls 
auch  das  Gute  für  sich,  daß  er  bei  manchem 
Schüler,  der  in  der  Lernschule  vielleicht 
nichts  leistet  und  als  unbrauchbar  gilt,  die 
Begabung  für  die  praktische  Arbeit  zeigt  und 
damit  auch  wertvolle  Fingerzeige  für  die  Be- 
rufswahl gibt.  Man  denke  sich  aus,  was  es 
für  das  persönliche  Glück  des  einzelnen  wie 
für  die  Gesamtheit  ausmacht,  wenn  jeder  den 
Beruf  treiben  kann,  in  dem  sich  die  persön- 
liche Begabung  auswirken  kann. 

Es  ist  das  Eigenartige  an  allen  Reformge- 
danken, die  bisher  aufgetaucht  sind,  daß  sie 
zwei  feindliche  Lager  schufen,  aus  denen 
heraus  man  für  das  Alte  oder  Neue  kämpfte. 
Und  meist  wird  dabei  mit  einer  Schärfe 
gestritten,  die  oftmals  für  das  Wahre  blind 
macht  und  auf  beiden  Seiten  in  Extreme 
führt.  Wir  wollen  nicht  auf  der  Handarbeit 
die  gesamte  Erziehung  aufbauen,  aber  wir 
wollen  den  Werkunterricht  doch  als  Ergän- 
zung zu  unserer  Lernschule  mit  ihrer  geisti- 
gen Bildung  willkommen  heißen.       p.  Hoche 

LUDWIG  MOCKELf. 

Am  26.  Oktober  191 5  verschied  in  Doberan 
^  der  Großherzoglich  Mecklenburgische  Ge- 
heime Hofbaurat  Gotthilf  Ludwig  Möckel, 
einer  der  nur  noch  wenigen  lebenden  Schüler 
des  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  be- 
rühmten Gotikers  Ungewitter. 

Möckel  war  ein  Kämpfer,  der  erst  nach 
vielem  Ringen  und  Ausharren  in  späterem 
Alter  die  ihm  gebührende  Ehre  und  An- 
erkennung fand.  Vom  Privatarchitekten  ar- 
beitete er  sich  empor,  bis  er,  ein  Verfechter 
mittelalterlicher  Baukunst,  als  glänzenderStern 
am  Kunsthimmel  prangte  und  den  Geist 
dieser  großen  kirchlichen  Bauweise  wie  ein 
Schatzmeister  hütete.  Als  Epigone  setzte  er 
noch  einmal  mit  mächtigen  Akkorden  ein, 
Kirchen  zu  bauen,  welche  das  deutsche  Bau- 
wesen vergangener  Jahrhunderte  aufleuchten 
ließen. 

Möckel  war  ein  Sachse  und  wurde  am 
22.  Juli  1838  zu  Zwickau  geboren.  Nach 
vorheriger  praktischer  Betätigung  am  Bau, 
wie  es  in  damaliger  Zeit  Übung  war,  besuchte 
er  die  Chemnitzer  Baugewerkschule,  die  sich 
später  zu  einer  höheren  Lehranstalt  Sachsens 


272 


LUDWIG  MOCKEL  mm 


FRITZ  KUN'ST  (KÜL\.LI\DEXTH AL) 


Jiiici-  auf  ,/as  Dorf. 


HERZ-JESUKIRCHE  ZU  OFEN   IN  WESTPR. 
Text  S.  267 


entwickelte.  Ausgerüstet  mit  diesen  techni- 
schen \'orkenntnissen  ging  er  nun  zur  eigent- 
Hchen  Baukunst  bezw. 
Architektur  über  und 
wählte  sich  zurWeiter- 
bildung  das  Polytech- 
nikum in  Kassel,  wo 
damals  als  Lehrer 
mittelalterlicher  Bau- 
kunst Meister  Unge- 
witter  wirkte,  der  für 
angehende  Gotiker 
eine  mächtige  Anzie- 
hungskraft ausübte. 
Als  Ungewitter  1864 
starb ,  vertauschte 
Möckel  das  Kasseler 
Polytechnikum  mit 
jenem  zu  Hannover, 
woselbst  er  unter  Kon- 
rad Wilhelm  Hase, 
dem  hervorragenden 
Kollegen  Ungewitters, 
seine  Studien  vollen- 
dete. Im  Jahre  1866 
ließ  er  sich  in  seiner 
Vaterstadt  Zwickau 
als  Privatarchitekt  nie- 
der und  baute  dort- 
selbst  wie  in  anderen 
sächsischen  Städten 
eine  Anzahl  Wohn- 
häuser, restaurierte 
auch  gleichzeitig  meh- 
rere katholische  mit- 
telalterliche Kirchen 
des  sächsischen   Lan- 


des, wodurch  er  als  Gotiker  und  Kirchenarchi- 
tekt bekannt  wurde.  Anfang  der  siebzigerJahre 
V.  Jahrh.  erhielt  er 
einen  größeren  Bau- 
auftrag in  der  Ent- 
wurfsbearbeitung für 
die  evangelische  Kir- 
che zu  Planitz  bei 
Zwickau,  die  er  1872 
bis  1876  zur  Ausfüh- 
rung brachte.  Es  ist 
dies  eine  Basiliken- 
kirche mit  Westturm 
in  frühgotischer  For- 
mensprache. Infolge 
weiterer  Aufträge  auf 
mehrere  sächsische 
Kirchenbauten ,  dar- 
unter in  Dresden,  ver- 
tauschte er  seinen 
Geburtsort  Zwickau 
mit  der  Landeshaupt- 
stadt und  machte  sich 
1875  daselbst  ansäßig. 
Im  Jahre  1878  vollen- 
dete er  die  Johannes- 
kirche, eines  der  be- 
sten neueren  Got- 
teshäuser Dresdens, 
gleichfalls  in  frühgo- 
tischem Stil ,  mit 
reichem  ornamenta- 
lem und  tigürlichein 
Schmucke,  worauf  in 
der  dortigen  Vorstadt 
inuz-iFsiMKciiK  IN  oi EN  Stricseu  ^die  Erlöser- 
,/,i,^,.  kirche,  eine  dreischif- 


— ft^M^rpv»«*  -^ 


MARIENALTAR  IN  DER  NEUEN  ST.  ANNAKIRCHE  ZU  MÜNCHEN  VON  ANTON 


PRUSKA 


LUDWIG  MOCKEL 


273 


fige,  frühgotische  Hallenkir- 
che mit  Emporen  und  reizen- 
der Choranlage  folgte,  welche 
18S0  beendet  wurde.  Der 
große  Wettbewerb  um  Er- 
langung von  Entwürfen  für 
die  St.-Petri-Kirche  in  Leip- 
zig, an  dem  sich  Möckel  mit 
einem  großzügigen  Entwürfe 
beteiligte,  fiel  auch  in  diese 
Zeit.  Der  Künstler  wählte 
die  Grundform  eines  Sechs- 
eckes, das  er  an  allen  Seiten 
durch  Apsiden  erweiterte 
und  um  das  Chorpolygon 
legte  er  einen  Kapellenkranz. 
Leider  kam  der  schöne  Ent- 
wurf nicht  zur  Ausführung. 
Sein  Ruf  als  Kirchenbau- 
meister drang  aber  bald  über 
die  Grenzen  des  Sachsen- 
landes hinaus.  Möckel  wurde 
mit  den  Wiederherstellungs- 
arbeiten der  1332  bis  1350 
errichteten  gotischen  Kirche 
zu  Doberan  in  Mecklenburg- 
Schwerin  betraut.  Bald  folg- 
ten weitere  Wiederherstel- 
lungen, so  u.  a.  der  Grab- 
kirche der  Fürsten  des  meck- 
lenburgischen Landes,  wor- 
auf der  dortige  Landesfürst 
Großherzog  Friedrich  III. 
18S5  Möckel  nach  Mecklenburg 
zu  dauerndem  Aufenthalte  be- 
rief 

Welche  Unannehmlichkeiten 
Möckel  bis  zu  dieser  Berufung 
auszuhalten  hatte,  ist  den  Ein- 
geweihten bekannt.  Als  tech- 
nischer und  künstlerischer  Bei- 
rat fungierte  er  nun  im  Meck- 
lenburgischen Staatsministe- 
rium. Seinen  Aufenthalt  nahm 
er  jedoch  in  dem  von  ihm  ge- 
liebten historischen  Städtchen 
Doberan  in  der  Nähe  der  Ost- 
see. Trotzdem  er  Staatsbeamter 
war,  wurde  ihm  vom  Groß- 
herzog seine  bisherige  freie  Tä- 
tigkeit als  Architekt  weiterhin 
zugesichert  und  so  baute  er 
von  dort  aus  zahlreiche  Schlös- 
ser und  Villen  in  Hannover  usw. 
Bemerkenswert  sind  aus  jener 
Zeit  die  Schloßbauten  Gelben- 
sande bei  Rostock,  sowie  die 
Schlösser  Klemzig  in  der  Mark 


I  RITZ  KUN'ST  (KOLN-LINDENTHAL) 
l'gl.  jmttiistehetni. 


HERZ-IESUKIRCHE  IN  OFEN 


GRUXnRlSS  DER  HERZ-lESUKIRCHE  IN  OFEN 


274 


^^  LUDWIG  MÖCKEL  ©^ 


Brandenburg  und  Preyl  bei  Königsberg.  Auch 
brachte  er  in  dem  Mecl:lenburgisch-Schwe- 
riner  Lande  eine  Reihe  Dorfivirchen  zur  Aus- 
führung. Das  letzte  und  größte  Werk  Möcivels 
war  die  kathoHsche  Kirche  in  Rostock,  die 
jetzt,  nach  ihrer  Vollendung,  eine  Zierde  der 
alten,  malerischen  und  historisch  bedeutsamen 
Universitätsstadt  ist. 

Der  inzwischen  hochbetagte  Meister  hatte 
sich  in  den  letzten  Jahren  ein  Leiden  zu- 
gezogen und  am  i.  Oktober  19 15  trat  er, 
zurückblickend  auf  eine  reiche  und  ehren- 
volle Schaft'enstätigkeit  seines  Lebens,  in 
seinem  78.  Jahre  in  den  Ruhestand.  Aber 
nur   wenige    Tage    sollte    er    die    endgültige 


FRITZ  KUKST 


HOCIl.U.TAR  IN  RITTEL 


Ruhe  genießen.  In  seinem  geliebten  Doberan 
schloß  er  schon  am  26.  Oktober  gleichen 
Jahres  seine  Augen.  Mit  hohen  Ehren  und 
Auszeichnungen,  die  er  sich  auch  durch  sein 
rastloses  Streben  und  großes  Können  verdient 
hatte,  war  er  von  seinem  Landesherrn,  dem 
Großherzog,  bedacht  worden.  Albert  Hof- 
mann sagt  über  ihn,  daß  die  frühesten  Ar- 
beiten Möckels  noch  unter  dem  Einfluß  Un- 
gewitters  stehen,  namentlich  die  Johannes- 
Kirche  in  Dresden.  Doch  hätte  der  Ver- 
storbene sich  in  späteren  Jahren  zu  einer 
durch  persönlichen  Charakter  ausgezeichneten 
Kunstauffassung  durchgesetzt.  Auch  mit 
Otzen  besaß  Möckel  Ähnlichkeit,  indem  beide 
ihre  Kunst  zunächst  auf  kon- 
struktiven Erwägungen  aufbauten 
und  aus  einer  solchen  Anschauung 
heraus  im  protestantischen  Got- 
teshaus in  erster  Linie  den  Ort 
für  das  Wort  und  erst  in  zwei- 
ter Linie  eine  Kirche  im  über- 
kommenen Sinne  erblickten.  Es 
war  nicht  die  Art  Möckels,  in  der 
Öftentüchkeit  viel  von  sich  spre- 
chen zu  machen ;  seine  Bedeu- 
tung ist  daher  auch  oft  unter- 
schätzt worden.  Wer  jedoch  nicht 
restlos  baukünstlerischem  Fana- 
tismus verfallen  ist,  wird  die  ge- 
wissenhafte, aus  einer  strengen 
Schule  gekommene  Art  des  Ver- 
storbenen, die  einem  großen  Teil 
der  Baukunst  des  letzten  halben 
Jahrhunderts  ihr  Gepräge  verlie- 
hen hat,  zu  würdigen  und  als 
Glied  in  die  Entwicklung  unserer 
Kunst  einzureihen  wissen. 

Ein  Schöpfer  großer  Baudenk- 
male sank  mit  ihm  in  den  Staub. 
Wie  die  Kunstbauten  der  alten 
Welt  zerfallen  sind,  wie  im  letzten 
Grunde  doch  alle  irdischen  Werke 
dem  Zelte  gleichen,  das  wieder 
abgebrochen  wird,  so  werden 
auch  seine  Werke  dereinst  dahin- 
sinken.  Bleiben  aber  wird,  was 
echt  war  in  ihm,  sein  Ringen  und 
Streben  nach  derVollkommenheit, 
seine  Sehnsucht  nach  der  eigent- 
lichen, unvergänglichen  Behau- 
sung seines  Geistes,  seine  Liebe, 
mit  der  er  seine  Kunst  als  seinen 
von  Gott  gegebenen  Beruf  und 
seine  Mitmenschen  als  von  Gott 
bestimmte  Mitstrebende  umfaßte ! 


HULDIGUNGSADRESSE  UND  WIDMUNGSBLATT 


275 


FRITZ  KUNST  (KÖLN-LINDENTHAL) 

VS-I.  Aii.  S.  174 


IROSEN'KRANZKIRCHE  IX  RITTEL 
Text  S.  177 


HULDIGUNGSADRESSE  UND 
WIDMUNGSBLATT 

(Zu  den  Abb.  S.  277 — 280) 

Kriegsnot  und  Opferwilligkeit  gehen  seit 
den  ersten  Tagen  der  folgenschweren 
Schicksalsfügung  so  beharrlich  Hand  in  Hand, 
daß  wir  uns  fortgesetzt  über  die  Mannig- 
faltigkeit der  Form  freuen  dürfen,  die  den 
Geist  der  Hingebung  unserer  Vaterlands- 
freunde bekundet.  Bei  der  Beschaffung  neuer 
Geldmittel  rechnet  das  Landeskomitee  vom 
Roten  Kreuz  die  offizielle  Postkarte  zu  den 
wichtigen  Hilfsfaktoren  und  verfügt  dem- 
gemäß über  ausgiebiges  Material.  Eine  Neu- 
erscheinung bildet  die  Spende  einer  Auflage, 
die  der  Verfasser  des  Gedichtes:  »Wie  arm 
sind  wir  doch  gegen  Euch«,  dem  vaterländi- 
schen Unternehmen  jüngst  zuführte.  An- 
erkennung, Verehrung  und  Dankbarkeit  für 
unsere  Helden  kommen  in  den  stimmungs- 
vollen Versen  zum  Ausdruck,  die  Leo  Fried- 
rich Bergdolt  an  Allerseelen  191 5,   in  einem 


künstlerischen  Gewände,  König  Ludwig  III. 
von  Bayern  widmete ;  lag  es  doch  in  der 
Absicht  des  Autors  und  Stifters,  auch  der 
deutschen  Kunst  eine  fördernde  Aufgabe  zu 
stellen. 

Nach  einem  Entwürfe  von  Ferdinand 
Nockher- Altenbeuern  fertigte  Buchbinder- 
meister Löv,  München,  eine  Mappe  aus 
echtem  Schweinsleder  mit  einer  Saffian-Leder- 
applikation in  Form  des  Roten  Kreuzes,  so- 
wie einer  Goldprägung  mittels  eines  eigens 
gefertigten  Stempels  (Abb.  S.  280  unten).  Den 
Hinweis  auf  die  selbstlose  Gabe  vertritt  darin 
der  Pelikan,  mit  Bezugnahme  auf  dessen 
sagenverklärte  Jungenliebe;  ein  ornamentaler 
Kranz  trägt  rechts  und  links  je  eine  Kerze, 
als  Zeichen  des  Totenfestes,  während  sich 
die  Initialen  »Seiner  Majestät  König  Lud- 
wig III.  ;<  der  Balkenform  des  Kreuzes  anpassen. 
Lichte  Moireeseide,  mit  einer  schmalen  Ein- 
fassung in  Goldprägung,  bildet  als  Vorsatz 
den  Übergang  von  dem  kräftigen  Deckel  zu 
dem  Pergamentdoppelblatt,  das  durch  eine 
Seidenschnur   gehalten   wird.     Die  Titelseite 


276 


^  HULDIGUNGSADRESSE  UND  WIDMUNGSBLATT  ^ 


IKIIV.  KL'N'Sl 


(Abb.  S.  278)  enthält  die  Widmung,  die  deko- 
rative Umrahmung  trägt  den  Charakter  der 
Huldigung.  Von  einem  Dornengeranke  ge- 
halten, vereinigt  die  Herzform  in  einem 
stumpfen  Rot  mit  goldenen  Strahlen  die 
Tugenden:  Glaube,  Liebe,  Hoffnung;  die 
Wappenschilder  rechts  und  links  enthalten  die 
heraldischen  Zeichen  Bayerns  und  der  Stadt 
München,  außerdem  kennzeichnet  eine  Enzian- 
girlande mit  ihrem  satten  Blau  das  ba3'eri- 
sche  Hochland.  Ein  kupfernes  Flammen- 
becken bringt  die  Wärme  der  Gefühle  zum 
Ausdruck,  während  stilisierte  Rosenzweige 
der  bayerischen  Kcinigskrone  zustreben ;  die 
Schrift  ist  deutsch  gotisch. 

Die  zweite  Seite  entspricht  in  der  Anord- 
nung der  dritten  und  trägt  in  strenggeglieder- 
tem Satzbilde  den  Widmungstext  an  S.  M.  den 
König  mit  einer    Initiale,    die   auf   die    per- 


sönliche Intention  des  Antragstellers  in  in- 
niger Form  Bezug  nimmt.  Die  Umrahmung, 
herbsttarbenes  Eichenlaub  auf  lichtgelbem 
Grunde,  ist  den  beiden  Innenseiten  zur  Ver- 
einheitlichung gemeinsam,  ebenso  natürlich 
der  Schriftduktus.  Das  Gedicht  erfuhr  künst- 
lerisch eine  besonders  liebevolle  Ausstattung 
(Abb.  S.  279);  eine  Kopfleiste  enthält  in 
der  Mitte  das  deutsche  Reichswappen  mit 
einem  Schwert,  darüber  erscheint,  verklärt, 
die  Friedenstaube,  den  Ölzweig  im  Schnabel; 
links  betindet  sich  der  Löwe,  das  Symbol 
von  Mut  und  Kraft,  als  Sternzeichen  gleich- 
zeitig im  Zusammenhange  mit  dem  Monat 
August,  dem  Kriegsbeginn.  Der  Adler  aut 
dem  zackigen  Blitze  versinnbildlicht  die 
deutsche  Intelligenz  und  Umsicht,  ent- 
sprechend dem  Ansehen  und  der  Bedeutung, 
die  ihm  bereits  im  Germanentum  und  bei 
kriegerischen  wie  heraldischen  Abzeichen 
eigen  ist;  ein  Lorbeergewinde  preist  das 
Heldentum.  Die  untere  Leiste  mit  der  Ähren- 
garbe in  der  Mitte,  der  Eule  als  Emblem  der 
Wissenschaft  und  dem  Künstlerwappen  gegen- 
über, ist  den  Segnungen  friedlicher  Kultur- 
arbeit gewidmet. 

Endlich  auf  der  vierten  und  letzten  Seite 
findet  sich  als  Schlußstück  (Abb.  S.  280  oben) 
ein  Oval  zwischen  den  unvergeßlichen  Zahlen 
19 14/15,  das  Original  für  die  Postkarten- 
reproduktion. Der  Künstler  hat  es  vermieden, 
eine  konventionelle  Illustration  zu  schaffen, 
er  wollte  vielmehr,  daß  Text  und  Bild  eine 
gewisse  unabhängige  Selbständigkeit  wahren, 
und  doch  in  inniger  Beziehung  ihrem  Zwecke 
dienen,  das  Andenken  an  unsere  gefallenen 
Brüder  zu  ehren.  Dieser  Absicht  entspricht 
die  kleine  Inschrift  auf  dem  Marterl:  »Wer 
ausharrt  bis  an  das  Ende,  der  wird  selig  sein«, 
indes  das  Vöglein  im  Gezweig  der  Trauer- 
weide die  Auferstehung  verkündet. 

Die  vollfarbige  Postkarte  ist  in  buchgewerb- 
lichem Stile  ausgeführt,  sie  trägt  den  Perga- 
mentton, das  Signet  mit  dem  Marterl  und 
darunter  den  Text  des  Gedichtes  in  Kocht3'pe 
mit  roten  Initialen.  — 

Hin  Blumenstück,  »Weiße  Rosen«,  gemalt 
von  F.  Nockher,  gab  indirekt  die  Anregung 
zu  dem  Gedichte  auf  S.  277 ;  es  diente  dem 
Verfasser  L.  F.  Bergdolt  als  Namenstagsspende 
für  I.  M.  die  Königin  Therese  von  Bayern, 
die  das  Bild,  seiner  Bestimmung  gemäß,  dem 
Mutterhause  der  Rote-Kreuz-Schwestern  in 
München  zum  Schmucke  ihres  Heimes 
überwies. 

Das  Rosenbild  erhielt  als  Geleite  die  poeti- 
sche Widmung,  wie  sie  Ferd.  Nockher  in 
eine   künstlerisch    dekorative    Form    kleidete. 


^  HULDIGUNGSADRESSE  UND  WIDMUNGSBLATT  ^ 


277 


T.cli^fjrsammeltlind  er* 
^.HS  KmnKuncf  elend  un({  b« 
JoWun(fen5äa(sarn  h-äufel^ 
jhr.diejfir  hebt'undpffecinjnd  fegt" 


Munchen.om 


Imj^atnendess'.depaliluns  tfiigtr 
(ihn  den  derJ^cnsebverziDeifelt' 
uth.Edfenm  des  6eifflnds*Diensl7 

'st  Jpssen  Liebeßochgeiüinnstr 
lenins  zjucorgeliebetr^ 
Et  führet-tiflcnderPrüfunnszeit:^ 
ZujSeines'Dafeps  QerrlicMeib 
Eiich.die  hier  Treu 'geiibeb" 
ß  ihrauf  Erden  habbgefen, 
"ith  nehm's  flis  mir  geschabenm 
n  diesen  meinen5^rüdemV' 
'0  rufbder  fierp.tnd  offen  sfehn 
ielore  und  ihr  loerdetTgehn 
Eäin  unter  sei  gen  Liedern. 


^J^amenslageunserergeliebtenjKonigin.i  9  1  g  frai 


ijfä 


I  FBtWHOCWaE^. 


->  H-gnus^Be-iqui 
-K  Ä.do.na  no.bis 
\       bte 


tol.iis  pec.ca.fe  mun- 
paj»m.do.nfl  no. 
pa  _cenx- 


FERDINAND  NOCKHER  (ALTENBEUERN) 

A«/  i-r, 


WIDML'NGSBLATT 


!  Karion  gt-mnlt.   —    Text  S. 


Gleichsam  zu  einer  Pforte  vereinigen  sich 
zwei  Rosenbäumchen,  um  das  rote  Kreuz  als 
Ehrenzeichen  auf  weißen  Rosen  zu  tragen. 
Drei  große  Initialen  nehmen  jeweils  Bezug 
auf  den  Inhalt  der  zugehörigen  Strophen, 
wie  auf  den  Schluß  des  Gedichtes  die  Melodie 
von  Mozarts  Agnus  Dei,  die  das  Lamm  und 
seine  Fahne  umgibt.  Ein  Kranz  von  goldenen 
Rosenblättern  kennzeichnet  die  sturmreiche 
Herbstzeit  und  bildet   gleichzeitig  den  Über- 


gang von  der  flächigen  Dekoration  zu  der 
Goldrahme,  in  der  die  Tafel  ruht.  Die  Farben 
sind  auf  eine  geringe  Zahl  beschränkt;  das 
I^ot  des  Kreuzes  wiederholt  sich  in  dem 
Fond  der  ersten  Initiale  und  formt  die  beiden 
übrigen  E  und  W  sowie  die  kleine  Fahne. 
Die  weißen  Rosen  werden  durch  ein  grünes 
Laub  zusammengehalten,  während  ein  lichtes 
Graugrün  die  Basis  der  Komposition  und  den 
Untergrund  des  Liedes  darbietet.    Eine  tem- 


278 


Veineiyjlajeöföf 

TOnig  Ludinißiir^  ^ 

öllerunferfanigst  geioidmet' 

üon  Ceo^riedndjtBcffldolhmjJlünrf^en 
jjlooember  ,^^i%-^       ^.  9   ^  S 


FERO-NOtKMtR. 


.^ 


AUS  EINER  HULDIGUNGSADRESSE  FÜR  S.  M.  KÖNIG  LUDWIG  III.  VON  BAYERN 

Au/  Pergament  gemalt  von  Ferä!n<tnä  Nockher  in  Altenbeuern.   —    Text  S.  2~6 


A-.> 


.{Die  arm  emd  xmv  dorb  n^fl^n  €iid| " 


lie  armöintl  w\v  dort)  geflm<Eucl). 

1 0\c  Ciehe.Ciib  und  Ceben 
Und  <5nt  undSlut  für  dputedies  Keif Fj 
Jn  i^cU  ggm  ^ampf  gcflgbgn- 


CDip  reich  6eid  Jbi*.  ein  ictler  sdjoa 
'^üQt  ^tvtJtjiend  eine  «rone 
wuf  blut'ger  s^tirne  -  (Bo^es  €o\}n 
für  echioere  <f rdea-^rone- 


He  ^irnenglanj  im'IJlorgenlicfjt' 
^omnit' <E^ufb  derfierr  enf(jcgm, 
CDennö  nodjtet'imd  das-^uge  nriftit", 
^yricf)t  €r  <£"ucb  »Steinen »5 Cfien: 


„Die  treu  bpbQrrc>^  bis  ans  (Tnd, 
Dcis  war  $uV  letj^e^  Ceiden 
Und  leuchtend  em  dem  ^irmtiment 
j5u<Bott  die^gt  gt?n  ^ctimtm- 


tD ie  arm  ^ind  toir  doch  ^egen^Eucb 
Tlocb  kleben  lüir  ftm^taube, 
Öo  ßib'*  f^ucb  uns  in<5ofte$ftei(ti: 
Die  4 reue  und  der  ^Inubg- 


Tp  uneben ,  ^Ucrscclrn  ^9^5 


tfScrQdolt: 


AUS  EINER  HULDIGUNGSADRESSE  AN  S.  M.  KÖNIG  LUDWIG  UI.  VON  BAYERN 

Auf  Pergament  gemalt  von  Ferdinand  Xockfur  m  Altenbtuem.  —  Text  S.  syö 


28o    DIE  MADONNEN  DES  MICHELANGELO.  — MADONNA  VON  GRUNEWALD 


Aus  einer  HalJigungsaJresse  für  S.  M.  König  Ludwig  III. 

von  Biyern 

Gemalt  von  F.  Xockher.   —   Text  S.  276 

peramentvolle  Belebung  erfährt  der  naturgraue 
Ton  des  Malkartons  durch  ein  leuchtendes 
Smaragdgrün,  das  wie  von  Sonne  ertüllt  durch 
das  Spruchband  hindurchleuchtet.  Eine  Repro- 
duktion als  Postkarte  erhielten  die  Schwestern 
zum  Verkauf  innerhalb  ihres  Verbandes  zu- 
gunsten ihrer  Altersversorgung  gleichfalls  aus 
der  Hand  von  Herrn  L.  F.  Bergdolt. 


DIE  MADONNEN  DES  MICHEL 
ANGELO 

M.  Herbert 

Sie  tragen  all  die  Züge  der  Sibyllen, 
Ob  sie  ihr  Kindlein  pflegen  voller  Wonnen, 
Ob  sie  versunken  in  der  Schmerzen  Bronnen, 
Ihr    Leid    aufopfern    deinem   ew'gen   Willen. 
Auf  ihrem  Antlitz  sind  die  Feierstillen 
Der  Menschenseele,  die  der  Welt  entronnen, 
Im  Rettungshafen  sichre  Statt  gewonnen 
Und  siegend   gleitet   auf  den  ew'gen  Zillen. 
Es  sind  die  heiigen  Überwundenheiten, 
Es  sind  die  Blicke  in  die  Gottesferne, 
Es  sind  die  ungeheuren  Einsamkeiten 
Gebetversunkner  und  der  Himmelssterne. 


MADONNA  VON  GRÜNEWALD 
IN  STUPACH 

M.  Herbert 

Des  alten  Meisters  süße  Gottesbraut 
Wohnt  einsam  in  dem  waldumspannten  Tale. 
Sie  wählte  nicht  die  stolze  Kathedrale, 
Ein  stilles  Kirchlein  ward  um  sie  gebaut. 

Dort  thront  sie  in  so  großer  Herrlichkeit, 
Daß  wir  von  weiter  Ferne  zu  ihr  wallen. 
Ehrfürchtig   nah'n  wir,   ihrer  Huld  Vasallen, 
Und  wir  vergessen  vor  ihr  Raum   und  Zeit. 

So  traut  bekannt  blickt  uns  die  Jungfrau  an. 
Als  hätt  sie  schon  ein  tief  verborgnes  Leben 
In  uns  geführt,  und  würd'  uns  nun  gegeben, 
Erfüllter  Wunsch,  den  unser  Herz  ersann. 

Die  glauben  und  nicht  glauben,  grüßen  sie. 
Die  fromme  Himmelsmagd,  die  Benedeite. 
Es  strömt  ihr  Haar  wie  lichtgewebte  Seide 
Und  lächelnd  spielt  das  Kind  auf  ihrem  Knie. 

Ihr  Antlitz  ist  so  wunderbar  gefaßt. 
Als  trüg'  es  in  sich  alles  Überwinden. 
Es  ist  auf  Erden  einmal  nur  zu  finden. 
Voll  Demut  ist  es  und  voll  tiefer  Rast. 

Und  die  es  schauten,  werden  lebenslang 
Das  Sonnenbild  im  dunklen  Herzen  wahren, 
Wie  man  behält  nach  sturmvoll  bangen  Jahren 
Noch  einen  heil'gen  Palestrinasang'). 


Vom   liinband  einer  Ilulaigungsadresse  für  S.  M.  KS 
Ludwig  III.  von   Ii..ycrn 
Entw.  von  F.  Neckher.  —   Text  S.  27J 


')  Das  Geni.ilde  i.st  im  IV.  Jg.  nach  S.  192  abgebil- 
det.    Text  dazu  von  Dr.  Max  Sclierniann. 


KARL  KUOLT 


HL.  SEBASTIAN  (1910) 


e^  ZUR  KUNSTLERISCHEN  REFORM  DER  WALLFAHRTSZEICHEN  S^     281 


ZUR  KÜNSTLERISCHEN  REFORM 
DER  WALLFAHRTSZEICHEN 

Von  E.  A.  STÜCKELBERG,  Basel 
Vgl.  Abb.  S.  281—283 
Im  Jahre  1914  hat  der  Verfasser  in  Wien  ein 
^   paar  Zeilen  veröffenthcht,  um  das  Interesse 
an  der  künstlerischen  Hebung  eines  weitver- 
breiteten kleinen  Gegenstandes  zu  wecken'). 
Seither  sind  ihm  aus  verschiedenen  Ländern 
und  Kreisen    von  Forschern,  Sammlern  und 
Künstlern  Zuschriften  in  zustimmendem  Sinne 
zugekommen.  Er  glaubte 
daher,  der  Einladung  der 
Redaktion     dieser     Zeit- 
schrift   folgend,  auch  an 
dieser  Stelle  auf  die  Sache 
zurückkommen  zu  dürfen. 

Seit  bald  zweitausend 
Jahren  kann  sich  die  Kunst 
in  unbeengter  Weise  mit 
der  Herstellung  von  Wall- 
fahrtszeichen befassen. 
Keine  Größe,  keine  Form, 
Dicke,  Stärke  des  Reliefs, 
kein  Stoff,  Gewicht,  keine 
Technik,  kein  Thema  der 
Darstellung  oder  des 
Schmuckes  ist  vorge- 
schrieben. Die  größte 
Freiheit  hat  zu  allen  Zei- 
ten in  der  Wahl  aller 
Herstellungsarten  und  Be- 
arbeitungen des  Pilger- 
zeichens oder  der  Wall-  Figur  i.  - 
fahrtsmedaille  geherrscht, 
und  trotzdem  ist  der  Kunstwert  dieser  kleinen 
Gegenstände  mehr  und  mehr  gesunken,  ist 
seit  einigen  Jahrzehnten  auf  einem  Tiefstand 
angelangt,  der  nach  Reform  ruft^). 

Kein  Stoff  wurde  verschmäht,  um  derartige 
fromme  Andenken  herzustellen  und  keine 
Gegend  der  christlichen  Welt  verzichtete  dar- 
auf, solche  Zeichen  zu  erzeugen  und  zu  ver- 
wenden. Gegossen  oder  geprägt,  gestanzt, 
getrieben  oder  graviert,  aus  edelem  oder 
gemeinem  Metall,  aus  Muschel,  Bein,  Hörn 
oder  Papier  3)  wurden  Tausende  von  Pilger- 
zeichen hervorgebracht.  Am  Kleid  oder  am 
Hut  trug  der  Pilger  einst  diese  Zeugnisse  für 
vollbrachte  Wallfahrten ;  heute  trägt  er  sie  am 


')  Miit.  der  Österreich.  Gesellschaft  für  Münz-  und 
Medaillenkunde  X,  1914,  p.  1 15  — 114. 

=)  Vgl.  die  zahlreichen  Abbildungen  von  Wallfahrts- 
zeichen des  2. —  19.  Jahrhunderts  im  Annuaire  Pontifical 
Catholique  1905,  p.  412—451. 

3)  Exemplare  aus  allen  diesen  Stoffen  in  der  Samm- 
lung des  Verfassers. 


Rosenkranz,  am  Buchzeichen  oder  an  der  Uhr- 
kette, die  Frau  an  der  Halskette  oder  als 
Brustschließe.  Auch  alle  Arten  von  Umrah- 
mungen der  Wallfahrtzeichen  waren  möglich; 
entweder  umgab  man  das  kleine  Kunstwerk 
mit  schützendem  Ring  (Fig.  6)  oder  mit 
schmückendem  Rahmen  (Fig.  3).  Im  erstercn 
Fall  pflegen  außen  nur  ein  paar  perlartige 
Kugeln  angesetzt  zu  sein,  im  letzteren  ist  der 
Rahmen  vielfältig  durchbrochen,  bald  durch 
Guß,  bald  durch  Lötung  von  Metallblättchen, 
Streifen  und  Drähten  (Fig.  4  und  5);  oder  aber 
man  unterlegte  durchbro- 
chene Wallfahrtszeichen 
mit  buntem  Papier  oder 
Gewebe  (Fig.  3  und  9). 
Phantasie,  Geschmack 
und  Kunstfertigkeit  ver- 
einigten sich,  um  die  man- 
nigfaltigsten kleinen  Ge- 
bilde herzustellen,  cha- 
rakteristische Erinnerun- 
gen und  aufbewahrungs- 
werte Denkzeichen  zu 
schaffen.  Heute  ist  es  lei- 
der anders  geworden:  Die 
billige  Massenfabrikation 
hat  sich  des  Gegenstan- 
des bemächtigt  und  pro- 
duziert in  gewaltigen  Men- 
gen größtenteils  wertlose 
kleine  Metallplättchen  von 
langweiligster  Eintönig- 
keit. Es  genügt,  einen 
ev,  unten  Blick  auf  clue  Sammlung 

von  alten  und  eine  Kollek- 
tion von  neuen  Wallfahrtszeichen  zu  werfen, 
um  den  gewaltigen  Rückschritt  zu  erkennen 
der  auf  diesem  Gebiet  zu  verzeichnen  —  und 
zu  beklagen  ist.  Ausnahmen  abgerechnet. 

Unsere  Illustrationen  veranschaulichen  ei- 
nige der  vielen  sich  zur  Darstellung  bietenden 
künstlerischen  Möglichkeiten:  das  Gehäuse, 
d.  h.  die  fassadenähnliche  Umrahmung  der 
mittelalterlichen  Zeichen,  wie  sie  z.  B.  in 
Einsiedeln,  St.  Beaten  im  Berner  Oberland, 
Niedermünster  im  Elsaß  usw.  tausendfach 
gegossen  wurden.  Fig.  i  stellt  ein  unver- 
öffentlichtes Pilgerzeichen  eines  Wallfahrts- 
ortes im  Kanton  Bern  dar;  es  zeigt  in  archi- 
tektonischer Umrahmung  gotischen  Stils  das 
Gnadenbild  der  betreffenden  Kirche  von  Ober- 
büren,  darunter  den  Berner  Wappenschild  und 
die  Inschrift.  Vier  Ösen  am  Rand  dienten 
dazu,  das  Gebilde,  das  sich  einst  silberweiß 
und  glänzend  von  der  Unterlage  abhob,  am 
Rock  oder  Mantel  zu  befestigen.  Fig.  2  zeigt 
ein  spanisches  Pilgerzeichen  aus  Bronze,  einst 


Die  christliche  Ku: 


282     ^  ZUR  KUNSTLERISCHEN  REFORM  DER  WALLFAHRTSZEICHEN  ^ 


mit  Grubenschmelz  verziert 
(gegossen  und  graviert).  Auf 
achteckiger  Platte  ist  darge- 
stellt ein  Arm  (Reliquiar?) 
über  einem  Höllenrachen, 
zwischen  zwei  Pflanzen.  Dar- 
über auf  Bandrolle  die  In- 
schrift; am  Oberende  des 
Gebildes  ein  Henkel  zum 
Anhängen.  Fig.  3  gibt  die 
Vorderseite  eines  durchbro- 
chenen Wallfahrtszeichens 
von  Einsiedeln  wieder,  es  ist 
zweiteilig,  d.  h.  es  besteht 
aus  zwei  ähnlichen  Bleigüs- 
sen, zwischen  welche  ein 
buntes  Papierbättchen  gelegt 
ist  und  das  oben  durch  eine 
kleine  Seidenmasche  zusam- 
mengehalten wird.  In  rei- 
chem Rahmen  von  Barock- 
ornamentik ist  in  der  Mitte 
die  Madonna  von  Einsiedeln  dargestellt;  in  der 
unteren  Öse  hing  einst  ein  kleines,  an  unse- 


cher  Filigranschmuckstücke 
existieren  heute  noch;  sie 
werden  an  vielen  Orten,  die 
freilich  heute  nicht  mehr 
können  namhaft  gemacht 
werden,  hergestellt.  Die  dem 
Verfasser  vor  Augen  gekom- 
menen Stücke  stammen  aus- 
nahmslos aus  dem  17.  und 
18.  Jahrhundert. 

Fig.  6  zeigt  eine  ovale,  ver- 
goldete Messingmedaille  mit 
der  Darstellung  des  heiligen 
Blutes  von  Weingarten,  d.  h. 
mit  dem  edelsteinbesetzten 
romanischen  Reliquiar,  das 
die  heiligen  Partikel  um- 
schloß. Die  einfache  Fas- 
sung schützt  das  Relief  der 
Prägung  vor  Abschleifen. 

Fig.  7  gibt  ein  achteckiges 
Messinggepräge  mit  dem  Bild 
der  heiligen  Treppe  in  Rom,  auf  welcher  drei 
Pilger   auf  den    Knien    sich    emporbewegen, 


rig.  3- 


Flg.  .,.— Tex 


rem  Exemplar  abgefallenes  Kreuzchen.  Fig.  4 
und  5  geben  die  Reproduktion  von  kleineren 
Wallfahrtszeichen  mit  Filigranumrahmungen 
wieder;  das  kleinere 
Medaillon  zeigt  vorne 
das  Brustbild  der  Ma- 
donna, hinten  des  heili- 
gen Johannes  Nepo- 
muk.  Das  größere  Zei- 
chen (beschädigt)  trägt 
auf  der  Vorderseite  das 
Brustbild  des  heiligen 
Dominikus,  auf  der 
Rückseite  den  Heiland 
am  Kreuz.  Unzählige 
verschiedene  Arten  sol- 


wieder ;  man  beachte,  daß  der  Künstler  für  das 
architektonische  Bild  den  geradlinigen,  nicht 
einen  ovalen  Rahmen  wählte  (Datum:  1700). 
Fig.  8     reproduziert 
eine      ovale     Messing- 
medaille, die  in  kräfti- 
gem Relief  die  Madonna 
vom  Berge   Karmel  in 
Rom  darstellt. 

Fig.  9  stellt  die  eine 
Seite  der  ovalen  Mes- 
singmedaille von  Säk- 
kingen  dar,  auf  wel- 
cher St.  Fridolin,  der 
Patron  der  Stiftskirche 
daselbst,  abgebildet  ist. 


ZUR  KUNSTLERISCHIZN  REFORM  DER  WALLFAHRTSZEICHEN  ®2S     285 


läge,  die  gleich  einem 
Malteserkreuz  ausge- 
schnitten ist,  aufgenäht. 
Es  stammt  von  Saint- 
Brieuc  und  ein  Stern 
mit  zwei  Ankern  er- 
innerte die  Seeleute  und 
Küstenbewohner  an  die 
himmlische  Schützerin 
und  Retterin  in  Seege- 
fahr. 

Noch  unzählige  an- 
dere Typen  von  Wall- 
fahrtszeichen  heßen  sich 
anführen;  wir  beschrän- 
ken uns  auf  die  beschrie- 
benen Stücke,  möchten 
aber  nicht  schließen 
ohne  an  alle,  die  sich 
mit  der  Herstellung  von 
solchen  Andenken  zu 
befassen  haben,  ein  paar 
Bitten  zu  richten: 

I.  Überlassen  Sie  nie- 
mals die  Aufgabe  ledig- 


Neben  ihm  steht 
der  auterweckte 
Ursus,  der  zum 
Attribut  der  Fri- 
dolinsdarsteüun- 
gen  geworden  ist. 
Fig.  10  gibt 
ein     bretonisclies 

Wallfahrtszei- 
chen wieder;  nach 
alter    Art    ist    es 
aus  Blei  gebildet, 

durchbrochen 
und     auf    bunte 
Wollstoft'-  Unter- 


lich    dem     Graveur 
oder  Fabrikanten. 

2.  Ziehen  Sie  einen 
Kunst-,  Geschichts- 
oder Medaillenver- 
ständigen   zu    Rate. 

3.  Lassen  Sie  nie 
allzu  viel  verschie- 
dene Gegenstände 
auf  dem  kleinen  Ge- 
bilde  darstellen. 

4.  Beschränken 
Sie  das  Bild  auf 
einen  typischen  Ge- 
genstand. 


F.K-  9.   —  Text  S.  282 

5.  Bild  und  Schrift  sei 
deutlich  und  so  groß 
wie  möglich. 

6.  Das  Bild  sei  nicht 
konventionell  und  inter- 
national, sondern  boden- 
ständig. 

7.  Das  Relief  sei  nicht 
flach,  sondern  kräftig. 

8.  Das  Wallfahrtszei- 
chen sei  nicht  allzu 
klein'). 

9.  Bietet  sich  kein  bes- 
seres Projekt,  so  lehne 
man  sich  an  das  schönste 
der  alten  Vorbilder  an-). 


')  Unsere  sämtlichen  Ab- 
bildungen geben  die  Original- 
größe der  mitgeteilten  Exem- 
plare wieder. 

')  Zu  diesem  Behufe  wende 
man  sich  an  diejenigen  öffent- 
lichen Münzkabinette,  welche 
eine  Abteilung  Gnadenpfen- 
nige oder  Wallfahrtszeichen 
besitzen. 


BERUF  DER  KUNST 

L  Vom  Grabe  eines  Malers  in  Luzern :  IL  Ein  Ausspruch  Führichs: 

»Dem    echten   Schönen    ist   wahre    Kunst  »Die  Kunst  ist  eine  Blume,  zu  duften  vor 

geweiht,  dem  Herrn, 

Sie  wird    in    Gott  Genuß    und    Seligkeit.-  Ein  Licht,    zu    leuchten  vor   dem  Herrn.« 

Diese    zwei    sinnreichen    Bekenntnisse    wurden    uns   von    Sr.  Königl.  Hoheit    Prinz  Johann 
Georg  von  Sachsen  huldvollst  mitgeteilt. 


37* 


284 


lOSEF  EHKKZ  (ML  I  IGAKT) 


MOÜRLANlibCHAlT 


^^':Mim^^'^'^''*^ 


lOSF.F  F.BERZ  (STUTTGART)  ZWEI  MÜTTER 

Aus  ,/rm  Zyklus  „Kiimp/e'' .     OrlghutUithogyapkir.      Vgl.  Text  Beilagr  S.  24 


€SS  NEUE  STUDENTENFAHNE  es^ 


NEUE  STUDENTENFAHNE,  NACH  DEM  ENTWURF  VON  ARCHITEKT  RICHARD  STEIDLE  (MÜNCHEN)  AUSGEFÜHRT  VON  HERRN 
UND  FRAU  BILDHAUER  ALLMANN  (MÜNCHEN) 


NEUE  STUDENTENFAHNE 

(Vgl.  Abb.  oben  und  farbige  Sonderbeilage) 


Der  katholische  Studentenverein  Erwinia  an 
der  Technischen  Hochschule  zu  München 
beabsichtigte  die  Anschaffung  einer  neuen 
Fahne.  Mit  dem  Entwürfe  hierfür  wurde  der 
Philister  dieser  Korporation,  Architekt  Richard 
Steidle,  betraut.  Es  bestand  nun  für  ihn  die 
Aufgabe,  ein  Stück  zu  schaffen,  das  sich  von 
der  üblichen  Schablone  freihielt  und  eine 
modern  empfundene  Lösung  anstrebte.  Bei 
Studentenfahnen  sieht  man  bis  heute  noch 
Dinge,  die  sich  eigentlich  schon  längst  über- 
lebt haben  sollten,  so  Renaissancewappen  mit 
wallenden  Federbüschen  und  Helmdecken, 
allegorische  Figuren  in  peinlichster  Nadel- 
malerei, als  Hintergrund  eine  groteske  Land- 
schaft, und  ähnliche  unerfreuliche  Sachen. 
Man  könnte  unwillkürlich  jene  Periode  der 
Glas-  oder  Wandmalerei  zum  Vergleich  heran- 
ziehen, wo  man  ohne  Bedenken  irgend  ein 
Tafelgemälde  auf  die  Fläche  übertrug.  Ebenso 
falsch  ist  es  bei  einer  Fahne,  die  hoch  im 
Winde  flattert,  mit  Stickereien  zu  arbeiten, 
die  nur  in  der  Nähe  deutlich  erkennbar  sind 


und  welche  etwa  bei  Sophakissen,  bei  Tisch- 
decken u.  s.  w.  wohl  am  Platze  sein  können. 
Bei  einer  Fahne  wird  man,  wie  bei  einem 
guten  Glasgemälde,  das  Hauptaugenmerk  auf 
eine  ausgeglichene  Stilisierung,  auf  Flächen- 
wirkung und  klare  Anordnung  in  Zeichnung 
und  Farbe  richten.  Aus  diesem  Bestreben 
heraus  ist  der  vorliegende  Entwurf  entstanden. 
Wie  die  Abbildung  zeigt,  sind  ganz  moderne 
Töne  angeschlagen;  die  Farben  sind  durch 
keinerlei  Schattenwirkung  oder  sonst  übliche 
Mittel  gebrochen,  sondern  stehen  in  tiefer 
Leuchtkraft  neben  einander.  Das  Ornament 
ist  breit  und  flächig  behandelt.  Sämtliche 
Stickereien  wurden  mit  der  Kurbelmaschine 
ausgeführt.  Dieser  Technik  ist  eine  unserem 
deutschen  Empfinden  entsprechende  Uneben- 
heit und  altmeisterliche  Derbheit  eigen.  Die 
Arbeiten  wurden  in  vollendeter  Weise  von 
Frau  Bildhauer  AUman  angefertigt,  wobei 
ihr  jetzt  im  Felde  stehender  Gemahl  besonders 
bei  der  Detailausführung  ihr  mit  Rat  und  Tat 
zur  Seite  stand. 


286 


AUSSTELLUNG  VON  MALEREIEN  ALWIN  ARNEGGERS 


KARL  KUOLT 


DER  BARMHERZIGE  SAMARITAN 


AUSSTELLUNG  VON  MALEREIEN 
ALWIN  ARNEGGERS 

Am  26.  April  dieses  Jahres  ist  Alwin  Arnegger  ge- 
storben, nachdem  er  am  6.  Februar  erst  53  Jahre 
alt  geworden  war.  Ein  Künstler  ist  uns  verloren  ge- 
gangen, von  dem  in  der  Öffentlichkeit  bisher  nicht 
viel  die  Rede  war.  Er  stammte  aus  Hohenweiler  bei 
Bregenz,  studierte  Germanistili  und  wandte  sich  erst 
dann  in  München  der  Malerei  zu.  Sein  Lehrer  war 
1906 — 7  Professor  von  Marr.  Freunde  des  Hingeschie- 
denen veranstalteten  im  Mai  eine  Ausstellung  zahlrei- 
cher Arbeiten  von  ihm.  Bei  den  75,  größtenteils  dem 
Nachlasse  des  Künstlers  entnommenen  Werken  sah 
man  hauptsächlich  Bildnisse,  Postkarten  und  Sinnbilder 
der  Jahreszeiten.  Schon  diese  kurzen  Angaben  zeigen, 
daß  eine  Vielseitigkeit  nach  gegenstdndliclier  Richtung 
nicht  vorliegt.  Um  so  intensiver  ist  die  Darbietung, 
und  zwar  bei  den  Bildnissen  vor  allem  nach  der  kolo- 
ristischen Seite  hin.  Arnegger  legte  auf  diese  beson- 
deren Wert.  Mit  lebhafter  Neigung  für  starke  Wir- 
kungen wählte  er  Farben  von  ausgesprochener  Energie, 
ohne  doch  in  Härten  zu  verfallen.  Er  liebte  es  nur, 
deutlich  herauszuarbeiten,  was  er  für  richtig  hielt,  und 
was  seinen  künstlerischen  Eingebungen  entsprach.  Die 
in  vollem  Lichte  und  in  ihrer  durch  die  Atmosphäre 
bedingten  Art  entwickelten  kraftvollen  Töne  stellte 
er  so  zusammen,   daß   sie   interessante   und   vornehme 


Harmonien  bildeten.  So  wenn  er  bei  dem  in  gan- 
zer Figur  gegebenen  Bildnisse  einer  Dame  diese  in  sehr 
helles  Grün  gekleidet  gegen  den  Hintergrund  einer 
zart  geblümten  Tapete  oder  vor  einer  solchen  grün  ge- 
streiften eine  Dame  in  Weiß  malte,  oder  eine  ältere 
Dame  in  Schwarz  gegen  dunkelblauem  Hintergrund, 
oder  wenn  er  die  Gestalt  eines  Herrn  in  blauer  Uni- 
form von  grünem  landschaftlichem  Hintergrund  ab- 
stechen ließ.  Häufig  gab  ihm  auch  die  Darstellung  von 
Studenten  Gelegenheit,  seiner  Farbenfreudigkeit  genug 
zu  tun.  Die  Wahl  des  Kolorits  diente  bei  Arnegger 
aber  auch  sehr  wesentlich  den  Zwecken  geistiger  Ver- 
tiefung, der  Charakterisierung  der  Personen.  Weit  ent- 
fernt war  er  indes  davon,  dieses  Ziel  nur  mit  Hilfe  des 
Farbenvortrages  und  mit  der  seines  nicht  minder  ent- 
wickelten plastischen  Sinnes  zu  erstreben.  Die  Art, 
wie  er  den  Ausdruck  der  Gesichter  schilderte,  beweist 
vielmehr,  daß  er  die  geistige  Eigenart  eines  jeden  zu 
durchdringen  wußte  und  auf  ihre  überzeugende  Inter- 
pretation ausging.  Zu  den  besten  Werken  Arneggers 
nach  dieser  Riditung  hin  gehört  z.  B.  das  Bildnis  Prof. 
Ph.  Schumachers,  das  der  Frau  Schmitt,  das  Bildnis 
Riedner.  Bei  den  Landschaften  interessiert  die  Ruhe 
der  Farbe,  bei  der  grüne  Töne  vorherrschen,  die  gute 
Massenverteilung,  die  stimmungsvolle  Erfassung  der 
schlichten  Motive.  Die  Ausstellung  ließ  das  frühe  Hin- 
scheiden dieses  Künstlers  lebhaft  bedauern,  dem  eine 
bedeutende  Laufbahn  hätte  beschieden  sein  können. 


aSy 


KARL  KUOLT,  PORTRÄTBÜSTE 

Holz,  vollendet  jgtj 


288 


KARL  KUOLT,  SCHREIBTISCH 

Vgl.  AU.  S  lS7  und  Beilage  S.  S7 


Artifex  6uestf. 


Galerle  315-1 


lES.  F.  CHR.  K.,  MCHN. 


6L0RIA  IN  EXCELSIS  DEO,  ET  IN  TERRA  PAX  HOMINIBUS  BONAE  VOLUNTATIS 


G.  SCHREINER 


HAUPT  CHRISTI 


Dtlail.     Vgl.  Abb.  S.  304 


BILDHAUER  GEORG  SCHREINER 


(Hierzu  die  Abbildungen  S.  289  —  309) 


r^er  Deutsche  Kaiser  hat  für  den  Altar  der 
L-^  prächtigen  neuen  Kirche  seines  bekannten 
westpreußischen  Besitzes  Cadinen  einen  reich 
geschnitzten  dreiteiligen  Aufsatz  anfertigen 
lassen,  und  dieser  Auftrag  ist  dem  Regens- 
burger Bildhauer  Georg  Schreiner  zuteil  ge- 
worden. 

Schreiner  wurde  1871  zu  Regensburg  gebo- 
ren. Er  lernte  3  Jahre  lang  bei  Prof  Ruemann 
in  München  und  arbeitete  dann  zum  Teil  selb- 
ständig, bis  er  sich  1907  endgültig  in  seiner 
Geburtsstadt  niederließ.  Zwei  Arbeiten  von 
ihm,  eine  Holzstatue  der  hl.  Barbara  und  eine 
der  hl.  Katharina,  beide  zu  dem  Hochaltare 
der  katholischen  Kirche  zu  Teisnach  gehörig, 
entstanden  im  Jahre  1900  und  sind  in  der 
Jahresmappe  der  Deutschen  Gesellschaft  für 
christliche  Kunst  1903  abgebildet  (Abb.  S. 290). 
Es  sind  Figuren  von  selbständiger  Erfassung, 
kräftig  und  schön  in  Umriß  und  Durchfüh- 
rung; die  deutsche  Kunst  der  Renaissance 
macht  sich  als  Vorbild  fühlbar,  ohne  daß 
Eigenartigkeit  und  Neuheit  darunter  verloren 


gingen.  Im  Jahre  darnach  schuf  Schreiner 
eine  Pieta  für  S.  Eminenz  den  Kardinal  Grafen 
Schönborn  in  Prag.  Die  Gruppe  zeigt  gute 
Geschlossenheit,  die  bei  solchen  Werken  oft 
störende  Härte,  mit  welcher  die  Linien  der 
beiden  Gestalten  sich  durchschneiden,  ist  mit 
Glück  vermieden,  der  Christusakt  gut  beob- 
achtet und  durchgearbeitet;  die  Charakteri- 
sierung atmet  Feierlichkeit  bei  überzeugender 
Lebenswahrheit  (Abb.  S.  291).  Die  größte  Ar- 
beit aus  Schreiners  früherer  Zeit  ist  der  ge- 
schnitzte Hochaltar  der  katholischen  Pfarrkirche 
zuBraunau(Abb.S.292).  Für  dieses  Werk  ist  die 
Idee  bereits  viel  älter;  sie  stammt  nicht  von 
Schreiner,  sondern  von  dem  Dombaumeister 
Heinrich  Freiherrn  von  Schmidt,  der  sie  1865 
gefaßt  hat.  Der  in  den  reichen  Formen  der  aus- 
gehenden Gotik  gehaltene  Altaraufsatz  trat  an 
die  Stelle  eines  vor  Schreiners  Zeiten  bereits 
beseitigten  Barockaltars.  Man  sieht  ein  zwei- 
flügeliges Werk:  im  Mittelschreine  rechts  und 
links  vom  Thronus  die  unter  reichen  Balda- 
chinen stehenden  Figuren  des  hl.  Petrus  und 


Die  chilstllcbe  Kunst.     XII. 


290 


^3  GEORG  SCHREINER  e^ 


GEORG  SCHREINER,  DIE  HL.  BARBARA  UND  KATHARINA 
Am  Hochaltar  in  der  Kirche  zu   Teisnach.     Höh.  —   Text  S.  3Sc) 


Paulus,  in  den  Flügeln  je  zwei  in  Reliet  ge- 
gebene Szenen  aus  dem  Leben  des  hl.  Ste- 
phanus.  Die  Gestalt  dieses  letzteren  und  die 
von  zwei  weiblichen  Heiligen  stehen,  rund 
gearbeitet,  auch  in  der  reichen  Bekrönung 
des  Altares.  Das  Ganze  bot  dem  Künstler 
Gelegenheit,  besonders  auch  das  Talent  zu 
beweisen,  das  er  für  die  Erfindung  und  wir- 
kungsreiche Ausführung  des  Ornamentes  be- 
sitzt. Man  sieht  dabei,  wie  er  sich  mit  Ver- 
ständnis in  die  Denkart  der  alten  deutschen 
Gotiker  eingelebt  hat. 

Seit  der  Zeit  seiner  äußeren  Selbständig- 
keit hat  Schreiner  eine  stattliche  Zahl  bedeu- 
tender Arbeiten  geliefert,  von  denen  hier  nur 
einige  erwähnt  werden  können.    1907  schut 


er  ein  mit  einer  schönen  Engeltigur  geschmück- 
tes Grabdenkmal  für  den  Friedhof  von  Rein- 
hausen. Eine  Probe  seiner  Fähigkeit  zur  Her- 
stellung älterer  Kunstwerke  legte  er  1908  beim 
Hochaltar  zu  Stadtkemnath  ab.  Dasselbe  Jahr 
brachte  die  Ausstattung  der  Josephskirche  zu 
Königshütte  (Abb.  S.  299).  Der  1909  enstan- 
dene  Aufsatz  des  Hochaltares  zu  Antonien- 
hütte  (Oberschlesien)  ist  wieder  ein  nach  spät- 
gotischen \'orbiIdern  entworfenes  reich  ge- 
schnitztes Triptychon  (Abb.  S.  293).  Die  Mitte 
enthält  eucharistische  Szenen,  in  den  Flügeln 
sieht  man  je  zwei  Reliefs  mit  Darstellungen 
aus  dem  Leben  des  hl.  Laurentius.  Bemerkens- 
wert ist  namentlich  die  Lösung  der  bei  sol- 
chen gotischen  Altären  nicht  geringen  Schwie- 


^  GEORG  SCHREINER  ^ 


291 


GEORG  SCHREINER 

Im  Besitze  Sr.  Etniiie. 


des  Kardinals  Sdünbcr. 


rigkeit,  Tabernakel  und  Thronus  künstlerisch 
befriedigend  unterzubringen.  Sciireiner  hat 
dies  in  einer  Weise  versucht,  der  man  nicht 
bestreiten  kann,  daß  sie  neuartig  und  zugleich 
im  Sinne  der  alten  Kunst  gelegen  ist.  Er 
teilte  nämlich  den  Mittelschrein  in  zwei  ver- 
tikal getrennte  Hälften,  ebenso  die  Predella 
und  schob  dazwischen  ein  prachtvoll  ge- 
schnitztes Sakramentshäuschen  ein.  Mit  dem 
Sockel,  dem  Tabernakel,  steht  es  auf  den 
Leuchterstufen,  darüber  folgt  der  von  zwei 
Statuetten  flankierte  Thronus,  der  die  Form 
einer  gotischen  Kirchenapsis  hat,  im  oberen 
Geschosse  sieht  man  die  Halbfigur  des  seg- 
nenden Gottvaters;  endlich  erhebt  sich  der 
zierliche,  klar  durchbrochene  Turm  über  die 
Oberkante  des  ganzen  Altaraufbaus.  Und  da 
nun  das  Sakramentsgehäuse  auch  noch  vor 
den   lediglich   bildlichen  Teilen  des  Aufbaus 


hervortritt,  und  reich  vergoldet  ist,  so  cha- 
rakterisiert es  sich  als  das,  was  es  ist,  als  das 
wichtigste  des  Ganzen.  Der  Altar  von  An- 
tonienhütte  gehört  zu  den  wertvollsten  Wer- 
ken, die  Schreiner  bisher  geschaflen  hat.  — 
Seine  Neigung,  im  Sinne  der  alten  großen 
Gotiker  zu  arbeiten,  macht  sich  auch  bei  der 
1911  entstandenen  Kanzel  und  dem  Hoch- 
altare der  neuen  katholischen  Kirche  von 
Langfuhr  (bei  Danzig)  geltend.  Der  letztere 
ist  wieder  ein  Triptychon  (Abb.  S.  294).  Bei 
der  Kanzel  führte  wohl  die  freie  Erinnerung 
an  die  Syrlinschen  Halbfiguren  des  Ulmer 
Domes  zur  Entstehung  der  vortrefflichen 
Halbfigurenreliefs  der  vier  Evangelisten.  Ent- 
wurf und  Personenschilderung  sind  voll  Kraft 
und  in  die  Tiefe  gehender  Einfachheit  (Abb. 
S.  296). 

Ein   »außerhalb  der  Linie,  stehendes  Werk 


292 


GEORG  SCHREINER  HOCHALTAR  IN  BRAUNAU 

K'itwurf  von  Dombaumfistcr  l-rh,  v.  Schmidt  in    Wien,   lS6j 
Tcxl  S.  2Sg 


e^  GEORG  SCHREINER  ^3 


293 


schuf  Schreiner  19 12  für  den  Hochaltar  der 
Kirche  von  Rol;ittnitz  in  Oberschlesien  (Abb. 
S.298).  Die  hier  abgebildete  Gruppe  ist  lebens- 
groß; sie  hehndet  sich  innerhalb  einer  etwas 
schweren  und  dunkeln  Architektur,  deren  Ent- 
wurf von  dem  Dresdener  Architekten,  Pro- 
fessor Kühn  stammt.  Der  Gedanke  »Kommet 
alle  zu  mir ;  ist  hier  in  einer  Weise  verbild- 
licht worden,  die  eine  ganze  Reihe  von  An- 
spielungen auf  die  Bevölkerungs-  und  Berufs- 
verhältnisse der  dortigen  Einwohnerschaft  ent- 
hält. Die  in  schlichter  Idealisierung  gegebene 
Figur  Christi  hebt  sich  von  den  realistischen 
Gruppen  der  herzudrängenden  Menschen  be- 
deutungsvoll ab,  ohne  daß  innerer  oder  äußerer 
Zwiespalt  dadurch  entstände.  Die  Charakteri- 
sierung der  Personen  ist  vorzüglich.  In  dem 
Werke  lebt  starkes  neuzeitliches  Empfinden, 
dabei  tiete  Stimmung.  1 9 1 3  ist  das  Entstehungs- 
iahr  eines  Hochaltars  für  die  neue  St.  Carolus- 


kirche  zu  Breslau.  Das  Abendmahl  relief  ist  von 
hoher  Feierlichkeit  erfüllt,  die  edlen  Köpfe  voll 
lebendigen  Ausdrucks.  In  demselben  Jahre 
entstand  auch  der  Altar  der  neuen  Evange- 
lischen Pauluskirche  in  Breslau.  1912  und 
191 3  arbeitete  Schreiner  auch  einen  Hochaltar 
für  die  Kirche  von  Hausham  in  Oberbayern 
(Abb.  S.  301).  Von  der  Tüchtigkeit  des  Wer- 
kes legen  die  beiden  hier  abgebildeten  Grup- 
pen Zeugnis  ab.  Die  eine  zeigt  den  auf  Wol- 
ken sitzenden  hl.  Antonius  mit  dem  Jesus- 
kinde, die  andere  den  auf  der  Weltkugel 
thronenden  Gottvater,  der  in  lebhafter  Bewe- 
gung die  Rechte  segnend  erhebt.  Die  Stil- 
auffassung ist  die  des  späten  Barock;  ihr 
folgte  der  Künstler  auch  mit  der  Darstellung 
der  unbekleideten  Engel.  Die  Gruppen  fügen 
sich  mit  der  Größe  ihrer  Linien  und  Flä- 
chen der  Architektur  des  Altarwerks  volltönig 
und    harmonisch    ein.    —     Eine   Arbeit    von 


GEORG  SCHREINER 


Der  obere   Teil  fehlt. 


H0CHALT.\R  IX  .■WTONIENHCTTE  (SCHLESIEN') 
Text  S.  zqo 


294 


^:a  GEORG  SCHREINER  ^ 


GEORG  SCHREINER,  ANBETUNG  DER  KONIGE  UND  DER  Z\VÖLF|ÄHRIGE  |ESUS 
Neue  katholische  Kirche  in  Dattz'g.   —   Text  S.  2QI 


großer  Selbständigkeit  ist  der  1914  begonnene, 
191 5  vollendete  Altar  der  neuen  protestanti- 
schen Kirche  zu  Oliva  in  Westpreußen  (Abb. 
S.  295).  Der  Kruzifixus,  zu  dessen  Füßen  der 
Sündenfall  dargestellt  ist,  hebt  sich  höchst 
wirksam  von  einer  aus  durchbrochenem  Laub- 
werk gebildeten  Wand  ab;  Spruchbänder  durch- 
ziehen sie;  unter  und  an  ihr  sind  die  Ge- 
stalten der  vier  Evangelisten,  sowie  des  hl. 
Petrus  und  Paulus  verteilt.  Die  Arbeit  zeugt 
von  kräftiger  Durchdringung  des  Geistes  der 
späten  Gotik.  —  1 9 1 5  entstand  ferner  ein  Hoch- 
altar für  Oberschneiding  und  wurde  die  Ge- 
samtrestaurierung dieser  Kirche  nach  Schrei- 
ners Entwürfen   durchgeführt. 

Endlich  brachte  der  Schluß  des  Jahres  die 
Vollendung  eines  der  bedeutendsten  Werke 
des  Künstlers,  nämlich  des  zu  Anfang  er- 
wähnten dreiteiligen  Altaraufsatzes  für  die 
Kirche  in  Cadinen  nach  dem  Entwürfe  ihres 


Erbauers,  des  Geheimen  Baurats  Kickton  in 
Potsdam  (Abb.  S.  304 — 507,  vgl.  S.  310  —  312). 
Der  Mittelschrein  ist  quadratisch  (3,80:4,50  m). 
Hier  sieht  man  in  der  Hauptgruppe  den 
von  seinen  Freunden  und  Feinden  umgebenen 
gekreuzigten  Heiland.  Zu  seiner  Rechten  steht 
Maria.  Sie  streckt  die  Hände  nach  ihrem  Sohne 
aus;  der  Schmerz  will  sie  überwältigen,  aber 
Johannes  stützt  sie  und  bewahrt  sie  vor  dem 
Umsinken.  In  Trauer,  Liebe  und  Zuversicht 
blickt  er  —  eine  der  schönsten  Figuren,  welche 
Schreiner  geschaffen  hat  —  auf  seinen  gött- 
lichen Herrn  und  Meister.  Seitwärts  steht  der 
römische  Hauptmann.  Links  vom  Kreuze  er- 
blickt man  die  Widersacher,  verkörpert  in  den 
Gestalten  von  drei  alten  Israeliten;  ihre  Leiden- 
schalt ist  temperamentvoll  und  doch  mit  künst- 
lerischerZurückhaltung  geschildert.  Den  Über- 
gang von  einer  Gruppe  zur  andern  vermittelt 
Magdalena,   die  am  Fuße  des  Kreuzes  in  die 


295 


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BB^E^jQ  iSSi^^^^'M  ktM  I^^^H 

Lirhili'TffiP'^M 

^^^^S^BBi*'^**"^' ^^i^^ 

GEORG  SCHREINER 
ALTAR  IN  DER  EVANGELISCHEN  KIRCHE  ZU  OLIVA  BEI  DANZIG 

Vollendet  iqis,  —   Text  S.  zg4 


296 


^  DIE  WANDBEHÄNGE  DER  STIFTSKIRCHE  IN  GARSTEN  ®S^ 


GG.  SCHREINER 

An  der  Kanzel  dt-> 


•u  kath.  Kin 
Text  S.  2qt 


JOHANNES  EVANG 
Lang/uhr-Danzig 


Knie  gesunken  ist.  Von  den  Flügeln  zeigt 
der  reciits  die  Kreuztragung  des  Herrn,  wel- 
ciier  die  weinenden  Frauen  ermahnt;  der  links 
die  Abnahme  vom  Kreuze.  Die  Predella  ent- 
hält die  Reliefs  der  Evangelistensymbole.  Die 
Auswahl  sämtlicher  darzustellenden  plasti- 
schen Werke  ist  durch  S.  M.  den  Kaiser  selbst 
erfolgt.  Auch  die  Kompositionen  der  Flügel- 
reliefs sind  klar,  ruhig  und  schön.  Die  Linien- 
führung der  Figuren  ist  einlach,  die  Auflas- 
sung verwandt  jener  von  spätgotischen  Altar- 
werken des  deutschen  Südens,  doch  voll  von 
jener  innerlichen  Unabhängigkeit,  welche  der 
Schreinerschen  Kunst  zur  Auszeichnung  dient. 
Das  gilt  durchweg,  und  so  bei  dem  Cadiner 
Altare  auch  wieder  von  dem  ornamentalen 
Beiwerke,  welches  reich  und  schön  gezeichnet 
und  mit  verständnisvoller  Technik  ausgeführt 
ist.  Das  ganze  Werk  ist  in  seiner  Wirkung 
außerordentlich  gesteigert   durch  die    farbige 


Fassung  und  die  reiche,  festlich  wir- 
kende Vergoldung;  sie  ist  zumeist  matt, 
einzelne  Partien  leuchten  im  Glanzgold. 
Der  Cadiner  Kirche,  welche  nach  den 
Wünschen  des  Kaisers  im  Charakter 
der  Ordensbaukunst  in  Preußen  als  mit- 
telalterlicher Backsteinbau  in  reichen 
Formen  errichtet  wurde,  und  bei  deren 
Ausführung  sich  das  Allerhöchste  Inter- 
esse auf  alle  Einzelheiten  erstreckte,  wird 
das  Schreinersche  Altarwerk  zur  Zierde 
gereichen.  S.  M.  der  Kaiser  hat  sich  in 
hervorragend  anerkennender  Weise  über 
dassselbe  ausgesprochen.  Auch  S.  Exz. 
der  Herr  Bischof  von  Regensburg  war 
davon  hochbefriedigt.  Doering 

DIE  WANDBEHÄNGE  DER 

EHEMALIGEN  STIFTSKIRCHE 

IN  GARSTEN 

Von  JOSEF  HARTER- H.-\RT,  Steyr 

r^ie  Gobelins  der  prächtig  stukkierten 
*~^  früheren  Stiftskirche  in  Garsten  bil- 
den ähnlich  jenen  des  Kaisersaales  der 
Benediktinerabtei  Kremsmünster,  welche 
das  Leben  des  mongolischen  Großkönigs 
Timur  (Timor  Lenk)  schildern,  einen 
geschlossenen  Zyklus.  Der  große  über 
zehn  Meter  lange,  an  der  Evangelienseite 
hängende  Garstener  Gobelin  verbildlicht 
die  Vermählungsfeier  Alexanders  des 
Großen  mit  der  schönen  Roxane,  Toch- 
ter des  baktrischen  Fürsten  Oxyartes,  am 
Hof  zu  Susa  (Frühjahr  324  v.Chr.)  im 
Kreise  seiner  Feldherren,  welche  sich 
gleich  ihrem  König  mit  Perserinnen  ver- 
lobten. Der  gegenüber  befindliche,  sieben  Meter 
lange,  veranschaulicht  Alexanders  Einzug  in 
Babylon,  eine  Darstellung,  die  in  der  Kom- 
position einzelner  Partien  an  den  in  der  könig- 
lichen Gobelinmanufaktur  in  Paris  nach  Charle.s 
Le  Bruns  Karton  angefertigten  Alexandergo- 
belin erinnert.  Durch  ein  reichgegliederres, 
vonden  Allegorien  des  Alten  und  Neuen  Testa- 
mentes geschmücktes  Marmorportal  getrennt, 
ist  um  den  mächtigen,  Presbvterium  und  SchitI 
scheidenden  Pilaster  jener,  welcher  aus  drei 
Teilen  besteht,  deren  zwei  schmale  Abschieds- 
oder Begrüßungsszenen  verbildlichen,  in  denen 
Roxane  und  ihr  \'ater  Oxyartes  erscheinen. 
Die  größere  Partie  veranschaulicht  eine  Krö- 
nung, wahrscheinlich  die  bildliche  Erwählung 
Alexanders  zum  Sohn  Amnions,  als  er  anfangs 
331  v.Chr.  durch  die  Libysche  Wüste  zu  des  Zeus 
Heiligtum  zog.  Anschließend  an  den  großen 
der  Evangelienseite  ist  ein  vollständiger,  welcher 


DIE  WANDBEHANGE  DER  STIFTSKIRCHE  IN  GARSTEN 


297 


eine  Sterbeszene  verbildlicht.  Ein  vornehmer, 
schvververwundeter  Krieger  wird  zum  reiten- 
den Sieger  getragen,  indes  ein  Reiter  einen 
Jüngling  zu  Tode  schleilt.  Verbildlicht  ist  da- 
rin die  Begebenheit,  wie  (Juli  350  v.  Chr.)  der 
sterbende  Perserkönig  DareioslII.  Codumannus 
von  makedonischen  Kriegern  zu  Alexander  ge- 
bracht wird,  da  der  Perser  auf  der  Flucht 
nach  Ekbatana  in  Medien  von  dem  baktrischen 
Satrapen  Bessusund  dessen  Mitverschworenen 
Barsaentes  von  Arachosien  und  Narberzanes 
nächst  Hekatompylos  in  Parthien  tödlich  ver- 
wundet und  hilflos  auf  seinem  Streitwagen 
liegen  gelassen  wurde,  bis  ihn  Alexanders 
Krieger  fanden.  Der  zu  Tode  geschleifte  Jüng- 
ling dürfte  einer  der  Edelknaben  sein,  die  zu 
Anfang  327  v.  Chr.  zu  Baktra  eine  Verschwö- 
rung anzettelten,  die  jedoch  entdeckt  und  deren 
Anstifter  zum  Tode  verurteilt  wurden.  Aus 
dem  Zeitunterschied  kann  ebenso  eine  andere 
Hinrichtung  ersehen  werden,  obgleich  auch 
die  Meister  des  Barokko  zur  reicheren  Drama- 
tisierung ihrer  Gemälde  dem  Anachronismus 
huldigten,  falls  derselbe  die  Wirkung  ihrer 
Szenen  förderte.  Der  an  gleicher  Wand  gegen 
den  Hochaltar  gespannte  Gobelin  stellt  eine 
Gartenszene  dar,  in  welcher  der  in  den  Bild- 
webereien verherrlichte  Held  schlicht  kostü- 
miert ist  und  den  vom  nebenstehenden  Mohren- 
pageo  erhaltenen  Brief  liest.  Ihm  zur  Seite 
steht  vertraut  ein  älterer,  welcher  das  Schreiben 
hält.  In  diesem  Webgemälde  ist  jene  Episode 
aus  Alexanders  reichbewegtem  Leben  veran- 
schaulicht, wie  der  große  Makedonier  die  Ant- 
wort seiner  Aufforderung  an  Fürst  Porus  er- 
hält, daß  ihn  dieser  an  der  Spitze  seines  Heeres 
empfangen  werde.  Alexander  hatte  ihm  die 
Botschaft  gesandt,  sich  zu  unterwerfen.  Doch 
Porus  schickte  ihm  die  stolze  Antwort,  wor- 
auf der  Makedonier,  nachdem  er  im  Früh- 
jahr 326  V.  Chr.  den  Indus  überschritten  hatte 
und  in  König  Taxilies'  Reich  gedrungen  war, 
der  sich  mit  seiner  Hauptstadt  freiwillig  unter- 
warf, unterstützt  von  diesem  und  anderen 
indischen  Fürsten  (Mai  326  v.  Chr.)  an  den 
Hydapses  zog.  Der  Fluß  trennte  die  Gegner. 
Es  kam  zur  entscheidenden  Schlacht,  in  welcher 
Porus  Heer  und  Reich  verlor  und  verwundet 
wurde.  Alexander  setzte  ihn  in  sein  Reich. 
Derrechtsseits  stehende  Krieger  ist  Alexanders 
vielgeliebter  Freund  Hephästion ,  Amyntos 
Sohn  aus  Pella,  welcher  ihn  bei  sämtlichen 
Feldzügen  begleitete  und  von  Jugend  seine 
vertrauteste  Gesellschaft  bildete.  Beide  hatten 
bei  Aristoteles  im  Hain  zu  Mieza  gemeinsamen 
Unterricht  genossen  und  seit  dieser  Zeit  ver- 
band sie  bis  zu  Hephästions  Tod  eine  wahr- 
haft klassische  Freundschaft.     Als   dieser  im 


Spätsommer  324  v.  Chr.  zu  Ekbatana  starb, 
ließ  ihn  sein  Freund  im  Mai  323  v.  Chr.  zu 
Babylon  mit  königlicher  Pracht  bestatten  und 
durch  Amnions  Spruch  zum  Halbgott  erklären. 
Kaum  ein  Jahr  betrauerte  Alexander  seinen 
Freund,  denn  am  13.  Juni  323  v.  Chr.  starb 
auch  er. 

Jeder  Wandteppich  birgt  inmitten  der  oberen 
Blumen-  und  Fruchtbordüre  ein  Wappen,  das 
mit  jenem  des  kurkölnischen  Adelgeschlechtes 
der  Dünewald  identisch  ist.  Stammherr  des 
längst  erloschenen  Geschlechtes  war  Johann 
Heinrich  von  Dünewald,  welcher  um  1620 
im  Kurkölnischen,  angeblich  in  Cleve  bei  Köln, 
geboren  war.  Wegen  ausgezeichneter  militä- 


GEORG  SCHREINER 

Hausham  in   Obirbaye 


HL.  P.^ULUS 


Die  christliche  Kunst.    XII. 


298 


e^  DIE  WANDBEHÄNGE  DER  STIFTSKIRCHE  IN  GARSTEN  mm 


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GEORG  SCHREIXER 


KOMMET  ALLE  ZU  MIR 


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Rokiltnitz.    -    Vgl.  Abb.  unten 


rischer  Leistungen  wurde  er  am  15.  November 
1675  vom  Kaiser  Leopold  I.  in  den  Reichs- 
grafenstand erhoben  und  zum  General  der 
Kavallerie  befördert,  nachdem  ersieh  am  4  Okto- 
ber 1674  unter  Bournonville  im  Kriege  gegen 
KönigLudwigXIV.vonFrankreich  im  mörderi- 
schen Tretfen  von  Enzheim  nächst  Straßburg 


hervorragend  beteiligt  hatte  und  bei  Mühlheim 
gefangen,  später  ausgewechselt  worden  war. 
Wiederholt  leistete  er  Österreich  gegen  den 
Erbfeind  der  Christen  ausgezeichnete  Dienste, 
so  verteidigte  er,  als  Wien  1683  von  den 
Türken  belagert  wurde,  die  Stadt  Krems  an 
der  Donau  und  schlug  dortselbst  eine  türkische 


GEORG  SCHREINER 


KOMMET  ALLE  ZU  MIR 


Vom  Altar  in  Rokiltnitz,  —    l'gL  Abb.  obin 


DIE  WANDBEHÄNGE  DER  STIFTSKIRCHE  IN  GARSTEN  es^  299 


GEORG  SCHREINER 


Katk.  St.  Josephskirch. 


Heeresabteilung.  Er  zog  gegen  Wien  vor  und 
nahm  am  Entsatz  trefilichen  Anteil.  Als  die 
türkische  Armee  bei  Parkany  geschlagen  worden 
war,  verfolgte  er  diese.  Im  nächsten  Jahre 
führte  er  die  schwäbischen  Hilfstruppen  zur 
ersten  Belagerung  Ofens  und  schlug  1686  bei 


der  zweiten  ein  türkisches  Entsatzheer.  1687 
führte  er  nach  der  Schlacht  bei  Mohacz  ein 
Korps  gegen  Esseg,  woselbst  eine  türkische 
Reserve  zurückgeblieben  war  und  drängte 
diese  nach  Belgrad.  Hierauf  unterwarf  er  ganz 
Slawonien  und  alle  dortigen  Festungen.   Als 


es^  DIE  WANDBEHANGE  DER  STIFTSKIRCHE  IN  GARSTEN  ®^ 


1689  Ludwig  XIV.  abermals  in  Deutschland 
einfiel,  rückte  er  gegen  den  Rhein  vor  und 
entsetzte  Heidelberg.  Wieder  gegen  die  Türken 
zu  ziehen  befehligt,  kämpfte  er  1690  und 
1691  bei  Slankammen  und  trug  vornehm- 
lich am  letzten  Siege  bei.  Er  wurde  beim 
österreichischen  Hof  verdächtigt,   Bestechun- 


Besteller  der  Wandteppichewarund  diese  nach 
1675,  dem  Jahr  seines  Erhebens  in  den  Reichs- 
grafenstand, angefertigt  wurden.  Wie  sie  in 
den  Klosterbesitz  von  Garsten  gelangten,  ist 
gegenwärtig  noch  unaufgeklärt.  Allgemein 
wird  angenommen,  daß  sie  durch  Gelegen- 
heitskauf,  vielleicht  vom  kunstsinnigen   und 


GEORG  SCHREINER 


ST.  ANTONIUS  VON  P.-\DU.\ 


,•)///  llcichallar  der  Kirche 


gen  angenommen  zu  haben,  und  war  im  Be- 
griffe, nach  Wien  zu  reisen,  um  sich  zu  recht- 
fertigen, als  er  auf  der  Hinreise  zu  Esseg  am 
31.  August  1691  starb.  Angeblich  soll  er  sich 
vergiftet  haben,  um  der  Rechenschaft  zu  ent- 
gehen. Die  gesamte  abendländische  Kultur 
hat  in  ihm  einen  der  tapfersten  Kämpfer  und 
Osterreich  einen  seiner  besten  Feldherren  ver- 
loren. 

Nach    dem    eingewebten    Dünewaldschen 
Wappen  ist  anzunehmen,  daß  dieses  Gesciilecht 


hochgelehrten  Abt  Anselm  Angerer  (1683  — 
1715)  erworben  wurden,  da  sich  aus  ver- 
schiedenen Testamenten  der  Düne  walde  große 
Geldschwierigkeiten  ergaben, selbst  Rückstände 
von  Sold  an  die  Dienerschaft  verzeichnet  sind. 
Von  ihrem  Geschlecht  ist  bekannt,  daß  es  von 
1678  bis  zum  Aussterben  17 18  die  Herrschatt 
Saabor  in  Preußisch-Schlesien  besaß  und  daß 
es  mit  Ludwig  erlosch. 

Die  gigantischen  Pilaster  des  Schiffes  um- 
hüllen gemalte  Tcppiche,  welche  auf  den  am 


301 


GEORG  SCHREINER 


HOCHALTAR  DER  KATH.  KIRCHE  IN  HAUSHAM  (OBERBAYERN> 

Text  S  2q3 


302 


^  DIE  WANDBEHÄNGE  DER  STIFTSKIRCHE  IN  GARSTEN  ^ 


13.  Jänner  1735  verstorbenen  Garstener  Hof- 
maler Johann  Karl  von  Reselfeld  zurückgeführt 
werden.  Unverkenntlich  dürfte  mit  denselben 
jenes  >>Spalier«  gemeint  sein,  von  dem  Abt 
Anselms  Zeitgenossen  sprechen  und  welches 
bei  dessen  vierzigjährigem  Priesterjubiläum  die 
Wände  der  Kirche  bekleidete.  Nach  Aufzeich- 
nung des  Garstener  Ex-Konventualen  P.  Ernst 
Koch  (gestorben  18 17)  ließ  der  letzte  Garstener 
Abt  Maurus  Gordon  (gestorben  1786)  diese 
Teppichmalereien  »unter  der  Direktion  des 
berühmten  Mahlers  zu  Krems,  Herrn  von 
Schmidt,   frischen«. 

Auf  grober  Leinwand  in  bunten  Farben 
gemalt,  umsäumt  von  Blumen-  und  Frucht- 
bordüren, erzählen  sie  in  Bruchstücken  die 
Geschichte  der  Makkabäer,  jener  jüdischen 
Heldenfamilie,  welche  Judas  Makkabäus  zum 
Ahnen  hat.  Schon  sein  Vater  Mattathias  war 
das  Haupt  der  Aufständigen  gegen  die  Syrier. 


GliÜRG  SCHRlilNIiR 


In  Rfgrn  ü  n  ly-  Kel„  Im  iisiii. 


Durch  die  Unterdrückung  des  jüdischen  Glau- 
bens und  den  Abfall  von  Volksgenossen  zum 
Heidentum  erbittert,  sammelte  er  eine  Schar 
mutiger  Glaubensgenossen  um  sich,  um  sein 
Volk  von  syrischer  Herrschaft  zu  befreien. 
Mit  seinen  Söhnen  Joannes  Gaddis,  Simon 
Thasi,  Eleazar  Abaron  und  Jonathan  Apphus 
vollendete  Judas  das  väterliche  Werk  —  die 
Wiederherstellung  des  jüdischen  Staates  (135 
v.Chr.).  UnterThasis Sohnjoannes Hyrkanusl. 
erreichte  jener  den  Höhepunkt.  Sein  Sohn 
Aristobul  I.  nahm  105  den  Königspurpur. 
Nach  kurzer  Regentschaft  folgte  ihm  sein 
Bruder  Alexander  Jamäus  von  104  bis  78, 
welcher  die  widerspenstige  Partei  der  Phari- 
säer zugehe.  Unter  seinem  Sohn  Hyrkanus  IL, 
der  ihm  auf  den  Thron  folgte,  machte  sich 
bereits  Roms  Einfluß  geltend.  Herodes  der 
Große  schloß  mit  Mariamne,  Hyrkanus'  II. 
Enkelin,  eine  Ehe.  Um  die  Herrschaft  ihrem 
Mann  zu  sichern,  ließ  sie  die  männ- 
lichen Nachkommen  ihrer  Familie 
ermorden. 

Die  Makkabäer-Kämpfe  waren  die 
begeisternden  Vorbilder  jener  Zeit, 
in  welcher  der  damalige  Feind  der 
Christen  niedergerungen  wurde.  Die 
riesigen  Fresken  des  Musikchores 
gleicher  Kirche  bezeugen  die  flam- 
mende Begeisterung  über  die  Siege 
christlicher  Waffen. 

Eine  der  Teppichmalereien  schil- 
dert das  Opfer  zu  Modein  (I.  Makk.  2, 
23 — 24).  In  dieser  Stadt,  in  welcher 
Mattathias  mit  seinen  Söhnen  lebte, 
wollte  ein  Jude  auf  königlichen  Be- 
fehl dem  Götzen  opfern.  Als  Mat- 
tathias dies  sah,  übermannte  ihn 
der  heilige  Zorn  und  er  tötete  den 
Abtrünnigen  am  Altar. 

Ein  anderer  Teppich  erzählt  Helio- 
dors  Vertreibung  durch  Engel  und 
einen  geflügelten  Reiter  aus  dem 
Tempel  zu  Jerusalem  (IL  Makk.  3, 
25 — 26).  Nach  biblischem  Bericht 
war  Apollinus,  dem  Statthalter  von 
Gölesyrien  und  Phönizien,  durch 
Simon,  den  Vorsteher  des  Tempels 
zu  Jerusalem,  angezeigt  worden,  daß 
in  diesem  bedeutende  Summen  hin- 
terlegt seien.  Als  König  Seleukos 
Philopator  hieven  erfuhr,  beorderte 
er  Heliodor,  das  Geld  zu  beheben. 
Der  Hohepriester  Onias  empflng  ihn 
freundlich  und  bedeutete  ihm,  daß 
das  aus  400  Pfund  Silber  und  200 
Pfund  Gold  bestehende  Vermögen 
zum    Unterhalt    der    Witwen    und 


IIO('.II.\LT,\K 


DIE  WANDBEHÄNGE  DER  STIFTSKIRCHE  I\  GARSTEN 


303 


GEORG  SCHREINER 


ALTAKE  IN  OBER$(;llNEIDIN( ;   HEI  STRAUBING 


Waisen  bestimmt  sei  und  ein  bedeutender 
Teil  Hirkanus,  einem  vornehmen  Reichen, 
gehöre.  Der  Gesandte  ließ  trotz  eindring- 
licher Bitte  des  Hohenpriesters  nicht  ab, 
und  bestimmte  einen  Tag,  an  welchen  er 
mit  seinen  Soldaten  das  Vermögen  behebe. 
Als  er  in  der  Schatzkammer  war,  betete 
der  Hohepriester  samt  dem  Volk.  Da  er- 
schien ein  goldener  Reiter,  dessen  Pferd 
den  Heliodor  zu  Boden  trat.  Außerdem  er- 
schienen zwei  geflügelte  Jünglinge,  die  mit 
Ruten  auf  ihn  einhieben  und  ihn  zum  Tempel 
hinausstießen. 

Der  Pilastermantel  unterhalb  der  Kanzel 
schildert,  wie  auf  des  Antiochus  IV.  Epiphanes 
Auftrag  Fürst  Apollinus  mit  22000  Soldaten 
am  Sabbat  die  Juden  zu  Jerusalem  hinmet- 
zelte (II.  Makk.  5,  26). 

Der  vierte  Teppich  stellt  Antiochus'  IV. 
grauenvollen  Tod  dar  (II.  Makk.  9,  28 — 29'. 
Nachdem  dieser  bei  Persepolis  eine  große 
Niederlage  erlitten  hatte,  wollte  er  seinen 
Zorn  an  den  Juden  kühlen.  In  seiner  Erre- 
gung hörte  er  in  Ekbaktana,  daß  Nikanor 
und  Timotheus  samt  ihren  Truppen  von  den 
Juden  geschlagen  worden  waren.  Da  schwor 
er,  daß  er  Jerusalem  zur  Totenstätte  der  Juden 
machen  wolle.    Kaum   hatte  er  den  Schwur 


gemacht,  verspürte  er  unsägliche  Schmerzen 
im  Leibe.  Trotzdem  zog  er  in  Eilmärschen 
gegen  Judas  Grenze.  Nach  einigen  Tagen 
nahm  die  Krankheit  derart  zu,  daß  er  in  einer 
Sänfte  zu  reisen  genötigt  war.  Die  Fäulnis 
war  so  weit  vorgeschritten,  daß  stückweise 
das  Fleisch  vom  Körper  fiel  und  Maden  hervor- 
kamen. Da  gelobte  er  seinen  Schwur  zurück- 
zunehmen, er  wollte  sogar  Jude  werden.  Um- 
sonst war  sein  Flehen.  Unter  entsetzlichen 
Schmerzen  starb  er.  Reselfeld  hat  sein  grau- 
siges Ende  lebhaft  geschildert.  Würmer  krie- 
chen aus  dem  Munde  und  Soldaten  halten 
sich  die  Nase  vor  dem  Gestank  zu. 

Auf  entgegengesetzter  Seite  ist  der  geheim- 
nisvolle Heerführer  der  Juden  gegen  Lysias' 
Streitmacht  verbildlicht.  Hierüber  berichtet 
der  achte  Vers  des  elften  Kapitels  im  zweiten 
Makkabäer-Buch.  Da  die  Juden  Timotheus, 
seinen  Bruder  Chäreas  und  ApoUophanes  er- 
schlagen hatten,  zog  Lysias,  der  Reichsver- 
weser und  Verwandte  des  Königs  Eupator, 
mit  80000  Mann,  der  Reiterei  und  80  Ele- 
phanten  gegen  die  Juden.  Als  Judas  Makka- 
bäus  hörte,  daß  Lysias  die  bei  Jerusalem  ge- 
legene Stadt  Bethsura  belagerte,  eilte  er  mit 
seinem  Aufgebot  hin.  Als  er  Jerusalem  ver- 
lassen hatte,  erschien  ein  weißgekleideter  Reiter 


304  ^  DIE  WANDBEHÄNGE  DER  STIFTSKIRCHE  IN  GARSTEN 


GEORG  SCHREINER 


KREUZIGUKGSGRUPPE 


Schreinrelief  im  Altar  der  Kaisertichen  Kirche  zu  Cadinetu   —    l'gl,  Abb.  S.  joj 


mit    goldenem    Harnisch,    der    einen    Spieß  Das  sechste  und  letzte  Bild  schildert,  wie 

schwang    und    neben    ihnen  herzog.      Judas  Judas  Makkabäus  nach  Rückeroberung  Jerusa- 

Makkabäus  errang  über  den   mehrfach  über-  lems   Götzentempel    und    -statuen    zerstören 

legenen  Gegner  einen  glänzenden  Sieg.  ließ  (II.  Makk.  lo,    i  —  2). 


305 


GEORG  SCHREINER 


ALTAR  DER  KAISERLICHEN  KIRCHE  ZU  CADINEN 

Im  Auftrag  Sr.  Majestät  des  Deutschen  Kaisers.  —   Text  S.  2()4 


Die  christliche  Kunst.    XU. 


3o6 


GEORG  SCHREINI-R  JESUS  UND  DIE  WEINENDEN  FRAUEN 

Ftügtlrelief  am  Allar  in   Cadtnen.  —    Vgl-   Abb.  S.  3<-'S 


307 


GEORG  SCHREINER  KREUZABNAHME 

FliigelriUtJ  am  Altar  in  Cadinen.   —    Vgl.  Abi.  S.  30J 


3o8 


GEORG  SCHREINER 
ORGEL  IN  DER  KAISERLICHEN  KIRCHE  ZU  CADINEN 

Vi'l.  Text  S.  zqt  und  Abt.  S.  312 


309 


GEORG  SCHREINER 
KANZEL  IN  DER  KAISERLICHEN  KIRCHE  ZU  CADINEN 

Vgl.  Text  S.  2g6  und  AH.  S.  311 


OBERBAURAT  KICKTON  (BERLIN) 


AUSSENANSICHT  DER  KAIS.  KIRCHE  IN  CADINEN 
Text  S.  igi 


3" 


OBERBAURAT  KICKTON  (BERLIN) 


F^l.  AU.  S.  30J. 


INNERES  DER  KAIS.  KIRCHE  IN  CADINEN 

Trxt  S.  2g6 


312         ©^  SOMMERAUSSTELLUNG  DER  MUNCHENER  SECESSION 


OBERBAURAT  KICKTOX  (BERLIN') 


KAISERLICHE  KIRCHE  IX  CADINEN 


B/iik  tiack  der  Empn 


Vgl.  Ati.  S.  Jto  und  jn 


SOMMERAUSSTELLUNG  191 6  DER 
MUNCHENER  SECESSION 

An  äußerem  Umfange  ist  die  heurige  Sommer- 
'»■  ausstellung  ihren  Vorgängerinnen  gleich  — 
sie  umfaßt  gegen  700,  aus  einer  bedeutenden 
Menge  des  Angebotenen  ausgewähhe  Wert:e 
der  Plastik,  der  Graphik,  der  zeichnenden 
Künste  und  vor  allem  der  Malerei.  Mit  den 
künstlerischen  Leistungen  ihrer  Darbietungen 
erreicht  sie  das  Durchschnittsmaß.  Einer  An- 
zahl bedeutender  Leistungen  schließt  sich  die 
große  Mehrheit  mittlerer  an,  von  auffälligen 
Tüfteleien  der  Technik,  von  Unklarheiten  oder 
Häßlichkeiten  des  Gegenstandes  hält  man  sich 
im  allgemeinen  frei,  wodurch  etliche  Aus- 
nahmen um  so  störender  wirken.  Das  Gute 
und  das  Brauchbare  stehen  auf  demselben 
Standpunkte,  den  sich  die  zumeist  wohlbe- 
kannten Verfasser  gesichert  haben,  freilich 
geben  ihre  Werke  dem  Ganzen  den  festen  Halt. 
Die  Plastik  bietet  besonders  beim  Bildnis 


und  bei  der  Medaille  Bemerkenswertes.  Aus 
der  ersteren  Gruppe  nenne  ich  Fritz  Behns 
charakteristische  Porträtbüsten  Sr.  Majestät 
König  Ludwigs  III.  und  Sr.  K.  H.  des  Kron- 
prinzen Rupprecht  von  Bayern;  jene  ist  für 
Ausführung  in  Eisen,  Bronze  oder  Stein, 
diese  für  Bronzeguß  geformt.  Edler  Realismus 
spricht  aus  A.  v.  Hildebrands  Bildnis  I.  K.  H. 
der  Herzogin  Karl  Theodor,  sowie  aus  dem 
einer  älteren  Dame.  Vornehm  ist  die  Porträt- 
studie von  Ch.  Jaeckle.  Die  Bronzebüsten 
von  O.  Ebbinghaus  und  ein  Holzbildnis  von 
Th.  Georgii  dürfen  endlich  nicht  unerwähnt 
bleiben.  —  Die  Gruppe  der  Medaillen  und 
Plaketten  verdankt  ihre  ungewöhnliche  Reich- 
haltigkeit den  durch  den  Krieg  gegebenen 
Anregungen.  Darauf  komme  ich  weiterhin 
noch  zurück.  Hier  erwähne  ich  zunächst  die 
Porträtmünzen,  Zier-  und  Schmuckplaketten 
von  L.  Eckart,  charaktervolle  Arbeiten  voll 
feinen  Reizes  und  poetischer  Auffassung; 
die  zierlichen  Medaillen    und  Anhänger  von 


e^i  SOMMERAUSSTELLUNG  DER  MÜNCHENER  SECESSION  ©^ 


313 


HANS  HUBER-SULZEMOOS  (MÜN'CHEX) 


MÄDCHEXBILDXIS  (PASTELL) 


J.  Gangl  und  J.  Koken;  die  in  Eisen  oder 
Silber  geschnittenen  Plaketten  meist  mytho- 
logischen Inhaltes  von  H.  Lindl;  die  silbernen 
Porträtmedaillen  von  A.  Zadikow,  die  eiser- 
nen und  bronzenen  von  H.  Schwegerle  und 
A.  Rothenburger.  Es  ist  bezeichnend,  wie  die 
Vorliebe  für  diese  Kleingebilde  im  Zunehmen 
begriffen  ist,  und  ein  Gebiet  eröffnet,  auf  dem 
das  Verständnis  für  die  Sprache  der  Plastik 
sich  auszubilden  und  zur  Entwicklung  eines 


näheren  Verhältnisses  zu  der  Schönheit  dieser 
Kunst  zu  führen  vermag,  die  an  Denken  und 
Abstraktionsfähigkeit  ungleich  höhere  An- 
sprüche stellt  als  die  Malerei  mit  den  ihr 
benachbarten  Künsten.  —  Kleinbronzen  (Bü- 
sten, Statuetten)  von  feiner  Vollendung  schut 
J.  Zeitler;  L.  Penz  sandte  zwei  in  seiner  be- 
kannten kräftigen  und  humorvollen  Art  ge- 
schnitzte und  gefärbte  Tiroler  Bauerntigürchen. 
Als    Tierbildner     interessieren     R.    Sintenis, 


Die  christliche  Kunsl 


314 


SOMMERAUSSTELLUNG  DER  MUNCHENER  SECESSION  ^^ 


C.  Bauer  und  W.  Zügel  Aktstudien  seien  er- 
wähnt von  K.  Albiker,  A.  Kraus,  E.  Wenck. 
Hierher  gehört  auch  das  zierliche  Brunnen- 
hgürchen  eines  Fischers  von  Ebbinghaus.  Die 
Monumentalplastik  ist  nur  durch  ein  Werk 
vertreten,  die  Figur  eines  jugendlichen  Schu- 
sters für  einen  Brunnen  zu  Pirmasens  von 
G.  Müller,  eine  Arbeit  von  ruhiger  guter 
Linie  und  gesunder  Auffassung,  in  der  Idealis- 
mus und  Realismus  sich  trefflich  vereinigen 
und  einander  die  Wage  halten. 

Aus  der  kleinen  Gruppe  der  Graphik  er- 
wähne ich  A.  Hennigs  ergreifend  wirkende 
Reihe  von  Steinzeichnungen  über  das  Thema 
»Die  Bedrängten  ;,  sowie  O.  Wirschings  Holz- 
schnittfolge »Vom  Totentanz«,  Blätter  voll 
lebenswahren,  mit  düsterer  Poesie  erfaßten 
Inhaltes,  der  mit  herber  Unerbittlichkeit  vor- 
getragen wird.  Wertvolle  farbige  Holzschnitte 


HANS  IIL  lil-.K  SLLZEMOOS 


mit  Vogelstudien  schuf  L.  H.  Jungnikel,  Land- 
schaftslithographien E.  Kirchner. 

Wir  kommen  zur  Malerei  und  Zeich- 
nung. Von  den  Blumenstilleben  fesseln  durch 
schöne  Komposition  und  frischen  Vortrag  u.  a. 
die  von  Th.  Hummel  und  C.  Piepho;  vornehm 
wirken  die  in  tiefer  Stimmung  gegebenen 
Stiefmütterchen  von  F.  Strobentz.  Ein  Still- 
leben seltenen  Gegenstandes  zeigt  A.  Jank: 
zwei  Sättel,  ein  dunkler  und  ein  heller  von 
delikater  Farbe  und  feiner  Charakterisierung. 
—  Die  Malerei  von  Innenräumen  lieferte 
tretTliche  Kolorit-,  Licht-  und  Luftstudien.  So 
schilderte  Ch.  Vetter  den  Reiz  des  mit  alten 
Gobelins  geschmückten  Goldenen  Saales  in 
der  Münchener  Residenz,  Wolf-Filseck  eine 
Stube  in  einem  alten  Tiroler  Schlosse;  J.  Kühn 
jun.  malte  einen  roten  Salon,  zu  dessen  Farbe 
die  eines  grauen  Damengewandes  einen  voll- 
tönigen  Gegensatz 
und  zugleich  die  in- 
nere Ergänzung  bie- 
tet. R.  Winternitz 
läßt  die  »Maisonne« 
einen  Gartensalon 
mit  Licht  durchflu- 
ten, das  teils  durch 
eine  weiße  Gardine 
gedämpft  wird,  und 
sich  so  auf  einer 
Tischplatte  spiegelt, 
teils  ungehindert  aus 
dem  Garten  herein- 
bricht. Das  Problem 
der  verschiedenen 
Beleuchtung  ist 
glücklich  gelöst.  Daß 
dort  draußen  eine 
Dame  sitzt,  muß  man 
freilich  nicht  ohne 
Schwierigkeit  erra- 
ten. —  Einige  Tier- 
schilderungen ver- 
mögen zu  interessie- 
ren. Ch.  Landen- 
berger  hat  eine  in 
ihrem  warmen  gelb- 
lichen Kolorit  und 
ihrer  Wesensschilde- 
rung treff"liche  Stu- 
die mehrerer  Ziegen 
ausgestellt;  beson- 
ders gut  beobachtet 
ist  die  Wirkung  im 
Stallraume.  A.Jank 
schildert  mit  be- 
kannter Virtuosität 
.--iinii.N/hi^H.NLNo       das  Pferd  bei   einer 


SOMMERAUSSTELLUNG  DER  MUKCHENER  SECESSION  ^äS 


3'5 


HANS  HUBER-SULZEMOüS 


lebhaft  bewegten  Fuchsjagd  und  in  zwei  an- 
deren Gemälden ;  R.  von  Hang  wählt  das 
gleiche  Thema  für  die  Darstellung  der  »Rast« 
eines  Militärtransportes;  R.  Engels  malte  gut 
beobachtetes  Vieh  auf  der  Weide  mit  groß- 
zügiger Behandlung  des  landschaftlichen  Ele- 
mentes. —  Die  Landschaft  ist  wie  immer 
reichlich  und  zum  Teil  sehr  gut  vertreten. 
Einen  stillen  Vorfrühling  malte  C.  Vinnen, 
W.  L.  Lehmann  eine  :  Abendsonne«,  die 
ihre  Strahlen  über  eine  flache  Gegend  und 
ein  mit  Getreidegarben  besetztes  Feld  im 
Vordergrunde  wirft.  Von  den  Landschaften 
F.  Bürgers  zeichnet  sich  namentlich  ein  ver- 
schneiter Friedhof  durch  feine  Stimmung  aus. 
R.  Pietzsch  schildert  u.  a.  den  Frühling  in 
oberbayerischer  sanft  bewegter  Landschaft 
mit  Blick  auf  ferne  Berge.  F.  Reiser  holt 
mehrere  seiner  Motive  diesmal  aus  Florenz. 
Eine  Frühlingsstimmung  bei  einer  Kirche  der 
Dachauer  Gegend  gibt  P.  Crodel.  Den  Mün- 
chener Englischen  Garten  mit  dem  ihn  er- 
füllenden Menschengewühl  charakterisiert  eine 
Impression  von  R.  Schramm-Zittau.  —  Die 
Studien  menschlicher  Gestalten  treten  in  zahl- 


reichen Fällen  als  Akte  auf,  zumeist  in  genre- 
hafter Darstellung,  die  den  Bildern  etwas 
reichlich  Unerquickliches  gibt  und  sie  zur 
öffentlichen  Ausstellung  nicht  geeignet  macht. 
Auch  in  dieser  Beziehung  wäre  es  unbedingt 
anzuraten,  daß  man  sich  von  französischen 
Gepflogenheiten  endlich  frei  machte.  Vom 
rein  malerischen  und  zeichnerischen  Stand- 
punkte aus  ist  auch  manches  abzulehnen,  wie 
des  langweiligen  C.  Schwalbach  >Tröstende« 
oder  F.  Reinhards  »Amazonen«.  J.  Kitzlers 
»Herbst«  läßt  die  innerliche  Abhängigkeit  von 
Gauguin  zu  sehr  empfinden.  Unerquick- 
liche Wirkung  übt  Stucks  Fangspiel«,  rich- 
tige Verkaufsware,  noch  mehr  Habermanns 
affektiertes  Bild  »Misericordia«.  Interessante 
Zeichnung  und  Farbengebung  vermögen  für 
den  Mangel  an  tieferschürfendem  Geist  nicht  zu 
entschädigen.  An  klarer  Verständlichkeit  fehlt 
es  auch  mehreren  an  sich  schön  gegebenen 
Szenen  A.  von  Kellers:  seinem  »Erwachen«, 
seiner  »Mondnacht«.  Zwei  Kopfstudien  von 
ihm  sind  von  großer  Feinheit.  Edel  in  Ge- 
danken und  Vortrag  wirkt  eine  »Heuerin« 
von    H.  Groeber,    wohl    ein    porträtistisches 


3i6 


SOMMERAUSSTELLUMG  DER  MUNCHENER  SECESSION 


HANS  iani;K-SLLZi;.\ii 


Werk.  —  Unter  den  Bildnissen  ist  eine  ganze 
Reihe  von  bedeutenden,  zum  Teil  hervor- 
ragend wertvollen.  Ich  nenne  H.  Niestles 
Portrat  eines  Offiziers;  ein  in  feinem  Hell- 
gelb gegen  weißen  Hintergrund  gesetztes 
Damenbild  von  C.  H.  Schrader-Velgen;  das 
charakteristische  Bildnis  des  Professors  Kirch- 
ner von  F.  Strobentz.  Als  bemerkenswerte 
Gaben,  welche  die  Ausstellung  auf  porträti- 
stischem  Gebiete  darreicht,  hebe  ich  Trübners 
Damenbild,  sowie  M.  Liebermanns  Porträt 
des  Malers  Krohn  (1873)  hervor,  beides  Lei- 
stungen voll  Leben,  äußerlich  so  verschieden 
wie  möglich,  jedes  in  seiner  Art  zwingend 
und  überzeugend.  Der  Glanzpunkt  der  Bild- 
nisgruppe sind  wie  immer  die  Werke  Leo 
Sambergers.  Es  sind  ihrer  fünf,  von  denen 
nicht  gesagt  zu  werden  braucht,  daß  sie 
Meisterwerke  tiefster  Charakterisierungskunst 


und  genialer  Malerei  sind.  Jedes  in  seiner 
Art  ist  so  individuell  wie  die  dargestellte 
Persönlichkeit,  deren  Eigenart  in  Haltung, 
Blick,  Farbe  und  Vortrag  interpretiert  wird. 
Als  Leistung  seltener  Art  hebe  ich  das  an- 
mutige Kinderbildnis  »Marianne  Sambergerv; 
hervor.  —  Die  Monumentalkunst  hüllte  sich, 
trotz  der  Anregungen  dieser  Kriegszeit  fast 
gänzlich  in  Stillschweigen!  Nur  eine  Aus- 
nahme habe  ich  bemerkt:  ist  ist  der  Zyklus 
von  zehn  dekorativen  flüchtigen  Entwürfen, 
in  denen  A.  Henselmann  das  Leben  und 
Wirken  des  hl.  Bonifatius  leiert.  Man  fühlt 
sich  förmlich  beruhigt,  wenn  man  dank  dieser 
Arbeiten  die  Möglichkeit  hat,  doch  etwas  zum 
Lobe  dessen  zu  sagen,  was  sich  in  dieser 
Ausstellung  mit  dem  Thema  ^Religion,  be- 
schäftigt. Denn  freilich  ist  dies  noch  von 
einer  ganzen  Anzahl  von  Malern  benutzt  wor- 


e^  SOMMERAUSSTELLUNG  DER  MUNCHENER  SECESSION  ?^  317 


HANS  IlL-BEK-bULZFMOl 


den,  aber  leider  in  einer  Weise,  die  des 
Gegenstandes  durchaus  unwürdig  ist!  So  von 
J.  Seche,  der  in  einer  figurenreiciien  Radie- 
rung die  Kreuzigung  des  Herrn  zum  Vor- 
wande  kulturkämpferischer  Karikatur  miß- 
braucht; von  Th.  Esser,  der  Potiphars  Weib, 
E.  Graeser,  der  Christus  und  die  Ehebrecherin, 
J.  Hüther,  der  die  alttestamentliche  Susanna 
darstellt  —  alles  in  Auffassungen,  die  dem 
religiösen  Empfinden  widersprechen  und  bei 
dem  Gegenstande  äußere  und  innere  Häßlich- 
keit konstruieren.  Auch  die  Beweinung  von 
P.  Roloff  ergeht  sich  bei  der  Schilderung  des 
heiligen  Ereignisses  in  einem  Vortrage,  der 
lediglich  abstoßend  wirkt. 

Der  Einfluß,  den  der  große  Gegenstand 
unserer  Tage,  der  Krieg,  auf  die  deutsche 
Kunst   übt,    braucht   zum  Glück    nicht    nach 


den  Darbietungen  der  Secession  allein  beur- 
teilt zu  werden.  Man  käme  sonst  zu  ganz 
einseitigen  Auffassungen.  Gerade  das  Wich- 
tigste, was  er  anregen  soll,  das  Monument, 
fehlt  ganz;  man  müßte  denn  die  in  gezwun- 
gener Bewegung  dastehende  Aktfigur  eines 
schwertschwingenden  Mannes  (»Feinde  rings- 
um«) von  Stuck  dafür  nehmen  wollen.  Kriegs- 
und Kriegerdenkmal,  Grabmal  und  Verwand- 
tes im  Zusammenhange  mit  dem  Kriege  sind 
in  keinem  einzigen  Beispiel  anzutreffen.  Besser 
steht  es  um  Kriegserinnerungszeichen.  Aber 
auch  hierfür  bietet  die  Ausstellung  nur  einen 
Typ,  diesen  freilich  reichlich  und  gut,  näm- 
lich Medaillen  und  Plaketten.  Eine  große 
Anzahl  solcher  schuf  L.  Eckart,  der  dabei 
mit  erfreulicher  Ausführlichkeit  und  mit  war- 
mem   Empfinden    das    stille   Heldentum    der 


3i8 


SOMMERAUSSTELLUNG  DER  MUNCHENER  SECESSION 


Daheimgebliebenen  verherrlicht.  \'ereinzeh 
wurde  dies  Thema  auch  von  anderen  behan- 
delt; so  von  Gangl,  Koken  und  L.  Gies  in 
ihren  reichhaltigen  Sammlungen  von  Plaketten ; 
im  übrigen  hat  Gies  sich  mit  besonderem  In- 
teresse den  Schicksalen  Ostpreußens  zuge- 
wandt, die  er  mit  großartiger  Einfachheit  des 
Ausdruckes  ergreifend  zum  Bewußtsein  bringt. 
Lindl  feiert  vorzugsweise  die  Taten  der  Krie- 
ger. Zadikow  schuf  eine  Erinnerungsplakette 
für  ein  bayerisches  Feldartillerieregiment.  In- 
teressant ist  es,  den  in  den  bildlichen  Dar- 
stellungen dieser  Kleinwerke  bei  stärkster 
Vereinfachung  doch  kraftvoll  waltenden  ge- 
sunden Realismus  und  dessen  Brauchbarkeit 
für  die  Aussprache  des  Abstrakten  zu  be- 
obachten, und  daran  zu  ermessen,  wie  nichts- 
sagend doch  im  Grunde  viele  von  jenen  land- 
läufigen allegorischen  Figuren  und  sonstigen 
Sinnbildern  sind,  die  vermeintlich  dazu  dienen 
sollen,  tiefste  Gedanken  zu  verkörpern.  — 
Die  Malerei  behandelt  das  Kriegsthema  fast 
lediglich  in  einer  nicht  geringen  Zahl  von 
Bildnissen,     sowie     in    einigen    illustrativen 


Stücken;  genannt  seien  hiervon  die  »farbigen 
Engländer«  von  Th.  Baumgartner,  sowie  das 
schlichte,  eindrucksvolle  Bild  »Kampf«  (zwei 
Soldaten  tragen  einen  Verwundeten  fort)  von 
R.  Klein.  Monumental  ist  nur  ein  Werk  dieser 
Gruppe,  der  »Totentanz«  von  Egger  Lienz, 
das  in  einfachster  Farbengebung  (blau,  weiß, 
rotbraun)  und  mit  nur  fünf  Gestalten  ver- 
körperte Schicksal  des  Heldenvolkes,  das  füi 
Heimat  und  Vaterland  das  Leben  hingibt. 
Gegenüber  der  früheren  Fassung  zeigt  das 
jetzige  Bild  noch  größere  Vereinfachung,  be- 
sonders im  Landschaftlichen.  J.  Diez  malte 
einen  nicht  sehr  glücklich  verbildlichten  Ge- 
danken, einen  über  die  Länder  vernichtend 
sich  hinwälzenden  »Heerwurm«.  O.  Graf 
schuf  innerhalb  einer  Reihe  gegenständlich 
bedeutend  erfaßter,  technisch  vorzüglicher 
Kriegsradierungen  zwei  allegorische  Bilder. 
Im  übrigen  findet  man  farbige  und  schwarz- 
weiße Zeichnungen  mit  illustrativen  Darstel- 
lungen von  Szenen,  T3'pen  und  Ortlichkei- 
ten.  Von  den  Künstlern  seien  F.  Klemmer, 
H.  von  Hayek,   Graf,  R,  Pietzsch,  E.  Grasser 


HANS  HL'llliK  SULZIiMOOS 


MOÜKKI  l  MEN 


SOMMERAUSSTELLUNG. 


DAS  SAKRAMENTSHAUSCHEN 


319 


1 

S   ':;,.    ■,'^ä^^H 

HANS  HUBER  SULZEMOOS 


BLAUE  BERGE 


herausgegriffen.  So  Interessantes  die  Gruppe 
der  vom  Kriege  angeregten  Kunst  in  gegen- 
ständlicher wie  technischer  Beziehung  vielfach 
bietet,  so  bleibt  sie  doch  unendlich  viel  von 
dem  schuldig,  was  wir  an  innerer  Vertiefung 
hoffen  möchten.  Mir  schwebt  ein  schönes 
Wort  vor,  das  ich  gehört  habe,  es  heißt : 
»Die  große  Zeit  lehre  uns  groß  zu  sein.« 
Auch  über  den  Pforten  unserer  Kunstpaläste 
müßte  es  in  goldenen  Buchstaben  angeschrie- 
ben stehen,  wenn  die  Kunst  eine  Trägerin 
des  Geistes  der  Nation  und  Vertreterin  ihrer 
Kultur  werden  will.  Doerinf 


DAS  SAKRAMENTSHÄUSCHEN 

(Nürnberg,  Lorenzkirche) 

Die  Steine  singen  und  die  Steine  blühn, 
Es  jauchzt  der  Geist,  aus  starrem  Stoff 

entbunden. 
O  Meisterhand,  wie  gnadenstark  und  kühn. 
Daß  du  den  steilsten  Weg  zu  Gott  gefunden. 
Den  Zeiten  trotzt  dein  steinernes  Gedicht, 
Zu  dem  dein  Meißel  Reim  um  Reim  geschlagen. 
In  seinen  Strophen  schläft  das  ewige  Licht, 
Um  tausend  Seelen  durch  die  Nacht  zu  tragen. 

Ilse  Franke. 


320 


^  CHRISTIAN  UNTERPIERINGER  f  ©SS 


CHRISTIAN  UNTERPIERINGER  t 

Im  Jahre  190S  ist  der  Name  Unterpieringer 
zum  ersten  Male  in  unserer  Zeitschrift  ge- 
nannt worden.  Im  damaligen  Dezemberhette 
wurde  eine  Anzahl  von  Grabmalskizzen  ab- 
gebildet, Entwürfe  junger  Studierender  der 
Münchener  Akademie.  Christian  Unterpie- 
ringer gehörte  zu  ihnen.  Er  hatte  eine  schmale, 
aufrecht  stehende  Platte  entworfen ,  deren 
oberer  Teil  mit  einem  ovalen  Relief  der  Mut- 
tergottes geschmückt  war.  Damals  war  Un- 
terpieringer erst  22  Jahre  alt  und  war  doch 
bereits  imstande,  eine  Leistung  von  schöner 
Abgeklärtheit  zu  zeigen,  eine  Studie,  die  klar 
bewies,  daß  man  es  hier  mit  einem  kräftigen 
Talente  zu  tun  hatte,  das  für  die  Zukunft 
Bedeutendes  erwarten  ließ.  Er  war  am  4.  Mai 
1886  als  Sohn  eines  Bildhauers  in  München 
geboren,  genoß  seit  1900  in  der  Modellier- 
klasse der  Gewerbeschule  die  Unterweisung 
des  Professors  Bernauer,  wurde  dann  an  der 
Münchener  Akademie  Schüler  von  Professor 
Balthasar  Schmitt  und  war  endlich  vier  Jahre 
lang  Gehilfe  bei  Professor  Jakob  Bradl.  Die 
Werkstatt  dieses  Meisters  verließ  er,  um  sich 
selbständig  zu  machen.  Seit  1910  war  er  Mit- 
glied der  Deutschen  Gesellschaft  für  christ- 
liche Kunst.  Im  Oktober  191 3  vermählte  sich 
Unterpieringer.  Im  März  191 5  wurde  er  zu 
den  Fahnen  gerufen,  konnte  aber  wegen  eines 
Unfalls  längere  Zeit  nicht  ins  Feld  rücken. 
Dies  geschah  erst  im  Mai  1916.  Im  Felde 
ward  ihm  der  Auftrag  zuteil,  für  gefallene 
Kameraden  ein  Grabdenkmal  zu  schaffen. 
Bei  einem  Patrouillengange  am  18.  Juni  be- 
nutzte er  die  Gelegenheit,  von  einer  zer- 
schossenen Kirche  Steine  für  dieses  Denkmal 
auszuwählen.  Auf  dem  Rückwege  tötete  ihn 
ein  ieindliches  Geschoß.  Anfang  und  Ende 
seiner  künstlerischen  Laufbahn  ist  durch  je 
ein  Grabdenkmal  bezeichnet! 

Unterpieringers  Kunst  war  voll  tiefen  Ern- 
stes; sie  war  von  echt  christlichem  Geiste 
durchdrungen;  ihr  Ziel  war  die  Verherrlichung 
des  göttlichen  Erlösers  und  der  Heiligen.  Die 
Formensprache  Unterpieringers  war  gutes, 
kräftiges  Deutsch  mit  unverfälschtem  Mün- 
chener Tonfall.  Manches  klang  wohl  ein 
wenig  an  Bradl  an  —  kein  Wunder  bei  einem 
noch  so  jungen  Künstler,  der  vier  Jahre  lang 
unter  dem  Einflüsse  eines  Vorbildes  von  sol- 


cher Eigenart  stand  —  aber  es  darf  nicht  be- 
zweifelt werden,  daß  das  Talent  des  Gehilfen 
stark  genug  war,  um  sich  mit  der  Zeit  dem 
Meister  gegenüber  völlig  unabhängig  zu 
machen.  Ein  innerlich  Abhängiger,  einer, 
der  genötigt  ist,  auf  andere  zu  lauschen,  um 
selbst  etwas  sagen  zu  können,  bringt  solche 
Arbeiten  nicht  fertig,  wie  die  Unterpieringer- 
schen  es  sind. 

Zum  zweiten  Male  erschien  er  in  dieser 
Zeitschrift,  als  er  19 15  bei  dem  großen  Wett- 
bewerbe der  Deutschen  Gesellschaft  für  christ- 
liche Kunst  zwei  Anerkennungen  errungen 
hatte.  Die  beiden  Arbeiten  sind  in  Heft  7, 
Seite  IG  und  15  abgebildet;  die  eine  ist  eine 
Grabtafel  mit  kreisrundem  Relief,  worin  eine 
von  Engeln  umschwebte  hl.  Barbara  thront; 
die  andere  ein  achteckiger  Ehrenschild,  oben 
darauf  ein  in  spätgotischer  Auffassung  gege- 
bener stehender  hl.  Georg.  Auch  bei  anderen 
Wettbewerben  hat  der  Künstler  Auszeichnung 
und  Anerkennung  geerntet.  So  mit  einem 
auferstehenden  Heilande  für  den  Münchener 
Ostfriedhof,  mit  einer  Bischofshalbfigur  für 
einen  Brunnen  usw.  Von  seinen  ausgeführten 
Arbeiten  mögen  mehrere  erwähnt  werden. 
So  zwei  überlebensgroße  Madonnen,  eine  in 
Terrakotta,  die  andere  Tonmodell,  die  für  die 
Ma3'ersche  Kunstanstalt  geliefert  wurden ; 
eine  Lourdesmadonna  in  Holz  für  Moor- 
winkel; eine  hl.  Katharina  von  Siena  und  ein 
hl.  Dominikus,  gleichfalls  beide  in  Holz  ge- 
schnitzt, i'/2  m  hoch,  für  Buchloe;  eine  höl- 
zerne, fast  lebensgroße  Madonna,  im  Stil  etwas 
ans  Barock  anklingend,  tür  die  »Rote-Kreuz«- 
Kapelle  in  Neuhausen.  Eins  seiner  bestgelun- 
genen Werke  ist  eine  in  Hartguß  hergestellte, 
recht  volksmäßig  empfundene  Weihnachts- 
krippe, die  von  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  christliche  Kunst  zweimal  zur  \'erlosung 
angekauft  wurde.  Diesen  Werken  reihen 
sich  weitere  —  Einzelfiguren,  Grabmäler  und 
andere  —  an.  Zwei  anmutige  Weihwasser- 
becken sind  unvollendet  geblieben.  —  Mehr- 
fach erschienen  Abbildungen  von  Arbeiten 
des  Künstlers  im   »Pionier«. 

Der  Tod  hat  den  Künstler  abberufen,  der 
Tod  fürs  Vaterland,  gleichzeitig  der  Tod  in 
seinem  Berufe.  Und  unsere  Zeitschrift  er- 
wähnt Christian  Unterpieringer  zum  dritten 
Male,  um  zu  sprechen:  Ehre  sei  seinem  Ge- 
dächtnisse. 


Pange  lingua  glorios! 
Corporis  mysterium, 
Sanguinisque  pnetiosi, 


Quem  in  mundi  pretium 
Fructus  ventris  gloriosi, 
Rex  effudit  gentium. 


FRANZ  SIMM 


KLEINE  GASTE 


yiijt^sfes   Ge»iatd€  des   Künstlers 


FRANZ  SIMM 

Von  W.  ZILS-München 
(Hierzu  die  Abb.  S.  321  —  330) 


eine  Würdigung,  die  geschrieben  sein  sollte 
^-  am  24.  Juni  191 3,  dem  60.  Wiegenfeste 
des  Künstlers,  dann  aber  aus  rein  äußerlichen 
Gründen  zurückgestellt  werden  mußte,  ent- 
behrt jetzt  nicht  des  zeitgemäßen  Interesses. 
Rief  uns  doch  die  Kriegszeit,  wie  in  politi- 
schen und  volkswirtschaftlichen  Dingen,  so 
in  künstlerischen  Fragen  ein  Halt  zu,  ein 
»Quousque  tandenu  zur  Selbstbesinnung  und 
zum  Überlegen  über  den  in  Deutschland 
schlummernden  Kunstsinn  und  -wert.  Künst- 
ler, denen  früher  von  der  Tageskritik,  die 
die  Schnelligkeit  ihres  Berufes  nur  zu  leicht 
zum  Übersehen  der  großen  Zusammenhänge 
verführt,    volle    Anerkennung    zuteil    wurde. 


mußten  in  dem  Auslandsrausch,  der  uns  er- 
faßt hatte,  zurücktreten.  Sie  waren  zu  gegen- 
ständlich, sie  zeichneten  bloß  und  »malten« 
nicht.  Solches  und  ähnliches  hörten  wir  in 
den  letzten  20  Jahren  bis  kurz  vor  Kriegs- 
beginn ja  nur  zu  oft.  Plötzlich  merkte  man 
wieder,  daß  es  möglich  ist,  zu  malen  und 
gleichzeitig  dem  Beschauer  etwas  zu  sagen. 
Mit  anderen  Worten,  man  geht  wieder  an 
dem  Gegenstand,  der  bisher  nur  »Mittel  zum 
Zweck«  war,  nicht  mehr  achtlos  vorbei.  Der 
Gegenstandsmaler  ist  wieder  —  wenn 
auch  vorläulig  nur  als  »Kriegsmaler«  —  zu 
Ehren  gekommen,  eine  Tatsache,  die  für 
die  religiöse  Kunst  von  Nutzen  werden  kann, 


Die  chilstllLl 


322 


FRANZ  SIMM  mm 


Bihl  tu  den   „FlUittidcn   BLttlern" 


für  sie,  die  ihr  hehrer  geistiger  Inhah  bindet, 
ist  die  Malerei  in  erster  Linie  Zweckmittel. 
Aus  diesen  Erwägungen  heraus  kann  Franz 
Simm  an  dieser  Stelle  mit  vollem  Rechte 
Würdigung  finden.  Simm  ist  zwar  das  Was 
seiner  Darstellung  zunächst  die  kleinere  Sorge. 
Das  künstlerische  Wie,  das  auch  von  den 
Vertretern  der  christlichen  Kunst  zur  höch- 
sten Vollendung  herausgearbeitet  werden 
muß,  tritt  in  den  Vordergrund.  Einen  größe- 
ren Fehler  gibt  es  daher  nicht  als  den,  Simm 
der  landläufigen  Genrekunst  einzuordnen.  Er 
will  nicht  in  erster  Linie  Novellen  erzählen, 
sondern    malen    mit    allem    Reiz    der  Form. 


Sein  Pinsel  führt  ihn  aber  dann 
nicht  zum  gegenstandslosen  Experi- 
mentieren. Davor  bewahrt  ihn  die 
Ausgeglichenheit  seiner  Kunst,  die 
sich  der  Forderung  des  sittlichen 
Kunsternstes  bewußt  ist.  Mit  einem 
klaren  Ziel  vor  Augen  ist  Simm 
einer  der  wenigen  Künstler  älterer 
Richtung,  die  sich  zur  bewußten 
Nachahmung  herrschender  Kunst- 
moden nicht  verleiten  ließen,  son- 
dern bei  allen  wechselnden  Tages- 
anschauungen sich  und  ihrer  Veran- 
lagung und  Überzeugung  entspre- 
chender Kunst  treu  blieben.  Er 
machte  zwar  auch  Wandlungen 
durch  —  und  erfährt  sie  heute  noch, 
wie  die  Bilder  der  Jetztzeit  erhellen 
—  bis  er  durch  einen  Zufall  zu  dem 
ihm  ureigensten  Gebiet  kam,  das 
ihm  Anerkennung  und  Lohn  brachte 
und  zu  dem  ihn  seine  Geburtsstadt 
vorherbestimmt  zu  haben  schien. 
Wie  so  viele  Künstler,  erlebte 
Simm  seine  ersten  künstlerischen 
Anregungen  im  Elternhause.  Sein 
Vater,  ein  geschätzter  Kirchenma- 
ler'),  weckte  die  künstlerischen  Nei- 
gungen durch  Eigenkunst  und  eine 
kleine,  aber  auserwählte  Sammlung 
von  Kupferstichen.  Die  öftere  Er- 
fahrung, daß  der  Künstler- Vater  bei 
seinem  Sohn  zunächst  das  Erlernen 
einer  positiven  Grundlage  fordert, 
erscheint  auch  hier.  Simm  mußte 
die  Mittelschule  besuchen.  Der  Tod 
des  Ernährers  stellte  an  den  Idealis- 
mus des  erst  Fünfzehnjährigen  große 
Anforderungen.  Das  Kunststudium 
mußte  durch  Stundengeben  und 
Malen  sogenannter  Heihgenbilder 
erkauft  werden.  Eiserner  Fleiß 
brachte  es  zu  Stipendien  und  diese 
ermöglichten  ein  sorgenfreieres  Stu- 
dium an  der  Wiener  Akademie,  an  der  damals 
wie  überall  das  Hauptgewicht  auf  das  Zeich- 
nen, auf  gründliches  Formenstudium  gelegt 
und  die  koloristische  Seite  der  Malerei  ver- 
nachlässigt wurde.  Die  nach  Absolvierung 
der  allgemeinen  Malerschule  auftauchende 
Frage,  welcher  Malerschule  im  besonderen 
sich  anzuvertrauen?,  schien  eine  Reise  nach 
München  zu  beantworten.  Feuerbachs  Bilder 
in  der  Schackgalerie  begeisterten  den  jungen 
Akademiker    durch    ihre    große    Anschauung 


')  Josef  Simin,  geb.  1811   in  Reichenau  in  Nordböli- 
men,  gest.  1868  zu  Wien. 


325 


FRANZ  SIMM 


MADONNA  AM  HAUSE  DES  KÜNSTLERS 


324 


FRANZ  SIMM  ^ 


und  das  an  die  Venezianer  gemahnende  Kolorit 
derart,  daß  er  sich  i<urzerhand  entschloß, 
zu  Feuerbach  zu  gehen.  Drei  Monate  hielt  er 
es  in  dessen  Klasse  aus,  um  darauf  Kunst- 
schüler Ed.  V.  Engerths  zu  werden,  der  die 
Eigenart  jedes  seiner  Schüler  zu  erkennen 
und  zu  pflegen  sich  bemühte.  Wenn  der 
Künstler  selbst  seine  Unzufriedenheit  mit  dem 
Lehrer  Feuerbach  auf  das  fehlende  enge  Ver- 
hältnis von  Lehrer  und  Schüler  zurückführt 
und  auf  des  ersteren  unruhiges,  widerspruchs- 
volles Wesen,  in  welchem  sich  schon  damals 
eine  große  Nervenüberreizung  aussprach,  so 
darf  hierbei  Feuerbachs  Unzufriedenheit  mit 
den  Wiener  Verhältnissen  nicht  vergessen 
werden.  Haack  ')  weist  daraufhin,  wie  freudig 
Feuerbach  einem  Ruf  nach  der  österreichi- 
schen Hauptstadt  Folge  leistete,  wie  hilflos 
er,  der  ernste,  träumerische  Schwärmer,  dann 
aber  dem  lachenden,  jubelnden  und  tanzenden 
Wien  eines  Makart  gegenüberstand.  Mehr 
als  Feuerbach  hat  denn  auchMakart  autSimm, 
wenn  auch  unbewußt  und  ungewollt  Einfluß 


')   Lübke- Haack,    Grundriß   der  Kunstgeschichte   V 
(1909)  S.  265. 


Zeichnung.      Studie  /iir 


ausgeübt.  \'on  Bedeutung  für  die  Akademie 
war  damals  noch  Jos.  v.  Führich,  der  mit  zittern- 
der Hand  die  letzten  und  reifsten  seiner  tief 
empfundenen  Schöpfungen  »Der  bethlehenii- 
tisciie  Weg«  und  »Thomas  von  Kenipis« 
zeichnete.  Seine  Beschränkung  auf  einfache 
künstlerische  Ausdrucksmittel  bricht  gelegent- 
lich auch  bei  Simm  durch.  Durch  die  Ver- 
mittlung seines  Schülers  Eisenmenger  hat 
umgekehrt  Rahl  mit  der  Fülle  seiner  Erschei- 
nungen und  dem  Glanz  seiner  Farben  dem 
Künstler  nicht  unbedeutende  Anregungen  ge- 
geben. Auch  der  als  Lehrer  hervorragende 
Akademieprofessor  Albert  Zimmermann  ver- 
dient hier  Erwähnung. 

Wenn  wir  diese  »Beeinflussungen«  hier 
aufzählen,  so  geschieht  dies,  um  der  Pflicht 
des  Chronologen  zu  genügen  und  darzutun, 
aus  welchem  Kreise  Simm  herauswuchs.  Wie 
bereits  angedeutet,  ist  bei  Simm  von  jedes 
Lehrers  Eigenart  gelegentlich  etwas  zu  spüren. 
Im  allgemeinen  aber  ist  seine  Kunst  originell, 
selbständig.  Um  es  bis  zu  dieser  Höhe  zu 
bringen,  hatten  die  damaligen  Wiener  Ver- 
hältnisse nicht  genügt.  Es  gehörte  ein  weiterer 
»Horizont«  dazu,  den  ihm  auf  Grund  seiner 
tüchtigen  Leistungen  das 
große  Reisestipendium,  der 
Rompreis,  verschaflte.  In 
Venedig,  Florenz  und  Rom 
studierte  der  junge  Künst- 
ler nicht  allein  durch  An- 
legen von  Farbenskizzen 
die  Technik  der  alten  Mei- 
ster, er  ging  auch,  wie  Skiz- 
zen aus  dieser  Zeit  bewei- 
sen, offenen  Auges  durch 
die  Straßen  der  Stadt,  um 
reizvolle  Erscheinungen  des 
Volkslebens,  Architekturen 
u.  a.  m.  in  sich  aufzuneh- 
men und  Freilichtmalerei 
zu  treiben.  Er  erhielt  den 
größten,  für  das  Leben  hal- 
tenden Eindruck.  Der  Blick 
wurde  auf  das  Große  ge- 
richtet und  schweifte  nicht 
ab  von  den  erfrischend  wir- 
kenden fremden  Nationen. 
Namentlich  zwei  Vertreter, 
Fortunv  und  Michetti  mit 
seinen  kleinen  sonnigen 
Bildern  sind  hier  zu  nennen. 
Das  letzte  der  in  Rom  nach 
Ablauf  der  zweijährigen  Sti- 
pendienzeit noch  verlebten 
drei  Jahre  brachte  einen 
Wendepunkt  im  Leben  und 


FRAU  MIT  Ki;UZEKI.lCin 
,/,«  ,,Flirgciuh-n  Blättern  ' 


FRANZ  SIMM 


Ziicknung.     Studie  für  ebt  Bild  in  den  „Fliegenden  BUili 


ALTER  HERR 


326 


FRANZ  SIMM  FRAU  IM  PFLEGERINKLEID 

Zeichnung.     Studie  für  ein  Bild  in  den  „Fliegende«  lUiitlern" 


317 


ALTE  FRAU 


FRANZ  SIMM 


Bleiiti/t2^l'chn«,ig 


nung.     Studie /ür  ein  Bild  1 


den  „Fliegenden  Blattern" 


328 


es^  FRANZ  SIMM  6S^ 


I  I;AN/  SIMM 

/.euhnuHi. 


M\"Gi;\liER   IvNAHR 
/  ,/,•«   ,,/•/.  iV." 


SchafFen  Simms.  Er  lernte  seine  künftige 
Gattin,  die  talentierte  Bozener  Malerin  Marie 
Mayer'),  kennen.  Frau  Marie  sollte  für  über 
30  Jahre  die  treue  Helferin  und  geschmack- 
volle Beraterin  in  manchen,  namentlich  Kostüm- 
fragen werden,  sie  wies  aber  auch  indirekt 
ihrem  Künstlergemahl  den  Weg,  den  er  einige 
Jahre  später  einschlagen  sollte,  durch  die  noch 
aus  der  Hmpirezeit  in  ihrem  Besitz  befind- 
lichen Mädchenkleider.  Als  diese  Simm  in 
die  Hände  fielen,  erwachte  das  künstlerische 
Interesse  für  die  Zopfzeit,  das  sich  nicht  allein 

')     Gemälde    lijiigcn    im    Bozencr   und    Imisbrucl>er 
Museum.     Vgl  auch  Abb.  S.  550. 


aut  die  malerischen  Kostüme  erstreckte,  son- 
dern sich,  genährt  durch  literarische  Studien, 
auf  den  geistigen  Gehalt  und  die  seelische 
Stimmung  der  vielgelästerten  Zeit  auswuchs. 
Bevor  sich  der  Meister  diesem  künftigen 
Reiche  widmete,  galt  es  andere  Aufgaben 
zu  erfüllen.  Der  Auftrag,  das  Stiegenhaus 
des  dortigen  Museums  mit  mythologischen 
Bildern  (aus  der  Jasonsage  u.  a.  griechischen 
Mythengestalten)  zu  schmücken ,  führte  das 
junge  Paar^)  nach  Tiflis.  Kohlestudien  zu 
den  Wandbildern  sowie  eine  Farbenskizze3) 
veranschaulichen  die  für  einen  28jährigen 
im  Gedanken,  der  Komposition  und  der  Zeich- 
nung doppelt  hervorragende  Arbeit.  Sie  ver- 
raten ein  eingehendes  Naturstudium  und  einen 
neuen  Weg  in  der  geschichtlichen  Darstel- 
lung, wie  er  kurz  vorher  von  Makart  —  etwa 
in  seinem  Einzug  Karls  V.  —  betreten  worden 
war.  Das  Museum  ist  jetzt  verbrannt,  einige 
der  Gemälde  konnten  gerettet  werden.  Nach 
gemeinsamer  Arbeit  und  weiterem  Studien- 
aufenthalt in  der  völkergemischten  Stadt  Klein- 
asiens kehrte  das  Ehepaar  nach  Wien  zurück, 
nicht,  um  sich  hier  für  dauernd  niederzulassen, 
sondern  um  nach  München  überzusiedeln. 
Dem  nach  der  Schulung  auf  klassische  Motive 
Verwiesenen  erwuchsen  durch  die  Gründung 
des  Hausstandes  abermals  neue  Aufgaben,  die 
auf  die  Illustration  hinlenkten.  Was  Simm 
als  Illustrator  bedeutet,  weiß  jeder,  der  noch 
heute  zu  den  'Fliegenden  Blättern:-  greift.  Hier 
verdiente  er  sich  außer  in  der  Illustrierung 
größerer  Prachtwerke4),  deren  Glanzzeit  die 
achtziger  Jahre  bedeuteten,  bei  den  »Fliegenden 
Blättern«  die  ersten  Sporen.  Das  in  Wien  in- 
tensiv betriebene  feine  Federzeichnen  kam 
Simm  zugute,  der  zahlreiche  feingesehene 
und  sehr  gut  gegebene  Stimmungsbilder  lieferte, 
die  uns  den  'Fext  vertiefen  helfen  und  einen 
reizvollen  und  wirksamen,  den  Eindruck  des 
Buches  durchaus  nicht  zerstörenden  Buch- 
schmuck bildeten.  In  der  Illustration,  von  der 
sich  bei  der  damals  aufkommenden  malerischen 
Auffassung  die  besten  Kräfte  fernhielten,  fand 
Simm  als  wirklicher  Künstler  den  richtigen 
Weg.  Seine  Illustrationen  in  den  »Fliegenden 
Blättern;,  zu  deren  geschätzten  Mitarbeitern 
er  über  30  Jahre  gehört,  sind  geistreiche  An- 
spielungen auf  den  Inhalt  des  Textes,  den  er 
tief  erfaßt  und  persönlich  wendet.  Fein  schaut 
von  Zeit  zu  Zeit  der  gemütliche,  nie  ver- 
letzende Humor  des  Wieners  hervor.  Neben 
einem  eminenten  zeichnerischen  Können  ver- 
fügt   er    über    eine   Empfindsamkeit,   die    als 

=)  Verehelicht  1881  zu  Bozen. 
3)  Jasons  Ankunft  in  Kolchis. 
■•)  Ilallbergs  Goetlieausgabc  u.  a. 


FRANZ  SIMM 


329 


Mittel  ebenso  niitielalteiliclie  Ritter  wie 
das  moderne  Luftsciiitf  benutzt. 

Bevor  wir  zu  dem  eigentlichen  Gebiet 
der  Kunstbetätigung  übergehen,  unter 
deren  Flagge  heute  des  Künstlers  Ruhm 
segelt,  müssen  wir  noch  einiger  Mcnui- 
mentalarbeiten  gedenken.  Abermals  mit 
seiner  Frau  schuf  er  das  für  Leipzig 
bestimmte  Dioramabild  »Haremleben« 
und  im  Jahre  1888  ein  reich  kompo- 
niertes Bild  »Tod  Kaiser  Wilhelms«, 
das  uns  heute  weniger  zu  sagen  weiß. 
Noch  einmal  führte  der  Aultrag,  die 
Decke  des  Saales  X  im  Kunsthistorischen 
Museum  in  Wien  mit  sechs  Frauengestal- 
ten ')  zu  schmücken,  die  die  verschiede- 
nen Gattungen  der  Altertumskunde  per- 
sonifizieren, zur  Antike.  Die  aus  allen 
Arbeiten  sprechende  Anmut  und  trefl- 
sichere  Charakterisierungsgabe  sind  die 
Vorzüge.  Mit  diesen  Monumentalarbei- 
ten hängt  eng  Simms  Tätigkeit  als  reli- 
giöser Maler  zusammen. 

Daß  ein  Künstler  mit  der  Tiefe  der 
feinschwingenden  Empfindung  Simms 
an  der  christlichen  Kunst  nicht  achtlos 
vorübergeht,  bedarf  keiner  besonderen 
Erwähnung.  Der  altbayerischen  Sitte 
folgend,  schmückte  er  1885  die  Ostseite 
seines  Künstlerheimes,  das  als  der  we- 
nigen eins  der  Großstadtbewegung  nicht  p^^, 
zum  Opfer  fiel  und  noch  heute  von 
Alt-Schwabinger  Poesie  erzählt,  mit 
einer  Madonna^).  Er  begnügte  sich  nicht 
mit  einer  Gestalt,  sondern  gab  der  Himmels- 
königin eine  stolze  Umrahmung  (Abb.  S.  323). 
Die  Gottesmutter  steht,  das  Kind  emporhal- 
tend, unter  dem  Baldachin  des  Thrones.  Zu 
Füßen  sitzt  der  Knabe  Johannes.  Das  beste 
Stück  des  Ateliers,  der  Perserteppich,  auf  dem 
die  Figuren  angebracht  sind,  war  dem  Künst- 
ler, dessen  Wappen  die  Mittellinie  betont, 
gerade  gut  genug,  um  dem  Ganzen  einen 
feierlichen  Anstrich  zu  geben.  Aus  dem  Bilde 
spricht  der  Geist  der  Renaissance  ganz  un- 
zweifelhaft zu  uns,  abgewogen  ist  die  Kom- 
position. Derselbe  religiöse  Geist,  der  das 
Ganze  verklärt,  spricht  aus  einer  Madonna 
zu  uns,  die  erst  flüchtig  hingeworfen,  der  Voll- 
endung an  dem  Simmschen  Sommerhaus  in 
Klobenstein  harrt  und  einem  kleinformati- 
schen Madonnenkopf,  den  der  Künstler  für 
sein  Atelier  als  Tafelbild  malte.  Den  Be- 
schauer erfüllt  beim  Anblick  ein  tiefes  Bedauern, 
daß  Simms  Pinsel  sich  nicht  des  öfteren  des 

')   Die  Einwürfe   hierzu  befinden  sich  in  der  Kunst- 
histo  ischen  Sammking  des  Kaiserhauses  in  Wien. 
')  Aquarellentwurf  in  der  Wiener  Akademie. 


'  SIMM  M  WN',   PFEIFE  STOPFEND 

Zehhming.     Studie  für  ,in  Bild  in  den  ,,F1.  Bl.'' 

religiösen  Vorwurfs  bediente.  Daß  sein  reiches 
Können  es  ermöglicht,  bewies  er  im  Jahre 
1884  bei  einem  vom  Bayerischen  Kultusmini- 
sterium ausgeschriebenen  Wettbewerb  für  ein 
Altarbild  der  prot.  Kirche  in  Wunsiedel.  Sein 
segnender  Christus  erhielt  den  Preis,  dem 
Meister  wurde  die  Ausführung  anvertraut. 

Der  Skizze  zur  Klobensteiner  Madonna  liegt 
neben  der  Anmut  eine  gewisse  Grazie  zu- 
grunde, die  den  kirchlichen  Vorwurf  zu  ver- 
weltlichen scheint,  wenn  man  den  Empire- 
maler Simm  nicht  zuvor  gewürdigt  hat.  Wenn 
auch  die  Kinder  dieser  Kunstbegabung  von 
einer  anmutigen  Daseinsfreude,  einem  sorgen- 
losen, schönen  Leben  erzählen,  so  mangelt 
ihnen  doch  nicht  die  Herzlichkeit  der  mensch- 
lichen Auffassung,  die  poetische  Empfindung, 
der  tiefe,  ernste  Sinn  des  Malers,  der  gelernt 
hat,  über  die  Erscheinungen  der  Welt  und  Ge- 
schichte nachzudenken.  Wenn  auch  zugege- 
ben werden  muß,  daß  sich  der  Künstler  mit 
größeren  sozialen  oder  politischen  Problemen 
nicht  beschäftigt,  so  erzählen  die  Bilder  doch 
Bände  der  Kulturgeschichte   von    einer  Zeit, 


330 


©S^  FRANZ  SIMM  mm 


MARIE  SIMM-MAVEK 


BISCHOF  PAXKRATIUS  VON   DINKEL 


in  der  mit  dem  Wiener  Kongreß  nochmals 
eine  Icurzlebige  ^»Galante  Zeit«  wiedererstellen 
sollte.  Es  sind  keine  Geschichtsbilder  schlecht- 
hin, es  sind  die  Me  m  oiren  werke  der  Kunst, 
oft  mit  einem  leisen  ironischen  Zug  im  Unter- 
ton. Wir  müssen  es  uns  versagen,  hier  ein- 
zelne Bilder,  die  schon  des  öfteren  veröffent- 
licht, nochmals  wiederzugeben')  oder  im  ein- 
zelnen zu  besprechen. 


')  Um  einen  ungefähren  Überblick  über  die  reiche 
Tätigkeit  Sininis  zu  geben,  führe  ich  hier  eine  Anzahl 
Bilder,  soweit  ich  deren  Enstehungsjahr  noch  feststellen 
konnte,  und  soweit  sie  nicht  schon  erwähnt  sind,  auf: 
1890  Duett  (Nalionalgalerie  Berlin),  1892  Liebhaber- 
konzert (Galerie  Weimar),  1S96  Radfalirerin  (Tochter), 
1897  Musikpause,  1899  Die  Malstundc  (Alte  Piuakotliek), 
1900  Besuch  in  der  Loge,  1902  Vornelime  Kundschaft, 

1903  Empfang  bei  Napoleon  in  St.  Cloud,  Demaskiert, 

1904  Am  Stickrahmen,  1905  Porträt  der  Großfürstin 
Kyrill,  1906  An  der  Schwester  Hand,  1907  Der  Empfang, 
Ankunft,  1908  duartettpause,    1909  Bergfahrt,   Abfalirt 


Überblickt  man  heute  diese  >genre- 
artige«  Kunst  Simms,  so  läßt  sie 
sich  bereits  gliedern  in  jene  Bilder, 
die  mit  einer  Fülle  von  Figuren  aus- 
gestattet, bei  aller  Genauigkeit  der 
Ausführung  einheitlich  und  reizvoll 
wirken.  In  den  letzteren  Jahren 
kehrt  Simm  mehr  zum  Renaissance- 
ideal zurück.  Es  beschränkt  sich 
auf  einige  Figuren  und  stellt  diese 
in  das  Freie.  Seine  Kunst  hat  hier- 
durch um  einen  pikanten  Reiz  mehr 
gewonnen.  Äußerst  fein  findet  sich 
Simm  mit  den  Lichtreflexen  ab, 
die  meist  den  Blätterwald  der  Bäume 
durchdringen  oder  sich  im  Dunkel 
brechen.  Daß  er  hierbei  mit  der- 
selben Künstlerliebe  jede  kleinste 
Faser  des  Gewandes,  das  geringste 
Ornament  nicht  vernachlässigt, 
dient  dem  Meister  zum  besonderen 
Lob.  Wie  Thoma  lebt  eben  auch 
Simm  unbekümmert  um  andere  sei- 
ner Kunst.  Wir  aber  erfreuen  uns 
an  seiner  Originalität. 

Als  Simm  durch  einen  Zufall  auf 
die  Zopfzeit  kam,  übertrug  er  die 
kleine  präzise  Wiedergabe  der  Zeich- 
nung auf  die  Ölmalerei.  Der  Ge- 
genstand gewinnt  nur  da  Bedeu- 
tung, wo  er  eine  malerische  Dar- 
stellung ermöglicht.  Seine  Gemälde 
bleiben  auch  malerisch  reizvoll  und 
interessant,  wenn  ihnen  der  kultur- 
geschichtliche Gegenstand  ganz  ge- 
nommen ist.  Der  Inhalt  ruft  keinen 
selbständigen  Eindruck  hervor,  ob- 
wohl wir  das  Stilvolle  einer  inter- 
essanten Zeit,  die  er  lebendig  werden  ließ, 
mitempfinden.  Das  Mißverhältnis  der  Malerei 
zum  Gegenstand,  das  uns  bei  zahlreichen 
Genremalern  stört,  fällt  bei  der  Unter-  und 
Einordnung  des  Gegenstandes  trotz  liebevoller 
Detaildurchbildung  unter  eine  große  einfache 
Hauptform  nicht  auf.  Obwohl  Simm  sich  durch 
eingehendes  Studium  ein  großes  historisches 
Verständnis  erwarb,  sind  seine  Werke  keine 
bloße  Nachahinung,  sondern  lebensvolle,  von 
schöpferischer  Phantasie  bedingte  Bilder,  deren 
originelle  Seite  der  Gefühlsausdruck  seiner 
Gestalten  ist.  Auf  diesen  legt  er  nach  sorg- 
fältigen Studien  den  größten  Nachdruck.  Kurz, 
seine  Bilder  sind  keine  Gewaltakte. 

Das      scharfe      Charakterisierungsmoment 
kommt  bei  den  Porträts,    die    das  Wesent- 

zum  Fest,  1910  Der  Kardinal,  1912  Die  Gratulanten, 
1913/16  In  der  Sommerfrische,  Vor  der  Töpferbude, 
Trödlerin,  Kleine  Gäste. 


331 


Darum  ist  ergrimmt  der  Zorn  des  Herrn  tdi: 
dersein  Volk,  er  streckt  die  Haad  dawider  aus 
und  sdüagtes.  daß  die  Berge  beben,  und 


ihre  Leichen  mie  Koth.  ia  den  Gassen  liegen. 
Und  bei  ail  dem  roendel  sieh  sein.  Zorn  nicht  alj 
sondern  seine  Hand  bleibt  noch,  ausgestreckte 


LEONHARD  THOMA  (MÜNCHEN) 

Zeichnung. 


l'gl.  dazu  Isaiiis  _$,  20— SJ 


KRIEGSBILD 
43* 


332 


DIE  IGNATIUSKIRCHE  ZU  GORZ  UND  IHR  BAUMEISTER 


liehe  der  Erscheinung  klar  und  groß  fest- 
halten,  zum   Durchbruch. 

In  die  Werkstatt  des  Künstlers  führen  bis- 
her unveröffentlichte  Studien.  Man  sieht,  wie 
er  sich  bemüht,  aus  jeder  Gestalt,  vor  allen 
den  Köpfen,  das  Beste  herauszuholen.  Feder 
und  Stift  hatte  Simm  bis  zu  Kriegsbeginn  nur 
mehr  in  den  Dienst  der  »Fliegenden  Blätter« 
gestellt.  Einen  willkommenen  Anlaß,  sich  der 
liebgewordenen  Griftelkunst  zu  bedienen,  bot 
der  Auftrag  für  das  Armee  Oberkommando  6 
eine  Osternkarte  zu  zeichnen.  Welche  Stim- 
mung, welches  tiefinnige  Gemüt  spricht  aus 
dem  mit  dem  gut  geschauten  Pferd  eine  Ein- 
heit bildenden  Ulanen,  der  das  Wegkreuz 
mit  einem  Büschel  der  ersten  Frühlingsboten 
schmückt.  Ein  echter  Simm  in  seinem  ovalen 
Rahmen,  aus  dem  die  Trommel  leise  hervor- 
ragt, ist  die  im  Auftrag  des  Bayer.  Landes- 
komitees für  freiwillige  Krankenpflege  im 
Kriege  gemalte  Postkarte.  »Jung-Deutschland« 
marschiert  vor  für  eine  gesunde,  herzerfri- 
schende deutsche  Kunst,  als  deren  tüchtiger 
Vertreter  Franz  Simm  galt,  ehe  der  Krieg  uns 
wachrüttelte,  und  weitergelten  wird. 

DIE  ST.  IGNATIUSKIRCHE  ZU 

GORZ  UND  IHR  BAUMEISTER 

CHRISTOPH  TAUSCH 

Kunstliistorisclie  Studie 

von  Professor  Dr.  BEKXH.\RD  PATZAK  (Breslau) 

(Vgl.  die  Abb.  S.  335-5^5) 

"Vu  den  bedeutendsten  Kunstbauten,  welche 
^  jüngst  unter  der  rücksichtslosen,  vanda- 
lischen  Beschießung  durch  die  Italiener  in 
Trümmer  sanken,  zählt  auch  leider  die  monu- 
mentale Jesuitenkirche  des  hl.  Ignatius  (Abb. 
S.  3  3  3  oben)  auf  der  Piazza  grande  zu  Görz.  Sie 
gehörte  zu  den  vortrefflichsten  Barockschöp- 
fungen der  Pozzoschule  auf  österreichischem 
Boden,  und  sie  verdient  eine  kunsthistorische 
Würdigung. 

Ziemlich  spät  nach  ihrer  Niederlassung 
(1615)  in  Görz  begannen  die  Jesuiten  im 
Jahre  1654  den  Bau  ihrer  Ordenskirche  neben 
dem  schon  stehenden  schlichten  Kollegiat- 
gebäude.  Im  folgenden  Jahre  stürzten  je- 
doch die  Mauern  ein,  und  der  unbekannte 
erste  Baumeister  mußte  sich  vor  Gericht 
verantworten  und  das  Gebäude  von  neuem 
auf  eigene  Kosten  autiühren.  Im  Jahre  1680 
wurde  am  Hochaltare  und  an  dem  wunder- 
vollen Marmortabernakel  (Abb.  S.  335)  gear- 
beitet. Die  zweite  Bauperiode  des  Gottes- 
hauses begann  im  Jahre  1721  '). 

')  Vgl.  Czoernig :  D.is  Land  Görz  und  (iradisca, 
Band    I   (1873;,    Seite     914,    Anmerkung    2.      l'erncr; 


In  den  von  G.  D.  Della  Bona-)  ohne 
nähere  Quellenangabe  veröftentlichten  Zitaten 
aus  den  Annalen  der  Görzer  Jesuiten,  die 
vermutlich  aus  der  in  der  Privatbibliothek 
des  Grafen  Coroninio)  aufbewahrten  »Litterae 
annuae«  stammen,  heißt  es  in  wörtlicher 
Übersetzung  folgendermaßen:  »172 1.  Er- 
richtet wurden  in  diesem  Jahre  über  die 
Hälfte  die  Kirchenwände,  welche  die  Stirn- 
giebel und  die  Flanken  der  äußeren  Kirche 
bilden ;  fertig  gestellt  wurden  die  vier  ge- 
waltigen runden  Säulen  mit  ihren  von  kunst- 
fertigem Meißel  vortrefflich  und  sorgfältig  zu 
erhabener  und  glanzvoller  Wirkung  ausge- 
arbeiteten Kapitellen  aus  wohlgeglättetem 
Stein  ;  ferner  wurden  mehrere  andere  äußere 
Zieraten  mit  Bekrönungen  und  Kapitellen  von 
vornehmer  Arbeit  vollendet.  Zugleich  erhielt 
unser  Tempel  hinter  dem  prachtvollen  mar- 
mornen Tabernakel  unseres  Altares  ein  von 
der  unteren  Wand  bis  ans  Gewölbe 
des  Gotteshauses  sich  ausdehnendes 
Gemälde,  das  einen  von  acht  Säulen 
gestützten  Hochaltar,  inmitten  aber 
den  gottseligen  Stifter  (gemeint  ist  St.  Ig- 
natius), von  Engeln  in  den  Himmel  er- 
hoben, überdies  aber  die  heiligste  Drei- 
faltigkeit darstellt,  von  sehr  elegan- 
tem Pinsel  einer  kunstfertigen  Hand, 
das  Werk  eines  gewissen  unserer  Brü- 
der Coadjutoren,  nicht  ohne  außerordent- 
liche Bewunderung  von  den  Pilgern  betrach- 
tet, von  den  Kennern  auf  über  1000  Reichs- 
taler abgeschätzt.  Auf  alles  dies  wurden 
insgesamt  3393  rheinische  Goldgulden  auf- 
gewendet.« 

Aus  dieseiu  Ordensbericht  erhellt  zunächst 
klar  und  deutlich,  daß  der  erwähnte  da- 
malige »Coadjutor«  des  Görzer  Jesuitenkol- 
legiums im  Jahre  1721  jene  Scheinarchitek- 
tur des  Hochaltares  malte  -i),  über  die  Lem- 
men  5)   folgendes    bemerkt:    »Er  (Andrea  del 

Planiscig  im  »Forum  Julii«,  II  (1911},  Seile  53  —  39, 
(ohne  Quellenangabe). 

=)  Osservazioni  ed  aggiunte  di  G.  D.  Della  Bona 
sopra  alcuni  passi  delllstoria  della  Contea  di  Gorizia 
di  Carlo  Morelli,  Band  IV,  Seite  232  ff.  1-olgendes  \Veil<, 
d.is  über  die  Görzer  Kirche  weitere  Auskunl't  geben 
dürfte,  war  mir  niclit  zugänglich:  Mons.  Dott.  de 
Pavissich,  Genesi  della  Chicsa  e  parrocchia  di  S.  Ig- 
nazio  in  Gorizia.  In:  La  Messa  d'oro  o  il  Giubileo 
saccrdotale  di  Don.  F.  Zoratti.  Ricordo  dei  suoi  vene- 
ratori.  Gorizia   i8g8. 

3)  \'gl.  B.  Duhr:  Geschichte  der  Jesuiten,  II,  Seite  348. 

■t)  Hiernach  ist  zu  berichtigen  die  Angabe  bei :  L. 
Burgemeistcr,  Die  Jesuitenbauten  in  Breslau,  insbeson- 
dere die  Mathiaskirche  und  das  L'niversitätsgebäude, 
Breslau  1901,  Seite  2.(  :  »  .  .  .  .  zwischendurch  1722  in 
Görz«. 

5)  (I.emmen :)  Tirolisches  Künstlerlexikon  .  .  .  von 
einem  \'erchrer  der  Künste,  Innsbruck  1850,  Seite  196. 


e^  DIE  IGNATIUSKIRCHE  ZU  GORZ  UND  IHR  BAUMEISTER  ?^3 


133 


IGNATIUSKIRCHE  ZU  GORZ  VON  CHR.  TAUSCH 
Text  S.  33' ff- 


Pozzo)  hatte  unter  andern  auch  einen  Jesuiten- 
Laienbruder  Christoph  Tauscii  zum  Scho- 
laren, von  weichem  zu  Görz  in  der  Jesuiten- 
iiirche  der  Hochaltar  sammt  dem  Blatte  an 
der  Mauer  sehr  künstlich  gemahlt  worden 
ist«  (Abb.  S.  334). 

Leider  hatte  das  offenbar  al  fresco  aus- 
geführte Gemälde  schon  vor  seiner  bedauerns- 
werten Vernichtung  stark  gelitten.  Die  Schein- 
architektur, die,  beiläufig  bemerkt,  an  den 
von  Pozzo  in  der  römischen  Ordenskirche 
Sant'  Ignazio  geschaiTenen  Marienaltar  •),  der 
ersten  dieser  perspektivischen  Gattung  -),  er- 
innerte, war  beträchtlich  verwischt.  Unter 
dem  dichten  Staubüberzuge  erkannte  man  den 


')  Vgl.  Pozzo:  Perspectivae  pictorum  atque  architec- 
torum,  II.  Pars.  Augsburg  1709,  Figura  67:  Ein  gemahl- 
ter  Altar  in  der  Ignatius-Kirclie  zu  Rom. 

")  Vgl.  C.  Gurlltl :  Geschichte  des  Barockstiles  in  Ita- 
lien, V,  Stuttgart   1887,  Seite  465. 


auf  Wolken  knieenden,  von  Engeln  getra- 
genen hl.  Ignatius.  Betend  blickte  er  zu 
Gottvater  und  Christus  empor,  über  deren 
Häuptern  rechterhand  oben  der  heilige  Geist 
in  Gestalt  einer  Taube  schwebte.  Diesen 
Scheinaltar  der  Görzer  Jesuitenkirche  hat 
dann  Tausch  später  (1722 — 24)  mit  einigen 
unwesentlichen  Abänderungen  in  seinem 
kraftvoll  majestätischen  Hochaltare  der  Bres- 
lauer Namen-Jesukirche  in  die  Wirklichkeit 
übertragen. 

Warnun  Christoph  Tausch  jenerim  betreffen- 
den Ordensbericht  erwähnte  >  Coadjutor«,  der 
die  Görzer  Ignazkirche  mit  jenem  Scheinaltar 
in  der  Art  Pozzos  schmückte,  so  war  er  als 
gelernter  Architekt  zweifellos  auch  der  Ur- 
heber des  Entwurfes  für  den  gleichzeitigen  (!), 
im  Jahre  1721  ausgeführten  Bau  der  in  den 
»Liiterae  annuae«  erwähnten  Schmuckfassade 
des  Gotteshauses;  oder  er  errichtete  sie  nach 


334        ^  DIE  IGNATIUSKIRCHE  ZU  GORZ  UND  IHR  BAUMEISTER  ^ 


iWERlii  I)I;R  IGS'ATIUSKIRCHE  IN  COR/ 

i'e'-  s-sss 

einem  früheren  Entwurf  seines  Lehrers.  Das 
hatte  denn  auch  bereits  Albert  Ilg  ')  ver- 
mutet, der  sich  in  seinen  »Reisenotizen  aus 
Krain,  Kärnten  und  dem  Görzischen«  folgen- 
dermaßen äußerte:  ^ Auf  der  Rückfahrt  von 
Italien  nach  Weißenfels  kam  ich  durch  Görz, 
wo  mich  die  imposante  Fassade  der  ehe- 
maligen Jesuitenkirche  auf  der  piazza  grande 
entzückte.  Schade,  daß  die  dorf  kirchen- 
mäßigen Zwiebeln  der  beiden  Türme  diesen 
großartigen  Bau  verunstalten.  Er  ist  eine 
der  vornehmsten  Barock-Fassaden,  echt  italie- 
nischen Charakters,  in  Osterreich;  gleich- 
wohl bleibt  uns  die  Literatur  in  dem  Falle 
alle  Auskunft  schuldig.  Die  Mittelpartie  mit 
den  vier  mächtigen  korinthischen  Halbsäulen, 
den  verkröpften  Gesimsen,  dem  Balkon  da- 
zwischen, darüber  das  Tympanon,  die  flan- 
kierenden   Türme,    mit    ihren    Stockwerken 

')  In :  Mitteilungen  der  K.  K.  Zcntrall<ommission  N. 
F.Wien  1890,  XVI.  Jahrgang,  Seite  121;  vgl.  hierzu: 
A.  Ilg,  Kunstgeschichtliche  Charakterbilder  aus  Öster- 
reich-Ungarn, Prag  1893,  Seite  277. 


und  flachen  Wandpilastern,  der 
Statuenschmuck  und  das  Portal 
mit  gebrochenem  Bogengiebel, 
alles  das  in  wahrhaft  grandiosen 
^'erhältnissen,  hat  einen  Gesamt- 
charakter, der  bald  an  Lorenzo 
Bernini,  bald  an  Carlo  Rainaldi 
erinnert.  Das  Chronostikon  der 
Portal-Inschrift  gibt  aber  erst  das 
Jahr  1721  (?)  an  2).  Das  Innere 
entspricht  zwar  in  architektoni- 
scher Hinsicht  der  prachtvollen 
Fassade,  bietet  aber  in  der  Ein- 
richtung, Altären  und  Gemälden, 
wenig  Hervorragendes.  Interes- 
sant ist  nur  der  von  dem  Je- 
suiten-Laienbruder Christoph 
Tausch,  einem  Schüler  des  be- 
rühmten Andrea  Pozzo,  ent- 
worfene Hochaltar  (Tschisch- 
ka,  Kunst  und  Altertum  .  .  .  ,  Wien 
1836,  pag.  178).  Ob  er  etwa 
auch  der  Architekt  der  gan- 
zen Kirche  sei,  weiß  ich  nicht, 
doch  wäre  es  nicht  unmög- 
lich«. 

Ganz  in  der  Art  Pozzos  war 
in  der  Tat  die  plastische  Durch- 
formung des  Mittelrisalites  (vgl. 
Abb.  S.  333)  vermittels  Halbsäulen 
mit  verkröpftem  Gebälk  und  Kon- 
solen unter  dem  Kranzgesims 
durchgeführt,  auf  dem  als  Aus- 
klänge der  tragenden  Stützen  um- 
gekehrte, also  mit  ihren  Schnek- 
ken  nach  unten  gestellte,  langgezogene  Vo- 
lutenkonsolen3)  aufsetzen.  Sie  sind  für  die 
Pozzoschule  typisch  geworden  und  treten  im 
Schafli"enswerk  des  Frater  Christof  Tausch  im- 
merund immer  wieder  auf  Besonders  charakte- 
ristisch war  ferner  an  den  Turniecken  der 
Görzer  Kirchenfassade  die  durch  die  dreiteili- 
gen, flachen  Pilasterbündel  entstehende  starke 
Verkröpfung  des  Gebälkes,  wodurch  ein  rhyth- 
mischbewegtes Linienspiel  von  einander  durch- 
kreuzenden Horizontalen  und  Vertikalen  und 
hiermit  ein  im  bildmalerischen  Sinne  höchst 
wirkungsvoller  Kontrast  von  lichtbestrahlten 
Flächen  und  pikanten  Zierschatten  erzeugt 
wurde.  Typisch  waren  endlich  die  geknick- 
ten Fenstervcrdachungen    des    dritten  Stock- 


=)  Die  Inschrift  l.iutet:  >DIVo  IgnaTIo  De  LoJoLa 
SoCIetatls  JesV  fVndatorl«.  —  Daraus  ergibt  sich  nicht 
die  Jahrcszalil  1721,  sondern  1723. 

3)  Vgl.  z.  B.  Pozzos  »Theatrum  sacrunn  für  Sant' 
Ignazio  zu  Rom  in:  Pozzo,  Perspectivae  pictonmi  atque 
architectorum,  I.  Pars  (Ausgabe  von  Joh.  Boxbarth) 
Augsburg  1706,  Figura  71. 


^^  DIE  IGNATIUSKIRCHE  ZU  GÖRZ  UND  IHR  BAUMEISTER  ©^ 


335 


TABERXAKEL  AUF   DEM  HOCHALTAR  DER  IGXATIÜSKIRCHE  1\' 
Text  S.  3Ji 


Werkes,  die,  wie  ich  an  anderer  Stelle  zeigen 
werde,  Tausch  auch  weiterhin  gern  ver- 
wendet hat.  Ein  Blick  auf  die  Innenarchi- 
tektur des  nunmehr  zerstörten  Gotteshauses 
belehrte  ohne  weiteres  den  Kenner  des 
Tauschwerkes,  daß  sie  ebenfalls  ein  Werk 
dieses  von  der  kunsthistorischen  Forschung 
bisher    noch    zu   wenig    gewürdigten '),    be- 

')  Völlig  unzureichend  ist  die  dürftige  Biographie 
bei  L.  Burgemeister,  a.  a.  O.  Seite  23 — 24  (I).  —  Ab- 
gesehen  davon,   dalJ  Verfasser   das  SchafFenswerk   des 


deutenden  Maler-Architekten  gewesen  sein 
muß.  Es  kehrte  nämlich  hier  im  Grunde 
genommen  dasselbe,  nur  ins  Monumentale 
gesteigerte  Dekorationsprinzip  wie  in  seinen 
Jesuitenkirchen    zu  Trentschin    (1712 — 171 5, 


Meisters,  mit  Ausnahme  seiner  Breslauer  Namen-Jesu- 
kirche, gar  nicht  kannte,  beruhen  seine  Mitteilungen 
lediglich  auf  einigen  rein  biographischen  Notizen,  die 
P.  Bernhard  Duhr  S.  J.  aus  den  Ordenskatalogen  für 
ihn  mühsam  ermittelt  und  zu  bequemer  Benützung  zu- 
sammengestellt hatte. 


!36 


PREISAUSSCHREIBEN  FÜR  KRIEGS-  UXD  KRIEGERDENKMÄLER 


nicht  1714/15,  wie  L.  Burgemeister ')  fälsch- 
lich angibt)  und  in  Erlau  {1716  — 1719)  in 
Ungarn  wieder:  Die  in  Görz  wie  in  Erlau 
der  Kanneluren  ermangelnden  Pilaster,  die 
Kapitelle  und  verkröpften  Gebälke  waren 
wuchtiger  geworden  und  luden  infolgedessen 
mehr  aus  wie  dort.  Man  merkte  an  der 
Innendekoration  der  Görzer  Kirche,  daß  der 
Künstler  den  italienischen  Barockstil,  insbe- 
sondere den  römischen,  den  er  bisher  nur 
aus  der  theoretischen  Unterweisung  Pozzos 
kannte,  nunmehr  an  der  Quelle  studiert  hatte. 
Erst  im  Jahre  1720,  also  unmittelbar  vor 
seiner  Berufung  nach  Görz,  hatte  Christoph 
Tausch  in  Rom  geweilt  ^). 

Wohl  kaum  mehr  nach  dem  Entwurf  des 
Frater  Tausch  wurden  dann  schließlich  laut 
dem  erwähnten  Ordensbericht  in  den  Jahren 
1722/23  die  von  Ilg  getadelten,  wie  die 
»Litterae  annuae«  besagen,  provisorischen 
Turmhauben,  ferner  die  Kischenstatuen  und 
das  Portal  fertig  gestellt.  Die  Beendigung 
dieser  Arbeiten  hat  der  vielbegehrte  Künstler 
nicht  mehr  abgewartet.  Denn  noch  im 
Jahre  17223)  begegnen  wir  ihm,  wie  ich  in 
meiner  Tauschbiographie  4)  eingehend  aus- 
geführt habe,  in  Schlesien  in  vielseitigste 
Tätigkeit  vertieft,  wohin  er  von  dem  kunst- 
sinnigen Breslauer  Fürstbischof  Franz  Lud- 
wig, dem  Ptalzgrafen  von  Neuburg,  berufen 
worden  war  5). 

Jedenfalls    bildete    der    nunmehr   bedauer- 


')  Ebenda,  Seite  25.  —  Das  richtige  Datum  ergibt 
sich  vielmehr  aus  den  von  mir  in  der  Königlich  Unga- 
rischen Universitätsbibliothek  zu  Budapest  entdeckten 
>  Annuae  Collegii  et  Domus  probationis  trenchinensis< 
(Sign.  A.  b.  115,  Seite   102  ff). 

-')  Zu  berichtigen  bei  L.  Burgemeister,  a.  a.  O.  Seite  24 : 
»Tausch  hatte  mit  seinem  Meister  Pozzo  sieben  Jahre  in  Ita- 
lien als  Maler  und  Architekt  gearbeitet «.  —Der  im  Jahre  1 702 
von  Leopold  I.  nach  Wien  berufene  Maler- Architekt  Pozzo 
verließ  um  diese  Zeit,  wie  die  authentische  Biographie 
von  Francesco  Baldinucci  (Atti  della  I.  R.  .Accaderaia  di 
scienze  lettere  ed  arti  degli  Agiati  in  Rovereto,  I,  Anno 
1912,  Seite  231:  Lavita  del  Padre  Andrea  Pozzo  scritta 
da  Francesco  Baldinucci.  Studio  del  Socio  Prof.  Dott. 
E.  Benvenuti)  ausdrücklich  betont,  Italien,  »um  es  nie 
mehr  wieder  zu  sehen«.  —  An  den  italienischen 
Arbeiten  seines  Lehrers  Pozzo  (f  1709)  konnte  also 
Tausch  nicht  mehr  mitarbeiten. 

3)  Nicht  erst  1725  wie  bei  L.  Burgemeister,  a.  a.  O. 
Seite  24. 

<)  Diese  wird  demnächst  in  meinem  Werke :  »Die 
Jesuitenbauten  zu  Breslau  und  ihre  Architekten,  ein 
Beitrag  zur  Geschichte  des  Barockstiles  in  Deutschland« 
erscheinen. 

5)  Vgl.  Wien,  Bibl.  Pal,  Vind.  Cod.  123 16.  Annuae 
Literae  Provinciae  Bohemiae  Societatis  JESU  Nissae  ad 
annum  175 1,  Seite  82:  »  ...  donec  ejusdera  Romae 
annutu  Serenissimi  Principis,  ac  Episcopi  nostri  postu- 
lato,  ac  obsequiis  concessus,  ipsos  octo  annos  Archi- 
tecli  munere  functus,  anis  suae  insignia  exstruxit  monu- 
menta,  quae  hodiedum  etiam  Exteris  admirationi  sunt«. 


licherweise  zugrunde  gegangene  herrliche 
Bau  der  Görzer  Jesuitenkirche  des  hl.  Igna- 
tius  einen  entwicklungsgeschichtlich  wichti- 
gen Markstein  in  seinem  künstlerischen 
Werdegange. 

PREISAUSSCHREIBEN     FÜR     KLEINERE 
KRIEGS-  UND  KRIEGERDENKMALER 

P)em  großen  Kriege  sowohl  wie  seinen  Toten  werden 
berechtigterweise  voraussichtlich  zahlreiche  Denk- 
mäler erstehen.  Der  Bund  deutscher  Gelehrter  und 
Künstler  (Kulturbund)  will  für  seinen  Teil  versuchen, 
mit  dazu  beizutragen,  daß  diese  Werke,  die  das  Bild 
unserer  öffentlichen  Kunstpflege  wesentlich  beeinflussen, 
in  einem  künstlerischen  Sinne  geschaffen  werden,  der 
sie  würdig  ersclieinen  läßt,  als  sichtbarer  Ausdruck  für 
die  Taten  unseres  Volkes  zu  gelten. 

Der  Bund  will  nicht  nur  schlechte  und  übereilte  Mo- 
numente verhindern,  sondern  mithelfen,  gute  zu  schaffen. 
Als  besonders  wichtig  erscheint  die  künstlerische 
Lösung  kleinerer  Aufgaben,  denn  kleinere  Denkmäler 
werden  naturgemäß  besonders  zahlreich  geschaffen 
werden  und  der  Träger  des  Kunstgedankens  für  wei- 
teste Schichten  des  Volkes  iu  den  kleinen  Städten  und 
auf  dem  flachen  Lande  sein. 

Da  dieser  wichtige  Teil  unserer  Kunst  bisher  fast 
überwiegend  unzulänglichen  künstlerischen  Kräften  und 
einer  schlechten  Kunstindustrie  überlassen  blieb,  so  er- 
geht hiermit  an  die  reichsdeutschen  Künstler  ein  Preis- 
ausschreiben zur  Erlangung  von  Entwürfen  solcher 
kleinen  Denkmalsgebilde. 

Dieser  Wettbewerb  soll  einmal  ein  Ansporn  für 
unsere  Künstler  sein,  ihre  Kunst  diesen  Aufgaben  zu- 
zuwenden, zum  andern  bezweckt  der  Bund,  sich  mit 
seinen  Mitteln  dafür  einzusetzen,  daß  den  Schöpfern 
hers'orragender  Entwürfe  im  gegebenen  Falle  Gelegen- 
heit zur  Betätigung  werde. 

Die  Herausgabe  eines  Werkes  mit  den  aus- 
gezeichneten Arbeiten  ist  ins  -Auge  gefaßt. 

Es  werden  folgende  Aufgaben  gestellt:  Entwürfe  für: 
I.  Grabsteine  und  Grabkreuze  für  gefallene  Krieger  in 
der  Heimat;  2.  Gedenktafeln,  sowohl  plastische  wie 
gemalte;  3.  einfache  Monumente,  deren  Herstellung  die 
Summe  von  5000  Mark  nicht  überschreiten  soll;  4.  Bild- 
stöcke; 5.  Gedächtniskapellen  für  Gefallene,  Ausfüh- 
rungssumme nicht  über  12000  Mark.  Zu  den  einzelnen 
Aufgaben  ist  folgendes  zu  bemerken : 

Zu  I:  Grabsteine  und  Grabkreuze.  Wetter- 
festes Material  ist  Vorbedingung.  Kunststein,  Eisen 
oder  dergleichen  sind  nicht  ausgeschlossen.  Die  Bild- 
größe des  dargestellten  Werkes  soll  nicht  unter  20  cm 
sein  und  nicht  40  cm  übersteigen.  Ein  Maßstab  und 
eine  Maßstabsfigur  sind  miteinzuzeichnen.  Die  Art  der 
Zeichnung,  ob  geometrische  Zeichnung,  Schaubild  oder 
Photographie  nach  .Modell,  ist  freigestellt. 

Zu  2:  Gedenktafeln.  Diese  Tafeln  sind  für  das 
Innere  oder  Äußere  öffentlicher  Gebäude  wie  Rathäuser, 
Kirchen.  Schulen  usw.  gedacht,  sie  sind  als  plastische 
Gebilde  für  .Metall,  Holz,  Stein  und  gebrannten  Ton 
oder  für  kleine  Kirchgemeinden  als  bemalte  Holztafeln 
zu  entwerfen.  Besonders  erwünscht  sind  solche  Tafeln, 
die  eine  gute  Lösung  für  die  Anordnung  zahlreicher 
Namen  erbringen.  Auf  gute  und  lesbare  Schrift  soll 
besonders  geachtet  werden.  Verlangt  werden  für  die 
plastischen  Tafeln  Photographien  nach  einem  plasti- 
schen Modell  nicht  unter  20  cm  und  nicht  über  40  cm, 
für  die  bemalten  Tafeln  farbige  Darstellungen  in  glei- 
cher Größe.  Die  Hauptmaße  sind  einzuschreiben.  Ver- 
langt wird  die  Beigabe  einer  Schriftprobe  in  natürlicher 
Größe,  in  Photographie  oder  Zeichnung. 


PREISAUSSCHREIBEN  PCR  KRIEGS-  UND  KRIEGERDENKMÄLER 


337 


RENE  KUDER 


Zu  3:  Einfache  Monumente.  Erinnerungsmale 
fiir  die  Gefallenen  von  Ortschaften,  Körperschaften  oder 
Truppenteilen.  Auch  kleine  Brunnen  und  Brunnen- 
häuschen mit  einem  passenden  Hinweis  auf  den  Krieg 
oder  die  Gefallenen  sind  nicht  ausgeschlossen.  A\'ener- 
fesngkeit  ist  auch  hier  Bedingung.  Verlangt  wird  ein 
Blatt  mit  einer  geometrischen  Zeichnung  der  Hanptan- 
sicht  im  Maßstab  1  :  10  und  der  Nebenansichten  in 
kleinerem  Maßstabe,  femer  ein  zvseites  Blatt  mit  einem 
Schaubude  im  Maßstabe  i  :  10   oder  sta-  dessen  eine 


gute  Photographie  nach  einem  plastischen  Modell  im 
Slaßstab  1:10.  Die  letztere  Fonn  ist  besonders  er- 
wünscht.    Eine  Maßstabsfigur  ist  mitzozeichnen. 

Zu  4:  Bildstöcke.  Es  soll  der  Versuch  gemacht 
werden,  den  BUdstockgedanken,  wie  er  jetzt  lediglich 
religiösen  Zwecken  dient,  der  Kriegerehrung  nutzbar 
zu  "machen.  Dabei  ist  für  katholische  Gegenden  die 
Verbindung  nüt  Darstellungen  religiösen  Charakters  er- 
wünscht, für  protestantische  Gegenden  nicht  unbedingt 
erforderlich.     Für  protestantische  Gegenden  wird  über- 


m«  dsziscüche  Kaist.   XO.    jz. 


338 


RENE  KUDER 


FELDGRAUER  (ZEICHNUNG,  1916) 


339 


RENE  KUDER 


FELDGRAUER  (ZEICHNUNG,  1916) 


340 


RENE  KUDER 


FELDGRAUER  (ZEICHNUNG,  1916) 


341 


RENE  KUDER 


FELDGRAUER  (ZEICHNUNG,  1916) 


342 


RENE  KUDER 


FELDGRAUER  (ZEICHNUNG,  1916) 


PREISAUSSCHREIBEN 


343 


haupt  mehr  Wert  darauf  gelegt,  daß  älinlich  den  Bild- 
stöcken und  Walllahrtszeichen  der  katholischen  Lande, 
wie  sie  an  Wegekreuzungen  oder  anderen  charakteri- 
stischen Stellen  der  Landschaft  aufgestellt  sind,  ein- 
prägsame kleine  Gebilde  erfunden  werden,  die  den  Ge- 
danken des  süddeutschen  Bildstocks  schöpferisch  er- 
weitern. Die  Art  der  Zeichnung,  ob  geometrische  Zeich- 
nung, Schaubild  oder  Photographie  nach  Modell,  ist 
freigestellt.  Bildgröße  des  Werkes  nicht  unter  20  cm 
und  nicht  über  40  cm.  Maßstab  und  Maßstabsfigur 
sind  mitzuzeichnen. 

Zu  5:  Gedächtniskapellen.  Gleich  den  Bild- 
stöcken eignen  sich  auch  Kapellen  in  der  Art  der  heu- 
tigen Andachts-  und  Walllahrtskapellen  zur  Ehrung 
unserer  Gefallenen  und  zu  Gedächtniszeichen  für  die 
große  Zeit.  Auch  diese  Aufgabe  ist  für  katholische 
und  protestantische  Gegenden  verschieden  zu  lösen. 
Die  Baukosten  sollen  12000  Mark  nicht  übersteigen. 
Es  ist  kenntlich  zu  machen,  wie  die  Umgebung  ge- 
dacht ist.  Verlangt  werden  Zeichnungen  im  Maßstab 
I  :  20,  Grundriß,  Schnitt  und  Aufriß  i  :  50,  sowie  Schau- 
bild oder  Aufnahme  nach  plastischem  Modell.  Maß- 
stabsfigur ist  einzuzeichnen. 

Sämtliche  Zeichnungen  sind  ungerahmt  einzureichen. 
Die  einzelne  Blattgröße  darf  das  Maß  50 :  70  nicht 
überschreiten.  Um  diese  Größe  einzuhalten,  können 
die  vorgeschriebenen  Maßstäbe  im  Notfall  verkleinert 
werden.  Die  genauen  Preise  für  die  Gesamtherstellung 
ohne  Fundament,    aber  mit  Honorar,    sind    anzugeben. 

Neben  der  künstlerisch  selbständigen  Verwendung  hi- 
storischer Sinnbilder  sollen  insbesondere  gute  Ausdrucks- 
formen für  das  moderne  Kriegsgerät  angestrebt  werden. 

Zur  Verteilung  gelangen  Preise  im  Gesamtbetrage 
von  15000  Mark,  und  zwar  5  Preise  zu  1000  Mark, 
IG  Preise  zu   500  Mark,  25   Preise  zu  200  Mark. 

Diese  40  Preise  sollen  unter  allen  Umständen  zur 
Verteilung  kommen,  und  zwar  für  alle  Aufgaben  mög- 
lichst gleichmäßig.  Eine  andere  Verteilung  behält  sich 
jedoch  das  Preisgericht  vor.  Die  preisgekrönten  Ent- 
würfe werden  Eigentum  des  Bundes  deutscher  Gelehrter 
und  Künstler.  Auch  von  den  übrigen  Arbeiten  soll 
eine  Anzahl  angekauft  werden.  Außerdem  kann  auf 
»ehrenvolle  Erwähnung«  erkannt  werden. 

Das  Preisgericht  besteht  aus  den  Herren:  Amers- 
dorffer  (Berlin),  Behrens  (Neubabelsberg),  Billing 
(Karlsrühe),  Blunck  (Berlin),  Graul  (Leipzig),  Hahn 
(München),  Hosaeus  (Berlin),  Hul^er  -  Feldkirch 
(Düsseldorf),  Kutschmann  (Berlin),  Manzel  (Berlin), 
Meier-Graefe  (Berlin),  Poelzi  g  (Dresden),  Schaper 
(Berlin),  Seeck  (Berlin),  Tuaillon  (Berlin). 

Die  Arbeiten  müssen  bis  zum  25.  Oktober  an  die 
Geschäftsstelle  des  Bundes  deutscher  Gelehrter  und 
Künstler  (Kulturbund),  Berlin,  Unter  den  Linden  38, 
gelangt  oder  bis  zu  diesem  Tage  bei  der  Post  einge- 
liefert sein.  Jeder  Entwurf  ist  mit  einem  Kennwort  zu 
versehen,  Name  und  genaue  Adresse  des  Einsenders 
sind  in  einem  geschlossenen  Umschlag  mit  demselben 
Kennwort  beizufügen,  auch  ist  eine  Adresse  für  die 
Rücksendung  anzugeben.  Die  Entwürfe  werden  öffent- 
lich ausgestellt.  Entwürfe,  die  dem  Programm  nicht 
entsprechen,  werden  von  der  Beurteilung  ausgeschlos- 
sen. Der  Teilnehmer  am  Wettbewerb  erklärt  sich  mit 
den  Bedingungen  einverstanden  und  auch  damit,  daß 
seine  Arbeiten  ausgestellt  sowie  in  dem  vom  Kultur- 
bund geplanten  Sammelwerk  veröflentlicht  werden. 

Die  Beteiligung  an  dem  Wettbev.-erb  unter  Einhal- 
tung der  angeführten  Bedingungen  ist  jedem  reichs- 
deutschen  Künstler  freigestellt.  Es  ist  jedoch  gestattet, 
außerhalb  des  Wettbewerbes  Arbeiten  unter  Namens- 
nennung einzureichen.  Diese  Arbeiten  kommen  für  die 
Zuei  kennung  eines  Preises  nicht  in  Frage,  werden  aber 
unter  der  Bezeichnung  »außer  Wettbewerb«   mit  öfFent- 


licli  ausgestellt.  Sie  sollen  aucn  gleich  den  preisge- 
krönten Arbeiten  für  die  Veröfl'entlichung  durch  das 
Sammelwerk  in  Aussicht  genommen  wie  auch  gegebe- 
nenfalls zur  Ausführung  empfohlen  werden. 

PREISAUSSCHREIBEN 

Der  Vorstand  des  Schlesischen  Bundes  für  Heimat- 
schutz ruft  zu  einem  Wettbewerb  auf  zur  Einsendung 
von  Entwürfen  zu  Kriegergrabmalen  und  Kriegergedenk- 
tafeln, die  zur  Ausführung  in  schlesischem  Marmor  be- 
stimmt sind  und  dieses  Gestein  in  seinen  verschiedenen 
Behandlungsarten  charaktenslisch  zum  Ausdruck  bringen. 
Das  Marmorwerk  W.  Thust,  Gnadenfrei  i.  Schles.,  stellt 
uns  zur  Preisverteilung  1600  Mark  zur  Verfügung.  Es 
werden  verlangt :  Gruppe  I:  Kriegergrabmale  für  Reihen- 
gräber und  bevorzugte  Grabstätten,  wie  Randgräber, 
Oftiziersgrabstätten,  Grabansaramlungen  (Ehrenfriedhöfe) 
und  dergleichen.  Gruppe  11:  Kriegergedenksteine  zur 
freien  Aufstellung  auf  Friedhöfen,  an  Kirchen  usw.  und 
Wandgedenktafeln  für  Friedhofsmauern ,  innere  und 
äußere  Kirchenwände,  an  Hauswände  und  dergleichen. 
Gedacht  ist  an  Gedenksteine  und  Tafeln,  die  den  Kirchen- 
gemeinden zur  Erhaltung  des  Gedächtnisses  auch  derjeni- 
gen gefallenen  Gemeindemitglieder  dienen  sollen,  die 
nicht  innerhalb  des  Gemeindefriedliofes  beerdigt  sind.  Auf 
den  Steinen  wären  außer  der  Widmungsschrift  die  Na- 
men der  gefallenen  Gemeindemitglieder  anzubringen. 
Es  wird  sich  häufig  empfehlen,  statt  einer  Gedenk- 
tafel besondere  kleine  Schrifttafeln,  für  jeden  Gefalle- 
nen eine,  mit  einem  gemeinsamen  Widmungsstein  zu- 
sammenzufassen. Die  Anwendung  des  Einzelstückes 
im  Gesamtrahmen  ist  anzugeben.  Bei  frei  auizustellen- 
den  Gedenksteinen  ist  der  Charakter  des  Friedhofes 
unbedingt  zu  vermeiden. 

Durch  den  Wettbewerb  werden  Entwürfe  für  Grab- 
male und  Gedenktafeln  zur  Ausführung  in  mehrfachen 
Verhältnissen  gewünscht,  besonders  reiche  Entwürfe  (rei- 
cher bildhauerischer  Schmuck)  sind  zu  vermeiden.  Die 
Entwürfe  werden  auf  Blättern  von  30:40  cm  erbeten. 
Sie  müssen  maßstäblich  gezeichnet  sein  unter  Angabe 
des  Maßstabes.  Die  Art  der  Flächenbehandlung  des 
Ganzen  oder  einzelner  Teile  ist  anzugeben.  Jedes  Blatt 
ist  mit  einem  Kennwort  und  der  Gruppenbezeichnung 
zu  versehen.  Die  Verfassernamen  und  genauen  Adressen 
sind  den  Entwürfen  in  verschlossenem  Briefumschlag, 
der  das  Kennwort  trägt,  beizulegen.  Jeder  Teilnehmer 
erklärt  sich  damit  einverstanden,  daß  die  Entwürfe  öfient- 
lich  ausgestellt  und  d.e  ausgezeichneten  und  angekauften 
unter  Mitwirkung  des  -Sclilesischen  Bundes  für  Heimat- 
schutz« veröff'entlicht  werden. 

Als  Preise  werden  ausgesetzt :  für  Gruppe  1 :  i  erster 
Preis  von  200  Mark,  i  zweiter  Preis  von  150  Mark, 
6  Preise  von  je  75  Mark;  für  Gruppe  11:  i  erster  Preis 
von  200  Mark,  i  zweiter  Preis  von  150  Mark,  6  Preise 
von  je  75  Mark.  Die  Firma  W.  Thust  beabsichtigt  den 
Ankauf  weiterer  Entwürfe  nicht  unter  50  Mark;  sie  er- 
wirbt für  sich  das  Ausführungsrecht  für  die  mit  Preisen 
ausgezeichneten  und  angekauften  Entwürfe. 

Als  Preisrichter  werden  wirken :  Provinzialkonser- 
vator,  Regierungs-  und  liaurat  Dr.  Burgemeister,  Archi- 
tekt Effenberger,  Königlicher  Gartenbaudirektor  Erbe, 
Bildhauer  Professor  von  Gosen,  Architekt  Königlicher 
Baurat  Grosser,  Konsistorialrat  Hain,  Fürstbischöflicher 
Rat  Dr.  Jensch,  Techniker  Georg  Müller,  als  Vertreter 
der  Firma  W.  Tliust,  Gnadenfrei,  Vorsitzender  des  Scliles. 
Bundes  für  Heimatschutz,  Univers.-Professor  Dr.  Siebs, 
W.  Thust,  Inhaber  der  Firma  W.  Thust,  Gnadenfrei, 
Stellvertretender  Direktor  der  Königlichen  Kunstakademie 
Breslau,  Maler  Prof.  Wislicenus. 

Zur  Teilnahme  am  Wettbewerb  sind  alle  Künstler 
berechtigt,  die  ihren  Wohnsitz  in  den  Provinzen  Schle- 


344 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN  ^ 


RENE  KÜDER 


AUSMARSCH 


sien,  Posen,  Ost-  und  Westpreußen  und  den  besetzten 
russischen  Gebieten  haben.  Die  Entwürfe  sind  porto- 
und  bestellgeldfrei  bis  zum  6.  Oktober  an  das  Sekre- 
tariat der  Königl.  Akademie  für  Kunst  und  Kunstge- 
werbe, Breslau,  Kaiserin-Augusta-Platz  5,  einzureichen. 
Die  Sendungen  sind  außen  als  zum  Wettbewerb  des 
Schlesischen  Bundes  für  Heimatschutz  gehörig  zu  be- 
zeichnen. Auskunft  erteilt  der  Geschäftsfülirer  des 
Schlesischen  Bundes  für  Heimatschutz,  Architekt  EHen- 
berger,  Breslau  XVI,  .\uenstraße  20. 

VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Zu  dem  auf  S.  337  abgebildeten  Gemälde  nahm  der 
Künstler  die  Anregung  von  einem  durch  einen  Fried- 
hof gezogenen  Schützengraben. 

Zwei  Preisausschreiben.  Der  >Münchner  Bund« 
erLißt  zwei  Preisausschreiben  für  alle  Künstler  Deutscli- 
lands.  Das  eine  Preisausschreiben  betrifi't  einen  Wett- 
bewerb um  ganzseitige  Illustrationen  in  Scliwarzweiß 
oder  mehrfarbig  für  eine  Weihnachtsnummer  der  neuen 
Monatsschrift  »Unser  Vaterland«,  die  Graf  von  Both- 
mer  herausgibt  und  die  bei  J.  F.  Lehmann  in  Mün- 
chen erscheint.  Als  i.  Preis  wurden  500  M.,  als 
2.  Preise  je  250  M.  ausgesetzt.    Der  zweite  Wettbewerb 


betrifft  Kopfleisten,  Schlußstücke  und  Zierstücke  für 
die  gleiche  Monatsschrift.  Dafür  wurde  ein  i.  Preis  zu 
100  M.  und  zwei  2.  Preise  zu  je  75  M.  ausgesetzt.  Für 
beide  Wettbewerbe  behält  sich  die  Scliriftleitung  den 
Ankauf  anderer  nicht  preisgekrönter  Arbeiten  vor.  Die 
näheren  Wettbewerbsbedingungen  sind  beim  Münchner 
Bund,  München,  Elisenstraße  3  und  beim  Herausgeber 
zu  erfahren.  Der  Schlußtermin  beider  Wettbewerbe 
ist  der   10.  September. 

Bonifa z  Locher.  —  Die  Wallfahrtskirche  zu  Gai- 
mersheim  erhielt  einen  neuen  Deckenschmuck  in  drei 
Gemälden,  die  Bonifaz  Locher  (München)  kürzlich  voll- 
endet hat.  Das  Werk  verdankt  sein  Entstehen  dem 
dortigen  Pfärrherrn  und  es  ist  besonders  erfreulich,  daß 
es  trotz  dem  Kriege  entstand.  Als  Darsiellungsgegen- 
stände  wurden  gewählt:  Maria  Opferung,  die  hl.  Familie 
und  Maria  in  der  Verklärung. 

Eine  neue  Fahne  erhielt  auf  \'eranlassung  des 
Herrn  Stadtpfarrers  Madiener  die  Stadtpfarrkirche  in 
Monheira  (Schwaben).  Der  Entwurf  stammt  von  Kunst- 
tnaler  Theodor  Baierl.  Die  Ausführung  geschah  zum 
Teil  in  Batik,  zum  Teil  in  Stickerei.  Die  Batikarbeiten 
wurden  an  der  Kunstgewerbeschule  in  München  ausge- 
führt, die  Stickerei  von  den  Franziskanerinnen  in  Dillingen. 


Für  die  Redaktion 


Gesellschaft  für  christliche  Kanst,  GmbH. 


BEILAGE 


DIE  KUNST  DEM  VOLKE 


DIE  KUNST  DEM  VOLKE. 

r)ie  zunehmende  Vertiefung  des  sozialen  Emplindens 
unserer  Zeit  hat  mit  innerer  Notwendigkeit  dazu 
geführt,  daß  dem  VoII<e  die  Tore  immer  weiter  geötl'net 
werden,  welche  ihm  lange  versperrt  waren,  jene  Tore, 
durch  welche  der  Weg  zum  Verständnisse  wahrer  Kunst 
geht.  Ist  doch  über  ihren  W'ert  als  mächtiges  Hills- 
mittel der  Volkserziehung  jetzt  jeder  Zweifel  behoben, 
sind  doch  auch  die  bereits  erreichten  Erfolge  nicht  mehr 
zu  verkennen.  Daß  die  Durchdringung  der  Volksseele 
mit  einem  sittigenden  Kunstgefühl  nicht  mit  einem 
Schlage  niöghch  ist,  darüber  kann  man  sich  freilich 
nicht  täusclien  und  darf  es  auch  niclit,  muß  vielmehr 
aus  dieser  Überzeugung  das  Gebot  ableiten,  unermüd- 
lich weiterzuarbeiten  und  vor  allem  dabei  die  heran- 
wachsende Generation  im  Auge  zu  behalten.  Beim 
Anfange  des  Krieges  ist  ein  schönes  Wort  gesprochen 
worden:  »Wir  wollen  kämpfen,  damit  unsere  Kinder 
es  einmal  besser  haben  als  wir.«  Dieser  Ausspruch 
paßt  auch  auf  die  hier  in  Rede  stehenden  Bestrebungen. 
Dem  Volke  mul3  unter  Aufbietung  aller  Kraft  ein  Besitz 
wieder  erkämpft  werden,  dessen  es  sich  ehemals  erfreut 
und  mit  dessen  Hilfe  es  Vorbildliches  geschaffen  hat. 
Es  muß  allmählich  jenes  künstlerische  Feingefühl  und 
damit  jene  moraUschen  Eigenschaften  wiedergewinnen  ; 
dieser  einstige  Besitz  muß  wieder  in  der  Volksseele 
seinen  Platz  erhalten  wie  in  alten  Zeiten,  wo  Kunst  und 
Kunstgefühl  einen  selbstverständlichen  Teil  des  Daseins 
bildete.  Die  neueren  Bestrebungen  >die  Kunst  dem 
Volke<  zugänglich,  vertraut,  lieb  und  notwendig  zu 
machen,  reichen  bereits  einige  Jalirzehnte  zurück;  ihres 
Zieles  vollbewußt  und  systematisch  sind  sie  aber  eigent- 
lich erst  seit  verhältnismäßig  kurzer  Zeit  geworden. 

DienAllgemeine  Vereinigung  für  christliche 
Kunst«  ist  es,  welche  sich  dieser  Aufgabe  mit  Eifer 
angenommen  und  in  wenigen  Jahren  erreicht  hat,  daß 
ihr  Streben  als  erfolgreich  anerkannt  werden  muß.  Im 
sechsten  Jahrgange  befinden  sich  jetzt  jene  trefflichen 
Monographien,  die  sie  unter  dem  programmatischen 
Gesamttitel  >Die  Kunst  dem  Volke«  herausgibt. 
Jährlich  erscheinen  vier  Hefte  zu  dem  überaus  billigen 
Preise  von  80  (im  Jahresabonnement  75)  Pfennigen; 
zurzeit  liegt  das  zweiundzwanzigste  vor.  Auf  2'/2  Bogen 
großen  Oktavformates  bietet  jedes  50  bis  60  vorzüglich 
ausgeführte  Abbildungen  von  Kunstwerken  ersten  Ranges, 
dabei  durchweg  von  solchen,  welche  für  die  Bildung 
des  Auges  und  Gemütes  von  Nutzen  sein  und  jeglichem 
rein  empfindenden  Beschauer  zu  wahrhalter  Freude  ge- 
reichen müssen.  Dieser  Zweck  desästhetisclien  Genusses 
und  der  daraus  sich  ergebenden  Folgen  für  die  Ge- 
schmacks- und  Geistesbildung  ist  es,  worauf  es  ankommt; 
nicht  etwa  darauf,  eine  Nation  von  Kunsthistorikern  und 
Kunstkritikern  heranzubilden.  Den  in  den  einzelnen 
Heften  nach  bestimmten  Thematen  vereinigten  Gruppen 
geht  jedesmal  ein  Text  zur  Seite,  der  aus  der  Feder 
eines  anerkannten  Kenners  des  betrefl'enden  Gebietes 
stammt;  Grundsatz  ist  klare  Gemeinverständlichkeit  bei 
eigenem  wissenschaftlichem  Wert,  Fernhalten  von  lach- 
gelehrsamen  Auseinandersetzungen  nebst  der  zugehörigen 
Terminologie,  sowie  von  jeglicher  Polemik  wissenschaft- 
licher, politischer,  konfessioneller  oder  sonstiger  Art. 
Ist  somit  dafür  gesorgt,  daß  der  Genuß  am  Kunstwerke 
und  die  Vertiefung  in  dessen  Eigenart  und  Scliönheit 
durch  nichts  beeinträchtigt,  vielmehr  kräftig  gefördert 
wird,  so  ist  gleichzeitiges  Ziel,  den  Blick  auch  zu  er- 
weitern. Die  modernste  Kunst,  über  deren  Wert  die 
Akten  noch  nicht  geschlossen  sind,  ist  absiclitlich  niclit 
in  den  Bereich  der  Betrachtung  gezogen  worden,  dafür 
aber  die  ältere  aus  sehr  verschiedenen  Epochen  und  Be- 
zirken des  christhchen  Kunstschafiens. 

Den  weitesten  Raum  nimmt  bisher   die  Malerei   ein. 


weil  sie  dem  erst  zu  schulenden  Geiste  am  leichtesten 
zugänglich  ist.  Doch  ist  einmal  auch  das  scliwierigere 
Gebiet  der  Plastik  und  in  mehreren  Fällen  das  der 
monumentalen  Baukunst  betreten  worden.  Einige  Hefte 
geben  ikonographische  Überblicke,  eins  übernimmt  die 
Führung  zu  den  Schätzen  einer  der  berühmtesten  Kunst- 
stätten der  Welt,  dem  Vatikan.  Das  Verdienst  hier- 
bei den  Führer  zu  machen,  erwarb  sich  der  Rektor  des 
deutschen  Canipo  Santo  in  Rom,  Msgr.  Anton  de  Waal. 
Hefte  ikonograp  hischen  Inhaltes  sind  »Weih- 
nachten in  der  Malerei«  von  Dr.  Joh.  Damrich  und  »Die 
Madonna  in  der  Malerei«  von  P.  M.  C.  Nieuwbarn  O.  P. 
Drei  Monographien  beschäftigten  sich  mit  Meisterwerken 
der  Architektur.  Alle  drei  schrieb  Dr.  Oskar  Doering. 
In  zweien  betrachtete  er  die  berühmtesten  Kathedralen 
der  verschiedensten  Länder  —  eine  gedrängte  Einfüh- 
rung in  das  Wesen  vorbildlichen  Kirclienbaus,  und  eine 
Darlegung,  wie  dessen  Ideal  je  nach  der  Mannigfaltig- 
keit zeitlicher  und  örtlicher  Bedingungen  verschieden- 
artig angestrebt  worden  ist.  Das  dritte  dieser  Baukunst- 
hefte bespricht  ein  Thema,  welches  gerade  jetzt  beson- 
deres Interesse  erregen  muß,  »Die  deutsche  Burg«. 
Jedem  von  uns  muß  das  Herz  aufgehen  beim  Anblicke 
dieser  ehrwürdigen  Reste.  Ist  es  doch,  als  sprächen 
sie  zu  uns: 

»von  heleden  lobebaeren,  von  grözer  arebeit, 
von  freude  unt  hochgeziten,  von  weinen  unde  klagen, 
von  kuener  recken  striten.«   — 

Das  Plastikheft  (Text  gleichfalls  von  Dr.  Doering) 
macht  mit  der  herrlichen  Feinheit  der  Arbeiten  bekannt, 
die  dem  Luca  della  Robbia  und  seinem  Kreise  ihre 
Entstehung  verdanken.  —  Von  jenen  Monographien, 
die  sich  mit  der  Malerei  beschäftigen,  sind  zwei  der 
Betrachtung  wichtiger  alter  Malschulen  gewidmet. 
Dr.  Damrich  bearbeitete  »Die  altschwäbische  Malerei«, 
Dr.  Andreas  Huppertz- Köln  »Die  altkölnische  Maler- 
si-hule«.  Beide  Hefte  bieten  Bilder,  deren  echt  deutsche 
An  und  Gemütstiefe  einen  unwideistehlichen  Zauber 
ausüben.  Die  übrigen  Malereihefte  sind  durchweg  bio- 
graphischer Art.  Man  findet  Murillo  (Doppelheft  von 
Dr.  Adolf  Fäh),  Peter.  Paul  Rubens  (von  Dr.  Walter 
Rothes) ;  von  italienischen  Malern  wurden  bisher  Beato 
Angelico  und  Domenico  Ghirlandajo  gewürdigt,  ersterer 
durch  P.  Fr.  Innocenz  M.  Strunk  O.  P.,  letzterer  durch 
Dr.  Walter  Bombe.  Bei  weitem  die  meisten  Mono- 
graphien dieser  Gruppe  aber  gelten  deutschen  Künstlern, 
und  zwar  zumeist  neueren.  Die  ältere  Zeit  kam  mit 
Albrecht  Dürer  und  dem  jungem  Hans  Holbein  zu 
ihrem  Recht ;  über  beide  schrieb  Dr.  Damrich.  Zahl- 
reiclie  Meister  der  Malerei  erwählte  man  aus  dem 
19.  Jahrhundert.  In  den  Werken  von  Ludwig  Richter 
und  Moritz  von  Schwind  (beide  Monographien  von 
Dr.  Hyazinth  Holland),  in  denen  Joseph  von  Führichs 
(ilin  schilderte  Heinrich  von  VVörndle)  waltet  jegliche 
Tiefe  echt  deutschen  Empfindens.  Zu  den  Höhen  ge- 
waltigster Kunst  erhebt  es  sich  in  den  Schöpfungen 
des  großen  Peter  von  Cornelius,  dessen  Monographie 
von  Max  Fürst  stammt.  Waffen  klirren  in  den  pracht- 
vollen Schlachtenmalereien  des  Theodor  Horschelt.  Das 
von  Dr.  Holland  über  diesen  letzteren  verfaßte  Heft 
bildet  einen  der  schönsten  Beiträge  zu  der  Kriegslite- 
ratur, auf  die  jetzt  aller  Augen  gerichtet  sind.  Noch 
dazu  lernt  das  deutsche  Volk  hier  einen  Künstler 
würdigen,  der  viel  zu  wenig  bekannt  ist-  —  Auf 
Grund  aller  dieser  Monographien  sind  auch  Lichtbilder- 
vorträge hergestellt  worden ;  die  Bezugsbedingungen 
teilt  die  Allgemeine  Vereinigung  für  chtistliche  Kunst 
(München,  Karlstraße  55)  mit.  —  Dem  vielseitigen 
Streben  der  Vereinigung,  welches  in  der  »Kunst  dem 
Volke«  sich  kundgibt,  und  in  dem  sie  rühmlicher- 
weise   auch    unter    jetzigen   schwierigen   Verhältnissen 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN.  -  BÜCHERSCHAU 


nicht  nachläßt,   darf  von  Herzen   auch   fernerhin  jener 
Erfolg  gewünscht  werden,  den  es  vollauf  verdient. 

Dr.  E.  Heidegger. 

VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Maler  Rudolf  Frische,  ein  geborner  Osnahrücker, 
hat  sich  vor  einiger  Zeit  in  seiner  Heimatstadt  nieder- 
gelassen. Frische  lebt  fast  ausschheßlich  der  kirchlichen 
Kunst  und  hat  schon  vieles  auf  diesem  Gebiete  geschaffen. 

Die  St.  Johanneskirche  in  München-Haid- 
hausen  erhielt  ein  neues  gemaltes  Fenster,  das  den 
lil.  Märtyrern  gewidmet  ist.  Der  Entwurf  stammt  von 
Augustin  Fächer  und  wurde  von  der  Kirchmairschen 
Glasmalerei  in  Haidhausen  ausgeführt. 

Bildhauer  Franz  Schildhorn  hat  im  Auftrage 
des  Herrn  Stadipfarrers  Hellmair  in  Landsberg  am  Lech 
eine  HerzJesu-Statue  gefertigt. 

Dem  gelehrten  Kunsthistoriker  P.Stephan 
Beißel,  dessen  Ableben  wir  in  der  vorigen  Nummer 
berichteten,  widmete  P.  Joseph  Braun  in  den  »Stimmen 
der  Zeitc  (6.  Heft  des  89.  Bandes)  einen  Nachruf,  auf 
den  wir  die  vielen  Verehrer  des  Heimgegangenen  hin- 
weisen. 

Gelsenkirchen  inW.  In  Anwesenheit  von  Ver- 
tretern der  staatlichen,  städtischen  und  geistlichen  Be- 
hörden wurde  vergangenen  März  das  Liebfrauenstift  der 
Sl.  Georgs-Pfarrei  mit  einer  dem  Ernst  der  Zeit  entspre- 
chenden schlichten  Einweihungsfeier  seiner  Bestimmung 
übergeben.  Die  nach  den  Plänen  des  Architekten  Karl 
Colombo-Köln  geschaffenen  Anlagen  zeigen  eine  groß- 
zügige und  praktische  Lösung  eines  wirklich  modernen 
Heinis  für  erwerbstätige  Mädchen  und  eines  zu  Ge- 
meindezwecken dienenden  Saalbaues.  Das  Liebfrauen- 
stift enthält  u.  a.  Festsaal  für  800  Personen  mit  Bühne 
etc.,  kleinere  Sitzungs-  und  Vereins-Säle,  Hauskapelle, 
Speisesaal  nebst  Erholungsräumen  und  Heim  für  über 
100  erwerbstätige  Mädchen  und  Dienstmädchen.  Haus- 
haltungs-,  Koch-  und  Näh-Schulen  werden  von  Schwe- 
stern geleitet.  Die  der  St.  Georgs-Pfarre  angegliederten 
Jünglings-  und  anderen  Vereine  finden  eine  schöne  Stätte 
im  Liebfrauenstift. 

BÜCHERSCHAU 

Theorie  des  Kirchenbaues  vom  Standpunkte  des 
Kirchenmusikers  und  des  Redners,  raiteinerGlocken- 
kunde  in  ihrer  Beziehung  zum  Kirchenbau  mit  14  Ab- 
bildungen und  2  Tabellen.  Von  Johannes  Biehle,  Kir- 
chenmusikdirektor in  Bautzen.  (A.  Ziemsen  Verlag, 
Wittenberg,  191 3.) 

In  dem  von  Dr.  Th.  Scheffer  herausgegebenen  Werke 
»Die  Bücher  der  Kirche«  ist  ein  zweiter  Band  über  die 
Theorie  des  Kirchenbaues,  Raumbildungen  der  Orgel- 
empore und  Aufstellung  des  Sängerchores,  kurz  über 
die  neuesten  Anforderungen  einer  Kirche  bezüglich  ihrer 
Akustik  erschienen,  welchen  der  Kirchenmusikdirektor 
Johannes  Biehle  in  Bautzen  bearbeitet  hat.  Wenn  auch 
schon  über  dieses  Thema  zahlreiche  Abhandlungen  in 
den  verschiedenen  Fachzeitschriften  veröffentlicht  wur- 
den und  mancherlei  Mängel  daraufhin  in  letzter  Zeit 
Beseitigung  fanden,  so  gingen  die  Anregungen  dazu 
doch  immer  von  Architekten  aus.  Es  ist  nun  interessant 
und  wohl  zum  ersten  Male  der  Fall,  daß  ein  Kirchen- 
musikdirektor die  Feder  ergriff  und  auf  Grund  seiner 
langjährigen  faclimännischen  Erfalirungen  den  Architek- 
ten und  Gemeinden,  die  im  Begrifi'e  stehen,  eine  neue 


Kirche  zu  erbauen,  zahlreiche  Winke  und  treffliche  Rat- 
schläge gibt,  die  er  in  seiner  langjährigen  Praxis  gesam- 
melt hat. 

Es  ist  bekanntlich  unmöglich,  daß  der  Techniker  bezw. 
Architekt  von  heute  den  vielverzweigten  Anforderungen, 
die  man  an  ihn  auf  allen  Gebieten  stellt,  bis  auf  Einzel- 
heiten gerecht  werden  kann.  Für  die  vollständige  Kennt- 
nis der  zahlreichen,  hier  in  Betracht  kommenden  Berufe 
reichten  ja  kaum  mehrere  Lebensalter  aus  I  Ich  erinnere 
nur  an  das  große  Spezialgebiet  der  Heizung,  Lüftung 
usw.  Einmal  hat  der  Architekt  eine  Kirche  zu  bauen, 
das  andere  Mal  ein  Theater,  später  zeitgemäße  Stallun- 
gen, einen  Bahnhof,  Schulen  usw.  Wenn  er  auch  im 
großen  ganzen  —  was  ja  die  Hauptsache  ist  —  die  ver- 
schiedenen Objekte  beherrschen  muß,  so  ist  es  doch 
sehr  notwendig,  auch  die  Ansichten  von  Spezialfach- 
leuten  der  diesbezüglichen  Gewerbe  anzuhören;  denn 
nur  Hand  in  Hand  mit  diesen  kann  etwas  Vollkommenes 
geschaffen  werden. 

Schon  einer  der  bekanntesten  Kirchenbaumeister,  Bau- 
rat Gräbner  in  Dresden,  hat  bei  Errichtung  von  Kirchen 
auf  die  Notwendigkeit  der  praktischen  Anlage  von  Sän- 
geremporen unter  Zugrundelegung  der  Ratschläge  eines 
Kirchenmusikers  hingewiesen. 

Nach  der  Orgelstärke  ist  auch  die  Zahl  der  zu  ver- 
wendenden Sänger  bezw.  Musiker  zu  berechnen,  aber 
auch  die  Orgelstärke  und  die  Sängerempore  nach  der 
Größe  und  dem  Umfange  einer  Kirche  zu  bestimmen, 
welch'  letzteres  nicht  immer  der  Fall  ist.  Denn  oft  ist 
schon  nach  Fertigstellung  eines  Gotteshauses  bei  dem 
der  Architekt  seine  Tätigkeit  aus  Mangel  an  Geldmitteln 
für  die  innere  Einrichtung  beenden  mußte,  nachträglich 
eine  Orgel  aufgestellt  worden,  die  viel  zu  gewaltig  für 
die  mittlere  beziehungsweise  kleine  Kirche  war. 

Das  vorliegende  interessante  Buch  behandelt  nun  eine 
allgemeine  Begründung  der  baulichen  Forderungen  einer 
Kirche,  die  Bestimmung  der  Orgelgröße,  des  Klangwertes 
der  Orgel  nach  Einheiten,  dann  ihre  Beziehungen  zu 
anderen  Klangkörpern  und  die  bauliche  Anlage  des  Chor- 
raumes, endhch  die  Stellung  des  Spieltisches.  Auch  der 
Beleuchtung  wurde  gedacht,  was  eine  Notwendigkeit  ist. 
Weiter  behandelt  Biehle  die  Gruppierungsmöglichkeiten 
des  Altarraumes  zu  Chor  und  Orgel  und  deren  Einord- 
nung im  Grundriß  der  Kirche.  Von  weiterem  Interesse 
sind  die  Erfahrungen  des  Autors  über  die  Orgelaufstel- 
lung: wenn  der  Chorraum  an  der  Südseite,  die  Orgel 
an  der  Westseite  liegt  und  umgekehrt,  wenn  letztere  an 
der  Südseite  aufgestellt  wird  oder  die  Orgel  mit  dem 
Altarraum  verbunden  ist. 

Vom  confessionellen  Standpunkte  aus  sind  die  Urteile 
manchmal  einseitig,  im  allgemeinen  jedoch  treffend.' Mit 
dem  vorgeschlagenen  Kirchenbausystem  erinnert  er  uns 
an  manche  protestantischen  Kirchen  des  18.  Jahrhunderts. 
Weiter  ordnet  Biehle  geeignete  Nebenräume  für  Kirchen- 
musik an.  Auch  der  Raumakustik  gedachte  er  und  geht 
auf  die  physikalischen  Vorörterungen  über,  sowie  auf 
Größe  der  Grundrißgestahung  nach  akustischen  Gesichts- 
punkten, wobei  freilich  seine  Theorie  manchmal  von 
der  Wirklichkeit  abweicht.  Mittel  für  eine  gute  Akustik 
sind  wolil  bekannt.  Die  von  Biehle  erwähnten  Kork- 
platten und  Korkkörner,  welche  in  Kirchen  zur  Erzeu- 
gung einer  guten  Akustik  zur  Anwendung  gelangten, 
sind  erfahrungsgemäß  nicht  immer  zuverlässig,  auch  ist 
oftmals  ihre  Anbringung  viel  zu  umständlich.  Das  beste 
Material  für  eine  treffliche  Schallwirkung  ist  immer  Holz, 
was  Verfasser  des  Buches  aucli  zugibt.  Wir  haben  seiner 
Zeit  im  »Pionier«  einen  Artikel  darüber  gebracht.  Da  nun 
die  Kirchen  immer  mehr  in  Beton  und  Eisenbeton  zur 
Ausführung  gelangen,  ein  Material,  welches  bekanntlich 
die  schlecliteste  Akustik  ergibt,  so  wären  vielleicht  hier 
auch  einige  Winke  darüber  am  Platze  gewesen.  Denn 
wie  ungünstig  Musik  und  Gesang,  desgleichen  Predigten 


BÜCHERSCHAU 


in  solchen  Kirchen  mit  gewölbten  Eisenbetondecken 
wirken,  ist  bekannt. 

Zum  Schlüsse  bringt  der  Verfasser  eine  fesselnde  Stu- 
die über  Glockeiikunde  in  Berücksichtigung  ihrer  Be- 
ziehung zum  Kirchen-  und  Städtebau.  Er  bespriclit  die 
Piiysik  der  Glocke  und  die  Metliodc  der  akustischen  Un- 
tersuchung und  gibt  in  Tabellen  und  Formeln  die  Er- 
gebnisse an,  geht  dann  zum  Schluß  auf  die  Bewertung 
von  Glocken  und  auf  praktische  Fragen,  über  Bronze- 
und  Gußstahl-Glocken  über. 

Es  ist  hochinteressant,  über  all  diese  Fragen  einen 
praktischen  Kirchenmusiker,  wie  Biehle  einer  ist,  zu  hören 
und  wir  müssen  seine  wertvollen  Erfihrungen,  die  er 
in  seinem  ausgezeichneten  Werke  niederlegte,  Anerken- 
nung zollen.  Jedem  Architekten  für  Kirchenbau,  des- 
gleichen baulustigen  Kirchengemeinden  sei  daher  dieses 
Buch  bestens  empfohlen.  Steilen 

Wilhelm  Finder,  Mittelalterliche  Plastik 
Würzburgs.  Würzburg  191 1.  Curt  Kabitzsch(A.  Stubers 
Verlag).  Preis  ungeb.  :2M. 

Die  Kunstgeschichte  der  Würzburger  Zone  war,  wie  teil- 
weise auch  die  anderer  Gebiete,  lange  ein  Aschenbrödel  ge- 
wesen. Außer  Rienienschneider  kannte  man  keinen  Künst- 
ler bezw,  keine  Epoche  näher.  Henners  Altfränkische 
Bilder  machten  weite  Kreise  auf  den  reichen  Kunstbesitz 
Frankens  aufmerksam.  Kellers  Bahhasar  Neumann  eröff- 
nete dann  den  Reigen  der  monographischen  Arbeiten. 

Einen  wertvollen  Beitrag  zur  Erforschung  der  unter- 
fränkischen Kunstgeschichte  bedeutet  die  vorliegende 
Arbeit  Pinders  über  Würzburgs  mittelalterliche  Plastik. 
Für  die  Geschichte  der  Würzburger  Plastik  bildet  sie 
den  Sockelbau.  Die  Untersuchungen  erstrecken  sich  über 
die  plastischen  Erscheinungen  der  Würzburger  Zone  vom 
Ende  des  13.  bis  zur  Mitte  des  15.  Jahrhunderts.  Was 
von  da  ab  bis  zu  den  achtziger  Jahren  folgt,  betrachtet 
Pinder  als  Vorbereitung  auf  Riemenschneider.  Pinder  be- 
ginnt, wie  bemerkt,  mit  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts. 
Die  Zeit  voraus  ist  nämhch,  von  dem  Grabstein  des 
Bischofs  Gottfried  von  Spitzenberg  (fiigo)  und  orna- 
mentaler Bauplastik  abgesehen,  in  Würzburg  nicht  ver- 
treten. An  der  großen  plastischen  Epoche  des  I3.jalir- 
hunderts  liatte  Würzburg  keinen  Anteil,  wenigstens  sind 
keine  Denkmäler  erhalten.  Nur  das  Epitaph  des  Bischofs 
Mangold  von  Neuenburg  (f  1305)  bezeichnet  einen  Nach- 
klang der  Epoche.  Die  Untersuchung  beginnt  also  mit 
dem  Schluß  des  15.  Jahrhunders.  Um  diese  Zeit  ent- 
stand die  Deutscliordenskirche  mit  ihrer  bisher  wenig 
bekannten  sehr  bedeutenden  Bauplastik.  Groß  ist  der 
Bestand  im  14.  Jahrhundert,  der  Mehrzahl  nach  Grab- 
denkmäler. Im  1 5.  Jahrhundert  kommen  dazu  die  wert- 
vollen Portalskulpturen  der  Marienkapelle. 

Mit  gewissenhaftester  Sorgfalt  hat  Pinder  den  gan- 
zen Bestand  aufgesucht  und  mit  tiefem  Verständnis  ge- 
schichthch  und  kunstgeschichtlich  geordnet.  Manche  bis- 
herige Irrtümer  werden  dabei  korrigiert,  die  inneren 
Zusammenhänge  aufgesucht.  Den  methodischen  Apparat 
beherrscht  der  Verfasser  vollständig.  In  Detailfragen 
mögen  ja  abweichende  Meinungen  gelegentlich  mög- 
lich sein.  Die  Beiziehung  der  Siegel  z.  B.  zur  Bestim- 
mung der  lokalen  Entwicklung  setzt  den  Beweis  voraus, 
daß  sie  wirklich  in  Würzburg  angefertigt  wurden,  was 
eben  nicht  sicher  ist. 

Die  Ausstattung  des  Bandes  ist  tadellos;  56  Tafeln 
mit  Autotypien  illustrieren  die  Darstellung.  Wir  nannten 
die  Pindersche  Monographie  den  Sockelbau  für  die  Ge- 
schichte der  Würzburger  Plastik.  Inzwischen  ist  bereits 
die  nachriemenschneidersche  Zeit  durch  L.  Bruhns  be- 
handelt worden.  Wir  hoffen,  daß  sich  weitere  Arbeiten 
über  die  reiche  Epoche  unter  Fürstbischof  Julius  und 
über  das  nicht  minder  reiche  18.  Jahrhundert  anreihen 
werden.  F.  Mader 


Schwabing.  Briefliche  Plaudereien  von 
Th.  Dombart.  Mit  92  Abbildungen.  1913  Bayerland- 
verlag G.  m.  b.  H.  zu  München.  VIII  und  150  Seiten  8". 
Brosch.  M.  2.50,  geb.  M.  3.50. 

Die  Behandlung  eines  spröden  historischen  Stoffes 
in  Briefform  ist  namentlich  in  der  bayerischen  Literatur 
keine  Seltenheit.  Sie  war  vor  loo  Jahren  sehr  beliebt. 
Es  braucht  in  diesem  Falle  nur  an  von  übernbergs 
>  Reisen  durch  Bayern  <  erinnert  zu  werden.  Jetzt  taucht, 
wie  alles  im  Leben,  so  auch  in  der  Literatur  diese 
Art  des  populärwissenschafthchen  Essayisten  wieder  auf. 
Der  Historiker  wird  sich  mit  ihr  nur  schwer  abfinden. 
Bietet  sie  doch  oft  dem  tatsächlichen  Nichtwisser  einen 
willkommenen  Deckmantel  fürobeillächliches  Geschwätz. 
Dieser  Vorwurf  trifft  allerdings  auf  Dombarts  Plaudereien 
nicht  zu.  Mit  großer  Liebe  und  bewundernswertem 
Fleiß,  von  dem  die  am  Schlüsse  des  ^\'erkes  angegebene 
Fülle  der  durchgearbeiteten  Literatur  und  Akten  zeugt, 
trug  er  zusammen,  was  er  über  seinen  Heimatsort 
finden  konnte.  Ja  einige  Kaphel  bieten  fast  des  Guten 
zu  viel,  so  daß  es  schwer  fällt,  sich  durch  die  Unmenge 
von  Namen  durchzulesen,  die  in  erster  Linie  die  Kenner 
Scliwabinger  Verhältnisse  angeht.  In  den  einzelnen 
Kapiteln,  welche  der  Geschichte  der  »Künstlerstadt«  von 
ihrer  Gründung  um  500  bis  zur  Einverleibung  Milbeils- 
hofens  (1913),  über  das  im  Jahrgang  1911/12  der 
»Christlichen  Kunst<  gehandelt  wurde,  nachgehen,  finden 
sich  auch  wertvolle  Angaben  allgemeiner,  volk-skund- 
licher  und  kunsthistorischer  Art.  In  letzterer  Beziehung 
ist  namentlich  das  reiche  Abbildungsmaterial  interessant. 
So  bilden  die  Votivbilder  und  Bilder  aus  der  alten 
Nikolaikirche  und  das  Schidersche  Gemälde  vom  Chi- 
nesischen Turm  aus  der  öffentlichen  Kunstsammlung 
zu  Basel  für  den  Künstler  und  Kunsthistoriker  wahre 
Kabinettstücke.  w.  ziis 

Eduard  von  Rodt,  Bernische  Kirchen.  Ein 
Beitrag  zu  ihrer  Geschichte.  Mit  100  Illustrationen. 
Bern,  Francke,   1912. 

Wohl  der  beste  Kenner  der  bernischen  Kunstgeschichte, 
der  Architekt  Ed.  v.  Rodt  hat  die  Bundeshauptstadt  be- 
reits in  sechs  Bänden  behandelt,  in  denen  er  je  ein 
Jahrhundert  seiner  Heimat  kulturhistorisch  und  kunst- 
geschichtlich beleuchtete.  Von  den  bernischen  Burgen 
wandte  er  sich  nun  den  Kirchen  des  Kantons  zu.  Es 
handelt  sich  im  Rodtschen  Werke  keineswegs  um  eine 
lokale  Kunstgeschichte  im  engen  Sinne,  sondern  um 
die  geschichtliche  Verfolgung  der  Kirchen  des  Landes, 
in  der  das  kunsthistorische  Interesse  und  die  Vorliebe 
für  Volkskunde  deutlich  hervortreten.  Aus  den  sagen- 
haften Spuren  des  römischen  Christentums  in  der  Schweiz 
tritt  die  Wirksamkeit  der  irischen  Glaubensboten  hervor, 
mit  dem  8.  Jahrhundert  eröffnen  sich  die  historischen 
Quellen  und  1050  begegnet  uns  die  erste  Klosterstif- 
tung in  Rüeggisberg.  Reiches  kirchliches  Leben  ent- 
wickelt sich  nun  in  der  Entstehung  von  Gotteshäusern 
und  Klöstern,  deren  Einkünfte  ihre  besondere  Berück- 
sichtigung fanden.  Damit  sind  die  Grundlagen  für  einen 
kirchengeschichtlichen  Rückblick  bis  zum  16.  Jahrhun- 
dert gelegt.  Man  muß  bekennen,  daß  der  Nichtkatholik 
sich  auf  dem  ihm  fremden  Gebiete  mit  ernster  Objek- 
tivität bewegt.  Ein  wehmutsvolles  Kapitel  ist  über- 
schrieben :  Die  Reformation  und  das  Schicksal  der  Gottes- 
häuser. Was  vom  Münster  in  Bern  gesagt  wird:  »also 
wurden  in  disem  grülichen  Sturm  in  der  lütkilchen 
25  altär  und  das  sacramenthus  geschhssen,  die  götzen 
zerschlagen  und  in  des  kilchhofs  schütte  vergraben«, 
gilt  für  das  ganze  Land.  Die  Kirchenorganisation  nach 
der  Reformation  führt  in  etwas  auffallender  Weise  zum 
Kirchenbau  vor  derselben,  in  welchem  v.  Rodt  mit  dem 
Interesse  der  Archäologen  die  Bauten  stilkritisch  zu 
Gruppen  ordnet,   aber   auch   den  Glasgemälden,   selbst 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


der  Ausstellung  war  Hermanns  kleines  Bildchen  »Gassen- 
schenke«: ein  in  zerstreutem  Lichte  stehender  Raum 
mit  bläulicher  Wandfarbe,  darin  der  Schenktisch,  hinten 
durch  eine  olVene  Tür  Ausblick  in  das  helle  Licht  des 
Gartens,  dieses  Licht  auf  dem  nassen  Boden  des  Innen- 
raumes sich  spiegelnd.  Etwas  konstruiert  schien  August 
Riepers  »Freundinnen«,  zwei  junge  Mädchen  in  Volks- 
tracht in  einem  bäuerlichen  Wohnräume  vor  einem 
geöffneten  brandroten  Schranke.  Stille  Wirkung  tat 
P.  FelgentretTs  »Oberbayerische  Bauernstube«  mit  ihrer 
braunen  Holztäfelung  und  dem  durch  rotverhängte 
Fenster  eindringenden  Lichte.  Überaus  delikate  Farben- 
wirkung übte  das  zartblaue  Rokoko-Interieur,  welches 
FI.  Rumpelt  im  Uphagenhause  zu  Danzig  beobachtete. 
Bei  dem  Bilde  »In  der  blauen  Stube«  von  L.  Blume- 
Siebert  war  das  zarte  Blaugrau  der  Wand  der  inter- 
essante Gegensatz  zu  den  im  übrigen  herrschenden 
warmen  Tönen  der  Ausstattung  und  der  Personen. 
Starkfarbig  war   eine  Bauernstube  von  Müller -Wischin. 

Auch  diesmal  fesselte  die  Gruppe  der  Stilleben- 
malerei durch  einen  Reichtum  klar  beobachteter  und 
vorzüghch  wiedergegebener  Motive.  In  erster  Linie 
möchte  ich  dabei  der  Werke  von  August  Hermann- 
AUgäu  gedenken,  seiner  warmtönigen  Mispeln,  seines 
Wildstillebens,  eines  anderen  mit  Nußhähern  und  der- 
gleichen. Marie  A\'eger  malte  ein  dunkeltöniges  Bild  mit 
Steinpilzen,  G.  Thoma-Höfele  ein  lebhaft  farbiges  mit 
Porzellan  und  Silber.  Stark  dekorativ  war  ein  Still- 
leben von  L.  AdamKunz,  farbig  und  technisch  inter- 
essant »Die  blaue  Vase«  von  A.  de  Bouche.  Tüchtige 
Blumenstücke  waren  u.  a.  von  Meyer-Waldeck,  Franz 
Frankl,  Franz  Guillery.  Miniaturhafte  Feinheit  besaß 
F.  Simms  »Trödlerin«,  deren  eigene  Gestalt  allerdings 
innerhalb  ihres  bunten  Krams  reichlich  ideahsiert  er- 
schien. 

Die  rein  um  ihrer  selbst  willen  behandelte  Land- 
schaft fand  sich  in  einer  verhältnismäßig  nur  geringen 
Zahl  von  Werken,  deren  durchweg  bedeutende  dualität 
hervorzuheben  ist.  In  großzügigem  Vortrage,  cliarakter- 
voUeni  Kolorit  und  hellem  Lichte  behandelte  Ludwig 
Bolgiano  Motive  aus  dem  Chiemgau  und  aus  Traun- 
stein.  Eine  Leistung  von  feinem  Reize  war  Alb.Wenks 
unter  saftgrünen  Bäumen  dahinströmender  Gebirgsbach. 
Derselbe  Künstler  brachte  auch  eine  wohl  etwas  allzu 
lichte  Studie  aus  der  Partnachklamni.  Zwei  Föhn- 
stimmungen mit  prachtvollem  Gegensatze  grauen  Him- 
mels und  stilltönigen  Landes  gegen  tiefblaue  Berge 
malte  Alb.  Stagura.  Mit  fein  graubraunen  Tönen  und 
großer  Linie  erweckte  August  Finks  »Herbst  im  Moos« 
Erinnerung  an  die  Auffassungen  der  älteren  Münchener 
Landschaftsschule.  Durch  treffliche  Schneemalerei  zeich- 
neten sich  ü.  a.  Werke  von  H.  Klalt,  Otto  Rau,  C 
Keßler,  Müller-Landeck  aus.  Eine  Brücke  in  Eichstätt 
malte  Voß  mit  feinsilbriger  Spiegelung,  M.  Landschreiber 
einen  sonnigen  Abend  am  Ammersee  und  einen  Durch- 
blick durch  herbstliche  Bäume  auf  eine  hohe  Felswand, 
in  Maienblüte  stehende  Bäume  M.  ünterwalder.  Eine 
feine  Morgenstimmung  aus  dem  Herzogspark  mit  Bir- 
ken und  blühenden  Disteln  bot  Jos.  Schoverer.  An 
den  Chiemsee  führte  Joh.  Friedr.  Engels  delikat  ge- 
raalter Einbaum,  H.  Kochs  fein-  poetischer  »Kloster- 
friede« (Studie  von  Frauenchiemsee).  Zu  den  ausge- 
zeichnetsten Darbietungen  der  Ausstellung  gehörte  Josef 
Woplhers  »Fischfang  am  Chiemsee«,  ein  wegen  der 
lebendigen  Schilderung  des  Vorganges,  wie  wegen  der 
Behandlung  der  Landschaft  gleich  hervorragendes  \\'erk. 
Leopold  Schönchen  malte  ein  in  grauer  Stinmiung  ge- 
hahenes  Meeresbild,  ferner  einen  Kutter  auf  leicht  be- 
wegtem Wasser  mit  feiner  Zusammenstellung  weißer, 
grauer  und  bläulicher  Töne,  sowie  mit  schönen  Lüften. 
Großen  Reiz  gaben  namentlich  die  letzteren  auch  einem 
mit   Bevorzugung    von    Blau    durchgeführten   Hochsee- 


bilde desselben  Meisters.  Kraftvoll  war  ein  Meer  bei 
aufziehendem  Gewitter  von  Alf.  Bachmann. 

Von  Graphiken  gab  es  sehr  wenig.  P.  Götz- 
Rächnitz  behandelte  in  zwei  Holzschnitten  mit  alle- 
gorischer Auffassung  das  Thema  »Das  Kriegsziel«.  Paul 
Geißler  zeigte  mehrere  von  jenen  feinen,  selbst  gedruck- 
ten Radierungen,  zu  welchen  ihm  Architekturgruppen 
aus  unseren  alten  deutschen  Städten  die  dankbaren 
Motive  liefern. 

Unter  den  Plastiken  zeichnete  sich  Alois  Stehles 
lebensgroße  Marmorbüste  des  Fürsten  von  HohenzoUern 
ebenso  sehr  durch  die  Pracht  ihres  Materials  wie  durch 
ihre  trotz  des  etwas  pathetischen  Vortrages  überzeugende 
Lebensechtheit  aus.  Innerlich  empl'unden  und  anmutig 
war  die  bronzene  Statuette  eines  Landmädchens,  wel- 
ches betend  dasteht,  von  Emil  Maniquet.  Treulich 
beobachtete  Dackln  hatte  Emil  Wünsche  in  Bronze 
dargestellt.  Adolf  Daumiller  zeigte  eine  Anzahl  von 
Medaillen  mit  Bildnissen,  Allegorien  und  dergleichen,  Ar- 
beiten, die  trotz  ihrer  Kleinheit  durch  die  Kraft  ihres 
Vortrages  bedeutend  wirkten.  Porträtplaketten,  sowie 
umfängliche  Medaillen  in  Eisen  und  Bronze,  die  bei 
großzügiger  Stilisierung  doch  voller  Leben  waren, 
brachte  Eduard  Beyrer  als  Bestandteil  einer  etwas  größe- 
ren Auswahl  seiner  Plastiken.  Endlich  sei  eines  von 
Richard  Aigner  ausgestellten,  in  Gips  geformten  Knaben- 
kopfes gedacht,  der  sich  durch  trefThche  Schilderung 
eines  in  dem  Gesichte  sich  aussprechenden  kindlichen 
Eigensinnes  auszeichnete.  Dr.  i£.  Hei.icf.'i:cr 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

M.  von  Feuersteins  Kriegsgedächtnisblatt. 
Am  Schlüsse  des  Aufsatzes  über  Martin  von  Feuerstein 
(im  ersten  Hefte  des  neuen  [ahrganges  der  „Christlichen 
Kunst")  wurde  kurz  auf  ein  von  diesem  Meister  ge- 
schafienes  Erinnerungsblatt  hingewiesen,  welches  im 
Verlage  der  Gesellschaft  für  christliche  Kunst  erscheinen 
würde.  Das  Werk  hat  die  Bestimmung,  dem  Ehren- 
gedächtnisse gefallener,  wie  auch  am  Leben  gebliebener 
sowohl  deutscher,  wie  österreichischer  Kriegsteilnehmer 
zu  dienen.  Das  Erinnerungsblatt  liegt  nunmehr  vor  und 
zwar  in  zwei  verschieden  großen  Ausg.tben  (52  :  23 
bezw.  42  :  30,5  cmi.  Man  sieht  in  der  Mitte  eine  hoch- 
rechteckige, am  Fuße  derselben  eine  schmälere  quer- 
laufende graue  Fläche,  für  die  Erinnerungsinschritten. 
Die  erstere  zeigt  außerdem  einen  Spruch  oder  Vers; 
mehrere  alte  und  neue  Fassungen  sind  dafür  gewählt 
worden,  so  daß  jeder  Erwerber  eines  solchen  Blattes 
iinden  dürfte,  was  ihm  zusagt.  —  Während  die  untere 
leere  Inschriftiläche  nur  einfach  eingelaßt  ist,  prangt  die 
obere  in  herrlichem  Schmucke.  Ein  breiter,  in  edeln 
schlichten  Linien  gehaltener  Rahmen  umgibt  sie.  Er  ist 
mit  Blumen-  und  l'ruclitgirlanden  geziert,  zwischen  ihnen 
hängen  Täfelchen  mit  den  |ahreszahlen  1914  und  1915, 
zwei  leer  gebliebene  Täfelchen  können  noch  weitere 
Jahreszahlen  aufnehmen.  Links  oben  hängen  über- 
einander die  Wappen  Deutschlands  und  t)sterreich- 
Ungarns.  Dieser  Rahmen  bildet  eine  plortenartige  Ar- 
chitektur. Von  der  Unterkante  der  großen  Inschrilt- 
lläche  senken  sich  zwei  breite  Stufen  nach  vorn ;  auf 
diesen  ist  eine  der  schönsten  Figurengruppen  angeordnet, 
welche  Feuerstein  geschafTen  hat  —  sie  gehört  zu  den 
prachtvollen  Eingebungen,  welche  dem  Geiste  des  Künst- 
lers durch  die  gewaltigen  Eindrücke  und  ]->regungen 
dieser  Kriegszeit  zu  teil  geworden  sind.  Beieinander 
erblickt  man  die  vier  großen  Schutzpatrone  des  Kricger- 
•standes.  Ganz  vorn  links  steht  St.  Mauritius  als  römischer 
Legionssoldat;  er  hält  die  Hände  um  die  Stange  des 
Adlerfeldzeichens  gelaltet  und  blickt  betend  empor. 
Hinter  ilim  steht  ein  deutsches  Feldgeschütz,  zu  seinen 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


Füßen  liegt  neben  modernen  Waffen  und  Aiisrüstungs- 
gegenständen  eine  schwarz-weilS-rote  1-alnie.  Hinter  dem 
Geschütze  ragt  auf  prachtvollem  schwarjem  Rosse  die 
ritterliche  Gestalt  des  hl.  Georg  in  blinkender  Stahl- 
rüstung ohne  Helm.  Neben  dem  Geschütze  rechts  kniet 
die  gekrönte  St.  Barbara;  sie  halt  einen  Palmzweig  in 
der  Hand  und  schaut  betend  mit  begeistertem  Ausdrucke 
gen  Himmel.  Hinzein  steht  auf  der  rechten  Seite  der 
hl.  Erzengel  Michael.  Seine  Rechte  stützt  sich  auf  den 
mächtigen  Flamberg,  die  Linke  schwingt  einen  goldenen 
Schild  aufwärts,  auf  dem  die  Worte  Deo  et  patriae  ge- 
schrieben stehen.  Die  Anordnung  der  Figuren  ist  voll 
Ruhe  und  Erhabenheit.  Ausdrucks-  und  bedeutungsvoll 
sind  die  Gesichter.  Vergeistigt  erscheinen  auch  die 
Farben,  und  doch  sind  sie  voller  Leben  und  größter 
Mannigfaltigkeit.  Bewunderungswürdig  ist  die  \'er- 
quickung  der  rein  phanta.stischen  Elemente  mit  antiken, 
mittelalterlichen  und  modernen,  des  überirdischen  Idealis- 
mus mit  dem  Realismus,  der  höchsten  Poesie  mit  der 
Wirklichkeit.  Das  schöne  Erinnerungsblatt  darf  als  eine 
der  bedeutendsten  Erscheinungen  seiner  Art  begrüßt 
werden. 

Erzherzog- Friedrich  -  Medaille  von  dem 
akademischen  Bildhauer  und  Medailleur 
F^duard  Hartig  in  Wien.  Zugunsten  der  ofl'iziellen 
Kriegsfürsorge  hat  der  auf  dem  Gebiete  der  Medaillen- 
kunde bestbekannte  Wiener  Künstler  eine  Gedenk- 
medaille mit  dem  Bildnis  des  Oberkommandierenden 
der  österreichisch-ungarischen  Armee  geschaffen.  Das 
in  Bronze  hergestellte  Werk  zeigt  die  Züge  des  so 
rasch  populär  gewordenen  Erzherzogs  in  überaus 
lebendiger  und  charakteristischer  Ausführung.  Die  Rück- 
seite ziert  die  Gestalt  der  Pallas  Athene  als  Kriegsgöttin, 
die  sich  mit  der  Linken  auf  eine  Ehrentafel  mit  den 
Namen  der  siegreichen  V'oifahren  des  Feldmarschalls, 
der  Erzherzöge  Karl  und  Albrecht,  stützt.  Die  Tafel 
selbst  ist  mit  einem  aus  Lorheer  gewundenen  Sieges- 
kranze geschmückt.  In  der  Rechten  hält  die  Kriegs- 
göttin Speer  und  Schild.  Die  Umschrift  lautet:  «Dem 
Oberkommandierenden    unserer   siegreichen   Armeen.< 

K. 

Vivatbänder  und  eiserne  Medaillen.  Die 
Sitte,  das  Andenken  an  die  Ereignisse  eines  Krieges, 
an  siegreiche  Schlachten  und  Heerführer  durch  bunte, 
nach  künstlerischen  Entwürfen  liergestellte  Seidenbänder, 
sogenannte  Vivatbänder  zu  ehren,  hat  sich  nun  auch 
in  Osterreich,  speziell  in  Wien  mit  großem  Erfolge  ein- 
gebürgert. Schon  im  Siebenjährigen  Kriege,  in  den  Kriegen 
Friedrichs  des  Großen  und  der  Kaiserin  Maria  Theresia 
waren  solche  Vivatbänder  im  Verkehr  und  dem  gegen- 
wärtigen gemeinsamen  Waffengang  der  deutschen  und 
österreichischen  Armee  war  es  vorbehalten,  diesen 
schönen  Brauch  neu  erstehen  zu  sehen.  Die  künst- 
lerischen Entwürfe  stammen  von  hervorragenden  öster- 
reichischen Malern,  wie  Otto  Friedrich,  Professor 
Rudolf  Jett  mar,  Max  Liebenwein,  Dachauer, 
Offner  und  anderen.  Einige  der  schönsten  Vivat- 
bänder sind:  tVivat  die  Bundes  treue»,  «Vivat 
die  Bezwinger  von  Warschau  und  Iwangorod», 
das  «Deutschmeisterband»,  die  Bänder  für  «Erz- 
herzog Friedrich»,  «Conrad  von  Hötzendorf>, 
die  Bänder  zu  Ehren  der    «Helden  von   Tirol». 

Eine  zweite  künstlerische  Aktion  zugunsten  der  Kriegs- 
fürsorge bildet  die  Einführung  von  Kriegserinnerungs- 
Medaillen  aus  Eisen  und  Zink  an  Stelle  der  für 
Militärzwecke  benötigten  Bronze.  Diese  Medaillen 
sind  dazu  bestimmt;  ein  dauerndes  Zeichen  der  Er- 
innerung an  unsere  große  eiserne  Zeit  zu  bilden,  ähn- 
Uch  jenem  eisernen  Schmuck  und  den  eisernen  Me- 
daillen, wie  sie  aus  gleichen  Beweggründen  vor  hun- 
dert  Jahren    zur    Zeit    der    Freiheitskriege    geschaffen 


wurden  und  die  heute  bei  Sammlern  und  Kunstfreunden 
sich  größter  Wertschätzung  erfreuen.  Die  Entwürfe 
stammen  sämtlich  von  bekannten  österreichischen  Bilii- 
hauern.  .Ms  die  drei  ersten  Medaillen  sind  zu  nennen : 
«Die  Kaiserhuldigungs-Medaille»  zur  Erinnerung 
an  den  i8.  August  191 5  von  Bildhauer  Hejde,  die 
«U-Boot-Medaille»  von  H.  Zite,  eine  durch  ihre 
originelle  Komposition  sehr  interessante  Schöpfung, 
und  die  zur  .Anerkennung  der  Leistungen  unserer  Ar- 
tillerie hergestellte  «50,5-Zentimeter  -  Mörser  •  Me- 
daille», eine  prächtige  Gabe  Meister  Hans  Schwa- 
thes.  .Alles  in  allem  sind  die  Wiener  Künstler  bestrebt, 
ihr  Teil  dazu  beizutragen,  das  Los  der  vom  Kriege 
Betroffenen  nach  Kräften  zu  mildern,  möge  aber  auch 
die  Allgemeinheit  ihr  Bestes  tun,  den  von  den  Begleit- 
erscheinungen der  gegenwärtigen  großen  aber  schweren 
Zeit  hart  bedrängten  Künstlern  gleiches  mit  gleichem 
zu  vergelten.  u. 

Zum  Wiederaufbau  Ostpreußens.  Für  die 
Wiederaufbauung  der  Stadt  und  des  Kreises  Orteisburg 
hat  bekanntlich  die  Stadt  BerHn  die  Patenstelle  über- 
nommen und  sind  die  Schäden  wiederliolt  von  Ver- 
tretern Berlins  besichtigt  worden.  Die  große  katholische 
Pfarrkirche  zu  Orteisburg,  welche  besonders  stark  ge- 
litten hat,  soll,  um  einen  würdigen  Gottesdienst  nicht 
zu  stören,  schon  jetzt  wieder  hergestellt  werden.  Die 
wertvollen  alten  Glasfenster  müssen  vor  allem  zum  Teil 
ganz  neu  angefertigt  werden,  zum  Teil  restauriert  bezw. 
ergänzt  werden.  Eigenartig  ist,  daß  ein  großer  Teil 
der  Fenster  weniger  durch  Kanonenkugeln,  als  durch 
den  Brand  des  danebenstehenden,  jetzt  vollständig  ab- 
gebrannten Pfarrhauses  in  Mitleidenschaft  gezogen  wur- 
den. Die  verbindenden  Bleisprossen  sind  durch  die 
Glut  direkt  zu  Klumpen  geschmolzen.  Mit  der  kunst- 
vollen Herstellung  der  zerstörten  Kirchenfenster  hat 
man  nunmehr  den  Kunstglasmaler  C.  Busch,  Berlin- 
Südende  betraut. 

Kaspar  R.  von  Zumbuschf-  In  Rimsting  in 
Bayern  ist  in  der  Nacht  des  27.  September  einer  von 
den  Großen  gestorben,  einer,  dessen  ganzes  Lehen  nur 
Arbeit  bedeutete,  Arbeit  allerdings,  die  auch  von  einem 
nur  selten  erreichten  glänzenden  Erfolg  begleitet  und 
gekrönt  war.  Kaspar  Ritter  von  Zumbusch,  wir 
Wiener  dürfen  ihn  als  einen  der  unsrigen  bezeichnen, 
war  volle  vierzig  Jahre  hindurch  der  sozusagen  offizielle 
Plastiker,  dem,  last  mühelos  die  ehrenvollsten  und 
lohnendsten  öffentlichen  Aufträge  zufielen.  Zumbusch 
war  am  23.  November  1850  in  Herzebrock  in  Westfalen 
geboren  und  studierte  in  München  unter  Professor  Halbig. 
Nachdem  er  seine  Studien  in  Rom  beendet  hatte,  kehrte 
er  nach  München  zurück,  wo  er  zuerst  durch  seinen 
Sieg  in  der  Konkurrenz  um  das  König  Ma:-;-Denkm  al 
bekannt  wurde.  Das  Modell  dieses  Denkmals,  das  auf 
der  Wiener  Weltausstellung  im  Jahre  1873  großes  Auf- 
sehen erregte,  war  die  unmittelbare  Anregung  zu  einer 
Berufung  des  Künstlers  nach  Wien  als  Lehrer  an  die 
.Akademie  der  bildenden  Künste,  wo  die  Bildhauerschule 
zeitweise  verwaist  war.  Hans  Gasser  war  tot,  Tilgner, 
Hellmer,  unsere  nachmaligen  großen  Meister,  erst  im 
Werden.  Zumbusch  kam  mit  dem  größten  Auftrag  nach 
Wien,  der  seit  Jahrzehnten  bei  uns  vergeben  worden 
war,  mit  dem  für  das  Maria  Theresien-Denkmal. 
In  welch  hervorragender  Weise  er  seiner  künstlerischen 
Aufgabe  gerecht  wurde,  ist  jedem  Wiener  bekannt. 
Außer  dem  Maria  Theresia  Denkmal  schuf  Zumbusch 
für  Wien  noch  das  herrUche  Beethoven-Denkmal, 
die  beiden  Reiterstandbilder  Radetzkys  und  des 
Erzherzogs  Albrecht,  die  Kolossalstatue  Kaiser 
Franz  Josefs  in  der  Universität,  das  große 
Relief    mit    dem    Reiterbild     des    Kaisers    am 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


Wiener    Rathausturm,    sowie     überaus    zahlreiche 
Büsten  und  Grabdenkmäler. 

Während  seiner  Wirksamkeit  in  Wien  erhielt  der 
Künstler  auch  ehrenvolle,  große  Aufträge  aus  Deutsch- 
land, so  wurde  ihm  die  Ausführung  der  Kolossal- 
Statue  Kaiser  Wilhelms  I.  auf  dem  Wittekind- 
berge übertragen.  Eine  seiner  schönsten  Büsten  ist 
die  des  jugendlichen  Königs  Lud  wi  g  II.,  für  den 
er  später  noch  sechs  Marmorstatuetten,  die  Helden - 
gestaltenderOpernRic  ha  rd  Wagners  darstellend, 
ausgeführt  hat,  die  sich  im  Schloli  Linderhof  be- 
finden. Als  weitere  hervorragende  Schöpfungen  des 
berülimten  Meisters  gelten  noch:  die  Mariensäule 
in  Paderborn,  die  Statue  des  Grafen  Rumford 
in  München,  das  Siegesdenkmal  in  Augsburg 
sowie  eine  ganze  Reihe  von  Statuen  und  Fi- 
gurenschmuck für  eine  große  Anzahl  katho- 
lischer Kirchen.  Zumbusch  erreichte  ein  Alter  von 
fast  85  Jahren  und  hinterläßt  einen  Sohn,  den  Maler 
Ludwig  von  Zumbusch  in  München,  der  auch  in  Wien 
kein  Fremder  mehr  ist.  Richard  Ricdi 

Der  „Christliche  Kunstverein  des  Erzbistums 
Köln"  veröffentlicht  soeben  seinen  ständigen  Jahres- 
bericht für  1914  im  üblichen  anziehenden  Gewände. 
Diese  mit  Recht  anerkannte  und  beliebte  [ahresüber- 
sicht  stellt  fest,  daß  der  Ernst  der  langdauernden 
Kriegszeit  auf  manchen  Gebieten  Rückkehr  zum  Ein- 
fachen, Gesunden  und  Natürlichen  anbahnt  und  das 
unsere  deutsche  Eigenart  verunstaltende  Fremdländische 
wegfegt.  Daran  anknüpfend,  nimmt  sie  gegen  das  neu- 
zeitliche Bestreben,  unser  Kunstleben  vom  heimischen 
Nährboden  loszureißen,  Stellung,  verurteilt  das  selbst- 
zufriedene Beharren  beim  einmal  Erreichten  sowie  das 
fieberhafte  Voranpeitschen  zu  ganz  neuen  Kunstformen 
und  verficht  ruhige,  besonnene  Weiterentwicklung  im 
Anschluß  an  die  echt  künstlerisch  durchgebildete  Kunst- 
sprache unserer  Vorfahren,  aber  unter  verständnisvoller 
Berücksichtigung  der  berechtigten  Erfordernisse  der 
Gegenwart.  Der  Bericht  bringt  zum  100  jährigen  Ge- 
burtstage des  Mitbegründers  des  Vereines,  Dr.  jur.  Chri- 
stian Hermann  Vosen  (geboren  zu  Köln  9.  Juli  1815), 
dessen  ausführliche  Lebensbeschreibung  nebst  einem 
sprechenden  Bildnis  des  hochverdienten  Mannes.  Aus 
den  Neuerwerbungen  des  mit  dem  Verein  verbun- 
denen ErzbischölHchen  Diözesanmuseums  sind  erwähnens- 
wert: die  Denkmünze  des  Marschalls  des  Konklave  für 
die  Papstwahl  19 14;  ein  aus  dem  Nachlasse  des  Kar- 
dinalerzbischofs  von  Köln  Dr.  Philippus  Krementz  her- 
rührendes Gemälde  altdeutscher  Schule  von  ca.  isoo: 
die  heiligen  Fabian  und  Sebastian ;  eine  Bingener  Gold- 
münze des  Mainzer  Erzbischofs  Johannes  II.  (1597 — 1419). 
Aus  dem  Schatze  der  mittelalterlichen  Holzgebilde  des 
Diözesanmuseums  wird  eine  aus  dem  14.  Jahrhundert 
stammende  Sitzfigur  des  heiligen  Nikolaus,  bemerkens- 
wert durch  die  Miniaturmalereien  des  Sockels,  in  Wort 
und  Bild  vorgeführt,  desgleichen  ein  Schmerzensmann 
aus  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Den  Entwurf  einer 
Kriegergedenkkapelle  für  die  Gemeinde  Niederzier  von 
Diözesanbaumeistcr  Heinrich  Renard  vergegenwärtigt 
eine  gute  Wiedergabe.  Die  ständige  Ausstellung 
neuer  Kunstwerke  im  Kölner  Diözesanmuseum  bestand 
das  ganze  Kriegsjahr  fort,  von  25  Künstlern  beschickt 
und  in  der  Tagespresse  regelmäßig  anerkennend  ge- 
würdigt. Der  Verein  zählt  jetzt  1 179  Mitglieder  gegen 
1174  im  Vorjahre  und  besitzt  außer  dem  Museums- 
gebäude und  den  Sammlungen  ein  Vermögen  von 
15 1 15  Mark.  11. 

In  unserem  Bericht  über  die  Ausstellung  der  Ber- 
liner Akademie  der  Künste,  Frühjahr  1915  (XI/io), 
war   eine    „Madonna"   von   W.  H  AVER  KAMP   er- 


wähnt, mit  einer-  Andeutung  des  Bedauerns,  daß  das 
Werk  nur  erst  in  unedlem  Material  und  geringer  Größe 
vorlag.  Nachträglich  wurde  uns  bekannt,  daß  es  bereits 
in  der  neuen  katholischen  Marienkirche  zu  Berlin- 
Friedenau  (Laubacherstraße)  einen  Platz  auf  einem  Seiten- 
altar  gefunden  hat,  und  zwar  in  großer  polychromer 
Ausführung.  Der  Gesamteindruck  bestätigt  und  erhöht 
noch  die  liebliche  Wirkung,  welche  das  Werk  in  der 
unfarbigen  kleinen  Gestalt  ausgeübt  hat.  Die  bunte 
Färbung  ist  von  einer  bei  Polvchromien  so  seltenen 
\'orsicht  und  Zartheit,  wenn  auch,  etwa  auf  den  Hän- 
den der  Mutter,  das  dabei  wohl  Schwierigste,  das  In- 
karnat, nicht  überall  mit  so  voller  Warme  gelungen  ist, 
daß  der  Eindruck  des  „Wächsernen"  gänzlich  über- 
wunden scheint,  jedenfalls  empfielilt  sich  für  jeden 
Kunstfreund  ein  Besuch  dieser  gut  stimmungsvollen 
Liebfrauendarstellung  und  der  sie  beherbergenden  Kirche, 
die  —  mit  neuromanischen  Formen  —  auch  archi- 
tektonisch durch  Grundriß  und  Auiliau  Beachtung  ver- 
dient. H.  Sjhm. 

Adolf  Oberländer  beging  am  i.  Oktober  seinen 
70.  Geburtstag.  Der  Künstler  ist  jedermann  aus  den 
Fliegenden  Blättern  vertraut. 

Joseph  Wenglein,  der  ausgezeichnete  Münchener 
Landschaftsmaler,  feierte  seinen  70.  Geburtstag  am 
5.  Oktober. 

Fünf  Gedenkblätter  für  Gefallene  aus  einem 
Preisausschreiben  des  Dürerbundes  sind  im  Verlag  von 
Georg  D.  W.  Callwey  (München)  erschienen.  Das  Bild 
von  K.  Lipus  stellt  drei  Feldgraue  beim  Abschied  vom 
Grabe  eines  Kameraden  in  schlichter  Weise  und  wahrer 
Empfindung  dar.  Bruno  Bielefeld!  stellt  ein  mit  dem 
Holzkreuz  gesclmiücktes  Kriegergrab  vor  eine  von  den 
Strahlen  der  Sonne  übergossene  Ideallandschaft,  die 
>verklärte«  Heimat.  Unter  dem  Titel  »Durch  Todesnacht 
bricht  ew'ges  Morgenrott  zeigt  R.  Budzinski  einen 
tot  hingestreckten  Krieger,  dessen  Kopf  ausdrucksvoll 
durchgezeichnet  ist,  während  vom  Körper  (bis  gegen 
die  Mitte)  und  der  über  ihm  gesenkten  Fahne  nur  fluch- 
tige  Andeutungen  gegeben  sind;  ein  Lichtstrora  über- 
flutet das  Antlitz  des  Entschlafenen.  Das  primitive  Bild 
von  Berta  Schmitz  »Einer  für  alle  —  alle  für  einen« 
ist  symbolisch :  über  den  dunklen  Erdboden  hin,  auf 
dem  sich  ein  schlichtes  Kreuz  erhebt,  lodert  ein  Flam- 
menbündel zum  düsteren  Himmel  empor.  Betende  Lan- 
zenträger knien  unter  dem  Sternenhimmel  in  gebirgiger 
Gegend  auf  dem  farbigen  Steindruck  (die  andern  Blätter 
sind  schwarz-weiß)  von  Hugo  Grimm.  Aus  dem 
Gesagten  geht  hervor,  daß  die  fünf  schön  ausgeführten 
Bilder  einer  allgemein  menschlichen  Würde  und  Weihe 
nicht  entbehren.  l?ei  dreien  bildet  das  Kreuz  den  geistigen 
Mittelpunkt;  die  Darstellung  von  Rudoph  Lipus  wird  der 
katholischen  Empfindungsweise  am  besten  gerecht. 

DER  PIONIER 

Monatsblätter  für  christliche  Kunst,  praktische  Kunst- 
fragen und  kirchliches  Kunsthandwerk.  —  VIII.  Jahr- 
gang, I.  Heft,  Oktober  191 5.  —  Verlag  der  Gesellschaft 
lür  christliche  Kunst,  GmbH,  München,  Karlstr.  6.  — 
Der  vollständige  Jahrgang  M  ?. —  (portofrei  M  3.60). 

Aus  dem  Inhalt  des  i.  Heftes:  Die  Himmelfahrt  Ma- 
rieiis  von  Tizian  in  Venedig.  —  Aus  der  Werkstätte  des 
Goldschmieds.  Edelsteine.  —  Mitteilungen  und  Anre- 
gungen. —  8  Abbildungen. 


Druckfehler.  In  der  letzten  Nummer,  S.  32, 
rechte  Spalte  lies  in  Zeile  19:  Lauretanische  (statt:  Lau- 
rentanische),  ferner  in  Zeile  36:  Gehalt  (statt:  Gestalt). 


BEILAGE 


BERLINER  SECESSION  HERBST  191 5 


BERLINER  SECESSION  HERBST  191 5 

Von  Dr.  Hans  Schmidkunz  (BerlinHalensee) 

V/tan  wird  allmählich  älter  und  behäbiger,  kauft  sich 
ein  Häuschen  und  sieht  gern  Gäste  —  aber  beileibe 
keine  ungeberdigen  —  bei  sich.  So  hat  sich  jetzt  die 
alte,  die  Slamm-Secession  nahe  ihrem  früheren  Heim 
den  Gartentrakt  eines  Berliner  Mietshauses  gebaut,  mit 
einem  für  Plastikzicr  geeigneten  Gärtchen,  alles  klein, 
aber  mit  der  Absicht  mehrerer  Ausstellungen  im  Jahr 
und  auch  einer  sonstigen  Hergabe  der  Räume  für  künst- 
lerisches Leben  mehrfacher  Art. 

Die  erste  eigene,  in  der  Gesamtzählung  27.  Ausstellung 
fand  hier  vom  Oktober  bis  Dezember  191 5  statt.  Retro- 
spektiv war  sie  in  doppeltem  Sinn :  einerseits  wieder  durch 
eine  Zusammenstellung  alter  Meister,  andererseits  durch 
das  Ueberwiegen  eines  mit  der  Zeit  von  selbst  kom- 
menden konservativen  Zuges,  sowie  durch  das  Fehlen 
einer  Schicht  neuester  Opposition,  das  ja  schon  durch 
das  Zurücktreten  des  Auslandes  erklärlicher  wird.  Man 
hatte  das  Gefühl,  die  Ergebnisse  der  gesamten  Secessions- 
arbeit  wie  ein  abgesclilossenes  Kapitel  der  Kunstgeschichte 
überblicken  zu  können. 

Die  eigentlich  retrospektive  Abteilung  brachte  vor 
allem  neben  Bildnissen  von  W.  Leibl  eine  Ergänzung 
seines  »Kreises«  durch  Franz  Schider:  dessen  »Dame 
mit  Kind«  ist  alte  Kunst  im  guten  Sinne  des  Wortes; 
wenn  aber  dessen  »Weihnachten  bei  Leibl«  als  eine 
Parodie  oder  Karikatur  oder  wenigstens  Entwurfsskizze 
vorgeführt  wäre,  so  würde  man  es  wohl  gerne  so  hin- 
nehmen. Die  mehreren  Bilder  von  Ad.  Menzel  sind 
bei  dem  hier  mit  ihm  getriebenen  Kult  keine  Ausgrabung, 
erfreuen  jedoch  immer  wieder  durch  scharfen  Situations- 
ausdruck, beispielsweise  in  der  Darstellung  von  Mini- 
stranten, die  sich  an  einem  Altare  zu  schaffen  machen, 
oder  in  der  des  Arztes  mit  seiner  ängstlichen  Patientin. 
Aus  H.  V.  Maries  spricht  weniger  als  aus  A.  Feuer- 
bachs »Mädchen  mit  totem  Vogel«  und  seiner  »Grab- 
legung Alarichs  I.«,  die  der  Künstler  wohl  nur  als  Skizze 
betrachtet  hat,  während  sie  von  einem  Heutigen  voraus- 
sichtlich als  fertiges  Reduktionswerk  ausgegeben  werden 
würde. 

Auch  in  der  Gegenwarts-Abteilung  muten  einige  wie 
retrospektiv  und  hiemit  als  historisch  gesichert  an.  Was  aber 
A.  A.  Oberländer  dem  bäuerlichen  Leben  abgewinnt, 
mutet  zugleich  als  frischeste  Jugend  an-  Neben  einem 
echten  rechten  Sommergemälde  H.  Thomas  stehen 
zwei  Bilder  von  C.  Strathmann,  die  diesen  vordem 
vielleicht  verblüffendsten  Secessionisten  als  einen  Meister 
lieblicher  und  subtiler  Durcharbeitung  der  Pflanzennatur 
zeigen:  sein  »Frühling«  von  191 5  und  seine  »Vase  mit 
Feldblumen«  könnenden  radikalsten  wie  den  traditionell- 
sten Geschmack  befriedigen.  Und  wenn  man  L.  Ury 
bereits  für  ein  Inventarstück  aus  den  Anfängen  der 
Moderne  halten  konnte,  so  mag  man  es  vielleicht  vor 
dem  verschwimmenden  Gelb  und  Grün  seiner  Gemälde 
»Holländische  Mühlen«  und  »Bei  Rotterdam«  bestätigt 
finden;  allein  seine  »Sintflut«  (von  1906)  dringt  darüber 
zu  einer  neuen  Monumentalkraft  vor. 

In  der  Bildnismalerei  hebt  sich  neben  der  Benützung 
des  Porträts  für  Formeneigensinn  eine  Kunst  sowohl 
der  sorgfältigeren  Durcharbeitung  wie  auch  der  seelischen 
Vertiefung  heraus.  In  ersterer  Hinsicht  fällt  H.  Reiffer- 
scheids  Bildnis  einer  an  einem  Spiegeltisch  sitzenden 
Dame  auf  —  man  möchte  meinen,  ein  neues  Verfaliren 
farbiger  Graphik  vor  sich  zu  haben.  In  letzteier  Hinsicht 
ragen  L.  v.  Königs  Bildnisse  mit  ihrer  fahlen  (besonders 
für  das  »einer  gelähmten  Dame«  passenden)  Farbe  hervor; 
und  das  frischflotte  »Herrenporträt«  J.  Oppenheimers 
wird  durch  ein  ähnhch  anmutendes  Stilleben  desselben, 
»Feuerlihen«,  ergänzt. 

Vielleicht  darf  man  als  das  Hauptergebnis  der  ganzen 


Sezessionsgeschichte  eine  Kunst  der  markant  charakteri- 
stischen Vereinfachung  bezeichnen.  Nicht  nur  das  Ganze 
wird  auf  wenige  Formelemente  zurückgeführt,  wie  z.  B. 
in  W.  Röhrichts  »Damenporträt«  ;  auch  reichliche 
Einzelheiten  werden  auf  Einfachstes  und  auf  so  Gleich- 
artiges reduziert,  daß  dann  die  Gesamtwirkung,  wie 
wenig  reizvoll  sie  auch  sonst  sein  mag,  doch  gut  »zu- 
sammengeht«. Dies  gilt  besonders  von  F.  Heckendorfs 
»Berliner  Vorortlandschaft«  und  noch  mehr  von  seinem 
vielleicht  berühmt  werdenden  Kriegsbild  »Notbrücke. 
Uebergang  über  die  Angerapp«.  Auch  auf  die  über 
B.  Beckers  »Günzburg«  liegende  einheitliche  Blässe 
darf  hingewiesen  werden. 

Das  Markante  wird  hier  allerdings  manchmal  bis  zur 
Unerquicklichkeit  derb  naturalistisch.  Nicht  immer  ver- 
söhnt damit  eine  Kraft  der  Charakterisierung,  am  ehesten 
noch  in  den  Gemälden  des  jetzigen  Vorsitzenden 
L.  Corinth.  Neben  Stilleben,  für  die  jedoch  seine  Kunst 
wahrlich  nicht  still  genug  ist,  bringt  er  ein  gut  sprechendes 
Doppelporträt  zweier  Sezessionisten  und  als  ein  Haupt- 
stück der  Ausstellung  sein  »Weib  Potiphars«.  Auch  hier 
würde  man  wohl  noch  befriedigter  sein,  wenn  man 
diese  Gegenüberstellung  des  üppigen  Frauenaktes  und  des 
mönchsartigen  Joseph  eher  als  eine  burleske  Kapuzinade 
betrachten  dürfte.  Verwunderlicher  aber  ist,  daß  Frau 
Corinth  (C.  Berend)  ihrem  weniger  kraftmeinernden 
Geschmack  doch  einen  solchen  gräßlichen  »Menschen- 
salat« abgewinnen  konnte,  wie  es  ihre  »Steinigung«  ist. 
Wieder  erträglicher  wirkt  die  Schärfe  einer  markanten 
Naturalistik  in  H.  Krayns  »Großstadt«  ;  käme  noch 
mehr  Innigkeit  dazu,  so  könnte  man  beinahe  an  den 
Belgier  E.  Laermans  denken. 

An  ruhigerer,  leiserer,  anmutigerer,  intimerer  Kunst 
fehlt  es  nun  auch  nicht.  Selbst  T.  T.  Heine  —  »Eine 
Brücke  bei  München«  —  wird  zart  und  fein.  Dem  stillen 
Leid  des  »Polnischen  Flüchtlings«  von  H.  Struck  ist 
im  Grunde  verwandt  die  anspruchslose  Freude,  die 
M.  A.  Stremel  mit  seiner  »Walfischgasse  in  Ulm  im 
Siegesschmuck«  (mitten  rückwärts  der  Münsterturm) 
kündet.  Auch  Landschaften  erfreuen  in  ähnlicher  Weise; 
so  die  Frühhngs-  und  Sommerlyriken  von  P.  Franck; 
so  E.  Bischolf-Culms  »Abend  am  Kurischen  Haff« 
(eine  rechte  Freiluft).  Und  der  frühverstorbene  Kölner 
E.  Altmann  prägte  in  seinem  »Spaziergang«  eindrucks- 
voll die  Einfügung  eines  Wanderers  in  eine  Wind-  und 
Wetter-Landschaft  aus. 

Spezifische  Darstellungstechniken  stehen  reichlich  zur 
Auswahl  da.  Mit  Flecken  wird  nach  wie  vor  gespielt  — 
in  V.  Friedemanns  »Felsiger  Insel«  oder  in  einem 
Offiziersporträt  E.  Spiros;  E.  Kuithan  aber  kann  doch 
Wertvolleres  leisten  als  seine  »Sonne«.  Anderswo  wer- 
den die  Flecken  wieder  mal  zu  Nudeln  —  in  H.  Gersons 
»Flucht«  und  »Der  Morgen«  (Arbeitergang  zur  Fabrik); 
dann  steigert  sich  der  Nudelstil  zu  einem  Holzscheitstil 
—  in  M.  Caspar-Filsers  »Vorstadtgärtnerei«.  Was 
in  der  Ateliersprache  »Schmiß«  heißt,  fehlt  am  wenig- 
sten und  wird  dort  am  interessantesten,  wo  es  im  klei- 
nen zur  Geltung  kommt;  aus  solchen  Elementen  setzen 
sich  etwa  P.Bachs  »Großstadt«  und  O.Erichs  »Turm- 
bau« (in  einer  Gegend  von  Laubenkolonien)  zusammen, 
und  das  einheitliclie  Lila  des  >Ziegen«-Bildes  von  A.  E. 
Herstein  ist  das  zartere  Resultat  einer  heftigeren  Tech- 
nik. Eine  flockigere  Flottheit  und  Zartheit,  klar  in  den 
Gesichts-  und  wirrer  in  anderen  Partien,  fast  eine  Ver- 
bindung von  Rokoko  und  Radikalismus,  liegt  in  R.  F.  K. 
Scholtz'  »Bildnis  einer  jungen  Dame«.  Wer  das  Inein- 
anderweben  von  Lokal-  und  Reflexfarben  studieren  will, 
dem  hilft  wohl  W.Jordans  blaugrüne  »Rast  im  Walde«. 
Und  die  gelbgrünen  Flächen  mit  weißer  Mitte  aus 
M.  Melzers  früherer  Großgraphik  finden  sich  wieder 
in  »Schwere  Artillerie  in  Przemysl«. 

Graphik  selbst  fehlt  diesmal  um  so  eher,  als  ihr  bald 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


Wiener    Rat hausturm,    sowie     überaus    zahlreiche 
Büsten  und  Grabdenkmäler. 

Während  seiner  Wirksamkeit  in  Wien  erhieh  der 
Künstler  auch  ehrenvolle,  große  Aufträge  aus  Deutsch- 
land, so  wurde  ihm  die  Ausführung  der  Kolossal- 
Statue  Kaiser  Wilhelms  I.  auf  dem  Wittekind- 
berge überiragen.  Eine  seiner  schönsten  Büsten  ist 
die  des  jugendlichen  Königs  Ludwig  II.,  für  den 
er  später  noch  sechs  Marmorstatuetten,  die  Helden- 
gestalten der  Opern  Richard  Wagners  darstellend, 
ausgeführt  hat,  die  sich  im  Schloß  Linderhof  be- 
linden. Als  weitere  hervorragende  Schöpfungen  des 
berühmten  Meisters  gelten  noch:  die  Mariensäule 
in  Paderborn,  die  Statue  des  Grafen  Rumford 
in  München,  das  Siegesdenkmal  in  Augsburg 
sowie  eine  ganze  Reihe  von  Statuen  und  Fi- 
gurenschmuck für  eine  große  Anzahl  katho- 
lischer Kirchen.  Zumbusch  erreichte  ein  Alter  von 
fast  85  Jahren  und  hinterläßt  einen  Sohn,  den  Maler 
Ludwig  von  Zumbusch  in  München,  der  auch  in  Wien 
kein  Fremder  mehr  ist.  Richard  Riedi 

Der  „Christliche  Kunstverein  des  Erzbistums 
Köln"  veröffentlicht  soeben  seinen  ständigen  Jahres- 
bericht für  1914  im  üblichen  anziehenden  Gewände. 
Diese  mit  Recht  anerkannte  und  beliebte  Jahresüber- 
sicht stellt  fest,  daß  der  Ernst  der  langdauemden 
Kriegszeit  auf  manchen  Gebieten  Rückkehr  zum  Ein- 
fachen, Gesunden  und  Natürlichen  anbahnt  und  das 
unsere  deutsche  Eigenart  verunstaltende  Fremdländische 
wegfegt.  Daran  anknüpfend,  nimmt  sie  gegen  das  neu- 
zeitliche Bestreben,  unser  Kunstleben  vom  heimischen 
Nährboden  loszureißen,  Stellung,  verurteilt  das  selbst- 
zufriedene Beharren  beim  einmal  Erreichten  sowie  das 
fieberhafte  Voranpeiischen  zu  ganz  neuen  Kunstformen 
und  verficht  ruhige,  besonnene  Weiterentwicklung  im 
Anschluß  an  die  echt  künstlerisch  durchgebildete  Kunst- 
sprache unserer  Vorfahren,  aber  unter  verständnisvoller 
Berücksichtigung  der  berechtigten  Erfordernisse  der 
Gegenwart.  Der  Bericht  bringt  zum  1 00  jährigen  Ge- 
burtstage des  Mitbegründers  des  Vereines,  Dr.  jur.  Chri- 
stian Hermann  Vosen  (geboren  zu  Köln  9.  Juli  1815), 
dessen  ausführliche  Lebensbeschreibung  nebst  einem 
sprechenden  Bildnis  des  hochverdienten  Mannes.  Aus 
den  Neuerwerbungen  des  mit  dem  Verein  verbun- 
denen Erzbischöllichen  Diözesanmuseums  sind  erwähnens- 
wert: die  Denkmünze  des  Marschalls  des  Konklave  für 
die  Papstwahl  1914;  ein  aus  dem  Nachlasse  des  Kar- 
dinalerzbischofs von  Köln  Dr.  Philippus  Krementz  her- 
rührendes Gemälde  altdeutscher  Schule  von  ca.  1500: 
die  heiligen  Fabian  und  Sebastian ;  eine  Bingener  Gold- 
münze des  Mainzer  Erzbischofs  Johannes  II.  (1397 — 1419). 
Aus  dem  Schatze  der  mittelalterlichen  Holzgebilde  des 
Diözesanmuseums  wird  eine  aus  dem  14.  Jahrhundert 
stammende  Sitzfigur  des  heiligen  Nikolaus,  bemerkens- 
wert durch  die  Miniaturmalereien  des  Sockels,  in  Wort 
und  Bild  vorgeführt,  desgleichen  ein  Schmerzensmann 
aus  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Den  Entwurf  einer 
Kriegergedenkkapelle  für  die  Gemeinde  Niederzier  von 
Diözesanbaumeister  Heinrich  Renard  vergegenwärtigt 
eine  gute  Wiedergabe.  Die  ständige  Ausstellung 
neuer  Kunstwerke  im  Kölner  Diözesanmuseum  bestand 
das  ganze  Kriegsjahr  fort,  von  2?  Künstlern  beschickt 
und  in  der  Tagespresse  regelmäßig  anerkennend  ge- 
würdigt. Der  Verein  zählt  jetzt  1 179  Mitglieder  gegen 
1174  im  Vorjahre  und  besitzt  außer  dem  Museums- 
gebäude und  den  Sammlungen  ein  \'ermügen  von 
15115  Mark.  11. 

In  unserem  Bericht  über  die  Ausstellung  der  Ber- 
liner Akademie  der  Künste,  Frühjahr  1915  (XI  10), 
war   eine    „Madonna"   von   W.  HA\'ERK.\.\IP   er- 


wähnt, mit  einer-  Andeutung  des  Bedauerns,  daß  das 
Werk  nur  erst  in  unedlem  .Material  und  geringer  Größe 
vorlag.  Nachträglich  wurde  uns  bekannt,  daß  es  bereits 
in  der  neuen  katholischen  Marienkirclie  zu  Berlin- 
Friedenau  (Laubacherstraße)  einen  Platz  auf  einem  Seiten- 
altar  gelunden  hat,  und  zwar  in  großer  polvchromer 
.Ausführung.  Der  Gesamteindruck  bestätigt  und  erhöht 
noch  die  liebliche  Wirkung,  welche  das  Werk  in  der 
unfarbigen  kleinen  Gestalt  ausgeübt  hat.  Die  bunte 
Färbung  ist  von  einer  bei  Polvchromien  so  seltenen 
\'orsicht  und  Zartheit,  wenn  auch,  etwa  auf  den  Hän- 
den der  Mutter,  das  dabei  wohl  Schwierigste,  das  In- 
karnat, nicht  überall  mit  so  voller  Wärme  gelungen  ist, 
daß  der  Eindruck  des  „Wächsernen"  gänzlich  über- 
wunden scheint,  ledenfalls  empfiehlt  sich  für  jeden 
Kunstfreund  ein  Besuch  dieser  gut  stimmungsvollen 
Liebfrauendarstellung  und  der  sie  beherbergenden  Kirche, 
die  —  mit  neuromanischen  Formen  —  auch  archi- 
tektonisch durch  Grundriß  und  Aufbau  Beachtung  ver- 
dient. H.  S;hm. 

Adolf  Oberländer  beging  am  i.  Oktober  seinen 
70.  Geburtstag.  Der  Künstler  ist  jedermann  aus  den 
Fliegenden  Blättern  vertraut. 

Joseph  W englein,  der  ausgezeichnete  Münchener 
Landschaftsmaler,  feierte  seinen  70.  Geburtstag  am 
5.  Oktober. 

Fünf  Gedenkblätter  für  Gefallene  aus  einem 
Preisausschreiben  des  Dürerbundes  sind  im  Verlag  von 
Georg  D.  W.  Callwey  (München)  erschienen.  Das  Bild 
von  R.  Lipus  stellt  drei  Feldgraue  beim  Abschied  vom 
Grabe  eines  K.tmeraden  in  schlichter  Weise  und  wahrer 
Empfindung  dar.  Bruno  Biele  fei  dt  stellt  ein  mit  dem 
Holzkreuz  geschmücktes  Kriegergrab  vor  eine  von  den 
Strahlen  der  Sonne  übergossene  Ideallandschaft,  die 
»verklärte«  Heimat.  Unter  dem  Titel  »Durch  Todesnacht 
bricht  ew'ges  Morgenrot<  zeigt  R.  Budzinski  einen 
tot  hingestreckten  Krieger,  dessen  Kopf  ausdrucksvoll 
durchgezeichnet  ist,  während  vom  Körper  (bis  gegen 
die  Mitte)  und  der  über  ihm  gesenkten  Fahne  nur  flüch- 
tige Andeutungen  gegeben  sind;  ein  Lichtstrom  über- 
flutet das  Antlitz  des  Entschlafenen.  Das  primitive  Bild 
von  Berta  Schmitz  »Einer  für  alle  —  alle  für  einen« 
ist  symbolisch :  über  den  dunklen  Erdboden  hin,  auf 
dem  sich  ein  schlichtes  Kreuz  erhebt,  lodert  ein  Flam- 
menbündel zum  düsteren  Himmel  empor.  Betende  Lan- 
zenträger knien  unter  dem  Sternenhimmel  in  gebirgiger 
Gegend  auf  dem  farbigen  Steindruck  (die  andern  Blätter 
sind  schwarz- weiß)  von  Hugo  Grimm.  Aus  dem 
Gesagten  geht  hervor,  daß  die  fünf  schön  ausgeführten 
Bilder  einer  allgemein  menschlichen  Würde  und  Weihe 
nicht  entbehren.  Bei  dreien  bildet  das  Kreuz  den  geistigen 
Mittelpunkt;  die  Darstellung  von  Rudoph  Lipus  wird  der 
katholischen  Einpfindungswcise  am  besten  gerecht. 

DER  PIONIER 

Monatsblätter  für  christliche  Kunst,  praktische  Kunst- 
fragen und  kirchliches  Kunstliandwerk.  —  VIII.  Jahr- 
gang, I.  Heft,  Oktober  191 5.  —  Verlag  der  Gesellschaft 
für  christliche  Kunst,  GmbH,  München,  Karlstr.  6.  — 
Der  vollständige  Jahrgang  M  3.—  (portofrei  M  3.60). 

.•\us  dem  Inhalt  des  l.  Heftes:  Die  Himmelfahrt  Ma- 
riens  von  Tizian  in  Venedig.  —  Aus  der  Werkstätte  des 
Goldschmieds.  Edelsteine.  —  Mitteilungen  und  Anre- 
gungen. —  8  Abbildungen. 


Druckfehler.  In  der  letzten  Nummer,  S.  32, 
rechte  Spalte  lies  in  Zeile  19:  Lauretanische  (statt:  Lau- 
rentanische),  ferner  in  Zeile  36:  Gehalt  (statt:  Gestalt). 


Für  die  Redaktion  vtrintwonlich :  S.  Slaudhimer  (Promcniidcpbti  3);  Verlag  der  Gesellschaft  für  christliche  Kunst,  G. 
Dmclc  von  F.  Brtickmann  A.G.  —  Sümtliche  in  München. 


BEILAGE 


BERLINER  SECESSION  HERBST  191 5 


BERLINER  SECESSION  HERBST  191 5 

Von  Dr.  Hans  Schmidkiinz  (Berlin-Halensee) 

Man  wird  allmählich  älter  und  behäbiger,  kauft  sich 
ein  Häuschen  und  sieht  gern  Gäste  —  aber  beileibe 
keine  ungeberdigen  —  bei  sich.  So  hat  sich  jetzt  die 
alte,  die  Stamm-Secession  nahe  ihrem  früheren  Heim 
den  Gartentrakt  eines  Berliner  Mietshauses  gebaut,  mit 
einem  für  Plastikzier  geeigneten  Gärtchen,  alles  klein, 
aber  mit  der  Absicht  mehrerer  Ausstellungen  im  Jahr 
und  auch  einer  sonstigen  Hergabe  der  Räume  für  künst- 
lerisches Leben  mehrfacher  Art. 

Die  erste  eigene,  in  der  Gesamtzählung  27.  Ausstellung 
fand  hier  vom  Oktober  bis  Dezember  191 5  statt.  Retro- 
spektiv war  sie  in  doppeltem  Sinn ;  einerseits  wieder  durch 
eine  Zusammenstellung  alter  Meister,  andererseits  durch 
das  Ueberwiegen  eines  mit  der  Zeit  von  selbst  kom- 
menden konservativen  Zuges,  sowie  durcli  das  Fehlen 
einer  Schicht  neuester  Opposition,  das  ja  schon  durch 
das  Zurücktreten  des  Auslandes  erklärlicher  wird.  Man 
hatte  das  Gefühl,  die  Ergebnisse  der  gesamten  Secessions- 
arbeit  wie  ein  abgeschlossenes  Kapitel  der  Kunstgeschichte 
überblicken  zu  können. 

Die  eigentlich  retrospektive  Abteilung  brachte  vor 
allem  neben  Bildnissen  von  W.  Leibl  eine  Ergänzung 
seines  »Kreises«  durch  Franz  Schi  d  er  :  dessen  >Dame 
mit  Kind«  ist  alte  Kunst  im  guten  Sinne  des  Wortes; 
wenn  aber  dessen  »Weihnachten  bei  Leibl«  als  eine 
Parodie  oder  Karikatur  oder  wenigstens  Entwurfsskizze 
vorgeführt  wäre,  so  würde  man  es  wohl  gerne  so  hin- 
nehmen. Die  mehreren  Bilder  von  Ad.  Menzel  sind 
bei  dem  hier  mit  ihm  getriebenen  Kult  keine  Ausgrabung, 
erfreuen  jedoch  immer  wieder  durch  scharfen  Situations- 
ausdruck, beispielsweise  in  der  Darstellung  von  Mini- 
stranten, die  sich  an  einem  Altare  zu  schaffen  machen, 
oder  in  der  des  Arztes  mit  seiner  ängstliclien  Patientin. 
Aus  H.  V.  Maries  spricht  weniger  als  aus  A.  Feuer- 
bachs >Mädchen  mit  totem  Vogel«  und  seiner  »Grab- 
legung Alarichs  I.«,  die  der  Künstler  wohl  nur  als  Skizze 
betrachtet  hat,  während  sie  von  einem  Heutigen  voraus- 
sichtlich als  fertiges  Reduktionswerk  ausgegeben  werden 
würde. 

Auch  in  der  Gegenwarts-Abteilung  muten  einige  wie 
retrospektiv  und  hiemit  als  historisch  gesichert  an.  Was  aber 
A.  A.  Oberländer  dem  bäuerlichen  Leben  abgewinnt, 
mutet  zugleich  als  frischeste  Jugend  an.  Neben  einem 
echten  rechten  Sommergemälde  H.  Thomas  stehen 
zwei  Bilder  von  C.  Strathmann,  die  diesen  vordem 
vielleicht  verblüffendsten  Secessionisten  als  einen  Meister 
lieblicher  und  subtiler  Durcharbeitung  der  Pflanzennatur 
zeigen:  sein  »Frühling«  von  191;  und  seine  »Vase  mit 
Feldblumen«  können  den  radikalsten  wie  den  traditionell- 
sten Geschmack  befriedigen.  Und  wenn  man  L.  Ury 
bereits  für  ein  Inventarstück  aus  den  Anfängen  der 
Moderne  halten  konnte,  so  mag  man  es  vielleicht  vor 
dem  verschwimmenden  Gelb  und  Grün  seiner  Gemälde 
»Holländische  Mühlen«  und  »Bei  Rotterdam«  bestätigt 
finden;  allein  seine  »Sintflut«  (von  1906)  dringt  darüber 
zu  einer  neuen  Monumentalkraft  vor. 

In  der  Bildnismalerei  hebt  sich  neben  der  Benützung 
des  Porträts  für  Formeneigensinn  eine  Kunst  sowohl 
der  sorgfältigeren  Durcharbeitung  wie  auch  der  seelischen 
Vertiefung  heraus.  In  ersterer  Hinsicht  föllt  H.  Reiffer- 
scheid s  Bildnis  einer  an  einem  Spiegeltisch  sitzenden 
Dame  auf  —  man  möchte  meinen,  ein  neues  Verfahren 
farbiger  Graphik  vor  sich  zu  haben.  In  letzteier  Hinsicht 
ragen  L.  v.  Königs  Bildnisse  mit  ihrer  fahlen  (besonders 
für  das  »einer  gelähmten  Dame«  passenden)  Farbe  hervor; 
und  das  frischflotte  »Herrenporträt«  J.  Oppenheimers 
wird  durch  ein  ähnlich  anmutendes  Stilleben  desselben, 
»Feuerlilien«,  ergänzt. 

Vielleicht  darf  man  als  das  Hauptergebnis  der  ganzen 


Sezessionsgeschichte  eine  Kunst  der  markant  charakteri- 
stischen Vereinfachung  bezeichnen.  Nicht  nur  das  Ganze 
wird  auf  v/enige  Formelemente  zurückgeführt,  wie  z.  B. 
in  W.Röhrichts  »Damenporträt«:  auch  reichliche 
Einzelheiten  werden  auf  Einfachstes  und  auf  so  Gleich- 
artiges reduziert,  daß  dann  die  Gesamtwirkung,  wie 
wenig  reizvoll  sie  auch  sonst  sein  mag,  doch  gut  »zu- 
sammengeht«. Dies  gilt  besonders  von  F.  Heckendorfs 
»Berliner  Vorortlandschaft«  und  noch  mehr  von  seinem 
vielleicht  berühmt  werdenden  Kriegsbild  »Notbrücke. 
Uebergang  über  die  Angerapp«.  Auch  auf  die  über 
B.  Beckers  »Günzburg«  liegende  einheitliche  Blässe 
darf  hingewiesen  werden. 

Das  Markante  wird  hier  allerdings  manchmal  bis  zur 
Unerquicklichkeit  derb  naturalistisch.  Nicht  immer  ver- 
söhnt damit  eine  Kraft  der  Charakterisierung,  am  ehesten 
noch  in  den  Gemälden  des  jetzigen  Vorsitzenden 
L.  Corinth.  Neben  Stilleben,  für  die  jedoch  seine  Kunst 
wahrlich  nicht  still  genug  ist,  bringt  er  ein  gut  sprechendes 
Doppelporträt  zweier  Sezessionisten  und  als  ein  Haupt- 
stück der  Ausstellung  sein  »Weib  Potiphars«.  Auch  hier 
würde  man  wohl  noch  befriedigter  sein,  wenn  man 
diese  Gegenüberstellung  des  üppigen  Frauenaktes  und  des 
mönchsartigen  Joseph  eher  als  eine  burleske  Kapuzinade 
betrachten  dürfte.  Verwunderlicher  aber  ist,  daß  Frau 
Corinth  (C.  Berend)  ihrem  weniger  kraftmeinernden 
Geschmack  doch  einen  solchen  gräßliclien  »Menschen- 
salat« abgewinnen  konnte,  wie  es  ihre  »Steinigung«  ist. 
Wieder  erträglicher  wirkt  die  Schärfe  einer  markanten 
Naturalistik  in  H.  Krayns  »Großstadt«;  käme  noch 
mehr  Innigkeit  dazu,  so  könnte  man  beinahe  an  den 
Belgier  E.  Laermans  denken. 

An  ruhigerer,  leiserer,  anmutigerer,  intimerer  Kunst 
fehlt  es  nun  auch  nicht.  Selbst  T.  T.  Heine  —  »Eine 
Brücke  bei  München«  —  wird  zart  und  fein.  Dem  stillen 
Leid  des  »Polnischen  Flüchtlings«  von  H.  Struck  ist 
im  Grunde  verwandt  die  anspruchslose  Freude,  die 
M.  A.  Stremel  mit  seiner  »Walfischgasse  in  Ulm  im 
Siegesschmuck«  (mitten  rückwärts  der  Münsterturm) 
kündet.  Auch  Landschaften  erfreuen  in  ähnlicher  Weise; 
so  die  Frühlings-  und  Sommerlyriken  von  P.  Franck; 
so  E.  Bischof f-Culms  »Abend  am  Kurischen  Haff« 
(eine  rechte  Freiluft).  Und  der  frühverstorbene  Kölner 
£.  Altmann  prägte  in  seinem  »Spaziergang«  eindrucks- 
voll die  Einfügung  eines  Wanderers  in  eine  Wind-  und 
Wetter-Landschaft  aus. 

Spezifische  Darstellungstechniken  stehen  reichlich  zur 
Auswahl  da.  Mit  Flecken  wird  nach  wie  vor  gespielt  — 
in  V.  Friedemanns  »Felsiger  Insel«  oder  in  einem 
Olfiziersporträt  E.  Spiros;  E.  Kuithan  aber  kann  doch 
Wertvolleres  leisten  als  seine  »Sonne«.  Anderswo  wer- 
den die  Flecken  wieder  mal  zu  Nudeln  —  in  H.  Gersons 
»Flucht«  und  »Der  Morgen«  (Arbeitergang  zur  Fabrik); 
dann  steigert  sich  der  Nudelstil  zu  einem  Holzscheitstil 
—  in  M.  Caspar-Filsers  »Vorstadtgärtnerei«.  Was 
in  der  Ateliersprachc  »Schmiß«  heißt,  fehlt  am  wenig- 
sten und  wird  dort  am  interessantesten,  wo  es  im  klei- 
nen zur  Geltung  kommt;  aus  solchen  Elementen  setzen 
sich  etwa  P.Bachs  »Großstadt«  und  O.Erichs  »Turm- 
bau« (in  einer  Gegend  von  Laubenkolonien)  zusammen, 
und  das  einheitliche  Lila  des  »Ziegen«-Bi!des  von  A.  E. 
Herstein  ist  das  zartere  Resultat  einer  heftigeren  Tech- 
nik. Eine  flockigere  Flottheit  und  Zartheit,  klar  in  den 
Gesichts-  und  wirrer  in  anderen  Partien,  fast  eine  Ver- 
bindung von  Rokoko  und  Radikalismus,  liegt  in  R.  F.  K. 
Scholtz'  »Bildnis  einer  jungen  Dame«.  Wer  das  Inein- 
■  anderweben  von  Lokal-  und  Reflexfarben  studieren  will, 
dem  hilft  wohl  W.Jordans  blaugrüne  »Rastim  Walde«. 
Und  die  gelbgrünen  Flächen  mit  weißer  Mitte  aus 
M.  Melzers  früherer  Großgraphik  finden  sich  wieder 
in  »Schwere  Artillerie  in  Przemysl«. 

Graphik  selbst  fehlt  diesmal  um  so  eher,  als  ihr  bald 


WETTBEWERB  FÜR  GLASMALEREIEN 


wieder  eine  Sonderausstellung  gewidmet  werden  soll  Die 
Litliographien  >Krieg  und  Kunst«  von  mehreren  der  Aus- 
steller bieten  über  den  Typus  sezessionistischer  Graphik 
hinaus  nichts  wesentlich  Neues.  Hervorragend:  Bischoff 
Culms  zerstörtes  Gehöft  mit  trauernder  Frauengestalt; 
E.  Büttners  Wagen  mit  Kriegsfurie  stimmt  besser  als 
sein  »Sputj-Gemälde;  E.  Opplers  gefangene  Russen 
sind  ein  beredter  Ausdruck. 

Bei  all  dem  bleibt  für  eine  christliche  Kunst  in 
anderem  als  bloß  stofflichem  Sinn  kaum  etwas  übrig. 
Immerhin  findet  sich  etwas  wie  eine  religiöse  Innigkeit 
in  zwei  Bildern  von  E,  Klossowskv,  der  bisher  am 
ehesten  durch  Buchwerke  über  französische  Künstler  be- 
kannt war,  und  zwar  besonders  in  seinem  »St.  Hubertus«. 
Der  »St.  Georg«  —  mit  ebenso  unnötig  kleinem  Format, 
wie  andere  Modernitäten  eine  Kleinigkeit  in  Überformat 
bringen  —  leidet  auch  unter  Unklarheit;  soweit  man 
durch  sie  hindurchdringt,  kann  man  an  der  betenden 
Frauengestalt  im  Hintergrund  und  —  wenn  wir  nicht 
mißverstehen  —  an  der  den  Ritter  auf  dem  Pferde  he- 
gleitenden Madonna  Gefallen  finden.  Die  »Prozession 
in  Bagni  di  Lucca«  von  B.  Becker  mag  erwähnt, 
W.  Jaeckels  »St.  Sebastian«  trotz  eines  modischen 
Rotgelb  als  Aktbewegungs-Studie  hervorgehoben  sein. 
Des  nämlichen  Künstlers  »Sturmangriff«  ist  wuchtig 
und  läßt  die  Darstellung  glaubhaft  .erscheinen;  allmäh- 
lich aber  möchte  man  von  so  »Transitorischem«  doch 
wieder  befreit  sein.  — 

In  der  plastischen  Abteilung  führt  sich  ein  Neu- 
ling, F.  Huf,  recht  günstig  durch  einen  Akt  »Stehen- 
des Mädchen«  ein  (der  überhaupt  nachlässige  Katalog 
nennt  das  nämliche  Werk  als  Illustration  »Gehende 
Frau«).  Wäre  das  Werk  in  dauernderem  Material  aus- 
geführt, so  würde  seine,  durch  einen  Leidenszug  im 
Gesicht  noch  gesteigerte  Bedeutung  wohl  verstärkt  sein. 
Als  eine  »Studie  in  Holz«  mag  auch  der  kleine  weib- 
liche Akt  von  1.  A.  Mu  r  m  ann  erwähnt  werden,  K.  Geld- 
machers »Eva«-Statuete  aber  doch  nur  als  Beispie! 
für  eine  Forcierung  von  Seltsamkeit. 

Was  sonst  in  diesen  Ausstellungen  E.  Barlach  leistete, 
leistet  diesmal  F.  Metzner:  leidensvolle  Frauengestalten 
in  architektonisch  vereinfaclicnden  Formen  und  anderes  — 
worunter  aber  die  Gartenplastiken  doch  wenig  locken. 
Monumentaler  ist  E.  Wencks  umfangreiches  »Modell  zum 
Eugen-Richter-Denkmal  in  Berlin«,  das  den  Parlamentarier 
in  der  Situation  eines  wuchtigen  Auftretens  zeigt. 

Reich  an  technischen  Verschiedenheiten  und  zum 
Teil  auch  an  seelischem  Ausdruck  waren  plastische 
Bildnisse.  Gegenüber  dem  glatt  ausgeglichenen  von 
V.  H.  Zwinz  zeigen  die  von  E.  Wenck  und  besonders 
von  M.Müller  eine  Fleckentechnik;  in  einem  Frauen- 
porträt des  letzteren  tritt  sie  auf  der  Mittelpartie  des 
Gesichtes  zugunsten  einer  ruhigeren  Ausgeglichenheit 
zurück.  Sodann  steht  dem  scharfmarkigen  Bronzebildnis 
H.  Schaefers  die  gleichsam  verschleierte  Büste  von 
L.  L.  Wulf  gegenüber.  Wer  sich  in  die  exotischen 
Künstlichkeiten  modernster  Plastik  hineingelebt  hat,  mag 
an  J.  Schiffners  » Aegyptischem  Kopf«  und  mit  mehr 
Recht  an  G.  Kochs  »Masken«  Gefallen  finden.  Daß 
A.  V.  Hildebrand  mit  seiner  »Büste  Ihrer  Kgl.  Hoheit 
der  Herzogin  Karl  Theodor  von  Bayern«  (Bronze)  eine 
Meisterleistung  an  —  in  doppeltem  Sinn  —  adeligem 
Ausdruck  geschaffen  hat,  ist  begreiflich. 

Spezialliebhaber  konnten  an  den  —  in  älterer  Weise 
kräftig  plastischen  —  Plaketten  von  W.  Lohbach  und 
an  dem  reichlichen  farbig  glasierten  Steinzeug  mit 
Porzellan-Einlagen,  allerlei  Getier  darstellend,  von 
E.  Pottner  mannigfaches  Gefallen  finden. 


WETTBEWERB  FÜR  GLASMALEREIEN 

Dei  dem  Wettbewerbe,  den  heuer  die  Deutsche  Gesell- 
schaft für  christliche  Kunst  veranstaltete  und  dessen 
Ergebnisse  im  März  ausgestellt  waren  (vgl.  Heft  7  dieses 
Jalirgangs)  gab  es  auch  eine  Gruppe  von  Glasmalerei- 
Entwürfen.  Mit  Fug  waren  sie  mitberücksichtigt  worden, 
sind  doch  die  Erzeugnisse  dieser  Kunst  vermöge  ihrer 
starken  dekorativen  Eigenschaften,  welche  das  Auge  in 
Anspruch  nehmen  und  die  Aufmerksamkeit  auf  die  in 
dieser  Weise  ausgeführten  figürlichen  Darstellungen,  In- 
schriften usw.  lenken,  in  hervorragendem  Maße  befähigt, 
für  die  Zwecke  der  Kriegserinneruiigen  verwandt  zu 
werden.  Aus  derselben  Erwägung  heraus  wurde  seitens 
des  Verbandes  deutscher  Glasmalereien  heuer  ein  Wett- 
bewerb ausgeschrieben.  Er  sollte  ursprünglich  schon  im 
Mai  zum  Austrag  gebracht  werden,  doch  verursachten 
die  Ereignisse  des  Krieges  Störung  und  Verzögerung, 
Erst  jetzt  ist  man  imstande,  die  eingereichten  Entwürfe 
beim  Kunstvereine  zu  München  der  Öffentlichkeit  zu 
zeigen. 

Wie  angedeutet,  ist  der  Zweck  des  Wettbewerbes  der, 
Entwürfe  für  Glasmalereien  zu  erlangen,  um  dadurch  die 
Erinnerung  an  die  Ruhmes-  und  Heldentaten  unserer 
Krieger  festlialten  zu  helfen.  Die  Werke  sollen  zur  Ver- 
wendung teils  in  weltlichen,  teils  in  kirchlichen  Gebäuden 
geeignet  sein.  Als  selbstverständliche  Bedingung  galt, 
daß  die  Entwürfe  künstlerisch  und  technisch  einwand- 
frei wären.  Zur  Beteiligung  waren  alle  Künstler  deutscher 
und  österreichisch-ungarischer  Staatsangehörigkeit,  auch 
wenn  sie  in  neutralen  Staaten  leben,  eingeladen.  Inhaltlich 
hatten  sich  die  Entwürfe  auf  den  Weltkrieg  zu  beziehen; 
sie  sollten  kriegerische  Taten  oder  denkwürdige  Ereig- 
nisse verherrlichen,  durften  aber  auch  dem  Andenken 
einzelner  Gefillener  gewidmet  sein.  Zwei  Gruppen  waren 
ins  Auge  gefaßt.  Die  eine  sollte  Glasscheiben  mit  welt- 
lichen Darstellungen,  sogenannte  Kabinettscheiben,  die 
andere  kirchliche  Gemäldefenster  umfassen.  Das  Preis- 
gericht war  zusammengesetzt  aus  Vertretern  des  Ver- 
bandes deutscher  Ginsmalerei,  Architekten  und  einzelnen 
Glasmalern.  Preise  gab  es  in  Höhe  von  500,  300  und 
2üO  Mark,  außerdem  standen  100  Mark  für  Ankäufe  zur 
Verfügung.  Die  Verteilung  der  Gesamtsumme  ist  schließ- 
lich, wie  es  öfter  geht,  auf  andere  Weise  erfolgt.  Die 
erste  Gruppe  erhielt  vier  Preise  (250,  200  und  zweimal 
100  Mark),  die  zweite  drei  (zu  je  150  Mark).  Bedenkt 
man  die  große  Zahl  der  zur  Beteiligung  eingeladenen 
Künstler,  so  muß  die  Menge  der  eingereichten  Wettbe- 
werbentwürfe verhältnismäßig  gering  erscheinen,  beson- 
ders aber  dann,  wenn  man  sich  des  entsprechenden 
Verliältnisses  bei  dem  Wettbewerbe  der  Deutschen  Ge- 
sellschaft erinnert.  Was  eingereicht  wurde,  entspricht  im 
allgemeinen  den  gestellten  Bedingungen.  Docli  fehlt  es 
nicht  an  Werken,  die  künstlerisch  wie  technisch  zu  Ein- 
wänden Anlaß  geben.  Nach  der  ersteren  Richtung  un- 
zulänglich sind  mehrere  Entwürfe  von  futuristischer  Auf- 
fassung. Bei  einer  .'\nzahl  vermag  die  Zeichnung  der 
Figuren  nicht  zu  befriedigen,  die  nach  expressionkstischen 
Grundsätzen  angelegt  sind.  Im  ganzen  scheint  mir  frei- 
lich, daß  bei  der  von  der  Glasmalerei  erforderten  flächigen 
Behandlung  und  vorwiegend  dekorativen  Wirkung  der 
Malerei,  bei  welchen  es  auf  Modellierung  weniger  an- 
kommt als  auf  starkes  Kolorit,  jene  expressionistische 
Art  nicht  unbedingt  auszuschließen  wäre.  Damit  soll 
allerdings  nichts  zur  Entschuldigung  der  Absichtlichkeit 
mancher  groben  Zeichenfehler  gesagt  sein.  Die  Technik, 
soweit  sie  sich  besonders  bei  den  in  kleinem  Maßstabe 
gegebenen  Entwürfen  für  die  Kirchenfenster  beurteilen 
läßt,  entspricht  im  allgemeinen  der  bewährten  traditio- 
nellen. Willkürliche,  die  Farbenzusammenhange  un- 
natürlich durchschneidende  kommen  wenig  vor,  eben- 
so nichtssagend  regelmäßige.  Was  für  Gläser  verwandt 


BÜCHERSCHAU 


werden  sollen,  ist  aus  den  Entwürfen  nur  mit  Schwie- 
rigkeit zu  erkennen,  Joch  scheinen  auch  nach  dieser 
Richtung  hin  die  Grundsatze  des  gujen  Geschmackes 
zu  walten,  also  wesentlich  die  edel  wirkenden  Antik- 
gläser, nicht  aber  Üpaleszent-,  Kathcdral-  und  ähnliche 
nicht  empfelilenswerte  Gattungen  ins  Auge  gefaßt  zu 
sein.  Der  Stil  der  entworfenen  Glasmalereien  entspriclit 
mit  wenigen  Ausnahmen  der  Tatsaclie,  daß  das  farbige 
Glasgemälde  eine  mosaikartige  Zusammensetzung  ver- 
schiedenfarbiger Gläser  ist  und  zur  Erhaltung  seiner 
Natur  auch  bleiben  muß.  Nur  gelegentlich  kommt  ein- 
mal ein  Stück  vor,  welches  nach  .\rt  der  Tafelmalerei 
mit  aufgetragenen  Schmelzfarben  und  daher  ohne  Ver- 
wendung der  Bleiruten  gearbeitet  ist.  Kann  somit  das 
Ergebnis  nach  der  künstlerischen  und  technischen  Seite 
hin  als  günstig  bezeichnet  werden,  so  ist  dies  im  großen 
Ganzen  auch  noch  der  des  geistigen  Inhaltes  der  Fall. 
Man  darf  anerkennen,  daß  die  ausgesprochenen  Ge- 
danken, mögen  sie  auch  nicht  durchweg  sonderlich  neu 
oder  tief  sein,  doch  meistens  eines  schönen  Sclivvunges 
des  Vortrages  nicht  entbehren.  Platte  illustrative  oder 
geradhin  geschmacklose  Werke  sind  nur  in  sehr  ge- 
ringer Zahl  vorhanden. 

Wir  betrachten  die  prämiierten  Entwürfe.  In  der 
Gruppe  A  (Kabinettscheiben)  erhielt  den  ersten  Preis 
Regierungsbaumeister  Dar  r- H  anno  v  er  (Motto  >Tod 
und  Siegt).  Die  von  ihm  gezeichnete  Scheibe  besitzt 
hochovale  Form.  Um  ein  in  der  Mitte  derselben  kon- 
zentrisch angebrachtes  Oval  sind  acht  Felder  gruppiert. 
In  dem  obersten  befindet  sich  wieder  eine  kreisrunde 
Fläche.  Auf  ihr  ist  die  Insclirift  zu  lesen  »Der  l'od  ist 
verschlungen  in  den  Sieg  19 14  — 15«.  Da  jedes  der 
Felder  eine  in  sich  abgeschlossene  Darstellung  enthält, 
so  ist  die  Einteilung  streng  geometrisch ;  innerhalb  die- 
ser Bildflächen  sind  die  Gläser  mittels  schmälerer  Blei- 
ruten zusammengefügt.  Die  Figuren  sind  heroisch  und 
allegorisch,  woraus  der  Künstler  die  Wahl  überwiegend 
nackter  Gestalten  abgeleitet  hat.  Das  Mitteloval  zeigt 
ihrer  zwei,  die  mit  Schwertern  in  den  Händen  zum 
Kampfe  gehen.  Die  Felder  ringsum  enthalten  trauernd 
Dasitzende  in  Frontal-  und  Profilansiclit,  unten  befindet 
sich  die  pietiartige  Gruppe  eines  Toten,  der  von  einer 
Frau  beklagt  wird.  Die  Färbung  ist  fast  durchgängig 
hell,  die  Umrisse  sind  stark  gezeichnet,  kräftige  Farben 
bieten  nur  die  vereinzelt  vorkommenden  Gewänder. 
Die  Wirkung  der  Scheibe  ist  tief,  sowohl  nach  der 
künstlerischen  wie  nach  der  inhaltlichen  Seite  hin.  — 
Den  zweiten  Preis  erhielt  Frau  Erna  Raabe,  geb. 
Freiin  von  Holzhausen  (Motto  »Nach  der  Schlacht«). 
Eine  einfache,  auf  sehr  wenige  Figuren  eingeschränkte 
Darstellung  weist  einige  Gefallene,  über  ihnen  drei  sich 
aufbäumende  Rosse.  Die  Scheibe  ist  quadratisch.  Von 
Farben  sind  nur  Blau  und  Braun  zur  Verwendung  ge- 
langt. DieZeiclmung  hat  etwas  Expressionistisches,  ohne 
auszuarten.  Vielmehr  übt  das  Werk  mit  der  Melancholie 
seines  Kolorits  und  der  Strenge  seiner  Komposition  gute 
Wirkung.  —  Dritter  Preisträger  ist  Wilhelm  Wunder- 
wald-Düsseldorf (Motto  »Weltbrand«).  Fr  bietet 
eine  länglich  achteckige  Scheibe  in  einer  reinen,  nicht 
wie  bei  Darr  mit  einzelnen  Farbenflecken  durchsetzten 
Grisaillemalerei.  In  der  Mitte  sieht  man  die  Erdkugel. 
Links  von  ihr  schreitet  ein  deutscher  Soldat  an  der  Seite 
vines  österreichischen  zum  Sturm,  im  Vordergrunde 
unten  lauert  ein  Türke  mit  Krummsäbel,  ein  mächtiger 
Adler  breitet  seine  Schwingen  über  dieser  Gruppe  aus. 
Auf  der  anderen  Seite  bemühen  sich  Vertreter  der  ver- 
schiedenen feindlichen  Völker,  die  Erdkugel  ins  Rollen 
zu  bringen,  um  ihre  Gegner  zu  erdrücken.  Rauch  und 
Flammen  umwallen  diese  Darstellung  von  allen  Seiten. 
Die  Linien  der  Verbleiung  sind  frei  geführt  und  .schlie- 
ßen sich  den  Umrissen  der  Figuren  im  großen  Ganzen 
n.  —  Die  mit  dem  vierten  Pi-eise  bedachte  Scheibe  von 


Richard  M auck- Mün chen  (Motto  »Landsturm«)  ist 
kreisrund.  Sie  vertritt  jene  zuvor  gekennzeichnete  Art 
der  ohne  Verbleiung  ausgeführten  Schmelzmalerei.  Die 
anmutige  Darstellung  schildert  vor  der  im  Hintergrunde 
sichtbaren,  an  den  Türmen  der  Frauenkirche  kenntlichen 
Stadt  München  den  Ausmarsch  zweier  Landstürmer. 
Der  eine  von  ihnen  nimmt  Abschied  von  seiner  Frau 
und  seinem  Kinde,  die  herzugeeilt  kommen.  Die  Far- 
ben sind  mannigfaltig  und  lebhaft  und  dürften  im  Ver- 
ein mit  der  sympathischen  Szene  diesem  Entwürfe  zahl- 
reiche Freunde  gewinnen.  —  Auch  von  den  nicht  mit 
Auszeichnungen  bedachten  Entwürfen  der  Gruppe  A 
möchte  ich  einige  mitervvähnen.  Zweimal  wiederholt 
sich  das  Motto  >Heldengrab«.  Die  betrefl'enden  Werke 
stammen  ersichtlich  von  ganz  verschiedenen  Künstlern, 
von  denen  ein  jeder  auf  seine  Art  tiefgehende  Wir- 
kungen zu  erreichen  wußte.  Der  eine  zeichnete  ein  aus 
Birkenästen  hergerichtetes  Kreuz,  an  welchem  ein  Kranz 
hängt.  Unten  legt  ein  Adler  einen  Lorbeerzweig  auf 
den  Helm  und  Mantel  des  Gefallenen;  der  mit  starker 
Einfachheit  stilisierte  landschaftliche  Hintergrund  ist  von 
unten  nach  oben  aus  Dunkelviolett  in  Gelbgrau  abge- 
tönt. —  Der  andere  viereckige  Entwurf  zeigt  zwischen 
zwei  als  Seiteneinrahmung  dienenden  niedrigen  Säulen 
ein  lockiges  kleines  Mädchen;  es  steht  an  einem  Grabe, 
auf  diesem  ist  ein  aus  Baumästen  gebildetes  einfaches 
Kreuz  aufgestellt,  der  Helm  des  Gefallenen  hängt  oben 
darauf.  Der  Hintergrund  ist  damaszieit.  Über  dieser 
Darstellung  sieht  man  in  der  Mitte  ein  Medaillon  mn 
dem  Kruzifixus,  die  Flächen  rechts  und  Hnks  davon 
sind  mit  modern  aufgefaßten  Kriegsszenen  erfüllt.  Am 
unteren  Rande  des  Bildes  liest  man  auf  einer  Tafel  ein 
kleines  Gebet  in  Versen.  Das  Werk  gehört  für  mich 
zu  den  sympathischsten  der  Ausstellung;  echt  deutsche 
Poesie  in  münchenerischer  Auffassung  lebt  darin.  —  Der 
Entwurf  »Heimkehr«  zeigt  zwei  mit  Blumen  geschmückte 
Feldgraue  vor  einem  warmtönigen  Hintergrunde.  —  Von 
vier  kleinen  Einzelblättern,  die  von  einer  und  derselben 
Hand  gezeichnet  sind,  erwähne  ich  den  schlichten  und 
eindrucksvollen  »Abschied  von  der  Heimat«  und  das 
in  bedeutender  Auffassung  entworfene  »Kriegsbanner«, 
welches  in  den  Händen  eines  nackten  Reiters  weht.  — 
Noch  erwähnt  sei  »Dreieinigkeit«,  ein  Entwurl  mit  den 
Wappen  der  Zentralmächte  und  der  Türkei;  unter  ihnen 
befinden  sich  drei  längliche,  auf  der  Spitze  stehende 
Dreiecke ;  in  zweien  sieht  man  je  ein  Schwert,  in  dem 
mittleren  eine  Fackel,  alle  umwunden  mit  Lorbeer- 
zweigen. Den  Fonds  bilden  Querstreifen  in  den  Far- 
ben Schwarz,  Weiß,  Rot,  Blau  und  Gelb. 

(Schluß  folgt) 


BÜCHERSCHAU 

Moderne  Meister  christlicher  Kunst.  Plastiker, 
Band  I:  Georg  Busch.  Von  Dr.  Oskar  Docring  96S. 
in  groß  8°.  Mit  88  Abbildungen  im  Text  und  6  Tafeln. 
\'erlagsanstalt  Glaube  und  Kunst  (Parcus  &  Co.)  Mün- 
chen 1916.  Preis  geb.  M.  6.  — . 

Die  kunstwissenschaftliche  Literatur  ist  reich  an  M'er- 
ken  über  Erscheinungen  und  Leistungen  früherer  Zeiten, 
beschäftigt  sich  auch  in  zahlreichen  Schriften  mit  noch 
lebenden  Meistern  profaner  Kunst,  aber  leider  sehr  spär- 
lich sind  bisher  die  Vertreter  der  religiösen  Malerei  und 
Plastik  fortgekommen.  Ein  Unternehmen,  welches -dar- 
auf ausgeht,  die  in  letzterer  Richtung  fühlbare  Lücke 
auszufüllen,  der  ÖfTentlichkeit  sine  ira  et  studio  zu  zei- 
gen, was  wir  an  unseren  großen  Meistern  neuester  christ- 
licher Kunst  haben  und  von  ihnen  erwarten  dürfen, 
verdient  daher  als  zeitgemäß  begrüßt  zu  werden.  Es 
ist  die  Münchener  Verlagsanstalt  Glaube  und  Kunst 
(Parcus  &  Co.),  die  den  Wagemut  besitzt,  inmitten  der 


BÜCHERSCHAU 


Kriegszeit  mit  der  Herausgabe  einer  Reihe  solcher  Ein- 
zelschriften zu  beginnen.  Eine  Doppelreihe  ist  beabsich- 
tigt; die  eine  soll  Maler,  die  andere  Plastiker  behandeln. 
Ein  erstes  Heft  sollte  das  Schaffen  Gebhard  Fugeis 
schildern;  der  Krieg  hat  den  Autor  P.  Ansgar  Pöllmann 
an  der  Durchführung  seiner  Arbeit  vorläufig  behindert. 
So  wurde  denn  mit  der  Plastikergruppe  begonnen. 

Das  erste  überhaupt  erschienene  Heft  der  neuen 
Monographien  hat  und  erfüllt  die  Aufgabe,  die  Tätig- 
keit Georg  Buschs  zu  schildern.  Dr.  Oskar  Doering  be- 
gründet seine  Darlegungen  auf  eine  kurze  Betraclitung 
über  moderne  cliristhche  Kunst  im  allgemeinen,  erzählt 
dann  von  Georg  Buschs  Jugend,  künstlerischer  Erziehung 
und  in  großen  skizzenhaften  Zügen  von  dem  späteren 
Leben  des  Künstlers,  um  sich  darauf  zunächst  derjenigen 
Richtung  von  Buschs  Lebensarbeit  zuzuwenden,  die  für 
die  christliche  Kunst,  ihre  Vertreter  und  ilire  Populari- 
sierung so  wichtig  ist  —  der  organisatorischen.  Man 
darf  hofTen,  daß  durch  die  eingeliende  Schilderung  dieser 
Dinge,  wofür  der  Verfasser  auch  eigene  Aufzeichnungen 
Buschs  im  Wortlaute  wiedergibt,  die  Öffentlichkeit  noch 
mehr  denn  bisher  auf  die  Bedeutung  der  durch  seine 
Initiative  ins  Leben  gerufenen  Einrichtungen  aufmerksam 
werden,  von  ihrem  Nutzen  sich  überzeugen  und  sich 
bereit  finden  wird,  sich  nehmend  und  gebend  daran  zu 
beteiligen.  Für  die  Hebung  des  Wertzustandes  der  christ- 
lichen Kunst,  für  die  Besserung  der  wirtschaftlichen  und 
damit  auch  der  sozialen  Lage  der  christlichen  Künstler 
sind  Buschs  Gründungen;  der  Albrecht  Dürer- Verein, 
die  »Deutsche  Gesellschaft  für  christliche  Kunst«,  die 
»Gesellschaft  für  christliche  Kunst,  GmbH,  und  die 
künstlerisch  wertvolle,  dabei  volksiüniliche  und  billige 
Monographienreihe:  »Die  Kunst  dem  Vo!ke<  (herausge- 
geben von  der  »Allgemeinen  Vereinigung  für  christ- 
liche Kunst«)  von  einer  Bedeutung,  deren  Tragweite 
sich  vorläufig  nur  ahnen  läßt. 

Hätte  Georg  Busch  nichts  anderes  geleistet,  als  alle 
diese  Dinge  ins  Leben  zu  rufen,  so  verdiente  er  schon 
als  eine  der  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  und  Kunstfür- 
sorge erhebliclisten  Personen  anerkannt  zu  werden.  Nun 
ist  er  doch  aber  vor  allem  selbst  schaffender  Künstler, 
und  zwar  der  I5esten  einer.  —  Ihn  als  solchen  zu  wür- 
digen, seine  Werke  zu  prüfen,  zu  ordnen,  zu  schildern, 
ist  der  Zweck,  welchen  das  Doeringsche  Buch  in  erster 
Linie  zu  verfolgen  unternimmt.  Dem  Verfasser  kam  es 
darauf  an,  die  in  Buschs  künstlerischer  Wirksamkeit  ent- 
haltenen und  ausgedrückten  Gedanken  klar  zu  legen 
und  zu  erweisen,  in  welcher  Art  und  nacli  welchen  Rich- 
tungen diese  Gedanken  wirksam  und  fruchtbar  geworden 
sind.  Doering  sieht  also  von  chronologischer  Erzählung 
ab  und  ordnet  Buschs  Werke  nach  inhaltliclien  Gruppen. 
Um  aber  dennoch  die  zeitliche  Reihenfolge  niclit  aus 
den  Augen  zu  verlieren  und  auch  dem  nacliprüfenden 
Blicke  die  im  Laufe  der  Zeit  sicli  äußernden  Stilver- 
schieJenheiten  und  Entwicklungsphasen  zugängliclier  zu 
machen,  ist  nicht  allein  jeder  Abbildung  eines  Kunst 
Werkes  die  Jahreszalil  seiner  Entstehung  hinzugefügt, 
sondern  anhangsweise  dem  Buche  auch  noch  ein  nach 
der  zeitlichen  Reihenfolge  geordnetes  Verzeiclinis  der 
abgebildeten  Werke  beigegeben  worden.  So  erfüllt  der 
Text  alle  äußeren  und  inneren  Anforderungen. 

Die  Reihe  der  von  Busch  gestalteten  Gedanken  und 
Motive  wird,  wie  es  bei  einem  Künstler  der  christlichen 
Richtung  sinngemäß  ist,  durch  die  Betrachtung  seiner 
religiösen  Werke  eröffnet.    Man  sieht  die  von  ihm  ge- 


schafTenen  Altäre,  so  den  in  romanischem  Stil  gehaltenen 
Hroznata-AItar  zu  Tepl,  den  Altar  zu  Homburg,  man 
bewundert  den  in  ausführlichen  Darlegungen  geschil- 
derten herrlichen"  Kreuzweg  der  Münchener  St.  Pauls- 
kirche, dem  sich  jener  der  Ludwigshafener  Dreifaltigkeits- 
kirche als  schlichteres,  aber  an  künstlerischen  Quali- 
täten nicht  geringeres  Seitenstück  anschließt.  Gleich 
danach  folgt  ein  wichtigstes  Stück  der  Kunst  Georg 
Buschs,  das  1912  entstandene  Begräbnis  Christi,  jenes 
Gruppenwerk,  welches  die  Vorzüge  der  Freiplastik  mit 
denen  des  Reliefs  vereinigt,  den  geschilderten  Vorgang 
mi:  außerordentlicher  Tiefe  der  Charakterisierung  und 
Empfindung  erfaßt  und  zugleich  ein  Meisterwerk  der 
Bronzetechnik  ist.  Von  hier  ergibt  sich  von  selbst  der 
Übergang  zu  den  Grabmälern.  Ausgezeichnete  sind 
darunter,  wie  das  Matthäus  MüUersche  in  Eltville,  das 
Frhr.  von  Hertlingsche  in  München,  das  Abelsche  in 
Dießen.  Reich  an  Schönheit  und  erfüllt  von  majestä- 
tischer Hoheit  sind  besonders  die  auf  diesen  Grabmälern 
erscheinenden  Heilandsgestalien.  Mit  ihnen  wetteifern, 
ergreifend  durch  Innigkeit  und  himmlische  Erhabenheit 
Buschs  Madonnen.  Zu  den  schönsten  gehört  die  in 
ihrer  Form  gotisch  anmutende  aus  DeutschKrawarn, 
ferner  eine  aus  dem  Besitze  des  Prinzen  Johann  Georg 
von  Sachsen ;  zart  und  hold  ist  die  jugendliche  Mater 
amabilis.  An  die  Verkörperungen  Christi  und  Maria 
schließen  sich  diejenigen  zahlreicher  Heiligen.  Hier 
begrüßen  wir  außer  manchem  schon  Bekannten  (z.  B. 
Antonius,  Hubertus,  Augustin  mit  seiner  Mutter  Monika, 
Paulus  und  andere  mehr)  auch  verschiedene  neuere. 
Erst  1914  entstanden  ist  eine  für  Bamberg  bestimmte 
Gruppe  des  Kaisers  Heinrich  II.  mit  seiner  Gemahlin 
Kunigunde,  ein  Werk  voll  prächtiger  Personenschilderung 
und  starker,  edler  Wirkung  der  Formen. 

Mit  entsprechendem  Übergänge  kommt  das  Buch  all- 
mählich auf  die  Darstellungen  von  Personen  neuer  Zeit. 
Hierbei  bleibt  es  mit  der  Schilderung  der  großen,  von 
Buscli  geschafi'enen  Bischofsgrabmäler  noch  auf  jenem 
Grenzbezirke  religiöser  Kunst,  wo  diese  sich  mit  der 
des  Profanbildnisses  berührt,  um  dann  ganz  auf  dieses 
Gebiet  überzulenken.  Niemand  wird  ohne  Bewunderung 
sehen,  welcher  ausgezeichnet  naturwahren  Charakter- 
schilderung dieser  Künster  fähig  ist.  Bildnisse  wie  die 
der  Bischöfe  Haffner,  Leonrod,  Riedel,  Stein  usw.,  der 
Emilie  von  Ringseis,  Martin  Greifs,  des  Grafen  Preysing 
stellen  ihren  Anfertiger  mit  in  die  erste  Reihe  der 
Porträtbildliauer.  Als  feinen  Beobachter  des  Lebens 
hat  er  sich  von  Anfang  lier  bewiesen  z.  B.  mit  dem 
»Verlorenen  Sohn«,,  ganz  besonders  auch  mit  seinen 
Kinderstudien:  dem  »Betenden  Mädchen«,  dem  »Vater- 
unser«, dem  etwas  realistischen  »Schreihals«  usw.  Aus 
diesem  Reiche  der  Wirklichkeit  führt  Doerings  Mono- 
graphie d.mn  wieder  hinaus  in  das  der  profanen  Alle- 
gorie. Hierher  gehört  der  Augsburger  Herkulesbrunnen, 
vor  allem  aber  das  ausgezeichnete  Fricdensdenkmal,  wel- 
ches Busch  1911  in  Gioß-Steinheim  aulstellen  durfte, 
der  Stadt,  wo  er  seine  Jugend  verlebt  liat.  —  Die  Illu- 
strationen genügen  durch  ihre  beträchtliche  Zahl  auch 
weitgellenden  Ansprüchen,  interessieren  durch  viele  bis- 
her nicht  veröfl^entlichte  Stücke,  erfreuen  durch  aus- 
nahmslos vorzügliclie  technische  Ausiührung.  Die  Ver- 
lagsanstalt hat  das  Buch  vornehm  ausgestattet.  Man 
darf  nach  dieser  ersten  Probe  auf  die  folgenden  Bände 
gespannt  sein. 

Dr.  Martin  Hilgenroth 


Für  die  Redaktion 


i 


BEILAGE 


NEUE  GLASGEMÄLDE.  —  WETTBEWERB 


GLASGEMÄLDE  IN  DER  ST.  MAXI- 
MILIANSKIRCHE ZU  MÜNCHEN 

r^ie  künstlerische  Verglasung  der  dreizehn  Fenster  in 
den  beiden  Seitenschiffen  des  Langhauses  der  Mün- 
chener St. Maximilianskirche  ist  nun  vollendet.  Entworfen 
und  auch  ausgeführt  sind  diese  Werke  von  Franz  Hof- 
stötter.  Die  schmale,  holie  Form  der  Fenster  mit  dem 
rundbogigen  Schluß  eröfi'nete  für  die  Wahl  figürlicher 
Darstellungen  nur  die  Möglichkeit,  in  jedem  der  Fen- 
ster je  eine  aufrechtstehende  Gestalt  unterzubringen. 
Also  jenen  Gedanken  aufzunehmen,  dessen  Ausfülirung 
sich  in  den  ältesten  erhaltenen  figürlichen  Glasmalereien 
Deutschlands  (im  .'Vugsburger  Dome)  findet.  Gleich- 
zeitig mußte  darauf  Bedacht  genommen  werden,  die 
Belichtung  der  Kirche,  die  später  durch  die  beabsich- 
tigte Mosaizierung  noch  an  Helligkeit  einbüßen  dürfte, 
so  wenig  als  möglich  durch  die  farbigen  Malereien  zu 
beeinträchtigen.  Jede  Darstellung  ist  also  von  einem 
hellen  Rande  umgeben,  eine  Anordnung,  die  jenem 
Zwecke  genügt,  überdies  dazu  dient,  die  Bilder  kraftvoll 
hervortreten  zu  lassen.  Man  sieht  die  Reihe  der  hei- 
ligen Apostel.  Von  ihnen  befinden  sich  in  den  sechs 
Fenstern  der  westlichen  Längswand  (vom  Hauptein- 
gange aus  gezählt)  Matthias,  ludas  Taddäus,  Simon, 
Matthäus,  Bartholomäus  und  Philippus.  In  den  sieben 
Fenstern  der  östlichen  Wand  sieht  man  die  hll.  Petrus, 
Paulus,  Andreas,  Jakobus  major,  Johannes,  Thomas  und 
Jakobus  minor.  Aufgefaßt  sind  sie  als  Fürsten  des 
Geistes  und  Glaubens,  und  demgemäß  ist  ihre  Haltung 
und  Gebärde,  sowie  ihre  Gewandung  charakterisiert 
worden.  Jeder  steht  vor  einer  rechteckigen,  durch 
schmale,  gemalte  Architektur  eingefaßten  ÖfTnung,  durch 
welche  man  die  als  Hintergrund  dienende  Landschaft 
erbhckt.  Diese  ist  keineswegs  naturalistisch,  sondern 
in  größtem  Zuge  stilisiert.  Über  Andeutungen  von  Ge- 
lände und  Pflanzenwuchs,  mit  starker  Bevorzugung  leb- 
haft grüner  Töne,  erhebt  sich  klarer  Himmel;  er  ist 
zart  gefärbt,  gelegentlich  durch  wenige  Wolken  oder 
durch  die  grünen  Zweige  eines  stilisierten  Baumes  unter- 
brochen. Dieses  Rechteck  ist  dann  von  dem  zuvor 
erwähnten  Rande  eingefaßt.  Er  besteht  aus  ungleich 
großen,  viereckigen,  undurchsichtigen  Scheiben;  sie 
haben  weißliche,  hellgraue,  grünliche  oder  bläuliche 
Färbung.  Alle  diese  schwachen  oder  neutralen  Töne 
dienen  dazu,  die  gewaltigen  Farbenakkorde  der  Figuren 
erst  recht  zur  Geltung  zu  bringen.  Der  Entwurf  der 
Gewänder  nähert  sich  vereinzelt,  z.  B.  bei  Matthäus,  den 
Formen  des  13.  Jahrhunderts,  paßt  sich  also  in  solchem 
Falle  dem  Zeitcharakter  der  Kirchenarchitektur  an.  Doch 
ist  trotzdem  von  irgendwelchen  Einschränkungen  histo- 
rischer Art  nicht  im  mindesten  die  Rede.  Die  Durch- 
führung der  Fenster  wahrt  sich  vielmehr  die  gleiche 
völlige  Selbständigkeit,  welche  zu  den  wesentlichsten 
Vorzügen  der  sämtHchen  Hofstötterschen  Werke  inner- 
halb dieser  Kirche  gehört.  Die  Untergewänder,  Gürtel, 
Mäntel  usw.  prangen  in  den  reichsten  und  vielfältigsten 
Farben,  Rot  in  mannigfachsten  Abstufungen  herrscht 
vor,  und  die  weißen,  blauen  und  sonstigen  kalten  Töne 
werden  von  den  warmen  mit  solcher  Energie  um- 
schlossen, daß  alles  sich  zu  starken  Harmonien  ver- 
einigt. Ebenso  zwingt  die  Größe  der  Hauptlinien  die 
Masse  der  bewegten  kleineren  zur  Ruhe.  Erheblich 
trägt  hierzu  die  Art  der  Verbleiung  bei.  Breite  und 
energische  Bleiruten  führen  die  Herrschaft,  Linien  von 
untergeordneter  Bedeutung  sind  durch  schmale  Bleiruten 
gebildet.  Sehr  reichhche  Verwendung  fanden  Über- 
fanggläser,  und  zwar  vielfach  solche,  die  mehr  als  eine 
Farbe  aufweisen.  Sie  ermöghchten  die  Verwendung 
größerer,  zusammenhängender  Glasflächen,  was  der 
ruhigen  Wirkung  der  Bilder  zu  statten   kommt.     Mag 

Die  christliche  Kunst.    XII.     6.    i.  März  1916 


diese  Technik  auch  nicht  inehr  der  ursprünglichen  Na- 
tur der  reinen  mosaikartigen  Zusatnmenfügung  der 
Lokalfarben  entsprechen,  wie  dies  bei  den  alten  Vor- 
bildern der  Fall  ist,  so  ist  zu  bedenken,  daß  hier  eben 
neuartige  Probleme  gelöst  werden;  die  modernste  Tech- 
nik will  und  darf  zeigen,  daß  auch  sie  das  Recht  der 
Existenz  und  der  Entfaltung  ihrer  Kräfte  besitzt.  — 
Ihre  imposante  Wirkung  verdanken  die  dreizehn  Ge- 
stalten aber  nicht  nur  dem  Feuer  ihres  Kolorits  und 
der  Größe  ihrer  Zeichnung.  Sic  wird  verinnerlicht 
durch  die  Erhabenheit  der  Haltung,  durch  die  könig- 
liche Ruhe,  mit  welcher  die  Apostel  zu  dem  Beschauer 
hernieder-,  vor  sich  hin-  oder  aufwäitsblicken.  Mit 
wenigen  Ausnahmen  (Simon,  Taddäus,  Petrus,  Johannes) 
rein  frontal  aufgestellt,  sind  sie  Verkörperungen  jener 
unendlichen  geistigen  Überlegenheit,  welche  ihnen  auf 
Erden  durch  den  Auftrag  Christi  und  durch  den  Empfang 
des  Heiligen  Geistes  zuteil  geworden  ist.  Die  Köpfe 
sind  durchweg  stark  und  schlicht  modelliert  und  im 
höchsten  Grade  ausdrucksvoll.  In  der  Weise,  wie  der 
Künstler  die  Apostel  aufgefaßt  hat,  gehören  sie  aber 
nicht  mehr  dieser  Welt  an,  sondern  der  himmlischen, 
in  welcher  sie  zur  Seite  des  Heilandes  über  die  Kirche 
und  den  Glauben  ihre  herrschende  und  schützende 
Macht  ausüben.  Dieser  überirdische  Charakter  spricht 
sich  auch  in  dem  fast  gänzlichen  Mangel  an  äußerer 
Handlung  und  Bewegung  aus.  Dennoch  ist  ein  jeder 
(außer  durch  die  Äußerlichkeit  seines  Attributes)  inner- 
lich und  kraftvoll  charakterisiert.  Zu  den  schönsten 
Gestahen  in  dieser  Beziehung  gehören  Matthäus,  Pe- 
trus, der  herrliche  ältere  Jakobus,  der  jugendliche  Jo- 
hannes, der  in  Begeisterung  den  Kelch  emporhebt. 
Stärkere-  Gemütsäußerungen  zeigen  sich  selten,  so  bei 
dem  lebhaften  Matthias  und  bei  Thomas;  bei  letzterem 
hat  das  Nachsinnen  und  das  halb  zweifelnde  Suchen 
bewunderungswürdigen  Ausdruck  gefunden.  —  Auch 
diese  dreizehn  neuen  Fenster  tragen  dazu  bei,  die  Mün- 
chener Maximilianskirche  als  eine  der  merkwürdigsten 
modernen  Erscheinungen  zu  kennzeichnen. 

Dr.   O.  Doering 


WETTBEWERB  FÜR  GLASMALEREI 

(Schluß) 

In  der  Gruppe  B  (Geraäldefenster  für  Kirchen  usw.) 
erhielt  einen  Preis  der  Entwurf  von  Hildegard  Dockal- 
Walniceck-München,  zwei  Preise  erlangte  der  Mün- 
chener Albert  FigeL  Das  Figelsche  Projekt  mit  dem 
Motto  >Flammenzeichen<  besitzt  kreisrunde  Form.  Auf 
einem  Schlachtfelde  steht  der  Tod  als  Ritter;  er  trägt 
eine  goldene  Rüstung  und  einen  flatternden  dunkel- 
blauen Mantel,  mit  einem  blutigroten  Schwerte  holt  er 
zum  Schlage  aus;  im  Hintergrunde  erkennt  man  eine 
brennende  Stadt.  Das  Kolorit  bewegt  sich  in  vollen 
roten,  gelben,  blauen  und  helleren  grünen  Tönen.  — 
Für  ein  hohes  schmales  Kirchenfenster  gedacht  ist  Figels 
zweiter  Entwurf  (Motto  >Heldenmut«).  Die  Bildfläche 
ist  in  eine  breitere  mittlere  und  zwei  schmälere  seit- 
liche Bahnen  geteilt.  Die  Mitte  der  Komposition  nimmt 
die  Figur  des  auf  dem  rotbraunen  Drachen  stehenden 
hl.  Georg  ein.  Auch  er  erglänzt  in  goldenem  Harnisch, 
um  den  ein  grüner  Mantel  flattert,  seine  Hand  hält  ein 
stählernes  Schwert  mit  blutiger  Spitze,  die  Linke  den 
braunen  Schild.  Ein  wenig  unterhalb,  zu  den  Seiten 
des  HeiHgen  stehen  zwei  kleine  Engel  in  blauen  Ge- 
wändern, einer  hat  das  Eiserne  Kreuz,  der  andere  einen 
goldenen  Kranz  in  seinen  Händen.  Unten  sieht  man 
einen  sitzenden,  von  einem  Spruchband  umgebenen 
gelben  Löwen,  über  dem  Heiligen  einen  Adler  in  einem 
goldenen  Kranze.  Der  ganze  obere  Teil  des  Fensters 
ist  eingefaßt  von  einer  grünen  Girlande,  an  der  kleine 


DIE  BERLINER  AaUARELLAUSSTELLUNG 


Wappen  angebracht  sind.  Alle  diese  farbigen  Bestand- 
teile heben  sich  mit  energischer  Wirksamkeit  von  einem 
damaszierten  Grisaillefonds  ab.  —  Der  Dockalsche  Ent- 
wurf (Motto  >Die  Schutzpatrone«)  zeichnet  sich  durch 
lebhafte  Farbenwirkung  aus.  Sie  wird  hauptsächlich 
durch  das  Rot  fortlaufender  Rosengirlanden  herbeige- 
führt, welche  sämtliche  Bilderflächen  einrahmen.  Von 
letzterem  ist  die  mittlere,  die  das  Ganze  beherrscht,  mit 
der  Darstellung  des  über  den  gefesselten  nackten  Teufel 
siegreich  sich  erhebenden  Kruzifixus  geschmückt.  Rechts 
und  links  von  ihm  befinden  sich  je  drei  viereckige  Dar- 
stellungen. Sie  zeigen  je  einen  Krieger  der  Land-  und 
Seemacht,  der  bei  seinem  Kampfe,  Marsche  oder  Ge- 
bete den  Beistand  eines  Heiligen  genießt,  nämlich 
S-  Michaels,  Georgs,  Josephs,  Petrus',  Mauritius',  sowie 
der  hl.  Barl^ara.  Die  Landschaften  sind  nur  angedeutet, 
der  Hintergrund  ist  ein  etwas  weichliches  Blau.  Ebenso 
der  für  den  oben  zwischen  Sonne  und  Mond  auf  dem 
Regenbogen  segnend  sitzenden  Gottvater.  Ganz  unten 
sieht  man  eine  Berglandschaft  mit  einem  Dorfe,  im 
■Vordergründe  betend  kniende  männliche  und  weibliche 
Personen,  unter  letzteren  eine  Braut.  Auch  diesem  Ent- 
würfe, der  sich  wegen  seiner  stark  individuellen  Art 
am  besten  für  einen  Chorabschluß  eignen  würde,  dürfte 
es  wegen  seiner  poetischen  Auffassung  und  seiner  schö- 
nen Lichtwirkung  an  Beifall  nicht  fehlen.  —  Von  be- 
deutenderen nichtprämiierten  Leistungen  der  Gruppe  B 
erwähne  ich  noch  das  Projekt  »Ehrung«  wegen  der 
vornehmen  Durchführung  des  blauen  ornamentierten 
Fonds  seiner  Bildfiäche  (S.  Georg).  Sie  ist  ganz  nach 
unten  gerückt,  wie  man  es  ähnlich  auch  z.  B.  bei  den 
alten  Fenstern  der  Münchener  Frauenkirche  beobachten 
kann,  während  die  obere  Hälfte  lediglich  Grisaillever- 
glasung  besitzt  —  eine  Anordnung,  die  darum  praktisch 
ist,  weil  dadurch  die  Bildmalerei  besser  im  Sehbereiche 
des  Beschauers  bleibt.  Docring 


DIE  BERLINER  AQUARELL- 
AUSSTELLUNG 

Von  Dr.  Hans  Schmidkunz  (Berlin-Halensee) 

r)em  Zentralkomitee  der  Deutschen  Vereine  vom  Roten 
Kreuz  überließ  der  Kaiser  eine  Auswahl  (zirka 
700:  3600)  aus  seiner  Aquarell-Sammlung  für  eine,  durcli 
andere  solche  Schätze  ergänzte,  Ausstellung  im  Berliner 
Kunstgewerbemuseum.  Die  Sammlung  stammt  haupt- 
sächlich von  Friedrich-Wilhelm  IV.,  der  sich  durch  sie, 
neben  der  Förderung  sehr  verschiedenartiger  Künstler, 
die  Erinnerung  an  Liebhngsgegenden,  an  eigene  Bauten 
usw.  sichern  wollte.  Damit  stehen  wir  bereits  in  einem 
Stück  vom  Wesen  des  Aquarells,  und  die  vorliegende 
Ausstellung  fördert  dessen  Verständnis  weiter. 

Die  Wasserfarbenmalerei  bietet  durch  ihre  Bequem- 
lichkeit eine  Unabhängigkeit  vom  Atelier,  durch  ihre 
Einfichheit  eine  ebensolche  von  Traditionen  der  »Gale- 
rie« :  an  die  Stelle  von  überlieferten  Farbentönen,  von 
Sondermethoden,  von  Verführungen  zum  Großtun 
treten  Helligkeit  und  Luftigkeit,  Beweglichkeit  und 
Frische,  ümstandslosigkeit,  Unmittelbarkeit  und  Natür- 
lichkeit. Das  macht  das  Aquarell  zur  Reisemalerei,  aber 
auch  zur  Inhalts-  und  Reproduktionskunst,  sowie  zur 
Technik  für  Amateure  und  zum  Teil  von  ihnen.  So 
recht  etwas  für  reisende  Engländer!  Ob  wirklich  deren 
Interessen  den  Ausgang  der  Aquarellmalerei  —  Ende 
des  18.  Jahrhunderts  —  bildeten,  bedarf  noch  einer 
Ueberprüfung;  eine  nachforschende  und  vergleichende 
Ausstellung  würde  sich  um  so  mehr  lohnen,  als  die 
jetzige  und  sonstige  bisherige  Aquarell-Zusammen- 
stellungen sicli  örtlich  oder  zeitlich  bescliränken. 

Die  Regierungszeit  jenes  »Romantikers«  (1840— 1861) 


führt  uns  in  die  dem  Empire  folgenden  Richtungen 
des  Biedermeiers  und  einer  Romantik,  die  freilich  nur 
teilweis  echt  war.  Schinkel  starb  zu  Beginn  jener 
Zeit  (1841);  seine  Schüler,  zumal  Persius  und  Stüler, 
setzten  seine  Berliner  und  Potsdamer  Bautätigkeit  fort; 
der  gotisch  erneuerte  Rhein  und  die  beständigeren 
Überlieferungen  der  süddeutschen  Länder  interessierten 
in  weiteren  Kreisen.  So  bot  sich  dem  schon  von 
vornherein  geringeren  Wert  des  WasserfarbenbilJes  für 
eine  künstlerisch  individuelle  Formensprache  wenig 
Gelegenheit  zur  Steigerung;  die  getreulich  abpinselnden 
Zeichnungskünstler  standen  im  Vordergrund.  Um  so 
mehr  interessiert  das,  was  neben  ihnen  doch  noch  an 
Eigensprache  auftritt.  Auch  die  Farbenmöglichkeiten 
des  Aquarells  helfen  dazu.  Für  eine  Zeit,  die  noch  an 
Farbenscheu  und  an  Brüchen  der  malerischen  Tradition 
litt,  war  es  von  Vorteil,  daß  jener  König  den  jungen 
E.  Hildebrandt  (1818  — 1868")  in  ferne  Gegenden  ent- 
sendete ;  nun  sehen  wir  wieder  die  koloristischen  Er- 
gebnisse dieser  Reisen  vor  uns,  einschließlich  besonders 
hübscher  Bilder  aus  dem  Harz. 

Doch  auch  die  eigenartigeren  Aquarellisten  scheiden 
sich :  die  einen  erliegen  den  Gefahren  der  Weichlich- 
keit und  Süßlichkeit,  die  anderen  wagen  Kräftigeres, 
Herberes.  Zu  den  ersteren  gehört  Frdr.  Eibner  (1826 
bis  1877),  zu  den  letzteren  Stan.  Grafv.  Kalckreuth 
(1821  — 1894).  Wirkliche  Größe  liegt  in  seinen  —  aller- 
dings ungewohnt  dunklen  —  Berglandschaften  aus 
Oberbayern  und  Östereich.  Lieblich,  zierlich  sind 
Eibners  Darstellungen  süddeutscher  Kirchen.  Aber  nun 
vergleiche  man  mit  seinen  .Vquarellen  der  Dome  zu 
Freiburg  i.  B.,  zu  Bamberg  (1842),  zu  Straßburg  (1857) 
die  des  Freiburgers  und  die  einer  äußeren  Seitenpartie 
des  Kölners  (1853)  von  Franz  Alt  (geb.  1821),  und 
sehe,  was  da  an  Realismus  im  guten  Wortsinn  und 
beinahe  an  Wucht  erscheint!  Überhaupt  kann  dieser 
Bruder  eines  Größeren  hier  geradezu  eine  »Entdeckung« 
bekommen.  Rudolf  Alt  (1812  — 1905)  bleibt  mit  seinen 
Wiener  und  anderen  Architektur-Ansichten  freilich  ein 
einzigartiger  Meister,  trotz  oder  wegen  seiner  eindring- 
lichen Detailarbeit,  die  doch  immer  wieder  zu  einem 
einhehlichen  Ganzen  zusammengeht.  Aber  wenn  uns 
der  Bruder  Franz  die  Innsbrucker  Frauenkirche  (1844) 
oder  die  Vorhalle  von  San  Marco  in  Venedig  (1852) 
vorführt,  so  freut  man  sich  doch  über  eine  besondere 
Wärme,  die  von  dieser  Darstellungsweise  ausstrahlt. 

Kommt  man  dann  zu  dem  damaligen  Berliner  Haupt- 
künstler der  Architekturmalerei,  zu  C.  Graeb  (1816  bis 
1884),  so  steht  man  meist  wieder  vor  der  korrekten 
Abzeichnung,  im.merhin  dankbar  für  das  Interesse,  das 
z.  B.  die  nach  altchristlichen  Formen  gebildete  Pots- 
damer Friedenskirche  (1845  — 1850)  in  mehreren  Dar- 
stellungen bietet.  Dazu  kommen  sonstige  Kirchen  aus 
jener  Gegend  und  Zeit;  unter  ihnen  ist  die  Charlotten- 
burger Schloßkapelle  doch  etwas  eigenartiger  wieder- 
gegeben. Nennen  wir  noch  F.  W.  Kloß,  der  mehre- 
ren Berliner  Kirchen  Abbildungen  gewidmet  hat,  und 
springen  wir  dann  abermals  in  eine  andere  Sphäre! 
Erinnerungen  an  die  Schack-Galerie  und  an  die  spe- 
zifischen Interessen  ihres  Schöpfers  steigen  auf,  wenn 
wir  vor  Franz  Catel  (1778  — 1856)  und  vor  E  N.  Neu- 
reut her  (1806 — 1882)  stehen  I  Jener  gibt  eine  Ansicht 
von  Rom  (1820),  dieser  eine  vom  »Wurmsee«  und 
seiner  Umgebung;  aber  beide  verstehen  es,  ihre  Veduten 
so  farbig  zu  halten  und  ihnen  so  den  Eindruck  von 
Kompositionen  zu  verleihen,  daß  einem  wirklich  etwas 
romantisch  zumute  wird. 

Es  ist  schwerlich  Zufall,  daß  diese  beiden  Stücke  auf 
derselben  Tafel  mit  ein  paar  Proben  aus  den  »Berliner 
Nazarenern«  vereinigt  sind.  Unberühmte  Namen  treten 
hervor:  in  Zeichnungen  stellt  P.  Mila  die  »Anbetung 
der  Könige«  sowie  die  »Ankunft  der  Rebekka  im  Hause 


LEKTÜRE  INS  FELD.  —  VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


Abrahams«  und  P.  Rittig  die  >Ankunft  der  Sarah  bei 
den  Ehern  des  Tobias<  dar;  dazu  ein  H.  %■.  Hess 
>Gegrüßet  seist  du,  Maria<. 

Einen  breiten  Raum  nehmen  Bilder  von  ahen  rheini- 
schen Kirchen  ein;  Ad.  Wcgelin  war  da  eigens  be- 
auftragt und  besonders  lleißig  (die  Künstlernamen  sind 
dabei  nicht  deutlich  genug  verzeichnet).  Ist's  eine  Ein- 
sicht in  eine  partielle  Überschätzung  des  Kölner  Domes 
oder  eine  etwas  langweilige  Wiedeigabe,  daß  uns  Dar- 
stellungen von  anderen,  mindestens  im  Grundriß  inter- 
essanteren Kirchen  Kölns  noch  mehr  anziehen?  Sankt 
Maria  im  Kapitol,  wovon  hier  ein  Querschift"  zu  sehen, 
und  eine  Partie  von  Sankt  Gereon  reizen  auch  durch 
sehr  wirkungsvolle,  gut  weiche  Darstellungen;  dazu 
der  Kreuzgang  von  Sankt  Severin,  die  Krypta  von 
Sankt  Cäcilia  u.  a. 

Weniger  Freude  bietet  die  gekünstelte  Gotik  bei- 
spielsweise der  rheinischen  Burg  Stolzenfels  in  der 
Wiedergabe  durch  den  Düsseldorfer  K.  J.  Scheuren 
(1810 — 1887).  Im  Verhältnis  dazu  sind  Innenausstattun- 
gen von  Berliner  und  anderen  Schlössern  —  in  Bildern 
von  verschiedenen  —  naturgemäßer,  schon  infolge 
näheren  Anschlusses  an  Barock-  und  spätere  Über- 
lieferungen ;  neben  pathetischen  Großräumen  zeigen 
namentlich  Interieurs  für  weibliche  Bewohner  manche 
natürliche  Anmut. 

Auch  ferneres  Deutsche  und  Ausländische  lockt  in 
verschiedenen  Darstellungen,  nicht  zuletzt  Danzig  mit 
mehreren  Aufnahmen  seiner  Marienkirche  und  mit  an- 
deren dortigen  Kirchen  (J.  K.  Schultz  1801  — 1875 
u.  a.),  sowie  Warschau  und  Benachbartes  (Gregorovius). 
Nach  Venedig  führen  wieder  E.  Gerhardt  mit  der 
Taufkapelle  von  San  Marco  (1846),  C.  Werner  mit 
zwei  flott  gemalten  Portalen,  von  Heiligenstatuen  um- 
geben, aus  San  Giorgio  (1851). 

Schließen  wir  mit  den  zahlreichen  Erinnerungen  an 
Oberbayern  und  besonders  München  (F.  Eibner, 
K.  A.  Lebscliee,  F.  Zeiß  u.a.),  so  fesseln  uns  am 
ehesten  Münchencr  Stadtansichten  von  H.  Doli:  ihre 
lockere,  flockige  Art  weist  doch  schon  aus  Biedermeier 
in  eine  Zukunft. 

LEKTÜRE  INS  FELD 

Wir  berichteten  in  der  letzten  Nummer,  S.  159,  über 
die  Empfehlung,  die  Oberlehrer  Joseph  Gieben  für  die 
Hefte  >Die  Kunst  dem  Volke«  (Verlag  der  Allgemei- 
nen Vereinigung  für  christliche  Kunst,  München,  Karl- 
straße 53)  veröffentlicht  hat.  Nochmals  weisen  wir 
dringend  darauf  hin. 

Bisher  sind  folgende  Monographien  erschienen: 
I.  Albrecht  Dürer,  von  Dr.  Joh.  Damrich,  mit  60 Ab- 
bildungen. 2.  Ludwig  Richter,  von  Dr.  Hyazinth 
Holland,  mit  66  Abbildungen.  3.  Weihnachten  in 
der  Malerei,  von  Dr.  Joh.  Damrich,  mh  48  Abbil- 
dungen. 4.  Beato  Angelico,  von  P.  Fr.  Innozenz 
M.Strunk,  O.  P.,  mit  65  Abbildungen.  5.  Berühmte 
Kathedralen  des  Mittelalters,  von  Dr.  Oscar 
Doering Dachau,  mit  61  Abbildungen.  6.  Joseph  Rit- 
tervonFührich,  seinLeben  und  seineKunst, 
von  Heinrich  von  Wörndle,  mit  64  Abbildungen. 
7.  Moritz  von  Schwind,  von  Dr.  Hyazinth  Holland, 
mit  56  Abbildungen.  8.  Berühmte  Kathedralen 
der  nachmittelalterlichen  Zeit,  von  Dr.  Oscar 
Doering-Dachau,  mit  50  Abbildungen.  9.  Hans  Hol- 
bein d.  J.,  von  Dr.  Joh.  Damrich,  mit  55  Abbildungen. 
lO./il.  Murillo,  von  Dr.  Adolf  Fäh,  mit  83  Abbil- 
dungen. 12.  Die  Madonna  in  der  Malerei,  von 
P.  M.  C.  Nieuwbarn,  O.  P.,  mit  63  Abbildungen. 
13.  Ein  Besuch  im  Vatikan,  von  Anton  de  Waal, 
mit  58  Abbildungen.  14.  Die  Künstlerfamilie 
della  Robbia,    von   Dr.  Oscar  Doering-Dachau,   mit 


60  Abbildungen.  15.  Die  Altschwäbische  Ma- 
lerei, von  Dr.  Joh.  Damrich,  mit  50  Abbildungen. 
16.  Peter  Paul  Rubens,  von  Dr.  Walter  Rothes, 
mit  55  .Abbildungen.  17/18.  Die  Altkölnische 
Malerschule,  von  Dr.  Andreas  Huppertz,  Köln,  mit 
105  .Abbildungen.  19.  Domenico  Ghirlandajo, 
von  Dr.  Walter  Bombe,  mit  53  Abbildungen  20.  Theo- 
dor Horschelt,  Schlachtenmaler,  von  Dr.  Hyazinth 
Holland,  mit  64  Abbildungen.  21.  Die  deutsche 
Burg,  von  Dr.  O.  Doering,  mit  69  Abbildungen. 
22.  Peter  von  Cornelius,  von  Max  Fürst,  mit  56 
Abbildungen.  23/24.  Schlachtenmaler  Albrecht 
Adam  und  seine  Familie,  von  Dr.  Hyazinth  Hol- 
land, mit  108  Abbildungen. 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Das  Nackte  in  der  Kunst  bei  den  Kirchen- 
vätern. —  In  der  Katholischen  Kirchenzeitung,  Nr.  47, 
191 5  (Verlag  A.  Pustet  in  Salzburg)  behandelt  Prof 
Dr.  Gottfried  Brunner  dieses  Thema  und  trägt  damit 
zur  besseren  Beurteilung  der  Frage  nach  der  Zulässig- 
keit  der  bildnerischen  Darstellung  des  nackten  mensch- 
lichen Körpers  in  schätzenswerter  Weise  bei.  Diese 
Frage  selbst  wird,  wie  der  Verfasser  zutreffend  bemerkt, 
wohl  nie  aus  dem  Meinufigsstreit  der  Kulturmenschen 
verschwinden.  In  der  Praxis  wird  man  auf  Kompro- 
misse angewiesen  bleiben. 

Die  alten  Kirchenschriftsteller  haben  das  Thema 
nicht  um  seiner  selbst  willen,  von  Berufs  wegen,  be- 
handelt, sondern  streiften  es  nur  nebenbei  und  selten. 
Prof  Brunner  versäumt  nicht,  bei  seiner  Untersuchung 
die  sehr  wichtige  Unterscheidung  zu  machen:  Wie 
stellen  sich  die  angezogenen  Schriftsteller  zum  Nackten 
in  der  Natur,  wie  zum  Nackten  in  der  Kunst? 
Zur  ersten  Frage  kommen  zum  Wort:  Cj'prian,  Am- 
brosius,  Hieronymus,  Chrysostomus,  die  Apostol.  Kon- 
stitutionen, auch  auf  Clemens  Alexandrinus  und  Ter- 
tullian  wird  hingewiesen.  Das  Ergebnis  faßt  Prof  B. 
in  das  Urteil  zusammen:  »So  sehr  die  Väter  auf  Ehr- 
barkeit und  Schamhaftigkeit  dringen,  so  sehen  sie  doch 
im  menschlichen  Leib  ein  herrliches  Werk  Gottes. 
Nicht  finsterer  Naturhaß  spricht  aus  ihren  Worten,  son- 
dern einerseits  Bewunderung  der  Weisheit  des  Schöpfers, 
andererseits  die  aus  der  Erfahrung  geschöpfte  Besorg- 
nis über  die  Gefahren,  die  der  Anblick  des  nackten 
Körpers  für  die  große  Mehrzahl  der  schwachen  Men- 
schen mit  sich  bringt.« 

Über  die  Frage  des  Nackten  in  der  Kunst  finden 
sich  Äußerungen  bei  Justin,  Tatian,  Clemens  von  Ale- 
xandrien,  Arnobius,  Eusebius  von  Cäsarea,  Zeno  von 
Verona,  Theodoret,  Sidonius  ApoUinaris,  Isidor  von 
Pelusium.  Aus  diesen  Stimmen  kann  geschlossen  wer- 
den :  »Wo  die  Väter  gegen  die  Darstellung  des  Nackten 
im  Bilde  eifern,  da  tun  sie  es  nur,  insoferne  dasselbe 
im  ganzen  Zusammenhang  der  dargestellten  Handlung 
und  Persönlichkeit  (Venus)  die  Vorstellung  unsittlicher 
Handlungen  hervorrufen  muß,  oder  wo  das  Bildwerk 
zur  Verherrlichung  unsittlicher  (historischer  oder  mytho- 
logischer Persönlichkeiten  dient.  Außerhalb  dieses 
Falles  verwerfen  sie  die  künstlerische  Darstellung  des 
Nackten  nicht.  Ihr  Schweigen  hierüber  ist  mehr  als 
beredt,  und  der  einzige  Isidor  von  Pelusium  kann  mit 
Fug  und  Recht  als  Vertreter  von  vielen  gelten.«  Letz- 
terer tritt  ausdrücklich  für  die  Berechtigung  des  Nackten 
in  der  bildenden  Kunst  ein. 

Bischöfliche  Bildnisse.  —  Der  Petrus  Veriag  in 
Trier  gab  ein  farbiges  Blatt  mit  dem  Bildnisse  des 
großen  Mainzer  Bischofs  Wilhelm  Emanuel  Freiherr 
von  Ketteier   heraus,   das    der  Darmstädier   Maler   Pro- 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN.  —  BÜCHERSCHAU 


fessor  Noack  1851  malte,  ferner  ein  gleichfalls  farbiges 
Bildnis  des  Herrn  Bischofs  Dr.  Michael  Felix  Korum 
von  Trier. 

Das  Bildnis  eines  Knaben  (wohl  der  Ivleine 
Titus)  von  Rembrandt  ging  aus  dem  Besitze  des  Lord 
Spencer  für  700000  Mark  in  andere  Hände  über. 

Georg  Szoldatics,  ein  ungarischer  Künstler  und 
Schüler  von  Ludwig  Seitz  in  Rom,  malte  nach  dem 
Leben  ein  Bildnis  Benedikts  XV.,  das  die  zarte  und 
doch  sehr  eindrucksvolle  Gestalt  des  Papstes  glücklich 
wiedergibt.  Das  Gemälde  wurde  bei  Benziger  &  Co. 
in  Einsiedeln  farbig  reproduziert. 

Bildhauer  Eugen  Kaspar  Dütsch  (München) 
fiel  am  29.  Januar  infolge  eines  Halsschusses,  nachdem 
ihm  sein  Bruder  (ebenfalls  Bildhauer)  bereits  im  Helden- 
tod vorangegangen  war.    Er  stand  im  28.  Lebensjahre. 

Maler  Franz  Fuchs,  der  als  österreichischer 
Major  im  Felde  steht,  erhielt  >für  tapferes  Verhalten 
vor  dem  Feinde«  das  Signum  laudis  am  Bande  der 
Tapferkeits-Medaille. 

Wilhelm  Stein  hausen  (Frankfurt  a.  M.)  beging 
am  2.  Februar  den  70.  Geburtstag.  Sein  jüngstes  Werk 
sind  die  soeben  vollendeten  Fresken  in  der  prot.  Lukas- 
kirche zu  Frankfurt. 

In  München  starb  am  8.  Februar  Stadtbaurat  Ar- 
chitekt Wilhelm  Bert  seh,  der  Vorstand  der  Hochbau- 
abteilung des  Städtischen  Bauamtes.  Baurat  Bertsch, 
ein  geborener  (1865)  Münchner,  verhalf  bei  den  Aus- 
stellungshallen im  Stadt.  Ausstellungspark,  dessen  Ge- 
samtanlage (1907/08)  ihm  anvertraut  war,  dem  Eisen- 
beton zu  seiner  vollen  ästhetischen  Anerkennung.  Von 
seinen  Schulbauten  ist  vor  allem  die  Volksschule  an 
der  Versaillersstral3e  zu  nennen,  bei  der  der  Grundriß 
eines  zweireihigen  Gebäudes  mit  quergestelltem  ein- 
reihigem Anbau  interessant  gelöst  ist  und  die  Verbin- 
dung von  romanischen  und  Renaissancemotiven  be- 
friedigt. 

Professor  Hermann  Hahn  (München)  erhielt  von 
der  Stadt  Wiesbaden  den  Auftrag,  für  dessen  Museum 
eine  Goethe-Figur  zu  schaffen.  Der  Künstler  will  das 
Denkmal,  das  zwischen  den  antiken  vier  Säulen  zu 
stehen  kommt,  in  klassischem  Stil  mit  Goethe  als  Ju- 
piter auf  Wolken  thronend  darstellen. 

Versteuerung  des  Kunstbesitzes.  Nachdem 
in  der  Tagespresse  die  Frage  eingehend  besprochen 
wurde,  ob  es  angängig  und  möglich  sei,  den  Kunstbe- 
sitz zu  versteuern,  stellt  sich  heraus,  daß  eine  solche 
Steuer  nicht  in  Aussicht  genommen  ist. 

Kriegsdenkmünzen.  Die  Münzprägeanstalt  L.  Chr. 
L  a  u  e  r  (Nürnberg)  liat  dem  K. Kriegsarchiv  inMünchen  eine 
Sammlung  der  von  ihr  geprägten  Kriegsdenkmünzen  ge- 
geschenkt, die  später  noch  erweitert  werden  soll  und  im 
Kuppelsaal  des  Armeemuseums  als  Leihgabe  >für  ewige 
Zeiten«  zur  Aufstellung  kam.  Sämtliche  Stempel  für  Taler, 
Medaillen  und  Plaketten  und  Entwürfe  hierzu  sind  aus  dem 
Kunstatelier  der  Firma  hervorgegangen.  Die  Modelle  der 
Porträts  stammen  teils  von  auswärtigen  Künstlern,  teils 
von  solchen  der  Firma  und  wurden  durch  Verkleinerung 
auf  der  Gravier-  und  Reduziermaschine  in  den  verschie- 
denen Größen  in  Stahl  geschnitten.  Von  den  entwer- 
fenden Künstlern  nennen  wir  O.  Hoppe,  A.Hummel, 
Bildhauer  Wolf,  E.  Wrede,  A.  Hennig,  Ferd.  Lieber- 
mann, Fr.König,  Professor  Seh wabe  und  Bildhauer 


Ziegler.  Die  Erinnerungsmünzen  zeichnen  sich  vor  ähn- 
lichen Stücken,  wie  sie  auch  aus  der  bayerischen  Münze  — 
bei  Geldstücken  aus  praktisclien  Gesichtspunkten  der 
schnellen  Abnützung  im  täglichen  Verkehr  —  hervorge- 
hen, vor  allem  durch  ihre  erliabene  Arbeit  gegenüber 
der  sonst  üblichen  Flachprägung  aus.  In  sauberer  Ar- 
beit zeigen  sie  in  feiner  Bronzemischung  oder  in  Silber 
die  Brustbilder  der  deutschen  Bundesfürsten,  des  öster- 
reichischen Kaisers,  von  Staatsmännern,  Heerführern  und 
Helden  zur  See.  Künstlerischen  vorbildlichen  Charakter 
tragen  die  Münzen  mit  Sinnbildern  wie  der  besonders 
gelungene  Titanenkampf  Otto  Hoppes  und  die  deutsch- 
österre'che  Bündnismünze,  deren  Vorderseite  ein  schön 
ausgefülltes,  harmonisches  Ganzes  bildet.  Die  christ- 
liche Kunst  ist  mit  einem  hl.  Georg  auf  einer  Anhänge- 
münze vertreten.  Eigenartig  ist  Wolfs  Brotvertei- 
lungsmünze. Volkskundlichen  Wert  besitzen  die 
Spottmünzen,  wie  sie  uns  ähnlich  aus  den  ältesten 
Zeiten  überliefert  sind,  mit  dem  einen  Franzosen  und 
Russen  darstellenden  Vexierkopf  und  dem  Volkswitz  von 

den   »unzertrennlichen«   friedlichen  Heerfülirern -= — — - 

rre[nch 
Es  ist  nur  zu  wünschen,  daß  die  Anstalt  sich  ihre  Stoffe 
auch  mehr  aus  der  christlichen  Kunst  nimmt.  z. 

Regierungs-  und  Baurat  Max  Hasak,  Privatdozent 
an  der  Technischen  Hochschule  in  Berlin,  beging  am 
15.  Februar  seinen  60.  Geburtstag. 

Neues  Werk  von  Bildhauer  Carl  Ludwig 
Sand  in  München.  —  In  Elbersroth  (Mittelfranken) 
wurde  kürzlich  ein  Denkstein  (»Marterl«)  aufgestellt, 
das  der  angeseliene  Bildhauer  Karl  Ludwig  Sand  aus- 
führte. Es  ist  3'/2  Meter  hoch,  aus  blauem  Muschel- 
kalkstein, mit  einem  Christus  am  Kreuz  bekrönt  und 
fügt  sich  als  prächtige  Zier  schön  dem  Dorfbilde  ein. 
Pfarrer  Ludwig  Heumann,  der  im  vorigen  Jahre  die 
Preise  zu  dem  sehr  anregenden  Wettbewerb  für  Krie- 
gervereinsfahnen bezahlte,  ließ  das  Denkmal  zur  Er- 
innerung an  unsere  große  Zeit  errichten.  Er  gab  da- 
mit allen  Stellen  und  Personen,  die  etwas  für  die  Kunst 
tun  können  —  und  sollen,  ein  leuchtendes  Beispiel, 
sich,  den  Künstlern  und  seiner  Gemeinde  zur  Ehre. 
Wer  schon  jetzt  einen  Auftrag  zu  verwirklichen  ver- 
mag, spreche  nicht:  »Später  nach  dem  Krieg!«  son- 
dern helle  sogleich  die  Lage  erleichtern.  Für  das 
»später«  lasse  er  die  Zukunft  sorgen.  —  Über  C.  L. 
Sand  vgl.  Heft  4  des  vor.  Jgg.,  S.  99  fF. 

Münchener  Secession.  Die  Sommerausstellung 
der  Münchner  Secession  wird  wie  bisher  auch  in  die- 
sem Jahre  im  K.  Kunstausstellungsgebäude  am  Königs- 
platz abgehalten  werden.  An  dieser  Ausstellung  kön- 
nen sich  auch  diesmal  wieder  Nichtmitglieder  beteiligen. 
Die  Ausstellungspapiere  gelangen  Ende  März  zum  Ver- 
sand. Nähere  Auskunft  erteilt  die  Geschäftsstelle  der 
Secession,  München,  Königsplatz  i. 

BÜCHERSCHAU 

Das  Neue  Testament.  Nach  der  Vulgata  über- 
setzt von  Dr.  Benedikt  Weinhart.  Illustr.  Taschenaus- 
gabe. Mit  40  Bildern  nach  Friedrich  Overbeck  und 
4  Kärtchen.  Herder  in  Freiburg.  Preis  in  Leinen 
M.  2.20. 

Ich  finde  die  Ausgabe  textlich  sehr  wertvoll  und 
begrüße  namentlich  auch  die  Beigabe  der  herrlichen 
Overbeckschen  Bilder.  So  klein  das  Format  ist,  so 
vorzüglich  sind  doch  trotzdem  die  Wiedergaben.  Sie 
werden  sicher  dazu  beitragen,  dieser  Ausgabe  der  hei- 
ligen Schriften  weite  Verbreitung  zu  sichern. 


Für  die  Redaktio 


BEILAGE 


VON  WIEDER  AUFGETAUCHTEN  ALTEN  BILDERN 


VON  WIEDER  AUFGETAUCHTEN 
ALTEN  DEUTSCHEN  BILDERN 

Von  Professor  Dr.  L.  Frankel 

I.  Am  9.  August  v.Js.  fand  die  erste  gründliche  wissen- 
schaftliche Besichtigung  des  alten  Deutschordenshauses 
zu  Franlifurt  a.  M.  mit  den  Kunstwerken  und  Bildern 
der  Kirche,  der  Sal^ristei,  des  imposanten  Stiegenhauses, 
des  Rittersaales  und  der  andern  historiscli  oder  künst- 
lerisch bemerkenswerten  Räume  stau.  Professor  Dr. 
Julius  Hülsen  führte  und  gab  dazu  in  übersichtlicher 
.Anschaulichkeit  einen  Umriß  der  Entstehung  des  erin- 
nerungsreichen Baus  und  der  vielgestaltigen  Vergangen- 
heit des  Hauses  selbst  und  der  Kirche  insbesondere. 
»Heute,  wo  jeder  Tag  ein  Blatt  in  der  Weltgeschichte 
füllt,  weht  dem  Beschauer  auch  ein  frischerer  Zug  aus 
alten  Dokumenten  entgegen.  Ein  solcher  Zeuge,  ein 
solches  Dokument  ist  das  Deutschordenshaus.  Hier 
spricht  aus  jedem  Stein  von  Kirche  und  Haus  die  Ge- 
schichte.« Urkundlich  erscheint  zuerst  1193  an  diesem 
Platz  ein  Hospital  mit  kleiner  Kapelle,  dann  ging  das 
Besitztum  an  die  Deutschmeister  über,  und  Hospital 
nebst  Kirche  blieben  eng  mit  dem  Geschick  Frankfurts 
verbunden,  so  besonders  im  Schmalkadischen  Krieg,  wo 
sie  arg  litten.  Im  Dreißigjährigen  Krieg  schenkte  Gustav 
Adolf  das  Besitztum  den  Protestanten ;  nach  dem  West- 
fälischen Frieden  bekam  es  der  Orden  zurück.  Napo- 
leon I.  säkularisierte  den  Orden  und  zog  sein  Besitztum 
ein.  Der  Wiener  Kongreß  sprach  es  Österreich  zu,  dieses 
gab  Kirche  und  Palast  1856  den  Deutschmeistern,  die 
1881  den  Gesamtbesitz  an  die  katholische  Gemeinde 
verkauften.  Der  Neuhau  der  heutigen  Kirche  begann 
im  14.  Jahrliundert,  trotz  ihrer  geringen  Ausmaße  eines 
der  schönsten  gotischen  Bauwerke  Frankfurts,  wurde 
1750  in  Barock  umgebaut  und  mit  neuer  Fassade  ver- 
sehen und  1885  von  Kirchenbaumeister  Meckel  in  der 
ursprünglichen  Form  wieder  hergestellt.  Die  beim  Ent- 
fernen der  Stuckatur  aufgedeckten  alten  Wandbilder  bil- 
den einen  wesentlichen  Schmuck  der  Kirche;  sie  sind 
teilweise  aufgelVischt.  Die  interessantesten  Ausführungen 
des  Redners  waren  die  über  das  große  und  großartige 
Altarbild  »Die  Himmelfahrt  iMariä«  des  berühmten 
Meisters  Giovanni  Battista  Piazetta  (geboren  1682  zu 
Venedig),  ein  wahrhaft  monumentales  Kunstwerk  von 
neun  Meter  Hohe  und  fünf  Meter  Breite,  1756  vom  kunst- 
freundlichen ^\■ittelshacher  Clemens  August  hergeschenkt. 
Französische  Plünderer  haben  es  unter  General  Kleber 
im  Jahre  1796  aus  der  Deutschordenskirche  geraubt  und 
die  französische  Konsularregierung  1801  der  Stadt  Lille 
geschenkt.  Die  Einnahme  letzlerer  19 14  brachte  Deutsch- 
land wieder  sein  rechtmäßiges  Eigentum.  Das  Bild  be- 
findet sich  jetzt  in  Berlin.  Durch  Granatsplitter  leicht 
beschädigt,  hat  es  doch  an  Aussehen  und  Wert  keinerlei 
Einbuße  erlitten.  Wie  über  das  Kunstwerk  weiter  verfügt 
wird,  weiß  man  heute  noch  nicht  sicher.  In  Frankfurt  a.M., 
dessen  Stadtverwaltung  und  katholische  Gemeinde  ent- 
sprechende und,  wie  es  soeben  heißt,  erfolgreiche  Schritte 
getan  haben,  erhofft  man  allerdings,  daß  das  Bild  den 
alten  Platz  in  der  Deutschordenskirche  bekäme.  Be- 
sondere Verdienste  in  der  Saciie  erwarb  sich  ein  kunst- 
sinniger Frankfurter  Bürger,  Nikolaus  Manskopf.  Die- 
ser zeigte  den  Anwesenden  ein  lehrreiches  Bild,  eine 
Photographie  eines  alten  Gemäldes,  das,  in  Fürstlich 
reußischem  Besitze,  einen  Ahnherrn  dieses  Geschlechts 
darstellt,  wie  er  in  der  Frankfurter  Kirche  zum  Deutsch- 
ordensritter geschlagen  wird.  Übrigens  liegt  das  Deutsch- 
ordenshaus mit  der  Kirche  in  einem  Teile  der  links- 
mainischen  Vorstadt  Frankfurts,  Sachsenhausens,  der  in 
nächster  Zukunft  einschneidenden  baulichen  Verände- 
rungen unterworfen  und  dessen  Gesamteindruck  groß- 
zügig und  prächtig  werden  soll.     Dann   wird   das  ehr- 

Die  christliche  Kunst.    Xll      7.    1.  April  1016 


würdige  Deutschordenshaus  mit  der  Kirche  in  neuem 
Gewand  und  Rahmen  ein  eclites  Schmuckstück  des 
neuen  Südviettels  der  alten  Reiclisstadt  bilden. 

IL  Die  neuentdeckten  Werke  des  Meisters 
Franc  ke.  Jüngst  ist  es  gelungen,  von  einem  der 
größten  altdeutschen  Künstler,  dem  Hamburger  Meister 
Francke,  den  der  vor  einiger  Zeit  verstorbene  Alfred 
Lichtwarck,  der  Direktor  der  Hamburger  Kunsthalle, 
wieder  entdeckt  hatte,  außer  seinen  Gemälden,  dem  Stolz 
des  eben  genannten  Museums,  auch  Bildhauerwerke 
nachzuweisen.  Wie  nämlich  die  meisten  altdeutschen 
Künstler,  stellte  Francke  in  seiner  Werkstatt  beiderlei 
Dinge  für  Altarwerke  her.  Nun  wies  Viktor  C.  Habicht 
in  der  „Zeitsclirift  für  bildende  Kunst"  soeben  nach, 
wie  die  von  ihm  als  Schöpfungen  Franckes  erkannten 
Schnitzereien  des  Altars  in  der  katholischen  Kirche  zu 
Schiede  hausen  bei  Osnabrück  so  starke  Ver- 
wandtschaft mit  den  entsprechenden  Darstellungen  auf 
dem  Hamburger  Altar  —-  Geburt  Christi  und 
Anbetung  der  Könige  —  zeigen,  daß  an  der  gleichen 
Herkunft  nicht  zu  zweifeln  ist.  Ein  Engel,  der  bei  der 
Geburt  des  Jesuskindes  ein  Tuch  am  Feuer  wärmt,  so- 
wie ein  Page,  der  bei  der  Anbetung  der  Heiligen  drei 
Könige  einem  alten  König  die  Sporen  löst,  gehören 
zu  den  schönsten  Erfindungen  dieses  vergessen  ge- 
wesenen Genius.  Verfolgt  man  die  Spuren  des  Bild- 
hauers Francke  weiter,  so  wie  kürzlich  zu  Nykyrko 
in  Finnland  ein  Altar  aus  seiner  Werkstatt  mit  Ge- 
mälden und  Plastiken  ans  Licht  kam,  so  bekommt 
seine  noch  längst  nicht  nach  Gebühr  gewürdigte  Per- 
sönlichkeit   ein   deutlicher   ausgeprägtes   Meistergesicht. 

III.  Gnesener  Fresken.  Wertvolle  künstlerische 
Funde  erbrachten  die  Wiederherstellungsarbeiten  der  ka- 
tholischen St. Johanniskirche  zu  Gnesen.  Bei  den 
Innenarbeiten  an  diesem  im  Jahre  1243  erbauten  Gottes- 
hause wurden  im  Chorraum,  in  den  Nischen  und  hinter 
dem  Hauptaltar  acht  große  Freskogemälde  frei- 
gelegt, die  jahrhundertelang  unter  Verputz  versteckt  ge- 
legen. Die  Bromberger  Königliche  Regierung  ordnete 
sofort  eine  eigene  Kommission  ab,  um  das  Weitere  lür 
Schutz  und  Restaurierung  zu  veranlassen.  Unter  den 
10  Gotteshäusern  des  nur  25  000  Einwohner  zählenden 
Stadtchens  Gnesen  steht  natürlich  der  an  Kunstschätzen 
reiche,  fast  1000  Jahre  alte  Dom  an  erster  Stelle.  Je- 
doch steht  seit  einiger  Zeit  eben  die  namentlich  in 
architektonischer  Beziehung  beachtenswerte  Kirche  zu 
St.  Johannis,  die  auf  eine  700jährige  Vergangenheit  zu- 
rückblickt und  der  katholischen  Schulgemeinde  gehört, 
mehr  als  sonst  im  Vordergrunde  des  Interesses.  Bei 
jenen  auf  staatliche  Veranlassung  jetzt  ausgeführten  durch- 
greifenden Erneuerungsarbeiten  nämlich  wurden  durch 
Zufall  im  Innern  die  großen  Freskogemälde  unter  dicker 
Tüncherschichte  aufgedeckt.  Diese  Bilder,  von  denen 
besonders  die  an  der  Wand  hinter  dem  Altar  aufge- 
fundenen bedeutenden  Kunstwert  zu  besitzen  scheinen, 
sollen  nach  Möglichkeit  in  ihrer  ehemaligen  Farben- 
pracht wiederhergestellt  werden.  Die  zuständige  Be- 
hörde der  Posener  Staatsregierung  hat  bereits  die  dazu 
erforderlichen  Maßnahmen  ergriffen. 

IV.  Das  Altarwerk  Scorels  vor  Kriegsgefahr 
gesichert.  Zu  Obervellach  (Kärnten)  befindet  sich 
ein  herrliches  Altarwerk  (1520)  Jan  van  Scorels,  je- 
nes hervorragenden  Holländers,  der  für  Wendung  der 
niederländischen  Kunst  zum  Italianismus  bedeutsam  ge- 
wirkt hat.  1881  ward  es  von  Obervellach  nach  Wien 
gebracht,  wo  es  von  Karl  Scliellein,  dem  Restaurator 
der  Belvedere-Galerie,  einer  gründlichen  Reinigung  unter- 
zogen wurde  ;  es  hat  dann  die  Obervellacher  Ortskirche 
seit  seiner  Heimkehr  bis  jetzt  nicht  mehr  verlassen.  Nun- 


AUSSTELLUNG  IM  WIENER  KÜNSTLERHAUS 


mehr  im  Sommer  191 5  haben  sich  jedoch  die  zustän- 
d^en  Behörden  veranlagt  gesehen,  diesen  kostbaren 
Kunstschatz  in  Sicherheit  zu  bringen,  weil  er  an  seinem 
Standort  infolge  der  Nähe  der  italienischen  Angrifisfront 
allzusehr  der  Boinbengefahr  ausgesetzt  war.  Daher  ist 
der  Altar  neuerdings  auf  Veranlassung  der  österreichi- 
schen k.  k.  Zentralkommission  für  Denkmalspflege  nach 
Wien  t'eschafft  worden,  woselbst  er  in  den  Aufbe- 
wahrungsräumen der  Staatsgalerie  untergebracht  ist  und 
neu  in  den  allgemeinen  Gesichtskreis  tritt.  Mit  zwei 
auf  beiden  Seiten  bemalten  Flügeln  stellt  er  die  heilige 
Sippe  dar. 

DIE  HERBSTAUSSTELLUNG  IM  WIENER 
KUNSTLERHAUS 

T/^aum  daß  die  bereits  mehrfach  erwähnte  Kriegsbilder- 
^  Ausstellung  ihre  Pforten  geschlossen  hatte,  wurde 
die  alljährliche  Herbstausstellung  im  Wiener  Künstler- 
haus, von  dessen  Dach  noch  immer  die  Rote-Kreuz- 
Fahne  weht,  eröffnet.  Diesmal  konnte  nur  das  Ober- 
geschoß seinem  ursprünglichen  Zwecke  zugänglich  ge- 
macht werden,  da  ja  die  großen  Säle  im  Erdgeschoß 
unseren  verwundeten  und  erkrankten  Kriegern  einge- 
räumt sind.  Die  Ausstellung  ist  infolgedessen  natürlich 
nicht  so  umfangreich,  wie  es  ihre  Vorgängerinnen  in 
Friedenszeit  zu  sein  pflegen,  ersetzt  aber  glücklicher- 
weise an  Qualität,  was  ihr  an  Quantität  diesmal  ab- 
geht. Übrigens  sind  woiil  sämthche  bekannte  Namen 
der  Wiener  Künstlerschaft  vertreten  und  das  Erfreulichste 
mit  an  der  gegenwärtigen  Ausstellung  ist  der  Um- 
stand, daß  der  Vermerk  >Angekauft«  recht  häufig  zu 
bemerken  ist. 

Wenn  auch  in  den  Wiener  Ausstellungen  das  reli- 
giöse Moment  im  allgemeinen  gerade  nicht  sonderlich 
bevorzugt  wird,  so  läßt  sich  dieses  Mal  mit  Genug- 
tuung feststellen,  daß  einige  Bilder  mit  mehr  oder 
minder  religiösem  Einschlag  vorhanden  sind.  Am  meisten 
in  die  .\ugen  fallend  ist  Temples  >Festmesse  im  Künst- 
lerhaus«, das  einen  Gottesdienst  im  Lazarett  dieses 
Hauses  darstellt.  Es  ist  von  tiefer  Wirkung,  von  aus- 
gezeichneter Komposition.  Das  viele  Weiß  in  den 
Meßgewändern  und  den  Trachten  der  Pflegerinnen,  die 
gedämpfte  Farbe  dazwischen  von  Uniformen,  von  Ver- 
wundeten, die  auf  ihrem  fahrbaren  Lager  unter  den 
Andächtigen  Platz  gefunden  haben,  ist  in  meisterhafter 
Weise  verteilt,  nicht  zu  vergessen  die  charakteristischen 
Köpfe,  die  sämtlich  Porträts  sind.  Vorzüglich  in  Kompo- 
sition wie  Ausführung  ist  auch  das  religiöse  Genrebild  : 
»Bittgang  im  Gebirge«  von  Rudolf  Glotz,  der  in  diesetn 
Temperabild  eine  hochanerkennenswerte  Leistung  bietet. 
Ueber  Alpenmatten  schreiten  einige  knochige  Bauern- 
gestalten, eckige  schwer  daherstapfende  Männer  und 
Frauen,  die  uns  den  Rücken  kehren.  Die  nachhaltige 
und  eindrucksvolle  Wirkung  dieses  Bildes  dürfte  sich 
bei  einer  Ausführung  im  Großen  noch  steigern.  Recht 
stinmiungsvoll  hat  Julius  von  Blaas  eine  Szene  »Bitt  für 
uns«  gemalt:  einen  vor  einem  Bildstock  andächtig  beten- 
den Landmann.  Eichhorns  Bild  »Am  Kircheneingang« 
ist  aus  dem  ruthenischen  ^'olksleben  geschöpft,  eine 
ebenso  schöne  wie  fleißige  Arbeit.  Eigenartig  aber 
durchaus  vornehm  in  der  Empfindung  wirkt  Currj's 
»Christus  am  Brunnen«,  das  sowohl  im  Figürlichen  wie 
Landschaftlichen  einen  seine  besonderen  Wege  gehen- 
den denkenden  Künstler  verrät.  J.  Kinzl  stellt  eine  an- 
sehnliclie  Studie  »Das  Kreuz;  aus  (vermutlich  aus  dem 
Kircheneingang  zu  Weissenkirchen  in  der  Wachau\  be- 
merkenswert durch  das  prächtige  Licht,  das  durch  die 
Lücken  der  alten  Holztüre  hereindringt  und  um  das 
Kruzifix  in  Streifen  aufflitzt.  Eine  treffliche  Architektur 
i;t  auch    Graners    »Christusfigur«    in    der  Mauernische 


zwischen  den  Strebepfeilern  an  der  Apsis  der  Stefans 
kirche,  die  durch  ihre  Einfachheit  und  Sicherheit  ange- 
nehm auffällt;  auch  des  gleichen  Künstlers  »Blick  auf  die 
Karlskirche«   zeigt  große  Vorzüge. 

Profanes  Genrebild  und  Landschaft  sind  wie 
auch  sonst  wieder  sehr  zahlreich  vertreten  und  es  dürfte 
wohl  genügen,  das  Wesentlichste  hiervon  kurz  zu  skiz- 
zieren. Zuerst  Schachingers  > Kirchweihfest«,  ein  leben- 
diger Farbenrhnhmus,  mit  großer  koloristischer  Feinheit 
ausgeführt.  Tom  von  Dreger  bringt  eine  ausgezeichnete 
Porträtstudie  »Der  Talmudisf-,  Lanvie  ein  »Zigeuner- 
mädchen« und  köstliche  »Wiener  Vorstadtbuben«,  Karl 
von  Probst  ein  feines  Bild  »Kleine  Gäste«,  Gsur  eine 
»Glasbläserei«,  Duxas  »In  der  Scheune«,  Viktor  Scharf 
»Lesendes  Mädchen«,  Helene  Wörndle  »Im  Garten«, 
Isidor  Epstein  »Auf  einer  \'eranda«,  Windhager  »Der 
erste  Schultag«.  Bei  den  Landschalten  fesselt  J.  Kauf- 
manns »Flüchtling  aus  Zboro«  durch  seine  sinnig  charak- 
teristische ,\usführung.  Goltz  »Abend  an  der  Reichs- 
brücke in  Wien«  besticht  durch  seine  vorzügliche  Farben- 
technik. Gellers  Studien  aus  der  Wachau  —  Weißen- 
kirchen —  fesseln  den  Beschauer  durch  ihre  große  Natur- 
wahrheit und  geschickte  .Ausführung  nicht  minder  seine 
malerischen  Hof-Interieurs.  David  Kohn  zeigt  einen  alten 
polnischen  Flüchtling  in  beredter  Rötelkunst.  O  Lynch 
of  Town,  der  Steirer  mit  dem  englischen  Namen,  hat 
die  »Kar wendelspitze  vom  Kreuzberg«  aus  gemalt  und 
zwar  in  einer  selten  gesehenen  Pracht,  Kasparides  stellt 
einen  > Herbstabend'  aus,  an  dem  die  au<;gezeichnete 
Modellierung  und  Tonreinheit  besonders  wirkungsvoll 
in  die  Erscheinung  tritt.  Brunners  »Bergplateau«,  Dar- 
nauts  «Stubentorbrücke«,  Hans  Massmanns  »Das  einsame 
Haus«,  Adolf  Kaufmanns  »Heranziehendes  Gewitter«, 
Tomees  »Wienerwald',  Ranzonis  »Winterbilder«,  Zofls 
»Yserkanal  bei  Ypern«,  Charlemonts  ».\lra<  müssen  un- 
bedingt erwähnt  werden.  Sehr  bedeutend  ist  auch  die 
»Atelierecke«  des  eben  erwähnten  Meisters.  Ein  reizen- 
des Stilleben  • —  Marionetten  —  mit  viel  Fleiß  und  Ver 
ständnis  gemalt,  bringt  Charlemonts  Tochter  Lilly.  Die 
Altniederländischen  Trachtenbilder  Hans  Hampas  sollen 
ihres  ausnehmend  prächtigen  Kolorits  wegen  aufgeführt 
werden;  auch  das  Stilleben  Hörwariers  findet  viele 
Beachtung. 

An  Porträts  sind  es  hauptsächlich  solche  von  Fer- 
raris (Frau  Jeritza  und  Alfred  Grünfeld).  Temple  (des 
Künstlers  Gattin).  Rauchinger,  Stalzer,  Nine  Zarkowich 
und  Anderen,  von  den  früheren  Ausstellungen  her  Be- 
kannte, die  uns  auftauen.  Auch  Altmeister  .Angeli  bringt 
wieder  einige  Herren-  und  Damenporträts  zur  Ausstellung. 
Bei  den  Porträts  möchten  wir  nicht  das  Damenbildnis 
von  Fritz  Zerritsch  vergessen,  das  seiner  vielseitigen  Vor- 
züge in  malerischer  wie  zeichnerischer  Hinsicht  wegen 
Bewunderung  findet.  Sehr  gediegene  Studienköpfe  findet 
man  von  Krestvn,  L.  Mayer  und  Ernst  Peyer,  dessen 
»Oberösterreicherin«  geradezu  erfrischt.  In  der  Gra- 
phik ist  es  wieder  Fritz  Zerritsch,  der  besonders  auf- 
fällt.  Er  glänzt  mit  einer  Kohlenzeichnung,  ein  Amateur- 
quartett  darstellend,  das  in  gutem  Sinne  natürlich  — 
an  Schnitzers  Joachim -Quartett  anklingt  und  erinnert. 
Recht  hübsche  und  wertvolle  Radierungen  sind  von 
Ciold,  Hradil,  Emma  Hrnczyrz,  Herta  Gobany-Czoernig 
und  Raimund  Wolf  ausgestellt.  Die  Plastik  ist  in  sehr 
beschränktem  Umfange  vertreten.  Hier  sind  es  in  erster 
Linie  die  Büsten  von  Alfonso  Canziani,  dem  Scliöpter 
des  geistvollen  Dante-Denkmals,  die  wohltuend  hervor- 
ragen. Auch  Sendls  lustitia  —  ungewohnterweise  ohne 
Binde  — ,  aus  Holz  geschnitzt,  ist  eine  tüchtige  Leistung. 
Sonst  sind  meist  nur  noch  Werke  der  Kleinplastik  vor- 
handen, so  Gorniks  lebensvoll  »Attakierender  Dragoner«. 
Kirschs  und  Hackstocks  »Porträtplaketten«.  Anmutig 
ausgeführt  ist  eine  kleine  Keramik  Schwerdtners,  die 
Porzellanfigur  einer  »Schwester  vom  Roten  Kreuz. 


VAN  DER  GOES.  -  L.  BOLGIANü.  -  VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


Ehe  dieser  Bericht  zum  Schlüsse  gelangt,  sollen  auch 
noch  einige  Kunstwerke  genannt  werden,  die  Augen- 
blicksbilder des  gewaltigen  Ringens  der  Nationen  zum 
Vorwurf  haben.  Adolf  Schwarz  stellt  (neben  einigen 
sehr  hübschen  Stimmungen  von  der  dalmatinischen 
Küste)  ein  vorzüglich  gemaltes  Bild  »Die  Kaperung 
eines  italienischen  Dampfers  durch  ein  österreichisch- 
ungarisches Unterseeboot«  aus,  Julius  von  Blaas  eine 
Bäuerin  am  Pflug,  betitelt  >Sein  braves  \Veib<,  der 
verwundete  Bauer  schreitet  nebenher.  Windhagers  >  191 5 «, 
die  frischen  Farbenskizzen  Fahringers  und  die  feinen 
Zeichnungen  Breidwiesers  sind  in  der  Hauptsache  die 
Schöpfungen,  die  uns  vom  Kriege  in  anschaulicher  Ge- 
staltung erzählen.  '         Riclurd  RieJl 

EINE  NACHBILDUNG  DER  »ANBETUNG 

DER   WEISEN«    DES    HUGO   VAN    DER 

GOES 

Im  >Pionier<  (Septemberheft  des  Jahrganges  1914— 15) 
habe  ich  die  vom  Berliner  Kaiser  Friedrich-Museum 
jüngst  aus  Spanien  erworbene  Anbetung  der  Weisen 
des  Flamen  Hugo  van  der  Goes  (f  1482)  einer  Be- 
sprechung unterzogen.  Von  dem  herrlichen  Gemälde 
liegt  jetzt  eine  in  reinem  Farbenlichtdruck  liergestellte 
Nachbildung  vor.  Sie  besitzt  eine  Bildgröße  von 
66:40,2  cm,  ist  also  nur  auf  etwa  ein  Viertel  der 
Originalgröße  reduziert  worden,  wodurch  es  möglich 
war,  jede  zeichnerische  und  koloristische  Feinheit  des 
Vorbildes  klar  und  gleichwertig  wiederzugeben.  Die 
Reproduktion  ist  in  dem  rührahch  bekannten  Verlag 
>Vereinigte  Kunstinstitute  A.-G.  vormals  Otto 
Troitzsch,  Berlin-Schöneberg«  erschienen,  der 
sich  seit  langen  Jahren  um  die  Vervielfältigung  erster 
Meisterwerke  alter  und  moderner  Malerei  verdient 
macht.  Auch  das  hier  in  Rede  stehende  Blatt  ist  eine 
technische  Leistung  vorzüglichsten  Ranges;  es  wird 
die  Ansprüche  und  Wünsche  des  Sammlers,  Historikers 
und  Kunstliebhabers  befriedigen;  ganz  besonders  ist  es 
zum  erlesenen  Wandschmucke  von  Wohnungen  und 
Kapellen  geeignet.  —  Das  Original  stammt  aus  der 
Blütezeit  älterer  flandrischer  Kunst;  ich  vermute,  daß 
es  bald  nach  seiner  Entstehung  nach  Spanien  gekom- 
men ist,  welches  damals  mit  den  Niederlanden  in 
engem  politischem  und  kulturellem  Zusammenhange  sich 
befand;  in  den  letzten  Jahren  des  16.  Jalirhunderts 
wurde  es  dann,  vielleicht  weil  es  den  veränderten 
Kunstauffassungen  nicht  mehr  zu  entsprechen  schien, 
dem  damals  gegründeten  Kloster  Monforte  (in  Nord- 
spanien) überwiesen,  und  dort  dürfte  es  meines  Er- 
achtens  gewesen  sein,  wo  man,  um  seine  Aufstellung 
zu  ermöglichen,  es  seines  oberen  Aufsatzes  und  seiner 
Flügel  beraubt  hat.  Der  Verlust  ist  sicher  höchlich  zu 
bedauern;  aber  was  uns  übrig  geblieben,  ist  gleichwohl 
ein  Kunstwerk  von  ausgezeichnetsten  Eigenschaften. 
Die  Charakterisierung  der  Personen  geht  großenteils 
in  Tiefen,  welche  nur  dem  mit  Seherblick  begnadeten 
Künstlergenius  ergründbar  sind.  Von  wundervoller 
Feinheit  ist  die  Ausführung  jeglicher  Einzelheit  —  selbst 
der  scheinbar  unbedeutendsten,  wie  des  valenzianischen 
und  des  kölnischen  Gefäßes  in  der  Nische  oben,  oder 
der  Blumen  und  Gräser;  daneben  sehe  man  die  Male- 
rei der  herrlichen  Gewandstoffe  aus  Venedig,  der  ver- 
schiedenen Pelzsorten  usw.  Wie  die  Nachbildung 
keiner  dieser  Feinheiten  etwas  schuldig  bleibt,  so  auch 
keiner  Nuance  der  Färbung.  Sie  ist  lebhaft  —  viel- 
leicht war  ursprüngUch  das  Bild  für  einen  ungünstig 
beleuchteten  Raum  bestimmt  —  und  doch  voll  herr- 
licher Harmonie  und  Vornehmheit.  Der  älteste  der 
Weisen  mit  seinem  tiefroten  Mantel  bildet  den  Mittel- 
punkt,  um  ihn  gruppieren   sich   andere  Schattierungen 


von  Rot,  dann  folgt  Blau,  Violett,  goldig  getöntes  Gelb 
usw.  Die  Gesamtwirkung  der  Reproduktion  komtnt  der 
des  Originals  so  nahe,  als  es  mit  Hilfe  neuester  Tech- 
nik nur  möglich  ist.  —  Der  Preis  des  Blattes  ist  auf 
Feinpapier  20  M.,  auf  imitiert  Japanpapier  50  M. 


LANDSCHAFTSZEICHNUNGEN  LUDWIG 
BOLGIANOS 

pine  kleine  Kollektion  von  Zeichnungen  des  Professors 
Ludwig  Bolgiano,  die  während  zweier  Oktober- 
wochen beim  Münchener  Kunstverein  ausgestellt  war, 
gewährte  interessanten  Einblick  in  das  Schaffen  dieses 
ausgezeichneten  Landschafters.  Sie  gab  die  Möglichkeit, 
sein  Talent  nach  einer  Seite  zu  würdigen,  die  man  im 
allgemeinen  weniger  bei  ihm  kennt,  während  sie  doch 
charakteristisch  für  ihn  ist.  In  den  Ausstellungen  des 
Glaspalastes,  Kunstvereins  usw.  erscheint  Bolgiano  für 
gewöhnlich  mit  Gemälden  von  breiter  Pinselführung 
und  kraftvollem  Kolorit ;  er  erreicht  damit  Wirkungen, 
die  sich  des  Beschauers  ohne  weiteres  bemächtigen. 
Viel  schwerer  ist  dies  für  die  Zeichnung,  sie  ist  in  ihren 
Ausdrucksmöglichkeiten  von  vornherein  eingeschränkt 
und  muß  somit  innerliche  Eigenschaften  besitzen,  die, 
um  gewürdigt  werden  zu  können,  wieder  vorzugs- 
weise auf  innerliches  Verständnis  und  größere  Abstrak- 
tionsfähigkeit des  Beschauers  angewiesen  sind.  Bolgianos 
jetzt  in  die  Öffentlichkeit  gebrachte  Landschaftszeich- 
nungen sind  während  der  letzten  zehn  Jahre  entstanden; 
Motive  aus  Bayern  und  Tirol  überwiegen,  einige  stam- 
men von  Rügen,  auch  aus  Norwegen.  Am  liebsten 
sucht  Bolgiano  solche,  bei  denen  sich  Landschaft  und 
Architektur  vereinen ;  er  fand  sie  z.  B.  in  Regensburg, 
Nördlingen,  Rothenburg,  Tittmoning,  Donauwörth, 
Riedenburg,  Eichstätt,  Burghausen,  Wasserburg,  Sterzing, 
Riva  usw.  Landschaft  ohne  Belebung  durch  Menschen- 
werk erscheint  in  Bolgianos  Studien  aus  dem  Wörnitz- 
tale,  Rügen  usf.  Ausgezeichnete  Kunst  der  Verein- 
fachung kennzeichnet  diese  Werke;  zum  Vorzüglich- 
sten gehört  auf  vielen  von  ihnen  die  Schilderung  von 
Wasserspiegelungen.  Ausgeführt  sind  die  Studien  mit 
Tusche,  Kreide  oder  Bleistift.  Daß  der  Kolorist  auf 
farbige  Reize  nicht  völlig  verzichten  mochte,  ist  erklär- 
lich. Also  hat  er  vieles  auf  getöntem  Fonds  gezeich- 
net und  auch  manclies  mit  leichten  Farben  angelegt. 
Dennoch  befleißigte  er  sich  größter  Zurückhahung,  der- 
art, daß  er  sich  vielfach  darauf  beschränkte,  nur  mit 
Weiß  zu  höhen.  Gelegenthch,  wie  bei  einer  Zeich- 
nung der  Eichstätter  Willibaldsburg  —  einem  Blatte 
von  prachtvoller  Einfachheit  —  ist  auch  hiervon  abge- 
sehen. Jedes  Blatt  wirkt  als  in  sich  abgeschlossenes, 
vollendetes  Gemälde,  sicher  und  tiefgründig  in  seiner 
Charakterisierung,  still  und  doch  lebensvoll.      Doenng 

VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Dresden.  Die  katholische  Hofkirche  in  Dresden  soll 
einen  Kreuzweg  erhalten.  Eine  Kommission,  deren 
Sitzung  S.Kgl.  Hoheit  Prinz  Johann  Georg  beiwohnte,  be- 
schloß über"  die  Platzfrage,  Ausführungsart  und  Wahl 
eines  Künstlers.  Man  entschied  sich  für  Malerei,  die 
Ausführung  wurde  auf  Vorschlag  S.  K.  H.  des  Prinzen 
dem  Maler  Franz  Xaver  Dietrich  (München)  über- 
tragen, nachdem  sich  die  Kommission  von  der  hohen 
Begabung  des  Künstlers  überzeugt  hatte,  dessen  letztes 
großes  Werk,  das  Hochaltarbild  der  Himmelfahrt  Maria 
für  die  Kirche  in  Neustift  bei  Freising  war. 

Das  Grabmal  des  Rechnungsrates  Ch.  Übelacker 
und  seiner  Tochter  Maria  im  Waldfriedhof  zu  München 


BÜCHERSCHAU 


wurde  von  dem  Maler  Jos.  Fellermeyer  in  Berlin 
mit  einem  Bilde  »Caritas«  geschmückt,  das  die  Züge 
von  Frl.  Marie  Übelacker  festhält. 

Am  19.  Januir  verstarb  zu  München  Professor  Louis 
Braun  im  Aller  von  80  Jahren.  Der  Verstorbene,  dessen 
Namen  einst  in  der  Entwicklungsgeschichte  der  Schlach- 
tenmalerei, der  er  sich  nach  dem  Kriege  70/71  mit  be- 
sonderer Hingabe  widmete,  einen  guten  Klang  haben 
wird,  widmete  sich  seit  den  achziger  Jahren  aucn  der 
Landschafts-  und  Genrekunst.  Zwei  stimmungsvolle  Ge- 
mälde in  seinem  Atelier  zeugen  noch  von  dieser  Kunstbe- 
tätigung. In  dem  künstlerischen  Nachlasse  Brauns,  eines 
nie  Rastenden,  befinden  sich  einige  Kohle-  und  Bleistift- 
skizzen, die  wie  der  Einzug  Prinz  Leopolds  in  Warschau, 
ein  Kirkisen-  und  Tatarenlager  an  der  Grenze  und  kriegs- 
gefangene  Franzosen  beim  Hopfenzupfen  beweisen,  wie 
sich  der  Künstler  noch  kurz  vor  seinem  Hinscheiden 
mit  den  Eindrücken  dieses  Krieges  auf  seine  Art  abfand. 
Wenig  gewürdigt  wird  Brauns  Kompositionstalent,  das 
ihn  zur  Bewältigung  der  figurenreichen  Schlachten-  und 
Panoramabilder  befähigte.  Seine  treffsichere  Zeichen- 
kunst, die  er  mit  Leichtigkeit  ausführte,  stellte  er  in 
früheren  Jahren  auch  in  den  Dienst  der  Illustration. 

Stadtbaurat  Professor  Dr.  Grass  el  vollendete  Modell 
und  Pläne  zu  einer  neuen  protestantischen  Kirche  in 
München,  die  am  Valleyplalz  als  Friedenskirche  ent- 
stehen soll.  Der  Architekt  lebte  sich  ganz  ein  in  den 
Stil  der  altprotestantischen  Saalkirchen.  Unter  Verzicht- 
leistung auf  eine  Chornische  stellt  er  hinter  den  Altar 
an  die  schrägabgeschnittene  Wand  die  als  Schmuckstück 
gedachte  reichgeschnitzte  Kanzel.  Um  nach  außen  den 
für  uns  gewohnten  Kirchencharakter  zu  bewahren,  be- 
nutzt er  einen  chorähnlichen  Anbau  zur  Unterbringung 
des  Konfirmandensaals  und  der  karitativen  Zwecken 
dienenden  Räumlichkeiten.  Das  Innere,  ein  Rechteck 
mit  abgeschrägten  Ecken,  erhält  durch  seine  Schachtel- 
form, die  Kassettendecke,  die  verzierten  Zwickel  zwischen 
den  Pfeilern   und    die   Fassungen    einen  warmen  Ton. 


BÜCHERSCHAU 

Kalender  Bayerischer  und  Schwäbischer 
Kunst  1916  von  Joseph  Schlecht.  München,  Gesell- 
schaft für  christliche  Kunst  G.  m.  b.  H.  (F.  Bruck- 
mann  A  -G.) 

Wiederum  zieht  Joseph  Schlechts  «Kalender 
Bayerischer  und  Schwäbischer  Kunst«  in  die  Lande 
und  erobert  sich  die  Herzen  jener,  die  mit  ganzer 
Seele  an  heimathcher  Kunst  und  heimatlichem  Boden 
hängen.  Heuer  ganz  besonders !  Nicht  bloß,  weil  der 
gegenüber  anderen  Jahren  vermehrte  Umfang  und  rei- 
chere Bilderschmuck  die  ungels  ochene  Spannkraft  des 
deutschen  Geisteslebens  auch  nach  dieser  Richtung. hin 
zum  Ausdruck  bringt,  sondern  vor  allem  deshalb,  weil 
es  die  Absicht  des  verdienten  Herausgebers  ist,  »künftig 
auch  die  Volkskünste  mehr  als  dies  bisher  geschah,  zu 
berücksichtigen.  Unsere  Wohnhäuser  mi  Gebirge  wie 
im  Flachlande,  unsere  altbayerischen  und  schwäbischen 
Landkirchen,  unsere  kleinen  Museen  und  Sammlungen 
bieten  Stoff  genug  hierfür«  (S.  22).  Möchten  die  für 
dieses  Mal  noch  etwas  schüchternen  Versuche,  auch 
die  Volkskunst  in  Schlechts  Kunstkalender  heimisch  zu 
machen,  von  selten  der  Fachleute  tatkräftige  Unter- 
stützung finden!  Schade,  daß  Max  Hoefler  nicht  mehr 
lebt,  er  hätte  dem  Herausgeber  für  diesen  trefflichen 
Gedanken  mit  beiden  Händen  gedankt  und  ihm  für 
diesen  Plan    die    ganze  Liebe    seines  Herzens   und  die 


ganze  Kraft  seines  Geistes  geliehen.  Ein  dankenswertes 
Objekt  für  solche  Bestrebungen  wäre  z.  B.  die  meines 
Wissens  nach  dieser  Hinsicht  noch  nicht  ausf^ebeutete 
reichhaltige  Kunstsammlung  des  im  vergangenen  Jahre 
verstorbenen  Bezirksgeometers  Staudinger  in  Tölz. 
Unter  den  Beiträgen  nennen  wir  im  einzelnen  den 
aus  Phil.  M.  Halms  Feder  stammenden  Artikel  »Aus 
Belgien«  (S.5— 5),  der  den  Spuren  des  Kunstsinns  Max  Ema- 
nuels  in  dem  nunmehr  eroberten  Belgien  nachgeht. 
Von  Hans  Karlinger  stammt  »Ein  romanisches  Wand- 
gemälde aus  Kloster  Prülening«  (S.  5- — 7),  von  Otto 
H  artig  »Der  Ehrenspiegel  des  Hauses  Österreich« 
(S.  8  -  9).  Unser  ganz  besonderes  Interesse  erregt 
Richard  Wiebel  mit  seinem  Aufsatz  über  »Irsee« 
(S.  12 — 14).  Wer  je  einmal  die  Kanzel  der  Irseer 
Klosterkiiche  in  ihrem  originellen  Aufbau  gesehen  hat, 
in  dem  wird  der  Wunsch  lebhaft  werden,  es  möchte 
doch  auch  in  unseren  modernen  Kanzelbau  etwas  mehr 
Geist  hineinfahren.  Die  Kanzel  ist  doch  mehr  als  Kiste 
und  Deckel !  —  Wenn  übrigens  der  Besucher  Irsees 
seinen  Weg  nicht  über  Leinau,  sondern  die  alte  Reichs- 
stadt Kaufbeuren  nimmt,  dann  entdeckt  er  in  dem  sonst 
an  alten  Kunstschätzen  nicht  gerade  reichen  Städtchen 
doch  auch  ein  Kleinod  :  die  in  ihrer  baulichen  Anlage 
wie  in  ihrem  Bilderschmuck  gleich  originelle  Blasius- 
kirche.  Vielleicht  bringt  sie  der  »Kalender«  im  näch- 
sten Jahre!?  —  Vom  Herausgeber  selbst  stammen  die 
beiden  Abhandlungen  »Bernhard  Strigel  und  Hans  zu 
Schwaz«  (S.  9 — 11)  und  »Roman  Anton  Boos«(S.2i). 
Von  der  in  ihrer  Anlage  sehr  alten  Kirche  »St.  Kassian 
in  Regensburg«  (S.  19 — 21)  berichiet  J.  A.  Endres. 
Felix  Mader  verfolgt  die  Tätigkeit  des  »Dominikus 
Zimmermann  in  Würzburg«  (S.  14 — 16).  Ad.  Feul- 
ner  berichtet  über  die  prachtvolle  Klosterkirche  von 
»Zwiefalten«  (S.  16 — 19),  ein  Werk  des  Johann  Michael 
Fischer.  —  Auf  wenig  Seiten  viel  Genuß !  Das  ist  das 
beste,  was  man  von  Kunstpublikationen  sagen  kann. 

Bamberg.  Ludwig  Fischer 

Altf  änkische  Bilder  1916  mit  erläuterndem  Text 
von  Dr.  Theodor  Henner.  Herausgegeben  und  ge- 
druckt in  der  Kgl.  Universitätsdruckerei  H.  Stürtz  A.-G., 
Würzburg. 

Im  22.  Jahrgang  liegt  der  »Altfränkische  Kalender« 
unter  welchem  Namen  sich  die  »Altfränkischen  Bilder« 
weit  über  Frankens  Gauen  Freunde  erwarben,  vor,  trotz 
allen  durch  den  Krieg  gebotenen  Hemmnissen  und  dem 
Tod  seines  Begründers,  ^^'ie  der  Herausgeber  im  Vor- 
wort, so  gedenken  auch  wir  schmerzlich  des  Todes 
(29.  Juni  191 5)  des  Geh.  Kommerzienrats  Dr.  Heinr. 
Stürtz,  der  mit  dem  Kalender  eine  vorbildliche  Einrich- 
tung schuf,  ohne  dabei,  wie  es  bei  ähnlichen  Unter- 
nehmungen meist  der  Fall  zu  sein  pflegt,  die  geschäft- 
lichen Interessen  in  den  Vordergrund  zu  stellen.  Wir 
freuen  uns  daher,  die  »Bilder«  trotz  dem  Tode  des  Be- 
gründers durch  das  Verdienst  Dr.  Henners  im  alten 
Rahmen  begrüßen  zu  können.  Die  Umschlagbilder 
nehmen  unauffällig  und  doch  wirksam  auf  die  rauhe 
Jetztzeit  Bezug  in  den  »Segnungen  des  Friedens«,  wie 
sie  der  Einband  der  Beurkundung  über  die  letztvoll- 
zogene Wahl  eines  AX'ürzburger  Fürstbischofs  (1795) 
enthalten,  und  einem  Landsturm-Reitersmann  von  Anno 
1814.  Von  dem  eigentlichen  Inhalt  und  reichen  kunst- 
und  kulturgeschichtlich  interessanten  Bildermaterial 
mögen  wir  vor  allem  auf  das  »ostfränkische  Herzogs- 
schwert« von  ungefähr  1460  sowie  die  Artikel  »Bay- 
reuth« und  »Creußen«  verweisen.  In  »Aug.  Geist« 
tauchen  die  Erinnerungen  an  die  Zeit  König  Ludwigs  1. 
auf,  unter  dessen  Einfluß  auch  dieser  Landschaftsmaler 
stand.  w.  z. 


Für  die  Redakti 


-rlich  ;  S,  Staodhai 


BEILAGE 


WERKE  VON  TH.  BUSCHER.  —  KUDERAUSSTELLUNG 


NEUE  WERKE  VON  THOMAS 
BUSCHER 

r^as  kleinere  Portal  der  Nordfront  der  Mün- 
'-^  ebener  St.  Paulskirche  hat  durch  zwei,  im 
Dezember  vorigen  Jahres  aufgestellte  lebens- 
große Statuen,  die  Professor  Thomas  Buscher 
angefertigt  hat,  eine  hervorragende  Zierde 
erhalten.  Dargestellt  sind  Kaiser  Heinrich  II. 
und  seine  Gemahlin  Kunigunde.  Des  ersteren 
Antlitz  ist  mit  freier  Aultassung  jenem  ange- 
ähnelt, welches  die  Statue  des  Kaisers  am 
Portale  des  Bamberger  Domes  zeigt,  jedoch 
individueller;  die  Augen  haben  einen  etwas 
müden  Ausdruck,  wie  die  jemandes,  der 
schwere  Gedankenarbeit  verrichtet.  Vom  Schei- 
tel fließt  das  lockige  Haar  hernieder,  der  Bart 
ist  kurz  und  leicht  gelockt.  Der  Kaiser  steht, 
wie  auch  die  Kaiserin,  in  ruhiger  Haltung  da. 
Auf  dem  Haupte  trägt  er  die  Krone,  über 
dem  Untergewande  den  schweren,  in  ruhigen, 
schönen  Falten  fließenden  Mantel,  der  am 
Halse  durch  eine  Schnur  zusammengehalten 
wird  und  über  den  Armen  prächtig  drapiert 
ist.  Die  rechte  Hand  hält  das  Szepter  schräge 
vor  der  Brust,  die  Linke  den  Reichsapfel. 
Das  Antlitz  der  hl.  Kunigunde,  die  auf  der 
(vom  Beschauer)  rechten  Seite  des  Portalvor- 
baus steht,  ist  des  Künstlers  freie  Eingebung; 
es  zeigt  frauenhaften,  reinen  und  edlen  Aus- 
druck. Das  Haar  ist  in  zwei  dicken  Flechten 
angeordnet,  die  wulstig  die  Ohren  bedecken. 
Mit  beiden  Händen  hält  die  Kaiserin  das 
Modell  des  Bamberger  Domes.  Auch  sie  ist 
gekrönt.  Über  dem  Untergewande  trägt  sie 
eine  ärmellose  Jacke,  deren  längliche,  unten 
zugespitzte  Form  dazudient,  die  Figur  schlanker 
erscheinen  zu  lassen;  außerdem  einen  Mantel, 
der  aufgeraff't  und  unter  dem  rechten  Arm 
eingeklemmt  ist,  während  über  dem  linken 
Arm  ein  Bausch  hängt;  die  Anordnung  be- 
wirkt, daß  der  Stoft'  vor  der  Mittelpartie  eine 
schöne  Biegung  macht.  Überhaupt  zeichnet 
sich  die,  Figur  durch  einen  Linienschwung 
aus,  der  bei  aller  monumentalen  Ruhe  leichte 
Anmut  besitzt  und  zu  der  größeren  Wucht 
der  Kaisergestalt  gleichzeitig  den  Gegensatz 
und  die  Ergänzung  liefert.  Die  Formengebung 
entspricht  dem  Stil  der  Kirche,  deren  Gotik 
sich  der  des  14.  Jahrhunderts  anschließt.  — 
Das  Material  ist  Sandstein.  Er  zeigt  leichte 
hellgelbliche  Tönung  und  die  Figuren  wirken 
daher  warm  vor  dem  grauen  Hintergrund 
der  Architektur.  In  der  Nähe  betrachtet,  er- 
weisen sie  sich  als  zart  polychromiert,  wie 
es  etwa  solche  älteren  Statuen  sind,  deren 
ursprüngliche  Bemalung  seit  langer  Zeit  atmo- 

Die  clitistliclie  Kunst.    XII.     8.    t.  Mai  I916 


sphärischen  Einflüssen  ausgesetzt  war.  An 
den  Gewändern  findet  sich  grünlicher  und 
rötlicher  Anhauch,  die  Lippen  und  Augen 
sind  ganz  leicht  gefärbt,  ebenso  des  Kaisers 
Haare;  die  der  Kaiserin  sind  zart  vergoldet, 
auch  das  Szepter,  der  Reichsapfel,  die  Kronen, 
die  gestickten  und  befransten  Gewandsäume. 
Der  Eindruck  ist  vornehm  und  wohltuend. 
—  Die  Sockelkonsolen  sind  aus  grauem  Kalk- 
stein und  mit  je  einem  musizierenden  Manns- 
figürchen  geschmückt,  welches  nach  mittel- 
alterlicher Auffassung  ein  sinnbildliches,  profan 
scheinendes  Gebilde  ist.-  ^'.Doering 

ren£  kuder-ausstellung; 

Jn  den  Räumen  der  Gesellschaft"  für  christliche  Kunst 
wurde  am  14.  Februar  eine  für  einige  Wochen  be- 
rechnete Ausstellung  von  Werken  Rene  Kuders  eröffnet. 
Unsere  Zeitschrift  hat  die  Persönlichkeit  und  das  Schaffen 
dieses  Künstlers  im  heurigen  Februarhefte  besprochen 
und  eine  Anzahl  Kuderscher  Arbeiten  abgebildet,  auch 
auf  frühere  Gelegenheiten  hingewiesen,  wo  Wort  und 
Bild  ihm  gegolten  haben.  So  ist  für  den  Leser  dieser 
Zeilen  eine  Grundlage  geschaffen,  um  sich  von  der  Aus- 
stellung einen  Begriff'  machen  zu  können.  Natürlich 
kann  durch  jene  Dinge  die  Anschauung  der  Originale 
nicht  ersetzt  werden.  Erst  sie  geben  die  rechten  Auf- 
schlüsse, erst  ihre  Anzahl  vermittelt  auch  eine  Vorstel- 
lung von  dem  Fleiße  und  der  äußeren  künstlerischen 
Leistungsfähigkeit  dieses  jungen  Mannes,  der  als  fertiger 
Meister  an  die  Oeffbntlichkeit  zu  treten  vermochte,  als  ein 
Künstler,dessen  Talente  solche  Könner  wie  Arthur  Kampf 
und  Max  Liebermann  gleich  auf  die  erste  Probe  hin  Aner- 
kennung zollten.  Seine  Ausstellung  war  geeignet,  die 
Vermutung  zu  rechtfertigen,  man  werde  ihn  jenen 
Meistern  einst  gleich  schätzen  müssen.  Schon  jetzt 
dürfen  wir  sagen,  daß  wir  an  ihm  einen  der  ganz 
Bedeutenden  unter  den  Modernen  besitzen.  Gehoben 
von  Lebhaftigkeit  unbefangenen  Empfindens;  darauf  be- 
dacht, dies  frisch,  aufnähme-  und  ausdrucksfähig  zu  er- 
halten; belebt  von  Wärme  des  Gefühls;  ausgerüstet  mit 
Schärfe  eindringlicher  Beobachtungsgabe  und  mit  der 
Fähigkeit,  und  dabei  mit  der  Gewissenhaftigkeit,  seine 
Beobachtungen  kennzeichnend,  treffend,  überzeugend 
wiederzugeben ;  erfüllt  von  der  Begeisterung  für  die 
Schönheit  und  von  Ehrfurcht  vor  der  Wahrheit  —  so  er- 
greift Kuder  seine  Gegenstände,  so  zeichnet  und  malt 
er  sie.  Die  Ausstellung  zeigte  ihre  Fülle,  und  auch  die 
eine  starke  Wurzel,  aus  der  diese  erwächst:  das  Natur- 
gesetz. Indem  Kuder  diesem  nachgeht,  es  in  den  Er- 
scheinungen zu  ergründen  sucht,  gelangt  er  dazu,  es 
zu  verstehen  und  auszulegen.  So  läßt  er  den  Geist 
der  Landschaft  in  einfacher,  stiller,  ergreifend  großer 
Sprache  zu  uns  reden.  Auf  kleinem  Räume  mächtige 
Linien  und  Flächen,  redende  Farben.  Und  noch  eins: 
Der  Heimatsgedanke  I  Er  erfüllt  diese  Werke  für  uns 
mit  Leben  und  Wahrheit;  das  verbürgt,  daß  er  es  auch 
für  andere  Zeiten  und  Menschen  tun  wird.  Man  denke 
an  die  Heimatkunst  der  alten  Niederländer.  L^eberhaupt : 
jede  echte  Kunst  ist  Heimatkunst.  Wörtlich  genommen 
wählt  Kuder  für  seine  .Landschaften  die  Motive  seiner 
Heimat,  das  Elsaß  —  stammt  er  doch  aus  der  Gegend 
von  Schlettstadt.  Die  Bearbeitung  dieser  Motive  ist  in 
seinen  Bildern  teils  Selbstzweck,  teils  dient  sie  zur  Ge- 
staltung der  Oertlichkeiten  und  Hintergründe  für  figür- 
liche Darstellungen.  Die  Landschaften  von  Kuder  sind 
für  mich   fast   das  Schönste   von   allem,   was  er  bietet. 


WIENER  KUNSTSCHAU  IN  BERLIN.  —  VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


Und  doch  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  die  figürlichen 
Werke  diesen  ebenbürtig  sind.  Ich  verweise  bei  allem, 
was  ich  hier  mit  Hinblick  auf  die  Ausstellung  sage,  auf 
die  Abbildungen  des  Hebruarheftes ;  die  Vorbilder  zu 
ihnen  waren  sämtlich  dort  zu  sehen.  An  manchen 
figürlichen  Werken  —  zürn  Teil  auch  anderen  —  möchte 
man  Anflug  französischen  Wesens  bemerken.  Das  liegt 
am  Gegenstande,  der  in  Frankreich  gefunden  worden 
ist,  am  Tvp  des  dortigen  Volkes  und  seines  »MiUeus«. 
Kuder  fesselten  Gestalten,  Gruppen,  Vorgänge  in  Paris, 
er  sah  einen  Jahrmarkt,  eine  Versteigerung  und  der- 
gleichen dort;  er  ließ  die  Straßen-  und  Uferbilder  auf 
sich  wirken;  und  dies  alles  hielt  er  mit  der  ihm  eignen 
Wahrheitsliebe  fest,  charakteristisch  durch  und  durch. 
Das  Verständnis  für  die  französischen  Motive  war  ihm, 
dem  Elsässer,  leichter  erreichbar,  als  mancher  andere  es 
sich  aneignen  könnte.  Wo  Kuder  deutsche  Anregungen 
benutzt,  zeigt  sich  sofort,  daß  jener  fremde  Anflug  nur 
Aeußerlichkeit  ist.  Schon  seine  Landschaften  können 
hierüber  völHg  beruhigen.  Wem  sie  in  dieser  Hinsicht 
nicht  genügen,  der  betrachte  die  Zeichnungen,  die  Kuder 
—  gegenwärtig  selbst  Soldat  —  inmitten  des  Kriegs- 
getümmels zu  schaffen  imstande  ist.  Sie  lehren,  wie 
er  mit  innerlichster  .Anteilnahme  die  Regungen  des  deut- 
schen Gemütes  mitfühlt,  sie  als  seine  eigenen  erkennt 
und  so  ihnen  Form  gibt.  Sie  lehren  auch,  daß  Kuder 
ein  Zeichner  ist  —  und  was  für  einer  I  —  und  daß  die 
Farbe,  so  hoch  er  sie  einschätzt,  ihm  doch  weder  be- 
rechneter, noch  seinen  künstlerischen  Willen  benebeln- 
der Hauptzweck  ist.  Auf  dem  Zeichnen  zu  beruhen, 
war  aber  allzeit  eins  der  Merkmale  deutschen  Kunst- 
schaffens. Ganz  und  gar  deutsch  endlich  ist  die  Art 
seiner  religiösen  Bilder.  Seiner  Bergpredigt  zum  Bei- 
spiel, oder  seiner  Brotvermehrung.  Nur  wer  deutsch 
fühlt,  schildert  Menschen  in  dieser  Art,  malt  den  Hei- 
land so  göttlich-menschlich  zugleich,  so  erhaben  und 
dabei  einfach,  ohne  Pose  und  gibt  dem  Vorgange  unbe- 
fangen den  Hintergrund,  aus  dem  der  Berg  der  Hoch- 
königsburg aufragt.  Doering 


D 


WIENER  KUNSTSCHAU  IN  BERLIN 

Von    Dr.  Hans   Schmidkunz  (Berlin-Halensee) 

as  neue  Haus  der  Berliner  Secession  beherbergte  im 
Januar  und  Februar  d.  J.  eine  kleine  Ausstellung 
von  Gemälden  und  Zeichnungen  wienerischer  Künstler. 
Dem  örtlichen  Kenner  sagte  sie  schwerlich  Neues.  Der 
>Pompfineber«-Stil,  den  der  Umschlag  des  Kataloges 
zeigt,  wiederholt  sich  allerdings  nicht  sehr  in  den  Kunst- 
werken selbst,  die  ja  diesmal  kaum  etwas  eigenthch 
Dekoratives  enthalten.  Hofl'entlich  aber  meint  niemand, 
hier  eine  die  große  Kunststätte  kennzeichnende  Gesamt- 
ühersicht  zu  finden :  einige  erfolgreiclie  Schöpfer  von 
Atelier-Spezialitäten  machen  noch  kein  Wien. 

G.  Klimts  Lokalruhm  ist  nun  durch  den  des  jüngeren 
O.  Kokoschka  ergänzt.  Der  Typus,  den  jener  durch 
seine  schmuckartigen  Phantasien  geschaffen  hat,  wieder- 
holt sich  jetzt  durch  Gemälde  wie  »Der  Tod  und  die 
Liebe« ;  ein  Kinderbildnis  scheint  uns  das  Beste  zu  sein; 
von  seinen  Zeichnungen  enthalten  viele  nicht  viel  mehr, 
als  was  ein  unreifer  Pubertätsdrang  auf  verschwiegenen 
Wänden  phantasiert.  An  diesen  Virtuosen  eines  Damen- 
spieles erinnert  —  u.  a.  durch  die  gehäufte  Komposition 
—  M.  Kurzweils  >Der  traurige  Prinz<,  doch  trotz 
einiger  Künstelungen  mit  reicherem  seelischem  Gehalt. 
Kokoschkas  Geschicklichkeit  der  Herausarbeitung  von 
Formen  eines  Trauer-.Ausdruckes  aus  Grundlinien  von 
leise  geometrischer  (z.  B.  rautenförmiger)  .'\rt  bewährt 
sich  in  seinem  Gemälde  »Heimsuchung«;  ein  Portr.ät 
unter  seinen  Zeichnungen  ist  erfreuliclier  als  seine  ge- 
malten Bildnisse  mit  den  überforcierten  Händen.     Auch 


ihm  tritt  ein  weniger  künstelnder  Aehnhcher  zur  Seite, 
der  hier  wohl  neue  A.  Kolig;  ein  Gemälde  »Frau  mit 
Blumen«  fällt  günstig  auf. 

Gleichfalls  ein  Neuer  ist  A.  Faistauer.  Er  besitzt 
eine  braune  Farbenart  —  nicht  die  brühige  der  Epigontn 
des  Altdeutschen,  vielmehr  eine  mehr  in's  einzelne  durch- 
arbeitende, die  seine  Akte,  Stilleben  usw.  zu  einem  be- 
merkenswerten Gegensatz  gegen  die  moderne  Hellmalerei 
macht.  Zwei  Landschaften  von  ihm  gelten  dem  Donau - 
Städtchen  Dürnstein;  und  dieses  sowie  überhaupt  die 
stets  beliebter  werdende  altschöne  Wachau  hat  es  auch 
anderen  Künstlern  angetan:  einem  B.  Löffler  und 
einem  C.  Moll,  der  (in  einem  analogen  Verhältnis,  wie 
es  anderswo  zwischen  Leistikow  und  seinen  Genossen 
besteht)  mit  still  sinnigen  Landschaften  dem  sonstigen 
Forte  des  Sezessionswesens  ein  Piano  gegenüberstellt. 
Die  verspreizte  Dekorationsweise  K.  Mosers  tritt  in 
ein  paar  darstellenden  Gemälden  wohl  nicht  nach  jeder- 
manns Geschmack  hervor,  in  einigen  Landschaften  ge- 
schmackvoller zurück. 

Denken  wir  uns  mehrere  der  bisher  angedeuteten 
Künstelungen  so  zusammengehäuft,  daß  man  wieder 
»Weniger  wäre  mehr«  rufen  möchte  ■ —  und  man  hat 
die  wahrlich  nicht  sehr  motiviert  erscheinenden  Gemälde 
»Entschwebung«  u.  dgl.  von  E.  Schiele.  Zu  dem, 
was  man  ein  gynäkologisches  Malheur  nennen  möchte, 
trägt  H.  Fischer  bei;  unter  seinen  Zeiclmungen  sind 
zum  Teil  gute  Porträts. 

Wer  sich  für  weitere  moderne  Malkniffe  interessiert, 
wird  etwas  Besonderes  vielleicht  nicht  an  den  Gelbbraun- 
Studien  F.  Andris,  wohl  aber  an  dem  finden,  was 
»Schwellf.irben«  heißen  mag  und  diesmal  von  P.  Gü- 
tersloh vertreten  wird:  auf  je  einem  Flächenstück 
fängt  die  Farbe  am  Rand  mit  geringer  Sättigung  an 
und  steigert  sich  gegen  die  Mitte  zu  —  crescendo, 
decrescendo.  Gütersloh  bringt  aiich  eine  Madonna, 
in  Formen,  als  wäre  sie  aus  dem  Stein  eines  Kreuz- 
ganges herausgewachsen. 

Wieder  eine  andere  Koloritweise  ist  eine  Art  Auf- 
lösung und  EntSättigung  der  Farben  bei  F.  A.  Harta, 
einem  gleichfalls  noch  kaum  Bekannten.  »Der  Krieg« 
und  —  an  das  erinnernd,  was  oben  zu  Schiele  be- 
merkt wurde  —  eine  »Vision«  werden  vielleicht  noch 
berühmt;  eher  möchte  man's  dem  Gem.älde  »Jakob  ringt 
mit  dem  Engel«  gönnen.  Unter  Hartas  Zeichnungen 
usw.  befindet  sich  eine  Radierung,  Christus  am  Kreuz 
mit  Maria  und  Johannes  darstellend,  die  das  heute  .so 
beliebte  Formenspiel  kräftiger  Strahlungen  benützt. 
Reichhahige  Graphiken,  teils  Tiere,  teils  Kinder  vom 
Balkan  u.  dgl.  darstellend,  zeigt  L.  Jungnickel,  von 
dem  auch  ein  Gemälde  jUeberschwemmung«  auffällt; 
und  E.  Lang  gibt  in  Holzschnitten  mit  Weiß_  auf 
Schwarz  Architekturen  sowie  Svmbolistisches. 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Mosaik  von  Joseph  Huber-Feldkirch.  —  Am 
4.  März  wurden  die  in  den  vorhergegangenen  Wochen 
eingesetzten  Mos.aikbildcr  der  Chorapsis  der  Pfarrkirche 
St.  Mechtern  zu  Köln-Ehrcnfeld  der  Kirche  feierlich  über- 
geben. Sie  sind  im  Auftrage  des  Kunstvercins  für 
Rheinland  und  Westfalen  unter  Mitwirkung  der  Ge- 
meinde entstanden.  Den  oberen  Teil  der  Apsis  nimmt 
das  Brustbild  Christi  ein,  im  mittleren  Teil  zieht  sich 
ein  Streifen  heiliger  Märtyrer  hin. 

Die  Kuder-Ausstellung  im  Ausstellungsraum 
der  D.  Gesellschaft  für  christliche  Kunst  in  München 
wurde  von  S.  M.  dem  König  Ludwig  und  von  S.  K.  II. 
Prinz  Johann  Georg  von  Sachsen  besucht. 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


Lübeck.  —  Museumsdirektor  Dr.  Schäfer  schlug  in 
den  »Lübeckschen  Blättern«  vor,  die  nicht  mehr  für 
den  Gottesdienst  verwendete  Katharinenkirche  in  eine 
Kriegsgedächtni.shalle  umzuwandeln.  An  der  Stelle, 
wo  ehemals  der  Hauptaltar  gestanden  sein  mag,  solle 
ein  kirchlich  gestimmtes  Werk  der  Plastik  errichtet 
werden,  das  den  Opfermut  der  Zeit  zum  Ausdruck 
bringe.  Die  Fenster  sollten  Glasmalereien,  die  Wände 
und  Pfeiler  plastische  Bildwerke,  Gemälde  und  Wappen- 
tafeln erhalten.  —  Also  eine  Idee,  deren  Verwirklichung 
seit  langem  für  die  neue  Maximilianskirche  in  München 
geplant  ist. 

Hans  Huber-Sulzetnoos  hat  ein  Altargemälde 
für  die  neue  katholische  Pfarrkirche  von  Köln-Zollstock 
vollendet;  das  Werk  ist  für  einen  der  Seitenaltäre  be- 
stimmt. Es  ist  als  Triptychon  gestaltet ;  in  der  Höhe 
erhebt  es  sich  mit  seiner  geschnitzten  Bekrönung  bis 
zum  Gewölbe.  Der  Mittelteil  zeigt  die  hl.  Familie  in 
Nazareth.  St.  Josef  ist  im  Freien  damit  beschäftigt,  einen 
B.ilken  mit  der  Säge  zu  bearbeiten,  der  Jesusknabe  hilft 
dem  Nährvater  rüstig  dabei.  Im  Hintergrund  sieht  man 
Maria  aus  dem  Hause  hervortreten,  um  den  Arbeiten- 
den Früchte  zur  Erquickung  zu  bringen.  Das  landschaft- 
liclie  Element  kommt  besonders  stark  zur  Geltung:  Ein 
grolier  Apfelbaum  mit  schon  herbstlich  vergilbendem 
Laube  spendet  im  Vordergrunde  Schatten;  weiter  hinten 
überblickt  man  grüne  Wiesen  und  Hügel ;  blaue  Berg- 
ketten bilden  den  Abschluß  in  der  Ferne.  Der  Hinter- 
grund des  Mittelbildes  setzt  sich  in  beiden  Flügeln  fort, 
rechts  mit  der  Berglandschaft,  links  mit  dem  Hause; 
auch  der  bearbeitete  Balken  ragt  noch  ein  Stück  weit 
in  das  rechte  Flügelbild  hinein.  In  jedem  Flügel  sieht 
man  die  Figur  eines  stehenden  Engels,  welcher,  der 
Gruppe  des  Mittelbildes  zugewandt,  mit  dieser  in  stiller 
und  inniger  Beziehung  steht.  Der  Engel  des  linken 
Flügels  spielt  Geige,  der  des  rechten  verharrt  in  Be- 
wunderung und  Verehrung.  Bei  aller  Feierlichkeit  fehlt 
doch  beiden  Engeln  ein  hieratischer  Zug;  so  wird  die 
Einheitlichkeit  der  Auffassung  gewahrt,  und  das  gesamte 
Werk  behält  etwas  menschlich  Ansprechendes  nach  der 
Art,  die  in  alter  deutsclier  Kunst  —  Cranach,  Altdorfer 
u.  a.  —  und  auch  bei  neueren  (L.  Richter)  so  freund- 
liche Wirkungen  ausübt.  — ■  Die  Außenseiten  der  Flügel 
zeigen  Bemalung  mit  üppig  blühenden  Tulpen,  Mai- 
blumen und  stilisierten  wilden  Rosen  vor  dem  Hinter- 
grunde blauen  Himmels.  Die  Ausführung  ist  in  Tempera 
und  Ol  erfolgt.  Die  Farben  zeigen  reiche  und  harmo- 
nische Skala  ;  besonders  das  lichte  Kolorit  der  Gewänder 
und  Flügel  der  Engel  hat  etwas  überraschend  Zartes, 
Lyrisches.  Beherrschend  wirkt  das  lebhafte  Rot  des 
Josefsgewandes.  Es  dient  vor  allem  dazu,  dem  Bilde 
eine  kräftige  Fernwirkung  zu  sichern.  Die  Sorgfalt  der 
Zeiclinung  tritt  überall  hervor.  —  Das  Werk  zeigt 
Rahmung  in  Natureiche;  es  besitzt  eine  niedere  Predella 
mit  'geschnitzten  und  vergoldeten  Zierden  und  einen 
Aufsatz  von  ebenso  behandeltem  Weinlaub ;  in  einem 
von  Strahlen  umgebenen  Medaillon  erscheint  die  Halb- 
figur Gottvaters.  noering 

Ein  Denkmal  des  Weltkrieges  in  Österreich. 
Während  die  mancherlei  .Ausstellungen  der  jüngsten  Zeit 
sich  mit  mehr  oder  weniger  Erfolg  —  meist  leider  das 
letztere  —  die  Aufgabe  stellten,  Entwürfe  von  Denk- 
mälern und  Gedenksteinen  für  die  gelallenen  heimat- 
lichen Helden  des  großen  Krieges  sowie  Zeichnungen 
machtvoller  Erinnerungsbauten  der  Allgemeinheit  ver- 
traut zu  machen,  hat  der  Wiener  Künstler  Professor 
Josef  Reich  in  monatelanger  Arbeit  ein  Denkmal 
des  Weltkriegs  geschaffen,  in  dem  Gotteshause  der 
kleinen  Stadt  Mistelbach  in  Niederösterreich.  Die  Bilder 
führen  die  Geschehnisse  des  gegenwärtigen  Weltkrieges 


in  allegorischer  Form  vor  Augen.  Wir  geben  hier  den 
gedanklichen  Inhalt  von  zweien  dieser  vielfigurigen 
Kompositionen.  Das  erste  iNot  und  Hilfe<  wird  von 
drei  Gruppen  gebildet.  Rechts  die  martialischen,  dü- 
steren, haßerlüllten  Physiognomien  der  Feinde,  deren 
Gestalten  meist  den  wilden  Hilfsvölkern  ferner  Gestade 
entnommen  scheinen.  Links  eine  flüchtende  Familie, 
von  der  besonders  die  Figur  der  Mutter  mit  ihrem  um 
Hilfe  zum  Himmel  flehenden  Blick  warm  und  lebens- 
wahr empfunden  ist.  Über  diesen  beiden  Gruppen 
erblickt  man  die  Schar  der  Erzengel  —  darunter  Sankt 
Michael  und  den  heiligen  Martin  (den  Patron  der  Mistel- 
bacher Kirche),  welche  sich  mit  flammenden  Schwertern 
den  Feinden  entgegenwerfen.  Ein  Engel  trägt  das  Me- 
daillon mit  den  Bildnissen  der  beiden  Kaiser  —  Franz 
Josefund  Wilhelms  II.  — ,  zwei  weitere  Engel  beschützen 
die  Wappen  Deutschlands  und  Österreich-Ungarns.  Ganz 
links  erblickt  man  den  Friedensengel  mit  lang  herab- 
wallendem Schleier,  welch  letzterer  sich  fürsorglich  um 
die  Gestalten  der  Flüchtlinge  breitet.  —  Das  zweite 
Gemälde  zeigt  in  seinem  großen  Figurenreichtum  »Mär- 
tyrer und  Opfer.«  Im  Mittelgrunde  tlu'ont  Maria, 
die  Königin  der  Märtyrer,  mit  Rosen  geschmückt,  über 
ihr  schwebt  ein  Dornenkranz,  umgeben  von  einer  Reihe 
kleiner  Engel.  Zur  Linken  Marias  kniet  das  ermordete 
Thronfolgerpaar.  Die  Herzogin  von  Hohenburg  hält 
ihr  jüngstes  Kind  in  Händen  und  weist  einen  sterbenden 
Krieger,  der  von  einer  Pflegerin  betreut  wird,  auf  die 
Gottesmutter  mit  ilirem  überirdisch  verklärten  Schmerz 
hin.  Der  linke  Teil  des  Bildes  zeigt  eine  Anzahl  kniender 
Kriegtr:  einen  alten  Tiroler  Schützen,  einen  gereiften 
Mann  und  eitren  Jüngling,  der  in  seinen  Armen  eine 
Fahne  hält.  Überragt  wird  diese  Gruppe  von  der  ehr- 
würdigen Gestalt  Pius  X.,  der  segnend  seine  Hände 
über  sie  breitet.  In  Mitte  des  Bildes  huldigen  junge 
Mädchen  der  Gottesmutter,  im  Hintergrunde  spielt  eine 
Scliar  kleiner,  herziger  Kindergestalten  als  Symbohk  für 
den  bethlehemitischen  Kindermord.  —  Wieweit  es  dem 
Künstler  gelungen  ist,  die  Überfülle  literarischer  Ge- 
danken über  den  Illustrationsstil  hinaus  zu  monumentaler 
Gestaltung  zu    bringen,   wird   erst   eine    etwas   fernere 

Zukunft   feststellen.  Richard  Riedl. 

Ars  Sacra.  Verein  zurFörderung  religiöser 
Kunst,  E.V.,  Köln.  Der  Verein  Ars  sacra,  der  den 
Lesern  dieser  Zeitschrift  durch  seine  Ausstellung  in  der 
Dorf  kirche  der  Deutschen  Werkbundausstellung  Köln  1 9 14 
bekannt  ist  (vgl.  XI.  Jahrgang  Seite  49 — 57),  hielt  am 
7.  Februar  in  der  Kölner  Bürgergesellschaft  seine  Jahres- 
haupt versam  ml  ung  ab,  welche  von  Geistlichen, 
Künstlern  und  sonstigen  Kunstfreunden  gut  besucht 
war.  Der  Vorsitzende  Dr.  Huppertz  gab  einen  Bericht 
über  das  verflossene  Vereinsjahr,  dem  wir  folgendes 
entnehmen.  Im  Zeichen  des  Weltkrieges  ist  der  Verein 
in  das  Jahr  191 5  eingetreten,  und  in  demselben  Zeichen 
hat  er  leider  auch  dieses  Jahr,  das  vierte  Vereinsjahr, 
beschließen  inüssen.  Bedeutet  der  Krieg  nun  auch 
für  die  Kunst  einen  beklagenswerten  Schlag,  so  hat  er 
sie  doch  anderseits  vor  eine  besondere  Aufgabe  ge- 
stellt, und  diese  Aufgabe  hat  ausschließlich  die  Tätig- 
keit des  Vereins  Ars  sacra  im  verflossenen  Vereinsjahre 
bestimmt,  nämlich  die  Schaff'ung  künstlerischer  und  in 
unserem  Falle  auch,  den  Zielen  des  Vereins  entsprechend, 
religiöser,  christlicher  Kriegsgedenkzeichen.  Nach  Vor- 
beratungen noch  im  Jahre  1914  wurde  in  der  ersten 
Versammlung  des  Jahres  191 5  eine  Ausstellung 
christlicher  Kriegsgedenkzeichen  beschlossen. 
Die  Ausstellung  wurde  am  i.  Juni  im  Lichthofe  des 
Kölner  Kunstgewerbemuseums  mit  einer  zweckentspre- 
chenden Ansprache  des  Vorsitzenden  an  die  erschiene- 
nen Geistlichen,  Künstler  und  andere  Kunstfreunde  er- 
öfl'net.     Vorher    waren    an    rund    2400   Geistliche    der 


BUCHERSCHAU 


Erzdiözese  Köln  Einladungen  zur  Eröffnung  bezw.  Be- 
sichtigung der  Ausstellung  nebst  einem  reich  illustrier- 
ten und  einem  vom  Vorsitzenden  verfaßten  Aufsatze 
>Der  Krieg  und  die  christliche  Kunst«  versandt  worden. 
Da  ein  wesentlicher  Teil  der  'dem  Verein  angehörigen 
Künstler  zum  Heeresdienst  einberufen  war,  wurde  die 
Ausstellung  von  nur  i6  Künstlern,  jedoch  mit  über 
1 50  Entwürfen  zu  liünstlerischen  Kriegsgedenkzeichen 
aller  Art  beschickt.  Nach  Inhalt  und  Anordnung  war 
sie  sehr  gefällig  und  anregend.  Zweck  der  Ausstellung 
war  in  erster  Linie,  die  Geistlichkeit  von  einer  über- 
eilten Beschaffung  unkünstlerisclier  Erinnerungsmale  für 
gefallene  Krieger  zurückzuhalten  und  ihre  Aufmerksam- 
keit auf  echt  künstlerisches  Schaffen  zu  lenken.  Eigent- 
liche Auftrage  wurden,  wie  es  auch  im  Vorwort  zum 
Prospekte  hieß,  auch  im  Interesse  der  im  Felde  stehen- 
den Mitglieder,  erst  nach  Friedensscliluß  erwartet. 
Dennoch  sind  als  Wirkung  der  Ausstellung  schon  an- 
sehnliche, unerwartete  Aufträge  erteilt,  weitere  in  Aus- 
sicht gestellt  worden,  und  zwar  auf  Gedächtniskapellen, 
Kapelleneinbauten  in  Kirchen,  Denkmäler  und  Gedenk- 
tafeln, Wandmalereien,  Mosaiken  und  Glasgemälde, 
ferner  auch  Aufträge  auf  andere,  nicht  auf  den  Krieg 
bezügliche  Werke  der  christlichen  Kunst,  vor  allem  an 
solche  Künstler,  welche  die  Ausstellung  gut  und  reich 
beschickt  und  den  Prospekt  mit  Illustrationen  ausge- 
stattet hatten.  Diese  Tatsache  zeigt  deutlich,  welcher 
Wert  Ausstellungen  und  illustrierten  Publikationen  bei- 
zumessen ist.  Die  Ausstellung  wurde  am  15.  Septem- 
ber geschlossen.  Es  liegt  nahe,  dieselbe  nach  hoffent- 
lich baldigetn  Friedensschlüsse  in  vermelirter  und  ver- 
besserter Auflage  zu  wiederholen. 

Noch  eine  erfreuliche  Wirkung  der  Ausstellung  ist 
der  Beitritt  vieler  neuer  Mitglieder  zum  Verein.  Ein 
Verlust  von  Mitgliedern  infolge  des  Krieges  ist  bisher 
nicht  zu  verzeichnen;  dagegen  starb,  am  3.  Juli  Bild- 
hauer Hubert  Menniken,  der  an  der  Berliner  Aka- 
demie ein  Meisteratelier  innehalte.  Schon  allein  die 
Arbeit,  welche  er  in  der  Dorfkirche  der  Werkbund- 
ausstellung zeigte,  eine  Pietä  in  Bronze  (Abb.  a.  a.  O. 
Seite  56),  genügt  zu  der  Feststellung,  daß  wir  den  Tod 
Mennikens  als  eines  tüclnigen  christlichen  Künstlers 
beklagen  dürfen.  Er  entstammte  der  aus  der  Blüte 
der  Raerener  Steinzeugkunst  bekannten  Künstlerfamilie 
Menneken.  Ehre  seinem  Andenken !  —  Für  das  neue 
Vereinsjahr  wurde  durch  Zuruf  der  bisherige  Vorstand 
wiedergewählt;  ihm  gehören  an  Dr.  A.  Huppertz,  Geistl. 
Rektor,  Vorsitzender,  Heinrich  Renard,  Architekt  B.D.  A., 
Erzdiözesanbaumeister,  stellvertr.  Vorsitzender,  Jos.  Klee- 
fisch, Kgl.  Hofgoldschmied,  Kassenwart,  Simon  Kirsch- 
baum, Bildhauer,  Schriftführer,  Prof.  Georg  Grasegger, 
Bildhauer,  Johannes  Osten,  akad.  Maler,  Theodor  Roß, 
Architekt  B.  D.  A.,  Stadtverordneter.  Für  Herbst  1916 
wurde  die  Veranstaltung  einer  Ausstellung'fch  ri  st- 
licher  Kunst  in  Köln  beschlossen. 


Bücherschau; 

Kämpfe.  15  Originallithographien  von  Josef  Eberz, 
Druck  der  graph.  Kunstanstalt  Haufler  und  Wiest,  Stutt- 
gart. Das  Titelblatt  zeigt  unter  den  ausgebreiteten  Fittigen 
des  deutschen  und  des  österreichischen  Adlers  die  Grtrppe 
eines  gefallenen  Kriegers  und  einer  Trauernden.  Dann 
folgen  die  Blätter:  i?wei  .Mütter,  Schrecken,  Verband- 
platz, Neue  Gräber,  Sterbender  Krieger,  Klagende  Frauen, 
Vereint,  Trauernde,  Heimatlos,  Einsames  Sterben,  Ka- 
meraden, Pflegerinnen,  Betender  Soldat,  Geschändet, 
Die  Eltern.  —  Die  Blätter  sind  aus  tiefer  Empfindung 
geboren.  Wie  bei  seinen  sonstigen  .-Xtbeitcn  bedient  sicli 
der  Künstler  auch  hier  der  expressionistischen  Ausdriicks- 
weise,  die  dazu  dienen  soll,  durch  Vernachlässigung  der 


Einzelformen,  durch  Steigerung  der  Gebärdensprache 
und  Einhaltung  gewisser  enggezogener  Regeln  für  die 
Linienführung  den  geistigen  Gehalt  allein  herauszuarbeiten. 
Auf  diesem  Wege  unterliegt  man  jedoch  der  Gefahr, 
unverständlich  zu  werden,  den  Eindruck  gesuchten  oder 
unvermögenden  Stammeins  zu  erwecken  und  all- 
mählich in  Eintönigkeit,  in  eine  formale  und  geistige 
Zwangsjacke,  vielleicht  in  Verwilderung  zu  verfallen. 
Trotz  den  aus  der  »Richtung«  hervorgehenden  Be- 
engungen, von  denen  sich  auch  vorliegende  Blätter  nicht 
frei  halten,  weiß  Eberz  vermöge  seiner  persönlichen  Be- 
gabung einen  starken  Eindruck  zu  vermitteln  und  wird 
jenen  Beschauern  zu  Herzen  sprechen,  die  sich  geduldig 
in  seine  Auffassung  hineinleben.  —  Die  Technik  der 
Litliographie  ist  für  expressionistische  Impressionen  sehr 
günstig  und  wurde  aucli  von  Eberz  gewählt.        s.  St. 

Der  Dom  des  hl.  Stephan  zu  Passau.  In  Ver- 
gangenheit und  Gegenwart.  Ein  Beitrag  zur  Kunstge- 
schichte Süddeutschlands.  Mit  Originalzeichnungen  des 
Verfassers.  Von  Dr.  Joh.  Ev.  Kappel.  Lex.-S".  (VIT, 
193  S.)    Preis  brosch.  in  auffallendem  Umschlag  M.  4.80. 

Unsere  gewiß  nicht  literaturarme  Zeit  ist  an  gedie- 
genen Kunstmonographien  nicht  so  ersprießlich,  als  man 
es  bei  der  großen  allgemeinen  Buchproduktivität  an- 
nehmen sollte.  Die  Spaltung  in  der  Kunstwissenschaft 
braclite  es  mit  sich,  daß  entweder  historische,  das  künst- 
lerische Eingehen  auf  den  Gegenstand  vermissende  Ar- 
beiten entstanden,  oder  rein  analytische  Abhandlungen, 
die  mit  stolzer  Verachtung  an  der  geschichtlichen  Hilfs- 
wissenschaft vorübergingen.  Eine  den  Durchschnitt 
kunstliistorischer  Bücher  übertreffende,  von  ebenso 
großem  Forscherfleiß  als  künstlerischer  Einfühlung  zeu- 
gende Arbeit  lieferte  Dr.  Kappel  in  dem  oben  aufge- 
führten Werli,  das  nach  den  beiden  skizzierten  Rich- 
tungen hin  vollauf  Genüge  tut.  Der  Verfasser  stellt 
mit  Recht  die  Charakteristik  des  neuen  Domes,  dem 
sein  jetziger  Baucharakter  in  der  Zeitfolge  den  Platz 
hinter  die  acht  bayerischen  Schwestern,  die  Marksteine 
in  der  Baukunstentwicklung  der  deutschen  Bischofsstädte, 
anweist,  an  den  Schluß.  Er  gewinnt  hierdurch  einen 
breiten  Raum  für  die  auf  Grund  eingehender  Studien  in 
den  Archiven  zu  Passau,  München  und  Landsliut  und 
nach  persönlichen  Forschungen  im  Innenraum,  über  den 
ausgedelmten  Gewölbeanlagen,  sich  ergebende  bauge- 
schichtliche Darstellung,  die  auch  nicht  versäumt,  inter- 
essante Streillichter  auf  die  Ortsgeschichte  zu  werfen  und 
diese  mit  der  Landesgeschichte  in  Einklang  zu  bringen. 

Der  Passauer  Dom  stammt  in  seiner  heutigen  Ge- 
staltung aus  jener  Zeit  nach  dem  Dreißigjährigen  Krieg, 
als  auf  die  profane  sowohl  wie  sakrale  Baukunst  des 
katholisclien  Südens  Italien  befruchtend  einwirkte. 
Neben  der  Theatinerhofkirche  in  München  (1663/75), 
St.  Florian  bei  Linz  (1686/ 1708)  u.  a.  nimmt  die  Dom- 
kirche in  Passau  eine  völlig  gleichberechtigte  Stelle 
ein.  Die  erste  Nachricht  vom  ersten  Bau  stammt 
aus  der  Lebensbeschreibung  des  hl.  Severin  von  Eu- 
gippius  um  511.  Daß  die  altchristliche  Kirche  zu 
Batavis  auf  dem  granitnen  Felsplateau  der  schmalen 
Halbinsel  zwischen  Donau  und  Inn  auf  dem  Prätorium 
des  römischen  Lagers  stand,  nimmt  Kappel  als  selbst- 
verständlich an.  Unter  Tassilo  III.  fand  um  768  eine 
Erweiterung  der  Basilika  in  bescheidenen  Ausmaßen 
statt,  deren  Fundamente  noch  erhalten  sein  könn'en. 
Nach  dem  wütenden  Stadtbrand  vom  21.  Mai  ti8i 
begann  sofort  die  Wiedererhebung  des  ausgebrannten 
Domes,  dessen  Hauptanlage  sich  wie  später  im  17.  Jalir- 
hundert  erhalten  hatte.  Mit  längeren  durch  kircliliche 
und  politische  Verhältnisse  bedingten  Unterbrechungen 
erstreckte  sich  die  Erweiterung,  für  die  das  Jahr  1254 
einen  Wendepunkt  bedeutete,  auf  das  14.  Jahriiundert, 
in    dem    die    ausgedehnte  Anlage    der    jetzigen  Kirche 


BUCHERSCHAU 


erwuchs.  Die  zweite  Veränderung  brachte  kein  Natur- 
ereignis, sondern  die  seit  der  Wende  des  15.  Jahr- 
hunderts in  Deutschhmd  eindringende  Gotik,  die  im 
15.  Jahrhundert  ihren  Siegeseinzug  in  l'assau  hielt. 
1407  wurde  durch  Georg  von  Hohenlohe  der  Grund- 
stein zum  Neuhau  gelegt,  den  Hans  der  Krunienauer 
als  Baumeister  leitete.  Ohne  vollendet  zu  werden, 
zog  sich  der  Bau  an  die  150  Jahre  hin.  Nähere  bau- 
geschichtliche Einzelheiten  bei  dem  allmählichen  Wandel 
der  Katliedrale  in  den  spätgotischen  Dom  lassen  sich 
nur  vermutungsweise  angeben.  Sicher  steht  fest,  daß 
die  ursprüngliche  Anlage  mit  dem  erhöliten  Mittelschiff" 
und  den  niedrigen  schmalen  Seitenschiffen  beibehalten 
wurde.  Der  in  der  Geschichte  anderer  Städte  nur 
selten  in  diesem  Umfang  zu  verzeichnenden  Brandkata- 
strophe  von  1662  fiel  der  Prachtbau  bis  auf  das  Mauer- 
werk zum  Opfer,  das  am  Fronleichnamstag  desselben 
Jahres  größtenteils  unter  donnerndem  Getöse  einstürzte. 
Mit  großer  Umsicln  trug  das  Domkapitel  das  über  es 
gekommene  Leid.  Der  Chorbruder  Graf  von  Khuen 
ließ  als  Dombaumeister  unter  den  schwierigsten  finan- 
ziellen Verhältnissen  die  Räumungsarbeiten  vornehmen, 
die  vornehmlich  der  Baumeister  M.  Wolf  Sakra  besorgte, 
der  auch  unter  dem  Leiter  des  neuen  Barockdomes 
Lurago  mitarbeitete.  Obwohl  das  Domkapitel,  allen 
Schwierigkeiten  trotzend  die  Wiedererhebung  der  Kathe- 
drale in  Angriff"  genommen  hatte,  konnte  diese  doch 
erst  nach  einheithchem  Plan  und  Leitung  des  Fürstbi- 
schofs (seit  1664)  Wenzeslaus  Graf  von  Thun  vor  sich 
gehen.  .\ls  ehemaliger  Propst  in  Scamozzis  und 
Solaris  Salzburger  Dom  berief  er"  die  besten  künstle- 
rischen Kräfte,  wie  den  Baumeister  des  Thunschen 
Palastes  in  Prag  Carlo  Lurago,  die  Stukkaturen  und 
Freskomaler  Carlone,  de  AUio,  Solati,  mit  denen  Münch- 
ner, Salzburger  und  Wiener  Meister  wetteiferten.  Die 
Dombauhilfe,  mit  der  am  10.  Mai  1662  eingesetzt 
worden  war,  und  eine  kurfürstliche  Bausteuer  brachten 
es  zustande,  daß  der  Fürstbischof  mit  Lurago,  der  nicht 
167g  sondern  am  12.  Oktober  16S4  zu  Passau  starb, 
das  erste  Geding  abschließen  konnte.  Bereits  vor  dem 
abermaligen  Brand  am  29.  Juli  1680,  der  den  Neubau 
zur  Ruine  maclite,  wurde  an  der  Innenausstattung  ge- 
arbeitet. Stukkateur  war  Giovanni  Battista,  nicht  sein 
Verwandter  Carlo  Antonio  —  Carlone.  Unter  denkbar 
ungünstigen  Verhältnissen,  wie  sie  allein  schon  der 
Türkeneinfall  ergab,  wurde  die  Fortsetzung  des  Baues 
wieder  aufgenommen,  so  daß  dieser  am  Todestag 
Luragos  soweit  seiner  Vollendung  entgegengeführt  war, 
daß  keine  neue  Oberleitung  ernannt  zu  werden  brauchte. 
Nachdem  das  Jahr  1803  mit  der  Säkularisation  die  Plün- 
derung der  Kirchengeräte,  das  Jahr  1813  die  Nieder- 
reißung des  Kreuzganges  gebracht  hatte,  wurde  der 
Dom  von  1840/70  innen  und  aul3en  unter  Bevorzugung 
wirkungsvoller  Effekte  nach  dem  damaligen  Geschmack 
>restauriert<.  Wie  bei  der  Münchner  Frauenkirche  —  ge- 
meinsam ist,  um  nur  eins  zu  nennen,  die  Entfernung 
des  mächtigen  kunstgeschmiedeten  Eisengitters  —  kamen 
uns  heute  barbarisch  erscheinende  Änderungen  vor.  In 
den  Jahren  1896/97  setzte  Prof  Frhr.  H.  von  Schmidt 
den  beiden  Türmen  ein  abschließendes  Stockwerk  mit 
Kuppeldachung,  entsprechend  dem  Kuppelmotiv  über  dem 
Achtecksaufbau  der  Vierungskuppel,  auf  Dieselbe  Zeit 
gab  dem  Äußern  in  anderer  Beziehung  seinen  Barock- 
charakter wieder,  der  ihm  seine  Stelle  in  der  Kunst- 
geschichte angewiesen  hatte.  —  Studiert  man  Kappeis 
für  eine  Einzeldarstellung  umfangreiches  Werk  durch, 
so  wird  man  am  Schlüsse  doppelt  ungern  ein  Namens- 
und Sachregister  sowie  eiri  Verzeichnis  des  reichen 
Bildermaterials  vermissen.  W.  Zils  München 

>Neuer  deutscher  Kalender  für  das  Jahr  1916.« 
Vom  Verein  >Heimat«  in  Kaufbeuren,  Preis  M.  i. — . 


Die  Bedeutung,  die  dem  künstlerischen  Wandkalen- 
der in  Bezug  auf  die  Förderung  der  Geschmackskultur 
zukommt,  ist  bedauerlicherweise  allzulange  verkannt 
worden,  um  so  mehr  dürfen  wir  uns  nunmehr  von 
Jahr  zu  Jalir  über  die  Zunahme  des  Interesses  auf 
diesem  Gebiete  erfreuen.  Der  Heimat  Bund,  tier  von 
Kaufbeuren  aus  seine  grünen  Hefte  ^Deutsche  Gaue« 
verbreitet,  und  sich  unermüdlich  bestrebt  zeigt,  das 
Verständnis  und  die  Liebe  für  deutsches,  bodenständiges 
Wesen  in  Volkskunst,  Sitten  und  Gebräuchen  zu  er- 
halten und  neu  zu  beleben,  gibt  auch  alljährlich  einen 
Wandkalender  heraus,  der  ihm  als  Gabe  an  seine  Mit- 
glieder dient  und  im  übrigen  für  M.  i. —  erhältlich  ist. 
>Dem  deutschen  Volke  gewidmet  von  MaximiHan 
Liebenwein  dem  Maler  und  Christian  Frank,  dem 
Schreiber«,  heißt  es  in  der  Überschrift,  und  wir  können 
uns  alsbald  überzeugen,  daß  wir  diesem  Zusammen- 
wirken ein  sehr  glückliches  Ergebnis  verdanken.  Lieben- 
wein hat,  wie  im  vergangenen  Jahre  so  auch  für  1916, 
ein  stimmungsvolles  Titelbild,  und  zwar  diesmal  eine 
Szene  aus  dem  deutschen  Freiheitskriege  181 3  beige- 
steuert, das  der  opferreichen  Gegenwart  vorzüglich  an- 
gepaßt erscheint.  Die  kraftvollen  Darstellungen  der 
Sternzeichen  für  die  einzelnen  Monate  bilden  gleich- 
zeitig die  Teilung  des  Kalendariums  in  zwei  Halbjahre. 
Außerdem  ist  das  Blatt  reich  geschmückt  durch  kleine 
Signets,  die  in  lapidarem  Stile  auf  die  verschiedenen 
Feiertage  des  kirchlichen  Jahres  und  historische  Bege- 
benheiten Bezug  nehmen. 

Christian  Frank  führt  uns  innerhalb  des  Kalendariums 
die  wichtigsten  Ereignisse  des  ersten  erfolgreichen 
Kriegsjahres  vor  Augen,  und  schafft  dadurch  eine  Über- 
sichtlichkeit, die  uns  bei  der  raschen  Folge  bedeutungs- 
voller Ereignisse  ganz  besonders  willkommen  und  not- 
wendig erscheint.  Dem  schmucken,  dekorativ  wirksamen 
Kalenderblatt  wäre  die  weiteste  Verbreitung,  insbeson- 
dere auch  auf  dem  mit  minderwertigen  Erzeugnissen 
überschwemmten  Lande,  zu  wünschen.  Den  beiden 
Autoren  gebülirt  herzlicher  Dank  für  ihr  verdienstvolles, 

gemeinsames    Werk.  FerJ.   Nockhcr-AIienbcuem 

Kultur- und  Kunstströmungen  in  deutschen 
Landen.  Von  Georg  Malkowsky.  Verlag  von  George 
Westermann.  Braunschweig  und  Berlin  191 3.  I.  Schle- 
sien in  Wort  und  Bild.     Preis  kart.  M.  6. — . 

Die  früliere  Kunstgeschichte  hat  sich  auf  ihr  eigent- 
lichstes Gebiet  beschränkt  und  den  kulturgeschichtlichen 
Hintergrund  des  künstlerisclien  Scliaft'ens  in  ihre  Dar- 
stellung nicht  aufgenommen.  Sache  anderer  Kräfte  war 
es,  den  Kulturerscheinungen  auf  den  Grund  zu  gehen 
und  jene  Methode  vorbereiten  zu  helfen,  die  inzwischen 
mit  Recht  beliebt  wurde:  die  Betrachtung  des  künst- 
lerischen Lebens  im  Zusammenhang  mit  der  Gesamt- 
kultur. Besonders  fruchtbar  wird  diese  Methode  bei  der 
Behandlung  bestimmter  Bezirke.  Unentbehrlich  ist  sie  in 
Publikationen,  die  als  Monographien  erscheinen  und  als 
solche  ein  größeres  Leserpublikum  für  sich  gewinnen 
wollen.  Sie  wurde  denn  auch  für  das  vorliegende  Unter- 
nehmen gewählt.  An  erster  Stelle  wird  die  schlesische 
Ostmark  behandelt,  »weil  sie  eine  deutsclie  Kulturgrenze 
gegen  rasseverschiedene  Nachbarnationen  zu  bewahren 
von  jeher  berufen  war«.  Alle  deutschen  Bundesstaaten 
sollen  folgen. 

Wie  bei  allen  derartigen  Einzeldarstellungen  muß  man 
bei  Lesung  des  vorliegenden  Buches  bereits  eine  gewisse 
zusammenfassende  Kenntnis  im  Gebiete  der  Kunstge- 
schiclrte  besitzen,  um  mit  Nutzen  und  tieferem  Interesse 
folgen  zu  können.  Nur  dann  werden  die  gebotenen 
lehrreichen  Einzelzüge  tiefere  Spuren  im  Leser  hinter- 
lassen. Es  läul"t  neben  der  Lokalgeschichte  jene  der  ört- 
lichen Kunst  parallel,  aber  den  schwer  in  Worte  zu 
fassenden   tieferen    geistigen    Zusammenhang    zwischen 


26 


BUCHERSCHAU 


beiden  muß  der  Leser  selbst  herausfinden,  und  das  wird 
wenigen  gelingen.  Einen  Anlauf  nach  dieser  Richtung 
könnte  man  in  den  Bemerkungen  über  den  Barockstil 
vermuten,  die  aber  nicht  zutreffen.  Wie  früher  in  Kunst- 
geschichten, so  jetzt  noch  in  populären  Büchern  üblich, 
wird  d.is  aus  Italien  gekommene  Barock  ohne  weiteres 
für  ein  Erzeugnis  der  Gegenreformation,  des  Jesuitismus, 
angesehen,  eine  Darstellung,  die  manchen  Kreisen  na- 
mentlich solange  sehr  willkommen  sein  mußte,  als  man 
dem  Barockstil  alle  Schlechtigkeiten  zuschrieb.  Der 
Barockstil  wollte  keine  triumphierende  Fanfare  gegen 
den  Protestantismus  sein  und  war  es  nicht.  Hat  man 
nicht  gleichzeitig  mit  Kirchen  aucli  Schlösser  und  Pa- 
läste jeder  Art  in  denselben  Formen  und  mit  ähnlichem 
Schwung  und  Prunk  gebaut?  —  Das  reich  illustrierte 
Buch  ist  geeignet,  durch  die  Abbildungen  die  Kenntnis 
eines  in  künstlerischer  Beziehung  noch  viel  zu  wenig 
beachteten  und  doch  so  reichen  Landes  zu  verbreiten 
und  in  den  Schlesiern  die  Liebe  zu  ihrer  Heimat  zu 
steigern.  Der  Text  ist  weniger  zuverlässig  und  nicht 
von  Irrtümern  frei.  S.  Siaudhamer 

Das  alte  Rom.  Von  Prof.  Dr.  Otto  Richter,  Geh. 
Regierungsrat.  Mit  einem  Bilderanhang  und  vier  Plänen 
(Preis  M  125).  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner 
in  Leipzig-Berlin,   191 5. 

»Aus  Natur-  und  Geisteswelt,  Sammlung  wissen- 
schaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen«  Dieser 
Sammlung  ist  ein  Ideines  Büchlein  entsprungen,  das  den 
Titel  >Das  alte  Rom<  führt.  Ein  Spezial-  bezw.  Fach- 
buch für  Künstler  oder  Gelehrte  soll  das  Büchlein  nicht 
sein,  deren  gibt  es  genügend  in  dickbändigen  Werken 
mit  reicliem  Bilder-  und  Rekonstruktionsmaterial.  Nicht 
leicht  war  es  aber  bisher,  ein  kurzgefaßtes  Büchlein 
über  das  alte  Rom  zu  finden,  welches  man  beim  Stu- 
dium an  Ort  und  Stelle  bequem  in  der  Hand  halten 
kann,  um  darin  nachzuschlagen.  Unsere  bekannten  Füh- 
rer behandeln  alles  gemeinsam.  Sie  geleiten  die  Frem- 
den durch  die  Stadt  und  beschreiben  diese  im  allge- 
meinen, ohne  auf  spezielle  Sehenswürdigkeiten,  wie 
z.  B.  auf  die  Schätze  des  antiken  Rom,  mit  sachlicher 
Gründlichkeit  einzugehen.  Deshalb  ist  es  zu  begrüßen, 
daß  Professor  Richter  mit  einem  leicht  mitzuführenden 
Büclilein  an  uns  herantrat,  welches  uns  iäst  nur  das 
antike  Rom  schildert  und  zur  Darstellung  bringt. 

Das  kleine  Werk  führt  uns  in  Lage  und  Bodenge- 
staltung des  alten  Rom  ein,  die  der  Autor  mit  großer 
Sachlichkeit  aus  allen  ihm  zur  Verfügung  stehenden 
Hilfsquellen,  bezw.  auf  Grund  eigener  Studien  und  Kri- 
tik schildert ;  dann  in  die  Entwicklungs-  und  Zerstörungs- 
geschichte. Er  beschreibt  das  Zentrum  Roms,  seine 
Kaiserfora  und  den  Kapitolinischen  Hügel.  Hier  dürfte 
das  Werk  —  vielleicht  auf  Kosten  der  etwas  zu  weit 
ausgedehnten  Geschichtsschilderungen  —  und  zwar  im 
Zusammenhang  mit  dem  Forum  Romanum  die  Schön- 
heit, die  architektonische  Gruppierung  der  Tempel-  und 
Bauwerke  beleuchten,  denn  es  ist  gewiß  nicht  von 
Schaden,  wenn  auch  Laien  und  kunstsinnige  Besucher 
auf  den  eigenartigen  Städtebau  Roms,  die  malerische 
Lage  und  Stellung  seiner  antiken  Baudenkmäler  zu  einem 
Vergleich  mit  der  Periode  des  reichgestalteten  16.  Jahr- 
hunderts angeleitet  werden.  Sehr  richtig  bemerkt  der 
Autor,  daß  der  Kapitolinische  Hügel  einst  mit  Privat- 
häusern bebaut  war.  Eingehend  beleuchtet  er  den  Pa- 
latin  und  beschreibt  trefflich  alle  Einzelheiten,  doch 
auch  den  Resten  der  einstigen  Monumentalmalereien  in 
den  Ruinen,  die  in  ihrer  eindrucksvollen  Originalität 
von  hervorragender  Bedeutung  sind,  dürfte  der  Autor 
einige  Worte  schenken.  Sacra  via  und  Velia  sind  treff- 
lich geschildert.  Er  kommt  dann  auf  die  Stadtteile  am 
Tiber  zu  sprechen,  welche  gegenwärtig  aktuell  sind,  da 
viele  Änderungen  dort  vor  sich  gehen  sollen.     Weiter 


bespricht  er  die  Vorstädte  im  Süden  des  Marsfeldes, 
dann  das  Marsfeld  selbst,  namentlich  seinen  südlichen 
Teil,  wobei  er  mit  großer  Liebe  das  berühmte  Pantheon 
eingehend  schildert.  Dieses  ist  in  allen  seinen  Phasen, 
unter  Zugrundelegung  der  Geschichtsquellen,  bis  ins 
17.  Jahrhundert  hinein  beleuchtet,  wobei  Richter  manche 
Irrtümer  bloßlegte,  z.  B.  jenen  über  die  vergoldeten  Erz- 
balken der  Vorhalle,  die  Urban  VIII.  abgedeckt  und  zur 
Herstellung  des  Tabernakels  in  St.  Peter  verwendet  haben 
sollte.  Weiter  beschreibt  er  den  nördlichen  Teil  des 
Marsfeldes,  dann  die  siebente  Region  (Via  lata),  Trans 
Tiberim,  die  Tiberinsel,  den  Osten  Roms  mit  Quirinal 
und  die  langgestreckte  Bergzunge  des  Caelius,  sowie 
die  Vorstädte  an  der  Via  Appia  mit  den  Bau-  und  Grab- 
denkmälern. 

Dem  ausgezeichneten  Buche  würde  es  zugute  kom- 
men, wenn  das  Abbildungsmaterial  des  alten  Rom  in 
einer  allenfallsigen  späteren  Auflage  noch  vervollstän- 
digt werden  konnte,  z.  B.  an  guten  und  sicheren  Rekon- 
struktionen der  Ansichten  des  Kolosseums  und  mancher 
anderer  Bilder  klassischer  Baudenkmäler  Roms.  Dadurch 
würde  das  vorzügliche,  leichte  und  faßliche  Buch  nicht 
beschwert,  wenn  zumal  die  zahlreichen  Schlußblätter, 
die  die  vom  Verlag  herausgegebenen  Werke  ankündigen, 
in  Wegfall  kämen,  bezw.  verkürzt  würden,  und  an  deren 
Stelle  weiteres  Abbildungsmaterial  treten  könnte. 

Das  Werk  empfehlen  wir  nicht  nur  allen  Reisenden, 
sondern  auch  Künstlern  und  Gelehrten,  desgl.  Kunst-  und 
Geschichtsliebhabern,  die  daheim  studieren  wollen,  da 
es  in  klarer   Übersicht  das  alte  Rom  beleuchtet. 

Steflen 

Ferretti,  P.  Lodovico,  dei  Pred.,  II  sepolcro 
di  Pio  IX  in  Roma  nell'  antico  nartece  della  Basilica 
di  S.  Lorenzo  fuori  le  mura.  Monografia  illustrata. 
gr.  8°  (II  u.  116  S.)  L.  2.50,  Firenze  191 5,  Tipogr.  Do- 
menicana. 

Kein  Rompilger  wird,  wenn  irgend  möglich,  ver- 
säumen, das  vor  den  Toren  gelegene  Heiligtum  von 
S.  Lorenzo  zu  besuchen.  Denn  dort  draußen  erwartet 
ihn  in  zypressendüsterer  Einsamkeit  eine  Basilika  ebenso 
ehrwürdiger  Traditionen,  wie  wundervoller  Innenkunst, 
dort  tritt  er  in  die  einzigschöne  weihevolle  Grabkapelle 
Pius'  IX.  Welche  Stimmung  senkt  sich  auf  den  Be- 
sucher, wenn  er  niedersteigt  zur  Krypta  vor  den  schlicht- 
ernsten, formenfeinen  Marmorsarkophag  des  im  Rufe 
der  Heiligkeit  verstorbenen  Papstes,  wenn  er  dann,  um 
sich  blickend,  gewahr  wird,  was  Cattaneos  und  Seitzens 
Kunst  aus  diesem  einst  verschütteten,  konstantinischen 
Raum  geschaffen  hat  I  Die  herrlichen  Mosaiken  unseres 
römisch-münchnerischen  Landsmannes  Seitz,  eine  gran- 
diose Fortsetzung  der  kostbaren  enkaustischen  Decken- 
bilder der  Galleria  dei  Candelabri  im  \'atikan,  die  schim- 
mernden Mosaiktapeteinvände  mit  Hunderten  von  klei- 
nen Wappenschildern,  lauter  Stiftungsdenkmäler  edler 
Spender,  unter  ihnen,  zu  unserer  größten  Genugtuung, 
zahlreiche  deutsche  Namen.  —  Wahrlich,  ein  weilie- 
voUer  Raum,  ein  Heiligtum  für  sich,  das  über  fromme 
Pilgerneugier  hinaus  unser  tiefstes  Interesse  erweckt 
und  beansprucht. 

Diesem  Interesse  kommt  vorliegende  Monographie 
des  gelehrten  Dominikaners  am  römischen  CoUegio  An- 
gelico  in  hohem  Grade  entgegen.  Ohne  weitschweifig 
zu  werden,  erfahren  wir  in  klarer,  warmer  Sprache  die 
Baugeschichte  der  Krypta  bis  zu  ihrer  Restauration  durch 
Pius  IX.,  ilire  Ausgestaltung  durch  Catianeo  und  Seitz, 
insbesondere  erhalten  wir  eine  sehr  eingehende  Be- 
schreibung und  Erklärung  des  Heiligtums  in  der  erst- 
maligen und  späteren  jetzigen  Fassung.  Ein  ausführ- 
licher Anhang  behandelt  biographisch  Cattaneo  als  Ar- 
chitekten, Seitz  als  Maler,  gibt  die  Korrespondenz  mit 
dem  großen  Förderer  der  Sache,  dem  Grafen  Aquaderni 
wieder   und    enthält    die    Inschriften    der   bis    jetzt  vor- 


BUCHERSCHAU 


handenen  640  Spender-Wappenscliilde.  Unterstützt  wird 
die  Arbeit  durch  ^3  sehr  schöne  Abbildungen,  11  davon 
auf  eigenen  Hinsch.ilttafehi  und  das  Titelblatt  in  farben- 
ph(3\ographischer  Wiedergabe.  Der  niedrige  Preis  steht 
zur  hohen  textlichen  wie  buchtechnisclien  Leistung  in 
keinem  Verhältnis.  G.  Gichtd 

Dr.  Fritz  Gysi.  Die  Entwicklung  der  kirch- 
lichen Architektur  in  der  deutschen  Schweiz 
im  17.  und  18.  Jahrhundert.  Trüb  &  Cie.,  Aarau  und 
Zürich  1914. 

Seitdem  Dr.  R.  Rahn  in  seiner  »Geschichte  der  bilden- 
den Künste  in  der  Schweiz«,  1876,  die  heimischen  Mo- 
numente bis  zum  Schlüsse  des  Mittelalters  mit  voller 
fachmännischer  Tüchtigkeit  und  Stoffbeherrschung  be- 
handelt hat,  ist  für  die  Epoche  der  Renaissance  und 
Neuzeit  die  Fortsetzung  der  schweizerischen  Kunstge- 
schichte auf  der  Rahnschen  Grundlage  nicht  möglicli 
gewesen.  Es  fehlte  bisher  an  den  unumgänglich  not- 
wendigen Vorarbeiten,  welche  der  Scharfsinn  des  Zür- 
cher Gelehrten  zusammenfassen  und  in  ihrer  Entwick- 
lung hätte  darstellen  können.  Dr.  Gysi  leistet  in  seiner 
Entwicklung  der  schweizerischen  Architektur  im  17.  und 
18.  Jahrhundert  einen  wertvollen  Beitrag  hierzu,  den  er 
auf  die  kirchliche  Baukunst  und  mit  Recht  nur  auf  die 
deutschen  Kantone  beschränkte.  Merkwürdig  zeichnet 
der  Autor  den  Hintergrund  der  »großartigen  Bautätig- 
keit« dieser  Epoche:  »Die  Geistlichkeit  heirschte  im 
Lande  und  machte  sich  zum  Hüter  aller  Kultur  und 
Gelehrsamkeit.  Dem  Glanz  und  der  Macht  der  Kirche 
wurde  alles  geopfert  ■ —  das  Volk  aber  ließ  man  in  der 
tiefsten  Unwissenheit.«  Letztere  Beliauptung  bedarf  der 
Beweise,  die  nicht  leicht  zu  erbringen  sind.  Nach  einer 
Übersicht  über  die  Architekten  der  Epoche  berührt  der 
Autor  die  merkwürdige  Tatsache,  daß  die  Spätgotik  in 
der  Scliweiz,  von  spärlichen  Ausnahmen  abgesehen,  un- 
mittelbar zum  Barock  übergehl,  dessen  einschiffige  und 
dreischiffige  Kirchen  wie  die  Zentralbauten  besprochen 
werden,  um  die  Umbauten  der  Barockzeit  kurz  zu  streifen. 
In  ähnlicher  Weise  wird  das  18.  Jahrhundert  behandelt. 
—  Den  weitaus  interessantesten  Teil  der  Arbeit  bildet 
die  Besprechung  der  einzelnen  Bauglieder,  der  man  ent- 
nehmen muß,  daß  der  Verfasser  seinen  Stoff  bis  in  alle 
Details  vollständig  beherrscht.  In  der  Würdigung  der 
plastischen  Dekoration  ist  in  der  farbigen  Tönung  die 
Restaurationswut  des  19.  Jalirhunderts  mit  ihrer  Vorliebe 
für  Gold  und  weiche  Wirkung  nicht  berücksichtigt,  da 
die  ursprüngliche  Hervorhebung  des  Stuck  aus  dem 
weißen  Grunde  nur  unbedeutende  Varianteir  aufwies. 
In  den  Registern  müssen  wir  die  Vollständigkeit  der 
Aufnahme  einer  lokalgeschichilich  sehr  zerstreuten  Lite- 
ratur anerkennen.  Einzig  Hiller:  »Au  im  Bregenzer- 
wald« wurde  übersehen,  die  fleißige  Jubiläumsschrift, 
der  wir  die  Tatsache  entnehmen,  daß  sich  daselbst  die 
Zunft  der  Maurer,  Zimmerleute  und  Steinhauer  bis  1865 
erhalten  hat.  Den  Schluß  der  Arbeit  bilden  56  Tafeln, 
in  denen  jedocli  leider  jeder  Grundriß  ausgeschlossen 
ist.  Nur  Innenräume  und  Außenansichten  nach  photo- 
graphischen Aufnahmen  begegnen  uns,  auf  welche  im 
Texte  hingewiesen  wird.  Für  den  wertvollen  Beitrag 
zur  schweizerischen  Kunstgeschichte  des  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts sind  wir  F.  Gj'si  aufrichtig  dankbar.  Die  künf- 
tige Forschung  findet  hier  ein  reiches  Material  in  über- 
sichthcher  Anordnung,  eine  Frucht  ernster  Studien  und 
mühevoller  Arbeit.  Dr.  .\do!f  Fäh 

Konstantin  der  Große  und  seine  Zeit.  Ge- 
sammelte Studien.  In  Verbindung  mit  Freunden  des 
deutschen  Campo  Santo  in  Rom  herausgegeben  von 
Dr.  Franz  Jos.  Dölger.  Mit  22  Tafeln  und  7  Abbil- 
dungen im  Text.   (XIX.  Supplementheft  der  Römischen 


Quartalschrift).  Lex.  8°.  XII   und  448  Seiten.    Freiburg 
191 3.  Herderschc  Verlagshandlung.  M.  20. — . 

Das  vorliegende  Buch  verdankt  seine  Entstehung 
zwei  festlichen  Veranlassungen:  einer  wehgeschicht- 
lichen, dem  Konstantins-Jubiläum  1913,  und  einer 
privaten,  dem  goldenen  Priesterjubiläum  des  Rektors 
des  deutschen  Campo  Santo  in  Rom,  Mgr.  Dr.  A.  de 
Waal  (11.  Oktober  1912).  Diesen  beiden  Anlässen 
entsprechend  zeigt  sich  das  Buch  inhaltlich  als  Be- 
trachtung der  Person  und  der  Zeit  jenes  Kaisers,  wel- 
chem die  christliche  Kirche  ihre  staatliche  Anerkennung 
verdankt;  in  der  Art  der  Behandlung  dieses  umfassen- 
den Themas  erweist  es  sich  als  Leistung  von  Reich- 
haltigkeit und  wissenschaftlicher  Strenge.  Nicht  aus 
einer  Feder  stammt  der  Text,  sondern  er  ist  die  Zu- 
sammenstellung von  19  Einzelstudien,  deren  Verfasser 
zu  dem  Campo  .Santo  und  seinem  hochverdienten 
Rektor  in  engeren  Beziehungen  stehen.  Die  Heraus- 
gabe besorgte  Dr.  F.  J.  Dölger,  Professor  für  allgemeine 
Religionsgeschichte  und  vergleichende  Religionswissen- 
schaft an  der  Universität  Münster  i.  W. ;  von  ihm  ist 
die  letzte  der  19  Studien,  behandelnd  »Die  Taufe  Kon- 
stantins und  ihre  Probleme«.  Die  Absicht  war-,  die  Pei'- 
sönlichkeit  Konstantins  aus  der  religiösen  Bewegung 
der  Zeit  zu  erklären.  Dazu  waren  Untersuchungen  ge- 
schichtlicher wie  kunstgeschichtlicher  Art  notwendig. 
Bei  der  Vielheit  der  Verlasser,  die  durchaus  unabhängig 
von  einander  arbeiteten,  lag  nun  die  Gefahr  nahe,  daß 
eine  Zersplitterung  der  allgemeinen  Auffassung  eintreten 
könnte.  Umsomehr  darf  man  Anerkennung  dafür  zol- 
len, daß  trotzdem  ein  einheitliches  Bild  erreicht  worden 
ist,  und  man  kann  diese  Tatsache  als  bedeutsames  Zei- 
chen dafür  ansehen,  in  wieweitgehender  Art  sich  die 
Auffassungen  über  die  Persönlichkeit  Konstantins  ab- 
geklärt haben.  —  Von  den  Studien  geschichtlichen  In- 
teresses erwähne  ich  außer  der  Dölgerschen  eine  von 
E.  Krebs  über  »Die  Religionen  im  Römerreiche  zu  Be- 
ginn des  4.  Jahrhunderts;  eine  über  »Das  Toleranz- 
reskript  313«  von  J.  Wittig;  die  andern  historischen 
Beiträge  sind  von  A.  Müller,  F.  Bulicz,  J.  M.  Pfättisch, 
A.  Wikenhauser,  K.  von  Landmann,  J.  P.  Kirsch.  — 
Wir  haben  unsere  Aufmerksamkeit  hier  vor  allem  den 
kunstgfschichtlichen  Beiträgen  zuzuwenden.  Sie  be- 
ginnen mit  einer  Untersuchung  von  E.  Becker  über  den 
»Protest  gegen  den  Kaiserkult  und  die  Verherrlichung 
des  Sieges  am  Pons  Milvius  in  der  altchristlichen  Kunst 
der  konstantinischen  Zeit«.  Hingewiesen  wird  auf  den 
Einfluß,  welchen  gerade  die  Ablehnung  der  den  Impe- 
ratoren gezollten  göttlichefi  Verehrung  auf  das  Schick- 
sal der  ersten  Christen  übte,  die  hierdurch  in  Menge 
zum  Martyrium  gelangten.  Typologische  Vorbilder  fand 
die  altchristhche  Kunst  in  den  Nebukadnezar-  und  He- 
rodes-Szenen  der  heiligen  Schriften ;  sie  stellte  jene 
auf  Sarkophagen,  Lampen  und  Goldgläsern  dar.  Diesem, 
wie  den  übrigen  kunstv/issenschaftlichen  Aufsätzen  des 
Buches  dienen  gut  ausgeführte  Abbildungen  zur  Er- 
läuterung. In  dem  zweiten  Aufsatze  schildert  J.  Leuf- 
kens  den  »Triumphbogen  Konstantins«  nach  seinen 
Hauptzügen.  Zu  erinnern  wäre  die  Einzelheit,  daß 
im  Colosseum  Christen  als  Märtyrer  niclit  geendigt 
sind.  A.  Baumstark  betrachtet  »Konstantiniana  aus  sy- 
rischer Kunst  und  Liturgie«.  Befinden  sich  doch  gerade 
in  Syrien  bedeutungsvollste  Denkn^äler  syrischer  Kunst, 
die  mit  dem  Namen  jenes  Kaisers  verknüpft  sind.  Die 
Frage,  wie  die  Liturgie  und  Kunst  gerade  jener  Gegend 
das  Andenken  des  Kaisers  in  Ehren  gehaUen  habe, 
wird  erörtert  an  der  Federzeichnung  eines  jakobitischen 
Homiliars  und  der  mutmaßlichen  Apsismosaik  der  kon- 
stantinischen Martyrions-Basilika  zu  Jerusalem,  am  Kon-- 
stantinszyklus  eines  illustrierten  nestorianischen  Evan- 
geliars und  am  Kirchengesangbuch  des  Severus  von 
Antiochia.    Wie   »Konstantin  der  Große  und  die  hl.  He- 


BÜCHERSCHAU. 


DER  PIONIER 


lena  in  der  Kunst  des  chrisilichen  Orients«  gemeinsam 
dargestellt  worden  sind,  schildert  nach  sehr  merkwür- 
digen Denkmälern  eigenen  Besitzes  Johann  Georg,  Her- 
zog zu  Sachsen.  F.  Witte  unterzieht  »Die  Kolossal- 
statue Konstantins  des  Großen  in  der  Vorhalle  von 
S.  Giovanni  in  Laterano«  einer  genauen  Betraclitung. 
Er  kommt  zu  dem  Ergebnisse,  das  Werk  etwa  auf  das 
Jahr  520  zu  datieren;  höchstwahrscheinlich  ist  ihm,  daß 
die  Statue  ein  getreues  Porträt  des  Kaisers  sei,  während 
sie  stilistisch  ihm  als  ein  Denkmal  jener  »verfallenden, 
verfaulenden«  Römerkunst  erscheint,  »die  nur  einem 
dekadenten,  entnervten  Volke  eigen  sein  konnte.«  Eine 
Studie  von  H.  Swoboda  prüft,  in  welchem  Verhältnisse 
das  »Bronzemonogramm  Christi  aus  Aquileja«  zu  dem 
Original-Labarum  stehe  und  kommt  zu  dem  Ergebnis, 
daß  das  durch  einen  glücklichen  Umstand  erhalten  ge- 
bliebene Stück  kein  Legionslabarum  gewesen  sei,  und 
dem  leider  verschollenen  Urbilde  sehr  nahe  stehe,  wenn 
es  ihm  auch  nicht  unmittelbar  gleiche.  J.  Wilpeit  be- 
schreibt und  untersucht  »Die  Malereien  der  Grabkam- 
mer des  Trebius  Justus  aus  dem  Ende  der  konslanti- 
nischen  Zeit«.  Die  künstlerisch  höchst  beachtenswerten, 
gegenständlich  einzigartigen  Fresken  wurden  1910  in 
einem  Cömeterium  an  der  Via  Latina  entdeckt.  Die 
Zugehörigkeit  der  dargestellten  Personen  zu  einer  christ- 
lichen häretischen  Sekte  deutet  Wilpert  an,  und  eine 
italienisch  geschriebene  Studie  von  0.  Marucchi  gelangt 
dazu,  für  diese  Sekte  ägyptische  Herkunft  nachzuweisen. 
M.  Schwarz  bietet  eine  entwicklungsgeschichtliche  Studie 
über  »Das  Stilprinzip  der  altchristhchen  Architektur«. 
Die  Eigenart  der  Ursprünge  des  altchristhchen  Baustils 
wird  an  den  römischen  Denkmälern  untersucht  und  als 
Ergebnis  festgesteUt,  daß  hier  nicht  der  Geist  des  Chri- 
stentums einen  neuen  Stil  geschaffen  habe,  sondern 
daß  dies  durch  Künstler  erfolgt  sei,  welche  befähigt 
waren,  »in  der  handwerklichen  Errungenschaft  des  Ge- 
wölbebaus, der  Arkade  und  dem  Rundbogenfenster  ein 
Stilprinzip  für  die  Durchbildung  der  flächenhaft  ver- 
laufenden Mauer«  zu  erkennen  und  auszunützen.  Ein 
Standpunkt,  dem  man  mit  Einschränkung  zu  gunsten 
des  Christentums  sich  anschließen  darf.  Endlich  spricht 
J.  Strzygowski  weitblickend  von  der  »Bedeutung  der 
Gründung  Konstantinopels  für  die  Entwicklung  der 
christlichen  Kunst«.  Unsere  notgedrungen  ganz  kurzen 
Angaben  müssen  genügen.  Sie  dürften  von  der  Viel- 
seitigkeit wertvoller  Anregungen  und  Belehrungen, 
welche  das  Buch  als  eine  in  Wahrheit  würdige  Fest- 
gabe über  alle  Zweige  der  konstantinischen  bildenden 
Kunst  des  Occidents  und  Orients  bietet,  eine  Vorstel- 
lung   geben.  Doerlng 

Weber,  G.  Anton,  Dürers  Schriftlicher  Nachlaß 
in  Übersetzung  und  mit  Erklärungen.  Regensburg  und 
Rom  1912.  Verlag  von  Friedrich  Pustet.  8°,  220  Seiten, 
brosch.  M.  3. — ,  in  Leinwandband  M.  4. — . 

Der  schriftstellernde  Künstler  gehört  der  Neuzeit  an. 
Es  erklärt  sich  dies  wohl  vielfach  daraus,  daß  viele  der  mo- 
dernsten Werke  der  schriftlichen  Erläuterung  bedürfen: 
»Was  hat  sich  der  Künstler  gedacht?«  Für  die  Auffas- 
sung, die  Künstler  schlechthin  vom  Schreiben  haben, 
sei  auf  die  Aussprüche  zweier  bedeutender  Münchner 
Künstler,  darunter  des  Präsidenten  und  Führers  einer 
großen  Künstlergruppe,  hingewiesen.  Der  eine,  der 
den  glanzvollen  Namen  einer  alten  Künstlerfamilic  hoch- 
hält, sagte  mir;  Zum  Schreiben  habe  ich  keine  Zeit. 
Und  was  von  mir  schriftlich  vorhanden  ist,  bleibt  in 
meinem  Schreibtisch  bis  nacli  meinem  Tode.  Der 
andere  bat  mich,  nach  seinem  Diktat  seine  Lebensbe- 
■schreibung  aufzuzeichnen,  seine  Finger  seien  des  Schrei- 
bens so  ungewohnt.  —  In  der  Tat,  wenn  der  Künstler 
seiner  Mitwelt   was  zu  sagen    hat,    greift   er  zu  Pinsel 


und  Palette,  zu  Meißel  und  Hammer  und  doch  hat  es 
lange  vor  den  »protestierenden«  und  reklamebedürfti- 
gcn  Künstlern  der  Neuzeit  zu  allen  Zeiten  Künstler  ge- 
geben, die  es  zum  Schreiben  drängte,  sei  es  um  Er- 
fahrungen, die  sie  bei  langjähriger  Kunstausübung  ge- 
sammelt hatten,  niederzulegen,  sei  es  um  Erklärungen 
zu  Bildern  zu  geben.  Mit  welcher  Scheu  dies  oft  ge- 
schah, dafür  ist  Lionardo  da  Vinci  der  beste  Beweis, 
der  bekanntlich  seine  Geheimnisse  durch  die  Spiegel- 
schrift zu  verhe'mlichen  suchte.  Den  »gedruckten« 
Künstler  finden  wir  infolgedessen  selten.  Zu  den  Künst- 
lern, die  noch  zu  Lebzeiten  einen  Verleger  suchten  und 
fanden,  gehört  Albrecht  Dürer.")  Drängte  es  den  Künst- 
ler, in  diesen  Werken  seine  gesammelten  Erfahrungen 
zu  Nutz  und  Frommen  der  deutschen  Kunst  kom- 
menden Künstlergeschlechtern  mitzuteilen,  so  hat  er 
uns  auch  Schriftliches  hinterlassen,  von  dem  wir  an- 
nehmen dürfen,  daß  es  nicht  für  die  Öffentlichkeit  be- 
stimmt war.  Es  ist  der  sogenannte  schriftliche  Nach- 
laß Dürers,  den  1893  K.  Lange  und  F.  Fuße  in  Halle 
herausgaben  und  der  jetzt  abermals  von  dem  Verfasser 
der  Lebensbeschreibung  Dürers  G.  A.  Weber  in  unsere 
heutige  Sprache  übertragen  und  mit  wertvollen  Anmer- 
kungen versehen,  vorliegt.  Die  Einleitung  bildet  Dürers 
Familienchronik,  die  mit  den  Nachrichten  über 
seinen  Vater  beginnen,  die  er  vier  Jahre  vor  seinem 
Toäe  aus  dessen  Schriften  niederschrieb.  Die  .\nhäng- 
lichkeit  an  seine  Eltern,  die  in  großer  Gottesfurcht  der 
großen  Familie  vorstanden,  spricht  sich  auch  aus  dem 
Gedenkbuch  aus,  das  uns  außerdem  noch  von  wirt- 
schaftlichen Sorgen  des  Künstlers  erzälilt,  von  denen 
auch  in  den  Briefen,  so  im  Neujahrsglückwunschbrief 
an  Willibald  Pirkheimer  die  Rede  ist.  Die  Briefe  aus 
Italien  sprechen  davon,  daß  dem  deutschen  Meister  die 
iialienischen  Maler  sehr  abhold  waren.  Gelegentlich 
beschwert  sich  Dürer,  daß  ihm  die  Italiener  seine  Kup- 
ferstiche und  Holzschnitte,  von  deren  \'erkauf  er  lebte, 
nachmachten.  Auch  sonst  zeigen  uns  die  Briefe,  daß 
das  Leben  Dürers  nicht  frei  war  von  den  kleinlichen 
Sorgen,  die  einen  Künstler  meist  bis  zum  Ende  dieses 
Lebens  begleiten.  Sie  v/erfen  auch  charakteristische 
Schlaglichter  auf  des  Künstlers  Schaffen.  Interessant 
ist  namentlich  auch  die  technische  Seite.  In  den  Ge- 
dichten, die  in  die  Jahre  1509  und  10  fallen  und 
denen  in  ihrer  mangelhaften  Form  und  in  den  gequäl- 
ten Reimen  kein  literarisch-ästhetischer  Wert  zukommt, 
tritt  uns  ein  tiefes  religiöses  Gefühl  (namentlich  in  den 
7  Tagzeiten)  entgegen.  Von  besonderem  Wert  für  die 
Beurteilung  des  Entwicklungsganges  ist  das  Tagebuch 
der  Reise  in  die  Niederlande,  während  die  Auf- 
zeichnungen verschiedenen  Inhalts  wertvolle, 
allerdings  bereits  von  der  Kunstgeschichte  benutzte  Auf- 
klärungen über  Gemälde  und  Zeichnungen  geben.  Et- 
was Übel  flüssig  erscheint  bei  der  besprochenen  Neu- 
ausgabe von  Dürers  schriftUchem  Nachlaß  der  Anhang 
mit  Auszügen  aus  den  gedruckten  Lehrschriften.  Wer 
diese  heute  noch  benötigt,  wird  zu  einer  Gesamtaus- 
gabe greifen  müssen.  w.  /il' 

DER  PIONIER 

Monatsblätter  für  christliche  Kunst,  praktische  Kunst- 
fragen und  kirchliches  Kunsthandwerk.  Gesellschaft  für 
Christi.  Kunst,  München,  Karlstr.  6.  —  Preis  des  voll- 
ständigen Jahrgangs  M  3.—,  portofrei  M  3.60.  —  Reich 
illustriert.  Format  der  vorliegenden  Zeitschrift,  zu  welcher 
der  Pionier  eine  Ergänzung  bildet. 

>)  1525    Unterweisung    der    Messune    mit    Zirkel    und    Richtscheit, 

1527  Unterricht    zur  Befestigung    der    Städte,    Schlösser    und    Flecken, 

1528  Vier  Bücher  von  menschlicher  Proportion. 


:  3) ;  Verlag  der  Gesellschaft  für  christliche  Kunst,  Gn 
-  Sämtliche  in  Miincben. 


BEILAGE 


GRABMAL  V.  ORTERER.  —  WERKE  VON  G.  BUSCH 


DAS  GRABMAL  DER  FAMILIE 
VON  ORTERER 

(Zu  den  Abbildungen  S.  208  und  209) 

P)as  hier  in  Rede  stehende  Werk  ist  im  Aprilhefte 
des  gegenwärtigen  Jahrganges  dieser  Zeitsclirift  ab- 
gebildet. Seine  Eigenschaften  rechtfeitigen  eine  ge- 
nauere Betrachtung.  Zwei  bewährte  Künstler,  der 
Architel<t  Professor  Fuchsenberger  und  der  Bildhauer 
Heinrich  Uberbacher,  haben  sich  vereinigt,  um  dieses 
Kunstwerk  zu  scharten,  das  1914  seinen  Platz  auf  dem 
Münchener  Ostfriedhofe  erhalten  hat.  Es  ist  drei  Meter 
hoch  und  besteht  aus  Untersberger  Marmor.  Formen- 
empfmdung  der  Antike  vereinigt  sich  in  diesem  Grab- 
mal mit  Gedankeiiinhalt  des  Christentums.  Die  Gestalt 
ist  die  der  altgriechischen  Stelen,  zeigt  mithin  eine 
hochrechteckige  Steintafel,  die  mit  einem  Giebeldreieck 
bekrönt  ist.  Der  formale  Unterschied  gegen  jene  Grab- 
raäler  des  Altertums  besteht  wesentlich  in  dem  größe- 
ren Maßstabe  des  neuen  Werkes,  ferner  darin,  daß  die 
ganze  Hälfte  des  Steines  der  Inschrift  vorbelialten  ist,  die 
bei  den  antiken  Denkmälern  allerkürzeste  Fassung  zeigt 
und  nebenlier  angebracht  wird;  endlich  darin,  daß  die 
Bildfläche  zum  Teil  in  den  Stein  vertieft  ist,  eine  Nische 
darin  bildet.  Der  Architekt  behandelte  den  oberen 
Teil  des  Grabmales  kapellenartig:  zwei  Pfeiler  tragen 
scheinbar  den  Giebel,  die  Mittelpartie  wurde  zurückge- 
schoben. Dem  Bildhauer  blielj  die  Ausschmückung 
der  kraftvoll  gegliederten  Fläche  überlassen,  die  von 
vornherein  mit  starker  Licht-  und  Schattenwirkung  be- 
gabt war.  Die  drei  Flächen  mit  ihren  Reliefs  fügen 
sich  ähnlich  einem  Altartriptychon  zusammen :  ein  Mit- 
telbild mit  szenischer  Darstellung,  zwei  Flügel  mit  je 
einer  Einzelfigur.  Das  Mittelrelief  zeigt  die  Beweinung 
Christi.  Stille  Trauer  waltet  in  der  Gruppe,  tief  in 
sich  gekehrte  Empfindung,  die  sich  nicht  durch  laute 
und  heftige  Bewegung  Luft  zu  machen  sucht.  Dem- 
entsprechend zeigen  die  Antlitze  der  Personen  den  Aus- 
druck frommen  Nachsinnens  über  das  große  Geheimnis 
des  Todes,  dem  der  Stachel  genommen  ist.  In  der 
Behandlung  des  Christusaktes,  der  Flächen,  der  Gewand- 
falten usw.,  auch  des  Hintergrundes,  klingt  dieser 
Grundgedanke  der  Zurückhaltung  und  des  Ausschlusses 
alles  Irdischen  und  Kleinlichen  nach.  Die  Seitenflächen 
zeigen  in  sanflen  Vertiefungen  die  Relieffiguren  der 
beiden  Namenspatrone  des  von  Ortererschen  Ehepaares, 
den  hl.  Georg  und  die  hl.  Rosa  von  Lima  —  beide 
aufrecht  stehend  und  auf  die  Art  kräftige  lineare  Gegen- 
sätze gegen  die  unter  dem  starken  Einfluß  der  Hori- 
zontale des  Christuskörpers  stehende  Mittelgruppe.  Der 
ornamentale  Schmuck  des  Grabmals  beschränkt  sich 
fast  nur  auf  umrahmende  und  abgrenzende  Eier-,  Perl- 
und  Blätterstäbe.  Doering 


WERKE  VON  GEORG  BUSCH  AUS  DEN 
LETZTEN  JAHREN 

Tn  den  Ausstellungsräumen  der  Gesellschaft  für  christ- 
liche Kunst  waren  kurze  Zeit  vier  neue  Werke  von 
Professor  Georg  Busch  zu  sehen,  zwei  größere  kirch- 
liche dekorative  Skulpturen,  eine  Statuette  und  eine 
Porträtbüste. 

Die  letztere  stellt  den  Bischof  von  Regensburg,  Ex- 
zellenz Dr.  Antonius  von  Henle,  dar.  Das  für  eine  An- 
stalt ausgeführte  Werk  ist  aus  edlem  Laaser  Marmor 
gemeißelt.  In  den  Zügen  des  Bischofes  spricht  sich 
Güte  und  Strenge,  Milde  und  Ernst  aus,  man  begreift 
die  Begeisterung,  Teilnahme  und  Tatkraft,  welche  er 
den  realen  wie  den  idealen  Dingen  der  Welt  und 
Überwelt  zuwendet. 

Die  christliche  Kunst.    XII.     9.    i.  Juni  1916 


Für  den  Prinzen  Johann  Georg  von  Sachsen  hat 
Busch  eine  etwa  zwei  Drittel  Meter  hohe  Statuette  des 
hl.  Johannes  Nepomuk  in  Holz  geschnitzt.  Der  in  ganzer 
Figur  dargestellte  Heilige  steht  in  jener  ruhigen,  mit 
nur  leiser  Bewegung  viel  sagenden  Haltung  da,  welche 
auch  anderen  derartigen  Werken  Georg  Busch's  das 
Interesse  sichert.  Die  Joliannesstatuette  zeigt  den 
Heiligen  in  priesterlichem  Chorgewande.  Mit  leise  ge- 
senktem Haupte,  die  Augen  zu  Boden  gerichtet,  drückt 
er  mit  beiden  Händen  ein  schlichtes  Kreuz  an  seine 
Brust.  Wir  sehen,  daß  er  in  Treue  zum  Kreuze  das 
Martyrium  auf  sich  nimmt,  um  das  Geheimnis  der 
hl.  Beichte  zu  wahren.  Die  Schnitzerei  geht  in  Einzel- 
heiten ein,  ohne  doch  in  Kleinlichkeit  zu  verfallen. 
Mit  feiner  Kunst  der  Oberflächenbehandlung  sind  die 
Stofte  geschildert.  Färbung  ist  erfolgt,  aber  in  so  zu- 
rücklialtender  Weise,  daß  trotzdem  das  Holz  seine  na- 
türliche Schönheit  fast  durchweg  zur  Geltung  bringt. 
Die  Statuette  steht  auf  einer  dunklen  hölzernen  Säule; 
ihr  Kapital  ladet  breit  aus  und  bildet  eine  auf  drei 
Bögen  ruhende  Brücke.  Zur  Andeutung  der  Legende 
dient  der  über  dem  Wasser  schwebende  goldene  Hei- 
ligenschein mit  den  fünf  Sternen. 

Die  größeren  Skulpturen  —  beide  sind  polychro- 
mierte  Holzschnitzereien  —  sind  Stiftungen  für  die 
Pl'arrkirche  zu  Weilheim,  die  eine  ist  als  Votivgabe  um 
die  glückliche  Rückkehr  eines  Kriegers  bestimmt.  Dies 
^\'erk  ist  eine  Herz  Jesu-Statue,  bei  welcher  Busch  den 
Gedanken  gestaltet  hat,  den  Heiland  als  Friedensfürsten 
zu  verherrlichen.  Die  Verkörperung  der  Idee  ist  neu- 
artig, das  Motiv  der  Figur  mit  dem  des  großen  Zeit- 
ereignisses verschmolzen  und  in  Form  und  Vortrag  zum 
Ausdrucke  gebracht.  —  Die  Pfarrkirche  von  Weilheim 
ist  ein  Renaissancebau,  verwandt  der  Münchener  Micliaels- 
kirche,  die  Ausstattung  barock.  Dem  entsprechend  hat 
Busch  für  die  Herz-Jesu  Figur  und  auch  für  die  andere, 
ein  Schutzmantelbild,  freie  Anlehnung  an  den  Barock- 
stil gewählt.  Doch  betrifft  dies  wesentlich  nur  die 
dekorativen  und  ornamentalen  Elemente,  einschließlich 
der  Bemalung.  Die  Figuren  zeigen  schlichte,  leicht 
bewegte  Haltung,  Maria  breitet  mit  beiden  Armen  den 
schützenden  Maritel  aus,  Jesus  hält  mit  der  rechten  Hand 
die  Falten  des  Übergewandes  zusammen,  so  daß  über 
der  Brust  das  von  Strahlen  umflossene  Herz  sichtbar 
wird,  mit  der  Linken  hebt  er  den  friedenverkündenden 
Ölzweig  empor.  Maria  zeigt  den  blauen  Sternenmantel 
und  ein  weißes  Unterkleid,  geschmückt  mit  dem  alten, 
sinnvollen  Motive  goldener  Ähren.  Die  starke  dekora- 
tive Wirkung  beider  Skulpturen  erhöht  ihr  Hintergrund, 
der  aus  goldenen  Strahlen  besteht.  Diese  sieht  man 
beim  Schutzmantelbilde  durchzogen  von  einem  Kreise 
silbernen  Gewölkes;  aus  ihm  schauen  zw'ölf  geflügelte 
Engelköpfchen  auf  die  Madonna  hin,  welche  auf  diese 
Art  festlich  eingerahmt  wird. 

Diesen  Werken  schheßen  sich  zwei  an,  welche  im 
März  1916  zur  Ausführung  gelangt  sind.  Das  eine  ist 
die  große  Gruppe  des  hl.  Heinrich  II.  mit  seiner  Ge- 
mahlin, der  hl.  Kunigunde.  Im  Modell  ist  die  Arbeit 
schon  seit  191 5  vollendet;  Beschreibung  und  Abbildung 
konnten  daher  bereits  in  meinem  Buche  über  Georg 
Busch  gegeben  werden.  Die  beiden  Heiligen  thronen, 
lebensgroß  dargestellt,  nebeneinander;  Heinrich  in 
ernstem  Selbstbewußtsein  und  erfüllt  von  der  Bedeutung 
seiner  Aufgabe  als  Stifter  des  Bamberger  Bistums ; 
Kunigunde  blickt,  an  ihn  sich  schmiegend,  voll  inniger 
Frömmigkeit  zum  Himmel  empor.  Für  den  Kopf  des 
Kaisers  hat  jener  der  berühmten  frühgotischen  Statue 
an  der  Adamspforte  des  Bamberger  Domes  den  Leit- 
gedanken hergegeben,  das  Antlitj  der  Kaiserin  ist  frei 
erfunden  und  von  vergeistigter  Schönheit.  Bestimmt 
ist  das  eindrucksvolle  Altarwerk  für  die  neue  St.  Otto- 
kirche zu  Bamberg.    Sie  kann  sich,  falls  die  Grundsätze 


WERKE  VON  K.  SCHLEIBNER  UND  L.  THOMA 


für  ihre  Ausschmückung  weiterhin  die  gleichen  bleiben, 
zu  einer  bemerkenswerten  Stätte  neuer  christHcher  Kunst 
entwickeln.  Besitzt  sie  doch  auch  schon  eine  marmorne 
Madonna  von  Balth.  Schmitt.  Ausgeführt  wurde  die 
von  Busch  geschaffene  Gruppe  in  rotem  Uniersberger  Mar- 
mor, dessen  Farbe  die  Gestalten  mit  warmem  Leben 
erfüllt.  Die  Gewänder  sind  poliert,  die  Gesichter 
leicht  gefärbt.  Polychrome  Behandlung  mit  reichlicher 
Verwendung  von  Gold  zeigen  die  Kronen,  sowie 
das  Kreuz,  welches  Kunigunde  in  den  Händen  hält. 
Zu  dem  Altarwerke  gehören  ferner  zwei  Reliefs;  das 
eine  zeigt  die  hl.  Kunigunde,  die  zum  Beweise  ihrer 
Unschuld  über  glühende  Pflugscharen  schreitet;  das 
andere  den  Tod  Heinrichs  und  seinen  Abschied  von 
der  jungfräulichen  Gemahlin.  Die  Gruppen  sind  streng 
und  trotzdem  lebensvoll  gezeichnet.  In  Material  und 
technischer  Behandlung  entsprechen  die  Rehefs  der 
Hauptgruppe.  —  Das  neueste  Werk  von  Georg  Busch 
ist  eine  Figur  des  hl.  Aloysius,  der  am  Betpulte  kniet. 
Sie  verdankt  ihre  Entstehung  dem  Wunsche  eines  Eltern- 
paares, dem  vor  dem  Feinde  gefallenen  Sohne  ein 
Zeichen  frommer  Erinnerung  zu  widmen.  Der  Be- 
stimmungsort der  Figur  ist  die  St.  josepliskirche  zu 
Spever;  dort  wird  sie  an  einem  der  Pfeiler  ihren  Platz 
finden.  Die  halblebensgroße  Figur  ist  aus  Holz  ge- 
schnitzt und,  ähnlich  wie  zuvor  beim  hl.  Johannes 
Nepomuk  beschrieben,  verschiedenartig  leicht  getönt. 
Die  Haltung  des  durcli  schöne  ruhige  Linie  ausgezeich- 
neten Werke.':,  das  Antlitz,  die  zusammengelegten,  sehr 
schön  gearbeiteten  Hände,  alles  ist  der  Ausdruck  tiefster, 
religiöser  Ergriffenheit.  Die  Figur  ruht  auf  einer  Kon- 
sole, die  vergoldet,  mit  stilisierten  Lilien  geschmückt 
und  mit  Inschriften  versehen  ist.  Doering 

ZWEI  NEUE  ALTARGEMÄLDE  FÜR 
ALTÖTTING 

p"ür  einen  Seitenaltar  der  St.  Anna-Basilika  von  Alt- 
ötting  hat  Prof.  Schleibner  ein  Gemälde  vollendet, 
während  er  an  dem  für  einen  anderen  dortigen  Altar 
bestimmten  Seitenstücke  dazu  noch  beschäftigt  ist.  Das 
letzte  Werk  gilt  der  Ehre  der  hl.  vierzehn  Nothelfer, 
die  sich  um  die  hl.  Jungfrau  scharen.  Die  Entwürfe 
sind  da,  die  Ausführung  des  Gemäldes  ist  begonnen. 
Als  Gegenstand  des  ersteren,  nunmehr  fertigen  Werkes, 
war  der  hl.  Rupertus  ausersehen,  die  Wahl  der  Dar- 
stellung aber  freigestellt.  Rupertus  lebte  am  Ende  des 
7.  Jahrhunderts  und  kam,  von  Herzog  Theodo  IL  her- 
beigerufen, um  696  nacli  Bayern.  Seine  Wirksamkeit 
galt  hier  besonders  dem  Stifte  Regensburg;  die  Über- 
lieferung schreibt  ihm  auch  die  Stiftung  der  Altöttinger 
Wallfahrt  zu.  Als  für  Bayern  besonders  folgenreiches, 
überdies  geschichtlich  beglaubigtes  Ereignis  aus  detn 
Leben  des  hl.  Rupert  erwählte  Prof.  Schleibner  die  zu 
Regensburg  vollzogene  Taufe  jenes  Herzogs  und  ver- 
band damit  eine  Hindeutung  auf  die  legendenhafte  Wall- 
fahrtstifiung  durch  Anbringung  des  Gnadenbildes,  das 
von  über  der  Taufszene  schwebenden  Engeln  getragen 
wird.  Die  Taufe  erfolgt  innerhalb  einer  Taufkapelle. 
Vor  dem  Halbrund  des  Bauwerkes  steht  auf  Stufen  der 
steinerne  Taufkessel.  Vorn  kniet  der  Herzog  mit  ent- 
blößtem Oberkörper,  indem  er  seinen  Mantel  mit  dem 
rechten  Arm  am  Hinuntersinken  hindert.  In  demütiger 
Haltung  und  doch  mit  fürstlicher  Hoheit  empfängt  er 
den  Guß  des  Taufwassers,  das  der  hl.  Bischof  aus  einer 
flachen  Schale  über  das  Haupt  des  Herzogs  ausschüttet. 
Mehrere  geistliche  und  weltliche  Würdenträger  wohnen 
der  hl.  Handlung  als  Zeugen  bei.  Außer  einem  ideal 
aufgefaßten  greisen  Könige  sieht  man  mehrere  bildnis- 
ähnlich geschilderte  Personen,  unter  ihnen  den  Regensbur- 
ger Bischof  von  Senestrej-.    Von  zwei  anderen  hält  der  eine 


ein  prächtiges  Vortragkreuz,  ein  anderer  eine  Fahne 
Das  Vorbild  der  letzteren  befindet  sich  im  Münchener 
Armeemuseum ;  sie  ist  mit  dem  Wappen  der  bayeri- 
schen Herzöge  und  dem  darüber  schwebenden  Auge 
Gottes  geschmückt.  Ein  ganz  vorn  rechts  knieender 
Page  hält  das  Schwert  Theodos.  Die  Charakterisierung 
der  Personen  ist  bei  den  frei  gestalteten  tief  und  feier- 
lich, naturgemäß  individuell  bei  den  bildnisähnlichen; 
beides  schließt  sich  zwanglos  zusammen,  und  das  Ge- 
mälde zeigt  sich  dadurch  mit  Idealismus  und  Lebens- 
echtheit zugleich  erfüllt.  Sehr  anmutig  sind  die  Gestal- 
ten der  schwebenden  Engel.  Die  Komposition  ist  klar 
und  einfach,  die  größte  Kraft  der  Formen  und  Farben 
auf  den  unteren  Teil  des  Bildes,  die  Leichtigkeit  und 
Anmut  auf  den  oberen  gelegt.  Mit  den  Einzelheiten 
schaltete  der  Künstler  mit  Recht  nach  freier  Eingebung. 
Die  Farben  sind  voll  Leuchtkraft  und  Fülle,  besonders 
schön  das  herrliche  Blau  des  Herzogsmantels.  Die  Wahl 
der  Technik  —  Tempera  mit  Öl  —  war  der  farbigen 
Wirkung  besonders  förderlich. 


Tm  Asamsaale  zu  München  war  vom  25.  —  31.  März 
die  große  Malerei  ausgestellt,  welche  seither  den 
Hochaltar  der  St.  Anna-Basilika  zu  Altötiing  schmückt. 
Das  Wirken  des  Künstlers,  Leonhard  Thoma,  ist 
den  Lesern  der  >Christlichen  Kunst«  im  Jahrgang  1915 
vorgefülirt  worden,  eins  seiner  Werke  findet  sich  auch 
in  der  Jahresmappe  191 5  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  christliche  Kunst  beschrieben  und  abgebildet.  Die 
neueste  Schöpfung  des  Künstlers  schließt  sich  seinen 
früheren,  von  denen  in  der  Ausstellung  zahlreiche  Ab- 
bildungen und  Entwürfe  mit  zu  sehen  waren,  würdig 
an.  Der  Altöttinger  Hochaltar  gilt  der  Ehre  der  Schutz- 
patronin der  Kirche  St.  Anna.  In  der  Anordnung  lehnt 
er  sich  an  die  großen  Altarwerke  des  Barock  an:  ein 
Aufbau  mit  drei  übereinander  befindlichen  .Abteilungen. 
Zu  Unterst  das  gewaltige  Hauptbild,  darüber  ein  kleine- 
res, zu  oberst  eine  Schnitzerei,  die  gegenständlich  zu 
den  zwei  Gemälden  gehört.  Im  Hauptbilde  sieht  man 
die  hl.  Anna  mit  der  jugendlichen  Maria.  Auf  einem 
marmornen  Sockel  sitzt  die  erstere,  an  ihrer  linken 
Seite  steht  Maria.  Diese  schaut  voll  Güte  und  Liebe 
zu  zwei  Gruppen  von  Personen  hernieder,  die  sich 
rechts  und  links  von  dem  Sockel  versammelt  haben. 
Die  Gruppe  rechts  von  ihr  zeigt  den  im  vollen  Schmucke 
seines  heiligen  Amtes  knienden  Papst  Pius  X.;  er  hält 
die  Urkunde  in  der  Hand,  in  welcher  er  der  Kirche 
St.  Anna  den  Charakter  der  Basilika  verliehen  hat.  Das 
Modell  der  Kirche  steht  vor  ilmi  am  Boden.  Neben 
dem  Papste  ragt  die  erhabene  Gestalt  des  Prinzregenten 
Luitpold  als  Stifter  des  Altöttinger  Altares,  ihm  zur  Seite 
der  allzu  früh  verstorbene  junge  Prinz  Luitpold.  Ganz 
rechts  erscheint  ein  Kapuziner.  Die  Gruppe  links  von 
Maria  zeigt  eine  Anzahl  von  Wallfahrern.  Sehr  schön 
ist  eine  Mutter  mit  ihrer  kranken  Tochter;  ein  Krieger 
in  feldgrauer  Uniform  und  eine  hinter  ihm  stehende 
junge  Witwe  deuten  auf  die  Entstehungszeit  der  Ma- 
lerei. An  dem  Sockel  sieht  man  die  als  Relief  gemalte 
Bundeslade,  das  Symbol  der  Unbefleckten  Empfängnis. 
—  Zur  Rechten  der  beiden  Mittelfiguren  steht  neben 
einer  Säulenarchitektur  St.  Joseph.  Der  andächtige  Blick 
der  hl.  Anna  geht  zum  Himmel  hinauf,  von  welchem 
Engel  herniederschweben  und  Blumen  streuen,  und  wo 
die  allerheiligste  Dreifaltigkeit  in  Majestät  wohnt.  Ihre 
drei  Personen  sind  in  beiden  oberen  Abteilungen  des 
.'Mtares  verteilt,  in  der  Weise,  daß  Gottvater  und  Jesus 
gemalt  das  obere  Bildfeld  einnehmen ,  während  die 
Taube  ganz  oben  in  Schnitzerei  ausgefülirt  ist.  Die 
Farben  des  mächtigen  Werkes  sind  voll  Kraft  und  Fülle, 
und  geeignet,  in  der  Kirche  vorzügliche  dekorative  Wir- 
kung zu   tun.     Gehoben   wird   diese   durch   den   archi- 


ZUR  PHOTOGRAMMETRIE. 


AUSSTELLUNGEN  WIESBADEN  UND  BADEN  15ADEN 


tektonisclien  Aufbau  und  die  Einrahmung  der  Bilder, 
aus  welcher  das  bayerische  Königswappen  bedeutungs- 
voll hervortritt.  Doerins 


EIN  NEUES   PHOTOGRAMMETRISCHES 
VERFAHREN 

Tm  Verlage  F.  C.  W.  Vogel,  Leipzig,  ist  soeben  ein  neues 

Werk  (Photogranimetrie  ohne  Spezialkamera,  26  Abb., 
2  Beilg.  Preis  3  Markl  des  bekannten  Polizeifachmannes 
Dr.  Heindl  erschienen,  das  insbesondere  die  Aufmerk- 
samkeit aller  derer,  die  sich  mit  Denkmalpflege  befassen, 
erregen  muß.  Bislang  war  es  immer  nur  mit  großer 
Umrechnung  verknüpft,  aus  einer  Photographie  die  Län- 
gen- und  Höhenmaße  eines  Bauwerkes  oder  Innenrau- 
mes und  deren  Details  zu  bestimmen.  Ganz  genaue 
Maße  konnten  aber  nicht  festgestellt  werden.  In  vielen 
Fällen  ist  eine  Aufmessung  nicht  möglich,  sei  es,  daß 
man  infolge  der  Entfernung  nicht  mehr  nachmessen 
kann,  sei  es,  daß  eine  Berührung  des  Objektes  verboten 
oder  eine  Beschädigung  zu  fürchten  ist. 

Photogrammetrische  Aufnahmen,  die  vor  allem  für 
Archive  der  Denkmalpflege  notwendig  sind,  sind  schon 
im  18.  Jahrhundert  von  S.  H.  Lambert  (1728— 1777)  ver- 
sucht, aber  nicht  praktisch  ausgenutzt  worden.  Der  In- 
genieur Beautemps-Beaupre  war  der  erste,  der  bei  durch- 
geführten geometrischen  Aufnahmen  auf  einer  Weltreise 
(1791- — i793)perspektivischeBilder anwendete.  A.  Lausse- 
dat  brachte  1850  die  camera  lucida  von  Wellaston 
zur  Anwendung.  Spätere  Reisende  wie  der  Geonieter 
Dr.  Jordan  benutzten  immer  nocli  in  sehr  komplizierter 
Weise  gewöhnliche  Photographien.  Der  bekannte  Kri- 
minalist Bertillon  schlug  eine  Spezialmethode  für  poli- 
zeiliche Zwecke  vor.  Sein  hier  angewendetes  Ver- 
fahren der  photogrammetrischen  Aufnahmen  teilt  uns  erst- 
malig Dr.  Heindl  in  seiner  Broschüre  mit.  Bei  Bertillons 
Methode  werden  als  Maßstäbe  weiße  Papierstreifen  von 
1  m  Länge  und  5  — 10  cm  Breite,  auf  denen  die  Dezi- 
meter aufgezeichnet  sind,  mögUchst  zahlreich  an  den 
Wänden  des  aufzunehmenden  Raumes  angebracht.  Ein- 
fach ist  das  Verfahren  nicht  und  hat  den  Nachteil,  daß 
jene  Gegenstände,  die  nicht  gerade  zufällig  sicli  in  der 
Bildebene  eines  dieser  Zettel  befinden,  nicht  genau  ge- 
messen werden  können. 

Heindlbenötigt  nun  für  seine  Messungen  weiternichts, 
als  eine  quadratische  50  cm  große  Platte,  die  auf  dem 
Boden  gelegt  und  niitphotographiert  wird.  Die  Tafel 
enthält  am  unteren  Rande  eine  Zentiraetersl;ala.  Ferner 
ist  eine  Diagonale  aufgezeichnet  und  ein  Halbkreis  mit 
den  Graden  i  — 180.  Als  einzige  Regel  ist  zu  beachten: 
Die  Tafel  muß  so  gelegt  werden,  daß  sie  auf  der  Matt- 
scheibe und  dem  photographischen  Bild  wagrecht  er- 
scheint. 

An  Hand  einer  großen  Anzahl  von  Beispielen 
zeigt  uns  der  Verfasser,  wie  überaus  einfach  die  Be- 
rechnung der  Maße  und  Winkel  und  die  Umrechnung 
der  Ansicht  in  einen  Grundriß  ist.  In  einem  besonderen 
Abschnitt  sind  die  Beweise  zu  den  aufgestellten  Berech- 
nungen zusammengestellt.  Das  Buch  wird  sich  jeden- 
falls, obwohl  in  der  Hauptsache  für  Kriminalisten  ge- 
schrieben, unter  Architekten  und  Kunsthistorikern  viele 
Freunde  erwerben.  Robert  B.  Witte 

DIE  AUSSTELLUNGEN  ZU  WIESBADEN 
UND  BADEN-BADEN 

jV/rit   einer   angenehmen    Sachlichkeit   hat   Theodor 
Fischer  den  Neubau  des  Wiesbadener  Museums 
ausgestattet;   als   ein   edler  Zweckbau    steht   diese  Ver- 
bindung zweier  einfacher  Baublocks  durch  eine  Kuppel- 


halle in  der  mit  Luxusbauten  mehr  als  genug  geseg- 
neten Fremdenstadt.  Der  äußeren  Sachlichkeit  ent- 
spricht die  innere  Gliederung,  die  in  der  einen  Raum- 
hälfte die  Galerie,  in  der  andern  die  Ausstellungen 
moderner  Kunst  unterbringt.  Die  ziemlich  unbekannte, 
docli  mit  solidem  Geschmack  aus  der  Sammlung  Pa- 
gen stech  er,  der  des  Nassauischen  Kunstvereins  und 
der  Wiesbadener  Kunstgesellschaft  gebildete  Sammlung 
birgt  neben  einer  Repräsentation  der  Malkunst  des 
ig.  Jalirhunderts  und  verschiedenen  weniger  in  ihrer 
Einzelheit  bedeutenden,  als  eben  allgemeine  Begrifl'e 
vermittelnden  Werken  der  italienischen,  niederiändischen 
und  altdeutschen  Malerei  eine  kleine  Trübner-Samm- 
lung, die  wirklich  nicht  im  verborgenen  zu  blühen 
brauchte.  Diese  Sammlungen  allein  rechtfertigen  schon 
den  Bau  eines  Museums ;  hierzu  kam  das  Bedürfnis,  an 
diesem  Brennpunkt  des  Verkehrs  eine  Ausstellungs- 
und Kaufvermittlungsstelle  zu  unterhalten.  Daß  der 
Gedanke  fruchtbar  war,  beweist  die  überraschend  gute 
Verkaufszahl  der  Eröffnungs-Ausstellung. 

Diese  selbst  als  Richtunggeber  für  weitere  Veran- 
staltungen zu  nehmen,  geht  nicht  an,  weil  Kücksichten 
lokaler  Natur  manches  Durchschnittliche  zuließen.  Den 
Hauptraum  nehmen  die  älteren  Führer  der  Moderne 
ein:  Liebermann,  Corinth,  Slevogt.  Lieber- 
manns zur  Technik  gewordene  Flüchtigkeit  und  Co- 
rinths  ungebändigtes  Draufgängertum  verwischen  sich 
völlig  vor  der  nie  genug  zu  rühmenden  Malkultur 
Trübners;  ein  männlicher  Kopf  aus  den  siebziger 
Jahren  und  die  Bilder  von  Stift  Neuburg  geben  Auf- 
takt und  Ausklang  eines  respektablen  Stückes  deutscher 
Malkunst.  Bei  den  Münchnern  sind  die  Jugendillustra- 
toren gänzlich  vermieden  mit  Ausnahme  Weisger- 
bers.  Mit  Wehmut  steht  man  vor  dem  Ende  dieses 
Schaffens,  das  kein  Abschluß  hatte  werden  sollen.  Der 
kühne  Illustrator  stand  eben  im  Anfang  einer  Monu- 
mentalität, von  der  diese  groß  gesehenen  Darstellungen 
die  schönsten  Hoffnungen  hatten  erwecken  können. 

Die  graphische  Abteilung  läßt  angenehm  eine  ziem- 
liche Sichtung  fühlen.  Man  hat  so  dem  einzelnen  die 
Möghchkeit  einer  wirklichen  Aussprache  gegeben.  Zu 
nennen  sind  >Lithographien  aus  dem  Krieg«  von  Ed- 
win Scharff,  die  lebendigen  Holzschnitte  Wilhelm 
Laages,  neben  der  zarten  Liniensprache  Orliks  und 
Carl  H ofe rs. 

Der  Plastik  verschaffen  zwei  Sonderräume  mehr  als 
sonst  Geltung  und  abgegrenzte  Wirkung.  Antes,  El- 
kan  und  Fritz  Huf  bestreiten  den  ersten  Raum,  wäh- 
rend die  acht  Wände  des  weiteren  Sonderraumes  von 
der  Rhythmik  der  gesteigerten  Bewegung  Lehm  bruclc- 
scher  Figuren  harmonisch  belebt  werden.  Die  Mitte 
bildet  die  Gestalt  einer  »Trauernden«  von  Karl  Albiker. 


T  Tber  die  diesjährige  zweite  Kriegsausstellung  läßt  sich 
^  wieder  nicht  allzuviel  Neues  sagen,  doch  haben  einige 
jüngere  Künstler  Werke  geschickt,  die  eine  Erwähnung 
verdienen.  Wie  im  Vorjahr  beherrschen  die  Ausstellung 
alte  Gäste;  der  badische  Malerkreis  mit  Thoma,  Trüb- 
ner, Dill,  Feld,  Bethmann,  Schönleber  hat  der 
Ausstellung  den  gewohnten  Rahmen  gegeben  und  ihre 
meist  schon  gesehenen  Werke  bilden  den  Maßstab  und 
Hort  der  künstlerischen  Tradition.  Von  einer  neuen 
Seite  lernt  man  Ludwig  Dill  kennen.  Er  ist  unter  die 
Kriegsmaler  gegangen,  nicht  im  Sinn  der  allzuvielen, 
ermüdend  wirkenden  Illustratoren,  die  auch  hier  eine 
Unmenge  ihrer  nichtssagenden  Lebensausschnitte  aus 
Etappe  und  Reservestellungen  bringen,  sondern  in  einer 
weit  monumentaleren  Erfassung  des  W'esentlichen. 
War  schon  der  Landschafter  Dill  weit  entfernt  von 
jedem  realistischen  Leben  der  Natur  und  der  Landschaft, 
so  entrückt  Dill  die  großen  Kriegsgeschehnisse  in  eine 


AUSSTELLUNG  AUS  KÖLNER  PRIVATBESITZ 


zeitlos-monumentale  Unwirklichkeit,  der  kein  Eindruck 
von  Gesehenem,  wirklich  Geschehenem  anhaftet,  deren 
Wesen  visionär  zu  nennen  ist.  Diese  technisch  breit 
und  starkfarbig  gemalten  kleinen  Ausschnitte  einer 
großen  Erscheinung  baut  Dill  mit  einer  sicheren  Struk- 
tur von  Bäumen,  Brücken,  zerschossenen  Häusern  auf, 
die  die  Ereignisse  in  schönem  Rhythmus  organisch  ent- 
wickeln helfen.  Mit  den  schlichtesten  Mitteln  inhalts- 
schwerer Gebärdensprache  weiß  er  die  Vision  des  ge- 
waltigen Ringens  ungeheurer  Massen  hervorzubringen 
und  es  ist  eine  Freude,  den  reifen  Meister  diesen  V^'eg 
reinster  expressionistischer  Gestaltung  schreiten  zu  sehen. 
—  Der  kleine  Dill-Saal  gibt  einen  Maßstab,  an  dem 
man  unzufrieden  Vieles  in  den  Räumen  der  Malerei 
mißt.  Von  den  jüngeren  sieht  man  daneben  mit  Freuden 
den  Trübnerschüler  Hans  Spung,  der  nach  langen 
koloristischen  Versuchen  wieder  zu  seinem  echtesten 
Können,  dem  Porträt,  zurückkehrt.  Es  hängen  von  ihm 
Arbeiten  da,  die  in  unserer  Zeit  soviel  bedeuten  wie 
die  Bildniskunst  des  jungen  Trübner  damals.  —  Drei 
junge  Graphiker  dürften  die  beste  Ausbeute  aus  der 
reichen  graphischen  Sammlung  darstellen;  Wilhelm 
O  esterle,  Artur  RiederundHansNadler.  Vieles 
ist  bei  ihnen  noch  im  Werden,  aber  erstaunlich  bei 
allen  die  Wahl  des  Inhaltlichen  und  seine  technische 
Bewältigung.  Große  Stofie  (biblische  und  soziale  Themen) 
werden  in  kleinformatigen  Radierungen  von  Oesterle 
versucht,  sein  Bemühen  um  klare  Komposition  schei- 
tert in  manchen  Stücken  an  der  Figurenfülle.  Nadler 
erschöpft  die  wenigen  Figuren  seiner  sozialen  Kunst 
in  Ausdruck  und  Komposition.  Graphik  solcher  Art  gibt 
uns  gerade  heute  mehr  als  alle  reichlich  wuchernde 
Kriegsillustration.  —  Die  Plastik  —  sonst  immer  gut 
vertreten  in  Baden  —  bietet  kaum  Bedeutendes.  Die 
Nennenswerten,  Elkan  und  P.  P.  Pfeiffer,  sind  ge- 
nügend bekannt.  h,  l.  m. 

AUSSTELLUNG  NEUERER  KUNST  AUS 
KÖLNER  PRIVATBESITZ 

Jahraus,  jahrein  bringen  unsere  Kunstzeitschriften  Be- 
richte und  Besprechungen  von  Kunstausstellungen. 
Wir  vernehmen  immer  wieder,  was  gemacht,  gezeigt 
und  geboten  wird ;  doch  erfahren  wir  nicht  oder  nur 
selten,  wo  die  Kunstwerke  bleiben,  oder  besser,  wir 
bemerken  wenig  von  einer  greifbaren  Wirkung  all  die- 
ser Veranstaltungen.  Gewiß  die  Künstler  und  andere 
Kenner  des  Kunstlebens  wissen  es,  daß  wohl  weitaus 
das  meiste  Ausstellungsgut,  wenn  es  nicht  zunächst 
eine  Wanderung  zu  anderen  Ausstellungen  oder  in  den 
Kunsthandel  antritt,  wieder  in  seine  Geburtsstätte,  ins 
AteHer  des  Künstlers,  zurückwandert  und  daselbst  an 
den  Wanden  oder  in  dunklen  Gelassen  längere  oder 
kürzere  Zeit  sein  Dasein  fristet,  um  endUch  vielleicht 
einmal  einen  Liebhaber  zu  finden.  Wohl  zieht  auch 
in  den  Ausstellungen  das  manchem  Werke  angeheftete 
Zettelchen  mit  dem  inhaltreichen  Wort  »Verkauft«  die 
Blicke  und  vielleicht  erst  dadurch  überhaupt  die  Auf- 
merksamkeit und  Beachtung  vieler  Besucher  auf  sich. 
Aber  wohin  das  Werk  wandert,  welche  Rolle  es  von 
nun  an  als  Kulturfaktor  spielt,  wie  es  weiterliin  die 
eigentliche  Aufgabe  des  Kunstwerks  erfüllt,  bleibt  uns 
zumeist  verborgen.  Da  auch  nur  verhältnismäßig  wenige 
Kunstwerke  den  \\'eg  in  ein  Museum  finden,  darf  nach 
dem  vorhin  Gesagten  eine  Ausstellung  aus  Privatbesitz 
von  vornherein  mit  dem  lebhaften  Interesse  der  Kunst- 
freunde, abgesehen  von  der  leicht  begreiflichen  Neu- 
gierde der  Menge,  rechnen.  Eine  solche  Ausstellung 
gibt  uns  Kenntnis  von  dem  Geschmack  und  von  be- 
sonderen Neigungen  des  einzelnen  Sammlers,  ferner 
von  der  Bedeumng  eines  Ortes  für  das  Kunstleben,  und 


endlich  erlaubt  sie  auch  ein  allerdings  mehr  oder  min- 
der zutreffendes  Urteil  über  den  Wert  einer  Kunstrich- 
tung, insofern  sich  eine  praktische  Beurteilung  derselben 
aus  der  größeren  oder  geringeren  Zahl  erworbener 
Werke  überhaupt  oder  aus  dem  Umstände,  ob  die 
Werke  einer  bestimmten  Kunstrichtung  in  den  Besitz 
von  Sammlern  mit  anerkanntem  Geschmack  und  Urteil 
gelangt  sind,  ergibt. 

Solche  Ausstellungen  hat  der  Kölnische  Kunst- 
verein bereits  vor  einigen  Jahren  veranstaltet ;  eine  der- 
selben umfaßte  nur  Werke  der  alten  Zeit,  eine  andere 
zeigte  Porträts,  eine  dritte  nur  neuere  Werke,  wobei 
den  meisten  Besuchern  die  Überraschung  wurde,  daß 
unter  anderen  das  aus  vielen  Reproduktionen  bekannte, 
Angelus  genannte  Bild  von  Segantini,  die  Überfahrt 
einer  Scliafherde  beim  Aveläuten,  sich  im  Besitz  einer 
Kölner  Dame  befindet.  Nun  hat  der  Kölnische  Kunst- 
verein wiederum  eine  Ausstellung  von  Kunst  in  Köl- 
ner Privatbesitz,  und  zwar  zunächst  wieder  von  neue- 
ren, damals  nicht  gezeigten  bezw.  noch  nicht  existie- 
renden \\'erken  veranstaltet.  Wie  eigentlich  zu  erwarten 
ist,  läßt  eine  Kritik  sich  in  die  Worte  zusammenfassen : 
Über  Geschmackssachen  läßt  sich  nicht  streiten.  Doch 
muß  anerkannt  werden,  daß  man  die  Ausstellungsräume 
mit  einem  vorwiegenden  Gefühl  der  Freude  und  des 
Genusses  durchwandert  und  wiederholt  durchwandern 
kann.  Denn  manches  Stück  begegnet  uns  da,  das  un- 
bestreitbaren Geschmack  des  Besitzers  verrät  und  auch 
in  einem  guten  Museum  seinen  Platz  haben  dürfte.  Es 
ist  hier  nicht  möglich,  alle  ausgestellten  Arbeilen  ein- 
zeln auch  nur  zu  nennen. 

Die  vorhin  ausgesprochene  Anerkennung  gilt  vor 
allem  den  Werken  solcher  Meister,  die  wir  fast  als 
Klassiker  der  neueren  Zeit  ansprechen  möchten,  zunächst 
Ansei m  Feuerbach  mit  einem  sehr  frühen  Bildchen 
»Rokokodamen  am  Wassere,  dann  Wilhelm  Leibl 
mit  einem  Kinderköpfchen,  das  allerdings  nicht  zu  sei- 
nen höchsten  Leistungen  zählt,  und  Leibls  Freunde 
Johann  Sperl  mit  dem  wonnig  im  Waldesgrün  ein- 
gebetteten Häuschen  Leibls  in  Aibling  und  Karl  Schuch 
mit  einem  seiner  köstlichen  Obststilleben.  Dazu  kommt 
Hans  Thoma  mit  drei  guten  Arbeiten,  einem  alt- 
meisterlich gemalten,  schwer  tragenden  Apfelbaum  vom 
Jahre  1878,  einem  Kinderbildnis  von  1S8S  und  einer 
Landschaft  am  Gardasee  in  der  Dämmerung,  Oswald 
Achenbach  mit  einem  Bilde  vom  Niederrhein  »Heim- 
kehr von  der  Kirmes  <  in  welchem  wir  seine  Hand 
wahrhaftig  kaum  erkennen ;  diese  Arbeit  mutet  uns  mehr 
an  als  seine  italienischen  Bilder.  Weiter  Eduard  von 
Gebhardt,  Fritz  von  Uhde  und  Wilhelm  Trüb- 
ner, dieser  mit  mehreren  teils  seiir,  teils  weniger  un- 
serm  Geschmack  zusagenden  Arbeiten,  Karl  Hage- 
m  eistet  mit  einer  schon  1880  geschaff'enen,  farben- 
frischen Freilichtlandschaft  vom  Schwielowsee  in  der 
Mark,  eins  der  besten  Bilder  der  Ausstellung,  Max 
Liebermann  gefällt  uns  in  seinen  früheren  Bildern, 
denen  wir  gern  in  guten  Museen  begegnen,  immer 
noch  weitaus  besser  als  in  recht  vielen  seiner  neueren 
Arbeiten,  von  denen  eine  größere  Anzahl,  vor  allem 
sattsam  bekannte  Strandbilder,  gezeigt  werden.  Der 
neueste  Liebermann  hat  in  Köln  eine  Gemeinde  ge- 
funden. Einen  ganz  anderen  Geschmack  bekunden  die 
beiden  Besitzer  mehrerer  figürlichen  und  landschaft- 
lichen Bilder  von  Karl  Haider,  einer  hl.  Familie,  eines 
>Entsagung<  benannten  Frauenbildnisses  sowie  von 
zwei  der  bekannten  oberbayerischen  Landschaften. 

Von  sehr  verschiedenem  Werte  sind  die  ausgestellten 
Werke  der  Künstler,  die  wir  nur  noch  nennen  können, 
der  Rheinländer  Juhus  Bretz,  Felix  Bürgers  (Am 
Wasser),  Max  Ciarenbach,  Ernst  Hardt,  Gerhard  Janssen, 
August  Neven  Du  Mont  (Diner),  Max  Stern 
(Viehmarkt    am    Niederrhein',    Fritz    Westendorp,    der 


FREIE  SECESSION  BERLIN  191 6 


Münchener  Hugo  von  Habermaiin,  Franz  von  Stuck, 
Adolf  Hengeler  (Im  Bergwirtshaus),  Albert  Weiß- 
gerber, Heinrich  von  Zügel  (V^ehtreiber)  und  Angelo 
Jank,  ferner  Ulrich  Hübner  (Lübecker  Hafen  bei 
Morgensonne),  \\'alter  Leistikow,  Leopold  von  Kalck- 
reuth  (Bildnis  eines  Jagers),  Arthur  Kampf  (Aus 
Sevilla),  Gotthardt  Kühl  und  Emil  Nolde.  Auch  aller- 
modernste  Maler  sind  mit  einigen  Arbeiten  vertreten. 
Um  solchen  Gesclimack  abzugewinnen,  dürfte  mancher 
zu  früh  geboren  sein.  Das  Ausland  tritt  diesmal,  den 
Zeitumständen  entsprechend,  zurück.  Ausgestellt  sind 
einige  Werke  von  Albert  AndrO,  Gustave  Courbet, 
Pablo  Picasso,  Camille  Pissarro,  Auguste  Renoir,  Eduard 
Vuillard,  Ferdinand  Hodler  und  Jozef  Israels.  Damit 
haben  wir  wohl  die  nennenswerteren  Maler  aufgeführt. 

Die  Plastik  scheint,  nach  den  wenigen  ausgestellten 
Arbeiten  zu  urteilen,  von  denen  keine  besonders  erwähnens- 
wert ist,  in  Köln  etwas  stiefmütterlich  behandelt  zu  werden. 
Nun  aber  reiht  sich  den  Werken  der  Malerei  und  Plastik 
eine  sehr  bemerkenswerte,  von  nur  einem  einzigen  Be- 
sitzer mit  anerkennenswertem  Geschmack  gesammelte 
große  Anzahl  von  Originalgraphiken  an,  fast  durch- 
weg hervorragende  Arbeiten  u.  a.  von  Bone,  Brangwvn, 
Cameron,  Corot,  Isabey,  Israels,  Klinger,  Legros,  Lie- 
bermann, Manet,  Meryon,  MiUet,  Munch,  Rops,  Shan- 
non, Stauffer-Bern,  Strang,  Whistler  und  Zorn.  Endlich 
seien  noch  zum  Teil  guten  Geschmack  verratende  Er- 
zeugnisse des  Kunstgewerbes  der  neuesten  Zeit: 
Gläser,  Keramiken,  Emails,  Bucheinbände  usw.  erwähnt. 
Ausdrücklich  aber  hiüssen  wir  Arbeiten  wie  eine  das 
Kind  anbetende  Madonna  in  Emailtechnik  als  wenig 
würdig  und  die  als  verzerrte  Karikatur  in  Keramik  ge- 
gebenen hl.  Drei  Könige  entschieden  ablehnen. 

Übersieht  man  nun  alle  die  genannten  und  ange- 
deuteten Kunstwerke  und  ihre  Zahl  (über  100  Gemälde) 
und  zieht  in  Betracht,  daß  wohl  die  meisten  in  den 
letzten  Jahren  erworben  wurden  —  wer  Ausstellungen 
bereist  hat,  dem  dürften  manche  Erinnerungen  kom- 
men — ,  so  kann  man  bequem  den  Schluß  ziehen, 
w-elche  Bedeutung  der  Stadt  Köln  für  Kunst  und  Künst- 
ler der  neueren  Zeit  zukommt.  HinsichtHch  der  Samm- 
ler läßt  diese  Ausstellung,  was  auffallen  mag,  darauf 
schließen,  daß  die  Erwerbungen  durchaus  nicht  dem 
Eifer  entsprechen,  mit  welchem  Köln  zum  deutschen 
V^orort  der  allerneuesten  Kunst  gemacht  worden  ist; 
vielmehr  hat  in  den  Kreisen  der  Sammler  Vorsicht  und 
Zurückhaltung  und  ein  gewisser,  am  guten  Alten  gebil- 
deter Konservatismus  anscheinend  durchaus  die  Vor- 
herrschaft. —  Eine  Erweiterung  des  Urteils  über  Köln 
als  Kunststadt  werden  zwei  weitere  Veranstaltungen 
des  Kunstvereins,  wieder  eine  Porträtausstellung  und 
eine  Ausstellung  von  ebenfalls  noch  nicht  gezeigten 
Werken  alter  Kunst  aus  Privatbesitz  ermöglichen. 

Dr.  A.  Huppertz,  Köln 

FREIE  SECESSION  BERLIN  1916 

Von  Dr.  Hans  Schmidkunz  (Berlin-Halensee) 

r)ie  ältere,  aber  sezessionierte  Sezessionsgruppe  kennen 
wir  aus  unserem  Sammelbericht  von  Juli  1914  (in 
X.  10).  Es  sind  die  um  Liebermann,  mit  Slevogt 
usw.  Nun  haben  sie  sich  zum  zweitenmal  gezeigt,  in 
dem  vorher  von  def  jüngeren  Gruppe  benützten  Haus, 
vom  5.  Februar  bis  5.  April.  Die  (gelinde  gesagt)  große 
Verschiedenheit  der  Richtungen  und  Q.ualitäten,  die  hier 
Anblick  und  Urteil  erschwert,  scheint  dem  Publikum 
zu  gefallen :  Es  ist  auffallend  viel  verkauft. 

Natürlich  wurde  auch  eine  Rückschau  zur  Erhöhung 
des  eigenen  Beständigkeitswertes  gemacht,  jedoch  nur 
zum  Teil  abgesondert,  zum  Teil  hineingemischt.  Sie 
reicht  zurück  bis  auf  ein  sympathisches  Bild  >Adam  und 


Eva<  von  L.  Cranach  d.  J.,  geht  über  eine  helle,  na- 
turalistische und  doch  zugleich  etwas  heroische  >  Land- 
schaft mit  Stierherde  und  Figuren<  von  F.  de  Goya, 
über  ein  eindrucksvolles  weibliclies  Bildnis  von  O.Runge, 
über  eine  »Studie  zum  Grafen  von  Gleichen«  M.  v. 
Schwinds  und  über  zwei  Bilder  bekannter  Art  von 
K.  Spitz  weg  (dem  gleichzeitig  bei  Scliulte  eine  Son- 
derausstellung gewidmet  wurde)  zu  A.  Böcklin,  dessen 
»Kämpfende  Zentauren«  gut  bewegte  Gesichter  zeigen, 
sowie  zu  H.  V.  Marc  es,  dessen  Eigenart  in  einem  weib- 
lichen Akt  »Unschuld«  und  in  anderem  günstiger  als 
sonst  zur  Geltung  kommt.  Auch  mehrere  freundliche 
Schöpfungen  A.  A.  O  berlän  d  ers  und  H.Thomas 
lassen  sich  hier  anreihen. 

In  des  Letzteren  außerordentlich  stimmungsvollem 
»Maria  Himmelfahrtstag«  liegt  wohl  eher  etwas  Reli- 
giöses als  in  den  nicht  wenigen  Gemälden  Modernster, 
die  biblische  Stoffe  —  sagen  wir;  traktieren.  Voran 
darf  dabei  wohl  die  Erinnerung  an  den  verstorbenen 
Präsidenten  der  Münchener  »Neuen  Secession«,  A. Weis- 
gerber, stehen:  sein  bei  kräftiger  Natürlichkeit  doch 
phantasiereicher  »Absalon«  sowie  Bildnisse  usw.  — 
worunter  sein  Selbstbildnis  hervorragt  —  scheinen  all- 
gemein zu  gefallen.  Sodann  gibt  es  eine  »Verkündigung« 
von  H.  V.  Hab  ermann,  die  leidlich  sein  würde,  wenn 
nicht  ein  Dummheitsausdruck  abstieße;  ein  »Abendmahl« 
von  O.  Hettner,  dessen  Vorzug  einer  kräftig  bewegten 
Darstellung  von  Andacht  und  Hingabe  doch  auch  ge- 
stört wird  durch  die  skizzige,  etwas  gliederpuppige 
Zeichnung,  ein  »Idyll«  desselben  Künstlers  fällt  durch 
rautenförmige  Grundzüge  auf;  eine  Madonna  (mit  hl.  Jo- 
seph und  mit  Gott  in  den  Wolken)  von  dem  unsererseits 
mehrmals  gekennzeichneten  M.  Melzer;  eine  anschau- 
liche, doch  gut  bürgerliche  Naturphantasie  »Geist  Gottes 
schwebte  über  dem  Wasser«  von  Chr.  Rohlfs;  eine 
lebhaft  erregte,  grünfahl  gehaltene  Darstellung  Christi 
mit  den  Jüngern  im  Schiff  »O  ihr  Kleingläubigen«  von 
E.  Waske.  Auch  der  jetzt  nicht  seltene  Typus  von 
Stilleben  mit  Heiligenliguren  ist  vertreten:  H.Müller 
zeigt  einen  solchen  »St.  Andreas«  —  anscheinend  wieder 
mit  besonderem  Interesse  an  einem  komischen  Gesicht. 

Drei  Verstorbene,  die  den  jüngeren  Kreisen  anzuge- 
hören scheinen,  hinterlassen  ein  verhältnismäßig  gutes 
Andenken.  Von  dem  Kölner  E.Alt  mann  sind  u.a. 
schwedische  Landschaften  zu  sehen,  mit  großzügiger 
Naturhingabe  bei  sorgloser,  improvisierender  Strich- 
weise. Auch  A.Meister  (u.  a.  mit  einem  Pariser  Stadt- 
blick) und  K.  Wieck  (von  dem  besonders  kleine  ein- 
fache Stilleben  u.  dgl.  auffallen)  finden  ein  beifälliges 
Andenken. 

Im  ganzen  herrscht  Impressionistisches,  oder  sagen 
wir:  Improvisionistisches,  oder  nennen  wirs  gleich: 
Nurnichtakademisches ;  und  die  Zeichnung  tritt  meist 
wieder  hinter  die  Farbe  zurück.  Manchmal  ist  sie  prä- 
ziser; so  in  landschaftlichen  Darstellungen  aus  Kolberg 
von  E.  Matthes;  so  in  den  lebhaften  Bewegungen, 
welche  die  Bäume  usw.  auf  W.  Röslers  Landschaften 
zeigen;  so  in  den  wirbelnden  Linien  von  Fr.  Schuhes 
Dorf-  und  Strandbildern.  Ein  Straßenbild  von  Lene 
Schneider-Kainer  ist  skizzig,  aber  wenigstens  nicht 
tapetenflächig.  Auch  perspektivische  Spässe  kommen 
vor;  so  in  einem  Zirkusstück  und  einer  Straßenszene 
von  E.L.Kirchner  und  »Das  Caft^haus«  des  uns  in 
den  letzten  Jahren  durch  charakteristische  Szenen  be- 
kannt gewordenen  Kl.  Richter  ist  gute  Witzblatt- 
zeichnung. Der  diesem  Künstler  ähnliche  M.  Zeller 
zeigt  eine  kräftige  Darstellung  »Krankenbett«.  Die 
Flecken  als  malerische  Elemente  weichen  größeren 
Flächen  oder  sind  wenigstens,  wie  bei  W.  R  o  s  a  m 
(»Heimarbeiterin«),  ausgeglichener. 

Zahlreich  sind  die  Farben-Besonderheiten,  vom  Glü- 
hendsten   bis   zum   Mattesten.     Wieder  finden  sich  die 


VORTRAG  ÜBER  KRIEGSGEDENKZEICHEN 


Schwellfarben,  die  vom  Rand  einer  Fläche  gegen  die 
Mitte  zu  satter  oder  dunkler  werderi;  so  bei  M.  Reell- 
ste in,  nur  mit  weniger  stetigen  Übergängen,  als  sie 
sonst  vorkommen.  Wie  dessen  >Herbstlandschaft<  eine 
Gelbbraunglut  zeigt,  so  kelirt  das  jetzt  beliebte  Motiv 
der  radialen  Sonnenfluten  in  dem  >Mann  am  Fenster« 
von  Br.  Krauskopf  wieder,  der  gleichfalls  mit  Schwell- 
farben arbeitet  (seine  >Landschaft«  möchte  man  für 
eine  Darstellung  fressender  Pflanzen  halten).  Das  Loh- 
farbige mit  der  Strahlen-  und  Ringsonne  findet  sicli 
auch  in  H.Heusers  >Abend  bei  Darmstadti.  Beson- 
ders beliebt  scheint  eine  Pfirsichfarbe  zu  werden ;  so 
bei  dem  obenerwähnten  Altmann  (neben  einem  röt- 
lichen Hellbraun),  bei  O.  Beyer  (»Abend  in  Vieville«) 
und  mit  einem  besonderen  Glühen  bei  E.  Gotzmann 
(>Dorfteich<).  Daneben  gibt  es  ein  Rosa  in  den  Akten 
auf  A.  Degners  »Bacchanal«,  mit  dem  Typus  der 
»dummen  Gesichter«.  Dann  geht  es  durch  die  Oliv- 
reflexe aufL.  v.  Hofmanns  nicht  mehr  neuem  »Schma- 
lem Ufer«  zu  dem  (sonst  noch  häufigeren)  Gelb  der 
»Gefangenen  Frauen«  von  K.Tuch  (gleichfalls  schon 
typisch)  und  zu  dem  Seitenstück  dazu  in  Graubraun, 
den  »Frauen  am  Meer«  von  K.  Hofer.  Bald  sind  wir 
bei  dem  fahlen  Licht  der  Reiterfiguren  angelangt,  welche 
W.  Kohlhoff  als  »Kampf«  zeigt,  dann  bei  dem  ganz 
blassen  der  »Ruhenden  Reiterin«  von  O.  Th.  W.Stein 
und  endlich  bei  der  fast  völligen  Farblosigkeit  des 
Bildes  »Der  Trauernde«  von  E.  R.  Weiß,  dessen  Bild- 
nisse usw.  dem  für  expressionistische,  impressionistische 
und  sonstige  Wandlungen  eines  Künstlers  Interessierten 
wohl  näher  zu  tun  geben  können.  Wer  sonst  noch 
Lust  zum  Beobachten  moderner  Malnuancen  hat,  mag 
bei  dem  Schwimmerigen  des  »Bailokales«  von  W.  Bau- 
gerter  oder  bei  den  zwar  schütteren,  aber  nicht  dürf- 
tigen Farben  auf  den  Landschaften  von  W.  Klemm 
oder  bei  den  Farbenphantasien  von  W.  Röhricht 
(»Sommerabend«   u.  a.)  verweilen. 

Mit  solchen  Besonderheiten  ist  durchschnittlich  die 
künstlerische  Bedeutung  solcher  Werke  erschöpft.  Nun 
kommen  natürhch  auch  die  Überkünstler,  voran  die 
Gauguinisten:  R.  Janthur  (»Landschaft«  u.  a )  und 
L.  Kainer  (»Garten  in  Ceylon«  u.  a.),  sowie  ein  noch 
mauligeres  und  extremitätigeres  »Ruhendes  Mädchen« 
von  O.  Müller;  auch  der  Bergsee,  den  E.  Heckel 
»Gläserner  Tag«  nennt,  oder  selbst  ein  »Stilleben«  von 
O.  Moll  befreit  den  Beschauer  kaum  aus  seinen  Schmer- 
zen. Wo  dieser  sich  beruhigen  kann,  •dort  waltet  häu- 
fig ein  Zug  zur  Graphik;  so  bei  einem  Musikerbildnis 
Ida  Gerhardis,  bei  Gartenbildern  E.  Orliks  (das 
nämliche  Objekt  mal  vor  dem  Regen,  mal  im  Winter), 
bei  einem  Mädchenbildnis  B.  Pankoks,  bei  Fr.  Rhein 
(»Gärtnerei«  u.  a.),  etwa  auch  bei  den  gut  anschaulichen 
»Kreidefelsen  auf  Rügen«  von  O.  Ipotaczyk.  Hübsch 
oder  nett  sind  E.  Gablers  »Hauswand  mit  Blumen«, 
M.  Gieseckes  »Fliegende  Fische«,  Dora  Hitz' »Halle 
eines  alten  Palastes«,  R.  Sewalds  »Kreuzgang«  und 
eine  jedenfalls  reich  durchgearbeitete  »Berglandschaft« 
neben  zarten  »Herbstblumen«  von  Maria  Slavona. 
—  D.1S  Kriegsthema  ist  kaum  öfter  als  einmal  ver- 
wertet, nämlich  in  R.  Sterls  »Kameraden«  (die  einen 
Verwundeten  aus  dem  Schützengraben  tragen). 

Den  Liebhabern  von  alten  bekannten  Secessions- 
namen  mag  noch  gedient  sein  durch  die  Aufzälilung 
einiger  Künstler  mit  Fortsetzungen  ihres  Früheren.  So 
finden    wir    wieder:     H.   Baluschek    (»Kupferhütte«), 

B.  Bern  eis  (»Komposition«  mit  Darstellung  eines  luzi- 
ferartigen  männlichen  Aktes,  der  innerhalb  der  Umrisse 
eines  Gebirges  emporblickt),  W.  Bondy  (dessen  Bild- 
nisse ihn  wieder  als  einen  Gegensatz  zur  Gewaltsam- 
keit des  sonstigen  Sezessionistischen  zeigen),  Th.  v. 
Brockhusen   (»Frühlingssonne«,  auch  wieder  radial), 

C.  Herrmann    (der   einen    Herbstmorgen    und    einen 


Herbstnachmittag  aus  den  Münchener  Isaranlagen  bringt). 
U.  Hübner  (mit  der  bewegten  Regenstimmung  seines 
»Hamburg«),  L.  v.  Kalckreuth  (»Interieur,  Blick  auf 
den  Garten«),  M.  Liebermann  (unter  dessen  Bildern 
ein  »Vorraum  mit  Tonne«  hervorgehoben  sei),  M.  Sle- 
vogt  (mit  einem  so  recht  impressionistischen  »Bauern- 
jäger in  der  Pfalz«),  und  neben  W.  Trübner  (u.  a.  ein 
lauschiges  »Schloß  Lichtenberg«),  Alice  Trübner  f 
(deren  »Schneelandschaft«,  »Schloß  Hemsbach«  u.  a. 
manchen  vielleicht  wenigstens  milder  anmuten  als 
W.  Trübners  Art). 

In  der  sezessionistischen  Plastik  fordern  die  ausge- 
renkten und  zerquetschten,  puppigen  und  ruppigen 
Fratzen,  von  den  langen,  häufig  kropfigen  Monstren  bis 
herab  zu  den  Knetpüppchen,  immer  mehr  auch  ent- 
gegenkommende Kritiker  heraus.  Die  »Jünglinge«  und 
dgl.  von  E.  de  Fiori  und  von  W.  Lehm  brück  sowie 
die  »Badende»  u.a.  von  R.  Sintenis  und  W.  Ste- 
gers »Mädchenfigur«  sind  Hauptbeispiele  dafür.  Die 
zwei  Erstgenannten  malen  auch;  speziell  de  Fiori 
bringt  neben  einer  Fleckenskizze  »Reiter«  eine  »Prome- 
nade«, die  etwa  als  das  Modejournal  des  Uberkünstlers 
gelten  kann.  Umgekehrt  erscheint  diesmal  die  Gra- 
phikerin K.  Kollwitz  plastisch,  und  zwar  mit  einem 
in  Flächen  spielenden  »Liebespaar«.  Gruppen  im  Ty- 
pus der  zwei  Menschen  oder  dgl.  treten  hinter  Einzel- 
figuren zurück  (W.  Steger,  »Gruppe«,  die  vielleicht 
als  eine  eigens  »rhythmische«  Leistung  gedacht  ist, 
analog  dem  Gemälde  »Gruppe«  von  E.  Scharff).  Die 
tupfige  Darstellungsweise  erscheint'  in  dem  umfangrei- 
clien  Relief  der  »Grablegung«  von  H.  Krückeberg 
(deren  Komposition  wohl  besser  ist  als  ihre  Gesichter), 
in  schwer  erttäglichen  weiblichen  Figuren  von  G.  Lesch- 
nitzer,  in  ausdrucksvollen  Büsten  von  Marg.  Moll, 
deren  »Wasserträgerin«  hinwieder  zum  schwer  Erträg- 
lichen gehört.  Weicher,  glatter  ist  diese  Tupfenart  bei 
K.Schäfer,  noch  glatter  bei  E.  Honig  (männliche 
Bildnisbüste).  Dann  zeigen  sich  wieder  E.  Barlach  (be- 
sonders mit  einem  »Hunger«),  C.  Ebbinghaus  (mit 
vielerlei,  darunter  markanten  Bildnisbüsten),  B.  Frydag 
(ein  »Holzträger«  und  ein  Steinrelief  »Eseltreiber«  sind 
hervorragend),  A.Gaul  (»Laufende  Bären«),  W.Gerstel 
(mit  bald  kräftigen,  bald  eigenartig  affektierten  Darstel- 
lungen »Amazone»  u.a.),  H.  Haller  (»Stehendes  Mäd- 
chen«). Fr.  Klimsch,  G.  Kolbe  und  A.  Kraus 
bringen  mancherlei  bemerkenswerte  Bildnisse,  und  an 
netten  Kinderporträts  (Georgi  u.  a.)  fehlts  auch  nicht. 
Zwei  Bildnisbüsten  A.  v.  Hildebrands  überragen 
sehr  vieles. 

VORTRAG  ÜBER  KRIEGSGEDENK- 
ZEICHEN 

Am  Abend  des  i.  Mai  hielt  Domdekan  Dr.  S.  Huber 
im  großen  Saale  des  Hotel  Union  zu  München  vor 
einer  zahlreichen  Versammlung  einen  Vortrag  über 
Kriegsgedenkzeichen.  Der  Zweck  der  Veranstaltung 
war,  auf  die  Bedeutung  des  191 5  von  der  Deutschen 
Gesellschaft  für  christliche  Kunst  mit  dem  bekannten 
ausgezeichneten  Erfolge  durchgeführten  Wettbewerbes 
hinzuweisen  und  für  die  Förderung  der  dabei  verfolg- 
ten Absichten  einzutreten.  Dementsprechend  wurden 
auch  die  damals  mit  Preisen  und  Anerkennungen  aus- 
gezeichneten Entwürfe  in  Lichtbildern  vorgeführt.  Ein- 
leitende Worte  sprach  S.  Exzellenz  Dr.  Wilhelm  von 
Haiß,  der  I.  Präsident  der  D.  Gesellschaft  für  christliche 
Kunst,  welche  Veranstalterin  des  Vortrags  war.  Nach- 
drücklicli  betonte  er  die  Wichtigkeit  jenes  Wettbewer- 
bes. Durch  diesen  ist  es  ermöglicht,  für  Stadt  und 
Land  Kriegsgedenkzeichen  zu  schaffen,  die  in  ihrer 
künstlerischen  Vollendung  und  mit  ihrem  tiefen  geisti- 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


gen  Gehalte  den  hohen  Zwecken  der  Deutschen  Ge- 
sellschaft entsprechen.  Es  kommt  darauf  an,  immer 
weitere  Kreise  für  diese  Aufgabe  zu  gewinnen.  Der 
nach  dieser  Einfülirung  folgende  V'ortrag  war  so  anre- 
gend, daß  man  von  ihm  wohl  eine  Förderung  jener 
Absicht  erhoffen  darf.  Dr.  Huber  begann  mit  dem  Hin- 
weise auf  einen  früher  an  anderer  Stelle  von  ihm  ge- 
haltenen Vortrag  über  Krieg  und  Kunst.  Die  damals 
von  ilmi  gezeigten  Bilder  aus  verschiedensten  Zeiten 
haben  vor  Augen  geführt,  welch  reiche  Anregungen 
der  Krieg  für  die  Kunst  zu  liefern  vermag.  So  sei  man 
berechtigt,  auch  von  dem  jetzigen  Kriege  derartiges  zu 
erwarten.  Schöne  Ansätze  seien  bereits  vorhanden,  an 
weiteren  ersprießlichen  Folgen  werde  es  nicht  fehlen. 
Die  großen  Ereignisse  verlangen  auch  künstlerische  Dar- 
stellung, die  Persönlichkeiten  großer  Manner  Würdigung 
ihrer  dauernden  Wichtigkeit  in  Gestalt  von  Denkmalen. 
Der  Wille  des  durch  die  gewaltigen  Ereignisse  in  sei- 
nem tii.tsten  Bewußtsein  ergrifl'enen  Volkes  werde  ver- 
langen, daß  die  Kunst  diesem  Bewußtsein  Ausdruck 
verleihe.  Zu  den-  Erfüllungen  dieses  Erwartens  gehöre 
der  von  der  Deutschen  Gesellschal't  für  christliche  Kunst 
veranstaltete  Wettbewerb  ;  er  gebe  zugleich  den  daheim- 
gebliebenen Künstlern  die  Möglichkeit  zur  Entfaltung 
ihres  Talentes  und  zur  Aussprache  lioher  Gedanken. 
Sehr  beherzigenswert  waren  die  Ausführungen  des 
Redners  über  die  Notwendigkeit  des  religiösen  Ein- 
schlages auch  bei  der  Kunst  des  Krieges ;  zumal  bei 
solchen  ^^'erken,  die  dem  Ehrengedächtnisse  der  ge- 
fallenen Helden  gewidmet  seien.  Dankbarkeit  und 
Trauer  erheischen  die  Errichtung  würdiger  Denkmale, 
die  ihrer  Aufgabe  nur  dann  gerecht  werden,  wenn  sie 
vom  Geiste  der  Religion  erfüllt  seien.  Gerade  darum 
finde  der  Wettbewerb  der  Deutschen  Gesellschaft  für 
christliche  Kunst  so  lebhafte  Teilnahme.  Zwei  Haupt- 
gruppen von  Denkmalen  seien  gesucht:  erstens  solche 
für  gefallene  Krieger,  anzubringen  in  oder  an  Kirchen, 
an  Häusern  oder  auch  im  Freien ;  zweitens  Erinnerungs- 
zeichen. Die  bei  dem  Wettbewerbe  vorgelegten  Ent- 
würfe besäßen  nur  skizzenhafte  Form,  die  aber  genüge, 
die  Verschiedenartigkeit  der  brauchbaren  Formen  und 
Ideen  klar  zu  stellen.  —  An  diese  allgemeinen  Betrach- 
tungen schloß  sich  die  Besprechung  jener  Entwürfe  im 
einzelnen.  Der  Redner  hatte  sich  das  reiche  Material 
in  der  Art  angeordnet,  daß  er  die  Entwicklung  des 
Denkm.ilgedankens  von  den  einfacheren  Lösungen  zu 
den  schmuckvollen  durchführte.  Er  begann  die  Unter- 
suchung der  Epitaphien  mit  der  jener  schlichten  vier- 
eckigen Platten,  die  vorzugsweise  für  die  Aufnahme 
von  Namensinschriften  bestimmt  sind.  Entwürfe  von 
deir Antonio,  Burger  und  Grasegger  lieferten  Stoff  zur 
Erklärung  des  harmonischen  Verhältnisses  von  Höhe 
und  Breite  und  des  Gr.ides  der  Wichtigkeit,  die  das 
dabei  sparsam  angewandte  Ornament  in  Anspruch 
nimmt.  Großzügigen,  einfachen,  figürlichen  Schmuck 
voll  tiefen  Sinnes  zeigt  eine  Tafel  von  Resch,  mannig- 
fache Auff;issung,  von  bedeutenden  dekorativen  und 
geistigen  Wirkungen  eine  Anzahl  von  Denktafeln  in 
Formen  des  Rokoko  (Auer,  Blaser  u.  a.).  Die  Anpas- 
sung an  den  Stil  der  Kirchengebäude  wird  bei  allen 
diesen  Dingen  bestens  erreicht  werden.  Gerade  die 
Verbreitung  der  einfachen  Gedenkplatten  sei  lebhaft  zu 
empfehlen.  —  Hiernach  ließ  der  Vortragende  solche 
mit  reicherer  Gliederung  und  stärker  betontem  Figuren- 
schmucke  folgen,  wies  auf  die  Schönheit  der  Maßver- 
hältnisse, der  Einteilung  der  Kompositionen,  des  Linien- 
spiels hin,  erläuterte,  in  welcher  Weise  die  Figuren 
eine  beherrschende  Rolle  spielen  und  untersuchte  die 
Bedingungen  der  Verwendbarkeit  der  einzelnen  Ent- 
würfe innerhalb  bestimmter  Umgebung  im  Interesse 
der  von  den  Künstlern  beabsichtigten  Wirkungen.  Zur 
Sprache    kamen    dabei    Arbeiten   von    Ruppert,    Unter- 


pieringer,  Grasegger,  Resch,  Altmann,  Kopp,  Kuolt, 
Überbaclicr,  Cleve,  Guntermann,  Köpf,  Kraus  und  an- 
deren. —  Eine  Sonderbetrachtung  galt  den  gemalten 
Gedenktafeln  von  Fuchs,  Lechner,  Selzer,  Gerhard, 
Baumhauer;  besonders  der  Entwurf  des  letzteren  fand 
eingehende  Würdigung.  —  Dann  wieder  der  Plastik 
sich  zuwendend  besprach  der  Redner  solche  Werke, 
bei  denen  das  Hauptaugenmerk  auf  das  figürliche  Ele- 
ment gewandt  ist  und  die  Inschrift  weniger  in  Betracht 
kommt,  also  besonders  Bildwerke  an  Hausecken,  an 
Mauern,  in  Straßen,  auf  Plätzen  (Hans  Miller,  Hoser, 
Selzer  u.  a.),  ferner  den  St.  Barbaraaltar  von  Wallisch 
und  Erb.  Von  da  kam  Dr.  Huber  auf  die  Kleinarchi- 
tekturen, zuerst  auf  die  mehr  künstlichen  (Bachmann), 
weiterhin  auf  jene,  die  sich  mit  natürlicher  Schlichtheit 
dem  Charakter  des  Orts-  und  Landschaftsbildes  ein- 
fügen, also  auf  die  Kapellen  (u.  a.  Steidle,  Simon,  Ho- 
ser), Bildstöcke  uud  Betsäulen  (Hoser,  Kraus,  Miller) ; 
die  Vorzüge  dieser  poesievollen,  volkstümlichen  Werke, 
deren  Herstellung  noch  dazu  nicht  durch  große  Kost- 
spieligkeit erschwert  wird,  die  sich  also  gerade  zu  recht 
weiter  Verbreitung  eignen,  fanden  beredte  Würdigung. 
Die  Lichtbilder  dürften  zur  Empfehlung  aller  dieser 
Plastiken,  Bauten  und  Malereien  noch  wesentlich  bei- 
getragen haben;  geradezu  überraschend  ist,  wie  durch 
die  starke  Vergrößerung  der  Bilder,  welche  den  Lesern 
der  >Christlichen  Kunst«  aus  Heft  7  des  Jahrganges 
191 5  bekannt  sind,  die  monumentalen  Eigenschaften 
der  Entwürfe  erst  recht  zum  Bewußtsein  gebracht  wur- 
den. Dasselbe  war  auch  mit  den  Fahnen  (Lorch,  Alb- 
recht, Kiesgen,  Heimckes),  hängenden  Zierden  (Oster- 
mann, Simon),  Glasmalereien  (H.  Schiestl,  Figel)> 
Leuchtern  (Miller)  usw.  der  Fall.  —  Auf  die  Gruppe 
der  Etinnerungszeichen  eingehend  besprach  Dr.  Huber 
die  Gedenkblätter  (M.  Schiestl,  Lechner,  Daringer,  Alb- 
rechtskirchinger,  Resch,  Wirnhier,  Kunst  u.  a.),  die  Me- 
daillen, Plaketten  und  Anhänger  (Ostertag,  Ruppert, 
Daumiller,  Waupotizch,  Grasegger).  Die  Bilder  von 
Huber-Sulzemoos  machten  den  stimmungsvollen  Be- 
schluß. 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Köln.  Eine  Neuerung,  welche  für  das  Kunstleben 
in  Köln  von  besonderer  Bedeutung  werden  kann,  ist 
die  Schaffung  der  Stellung  eines  städtischen  General- 
direktors für  Kunst  und  Kunstgewerbe.  Die- 
ser ist  nicht  als  Nachfolger  des  verstorbenen  Ersten 
Direktors  des  Wallraf-Richartz- Museums  gedacht,  er 
soll  überhaupt  mit  der  Leitung  der  Museen  nichts  zu 
tun  haben ;  vielmehr  wird  ihm  die  Aufgabe  gestellt 
sein,  auswärts  wieder  größeres  Interesse  für  den  rei- 
chen Kunstbesitz  der  Stadt  zu  wecken,  die  Interessen 
der  Künstlerschaft  tatkräftig  zu  fördern,  die  Sammel- 
tätigkeit noch  mehr  anzuregen  und  in  gute  Bahnen  zu 
lenken,  für  die  Hebung  des  Kunstgewerbes  zu  wirken 
und  besonders  auch  sich  für  die  stärkere  Belebung  des 
Kölner  Kunsthandels  einzusetzen.  Der  Oberbürger- 
meister ist  seitens  der  Stadtverordnetenversammlung 
ermächtigt  worden,  nach  dem  Kriege  auf  diesen  Posten 
Prof.  Dr.  Georg  Biermann  in  Darmstadt  zu  berufen. 
Gegen  diese  in  geheimen  Sitzungen  getroffene  Neue- 
rung hat  sich  in  einem  Teile  der  Presse  und  in  Krei- 
sen der  Bürgerschaft  lebhafter  Widerspruch  erhoben. 
Abgesehen  von  der  Person  des  in  Aussicht  Genomme- 
nen weist  man  hin  auf  die  Kostspieligkeit,  besonders 
aber  auf  andere,  wichtigere  Aufgaben,  welche  der  Stadt 
nach  dem  Kriege  und  infolge  desselben  erwachsen, 
dann  auch  auf  die  beträchtlichen  Summen,  welche  die 
Stadt  bisher  schon  für  die  Kunst  aufgebracht  hat  bezw. 
noch  abträgt,   vor  allem   auf  den  Millionenzuschuß  zur 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


Werkbundausstellung  (ob  der  Staat  infolge  des  Kriegs- 
ausbruchs entschädigend  eintreten  wird?),  und  auf  die 
hohe  Kaufsumme  für  die  Erwerbung  der  Leiblsamm- 
lung.  Wenn  man  allerdings  bedenl<t,  daß,  wie  jetzt  bekannt 
wird,  die  Möglichkeit  bestand,  die  Sammlungfür  die  Stadt 
mit  800000  Mark  zu  erwerben,  und  schließlich  1V4  Mil- 
lionen bezahlt  wurden,  welche  Summe  durch  die 
Amortisation  auf  über  i'/^  Millionen  anwachsen  wird; 
wenn  man  ferner  erwägt,  daß  die  Rückgängigmachung 
der  unter  der  letzten  Direktion  eingeleiteten  Erwerbung 
einer  größeren  Anzahl  von  Gemälden  neuester  Zeit, 
deren  Wert  man  bestreitet,  nur  zum  Teil  gelungen  ist, 
von  Werken,  die  wahrscheinlich  nie  ausgestellt  werden, 
dann  wird  ein  auf  Unwillen  und  Vorsicht  gegründetes 
Widerstreben  gegen  den  Plan  jener  großen  Aktion  be- 
greiflich. Dazu  kann  man  sich  auch  nicht  der  Empfin- 
dung erwehren,  daß  es  sich  darum  handelt,  auch  der 
Kunst,  wie  anderen  lokalpolitischen  Faktoren,  die  Rolle 
einer  Dienerin  kommunaler  Politik  zur  Hebung  lokalen 
Ansehens  im  Wettbewerb  mit  anderen  Kunststätten 
anzuweisen,  womit  aber  das  Vorhandensein  auch  ideale- 
rer Beweggründe  nicht  angezweifelt  wird.  Immerhin 
darf  jedermann  wünschen,  daß  der  Stadt  Köln  die 
historisch  berechtigte  Bedeutung  als  hervorragende  Pflege- 
stätte der  Kunst  gewahrt  bezw.  wiedererworben  werde, 
daß  es  jedoch  mit  richtigen  Mitteln  geschehe,  und  daß 
letzthin  vor  allem  der  Kunst  gedient  werde.  b. 

München.  ■ —  Die  Jahres-Ausstellung  im  Glaspalast 
beginnt  am  i.Juli  und  dauert  bis  spätestens  Ende  Ok- 
tober. Anmeldunsen  haben  bis  spätestens  31.  Mai  ein- 
schließlich zu  erfolgen.  Schluß  der  Einsendungen: 
31.  Mai,  5   Uhr  abends. 

In  Schliengen  (Baden)  wurde  die  Vorhalle  (Läute- 
raum) der  Pfarrkirche  unter  Verwendung  einer  alten 
Madonnenstatue  als  Denkmal  für  die  Gefallenen  aus- 
gestaltet. 

Kriegskunst  in  der  Dorfkirche.  —  Für  die 
Decke  der  »Kapelle  bei  der  Eich«  unweit  Ellwangen 
schuf  Professor  Gebhard  Fugel  ein  Gemälde,  das 
dem  Kriegsjahr  1914/1 5  gewidmetist.  Unter  den  Figuren 
des  Bildes  sind  die  in  der  Gegend» Gefallenen  verewigt. 

In  der  St.  Ludwigskirche  in  Ludwigs- 
hafen a.  Rhein,  welche  Anfang  des  vorigen  Jahr- 
hunderts von  dem  berühmten  Architekten  Hübsch  in 
Karlsruhe  erbaut  wurde,  sind  in  den  letzten  zwei  Jah- 
ren unter  der  Oberleitung  des  .Architekten  Joseph 
Kuld  in  Mannheim  verschiedene  Arbeiten  ausge- 
führt worden.  Neben  einer  ZirkuLitionsLufiheizung 
durch  die  Firma  Wagner  in  Ludwigshafen,  war  es  na- 
mentlich die  Malerei  der  Chorapsis  (die  von  dem  Maler 
Süßmaier,  einem  Schüler  Schraudolphs  seinerzeit  bemalt 
wurde),  die  jetzt  einer  Renovation  unterzogen  werden 
mußte.  Den  figürlichen  Teil  hatte  der  Kunstmaler 
Franz  Otterpohl  aus  München,  den  dekorativen 
die  Firma  Acker  &  Wolf  in  Ludwigshafen  aus- 
geführt. Gleichzeitig  sind  die  Chor-  und  die  Seiten- 
schiffenster  erneuert  worden.  Erstere  erhielten  Dar- 
stellungen, die  auf  das  hl.  Altarsakrament  Bezug  haben, 
während  in  letzteren  die  15  Geheimnisse  des  Rosen- 
kranzes dargestellt  sind,  Diese  Fenster  sind  aus  dem 
Atelier  der  Glasmalerei  F.  Voege  in  Mannheim 
hervorgegangen.  Als  Schluß  des  Ganzen  hat  nun  un- 
längst eine  Pietii  Aufstellung  gefunden,  die  von  dem 
Bildhauer  H.  Taglang  in  Mannheim  ausgeführt 
wurde. 


Ansbach.  Der  Ausschuß  für  die  Errichtung  eines 
Kriegs  Wahrzeichens  in  Ansbach  hat  einen  Ent- 
wurf des  Professors  und  Direktors  Bradl  in  Ober- 
ammergau als  in  jeder  Beziehung  geeignet  anerkannt 
und  dem  Professor  Bradl  die  Ausführung  des  Wahr- 
zeichens übertragen.  Es  kommt  in  der  Nordostecke 
des  Rathauses  zur  Aufstellung  und  stellt  eine  Säule 
mit  figürlicher  Bekrönung  dar. 

Bildhauer  Hans  Miller  (München)  modellierte 
für  die  beiden  Port.ile  der  Ostseite  der  St.  Bennokirche 
in  München  je  ein  Tympanonrelief,  die  von  Bildhauer 
Anton  Schmid  ausgeführt  wurden.  Die  Darstellungen 
nehmen  auf  die  gegenwärtige  Kriegszeit  Bezug.  Die 
eine  schildert  Judas  Makkabäus  im  Kampfe  und  trägt 
die  Inschrift:  »Nicht  die  Größe  des  Heeres,  sondern 
der  Himmel  verleiht  den  Sieg.«  Die  andere  zeigt  Kaiser 
Konstantin  d.  Gr.  zu  Pferd  mit  dem  Kreuzzeichen  und 
der  Inschrift:   »In  diesem  Zeichen  wirst  du  siegen.« 

Maler  Albert  Figel  (München)  vollendete  die  Kar- 
tons für  die  Kriegsfenster  der  Kirche  in  Mergentheim 
(Württemberg). 

Die  Sommerausstellung  der  Münchener  Se- 
cession  wurde  am  20.  Mai  feierlich  eröffnet. 

Erledigung  eines  Wettbewerbes.  —  Anläßlich 
des  Wettbewerbes  für  Entwürfe  zu  einer  neuen  St.  Kor- 
binianskirche  in  München  liefen  104  Projekte  ein.  Das 
Preisgericht  bestand  aus  den  Herren:  Prof  Hocheder, 
Architekt,  —  Stadt.  Baurat  Prof.  Dr.  Hans  Grässel, 
—  Professor  Richard  Berndl,  Architekt,  —  Korn- 
merzienrat  Stierstorfer,  —  Domdekan  Dr.  Seb.  Hu- 
ber, —  Oberregierungsrat  Walser,  —  Stadtpfarrer 
g.  R.  Wagner,  —  Stadtpfarrer  g.  R.  Gilg.  —  Den 
I.  Preis  erhielt  ein  Entwurf  von  Prof.  Herm.  Buchert, 
den  II.  jener  des  Architekten  Ant.  Hatzi  jun.,  den  111. 
der  Entwurf  des  Dipl.-Ing.  Hans  Atzenbeck,  den  IV. 
jener  des  städt.  Ingenieurs  F.  X.  Knöpfle.  Zum  An- 
kauf wurden  empfohlen  je  ein  Entwurf  von  Hans 
Brühl,  Griesemer,  K.  Höpfel,  Jos.  Buchert. 

Kunst  und  Krieg.  —  Unter  der  allgemeinen  Preis- 
steigerung leiden  natürlich  auch  unsere  Künstler  und 
dies  ganz  besonders,  wenn  sie  wieder  abhängig  sind 
von  Geschäftsleuten.  Ganz  unverständlich  ist  daher  das 
Vorgehen  einer  Kirchenverwaltung,  die  einem  nam- 
haften Künstler  die  durch  die  Preissteigerung  im  Stein- 
metzbetriebe und  vermehrte  Nebenkosten  infolge  des 
Krieges  wohl  begründete  Melirforderung  glatt  ablehnt 
und  sich  hierbei  auf  den  Vertrag  stützen  will,  der  zu 
Beginn  bezw.  knapp  vor  dem  Kriege  abgeschlossen 
wurde.  In  billiger  Erkenntnis  der  bitteren  Zeit  zahlt 
man  für  jede  Arbeit,  jeden  Gegenstand,  (ür  alle  Lebens- 
mittel mehr,  nur  die  Kunst  soll  vogelfrei  bleiben  • — 
kein  Wunder,  wenn  das  Vorgehen  der  Kirchenverwal- 
tung in  Künstlerkreisen  bittere  Verstimmung  hervorruft 
und  als  Mißachtung  und  geringwertige  Einschätzung 
unserer  Künstler  empfunden  wird.  f.  Fuchsenbergcr 


Berichtigung.  Der  in  Heft  7  auf  S.  203  abge- 
bildete Saal  ist  nicht  der  Rathaussaal  in  Ulm,  sondern 
der  Festsaal  in  dem  von  Prof.  Dr.  Georg  von  Hauber- 
risser  erbauten  und  auf  S.  205  wiedergegebenen  Rat- 
hause zu  St.  Johann  a.  Saar. 


iiliche  Kunsl,  GmbH. 


BEILAGE 


KRIEGSKUNSTAUSSTELLUNGEN  IN  BERLIN 


KRIEGSKUNST-AUSSTELLUNGEN    IN 
BERLIN 

Von  Dr.  Hans  Schmidkunz  (Berlin-Halensee)i 

pinen    Überblick    über    das,    >\vas    unsere    deutschen 

Künstler  in  der  Darstellung  des  Weltkrieges  bisher 
geleistet  haben«,  wollte  die  Kgl.  Akademie  der 
Künste  in  ihrer  K riegsbilder- Ausstellung  Fe- 
bruar bis  April  191 6  geben.  Sie  hat  eine  auffallend 
große  Zahl  von  Künstlern,  meist  aus  Berlin,  zusammen- 
gebracht; und  zwar  sind  es  teils  Kriegsmaler,  die  der 
Stellvertretende  Geiieralstab  von  Kriegsbeginn  an  nach 
allen  Kriegsschauplatzen  entsendet  hat,  teils  Mitkämpfer, 
die  »in  den  Stunden  der  Ruhe  ihre  Kunst  in  der  Dar- 
stellung des  Krieges  geübt  haben«.  Schon  die  Früh- 
jahrsausstellung  191 5  der  Akademie  (siehe  unser 
Heft  Xl/io)  hatte  einige  Gruppen  von  Kriegsbildern 
gebracht;  und  die  Eindrücke  von  damals  kehren  auch 
im  jetzigen  größeren  Rahmen  wieder. 

Hauptsache:  wir  sind  im  großen  ganzen  von  den 
Riesenschinken,  von  der  bloßen  Spielart  des  Land- 
schaftsbildes, von  der  bloßen  Optik  der  Eflfektszenen 
und  von  der  wohlpräparierten  Tugend  erlöst,  sind  in 
die  Intimität  der  Einzelhandlungen,  der  Einzelzustände 
und  der  örtlichen  Stimmungen  hineingeführt,  mit  aus- 
gesprochener »Gegenständlichkeit«  und  mit  vorwiegend 
mehr  linearer  als  flächiger  und  punktiger  Formgebung. 
Allerdings  muß  man  dabei  absehen  von  dem  Umstände, 
daü  sich  auch  hier  schließlich  »alles«  findet,  vom  Um- 
fangreichsten bis  zum  Kleinsten,  vom  künstlerisch  In- 
nigsten bis  herab  zu  jenen  illustrativen  Zeichnungen, 
vor  deren  Fixigkeit  man  »paff'«  sein  kann.  Das  typische 
Großbild,  das  im  ersten  Saal  ungefähr  jeder  Ausstellung 
oder  Galerie  dem  Besucher  die  für  das  Auffinden  der 
meist  weit  hinten  versteckten  unscheinbaren  Verdienste 
nötige  Zeit  verkürzt,  ist  diesmal  H.  Kohlscheins  »Aus- 
zug der  kriegsgefangenen  Besatzung  von  Maubeuge«  — 
wirklich  gute  Düsseldorfer  Malkunst. 

Ähnlich  steht  es  mit  den  vielen  Bildnissen  von  Heer- 
führern usw.  Man  könnte  sagen:  die  einen  Porträts 
ragen  hervor,  und  die  anderen  werden  hervorgeragt. 
Zu  den  letzteren  gehört  jedenfalls  das  Gemälde,  mit 
welchem  H.Vogel  das  Zusammenarbeiten  Hinden- 
burgs  und  Ludendorffs  verewigt.  Zu  den  ersteren 
gehören  jedenfalls  Porträts  von  Fritz  Reusing  (Prinz 
Leopold  v.  B.,  General  v.  Below  u.  a.),  sowie  das 
eine  (Admir.  v.  Schröder)  Frz.  Eichhorsts,  der  zu- 
gleich in  mehreren  Einzelszenen,  zum  Teil  von  der 
Nationalgalerie  angekauft,  den  günstigen  Eindruck  von 
früheren  Ausstellungen  her  fortsetzt.  Auch  Fritz  Erler 
erfreut  durch  ein  Kronprinzenbild  und  überhaupt  durch 
eine  Steigerung  seiner  dekorativ-stilisierenden  Kunst,  die 
bisher  manchen  mindestens  kühl  lassen  konnte,  zu  einer 
gut  geistigen  Darstellung  («Die  Stunde  des  Sturms«  u.a.); 
wir  konnten  ihn  derart  schon  vorher  in  einer  Sonder- 
ausstellung bei  Schulte  kennen  lernen  (»Wo  kommst 
du  her  in  dem  roten  Kleid«  u.  a.).  Gute  Porträts  sind 
noch  eines  von  OttmarBegas  und  viele  von  A.Busch. 
Neben  den  schier  unzähligen  Generälen  ist  der  Franzis- 
kanerpater Raymundus  (Prof.  Dr.  Dreiling)  von 
H.  Wislicenus   in    eindrucksvoller  Weise    porträtiert. 

Als  Toter  ist  anscheinend  von  allen  nur  P.  duente 
zu  beklagen,  der  —  übrigens  auch  als  Forscher  und 
Pfleger  der  Heimat  gerühmt  —  als  Kriegsfreiwilliger  am 
Hartmannsweilerkopf  fiel.  In  zwei  zarten  schlichten  Blei- 
stiftzeichnungen, die  in  irgend  einem  rückwärtigen  Aus- 
stellungswinkel hingen,  schildert  er  Ausbhcke  von  jenem 
Berg. 

Bleistiftzeichnungen  entfalteten  diesmal  überhaupt 
mancherlei  intimere  Kunst.  Die  von  O.  Heichert, 
zum  Teil  farbig,  mehrere  von   der  Nationalgalerie   an- 

Dl«  christliche  KuDst    XII.     lo.    i.  Juli  1016 


gekauft,  dürfen  wohl  voranstehen.  So  besonders  sein 
»Kircheninneres«,  etwa  auch  »Die  Beichte«  (ein  Geist- 
licher im  Lazarett);  Sturmszenen  (aber  eben  nicht 
»stürmisch«)  und  Ruheszenen  (z.  B.  »Der  Mundharmo- 
nikaspieler« im  Schützengraben)  usw.  geben  die  an- 
schaulichsten Bilder.  Virtuoseste  und  doch  klarste  sind 
wieder  von  Rieh.  Müller  da,  besonders  in  Darstel- 
lungen zerschossener  Gebäude  u.  dgl.  wie  z.  B.  des 
Treppenhauses  der  ausgebrannten  Universitätsbibliothek 
zu  Löwen.  Dazu  mehrere  Bleistiftskizzen  von  H.  L. 
Braune  und  ein  reichhaltiges,  aber  doch  über  Schemata 
wenigstens  einigermaßen  hinausgehendes  Gedenkblatt 
»Den  gefallenen  Kameraden«   von  H.Arnold. 

Dem  Werte  nach  im  Mittelpunkte  steht  wohl  wieder, 
wie  schon  vorm  Jahre,  L.  Dettmann,  z.  T.  mit  be- 
rechtigter Wiederholung  des  früheren  Materials.  Was 
wir  damals  über  dieses  gesagt,  bestätigt  sich  uns  auch 
jetzt.  Wie  da  seine  russische  Bäuerin  über  ein  Schlacht- 
feld geht,  oder  wie  er  einem  alten  polnisch-htauischen 
Kirchhof  seine  Eigenstimmung  abgewinnt  u.  dgl.  m., 
das  wird  womöghch  noch  überboten  durch  seine  »Kriegs- 
freiwilligen« :  wie  sind  diese  paar  andächtigen  jungen 
Gestalten  in  der  Kirche  individuell  verschieden  und  doch 
hinwider  gleichmäßig  zusammengehalten  durch  das  sie 
gemeinsam  beseelende  Gefühl ! 

Wie  schon  damals,  so  hat  jetzt  neben  Dettmann 
die  Reihe  der  Darstellungen  von  Fritz  Rhein  einen 
schweren  Stand,  etwa  ein  Generalsporträt  ausgenommen. 
Eine  gewisse  Zartheit,  eine  geschickte  Leichtigkeit  bei- 
spielsweise in  dem  Guaschebild  »Posten«,  das  hebt  über 


ORNAMLM   ,L    LIM.M     i^llKLIL:  1  ISlU  VON'   KAIU,  KL'OLT 
Iff/.   Abb.  S,  2SS 


KRIEGSKUNSTAUSSTELLÜNGEN  IN  BERLIN 


einen  kühlen  und  nicht  eben  ins  Große  oder  Tiefe 
gehenden  Eindruck  kaum  hinaus. 

So  sehr  man  in  Sezessionsausstellungen  das  Ausgeben 
des  Skizzenhaften  für  Vollendetes  bedauern  kann;  hier 
lebt  man  sich  in  die  anspruchslose  Flüchtigkeit  von 
>Studien<  bald  anerkennend  hinein,  sei's  nun  die  >Weg- 
nähme  einer  russischen  Batterie«  von  E.  Mattschaß 
oder  C.  Saltzmanns  >Tsingtau«.  An  verweilenderen 
Ausführungen  fehlt  es  gleichfalls  nicht,  wie  beispiels- 
weise bei  den  die  fliegende  Maasbrücke  überschreiten- 
den Kolonnen  von  A.  Obst. 

Schwerer  als  bei  sonstigen  Ausstellungen  wird  dem 
Referenten  hier  das  Dilemma,  ob  er  mehr  für  viele 
verdienstvolle  Einzelleistungen  oder  mehr  für  den  Schutz 
des  Lesers  vor  knappen  Aufzählungen  von  Namen  und 
Titeln  sorgen  soll.  Diesmal  rufen  noch  gar  viele  nach 
Beachtung.  So  jedenfalls  M.  Fabian  mit  seiner  in 
Graugrün  und  Gelbbraun  gehaltenen  >Kathedrale  von 
Roye<,  mit  dem  >Soldatenkirchhof  in  Bolimow<,  mit 
einem  lUnterstandsbau«.  So  P.  Folkerts  mit  »Gottes- 
dienst in  der  Höhle  von  Vassens«.  So  J.  Goossens 
mit  einem  gut  malerischen  > Dankgebet«  (am  Eingang 
der  zerschossenen  Kirche  von  Hattonchatel).  So  C.  Heß- 
mert  mit  seiner  »Burg  der  vier  Haimonskinder  in  den 
Ardennen«.  So  G.  Lebrecht:  >Erstürmung  von  Di.\- 
muiden«  und  >KiHd  Bahr  (Dardanellen)«,  wo  das  Schwarz 
und  das  Hell  gut  hervortreten.  So  der  diesmal  malerisch 
und  zeichnerisch  kommende  Bildhauer  L.  Manzel  mit 
russischen  Gefangenen  usw.,  mit  einer  massenkräftigen 
>Einnahme  von  Kowno«  und  besonders  einem  hinwider 
mehr  detailscharfen  >Übergang  nach  Olita«.  So 
H.  Me\'er-Kassel  mit  einem  Schützengraben,  W.  Mo- 
risse  mit  einem  russischen  Kirchhof,  H.  Peters  mit 
einer  Schlachtfeldrast  und  einer  »Krankenschwester«, 
P.  Rieth  mit  französischen  Infanteristen,  W.  Schreuer 
mit  einem  Stadt-Regenbild  »Aus  der  Champagne«  und 
einem  zart  hellen  »Am  Narew«,  A.  Sohn-Rethel  mit 
einem  Stimmungsbild  von  französischen  Gefangenen 
und  einem  »Einrücken  der  Reserven,  Argonnen«,  F. 
Spiegel  mit  einer  »Zerschossenen Kirche  in  Radymnow« 
u.  dgl.,  R.  Sterl  mit  feinen  Einzeldarstellungen  und  be- 
sonders einer  stimmungsvollen  »Höhe  lo8«,  E.  Voll- 
behr  mit  einem  dreifachen  Vogesen-Schlachtbild  vom 
12.  Okt.  1915  (das  vom  Hauptmann  als  getreu  bestätigt 
ist),  P.  G.  Vowe  mit  einer  Batterie  in  den  Vogesen, 
endlich  C.  Ziegra  mit  Darstellungen  aus  Serbien  (»Ver- 
senkte Donaudampfer«   u.  a.). 

Bei  dem  Vorwiegen  der  farblosen  oder  leichtfarbigen 
Zeichnung  tritt  hier  die  eigentliche  Graphik  wenig 
deutlich  hervor.  Und  doch  ist  vor  allem  in  Holz- 
schnitten Wertvolles  geleistet  durch  den  Viererzyklus 
»Aus  der  Offenbarung  Johannis«  von  H.  Lietzmann 
(als  Fünferzyklus  veröffentlicht)  und  besonders  durch  eine 
Siebenerreihe  von  J.  Weiss;  diese  trägt  Titel  wie 
»Gott  mit  den  Deutschen«,  und  auf  einem  Triptychon 
»Die  Leiden,  Weltkrieg,  Der  Friede«.  In  beiden  Zyklen 
lohnt  sich  besonders  eine  Aufmerksamkeit  auf  die  Ver- 
wendung und  Behandlung  schwarzer  Flächen.  Radie- 
rungen sind  nicht  häufig;  einige  von  O.  Graf  gelten 
dem  »Klosterhof  von  Messines«,  den  „Arbeitern  des 
Krieges  u.  a.;  die  von  E.  Oppler  stellen  Bilder  aus 
Lille  und  aus  den  Karpathen  dar,  darunter  eine  Ruthenen- 
hütte,  die  außerdem  auch  malerisch  behandelt  ist. 
Etwas  häuliger  sind  Lithographien:  von  E.Feyerabend 
»Bei  Ripont«,  von  H.  Kaiser  Straßenkämpfe  im 
Westen,  von  C.  Kappstein  einiges  Stimmungsvolle 
aus  dem  Osten,  von  G.  Tippel  »Panik«  u.  a.  —  Die 
Plastik  kommt  am  ehesten  in  Betracht  durch  Portrat- 
büsten von  A.  Kraus  und  durch  Plaketten  von  K. 
K  o  w  a  1  c  z  e  w  s  k  i .  — 

Zwei  Künstler  aus  dieser  Akademie-Ausstellung  haben 
wir   trotz   Erwähnungswürdigkeit   noch   nicht   genannt. 


Der  eine  ist  W.  Georgi.  Noch  besser  als  durch  ein 
dort  ausgestelltes  Generalsporträt  u.  a.  konnte  man  die- 
sen Karlsruher  kennen  lernen  durch  eine  größere  Samm- 
lung von  Bildern  aus  dem  Westkriege,  die  bei  Schulte 
ausgestelh  waren.  Er  kommt  der  kriegsdarstellenden 
Kunst  D e  1 1  m  a n n  s  nahe,  immerhin  mit  geringerer  Tiefe 
der  geistigen  und  Stiramungskraft.  Denkt  man  bei  jenem 
kaum  an  die  Darstellungsweise,  so  macht  sich  bei 
Georgi  die  geschickte  Zeichnungskunst,  in  größeren 
Formen  als  dort,  direkter  fühlbar.  Jedenfalls  zeigt  er 
viel  Ergreifendes  in  seiner  Charakteristik  von  verlorenen 
Heimen  u.  dgl.  m.  —  Wie  neben  Dettmann  Rhein 
etwas  zurücktritt,  so  neben  Georgi  der  gleichzeitig 
mit  ihm  durch  eine  größere  Kriegsbildersamralung  ver- 
tretene Münchener  H.  v.  Hayek. 

Der  andere  im  vorigen  noch  übergangene  Künstler 
ist  R.  Pfaehler  V.  Othegraven.  NamentHch  Stellungen 
und  Auffahrten  von  Geschützen,  aber  auch  ein  »Vor- 
marsch in  Rußland«,  sind  das  Thema  für  seine  kräftig 
bewegte  Zeichnung-  Weitere  Beispiele  davon  befinden 
sich  in  einer  Ausstellung  »Die  Kunst  im  Kriege«, 
welche  vom  Hagener  »Museum  für  Kunst  im 
Handel  und  Gewerbe«,  unterstützt  durch  mehrere 
künstlerische  und  soziale  Verbände,  auf  Wanderung  ge- 
sendet ist  und  zu  Berlin  im  Hause  der  (alten)  »Seces- 
sion«  Unterkunft  gefunden  hat.  In  ihr  spielen  die 
Malerei  und  ihre  Nächstverwandten  nicht  die  Hauptrolle; 
die  wenigen  Gemälde  sind  mindestens  nicht  erwähnens- 
wert, die  —  zumeist  im  Feld  entstandenen  —  Zeich- 
nungen sind  spärhch ;  in  der  Graphik  fallen  günstig  auf: 
eine  Radierung  von  E.  Bischoff-Culm,  Kaiser  Wil- 
helm II.  in  lebhaftem  Dahinschreiten  darstellend,  und 
mehreres  Originelle  aus  der  Münchener  Schule  F.  H. 
Ehmckes,  das  kurz  als  »Beschießungsphantasien«  be- 
zeichnet werden  kann.  Von  der  gegenwärtigen  Ent- 
faltung der  Glasmalerei  gibt  Zeugnis  ein  bei  Heiners- 
dorf f  hergestelltes  Werk  von  H.  Ben  gen,  zwei  Krieger 
mit  Fahnenschwur  darstellend. 

Hauptsächlich  aber  gilt  die  Ausstellung  jenes  Mu- 
seums der  Kunstpflege  im  Sinne  des  Streitens  für  Ge- 
schmack, Vernunft,  Zusammenklang  und  soziale  För- 
derung. Schade,  daß  die  Gegenbeispiele  »Kriegsgreuel« 
nicht  noch  umfassender  zusammengebracht  worden  sind 
(eine  Mundharmonika  »U  9«  läßt  ahnen,  was  es  da 
noch  alles  gibt),  und  daß  manch  anderes  auf  dieser 
Ausstellung,  samt  ihrem  Plakat  und  einigen  Schriftformen, 
selber  nicht  weit  vom  Gegenbeispiel  entfernt  istl  Freude 
machen  sodann  die  aus  Invalidenkursen  hervorgegange- 
nen Arbeiten,  »gesammelt  unter  dem  Gesichtspunkt  der 
Geschmacksbildung  in  der  Erholungszeit«  ;  neben  einer 
Verwundetenschule  in  Düsseldorf  ist  in  Hagen  selbst 
dafür  gesorgt  worden.  Der  Leidenschaft  des  Benageins 
wurde  durch  Entwürfe  für  solche  »Nagelfiguren«  ent- 
gegengekommen, die  dazu  taugen ;  da  gibt  es  einen  Flam- 
menbaum, eine  Flamniensäule  usw.,  sowie  eine 
Spruchsäule  mit  der  Inschrift,  die  vier  lotrechte  Reihen 
faßt:  »Dank  dir  Gott  mit  Herz  und  Hand  —  Schlag 
Fluch  Spott  dem  Feinde  Bund  —  Schlag  ihrem  Haß, 
Schlag  ilirem  Neid  —  Gott  uns  laß  den  Sieg  im  Streit«. 
Kunstgewerblich  fallen  hübsche  Kriegstruhen  sowie 
eiserner  Kriegsschmuck  auf;  manche  Posamentarbeiten 
usw.  stammen  aus  dem  Österreicliischen  Museum 
für  Kunst  und  Industrie.  Auch  Plakate  und  Drucksachen 
gibt  es;  letztere  sind  zum  Teil  in  behördlichen  Erlassen 
aus  Westfalen  verwendet.  Schaumünzen  und  Gedenk- 
medaillcn  hahen  sich  hier  an  eine  scharf  plastische 
Formgebung. 

Weiterhin  werden  Erholungsheime  (z.  B.  eines  von 
A.  EndcU  für  ein  Seebad^)  vorgeführt;  ebenso  Pläne 
für  Ostpreußen,  bei  denen  allerdings  die  hervorstechende 
Rechteckigkeit  eine  Geschmacksfrage  sein  mag;  sodann 
Denkmäler.      Unter    diesen     dürften    die    überreichen 


KRIEGSKUNSTAUSSTELLUNGEN  IN  BERLIN 


'  >'      ;  ij.'vMMV  rf\i 


LUDWIG  HÜYER  (WIEN) 
MEDAILLE  AUF  DEN  PROTEKTOR  DER  ALLGEMEINEN  FRÜH|AHRS-AUSSTELLUNG  WIEN 


modernen  Entwürfe  von  R.  v.  Miller  trotz  ihrer  Inter- 
essantheit doch  hinter  den  schlichten  Leistungen  aus 
dem  Kampfgebiet  zurückstehen ;  ein  Modell  von  H. 
Hahn  für  das  Bismarck-Denkmal  am  Bodensee  läßt  sich 
in  der  gegebenen  Vorführung  nicht  leicht  beurteilen; 
und  Metznersche  Entwürfe  sind  von  bekannter  Art. 
Dazu  kommen  historische  Beispiele  in  Photos:  >Das 
Grabmal  der  Vergangenheit«,  ebenso  »Das  Denkmal« 
und  »Der  Friedhof«.  In  einer  besonderen  Blätterfolge 
ist  die  Einordnung  des  Denkmals  in  die  Architektur 
und  ins  Stadtbild,  überhaupt  der  Standort  des  Denk- 
males, sowie  die  Raumgestaltung  gezeigt;  neben  »ein- 
gebauten Denkmälern«  kommt  »die  freisilhouettierende 
Aufstellung  der  Renaissance-  und  Barockzeit  im  Sinne 
einer  raumkünstlerischen  Gesamtgestaltung«. 

Für  Ehrenfriedhöfe  und  Soldatengräber  wird  unter- 
schieden zwischen  Friedhöfen  auf  dem  Schlachtfeld, 
Ehrenfriedhöfen  in  Städten  und  Einzelgräbern;  mehrere 
Künstler  und  öffentliche  Stellen  haben  hier  Vorschläge 
und  Ausführungen  zustande  gebracht.  Am  eigenartigsten 
ist  dabei  wohl  Br.  Evere  vorgegangen:  jedes  Grab  ist 
ein  Blumenbeet,  und  für  die  Reihen  sind  die  Blumen 
so  ausgewählt,  daß  zusammenhängende  Farbeneindrücke 
entstehen,  die  sich  jedoch  wieder  nach  den  drei  gärt- 
nerischen Jahreszeiten  abstufen. 

Dem  Gesamtprogramm  der  Ausstellung:  »Vergleichs- 
und Studienmaterial  zu  den  Problemen  künstlerischer 
Natur  beizubringen,  die  der  Krieg  aufrollt«,  dient  schließ- 
lich auch  oder  erstlich  eine  Abteilung  »Siedelungen«. 
Sie  beschäftigt  sich  mit  dem  plötzlichen  Anwachsen  von 
Städten  und  der  Entstehung  neuer  Ortschaften.  Bei 
diesen  Darstellungen  —  unter  denen  die  Metzendorf- 
Kolonie  Margaretenhöhe  bei  Essen  hervorgehoben  sei 
—  werden  auch  durch  die  moderne  Vorhebe  für  groß- 
linige  Formen  günstige  Wirkungen  hervorgebracht;  und 
gut  schlicht  ist  Br.  Tauts  Entwurf  eines  Invalidenheims 
mit  Werkstatt  für  Falkenberg. 

Das  Berliner  Kunstgewerbemuseum  hat  sich 
an  dem  Getriebe  der  Kriegsausstellungen  durch  zwei 
Veranstaltungen  beteiligt.  Die  eine  sollte  eine  sonst 
blühende,  jetzt  begreiflicherweise  im  Erfolg  eingeschränkte 
Kunstindustrie  der  weiteren  Welt  in  Erinnerung  bringen. 
So  kam  dort  eine  Ausstellung  böhmischer  Kunst- 
und  Glaserzeugnisse  zustande.  Auch  wenn  man 
diese  österreichische  Knnstproduktion  bereits  aus  Literatur 


und  Museen  hochscnätzen  gelernt  hat,  kann  man  hier 
doch  voll  neuer  Bewunderung  stehen,  namentlich  in 
Hinsicht  der  geschmackvollen  Besonnenheit,  mit  der  da 
uralte  Überlieferungen  in  gut  fortschrittlicher  Weise 
fortgeführt  sind,  und  die  doch  vor  energischen  Wir- 
kungen in  vielfältigen  Formen  und  Farben  (mit  man- 
nigfachen blassen  Zartheiten,  aber  auch  mit  viel  Schwarz 
und  Weiß)  nicht  zurückschreckt.  Eine  ganze  Menge 
von  Glasfabriken  vertreten  samt  den  dortigen  Fach- 
schulen den  Ruhm  der  Orte  Haida  und  Steinschönau 
und  weichen,  soweit  unsere  Erinnerung  reicht,  keinem 
Ausland  —  höchstens  vielleicht  französische  Vasen- 
phantasien ausgenommen. 

Die  andere  Veranstaltung  des  Kunstgewerbemuseums 
war  eine,  in  Berlin  19.  März  bis  16.  April  beginnende 
Wanderausstellung  »Kriegergrabmal  und  Krieger- 
denkmal«, zusammengestellt  von  der  Städtischen 
Kunst  halle  in  Mannheim  mit  Hilfe  des  dortigen 
Bundes  zur  Einbürgerung  der  bildenden  Kunst.  Aus- 
gangspunkt: das  Verlangen  nach  dem  tiefen  Ernst  und 
der  schlichten  Würde,  die  allein  der  stillen  Größe  der 
toten  Helden  gemäß  seien,  nach  einer  besonnenen  Kunst, 
die  durch  Sachlichkeit  und  Selbstbeherrschung  den 
mannhaften  Geist  der  schweren  Zeit  ausdrücke.  Im 
Gegensatze  zu  den  Grabmälern  sei  für  die  neuen  Denk- 
mäler Zeit  nötig.  Wir  seien  es  unseren  Kämpfern 
schuldig,  auf  ihre  Rückkehr  zu  warten,  ehe  wir  uns  für 
die  Dauer  entscheiden.  »Sie  werden,  so  hoffen  wir, 
aus  ihren  ergreifenden  Erlebnissen  den  Haß  gegen  die 
große  Geste  und  das  leere  Pathos  heimbringen  und  dazu 
helfen,  daß  die  künstlerische  Gesinnung  des  deutschen 
Volkes  sich  einstelle  auf  innerliche,  wahrhaftige  Einfalt 
und  Größe.« 

Beginnen  wir  den  Einblick  in  diese  Ausstellung  von 
rückwärts,  so  finden  wir  ebenso  wie  in  der  Hagener 
eine,  allerdings  auf  das  Kriegerische  beschränkte,  Samm- 
lung älterer  Kriegergrabmäler  und  -denkmäler  von  der 
Vorzeit  bis  zu  »den  edlen  Schöpfungen  aus  der  Zeit  des 
Klassizismus,  die  in  Gehalt  und  Form  den  Geist  der 
Freiheitskriege  atmen«,  und  deren  Gesinnung,  »das  Be- 
scheidene, Vornehme,  Innerliche,  und  die  Reife  ihrer 
bildnerischen  und  architektonischen  Gest.ilt«,  unseren 
Künstlern  und  Bestellern  Maßstab,  Hilfe,  Ziel  werden 
sollte.  —  In  dieser  Abteilung  »Kriegergrabmäler  1790 
bis  1850«  steht  voran  der  Lehrer  Schinkels,  der  Erbauer 


WIENER  KUNSTBRIEF 


des  hierzulande  beliebten  Schlosses  Paretz:  Friedrich 
Gilly  (1771  — 1800);  Werke  von  K.  F.  Schinkel  selbst 
fehlen  natürlich  nicht.  In  der  Abteilung  »Denkmäler 
der  Befreiungskriege«  überraschen  als  ganz  besonders 
eigenartig  die  von  C.  D.  Friedrich  (1774 — 1840),  dem 
hier  seit  einiger  Zeit  wiedererweckten  pommerschen 
Landschaftsmaler. 

lieginnen  wir  den  Ausstellungsbesuch  von  vorne,  so 
bekommen  wir  zuerst  mit  Photos  vorhandener  Grab- 
miler  zu  tun,  teils  aus  dem  inneren  Land  (z.  B.  vom 
Münchener  Waldfriedhof  mit  seiner  reichen  Abwechs- 
lung von  Formen),  teils  aus  dem  Kampfgebiet.  Hier 
komme  alles  darauf  an,  daß  man  >nur  das  Notwendige 
in  möglichst  bodenständigen  Baustoffen  und  guten  Ver- 
hältnissen für  die  Dauer  herrichte«,  eingefügt  in  die 
Landschaft,  mit  Vermeidung  der  gefährlichen  Unkunst 
des  Kleinlichen,  Lauten,  Bunten,  der  »Riesenmotive  im 
Zwergenformat«.  — Bei  diesem  Material  mögen  die  Arten 
von  Kreuzen  interessieren.  Hier  wie  auch  bei  den  Ent- 
würfen herrscht  die  einfachste  Kreuzesform  vor.  Dann 
aber  erscheint  häufig  das  »Eiserne«,  d.  h.  die  von 
Schinkel  geprägte,  aus  dem  alten  Malteserkreuz  ab- 
leitbare Gestalt  mit  den  nach  außen  verbreiterten  Armen, 
häufig  in  der  Mitte  oder  hinter  den  Armen  einen  Kreis 
tragend.  Außerdem  zeigt  sich  als  beliebt  die  Endigung 
der  Arme  in  Kleeblättern,  also  die  Grundform  des 
Patriarchenkreuzes,  mit  zwei  oder  auch  drei  Querarmen, 
von  denen  nicht  selten  der  unterste  schräg  steht  (von 
links  oben  nach  rechts  unten).  Auch  die  kreuzförmigen 
Flugzeugflügel  kommen  zwischen  den  Kreuzen  vor. 

Die  Hauptmasse  der  Ausstellung  bilden  neue  Ent- 
würfe, Vorschläge  usw.  Von  den  Aufnahmen  aus 
dem  Felde  selbst  sind  sie  nicht  durchgehends  geschieden 
oder  unterscheidbar.  So  in  der  Sonderabteilung  aus 
dem  Arbeitsgebiete  des  K.  K.  Militärkommandobereiches 
Krakau.  Merkwürdig,  wie  einem  beim  Eintritt  in  diese 
österreichisch-ungarische  Abteilung  eine  Stimmung  des 
Farbenfreudigen  oder  gleichsam  des  Melodiösen  umfaßt! 
Unter  den  Aufnahmen  des  Vorhandenen  fällt  hier  ein 
Feldkreuz  auf  (Kote  402  bei  Tarnöw  Mai  191 5),  dessen 
Christusbild  durch  feindliche  Granaten  teilweise  zerstört 
wurde,  und  dem  der  Sinnspruch  »Sicut  dolor  vester 
sie  est  dolor  meus«  beigegeben  ist.  Unter  den  Pro- 
jekten erwähnen  wir  solche  für  einen  neuen  Helden- 
friedhof bei  Limanowa. 

Objektaufnahmen  und  Entwürfe  verbinden  sich  in 
den  Ausführungen  eines  Auftrages  des  preußischen 
Kriegsministeriums  im  Einvernehmen  mit  dem  Kultus- 
ministerium: Architekten  und  Bildhauer  samt  Garten- 
künstlern bereisten  die  Kriegsgebiete  und  machten  auf 
Grund  der  Befunde  bestimmte  Vorschläge  zur  Vervoll- 
kommnung und  Erhaltung,  die  zugleich  als  Beispiele  für 
ähnliche  Fälle  dienen  können.  Von  den  hier  ausge- 
stellten Beispielen  dafür,  meist  nur  in  knappen  Skizzen, 
seien  neben  denen  von  Br.  Paul  und  L.  Manzel  für 
Suwaiki  und  von  H.  Poelzig  für  Grodno  die  von  U. 
Janssen  (Stuttgart)  für  Bjelostok-Slonim  als  besonders 
gut  angepaßt  und  als  im  besten  Sinn  elementar  gerühmt. 
Im  übrigen  ist  an  Entwürfen  noch  viel  Mannigfaltiges 
der  Anerkennung  wert.  So  die  Rundanlagen  von  H. 
Maß  in  Lübeck;  so  Entwürfe  von  W.  Kreis  in  Düssel- 
dorf; solche  von  O.  Bartning  in  Berlin  u.a.;  die 
Wiener  Kunstgewerbeschule  zeigt  die  von  dort  bekannten 
zart  aparten,  manchmal  auch  sehr  reichen  Gestaltungen. 

Mit  Recht  ist  darauf  hingewiesen,  daß  sich  Ideal- 
entwürfe ohne  Rücksicht  auf  die  tatsächlichen  Verhält- 
nisse nicht  verwerten  lassen,  daß  endgültige  Lösungen 
nur  jeweilig  für  den  einzelnen  Fall,  den  Standort,  die 
Umgebung  ausgeprobt  werden  können  und  daß  sie  unter 
berufener  Leitung  langsam  reifen  sollten.  Immerhin 
gibt  es  doch  auch  »ortlose«  Weisungen.  So  die,  daß 
beieinander  stehende   Grabzeichen  in   größerer  Anzahl 


stets  aus  gleichem  Stoff,  in  gleicher  Größe  und  in  mög- 
lichst gleichen  Formen  sein  sollten.  So  auch  die  War- 
nung vor  »kleinlichen  Motiven  gefälliger  Parkkunst«, 
welche  »die  ruhigen  Linien  wahrer  Größe  verzärteln«, 
und  vor  den  »völlig  unwirksamen  Ziergärtchen  in  der 
Einöde  der  Schlachtfelder«.  Von  neu  zu  pflanzenden 
»Heldenliainen«  ist  natürlich  abgesehen  worden,  dagegen 
auf  Anschluß  an  vorhandene  Naturobjekte  wie  Hügel 
oder  Baumgruppen  Bedacht  genommen.  Wir  möchten 
noch  als  eine  gleichfalls  ort-  (und  zeit-)  lose  Bitte  die 
hinzufügen,  neben  so  würdigen  und  überschaubaren 
Schriftformen,  wie  sie  hier  (z.  B.  aus  der  Schule  W. 
Haverkamps  in  Berlin)  vorkommen,  etwas  zurück- 
haltender gegen  solche  zu  sein,  die  fast  in  mutwilliger 
Weise  schwer  leserlich  gehalten  sind  —  und  ebenso 
gegen  derart  geschmacklose  Verwendungen  des  doch 
künstlerisch  nicht  widerspenstigen  Rohziegelmateriales, 
wie  sie  aus  der  Hand  eines  berühmten  Berliner  Modernen 
ausgestellt  sind. 

Freude  macht  schließlich  auch  der  Eifer  von  zuge- 
hörigen Vereinen  usw.  Preise  waren  ausgeschrieben 
vom  Verein  deutscher  Granitwerke ;  den  ersten  erhielt 
der  Münchener  H.  Haas.  Gut  ländlich  arbeitet  die 
Bayerische  Landesgewerbeanstalt  zu  Nürnberg ;  auch  der 
Bayerische  Verein  für  Volkskunst  und  Volkskunde  fällt 
gut  auf;  und  unter  den  bayerischen  Künstlern  ragt 
0.0.  Kurz  hervor.  Ein  sächsischer  und  ein  steirischer 
Bund  für  Heimatschutz  tragen  das  Ihrige  bei.  Unschein- 
bar, aber  gut  eigenartig  sind  endlich  die  Entwürfe  der 
Warmbrunner  Holzschnitzschule. 


WIENER  KUNSTBRIEF 

Aquarell-Ausstellung  im  Künstlerhaus.  — 
Dürerbund-Ausstellung  —  Ausstellung  der 
Vereinigung  bildender  Künstlerinnen.  Kunst- 
Auktion  im  Dorotheum. 
VY7enn  es  zu  Beginn  des  Krieges  und  auch  noch  einige 
Zeit  nachher  den  Anschein  hatte,  als  würde  das 
Wiener  Kunstleben,  soweit  die  bildenden  Künste  in  Be- 
tracht kommen,  vollständig  erstarren,  so  ist  jetzt  nach 
mehr  als  zwanzigmonatlicher  Dauer  des  ungeheueren 
Ringens  nichts  mehr  davon  zu  spüren  und  auch  die 
Kauflust  des  Pubhkums,  besonders  einzelner  Gönner 
—  das  Kaiserliche  Haus  und  die  Gemeinde  Wien  gehen 
meist  mit  gutem  Beispiel  voraus  — ,  zeugt  von  einer 
erfreuUchen  Regsamkeit. 

Kaum,  daß  die  alljährliche  Herbst-Ausstellung  im 
Künstlerhause  geschlossen  war,  kommt  der  Aquarelli- 
sten-Klub, um  sich  den  kunstliebenden  Kreisen  Wiens 
vorzustellen.  Aber  nicht  allein  auf  Aquarelle,  die  der 
Ausstellung  ihren  Namen  gegeben,  beschränkt  sich  die 
diesmalige  Kunstschau,  sie  vereinigt  in  ihrem  Rahmen 
auch  Tempera,  Pastell,  Radierungen  und  Zeichnungen, 
selbst  die  Kleinplastik  hat  bei  ihr  freundliche  Unterkunft 
gefunden.  Was  aber  bei  allen  neueren  Ausstellungen 
der  Wiener  Künstlerschaft  unerfreulich  auffällt,  ist  die 
Vernachlässigung  der  »religiösen«  Kunst,  die  angesichts 
ihrer  Bedeutung  bedauerlicherweise  viel  zu  sehr  bei- 
seite geschoben  wird.  Diesmal  ist  es  A.  D.  Goltz 
ganz  allein,  der  das  rehgiöse  Motiv  zur  Geltung  bringt. 
In  sechs  stiminungsvollen  Bildern  —  eine  Aquarellen- 
folge —  bringt  der  Künstler  ein  Stück  Marienleben, 
mit  vieler  Feinheit  illustriert. 

Unter  den  der  kriegerischen  Atmosphäre  entrückten 
ausgestellten  Schöpfungen,  welchen  wir  zuerst  unsere 
Aufmerksamkeit  zuwenden  wollen,  ist  manches  sehr 
Beachtenswertes  zu  verzeichnen.  Besonders  Landschaft 
und  Genre  herrschen,  wie  auch  sonst  meist,  hier  vor. 
Hugo  Darnauts  Nachmittagssonne  sowie  sein  farben- 
sattes Wienerwaldbild  bestechen  durch  ihr  leuchtendes 


WIENER  KUNSTBRIEF 


Kolorit  und  den  Stimmungsgehalt,  der  aus  ihnen  spricht. 
Karl  Duxa  bringt  wertvolle  westfälische  Interieurs, 
Kar  pell  US  einen  fröhlichen  AlraLMirausch,  Hugo  Char- 
lemont  ein  Stilleben,  Rothaug  neben  einer  Dryade 
einen  kraftvollen  Bergfrühling,  Kinzel  ein  Idyll  aus 
alten  Tagen.  Etwas  sehr  Feines  stellt  Kasparides  in 
seinem  Bild  >Reif<  aus,  dessen  vielseitige  Vorzüge  sich 
auch  in  seinem  zweiten  Bild  > Spätabend  am  See«  offen- 
sichtlich  geltend  machen.  Ranzoni  bringt  vorzüg- 
lich gemalte  Guaschen:  »Marienkirche  in  Bud weis«  und 
»Regensburg«  und  »Ulm«,  Tomec  solche  aus  der 
rebenumkränzten  Wachau,  welch  letztere  für  unsere 
heimisclien  Künstler  ein  unerschöpflicher  Quell  bleibt; 
Hlavacek  führt  uns  in  einer  der  prächtigen  Gärten  in 
Döbling,  Maria  Egners  mit  >Arabba«in  die  Bergwelt 
der  Doiomitenstraße,  Julius  von  Blaas  zeigt  eine 
realistisch  gemalte  Schotterfuhr  mit  einem  feinen  land- 
schaftlichen Hintergrund.  Des  weiteren  sieht  man  von 
Max  Suppan tschitsch  ein  Aquarell  Osterstimmung, 
von  Leitner  ein  paar  Temperabilder  aus  der  Türmitzer 
Gegend  »Das  stille  Tal«  und  »Der  Hohlweg«,  von  Grill 
gleichfalls  eine  Ansicht  von  Regensburg  und  von  Wilt 
einen  Herbstflor  aus  dem  Mirabellgarten  in  Salzburg. 
Prachtvoll  ist  das  Tempera  Gemälde  »Tauernpaßi  von 
Anton  Kaiser,  einem  unserer  besten  Radierer.  Ed. 
Zetterle,  der  getreueste  Pfleger  der  Aquarelltechnik, 
glänzt  mit  einigen  landschaftlichen  Motiven,  außerdem 
durch  ein  Blumenstück  »Spätherbst«.  Karl  Pippichs 
Alter  Schloßhof  in  Eppan  bei  Bozen  löst  eine  gute 
dekorative  Wirkung  aus.  Mit  ehrlich  gemalten,  gut 
beobachteten  Genrebildern  tun  sich  hervor:  Delitz  mit 
seinen  »Russischen  Bäuerinnen«,  Germela  mit  »Leuten 
von  Zeeland«,  Onken  mit  den  Bildern  von  Abbazia 
und  vom  Gardasee,  Liesel  Kingel  mit  dem  Verlassenen 
Garten,  Therese  Schachner  mit  einem  Angbacher 
(Wachauer)  Motiv,  Fischer-Köy Strand  mit  seinem 
prahlerisch-prunkenden  »Landsknecht«  wie  mit  »Sere- 
nissimus und  die  Höckerin«,  Ferdinand  Brunner 
mit  seinem  »Einsamen  Dörfchen».  Eine  starke  koloristi- 
sche Wirkung  erzielt  auch  Ameseder  mit  seinem 
Klosterhof,  der  auch  durch  seine  Architektur  angenehm 
fesselt.  Die  Architektur  an  sich  ist  in  der  gegenwärtigen 
Ausstellung  nicht  übermäßig  zahlreich,  aber  durchweg 
mit  guten  Arbeiten  vertreten.  Aus  dem  mehrfach  vor- 
handenen Mittelwert  ragen  hervor:  Graners  Wiener 
Studien,  von  diesen  wieder  der  alte  Wiener  Univer- 
sitätsplatz, von  Straka  einige  Alt- Wiener  Höfe,  von 
Johanna  Kaserer  ein  hübscher  Blick  über  alte  Dächer 
in  Struden.  Kanopa  ist  nach  Bayern  gegangen  und 
überrascht  uns  mit  dem  Augsburger  Rathausplatz.  Bei 
den  Porträts  treten  Klemens  von  Pausinger  und 
Rauchinger  mit  einigen  sehr  bemerkenswerten  Pastells 
hervor,  auch  Viktor  Scharfs  weibliche  Bildnisstudie 
in  Kohle,  Hessl's  Studienkopf  sowie  die  Porträt- 
zeichnungen von  Wind  hager,  Stössel,  Granitsch, 
Curry,  Grill,  die  Miniaturen  von  Annie  Zarko- 
witsch,  die  Pastellstudie  Michaleks,  Kanopas 
Frauenbildnis  und  die  Aquarellbildnisse  Ludwig  Kochs, 
letztere  meist  Porträts  hoher  militärischer  Würdenträger, 
sind  tüchtige  Leistungen. 

Von  den  Radierern  haben  sich  Thuma,  Raimund 
Wolf  und  Stössel,  alle  alte  Bekannte,  eingefunden; 
zu  diesen  tritt  diesmal  noch  ein  Neuling,  Stephan 
Eggeier,  hinzu,  der  sich  mit  seinen  »Vagabunden«,  zwei 
Schabkunstblättern,  und  einem  Selbstporträt  vorteilhaft  ein- 
führt. Die  vorzüglichen  Zeichnungen Veiths  aus  seinen 
Skizzenbüchern  sollen  noch  besondershervorgehoben  sein. 

Unter  den  mannigfachen  Darbietungen  der  dem  gegen- 
wärtigen Weltkriege  entnommenen  Motive  ist  es  1.  N. 
Geller,  der  durch  hohe  malerische  Q.ualität  seiner 
Arbeiten  auffällt.  Es  sind  etwa  zwei  Dutzend  mit 
farbiger  Kreide   gehöhte  Federzeichnungen,   von  denen 


die  beiden  Studien  »Eine  von  den  Russen  verwüstete 
Stadt«  und  eine  »Zerstörte  Kirche«  aus  der  Gegend 
von  Lubhn,  sich  durch  Stimmungsgehalt  und  Größe 
der  Auffassung  auszeichnen.  Gsurs  Feldmesse  der 
Deutschmeister  könnte  nicht  würdiger  zur  Darstellung 
gebracht  werden.  Karlinskys  Bilder  vom  Korps  Hoff- 
mann, Adolf  Schwarz,  das  Auslaufen  der  Eskader 
aus  Pola,  Karl  Pippichs  kolorierte  Zeichnungen  — 
insbesondere  sein  Trainlager  bei  Mondschein  — ,  die 
interessanten  Schilderungen  Fahringers,  die  von 
Stacheldraht  durchzogenen  Gebirgsmassiven  von  Prinz, 
Hans  Larwins  marschierende  drei  Soldaten,  die  charak- 
teristischen Typen  von  John  Cluincy  Adams,  Schu- 
ster, Klein  und  anderen  sind  durchwegs  bemerkens- 
werte Leistungen  aus  den  großen  Geschehnissen  des 
Ringens  der  Völker. 

Wie  schon  eingangs  dieser  Zeilen  erwähnt,  ist  auch 
die  Kleinplastik  lobenswert  vertreten.  Die  Groß- 
plastik fehlt,  da  zur  Zeit  für  diese  keine  Aufträge  vor- 
handen sind.  Der  Hauptauftraggeber,  der  Staat,  hat 
jetzt  für  statuarische  Werke  kein  Geld  übrig.  Unter 
den  Kleinplastikern  sind  es  C.  M.  Seh  werd  tner,  der 
Urheber  des  so  volkstümlich  gewordenen  Schwarz- 
Gelben  Kreuzes,  mit  drei  kleinen  fein  durchgearbeiteten 
Bronzen:  »Berittener  Tiroler  Landesschütze  auf  Wache«, 
der  Handgran.itenwerfer  und  die  >Schleichpatrouille<, 
Zeleznys  Held,  Perls  Löwengruppe,  Cancianis  aus- 
drucksvoller Arljeiter,  Lewandowskis  Porträt-Relief 
des  Grafen  Dzieduszycki  und  die  Bronze-Medaille  »Auf 
dem  Felde  der  Ehre«,  die  auf  der  Reversseite  das  Bild 
der  Madonna  von  Czenstochau  trägt  ferner  Endstorfers 
Kinderköpfchen,  die  sich  anspruchslos,  aber  mit  Ge- 
schmack der  Ausstellung  eingefügt  haben. 

Im  Kunstsalon  Wawra  hat  der  »Dürerbund« 
diesmal  seine  Kunstschau  veranstaltet,  die  sehr  gewählt 
ist  und  neben  einer  Kollektivausstellung  des  im  Felde 
weilenden  Oberleutnants  Hayd,  im  ganzen  ungefähr 
150  Nummern  umfassen  dürfte.  Viele  dieser  Objekte 
hätten  gewiß  auch  die  Jury  der  älteren  Künstlerver- 
einigungen befriedigt  und  würden  zweifellos  Zierden 
jeder  größeren  Ausstellung  sein,  so  z.  B.  die  mit  hohem 
Verständnis  und  bedeutendem  Können  geschaffenen 
Flottenbilder  von  Frhr.  von  Ehrmanns.  Zwei  aus- 
gezeichnete Bilder  bringt  Hans  Grötzinger,  ein  Inte- 
rieur »In  meinem  Heim«  und  «Die  Kirche  im  Erdberg«. 
Besonders  interessant  sind  die  Aquarelle  von  Fritz 
Lach.  Die  »Kartoffelernte«,  auch  im  figürlichen  Teil 
wertvoll,  wird  viel  beachtet,  doch  sind  die  landschaft- 
hch-architektonischen  Stoffe  von  dem  Künstler  bevor- 
zugt. Für  das  Bild  »Die  Kartoffelernte«  erhielt  Fritz 
Lach  den  Preis  der  Stadt  Wien.  Gute  Raumverteilung 
und  großzügige  Beliandlung  sind  den  Bildern  von 
Erich  Lamm  eigen.  Hans  Schachingers  Kirch- 
gang zeigt  ein  lebhaft  feines  Kolorit,  Karl  Lorenz 
Sonnige  Mühle  in  Mergenstetten  besitzt  neben  großem 
Stimmungsgehalt  viele  technische  Vorzüge.  Von  mehreren 
Bildern  Drahs  ragt  eine  Partie  bei  Tülle  ausdrucks- 
voll hervor;  auch  August  Aichberger  und  Ernst 
Stifler  lassen  einige  recht  hübsche  landschaftliche 
Motive  in  gewandter  Ausführung  und  durchweg  poesie- 
voll gedacht  in  der  Ausstellung  sehen.  Als  feinfühliger 
Künstler  aus  der  Rumpier  Schule  gibt  Paul  Hansa 
einige  Werke  von  zarter  Technik  und  schlichter  Ein- 
facliheit.  Weitere  beachtenswerte  Arbeiten  finden  sich 
noch  von  Alfred  Wesemann,  Franz  Schütz, 
Alexander  Scherba,  Leop.  Widlizka,  Anton 
Fikulka,  Josef  Rausnitz,  Karl  Probst,  Theodor 
von  Lindenau,  Elsa  Schwarz,  R.  Kiemer,  Emma 
Löwenstamm  und  F.  Körberl.  Mit  den  frischen 
Karikaturen  unseres  heimatlichen  Hans  Kaplan  sei 
nunmehr  der  Bericht  über  die  gegenwärtige  Ausstellung 
des  Dürerbundes  beendet. 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


Gänzlich  unter  dem  Zeichen  der  Jurylosigkeit  steht 
die  Ausstellung  der  Vereinigung  bildender 
Künstlerinnen.  Wenn  in  den  früheren  Ausstellungen 
dieser  Vereinigung  sich  manches  Revolutionäre  und 
Hypermodernisierende  etwas  übermäßig  breit  gemacht 
hatte,  so  ist  diesmal  eine  Wandlung  zum  Besseren  ein- 
getreten. Natürlich  sind  es  Genre  und  Landschaft,  die 
das  Ganze  beherrschen,  aber  auch  an  hübschen  und 
fleißig  gemalten  Porträtstudien  ist  kein  Mangel.  Maria 
Frimbergers  Himmelpfortslegende,  Jsa  Jechls 
Wiener  Typen,  Anka  von  Löwenthals  Hannakin, 
auch  Olga  von  Wisinger  ist  mit  einer  prächtigen 
Herbstlandschaft  vertreten,  Maria  Egner  mit  Trut- 
hähnen aus  dem  Odenwald,  Frau  Neumann-Pisling 
und  Dora  Kiefel  mit  feinen  Stilleben,  ferner  Agate 
Adler,  Baronin  Kraus,  Ella  Rother  und  manche 
andere,  die  wegen  Mangel  eines  Katalogs  zu  schwer 
festzustellen  sind,  haben  manches  Gute  gebracht.  An 
»Zeichnungen«  ist  viel  des  Trefflichen  zu  sehen. 
Von  Frau  von  Murad-Michalkowska:  Die  Kanzel 
der  Stephanskirche  und  der  AndromedaBrunnen  Raphael 
Donners.  Bei  den  Porträts  bringt  Jose f ine  Swoboda 
eine  ganze  Kollektion  Miniaturbildnisse  und  Studien- 
köpfe. Minna  Löbel  hat  ein  Frauenbildnis  in  ganzer 
Figur  ausgestellt,  Marianne  Hausmann  ein  Porträt 
von  Professor  Grünhut,  Theresa  von  Mor  eine  hüb- 
sche farbige  Zeichnung.  Mit  Bildnisstudien  stellten  sich 
auch  noch  Angela  Adler  und  Frau  Baronin  Brand- 
Krieghammer  ein.  Über  Erwarten  zahlreich  und  gut 
ist  die  Radierung  vertreten  durch  eine  Reihe  Blätter. 
Die  Skizzen  aus  Paris  und  London  von  Tanna  Hörne s- 
Kasimir  verraten  eine  glückliche  Hand,  aber  auch 
die  Blätter  von  Maria  Adler,  Fanni  Faber,  Magda 
von  Lere h,  AdaSchweinburg,  Mariska  Augustin, 
Blanke  Glossy  und  Mitzi  Merbach  sind  lobenswert. 
Mit  originellen  Holzschnitten  hat  sich  Ella  Tornquist 
—  ein  starkes  Talent  —  eingefunden.  Die  Plastik  wird 
hauptsächlich  durch  Josefine  Ch risten,  Johanna 
Meier-Michl  und  M.  von  Horsetzky  vertreten,  in 
kleineren  keramischen  Kunstwerken  durch  Frau 
Schwartz-Lehmann,  Sitte,  Neuwirth  und  John. 
In  der  modernen  Abteilung  sind  die  Radierungen  von 
Helene  von  Kulczyczka,  >Aus  der  Geschichte  eines  un- 
glücklichen Volkes«,  die  in  Käthe  Kollwitz  ihr  unver- 
kennbares Vorbild  haben,  zu  nennen,  von  Henriette 
Goldenberg  das  Triptvchon  Aschenbrödel,  von  Elsa 
Ohjen-Kasimir  ein  Strandbild,  von  Johanna  Freund  eine 
Studie;  auch  Frau  Luise  Fraenkel  Hahns  Blumenvase 
zählt  mit  zu  den  besten  Leistungen.  Ihre  individuell 
ausgeprägte  Richtung  oder  Stellung  zeigen  die  Symbo- 
listin Pecival-Chalupek,  die  ihre  hohe  dekorative  Be- 
gabung zeigende  Carola  Nahovska,  ferner  Frau  Edith 
von  Krafft-Granström  und  Minna  Podhajska.  Auch 
Spitzen,  Stickereien  und  Handarbeiten  verschiedenster 
Art  schließt  diese  über  Erwarten  reichhaltige  Ausstellung 
ein,  doch  würde  es  selbstverständlich  zu  weit  führen, 
auch  hierüber  zu  berichten. 

Mit  der  neuesten  Bilder-Auktionim>Dorotheum« 
wollen  wir  unseren  Kunstbrief  aus  der  Kaiserstadt  an 
der  Donau  beschließen.  Nach  nahezu  anderthalbjähriger 
Kriegsdauer  wagte  man  es  zum  ersten  Male  wieder, 
eine  größere  Versteigerung  von  Gemälden  zu  veran- 
stalten, doch  war  man  über  ihren  pekuniären  Erfolg 
sehr  im  Zweifel.  Und  nun  geschah  das  Unerwartete. 
Am  Schlüsse  der  Auktion  waren  für  nicht 
weniger  als  3  50  ooo  Kronen  Gemälde  verkauft, 
ein  Ertrag,  der  selbst  in  Friedenszeiten  nicht  häufig 
erreicht  wurde.  In  der  Hauptsache  war  es  der  künst- 
lerische Nachlaß  des  verstorbenen  Direktors  der  Länder- 
bank.  Palmer,  dem  man  noch  eine  Anzahl  weiterer 
Bilder  angliederte.  Richard  Ricdl 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Alte  Wandbilder.  — Die  Wiederauffindung  älte- 
rer W'andmalereien  ist  seit  etlicher  Zeit  an  der  Tages- 
ordnung. Sehr  oft  stellt  sich  dabei  heraus,  daß  die 
mit  beträchtlichem  Aufwände  von  Mühe  und  Kosten 
der  Vergessenheit  entrissenen  Reste  besser  hätten  un- 
entdeckt  bleiben  dürfen;  nur  bisweilen  zeigen  sie  sich 
als  Denkmäler  höheren  Wertes.  Dies  letztere  darf  man 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  von  zwei  Wand- 
malerei-Fragmenten anerkennen,  die  ein  Zufall  bei 
den  im  Jahre  1912  in  der  alten  Augustinerkirche 
zu  München  in  Gange  befindlichen  Arbeiten  bekannt 
werden  ließ.  Sie  fanden  sich  bei  der  Eröffnung  eines 
seit  1805  vermauert  gewesenen  kleinen  Raumes,  und 
zwar  nicht,  wie  sonst  so  häufig,  unter  einer  Tünche, 
sondern  wohlerhalten  —  wenn  man  diesen  Ausdruck 
gegenüber  dem  Umstände  gebrauchen  darf,  daß  die 
eine  Figur  zu  Hälfte  vernichtet  ist.  Ich  will  nur  sagen, 
daß  die  Malereireste  sich  in  ihrer  völligen  farbigen 
Frische  erhalten  haben.  Der  Raum  enthält  einige  Stu- 
fen einer  Wendeltreppe,  die  in  alter  Zeit  zur  Orgel- 
empore und  zum  Dachspeicher  emporführte  und  später 
außer  Gebrauch  gesetzt  worden  ist.  Dieser  Raum  bil- 
det im  Grundrisse  ein  Quadrat  von  1,60  m  und  ist 
annähernd  2'/a  m  hoch.  Innerhalb  dieses  Raumes  (er 
liegt  im  ersten  Geschosse  des  Polizeigebäudes  in  den 
jetzigen  Büros  des  Münchener  Adreßbuchamtes  und  ist 
nur  mittelst  einer  Leiter  zugänglich)  sieht  man  an  zwei 
Wänden  je  eine  Malerei.  Die  Zeit  ihrer  Entstehung  ist 
auf  der  einen  angegeben:  1494;  die  beiden  4  sind 
schon  in  heutiger  Form,  nicht  mehr  in  der  gotischen 
(als  halbe  8)  geschrieben.  Beide  Malereien  stammen 
ersichtlich  aus  derselben  Zeit  und  von  derselben  Hand. 
Leider  hat  später  ein  Wändebekritzler  seinen  Namen, 
einen  Schnörkel  und  die  Jahreszahl  1650  mit  einem 
spitzen  Instrument  in  die  eine  Wand  eingeschrieben; 
so  ist  der  Irrtum  erregt  worden,  dies  sei  die  Entste- 
hungszeit des  nicht  datierten  Bildes  und  jener  Unnütze 
gar  dessen  Maler.  Vielleicht  war  er  es  auch,  der  mit 
einer  Kerze  ein  schwarzes  Kreuz  auf  das  Bild  geräu- 
chert hat.  Die  datierte  Malerei  zeigt  den  kreuztragen- 
den Heiland,  die  nicht  datierte  das  Schweißtuch  der 
hl.  Veronika.  Die  erstere  Gestalt  schreitet  nach  (vom 
Beschauer)  links,  also  stiegenabwärts.  Die  Figur  ist 
Profil,  das  ausdrucksvolle  Gesicht  ist  nach  vorn  gerich- 
tet. Leider  ist  die  vordere  Mitte  der  Figur  zerstört, 
von  dem  herabhängenden  linken  Arm  sieht  man  nur 
etwas  mehr  als  die  breite,  mit  Blut  besprenkelte  Hand. 
Das  Schweißtuch  ist  (abgesehen  von  der  Anräuche- 
rung) tadellos  erhalten.  Das  Tuch  ist  weiß,  die  Fal- 
ten und  Schatten  sind  mit  grünlicher  Farbe  ausgeführt. 
Der  Kopf  ist  von  einem  in  drei  Strahlen  verlaufenden 
roten  Nimbus  umgeben.  Die  Strahlen  zeigen  die  Form 
gotischer  Lilien.  Da  für  den  senkrecht  aufsteigenden 
Strahl  auf  dem  Tuche  nicht  mehr  Platz  genug  war,  so 
geht  er  einfach  ein  Stück  weit  darüber  hinaus.  Das 
ganz  von  vorn  gesehene  Antlitz  zeigt  kräftige  gesunde 
Farbe  (so  auch  beim  Kreuzträger,  während  dessen  Hand 
leichenfarbig  ist),  derbe  Form,  etwas  schwere  Augen- 
deckel. Der  Blick  geht  abwärts  mit  leichter  Wendung 
nach  rechts.  Selir  sorgfältig  ist  die  Malerei  des  dunkeln, 
herunterhängenden,  leicht  lockigen  Haares.  Der  Aus- 
druck des  Antlitzes  ist  voll  Schwermut.  Blutige  Tropfen 
fallen  von  ihm  hernieder.  —  Beide  Malereien  sind  als 
Werke  eines  nicht  eben  bedeutenden  M.ilcrs  anzusehen, 
aber  als  die  eines  solchen,  der  unter  dem  Einflüsse 
guter  Schultradition  stand.  Die  Münchener  .-^rt  jener 
Zeit  ist  in  Form  und  Farbe  unverkennbar.  —  Was  der 
Anlaß  gewesen  ist,  das  enge  Gehäuse  dieser  Wendel- 
stiege also  zu  schmücken,  ist  nicht  mehr  erkennbar, 
übrigens  auch   nebensächlich.     Dagegen   bleibt  bei  der 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 


fragmentarischen  Art  dieser  Malereien  die  Frage  z\i  er- 
wägen, ob  nicht,  was  mir  wahrscheinlich  vorl<omnit, 
sie  zwei  Teile  einer  ganzen  Reihe  von  Passionsbildern 
gewesen  sind.  Diese  würde,  der  Gelirichtung  des 
kreuztragenden  Christus  entsprecliend,  von  oben  nach 
unten  verlaufen  sein.  Etwas  Entscheidendes  l.ißt  sich 
aber  über  alle  diese  Dinge  nicht  sagen.  Docring 

Die  unter  dem  Protektorat  Seiner  Königlichen 
Hoheit  des  Großherzogs  von  Sachsen  stehende 
Renten-  und  Pensionsanstalt  für  deutsche  bil- 
dende Künstler  (Maler,  Bildhauer,  Arclütekten,  Kunst- 
gewerbler,  Zeichner,  Kupferstecher  usw.)  mit  dem  Sitze 
in  Weimar  hat  soeben  den  Bericht  für  das  22.  Ge- 
schäftsjahr erscheinen  lassen.  Bei  der  Anstalt  haben  sich 
die  Folgen  des  Krieges  nur  in  einem  gegenüber  früheren 
Jahren  wesentlich  geringeren  Zugang  an  Mitgliedern  und 
in  einer  Erhöhung  der  Beitragsrückstände  fühlbar  ge- 
macht, ^^'irku^gen,  die  nur  vorübergehend  und  daher 
bedeutungslos  sind.  Das  mündelsicher  angelegte  Ver- 
mögen der  Anstalt  beträgt  1499957,02  M.  Außerdem 
besitzen  die  Ortsverbände  ein  eigenes  Veimögen  von 
106  865,59  M.,  dessen  Zinsertrag  die  Beitragszahlung  ihrer 
Mitglieder  erleichtern  soll.  An  89  Rentner  wurden 
im  verflossenen  Jahre  23932,07  M.  ausbezahlt.  Jeder 
Rentner  erhält  neben  den  durch  die  Beitragsleistung 
selbst  erworbenen,  versicherungstechnisch  bereclineten 
Renten  einen  Zuschuß,  der  gegenwärtig  80  M.  jährlich 
beträgt  und  27'/s%  der  gesamten  Renten  ausmacht. 
Außerdem  werden  den  in  Not  geratenen  Mitgliedern  aus 
einer  besonderen  Hilfskasse  sowie  aus  den  Erträgen  ver- 
schiedener Stiftungen  Beihilfen  gewährt.  Die  Ortsver- 
bandsvorstände in  den  Städten  Berlin,  Darmstadt, 
Dessau,  Dresden,  Düsseldorf,  Frankfurt,  Ham- 
burg, Hannover,  Karlsruhe,  Königsberg  i.  F., 
Leipzig,  München,  Nürnberg,  Posen,  Stuttgart 
und  Weimar  geben  bereitwilligst  nähere  Auskunft  über 
die  Bestimmungen  der  Satzung.  Auch  durch  die  Ge- 
schäftsstelle in  Weimar  wird  der  Jahresbericht  und  die 
Satzung  auf  V\'unsch  kostenlos  zugesandt  und  jede  ge- 
wünschte Auskunft  erteilt. 

Eine  Ausstellung  über  Friedhofskunst  und 
Kriegerehrung  veranstaltet  der  Westfälische  Hei- 
matbund Anfang  Juli  im  Kreuzgang  des  Domes  zu 
Münster.  In  dieser  Ausstellung,  über  die  der  Komman- 
dierende General  des  Stellvertretenden  Generalkomman- 
dos des  VII.  Armeekorps,  Exzellenz  Freiherr  von  Gayl, 
und  der  Oberpräsident  der  Provinz  Westfalen,  Se.  Durch- 
laucht Dr.  Carl  Prinz  zu  Ratibor  und  Corvey,  das  Pro- 
tektorat übernommen  haben,  sollen  neben  vorbildlichen 
alten  Schöpfungen  auf  dem  Gebiete  der  Friedhofkunst 
und  Kriegerehrung  vornehmlich  auch  neuere  ausgeführte 
Arbeiten  und  Planungen  von  Ehrenfriedhöfen  und  Einzel- 
gräbern aus  der  Provinz  Westfalen,  dem  Fürstentum 
Lippe-Detmold  und  dem  Osnabrücker  Land  gezeigt 
werden.  Es  ist  in  Aussicht  genommen,  die  besten  der 
eingelieferten  Arbeiten  im  Modell  herstellen  zu  lassen. 
Die  Ausstellung  wird  später  auch  in  andere  Städte  der 
genannten  Landesteile  wandern. 

Die  Münchener  Jahresausstellung  im  Kgl. 
Glaspalast.  Die  Ausstellung  wird  am  i.Juli  eröff- 
net. Seine  Majestät  der  König  und  Ihre  Majestät  die 
Königin  haben  Ihr  Erscheinen  dabei  zugesagt.  Nach- 
dem die  Vorarbeiten  in  der  Hauptsache  beendet  sind, 
läßt  sich  nunmehr  ein  Überblick  über  die  Gestaltung 
der  Ausstellung  gewinnen  und  es  ist  zu  erwarten,  daß 
dieselbe  hinter  denen  der  letzten  Friedensjahre  nicht 
zurückbleibe,  sondern  daß  sie  vielmehr  durch  ihre  Reich- 
haltigkeit und  die  Mannigfahigkeit  der  künstlerischen 
Eindrücke  das  Interesse  der  Besucher  in  erhöhtem  Maße 


in  Ansprucli  nehmen  werde.  Dafür  dürften  schon  meh- 
rere wertvolle,  eigens  erbetene  Kollektionen  bürgen, 
aus  deren  Anzahl  das  graphische  Kriegswerk  Dettmanns 
sowie  eine  gewählte  Sammlung  des  bekannten  Land- 
schafters llagemeister  besonders  hervorzuheben  sind. 
Unter  den  Münchener  Kollektionen  ist  eine  dem  An- 
denken des  früheren  Präsidenten  v.  Petersen  gewidmet. 
Die  Teilnahme  der  Luitpold-Gruppe,  der  Bayern,  des 
Bundes  und  der  sonst  auch  vertretenen  künstlerischen 
Fachverbände  ist  ebenfalls  gesichert,  so  daß  diese  Jah- 
resausstellung trotz  der  Kriegszeit  das  gewohnte  Bild, 
aber  in  einer  vielfach  nach  neuen  künstlerischen  Ge- 
sichtspunkten getrotfenen  Anordnung,  zeigen  wird. 

Die  Galerie  Eduard  Schulte  eröffnete  am 
IG.  Juni  ihre  neue  Ausstellung  mit  einer  Sonderausstel- 
lung von  60  Werken  des  Aussteller- Verb  an  des 
Münchener  Künstler.  Gleichzeitig  sind  neu  ausge- 
stellt: Anselm  Feuerbach  »Versuchung  des  heiligen 
Antonius <,  Prof.  Dr.  Hans  Thoma  »Wiesenbächlein«, 
Kriegsbilder  »Vor  Verdun«  von  Martin  Frost- Lichter- 
felde, Hochgebirgslandschaften  von  Carl  Reiser-Mün- 
chen, Innenräume  und  Städtebilder  von  Julius  Schräg- 
München,  Landschaften  von  Hans  Strohbach-Dres- 
den   und   Marinebilder   von  Albert  Wenk- München. 

Die  Universität  Würzburg  sendete  ihren  Stu- 
denten heuer  einen  schönen  und  erhebenden  Oster- 
gruß: auf  feinem  Karton  zwei  Dichtungen  und  drei 
Bilder,  letztere  von  Heinz  Seh  lest  1. 

Ein  neuer  Traghimmel  nach  einem  Entwurf 
von  Prof.  A.  Müller  wurde  von  der  Stickerei  M.  Auer 
für   Pfaffing  bei   Wasserburg  (Oberbayern)   ausgeführt. 

Professor  Kaspar  Seh  leibner  vollendete  ein 
Familien-Votivbild  für  den  im  vorigen  Herbst  verstor- 
benen Reichsarchivdirektor  Geheimrat  von  Baumann.  Das 
Gemälde  schmückt  das  St.  Primuskirchlein  in  Bad  Adel- 
holzen (Oberbay.),  wo  Dr.  von  Baumann  begraben  liegt. 

Professor  Hermann  Schneider,  der  künstlerische 
Schriftleiter  der  »Fliegenden  Blätter<,  feierte  am  15.  Juni 
sein  70.  Wiegenfest.  Ehe  Schneiders  Wirksamkeit 
die  Schriftleitung  restlos  ausfüllte,  war  er  selbst  als 
ausübender  Künstler  tätig.  Die  gute  Schule  eines  Dyk 
an  der  Kunstgewerbeschule  in  München,  Moritz  von 
Schwinds  und  (seit  1866)  Pilotys  an  der  Akademie  der 
bildenden  Künste  spricht  aus  jenen  Bildern,  wie  sie  bis 
vor  20  Jahren  von  der  Kritik  und  dem  kaufkräftigen 
Publikum  wohlgefällig  aufgenommen,  entstanden.  Bis 
vor  kurzem  hielt  man  dafür,  über  die  Piloty-Schule  zur 
Tagesordnung  übergehen  zu  können.  Bei  der  jetzigen 
Selbstbesinnung  und  der  einsetzenden  Berechtigungs- 
anerkennung des  Gegenstandes  in  der  Kunst  erinnert 
man  sich  der  Piloty-Schüler  und  ihrer  Werke  mit  freu- 
digem Genuß.  Auch  Schneider  schuf  nach  der  Rück- 
kehr von  der  italienischen  Studienreise  in  jenem  Geist, 
der  einst  (mit  Wirkungen  auf  den  heutigen  Tag)  eine 
große  Künstlerschaft  beseelte:  Historienbilder  großen 
Stils,  Kostümbilder,  Szenen  aus  der  Antike.  Bei  allen 
diesen  Werken,  die  in  ihrer  Gesamtheit  aufzuführen  zu 
weit  ginge,  fällt  neben  der  straffen  Komposition,  der 
erreichten  Stimmungskraft  die  ausgezeichnete  Zeichnungs-' 
gäbe  auf,  die  der  Sohn  des  Mitbegründers  der  »Fliegen- 
den« Gelegenheit  hatte  in  deren  Dienst  zu  stellen.  Die 
Verdienste,  die  sich  Hermann  Schneider  seit  über 
20  Jahren  in  der  Leitung  des  deutschen  Witzblattes 
von  internationalem  Ruf  erwarb,  beruhen  einmal  in 
dessen  Gediegenheit  hinsichtlich  des  künstlerischen  wie  in- 
haltlichen Ausdrucks.  Das  gute  Alte  zulassen  und  dem 
Modernen,  soweit  das  Bereclrtigungsdasein  aus  ihm  spricht. 


BÜCHERSCHAU 


nicht  die  Tore  verschließen,  scheint  der  erste  Grundsatz 
seiner  Leitung  in  langen,  nieinungswechselnden  Jahren 
gewesen  zu  sein.  Schneider  eignet  noch  ein  zweites 
Verdienst,  auf  das  in  der  jetzigen  Zeit  hingewiesen 
werden  muß!  Die  »Fliegenden  Blätter<  sind  das  ein- 
zige größere  deutsche  Witzblatt  künstlerischen 
Stils,  das  sein  eigenes  Volk  nicht  verspottend,  den 
Feinden  Deutschlands  in  diesem  Weltkrieg  keinen  Stoff 
zum  höhnenden  Gelächter  bot! 

Ein  neugotischer  Schnitzaltar.  Realistik  und 
eine  auf  die  (arbige  Wirkung  gotischer  Kirchen  berech- 
nete Farbenfreudigkeit  sind  es,  die  gemeinsam  mit  ein 
oder  zwei  Flügelpaaren  den  Charakter  der  gotischen 
holzgeschnitzten  Flügelaltäre  ausmachen,  wie  sie  um 
die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  in  Deutschland  heimisch 
wurden,  um  dann  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
eine  dominierende  Beherrschung  im  Raumbild  der  Kir- 
chen einzunehmen.  Ohne  sich  von  sklavischer  Nach- 
ahmung leiten  zu  lassen,  drang  Professor  Thomas 
Buscher  (München)  in  diesen  Geist  der  Spätgotik  und 
Frührenaissance  ein  mit  seinem  neuesten  Werk,  das  für 
die  Stadtpfarrkirche  St.  Martin  zu  Tauberbischofs- 
heim  in  Baden  bestimmt,  in  der  letzten  Maiwoche  zur 
Besichtigung  ausgestellt  war. 

Der  Altar  mit  zwei  Flügelpaaren  hat  seinen  Mittel- 
punkt im  Mittelschrein,  in  (dem  Holzschnittfiguren  auf- 
gestellt bezw.  Hochreliefs  auf  den  Flügeln  angebracht 
sind.  Die  Mitte  nimmt  die  Vollfigur  des  auf  dem 
Sessel  sitzenden  Kirchenpatrons  in  Lebensgröße  ein. 
Neben  dem  hl.  Martin  stehen  ebenfalls  in  Rundplastik 
die  hl.  Lioba,  die  Gründerin  der  Stadt  Tauberbischofs- 
heim, und  der  hl.  Sebastian,  der  Schutzheilige  der  Stadt. 
Die  beiden  äußeren  Flügel  erzählen  ebenso  wie  die 
inneren  von  dem  Leben  des  römischen  Kriegers  und 
späteren  Bischofs.  Auf  den  erstgenannten  Flügeln  ist 
dargestellt,  wie  der  Soldat  zur  Spätherbstzeit  mit  einem 
nackten  Armen  seinen  Mantel  teilt.  Es  ist  nicht  Amiens, 
vor  dessen  Toren  sich  die  Begebenheit  abspielte,  son- 
dern Homburg,  der  von  dem  Bestimmungsort  des  Altars 
nur  zwei  Stunden  entfernte  Heimatort  des  Künstlers. 
Eine  Äußerlichkeit,  die  uns  einen  Fingerzeig  gibt,  wie 
sehr  und  warum  der  Meister  mit  inniger  Liebe  an  sei- 
nem Werke  hing,  das  eine  kleine  Lebensarbeit  repräsen- 
tiert sowohl  in  der  künstlerischen  Durchbildung  des 
Gedankens  als  der  Ausführung  bis  ins  kleinste  Detail. 
Die  liebevolle  Plinneigung  zum  Gegenstand  spricht  auch 
aus  dem  rechten  äußeren  Flügel  mit  der  Darstellung 
der  Heilung  eines  Kindes  durch  den  heiligen  Bischof, 
zu  dem  die  Großmutter  in  der  Gestalt  der  Künstler- 
Mutter  in  der  um  die  Heilung  ihres  Enkelkindes  bangen- 
den Besorgnis  emporblickt.  Der  Realismus,  der  sich 
in  dem  herben  Antlitz  der  alten  Frau  ausdrückt,  hat 
sein  Gegenstück  in  den  zwei  inneren  Flügeln  mit  der 
Darstellung  der  Klostergründung  und  des  Beistandes, 
den  der  Heilige  als  Bischof  dem  hl.  Liborius  in  der 
Sterbestunde  leistete.  Die  Personen,  vor  allem  der 
Lector  und  der  sich  vordrängende  Kirchendiener,  die 
hier  zur  Füllung  dienen,  sind  keine  herkömmlichen 
wesenlosen  Personen,  sondern  Typen,  die  uns  an  die 
Schaffensart  der  Alten  erinnern,  die  solange  suchten, 
bis  sie  das  ihnen  am  geeignetsten  erschienene  Modell 
gefunden. 

Noch  mehr  offenbart  sich  die  Charakterisierungs- 
gabe Buschers  in  den  vier  Brustbildern  der  EvangeHsten 
an  der  Predella  über  dem  Altartisch.  Diese  ausgepräg- 
ten klaren  Männerköpfe  wirken  auch  ohne  jeden  süß- 
lichen Heiligencharakter  überzeugend  als  Verkünder  des 
Gotteswortes.   Daß  der  Künstler  sich  selbst  als  hl.  Lukas 


verewigte,  zeugt  davon,  wie  er  sich  in  den  Sinn  und 
Gebrauch  der  alten  Meister  einlebte. 

Wenn  uns  der  Schrein  mit  seinen  Flügeln  als  der 
Mittelpunkt  für  die  Modellierungsgabe  des  menschlichen 
Körpeis  gilt,  so  steigert  sich  die  Kunst  bis  zur  Meister- 
schaft in  dem  Tabernakel.  Als  wichtigstes  Ausdrucks- 
mittel diente  dem  Künstler  hier  wie  in  dem  Aufbau 
mit  der  Kreuzigungsgruppe  das  duchbrochene  Ranken- 
motiv. Den  Tabernakelbaldachin  bilden  Rebenstöcke, 
zwischen  denen  Engel  hindurchblicken  und  zur  Anbe- 
tung des  Allerheiligsten  in  ungezwungener  Art  auffor- 
dern. Das  vorzüglich  aus  einem  Stück  geschnittene 
Werk  beleben  Vögel,  die  auf  den  Blättern  sitzen  oder 
an  den  Beeren  picken.  Luftig  und  leicht  wie  der  Bal- 
dachin ist  der  durch  ein  kräftiges  Gesims  getrennte, 
sich  allmählich  in  die  Fialen  verjüngende  Aufbau  mit 
der  Kreuzigungsgruppe  in  der  Mitte.  Blätter,  Blüten 
und  Früchte  wechseln  bunt  miteinander  ab,  kein  Orna- 
ment wiederholt  sich.  Zu  der  Kreuzigungsgruppe  leiten 
in  den  Tagen  der  stillen  Woche,  in  denen  der  Altar 
geschlossen  wird,  gedanklich  die  dann  sichtbaren,  seit- 
lich angebrachten  Randfiguren  der  Heiligen  Ludwig  und 
Veronika  über. 

Alles  ist  gedanklich  fein  durchdacht,  in  der  Ausfüh- 
rung klug  abgemessen  und  erwogen,  so  daß  ein  Monu- 
mentalwerk mit  einzigartiger  Gesarat-  und  Einzelwirkung 
zustande  kam,  zu  dem  sich  seit  langem  kein  Künstler 
mehr  die  Zeit  in  dieser  ausführlichen  Vollendung  nahm. 

W.  Zili-MBncheo 

BÜCHERSCHAU 

Sehen  und  Erkennen.  Eine  Anleitung  zu  ver- 
gleichender Kunstbetrachtung  von  Paul  Brandt. 
272  S.  8°.  Mit  414  Abbildungen  und  einer  farbigen 
Tafel.  Verlag  Ferdinand  Hirt  &  Sohn,  Leipzig.  191 1. 
Preis  geb.  M.  5. — . 

Dieses  Buch  verdient  unter  den  vielen  Führern  zur 
Kunst  einen  hervorragenden  Platz.  Zur  Begründung 
bedarf  es  wohl  nur  der  Bemerkung,  daß  der  Verfasser 
sich  in  geschickter  Weise  die  Methode  Heinrich  Wölff- 
lins  zunutze  macht.  Im  besonderen  ist  das  Buch  so 
angeordnet,  daß  auf  zwei  gegenüberliegenden  Seiten 
zwei  oder  mehr  Abbildungen  von  Werken  der  Archi- 
tektur, der  Plastik  oder  der  Malerei  zusammengesteOt 
sind,  welche  ihrem  Gegenstande  oder  ihrer  formalen 
Behandlung  nach  Vergleichspunkte  bieten.  An  Hand 
solcher  ausgezeichnet  reproduzierter  Werke  und  des 
darunter  stehenden,  jedesmal  in  sich  abgeschlossenen 
Textes  wird  der  Leser  durch  die  Geschichte  der  Kunst, 
angefangen  vom  Hünengrab  und  der  ägyptischen  Grab- 
malkunst bis  zur  Kunst  der  neuesten  Zeit  geführt  unter 
Berücksichtigung  sowohl  historischer  Entwicklungen 
wie  vor  allem  des  künstlerischen  Gehaltes.  So  erfüllt 
das  Buch  sein  im  Titel  > Sehen  und  Erkennen«  gege- 
benes Verspreclien  in  ausgezeiclineter  Weise  und  weckt 
dazu  noch  ein  gutes  Empfinden  für  die  Kunstformen. 
Der  Preis  ist  in  Anbetracht  des  Gebotenen  und  der 
sehr  guten  Ausstattung  auffallend  billig  zu  nennen. 
Der  Wert  des  Buches  wird  nicht  herabgemindert,  wenn 
z.  B.  S.  148  von  den  Mönchen,  welche  an  der  Leiche 
des  hl.  Franz  von  Assisi  das  Libera  singen,  gesagt  wird, 
daß  sie  die  Totenmesse  zelebrieren,  oder  wenn  es 
S.  187  heißt,  daß  die  mittelalterliche  Kirche  die  Evan- 
gelistensymbole  entwickelt  habe,  die  in  Wiiklichkeit 
aber  schon  in  der  altchristlichen  Kunst  voll  ausgeprägt 
sind.  Vgl.  z.  B.  das  Mosaik  am  Triumphbogen  von 
S.  ApoUinare  in  Classe  in  Ravenna  und  zahlreiche  an- 
dere Darstellungen  bis  hinauf  ins  4.  Jahrhundert. 

Dr.  A.  Huppertz,  Köln 


Fttr  die  Rediklion  vcnniwonlich :  S.  Suadbimcr  (Promenadeplatz  3) :  Verlag  der  Gesellschaft  für  cbrisilicbe  Konst,  GmbH. 
Dnick  von  F.  Brnckmann  A.  G.  —  Sämtlicbe  in  München. 


BEILAGE 


AUSSTELLUNG  DER  DRESDENER  KÜNSTLERVEREINIGUNG 


AUSSTELLUNG  DER  DRESDENER 
KÜNSTLERVEREINIGUNG 

Tn  der  sächsischen  Hauptstadt  lagen  leider  bisheran  die 
Verhältnisse  für  ständig  sich  wiederholende  kleinere 
Kunstausstellungen  sehr  im  argen.  Die  beiden  Kunst- 
handlungen Arnold  (Gutbier)  und  Richter  halten  für 
Ausstellungen  einer  Künstlergemeinschaft  unzureichende 
Räume.  Der  Kunstverein  auf  der  »Terrasse«  lionntc 
keinem  Verein  Räume  dauernd  zur  Verfügung  stellen. 
Das  Ausstellungsgebäude  am  Großen  Garten  kann  nur 
für  sehr  große  Darbietungen  in  Frage  kommen.  Der 
älteste  Dresdener  Künstlerverein,  Die  Kunstgenossenschaft, 
hat  in  der  Grunaerstraße  ihr  eigenes  Heim.  Im  Laui'c 
der  Jahre  hat  sie  die  Führung,  trotzdem  tüchiige  Künst- 
ler zu  ihren  Mitgliedern  zählen,  vollständig  verloren. 
Architekten  und  Kunstgewerbler,  die  sich  für  die  im 
Jahre  191 6  in  Dresden  stattgefundene  Kunstgewerbe- 
ausstellung fanden,  gründeten  die  Zunft,  der  sich  später 
die  Elbier  anschlössen.  Aus  diesem  Zusammenschluß 
entstand  die  Künstlervereinigung,  die  heute  über  90  Mit- 
glieder, darunter  Architekten,  Bildhauer  und  Maler  an- 
erkannten Rufes,  zählt. 

Es  ist  wohl  kein  bloßer  Zufall,  wenn  der  verstorbene 
Stadtbaurat  Hans  Erl  wein,  der  langjährige  Vorsitzende 
dieser  Vereinigung,  im  Auftrag  der  Stadt  Dresden  einen 
neuen  Ausstellungsbau  schuf,  der  der  Dresdener  Künst- 
lervereinigung auf  die  Dauer  von  vorläufig  fünf  Jahren 
für  ihre  Ausstellungen  überlassen  werden  soll.  Erlwein 
verlegte  ihn  draußen  an  der  Lenn&traße  unmittelbar 
vor  dem  großen  .Ausstellungsgebäude.  In  klassisch 
strenger  Formensprache  stellte  er  einen  größeren  Mittel- 
pavillon auf  quadratischem  Grundriß  hin,  der  durcli 
Gänge  mit  2  seitlichen  Pavillons  verbunden  ist.  Den 
durch  Säulen  aufgeteilten  Mittelbau  wird  eine  Reiter- 
gruppe von  Professor  Wrba,  die  in  der  Ausstellung  zu 
sehen  ist,  krönen.  Infolge  der  Beschlagnahme  der  Bronze 
kann  an  den  Guß  dieser  Gruppe  vorderhand  nicht 
gedacht  werden.  Die  .Außenseiten  der  Verbindungsgänge 
haben  Nischen  erhalten,  die  im  Laufe  der  Zeit  Piastiken 
aufnehmen  sollen.  Mit  Ausnahme  der  gut  im  Maßstab 
gehaltenen,  hochgezogenen  Eingangshalle,  die  reiche 
Stuckverzierungen  zeigt,  sind  alle  anderen  Ausstellungs- 
räume, ihrem  Zweck  entsprechend,  einfach  gehalten. 
In  diese  neue  Kunsthalle  ist  nunmehr  die  Künstler- 
vereinigung Dresden  eingezogen,  um  uns  alljährlich  in 
mehteren  Ausstellungen  mit  ihren  Arbeiten  bekannt  zu 
machen.  Die  erste  Ausstellung  wirkt  vielverheißend. 
Anerkennungswert  ist,  daß  auch  die  junge  Künstler- 
schaft zu  Wort  kommen  durfte.  Die  Hängekommission 
hat  in  vorbildhcher  Weise  gearbeitet. 

In  der  Eingangshalle  selber,  die  in  ihrer  formvoll- 
endeten Architektur  die  sorgsame  Hand  der  letzten  Jahre 
Erlweins  erkennen  läßt,  sehen  wir  nur  Plastiken.  Eine 
stilistisch  prachtvolle  Arbeit  ist  der  Negerkopf  von 
Heinrichjobst,  der  in  allen  Einzelheiten  durchstudiert 
und  im  Ton  der  Bronze  glänzend  gelungen  ist.  Von 
Ulfert  Janssen  stehen  2  Büsten  dort,  die  im  .Aufbau 
renaissancistisch  gehalten  sind,  aber  nicht  heranreichen 
an  die  seinerzeit  so  prächtig  gelungene  Büste  des  Malers 
Koppen,  die  in  der  Münchener  Glyptothek  zu  sehen  ist. 
W.  Lehmbruck,  der  lange  Zeit  in  Paris  weilte,  zeigt 
uns  mehrere  seiner  charakteristischen  Arbeiten,  die  mit 
unserer  .Ansicht  über  Plastik  garnicht  übereinstimmen 
wollen.  Nicht  allein  das  äußerste  Betonen  des  inneren 
Erlebens  auf  Kosten  der  plastischen  Durcharbeit,  sondern 
auch  das  mehr  originell  als  schön  wirkende  Abschneiden 
des  Werkes  —  so  ist  eine  Büste  unterhalb  der  Brust, 
eine  sitzende  Figur  mit  halbem  oder  viertel  Bein  dar- 
gestellt —  hebt  allzusehr  das  Malerische  in  den  Vorder- 
grund. Und  doch  fühlt  man  immer  wieder,  welch 
tüchtiger  Plastiker  Lehmbruck  sein  könnte. 

Die  cliristliche  Kunst.     Xll      ii.     i.  August  1916 


Der  durch  einen  schmalen  Verbindungsgang  an- 
hängende Plasiiksaal  ist  leider  so  weiß  und  so  klein 
gehalten,  daß  größere  Werke  nicht  zur  Geltung  kommen. 
Wir  hören,  daß  der  Saal  neu  getönt  werden  soll.  In 
diesem  Kaum  fesselt  zunächst  Wrbas  formvollendete 
Reitergruppe,  die  demnächst  das  .Ausstellungsgebäude 
krönen  soll.  Auf  einem  ruhig  dahinschreitenden  Pferd 
thront  eine  weibliche  Gestalt.  Streng  im  Stil,  praclitvoll 
in  der  geschlossenen  Komposition  klingt  die  ganze 
Gruppe  zusammen.  Auch  die  beiden  Figuren  vom 
MönckebergBrunnen  in  Hamburg,  sowie  die  Seiten- 
figur für  das  Lahmann  Denkmal  auf  dem  Weißen  Hirsch 
zeigen  dieselbe  feine  Hand  für  Stilisierung  und  Form. 
Wir  sehen  noch  die  flott  modellierte  und  charakteristisch 
getroffene  Büste  des  \'aters  des  Meisters. 

Robert  Diez  zeigt  drei  etwas  konventionell  ge- 
haltene Büsten  und  einen  Teil  eines  Denkmals,  eine 
Pietä,  die  in  der  Auflassung  interessant,  in  der  Kompo- 
sition weniger  gut  gelungen  erscheint.  In  starkem  Re- 
lief gehalten  liegt  Christi  Leichnam  auf  einem  vor  der 
Wand  vorspringenden  Sockel,  die  Mutter  Gottes  im 
Hintergrund  hält  voller  Innigkeit  mit  der  linken  Hand 
das  Haupt  Christi,  und  legt  die  andere  Hand  auf  seine 
Brust.  Es  ist  eine  religiös  tief  empfundene  Arbeit. 
Selmar  Werner  hat  diesmal  eine  größere  Bronze- 
arbeit—  Mutter  und  Kind  —  eingesandt;  eine  herbe,  streng 
empfundene  Frauengestalt,  die  ihr  Kind  an  der  Brust 
hält.  August  Schreitmüller  stellt  eine  weniger  be- 
friedigende Arbeit  in  Bronze  »Erwachen«  aus.  Seine 
Büsten,  besonders  die  seiner  Frau,  sind  charakteristischer 
für  seine  Schaffensart.  Sehr  gut  empfunden  ist  der 
Christus  von  Pöppelmann  —  ein  fein  durchgearbei- 
tetes, voller  Empfindung  gezeichnetes  Werk.  Arthur 
Lange,  von  dem  auch  die  im  Vorsaal  stehende  Diana 
stammt,  stellt  zwei  kleinere  Plastiken  aus,  Delphin  und 
.Morgen.  Gut  vertreten  sind  auswärtige  Künstler  wie 
Max  Klinger  mit  der  vornehm  einfacli  gehaltenen 
Marmorbüste  Professor  Wundts.  Hugo  Lederer  mit 
dem  Marmorkopf  Heinrich  Heines  —  ein  Fragment  des 
Hamburger  Heine-Denkmals;  Fritz  Huf  mit  dem  fast 
ins  Ornamentale  gezogenen  Schädel  des  Dichters  Reiner 
.Maria  Rilke  und  Ernst  Barlach,  den  man  wieder  gerne 
sieht,  mit  dem  ruhenden  Wanderer,  eine  seiner  typischen 
Holzschnitzereien.  Kleine  Plastiken  sind  in  den  übrigen 
Räumen  verteilt. 

Von  den  älteren  Dresdener  Malern  zeigt  EugenBracht 
zwei  kleinere,  fein  empfundene  Bilder:  Kastanienallee 
und  Gutshof  Rheinsberg;  das  größere  Bild:  der  Pflüger 
hat  nicht  die  gleiche  Wärme  trotz  der  Eigenart  der  Auf- 
fassung und  des  großen  Zuges.  Otto  Guß  mann  ist  mit 
einer  Reihe  Bildnisse  vertreten,  die  wiederum  das  reiche 
Können  und  die  farbige  Palette  des  Meisters  zeigen.  Das. 
Blumenstilleben  ist  tonisch  sehr  schön  gehalten  und 
ganz  aus  der  Farbe  herausgemalt.  Robert  Sterl  gibt 
vor  allem  in  den  Schiffsziehern  an  der  Wolga  ein  pracht- 
voll ausgeglichenes  Stück  von  hohem  malerischem  Reiz 
und  straffster  Komposition;  es  gehört  mit  zu  den  besten 
seiner  Steinbruchbilder.  Wohl  als  inneres  Erlebnis  seiner 
Reise  an  die  Front  sind  die  beiden  Bilder:  Kameraden 
und  Grablegung  anzusprechen.  Beide  im  goldigen  Ton, 
bei  einfachster  Farbengebung  gehalten,  sind  sie  voller 
Ruhe  und  wirken  durch  die  Unmittelbarkeit  und  Ein- 
fachheit, mit  der  Sterl  den  Vorgang  darstellt.  Ganz 
Farbe  ist  das  Bildnis  von  Schuch  am  Dirigentenpult, 
voll  von  stärkstem  Licht  und  Rasse.  Charakteristische 
Bilder  für  die  einmal  eingeschlagene  Bahn  sehen  wir 
von  Bantzer,  Claudius  und  Emanuel  Hegen barth. 
Von  jüngeren  Künstlern  bringt  uns  eine  Überraschung 
Paul  Rössler,  der  mit  drei  Temperabilder  in  breiter 
Art  heruntergemalt,  wie  alte  kostbare  Glasfenster  schim- 
mernd, vertreten  ist.  Vor  allem  zeigt  die  Aktstudie 
feines    Empfinden    und    hohes    zeichnerisches   Können. 


46 


WIENER  KUNSTBRIEF.  —  AUSSTELLUNG  GURLITT  IN  BERLIN 


Von  H.  Nadler  sehen  wir  zwei  größere  Bilder:  Familien- 
bild und  Schmerz,  das  letztere  vor  allem  durch  die 
Schlichtheit  der  Darstellung  und  Ruhe  in  den  tonischen 
Abstimmung  bemerkenswert. 

Starlc  in  Farbe,  besonders  auch  durch  die  Gegen- 
sätze wirlcend,  fallen  die  Bilder  von  Cilio-Jensen  auf; 
vor  allem  das  Bildnis  der  Frau  Lange  und  das  der 
Mutterrait  Kind.  Er  wähnens  wert  sind  noch  F  r  i  t  z  B  e  c  k  e  r  t, 
Ernst  Richard  Dietze  vor  allem  in  seinem  Bildnis  vom 
verstorbenen  Maler  Wilhelm  Claus,  weniger  gut  in  dem 
Frauenbildnis;  Josef  Hegenbanh,  Meyer-Buch- 
wald mit  seinen  kraftvoll  heruntergemalten  Bildnissen, 
Johannes  Ufer,  Paul  Wilhelm  u.  a.  Überraschend 
gut  wirkt  das  Damenbildnis  von  Walter  Kurau  und 
das  Herrenbildnis  von  Fritz  Stolz  sowie  die  kleinen 
Porträts  der  beiden  Sohne  Wrbas  von  Paul  Perks. 

Von  den  Malern  jüngster  Richtung,  die  sich  laut 
und  eindringlich  gebärden,  ist  der  interessanteste  Felix 
Müller,  der  mit  großem  Ernst  an  seine  Arbeit  heran- 
geht, ohne  indes  irgendwie  Ausgeglichenes  geben  zu 
können.  August  Boeckstiegel  arbeitet  in  derselben 
Richtung.  Ganz  enttäuscht  Richard  Dreher,  der  gegen- 
über seinen  früheren  Bildern  und  Zeichnungen,  voll- 
kommen versagt.  Es  ist  schade,  daß  Dreher,  der  ge- 
rade in  der  Malerei  so  große  Zukunft  liatte,  eine  Rich- 
tung genommen  hat,  die  mit  Malerei  kaum  mehr  etwas 
zu  tun  hat. 

Von  auswärtigen  Malern  sehen  wir  durchweg  Ar- 
beiten bester  Art;  vor  allem  ist  da  Stuck  zu  nennen, 
der  mit  seiner  Amazone  und  Kentaur,  das  in  der  Idee 
aus  zwei  seiner  Plastiken  hervorgegangen  ist,  sein  Können 
zeigt.  Louis  C  o  r  i  n  t  h  zeigt  sein  ganzes  Können  in  zwei 
breitgemalten  Bildern:  Liebeskampf  und  Geschlachtetes 
Schwein.  Wilhelm  Trübner  hat  das  lebensgroße  Bild- 
nis seines  Sohnes  in  Rüstung  geschickt;  Schramm  Zittau 
die  Meute  unter  Bäumen;  Slevogt  die  südliche  Land- 
schaft Taormina;  Von  Hofmann  Am  Berge  Gibad  und 
Schmales  Ufer,  zwei  in  der  Bewegung  prachtvoll  ge- 
zeichnete Akte.  Robert  Breyer,  der  seine  Berufung  als 
Lehrer  für  die  Dresdener  Akademie  leider  abgesagt  hat, 
zeigt  ein  vornehmes  Stilleben  von  hellrot  und  blauem 
Kaffeegeschirr.  Max  Klinger  sandte  ein  älteres  Bild  der 
Frau  Asenijeff;  Von  Habermann  ein  Damenporträt.  Die 
Abendlandschaft  vonW  a  1  d  e  m  a  r  R  ö  sl  e  r  ist  vielleicht,  be- 
dingt durch  ihre  Größe,  nicht  ganz  zusammen  gebracht. 
Die  Aktstudie  von  Weisgerber  ist  malerisch  von  höch- 
stem Reiz;  Pech  st  ein  interessiert  vor  allem  in  seinem 
stark  farbigen  Stilleben. 

Jedenfalls  ist  die  Kunstausstellung  eine  der  besten, 
die  wir  seit  langem  hier  in  Dresden  gesehen  haben, 
wenn  auch  nicht  zu  leugnen  ist,  daß  sie  durch  die  Be- 
teiligung auswäriiger  Künstler  wertvoller  geworden  ist. 


WIENER  KUNSTBRIEF 

Die  Amerling- Auktion.  Nach  viertägiger  Dauer 
ist  in  den  Räumen  des  Dorolheums  die  Versteigerung 
des  künstlerischen  Nachlasses  Meister  Amerlings  been- 
det worden.  Sie  galt  einem  wohltätigen  Zweck,,  denn 
Amerlings  Witwe,  die  nachmalige  Gräfin  Marie  Hoyos, 
hatte  im  Sinne  des  Künstlers  vor  ihrem  Ableben  testa- 
mentarisch verfügt,  d.iß  die  Wiener  Künstlergenossen- 
schaft als  Erbin  eingesetzt  würde  und  zwar  unter  der  Be- 
dingung, daß  aus  dem  Ergebnis  der  zu  versteigernden 
Sammlung  ein  Friedrich-  und  Marie-Amerling-Fonds  zur 
Unterstützung  bedürftiger  Künstler  geschaffen  werde. 
Dieses  Ergebnis  war  nun  erfreulicherweise  ein  überaus 
günstiges,  es  brachte  die  gewaltige  Summe  von  835000 
Kronen  ein,  so  daß  diese  Stiftung  in  ihrer  Wirkung 
für  die  Künstlcrschaft  und  die  österreichische  Kunst  ge- 
wiß eine  sehr  segensreiche  sein  wird. 


Die  Sammlung,  von  Amerling  mit  feinstem  künst- 
lerischem Geschmack  angelegt,  vermehrt  und  gepflegt, 
wies  nicht  weniger  als  tausend  Nummern  auf  und  es 
spricht  für  den  Wert  derselben  schon  der  Umstand, 
daß  bereits  vor  der  öffentlichen  Versteigerung  für 
diesen  Schatz  der  Betrag  von  einer  halben  Million  von 
privater  Seite  geboten  wurde.  Aus  dem  reichen  Nach- 
laß sieht  man  unter  den  Gemälden  alter  Meister  vor 
allem  die  herrliche  Karfreitagsprozession  von  Magnasco, 
dann  einen  Brueghel  den  Alteren  und  viele  hervorra- 
gend schöne  Werke  aus  den  italienischen,  veneziani- 
schen und  niederländischen  Schulen.  Unter  den  alten 
Handzeichnungen  findet  man  einen  Dürer,  einen  Greuze  ; 
nicht  weniger  als  70  Arbeiten  geben  von  der  Kunst 
alter  deutscherund  österreichischer  Silberschmiede  Kunde. 
Unter  anderen  findet  sich  das  Prachtwerk  einer  monu- 
mentalen astronomischen  Uhr  in  Gestalt  einer  Mon- 
stranz mit  zahlreichen  allegorischen  Darstellungen,  fer- 
ner durchwegs  kunstwertige  Stücke  von  Arbeiten  in 
Eisen,  in  Glas,  Stein  und  Elfenbein,  Musikinstrumente, 
Waffen  und  Silberschmiede-Arbeiten,  MajoHken  und 
Fayencen,  Arbeiten  in  Holz,  Bronze,  Kupfer,  Messing 
und  Zinn  usw.,  nicht  zu  vergessen  die  wundervolle 
Kunstmöbel-Sammlung  und  die  eigenartig  schönen  Ge- 
genstande österreichischer  Volkskunst.  Ein  Teil  der 
Kunstwerke  wurde  für  das  Ausland  —  die  Schweiz  und 
Holland  —  erworben,  ein  großer  Teil  natürlich  für  das 
deutsche  Reich,  das  wir  in  Österreich  heute  nicht  mehr 
zum  Ausland  zählen.  Die  Absicht  der  Stifter,  durch 
ihr  Vermächtnis  bedürftigen  Künstern  in  Zeiten  der  Not 
beistehen  und  helfen  zu  können,  hat  sich  jedenfalls  in 
glänzendster  Weise  erfüllt.  Richard  RieJl 


DEUTSCHE    KUNSTLER    DES  19.  JAHR- 
HUNDERTS 


o 


bwohl  wir  sonst  die  Alltags-Ausstellungen  der  Kunst- 
salons möglichst  in  einem  zusammenfassenden  Kunst- 
brief unterzubringen  versuchen,  drängt  doch  eine  Ein- 
zelerscheinung zu  einem  Sonderbericht.  Seit  der  Jahr- 
hundertausstellung in  der  Berliner  Nationalgalerie  ist 
der  neueren  deutschen  Kunstgeschichte  selten  ein  so 
lehrreicher  Rückblick  gewidmet  worden,  wie  es  —  zum 
Besten  der  Kriegshilfe  für  bildende  Künstler  —  die 
Sammlung  von  Werken  deutscher  Künstler  des 
19.  Jahrhunderts  war,  die  der  Kunstsalon  Fritz 
Gurlitt  zu  Berlin  im  Frühjahr  191 6  zeigte.  Zwar  ist 
es  nichts  Besonderes,  daß  man  sich  wieder  mal  an 
Schöpfungen  Allbekannter  freuen  konnte:  u.a.  an  einer 
Wolkenstudie  und  dergleichen  des  alten  J.  C.  C.  Dahl, 
an  >Mutter  und  Kind«  und  sonstigen  Bildnissen  A- 
Feuerbachs,  an  intensiv  sinnvollen,  wenn  auch  we 
niger  dem  .Vnschauungssinn  entgegenkommenden  Land- 
schaften K.  Rottinanns,  an  Spitz weg-Sinnigkeiten, 
an  Steff eckschen  Porträts,  an  einem  Kinderkopf  li.  J. 
v.  Steinles,  endlich  an  Bddern  H.Thomas  und  be- 
sonders an  Radierungen  nach  ihm  von  F.  A.  Born  er, 
die  vielleicht  manclien  noch  mehr  interessieren  können 
als  die  Vorlagen.  Aber  daß  eine  nicht  geringe  Zahl 
minderbekannter  Künstler  und  Kunstwerke  zum  Vor- 
schein kommen,  und  daß  wir  da  in  ein  Streben  hinein- 
blicken, das  von  Sinn  und  Sache,  von  Halt  und  Ge- 
stalt spricht,  aucli  wenn's  nur  erst  die  Zeit  der  Kulisse 
und  noch  nicht  die  der  Tapete  war:  das  lohnt  ein 
\'erweilcn,  das  läßt  Erinnerungen  von  anno  Sc  hack 
aufsteigen  und  an  eine  Zukunft  denken,  die  festhalten 
wird,  was  heute  noch  lebendig  wirkt.  Wir  wählen 
auch  nur  das  aus,  was  uns  besonders  auffiel,  in  zeit- 
licher Anreihung. 

J.  H.  W.  Tischbein   (1751  —  1829),    der    Goetlie- 


AUSSTELLUNG  GURLITT:  DEUTSCHE  KÜNSTLER  DES  19.  JAHRHUNDERTS 


47 


Po'trätist,  zeigt  in  farbigen  Zeichnungen  (> Mutter  und 
Kind«,  >Winzerfest«  u.a.).  wie  sicli  ilini  in  kl.tssizistisclie 
Formen  gut  Rcalistisclies  liineindrängte,  und  wie  aucli 
damals  dekorative  Entwüil'e  (mit  spiingenden  Tieren) 
eine  Raunil<unst  sucliten.  Dann  jener  oberfränlcisclie 
J.  C.  Reinliart  (i 761  — 1847),  der  lange  in  Rom  eine 
Rolle  mit  heroischen  Land.sclialten  spielte  und  in  dem 
hier  zu  sehenden  Bild  die  Atalanta  den  Zentauren  töten 
läßt,  mit  steifen  Figürchen  unter  riesenhaften  Bäumen 
—  wohl  ein  Vorgeschmack  nächstjähriger  Secessions- 
ausstellungen.  Auch  der  Dresdener  G.  v.  Kügelgen 
(1772  —  1820),  der  Vater  des  >alten  Mannes«,  kommt 
mit  einem  seiner  Bildnisse.  Was  eine  frühere  Zeit  an 
historischen  Idealen  in  die  italienische  Landschaft  hinein- 
legte, sagt  uns  F.  Catel  (1778 — 1856)  in  seiner  damals 
erfolgreichen  Manier,  mit  Rosa  in  Rosa  und  Grün  in 
Grün.  Das  Familienhaupt  der  Wiener  Stadtbild-Künst- 
ler und  Lelirer  seiner  Söhne  Rudolf  und  Franz, 
J.  Alt  (17S9  — 1872),  huldigt  dem  (Seradheits-  und  Steif- 
heitsideal durch  ein  »Scliönbrunn« ;  wie  gut  läßt  es 
sich  mit  Späterem  vergleichen !  An  die  beiden  Tier- 
maler J.  Deiker  (1822 — 189$)  und  K.  F.  Deiker  (1856 
bis  1892)  ist  die  Erinnerung  wohl  nocli  aufrecht,  kaum 
jedoch  an  deren  Vater  in  Wetzlar  F.  Deiker  (1792  bis 
1843),  von  dem  hier  trefi'liche  Bildnisse  zum  Vorschein 
kommen.  Auch  der  Blechen-Schüler  und  Italien- 
landschafter unter  Catelschem  Einfluß  F.  A.  Elsasser 
(1810 — 1845)  ragt  hervor.  Der  Dresdener  Dahl-Schü- 
1er,  Reiseschilderer  und  Künstlerpatriarch  K.  R.  Kum- 
mer (1810 — 1889)  erfreut  durch  eine  »Gebirgsland- 
straße«  und  —  von  1885  —  eine  Postkutsche.  Das  rich- 
tige gute  alte  Genre  aus  München  bringt  K.  v.  Enhuber 
(1811  — 1867).  Der  vielgereiste  Landschafter  L.  Gurlitt 
aus  Altona  (1812  — 1897),  Vater  des  Architekturhisto- 
rikers, fällt  durch  holsteinische  Landschaften  auf  Der 
Schweriner  Th.  Fischer  (1817  — 1875)  ist  durch  ein 
Bildnis  vertreten.  Fast  Böcklinisch,  nur  spitziger  ge- 
malt, ist  der  >Gebirgsbach«  des,  unserem  Gedächtnis 
anscheinend  entschwundenen,  Düsseldorfers  K.  Jung- 
heim (1S30 — 1880).  Aber  noch  lebt  wohl  der  Rhein- 
pfilzer  und  Münchener  K.  Mathes  (1842  oder  1843) 
und  hat  mit  seinem  »Interieur«  die  Kunst  des  Grau  in 
Grau  so  bewährt,  dal!  sie  auch  von  heute  sein  könnte ; 
die  Lindenschmit-Schule  scheint  lange  vorzuhalten. 
Vertrauter  klingt  der  Name  des  frühe  gut  vorgeschritte- 
nen A.  Stabil  aus  Winterthur  (1842 — 1901),  dessen 
'Landschaft«  gut  auffällt.  Auch  E.Jettel  (1845  — 1901) 
scheint  inzwischen  in  die  >retrospektive«  Liebe  aufge- 
nommen zu  sein  ;  ein  Chieniseebild  rechtfertigt  es.  Der 
Ansbacher  Th.  Alt  (1846),  Mitschüler  Lei  bis,  hier 
mit  einem  Porträt  seiner  Mutter  vertreten,  zählt  auch 
noch  zu  den  Lebenden. 

Merkwürdig  gering  ist  die  religiöse  Kunst  vorhanden, 
obwohl  ihr  Kügelgen  und  Mathes  und  gar  Steinle 
nahestanden,  und  obwohl  wir  uns  da  in  den  Zeiten  der 
Nazarener,  der  Alt-Düsseldorfer  und  der  Idealisten  vom 
ApoUinarisberg  bewegen.  Gerade  noch  der  »Studien- 
köpf  eines  Mönches«  erinnert  an  solclie  Interessen  und 
an  einen  der  würdigsten,  seelischesten  Darsteller  von 
Religiösem:  an  den  Hanauer  G.  Cornicelius  (1825 
bis   1898). 

Hcrlin-Halcnsee  Dr.  ILiils  SchmidliUnz 


GLASMALEREIEN   ALS   KRIEGSERINNE- 
RUNGSZEICHEN 

pur  die  katholische  Pfarrkirche  von  Mergentheim  hat 
Albert  Figel  zwei  Glasmalereien  geschaffen,  die 
in  der  Zettlerschen  Anstalt  ausgeführt  worden  sind. 
Ihren  Platz  werden  sie  im  Chore  der  Kirche  be- 
kommen.    Vier  Fenster   sind  daselbst   vorhanden,   von 


denen  zwei,  damit  der  Raum  nicht  zu  sehr  verdunkelt 
werde,  helle  \erglasung  behalten  sollen.  Die  Figel- 
sehen  Fenster  sind  Kriegserinnerungszeichen ;  die  Kir- 
chengemeinde verdient  Anerkennung  dafür,  daß  sie  das 
Gedächtnis  ihrer  gefallenen  und  die  Ehre  ihrer  heim- 
gekehrten Helden  auf  solche  Art  zu  feiern  beschlossen 
hat.  —  Die  Bilder,  von  denen  jedes  10  Meter  lioch 
ist,  werden  miteinander  verbunden  durch  ihren  ge- 
danklichen Inhalt,  äußerlich  durch  die  Gleichmäßig- 
keit ihrer  Anordnung,  auch  durch  die  in  zwei  Teile 
zerlegte  Schrift  »Durch  Kampf«  —  »Zum  Sieg«.  Ein 
jedes  zeigt  unten  eine  größere  Fläche  zur  Unterbringung 
der  Namen  von  Gefallenen,  dabei  in  einem  Bilde  das 
Eiserne  Kreuz,  in  dem  andern  das  Kreuz  des  Deutsch- 
ordens, dem  die  Kirche  von  Mergentheim  ihre  Entste- 
hung verdankt.  Darüber  erheben  sicli,  umgeben  von 
streng  aufgeftßtem  Ornamentschmucke,  die  in  je  fünf 
Flächen  untergebrachten  figürlichen  Darstellungen.  — 
Das  Fenster  links  ehrt  die  Gefallenen.  Hier  sieht  man 
von  unten  nach  oben :  den  Abschied  eines  Kriegers 
von  Weib  und  Kind ;  seinen  Tod  auf  dem  Schlacht- 
felde, bei  ihm  eine  Krankenschwester,  im  Hintergrunde 
eine  brennende  Ortschaft ;  endlich  sein  Grab,  das  von 
einem  Kinde  mit  einem  Rosenkranze  geschmückt  wird. 
Darüber,  von  den  erwähnten  Bildern  durch  einen  Schrift- 
streifen getrennt,  thront  eine  in  ergreifender  Weise  dar- 
gestellte Pietä,  und  oberhalb  dieser  sieht  man  zwei 
weinende  Engel.  —  Das  Fenster  rechts  gedenkt  der 
Heimgekehrten,  gleichfalls  in  drei  Darstellungen :  das 
Wiedersehen  von  \'ater  und  Sohn  in  der  irdischen  Hei- 
mat; das  Dankgebet  des  Kriegers  an  einem  Feldkreuze; 
die  himmlische  Belohnung  durch  den  göttlichen  Hei- 
land, der  dem  Helden  einen  Lorbeerkranz  aufs  Haupt 
setzt.  Auch  hier  folgt  ein  querlaufender  Streifen  mit 
einem  Spruche.  Darüber  erblickt  man  die  fürbittende 
Muttergottes  in  einer  Strahlenglorie,  ganz  oben  zwei 
Engel,  die  über  dem  Haupte  der  hl.  Jungfrau  eine  Krone 
halten.  In  kleineren  Seitenflächen,  die  zwischen  dem 
Ornamente  ausgespart  sind,  wurden  in  jedem  Fenster  vier 
Wappen  angebracht:  das  deutsche,  österreichischunga- 
rische, bulgarische,  türkische ;  —  das  preußische,  baye- 
rische, württembergische  und  sächsische.  —  Der  Stil 
der  Zeichnungen  paßt  sich  dem  frühgotischen  der  Kirche 
an,  doch  sind  die  szenischen  Darstellungen  mit  voller 
Naturwahrheit  gegeben,  dabei  ruhig  und  groß  stilisiert. 
Die  Farben  sind,  wie  bei  Figel  gewohnt,  tief  und  stark, 
voller  Leuchtkraft,  die  geschickt  angeordnete  Verbleiung 
der  Gläser  trägt  wesentlich  zur  Lebendigkeit  der  Wir- 
kung  bei.  Docring 


VERMISCHTE  NACHRICHTEN 

Die  Ausstellung  über  Fried hofskunst  und 
Krieger  eh  rung,  die  der  Westfälisclie  Heimat- 
bund für  Anfang  Juli  im  Kreuzgang  des  Domes  zu 
Münster  plante,  ist  bis  September  verschoben  worden. 
Die  Eröffnung  ist  nunmelir  auf  den  12.  September  fest- 
gesetzt. Der  Westfälische  Heimatbund  kommt  mit  dieser 
Verlegung  der  Eröffnung  einem  aus  Künstlerkreisen 
geäußerten  Wunsclie  entgegen.  Die  Scliwierigkeit,  ent- 
sprechende Arbeitskräfte  zu  beschaflen,  stellte  die  Fertig- 
stellung einer  Reihe  interessanter  Ausstellungsstücke  in 
Frage.  Deshalb  ist  die  Einlieferungsfrist  nunmehr  bis 
zum  20.  August  verlängert  worden. 

Kriegsgedenkzeichen.  —  Am  20.  März  1916 
wurde  in  der  zahlreich  besuchten  sozialen  Priesterkon- 
ferenz zu  Altötting  ein  Lichtbilder-Vortrag  über  Kriegs- 
gedenkkunst abgehalten.  Referent  war  H.  H.  Dr.  Kappel, 
Maler  und  Kunsthistoriker  aus  München.  Unter  Hinweis 
auf   die    auch    staatlicherseits    in    allen    Teilen    unseres 


48 


BUCHERSCHAU 


deutschen  Landes  einsetzenden  Bestrebungen  zur  För- 
derung echter,  guter  Kriegsgedächtniskunst,  verbreitete 
sich  der  Vortragende  eingehend  über  den  im  Vorjahr 
von  der  Deutschen  Gesellschaft  für  christliche  Kunst  ver- 
anstalteten Wettbewerb  an  der  Hand  der  von  dieser 
Gesellschaft  lierausgegebenen  ausgezeichneten  Licht- 
bilderserie. Die  vielfachen  Vorschlage  über  die  Art  und 
Weise  der  künstlerischen  Gestaltung  von  Kriegsgedenk- 
zeichen durch  die  Baukunst,  Bildnerei,  Malerei  und 
durch  das  Kunstgewerbe  wurden  allseits  mit  größtem 
Interesse  aufgenommen.  Es  besteht  die  wohlbcgründete 
Hoffnung,  daß  die  begrüßenswerten  Anregungen  der 
Deutschen  Gesellschaft  für  christliche  Kunst  nach  dem 
Kriege  recht  viel  praktisches  Leben  gewinnen.    a.V. 

Herr  Edwin  Graf  von  Henckel-Donnersmarck, 
der  bekannte  schlesische  Magnat  und  Rennstallbesitzer, 
z.  Z.  im  Felde,  dessen  Rennstall  sich  in  Hoppegarten 
befindet,  hat  anläßlich  des  für  uns  glücklichen  Fort- 
ganges des  Weltkrieges  für  die  Kirche  daselbst  ein 
Kriegsgedenkfenster  gestiftet  und  den  Kunst-  und  Glas- 
maler Carl  Busch,  Berlin-Südende,  nach  dessen  Ent- 
wurf, mit  der  Herstellung  betraut. 

Preisausschreiben  für  bildende  Künstler- 
Schüler  der  k-  k.  Akademie  der  bildenden 
Künste  in  Wien.  In  der  k.  k.  Akademie  der  bilden- 
den Künste  in  Wien  gelangen  in  diesem  Jahre  sechs 
>Hof-«  oder  sogenannte  »Kaiserpreise«  zur  Vergebung 
und  zwar  drei  Preise  erster  Klasse  (goldene  Medaillen 
im  Gewichte  von  sechzig  Dukaten)  und  drei  Preise 
zweiter  Klasse  (silberne  Medaille  in  der  Größe  der  gol- 
denen nebst  sechs  Dukaten).  Es  sind  jedoch  nur  im 
matrikulierte,  in  einem  der  im  Reichsrate  vertretenen 
Länder  heimatberechtigter  Schüler  der  Akademie,  deren 
Ausbildung  schon  die  Fähigkeit  höherer  Kunstrichtung 
in  sich  schließt,  berechtigt,  sich  an  dieser  Preisbewer- 
bung zu  beteiligen.  Die  Arbeiten  müssen  zur  Zeit  der 
AkademieSchulausstcUung  abgeliefert  werden.  Das 
akademische  Professoren-Kollegium  hat  folgende  Kon- 
kurrenzaufgaben festgestellt:  i.  Malerei:  Aus  den  sieben 
Werken  der  Barmherzigkeit,  Nummer  sechs;  Die  Ge- 
fangenen erlö.en.  2.  Bildhauerei :  Aeneas  verläßt  Troja, 
seinen  Vater  Anchises  am  Rücken  tragend  und  seinen 
kleinen  Sohn  Askanios  führend.  5.  Architektur:  Ent- 
wurf für  ein  Museum  zur  Unterbringung  von  Erinne- 
rungen an  den  Weltkrieg.  r. 

Kunstauftrag  der  Stadt  Wien.  Der  Wiener 
Stadtrat  hat  die  Anfertigung  eines  Bildes,  Bürgermeister 
Dr.  Vv'eiskirchner  unter  den  Truppen  an  der  Isonzo- 
front  darstellend,  mit  den  Kosten  von  5000  Kronen 
genehmigt.  Ferner  hat  der  Stadtrat  15000  Kronen  zur 
Erteilung  von  Notstandsaufträgen  an  Wiener  Bildhauer 
bewilligt. 

Wiener  Ausstellungen.  Seit  unserem  jüngsten 
Ausstellungsbcricht  hat  nunmehr  auch  die  Wiener  Früh- 
jahr Sausstellung,  die  wie  auch  sonst,  außerordent- 
lich reichhaltig  beschickt  war,  ihre  Pforten  geschlossen. 
I{s  genügt  zu  sagen,  daß  neben  einigen  neueren  Talen- 
ten in  der  Hauptsache  wieder  die  wohlbekannten  Wie- 
ner Meister  vertreten  waren  und  zwar  durchweg  in 
recht  würdiger  und  anerkennenswerter  Weise.  Die 
Ausstellung  ließ  uns  aber  auch,  wie  die  meisten  ilirer 
Vorgängerinnen,  das  religiöse  Motiv  fast  ganz  vermis- 
sen; außer  Cancianis  prächtiger  »Pietas«  —  Christus 
schmerzerfüllt  auf  einem  mit  Totenschädeln  bestreuten 
Wege  wandelnd  und  Zeleznys  ergreifender  »Mater 
dolorosa«   —  haben  wir  keine   größere  religiöse  Ar- 


beit bemerkt.  Zimmermanns  >Lasset  die  Klei- 
nen zu  mir  kommen«,  ist  ein  sehr  hübsches  Bild, 
gehört  aber  doch  schon  in  ein  anderes  Gebiet.  Sonst 
ist  im  allgemeinen  ziemlich  viel  Raum  von  den  Schöp- 
fungen mit  Motiven  aus  dem  Vv'elikrieg  eingenommen, 
die  aber  mehr  oder  minder  den  schon  früher  bespro- 
chenen ähnlich  sind.  Von  sonstigen  Ausstellungen,  an 
denen  in  Wien  nachgerade  etwas  zu  viel  des  Guten 
getan  wird,  sind  zu  erwähnen:  Die  >Dezenniums- 
ausstellung  des  österreichischen  Künstler- 
bundes«, die  »Ausstellung  des  Wirtschaftsver- 
bandes bildender  Künstler«,  die  Kollektivaus- 
stellungen Uriel  Birnbaum  (Kunstsalon  Heller), 
Ludwig  Michalek  (Kunstsalon  Halm  &  Goldniann), 
die  Kollektion  der  Brüder  Goncourt,  die  Samm- 
lung von  Hofrat  Professor  Emil  Zuckerkand! 
mit  prachtvollen  Stücken  .\ltwiener  Porzellans  hatte  sich 
mit  Recht  die  Bewunderung  distinguierter  Kunstkreise 
in  hohem  Grade  erworben  und  selbstversändlich  auch 
einen  glänzenden  materiellen  Erfolg  aufzuweisen.       R. 


BÜCHERSCHAU 

Handbuch  der  Kunstwissenschaft.  Heraus- 
gegeben von  Dr.  Fritz  Burger  in  München  in  Verbin- 
dung mit  den  Universitäls-Professoren  Curtius-Erlangen, 
Egger-Graz,  Hartmann-Straßburg,  Herzfeld  und  Wulfi- 
Berlin,  Neuwirth-Leipzig,  Weese-Bern,  Willich  und  Ober- 
bibliothekar Leidinger-München.  Mit  ca.  5000  Abbil- 
dungen. In  Lieferungen  ä  M.  1.50  (Akademische  Ver- 
lagsgesellschaft, Neubabelsberg),  Lieferung  n — 28. 

Seit  unserer  letzten  Besprechung  dieses  großen,  ori- 
ginellen und  sehr  gediegenen  Unternehmens  erschie- 
nen die  Lieferungen  15 — 28  in  rascher  Aufeinander- 
folge, alle  nicht  minder  reichhaltig  und  schön  ausge- 
stattet als  die  früheren.  Mit  Lieferung  1 3  beginnt 
Dr.  Ludwig  Curtius  den  Abschnitt  »Die  antike  Kunst«. 
Die  Malerei  und  Plastik  des  Mittülalters  wird  im  16.  Heft 
von  Dr.  Georg  Graf  Vitztum  in  Angriff  genommen. 
Dr.  Wilhelm  Pinder  bearbeitet,  beginnend  mit  Liefe- 
rung 1 7,  die  deutsche  Plastik  vom  ausgehenden  Mittel- 
alter bis  zum  Ende  der  Renaissance.  In  der  18.  Liefe- 
rung eröffnet  Dr.  Ing.  Hans  Willich  den  .\bschnitt  über 
die  Baukunst  der  Renaissance  bis  zum  Tode  Michel- 
angelos. In  den  anderen  Lieferungen  werden  die  frü- 
her begonnenen  Abschnitte  weiter  geführt.  Für  jetzt 
nur  dieser  Hinweis,  gesonderte  Besprechungen  der  ein- 
zelnen Partien  folgen. 

Am  22.  Mai  ist  der  Herausgeber  Dr.  Fritz  Burger 
vor  Verdun  gefallen.  Für  die  Fortführung  der  Arbeiten 
des  Herausgebers  wurde  Prof.  Dr.  Brinckirrann  gewonnen. 
Eine  weitere  Arbeitsteilung  unter  Beiziehung  einiger 
neuer  Mitarbeiter  ist  vorgesehen,  um  das  Erscheinen 
des  Handbuches  nicht  ins  Stocken  kommen  zu  lassen, 
da  eine  Anzahl  der  alten  Mitarbeiter  im  Felde  steht.    s.Si. 


ZU  DEN   BILDERN  DIESES  HEFTES 

Die  farbige  Sonderbeilage  gibt  ein  Gemälde  wieder, 
welches  sich  in  der  Kgl.  Alten  Pinakothek  zu  München 
befindet.  Das  Original,  von  einem  westfälischen  Maler, 
stammt  aus  der  Zeit  um  1450 — 1460. 

Das  Einschaltblatt  nach  S.  312,  ein  Altargemälde  zu 
Köln-Zollstock  von  Johann  Huber-Sulzemoos,  w-urde  in 
der  Beilage  zum  8.  Hefte,  S.  25,  ausführlicli  besprochen. 
Von  dem  genannten  Künstler  stammen  die  Originale 
zu  den  Abb.  S.  511  —  519.  Huber  Sulzenioos  ist  am 
21.  März  1875  zu  Sulzemoos  geboren. 


die  Redaktion 


licfa  :  S.  Suudha 


istliche  Kunst,  GmbH. 


N        Die  Christliche  Kunst 
7810 

C48 
Jg.  12 


PLEASE  DO  NOT  REMOVE 
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